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German Pages [384] Year 2010
Heinz Huber
Geschichte der Medizinischen Fakultät Innsbruck und der medizinisch-chirurgischen Studienanstalt (1673–1938)
Unter Mitarbeit von Verena Plankl
B ö h l a u V e r l ag W i e n · K ö l n · W e i m a r
Gedruckt mit der Unterstützung durch die Chirurgische Universitätsklinik Innsbruck Univ.-Prof. Dr. R. Margreiter
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http ://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78417-3 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Über setzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2010 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co.KG, Wien · Köln · Weimar http ://www.boehlau.at http ://www.boehlau.de Umschlaggestaltung: Judith Mullan Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier. Druck : Dimograf
Danksagung
Ein aufrichtiger Dank gilt insbesonders Frau Univ.-Prof. Dr. Brigitte Mazohl, ihrem Vorgänger Univ.-Prof. Dr. Josef Riedmann und dem Innsbrucker Historischen Institut. Ihnen und deren Mitarbeitern danke ich viel ihrer Zeit. Die Arbeit geht auf die Anregung und Unterstützung von Univ.-Prof. Dr. Raimund Margreiter zurück. Trotz seiner vielen Verpflichtungen in der chirurgischen Patientenbetreuung, Lehre und Forschung, gab er mir die Chance, an seiner Klinik und mit sekretarieller Hilfe von Frau Verena Plankl diese Geschichte der Innsbrucker Medizinischen Fakultät mit ihrem Umfeld darzustellen. Weiterführende und praktische wissenschaftliche Hilfe danke ich dem früheren Leiter des Universitätsarchives, Univ.-Prof. Dr. Gerhard Oberkofler und insbesonders seinem Schüler/Nachfolger Univ.-Doz. Dr. Peter Goller, der mich als Seniorstudent wie kameradschaftlich beraten und unterstützt hat. Der Bibliotheksdirektor i. R. Hofrat Dr. Walter Neuhauser gab mir wertvolle Hinweise zum Innsbrucker mittelalterlichen Kräuterbuch. Vor allem bei Beginn der Manuskriptabfassung unterstützte mich Dr. Karl Mager, der mit der Führung des Innsbrucker Anatomischen Museums betraut ist. Herrn Prof. Hugo Wolf bin ich für seine Beratung bezüglich Fragen zur Immunologie und Mikrobiologie verbunden. Herrn Prof. Bernd Binder und Frau M. Pinkawa (Medizinische Universität Wien) verdanke ich die Daten zu den Publikationsleistungen/Impaktfaktoren der medizinischen Fakultäten/Universitäten von Wien, Graz und Innsbruck. Schließlich sei ein besonderer Dank an die Innsbrucker Universitäts- und Landesbibliothek mit ihrem Direktor Hofrat Dr. Martin Wieser und seinem Bibliotheksteam ausgesprochen. Obwohl an der hiesigen Universitätsbibliothek die Medizingeschichte keineswegs einen Schwerpunkt darstellt, wurde mir durch die ULB Innsbruck tatkräftigste Hilfe geleistet. Ein aufrichtiger Dank gilt dem Böhlau-Verlag für die vielfältige Hilfe zur schließlichen Publikation dieser Arbeit. Besonders verbunden bin ich dabei Frau Dr. Eva Reinhold-Weisz und Herrn Michael Rauscher. Nur mit ihrer geduldigen Unterstützung konnte das Manuskript dann zur Druckreife gebracht werden.
Professor Raimund Margreiter und der Innsbrucker Chirurgischen Klinik gewidmet.
Vorwort
Was wert ist, aufgeschrieben zu werden, unterliegt der subjektiven Einschätzung. Da die jahrhundertealte Geschichte der Medizin und im Besonderen der Chirurgie in Innsbruck noch nicht aufgearbeitet war, war es aus naheliegenden Gründen und nicht zuletzt, weil mit fortschreitender Dauer doch das eine oder andere Faktum verloren zu gehen drohte, schon lange meine Intention, diese zu Papier zu bringen. Da mir jedoch für die Erstellung eines historischen Werkes das dafür erforderliche Hintergrundwissen fehlte, habe ich nach einem Partner Ausschau gehalten und bin schließlich in der Person des Heinz Huber fündig geworden. Er schien mir als emeritierter internistischer Onkologe, der gerade dabei war, sein Geschichtsstudium zum Abschluss zu bringen, der ideale Partner zu sein. Für die Aufgabe prädestiniert haben ihn weiters die Tatsache, dass er als Tiroler lange an der Klinik in Innsbruck tätig und ältester Sohn des ehemaligen Vorstandes der Chirurgischen Klinik war. Er wollte jedoch die Darstellung nicht auf die Chirurgie beschränken, sondern auf die ganze Medizin ausdehnen. Seine überaus akribische Art – wahrscheinlich ist dies ein absolut notwendiger Charakterzug für einen Historiker – hat zu dem geführt, was nunmehr in Buchform vorliegt. Wenn ich auch nicht allzu intensiv in die Arbeit eingebunden war, so war es für mich doch eine spannende und lehrreiche Zeit. Das Buch möge an der Geschichte interessierten Medizinern und an der Medizin interessierten Historikern als Lektüre und Nachschlagewerk dienen. Sollte es noch weitere Kreise ansprechen, würde es mich freuen. Univ.-Prof. Dr. R. Margreiter
Vorwort Mit großer Freude und Genugtuung stelle ich der vorliegenden Publikation, deren Entstehung ich über viele Jahre hinweg begleiten durfte, einige Worte zum Geleit voran. Wenn ein erfolgreicher Mediziner, Primarius für Innere Medizin und Onkologie an der Universität Wien, nach seinem aktiven Berufsleben seine Leidenschaft für die Geschichte entdeckt und diese Leidenschaft dann tatsächlich in einem überaus engagierten und arbeitsintensiven Studium auch konkret umzusetzen bereit ist, so bedeutet das für die universitäre Geschichtswissenschaft an sich schon einen großen Gewinn. Ganz besonders fruchtbringend wirkt sich eine solche zweifache Kompetenz aber dann aus, wenn der künftige Historiker, wie dies bei Heinz Huber der Fall war, seine bisherige Berufserfahrung und Lebenswirklichkeit konstruktiv und kreativ in sein Studium und sein wissenschaftliches Interesse einfließen lässt und daraus eine wissenschaftliche Abschlussarbeit hervorgeht, die beides – Medizin und Geschichte – in vorbildlicher Weise verbinden kann. Bei Heinz Huber lassen sich allerdings die Freude an der Geschichte und die historische Begabung darüber hinaus auch noch aus einer geschichtsträchtigen familiären Tradition begründen: Vielleicht hat ihm sogar sein Urgroßvater, der über die Grenzen Österreichs hinaus bekannte und gerühmte Tiroler Historiker Alfons Huber (1834–1898), ein besonderes „Historiker-Gen“ mitgegeben. Die vorliegende Schrift über die Medizinische Fakultät der Universität Innsbruck – zugleich als Diplomarbeit an eben dieser Universität angenommen – zeugt jedenfalls von ebenso profunder historischer wie medizinischer Kennerschaft. Sie begnügt sich freilich nicht damit, einen umfassenden und materialreichen Überblick über die wechselvolle Geschichte der Medizinischen Fakultät in Innsbruck vor dem Hintergrund der Geschichte der Universität insgesamt zu geben; sie nimmt darüber hinaus auch die Entwicklung des Faches und der Kernaufgaben der Medizin in den Blick und zeichnet deren Werdegang von der traditionellen Heilkunde der frühen Neuzeit bis zur modernen wissenschaftlichen Disziplin in anschaulicher Weise nach. Heinz Hubers Forschungsarbeit ist daher für Mediziner und Historiker gleichermaßen von Interesse – für die Universität Innsbruck selbst erfüllt sie ein seit Langem eingemahntes Forschungsdesiderat, wofür dem Autor auch im Namen der Universität herzlich zu danken ist. o. Univ.-Prof. Dr. Brigitte Mazohl Institut für Geschichte und Ethnologie an der Universität Innsbruck
Vorwort
Bekanntlicherweise wächst das Wissen in der Medizin heutzutage exponentiell. Hierdurch werden Ausbildungsschwerpunkte ständig verändert, aber auch die Strukturen medizinischer Universitäten/Fakultäten. Platz für Wissen aus der Vergangenheit, wie z. B. Medizingeschichte, ist im modernen Medizinstudium nicht vorhanden. Auch sind die „RAM-Speicher“ in den Köpfen vieler aktiver ProfessorInnen so sehr durch Multitasking belastet, dass – wenn überhaupt – nur wenig geistiger Platz für die Geschichte der eigenen Universität/Fakultät bleibt. Dies ist bedauerlich, denn die Kenntnis über die Vergangenheit der eigenen universitären Einrichtung und ihrer führenden Köpfe ist eine gute Voraussetzung, um Zugehörigkeitsgefühl zur selbigen zu schaffen, also für die „Corporate Identity“. Ein Grund mehr, warum das Erscheinen eines historischen Überblicks über die Medizin in Innsbruck seit ihrer Gründung 1673 bis zum Zweiten Weltkrieg gerade jetzt an Bedeutung gewinnt, ist die Trennung der Medizin von der Leopold-Franzens-Universität im Jahre 2002 mit all ihren Konsequenzen. Schaut man zurück in die Geschichte der Innsbrucker Medizin, so besteht sie nahezu seit Gründung der Gesamtuniversität. Sie baute eine Brücke zwischen den traditionellen oberitalienischen Universitäten und den süddeutschen, was sie auch heute noch tut. Sie hatte sehr früh eine Lehrkanzel für Chirurgie und entlässt im Jahre 2009 einen Chirurgen, der in jüngster Vergangenheit Geschichte gemacht hat. Dieser sprach sich 2002 – wie die meisten in der Medizinischen Fakultät – deutlich gegen eine Trennung von der Stammuniversität aus. Vielleicht weil er die Geschichte kannte, wonach die Innsbrucker Medizin phasenweise nicht universitär, sondern Lyzeum war bzw. ganz eingestellt wurde. Natürlich waren die damaligen Entwicklungen ebenso abhängig von politischen Entscheidungen, wie es die aktuellen Ereignisse sind. Aus dem Erkennen der historischen Parallelitäten sollten wir für die Zukunft lernen und eine selbstbewusste und hervorragende Innsbrucker Medizin in universitärer Form weitertragen. o. Univ.-Prof. Dr. Helga Fritsch Vizerektorin im Gründungsrektorat der Medizinischen Universität Innsbruck
Vorwort
Im Jahre 2004 wurde die Medizinische Fakultät aus der 1669 gegründeten LeopoldFranzens-Universität Innsbruck herausgelöst und zur autonomen Medizinischen Universität Innsbruck erhoben. Damit findet eine äußerst bewegte und abwechslungsreiche Geschichte der Medizinischen Fakultät an der Innsbrucker Universität ihren Abschluss. Es ist ein großes Verdienst des Autors, Univ.-Prof. Dr. Heinz Huber, die Geschichte der Medizinischen Fakultät seit ihren Anfängen nicht nur in ihrem politisch-gesellschaftlichen Kontext, sondern auch in ihrer wissenschaftlich-praktischen Entwicklung nachgezeichnet zu haben. Der Leser wird in anschaulicher Weise sowohl mit der Entwicklung der einzelnen medizinischen Fächer wie auch mit den zahlreichen Forscher- und Lehrerpersönlichkeiten vertraut gemacht. Die im Jahre 1673 errichtete Medizinische Fakultät in Innsbruck konnte zu Beginn zwar in besonderem Maße von der Nähe und medizinwissenschaftlichen Entwicklung der oberitalienischen Universitäten profitieren. Trotzdem erlaubten die spärlichen und zögerlich bereitgestellten Finanzmittel nur einen bescheidenen Ausbau. In der Regierungszeit der Kaiserin Maria Theresia erfolgte eine starke Zentralisierung und Konzentrierung der Ausbildung auf die Universitäten Wien und Prag. Ihr Nachfolger, Josef II., trieb die aufklärungsbedingte Praxisorientierung auf die Spitze und löste im Jahre 1782 kurzerhand die Universität Innsbruck auf. Die Medizinische Fakultät wurde zu einem Lyzeum mit Praxisunterricht zurückgestuft. Nach der bayerischen Besetzung im Gefolge der Napoleonischen Kriege und der Rückkehr Tirols zu Österreich im Jahre 1814 führten intensive Bemühungen der Tiroler Provinzregierung zur Wiederbegründung der Universität Innsbruck durch Kaiser Franz I. im Jahre 1826. Die mit allerhöchster Genehmigung nun Leopold-Franzens-Universität genannte Universität umfasste allerdings nur mehr die Fakultäten Philosophie und Recht. Theologen wurden weiterhin im Seminar der Diözese Brixen und Medizinstudenten auf der Ebene eines Lyzeums ausgebildet. Die Wiederherstellung der Universität als Volluniversität mit den vier Fakultäten Theologie, Philosophie, Jus und Medizin erfolgte erst unter Kaiser Franz Joseph im Jahre 1869. Die neu errichtete Medizinische Fakultät konnte nun als einzige Fakultät im Westen des Habsburgerreiches ihre Ausbildungstätigkeit wieder aufnehmen. Vielen Medizinstudenten wurde dadurch das aufwendige Studium in Wien oder Prag erspart. Rasch entwickelte sich die Innsbrucker Fakultät zu einem führenden Zentrum der medizinischen Ausbildung und Forschung in ganz Österreich.
XIV
Vorwort
Ich bin sicher, dass die inhaltsreiche und spannende Geschichte der Innsbrucker Medizinischen Fakultät einen großen Leserkreis sowohl von fachlich Nahestehenden wie auch von geschichtlich Interessierten gewinnen wird. Die Entwicklung von der Fakultät zur nunmehr eigenständigen Medizinischen Universität zeigt, wie wissenschaftlicher Pioniergeist – auch unter widrigen Umständen – eine herausragende Forschungs- und Ausbildungsstätte schaffen kann. o. Univ.-Prof. Dr. Christian Smekal
Inhaltsverzeichnis
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
I. Teil : Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782).. . . . . . 3 1. Die Gründung der Universität Innsbruck (1669–1677) und der Medizinischen Fakultät (1673/74). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Die Innsbrucker Medizinische Fakultät – von der Gründung bis zur Regierungszeit Karls VI. und den ersten Jahren von Maria Theresia (1673/74–1748). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Professoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 17
3. Die frühe Errichtung einer Lehrkanzel für Chirurgie in Innsbruck (1733–1737) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Zu den Aufgabengebieten der damaligen Chirurgie.. . . . . . . . . . . . 3.2 Die Lehrkanzel für Chirurgie in Innsbruck. . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 33 34
4. Die späteren Jahre der Ersten Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1748–1782) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die starke Hand des Staates – neue Räume für die Universität.. . . . . . 4.2 Wirkungen der Reformen von Maria Theresia und Josef II. auf die Universität Innsbruck.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Chotek’schen Reformkonzepte.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die folgenden Reformschritte unter besonderer Berücksichtigung des Martini’schen Nominales von 1766.. . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Finanzierung der Universitätsreform unter Maria Theresia und Josef II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die medizinischen Ausbildungsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die alte Universität im Kollegiengebäude. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Bürgerspital.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Professorenernennungen 1748–1782.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Die letzten Jahre der ersten Medizinischen Fakultät und der Übergang zum Lyzeum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 40 42 43 46 50 51 51 54 55 58
XVI
Inhaltsverzeichnis
4.6 Zu den verwendeten Lehrbüchern (17. bis frühes 19. Jahrhundert). . . . 4.7 Exkurs : Das Bild des Arztes und sein Verhalten : Die Schrift von Ferdinand Karl v. Weinhart zum „pflichtbewussten Arzt“ (1703) . . . . .
61 65
II. Teil : Gestern Universität, heute Lyzeum und vorübergehend sogar Einstellung des medizinischen Unterrichts (1782–1869) . . . . . . . . . 69 1. Der Innsbrucker medizinisch-chirurgische Unterricht vor der bayerischen Zeit (1782–1805) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die Professoren – Ernennungen und Wiederbestellungen (1782–1805).. 2. Die königlich-bayerische Universität (1806–1810) und das bayerische Lyzeum in Innsbruck (1810–1814). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Innsbrucker Universität im Zeichen der bayerischen Aufklärung.. . 2.2 Zum Curriculum in der bayerischen Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Umstrittene Reformen im Gesundheitswesen während der bayerischen Besatzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Die Abschaffung des Innsbrucker Medizinischen Unterrichtes in der bayerischen Zeit (1911) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Wiedervereinigung Tirols mit Österreich und die neuerliche Eröffnung des Medizinisch-Chirurgischen Unterrichtes (1814–1869) . . . . . . . . . . . 3.1 Innsbruck erhält ein erweitertes Lyzeum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die Lehrpläne des erweiterten medizinisch-chirurgischen Lyzeums. . . 3.3 Die im Vormärz in Innsbruck verwendeten Lehrbücher . . . . . . . . . . 3.4 Die Besetzung der Lehrkanzeln an der Innsbrucker medizinisch chirurgischen Studienanstalt.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Theoretische Medizin (Physiologie, Allgemeine Pathologie, Allgemeine Arzneimittellehre). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Praktische Medizin :. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.4 Theoretische und Praktische Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.5 Theoretische und praktische Geburtshilfe . . . . . . . . . . . . . . .
71 72
79 79 83 88 92
93 94 97 101 108 110 114 119 122 128
4. Zu den Gesundheitsberufen im Tirol des 19. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . 133 4.1 Die promovierten Ärzte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.2 Die Wundärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
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Inhaltsverzeichnis
4.3 Die oft schwierige Besetzung von Arztstellen in Tirol . . . . . . . . . . 4.4 Die Hebammen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aur dem Weg zur Neuerrichtung der Medizinischen Fakultät (bis 1869) . 5.1 Die letzten entscheidenden Vorbereitungen und die schließliche „Gewährung“ der Medizinischen Fakultät.. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 144 . 145 . 146 . 146
III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät bis zum Ende der Ersten Republik (1869–1938). . . . . . . . . . . . . 153 1. Neue Infrastrukturen und Lehrkanzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Lehrstühle und Institute der Innsbrucker Medizinischen Fakultät. . . . . . . 2.1 Die theoretischen Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Lehrkanzel und Institut für Anatomie.. . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Zu den Wiener Lehrkanzeln der Anatomie . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Zur Innsbrucker Lehrkanzel der Anatomie . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Institut für Histologie und Embryologie.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Die Histologie als Forschungs- und Lehrfach in Österreich. . . . . 2.2.2 Die Entwicklung des Faches in Innsbruck . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Lehrkanzel und Institut für Physiologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Zur Situation an der Wiener und Grazer Medizinischen Fakultät.. 2.3.2 Zur Situation an der Innsbrucker Medizinischen Fakultät. . . . . . 2.4 Lehrstuhl und Institut für Physiologische und Pathologische Chemie, später für Medizinische Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Die Chemie an der Philosophischen Fakultät in ihrer Bedeutung für die medizinische Ausbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Lehrstühle und Institute für Medizinische Chemie unter besonderer Berücksichtigung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie. . . . . . . . . . . . 2.5.1 Zu den Professoren der Pathologischen Anatomie in der Habsburgermonarchie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Zur Wiener Schule für Pathologie und ihrem Gründer Carl v. Rokitansky . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 Die Innsbrucker Pathologische Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie 2.7 Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. . . . . . . . . . . . . .
158 160 160 161 165 173 173 175 181 181 189 196 197
198 213 213 214 218 228 235
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2.8 Lehrkanzel und Institut für Hygiene.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2.8.1 Die Hygiene in Innsbruck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2.9 Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie/Pharmakognosie. . . . . . . 244 3. Die klinischen Fächer.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3.1 Lehrkanzel und Klinik für Innere Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3.2 Lehrkanzel und Klinik für Chirurgie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3.3 Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie . . . . . . . . . 258 3.4 Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie . . . . . . . 267 3.5 Lehrkanzel und Klinik für Augenheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3.6 Klinik für Oto- und Laryngologie bzw. Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten 291 3.7 Lehrkanzel und Klinik für Psychiatrie und Neurologie. . . . . . . . . . . 299 3.7.1 Zu den Entwicklungen der Wiener Medizinischen Schule mit Auswirkung auf Innsbruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 3.7.2 Die Berufungen in Innsbruck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3.8 Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 3.9 Lehrkanzel für Zahnheilkunde und Zahn- und Kieferchirurgie . . . . . . 322
IV. Teil : Schlussfolgerungen und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Beilagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der finanzielle Aufwand im Vergleich zu Wien und anderen Universitäten der Habsburgermonarchie bzw. der Republik Österreich. . . . . . . . . . . . 2. Innsbruck als offene Universität : zu den Berufungen von Innsbrucker Professoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innsbruck als wachsende Universität – ein Ausblick über die Jahrtausendwende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zu den Publikationsleistungen der Medizinischen Fakultäten bzw. der Medizinischen Universitäten (1992–2004).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
333 333 336 337 339
Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Danksagung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
Einleitung
In der Zeit der Gründung der Universität Innsbruck im späten 17. Jahrhundert hatten sich die Zielsetzungen der Hochschulen verändert. Es ging jetzt um eine vermehrt praxisbezogene, anwendungsorientierte und – außerhalb der Theologie – weltlichen Dingen zugewandte Lehre. Hier soll zunächst diese Gründungsphase im Zusammenwirken mit jenen drei Institutionen dargestellt werden, die für ihre Errichtung von Bedeutung waren. Vonseiten der Dynastie, der habsburgischen Domus Austria, bestanden – wie gezeigt werden soll – für diese Gründung besonders günstige Voraussetzungen. Die auch in Zeiten des Absolutismus in Tirol durchaus selbstbewussten Stände waren zu erheblichen Opfern bereit. Von kirchlicher Seite erhoffte man eine Stärkung der gegenreformatorischen Anstrengungen und sah wenige Schwierigkeiten, das seit 1562 bestehende jesuitische Kollegium entsprechend aufwerten zu können. Die von den Jesuiten betriebenen Fakultäten (Theologie, Philosophie) waren auch zahlenmäßig die größten, während die Medizin jene mit den wenigsten Professoren darstellte (1673–1700 fünf Berufungen). Vor der Medizin kam die Jurisprudenz (17 Berufungen). Am stärksten waren die (vorbereitende) Philosophie (41 Berufungen) und die Theologie (31 Berufungen). Im Weiteren sollen wichtige Entwicklungsphasen der Fakultät mit ihren entsprechenden Veränderungen dargestellt werden, wobei trotz aller Zäsuren eine gewisse Kontinuität bis zur Fakultät des späten 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts gegeben war. Wieder im Zeichen der besonderen Praxisbezogenheit kam es dann unter Josef II. zum Verlust des Universitätsstatus unter Errichtung einer medizinisch-chirurgischen Studienanstalt für Wundärzte sowie für Hebammen. Ein derartiger Status bestand mit kurzen Unterbrechungen bis zur Wiederbegründung der Medizinischen Fakultät (1782–1869). Ziel der Publikation ist es, eine zusammenfassende Darstellung dieser sehr wechselvollen Fakultätsgeschichte bzw. einer Chronik der medizinisch-chirurgi Hammerstein M.: Universität. In : Ritter Joachim, Gründer Karlfried und Gabriel Gottfried : Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 11, Darmstadt 2001, 212–218, hier 215. Probst Jacob : Geschichte der Universität Innsbruck seit ihrer Entstehung bis zum Jahre 1860, Innsbruck 1869, 383f. Probst Jacob : Geschichte, 382f. Probst Jacob : Geschichte, 384f. Probst Jacob : Geschichte, 379f.
Einleitung
schen Studienanstalt zu geben. Die bisherigen Berichte zu dieser Geschichte beschränken sich auf solche über kürzere Zeitabschnitte, die zur Darstellung von Zäsuren und kontinuierlichen Entwicklungen ihre Grenzen haben. Andere bringen eine Universitätsgeschichte insgesamt, während hier die Besonderheit der Medizinischen Fakultät besonders herausgearbeitet werden soll. Ein weiteres Anliegen ist eine detailliertere Darstellung des Zusammenwirkens der Innsbrucker Fakultät mit in- und ausländischen Universitäten, wobei insgesamt von einer durchaus erfolgreichen Entwicklung dieser Fakultät gesprochen werden kann.
Die zusammenfassendste Darstellung, die allerdings in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts endet, ist jene von Jacob Probst, Geschichte der Universität Innsbruck seit ihrer Entstehung bis zum Jahre 1860, Innsbruck 1869, s. a. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte der Universität Innsbruck (1699–1945), Frankfurt 21995. Die Zeitperiode 1869–1969 ist in einem ausführlichen Gemeinschaftswerk dargestellt, s. Huter Franz : Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869–1969, 2 Bde., Innsbruck 1969. Sehr informativ sind zwei Doktorarbeiten zu umschriebenen Zeitperioden, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, Magistri annorum 1673–1810, München 1976, und Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana : Chirurgicum Lycei 1816–1869, München 1978. Das reich illustrierte Übersichtswerk zur Innsbrucker Universität behandelt die Universitätsgeschichte in einer Gesamtschau mit kurzen Hinweisen auf die Medizinische Fakultät, die Teilaspekte betreffen, s. Moser Hans und Smekal Christian (Hg.) : Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Innsbruck 2001. Dies gilt auch für die folgenden beiden Publikationen Preglau-Hämmerle Susanne : Die Universität Innsbruck in der Geschichte. In : Fischer Heinz u. Preglau-Hämmerle Susanne (Hg.) : Heile Welt in der Regierung, Bregenz 1983, 108–146, und Hölbling Franz u. Stratova Wulf : 300 Jahre Universitas Oenipontana. Die Leopold-Franzens-Universität zu Innsbruck und ihre Studenten, Österreichische Hochschülerschaft an der Univ. Innsbruck (Hg.), Innsbruck 1970. Abschließend sei auf rezentere, mehr summarische Zusammenfassungen hingewiesen : Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 190), Innsbruck 1992 (die einzelnen Institute und Kliniken), u. Gasser Rudolf Josef : Zur Geschichte der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck, des Innsbrucker Stadtspitals, der Institute und Kliniken. In : Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 11–16.
I. Teil : Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
Die Grafschaft Tirol erlebte in der Zeit Maximilians I. (1459–1519) und der Landesfürsten Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595) über Leopold V. (1586–1632) bis Ferdinand Karl (1628–1662)10 eine Zeit der kulturellen Blüte. Der unter Maximilian I. bereits lebhafte, kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Transfer aus Burgund, den böhmischen Ländern und insbesonders aus dem oberitalienischen Raum hielt über die Zeit der Tiroler Landesfürsten aus dem Haus Österreich (mit kurzen Unterbrechungen 1565–1665) jedenfalls noch an.11 Günstige Voraussetzungen waren für Tirol v. a. durch die dynastischen Verbindungen mit dem Haus Medici und vorher dem der Gonzaga12 gegeben. „Seit dem 16. Jahrhundert heirateten in die Tiroler Linie der Habsburger zu wiederholten Malen italienische Prinzessinnen ein … Zwischen den beiden ungleichen Dynastien Habsburg und Medici wurden über mehrere Generationen hinweg und nach beiden
Wiesflecker Hermann : Österreich im Zeitalter Maximilians I. Wien u.a. 1999, passim insbes. 397– 420. Bůžek Václav : Ferdinand von Tirol zwischen Prag und Innsbruck. Der Adel aus den böhmischen Ländern auf dem Weg zu den Höfen der ersten Habsburger, Wien u.a. 2009, 241–278. Weiss Sabine : Der Innsbrucker Hof unter Leopold V. und Claudia de’ Medici 1619–1635. Glanzvolles Leben nach Florentiner Art. In : Noflatscher Heinz und Niederkorn Jan Paul : Der Innsbrucker Hof, Wien 2005, 241–348. 10 Auer Alfred : Erzherzog Ferdinand Karl und die „Domus Austria“. In : Haag Sabine (Hg.) : Ferdinand Karl. Ein Sonnenkönig in Tirol, 11–13. 11 Dies gilt insbesondere auch für die Zeit des Guberniums (für Ober- und Vorderösterreich) von Herzog Karl V. von Lothringen (1643–1690) sowie von Karl Philipp III. von Pfalz-Neuburg (1641–1742), s. Noflatscher Heinz : Normen, Feste, Integration am Innsbrucker Hof. In : Noflatscher Heinz u. Niederkorn Jan Paul : Der Innsbrucker Hof. Residenz und höfische Gesellschaft in Tirol vom 15. bis 19. Jahrhundert, Wien 2005, 12–18, hier 14, u. Kramer Hans : Herzog Karl V. von Lothringen und Königinwitwe Eleonore in Tirol. In : MIÖG, Bd. 62, 1954, 460–489. 12 Taddei Elena : Anna Caterina Gonzaga und ihre Zeit : der italienische Einfluss am Innsrucker Hof. In : Noflatscher Heinz u. Niederkorn Jan Paul : Der Innsbrucker Hof, 213–240.
I. Teil: Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
Richtungen Frauen getauscht …“13 Nicht vergessen war auch, dass die Toskana „seit dem Mittelalter als Reichslehen dem Kaiser (jetzt der Domus Austria) in besonderer Treue verpflichtet (war)“.14 Mit dem Ende des Tiroler Landesfürstentums und der Übergabe an den regierenden Kaiser Leopold I. (1640–1705)15 drangen die Stände jedoch darauf, wirtschaftliche und kulturelle Ersatzlösungen für die sich abzeichnenden Defizite der dynastischen Repräsentation zu finden. Mit diesem Wunsch stießen die Stände bei Kaiser Leopold und seiner Gattin Claudia Felicitas16, Tochter der Anna de’ Medici, auf Verständnis. In den Zeiten der Gegenreformation und der wirtschaftlichen Notlage in der Folge des Dreißigjährigen Krieges war das weitgehend verschonte Tirol für das Projekt der Universitätsgründung zweifellos besonders geeignet. Damals galt „… im Schatten des im Reiche tobenden Dreißigjährigen Krieges wurde Innsbruck zu einem bedeutenden Kunst- u. Kulturzentrum“.17 Diese Funktion eines höfischen Zentrums kulturellen Austausches konnte Innsbruck – wie kurz erwähnt – auch in der Zeit der in Innsbruck residierenden Gubernatoren beibehalten, wenn auch in reduzierter Form. In der Gründungsphase der Universität blieb Innsbruck jedenfalls eine virtuelle Residenzstadt. „Der Hof diente als willkommene Zwischenstation vor allem des Adels, natürlich von Fürstinnen und Fürsten, nicht zuletzt durchreisender Bräute des Hochadels in den teutonischen Norden oder (seltener) in den europäischen Süden.“18 Begünstigt wurde weit über die Gründungsphase der Universität hinaus die Nähe zu den für Innsbruck wegweisenden oberitalienischen Universitäten, die gerade in der Medizin Wissenschaftlichkeit und Praxis eng miteinander verbinden konnten. Padua19, Bologna20, Parma21, Pavia22 u. a. dieser Universitätsstädte hatten nicht zuletzt in der 13 Swoboda Gudrun : Tausch bei Hof. Über die Gemäldesammlung. In : Haag Sabine (Hg.) : Ferdinand Karl. Ein Sonnenkönig in Tirol (= Ausstellungskatalog Kunsthistorisches Museum Wien). Wien 2009, 103–116, Zitat 103f. 14 Swoboda Gudrun : Tausch bei Hof. Über die Gemäldesammlung. In : Haag Sabine (Hg.) : Ferdinand Karl, 103. 15 Press Volker : Leopold I. In : Hamann Brigitte : Habsburger, 252–255. 16 Haag Sabine (Hg.) : Ferdinand Karl, 8, s.a. Swoboda Gudrun : Tausch bei Hof. Über die Gemäldesammlung. In : Haag Sabine (Hg.) : Ferdinand Karl. 103–116. 17 Fidler Peter : Architektur des 17. und des 18. Jahrhunderts. In : Naredi-Rainer Paul u. Madersbacher Lukas : Kunst in Tirol, Bd. 2, Innsbruck u.a. 2007, 13–46, Zitat 13. 18 Noflatscher Heinz u. Niederkorn Jan Paul : Der Innsbrucker Hof, 9–30, Zitat 29. 19 Verger J.: Padua Universität. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, 1621–1623, hier 1622. 20 Keil G.: Chirurg, Chirurgie. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, 1849f. 21 Keil G.: Chirurg, Chirurgie. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, 1845–1859, hier 1848f. 22 Soldi Rindonini G.: Pavia. Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, 1831–1836, hier 1835.
I. Teil: Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
Chirurgie für Innsbruck eine besondere Vorbildwirkung. Dazu kamen die engen Kontakte zu den Vorlanden 23 mit der bereits 1457 eröffneten Universität von Freiburg i. Br.24, die allerdings durch den Dreißigjährigen Krieg sehr gelitten hatte. U. a. waren auch Jesuitenkollegien in mehreren süddeutschen Städten an jenem Netz von Kontakten beteiligt, die Tirol als Brücke zwischen Oberitalien und dem deutschsprachigen Norden prädestinierte. Mit dem Erlöschen der eigenständigen Linie der Casa Austria in Tirol und dem „Anheimfallen der oberösterreichischen (vorderösterreichischen Länder) an die Wiener Habsburger“ (1665)25 kam dann für die öffentlichen Stellen eine zunehmende Orientierung nach Wien.26 Erst unter Maria Theresia brachte die Zentralisierung der Verwaltung für die Universität Innsbruck die echte Abhängigkeit von den Wiener Zentralstellen. Von der Gründung der Medizinischen Fakultät bis zu ihrer Wiedererrichtung (1869)27 – nach dem langen Zwischenspiel einer Rückstufung in ein medizinisches Lyzeum28 – können in der Fakultätsgeschichte vier Entwicklungsphasen unterschieden werden. Die erste Phase (1669/74–1748) reichte von der Gründung der Fakultät bis zur Veröffentlichung des „Restabilisierungsediktes“, verfasst von Rudolph Graf von Chotek (1707–1771).29 Im Auftrag von Maria Theresia (1740–1780) wurde darin die Dauer des Medizinstudiums von drei auf vier Jahre erhöht. Jetzt ergab sich zusammen mit dem vorher zu absolvierenden zweijährigen philosophischen Studium eine Studiendauer von etwa sechs Jahren. Dabei haben der Professor für Medizinische Institutionen (entsprechend der theoretischen Medizin) ein Jahr, der Professor der Praxis über drei Jahre vorzutragen. Besonders betont wird mit diesem Konzept
23 Auer Alfred : Erzherzog Ferdinand Karl II. 24 Boehm L.: Freiburg im Breisgau. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, 888–892. 25 Schlachter Astrid v.: Nur ein Blick „durch ein verborgenens fenster“ ? Repräsentation und Wandel am Innsbrucker Hof (1648–1800). In : Noflatscher Heinz und Niederkorn Jan Paul : Der Innsbrucker Hof, Wien 2005, 53–88, Zitat 87. 26 Schlachter Astrid v.: Nur ein Blick „durch ein verborgenens fenster“ ? Repräsentation und Wandel am Innsbrucker Hof (1648–1800). In : Noflatscher Heinz und Niederkorn Jan Paul : Der Innsbrucker Hof, 87. 27 Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869 bis 1969, 1. Teil. Die Wiedererrichtung der Fakultät und ihre Vorgeschichte (= Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte VII/I), Innsbruck 1969, 1–12. 28 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 9–12. 29 Chotek v. Chotkowa Rudolph Graf von (1707–1771) entstammte einem alten böhmischen Grafengeschlecht. Unter Maria Theresia war er Statthalter in Böhmen und Gesandter in München. 1765 wurde er Oberster Kanzler der Vereinigten Hofkanzlei in Wien, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 43–51, 44 FN 102, u. Probst Jacob : Geschichte, 393–401.
I. Teil: Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
die Notwendigkeit der verbesserten praktischen Ausbildung.30 Die damals berufenen Professoren wechselten – der Ancienität entsprechend – meist ihr Fach von der Theorie zur Praxis, da letztere deutlich besser bezahlt wurde.31 In dieser ersten Phase wirkten neben den Professoren der Theoretischen Medizin („Medizinische Institutionen“) und jenen der Praxis ein Professor für Anatomie (ab 1689) sowie – vorübergehend – ein Professor für Aphorismen (im Sinne der hippokratischen Medizin32, ab 1691). Mit der Professur für Anatomie wurde zunächst die Botanik verbunden (ab 1730).33 Ein Paukenschlag war die durch Kaiser Karl VI.34 (1685–1740, römisch-deutscher Kaiser 1711–1740) verfügte Professur für Chirurgie (ab 1733/1735). Die Installation stieß zunächst auf den Widerstand der Fakultät35. Bisher erfolgte bekanntlich die Tätigkeit der Chirurgen v. a. im Rahmen eines zunftmäßig ausgeübten Gewerbes.36 In Wien setzte der Chirurgieunterricht an den Universitäten 1774 ein, in Prag 1773, in Ingolstadt 1754, in Würzburg 1769 und in Erlangen 1774. Viel früher war natürlich der Chirurgieunterricht in Italien37 und Frankreich38 etabliert worden.39 Die zweite Phase (1748–1782) stand zunächst im Zeichen von Gerard van Swieten (1700–1772), der im Jänner 1749 Maria Theresia seine Pläne für das medizi30 Chotek postulierte einen drei- bis vierjährigen klinischen Dienst an Krankenhäusern oder Lazaretten vor Ausübung der Praxis. Anschließend wäre noch eine Prüfung abzulegen. Die Prüfung sowie die drei- bis vierjährige Spitalpraxis wurden allerdings ersatzlos gestrichen, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 47–51. 31 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 2. Minderbezahlte Lehrkanzeln waren jene der Institutionen (300 fl) im Vergleich zur Lehrkanzel der Praxis (550 fl) und jener der Aphorismen (650 fl). 32 Jouanna Jacques : Hippocrates. Baltimore and London, 1999. 33 Probst Jacob : Geschichte, 383. 34 Press Volker : Karl VI. (1685–1740). In : Hamann Brigitte (Hg.) : Die Habsburger, 215–219. 35 Huter Franz : Hieronymus Leopold Bacchettoni, Professor der Anatomie und Chirurgie an der Universität Innsbruck. Ein Beitrag zur Verselbständigung der Chirurgie als Lehrfach an den Universitäten nördlich der Alpen (= Schlern-Schriften 275), Innsbruck 1985, 26–36. Ernannt wurde der aus Umb rien stammende H. L. Bacchettoni, der in Padua den Gradus Chyrurgiae erworben hatte (1725), in Bologna auch Demonstrator bei Leichenöffnungen gewesen war sowie in Mailand im Krankenhaus gearbeitet hatte, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 101f., u. Probst Jacob : Geschichte, 383. 36 Kulhanek Evelyn : Die Wundärzte, ein verdrängter Beruf. Zur Geschichte des Sanitätspersonals im Tirol des 19. Jahrhunderts. Diplomarbeit Geisteswissenschaftliche Fakultät, Universität Innsbruck 1996, 19–28. 37 Ackerknecht Erwin H.: Geschichte der Medizin. Überarbeitete und ergänzte Auflage von Axel Hinrich Murken, Stuttgart 71992, 61f. 38 Diepgen Paul : Geschichte der Medizin, Bd. 1., Von den Anfängen der Medizin bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Berlin 1949, 266–271. 39 Als „Vater der modernen, wissenschaftlichen Chirurgie“ wurde Ambroise Paré (1510–1590) bezeichnet, s. Tshisuaka Barbara I : Paré Ambroise. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1107f.
I. Teil: Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
nische Studium vorgelegt hatte.40 Im Zeichen des aufgeklärten Absolutismus wurden die Autonomien der Universität zugunsten der Zentralinstitutionen beschnitten und der praxisorientierte Unterricht im Sinne Herman Boerhaaves (1668–1738)41 gestaltet, dem damals unbestrittenen Haupt der europäischen Medizin im Zeitalter der Aufklärung.42 Gleichzeitig wurde den Naturwissenschaften in der Medizinerausbildung breiterer Raum gegeben (s. u.). Von besonderer praktischer Bedeutung waren zunächst die Verbesserungen auf dem Gebiet der Geburtshilfe und des Hebammenwesens.43 1754 wurde dabei Franz Caspar Benedikt Egloff (1715–1790) ein Lehrauftrag erteilt und dieser dann 1765 zum Ordinarius für Geburtshilfe zusammen mit Anatomie und Chirurgie ernannt.44 Im 1765 für Innsbruck erlassenen Nominale des Welschtiroler Juristen Karl Anton von Martini (1726–1800)45 wurde der Mangel beanstandet, der „in der Chemie und Botanique bestehet …“46 Zur Errichtung eines eigenen Lehrstuhls gemeinsam für Chirurgie und Botanik kam es dann 1775, der später in Naturgeschichte umbenannt wurde.47 Die materiellen Voraussetzungen für die Errichtung dieser jetzt fünften Lehrkanzel waren durch die Auflassung des Jesuitenordens (1773) gegeben.48 Eine sechste Lehrkanzel wurde 1781 für „Thierarzneiwissenschaft“49 gegründet. Sie stand mit Förderungsmaßnahmen von Josef II. für die Landwirtschaft in Zusammenhang. Dieser Lehrstuhl blieb bis 1849 bestehen.50 Die dritte Entwicklungsphase (1782–1869) begann mit der Rückstufung der Medizinischen Fakultät zu einer medizinisch-chirurgischen Studienanstalt/Lyzeum (1782). Zielsetzung war ein ausschließlich praxisorientierter Unterricht. Aus-
40 Horn Sonia : Swieten, Gerard van. In : Eckart W. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 314–316. Das Patent über die Reform der Medizinischen Fakultät Wien mit Beispielwirkung für die übrigen Universitäten der Monarchie wurde am 7. Februar 1749 erlassen. 41 Toellner Richard : Boerhaave Herman. In : Eckart W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 55–57. 42 Boschung Urs : Der klinische Unterricht am Krankenbett – Herman Boerhaave in Leiden. In : Schott Heinz (Hg.) : Meilensteine der Medizin, 234–241 u. 599. 43 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 3. u. Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie. In : Hundert Jahre Medizinische Fakultät, Bd. 2, Huter Franz (Hg.), 353–364. 44 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 107f. 45 Probst Jacob : Geschichte, 401–411, inbes. 408f., s.a. Hebeis Michael : Karl Anton von Martini (1726– 1800), Frankfurt 1996, passim, insb. 17–28 u. 47–50. 46 Probst Jacob : Geschichte, 408. 47 Probst Jacob : Geschichte, 384. 48 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 3. 49 Probst Jacob : Geschichte, 384, s.a. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 3. 50 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 15.
I. Teil: Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
gebildet wurden in erster Linie strebsamen Handwerkschirurgen.51 Das erweiterte („ausgedehnte“52) Lyzeum bzw. die ab 1826 installierte Rumpfuniversität53 bot dann allerdings zunehmend die Möglichkeit, auch die (naturwissenschaftlich-biologischen) Grundlagenfächer an der Philosophischen Fakultät zu hören (ab 1849).54 Die vierte Phase55 (ab 1869) brachte dann die Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät. Dies soll im dritten Teil dieser Monografie ausführlich dargestellt werden.
51 Sander Sabine : Handwerkschirurgen. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 531. 52 Probst Jacob : Geschichte, 305–307, Zitat 305. 53 Die erste Promotion an der Philosophischen bzw. Juridischen Fakultät erfolgte am 15. Mai 1827, wobei zunächst die juridischen Promotionen weit über jenen der Philosophischen Fakultät lagen. Joseph Braun, ursprünglich Veterinärmediziner und prominentes Mitglied des medizinisch-chirurgischen Studiums, nahm die ersten Promotionen vor, s. Oberkofler Gert u. Goller Peter : Geschichte der Universität Innsbruck, 111–125, 142–151 u. 153–160. 54 An der Philosophischen Fakultät sind die ersten Professorenernennungen ab 1835 dokumentiert. Beispiele für frühe Errichtungen sind : Ordinariat für Mathematik (1839), Physik (1840), Allgemeine Naturgeschichte und Landwirtschaftslehre (1849), Naturgeschichte (1850), Elementar, Mathematik und prakt. Geometrie (1852) sowie Chemie (Extraordinariat 1851, Aufwertung zum Ordinariat 1853). Der Lehrstuhl für Naturgeschichte (zusätzliches Ordinariat 1860) wurde dann schwerpunktmäßig botanisch vertreten. Die Zoologie und Vergleichende Anatomie folgten 1863 etc., s. Festschrift, 234– 243, hier 236–239. 55 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 93–194.
1.
Die Gründung der Universität Innsbruck (1669–1677) und der Medizinischen Fakultät (1673/74) Seit dem 16. Jahrhundert wurden mehrfach Pläne zu einer Universitätsgründung in Innsbruck erörtert. Eine wichtige Basis dazu waren bereits die Jesuitengymnasien, die in Innsbruck sowie in Hall i. T. bereits unter Kaiser Ferdinand I.56 (1503–1564, Kaiser ab 1558) gegründet worden waren (Eröffnungsdekret 12. Mai 1562)57. Abgesehen von diesen Einrichtungen kann jedoch vor der Universitätsgründung nur von einem spärlichen Unterrricht gesprochen werden.58 „Bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hatte Tirol keine öffentliche Lehr- und Bildungsanstalt ; der spärliche Unterricht, welcher in der lateinischen Sprache, in etwas Logik und Aufsatzlehre, und meistens in einigen Kenntnissen der Theologie bestand, und vorzüglich, jedoch nicht ausschliesslich, zum Nachwuchs von Priestern – den fast einzigen Trägern höherer Bildung in jener Zeit – ertheilt wurde, musste bei den Ordinariaten, in einigen Klöstern und vom vierzehnten Jahrhundert angefangen hie und da auch in Städten, wie in Botzen, Trient etc. gesucht werden.“59
Die Gründung der Universität Innsbruck – zunächst Landesuniversität – nahm 1669 konkrete Gestalt an.60 Im September 1669 berichtete nämlich die – für Tirol zuständige oberösterreichische – Regierung dem Kaiser vom Wunsche der „alhiesigen medicos“61 nach der Errichtung einer Landesuniversität, die über die vorbereitende „Phylosophia universaliter“62 der Jesuitenpatres hinausgehen solle.63 56 Hamann Brigitte : Ferdinand I. In : Hamann, Brigitte (Hg.) : Die Habsburger, 102–105. 57 Coreth Emmerich : Das Jesuitenkolleg Innsbruck, Grundzüge seiner Geschichte, Zeitschrift für katholische Theologie, Bd. 113, 1991, 140–213, als Sonderdruck 1–76, hier 5. 58 Probst Jacob : Geschichte, 1–4, insb. 1 59 Probst Jacob : Geschichte, 1, 1–24, Zitat 1. 60 Riedmann Josef : Geschichte Tirols. Wien u. München 32001, 141. 61 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte der Universität Innsbruck (1669–1945) Frankfurt 21996, 59. 62 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 59. 63 Zur Vorgeschichte berichtet J. Probst : Eine dem damals neu gegründeten Jesuitenorden anvertraute öffentliche Studienanstalt (nach Art eines 5–6-klassigen Gymnasiums) verdankte Tirol Kaiser Ferdinand I. Erweitert wurden die Jesuitengymnasien (in Innsbruck und Hall in Tirol) durch zwei anschließende Klassen „für Dialektik und Moral“. Nach der Erbhuldigung forderte der nun auch in Tirol aus der direkten Linie der Habsburger regierende Kaiser Leopold I. – als neuer Landesfürst
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Kaiser Leopold I. (1640–1705, Kaiser 1657–1705), der ab 1664 auch als Landesherr von Tirol wirkte64, gründete auch die Universität Innsbruck (1669). Als Argument für die Errichtung einer Universität in Innsbruck, die deutschund z. T. italienischsprachig geführt wurde, nannte man auch die vorteilhafte Lage65. Die Innsbrucker Universität wurde schon damals als „Begegnungsstätte der deutsch- und italienischsprachigen Kultur“ gesehen66. Auch sei die Luft hier besser „als in Italia temperiret“.67 Als Leopold I. 1665 in Innsbruck zur Erbhuldigung Aufenthalt nahm, waren es v. a. die Stände, die sich um die Errichtung einer Universität in Innsbruck bemühten.68 Darauf forderte der Kaiser einen Bericht, aus welchen Mitteln diese Universitätsgründung finanziert werden könne. Dieser Bericht führte dann zu einer Entschließung von Leopold I. vom 15. Oktober 1669, in dem jener einen Salzaufschlag69 von 12 kr pro Fuder70 Salz zur Universitätsfinanzierung bewilligte. Sollte dieser Salzaufschlag „insuffizient“71 sein, müssten sich die Landstände etc. um weitere Mittel bemühen.72
– einen Bericht zur Erstellung einer Landesuniversität (19. April 1668). Dabei ging es v. a. um die Kostenfrage, wobei zur Minderung derselben die Heranziehung des Jesuitenordens beitragen sollte (niedrigere Professorengehälter etc.). In den darauf folgenden Verhandlungen wurde zur Bedeckung der Kosten v. a. auf die Salzsteuer zurückgegriffen, s. Probst Jacob : Geschichte der Universität Innsbruck seit ihrer Entstehung bis zum Jahre 1860, Innsbruck 1869, 4f. 64 Press Volker : Leopold I. In : Die Habsburger – ein biographisches Lexikon. Hamann Brigitte (Hg.) Wien u.a. 2001, 252 – 255, hier 254. Die Tiroler Linie der Habsburger hatte etwa hundert Jahre (1564–1665, nämlich seit Erzherzog Ferdinand II. bis Herzog Sigmund Franz) von Innsbruck aus über Tirol und die Habsburgischen Vorlande (= Ober- und Vorderösterreich) regiert, s.a. Riedmann Josef : Geschichte, 110–123, Genealogie, 118. 65 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 14. 66 Dies bestätigte sich auch später in der Errichtung von zusätzlichen Lehrstühlen in italienischer Sprache. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 14. 67 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 14. 68 Probst Jacob : Geschichte, 1–4. 69 Die Landschaft griff in den damaligen Jahrzehnten öfter auf das Salzmonopol, auf die Erträge der Saline in Hall, zurück, s. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 15. 70 Ein Fuder entsprach ca. 145 kg, s. Preglau-Hämmerle Susanne : Die Universität Innsbruck in der Geschichte Tirols. In : Fischer Heinz, Preglau-Hämmerle Susanne : Heile Welt in der Region. Bregenz 1983 (Schriftenreihe der Michael Gaismair-Gesellschaft 3), 108–146, hier 110. 71 Probst Jacob : Geschichte, 4. 72 Der Salzaufschlag entsprach einer Preissteigerung von 4 bis 5 Prozent. Die Einnahmen aus dem Salzaufschlag waren auf etwa 4.300 fl angesetzt. Jedoch wurde der Bedarf an Gehältern für Professoren und Verwaltungspersonal auf zumindest 6.725 fl veranschlagt. Dazu kamen noch geschätzte 275 fl für Sachausgaben, s. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 14.
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Aufgrund des erwähnten Erlasses vom 15. Oktober 1669 wurde die Errichtung der Universität „als bewilligt angesehen“73 und „gleich zur Herstellung der Universität Hand angelegt“.7475 Darauf wurde dann am 26. April 1677 die Stiftungsurkunde der „Alma Mater Leopoldina“ von Kaiser Leopold I. unterzeichnet.76 Hier Auszüge aus dem Kaiser-königlichen Diplom77 : „Schon seit der Gründung des römischen Reiches, und dessen Veredlung durch den christlichen Glauben galt (es) … mit einem und demselben Eifer Religion und Reich zu beschützen …, und den christlichen Staat … nicht so sehr durch Waffen und kriegerische Tapferkeit…, als durch die freien Studien der Künste auszubilden …“78
Abb. 1 : Kaiser Leopold I. (1640–1705)75
Erwähnt wird dann die Gefahr der sich ausbreitenden Irrlehren.79 Gegen sie anzukämpfen soll die neu zu errichtende Universität beitragen. „… indem Wir ferner bedenken, wie viele Universitäten, wenn sie auch dem römischen Stuhle treu geblieben und orthodox sind, zur Zeit… wegen der oft 73 Das Salzamt in Hall wurde sogleich angewiesen, den Salzaufschlag abzufordern. Er betrug im Jahr 1669 noch 93 fl 36 kr.“, s. Probst Jacob : Geschichte, 4. 74 Die Professorentätigkeit auf der Theologie und der Jurisprodenz begann 1671/72 und an der Medizin 1673/74, s. Probst Jacob : Geschichte, 4–7, Zitat 4. 75 Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Moser Hans und Smekal Christian (Hg.), Veröffentlichungen der Universität Innsbruck Bd. 237, 2001, 19. 76 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 10. 77 Hölbling Franz, Stratova Wulf : 300 Jahre, Deutsche Übertragung (von 1863) der lateinisch abgefaßten Stiftungsurkunde (in der Beilage). 78 Hölbling Franz, Stratova Wulf : 300 Jahre, Deutsche Übertragung (von 1863) der lateinisch abgefaßten Stiftungsurkunde (in der Beilage). 79 „… die katholische Sache und ebenso Unser Reich (ist gefährdet) durch die im Norden, besonders in Deutschland, und den Nachbarländern Unserer Erbprovinzen weit und immer mehr um sich greifende Häresie, diese für Glauben und Reich gleich verderbliche Pest…“, s. Hölbling Franz, Stratova Wulf : 300 Jahre, Deutsche Übertragung (von 1863) der lateinisch abgefaßten Stiftungsurkunde (in der Beilage).
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plötzlich auflodernden, und Alles jammervoll verheerenden Kriegsflamme mit wenig Sicherheit und geringerer Bequemlichkeit besucht werden können …“80, so hat Innsbruck schon aus seiner Lage für die Universitätsgründung große Vorteile. Dazu trage auch das gesunde Klima bei. „… indem Wir auch in Erwägung ziehen, wie geeignet zu diesem Behufe aus mehreren Gründen Unsere Provinz Tirol sein würde, welche neulich nach dem frühzeitig erfolgten Ableben der erlauchtigsten verwandten Erzherzoge, (der) dieser Uns teuersten Fürsten81, durch das Erbfolgerecht auf Uns übergegangen ist …“82 so ist dies ein weiterer Grund, die Universität Innsbruck zu begründen. Es solle eine Universität errichtet werden, „… aus welcher Männer hervorgingen, die durch Tugend und Wissenschaft sich auszeichneten und tauglich wären, entweder die Häretiker der Nachbarschaft zum Gehorsam gegen den römischen Stuhl zurückzuführen oder wenigstens die für die Seelen verderbliche Seuche von dem Herzen dieser Provinz ferne zu halten …“83 „… außerdem (ist) Innsbruck, die uralte und vornehmste Residenz der Erzherzoge Oesterreichs, wo … an dem Sitze der oberösterreichischen Regierung die Rechtspflege auf weit entlegene Völker geübt wird …“84 „Zu diesem Zwecke befehlen wir, und tragen Unseren Staats- und Geheimräthen und Stellvertretern in Oberösterreich auf, dass sie Sr. Heiligkeit, dem regierenden Papst Innocenz XI. diese Angelegenheit der neuen Innsbrucker Universität ehestunlichst vorlegen und auf kräftige Unterstützung dringen …“85 „Gegeben in Unserer Stadt Wien am 26. des Monates April im Jahre 1677, im 19. Jahre Unserer Regierung des römischen, im 22. der ungarischen, und im 21. des böhmischen Reiches.“86 Leopold – Auf Anordnung Sr. k. k. Majestät Max Ernest v. Coredo.
80 Hölbling Franz, Stratova Wulf : 300 Jahre, Beilage „Kaiser-königliches Diplom vom 26. April 1677, womit die Universität zu Innsbruck gegründet wird“, Deutsche Übertragung (von 1863) der lateinisch abgefaßten Stiftungsurkunde, 2–5. 81 Mit nur sehr kurzen Unterbrechungen war Tirol als (gefürstete) Grafschaft 1564–1665 unter der Herrschaft von Habsburgern als Secundo- bzw. Tertio-Garnituren. Leopold I. trat die Erbfolge des söhnelosen Erzherzog Sigmund Franz (gest. 1665) an, s. Riedmann Josef : Geschichte Tirols, 110–122, Stammtafel 118. 82 Hölbling Franz, Stratova Wulf : 300 Jahre, Beilage. 83 Hölbling Franz, Stratova Wulf : 300 Jahre, Beilage. 84 Hölbling Franz, Stratova Wulf : 300 Jahre, Beilage. 85 Hölbling Franz, Stratova Wulf : 300 Jahre, Beilage. 86 Hölbling Franz, Stratova Wulf : 300 Jahre, Beilage.
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Bei dem vielfach guten Einvernehmen87 mit Papst Innozenz XI. (1676–1689) wurde dann die Universitätserrichtung bestätigt88 bzw. unter dem 28. Juli 1677 in einer Bulle kundgetan.89 Die Universität wurde daraufhin im sogenannten „Neugebäude“ in der heutigen Herrengasse angesiedelt.90 Zurück zum Salzaufschlag als zunächst wichtigstes Finanzierungsinstrument der neu gegründeten Universität. Die Idee zum Salzaufschlag war keinesfalls neu. Nur wenige Jahre vorher (1660) hatte Erzherzog Ferdinand Karl der Freiburger Universität 10.000 Gulden aus einer Salzsteuer zugewiesen.91 Dieser Finanzierungsweg wurde – wenn auch nicht sehr häufig – zur Hochschulfinanzierung aus öffentlichen Mitteln92 beschritten. Dies galt z. B. für den Polenkönig Kasimir d. Gr., welcher der Universität Krakau Beiträge aus der Salzsteuer zuwies.93 In engem Zusammenwirken mit dem Jesuitenorden 94 – in Innsbruck und Hall hielt sich der Jesuitenprovinzial Petrus Canisius95 über längere Zeiträume auf – wurde 87 Die Hauptprobleme des Pontifikates von Innozenz XI. waren die Türkenabwehr und ein mehrfach gespanntes Verhältnis zum französischen König Ludwig XIV. In beiden Punkten trafen sich die Interessen des Papstes mit jenen Leopolds I.; vgl. Gelmi Josef : Die Päpste in Lebensbildern. Graz u.a. ³2003, 221–225, s.a. Riedmann Josef : Geschichte, 141f. 88 Preglau-Hämmerle Susanne : Die Universität Innsbruck in der Geschichte, 110. 89 Probst Jacob : Geschichte, 10 : Der päpstliche Nuntius in Wien hatte vor dem Erlass der Bulle vom Kaiser eine „authentische Erklärung“ Sr. Majestät verlangt. Daraufhin wurde die Stiftungsurkunde erstellt. 90 Preglau-Hämmerle Susanne : Die Universität Innsbruck in der Geschichte, 111, s.a. Hye Franz-Heinz : Innsbruck, Geschichte und Stadtbild, Innsbruck u.a. 1980, 67f. 91 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 15. 92 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 15f. Die Finanzierung von Hochschulen durch die Salzsteuer waren Ausnahmen und beschränkten sich anscheinend auf die Universitäten von Krakau, Freiburg und Innsbruck. Viel häufiger wurden kirchliche Stiftungen zur damaligen Finanzierung Hoher Schulen herangezogen. 93 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 15f. 94 Von den Universitäten in den Territorien der österreichischen Habsburger waren alle zu dieser Zeit vom Jesuitenorden geprägt. Diese Universitäten waren Prag (gegründet 1348), Wien (1365), Freiburg im Breisgau (1457), Olmütz (1576), Graz (1586), Innsbruck (1669), Breslau (1702), Trnava/Tyrnau, das dann nach Buda/Ofen verlegt wurde (1769 bzw. 1777) etc., s. Schindling Anton : Bildung und Wissenschaft in der frühen Neuzeit 1650–1800. München 1994, 3f, s.a. Moser Hans u. Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität, 21. 95 Petrus Canisius (*1521 – †1597, Nijmwegen bzw. Fribourg-Freiburg/CH) wurde als Sohn des Bürgermeisters von Nijmwegen geboren. 1543 trat er als erster Jesuit deutscher Sprache in den Jesuitenorden ein. (Die erste Jesuitenniederlassung in Deutschland wurde 1544 in Köln begründet.) Die Priesterweihe erfolgt 1556, das (Profess-)Gelübde in Rom 1559. Von Ignatius von Loyola (1491–1556) wurde er dann nach Deutschland zurückgesandt (1549). Zunächst ging er als Professor und Vizekanzler für drei Jahre an die (Jesuiten-)Universität in Ingolstadt. 1551 übersiedelte er auf Wunsch von Ferdinand I. nach Wien, um dort als Seelsorger, Theologieprofessor und Berater des Königs
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zuerst mit dem Aufbau v. a. des (vorbereitenden) philosophischen Studiums begonnen. Schließlich wurde 1688 auch das Placet des Brixner Fürstbischofs Johann Franz von Khuen (1685–1702) zur Universitätsgründung – im Nachhinein – erreicht. Dies hatte die päpstliche Urkunde ausdrücklich gefordert.96 Bereits 1669/70 hatten unter jesuitischer Führung die Vorlesungen mit den ersten beiden philosophischen Jahrgängen begonnen.97 Die Theologische und die Juridische Fakultät nahmen dann 1671, die Medizinische Fakultät 1673/74 den Betrieb auf.98 Der Innsbrucker Jesuitenorden betreute somit – wie damals vielfach üblich – neben der Theologischen Fakultät auch die „niedere“ Philosophische Fakultät.99 An der Juridischen Fakultät wurde die Professur für Kirchenrecht ebenfalls mit Mitgliedern des Jesuitenordens besetzt.100 Die letzte Ernennung eines Jesuiten für Kirchenrecht an der Juridischen Fakultät erfolgte 1760.101 Die Jesuiten hatten das Aufgabengebiet, im Rahmen der Philosophischen Fakultät, auch die (realen) Grundfächer Mathematik und Physik 102 zu vertreten. Dies kam
zu wirken. Anschließend war Petrus Domprediger in Augsburg und Innsbruck. 1556 wurde er zum ersten Provinzial der neu errichteten Oberdeutschen Jesuitenprovinz ernannt. 1571–1577 war er Hofprediger bei Erzherzog Ferdinand II. in Innsbruck. Zusätzlich übernahm er zahlreiche kirchenpolitische Aufträge. So war er päpstlicher Gesandter auf den Reichstagen in Augsburg und Regensburg, nahm 1557 an dem Religionsgespräch von Worms teil und überbrachte 1565 die offizielle Ausgabe der Dekrete des Konzils von Trient an eine Reihe deutscher Bischöfe. 1580 hielt er sich das letzte Mal in Tirol auf. Seine späten Lebensjahre verbrachte er in Fribourg/CH, wo er ebenfalls ein Kolleg gründete. Unter seinen Publikationen ragen die verschiedenen Katechismus-Ausgaben heraus, z. B. im Auftrag von Ferdinand I., der „Große Katechismus/Summa doctrinae christianae“ (1555) und der „Kleinste Katechismus/Catechismus minimus“ (Ingolstadt 1556). „Petrus Canisius arbeitete im Kontext des Jesuitischen Erziehungskonzeptes, das die ganzheitliche Erziehung anhand eines geordneten Ablaufes des Lebens zum Ziel hatte, eingebettet in ein ausgewogenes Maß an Unterricht und religiöser Unterweisung“, s. Haub Rita, Die Geschichte der Jesuiten. Darmstadt 2007, 37–41, Zitat 40, u. Pfaundler-Spart Gertrud, Tirol-Lexikon, 65f. etc. 96 Probst Jacob : Geschichte, 22–24, s.a. Gelmi Josef : Geschichte der Kirche, 217. 97 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 17f. 98 Probst Jacob : Geschichte, 6. Am 14. März 1673 wurde Gaudenz v. Sala zum Professor vorgeschlagen. Er erhielt sein Anstellungsdekret am 5. Oktober 1674. Seine Antrittsvorlesung (solemne principium) hielt Sala am 3. November 1674. 99 Probst Jacob, Geschichte, 384–387, s.a. Preglau-Hämmerle Susanne : Die Universität Innsbruck in der Geschichte, 111. 100 Probst Jacob,Geschichte, 382, s.a. Preglau-Hämmerle Susanne : Die Universität Innsbruck in der Geschichte, 112. 101 Es handelt sich um Franz Holl SJ, s. Probst Jacob : Geschichte, 382. 102 Probst Jacob : Geschichte, 384–386, u. Huter Franz (Hg.) : Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945. Innsbruck 1971, 7–9 (mit weiterführender Literatur.)
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der naturwissenschaftlichen Ausrichtung103 der Innsbrucker Medizinschule zweifellos zugute. Ähnliches galt übrigens auch für das Jesuitenkolleg in Wien.104 Dies änderte sich mit der Auflösung des Jesuitenordens 1773.105 „Die bisherigen Mitglieder des Ordens, als Exjesuiten bezeichnet, durften nach Weisung der Regierung künftighin Lehrkanzeln der Theologie und Allgem. Philosophie … nicht mehr bekleiden, sondern höchstens solche aus den realen Fächern …“106
Die Finanzierungsfrage blieb weiterhin ein besonderes Problem, wobei die Theologische Fakultät sich wirtschaftlich am besten behaupten konnte. Für die Medizinische Fakultät waren die Finanzen dagegen (fast) immer knapp. So konnten z. B. die Professorengehälter nicht immer zeitgerecht ausgezahlt werden.107 Mit der Aufhebung des Jesuitenordens kam es dann erstmals zu einer Änderung der finanziellen Situation – man war nicht mehr allein von den Erträgen der Salzsteuer abhängig.108
103 An der Philosophischen Fakultät wirkten zahlreiche Mathematiker und Professoren für Physik. Schon 1673 lehrte z. B. der Jesuit Kaspar Schnierl die Physik. Eine herausragende Mathematikerpersönlichkeit war dann Ignaz von Weinhart (1705–1787, Professor der Philosophischen Fakultät 1742–1780), s. Probst Jacob : Geschichte, 384–386, u. Huter Franz (Hg.) : Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945, Innsbruck 1971, 7–9 und 56–61. 104 Mühlberger Kurt : Die Universität Wien. Kurze Blicke auf eine lange Geschichte. Wien ²2001, 26–35, insbesondere 30. 105 Probst Jacob : Geschichte, 218. 106 Stolz Otto : Die Innsbrucker Universität im Sturme der Geschichte. In : Universitätsamt Innsbruck : Die Universität Innsbruck in Geschichte und Gegenwart. Innsbruck u.a. 1928, 7–16, Zitat 10, s.a. Falkner Andreas : Geschichte der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, 1740–1773, Innsbruck 1969, 250–254. 107 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte 16f. Wiederholt fehlten, da zusätzliche Kapitalerträge der Universität gering waren, die notwendigen Geldmittel. Als andererseits in den Zwanzigerjahren des 18. Jahrhunderts die Eingänge aus dem Salzaufschlag zunahmen, ergriffen die Stände im Hinblick auf die Finanzierung der Universität Initiativen. Sie schlugen vor, die Universität gegen Überlassung des Salzaufschlages künftig selbst dotieren zu wollen. Dagegen erhoben die Regierungsstellen Einspruch. 108 Die Aufhebung des Jesuitenordens und die Übergabe ihrer Besitzungen an den Staat bzw. an die Universität waren für die Kirche und den später wieder zugelassenen Orden nicht nur von Nachteil. Inzwischen sind ihre neuen Lokalien ansehnlicher und geräumiger, ihre Aula (nämlich die der Universität) ist ein prächtiger Saal, freilich nicht allein für die Universität bestimmt ; zu ihren kirchlichen Verrichtungen ist (der Universität) … die schönste Kirche der Stadt übergeben ; ihre Kostenbedeckung ist nicht mehr der Salzaccis allein, sondern ein eigener Fonds unter Verwaltung und Aushilfe des Staates …, s. Probst Jacob : Geschichte, 218.
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„Die universitäre Kostenbedeckung ist nicht mehr der Salzaccis allein, sondern ein eigener Fonds unter Verwaltung und Aushilfe des Staates.“109 Eine nicht selten konfliktreiche Problematik der Universität Innsbruck und im besonderen der Medizinischen Fakultät waren wiederholte – und sind es heute noch – Kostendeckungsfragen. Dies gilt insbesondere bei der Aushandelung von Deckungsbeiträgen für große Investitionen zwischen „Wien“ und „Innsbruck“.110
109 Probst Jacob : Geschichte, 213–218, Zitat 218. 110 Auf Details der Kostenbeteiligung für Personal und Sachaufwand bzw. auf größere Investitionen einzugehen übersteigt den Rahmen dieses Beitrags.
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Die Innsbrucker Medizinische Fakultät – von der Gründung bis zur Regierungszeit Karls VI. und den ersten Jahren von Maria Theresia (1673/74–1748)
2.1 Die Professoren Der erste Professor der Medizinischen Fakultät111 war Gaudenz von Sala.112 Sala wurde am 14. März 1673 zum Professor der Medizinischen Institutionen ernannt.113 Zu Sala fehlen Angaben über Herkunft und Studiengang weitgehend.114 Bekannt ist lediglich ein Aufenthalt von Sala in Freiburg. Professor Salas Principium solemne (die Antrittsvorlesung) hielt er am 3. November 1674. Diese feierliche Installation als erster wirklicher Professor 115 wurde Sala erst nach einem Studienaufenthalt in Padua gestattet.116 In Innsbruck herrschten damals an der Universität sehr bescheidene Verhältnisse. „Ein kleiner Hörsaal mag es gewesen sein, in dem Professor von Sala sprach, und nur eine bescheidene Zahl lernbeflissener Mediziner, die ihm zuhörte … Professor von 111 Gasser, Rudolf Josef : Zur Geschichte der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck, des Innsbrucker Stadtspitals, der Institute und Kliniken. In : Medizinische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Dekanat der Medizinischen Fakultät und Publikationsstelle der Universität Innsbruck (Hg.) = Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 190, Innsbruck 1992, 11–16, hier 13. 112 Sala Gaudenz von (unbek. Geburtsjahr, starb 1691 in Innsbruck). 113 Sala war der „einzige competent“ Mitbewerber für die erste Professorenstelle an der Medizinischen Fakultät. Es wurde ihm jedoch zur Bedingung gestellt, „dass er vorher noch in Padua sich namentlich in der Anatomie besser ausbilde“. Der vorgesehene jährliche Professorengehalt betrug damals 300 fl. Der Gehalt eines Professors aus dem Jesuitenorden lag dagegen bei 200 fl. S. Probst Jacob Geschichte, 6. 114 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 159, s.a. Schadelbauer Karl : 275 Jahre Medizinische Fakultät in Innsbruck. In : Forschungen und Forscher der Tiroler Ärzteschule, Bd. 2, Innsbruck 1950, 15, u. Schadelbauer Karl : Zur Geschichte der Innsbrucker Medizinischen Fakultät. In : Forschungen und Forscher, Bd. 2, 18 u. 280, Probst Jacob : Geschichte, 6, 46, 81, 96 u. 383. 115 Probst Jacob : Geschichte, 33. „Als wirklicher Professor trat der Berufene durch das Principium solemne in das Professorenkollegium ein.“ Zu dieser Veranstaltung wurden sämtliche Professoren der Universität namentlich eingeladen. Die Studenten andererseits wurden durch Anschlag an der schwarzen Tafel ebenfalls zur Teilnahme aufgefordert. 116 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 60, u. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 21 u. 159f.
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Sala hätte seine Hörer auch schwer am Krankenbett unterrichten können, denn die Zustände des Hl.-Geist-Stadtspitales waren hierfür ungeeignet.“117
Sala wechselte jedoch – mit dem Eintritt von Professor Ferdinand Karl von Weinhart in das Professorenkollegium – zur Lehrkanzel der Medizinischen Praxis (1677).118 „Die Lehrkanzeln waren damals… nach Graden abgestuft, sodass bei einer vakanten Stelle der neu ernannte Professor immer die geringste Kanzel der Fakultät erhielt ; es musste daher auch jeder Professor alle Fächer vorzutragen imstande sein.“119
Diese Lehrkanzel der Praxis war deutlich besser dotiert (550 fl.) als der (theoretische) Lehrstuhl (300 fl.).120 Lehrinhalte der Medizinischen Praxis waren • Praegnosis • Materia medica und • Medizinische Klinik121 (wobei der Professor klinische „Casus diktire und darüber examinire“122) Von Sala sind zwei Publikationen bekannt. Sie betreffen das periodische intermittierende Fieber und Fragen der Apoplexie.123
117 Schadelbauer Karl : 275 Jahre. In : Forschungen und Forscher, Bd. 2, 15. 118 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 60. S. a. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana : Magistri annorum 1673–1810. Dissertation aus dem Fachbereich für Medizin der Technischen Universität München. München 1976, 159f. 119 Schadelbauer Karl : 275 Jahre, 18. 120 Huter Franz (Hg.) Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869 bis 1969, 1. Teil, 2. Zu diesem Gehalt kamen z. T. erhebliche Zusatzeinnahmen. Auch Professoren ohne (regelmäßige) Besoldung hatten aus ihrer Position Einnahmen. Dies galt besonders für Professoren der Juridischen Fakultät, durchaus aber auch für Mediziner. Andererseits zeigen die Daten, dass mancher Professor niedriger als die Tanz- und Fechtmeister remuneriert wurden, die an der Universität tätig waren. Siehe : Probst Jacob : Geschichte, 35–37. (inkl. FN 2). 121 Huter Franz (Hg.), Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869 bis 1969, 1. Teil. Die Wiedererrichtung der Fakultät und ihre Vorgeschichte (= Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte VII/I) Innsbruck 1969, 1f. 122 Probst Jacob : Geschichte, 116. 123 1. Assertiones medicae de febrium intermittendium periodis (Innsbruck 1679). 2. Assertiones medicae de apoplexia (Innsbruck (1682), TLF, s. Rogenhofer Gert, Medicina Oenipontana, 160.
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Bereits 1676 konnte die erwähnte zweite Professorenstelle geschaffen werden. Diese wurde mit Ferdinand Karl v. Wein hart 124 (1674–1716) besetzt. Weinhart war Enkel des Paul (1570–1648), Leibarzt am Innsbrucker landesfürstlichen Hof.125 Dieser Großvater wirkte als „Pestarzt“126. Ferdinand Karl übernahm von Professor Sala die Lehrkanzel für medizinische Institutionen, entsprechend dem Unterricht in theoretischer Medizin. Gelehrt wurden : • Physiologie127, Hygrotheorie (Säftelehre128) und Pathologie (im ersten Jahr) • Semiotik (Symptomatologie129) sowie • Grundsätze der Chirurgie und Pharmazie 130 (im zweiten Jahr) 131
Abb. 2 : Ferdinand Karl von Weinhart zu Thierburg und Vollandsegg 131
124 Weinhart zu Thierburg und Vollandsegg, Ferdinand Karl von (1654–1716), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 180–184. 125 Pfaundler-Spat Gertrud : Tirol-Lexikon, 669, s.a. Hye Franz-Heinz : Die Innsbrucker Familie Weinhart im Tiroler Geistesleben (1600–1833), Innsbruck 1970 (= Schlern-Schriften 258), 6–20. 126 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 180, s.a. 14–20. Paul Weinhart d. Ä. verfasste 1611 für Schwaz eine Pestordnung. Die Pest erreichte jedoch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen im Juli 1611 Innsbruck. Paul d. Ä. kam aus Augsburg bereits 1600 nach Innsbruck und wirkte als Leibarzt des Markgrafen Karl v. Burgau. Er war mit Hippolyt Guarinonius (1571–1654) befreundet, s.a. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 7–12, u. Hye Franz : Die Innsbrucker Familie Weinhart im Tiroler Geistesleben (1600–1833), Innsbruck u.a. 1970, 34–62. 127 In den Institutionen wurde „Physiologie“ nach Galen und Avicenna (Ibn Sīnā) gelehrt, vgl. Forschungen und Forscher der Tiroler Ärzteschule, Professorenkollegium der Med. Fakultät der Med. Univ. Innsbruck (Hg.), Innsbruck, Bd. 2 (1948–1950), 279. (Die Lehrkanzelinhaber mit ihren Aufgaben wurden von E. Olbrich zusammengestellt.) 128 Forschungen Bd. 2, 279. 129 Forschungen Bd. 2, 279. 130 Forschungen Bd. 2, 279, vgl. Huter Franz (Hg.) Hundert Jahre, Bd. 1. 131 Hölbling Franz u. Stratova Wulf : 300 Jahre Universitas Oenipontana. Die Leopold-Franzens-Universität zu Innsbruck und ihre Studenten, Österreichische Hochschülerschaft an der Univ. Innsbruck (Hg.), Innsbruck 1970, 32 b.
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Vorgetragen wurde v. a. nach Galenos132 und in den Traditionen des Arabismus 133 nach Avicenna134, aber auch Rhazes135, Abulcasis 136. Ein wesentlicher Aspekt der Werke dieser Autoren war ein multidisziplinäres Konzept, auch im medizinischen Bereich von außerordentlicher Vielseitigkeit und mit laufendem Bezug zur Naturphilosophie. Eine besondere Betonung liegt auf der Lebensweise/Diätetik137. Die Lehre bemüht sich – von der Antike her selbstverständlich – um „eine gesunde Lebensführung als Präventivmedizin“.138 Dabei stehen den res non naturales 139 (als Diätetik im damaligen Sinn) die res naturales (Physiologie/Anatomie etc.)140 und die res contra naturam (Pathologie u. Semiotik)141 gegenüber. Es gäbe – schon seit der Antike – zwischen Gesundheit und Krankheit ein Zwischenstadium. Man fühlt sich dabei „nicht ganz gesund, aber auch nicht richtig krank“. Es ist ein Anliegen der Lehre, die Studierenden über diesem „kritischen Schwebezustand“ zu informieren.142 132 Galenos (* 129 n Chr. Pergamon, † 199/200/216 n. Chr. Rom oder Pergamon), s. z. B. Müller Ingo Wilhelm : Das Lehrgebäude der griechischen Medizin – Die Humoralmedizin des Galen. In : Schott Heinz (Hg.).: Meilensteine der Medizin, Dortmund, 1996, 100–106 u. 610f. 133 Baader G.: Arabismus. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, 853–855, s.a. Hau Friedrun R.: Die Begründung der arabischen Medizin in Bagdad. Die „Isagoge Johannitii“ des Hunain ibn Ishâq. In : Schott Heinz, 133–142 u. 596. 134 Schipperges H.: Krankheit und Kranksein im Spiegel der Geschichte, Heidelberg u.a., 1999, 59–65. 135 Schipperges H.: Rhazes. In : Lexikon des Mittelalters, 780f. u. Hau Friedrun R.: Islamische Krankenhäuser als Zentren der Pflege und Lehre – Das ÞAdudî-Krankenhaus in Bagdad : In : Schott Heinz. Meilensteine der Medizin, 780f. 136 Lauer H. H.: Abū l-Qāsim az-Zahrāwī. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, 68, s.a. Hau Friedrun R.: Die Blüte der arabischen Chirurgie – Abulcasis (Abū l-Qāsim) und seine Wirkung. In : Schott Heinz. Meilensteine der Medizin, 143–149. 137 Engelhardt Dietrich v.: Gesunde Lebensführung als Präventivmedizin – Antike Diätetik im Ausgang von Galen, 107–113. Diätetik heißt in der Antike und bei Galen nicht nur Essen und Trinken, Diätetik bezieht sich … auf alle Bereiche des menschlichen Lebens. Diätetik meint Naturphilosophie und Anthropologie, Diätetik bedeutet eine an der Natur orientierte Lebensweise etc. 138 Schipperges H.: Diätetik. In : Lexikon des Mittelalters, 3972f. 139 Ausgegangen wird von sechs „res naturales“, nämlich aer (Luft im weitesten Sinn), Cibus et potus (Speise und Trank), motus et quies (Bewegung und Ruhe), somnus et vigilia (Schlafen und Wachen), excreta et secreta (es handelt sich um repletio et evacutio = Füllung und Entleerung im Sinne von Regulierung der Körperaus-scheidung), affectus animi/animae (Gemütsbewegung). 140 Schmitt W.: Res naturales. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, 750. 141 Schmitt W. : res praeter naturam (r. praeter naturales, r. contra naturam). In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, 752. Semiotik (gr = zum Zeichen gehörig) entspricht der Beschreibung der Krankheitserscheinungen. 142 Diesem Thema widmen sich u.a. die Schriften des jüdischen Arztes Moses Maimonides. Den kritischen Schwebezustand zwischen Gesundheit und Krankheit bezeichnet Maimonides als neutrum
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In den Unterricht für Mediziner der damaligen Zeit gehen auch die (medizinischen u. a.) Traditionen des Aristoteles (384–322 v. Chr.)143 einschließlich seiner ethischen Schriften und überhaupt der mittelalterliche Aristotelismus insbesonders ein. Die Lehre zu den materia medica144 geht auf griechisch-arabische Traditionen zurück (Dioskurides im 1. Jh. n. Chr.145), daneben bestanden jedoch lebendige klösterliche Überlieferungen (z. B. Hildegard von Bingen, 1098–1179).146 Nach dem Ableben von Gaudenz von Sala (1691) folgte wie erwähnt Ferdinand Karl von Weinhart in die Professur für Medizinische Praxis (1691–1716).147 Er hatte somit die Institutionen (1677–1691) und dann später zusätzlich auch die Aphorismen (1702–1716) in der Lehre zu vertreten. Weinhart war publizistisch sehr aktiv. Seine Lehrbücher wurden von der Wiener Studienhofkommission als Vorlesungsbücher für die Medizinische Fakultät vorgeschrieben (dies galt noch 1748).148 Weinharts medizinische Schriften waren weit verbreitet. Zu seinen Werken gehörte das „Enchyridion medicinae practicae“ (Innsbruck 1695), das in mehreren Auflagen erschien. Später kam es unter dem Titel „Nucleus universae medicinae practicae“ (Innsbruck 1709, 1725 sowie Padua 1715, 1728) heraus. Ein weiteres Werk war „Medicus officiosus seu de officio medici“ (Innsbruck 1688 u. 1703 sowie Nürnberg 1709–1726, Genf 1736 und Lyon 1738)149. Weitere Werke siehe bei Rogenhofer.150
(keines von beiden), s. Schipperges Heinrich : Der Beitrag jüdischer Ärzte zur Medizin – Maimonides als Vermittler der Kulturen. In : Schott Heinz (Hg.) : Meilensteine, 150–153 u. 625, Zitat 152, s.a. Schmitz R. P.: Maimonides. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, 127f. 143 Manz Hans Georg v.: Aristoteles. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 97–99. 144 Schmitz R.: Materia medica. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, 378–380, Zitat 378. Unter materia medica wird das Gesamtcorpus aller Arzneistoffe/Arzneimittel verstanden. Herkunft sind die drei „Naturreiche“, nämlich Vegetabilia (aus der Botanik), Mineralia (aus der unbelebten Natur) und Animalia (aus dem Tierreich und vom Menschen). 145 Hau Fridrun R.: Der Arzneimittelschatz in griechisch-arabischer Tradition. Die ‚Materia medica‘ des Dioskurides. In : Schott Heinz (Hg.) : Meilensteine, 95–99 u. 603, s.a. Stoll Ulrich : Dioskurides Pedanios 1. Jh. n. Chr. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 308–315. 146 Schipperges Heinrich : Natur- und Heilkunde im klösterlichen Leben – Werk und Wirkung der Hildegard von Bingen. In : Schott Heinz (Hg.) : Meilensteine, 155–158 u. 616, s.a. Schipperges Heinrich u. Keil Gundolf : Hildegard v. Bingen – Rezeption. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 594–596. 147 Forschungen und Forscher, 280. 148 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 47–49. 149 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 183f. 150 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 183f.
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Theodor Statlender war der erste Professor für Anatomie (1689–1716) und somit erster Inhaber der dritten Lehrkanzel. Anschließend wechselte er auf die Professur für Medizinische Praxis und Aphorismen über (1716–1729). Eine Lehrkanzel für Anatomie war seit der Fakultätsgründung wiederholt vom Ärztestand gefordert worden.151 Leichensektionen wurden im benachbarten Oberitalien ja bereits seit dem 13. und 14. Jahrhundert durchgeführt.152 Wien wiederum hatte im 15. Jahrhundert (1404) als erste Universität nördlich der Alpen anatomisch Demonstrationen an der Leiche sowie anatomische Übungen angeboten.153 Theodor Statlender154 hatte als Professor der Anatomie mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. In Innsbruck war es noch besonders schwierig, Leichen für anatomische Demonstrationen zur Verfügung zu haben. Zu anatomischen Demonstrationen wurden daher auch in Innsbruck in erster Linie zunächst Tierkadaver verwendet. Nur selten waren Demonstrationen unter Heranziehung männlicher Leichen, nämlich von Justifizierten (zum Tode Verurteilten), möglich. Diese Leichen wurden der Anatomie fallweise aufgrund eines Dekretes des Geheimen Rates zugesprochen.155 De Luca attestierte jedenfalls, dass Statlender in der „Zergliederung menschlicher Körper … ungemein eifrig (ward)“.156 Insgesamt war es – nach Probst – jedoch „um die Anatomie… nicht am Besten bestellt“.157 Dies auch deswegen, weil „zu Demonstrationen an menschlichen Körpern statt den Studenten, Professoren und Honoratioren eingeladen wurden“.158 Auch Mitglieder des Geheimen Rates erschienen ebenso wie der Rektor und die 151 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 60. 152 Erste Sektionen sind in Cremona 1286, in Perugia und Siena 1348, in Paris 1405 nachweisbar. Verbreitet waren jedoch v. a. Tiersektionen, die in Salerno bereits ab dem 12. Jh. in der Tradition des Galenos stattfanden, s. Baader G.: Anatomie. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, 575–577. 153 Deutlich früher als in Wien gab es die ersten Sektionen menschlicher Leichen – wie bereits erwähnt – in Oberitalien, nämlich in Bologna (1302), Padua (1341) und Florenz (1388). In Paris gab es anscheinend die ersten Sektionen 1478, in Leipzig um 1500 und in Straßburg 1517. Niederstätter Alois : Jahrhundert der Mitte, 399; s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 43. 154 Statlender Theodor (1660–1729), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 168–170. 155 Gasser, Rudolf Josef : Zur Geschichte, 13. 156 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 169, Zitat aus : de Luca, Versuch einer akademischen gelehrten Geschichte von der kaiserl. königl. Leopoldinischen Universität Innsbruck, 54. De Luca veröffentlichte im Journal der Literatur und Statistik (1782) die älteste Geschichte der Innsbrucker Universität mit den wichtigsten Daten über die einzelnen Professoren. 157 Probst Jacob : Geschichte, 46. 158 Probst Jacob : Geschichte, 46. Menschliche Leichen, es handelt sich, wie gesagt, um Justifizierte, musste die Universität von den Scharfrichtern kaufen.
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meisten Professoren.159 Unklar ist allerdings, wo Statlender seine medizinischen Kenntnisse, insbesondere in Anatomie, erworben hatte. Hatte er das Studium oder Teile davon in Wien absolviert ?160 Nach dem Tod Statlenders am 18. August 1729 kam es in der Fakultät zu lebhaften Auseinandersetzungen um die weiteren Entwicklungen in der Lehre und Patientenbetreuung.161 Es ging einerseits um die Nachfolge. Dabei war die Position eines Professors für Anatomie offensichtlich so attraktiv, dass sich vierzehn „Competenden“162 meldeten. Andererseits ging es jetzt bei den Diskussionen in erster Linie darum, Abb. 3 : Friedrich Statlender in Melans und Waidburg 160 ob die Professoren künftig auch noch 163 als „Physiker“ (Stadtphysiker) wirken durften.164 Viel bedeutsamer war jedoch die Frage, ob und in welcher Form die operativ tätigen Wundärzte einen Anatomieunterricht im Rahmen der Medizinischen Fakultät erhalten sollten. Die Innsbrucker Fakultät war bereit, sich vermehrt um Steinschneider165 etc. zu kümmern und sie in den universitären Unterricht einzubeziehen. Konkret ging es darum, ob nicht ein dafür bestimmter Universitätsbediensteter auch die Chirurgie lehren solle. Dafür trug sich ein junger Chirurgus, nämlich Bacchettoni, an, dessen Geburtsort Umbrien war.166
159 Probst Jacob : Geschichte, 46 (FN 2). 160 Hölbling Franz u. Stratova Wulf : 300 Jahre Universitas Oenipontana, 48d. 161 Probst Jacob : Geschichte, 114–118. 162 Probst Jacob : Geschichte, 114. 163 Probst Jacob : Geschichte, 114–116, Zitat 114. 164 Aufgaben eines Stadtphysikers waren die Ordnung, Beaufsichtigung und Koordination der im Bereich des Gesundheitswesens tätigen Ärzte, Wundärzte, Hebammen und sonstiger im Heilberuf tätiger Personen, s. z. B. Eckart Wolfgang U. Geschichte der Medizin, Berlin u.a. 1990, 137. 165 Rüster Detlef : Alte Chirurgie. Legende und Wirklichkeit. Berlin 1985, 116–144, insbes. 117–119. 166 Probst Jacob : Geschichte, 114, s.a. Moser Hans u. Smekal Christian : Universität Innsbruck, 59f.
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I. Teil: Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
Abb. 4 : Franz Holer von Doblhof 170
Neben Statlender und Weinhart wurde nach dem Tod von Sala (1691) ein weiterer Lehrstuhl errichtet. Franz Holer von Doblhof167 erhielt die Lehrkanzel der Aphorismen (Beobachtungsund Behandlungsgrundsätze nach Hippokrates)168. Holer war Professor 1691–1702. Nach elfjähriger Tätigkeit in Innsbruck ging er als Hofleibarzt Kaiser Leopolds I. (Kaiser 1658–1705) nach Wien (1702), wo er auch im selben Jahr noch verstarb. Seine Werke beziehen sich erwartungsgemäß v. a. auf den Hippokratismus.169 170 Peter Linsing von Linsingburg 171 wirkte als Innsbrucker Professor ebenfalls seit 1692. Insgesamt übte er 21 Jahre seine Professur der Medizinischen Institutionen aus (bis zu seinem Tod 1712). Der Professor der Institutionen „lehrte
167 Holer von Doblhof Franz (ca. 1650–1725, Doblhof/Meran bzw. Wien). Über seinen Studienort und seine Studienzeit ist nichts bekannt. Er wirkte zunächst mehr als zwei Jahrzehnte als Feldarzt u.a. während der Türkenfeldzüge. Zusätzlich war er Hofleibarzt bei der Schwester von Leopold I., nämlich der verwitweten Königin von Polen Eleonore Maria Josefa (1653–1697). Nach seiner Professorentätigkeit in Innsbruck (1691–1702) wurde Holer dann als Hofleibarzt von Kaiser Leopold I. nach Wien berufen, wo er 1725 stirbt. Siehe : Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 29 u. 117–119 u. Leitsch Walter und Hamann Brigitte : Eleonore Maria Josefa. In : Hamann Brigitte : Habsburger, 79f. 168 Die Aphorismen wurden dann allerdings 1748 als „yberflüssig aufgehoben“, s. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 60. 169 Zum Werkverzeichnis s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 118f. z. B. „Nova clavis antiquissimum Hippocratis sanctarium seu divini Hippocratis oraculosa dicta aphoristica“ (Innsbruck 1696), TLF. 170 300 Jahre Universitas Oenipontana. Die Leopold-Franzens-Universität zu Innsbruck und ihre Studenten, Österreichische Hochschülerschaft an der Univ. Innsbruck (Hg.), Innsbruck 1970, 56a. 171 Linsing von Linsingburg, Peter (1665–1712, jeweils Innsbruck) : Dieser spätere Professor für die Medizinischen Institutionen (1691–1712) studierte in Innsbruck zuerst Philosophie (1684–1686) und anschließend ebenfalls in Innsbruck Medizin (1686–1688). Im Juli 1688 promovierte er hier zum Dr. med. Anschließend machte er eine postpromotionelle praktische Tätigkeit in verschiedenen Spitälern von München, Wien und Florenz durch (1688–1691). Am 1. Dezember 1691 wird er in Innsbruck zum Professor ernannt und bekleidete diese Position durch 21 Jahre, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 132–134.
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nach Galenos, Avicenna etc. Physiologie, Hygiotheorie (Grundsätze der damaligen Hygienelehre), Pathologie, Semiotica, Therapie und selbst einige Grundsätze der Chirurgie und Pharmazie“.172 Linsing entstammte einer bekannten Innsbrucker Familie, die bereits seit Generationen als Leib- und Hofapotheker hier wirkte.173 1709 erhielt er aufgrund seiner Leistungen die Würde eines Hofmedicus. Er war als Autor medizinischer Schriften durchaus aktiv und trug zur Wertschätzung der Innsbrucker Universität bei.174 Wolfgang Martin Fischer von Fischheim (ca. 1675–1758) studierte in Innsbruck Medizin (1696–1699) und promovierte hier zum Doktor der Medizin (1699). Er wirkte als Professor der Medizinischen Institutionen in Innsbruck durch zehn Jahre (1712–1722). In dieser Zeit war er auch als Publizist tätig.175 Aus persönlichen Gründen legte er in Innsbruck sein Amt nieder176 und wirkte dann in Passau, Salzburg und Linz. Dort wurde er später auch Protomedikus (1722–1758).177 Im Linzer Medicinischen Collegium war er bis zu seinem Tod (1758) Senior. Franz Karl Anton v. Egloff zu Stadthof178 war Nachfolger von Theodor Statlender auf der Lehrkanzel für Anatomie. Er wirkte als Professor für Anatomie (1730–1737 u. WS 1739/40). Zusätzlich war er Professor für die Medizinische Praxis und der
172 Probst Jacob : Geschichte, 46. 173 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 132. 174 Seine Publikationen : 1) Summa fundamentorum universae medicinae, Innsbruck 1688. UBI. 2) Epitome institutionum medicarum triennio fusius dictatarum principiis chymicae et variis problematibus philosopicomedicis exantlata, Innsbruck 1695, TLF. 3) Tentamen medicum sive institutiones medicae per quaestiones breviter dilucidatae, Innsbruck 1699. TLF, 2. verb. und verm. Auflage, Nürnberg 1701, TLF. 4) Isagoge physiologica sive principia corporis humani. Innsbruck 1709, TLF. 5) Tentamen et examen medicum institutisticum per quaestiones iuxta mentem veterum et recentiorum breviter dilucidatum. Frankfurt und Leipzig 1710, TLF, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 133f. 175 Seine Publikationen : 1) Consultum über das Baad zu Burgstall auf St. Leonardberg nächst Brixen, Brixen 1716, TLF, UBI. 2) Rationalis medicinae via regia sive institutiones saluberrimae Medicinae, Innsbruck 1717. UBI, TLF. 3) De Praestantia alchymia, Innsbruck 1722, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 112. 176 Mit Prof. Fischer musste sich auch der akademische Senat mehrmals beschäftigen. Fischer war „ein wie es scheint geschickter, aber moralisch verdächtiger und nicht ganz verträglicher Mann …“ 177 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 110–112. 178 Egloff zu Stadthof Franz Karl Anton von (1677–1740, Baden/Schweiz bzw. Innsbruck) studierte Medizin in Innsbruck (1696–1699) und promoviert hier. (Informationen über den Ort seines Philosophiestudiums fehlen.) Seine Dissertation, die er als Schüler von Peter von Linsing fertigstellte, hatte folgenden Titel : Tentamen medicum sive institutionis medicae (Innsbruck 1699, TLF). Als Nachfolger von Friedrich Statlender wird er Professor für Anatomie (1716), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 105–107, u. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 105f.
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I. Teil: Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
Aphorismen (1736–1740)179. Er war dreimal Rektor (1719, 1728 u. 1738). Bei ihm hörte auch der „Chirurgus“ L. Bacchettoni (s. u.). Er verfasste eine Reihe von Schriften.180181 Johann Friedrich von Payr182 studierte ebenfalls sowohl Philosophie (1701– 1704) als auch Medizin (1704–1706) in Innsbruck.183 Eine postpromotionelle praktische Ausbildung absolvierte er in verschiedenen italienischen Spitälern (1706)184. Er wirkte dann als Physikats arzt sowie Hofleibarzt am fürstbischöflichen Hof in Brixen (bis 1722). Als Professor der Medizinischen Institutionen lehrte er 1722–1741, dann übernahm er 181 das Professorat der Aphorismen und Abb. 5 : Franz Karl Anton Egloff zu Stadthof der Medizinischen Praxis185. Insgesamt war er bis zu seinem Tode 37 Jahre 186 lang Professor (1722- 1759) sowie auch zweimal Rektor der Universität187. Seine Schriften wirkten v. a. im Sinne des Hippokratismus.188 179 Probst Jacob : Geschichte, 115. 180 1. Anthropologia anatomica sive Sermonicatio de corpore humano, Innsbruck 1726, TLF, UBI. 2. Apologia arthritica sive eneratio medica morbi articularis, Innsbruck 1726, TLF. 3. Tractatus de febri maligna epidemia, Innsbruck 1735 u. a., s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 106. 181 Hölbling Franz u. Stratova Wulf : 300 Jahre Universitas Oenipontana, 56 b. 182 Payr zum Thurn in Palbith, Johann Friedrich (1685–1759, jeweils Innsbruck) : Nach dem Philosophiestudium absolvierte Payr ebenfalls in Innsbruck sein Medizinstudium (1701–1704 bzw. 1704–1706) und promovierte hier zum Doktor der Medizin 1706. Anschließend hielt er sich in verschiedenen italienischen Spitälern auf und erhielt eine Physikatsposition bei Brixen. Dort wurde er Hofleibarzt beim Brixner Fürstbischof. Seine Innsbrucker Tätigkeit währte von 1722 bis zu seinem Tod 1759, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 151–153, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 151–153. 183 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 151–153. 184 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 151–153. 185 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 151. 186 Probst Jacob : Geschichte, 196. 187 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 151. 188 Seine Publikationen : 1) Cursus Medicinae ex voto finitus, Innsbruck 1734, TLF. 2) Minerae Hippocratis seu institutionum medicarum, pars prior : Physiologia Hygenia et Pathologia, Innsbruck 1737. TLF, UBI. 3)
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Probst bemerkt, „daß man den Zustand der Universität in dieser Zeit als einen der blühendsten“189 bezeichnete. Allerdings nahm – trotz der in den Zeiten von G. van Swieten reichlicher nach Innsbruck kommenden Geldmittel – „der gute Ruf (der Universität) bei dem Publikum“190 ab. Auch ging die Zahl der Studenten deutlich zurück.191192 Johann Baptist Rindler193 studierte Philosophie und Medizin in Innsbruck (1714–1717 bzw. 1717–1719). In der Nachfolge von Statlender wurde Rindler nach kaiserlicher Entschließung vom Dezember 1730 zum Professor der Anatomie ernannt194. Er erhielt jedoch nicht – wie dies bei Statlender der Fall war – gleichzeitig das Physikat. Somit war er 1730–1739, seinem Todesjahr, Professor und zusätzlich im Jahre 1735 Rektor der Universität.
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Abb. 6 : Johann Friedrich von Payr wirkte in Innsbruck als Professor der Medizinischen Institutionen (1722–1741) und übernahm dann das Lehramt der Aphorismen und der Medizinischen Praxis (1741–1759)192
Minerae Hippocratis seu instituionum medicarum, pars posterior, Innsbruck 1739. TLF, UBI. 4) Regnum animale vegetabile et minerale medicum Tyrolense, Innsbruck 1738. 5) Viginti septem Aphorismi Hippocratis. Ex eiusdem libro III et IV, Innsbruck 1739, TLF. 6) Apologia inter sarcophobum et sarcophilum cum crisi Theophili Veronensis seu discursus rationalis de praecepto ecclesiastico jejunii et abstinentiae, Innsbruck 1741. TLF. 7. De diaeta literatorum, Innsbruck 1743. TLF, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 153. 189 Probst Jacob : Geschichte, 196. 190 Probst Jacob : Geschichte, 196. 191 Gesprochen wird von einem sehr bewegten Zustand der Universität (als Folge der Zentralisierung des Unterrichtswesens). Die Gesamtzahl der Studierenden ging von ca. 600 jetzt (1757) auf 391 zurück (ein Minus von ca. 35 %). Als Ursache wird die besondere Attraktivität, das Aufblühen der Universitäten von Wien und Prag, angegeben. Probst Jacob : Geschichte, 196f. 192 Hölbling Franz u. Stratova Wulf : 300 Jahre Universitas Oenipontana, 88 a. 193 Rindler Johann Baptist (1695–1739 St. Georgen bei Bruneck bzw. Innsbruck), promovierte 1790 in Innsbruck zum Dr. med. Er trat 1730 das Lehramt für Anatomie an. 1733 erhielt er den Auftrag, auch die Botanik zu lehren, und war auf diesem Gebiet hier der erste Professor. 1737 legte er das Lehramt für Anatomie zurück und lehrte jetzt neben der Botanik auch die Aphorismen, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 154–156. 194 Probst Jacob : Geschichte, 195f. mit FN 6, u. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 154–156.
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Bedeutungsvoll war die Erteilung eines gesonderten Lehrauftrags für Botanik (1733).195 In der Folge weit verbreiteter „Kräuterbücher“196, z. B. jenes von Leonhard Fuchs (1501–1566), gingen Professoren und Studenten der Innsbrucker Medizinischen Fakultät und auch anderer Fächer jetzt vermehrt auf Kräuterexkursionen. So propagierte Rindler z. B. das Sammeln und die Anwendung des Fingerhuts (Digitalis).197 Auf die epochemachende Bedeutung von Carl v. Linné (1707–1758) zur Systematisierung in der Botanik sowie für den naturwissenschaftlichen und medizinischen Unterricht braucht Abb. 7 : Johann Baptist Rindler, Professor der Anahier nicht näher eingegangen zu wertomie und Botanik (1730–1739) ; Rektor (1735) 202; den.198 aus : De Luca, Universitätsgeschichte von 1782. 1737 wechselte er unter Beibehaltung der Botanik auf den Lehrstuhl der Aphorismen.199 Rindler war auch als „Schriftsteller“200 tätig (zusätzlich galt dies v. a. für Bacchettoni, Payr, Sterzinger und Gerstner). Neben seiner Publikation zur Anatomie (Dilucidatio anatomica visceris vitalis principalissimi, Innsbruck 1735, TLF) war sein wichtigstes Werk De medicinae dogmaticae praestantia (Innsbruck 1737).201202 195 Die Verbindung von Anatomie und Botanik war in der ersten Hälfte des 18. Jh. häufig, s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 45. 196 Müller-Jahncke Wolf-Dieter. Gedruckte Kräuterbücher als Wegbereiter der Phytotherapie – Das „New Kreüterbuch“ (1543) des Leonhard Fuchs. In : Schott Heinz, Hg. Meilensteine der Medizin, 195–198 u. 610. 197 Müller-Jahncke Wolf-Dieter. Gedruckte Kräuterbücher als Wegbereiter der Phytotherapie, 197. 198 Müller-Jahncke Wolf-Dieter. Gedruckte Kräuterbücher als Wegbereiter der Phytotherapie, 198 u. 614f. 199 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 154–156, hier 155. 200 Probst Jacob : Geschichte, 195. Probst schließt, dass die Zeitperiode der Regierung von Maria Theresia gerade im Hinblick auf die Publikationstätigkeit eine besonders günstige war. 201 Rogenhofer Gert : 156 u. Probst Jacob : Geschichte, 196, FN 6e. 202 Hölbling Franz, Stratova Wulf : 300 Jahre, 88b.
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Als erster Professor für Pathologie sowie medizinische Praxis wurde 1741 der gebürtige Schwabe Karl Anton Gerstner203 berufen. Der in Innsbruck für 41 Jahre tätige Professor (1741–1782) hatte vor seiner Promotion in Innsbruck u. a. auch in Konstanz und Straßburg studiert (Philosophie bzw. Medizin). Gerstner war schon ganz im Sinne der Aufklärungsmedizin204 tätig und wirkte in den letzten Jahren schließlich als Senior der Fakultät (1774–1782).205 Mit der Umwandlung der Fakultät in ein Lyzeum kam es zur Pensionierung des jetzt 69jährigen Gerstner. Gerstner lehrte insbesondere nach Boerhaave (1668–1738) und nach van Swieten206 (s. u.). Er entfaltete auch eine sehr rege publikatorische Tätigkeit. Sie umfasste u. a. Kommentare zu Boerhaaves theoretisch-praktischer Pathologie/Physiologie, eine Fieberlehre, eine Abhandlung über den Sellrainer Gesundbrunnen.207 In der Zeit des Wirkens von Prof. Gerstner fällt die Übersiedlung der Universität von ihrem Domizil in der Herrengasse – noch in unmittelbarer Nachbarschaft zur Habsburgischen Hofburg und nahe der Stadtpfarrkirche (jetzt Dom) zu St. Jakob208 gelegen – in einen Baukomplex, der bisher dem Jesuitenorden gehörte. Besiedelt wurde jetzt die sogenannte „Alte Universität“, der nach Auflösung des Ordens (1773) schrittweise der Universität zufiel.209 Die zunehmende Befassung mit der Iatrochemie (Chemiatrie)210 zeigte sich in der Berufung von Nikolaus Anton Sterzinger zu Salzrain.211 203 Gerstner Karl (1713–1797, Treisheim bei Burgau/Schwaben bzw. Innsbruck), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 113–116. 204 Boschung Urs. Aufklärungsmedizin. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 117–121. 205 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 113f. 206 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 201f. 207 Gerstners Publikationen waren u. a.: 1) De febre inflammatoria in genere (Innsbruck 1747, TLF). 2) Abhandlung von dem Sellrainer-Gesundbrunnen, dessen Eigenschaften, ächten äußerlich- und innerlichen Gebrauch, und heilsamen Wirkungen (Innsbruck 1769, UBI, TLF). 3) Commentaria theoretico-practica in Pathologiam Boerhavianum, 1. Teil : De morbis solidorum (Innsbruck 1771, TLF, UBI). 4) Commentaria theoretico-practica. 2. Teil : De morbis fluidorum (Innsbruck 1772, TLF, UBI). 5) Commentaria theoreticopractica, Bd. 2 : complectens Aetiologiam Pathologiae (Innsbruck 1781), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 115f. 208 Krapf Michael. Die Baumeister Gumpp, Wien u.a. 1979, 166–171. 209 Caramelle Franz u. Frischauf Richard : Die Stifte und Klöster Tirols, 133–137, hier 134f. 210 Haage Bernhard D.: Iatrochemie. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 651f. 211 Sterzinger von Salzrain Nikolaus Anton (1715–1794) : Der spätere Professor für Medizinische Institutionen studierte an der Universität Innsbruck Philosophie (1733–1735) und Medizin (1735–1739). Er promovierte zum Doktor der Medizin (1739). Anschließend bildete er sich unter der Anleitung der Wiener Hofärzte von Engel und Balland in der Hauptstadt weiter aus. 1742 erhielt er das Lehramt der Medizinischen Institutionen in Innsbruck und übte dies 21 Jahre aus (bis 1763). Anschließend wurde er zum Direktor des Medizinischen Studiums ernannt (1763–1774). Er verhandelte als zwei-
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I. Teil: Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
Die Entwicklung der Iatrochemie geht insbesondere auf drei Persönlichkeiten zurück : • Theophrastus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus (1493–1541)212, • Johann Baptist van Helmont (1579–1644)213 und • Robert Fludd (1574–1637) Der Arzt, Naturforscher und Laientheologe Paracelsus sah die Natur als göttliche Apotheke, die Heilpflanzen und andere tria prima 214 dem Suchenden zur Verfügung stellt. Der bedeutendste flämische Vertreter des Paracelsismus war J. B. van Helmont 215, der die Lehren von Paracelsus zur Chemiatrie216 weiterentwickelte. Dabei verbesserte v. Helmont u. a. die Quecksilberpräparate des Paracelsus. Helmont bemühte sich, die chemische Naturforschung „in den Mittelpunkt der medizinischen Wissenschaft zu rücken“.217
ter Kommissär mit dem Geheimen Rat und Statthalter von Böhmen, Rudolph Graf Chotek, bezüglich des Restabilisierungsdekretes von 1748. Dabei war er aus der Sicht der Innsbrucker Universität durchaus erfolgreich und konnte einer zu starken Verlängerung des Medizinstudiums entgegenwirken. Diese Verhandlungen fanden in München statt. Sterzinger war Mitglied der hoch angesehenen Academia degli Agiati zu Rovereto (seit 1756). Schließlich war er Protomedikus von Tirol und Wirklicher Rat beim oberösterreichischen Gubernium (1772–1774). Neben seinen Verdiensten als langjähriger hoher akademischer Funktionär machte er sich um das Tiroler Salzwesen verdient, wofür er einen Adelstitel erhielt (1765), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 171–175 ; s.a. Stauber Reinhard : Die Gründung der Roveretaner Akademie 1750 u. Die kulturelle Brückenfunktion der „Academia degli Agiati“. In : Stauber Reinhard : Der Zentralstaat an seinen Grenzen. Administrative Integration, Herrschaftswechsel und politische Kultur im südlichen Alpenraum 1750–1820, Göttingen 2001, 394–402. 212 Schott Heinz. Der Arzt als Naturphilosoph, Magier und Alchimist – Die Anstöße des Paracelsus, s.a. Benzenhöfer Udo. Paracelsus. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1101–1105, u. Jüttner G. Paracelsus. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München 2002 (ND), 1695f. 213 Schott Heinz. Parcelsismus und chemische Medizin – Johann Baptist von Helmont zwischen Naturmystik und Naturwissenschaft. In : Schott Heinz. Meilensteine der Medizin, 199–206. 214 Die tria prima (drei Prinzipien) sind Sulphur (Schwefel), Mercurius (Quecksilber) und Sal (Salz). 215 Schott Heinz : Paracelsismus und chemische Medizin – Johann Baptist von Helmont zwischen Naturmystik und Naturwissenschaft, 199–206 u. 615. 216 Schott Heinz : Paracelsismus und chemische Medizin – Johann Baptist von Helmont zwischen Naturmystik und Naturwissenschaft, 201. 217 Schott Heinz : Paracelsismus und chemische Medizin – Johann Baptist von Helmont zwischen Naturmystik und Naturwissenschaft, 206.
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Der Mediziner und Naturphilosoph Robert Fludd 218 gehörte zu den bedeutendsten Ärzten und Naturphilosophen Englands des 16./17. Jahrhunderts. Er stellte sich gegen die Naturphilosophie des Aristoteles, den Galenismus und suchte einen neuen Zugang zur Natur im Sinne der christlichen Prinzipien. Er entwarf eine Kosmologie, aus der er Grundlagen einer Physiologie und Anthropologie ableitete. Zurück zur Innsbrucker Medizinischen Fakultät, diese war nicht zuletzt durch die Salzbergwerke in Hall in Tirol219 zur Pflege iatrochemischer Methoden gut prädestiniert. Dies drückte sich auch in den Publikationen von N. Abb. 8 : Nikolaus Anton von Sterzinger zu Salzrain, A. Sterzinger aus. Professor der Medizinischen Institutionen Nikolaus A. Sterzinger wirkte nach (1742–1763), zusätzlich war er zweimal Rektor einem Studium in Innsbruck und Lehr(1747 u. 1757) 222; aus : De Luca, Universitäts 220 geschichte von 1782. jahren in Wien als Professor der Medizinischen Institutionen (1742–1763) und war auch zweimal Rektor (1747 u. 1757). Anschließend an seine Lehrtätigkeit war er Studiendirektor der Medizinischen Fakultät (1763–1774). Er war insgesamt 21 Jahre Professor in Innsbruck. Die Erhebung in den erbländischen Adelsstand (1765) erfolgte für seine Verdienste um das Salinenwesen, insbesondere von Hall i. T., wozu er auch mehrere Schriften verfasste221.222 Zusammenfassend nochmals die Professorenernennungen in den ersten 75 Jahren der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1748)223 : 218 Fludd hatte in Oxford seinen Doktorgrad der Medizin erhalten (1605), war ein Fellow des Royal College of Physicians und war in lebhaften Kontroversen u.a. mit Johann Kepler (1571–1630) verwickelt, s. Roelcke Volker : Fludd Robert. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 406. 219 Moser Heinz : Vom Heilig Geist Spital zum Bezirkskrankenhaus Hall in Tirol, Hall i. T. 1997, 142– 146. 220 In Wien war Rindler Schüler der Hofärzte von Engel und Balland (1739–1742). 221 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 174f. 222 Hölbling Franz : 300 Jahre, 96 c. 223 Probst Jacob : Geschichte, 383f.
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I. Teil: Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
• Gaudenz v. Sala, medizinische Institutionen, sodann Praxis (1673/74–1691) • Ferdinand v. Weinhart, medizinische Institutionen, dann Praxis (1677–1716) • Theodor Statlender, Anatomie, sodann Aphorismen und medizinische Praxis (1689–1729) • Franz Holer v. Doblhof, Aphorismen (1691–1702) • Peter Linsing v. Linsingburg, medizinische Institutionen (1691–1712) • Wolfgang Fischer v. Fischheim, medizinische Institutionen (1712–1722) • Franz Karl Anton Egloff, Anatomie, dann medizinische Praxis und Aphorismen (1716–1740) • Johann Friedrich v. Payr, medizinische Institutionen, sodann medizinische Praxis und Aphorismen (1722–1759) • Johann Baptist Rindler, Anatomie, dann zusätzlich Botanik (1730–1739) • Hieronymus Bacchettoni, Chirurgie, dann 1737 zusätzlich Anatomie (1733/35– 1741) • Karl Gerstner, Pathologie und Praxis (1741–1782) • Nikolaus Sterzinger v. Salzrein, medizinische Institutionen (1742–1763)
3.
Die frühe Errichtung einer Lehrkanzel für Chirurgie in Innsbruck (1733–1737)
3.1 Zu den Aufgabengebieten der damaligen Chirurgie 224 Als das Mittelalter zu Ende ging, war ein Hauptmangel vieler Wundärzteschulen die „fehlenden wissenschaftlich fundierten Kenntnisse“.225 Verbreitet war – wie bereits angedeutet – eine noch immer bestehende Trennung zwischen der praktischen Chirurgie und der universitären Medizin. Vorreiter einer Aufhebung dieses Dualismus waren – bereits im Mittelalter – Italien und Frankreich.226 Ein Hauptgebiet der Chirurgie war die Behandlung von Unfällen. Behandelt wurden Frakturen, Verbrennungen, Kontusionen, Verletzungen durch das Messer etc. und später im Rahmen der Kriegschirurgie durch Schusswaffen. Bahnbrechend war dabei die Feldchirurgie, die sich v. a. in Frankreich früh entwickelt hatte. Ein Beispiel dafür ist Ambroise Paré (um 1510–1590).227 Die damalige große Chirurgie umfasste v. a. Amputationen, den (Blasen-)Steinschnitt und Operationen von Leistenhernien, jeweils mit einer hohen Komplikationsrate und der erheblichen Gefahr eines letalen Ausganges.228 Besonderer Stellenwert kam auch dem „Star-Stechen“229 zu. Ein früher Vertreter der Behandlung von Augenkrankheiten war dabei Georg Bartitsch 230, Hofokkulist bei Herzog August von Sachsen und Verfasser von „Ophtalmodouleia, der Augendienst“ (Dresden 1583). Das Aufgabengebiet der Chirurgie umfasste jedoch auch die Therapie verschiedenster entzündlicher Erkrankungen, ebenso von äußeren Geschwürbildungen 224 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 295–321, insb. 296–306, u. Porter Roy : The Greatest Benefit : 186–190. 225 Rüster Detlef : Alte Chirurgie. Legende und Wirklichkeit, 116–144, Zitate 128. 226 Keil Gundolf : Chirurg, Chirurgie. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, 1845–1860, s.a. Eulner HansHeinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 295–321. 227 Tshisuaka Barbara I.: Paré, Ambroise. In : Enzyklopädie Medizingeschichte Bd. 3, 1107f. 228 Rüster Detlef : Alte Chirurgie. Legende und Wirklichkeit, 172f. Der Kommentar zum Blasensteinschnitt illustriert die Gefahren dieses Eingriffes von der Dammgegend her, also zwischen Hoden und After. 229 Krogmann Frank : Ophtalmologie. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1069–1070, Zitat : 1070. 230 Tshisuaka Barbara I.: Bartitsch Georg. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 51.
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und von Tumoren. Weiters waren Hauterkrankungen ein wichtiges Aufgabengebiet. Dies betraf besonders auch die Geschlechtskrankheiten (Syphilis231 u. a.). Notwendig wurden für einen Chirurgen die folgenden drei Eigenschaften angesehen : „Ein Herz wie das Herz eines Löwen, Augen wie die Augen eines Habichts und Hände wie die Hände einer Frau.“232 Die Chirurgie wurde als handwerkliche Kunst angesehen. In den meisten europäischen Ländern waren die Chirurgen in Zünften organisiert. Es gab bereits verbreitete chirurgische Lehrbücher wie z. B. das „Buch der Cirurgia“ (1497)233 des Hieronymus Brunschwig.234 Weiters zu nennen ist das „Feldbuch der Wundartzney“ des Hans von Gersdorff (ca. 1455–1529)235, das „Feldt Arztney Buch von Kranckheiten und Schäden“ (Basel 1615) des Hildanus Wilhelm Fabricius236, das „Armamentarium chirurgicum“ (Ulm 1653) des Johannes Scultetus/Schultes und später das „Buch zur Wund-Arzney“ des Lorenz Heister (Nürnberg 1719).237 Der Dualismus zwischen der handwerklichen Ausbildung zum Wundarzt und der akademischen Medizin/Chirurgie wird im Weiteren ausführlich dargestellt (Kapitel II.4.). 3.2 Die Lehrkanzel für Chirurgie in Innsbruck Die Errichtung des vierten Lehrstuhles brachte 1733 die erste selbstständige Lehrkanzel für Chirurgie in der Habsburgermonarchie.238 231 Noch z. Z. des Ferdinand von Hebra (1816–1880) wurden die venerischen Erkrankungen zunächst noch als eine Entität angesehen. Gerabek, Werner E.: Syphilis. In : Enzyklopädie Medizingeschichte Bd. 3, 1371–1374, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 153–160. 232 Porter Roy : The Greatest Benefit, 186. Dieses Zitat stammt von John Halle (1529–1568). 233 Brunschwigs populärste Werke waren jedoch sein Kleines und Großes Destillierbuch („Liber de arte distillandi de simplicibus“, 1500, und „Liber de arte destillandi de compositis“, 1512). Er schrieb auch ein Pesttraktat. Alle seine Schriften, später v. a. auch kompilatorische Texte (u.a. Stainhöwels Pestbuch), waren in Deutsch verfasst. Neuauflagen wurden bis übers 18. Jh. neu editiert bzw. nachgedruckt. Übersetzungen ins Englische, Niederländische, Tschechische u.a. erschienen im 16. Jh. Das reichhaltige Opus des Wundarztes Brunschwig zeigt auch die Breite des wundärztlichen Wirkens, insbesondere auf dem Gebiet der (chirurgischen) Materia medica und in der Betreuung von Patienten mit Seuchen (Pest, venerische Erkrankungen u. a.), Keil Gundolf (mit Dilg P.) : Brunschwig Hieronymus. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, 793f, s.a. Schweighardt Christoph : Renaissancemedizin. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1233–1238, hier 1235. 234 Keil Gundolf : Brunschwig Hieronymus. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 217. 235 Eckart Wolfgang : Geschichte, 5. Aufl., 90–93. u. Porter Roy : The Greatest Benefit, 187. 236 Tshisuaka Barbara I.: Fabricius Hildanus Wilhelm. In : Enzyklopädie Medizingeschichte Bd. 1, 387. 237 Tshisuaka Barbara I.: Heister, Lorenz. In : Enzyklopädie Medizingeschichte Bd. 2, 565. 238 Huter, Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 1f., Rogenhofer Gert, Medicina oenipontana, 100–104, hier 102, Gasser, Rudolf Josef : Zur Geschichte, 13.
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In Wien ist ebenfalls im 18. Jahrhundert eine chirurgische Abteilung zuerst im Unierten Spital dokumentiert. Die Leitung der Chirurgie hatte der Tiroler Raphael Steidele (1787–1823) inne.239 Dieser konnte 1774 dort eine chirurgische Klinik eröffnen, in der besonders Geburtshilfe betrieben und gynäkologische Patienten vorgestellt wurden.240 Bei Eröffnung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses unter Josef II. (1884) wurde die chirurgische Klinik, bestehend aus sechs Betten, dorthin verlegt. Im AKH ging es jetzt v. a. um den „Unterricht der höheren Kategorie von Chirurgen“,241 mit zunächst zwei kleinen Krankenzimmern. Während der Direktion von Johann Peter Frank (1795–1804) wurde die Chirurgische Klinik aus dem (späteren) Direktionsgebäude des AKH an die Ecke gegen die Alserstraße und Spitalgasse verlegt. Dort umfasste sie vier Zimmer, „von denen das eine als chirurgisches Amphitheater und Operationssaal eingerichtet, das zweite zur Aufbewahrung der chirurgischen Instrumente, Bandagen und Maschinen und die beiden übrigen als Krankensäle verwendet wurden. Die Klinik gewann dadurch mehr Raum für die Aufnahme von Kranken. Im Jahre 1842 wurde sie in den nördlichen Tract des ersten Hofes verlegt“,242 wo sich die erste chirurgische Klinik (bis zur Übersiedlung ins neue AKH zu Ende des 20. Jahrhunderts) befand. Der erste Innsbrucker Professor für Chirurgie war Hieronymus Leopold Bacchettoni 243 (auch Bacchetton[i])244 genannt. Er promovierte 1726 in Innsbruck zum Doktor der Medizin. 239 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 61f u. 74. 240 Akademischer Senat der Wiener Universität (Hg.) : Geschichte der Wiener Universität von 1848 bis 1898. Als Huldigungsfestschrift zum fünfzigjährigen Regierungsjubiläum seiner k. u. k. apostolischen Majestät des Kaisers Franz Joseph I. Wien 1898, 223–231, hier 224. 241 Akademischer Senat der Wiener Universität (Hg.) : Geschichte der Wiener Universität, 224. 242 Akademischer Senat der Wiener Universität (Hg.) : Geschichte der Wiener Universität, 224. 243 Bacchettoni Hieronymus Leopold (1690–1749). Der in Preci (Umbrien) geborene spätere Professor für Anatomie und Chirurgie stammte aus einer italienischen Chirurgenfamilie. Nachdem sein Großvater schon im 17. Jahrhundert aus Umbrien nach Tirol eingewandert war, hielt sich auch sein Vater Bartolomeo Antonio Bacchettoni ab 1699 als Chirurg, Okulist und Steinschneider in Tirol auf. H. L. Bacchettoni promovierte (1724) in Innsbruck zum Dr. phil., dann erwarb er den Gradus Chyrurgie in Padua (1725) und anschließend das der Medizin in Innsbruck (1726). 1737 wurde er in Innsbruck zum Professor der Medizin, Chirurgie und Anatomie ernannt. Der Ernennung zum Chirurgieprofessor war eine längere Diskussionsphase vorausgegangen, die als Affäre Bacchettoni bezeichnet wurde, 1741/42 war Bacchettoni Rektor der Innsbrucker Universität, s. Pfaundler-Spat Gertrud : Tirol-Lexikon, 39, u. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 60. u. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 100–104. 244 Huter Franz : Hieronymus Leopold Bacchettoni, Professor der Anatomie und Chirurgie an der Universität Innsbruck. Ein Beitrag zur Verselbständigung der Chirurgie als Lehrfach an den Universitäten nördlich der Alpen (= Schlern-Schriften 275), Innsbruck 1985, s.a. Lexikon der hervorra-
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Abb. 9 : Promotionsbild Hieronymus Leopold Bacchettoni. 245 Herausgegeben anlässlich der Promotion Bacchettonis zum Doktor der Medizin 1726. Stich von Jakob Andreas Friedrich d. Ä. nach einer Zeichnung von Michael Ignaz Mildorfer, Exemplar der Bibliothek des Landesmuseums Ferdinandeum Innsbruck, Nr. FB 7191. 246
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genden Ärzte aller Zeiten und Völker unter Mitwirkung [zahlreicher Gelehrter] und unter SpezialRedaktion von E. Gurlt und A. Wernich, hg. von August Hirsch Zweite Auflage durchgesehen und ergänzt von F. Hübotter, H. Vierdolt und W. Haberling, Erster Band, Berlin und Wien 1929 (= BLÄ 1), 269 : Das von ihm stammende Lehrbuch hatte den Titel „Anatomia, medicinae theoreticae et practicae ministra, cautelisque in praxi observandis illustrata etc.“, Innsbruck 1740. Es war mit (fast durchwegs entlehnten) Abbildungen ausgestattet. 245 Huter Franz : Hieronymus Leopold Bacchettoni, Professor der Anatomie und Chirurgie an der Universität Innsbruck. Ein Beitrag zur Verselbständigung der Chirurgie als Lehrfach an den Universitäten nördlich der Alpen (= Schlern-Schriften 275), Innsbruck 1985, 18–19. 246 Huter Franz : Hieronymus Leopold Bacchettoni, Professor der Anatomie und Chirurgie an der Universität Innsbruck. Ein Beitrag zur Verselbständigung der Chirurgie als Lehrfach an den Universitäten nördlich der Alpen (= Schlern-Schriften 275), Innsbruck 1985, 18–19.
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Was waren die Gründe für den Widerstand der Fakultät gegen die Errichtung eines Lehrstuhles für Chirurgie einerseits, das wiederholte Bemühen des Kaiseres andererseits um eine akademisch orientierte Chirurgie ? 247 Der Widerstand der Fakultät war zunächst ein grundsätzlicher. Die Chirurgie sei „eine Handfertigkeit, und das wissenschaftliche daran gehöre der Anatomie zu“248. Bacchettoni, als Prosector wirkend (1730–1735)249, sollte als Hilfskraft, jedoch nicht als institutionalisierter Professor, lehren.250 Seine Tätigkeit als Chirurg habe nicht in den Räumen der Universität, sondern außerhalb Abb. 10 : Hieronymus Leopold Bacchettoni als derselben stattzufinden.251 Die MediziRektor der Universität 247 ner seien ausschließlich in Latein, die Handwerkschirurgen in Deutsch zu unterrichten. Der Widerstand der Professoren gegen die volle Fakultätsmitgliedschaft wurde dann erst überwunden, als mit der Chirurgie die Anatomielehrkanzel verbunden werden konnte (1737). Erst 1772 wurde dann die Chirurgie von der Anatomie endgültig getrennt.252 Kaiser Karl VI. und die außerfakultären Instanzen waren demgegenüber bemüht, die Qualität der chirurgischen Ausbildung zu verbessern. Dazu sollte der Dualismus zwischen Theorie und Praxis im Fach überwunden werden. Dieser Dualismus war an den deutschsprachigen Hochschulen „in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (noch) die Regel“.253 In Wien setzte, wie schon besprochen, der chirurgische Unterricht auf akademischem Boden mit dem Tiroler Raphael Steidele ein (1774).254 247 Huter Franz : Hieronymus Leopold Bacchettoni, Professor der Anatomie und Chirurgie an der Universität Innsbruck. Ein Beitrag zur Verselbständigung der Chirurgie als Lehrfach an den Universitäten nördlich der Alpen (= Schlern-Schriften 275), Innsbruck 1985. 248 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 2. 249 Rogenhofer Gert, Medicina Oenipontana, 100. 250 Rogenhofer Gert, Medicina Oenipontana, 40. Bacchettoni solle den Professoren zu Dienste stehen. 251 Probst Jacob : Geschichte, 115–118. 252 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 3. 253 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 295–321, Zitat 320. 254 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 61f.
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In Prag erfolgte die Gründung der chirurgischen Klinik unter Karl Ferdinand Arnold (1773).255 Der Nachfolger von K. F. Arnold in Prag war Ignaz Franz Fritz (1778–1841). Fritz führte die Klinik 1808–1841.256 Schüler von Fritz und sein Nachfolger war Franz Joseph Pitha (1810–1875)257, der von Prag ans Wiener Josephinum berufen wurde. Aus Pithas zahlreichen Publikationen kommt den gemeinsam mit Billroth herausgegebenem Handbuch besondere Bedeutung zu.258 Weiters zu nennen ist der Ausbau des Josephinums unter der Leitung von Giovanni Alessandro Brambilla (1728–1800).259 Die Eröffnung des heute noch bestehenden Gebäudes des Josephinums fand 1785 statt.260 Das Pendant in Berlin war die Pépinière, gegründet 1795.261 Im südlichen Deutschland wirkten die ersten Professoren für Chirurgie in Ingolstadt (1754), Würzburg (1769), Freiburg (1773) und Erlangen (1774).262 255 Rogenhofer Gert, Medicina Oenipontana, 39, FN 94, s.a. Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 569f. 256 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 318 u. 569. 257 Pitha Franz Freiherr von (1810–1875) studierte in Prag und wurde dort 1839 zum supplierenden, 1841 zum ordentlichen Professor der Chirurgie ernannt. Dort übte er auch das Rektorsamt aus (1854/55). Pitha erneuerte in Prag die Chirurgie, wobei er die pathologische Anatomie im Sinne Rokitaniskys und das methodische Vorgehen von Skoda zu Grundlagen seiner ärztlichen Tätigkeit machte. Parallel zu Schuh in Wien führte er in die chirurgische Diagnostik die neuen chemischen und mikroskopischen Untersuchungsmethoden ein. Durch Reisen an westeuropäischen Medizinzentren bemühte er sich um Anschluss an die französische und englische Chirurgie. Pitha führte in Prag die Steinzertrümmerung (Lithotripsie) und überhaupt die Urologie ein, dieses Fach pflegte er besonders. Er propagierte die oft lebensrettende Tracheotomie. Er forschte auf dem Gebiet des Hospitalbrandes, der in der vorantiseptischen Ära das Hauptproblem chirurgischer Komplikationen war. Schließlich führte er in Prag Narkosen – unter Verwendung von Äther und Chloroform – ein. Von Prag ging er nach Wien an die militärärztliche Akademie (Josephinum). Dort hielt er von 1857 bis zu deren Auflösung 1874 praxisorientierte chirurgische Vorlesungen. Als führendem Militärchirurgen wurde Pitha 1866 die sanitäre Oberleitung auf dem italienischen Kriegsschauplatz anvertraut. Er starb nach einer Operationsverletzung am Finger an den Folgen einer chronischen Pyämie (eitrige Sepsis als Infektionsfolge), s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 203–205, u. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 191–193. 258 „Handbuch der allgemeinen und speziellen Chirurgie mit Billroth und Pitha als gemeinsamen Herausgeber“, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 203–205, u. Schönbauer Leopold : Das medizinische Wien, 397. 259 Wyklicky Helmut : Das Josephinum, 112f., s.a. Holubar Karl : Brambilla Alessandro. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 204. 260 Wyklicky Helmut : Das Josephinum. Biographie eines Hauses, Wien 1985, 32–34 u. 57–64. 261 Weißer Christoph : Chirurg, Chirurgie, Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 255. 262 Rogenhofer Gert, Medicina Oenipontana, 39, FN 94 u. Seidler Eduard u. Leven Karl-Heinz : Die Medizinische Fakultät, 104–107 u. 752f.
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Die österreichische Aufklärungsmedizin im Dienste von Kaiserin Maria Theresia (1717–1780, Herrscherin 1740–1780) und Josef II. (1741–1790, Kaiser 1780–1790), bemühte sich, von oben her 263 eine möglichst große Zahl arbeitsamer und wehrfähiger Bürger gesund zu erhalten. Maria Theresia suchte ihr gesamtes Staatswesen „im Geist des aufgeklärten Absolutismus zu rationalisieren“.264 Ihre Hochschulreform betraf dabei besonders die medizinische Ausbildung. Der wichtigste Mitarbeiter bei diesen Reformen war Gerard van Swieten (1700–1772)265, ein Schüler des Leidener Klinikers Herman Boerhaave (1668–1738).266 Die van Swieten’sche Medizinalreform – 1749 im Entwurf fertiggestellt und von der Kaiserin zum Gesetz erhoben – schrieb eine staatliche Kontrolle der Medizinerausbildung an den Universitäten vor. „Die Autonomie der Hochschule wurde nunmehr … abgeschafft oder staatlich kontrolliert : die Profes soren wurden von der Kaiserin ernannt (und bezahlt), ein Regierungsvertreter führte den Vorsitz bei den Examina, den Promotionen, den Apothekervisitationen und anderen akademischen Handlungen …“267 Jetzt erteilte der Staat und nicht mehr die Universität die Erlaubnis zur medizinischen Praxis. Voraussetzung dafür waren die Absolvierung von (medizinischen) Rigorosen an einer österreichischen medizinischen Fakultät. Absolventen aus Wien waren im gesamten Reich zur Berufsausübung berechtigt, solche aus einer „Provinzuniversität“268 nur in der betreffenden Provinz. Die Reform der Medizinerausbildung betraf auch die Studieninhalte. Das noch immer vielfach übliche Diktieren aus approbierten Texten solle zugunsten von „mehr empirischer und experimenteller Wissensaufnahme“269 verändert werden. Schwerpunkt des Unterrichtes waren insbesesondere die anatomische Unterwei263 Reinalter Helmut : Aufklärung, 125. 264 Leven Karl-Heinz : Aufklärungsmedizin, 163. 265 Gant Barbara : Swieten Ger(h)ard van. In : Reinalter Helmut : Aufklärung, 600–603, s.a. Jerabek Werner E.: Swieten Gerhard van. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1369. 266 Tshisuaka Barbara I.: Boerhaave Herman. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 197f. 267 Leven Karl-Heinz : Aufklärungsmedizin, 163. 268 Leven Karl-Heinz : Aufklärungsmedizin, 163. 269 Leven Karl-Heinz : Aufklärungsmedizin, 163.
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sung an der Leiche. In der praktischen Medizin müsse der Unterricht am Krankenbett im Mittelpunkt der klinischen Ausbildung stehen. Gegründet bzw. reformiert wurden eine Reihe von wichtigen Kommissionen. Es kam zur Gründung einer obersten Gesundheitsbehörde, der „Sanitäts-Hofdeputation in Wien“.270 Auf der Ebene der vorderösterreichischen Landesregierung wurde eine „Sanitätskommission“271 installiert. Diese hatte durch öffentliche Sanitätsbeamte die Medizinischen Fakultäten der Universitäten z. B. von Innsbruck und Freiburg zu kontrollieren sowie „das örtliche Gesundheitssystem im aufklärerischen Sinne umzugestalten …“272 4.1 Die starke Hand des Staates – neue Räume für die Universität Mit der Aufhebung des Jesuitenordens (1773) ging der den Jesuiten zugehörige Gebäudekomplex in Staatsbesitz über273. Dort konnte sich die damalige Universität ausbreiten. Dieser Gebäudekomplex diente als Universitätshauptgebäude bis zur Übersiedlung in die Neue Universität (1924).274 Damit ging eine Ära zu Ende, die mit der Gründung des Jesuitenkollegs 1562 begonnen hatte. Rückblickend ein paar Worte zu den Jesuitengründungen in Innsbruck275 (sowie in Hall in Tirol276). An beiden Stellen wurden zunächst Gymnasien errichtet. Das Innsbrucker Jesuitenkolleg (gegründet 1562277) wurde dann ohne Unterbrechung im Lehrangebot zur Universität aufgewertet. Die ersten Vorlesungen im Rahmen des philosophischen Studiums konnten bereits 1670/1671 begonnen werden. Die drei Jahrgänge der Philosophie beinhalteten Logik, Physik und Metaphysik.278 270 Leven Karl-Heinz : Aufklärungsmedizin, 163. 271 Leven Karl-Heinz : Aufklärungsmedizin, 163. 272 Leven Karl-Heinz : Aufklärungsmedizin, 163. 273 Coreth Emerich : Das Jesuitenkolleg Innsbruck, 3–76, hier 21–24. Es handelte sich um den Gebäudekomplex in der heutigen Innsbrucker Angerzellgasse über die Universitätsstraße samt Jesuitenkirche bis in die Sillgasse. 274 Moser Hans und Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, 41–45. 275 Caramelle Franz u. Frischauf Richard : Die Stifte und Klöster Tirols. Innsbruck u.a. 1985, 133–137, hier 133. 276 Caramelle Franz u. Frischauf Richard : Die Stifte und Klöster Tirols, 138f. 277 Das Innsbrucker Gymnasium als Vorstufe zum Kollegium wurde 1554 vom – dann heilig gesprochenen – Petrus Canisius (1521–1597) gegründet, der damals Provinzial der Oberdeutschen Provinz des Jesuitenordens war. Es war der Wunsch von Kaiser Ferdinand I., die Jesuiten für die Innsbrucker Unterrichtsanstalt zu gewinnen, s. Caramelle Franz u. Frischauf Richard : Die Stifte und Klöster Tirols, 133f. 278 Probst Jacob : Geschichte, 4f.
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Die Jesuiten stellten dabei den Kern der Professorenschaft. Voraussetzungen waren Stiftungen, die besonders in der Zeit der Gegenreformation reichlich diesem Orden zugesprochen wurden. Für das Land Tirol vorteilhaft waren der vergleichsweise geringere Aufwand für Professorengehälter an Jesuiten und die Forderung der Jesuiten, eine möglichst geringe Belastung der – qualifizierten – Studierenden zu gewährleisten. Maria Theresia und ihre Berater sahen – trotz der persönlichen Zuneigung der Kaiserin zum Jesuitenorden – eine Unterrichtsreform entgegen den Intentionen des Ordens für notwendig. Gerard van Swieten und andere Reformer artikulierten im Zusammenhang mit der Neuordnung der Universitäten dies in folgender Weise :279 „… Jede institutionelle Veränderung an der Universität … und jede Reform der Studiengänge und Lehrmethoden, scheiterte letztlich an der Tatsache, dass der Jesuitenorden sich von den landesfürstlichen Anweisungen exempt (ausgenommen) erklärte.“280
Die Verdrängung des Jesuitenordens von den Universitäten ging insgesamt „schrittweise vor sich (s. u.)“.281 Bei den Bemühungen um die Ausschaltung dieses Ordens verliefen die Fronten keineswegs zwischen Kirche, staatlichen Stellen und universitären Institutionen, sondern „auch in den Reihen der Kleriker (waren) zahlreiche Jesuitengegner zu finden“.282 Hauptgrund der zunehmenden Ausschaltung des Ordens war dabei weniger deren Versagen als Vortragende, denn es wirkte im Orden eine größere Zahl hervorragender Professoren. Es war vielmehr das Lehrsystem im Geiste der Scholastik mit Ausnahme der Realia.283 Gerade in naturwissenschaftlich-mathematischen Disziplinen vollbrachten Mitglieder des Ordens „sehr gute Leistungen“.284 Die Haltung des Ordens widersprach jedoch dem Ziel, die Universitäten dem Staat absolutistisch unterzuordnen. Eine 279 Der Katholik van Swieten war konsequent bemüht, den noch immer starken Einfluss der Jesuiten auf den Universitäten einzuschränken. Auch Erzbischof Migazzi war „wenigstens um 1760 ein erklärter Gegner der Jesuiten“, s. Falkner Andreas : Geschichte, 160 (mit weiteren Angaben), s.a Brechka Frank T.: Gerard van Swieten and his world. 1700–1772, Den Haag 1970, 136. 280 Klingenstein Grete : van Swieten, 97. 281 Sager Eva : Die Universität Wien unter Maria Theresia. Geisteswissenschaftliche Dissertation, Universität Wien, 1978, 47–56, Zitat : 47. 282 Sager Eva : Universität, 47. 283 Die Realia waren bekanntlich in den Curricula der Scholastik integriert. Der aufkommende Humanismus spielte in der Entwicklung dieser (naturwissenschaftlichen und mathematischen) Fächer eine geringere Rolle. 284 Sager Eva : Universität, 55.
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derartige Unterstellung war eindeutig gegen die Intentionen des Ordens gerichtet.285 Andere Orden, v. a. die Augustiner, Benediktiner, Dominikaner und Prämonst ratenser hatten damit ebenso wie die Weltgeistlichkeit geringere Probleme. Van Swieten war Reformkatholik, gleichzeitig ein entschlossener Gegner der damaligen Hochschulpolitik des Ordens. Grund dafür waren die damaligen Überzeugungen, dass die Jesuiten von den Universitäten verdrängt werden müssten, „um die Universität völlig dem Staat unterordnen zu können“286. Mit fortschrittlich gesinnten Jesuiten arbeitete van Swieten jedoch zusammen, und nach stattgehabten Reformen war „eine generelle Annäherung an die Jesuiten bei ihm festzustellen“.287 Maria Theresia trat dafür ein, Härten gegenüber dem Orden zu vermeiden. Persönlich dürfte die Monarchin die derzeitige Lage des Ordens sehr bedauert haben.288 Schließlich war die weitere Mitarbeit von Mitgliedern des Jesuitenordens an den Universitäten eigentlich unentbehrlich.289 In diesem Sinne war die staatliche Aufhebungskommission nach dem (päpstlichen) Aufhebungsdekret von 1773 zum Schluss gekommen, dass Ex-Jesuiten weiter – v. a. in den Realia – an den Universitäten lehren sollten.290 Zur Verwaltung des Vermögens der Jesuiten war ein Fonds für die Unterrichtsanstalten gegründet worden291. Ex-Jesuiten, die die höhere Weihe noch nicht erhalten hatten, erhielten – mit gewissen Einschränkungen292 – aus diesem Fonds das Kapital wieder zurück, das sie eventuell bei Ordenseintritt eingezahlt hatten. 4.2 Wirkungen der Reformen von Maria Theresia und Josef II. auf die Universität Innsbruck Konkretisiert wurden die Reformen an der Medizinischen Fakultät Innsbruck insbesondere durch die Reformationsdekrete, die mit den Namen Rudolph Graf Chotek (1748)293 285 Sager Eva : Universität, 47. 286 Sager Eva : Universität, 49. 287 Sager Eva : Universität, 49. 288 Sager Eva : Universität, 53. 289 Sager Eva : Universität, 54f. 290 Ein Verbot für Ex-Jesuiten galt jedoch für Lehrstühle der Theologie, der Moral, Ethik, Metaphysik und der Kirchengeschichte. Der Lehrstuhl für Kirchenrecht war auf Veranlassung van Swietens bereits 1767 den Jesuiten entzogen worden. Den Theologen war dabei befohlen worden, das kanonische Recht zusammen mit den Juristen bei Prof. Riegger zu hören, s. Sager Eva : Universität, 54 u. 43. 291 Sager Eva : Universität, 53f. 292 Sager Eva : Universität, 54. 293 Probst Jacob : Geschichte, 393–401.
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und Karl Anton Frh. v. Martini (1765)294 verknüpft sind. Sie werden im Einzelnen dargestellt, zunächst folgt jedoch ein zusammenfassender Überblick der Ergebnisse : • Die einflussreichsten Positionen im akademischen Senat (dem wichtigsten gesamtuniversitären Gremium) und den Fakultäten wurden mit „Geachteten und Gelehrten“295 besetzt, die z. T. von außerhalb der Universität kamen. • Zur Hebung des Qualitätsstandards des Unterrichtes an der Innsbrucker Universität kamen zu Visitationen „ausgezeichnete Männer aus Wien“296. Dies war zunächst der Diplomat und Hofbeamte Graf Rudolph Chotek297. Neben anderen Leistungen für das Kronland298 stellte Chotek ein Restabilisierungsdekret für die Universität aus (am 3. Mai 1748)299. Diese Urkunde war das Ergebnis mehrfacher offizieller Aufenthalte in Innsbruck. Am Abschluss der Reformkonzepte stand das Martini’sche Nominale300. a) Die Chotek’schen Reformkonzepte • Chotek hatte seine Untersuchungen Anfang 1746 begonnen. Resultat war eine Entschließung in 35 Punkten301. Die Reformvorschläge sahen vor : Die Studiendauer erhöht sich von drei auf vier Jahre, vorher ist weiterhin ein zweijähriges philosophisches Studium zu absolvieren. Damit ergibt sich eine Gesamtstudiendauer von sechs Jahren. Zur Verbesserung der praktischen Ausbildung verlangte Chotek eine obligate Spitalstätigkeit vor Ausübung der Praxis. Nachzuweisen sei ein drei- bis vierjähriger klinischer Dienst an Krankenhäusern oder in Lazaretten.302
294 Probst Jacob : Geschichte, 401–411. 295 Kink Rudolf : Geschichte, 451. 296 Diese sollten „die Gebrechen an derselben heben und ihren Zustand vervollkommnen.“, s. Probst Jacob : Geschichte, 194. 297 Chotek v. Chotkowa Rudolph Graf von (1707–1771) entstammte einem alten böhmischen Grafengeschlecht Unter Maria Theresia war er Statthalter in Böhmen und Gesandter in München. 1765 wurde er Oberster Kanzler der Vereinigten Hofkanzlei in Wien, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana. 44, FN 102. 298 Köfler Werner : Land, Landschaft, Landtag – Geschichte der Tiroler Landtage von den Anfängen bis 1808, Innsbruck 1985, 374 u. 472f 299 Probst Jacob : Geschichte, 393–401. Im Wortlaut abgedruckt. 300 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 32f. 301 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 45–51. 302 Probst Jacob : Geschichte, 396.
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• Nach wie vor gab es lediglich drei medizinische Lehrkanzeln303 (Institutionen, Anatomie gemeinsam mit Chirurgie, sowie „Praxeos“)304. Ihr Schwergewicht solle jedoch auf einer praktisch ärztlichen Ausbildung liegen. Für die medizinischen Institutionen genüge ein Jahr305. Dem gegenüber sei die medizinische Praxis über drei Jahre zu lehren, wobei man „hiezu den Ihnsprugger Professorem Weinhart …“306 explizieren sollte. Zusätzlich seien aber auch die Aphorismen „an gehörigen Orten miteinzurucken“307. Betont wird auch die Notwendigkeit der Lehre in Prinzipien der Botanik, der Chemie und der (frühen) Arzneimittellehre308. Der Professor der Anatomie und Chirurgie habe diese Fächer den Medizinstudenten wie bisher zu erteilen. Zusätzlich habe auch ein Chirurgieunterricht in deutscher Sprache, jedoch außerhalb der Universität „denen chirurgis nach dem dermahligen Gebrauch zu tradiren“309. Somit habe auch den nichtakademisch vorgebildeten Wundärzten Anatomie und Chirurgie in deutscher Sprache, jedoch außerhalt der Universität, angeboten zu werden. Betont wird weiters die Notwendigkeit, öffentliche anatomische Demonstrationen im Rahmen der Universität wie bisher jedes Jahr fortzusetzen. • Vorgeschrieben wird ein zeitlich genau definiertes Curriculum.310
303 Nach „Absterben des damaligen Professori Aphorismorum von Payr, der damals die vierte Lehrkanzel innehatte. 304 Probst Jacob : Geschichte, 397. 305 Probst Jacob : Geschichte, 397. Im Unterricht in den Institutionen sei nach dem Lehrbuch von Lorenz Heister (1683–1758) vorzugehen. Heister war Professor für Anatomie, Chirurgie und Physiologie in Altdorf bei Nürnberg (Universität 1622–1809). Das in Helmstadt (1736) erschienene Lehrbuch war „Compendium institutionum sive fundamentorum medicinae“. S. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 193f. 306 Vorgeschrieben wurde von Ferdinand Karl Weinhart (1654–1716, Professor in Innsbruck 1677–1716) das Werk „Nucleus universae medicinae“ und „Medicus officiousus praxi rationali methodica aphoristica“. Eine Zusammenfassung zu Medicus officiousus findet sich in Kapitel I4.7, s. Probst Jacob : Geschichte, 397, u. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 48 u. 183f. 307 Probst Jacob : Geschichte, 397. 308 In diesen naturwissenschaftlichen Lehrfächern seien „etwelche Principia chymiae“ ebenso zu tradieren wie „introductionem aliquam ad rem herbariam“. Dazu seien die bekanntesten und gelehrtesten Autoren heranzuziehen. Vorgesehen für diese Spezialvorlesung ist ein zweiwöchiger Unterricht „wo nicht in der öffentlichen Schul, doch wenigstens zu Haus“, s. Probst Jacob : Geschichte, 397. 309 Probst Jacob : Geschichte, 397. Der deutschsprachige Unterricht war v. a. auch für Wundärzte zu erteilen, dies jedoch nicht auf akademischem Boden, sondern „zu Hause“. Ein bestimmtes Lehrbuch für Anatomie und Chirurgie wurde übrigens nicht vorgeschrieben. 310 Probst Jacob : Geschichte, 397.
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Dreimal pro Woche (Montag, Mittwoch und Freitag) seien die folgenden eineinhalbstündigen Vorlesungen zu halten : Medizinische Institutionen halb acht bis neun Uhr Medizinische Praxis neun bis halb elf Uhr An den übrigen drei Wochentagen (Dienstag, Donnerstag und Samstag) erfolgen die Vorlesungen in Anatomie und Chirurgie etc. zu den gleichen Zeiten. Zusätzlich bleibe Zeit für „die etwa vorfallende(n) Collegia privata“311. • Die Lehre in der Botanik war allerdings lange Zeit in ihrer Finanzierung prob lematisch. Zwar betonte das Chotek’sche Reformpapier, es seien „etwelche principia chymiae, nicht minder introductionen… ad rem herbariam… zu tradiren…“312. Es fehlten jedoch anscheinend Räumlichkeiten, auch gab es dafür keinen offiziellen Zeitplan im Curriculum. Daher solle die Lehre in Botanik, Chemie etc. „doch wenigstens zu Haus zweymahl die Wochen“313 stattfinden. Dies entsprach somit eher einer privaten Vorlesungstätigkeit314. • Verurteilt wird das bisher noch immer übliche „Dictiren“315. Immer noch war es Usus, im Rahmen der Vorlesungen den Studenten die Lehrinhalte in Diktatform mitzuteilen. Die Studenten waren dabei angehalten, nach diesem Diktat schriftliche Unterlagen anzufertigen316. Die Fakultät verhielt sich zunächst retardierend und äußerte erhebliche Bedenken. Die Verlängerung des Studiums würde nämlich viele Studenten von Innsbruck abhalten, da es an anderen Universitäten einfacher und schneller ginge, „ad gradum“ zu kommen.317 So seien in Italien die Dauer des Studiums nicht exakt festgelegt, in Freiburg i. Br. lediglich zwei Jahre, in Ingolstadt drei Jahre. Auch sei ein Studienjahr für die Institutionen zu wenig, da diese alle wesentlichen Teile der Medizin umfasse. Dagegen seien drei Jahre für die Praxis zu viel. Besonders stieß man sich daran, dass im Anschluss an die drei- bis vierjährige Spitalspraxen eine Prüfung zu 311 Probst Jacob : Geschichte, 397. 312 Probst Jacob : Geschichte, 397 (§ 16), s.a. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 46. 313 Probst Jacob : Geschichte, 397. 314 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 60–62. 315 Probst Jacob : Geschichte, 397, s.a. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 46. 316 Probst Jacob : Geschichte, 397. u. Falkner Andreas : Geschichte, 49–59, Zitat : 54. Das Diktierverbot wurde insbesondere von den Jesuiten lebhaft bekämpft. „… das Diktieren (fördere) die Studiendisziplin. Die Erfahrung zeige, dass viele Hörer einzig deshalb die Vorlesungen nicht so leicht versäumten, damit sie ihre Skripten nicht durch Nachschreiben ergänzen müssten… Und schließlich werde für arme Studenten das Studium unsäglich erschwert, wenn man sie verpflichte, Jahr für Jahr eine Reihe Bücher zu kaufen…“. 317 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 48.
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absolvieren sei, für die das Kollegium der Physikatsärzte zuständig sei.318 Schließlich wurden die Prüfung sowie die drei- vierjährige Spitalpraxis ersatzlos gestrichen.319 Dieses Reformkonzept musste nicht zuletzt wegen der Bemühungen der Innsbrucker Professorenschaft modifiziert werden.320 „… Chotek war mit seinem Reformvorhaben bis an die Grenze des Möglichen gegangen … Ein Blick … auf das Krankenhauswesen dieser Zeit macht deutlich, dass Chotek im Kernpunkt seiner Reform scheitern musste. Es mangelte sowohl an geeigneten Lehreinrichtungen als auch an klinischen Lehrern.“321 Folge war eine kaiserliche Entschließung vom 25. Mai 1754. Die drei- bis vierjährige Spitalspraxis wurde ersatzlos gestrichen. Ebenso die anschließende Prüfung durch die beamteten Ärzte.322 Trotzdem waren die Auswirkungen dieses Reformkonzeptes erheblich : Die Vorlesungstätigkeit der Professoren konnte fortschrittlicher strukturiert und inhaltlich erweitert werden. Wegweisend war die Betonung der praktischen Ausbildung für die angehenden Mediziner, Chirurgen und auch Wundärzte. Chotek sah seine Aufgabe auch darin, die Professorenschaft „aus ihrer Beschaulichkeit wachgerüttelt zu haben“.323 b) Die folgenden Reformschritte unter besonderer Berücksichtigung des Martini’schen Nominales von 1766 Nachdem das Chotek’sche Reformkonzept in einigen wesentlichen Punkten nicht zur Einführung kam und sich die Bestimmungen van Swietens „nicht wie erwartet durchsetzen (konnten)“,324 waren weitere Maßnahmen notwendig. Es war jedenfalls die Meinung der Wiener Stellen, dass die bisherigen Reformfortschritte zu bescheiden wären.325 Daraufhin wurde als Visitator Karl Anton von Martini 326 ,Hofrat 318 Medizinalkollegium, in dem sich beamtete Ärzte, die physici, zusammenschlossen. S. Rogenhofer : Medicina Oenipontana, 50. 319 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 50f. 320 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 50f. 321 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 50. 322 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 50f. u. FN 109. 323 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 51. 324 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 57. 325 „In Folge des zähen Widerstandes der Jesuiten, der weltlichen Professoren und der oberösterreichischen Regierung, die alle um den Fortbestand der hohen Schule in Innsbruck fürchteten“, waren die Fortschritte bescheiden. „Die erwünschte Gleichstellung mit Prag und Wien war nicht erreicht worden.“ Zitat aus : Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 57. 326 Martini, Karl Anton Frhr. v. (1726–1800), s. Hebeis Michael : Karl Anton von Martini. Frankfurt u.a. 1996, 39–41. (Zusätzliche eingehende Informationen über das Wirken von Martini als Studienreformer, Rechtslehrer, seine spätere Reformtätigkeit unter Leopold II. und Franz II. [I.] etc.)
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bei der obersten Justizstelle und Professor an der Juridischen Fakultät in Wien“327 nach Tirol entsandt. Dieser bedeutende aus Welschtirol stammende Staatsrechtler Martini traf am 11. August 1765 in Innsbruck ein.328 Im Wesentlichen stellt dieses Nominale eine Neuformulierung, sowie eine Zusammenfassung und Konkretisierung bereits ergangener früherer Erlässe dar. Die van Swieten’schen Reformen kamen jetzt auch in Innsbruck weitgehend zum Tragen.329 Trotz der vorangegangenen Chotek’schen Reformbemühungen bestand bis zu diesem Nominale ein erheblicher Nachholbedarf im Unterrichtswesen der Innsbrucker Universität. Dies galt nicht nur für die Medizinische Fakultät. Die scholastische Medizin nahm jetzt endgültig ihren Abschied. Mit dem Ausscheiden der Jesuiten kam es auch zum Ende eines nicht immer konfliktfreien „Wissenschaftsdualismus“330. Dieser Dualismus führte zu häufigen Konflikten zwischen den theologischen und philosophisch-artistischen Fakultäten einerseits und den juridischen und medizinischen Lehrfächern andererseits.331 Martini kritisiert in sehr klarer Weise die damalige Rückständigkeit der Innsbrucker medizinischen Ausbildung. Er kam zum Schluss, „dass die Innsbrucker Universität den blühenden Zustand und das Ansehen der Prager und Wiener Universität bei weiten nicht erreicht und an der zugrunde gelegten Gleichheit noch Vieles abgeht …“332 Er weist besonders auf Herman Boerhaave 333 (1668–1738) hin. „Die hiesigen Lehrer der Medicin sollen überhaupt alle Schulbücher, mithin auch Boer havii Pathologiam alhier vorlesen, welche an der Wiener Universität mit dem besten Erfolg gebraucht werden.“334
Verwendet wurden an der Innsbrucker Medizinischen Fakultät jetzt neben diesen erwähnten Lehrbüchern von Boerhaave (1668–1738) 335 und jene von Lorenz Heister
327 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 57–62, Zitat : 57. 328 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 57. 329 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 57–62. 330 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 34. 331 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 34. 332 Probst Jacob Geschichte, 166. 333 Boerhaave Hermann s. Anhang Biografiehinweise. 334 Martini’sche Nominale, § 63. 335 Dessen Lehrbücher verwendeten v. a. die Professoren Gerstner, Menghin und Schiverek. Rogenhofer Gert : Medicinae Oenipontana.
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(1683–1758)336, von Ferdinand Joseph Leber (1727–1808)337, Johann Heinrich Nepomuk Cranz (1722–1797)338 und Carl von Linné (1707–1778).339 Das Martini’sche Nominale340 sah als wesentliche Reformschritte Folgendes vor : • Eine stärkere staatliche Kontrolle und Vereinheitlichung des medizinischen Unterrichtes nach dem Vorbild Wiens. Dazu wurde u. a. die Ernennung eines Studiendirektors (Praeses facultatis) vorgeschrieben.341 Dieser Studiendirektor, als Leiter der Fakultät dem Dekan vorgesetzt, war in der Regel auch gleichzeitig Protomedikus (Landessanitätsrat) und im Gubernium als Gubernialrat vertreten.342 • Das Bürgerspital wurde in die medizinische Ausbildung voll integriert.343 (Wie erwähnt, hatte bereits seit 1742 ein Professor der Fakultät die ärztliche Betreuung im Bürgerspital übernommen.344) Zur Verbesserung der Patientenbetreuung und der praktischen Ausbildung der Studenten wurde diesem Professor ein Assistent beigeordnet.345 • Verbesserungen im Prüfungswesen der Medizin, Chirurgie und der Hebammenkunst. Für Hebammenschülerinnen wurde ebenfalls eine obligate Prüfung vorgeschrieben.346 In der Folge wurde die Lehrkanzel für Chirurgie mit dem Unterricht in Geburtshilfe betraut (1772).347
336 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 193f. Verwendet wurden diese Lehrbücher v. a. von den Professoren Sterzinger, Egloff jr. und Rottruf. 337 Leber Ferdinand Joseph (1727–1808, jeweils Wien), s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 617. 338 Cranz (auch Crantz) Heinrich Johann (1722–1797), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 191. 339 Linné Carl von (1707–1778, Råshult bzw. Uppsala), s. Desbrordes Bernadette Anne : Linné Carl von. In : Eckart W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 210f. 340 Probst Jacob : Geschichte : 401–410. 341 Besetzt war diese Position bereits seit dem 13. Dezember 1760 mit dem Physikatsarzt Ferdinand Juliani, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 53. An den übrigen Fakultäten fungierten diese Direktoren bereits seit 1752. 342 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 3, s.a. Probst Jacob : Geschichte : 403f. 343 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 3. 344 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 2. 345 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 58. „… und weilen die Studiosi Medicinae in dem Spital zur Praxis auf das Beste eingeführt werden können, so wäre ein Student, als Assistens dahin anzustellen …“ Zitat aus den Martini’schen Nominale, § 66. 346 „Die Medicin, Chirurgie und Hebammenkunst solle keiner üben, der nicht in der Universität behörig geprüfet, und approbiret worden.“ S. Probst Jacob : Geschichte, 408, u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 3. 347 Gleichzeitig wurde die Anatomie von der Chirurgie getrennt und diese Trennung beibehalten, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 3.
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Vorausgegangen war bereits 1754 die Erteilung eines Lehrauftrages für Geburtshilfe an den Professor der Chirurgie Franz Caspar Benedikt Egloff d. J.348 Zu den sechs- bis achtwöchigen Kursen in der Hebammenkunst hatten die größeren Gemeinden auf ihre Kosten je nach Größe ein bis zwei Hebammenaspirantinnen zu entsenden.349 Gleichzeitig wurde dem Kurpfuschertum und dem Marktschreierwesen ein entschlossener Kampf angesagt.350 • Besonderer Wert wurde auf die Erweiterung der medizinischen Ausbildung im Hinblick auf die Chemie und die Botanik gelegt.351 Allerdings verzögerte sich dieses Vorhaben auch weiterhin. In einer Entschließung von 1762 wurde zwar schon für den chemischen und botanischen Unterricht die Anstellung zweier öffentlicher Lehrer angeregt und die Aufnahme des „hierzu hinlänglichen Fundus bewilligt“.352 Darauf meldeten sich drei Bewerber, insbesondere der später in Wien berühmt gewordene Nicolaus Jacquin (1727–1817).353 „Wegen fehlender Geldmittel wurde … (jedoch) aus diesem Plan nichts.“354 Erst mit der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 konnten größere Geldmittel freigemacht werden, so dass immerhin 1775 der aus Westfalen stammende Swibert Burk348 Der in Innsbruck bereits 1735 zum Doktor der Medizin graduierte Egloff der Jüngere hatte 1749/50 neuerlich ein Medizinstudium jetzt in Wien absolviert. Dort besuchte er den Unterricht bei van Swieten und beim kaiserlichen Landwundarzt Franz Joseph Jaus. Der praktische Unterricht in Geburtshilfe wurde am St. Marxer Spital erteilt. Van Swieten hatte dort 1748 den Unterricht in praktischer Hebammenkunst eingerichtet, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 107–109, hier 108 mit FN 1, u. Keminger Kurt : Das Spital zu St. Marx. In : Keminger Kurt : Das Kropfspital in Rudolfsheim, Kaiserin-Elisabeth-Spital 1890–1990. Wien u.a. 1990, 14. 349 Dies galt für die „Gerichtsgemeinden“. Die Absolventinnen der Kurse hatten zusätzlich eine praktische Ausbildung unter Führung und Aufsicht erfahrener Hebammen zu absolvieren und sich entsprechender Prüfungen zu unterziehen, s.a. Brezinka Christoph : Von der Gebär- und Findelanstalt zur Universitätsfrauenklinik. In : Festschrift anlässlich des 65. Geburtstages von Univ.-Prof. Dr. Otto Dapunt, Dapunt Otto (Hg.), Wien 1995, 18. 350 § 69 des Nominale : „Alle Landstreicher, Marktschreyer und Arcanisten aber seyen als wahrhafte Betrüger auszurotten“, s. Probst Jacob : 408. 351 „… zumalen der größte Abgang bey der medizinischen Fakultät in der Chemie und der Botanique bestehet …“, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 58. Zitat aus Probst Jacob : Geschichte, 408, (Beilage E). 352 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 60–62, Zitat : 62. 353 Jacquin Nikolaus Joseph von (1727–1817, Leiden bzw. Wien), s. Zöllner Erich : Geschichte Österreichs, Wien u.a. 81990, 376–384, hier 381f. 354 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 62.
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hard Schiverek 355 den Unterricht in Botanik und Chemie übernehmen konnte. Ihm wurde die Errichtung eines klinischen Laboratoriums finanziert.356 Eingeschärft wird auch die besondere Notwendigkeit, für genügend Leichengut357 zu sorgen, damit Sektionen in hinreichendem Maße durchgeführt werden können. • Eine Reform des Apothekerwesens. Verlangt wurden eine stärkere Kontrolle durch das Gubernium sowie die eventuelle Betrauung von Physikatsärzten mit der Führung von Apotheken.358 c) Zur Finanzierung der Universitätsreform unter Maria Theresia und Josef II. Die Hauptausgaben der Wiener Zentralregierung waren bisher durch die hohe Militäraufwendung gekennzeichnet. Eine Tendenz zur verbesserten Dotierung im nichtmilitärischen Bereich zeigte sich bereits unter Karl VI. Deutlich wurde die Verbesserung der Staatsfinanzen dann unter Maria Theresia, hier v. a. ab 1754. Auch für die Universität Innsbruck kamen von Wien jetzt höhere Zuschüsse für das Bildungswesen.359 1776 wurde dann zur Bestreitung der Universitätskosten ein eigener Studienfonds gegründet, in dem auch Vermögen der (aufgehobenen) Gesellschaft Jesu einfloss.360 Konkret ergab sich z. B. daraus ein Kostenbeitrag für die Errichtung der Lehrkanzel für Chemie und Botanik.361 Diese wurde durch Prof. Schiverek 362 ab 15. Oktober 1775 besetzt. Für die Errichtung des chemischen Laboratoriums 1777 und 355 Schiverek Swibert Burghard (geb. 1742), s.a. Huter Franz : Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945. Innsbruck 1971, 16f. 356 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 61f. Zur Errichtung eines chemischen Laboratoriums wurden 1.200 fl. bewilligt, zusätzlich eine jährliche Dotation von 300 fl. Schiverek hatte die Universität Wien absolviert. Bei Aufhebung der Universität 1782 verließ er Innsbruck Richtung Lemberg. 357 Probst Jacob : Geschichte, 408 (§ 64). 358 Probst Jacob : Geschichte, 409. „Die in ein und anderen Districten, wo kein Physicus ist, befindliche Apotheken sollen wegen ihrer Missbräuchen in Physicaten verwandlet (werden) …“ 359 Probst Jacob : Geschichte, 213–218. 360 Probst Jacob : Geschichte, 200f. Der Studienfonds bestand v. a. aus den jährlichen Erträgen des Salzsteueraufschlages (Salzaccis), den aus dessen Überschüssen resultierenden Guthaben, aus den bisher fixierten öffentlichen Zuschüssen für die Studien und dem Vermögen der hiesigen Jesuiten. 361 Probst Jacob : Geschichte, 205. Die im November/Dezember 1774 errichtete Lehrkanzel für Chemie und Botanik erhielt „die Kostenbestreitung aus den früher den Jesuiten verabreichten 1.900 fl befohlen“. 362 Oberkofler u. Goller : Geschichte, 61f.
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dessen Einrichtungen wurden u. a. nicht nur Gelder des Tiroler, sondern auch des niederösterreichischen Jesuitenfonds verwendet.363 Für die Lehrkanzel für Tierarzneikunde musste dagegen auf andere „Drittmittel“ zurückgegriffen werden. Die Finanzierung für diese 1781 errichtete Lehrkanzel erfolgte durch die Tiroler Stände. Die Stände hatten bereits Claudius Scherer „zur Erlernung dieser Kunst nach Wien abgeschickt … und ihn dann auch besoldet“.364 M. C. Scherer hielt dann am 6. 11. 1781 seine Antrittsvorlesung „Über die Vortheile der Tierarzneikunst in den Händen der Ärzte“.365 4.3 Die medizinischen Ausbildungsstätten a) Die alte Universität im Kollegiengebäude Zur Zeit Maria Theresias fand die Umsiedelung der Universität aus ihrer ersten Heimstätte im Bereich der heutigen Herrengasse (in unmittelbarer Nähe der damaligen Hofburg) statt. Das dort gelegene kleine Ballspielhaus war 1672–1675 für die ursprüngliche Universität „umgebaut und adaptiert worden“.366 Daneben hatte man in der Dogana die Universitätsbibliothek errichtet. Nach der Auflösung des Jesuitenordens 1773 erfolgte die Übersiedlung der ersten Universität in die spätere sogenannte Alte Universität.367 Das Kollegiengebäude der Gesellschaft Jesu (1562–1773) war in seiner bisherigen über 200-jährigen Geschichte durch den Jesuitenorden zu einem ausgedehnten Gebäudekomplex gewachsen.368
363 Probst Jacob : Geschichte, 205. 364 Probst Jacob : Geschichte, 205. Mit der Errichtung dieser beiden Lehrkanzeln nahm die Zahl der Professoren der medizinischen Fakultät von drei auf fünf zu. 365 Als Vorlesungsgrundlage dienten ihm die Publikationen von Johann Gottlieb Wolstein (1738–1820, Altona). Wolstein war der Begründer des tierärztlichen Unterrichts in Österreich. Nach seinen Publikationen lasen neben Scherer auch seine Nachfolger Niedermaier, Keesbacher und Braun, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 65, 66 u. 70. 366 Hye Franz-Heinz : Innsbruck, 68, u. Bubestinger Ingrid u. Zeindl Gertraud : Zur Stadtgeschichte Innsbrucks, 88f. 367 Hye Franz-Heinz : Innsbruck, 67f., u. Bubestinger Ingrid u. Zeindl Gertraud : Zur Stadtgeschichte Innsbrucks, 88f. 368 Coreth Emmerich SJ : Das Jesuitenkolleg Innsbruck, Grundzüge seiner Geschichte. Zeitschrift für katholische Theologie. Bd. 113, Wien u.a. 1991, 140–213, hier als Sonderdruck, 3. Noch immer zeigt ein Wappenschild an einem der Portale die Gründung 1562.
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Abb. 11 : Grundriss des Jesuitenkollegs 1773 N = Nikolaihaus (1681 erweitert) G = Gymnasium (1722/23 ausgebaut) J = „Josephihaus“ (1731 erworben)369
Nach Aufhebung des Jesuitenordens (1773) wurde „der gesamte Besitz der Gesellschaft Jesu in Staatseigentum …“ übernommen.370 Maria Theresia gründete zunächst im Areal des Jesuitenkollegs die Ritterakademie, das Theresianum.371 Die Gebäude wurden schrittweise der Universität überlassen. Auch die Universitätsbibliothek wurde aus der Dogana hierher verlegt.372 Im Mittelpunkt des Universitätsgebäudes wurde noch in der Zeit der Jesuiten die Jesuitenkirche errichtet.373 Diese Kirche wurde – nach dem Einsturz der früheren 369 Coreth Emmerich SJ : Das Jesuitenkolleg, 7. 370 Coreth Emmerich SJ : Das Jesuitenkolleg, 21. 371 Coreth Emmerich SJ : Das Jesuitenkolleg, 21. 372 Bis 1924 erhielt die Universitätsbibliothek in dieser alten Universität die beiden Säle des Gymnasialgebäudes, nämlich den heutigen Madonnensaal und den Kaiser-Leopold-Saal. Der Orden besaß damals, zumal durch Stiftungen, viele Gebäude, zu deren Fundation auch Grundbesitz. Dies wurde mit Neid als Ärgernis betrachtet ; übrigens in Tirol, wo es seit jeher keinen Großgrundbesitz gab, viel weniger als in anderen Erblanden. Während aber in anderen Ländern dieser Besitz im Eigentum der Kirche verblieb, griff hier der Staat zu. 373 Caramelle Franz u. Frischauf Richard : Die Stifte, 133–137, u. Fidler Peter : Architektur des 17. und
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Kirche 1626 – ab 1627 bis 1633 errichtet und war 1646 geweiht worden374. Sie dient heute noch u. a. der Innsbrucker Theologischen Fakultät und dem mit dieser Fakultät eng verbundenen Jesuitenorden.375376 Im jetzt säkuralisierten Kollegiengebäude wurde 1777 ein chemisches Laboratorium in Betrieb genommen.377 Das Laboratorium lag im unteren Teil des Gebäudekomplexes. Daneben wurde ein anatomisches Theater errichtet. Im Gebäude befanden sich auch ein Vorleszimmer der Chirurgie 378 sowie ein solches der Medizin. Im gleichen GeAbb. 12 : Die Innsbrucker Jesuitenkirche im Bereich bäude gab es darüber hinaus den Hörder alten Innsbrucker Universität. 376 saal der Logik, der reinen Mathematik und drei Vorleszimmer für Theologie. Ebenso stehen zwei Hörsäle für juridische und politische Vorlesungen zur Verfügung. Der größte Hörsaal war den Vorlesungen des bürgerlichen und kanonischen 18. Jahrhunderts. In : Naredi-Rainer Paul u. Madersbacher Lukas (Hg.) : Kunst in Tirol, Bd. 2, Innsbruck u.a. 2007, 13–46, hier 23f u. 241. 374 Caramelle Franz u. Frischauf Richard : Die Stifte, 134. Nach Gründung der Theologischen Fakultät und ihrer Übertragung an die Jesuiten (1671) wurde der Neubau des Kollegs (westlich der Kirche) 1672/73 durchgeführt. Der Bau der im Zentrum stehenden Jesuitenkirche wurde trotz großer baulicher Probleme 1627–1633 errichtet. Allerdings erfolgte die Vollendung der Fassade mit den beiden beherrschenden Türmen erst 1900/01. Die Jesuitenkirche wurde 1773 ebenfalls in Staatsbesitz übernommen und niemals an die Jesuiten retourniert, die jedoch volles Benützungsrecht erhielten. S. Hye Franz-Heinz : Innsbruck Geschichte, 55f., u. Caramelle Franz u. Frischauf Richard : Die Stifte, 134–137. 375 Die Rückkehr der Jesuiten nach Innsbruck erfolgte dann entsprechend einer kaiserlichen Entschließung vom 17. Oktober 1838. Der Orden bezog jetzt wieder das Nikolaihaus als neue Heimstätte. Eine neuerliche Auflösung des Ordens war nur kurzzeitig (1848–1853), s. Caramelle Franz u. Frisch auf Richard : Die Stifte, 134, u. Coreth Emmerich SJ : Das Jesuitenkolleg, 31–38. 376 Aus : Locher Robert : Jesuitenkirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit. Foto : E. Wurm, aus dem Archiv Jesuiten, Archiv Bundesdenkmalamt, Rum u.a. 2006, 8. 377 De Luca : Versuch einer akademischen gelehrten Geschichte von der kaiserl. königl. Leopoldinischen Universität Innsbruck, 62. 378 De Luca : Versuch einer akademischen gelehrten Geschichte von der kaiserl. königl. Leopoldinischen Universität Innsbruck, 62.
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Rechts gewidmet.379 Weiters befinden sich – in dem Gang, der zur Kirche führt – das physikalische und mathematische Museum. Dort wurden auch die physikalischen Vorlesungen und jene für angewandte Mathematik gehalten. Die Jesuiten kehrten 1838/39 wieder in den Universitätsbereich zurück, doch folgte eine neuerliche – jedoch nur kurzzeitige – Aufhebung (1848/49). b) Das Bürgerspital
Abb. 13 : Rekonstruktion des alten Stadtspitals von Mag. Christian Kofler – Nordfassade 385
Die ärztliche Betreuung im Bürgerspital wurde 1742 der Medizinischen Fakultät übergeben.380 Die Professoren der Medizin waren damals häufig auch „Physiker“,381 also Ärzte, die im öffentlichen Gesundheitsdienst beschäftigt waren. Der Standort dieses alten Stadtspitals befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur noch heute bestehenden Spitalskirche zum Heiligen Geist 382 im Bereich der Maria-Theresien-Straße nahe dem Marktgraben.383 Das Spital konnte bis zur Aussiedelung des Klinikums im 19. Jahrhundert auf eine zumindest 580-jährige Geschichte zurückblicken (1308–1888/89).384 385
379 De Luca : Versuch einer akademischen gelehrten Geschichte von der kaiserl. königl. Leopoldinischen Universität Innsbruck. 62. 380 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2. 381 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2. 382 Bubestinger Ingrid u. Zeindl Gertraud : Zur Stadtgeschichte Innsbrucks, 44. 383 Hye Franz-Heinz : Innsbruck, Geschichte und Stadtbild bis zum Anbruch der Neuen Zeit. Tiroler Heimatblätter, Sonderbd. 55, Jg. Nr. 2. Innsbruck 1980, 85–88, s.a. Kofler Christian : Die Geschichte des alten Innsbrucker Stadtspitals. In : Schriftenreihe des Innsbrucker Stadtarchivs, Bd. 1 (2001), 31–51, u. Bubestinger Ingrid u. Zeindl Gertraud : Zur Stadtgeschichte Innsbrucks, 44. 384 Die älteste Urkunde des Heiliggeistspitals trägt die Jahreszahl 3. Juni 1307. Der Bau des damaligen neuen Stadtspitals erfolgte 1885–1888, s. Hye Franz-Heinz : Innsbruck, 86 u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 148–157. 385 Kofler Christian : Das Innsbrucker Stadtspital. Ein Rekonstrutionsversuch. In : Stadtarchiv Innsbruck (Hg.) : Zeit – Raum – Innsbruck, Schriftenreihe des Innsbrucker Stadtarchivs, Innsbruck 2001, 52f.
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4.4 Professorenernennungen 1748–1782 • Franz Caspar Benedikt Egloff zu Stadthof.386 Er war Professor der Anatomie und Chirurgie (1750–1780). Ab 1765 leitete er eine Lehrkanzel für Geburtshilfe. Davor hatte er bereits 1754 einen Lehrauftrag für Geburtshilfe sowohl für Studenten als auch für Hebammen erhalten.387 Insgesamt übte er sein Professorenamt durch 30 Jahre aus. Die in Innsbruck etablierte Professur für Geburtshilfe (1765), zusammen mit Chirurgie und Anatomie war übrigens als Spezialfach im deutschen Sprachraum verbreitet. In Innsbruck war diese Professur vergleichsweise früh installiert worden. Frankreich (insbesondere die Gebärabteilung am Pariser Hôtel Diéu seit 1630)388, England (als Pionier William Smellie389, 1697–1763), die Niederlande u. a. hatten in der Geburtshilfe eine Vorreiterrolle390. Mit der Entwicklung der Geburtszange391 und dem zunehmenden Einfluss der Ärzte auf die Hebammenkunst hatten die universitär gebildeten Accoucheure an Aktualität gewonnen. Der erste ao. Professor für Geburtshilfe mit besonderer Vorbildwirkung für unseren Raum war dabei Jakob Fried (1689–1769) in Straßburg, der an der dortigen Gebärabteilung seit 1728 unterrichtete.392 In Deutschland folgte Göttingen mit Johann Georg Röderer (1726–1763).393 Röderer war ein Schüler von Fried. Er leitete seit 1751 die Göttinger Accoucheur-Anstalt.394 Die Hebammenschule der Charité hatte ebenfalls seit 1751 eine Hebammenlehranstalt mit dem berühmten Anatomen Johann Friedrich Meckel d. Ä. (1714–1774)395 eingerichtet. Dieser erteilte jedoch nur einen theoretischen geburtshilflichen Unterricht. 386 Egloff Franz Kaspar Benedikt (1715–1790), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 107–109. 387 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Chirurgie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 353. 388 Schäfer Daniel : Geburtshilfe. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 463f. 389 Tshisuaka Barbara I.: Smellie William. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1339. 390 Spezielle geburtshilfliche Unterrichtsabteilungen gab es in Paris seit 1620, in Straßburg 1728, in London seit 1765, in Prag 1790, in Würzburg 1790, in Göttingen 1803 etc., s. Schönbauer Leopold : Das medizinische Wien, 181, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 579. 391 Schneck Peter : Geburtszange. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 464f. 392 Eulner Hans- Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 285. 393 Tshisuaka Barbara I.: Röderer Johann Georg. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 258. 394 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 285 u. 293. 395 Lorber Curt Gerhard : Meckel Johann Friedrich d. Ä. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 900.
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Mit dem Accoucheur-Wesen und einer Geburtshilfe unter den Kriterien der Aufklärung wurde „das Gebären transformiert“396. Schließlich konnte die so hohe Komplikationsrate für Mutter und Kind verbessert werden. • Joan (Johann) Menghin397 war Professor für Institutionen und Materia medica (1764–1789). Menghin war Schüler von Anton v. Störck 398 (1731–1803), dem Nachfolger von Gerard van Swieten als Wiener Protomedikus. Menghin engagierte sich für die Durchsetzung der van Swieten’schen Reformen in Innsbruck und war Studiendirektor ab 1774. Er lehrte im Sinne von Boerhaave und van Swieten. So vertrat er die Lehre der Physiologie und der Materia medica399. Er war ein klinischer Lehrer, dessen Ausstrahlung besonders betont wird400. „In seinen Vorlesungen erläutert er um 8 Uhr nach Boerhaave die Physiologie, und um 3 Uhr nach Cranz die Materia medica. Um 11 Uhr hält er Collegia clinica im heil. Geist Spital.“401
396 Porter Roy : The Greatest Benefit, 274. 397 Menghin Johann Michael (1738–1789, Artz/Nonsberg Tirol bzw. Innsbruck) besuchte das Gymnasium in Trient bzw. das erste Jahr der Philosophie in München, studierte dann Philosophie in Innsbruck (1756/57) und vollendete sein philosophisches Studium in Innsbruck Auch sein dreijähriges Medizinstudium absolvierte er in Innsbruck und wechselte dann nach Wien, wo er vier Jahre lang Schüler von Anton Störck war (bis 1764). 1764 wurde er von van Swieten zum Innsbrucker Professor der medizinischen Institutionen und für Materia medica ernannt. Als Vizedirektor, dann Direktor über die medizinische Fakultät (ab 1765/69) hatte er Einfluss auf den Ablauf des Studiums, der nur mit jenem van Swietens in Wien vergleichbar war (insgesamt in dieser Funktion elf Jahre wirkend). 1765 erhält er die Aufsicht und Betreuung des Bürgerspitals und war dort Direktor über zwölf Jahre lang. 1774 wird er auch Direktor des medizinischen Studiums. Im Gegensatz zum damaligen üblichen Vorgehen behielt Menghin trotz seines Studiendirektorates weiterhin seine Professur und war dabei außerordentlich fleißig. „In seinen Vorlesungen erläutert er um 8 Uhr nach Boerhaave die Physiologie, und um 3 Uhr nach Cranz die Materia medica. Um 11 Uhr hält er Collegia clinica im heil. Geist Spital.“ Er war Protomedikus von Tirol und wirklicher k. k. Rat in Sanitätssachen beim Tiroler Landesgubernium. Zusätzlich war er Mitglied der k. k. Akademie der Naturforscher in Wien, der Academie degli Agiati de Rovereto und der Kurfürstlichen Gelehrten Gesellschaft von Bayern in München. Er hatte eine Reihe bedeutender Schüler, sodass von einer Menghin’schen Schule gesprochen wird. S. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 140–147. 398 Spitzy Karl H. u. Lau Inge : Van Swietens Erbe, 383 u. Wyklicky Helmut : Das Josephinum, 29–31. 399 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 67–70. 400 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 142. 401 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 141, Zitat nach de Luca, Journal, 30.
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• Joseph Rottruf.402 Er war Professor für Chirurgie, Anatomie und Hebammenkunst 1771–1800. • Swibert Burkhard Schiverek 403 (1780). Er war Professor für Chemie und Botanik404 bis 1783. Mit Auflassung der Universität wurde Schiverek in den Ruhestand versetzt. • Alois Paul Trabucco.405 Er war Professor für Anatomie von 1778 bis 1781. • Claudius Martin Scherer406 (1781). Er war Professor für Tierarzneiwissenschaft (1781–1804). Scherer war Schüler u. a. von Maximilian Stoll407, der in Wien in der Nachfolge von Anton de Haen408 wirkte. Der tierärztliche Unterricht entwickelte sich in der Folge zu seinem speziellen Interessengebiet. Scherer hatte in Wien „unter dem Professor Johann Gottlieb Wolstein sich die Vieharzneywissenschaft vollkommen … (angeeignet).“409 Zusätzlich übte er – nach dem Tod von Menghin (1789) – das Amt des Protomedikus aus.410 1805 übersiedelte er nach Wien. Schließlich übernahm Scherer in Graz eine Professur für Landwirtschaftslehre (1809). Auf einige dieser Professoren, die auch am Lyzeum unterrichteten, wird später nochmals eingegangen.
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402 Rottruf Josef (1785–1800), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 157f. 403 Schiverek Swibert Burghard (geb. 1742). Der gebürtige Westfale war Absolvent der Universität Wien und Schüler von de Haen, Cranz und Jacquin. Er promovierte 1775 in Wien und erhielt anschließend das Lehramt der Chemie und Botanik an der Innsbrucker Universität, s. 300 Jahre Universitas Oenipontana, 148. S.a. Huter Franz : Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie, 16f. 404 Forschungen und Forscher, Bd. 2, 49. 405 Trabucco Alois Paul (1744–1782, Bormio/Veltlin bzw. Innsbruck): s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 176–179. Trabucco führte konsequente Aufzeichnungen über das Wettergeschehen und bezog Krankheiten auf klimatische Phänomene. 406 Scherer Claudius Martin (1751–1834), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 161–167. 407 Stoll Maximilian (1742–1787, Erzingen/Schwaben bzw. Wien), s. Tshisuaka Barbara I.: Stoll, Maximilian (1742–1787). In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1362. 408 Tshisuaka Barbara I.: Haen, Anton de (1704–1776). In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 526. 409 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 142. 410 Huter, Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 463. 411 300 Jahre Universitas Oenipontana. Die Leopold-Franzens-Universität zu Innsbruck und ihre Stu-
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Abb. 14 : Aus de Lucas Universitätsgeschichte von 1782. 411 Swibert Burkhard Schiverek erhielt den Lehrstuhl für Chemie und Botanik in Innsbruck. Botanik brachte er seinen Schülern nicht nur im Hörsaal und im Botanischen Garten, sondern auch in Exkursionen in der freien Natur nahe.
4.5 Die letzten Jahre der ersten Medizinischen Fakultät und der Übergang zum Lyzeum In den ersten Jahren der Regierungszeit Kaiser Josefs II. (1780–1790) wurde mit der Errichtung einer sechsten Lehrkanzel der vorläufige Höhepunkt der ersten Innsbrucker Medizinischen Fakultät erreicht412. Diese Lehrkanzeln und ihre Vorstände waren (in Klammern die Dauer ihrer Wirkungszeit) : 1. Pathologie und Praxis : Karl Anton Gerstner (1741–1782) 2. Institutionen, Materia Medica : Johann v. Menghin (1764–1789) 3. Chirurgie, Anatomie und Hebammenkunst : Joseph Rottruf (1771–1800) 4. Chemie und Botanik : Swibert Schiverek (1775–1783) 5. Anatomie (zunächst auch Botanik) : Alois Trabucco (1780–1782) 6. Tierseuchenlehre und Veterinärpolizei : Claudius Scherer (1781–1804) Die Zahl der Studierenden („Schüler“)413 betrug bei Gerstner acht, bei Menghin 13 und bei Rottruf 15 (dort zusätzlich 13 Hebammen).
denten, Österreichische Hochschülerschaft an der Univ. Innsbruck (Hg.), Innsbruck 1970, 148. 412 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 3. 413 Probst, Jacob : Geschichte, 202, FN 1. Die Zahlen beziehen sich auf die Jahre 1772–1774.
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Als letzte Lehrkanzel wurde 1781 jene für Tierseuchenlehre und Veterinärpolizei 414 errichtet (siehe oben). Schon in folgenden Jahren erfolgte jedoch die Aufhebung dieser ersten Innsbrucker Medizinischen Fakultät. Sie wurde ein Opfer des Nützlichkeitsstandpunktes und des Sparsinnes Josef II.415
• • • • • •
Erste Medizinische Fakultät (1673–1782) Josephinisches Lyzeum (1782–1792) Leopoldinische Universität als zweite Medizinische Fakultät (1792–1805) Königlich-bayerische Universität Leopoldino-Maximiliana (1806–1810) Bayerisches Lyzeum (1810–1814) Innsbrucker Medizinisch-chirurgisches Studium nach Art eines „erweiterten Lyzeum“ (1816–1869) • Medizinische Fakultät an der Leopold-Franzens-Universität (ab 1869) Abb. 15 : Von der ersten Medizinischen Fakultät (1669/73), der zweiten Fakultät (1792–1810) und den Zeiten eines eingeschränkten Studienbetriebes (1782–1792 und ab 1810) bis zur Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät 1869 415a
414 Huter Franz : Der tierärztliche Unterricht in Innsbruck 1781–1900. In : Sitzungsberichte der phil.hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 261/3 (1969). Der bedeutende Reformer des Medizinunterrichtes J. P. Frank, der sich an einer Kommission zur Einrichtung und Organisation der Wiener Vieharzneischule und des Tierspitals beteiligte (ab 16. Juli 1801), schreibt zur Verbindung des Unterrichtes der Human- u. Tiermedizin : „Ich zeigte damals die Vorteile einer engeren Verbindung beider Wissenschaften an ein und dem nämlichen Orte und erwies, dass die Arzneiwissenschaft, wenn man ihr nicht von je her so enge Grenzen gesetzt und sie nicht bloß auf eine, obschon die edelste Gattung lebender Geschöpfe eingeschränkt hätte, schon lange einen höheren Grad von Vollkommenheit erreicht haben würde. Wie sehr, sagte ich, hat sich nicht die Lehre vom gesunden Zustande des Menschen und dessen Verrichtungen zu ihrem Vorteile verändert, seitdem man den Körperbau verschiedener Gattungen von Tieren, die Werkzeuge ihrer Verrichtungen genauer zergliedert und diese und jene miteinander verglichen hat ? … Warum also nur stückweise arbeiten und immer das Ganze der Teile wegen vernachlässigen wollen ? …. Man lehre zuerst … eine allgemeine Anatomie, eine allgemeine Physiologie der ganzen lebenden Natur …“, s. (Hg. mit Erläuterungen) Johann Peter Frank – seine Selbstbiographie. Bern u.a. 1969, 161. Der erste Band erschien 1799, der zweite Band 1780, der dritte Band 1783, der vierte Band 1788 (alle Mannheim), der fünfte Band 1813 (Tübingen), der sechste Band 1817–1819 (Wien), zusätzlich erschienen Supplementbände 1812 (Tübingen), 1825 (Leipzig) und 1827 (ebenfalls Leipzig), Hg.: G. Chr. G. Voigt. Leipzig 1825, 1827, 155. 415 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 3. 415a Oberkofler Gerhard und Goeller Peter: Geschichte 7f.
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Die Umwidmung der Medizinischen Fakultät in ein Lyzeum mit dem Ziel einer praxisnahen Ausbildung wurde von Josef II. u. a. in einem Handbillett dargestellt (29. November 1781)416. „Es sollen hinfüro die grossen Universitäten auf drei in den österreichischen und böhmischen Ländern eingeschränkt werden, nämlich Wien, Prag und eine in Galizien, die Innsbrucker, Brünner und Gratzer (sollen jedoch) cessiren.“417
Weiterhin tradiert sollen die „Jura … werden, mit viel weniger Professoren jedoch, …“418 Trotz des Aufhebens des medizinischen Faches sei jedoch auf das Weiterbestehen einer chirurgischen und Hebammenschule Wert zu legen. „Zur Besetzung der Lehrämter muss die grösste Sorgfalt und die beste Auswahl getroffen werden, ohne Rücksicht auf Nation und Religion und Alles per concursum, was nicht wohlbekannte geschickte Männer sind …“419 Universitäre Ausbildungsstellen sollen sich von den medizinisch-chirurgischen Studienanstalten (Lyzeen) deutlich unterscheiden. Für Erstere gelte auch, dass „… die wesentlichen Studien in Universitäten für die Bildung der Staatsbeamten … dienen (sollen), nicht aber der Erziehung Gelehrter gewidmet seyn müssen“420. Bezüglich des Medizinstudiums in Innsbruck hieß es somit, dass der Schwerpunkt auf einer praxisorientierten Ausbildung in der Chirurgie sowie einer Schule für Hebammen liegen müsse.421 Auch für die Lyzeen gelte, dass bei der Auswahl der lehrenden Persönlichkeiten mit größter Sorgfalt und ohne Rücksicht auf Nation und Religion vorgegangen werden müsse (s. o.). Ziel war eine möglichst effiziente Nutzbarmachung jedes einzelnen Staatsbürgers für Zwecke und Nutzen des Staates.422 Dieses radikale Nützlichkeitsdenken endete übrigens nicht mit der kurzen Regierungszeit Kaiser Josefs II. Es setzte sich – modifiziert und später kaum gelockert – bis in die lange Regierungszeit Franz II./ I.423 fort. Sieht man von der kurzzeitigen Wiedererrichtung der Medizinischen Fa416 Probst Jacob : Geschichte, 219. 417 Probst Jacob : Geschichte, 219. 418 Probst Jacob : Geschichte, 219. 419 „Die Anzahl der des Lesens und Schreibens Lernenden muss so gross als möglich, Jener der auf höhere Studien sich verwendenden minder, und endlich Jener, die alle Studien der Universität frequentiren, nur die ausgesuchtesten Talente sein“, s. Probst Jacob : Geschichte, 219. 420 Josef II., Resolution, 118. 421 Probst Jacob : Geschichte, 219. 422 Stachel Peter : Das österreichische Bildungssystem, 118f. 423 Mikoletzky Lorenz Franz II. (I.) In : Hamann Brigitte : Habsburger, 130–134.
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kultät ab (unter Leopold II. und unter der bayerischen Regierung bis 1810), so herrschten von 1782 bis 1869 Zeiten einer reduzierten Lehr- und minimalen Forschungstätigkeit.424 4.6 Zu den verwendeten Lehrbüchern (17. bis frühes 19. Jahrhundert) In erster Linie trugen die Professoren aus eigenen Schriften vor. Diese sind – soweit dokumentiert – bei den einzelnen Professoren angeführt. An zweiter Stelle standen Lehrbücher von Autoren, die an Wiener Ausbildungsstätten tätig waren. An dritter Stelle handelte es sich um Autoren von damals führenden deutschen Universitäten (sechs Publikationen) und schließlich aus der Leidener Schule sowie von anderen Universitäten (sechs Autoren).425 Die Genehmigung zur Benützung musste bei der Studienhofkommission eingeholt werden.426 Bei den Autoren aus der Wiener Schule handelte es sich um Johann Heinrich Nepomuk Cranz (1722–1797, Geburtshilfe – Hebammenwesen/Chirurgie und Materia medica)427, Johann Peter Frank (1775–1821, Medizinische Polizei, Krankheitslehre)428, Nikolaus Joseph Jacquin (1725–1817, Botanik/Chemie)429, Ferdinand Joseph Leber (1727–1808, Anatomie und Theoretische Chirurgie)430, Alois Michael Mayer (1766–1831, Anatomie)431, Jakob Joseph Plenk (1735–1807, Chemie und Botanik)432, Raphael Johann Steidele (1737–1823, Geburtshilfe – Hebammenwesen/ 424 Kernbauer Alois : Wissenschaft in Österreich um 1800. In : Acham Karl : Geschichte, 51–91, hier 53. 425 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 185–204. 426 Reinalter Helmut : Universitäten. In : Reinalter Helmut (Hg.) : Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus in Europa. Wien u.a. 2005, 620f. 427 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 191. Es handelte sich um dessen Werke „Einleitung in eine wahre und gegründete Hebammenkunst“ (Wien 1756). „Materia Medica et Chirurgica“, 3 Bände (Wien 1762). Zu Cranz s. Wurzbach, 3, 25. 428 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 191f. Gelesen wurde „De curandis hominum morbis epitome praelectionibus academicis dicata“ (7 Bände, Mannheim, Wien, 1792–1805). 429 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 194f. Gelesen wurde „Anfangsgründe der medizinischen, praktischen Chymie“ (Wien 1783) u. „Anleitung zur Pflanzenkenntnis nach Linne’s Methode“ (Wien 1785). 430 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 195. Gelesen wurde nach „Praelectiones anatomicae“ (Vorlesungen über Zergliederungskunst, Wien 1777 bzw. 1772). 431 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 197. Gelesen wurde „Beschreibung des ganzen menschlichen Körpers zum Gebrauche seiner akademischen Vorlesungen“ (Wien 1799), s. Wurzbach Konstant v.: 18, 78. 432 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 199. Gelesen wurden „Lehrsätze der praktischen Wund-
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Chirurgie)433, Gerard van Swieten (1700–1772, Krankheitslehre nach Boerhaave)434 sowie Johann Gottlieb Wolstein (1738–1820, Tierarzneikunde)435. Verbreitet war das in Innsbruck herausgegebene Lehrbuch von Ferdinand Karl Weinhart (1654–1716, siehe unten).436 Zu erwähnen ist weiters der an der Universität Prag als Physiologe wirkende Professor Philipp Ambros Marherr (1738–1771)437 mit dessen Lehrbüchern zur Physiologie.438 Lehrbücher von Autoren, die an deutschen Universitätten tätig waren, kamen von Göttingen, Königsberg bzw. Berlin und Nürnberg/Altdorf. Bei dem Lehrbuch arzneiwissenschaft zum Gebrauche seiner Zuhörer“ (2 Bände, Wien 1774–1776) u. wahrscheinlich „Materia Chirurgica, oder Lehre von den Wirkungen der in der Wundarzneykunst gebräuchlichen Heilmittel“ (Wien 1771). ADB 26, 272. 433 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 201. Gelesen wurde „Lehrbuch von der Hebammenkunst“ (Wien 1774 bzw. 1775), s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 48, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 318 u. 570. 434 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 201f. Gelesen wurde wahrscheinlich „Erläuterungen der Boerhaave’schen Lehrsätze von Erkenntnis und Heilung der Krankheiten. Aus dem Lateinischen übersetzt“ (10 Bände, Wien 1755–1775). 435 Wolstein Johann Gottlieb (1738 –1820, Flinsbert/Schlesien bzw. Altona/Hamburg) : Er studierte in Wien Chirurgie, Geburtshilfe und Medizin (ab 1760). 1769–1773 wurde er in Tierarzneikunde in Paris auf der dort nahe gelegenen Veterinärschule Alfort unterrichtet. Durch Aufenthalte in London und Dänemark bildete er sich weiter und erwarb dann (1776) in Jena den Doktor der Medizin. Nach Wien zurückgekehrt, wurde er mit der Errichtung einer umfassenden Tierarzneischule betraut. Der Bauplan Wolsteins konnte in der von ihm geplanten Form nicht ausgeführt werden, man begnügte sich mit einer Adaptierung der Baulichkeiten des Jesuitenerholungsheims. Das Spital war vor allem für die Behandlung von Pferden, aber auch von Rindern, Schafen, Schweinen etc. vorgesehen. Der Hofkriegsrat und das Generalkommando erreichten dabei „den unbedingten Vorrang des Pferdematerials“. Kaiserliche Instruktionen verfügten, dass neben Militärpersonal auch Zivilschüler Unterricht erhalten sollten. Wolstein hat sich besonders auch der Lehre von der Verhütung und Bekämpfung der Viehseuche zugewandt. Wolsteins Wirken in Wien fand 1794 ein plötzliches Ende. Man sprach von der Verwicklung in das Jakobinertum. Nach Altona übersiedelt, wurde er (1805) Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Sanitätskollegiums. Er gilt als Begründer der wissenschaftlichen Tierheilkunde nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland. Unter seinen Werken ist das auch in zehn Fremdsprachen übersetzte Buch „Von den Viehseuchen“ (Wien 1781) grundlegend. In Innsbruck wurde aus „Von den Viehseuchen“ (Wien 1771) u. „Die Wundarznei der Tiere“ (Wien 1784) gelesen, s. u. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 271f., u. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 204. 436 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 204. Gelesen wurde „Nucleus universae medicinae practicae“ (Innsbruck 1709 u. 1725 sowie Nürnberg 1709 bis 1725, Padua 1715 u. 1725) sowie „Medicus officiosus praxi rationali methodica aphoristica cum selectis remediorum formulis instructus“, Innsbruck 1703 sowie Nürnberg 1709 u. 1726, Genf 1736 u. Lyon 1738. 437 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 196f. Gelesen wurde wahrscheinlich nach dessen Schrift „Diss. Chymica de affinitate corporum“ (Wien 1762), s.a. BLÄ 4, 81. 438 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 196f.
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aus Göttingen handelte es sich um Werke von Justus Arnemann (1763–1806), der ein medizinisch-chirurgisches Institut leitete439, sowie von Johann Friedrich Blumen bach (1752–1840), Ordinarius für Naturgeschichte, Physiologie, Anatomie und Pathologie etc.440 Letzterer kann als „Begründer der wissenschaftlichen Anthropologie sowie der vergleichenden Anatomie“441 bezeichnet werden. Schließlich lehrte auch Johann Peter Frank kurzzeitig in Göttingen (1784–1785)442 und begann dort u. a. sein System einer vollständigen Medizinischen Polizei. Autoren aus Berlin waren Johann Ludwig Loeseke (1724–1767), außerordentlicher Professor am Medizinisch-chirurgischen Kollegium in Berlin, der v. a. die Arznei mittellehre vertrat.443 Nach Christian Gottlieb Selle (1748–1800), dem Leibarzt von drei preußischen Königen (insbesondere von Friedrich dem Großen), wurde ein medizinisch-praktischer Unterricht für Wundärzte erteilt.444 Von der preußischen Universität in Königsberg wurden die Werke des Johann Daniel Metzger (1739– 1805), Professor für Anatomie, Chirurgie, Gerichtsmedizin etc. (1777–1805)445, verwendet. Schließlich kam die Universität Altdorf/Nürnberg mit Lorenz Heister (1683– 1758)446 zu Wort. Dieser bedeutende Professor für Chirurgie, Anatomie sowie theoretische und praktische Medizin, zu dessen Lehrern u. a. G. Bidloo 447 und H. Boerhaave (Leiden) gehörten, wirkte 1710–1719 in Altdorf und anschließend in Helmstedt. Heister hatte bereits 1719 sein berühmtes Werk „Institutiones chirurgi cae“ verfasst, das bereits in Deutsch erschien und in andere Sprachen übersetzt 439 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 187. Gelesen wurde „Entwurf einer praktischen Arzneimittellehre, 2. Teil : Von den chirurgischen Mitteln“, (Göttingen 1792 mit zahlreichen Neuauflagen bis 1818/19), s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 310. 440 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 189, s.a. Lohff Brigitte : Johann Friedrich Blumenbach. In : Eckard W. U. u. Gradmann C. (Hg.) : Ärztelexikon, 54. 441 Lohff Brigitte : Johann Friedrich Blumenbach. In : Eckard W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 54f. 442 Loetz Franziska : Johann Peter Frank. Eckard W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 125–127. 443 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 196. Gelesen wurde wahrscheinlich „Arzneimittellehre“ in lateinischer Sprache sowie „Materia medica oder Abhandlung der auserlesenen Arzneimittel …“ (Berlin, Stettin 1790). 444 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 199f. Das bedeutendste Werk Selles war „Medicina clinica oder Handbuch der medizinischen Praxis“ (in deutscher Sprache, Berlin 1781) s.a. Gerabek Werner E.: Selle Christian Gottlieb. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1319. 445 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 198. Gelesen wurde dessen „Kurzgefaßtes System der gerichtlichen Arzneiwissenschaft“ (Königsberg 1793 u. 1798) und wahrscheinlich dessen „Grundsätze der sämtlichen Teile der Krankheitslehre …“ (Königsberg 1792) s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 550. 446 Jütte Robert : Lorenz Heister. In : Eckart W. U. und Gradmann C.: Ärztelexikon, 159. 447 Bauer Axel W.: Bidloo, Govert. In : Enzyklopädie Medizingeschichte Bd. 1, 175f.
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wurde. Heister wurde 1720 von Altdorf (bei Nürnberg) nach Helmstedt berufen. Heister war ein „Schrittmacher der wissenschaftlichen Chirurgie in Deutschland“448. Die deutschsprachigen Übersetzungen seiner Lehrbücher „richteten sich insbesondere an die noch handwerklich ausgebildeten Wundärzte, Hebammen und Geburtshelfer“.449 Er war auch ein früher Pionier der Augenheilkunde450 und hinterließ auch Schriften über Geisteskrankheiten.451 Außerhalb Deutschlands standen jedoch auch Lehrbücher von Autoren aus Leiden (zwei Autoren), Kopenhagen, Straßburg, Zürich und London in Verwendung. Bei dem Autor aus der Universität Kopenhagen handelte es sich um Ludwig Frederik Bang (1747–1820). Dieser Professor der Universität Kopenhagen (1800– 1820) verfasste ein Lehrbuch der medizinischen Pathologie und galt als „Kliniker, der im Ruf stand, auch die Pathologie zu berücksichtigen“.452 Der Pathologe und Anatom Mathias Baillie (1761–1823), am Londoner St.George-Hospital wirkend, hatte ein weitverbreitetes Lehrbuch „The morbid human anatomy of some of the most important parts of the human body“ (London 1793), verfasst, das bereits 1794 in deutscher Übersetzung durch Samuel Thomas Soemmering vorlag.453 Baillie baute seine pathologische Anatomie auf Giovanni Battista Morgagni (1682–1771), Professor der Anatomie in Padua, auf.454 An der Universität von Straßburg wirkte der dortige Professor für Chemie, Botanik und Arzneimittellehre Jakob Reimbold Spielmann (1722–1733). Sein Lehrbuch hatte die Institutionen der Chemie zum Ziel.455 Am medizinisch-chirurgischen Institut in Zürich wirkte Paul Usteri (1768–1831)456. Gelesen wurde wahrscheinlich nach seinem Werk „Entwurf einer medizinischen Vorlesung über die Natur eines Menschen“ (Zürich 1790).
448 Jütte Robert : Lorenz Heister. In : Eckart W. U. und Gradmann C.: Ärztelexikon, 159. 449 Jütte Robert : Lorenz Heister. In : Eckart W. U. und Gradmann C.: Ärztelexikon, 159. 450 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 323. 451 Tshisuaka Barbara I.: Heister Lorenz. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 565. 452 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 188. Gelesen wurde wahrscheinlich nach dessen „Praxis medica“ (Kopenhagen 1789) und „Institutiones pathologicae medicinalis“. 453 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 187f., s.a. Tshisuaka Barbara I.: Baillie Matthew. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 133. 454 Porter Roy : Greatest Benefit, 264. 455 Verwendet wurde sein Werk „Institutiones chemiae praelectiones academicis accomodata“ (Straßburg 1763). 456 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 202f.
Die späteren Jahre der Ersten Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1748–1782)
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4.7 Exkurs : Das Bild des Arztes und sein Verhalten : Die Schrift von F erdinand Karl v. Weinhart zum „pflichtbewussten Arzt“ (1703) Eine für den medizinischen Unterricht höhere Schrift war der „Medicus officiosus“ (der pflichtbewusste Arzt)457 des Innsbrucker Professors der Institutionen Ferdinand Karl v. Weinhart (1654–1716). Seine Schriften wurden noch 1765 im Martini’schen Nominale als wesentliche Lehrbücher vorgeschrieben458. Der in Innsbruck geborene Ferdinand Karl Weinhart459 war Enkel des „Pestarztes“ Paul Weinhart d. Ä. (1570–1648)460. Er begann sein Medizinstudium in Innsbruck z. Z. der Universitätsgründung (1670–1673), ging dann nach Padua und promovierte dort 1674. Nach Innsbruck zurückgekehrt, wirkte er ab 1677 als Professor der medizinischen Institutionen, ab 1691 als Professor der Medizinischen Praxis und ab 1703 als Professor der Aphorismen. Dreimal wurde er zum Rektor und zwölfmal zum Dekan ernannt. Das erste Hauptkapitel461 behandelt das Auftreten des pflichtbewussten Arztes, seinen Umgang mit den Patienten und einige ethische Verhaltensregeln. Es beginnt mit der Besprechung von Tugenden des gläubigen Arztes. Angesprochen werden z. B. die Mäßigkeit (temperantia), der Mut (fortitudo), Gerechtigkeitssinn ( justitia), Klugheit (prudentia) u. a. Gewarnt wird u. a. vor Habgier und Überheblichkeit. Im Weiteren wird als Aufgabe des Arztes das notwendige Streben nach Wissenschaftlichkeit (scientia) und Kenntnissen (disciplinae). Dabei wird auf einige hervorragende Lehrer der Medizin (z. B. Hippokrates, Galen) hingewiesen. Bedeutsam sei ein folgerichtiges Denken für die Indikationsstellungen sowie Analogieschlüsse, die auf experimentelle Ergebnisse aufzubauen trachten. Zu beachten sei die Astrologie (hier wohl im Sinne einer Kosmologie gemeint). Dabei sei der Einfluss der Gestirne auf Pflanzen, mineralische Stoffe und insbesondere auf den Menschen zu beachten. Dieser Einfluss beeinflusse v. a. die Gemütslage. Der Arzt müsse in der Botanik und Anatomie in hohem Maße erfahren sein. Nicht weniger wichtig seien jedoch Kenntnisse in der Chemie (chymia). Ehrenhaft 457 Ferdinand Karl v. Weinhart : Medicus officiosus praxi rationali methodica aphoristica cum selectis remediorum formulis instructus (Innsbruck 1703) Erstes Hauptkapitel. Zur Verfügung stand ein Neudruck dieses Werkes (Nürnberg 1726, FB 2853). 458 Probst Jacob : Geschichte : 401–410. 459 Pfaundler-Spat Gertrud : Tirol-Lexikon, 668. 460 Pfaundler-Spat Gertrud : Tirol-Lexikon, 669. 461 �������������� Caput I, 1–63.
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I. Teil: Chronik der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1673–1782)
sei es für den Arzt, ein fundiertes Wissen in der Chirurgie zu haben. Nicht weniger wichtig ist der gekonnte Umgang mit der Materia medica.462 Äußerst anfällig für Trugschlüsse (fallacissima) ist die Praxis, die nicht auf theoretischen Kenntnissen aufbaut. Die Seele und Mutter der Medizin (anima & mater Medicinae) ist jedenfalls die Erfahrung (experentia). Gerade die Erfahrung sei für das Auftreten und die Verhaltungsweisen des Arztes dem Kranken gegenüber von besonderer Bedeutung. Bei der Diagnosestellung geht es um ein sorgfältiges Befragen der Patienten. Dabei könne man Hippokrates folgen und von ihm formulierte Fragen stellen.463 Das Verhalten des Arztes gegenüber dem Patienten wird besonders von der Prognose seiner Krankheit beeinflusst. Zu erkennen gilt, welche Beschwerden bestehen, welche voraussichtlich kommen werden und was die baldige Zukunft bringen möge.464 Wenn es zu Konsilien kommt, sollen die Ärzte sich in ihrem Urteil nicht widersprechen, sondern bemüht sein, eine gemeinsame Linie zu finden. Im Weiteren wird auf den Umgang des Arztes mit den Patienten eingegangen. Weinhart rät, bei der Betreuung des Patienten zielgerichtet, auf die ganze Persönlichkeit bezogen (empathisch) und mit Liebenswürdigkeit vorzugehen.465 Unbedingt zu meiden sind solche heilkundliche Methoden, deren sich die Scharlatane (pseudo medici)466 bedienen. Eingegangen wird auf die chemischen Heilmittel. Der Autor erwähnt besonders die im Rahmen des Galenismus verwendeten Heilmittel.467 Gewarnt wird vor zu drastisch wirkenden Mitteln, wie dies insbesondere für Abführmittel gilt (purgantibus violentis).468 Vorsicht ist insbesondere bei alten Patienten, stillenden Müttern, abgemagerten Patienten (cachectici)469 und Debilen notwendig. Ein vorsichtiges
462 Schmitz R.: Materia Medica. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, 378–380, Zitat 378, s.a. Richter Thomas : Materia Medica. In : Encyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 895f. Die Materia medica entspricht einem pharmazie- bzw. medizinspezifischen Sammelbegriff „für das Gesamtkorpus aller als Arznei verwendeten Stoffe (Arzneimittel) aus den drei Naturreichen“. 463 Nach Hippokrates sind wichtige Fragen : Welche Schmerzen der Patient habe, was diese Schmerzen auslösen könne, wie lange diese schon bestünden, wie sich der Patient ernähre und wie die Ausscheidungen beschaffen seien etc. 464 Quae sint, quae fuerint, quae mox futura frequantur, praenoscat, s. Weinhart Ferdinand : Medicus, 33. 465 …curare cito, tuto et jucunde, s. Weinhart Ferdinand : Medicus, 49. 466 Weinhart Ferdinand : Medicus, 50. 467 Seidler Eduard u. Leven Karl-Heinz : Geschichte der Medizin und der Krankenpflege, 67–71, hier 68–70. 468 Weinhart Ferdinand : Medicus, 52f. 469 Weinhart Ferdinand : Medicus, 52.
Die späteren Jahre der Ersten Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1748–1782)
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Handeln gilt auch im Hinblick auf Aderlässe (venaesectiones).470 Vorsicht ist auch bei der Anwendung von Opiaten bei bestimmten Personengruppen notwendig. Dies gilt v. a. für Asthmaleidende, beim Vorliegen einer Wassersucht, bei Kindern und bei schwerer geistiger Behinderung. Wenn kein Erfolg erreicht werden kann, so ist zumindest Schaden für die Patienten zu vermeiden (primum nil nocere).471 Überhaupt sei davon auszugehen, dass auch die schwersten Krankheiten nicht selten durch Ruhe und Abstinenz gebessert, ja sogar geheilt werden können. Zusätzlich spielt selbstverständlich die Diätetik 472 eine unverzichtbare Rolle. Dabei wird u. a. Celsus 473 genannt474. Entscheidend für das ärztliche Auftreten ist das Standesbewusstsein des Mediziners. Es ziemt den Arzt nicht, als Taglöhner aufzutreten – er sei vielmehr vornehm und aufrichtig.475 Bei der Annahme des Honorars solle er sich mäßig verhalten.476
470 Weinhart Ferdinand : Medicus, 53. 471 Si non potes prodesse, saltem ne noceas, s. Weinhart Ferdinand : Medicus, 53. 472 Schipperges H.: Diätetik. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, 972f. 473 Oser-Grote Carolin :Celsus. In : Leven Karl-Heinz (Hg.) : Antike Medizin, 189–191. 474 Weinhart Ferdinand : Medicus, 54. 475 Non decet Medicum esse mercenarium, set nobilem et ingenuum …, s. Weinhart Ferdinand : Medicus, 61. 476 Weder möge er alles, noch immer, noch von allen Patienten etwas annehmen. Neque omnia, neque semper, neque ab omnibus, s. Weinhart Ferdinand : Medicus, 62.
1.
Der Innsbrucker medizinisch-chirurgische Unterricht vor der bayerischen Zeit (1782–1805) Im Studienjahr 1782/83 kam es zur Errichtung dieses Josephinischen Lyzeums. Während die Philosophische Fakultät – weiterhin Träger des unangefochtenen Grundlagenstudiums – und die Theologische Fakultät weitgehend erhalten blieben, kam es für das medizinische und auch juridische Studium zu starken Einschränkungen. Beide Disziplinen wurden nur noch in ihren Grundzügen gelehrt. Dies zeigt sich auch in der Zahl der Lehrstühle. Die Theologie hatte weiterhin vier Lehrstühle, die Philosophie (mit einem zusätzlichen Lehrer der politischen Wissenschaften) ebenfalls vier, die Medizin und die Jurisprudenz dagegen jeweils nur zwei Lehrstühle. An der medizinischen Studienabteilung wurden Mediziner (jetzt ohne Doktoratsabschluss) neben Wundärzten („Chirurgen im wörtlichen Sinn“) und Hebam men herangebildet. Welches waren die Schwerpunkte dieser zwei, dann drei Lehrkanzeln ? • Anatomie mit Chirurgie („zusammen mit einem kurzen medizinisch-theoretischen Unterricht“ – der chirurgische Vorbereitungswissenschaft) • Medizinische Klinik (diese Ausbildung umfasste auch „Operations-, Instrumenten- u. Bandagenlehre“) • Tierarzneikunde (einschließlich Seuchenlehre und früher Impfkunde) Mit der Ernennung von Claudius Martin Scherer – zum Protomedikus – und mit dessen Tätigkeit als Gubernalreferent in Sanitätssachen, wurde eine breit angelegte Gesundheitslehre mit besonderer Berücksichtigung auch der prophylakti Moser Hans u. Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität, 29. Moser Hans u. Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität, 29. Die medizinischen Professuren wurden – wie oben erwähnt – durch die Tierarzneikunde auf drei Lehrkanzeln erweitert, Letztere allerdings wurde nicht vom Staat, sondern durch die Tiroler Stände im Wesentlichen finanziert. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 4. Probst Jacob : Geschichte, 228. Zusätzlich wurden Informationen über gesunde Ernährung etc. gegeben. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 10. Probst Jacob : Geschichte, 228. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 161–166. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 142f.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
schen Medizin geboten. Scherer war auch Initiator der ersten Tiroler Kuhpockenimpfungen, zusätzlich engagierte er sich in der praktischen Landwirtschafts- u. Ernährungslehre.10 Die Studiendauer in Medizin wurde auf zwei Jahre, also auf die Hälfte, reduziert. Im ersten Jahr umfasste das Studium Anatomie und Chirurgie sowie die chirurgischen Vorbereitungswissenschaften. Im zweiten Jahr wurde Operations-, Instrumenten- und Bandagenlehre sowie Geburtshilfe und praktischer Unterricht am Krankenbett geboten.11 1.1 Die Professoren – Ernennungen und Wiederbestellungen (1782–1805) Es handelte sich um folgende Ernennungen bzw. Weiterbestellungen12 : • Joseph Rottruf13 (Lehrkanzelvorstand 1771–1800) : Dieser Schüler von Franz Joseph Jaus14 wirkte als Professor der Chirurgie, Anatomie und Hebammenkunst. 10 .Scherer richtete zu Lehrzwecken sogar in der Haller Au ein landwirtschaftliches Mustergut (Scherer Hof ) ein. Als Leibarzt der Erzherzogin Maria Elisabeth (1782) wirkte er prägend auf das damalige Gesundheitsverständnis, siedelte jedoch mit der Erzherzogin 1805 nach Wien und lehnte eine Zusammenarbeit mit der königlich-bayerischen Regierung ab. 1809 wurde er zum Professor für Landwirtschaftslehre in Graz ernannt. 1821 übersiedelte er auf sein neues Mustergut St. Leonhard und starb 1834 dort an den Folgen einer Apoplexie. S. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 161–166. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 142f. 11 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 4, s.a. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 165f. 12 Daten bei Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, passim. Bei dort fehlenden Daten nach Probst Jacob : Geschichte, 384. 13 Rottruf Joseph (1785–1800, Wien bzw. Innsbruck) : Der 1771–1800 in Innsbruck wirkende Universitätsprofessor studierte in Wien Wundarznei und erhielt 1751 das Magisterium der Chirurgie bei Franz Joseph Jaus. Er hatte vorher als Feldchirurg im österreichischen Erbfolgekrieg (1740–1748) gedient. 1769 erwirbt er dann den Magistergrad der Geburtshilfe. Als Prosektor am anatomischen Theater in Wien hält er Repetitionskollegien in Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe (1769–1771). In Innsbruck promoviert (1771), wird er sofort zum Professor der Chirurgie, Anatomie und Hebammenkunst ernannt. 1786 gibt er den Anatomieunterricht an den Prosektor Andreas Miller ab. Nach der Wiedererrichtung der Universität (1792) wird er wieder zum Lehrstuhlinhaber für Chirurgie und Geburtshilfe und verstirbt in dieser Funktion 1800. Von seiner ausgefüllten Tätigkeit schreibt De Luca : „Er gibt um 9 Uhr den angehenden Medizinern das Instrumentenkenntniß. Die Anatomie und Chirurgie erklärt er von 3 bis halb 5 Uhr, und giebt durch zwei Monate Unterricht in der Geburtshilfe von 10 bis 12 Uhr“. S. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 157f. u. Probst Jacob : Geschichte, 314. 14 Jaus Franz Joseph (1696–1761 jeweils in Wien) Dieser Sohn des k. k. Leib- und Hofchirurgen Viktor Jaus erlernte bei seinem Vater die Chirurgie. Dann reiste er nach England und Frankreich und lernte
Der Innsbrucker medizinisch-chirurgische Unterricht vor der bayerischen Zeit (1782–1805)
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Diese Lehrkanzel besteht trotz Aufhebung der Universität (1782–1792) weiter, 1786 wird der Anatomieunterricht an den Prosektor Andreas Miller 15 abgegeben. • Alois Paul Trabucco16 (1780–1782), Professor für Anatomie • Claudius Martin Scherer 17 (1781–1804, dann Graz mit der Lehrkanzel der Landbei den vornehmsten Chirurgen, u.a. bei Winslow. Er legte dann 1773 sein Examen zur Erlangung des Magistergrads ab und wurde als Magister der Chirurgie bestätigt. 1736 erhielt er das neu errichtete, unentgeltliche Amt eines Prosektors der Chirurgie. Jetzt wurde er auch zum Leibchirurgen der Kaiserin Maria Theresia ernannt. 1749 wurde Jaus zum Professor der Chirurgie in Wien ernannt. Ab 1754 übernahm er auch die Lehre in Anatomie (nach der Pensionierung des Professors der Anatomie Carl Emanuel Schellenberger). Die Lehrverpflichtungen von Jaus beinhalteten jetzt Anatomie (im Wintersemester) und im Sommersemester theoretische und praktische Chirurgie einschließlich der Instrumenten- u. Bandagenlehre. Der bis dahin noch nicht zum Doktor der Medizin promovierte Jaus holte die Promotion auf Anordnung von Maria Theresia 1755 nach und wurde jetzt Mitglied der Medizinischen Fakultät. Sein Schwerpunkt blieb bis zu seinem Tod 1761 die Professur der Chirurgie, s. Hermann Elisabeth : Beiträge zur Geschichte des Lehrkörpers der medizinischen Fakultät der Universität Wien im 18. Jahrhundert. Dissertation an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 1981, 63–65. 15 Rogenhofer Gerd : Medicina Oenipontana, 74f, s.a. Forschungen und Forscher, Bd. 2, 62 u. 385. 16 Trabucco Alois Paul (1744–1782, in Worms/Bormio/Veltlinertal bzw. Innsbruck) : Trabucco studierte nach Besuch des Jesuitengymnasiums in Bormio (Worms) an der Wiener Universität Philosophie, dann Medizin. Er promovierte zum Dr. med. 1768. Seine Lehrer waren Heinrich Johann Nepomuk Cranz, Anton de Haen u.a. Anschließend war er zwei Jahre Assistent im Wiener Armen- und Invalidenhaus und an der Gebäranstalt St. Marx. Er wird dann Protomedikus in seiner Heimatstadt Bormio im Veltlinertal (1770–1774). 1774 eröffnete er eine Praxis in Innsbruck. Trabucco wurde 1778 zum außerordentlichen Professor für Anatomie an der Universität Innsbruck ernannt. 1780 folgt seine Ernennung zum Ordinarius für Anatomie. 1781 wird er zum Hofleibarzt der Erzherzogin Maria Elisabeth, einer Schwester Kaiser Josefs II. ernannt (die Erzherzogin war 1781–1806 Äbtissin des adeligen Damenstiftes in Innsbruck). 1782 wird er mit Aufhebung der Universität entlassen (und erhält eine jährliche Entschädigung von 300 fl.). Er war Gründer der Tirolischen Gesellschaft der Künste und Wissenschaften. Die Gesellschaft bestand ausschließlich aus Freimaurern (genannt werden u.a. die Professoren der Medizinischen Fakultät, Swibert Burkhard Schiverek und Johann Nepomuk Laicharding). Seine wichtigsten Publikationen waren „De mechanismo et usu respirationis“ (Wien 1768) und „De usu medico glandis quercinae“ (Innsbruck 1781), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 176–179. 17 Scherer Martin Claudius (1752–1834, Donauwörth bzw. Graz). Scherer übersiedelte nach seiner Gymnasialzeit und dem Philosophiestudium an der Jesuitenschule in München mit seiner Familie nach Innsbruck (1772) und entdeckt hier sein Interesse für die Landwirtschaft. Er begann sein Medizinstudium in Innsbruck (ab 1776) und setzte es auf Veranlassung von Prof. Alois Paul Trabucco in Wien fort (ab 1779). Er promovierte (1780) in Wien als Schüler v. a. von Maximilian Stoll (1742–1787). 1781 Fortsetzung des Studiums in Wien mit dem Schwerpunkt Geburtshilfe, Chirurgie und Augenheilkunde. Die Tirolische Landschaft beschloss, in Innsbruck die Tiermedizin zu fördern (1771). Sie setzte dafür ein Stipendium aus, um das sich Scherer bewarb. Er absolvierte in Wien eine Ausbildung bei Johann Gottlieb Wolstein (1738–1820), Professor für Veterinärmedizin am Wiener Tierspital. Mit Anstellungsdekret der Tirolischen Landschaft wurde er in Innsbruck Professor der
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
wirtschaft 1809–1821) : Professor für Tierarzneikunde, ab 1789/92 Professor des Medizinisch-Praktischen Unterrichtes. Scherer entfaltete eine lebhafte publizistische Tätigkeit.18 Der Professor für Tierarzneikunde hatte neben seinem unmittelbaren Aufgabengebiet auch den theoretischen Medizinunterricht im Rahmen der Wundärzteausbildung zu erteilen. Insgesamt orientierte man sich bei der Institution der Tiermedizin an französischen Vorbildern.19 Die volle Integration der Tierheilkunde in den medizinischen Unterricht charakterisierte das Wundärztestudium bis zumindest in die 40er-Jahre des 19. Jahrhunderts.20 Auch der bedeutende Reformator des medizinischen Unterrichtes Johann Peter Frank (1745–1821) setzte sich für die Integration der Tierarzneikunde in die medizinische Ausbildung entschieden ein. • Franz Xaver Niedermaier 21 (1790–1810), Nachfolger von C. M. Scherer, war ProArzneimittelkunde mit besonderer Berücksichtigung auch der Vieharzneikunde (6. November 1781). Im selben Jahr hielt er seine Antrittsvorlesung unter dem Titel „Akademische Rede über die Vortheile der Thierarzneikunde in den Händen der Ärzte“. In Wien erwarb Scherer 1785 den Doktor der Chirurgie, dies „als erster unter den österreichischen Ärzten“. Scherer war auch bahnbrechend für die Tiroler Volksgesundheit. So erbaute er in Innsbruck ein öffentliches Badhaus (1786). Auch geht die erste Kuhpockenimpfung am Innsbrucker Bürgerspital auf ihn zurück (1806). Nach dem Tod von Menghin (1738–1789), des langjährigen Direktors des Innsbrucker Medizinisch-Chirurgischen Studiums, wird er dessen Nachfolger als Protomedikus und Lehrer des Medizinischen Unterrichts. Nach der Wiedererrichtung der Fakultät (1792) wurde Scherer zum Professor des MedizinischPraktischen Unterrichts für Ärzte und Wundärzte sowie für Pathologie ernannt. Zusätzlich nahm er die Geschäfte des Direktors der Fakultät wahr. 1792–1804 beginnt Scherer zusätzlich Kollegien für Landwirtschaftslehre zu halten. Er errichtet in der Haller Au ein Mustergut, das für Lehrzwecke im Anbau z. B. von Mais und Kartoffeln diente. Die bayerische Herrschaft in Tirol bewog ihn, mit der Erzherzogin Maria Elisabeth, einer Schwester Kaiser Josefs II., nach Wien zu übersiedeln (1805). Angebote der bayerischen Regierung zur Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit lehnte er ab. 1809 wird er als Professor für Landwirtschaftslehre nach Graz berufen. 1821 tritt er in den Ruhestand und verbringt seinen Lebensabend auf seinem Mustergut St. Leonhard bei Graz, s. Huter Franz : Tierärztlicher Unterricht, 12–16 u. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 161 (dort auch weitere Literaturhinweise). 18 „Über die Vortheile der Thierarzneikunde in den Händen der Ärzte“ (Innsbruck 1781), „Abhandlung über verschiedene Badeanstalten und ihren Gebrauch“ (Innsbruck 1789), „Abhandlung über die Viehseuche im Landgerichte Kufstein“ (Innsbruck, 1796), „Aufmunterung zur Kuhpockenimpfung durch Errichtung einer Impfanstalt für Tirol“ (Innsbruck 1804), „Antrittsrede bey Errichtung der neuen Lehrkanzel für Landwirthschaft zu Grätz (Graz)“ (Graz 1809) u. a., s. Rogenhofer Gerd : Medicina Oenipontana, 167. 19 Kernbauer Alois : Wissenschaft in Österreich, 58. 20 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 463f. 21 Niedermaier Franz Xaver (1755–1811, Lienz bzw. Innsbruck) : Über seine Gymnasial- u. Studienzeit ist
Der Innsbrucker medizinisch-chirurgische Unterricht vor der bayerischen Zeit (1782–1805)
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fessor für Tierarzneikunde (1790–1792). Ab 1792 hatte Niedermaier zusätzlich einen Lehrauftrag für den medizinisch-theoretischen Unterricht und war ab 1804 Professor für Pathologie (mit Abgabe der Tierarzneikunde). Insgesamt war Niedermaier durch zwanzig Jahre Professor in Innsbruck (nämlich 1790–1792 am Lyzeum und 1792–1810 an der damals – kurzzeitig – wie dererrichteten Medizinischen Fakultät).22 Niedermaier veröffentlichte über den „tierischen Magnetismus“.23 • Johann Michael Lutzenberg24 (1792–1810) Professor für Physiologie und Arzneimittellehre, ab 1806 für Medizinische Enzyclopaedie mit Methodologie, z. T. auch Semiotik, Pathologie und Spezielle Therapie. Dieser Schüler angesehener bisher nichts bekannt. Er wirkte als Kreisphysikus in Rattenberg/Tirol (1783–1789). Berufen wird er dann an die Lehrkanzel der Veterinärmedizin am I. Lyzeum (1790). Man entschied sich für Niedermaier, da er zusätzlich eine Kurzausbildung am Wiener Tierspital bei Prof. Wolstein erhalten hatte. Mit der Wiedererrichtung der Fakultät (1792) erhält er den zusätzlichen Lehrauftrag für den medizinisch-theoretischen Unterricht der Landwundärzte. Nach dem Erlass des neuen Studienplans (1804) übernimmt er zusätzlich zum medizinisch-theoretischen Unterricht die Lehre in Pathologie. Die Tierarzneikunde gibt er dann ab. Unter bayerischer Herrschaft wird Niedermaier zum Professor der Pathologie berufen (im Wintersemester 1808/09). Nach Aufhebung der Universität (1810) tritt er in den Ruhestand. Zusammen mit Claudius Martin Scherer gab er seit 1791/92 die populärmedizinische Wochenschrift „Der Tiroler Arzt“ heraus, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 148–150. 22 Rogenhofer Gerd : Medicina Oenipontana, 148. 23 Veröffentlichung in „Der Tiroler Arzt“ : Vom thierischen Magnetismus, Nr. 31/32, Jg. 1791, S. 481ff. 24 Lutzenberg Johann Michael von (1745–1815 in Buchlohe/Schwaben bzw. Innsbruck). Der aus einer alten schwäbischen Wundarztfamilie stammende Lutzenberg verbringt seine Gymnasialzeit in Augsburg. Dort ist er Pflegling bei seinem Großvater und Wundarzt, der in Gräflich-Fuggerischen Diensten stand. Er kam erstmals 1767 nach Tirol und lässt sich von der österreichischen Armee anwerben und dient unter Migazzi. Dort wirkte er zunächst als chirurgischer Praktikant und legte nach achtmonatiger Tätigkeit die Prüfung als Feldscherer ab. Während seiner Feldscherertätigkeit in Innsbruck besucht Lutzenberg die Anatomie- und Chirurgiekollegien beim Innsbrucker Universitätsprofessor Caspar Egloff. 1771 wird er als Chirurg im Garnisonsdienst nach Freiburg i. Br. versetzt. Dort hörte er durch dreieinhalb Jahre bei den Professoren J. L. Bader, Georg Karl Staravasnig (1774–1812) und Matthaeus Mederer. Er promoviert unter dem Thema „De mangonisatione medicamentorum“ (über die Rosstäuscherei/Schwindel mit Arzneimitteln). Als Feldchirurg und Oberarzt diente er in der österreichischen Armee in verschiedenen Lazaretten (1774–1778). 1778 wird er in Wien vorstellig, da er zum Staatsmedicus avancieren wollte. Dazu muss er sich strengen Prüfungen unterziehen. Diese wird einerseits von Giovanni Alessandro Brambilla (1728–1800, Leibarzt, Protochirurgus und erster Direktor des Josephinums) abgenommen. Andererseits prüfte ihn der frühe Wiener Internist Anton Störck (1731–1803), der Nachfolger von Gerard van Swieten war und erfahrene Feldchirurgen in Wien weiterbildete. 1779–1792 wirkt er in Innsbruck als Epidemiearzt nach Entlassung aus dem Regiment. Gleichzeitig übte er eine freie Praxis in Innsbruck aus. Nach der Wiedereröffnung wird er 1792 zum Professor der Physiologie und Arzneimittellehre ernannt. In der bayerischen Zeit (ab
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Freiburger Professoren nämlich Franz Josef L. von Bader (1723–1778)25, G. K. Staravasnig26, Matthaeus v. Mederer und Wuthwehr (1739–1805)27, war langjähriger Kriegschirurg (zuletzt Stabsmedikus), Rigorosen bei Giovanni Alessandro Brambilla 28 und Anton Störck (1731–1803)29 und enger Mitarbeiter von Johann Michael Menghin (1738–1789).30 Letzterer war der Initiator der Einbeziehung des Heilig-Geist-Spitals in den klinischen Unterricht.31 Von Lutzenberg liegt eine selbst verfasste Biografie vor.32 • Mathias (auch Matthaeus Michael) Schöpfer (1792–1806) : Professor für Chemie und Botanik33 (s. u.). • Johann Nepomuk Laicharding34 (1792–1797) : Professor für Naturgeschichte.35 • Johann Nepomuk Keesbacher (auch Keespacher)36 : Dieser war Professor für Spezielle Naturgeschichte (1797–1806) und anschließend Professor der Chirurgie und Geburtshilfe (1806–1810). Ab 1812 unterrichtet er in Bamberg an der
1806) unterrichtet Lutzenberg jetzt medizinische Enzyklopädie samt Methodologie, während zwei Semestern auch Semiotik, Pathologie und spezielle Therapie. Bei Aufhebung des medizinischen Studiums 1810 wird er in den Ruhestand versetzt, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 135–139 (mit Quellenhinweisen). 25 Seidler Eduard u. Leven Karl-Heinz : Die medizinische Fakultät der Albert Ludwigs-Universität, 87f., u. 759. 26 Seidler Eduard u. Leven Karl-Heinz : Die medizinische Fakultät der Albert Ludwigs-Universität, 107– 112 u. 759. 27 Seidler Eduard u. Leven Karl-Heinz : Die medizinische Fakultät der Albert Ludwigs-Universität, 104– 109 u. 752f. Zitat : 753. Mederer setzte sich besonders für die „offizielle Gleichstellung der Chirurgie mit der Medizin“ ein. 28 Holubar Karl : Brambilla Giovanni Alessandro. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 204– 205. 29 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 16f. 30 Rogenhofer Gerd : Medicinae Oenipontana. 31 Kofler Christian : Das Innsbrucker Stadtspital, 31–51, insbes. 137–141. 32 „Biographie des kgl. Baier. Raths, Doctors und quiescierten Professors der Medizin Hoh. Mich. Edlen von Lutzenberg, von ihm selbst verfaßt und in Druck gegeben, 56 S.“ (Innsbruck 1812), s. Rogenhofer Gerd : Medicina Oenipontana, 138. 33 Probst Jacob : Geschichte, 384. 34 Laicharding Johann Nepomuk von (1754–1797, jeweils in Innsbruck). Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 124–131, u. Pfaundler-Spat Gertrud : Tirol-Lexikon, 304f. 35 Dieser anerkannte Naturforscher verfasste ein „Verzeichnis und Beschreibung der Tiroler Insekten“ (2 Teilbände, Zürich 1781–1783, TLF, UIB) und ein „Botanisches Handbuch“ (Vegetabilia Europaea in comodum botanicorum per Europam peregrinantium ex systemate plantarum Caroli a Linnè collecta et novis plantis et descriptionibus adaucta. Innsbruck 1790/92, TLF, UIB). 36 Keesbacher (auch Keespacher) Johann Nepomuk (1773–1820, jeweils Innsbruck), Keesbacher besuchte bis zu seinem 14. Lebensjahr das Gymnasium in Innsbruck (bis 1787). Zusätzlich arbeitete er in einem „chyrurgischen Offizin“. Ab 1794 besucht er in Wien und Innsbruck die Universität. 1797
Der Innsbrucker medizinisch-chirurgische Unterricht vor der bayerischen Zeit (1782–1805)
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Landärztlichen Schule (Lehrkanzel der Theoretischen und Praktischen Chirurgie). Nach seiner Rückkehr nach Innsbruck wird Keesbacher Direktor des Medizinischen Studiums (1815–1819). Zusätzlich war er Wirklicher Gubernialrat, Protomedikus der Provinz und Direktor des Medizinischen Studiums37, zwischenzeitlich Professor der Theoretischen und Praktischen Chirurgie an der bayerischen landesärztlichen Schule Bamberg (1812–1814)38, Direktor des Medizinischen Studiums und Protomedikus (1815–1819)39. Im Laufe seiner Tätigkeit veröffentlichte er (1807) eine Schrift über Viehseuchen40. • Andreas Miller, Prosektor für Anatomie (1786–1801).41 Allerdings kam es zu organisatorischen Änderungen mit einer neuen Fächerverteilung. • Das Fach Physiologie und Materia medica wurde weiterhin durch Johann Michael Lutzenberg vertreten (1792–1810)42.
erhält er in Innsbruck den Doktortitel aus Arzneikunde. Im selben Jahr wurde er zum ordentlichen Professor der speziellen Naturgeschichte an der Universität in Innsbruck ernannt. Während der bayerischen Zeit wird Keesbacher zum Medizinalrat beim königl. Bayerischen General-Commisariat ernannt. Während der Kriegswirren (1809/10) wirkt Keesbacher als Leiter von fünf Lazaretten in Innsbruck. Dabei scheut er keine Gefahren, um sich für Verwundete beider Seiten einzusetzen. 1810 wird er wegen seiner „politischen Gesinnung“ nach Straubing „deportiert“. 1810–1812 hat er in Bayern Berufsverbot. 1812 wird ihm jedoch die Lehrkanzel der theoretischen und praktischen Chirurgie an der Landärztlichen Schule zu Bamberg übertragen. Dort wirkt er bis 1814. Nach der Rückkehr Tirols zu Österreich wird er in Innsbruck zum Wirkl. Gubernialrat etc. ernannt (s. oben), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 120–123, u. Probst Jacob : Geschichte, 288. 37 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 121f. 38 Nach dem Tiroler Aufstand von 1809 wurde Keesbacher zunächst von den bayerischen Behörden „wegen seiner tirolischen Gesinnung nach Straubing eskortiert und mit vorläufigen Berufsverbot belegt“. 1812 wurde er dann jedoch nach Bamberg berufen. S. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 92f. 39 Keesbacher war zu dieser Zeit Referent für Universitätsfragen im Innsbrucker Gubernium und hat sich in dieser Position besonders für die Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät oder zumindest eines erweiterten Lyzeums eingesetzt. S. Huter Franz : Hundert Jahre, 7. 40 „Unterricht für den Landmann, wie er selber seine Pferde, das Hornvieh und die Schweine von der gegenwärtig herrschenden Seuche bewahren und das erkrankte Vieh besorgen soll“ (Innsbruck 1807). 41 Forschungen und Forscher der Tiroler Ärzteschule, 62, s.a. Rogenhofer Gerd : Medicina Oenipontana, 74f. 42 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 135–139.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Physiologie, Materia medica und Anatomie bildeten jetzt den „Unterbau“ 43 des Studiums. • Das Fach spezielle Naturgeschichte beinhaltete v. a. Chemie und Botanik. Es kam zur Ernennung von Johann Nepomuk Laicharding (s. o.) und dem Innsbrucker Hofapotheker Mathias (Matthaeus) Michael Schöpfer.44 • Der „Oberbau“45 umfasste Chirurgie mit der Geburtshilfe und die medizinische Klinik. Das erstere Fach wurde von Joseph Rottruf vertreten (1771–1800, s. o.).46 • Professor des medizinischen Unterrichtes wurde der bereits oben erwähnte Martin Claudius Scherer (1792–1805)47. Dieser war nach dem Ableben von Johann Michael Menghin 48 (1789) auch Protomedikus. Der medizinisch-theoretische Unterricht wurde vom ebenfalls bereits erwähnten Franz Xaver Niedermaier vertreten (1792–ca. 1810)49. Dieser übernahm zusätzlich unter bayerischer Herrschaft die Professur für Pathologie. Zusammenfassend sah der Lehrplan für Ärzte damals (1792) eine vierjährige Ausbildung50 vor. Der wundärztliche Unterricht beschränkte sich weiterhin auf zwei Jahre.
43 Der Oberbau umfasste Chirurgie zusammen mit der Geburtshilfe und die Medizinische Klinik. Chirurgie und Geburtshilfe wurden von Joseph Rottruf vertreten, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 4. 44 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 78, s.a. Huter Franz : Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie, 17f. 45 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 4. 46 Rottruf gab den angehenden Medizinern um neun Uhr Instrumentenlehre und von drei bis halb fünf Uhr Chirurgie (mit Anatomie). Zusätzlich unterrichtete er durch zwei Monate Geburtshilfe von zehn bis zwölf Uhr, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 157f., u. Forschungen und Forscher, 385. 47 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 164f. 48 Menghin Johann Michael, Ritter von Blumenthal (1738–1789 Artz/Nonsberg/Tirol bzw. Innsbruck). 49 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 148–150. 50 1. Jahr : Chemie, Instrumentenlehre, specielle Naturgeschichte, vorzüglich Botanik. 2. Jahr : Anatomie. 3. Jahr : Physiologie, Materia medica, auch Klinik. 4. Jahr : Pathologie und medizinische Praxis, s. Probst Jacob : Geschichte, 79.
2.
Die königlich-bayerische Universität (1806–1810) und das bayerische Lyzeum in Innsbruck (1810–1814) 2.1 Die Innsbrucker Universität im Zeichen der bayerischen Aufklärung Der Landesfürst Maximilian I. Joseph (1756–1825)51 und sein wichtigster Mitarbeiter Graf Maximilian von Montgelas (1759–1838)52 organisierten – in Anlehnung an Frankreich und dessen zentralistisches Staatswesen – einen Reformstaat im Sinne der Spätaufklärung. Tirol sollte in diesem Staatswesen eine Untereinheit bilden „mit straff organisierten Unterbehörden und gut ausgebildeten, fest besoldeten Beamten“.53 Im Königreich Bayern war „Tirol für Bayern eher ein Zuschussbetrieb“.54 Die Universität Innsbruck könne im Königreich – nach den unsprünglichen Konzepten – weiterbestehen, jedoch solle sie „wie alle tirolischen Einrichtungen den bayerischen Maßstäben angeglichen werden“55. Kernstück der Reformen war dabei ein „im Geiste der Reformen tätiges Beamtentum“56, in dem die Universitätsprofessoren eine wichtige Rolle zu spielen hätten. Vorbild für Innsbruck war dabei v. a. die Universität Landshut57.
51 Rall Hans u. Marga : Die Wittelsbacher in Lebensbildern. Graz u.a. 1986 (ND 2000), 314–319. 52 Montgelas Maximilian Joseph Graf von (1759–1838, jeweils München), s. Weis Eberhard : Maximilian von Montgelas – ein Lebensbild. In : Henker Michael, Hamm Margot u. Brockhoff Evamaria (Hg.) : Bayern entsteht. Montgelas und sein Ansbacher Mémoire von 1796. Regensburg 1996, 37–51. 53 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik in Tirol 1806–1814. München 1996, passim, hier insb. 66–85, Zitat : 69. 54 Heydenreuter Reinhard : Tirol unter dem bayerischen Löwen. Geschichte einer wechselhaften Beziehung. Regensburg u.a. 2008, 119–123, Zitat 123. 55 Kellmann Axel u. Drewes Patricia : Die süddeutschen Reformstaaten (Bayern, Württemberg, Baden). In : Brandt Peter (Hg.) : Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert. Bonn 2006, 714–178, hier 714. 56 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 75. 57 Die Universität Landshut hat ihre Blütezeit 1800–1818. Sie wurde anschließend (1826) nach München verlegt. Schmidt Rainer : Landshut, 195–214, u. Schwaiger Georg : München Universität, TRE 23, München 1994, 403–406.
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Hier ist nicht der Platz, die umfassenden Veränderungen aufzuführen, die in der Folge des Friedens von Lunéville (1801), der Beschlüsse des Reichsdeputationshauptschlusses (1803), des Bogenhausener Vertrages und jenes von Brünn (beide 1805) und des Friedens von Pressburg (ebenfalls 1805) eintraten.59 Die radikalen Umbrüche nach der Französischen Revolution führten jedenfalls im rheinbündischen Deutschland, dem insbesondere auch das Königreich Bayern60 angehörte, zu einer Rückbesinnung auf die nationale Eigenart. „Im geschichtlichen Denken, Abb. 16 : Maximilian I. (Maria Michael in der idealistischen Philosophie und in Johann Baptist Franz de Paula Joseph einer neuen Würdigung … (toleranter) Kaspar Ignatius Nepomuk, König von Religiosität wurden Kräfte entbunden, Bayern ; * 27. Mai 1756 in Schwetzingen bei die über die Aufklärung hinausführten Mannheim ; † 13. Oktober 1825 und die bunte Vielfalt der Romantik anin München. 58 bahnten …“61 Im Frieden von Pressburg (26. 12. 1805) musste dann – neben anderen Gebietsverlusten – Tirol an Bayern abgetreten werden.62 Am 11. 1. 1806 übernahm der bayerische Hofkommissar Carl Graf Arco63 die Regierungsgewalt in Tirol. Die Beeidigung 58
58 Glaser Hubert (Hg.) : Krone und Verfassung. König Maximilian I. Joseph und der neue Staat. München 1980, 81. 59 Summarisch bei Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 66–70, u. Kellmann Axel u. Drewes Patricia : Die süddeutschen Reformstaaten, 714f. 60 Seit 1806 war Kurfürst Maximilian IV. Joseph als Joseph Maximilian I. der erste König von Bayern. Maximilian Joseph mit der populären Kurzform seines Namens König Max stammte aus der Pfälzer Seitenlinie der Familie der Wittelsbacher, s. http ://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_I._Joseph_ %28Bayern %29, download v. 28.6.2007, 61 Schmidt Rainer : Landshut, 195. 62 Nach dem Freiheitskampf unter Andreas Hofer gegen Bayern und Frankreich wurde Tirol 1809 geteilt. Der Norden des damaligen Tirols bis Meran und Klausen kam an Bayern, der Süden an das Königreich Italien und die östlichen Landesteile (das heutige Osttirol und das östliche Pustertal) wurden den illyrischen Provinzen zugeschlagen. 1814 kam das gesamte Kronland (einschl. „Welschtirol“) wieder zu Österreich. 1815 erhielt Tirol bisher zu Salzburg gehörige Anteile im Zillertal, Brixental und im Osttiroler Iseltal, s. Köbler Gerhard : Historisches Lexikon, 713f. 63 Carl Graf Arco entstammte einem alten welschtirolischen Adelsgeschlecht, vor seiner Bestellung
Die königlich-bayerische Universität (1806–1810) und das bayerische Lyzeum in Innsbruck
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der Innsbrucker Universitätsprofessoren64 erfolgte dann am 4. März 1806.65 Ein Zeichen des neuen Beamtentums war eine, dem Grad entsprechende Dienstuniform. „Die Staatsdienerschaft setzte sich dadurch von den übrigen Untertanen jeglichen Standes ab und präsentierte sich nach außen als homogene Gruppe.“66 Mit königlichbayerischem Dekret vom 21. Oktober 1808 wurde der Universität Innsbruck als organisatorisches Vorbild die Universität von Landshut vorgeschrieben.67 Diese 1800 neu errichtete Universität Landshut befand sich in einer Aufbruchstimmung (zwischen Aufklärung Abb. 17 : Graf Maximilian von Montgelas (Henker und Romantik).68 Michael : Bayern entsteht, S. 77). Maximilian Joseph dekretierte „Wir werden die Gesetze und Verordnungen, nach welchen die Universität zu Landshut organisirt worden, zusammenstellen lassen, diese sollen in Zukunft auch Unserer Universität zu Innsbruck, soweit die Lokal-Verhältnisse es zulassen, als Norm dienen“.69 Die Lehrgegenstände wurden gleichzeitig entsprechend dem Landshuter Curriculum in grundlegende Hauptklassen (Allgemeine Klassen) und solche eingeteilt, die zum Hofkommissär für Tirol war er Vizepräsident des obersten bayerischen Justiztribunals. Graf Arcos Schwester Ernestine war mit Minister Montgelas verheiratet (seit 1803), s. Mühlberger Georg : Absolutismus und Freiheitskämpfe (1665–1814). In : Fontana Josef u.a. (Hg.) : Geschichte des Landes Tirol. Bd. 2, Bozen u.a. 21998, 504, u. Heydenreuter Reinhard : Tirol unter dem bayerischen Löwen, 107f. 64 Zu den rechtlichen Folgen dieser Eidesleistung im bayerischen Staat siehe Hamm Margot : Die baye rische Integrationspolitik, 83–85. 65 Probst Jacob : Geschichte, 271–290, hier 271 u. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 86–98, hier 86. 66 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 84. 67 Oberkofler Gert u. Goller Peter : Geschichte : 83–97, hier 85. 68 Schmidt Rainer : Landshut zwischen Aufklärung und Romantik, 195 u. Moisy Sigrid von : Von der Aufklärung zur Romantik : geistige Strömungen in München ; Ausstellung München, 26. 6.–24. 8. 1984 (= Bayerische Staatsbibliothek, Ausstellungskatalog 29), Regensburg 1984, 134–162. 69 Oberkofler Gert u. Goller Peter : Geschichte, 85.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
der Klasse der besonderen Wissenschaften zugeordnet wurden.70 Man hatte bewusst 1800 die Hochschule von Ingolstadt nach Landshut verlegt, um Reformkonzepte an einer neu gegründeten Universität besser durchführen zu können.71 Unter Graf Maximilian Montgelas war der Heidelberger Professor Friedrich Georg Freiherr von Zentner beauftragt worden, ein (aufgeklärtes) Reformkonzept für die bayerischen Universitäten zu verfassen.72 1804 wurde dann die von Zentner konzipierte Verfassung im zentralistischen Sinn verordnet und – mit Übergehen des zuständigen Bischofs von Eichstätt – die Reste der „kooperativen Autonomie“73 beseitigt. Damit fiel auch die traditionelle Fakultätsgliederung. Jetzt gab es einerseits die Classe der allgemeinen Wissenschaften 74 und jene der besonderen Wissenschaften.75 An der Medizinischen Fakultät Landshut war u. a. das „Landshuter Triumphirat“76 tätig. Es handelte sich um die Mediziner Andreas Röschlaub (1768–1835)77, einem bekannten Brownianer78, weiters Philipp Franz von Walther (1782–1849)79, einem Chirurgen, Augenarzt und romantischem Naturphilosophen sowie Friedrich Tiedemann.80 Neben Landshut war es v. a. die – protestantische – Universität von Erlangen81, die Tiroler zum Studium aufsuchten.82 In den Landshuter Matrikeln finden sich 70 Schmidt Rainer : Landshut zwischen Aufklärung und Romantik, 202f. 71 Schmidt Rainer : Landshut zwischen Aufklärung und Romantik, 197. Für Landshut sprach auch, dass man der Enge der Festungsstadt Ingolstadt entrinnen wollte. Ingolstadt war zudem während des Koalitionskriegs Belagerungen viel mehr ausgesetzt. Schließlich empfand man die Atmosphäre in Ingolstadt, die noch stark von den Jesuiten geprägt war, als „hemmend“. 72 Freiherr von Zentner war Vorstand der bayerischen Studiensektion, s. Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 172. 73 Schmidt Rainer : Landshut zwischen Aufklärung und Romantik, 202. 74 In dieser Klasse (den Grundwissenschaften) waren die Wissenschaftszweige zusammengefasst „welche zur höheren Geistes-Cultur überhaupt, ohne Rücksicht auf specielle Bildung für einen bestimmten Stand im Staate gehören“. Diese Klasse bestand aus den Sektionen Philosophische Wissenschaften (Allgemeine Methodologie, Logik, Psychologische Anthropologie, Staatswissenschaften) und den folgenden Sektionen : a) Historie, b) Mathematische und Physikalische Wissenschaften sowie c) Schöne Künste und Wissenschaften, s. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 86. 75 Die Klasse der besonderen Wissenschaften war in vier Sektionen gegliedert, nämlich Theologie, Rechtskunde, „staatswirtschäftliche Wissenschaften“ und Heilkunde, s. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 86. 76 Schmidt Rainer : Zwischen Aufklärung und Romantik, 209. 77 Tsouyopoulos Nelly : Röschlaub Andreas. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1260. 78 Tsouyopoulos Nelly : Brownianismus. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 213f. 79 Gerabek Werner E.: Walther Philipp Franz v. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1465. 80 Schmidt Rainer : Landshut zwischen Aufklärung und Romantik, 209. 81 Hartmann Peter Claus : Kulturgeschichte des Heiligen Römischen Reiches. 1648–1806, Wien u.a. 2001, 352–356, hier 352. 82 Aus Bayern kam bei der Aufhebung der Innsbrucker Universität (1810) der Befehl, dass die Inns-
Die königlich-bayerische Universität (1806–1810) und das bayerische Lyzeum in Innsbruck
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Abb. 18 : Die Universität in Ingolstadt wurde 1800 im Rahmen der Neuordnung der Universität nach Landshut verlegt. Der dortige Universitätshauptsitz war das ehemalige Dominikanerkloster, das 1802 enteignet wurde. 85
aus der damaligen Zeit 140 „hiesige Studenten“.83 Nach Erlangen gingen 1810 „44 Studenten ab“.84 85
2.2 Zum Curriculum in der bayerischen Zeit Nach dem königlich-bayerischen Dekret „zur Einteilung der Lehrgegenstände“ (21. 10. 1808)86 waren die folgenden Vorlesungen zu halten : brucker Medizin- und Rechtsstudenten anzuweisen seien, „unverzüglich an die zu Landshut und Erlangen bestehenden… Universitäten zur Vollendung ihrer Studien (überzuwechseln)“, s. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 95f., Zitat : 95. 83 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 95. 84 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 95. 85 Henker Michael, Hamm Margot u. Brockhoff Evamaria : Bayern entsteht. Montgelas und sein Ansbacher Mémoire von 1796, Regensburg 1996, 161. Stich von Heinrich Adam. 86 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 91, Zitat aus dem Akt M In Fascikel 1011 – 23738 (Organisation) des bayerischen Hauptstaatsarchiv München.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Titel der Vorlesung : Medizinische Klinik Physiologie und Materia medica Chirurgie, Geburtshilfe u. Gerichtsmedizin Pathologie und medizinische Polizei Anatomie Tierarznei Pharmazeutische Chemie Pharmakologie Medizinische Warenkunde, Anatomie, Prosectur
Vortragender (Zeit des Wirkens): Niedermaier (1792–1810, s. o.) Lutzenberg (1792–1810, s. o.) Keesbacher (1797–1810, s. o.) von Hoermann87 Albaneder88 (1801–1810 u. 1816–1843) Braun89 (1806–1810 u. 1818–1846) Schöpfer Math. M.90 (1792–1806) Schöpfer F.91 (1806–1810) Aberle92 (1807–1810/11)
An der Medizinischen Fakultät – jetzt „Heilsektion“ in der „Classe der besondern Wissenschaften“93 – konnten somit jetzt sieben ordentliche Professoren sowie ein Prosektor wirken.94 An diesem durchaus auf der Höhe der Zeit stehenden Curriculum ist die (in Innsbruck zunächst vorübergehende) Verselbständigung der Pathologie aus der medi zinischen Klinik festzustellen. Beachtenswert ist auch der Unterricht in Gerichtsmedizin (zusammen mit Chirurgie und Geburtshilfe). Das Fach gerichtliche Arznei87 Hoermann Ignaz von (geb. um 1780), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 108. Die provisorische Lehrtätigkeit von Hoermann begann ca. 1808. 88 Albaneder Josef Theodor (1775–1847), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 84–86, u. Forschungen und Forscher, 63. 89 Braun Josef (1773–1846), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 89–91, u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 463. 90 Schöpfer Mathias Michael (1739–1821), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 78, s.a. Huter Franz : Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie, 17f. 91 Schöpfer Franz Xaver (1778–1885), s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 90. 92 Aberle Matthias (1784–1847) promovierte in Innsbruck 1806. Nach der Prosektortätigkeit in Innsbruck wurde er 1811 nach Salzburg berufen. Dort wirkte er als Professor für Anatomie und Physiologie an der neu errichteten bayerischen Schule für Landärzte, s. Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 87, FN 189, u. 97. 93 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 86. 94 „Medizinische Klinik (Niedermaier) Physiologie und Materia medica (Lutzenberg) Chirurgie, Geburtshilfe und Gerichtsmedizin (Keesbacher) Pathologie und medizinische Polizei (von Hoermann) Anatomie (Albaneder) Tierarznei (Braun) Pharmazeutischen Chemie (Schöpfer sen.) Pharmakologie und medizinische Warenkunde (Schöpfer jun.) Anatomie, deutsch für Chirurgen, Prosectur (Aberle)“, s. Rogenhofer Gerd : MedicinaeOenipontana, 91.
Die königlich-bayerische Universität (1806–1810) und das bayerische Lyzeum in Innsbruck
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mittelkunde wurde dann (ab 1818) als Lehrauftrag vergeben. (s. u.) Eine Professur in Gerichtsmedizin und Hygiene gab es in Innsbruck erst 1887. Während der bayerischen Zeit machte man sich auch über die Weiterentwicklung des Stadtspitals als clinische Schule 95 – mit mehr als 85 Betten – detaillierte Gedanken96. Von der Planung bis zur tatsächlichen Verwirklichung eines akademischen Spitals war es allerdings noch ein weiter Weg. Ein den Anforderungen entsprechendes Klinikum konnte erst ab 1885/88 verwirklicht werden.97 In der Zusammenschau hatten die ersten Jahre des bayerischen Regimes der Medizinischen Fakultät einen Aufschwung gebracht. „So großartig, mit 30 Professoren, stand die Universität wohl niemals da, als wie nach der Einrichtung unter Bayern.“98 Allerdings war die Finanzierung der universitären Pläne und Ausgaben keineswegs gesichert.99 Oberkofler und Goller schildern die Situation so : „Da mit dem Übergang Tirols an Bayern nur ein Teil der ehemaligen österreichischen Studienfondmittel mitging, stand die Finanzierung der Universität auf völlig unsicheren Füßen. Erst im Herbst 1808 wurden die Behörden angewiesen, einen Teil der geistlichen Rentenüberschüsse für die Universität zu verwenden.“100 95 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 88f, Zitat : 88. 96 Das Stadtspital wird wie folgt beschrieben : „Im 1. Stock 15 Fremdenbetten nebst einem besonderen Zimmer für Wöchnerinnen. Im 2. Stock 30 Betten für Männer. Im 3. Stock Zimmer für unheilbar Kranke. Neun Behältnisse für Wahnsinnige sind zu ebener Erde. 40 Betten sind von alten, blödsinnigen zum Theil unheilbaren Pfründnern besetzt, die, wenn sie krank werden, in die Krankenzimmer kommen. Die Vorlesungen werden in besonderen Zimmern im Spital gehalten. Die klinischen Übungen geschehen zweymal täglich, nachmittag und abend am Krankenbette selbst. Die chirurgischen Kranken, die in den gewöhnlichen Krankenzimmern sind, besorgt der Spitalwundarzt, der aus dem Spitalfond einen kleinen Gehalt nebst seiner Wohnung bezieht. Die wichtigsten chirurgischen Fälle besorgt der Professor der Chirurgie unentgeltlich. Die innerlichen Kranken behandelt der Professor der Clinik das ganze Jahr hindurch, selbst die Schulferien nicht ausgenommen. Er hat keinen Assistenten, wie es sonst in jeder clinischen Schule gewöhnlich ist. Da der Lehrer der Clinik als Spitalarzt nicht einmal im Spitale wohnt, so muß er, wenn es nötig ist, auch des Nachts dorthin gehen. Jeder im Spital Verstorbene wird öffentlich seziert, um so die oft verborgenen Krankheitsursachen auszuklären. Jede merkwürdige pathologische Erscheinung wird zu einem pathologischen Präparat an die Universität abgegeben.“ S. Rogenhofer Gerd : Medicina Oenipontana, 88, zitiert aus : Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA), Akt M Inn 23738. 97 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 148–157. 98 Probst Jacob : Geschichte, 280–284, Zitat : 280. 99 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 172–174. 100 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 84.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Mit diesem Rentenüberschussreskript 101 vom September 1808 bestätigte der bayerische König Maximilian Joseph zunächst den Bestand und eine Finanzierung der Universität. Dies sollte allerdings nur für zwei Jahre gelten. Mit den kriegerischen Auseinandersetzungen 1809 änderte sich in der Folge die Stellung Bayerns zur jetzt „dahinsiechenden Universität“.102 Die Innsbrucker Universität hatte bisher – im Gegensatz zu Landshut – durch ihre Doppelsprachigkeit eine sehr wesentliche Funktion. Sie konnte einerseits zweisprachige Beamte ausbilden und musste „gleichzeitig die italienischen Tiroler nicht von der Universitätsausbildung im eigenen Staatsgebiet“103 ausschließen. In der Folge der Ereignisse von 1809 änderte sich das Verhalten der Münchner Zentralstellen. Jetzt war man, mit der Teilung Tirols104 und der „Erschöpfung des Studienfonds“105, am Weiterbestehen der Universität nicht mehr interessiert. Das bayerische Generallandeskommissariat plädierte in einer Eingabe an die Münchener Zentralstellen für eine Rückstufung. „Ueberhaupt ist bey der gegenwaertigen Lage der Dinge nicht zu erwarten, daß sich die Universität zu einem Grade von Celebrität emporschwingen werde. Ihr Fond reicht keineswegs hin, um solche Besoldungen auszuwerfen, welche den Gelehrten von Rufe reizen könnten, sich hier niederzulassen.“106
Daraufhin wurde mit der königlich-bayerischen Entschließung vom 25. Oktober 1810 die Universtität aufgehoben.107 Bemerkenswert war, wie wenig sich die krisenhafte Situation auf die medizinischen Promotionen auswirkte.
101 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 84. 102 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 84. 103 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 173. Carl Maria Graf Arco warnte davor, dass Welschtiroler in Landshut dem ausschließlich deutschsprachigen Unterricht dort in wichtigen Teilen nicht folgen könnten. Außerdem wären die Kosten an auswärtigen Universitäten für viele Tiroler zu hoch, denn es gäbe zahlreiche Kinder von armem Adel und aus der Beamtenschaft, die „größtenteils ohnehin sehr kärglich leben“. Diese Schichten seien jedoch für die Rekrutierung von gut ausgebildeten Beamten, Priestern, aber auch Ärzten und Naturwissenschaftlern notwendig. Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 173 (Zitat). 104 Welschtirol musste an das Königreich Italien abgetreten werden. Folge war, dass „das Hauptkontin gent der zahlenden Hörer“ verloren ging, s. Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 173. 105 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 94. 106 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 94. 107 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 94.
Die königlich-bayerische Universität (1806–1810) und das bayerische Lyzeum in Innsbruck
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Medizinische Promotionen in Innsbruck 1792–1810 50 45 40 35
Promotionen an norditalienischen Universitäten, die in Innsbruck lediglich bestätigt wurden.
30 25 20
Promotionen in Innsbruck.
15 10 5 0 1792–1795 1796–1799 1800–1803 1804–1807 1808–1810
Abb. 19 : Die medizinischen Promotionen in Innsbruck 1792–1810. Nach Daten von : Oberkofler Gerhard und Goller Peter : Geschichte der Universität Innsbruck 1669–1945. Frankfurt 21996, 147.
Die Abbildung dokumentiert eine Zunahme der Promotionen (jeweils in SechsSemester-Perioden 1792–1807, dann als Vier-Semester-Periode 1808–1810). Die Zahl der medizinischen Promotionen nahm dabei bis 1803 kontinuierlich zu. In der Periode 1800–1803 gab es in Innsbruck 35 medizinische Promotionen. In der Zeit des bayerischen Lyzeums nahmen die Innsbrucker eigenständigen Promotionen zwar etwas ab. Bestätigt und anerkannt wurden in der bayerischen Zeit jedoch Promotionen der norditalienischen Universitäten. Dadurch erhöhte sich die Zahl der Promotionen 1808–1810 sogar auf 44.108 Beim Vergleich der Promotionen an der Juridischen Fakultät zeigte sich gegenüber der Medizin ein deutlich differentes Verhalten. Die juridischen Promotionen hatten in der Periode 1796–1799 ihren Höhepunkt (31 juridische Promotionen). Zuletzt fand sich jedoch bei den Juristen eine dramatische Abnahme (Zwei-JahresPeriode 1808–1810). Ab 1800–1803 hatten die medizinischen Promotionen jene auf der juridischen Fakultät zuletzt um mehr als das Doppelte übertroffen.109 108 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 147. 109 Oberkofler Gerhard und Goller Peter : Geschichte der Universität Innsbruck 1669–1945. Frankfurt, 21996, 147.
88
II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Juridische und Medizinische Promotionen in Innsbruck 1792 – 1810 40 35 30 25 Juridische Promotionen.
20
Medizinische Promotionen.
15 10 5 0 1792–1795 1796–1799 1800–1803 1804–1807 1808–1810
Abb. 20 : Vergleich der medizinischen und juridischen Promotionen in Innsbruck (1792–1810). Daten aus : Oberkofler Gerhard und Goller Peter : Geschichte der Universität Innsbruck 1669–1945. Frankfurt 21996, 147.
2.3 Umstrittene Reformen im Gesundheitswesen während der bayerischen Besatzung Bayern wollte auch auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung in Tirol „…alles gründlicher, systematischer und besser machen und seine Reformvorhaben rasch zu einem Abschluss bringen“.110 Zunächst dachte man sogar daran, um das Land einen Grenzkordon zu errichten, um dem Eindringen ansteckender Krankheiten entgegenzuwirken. Nach Tirol einreisende Personen sollten ein medizinisches Unbedenklichkeitszeugnis vorweisen, bevor sie hätten einreisen dürfen. Dieses Vorhaben war zum Scheitern verurteilt, da es zu aufwendig und umständlich gewesen wäre. 110 Fontana Josef : Das Südtiroler Unterland in der Franzosenzeit 1796–1814. Voraussetzungen – Verlauf – Folgen (= Schlern-Schriften 304), Innsbruck 1998, 366–368, Zitat : 367.
Die königlich-bayerische Universität (1806–1810) und das bayerische Lyzeum in Innsbruck
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Auf die Bekämpfung von Pocken, den „Blattern“, richtete man ein besonderes Augenmerk. Die Erfolge der Kuhpockenimpfung in Bayern (1801–1804)111 sollten auch in Tirol nachvollzogen werden. Dabei setzte man „große Hoffnungen auf die Vernunft und Klugheit der Menschen, auf ihre Bereitschaft, sich durch Beispiele überzeugen zu lassen. Doch auf diesem Weg kam sie (nämlich die Regierung) kaum weiter – in Bayern nicht und noch weniger in Tirol“.112 Carl Graf Arco suchte mit einer Verordnung vom 24. März 1807 ein Pockenimpfungssystem einzuführen. Die Organisation dieser Maßnahmen wurde den Kreisärzten übertragen. Diese sollten den verantwortlichen Stellen die für die Impfung tauglichsten Ärzte und Wundärzte bekannt geben. Die Landesstelle gab diesen Medizinern dann einen Ermächtigungsausweis. Für jedes geimpfte Kind sollten aus der Gemeindekasse Geldmittel bereitgestellt werden.113 Ziel war, „dass in Hinkunft kein ungeimpftes Kind in ein Erziehungshaus, in eine Schule oder in ein Gymnasium aufgenommen werden durfte“.114 Allerdings stieß die Pockenimpfung115 in der Bevölkerung auf heftige Ablehnung und konnte schließlich auch nicht auf breiterer Basis eingeführt werden. Der Widerstand kam nicht nur vonseiten einfacher Leute, sondern auch durch Apotheker, Hebammen und Chirurgen. Zog jetzt die Behörde Personen zur Rechenschaft, so rechtfertigten sich diese mit Unkenntnis über diese Aktion. Darauf ordnete Graf Arco an, dass die Polizeibehörde diese und jede weitere Verordnung den Medizinern gegen Unterschrift aushändigen sollten. Jetzt kam ein königliches Edikt, das allen Provinzen des Königreichs die Pockenimpfung verpflichtend machen sollte (26. August 1807).116 „Jeder Untertan, der älter als drei Jahre war, musste bis zum 1. Juli 1808 geimpft sein.“117 Bei Widerspruch sollten Strafgelder erhoben und diese „ohne alle Weitläufigkeit und ohne Appelation, im Erforderungsfalle mit militärischer Exekution“118 eingetrieben werden. Der Erfolg 111 Fontana Josef : Franzosenzeit, 367. 112 Fontana Josef : Franzosenzeit, 367. 113 Vorgesehen waren pro Kind 24 Kreuzer. Bei einer Entfernung des Wohnortes von über einer Stunde Gehzeit waren 48 Kreuzer vorgesehen. Jeder Impfarzt war angehalten, alle sechs Monate einen Bericht über den Stand der Impfaktion an das übergeordnete Landgericht zu schicken, s. Fontana Josef : Franzosenzeit, 367. 114 Fontana Josef : Franzosenzeit, 367. 115 Wolf Eberhard : Die Einführung der Pockenschutzimpfung in die akademische Medizin : Eduard Jenner und die Folgen. in : Schott Heinz. Meilensteine der Medizin, 284–290. 116 Fontana Josef : Franzosenzeit, 367f. 117 Fontana Josef : Franzosenzeit, 368. 118 Fontana Josef : Franzosenzeit, 368, Zitat aus : Regierungsblatt XXXIX, Stück v. 12. 9. 1807, 1426– 1437.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
dieser Verordnungen war gering. Dort, wo die Obrigkeit Druck ansetzte, resultierten Unruhen bis zu Gewaltakten.119 Allerdings hatte es schon unter der österreichischen Regierung durchaus einen passiven Widerstand gegen den Impfzwang gegeben. Die öffentlichen Stellen bemühten sich um eine Verbesserung der Hygiene. Dies galt für die Reinhaltung der Straßen in den Ortschaften und für einen ungehinderten Abfluss der Abwässer in Ritschen und Seitengräben. Tatsächlich war die Hygiene in manchen Dörfern dringend zu verbessern.120 Auch hier regte sich Widerstand, und Vernunftargumente begegneten Misstrauen wie Ablehnung. Dadurch wurde es unter der damaligen Konstellation „nahezu unmöglich, alte Gewohnheiten von einem auf den anderen Tag auszumerzen“.121 Ein Paukenschlag war das Organische Edikt vom 8. September 1808.122 Dieses Edikt wollte „das im Medizinalwesen Brauchbare auf das ganze Reich übertragen, das Mangelnde durch neue Einrichtungen ersetzen und das Ganze in eine zweckmäßige Verbindung und einen der notwendigen Ordnung günstigen Zusammenhang bringen“.123 Insgesamt brachte das Jahr 1808 mit der Constitution für das Königreich Bayern bekanntlich einen Zentralisierungsschub in der bayerischen Verwaltung und das Auslaufen von Sonderregeln, deren es in Tirol nicht wenige gab.124 Jedenfalls hielt man im damaligen bayerischen Staatswesen „eine Auflösung der (Tirolisch) Landschaft (für) unvermeidbar“.125 Die Veränderungen betrafen nicht zuletzt auch den Stand der Wundärzte. Man ging durchaus im Geiste der Aufklärung davon aus, dass eine erfolgreiche Gesundheitspolitik einen informierten, gut ausgebildeten Ärztestand zur Voraussetzung hatte. Das Wundarztwesen habe in einem aufgeklärten Staatswesen seine Berechtigung verloren. In Tirol bestand damals ein erheblicher Mangel an Ärzten, die ein Universitätsstudium absolviert hatten.126 Das Gesundheitssystem war – v. a. außerhalb der Städte – auf die Mitwirkung dieser handwerklich organisierten medizinischen Berufsstände angewiesen (s. u.). 119 Fontana Josef : Franzosenzeit, 368. Dies galt insbesondere für das Oberinntal, das Ötztal, das Passeiertal, den Nonsberg und das Fleimstal. 120 Fontana Josef : Franzosenzeit, 368. 121 Fontana Josef : Franzosenzeit, 368. 122 Fontana Josef : Franzosenzeit, 368. Das Organische Edikt war wie andere derartige Organische Edikte eine legistische Folge der bayerischen Verfassung vom 1. Mai 1808. 123 Fontana Josef : Franzosenzeit, 368, Zitat aus : Regierungsblatt LVI, Stück v. 28.9.1808, 2169–2210. 124 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 131–139. 125 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 139. 126 Fontana Josef : Franzosenzeit, 368.
Die königlich-bayerische Universität (1806–1810) und das bayerische Lyzeum in Innsbruck
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Durch das geplante Verbot der Tätigkeit von Wundärzten etc. wurde allerdings ein ganzer Berufsstand in seiner Existenz gefährdet. Dieser spielte in Tirol – weit verzweigt – eine wichtige Rolle. Überdies hatten die Wundärzte und Heiler „auf die Meinungsbildung der Leute großen Einfluss… Man kann sich unschwer vorstellen, dass diese abgebauten Viehbader und Bauerndoktoren auf die Bayern nicht gut zu sprechen waren und gegen sie Stimmung machten“.127 Die Bayerische Integrationspolitik steuerte bekanntlich – trotz einer Reihe vorteilhafter Konzepte und Maßnahmen – schließlich auf ein Scheitern zu.128 Dies zeigte sich – wie bereits erwähnt – auch auf der universitären Ebene.129 Mit dem Ende der bayerischen Herrschaft in Tirol war jedoch der „Interessengegensatz zwischen regionaler Autonomie und gesamtstaatlichen Zentralismus“130 keineswegs gelöst. In dieser Zeit der straffen Staatsführung waren „provinzielle Sonderrechte“131 nur schwierig wiederherzustellen. Die Finanzierungslücke, die eine neuerliche Umwandlung der Innsbrucker Universität in ein bayerisches Lyzeum quasi erzwungen hatte, nötigte auch Franz II. (I.) zu einem restriktiven Hochschulkurs. Vorweggenommen sei hier die spätere Schlussfolgerung, dass die Wiedererrichtung der Innsbrucker Universität und besonders der Medizinischen Fakultät (1869) v. a. durch Anstrengungen der Tiroler Landschaft erreicht wurde. Die Wiener Zentralinstitutionen waren – über die Biedermeierzeit hinaus – dem Wiederaufbau der Universität gegenüber in hohem Maße zögerlich. Zwar fiel mit der Wiedereingliederung von Welschtirol das Argument eines wirtschaftlich kargen Binnenlandes z. T. weg. Mittel des Staatsschatzes standen jedoch für das Tiroler Gesundheitswesen bis zur Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät nur sehr spärlich zur Verfügung. Zunächst musst das Land insbesondere mit der Errichtung der Klinikbauten132 einen Kraftakt setzen.133
127 Fontana Josef : Franzosenzeit, 368. 128 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 173f. 129 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 174. 130 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 345–351, Zitat : 345. 131 Hamm Margot : Die bayerische Integrationspolitik, 345. 132 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 135–139. 133 So wurde 1781 eine Spitalsteuer als Zusatz zu den landesfürstlichen Steuern eingeführt. Zusätzlich kamen es zu Darlehen v. a. der Innsbrucker Sparkasse, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 138f, s.a. Huter Franz : Geschichte der Sparkasse der Stadt Innsbruck, Innsbruck 1962.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
2.4 Die Abschaffung des Innsbrucker Medizinischen U nterrrichtes in der bayerischen Zeit (1911) König Maximilian I. Joseph hob jedoch am 25. 11. 1810 die Universität wieder auf. Übrig blieb lediglich ein „Eingeschränktes Lyzeum“134 mit nur zwei Studienabteilungen (Philosophie und Theologie). Somit hatte sogar die medizinisch-chirurgische Studienanstalt (1782–1792) legistisch kein Existenzrecht mehr. Dies sollte sich erst nach dem Sturz Napoleons ändern. Die Innsbrucker Hohe Schule wurde „wohl auch aus einem gewissen Ressortiment (von König Maximilian Joseph) gegen das rebellierende Land aufgehoben (wie oben erwähnt 1810). Zu Studien der Medizin und der Jurisprudenz (Jus) musste man nach München oder Erlangen gehen.135 Als Alternative gab es oberitalienische Universitäten (s. u.).
134 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 6. 135 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 6.
3.
Die Wiedervereinigung Tirols mit Österreich und die neuerliche Eröffnung des Medizinisch-Chirurgischen Unterrichtes (1814–1869)
In der Regierungszeit von Kaiser Franz II. (I.) waren selbstverständlich auch in Tirol „Ereignisse und Gedankengut der Französischen Revolution“136 nicht nur bekannt geworden, sie wurden auch lebhaft diskutiert. Die Rückschläge für die Habsburgermonarchie in den napoleonischen Kriegen waren zwar gewaltig, neben den Gebietsverlusten gab es jedoch auch eine für die Monarchie mit Gebietsgewinnen verbundene „Flurbereinigung“137. Als Folge des Reichsdeputationshauptschlusses (1802/1803) wurden die geistlichen Fürstentümer größtenteils ihrer Selbstständigkeit beraubt. Dies hatte für Tirol erhebliche Bedeutung, da die geistlichen Fürstentümer Trient mit ca. 4.100 km² – 145.000 Einwohner – und Brixen mit 900 km² – 26.000 Einwohner – nun Tirol einverleibt wurden.138 Kaiser Franz II. legte jetzt (1806) die römisch-deutsche Kaiserkrone nieder, nachdem er bereits zwei Jahre vorher als Franz I. den Titel eines Kaisers von Österreich angenommen hatte. Franz I. (II.) musste nach den grandiosen Siegen von Napoleon am 26. Dezember 1805 „den Verlust von Tirol und Vorarlberg hinnehmen, die zu Bayern geschlagen wurden“.139 Dies wurde im Frieden von Pressburg so vereinbart. Nach dem Sturz Napoleons bemühten sich die Tiroler Stände beharrlich um eine Wiedererrichtung der Universität Innsbruck. Die Gründe der Verzögerung bei der Neuerrichtung der Universität lagen auf mehreren Ebenen. Die „materielle Grundlegung“140 erforderte mehrjährige Verhandlungen zwischen den Wiener Emissären und dem Tiroler Gubernium bzw. den Landständen. Zögernd waren insbesondere die Wiener Zentralstellen. Dies brachte Kaiser Franz sehr klar zum Ausdruck. Zunächst sei Zuwarten angezeigt, aber „Ja sag ich (zur Wiedererrichtung der Universität), sobald ich Geld seh“141. Bedenken kamen auch 136 Forcher Michael : Anno Neun – Der Tiroler Freiheitskampf von 1809 unter Andreas Hofer : Ereignisse, Hintergründe, Nachwirkungen. Innsbruck u.a. 2008, 13–16, Zitat : 13. 137 Forcher Michael : Anno Neun, 16. 138 Forcher Michael : Anno Neun, 16. 139 Forcher Michael : Anno Neun, 17. 140 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 6. 141 Moser Hans u. Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität, 34.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Abb. 21 : Das Kronland Tirol aus geografischer Sicht mit den drei Teilen Nordtirol/Osttirol, Südtirol und dem Trentino. Aus : De Biasi M. L.: Il Sudtirolo nella storia. Le antiche radici della cultura tirolese.144
von der zuständigen Wiener Hofstelle der Studien-Hofkommission und dem Staatsrat.142 Aus einem sehr österreichischen Entwicklungsprozess resultierte jedoch eine schrittweise Verbesserung der Ausbildung, und zwar schon im Rahmen des erweiterten Lyzeums (s. u.). Jedenfalls kam es schließlich zu einem im Wesentlichen kontinuierlichen Übergang vom vorherrschenden Wundärztewesen auf einen akademischen Ärztestand. Dieser Übergang vom Wundärztewesen vollzog sich jedenfalls deutlich unterschiedlich zwischen dem nördlichen/östlichen Tirol (heute Nord- und Osttirol) und dem italienisch-sprachigen Trentino (damals Welschtirol)143. Eine Mittelstellung nahm das heutige Südtirol ein. 144
3.1 Innsbruck erhält ein erweitertes Lyzeum Mit der Wiedereingliederung Tirols in die Habsburgermonarchie erhoffte man durch Kaiser Franz II. (I.). eine möglichst weitgehende Wiederherstellung jener universitären Verhältnisse, wie sie unter Leopold II. geherrscht hatten145. Jedoch bereits im Hinblick auf die Landesverfassung stand diese – was die Eigenständigkeit betrifft – „weit hinter den Errungenschaften der Neunzigerjahre (zurück)“.146 Die Zeit der „Sonderstellung Tirols kehrte nimmer wieder“147. Dies stand in einem gewissen Gegensatz zu den Wünschen der Mehrheit der Tiroler Bevölke142 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 6f. 143 De Biasi M. L.: Il Sudtirolo nella storia. Le antiche radici della cultura tirolese. Bolzano/Bozen 1999, passim, insbes. 23–35. 144 De Biasi M. L.: Il Sudtirolo nella storia. Le antiche radici della cultura tirolese, 30. 145 Egger Josef : Geschichte Tirols, Bd. 3, 363–365. 146 Egger Josef : Geschichte Tirols, Bd. 3, 864. 147 Egger Josef : Geschichte Tirols, Bd. 3, 864.
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rung. Diese wollte keineswegs den Verlust der früheren Landesautonomie einsehen und „trauerte und klagte, als dem centralistischen und absolutistischen Staatssystem eine Eigenthümlichkeit nach der anderen zum Opfer fiel …“148 In der Wiener Studienhofkommission und im Staatsrat herrschten (weiterhin) die Nützlichkeitsideen des damaligen Absolutismus vor. „Dem öffentlichen Wohl in den Ländern draußen“149 könne der praxisorientierte Betrieb eines Lyzeums gerade für die medizinische Ausbildung besser dienen. Das Tiroler Gubernium dagegen mit seinen Referenten für Universitätsfragen – zunächst der frühere Medizinprofessor Johann Keesbacher (1773–1820)150 und dann der spätere Brixner Bischof Bernhard Galura151 – verfasste sogar einen Detailplan für die Universität inklusive einer Medizinischen Fakultät (am 23. 6. 1816).152 Besonders der schon besprochene Johann Nepomuk Keesbacher bemühte sich als Wirkl. Gubernialrat, Protomedikus und Direktor des Medizinischen Studiums (1815–1819) um die Aufwertung der medizinischen Ausbildung in Innsbruck. Als medizinische Ausbildung in Innsbruck wurde jetzt das Medizinisch-chirurgische Studium angeboten.153 Die frühere Innsbrucker Medizinische Hohe Schule hieß jetzt auch „Bildungsanstalt für Zivilwundärzte und Hebammen“154 oder ein erweitertes Lyzeum. Das Curriculum (von 1810) folgte zunächst der „Vorschrift zum Lehrvortrage aus der sämtlichen Heilkunde“.155 An den medizinischen Fakultäten dagegen war ein fünfjähriges Studium mit mindestens 14 Lehrkanzeln vorgeschrieben. Für die Ausbildung im Rahmen des Medizinisch-chirurgischen Studiums war dagegen nur eine zweijährige Ausbildungszeit vorgesehen. Für letzteres Studium waren jedoch mindestens fünf Lehrkanzeln vorgeschrieben. An den Fakultäten andererseits war eine vorangehende Absolvierung eines philosophischen Studiums erforderlich. 148 Egger Josef : Geschichte Tirols, Bd. 3, 864. 149 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 6–12, Zitat : 7. 150 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 7, s.a. Rogenhofer Gerd : Medicina Oenipontana, 120–123, u. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 24–34, hier 27. 151 Galura Bernhard (1764–1856) s. Gelmi Josef : Geschichte der Kirchen in Tirol, 292–294. 152 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 7. 153 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 7. 154 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 7. 155 Bereits am 17. Februar 1804 wurde durch das Wiener Hofdekret in den k. k. deutschen Erblanden eine Studienordnung „im Bezug auf Arzneykunde, Wundarzneykunst und Pharmacie“ vorgeschrieben. Dieser folgte 1810 als Erweiterung die „Vorschrift zum Lehrvortrage aus der sämtlichen Heilkunde“. Eine Promotion war weiterhin nur an den medizinischen Fakultäten möglich. Nur Letztere waren zur Verleihung der höheren Befähigung (Magisterium und Doktorat) in der Arzneikunde autorisiert, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 7.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Ziel des Medizinisch-chirurgischen Studiums war die Versorgung der Landgemeinden mit Wundärzten und Hebammen.156 Die Wundärzte Tirols und Vorarlbergs waren in einer „Gremienorganisation“157 zusammengeschlossen. Diese gliederten sich ähnlich den Zunftorganisationen in „Haupt- und Nebenladen“.158 Das Gremium schrieb von auswärts kommenden Wundärzten entsprechende Ausbildungsgänge vor. Insgesamt waren nur diplomierte Wundärzte zur Ausübung des Gewerbes berechtigt. Dazu war vorher ein Gesuch beim Kreisamt einzubringen, wobei Kreisarzt und Gremialvorsteher zusammen über dieses Gesuch zu entscheiden hatten.159 Für die Lehrjungen der Wundarznei waren in der Stadt Innsbruck in den ersten beiden Jahren Vorlesungen aus Anatomie und Theoretischer Chirurgie vorgesehen. Im dritten Jahr (1833 eingeführt) waren Vorlesungen über Instrumenten- und Bandagenlehre vorgeschrieben. Mitglieder, Gesellen und Lehrlinge wurden von den Obervorstehern der Hauptgremien in Verzeichnissen geführt.160 Der abschlägige Bescheid von Kaiser Franz I. (1816)161 entmutigte allerdings Gubernium und Landstände Tirols keineswegs. Diese kämpften weiterhin um die Aufwertung des Medizinisch-chirurgischen Studiums im Rahmen des „Erweiterten Lyzeums“162. Das führte zunächst jedoch dazu, dass ab 1820 die philosophische und theologische Studienabteilung Doktorate verleihen durften. Die Erhebung zur Universität mit zunächst nur zwei Fakultäten (Philosophie und Jus) konnte mit 27. Jänner 1826 erreicht werden.163 Die erste Promotion konnte am 15. Mai 1827 durch Joseph Braun (1773–1846, Professor der Tierseuchenlehre und Veterinärkunde) als erstem Rektor164 durchgeführt werden. 156 Solche Medizinisch-chirurgische Studien wurden in den meisten Landeshauptstädten der k. k. deutschen Erblande eingerichtet. 157 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 29. 158 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 29. Bei diesen Haupt- und Nebenladen handelte es sich um Haupt- und Nebengremien. Ziel dieser Organisationen war es, die Anschaffung und Benützung von Büchern, Instrumenten u.a. chirurgischen Behelfen für die Mitglieder der Gremienorganisation zu erleichtern. Weiters dienten sie der Aufrechterhaltung, der Ordnung bei den bürgerlichen Wundärzten und im Gesellen- und Lehrlingswesen. 159 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 29f. 160 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 30. 161 Moser Hans u. Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität, 34. 162 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1 I, 108. 163 1823 war das Theologiestudium am Lyzeum eingestellt worden, die Ausbildung der Geistlichen erfolgte im Bischöflichen Seminar in Brixen, s. Bubestinger Ingrid u. Zeindl Gertraud : Zur Stadtgeschichte Innsbrucks, 88f. 164 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 470f. Moser Hans u. Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität, 35. Braun wurde dann 1836 neuerlich Rektor.
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Auf eine Medizinische Fakultät musste somit weiterhin verzichtet werden. Der Wiener Staatsrat befand „dass Innsbruck alles fehle, was für das höhere medizinische Studium nötig sei : die Studenten, die Lehrmittel und die nötige materielle Grundlage“.165 Trotzdem kam es zu einem gewissen Kompromiss zwischen Wien und den Wünschen des Tiroler Guberniums. Es blieb zwar beim (niederen) „Medizinischchirurgischen Studium für Zivilwundärzte und Hebammen“166, jedoch wurde dieses Studium im Rahmen der Universität angeboten. Damit wurden die Professoren des Medizinisch-chirurgischen Studiums, obwohl sie keine eigene Fakultät bildeten, seit 1826 „den übrigen Professoren gleichgehalten“.167 Bei der Wahl des Rektors wurden auch Professoren des Medizinisch-chirurgischen Studiums mitberücksichtigt168. Der akademische Senat als wichtigstes kollegiales Führungsorgan der Universität hatte auch Mitglieder aus der medizinischen Professorenschaft. Der Senat bestand aus dem Rektor, den Studiendirektoren, Dekanen und den Seniorprofessoren der Studienabteilungen. Das medizinische Studium war zwar nicht durch einen selbst gewählten Dekan im Senat vertreten, jedoch hatten im Senat auch der (medizinische) Studiendirektor und „das rangälteste Mitglied des Lehrkörpers (Senior)“169 Teilnahmerecht. 3.2 Die Lehrpläne des erweiterten medizinisch-chirurgischen Lyzeums In der Entwicklung der medizinischen Ausbildung an den chirurgisch-medizinischen Studienanstalten erfolgten drei wichtige Reformschritte (1804, 1810 und 1833). Die zweijährige Ausbildung an den chirurgisch-medizinischen Studienanstalten hatte folgende Fächerverteilung (1804/1805) : 1. Jahr : Anatomie ; allgemeine und spezielle Chirurgie ; medizinisch-theoretischer Unterricht. 165 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 8. 166 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 8. 167 Probst Jacob : Geschichte, 328. Die wichtigsten Persönlichkeiten der einzelnen Studienabteilungen blieben die Studiendirektoren, deren Wirksamkeit nicht verändert wurde. 168 Probst Jacob : Geschichte, 328. 169 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 8.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
2. Jahr : die Lehre von den chirurgischen Operationen, Instrumenten und Bandagen ; die Geburtshilfe ; chirurgisch-praktischer Unterricht am Krankenbette ; praktischer Unterricht für Geburtshelfer ; medizinisch-praktischer Unterricht am Krankenbette ; spezielle Therapie.170
Ein derartiger zweijähriger Kurs zur Ausbildung des „Heilpersonals“171 wurde an den medizinischen Lyzeen von Innsbruck, Graz Klagenfurt, Salzburg, Olmütz, Laibach und Lemberg angeboten.172 Für dieses Heilpersonal – zwischen Wundärzten und Hebammen „herrschte scharfer Wettbewerb“173 –, aber auch für das Doktoratsstudium wurden ausländische Studierende praktisch nicht zugelassen.174 Ähnliches galt übrigens auch für das Doktoratsstudium an den verbliebenen Universitäten der Habsburgermonarchie.175 Die Studienreform von 1810 brachte für das Medizinisch-chirurgische Studium eine organisatorische Weiterentwicklung. Weiterhin gab es allerdings ein nur zweijähriges Studium, jedoch mit genauer Semestergliederung. In vier Semestern wurde gelehrt176 : „1. Jahr : 1. Semester : a) Eine kurze Einleitung in das chirurgische Studium als enzyklopädische Uebersicht und Methodologie desselben ; b) Anatomie ; c) theoretische Chirurgie, d. i. allgemeine und specielle Pathologie der äusserlichen Krankheiten ; d) Physiologie, allgmeine Pathologie und Therapie der innerlichen Krankheiten. 2. Semester :
170 Egglmaier Herbert Hans : Das Medizinisch-chirurgische Studium, 80, u. 358, FN 77, u. 360, FN 22. Zitat aus : VA UA 2 A Medizin. 171 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 35. 172 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 35. 173 Moser Hans u. Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität, 66. 174 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 37. 175 In der Studienordnung von 1804 wurde das Studium ausländischer Studenten an der Universität Wien „nahezu unmöglich“, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 31–39, Zitat : 37, s.a. Vocelka Karl : Glanz und Untergang der höfischen Welt, 275–280. In der Studienordnung von 1804 wurde das Studium ausländischer Studenten an der Universität Wien „nahezu unmöglich“. 176 Egglmaier Herbert Hans : Das Medizinisch-chirurgische Studium, 86. Ausführlich bei Meister Richard : Entwicklung und Reformen des österreichischen Studienwesens (in 2 Teilen). In : Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 239/1 (Wien 1963), 37.
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a) Fortsetzung der Anatomie, und b) der theoretischen Chirurgie ; c) Materia medica und chirurgica, Diätetik, Anleitung zum Receptschreiben ; d) chirurgische Bandagen- und Instrumenten-Lehre. 2. Jahr : 1. Semester : a) Chirurgische Operationslehre mit Darstellung derselben am Leichname ; b) chirurgisch-practischer Unterricht und Uebungen am Krankenbette ; c) gerichtliche Arzneykunde ; d) Vorlesungen über specielle Therapie der innerlichen Krankheiten und practische Uebungen am Krankenbette. 2. Semester : a) Vorlesungen über die chirurgische specielle Therapie, chirurgisch-practischer Unterricht und Uebungen am Krankenbette ; b) Fortsetzung von d des ersten Semesters ; c) Geburtshilfe ; d) Thierarzneykunde ; e) nach geendigtem Studienjahre geburtshilfliche Uebungen im Gebärhause durch zwey Monate.“
Im ersten Semester wurde eine „enzyklopädische Übersicht und Methodologie“ (des chirurgischen Studiums)177 obligatorisch. Die „gerichtliche Arzneykunde“178 war bereits 1809 für obligatorisch erklärt worden. Sie wurden in Innsbruck in Form von Lehraufträgen gelesen.179 In der Geburtshilfe wurde die praktische Ausbildung erweitert. Übungen sollten nicht nur am Phantom180, sondern auch „an toten Frauen und Kindern“181 durchgeführt werden. Überhaupt sollten vermehrt im Krankenhaus Verstorbene im Beisein des Professors und seiner Schüler bzw. vom Professor selbst seziert werden.182 Die Studienreform von 1833 führte dann – in einem jetzt dreijährigen Studium – zu folgendem Curriculum183 : 177 Egglmaier Herbert Hans : Das Medizinisch-chirurgische Studium, 86. 178 Egglmaier Herbert Hans : Das Medizinisch-chirurgische Studium, 86. 179 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 16. 180 Das Phantom zur Übung geburtshilflicher Handgriffe stand seit etwa 1750 in Verwendung, s. Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 293. 181 Egglmaier Herbert Hans : Das Medizinisch-chirurgische Studium, 67. 182 Egglmaier Herbert Hans : Das Medizinisch-chirurgische Studium, 87. Die Sektionen in der nahen Umgebung der Patientenzimmer erwiesen sich, wie dann Ignaz Philipp Semmelweis (1818–1865) erstmals zeigen konnte, als äußerst problematisch und erhöhten die Todesfälle an Kindbettfieber, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 77f. u. 211f. 183 Egglmaier Herbert Hans : Das Medizinisch-chirurgische Studium, 101f, s.a. Meister Richard : Entwicklung und Reformen, 214f.
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Lehrplan 1833 für das Medizinisch-chirurgische Studium (dreijährig)184 : „I. Jahrgang a) Einleitung in das Studium der Chirurgie. b) Physik im Wintersemester, täglich 1 Stunde. c) Allgemeine und pharmaceutische Chemie im Sommer-Semester, täglich 1 Stunde. d) Botanik im Sommer-Semester, täglich 1 Stunde. e) Anatomie im ganzen Jahre, täglich 1 Stunde. f ) Secier-Uebungen im ganzen Jahre. Physik, Chemie und Botanik werden durch einen Professor vorgetragen. II. Jahrgang : I. Semester a) Physiologie von dem Beginn des Schuljahres anzufangen, täglich zwei Stunden, nach der Vollendung des physiologischen Unterrichts. b) allgemeine medizinisch-chirurgische Pathologie und Therapie, täglich 2 Stunden bis zur Beendigung des Semesters. II. Semester : a) Arzneimittel-Lehre, pharmaceutische Warenkunde, Rezeptierkunst und Diätetik, täglich 2 Stunden. b) Theoretische Geburtshilfe, nur für Mediziner. c) Veterinärkunde wöchentlich dreimal, jederzeit 1 Stunde. III. Jahrgang : I. Semester : a) Medizinisch-praktischer Unterricht am Krankenbette, täglich 1 Stunde. b) Vorlesungen über spezielle medizinische Pathologie und Therapie, täglich 1 Stunde. c) Chirurgisch-praktischer Unterricht, täglich 1 Stunde. d) Vorlesungen über spezielle chirurgische Pathologie, Therapie und Operations-Lehre nebst Instrumenten- und Bandagen-Lehre, täglich 1 Stunde. e) Operations-Übungen am Cadaver in Gegenwart des Professors, und im Verhinderungsfalle oder Abwesenheit desselben im Beisein der Assistenten. f ) Gerichtliche Arzneikunde, täglich 1 Stunde. 184 Egglmaier Herbert Hans : Das Medizinisch-chirurgische Studium, 101f., aus Meister Richard : Entwicklungen und Reformen, Bd. 1, 212–218, insbes. 214f.
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II. Semester : a) Fortsetzung von a, b, c, d, e des ersten Semesters. b) Übungen in den chirurgischen Operazionen und der Anlegung der Bandagen am Cadaver. c) Augenheilkunde, täglich 1 Stunde“.
3.3 Die im Vormärz in Innsbruck verwendeten Lehrbücher Im Vormärz wurden, wie bereits in der Vorperiode (1673–1810), in erster Linie Lehrbücher von Autoren verwendet, die in der Habsburgermonarchie lehrten185. Es handelte sich um 25 Autoren. Davon 22 aus der Universität Wien, zwei aus Prag und einer aus Lemberg. An der Innsbrucker Studienanstalt wurden jedoch auch Lehrbücher aus dem nichtösterreichischen Raum in beachtlicher Zahl verwendet. Dies könnte zunächst überraschen, da man in Zeiten des Metternich’schen Systems „ausländische Schriften kaum erwarten würde“.186 Von der Universität Berlin waren vier Autoren, von der Universität Göttingen waren drei Autoren, aus Sachsen zwei Autoren (Dresden, Halle) und aus Tübingen ebenfalls zwei Autoren. Weiters sind je ein Autor aus Bern, Bielefeld, Bonn, Erlangen und Heidelberg zu nennen. Autoren an der Universität bzw. an den medizinischen Lehranstalten von Wien waren Georg Joseph Beer (1763–1821), der Begründer der modernen Augenheilkunde in der Habsburgermonarchie187. Weiters Joseph Bernt (1770–1842)188, der ein „Systematisches Handbuch der gerichtlichen Arzneykunde“ (Wien 1813, mit späteren Auflagen bis 1845) verfasste. Joseph Berres Edler von Perez (1786–1844)189 verfasste ein frühes Werk zur mikroskopischen Anatomie190. Johann Lukas Boer 185 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 210–273. 186 Vocelka, Karl : Glanz und Untergang, 275–280, Zitat : 279. Beim vorherrschenden „Landespatriotismus“ fielen Schriften aus Ländern außerhalb der Habsburgermonarchie häufig der Zensur zum Opfer. 187 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 210f, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 80– 86, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 561. Beer leitete die Wiener Augenklinik (1812–1821). Er war ab 1818 Ordinarius. 188 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 211f, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 111– 114, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 587. Bernt leitete den Lehrstuhl für Staatsarzneikunde in Wien (1813–1842). 189 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 213. Dieser schrieb u.a. eine „Anatomie der mikroskopischen Gebilde des menschlichen Körpers“ (Wien 1837–1844). 190 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 95f. Berres erfand eine Methode, histologische Bilder durch Ätzen auf Silberplatten zu fixieren.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
(1751–1835)191, Ordinarius der praktischen und theoretischen Geburtshilfe in Wien (1808–1822) verfasste „Abhandlungen und Versuche geburtshilflichen Inhaltes“ (Wien 1791–1807, 1831 unter verändertem Titel mit weiteren vier Aufl. erschienen).192 Burkhard Eble (1799–1837)193, Bibliothekar der Josephsakademie in Wien (1832–1837), war v. a. durch sein Werk „Versuch einer pragmatischen Geschichte der Arzneykunde“ (Wien 1840) präsent. Von Johann Philipp Horn (1774–1845)194, Professor der theoretischen und praktischen Geburtshilfe in Wien (seit 1822), wurden das Lehrbuch „Theoretisch-praktisches Lehrbuch der Geburtshilfe für angehende Geburtshelfer (Wien 1825) u. ein „Lehrbuch der Geburtshilfe zum Unterricht für Hebammen“ (Wien 1825–1839) verwendet. Bei Johann Nepomuk von Hunczovsky (1752–1798)195, Professor der Anatomie und Chirurgie und Leibchirurg Leopolds II., stand seine Operationslehre in Gebrauch.196 Joseph Hyrtl (1811–1894)197 verfasste neben dem „Lehrbuch der Anatomie des Menschen“ (Prag 1846) v. a. das „Handbuch der topographischen Anatomie“ (Wien 1847) sowie „Das Handbuch der topographischen Anatomie und ihrer praktischen medizinisch-chirurgischen Anwendungen“ (2 Bde., Wien 1884). Johann Nepomuk Isfordink (1776–1841)198, Professor der allgemeinen Pathologie und der Materia medica an der Wiener Josephsakademie und oberster Militärarzt der Habsburgermonarchie, verfasste eine zweibändige „Militärische GesundheitPolizei“ (Wien 1825) sowie eine in Innsbruck gern verwendete „allgemeine Naturlehre für angehende Ärzte und Wundärzte“ (Wien 1814). Vincenz Ritter von Kern (1760–1829)199, der Begründer der offenen Wundbehandlung200, war mit seinem Hauptwerk „Die Steinbeschwerden der Harnblase, ihre verwandten Übel und der Blasenschnitt bei beiden Geschlechtern“ (Wien 1828) vertreten. Alois Mi191 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 214f., s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 71– 75. 192 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 71–76, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 579. Boer wurde 1790 zum ao. Professor und 1808 zum Ordinarius ernannt. 193 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 222, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule 621f. 194 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 231f., s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 77. 195 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 234f. u. Wyklicki Helmut : Das Josephinum, 34–38. 196 „Anweisung zu den chirurgischen Operationen“ (Wien 1785). 197 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 236, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 240– 246 u. Bröer Ralf : Joseph Hyrtl. In : Eckard W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 182. 198 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 237f., u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 117. 199 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 239–241, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 62–66. 200 Lesky Erna : Meilensteine, 70.
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chael Mayer (1766–1831)201, Ordinarius der Anatomie in Wien (1810–1831), war in der Innsbrucker Lehre mit seinem Buch „Anatomische Beschreibung des ganzen menschlichen Körpers, zum Gebrauche seiner akademischen Vorlesungen (Wien 1813) vertreten.202 In Prag wirkte der ordentliche Professor der klinischen Medizin Franz Willibald Nusshard (1785–1847).203 Er war o. Professor der klinischen Medizin (ab 1825) und leitender Direktor aller Prager Krankenanstalten (ab 1843). Sein Hauptwerk war : „Theoretische Medizin für Wundärzte als Leitfaden für Vorlesungen“ (2 Bde., Prag 1824–1826). Dieses Werk wurde in Innsbruck 1829–1839 verwendet.204 In Lemberg wirkte Thomas Knaur (gest. 1890)205 als ordentlicher Professor für Chirurgie und Geburtshilfe. Er hatte seine Ausbildung bei Leber in Wien erhalten. Sein wichtigstes Werk war „Selectus instrumentorum chirurgicorum, in usum discentium et practicorum tabulis exaratus …“ (Wien 1796–1798 u. Freiburg 1810). Autoren, die in Berlin lehrten und deren Lehrbücher in Innsbruck in Verwendung standen, waren Johann Friedrich Henckel (1712–1779).206 Dieser Oberwundarzt an der Berliner Charité (ab 1747) und Professor der Geburtshilfe bzw. Direktor der Entbindungsanstalt in Berlin (ab 1774) verfasste v. a. das Werk „Anweisung zum verbesserten chirurgischen Verbande“ (Berlin 1756).207 Ernst Horn (1772–1848)208 war zunächst Professor der Medizin in Wittenberg (1804) und Erlangen (ab 1804), dann Professor an der Medizinisch-Chirurgischen Militärakademie in Berlin (1806) und schließlich ordentlicher Professor der Heilkunde an der Universität Berlin (ab 1821). Horn war auch „erster klinischer Lehrer der Psychiatrie in Berlin“209. In Verwendung stand zur Lehre in Theoretischer Chirurgie dessen „Handbuch der medicinischen Chirurgie“ (2 Bde., Berlin 1804–1806) und „Anfangsgründe der medicinischen Klinik“ (4 Bde., Erfurt 1807 f.)210. Christoph Wilhelm Hufeland (1762–1836)211 war an der Gründung der Berliner Universität 201 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 245f., u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 553. 202 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 245f., s.a.: Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 90f. u. 240. Mayer war erster Anatomielehrer von Carl v. Rokitansky. 203 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 247f. 204 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 247f. 205 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 242f. 206 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 227f. 207 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 227f. 208 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 230f. 209 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 263, mit FN 274. 210 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 230f. 211 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 233f., s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der me-
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(1810) beteiligt und wirkte als deren erster Dekan. Hufeland wurde zunächst als Professor der Heilkunde nach Jena berufen (1793), war dann Professor der Charité in Berlin (ab 1801) und begleitete die Königsfamilie in den napoleonischen Kriegswirren (1806–1809). Er war dann Vorstand der Berliner Medizinischen Poliklinik (1810–1833)212 und gilt als Schlüsselfigur der Berliner Humboldtuniversität (Gründung 1810) und „einer der bedeutendsten und berühmtesten Ärzte seiner Zeit“213. Sein bedeutendstes Werk war einerseits „Enchiridion medicum, oder Anleitung zur medicinischen Praxis, Vermächtnis einer 50jährigen Erfahrung“ (Berlin 1836, mit zahlreichen späteren Auflagen). Noch verbreiteter war sein Werk „Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“ (Jena 1796, ab 1805 unter dem Titel „Makrobiotik oder Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“). In Innsbruck wurde nach ihm theoretische Medizin vorgetragen (1819–1825).214 Adam Elias von Siebold (1775–1828)215 war u. a. ordentlicher Professor der Geburtshilfe in Würzburg (1805–1816) und dann in Berlin (ab 1816–1828). Er verfasste ein „Lehrbuch der Hebammenkunst“ (Würzburg 1808–1838) und ein „Lehrbuch der theoretisch-praktischen Entbindungskunde“ (2 Bde., Würzburg 1821/1824). Karl Christian Wolfart (1778–1832) war an der Berliner Universität seit dem Gründungsjahr (1810) habilitiert und ab 1817 ordentlicher Professor für Heilmagnetismus in Berlin.216 Wolfart war ein Vertreter des animalischen Magnetismus im Sinne von Franz Anton Mesmer (1734–1815)217. Wolfart verfasste u. a. „Formulare oder Lehre der Abfassung von Rezepten“ (Marburg 1803). In Innsbruck verwendete man sein Lehrbuch als Anleitung zur Rezeptierkunde.218 An der preußischen Universität zu Königsberg wirkte Karl Friedrich Burdach (1776–1847)219. Er war zunächst Professor für Anatomie und Physiologie in Dorpat (ab 1811) und dann in Königsberg (1814–1827) und gehörte zu den „bedeudizinischen Spezialfächer, 624f u. Wenzel Manfred : Hufeland, Christoph Wilhelm. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 632–635. 212 Eulner Hans-Heinz : Die entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 631. 213 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 233f. 214 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 234. 215 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 269f. Gerabek Werner E.: Siebold Adam Elias von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1327f. 216 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 269, u. Gerabek Werner E.: Wolfart Karl Christian. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1502. 217 Gerabek Werner E.: Mesmer Franz Anton. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 973. 218 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 270. 219 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 216f., u. Hagner Michael : Karl Friedrich Burdach. In : Eckart W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 71.
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tendsten Ärzten in der Zeit der Romantik“220. Sein wichtigstes Werk war „Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft“ (6 Bde., Leipzig 1828–1840). Zusätzlich verfasste er die im Bildungsbürgertum verbreitete „Anthropologie für das gebildete Publicum“ (1837). In Innsbruck stand v. a. seine „Physiologie als Erfahrungswissenschaft“ (Leipzig und Königsberg 1826–1840) in Verwendung.221 An der Universität in Göttingen wirkte Johann Wilhelm Heinrich Conradi (1780– 1861).222 Conradi war o. Professor der Medizin in Marburg (ab 1809), dann in Heidelberg (ab 1814) und schließlich in Göttingen (1837–1853). In Innsbruck stand sein Werk „Grundriß der medizinischen Enzyklopädie und Methodologie“ (Marburg 1815) in Verwendung (1819–1825).223 Adolph Friedrich Hempel (1767–1834)224 war Ordinarius der Anatomie in Göttingen (1819–1834, vorher ao. Professor ab 1808). In Verwendung stand in Innsbruck v. a. „Anfangsgründe der Anatomie des gesunden menschlichen Körpers“ (2 Bde., Göttingen u. Wien 1801–1833). Sein Werk stand 1847 für das Studium der Anatomie zur Verfügung.225 Schließlich wurde in Innsbruck auch nach Justus Arnemann (1763–1806)226 gelesen. Arnemann war Professor für Anatomie und Chirurgie in Göttingen (1792–1803) und wirkte dann in Hamburg (ab 1804). Obwohl wissenschaftlich „hochgeachtet“227, musste der ao. Professor Göttingen verlassen, hatte jedoch eine Anzahl von Werken verfasst. In Innsbruck wurde über seine Instrumenten- und Bandagenlehre, dann über die chirurgische Klinik und schließlich über Materia medica et chirurgica gelesen (1818/19).228 Seine hier verwendeten Werke waren wahrscheinlich v. a. „Entwurf einer praktischen Arzneimittellehre“ (2 Tle., Göttingen 1797, 21801). Von der Universität in Tübingen kamen in Innsbruck zwei Autoren zu Wort. Es handelte sich um Ludwig Friedrich von Frohriep (1779–1847)229, der als Professor der Anatomie und Chirurgie in Tübingen wirkte (1808–1815). Sein „Theore220 Hagner Michael : Karl Friedrich Burdach. In : Eckart W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 71. 221 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 217, s.a. Gerabek Werner E.: Burdach Karl Friedrich. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 221f. 222 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 219f., s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 624f. u. 627. 223 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 220. 224 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 226, s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 547. 225 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 226. 226 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 208f. 227 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 208. 228 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 209. 229 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 223f., s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 552 u. 570.
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tisch-praktisches Handbuch der Geburtshilfe zum Gebrauche bei akademischen Vorlesungen und für angehende Geburtshelfer“ (Weimar 1802, mit zahlreichen späteren Auflagen) wurde in den Geburtshilfe-Vorlesungen verwendet (1818, 1824–1835).230 Der zweite in Innsbruck verwendete Autor mit Wirken in Tübingen war Ferdinand Gottlob von Gmelin (1782–1848)231. Er war Ordinarius der Medizin und Naturwissenschaften in Tübingen (1831–1840 Ordinarius der Medizinischen Klinik) und verfasste eine „Allgemeine Pathologie des menschlichen Körpers“ (Stuttgart und Tübingen 1813, 21821). Sein Werk stand 1826/1827 in Innsbruck in Verwendung.232 Von sächsischen Universitäten kamen die Lehrbücher von zwei Autoren. Kurt Polykarp Joachim Sprengel (1766–1833).233 Sprengel war Professor der Medizin in Halle (ab 1795) und Direktor des Botanischen Gartens in Halle sowie Medizinhistoriker.234 Er war gleichermaßen als Mediziner und Botaniker geschätzt und gab auch eine Universalgeschichte der Medizin heraus. Seine bedeutendsten Werke waren „Versuch einer pragmatischen Geschichte der Arzneikunde“ (Halle 1792–1799 mit zahlreichen Neuauflagen ; Paris 1810, 1815–1820. Venedig 1812–1816. Florenz 1839–1843. Florenz/Mailand 1840–1851). Zusätzlich verfasste er ein „Handbuch der Semiotik“ (Halle 1801).235 Seine Lehrbücher wurden v. a. im Rahmen der theoretischen Medizin verwendet (1819–1825). Aus Bielefeld kamen die Werke des in Halle habilitierten Georg Wilhelm Christoph Consbruch (1764–1837).236 Dieser Privatdozent wirkte als praktischer Arzt in Bielefeld (1787 bzw. ab 1789). Sein wichtigstes Werk war „Allgemeine Enzyklopädie für praktische Ärzte und Wundärzte“ (18 Bde., Leipzig 1802–1830). Nach seinem Werk wurde in Innsbruck 1818 gelesen.237 In Dresden wirkte er nicht an der Universität, sondern als praktischer Arzt und Augenarzt Karl Heinrich Weller (1794–1854).238 Er lehrte im Sinne der Wiener Schule des Georg Joseph Beer, an dessen Wiener Augenklinik (Vorstand 1812–1821)239 er seine Ausbildung erhalten hatte. Sein weit verbreitetes Werk war „Die Krankheiten des menschlichen Auges, praktisches Handbuch der angehenden Ärzte. Nach 230 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 224. 231 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 225, s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 629. 232 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 225. 233 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 261f. 234 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 428. 235 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 261. 236 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 220f. 237 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 221. 238 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 267, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 82. 239 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 561.
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den besten in- und ausländischen Werken, mit besonderer Berücksichtigung der Beer’schen Erfahrungen bearbeitet und durch eigene Beobachtungen vermehrt“ (Berlin 1819, mit zahlreichen Neuauflagen u. a. Berlin und Wien 41831. Übersetzungen ins Englische, Französische, Russische und Italienische, 1821–1833).240 Sein Buch über Augenkrankheiten wurde in Innsbruck 1826–1849 verwendet. Johann August Tittmann (1774–1840)241 lehrte am Sanitäts-Kollegium Dresden (seit 1814). Seine wichtigsten Werke waren „Lehrbuch der Chirurgie zu Vorlesungen“ (3 Bde., Leipzig 1800–1802, 21810–1811) und „Chirurgische Verbandlehre“ (Dresden 1812). Nach seinen Lehrbüchern der Chirurgie wurde 1818 gelesen.242 An der Universität Heidelberg wirkte Maximilian Joseph von Chelius (1794– 1876).243 Chelius war Ordinarius der Chirurgie und Augenheilkunde in Heidelberg (1819–1864). Seine bedeutendsten Werke waren „Handbuch der Chirurgie, zum Gebrauche bei seinen Vorlesungen“ (2 Bde., Heidelberg 1822/1823 mit zahlreichen weiteren Auflagen sowie Übersetzungen in elf Sprachen) sowie „Handbuch der Augenheilkunde“ (2 Bde., Stuttgart 1839, 1844, französische Übersetzung : Paris 1839). In Innsbruck wurden seine Werke 1826–1849 verwendet.244 An der Universität Bonn wirkte Hermann Friedrich Kilian (1800–1863)245. Dieser Ordinarius für Geburtshilfe in Bonn (1834–1863) publizierte eine „Operationslehre für Geburtshelfer“ (Bonn 1834/1835, 21849–1856) sowie „Die Operationslehre von Seiten der Wissenschaft und Kunst dargestellt“ (3 Bde., Frankfurt 1839, 1840, 1842). Nach seinen Werken wurde 1848 über theoretische Geburtshilfe für Chirurgen gelesen.246 Erlangen war der Tätigkeitsbereich von Georg Friedrich Hildebrandt (1764– 1816)247. Er war zunächst Professor der Anatomie in Braunschweig (ab 1786) und dann Professor der Medizin, Chemie und Physik in Erlangen (ab 1795). Von seinen zahlreichen Werken wurde sein „Taschenbuch für die Gesundheit auf das Jahr 1802“ (Erlangen 1800–1820) im Hinblick auf die Diätetik gelesen (1818).248 240 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 267. 241 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 2162f., s.a. BLÄ 5, 596f. 242 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 263. 243 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 217–219, s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 566. 244 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 218. 245 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 241f., s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 572. 246 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 242. 247 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 228f. 248 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 229.
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Schließlich ist Andreas Franz Ott 249 , Privatdozent in München (seit 1823) und praktizierender Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer in Wolnzach, zu nennen. Nach Ott wurde über Instrumenten- und Bandagenlehre in der Chirurgie gelesen (1838– 1849). Sein wichtigstes Werk war „Theoretisch-praktisches Handbuch der allgemeinen und besonderen chirurgischen Instrumenten- und Verbandlehre oder der mechanischen Heilmittellehre“ (2 Bde., München, Wien 1834 u. 1835)250. In Bern wirkte als o. Professor der Physiologie (1836–1881) Gabriel Gustav Valentin251. Dieser war ein Schüler von Johann Evangelista Purkinje 252 in dessen Breslauer Zeit (1823–1850). Von Valentins Werken sei genannt „Über den Verlauf und die letzten Enden der Nerven“ (Bonn, Breslau 1847) und „Grundriß der Physiologie des Menschen“ (Braunschweig 1847). In Innsbruck wurde 1849 aus dem letzteren Buch gelesen.253
3.4 Die Besetzung der Lehrkanzeln an der Innsbrucker medizinisch-chirurgischen Studienanstalt Bezeichnend für die akademische Tätigkeit der damaligen Innsbrucker Professoren war ihr fachübergreifendes Wirken. Sie hatten eine Schwerpunkttätigkeit in einer der überkommenen Disziplinen und zusätzlich Lehraufträge in den sich entwickelnden Spezialfächern. Einen festen Platz im überkommenen Fächerkanon hatten insbesondere Anatomie, Medizinische Klinik/Allgemeine Pathologie, Chirurgie mit Geburtshilfe, Medizinische Polizei/Staatsarzneikunde, Naturwissenschaften/Chirurgische Vorbereitungswissenschaften sowie Tierseuchenlehre/Veterinärkunde. 254
Lehrkanzelinhaber (mit Dauer der Tätigkeit)
Fachrichtung
Dantscher Karl Ritter v. Anatomie Kollesberg (1846–1869)254
weitere (Sub-)Disziplinen, die vom Lehrstuhlinhaber vertreten wurden
Theoretische Medizin (Suppl., 1855/56) Tierarzneikunde (1869) Gerichtliche Arzneikunde (1859–1869) Pathologische Anatomie (1848–1869) Demonstrationen aus der Physiologie (1855–1857)
249 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 248f. 250 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 249. 251 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 263f., s.a. ADB 39, 463f. 252 Engelhardt Dietrich v. : Johann Evangelista Purkyně. In : Eckart W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 266f. Porter Roy : Greatest Benefit, 535, u. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 236f. 253 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 264. 254 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 92–95.
255 256
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257 258 259 260 261 262263264 265
Lehrkanzelinhaber (mit Dauer der Tätigkeit)
Fachrichtung
weitere (Sub-)Disziplinen, die vom Lehrstuhlinhaber vertreten wurden
Fischer Joseph (1859– 1869)255
Theoretische u. prakt. Chirurgie sowie Augenheilkunde
Zahnheilkunde
Hinterberger Joseph (1818–1822)256
Theoretische u. prakt. Geburtshilfe
Ambulierende Gebäranstalt (seit 1819/20)257
Körner Moriz Anton (1856–1862)258
Spez. Med. Pathologie u. Therapie sowie Med. Klinik
Primär- und sekundärsyphilitische Krankheiten (mit Demonstrationen)
Laschan Ignaz Edler v. Solstein (1838–1851)259
Praktische Medizin u. Med. Klinik
Theoret. u. prakt. Geburtshilfe (Suppl., 1845–1847)
Mayrhofen Virgil Ritter v. Koburg und Anger (1851–1869)260
Theoret. u. prakt. Geburtshilfe
Augenheilkunde (Suppl. 1859)
Mauermann Franz Joseph (1826–1859)261
Theoret. u. prakt. Chirurgie
Augenheilkunde (1833–1859)* Gerichtl. Arzneikunde (1833–1859)
v. Patruban Karl Edler (1843–1845)262
Anatomie
v. Scherer Claudius Martin Ritter (1781–1804)263
Tierarzneikunde
Studiendirektor (ab 1774), Protomedikus (ab 1789), Prof. d. medizinisch-praktischen Unterrichtes f. Zivil- u. Landwundärzte (1792–1804), Pathologie (1792–1804)
Seidl Emanuel (1853– 1855)264
Theoret. Medizin
Theoret. u. prakt. Augen- u. Ohrenheilkunde (1854/55) Prakt. Übungen im Rezeptieren (1854) Prakt. Demonstrationen aus der Physiologie (1854/55)
Schöpfer Franz Xaver (1834–1836)265
Chirurg. Vorbereitungswissenschaften (Suppl.)
Botanik u. Chemie (ab 1806), Naturgeschichte (ab 1823)
255 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 96–98. 256 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 101–106. 257 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23f. 258 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 118–122, s.a. Egglmaier Herbert Hans : Das MedizinischChirurgische Studium in Graz, 485f. 259 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 136–139. 260 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 146–147. 261 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 140–143. 262 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 154–162. 263 Rogenhofer Gert : Medicina Oenipontana, 161–170. 264 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 173–177. 265 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 171f., s.a. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 16. Schöpfer
110 Lehrkanzelinhaber (mit Dauer der Tätigkeit)
II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum Fachrichtung
weitere (Sub-)Disziplinen, die vom Lehrstuhlinhaber vertreten wurden
v. Tschurtschenthaler Anton Alois (1856–1869)266
Theoret. Medizin
Theoret. Medizin (Suppl. 1846/47) Prakt. Medizin u. Med. Klinik (Suppl. 1855/56) Kinderkrankheiten (1859–1869) Prakt. Demonstrationen aus Pharmakognosie (1857–1859) Prakt. Medizin (1862–1864)
Wattmann Joseph (1818– 1824)267
Theoret. u. prakt. Chirurgie
Augenheilkunde (1818–1824), Theoret. u. prakt. Geburtshilfe (1822/23)
Abb. 22 : Lehrkanzelinhaber, Fachrichtungen und weitere Disziplinen der Lehrkanzelinhaber (Auswahl) 266 267
Bei der personellen Enge des Lyzeums spielte die – unter Leo Graf Thun (Minister für Kultus und Unterricht 1849–1860) – aufgewertete Philosophische Fakultät mit ihren naturwissenschaftlichen Fächern eine wichtige Rolle. Nun zu den Fächern im einzelnen. 3.4.1 Anatomie In der Zeit von 1816 bis 1848 wurden drei Professoren auf die Lehrkanzeln für Anatomie berufen (s. u.268) : Lehrkanzeln der Anatomie 1816–1882
Anatomie : 1816–1843 Josef Theodor Albaneder (vorher bereits Ordinarius 1801–1810) 1843–1846 Karl Edler von Patruban 1845–1882 Karl Dantscher Edler von Kollesberg
wurde im Rahmen der zweiten medizinischen Fakultät zum Professor für Botanik und Chemie ernannt (1806). 1809 wurde er als Lehrkanzelvorstand der Botanik in Innsbruck eingesetzt. Er war zusätzlich Gymnasialdirektor und insgesamt Univ.-Professor der Naturgeschichte 1806–1823. 266 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 180–185, u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 13–17. 267 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 188–195. 268 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 13. Zusätzlich wurde 1846 Franz Kurzak mit der supplierenden Leitung bis zur Ernennung von Dantscher im selben Jahr betraut.
Die Wiedervereinigung Tirols mit Österreich
111
Am einflussreichsten war unter diesen Professoren der Anatomie Karl Dant scher Edler von Kollesberg.269 Der aus der Steiermark stammende „glänzende Lehrer“270 war prominentes Mitglied des Innsbrucker Lehrkörpers durch 36 Jahre (1846–1882). Dabei kamen seine Ausbildung in Wien bei Joseph Berres (1796–1844)271 und seine persönlichen Kontakte zu Joseph Hyrtl (s. o.) zum Tragen. Er bemühte sich mit Erfolg um die Einrichtung einer umfangreichen Sammlung anatomischer Präparate. Dabei benutzte er auch anatomische Corrosionspräparate.272 Nach 1869 nahm Dantschers Einfluss noch zu. Er gilt als „Vater der (neu errichteten) Fakultät“273 Abb. 23 : Karl Dantscher von Kollesberg und wurde als dieser vielfach geehrt.274 (1813–1887). Dantscher wirkte als Professor der Anatomie in Innsbruck (1846–1882). Zusätzlich war er Supplent der Theoretischen Medizin (1855/56) und der Tierarzneikunde (1869). Im Rahmen eines Lehrauftrages unterrichtete Dantscher zusätzlich gerichtliche Arzneikunde (1859–1869). Dazu gab er auch außerordentliche Vorlesungen über pathologische Anatomie (1848–1869) und praktische Demonstrationen aus der Physiologie (1855–1857).275 269 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 92–98. 270 Kirchmair H. u. Olbrich E : Lehrkanzeln und Institut für Anatomie. In : Hundert Jahre Medizinische Fakultät, 2, 201. 271 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 95f. 272 Kirchmair H. u. Olbrich E : Lehrkanzeln und Institut für Anatomie. In : Hundert Jahre Medizinische Fakultät, 2, 201. Die Corrosionstechnik hatte insbesondere J. Hyrtl entwickelt. Diese Präparate kommen durch Injektion von erstarrenden Substanzen in Gefäße und Hohlräume zustande, s.a. Bröer Ralf : Joseph Hyrtl. In : Eckart W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 182. 273 Kirchmair H. u. Olbrich E : Lehrkanzeln und Institut für Anatomie. In : Hundert Jahre Medizinische Fakultät, 2, 201. 274 Der erste Dekan der Medizinischen Fakultät erhielt 1873 den Titel eines Regierungsrates, 1876 den Orden der Eisernen Krone III. Klasse (verbunden mit der Verleihung des Adelsstandes) und anlässlich seiner Pensionierung die Ernennung zum Hofrat, s. Kirchmair H. u. Olbrich E : Lehrkanzeln und Institut für Anatomie. In : Hundert Jahre Medizinische Fakultät, 2, 201. 275 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 92–95, hier 93.
112
II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Der erste Professor für Anatomie am Innsbrucker Lyzeum (und bereits vorher an der Medizinischen Fakultät) war Theodor Albaneder 276 (1801–1810 und 1816– 1842). Mit der Berufung von Albaneder (1801) wurde die Lehrkanzel für Anatomie endgültig selbstständig. Vorher war die Anatomie mit der Chirurgie und z. T. mit der Hebammenkunst verbunden.277 Häufig wurde die Anatomie gemeinsam mit der Botanik gelehrt. Karl Patruban278 war nur kurz Professor der Anatomie in Innsbruck (1843–1845). Er war neben seiner Tätigkeit als Anatom v. a. auch auf dem Gebiet der Neurochirurgie tätig und galt als ausgezeichneter Operateur, insbesondere auf dem Gebiet der Resektion von Nerven und der Carotisunterbindung.279 Nach nur zweijähriger Tätigkeit in Innsbruck folgte Patruban allerdings dem Ruf als Professor der Anatomie und Physiologie nach Prag.280 In Prag war Patruban Ordinarius für Physiologie (1845–1848). Auf diesem später so traditionsreichen Lehrstuhl281 wirkten Johannes Evangelista Purkinje282, parallel dazu der uns bekannte Maximilian Ritter von Vintschgau (1867–1870)283 und schließlich Ewald Hering (1870–1895)284. Während der Lehrtätigkeit von E. Hering kam es zur Teilung der Universität (Gesetz vom 28. Februar 276 Albaneder Theodor (1775–1847, Schwaz bzw. Innsbruck). Er studierte in Innsbruck, wurde 1801 Assistent der Chirurgie der hiesigen Universität. Als Professor der Anatomie wirkte er 1816–1842, als Supplent las er kurzzeitig über Chirurgie (1817/1818). 1830 wurde er zum Rektor magnificus gewählt, s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 84–86 (mit weiterführender Literatur). 277 Probst, Jacob : Geschichte, 383f. 278 Patruban Karl : Nach dem Studium der Medizin in Wien promovierte er zum Doktor der Chirurgie und Medizin (1839). Anschließend arbeitete er am dortigen anatomischen Institut unter Joseph Berres (1839–1843). Berufen zum Professor der Anatomie am Lyzeum Innsbruck (1843), wirkte er hier als ordentlicher Professor der Anatomie (1843–1845). 1845 wurde er als ordentlicher Professor der Anatomie und Physiologie nach Prag berufen, 1848 trat er von dieser Position zurück und verzichtete aus politischen Gründen auf die Lehrkanzel. Nach Wien zurückgekehrt, wirkte er vorwiegend als Chirurg, habilitierte jedoch für topografische Anatomie bei Joseph Hyrtl (1867), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 154–162, u. Koerting Walther : Die Deutschen Universität in Prag, 34, FN 9. 279 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 34, FN 9. 280 In Prag wirkte Patruban 1846–1849, s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 661. 281 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 114–121. 282 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 57 u. 115, s.a. Tshisuaka Barbara I., Purkinje Johannes Evangelista Ritter v.: Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1203. 283 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 117f. 284 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 118f., u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 61, s.a. Gerabek Werner E., Hering Karl Ewald Konstantin : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 572.
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1882) in eine Deutsche und eine Tschechische (im Gesetz Böhmische) Universität.285 Auf die enge Verbindung der Prager Physiologie – hier am Beispiel der Deutschen Universität – sei schon hier hingewiesen. Mehrfach fanden sich dabei Karrierewege der Professoren, die auch Innsbruck, Leipzig und Wien einschlossen.286 Patruban resignierte in Prag 1848287. Ab 1849 nach Wien zurückgekehrt hielt Patruban anatomische Kurse und habilitierte sich schließlich für topographische Anatomie bei Joseph Hyrtl (1867). In Wien war er zusätzlich auch als Chirurg tätig. Zusätzlich wirkte er als Redakteur für die Österreichische Zeitschrift für Abb. 24 : Karl Edler von Patruban (1816–1880)289 praktische Heilkunde (1855–1873). Diese wurde vom Doktorenkollegium der Wiener Medizinischen Fakultät herausgegeben. Von seinen zahlreichen Publikationen finden sich neben anatomischen und physiologischen Arbeiten solche aus der Neurochirurgie und anderen Gebieten.288 289
285 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 27–32, hier 27. 286 Genannt seien z. B. Johann Nepomuk Czermak : Prag – Graz – Krakau – Budapest – Prag – Jena – Leipzig, Maximilian R. v. Vintschgau : Wien – Padua – Prag – Innsbruck, Hering Ewald : Leipzig – Wien – Prag – Leipzig, Hofmann Franz : Prag – Leipzig – Innsbruck – Prag – Königsberg – Marburg/Lahn – Bonn – Berlin, Tschermak Armin Edler v. Seysenegg : Wien – Leipzig – Halle – Wien – Prag, u. Schubert Gustav : Prag – Wien, s. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 114. 287 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 34, FN 9. Patruban „resignierte auf diese Lehrkanzel, da ihm als gewesenem Kohorten-Kommandanten der Prager Studenten-Legion eine weitere akademische Lehr-tätigkeit verschlossen schien. Er kam nach Wien, wo er sich der Wissenschaft und praktischen Tätigkeit, vorwiegend als Chirurg, widmete …“ 288 Ein Literaturverzeichnis findet sich bei Westhoff. (Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 156– 161,) s.a. Vogel Heinrich : Personalbibliographien, 90–96. 289 Westhoff Manfred: Medicina Oenipontana, 154. Abb. aus dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
3.4.2 Theoretische Medizin (Physiologie, Allgemeine Pathologie, Allgemeine Arzneimittellehre) In der Zeit 1816–1869 wurden fünf Professoren auf die Lehrkanzeln für Theoretische Medizin berufen. Sie finden sich in der folgenden Tabelle. Theoretische Medizin 290
Theoretische Medizin 291 : 1816–1818 las supplierend Ignaz von Hoermann (Kreisphysikus) über Theoretische und Praktische Medizin. 1818–1837 Franz X. Karl Karpe 1838–1846 Franz Xaver Kurzak 1847–1851 Jacob Kubik 1853–1855 Emanuel Seidl 1856–1869 Anton Alois Tschurtschenthaler, Edler von Helmheim
Am längsten wirkte als Professor der Theoretischen Medizin Franz Xaver Karl Karpe (1818–1837)291. Zusätzlich war er durch sieben Jahre auch Professor der Praktischen Medizin (1818–1825)292. Der zweimalige Rektor (1823/24 und 1833) pflegte
290 Zusätzlich war ein supplierender Vortragender : Anton Alois Tschurtschenthaler (1846–1847 u. 1851– 1853), s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 13. 291 Karpe Franz Xaver Karl (1785–1837, Olmütz bzw. Innsbruck). Nach einem Studium der Medizin in Wien wurde er dort zum Doktor med. promoviert (1809). Anschließend erfolgte seine Ernennung zum ordentlichen Mitglied der Medizinischen Fakultät in Wien. 1815 erhielt er die Professur der Theoretischen Medizin am k. k. Lyzeum zu Olmütz. Als Professor der Theoretischen und Praktischen Medizin wirkte er dann am Lyzeum Innsbruck (ab 1818). 1823/24 wurde er zum Rektor gewählt. Von der Lehrkanzel für Praktische Medizin wurde er 1825 abberufen. Ursache war, dass die Frequenz seiner Abteilung im Stadtspital sehr stark abnahm. Das Amt des Rektors übte er neuerlich 1833 aus, gleichzeitig war er Präses des akademischen Senats. Schließlich wirkte er als Kustos des Tiroler Landesmuseums „Ferdinandeum“ (1835/36), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 110–113. 292 Innsbruck war bei der Trennung der Lehrkanzeln für Theoretische und Praktische Medizin an den Lyzeen durchaus in einer Vorreiterrolle. Sie erfolgte hier bereits 1825, während sie an den anderen Lyzeen i. A. erst durch die Studienreform von 1833 eintrat. Als Grund für die (frühe) Trennung wird auch angegeben, dass Karpe am Krankenbett wenig erfolgreich tätig war, s. Braunsteiner H : Lehrkanzel und Klinik für Innere Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 303–316, hier 303.
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besonders die Botanik.293 Die gerichtliche Arzneikunde (Staatsarzneikunde294) wurde ebenfalls von Karpe vertreten (1818–1826). 295 Nachfolger von Karpe wurde Franz Xaver Kurzak.296 Kurzak war vor seiner Professorentätigkeit in Innsbruck (1840–1846) bereits in Prag Professor der Theoretischen Medizin (ab 1838). Nach achtjähriger Tätigkeit in Innsbruck ging er nach Wien und wirkte dort als Professor für Innere Medizin sowie der Rezeptierkunde und Toxikologie (1850–1867). In der Wiener Gesellschaft der Ärzte war dieser Arzt und Wissenschaftler zeitweise Vorsitzender Abb. 25 : Franz Xaver Karl Karpe (1785–1837). der Sektion Pharmakologie (1858)297. Aus dem Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Nachdem Tschurtschenthaler die LehrFB 4360. 295 kanzel suppliert hatte (1846/47), folgte Jacob Adolph Kubik.298 Dieser war Professor für Theoretische Medizin (1851/52) ; 293 Die Botanik las Karpe 1818–1833 sowie – zeitweise – die gerichtliche Arzneikunde (mit Gesundheitspolizei und Hygiene von 1818 bis 1826), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 111 ; Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 16, u. Schröcksnadel H.: Lehrkanzel und Institut für medizinische Biologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 229–233, hier 229. 294 Die Staatsarzneikunde war in der Habsburgermonarchie das Vorläuferfach für die Gerichtliche Medizin und Hygiene. Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 267–276, hier 267, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 166–168. 295 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 110. 296 Kurzak Franz Xaver (geb. 1801). Er studierte Medizin in Prag und Wien. Nach der Promotion in Wien (1827) war er Assistent am Wiener Allgemeinen Krankenhaus und anschließend Sekundararzt der Geburtshilflichen Klinik im Gebärhaus in Prag sowie danach Kreisarzt in Kaurzim. 1838 wurde er zum Professor der Theoretischen Medizin in Prag ernannt. 1840 übernahm er die Professur der Theoretischen Medizin am Lyzeum in Innsbruck und war gleichzeitig Direktor des Innsbrucker Zivilspitals. Nach Wien (1850) berufen, wurde er dort Professor der Inneren Medizin sowie Professor für den niedrigen Kurs der Wiener Wundärzte (bis 1867). In der Wiener Gesellschaft der Ärzte war er Vorsitzender der Sektion Pharmakologie (1858). Zu nennen sind weiters seine Wahl zum Prodekan des Wiener Professorenkollegiums (1854) und sein Prodekanat des medizinischen Doktorenkollegiums (1856), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 127–131. 297 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 128–131 (einschl. Publikationsliste). 298 Kubik Jacob Adolph (1816–1855, Staletz/Böhmen bzw. wahrscheinlich Innsbruck). Nach einem
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
anschließend supplierte er die Praktische Medizin (1851/52). In den Fünfzigerjahren zeigten sich zunehmend die Probleme des Innsbrucker Lyzeums. Die Meinung nahm weithin zu, dass „… das ‚Studium‘ … als Rest der ‚Alten Zeit‘ in die neue hinein (ragte) und … mehr oder weniger dahin (vegetiere)“.299 Die Studierenden waren „Hörer der niederen Chirurgie“.300 Sie hatten eine kürzere Vorbildung und gehörten zum „Proletariat der Studentenschaft“.301 Emanuel Seidl 302 wirkte als Professor Abb. 26 : Franz Xaver Kurzak war Professor der Theoretischen Medizin in Innsbruck (1840–1846). der Theoretischen Medizin nur durch Aus dem Bildarchiv der Österreichischen zwei Jahre (1853–1855). Zusätzlich Nationalbibliothek lehrte er Augen- und Ohrenheilkunde (1854–1855) und gab praktische Übungen in Rezeptierkunde (1854). Weiters erfolgten durch ihn praktische Demonstrationen aus der Physiologie (1854–1855).303 Studium in Prag und dortiger Promotion zum Doktor der Medizin und Chirurgie sowie als Magister der Geburtshilfe wirkte er als Assistent an der chirurgischen und medizinischen Klinik an der Universität Prag. 1847 zum Professor der Theoretischen und Praktischen Medizin in Innsbruck ernannt, wirkte er gleichzeitig als Primararzt am Innsbrucker Bürgerspital. Zusätzlich war er ordentliches Mitglied der ständigen Medizinal-Kommission Tirol und Vorarlberg. Kubik machte sich um die Erweiterung des Cabinets für Theoretische Medizin verdient (enthaltend Anschaffung mikroskopischer Apparaturen, pharmakologischer Präparate und einen magnetoelektrischen Apparat). Er war zusätzlich Examinator über spezielle medizinische Pathologie und Therapie (1852–1855). Bereits mit 39 Jahren machte ein früher Tod seiner Professorentätigkeit ein Ende, s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 125f. 299 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 65. 300 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 65. 301 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 65. 302 Seidl Emanuel (1815–1872, Machau/Böhmen bzw. Prag). Er studierte in Wien und promovierte dort zum Doktor der Medizin und Chirurgie (1841). Nach Prüfungen zum Magister der Geburtshilfe und der Augenheilkunde war er Assistent bei Anton v. Rosas (Professor für Augenheilkunde, 1821–1855), Seidl habilitierte an der Wiener Ophthalmologie 1852. Gleichzeitig wirkte er als Wiener Armenaugenarzt. Spätere Professuren übte er in Salzburg (1861) und schließlich in Prag aus. Zu den späteren Berufungen siehe oben, s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 173f. 303 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 173f.
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Seidl übernahm die Lehrtätigkeit in theoretischer Medizin in Innsbruck nur notgedrungen, da er in seinem eigentlichen Beruf als Augenarzt wenig Verdienstmöglichkeiten fand304. Dies war der Grund, dass er Innsbruck nach zweijähriger Tätigkeit bereits wieder verließ. Von Innsbruck ging er als Professor für Pharmakognosie nach Pest (1856–1861). 1861 wurde Seidl zum Professor an die medizinisch-chirurgische Lehranstalt nach Salzburg berufen. Es folgte seine Ernennung zum o. Professor für Pharmakognosie in Prag.305 Dort war er auch Rektor und Abgeordneter des böhmischen Landtages306. Seidl publizierte eine Reihe von Arbeiten, v. a. aus dem Gebiet der Augenheilkunde und des Gehörorgans sowie auch Beiträge zur Physiologie und Pathologie dieser Organe.307 Besonders umfangreich war das Aufgabengebiet von Anton Alois von Tschur tschenthaler.308 Er war eine „dynamische, vielseitig interessierte Persönlichkeit“.309 Einerseits war er ordentlicher Professor der Theoretischen Medizin (1856–1869), supplierend auch der Praktischen Medizin (1862–1864) und wurde dann an der neu errichteten Medizinischen Fakultät Ordinarius für Allgemeine Pathologie und Pharmakologie (1869–1886, s. u.).310 Zusätzlich erfüllte er den Lehrauftrag praktische Demonstrationen aus der Pharmakognosie (1857–1859) sowie für Kinderkrankheiten (1859–1869)311. Zur Pädiatrie unterhielt er auch ein Ambulatorium312 304 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 173f. 305 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 174. 306 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 173f. 307 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 175f, z. B. Zur Diagnose und Therapie der Krankheiten des Ohres (Wien 1852) und Zur Physiologie und Pathologie der Tränendrüsen (Wien 1852). 308 Tschurtschenthaler Anton Alois Edler von Helmheim (1815–1900, Sexten/Südtirol bzw. Innsbruck). Aus einer bekannten Südtiroler Familie stammend, studierte er Medizin in Wien und promovierte dort zum Doktor der Medizin und Chirurgie (1841). Zusätzlich wurde er Magister der Geburtshilfe (1843). Im selben Jahr trat er als Praktikant in den tirolischen Sanitätsdienst im Rahmen des Innsbrucker Guberniums ein. Ab 1845 wirkte er als medizinisch-klinischer Assistent am Innsbrucker Bürgerspital mit Lehrtätigkeit am medizinisch-chirurgischen Lyzeum. 1856 wurde er zum Professor der Theoretischen Medizin ernannt. Diese Position war mit der Leitung der pharmakognostischen und pharmakologischen Sammlung verbunden. Nach der Neuerrichtung der Medizinischen Fakultät (1869) wurde er zum ordentlichen Professor der Allgemeinen Pathologie, Pharmakologie und Pharmakognosie ernannt. 1878/79 erhielt er das Amt des Dekans der Medizinischen Fakultät und 1864/65 jenes des Rektors. 1885 wurde er geadelt und emeritierte 1886, s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 180–185. 309 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 287–302, Zitat : 288. 310 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 26, s.a. Berger Heribert : Lehrkanzeln Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 439–450. 311 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 13–17. 312 Das Abhalten von Vorlesungen aus Kinderheilkunde mit Ambulatorium erfolgte seit 1859 und wurde
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Abb. 27 : Anton Alois Tschurtschenthaler Edler von Helmheim (1815–1900). Aus : Archiv der Universität Innsbruck. 319
und übte eine angesehene Praxis als Kinderarzt aus.313 Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit für Theoretische Medizin vertrat Tschurtschenthaler auch die Pharmakologie/ Pharmakognosie sowie die Allgemeine Pathologie.314 Der damaligen Zeit entsprechend sammelte Tschurtschenthaler „Drogen und Pflanzen, erweiterte das Pharmakolisch-Pharmakognostische ‚Cabinet‘ und war zudem noch in den zur Überwachung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung eingesetzten Gremien tätig“.315 Tschurtschenthaler wirkte auch als Examinator über spezielle medizinische
Pathologie und Therapie (1855–1857).316 Tschurtschenthaler genoss ein beachtliches Renommee.317 Dies nicht nur als vielseitiger Professor und – nach der Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät (1869) – Ordinarius für „Allgemeine Pathologie, Pharmakologie und Allgemeine Pharmakognosie“.318 Er wirkte zusätzlich auch als Präsident des Tiroler Landessanitätsrates (1870–1898).319
vom gesamten Lehrkörper „warm“ unterstützt. Das Ambulatorium der leichten Fälle fand in den Räumen der Lehrkanzel für Theoretische Medizin, der schweren Fälle „in den Wohnungen statt“, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23–26, hier 26. 313 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 439–450, hier 439. 314 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 287–302. 315 Tiroler Bote, 1900, 455 ; Zitat aus : Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 182. 316 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 13–17, s.a. Forschungen und Forscher, Bd. 2, 177. 317 Bei der Errichtung der Medizinischen Fakultät gehörte er zum Kern der zukünftigen Ordinarii. 1878/79 war er Dekan der Medizinischen Fakultät, 1884/85 Rektor magnificus, 1885 wurde er in den erblichen Adelsstand erhoben und hieß seither „Edler von Helmheim“, s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 182. 318 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 128f., u. Festschrift, 230f. Fünf Lehrkanzeln wurden mit bereits wirkenden Professoren besetzt. Neben Tschurtschenthaler waren dies bekanntlich Karl Dantscher sowie Otto Rembold, Josef Fischer und Virgil von Mayrhofen. 319 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Abb. 50.
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3.4.3 Praktische Medizin In der Zeit von 1818 bis 1867 wurden fünf Professoren auf die Lehrkanzeln für Praktische Medizin berufen. Sie finden sich in unten stehender Tabelle. Professoren für Praktische Medizin (1818–1867)320
1818–1825 1835–1836 1838–1851 1856–1862 1864–1867
Franz Xaver Karl Karpe Anton Franz Karpff Ignaz Laschan Edler von Solstein Anton Moritz Körner Otto Rembold
Der erste Professor für Praktische Medizin in dieser Periode war Franz Xaver Karl Karpe. Karpe hatte gleichzeitig die Professur der Theoretischen und Praktischen Medizin. Sein Wirken in der Praktischen Medizin dauerte nur von 1818 bis 1825. Zusätzlich las er gerichtliche Arzneikunde (1818–1826) und Botanik321. Dem als Theoretiker geschätzten Karpe (Rektor magnificus 1823/24) wurde 1825 die Praktische Medizin entzogen, da die Patientenzahl am Stadtspital „rapid abnahm“.322 Nach Karpe übte Anton Pascoli, Distriktarzt in Matrei323, diese Funktion supplierend aus. Ihm folgte – ebenfalls supplierend – der langjährige praktische Arzt und Stadtphysikus Franz v. Wocher (1830–1835)324. Auf Wocher folgte Anton Franz Karpff (1835–1836)325 und schließlich – wieder supplierend – der Innsbrucker praktische Arzt Ludwig Schneller (1836–1838)326. Schneller begann als Assistent der Praktischen Medizin (1834–1837)327. 320 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 14. Zusätzlich supplierten diese Lehrkanzel Anton Pascoli (1825– 1830), Franz von Wocher (1830–1835), Ludwig Schneller (1836–1838), Jacob Kubik (1851–1852) und Anton Alois Tschurtschenthaler (1862–1864). 321 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 16 u. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 110f. 322 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzel und Klinik für Innere Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 303–316, Zitat 303. 323 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 152f. 324 Wocher übte seine praktisch-ärztliche Tätigkeit fast 60 Jahre aus. Er freute sich der höchsten Wertschätzung. Huter bezeichnete ihn „als Muster wissenschaftlicher Tätigkeit, Humanität und Kollegialität“. Anlässlich der Eröffnung der Medizinischen Fakultät (1869) wurde Wocher mit dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens ausgezeichnet, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 133. 325 Karpff starb bereits im Jahr nach seiner Ernennung (1836) an Phthisis (wahrscheinlich Tuberkulose). Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 14, s.a. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 105–117. 326 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 14. 327 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 14.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Eine besonders lange Wirkungsdauer hatte Ignaz Laschan328, Edler von Solstein. Seine Lehrtätigkeit dauerte dreizehn Jahre (1838–1851). Zusätzlich war er kurzzeitig Supplent der theoretischen und praktischen Geburtshilfe (1845–1847). 1838–1851 wirkte Laschan als Innsbrucker Professor der Praktischen Medizin und der Medizinischen Klinik. Zusätzlich war er medizinischer Studiendirektor (1851–1869) und erhielt eine Reihe von Ehrungen (v. a. Wahl zum Rector magnificus 1854).329 Anton Moriz Körner 330 wirkte als Professor für Praktische Medizin, verließ jedoch 1862 Innsbruck, da er in Graz im Rahmen der neu errichteten Medizinischen Fakultät die erste Professur für spezielle Pathologie und Medizinische Klinik erhielt (1863–1876). Körner gehörte wie Anton Drasche (1826–1904)331, Eugen Kolisko (1811–1884)332 und dem genialen Leopold Schrötter R. v. Kristelli (1837–1908)333 zum Schülerkreis des großen Wiener Internisten Skoda. Für Innsbruck war diese Schule auch deswegen so bedeutend, da ihr neben A.M. Körner auch dessen beide Innsbrucker Nachfolger, Otto Rembold (1834–1904) und Prokop Frhr. v. Rokitansky (1843–1928), angehörten. Körner war der erste Innsbrucker Professor, der publizistisch hervorragende Leistungen erbracht hatte.334 Seine Tätigkeit stand ganz im Zeichen der Wiener Medi328 Laschan Ignaz Georg Edler von Solstein (1802–1888, Wien bzw. Innsbruck). Er studierte Medizin und Chirurgie in Wien (Promotion 1828). Zusätzlich erhielt er auch das Magistrat der Geburtshilfe. Nach der Promotion war er Sekundarwundarzt im Wiener Allgemeinen Krankenhaus und dann Distriktarzt in der Steiermark. Nach Innsbruck berufen (1832), wirkte er auch als Institutsarzt an der Hebammen-Unterrichtsanstalt „Alle Laste“ in Trient (1832–1836). Anschließend war er Professor der Geburtshilfe an der medizinisch-chirurgischen Studienanstalt in Laibach (1836–1838). 1838–1851 wirkte Laschan als Professor der Praktischen Medizin und der Medizinischen Klinik am Lyzeum in Innsbruck. 1851–1869 wurde er zum Studiendirektor ernannt. Er machte sich um das Tiroler Studienwesen besonders verdient und war auch Rector magnificus (1854). Seinem Ansehen entsprechend folgte die Ernennung zum k. k. Regierungsrat, zum Landmedizinalrat für Tirol und Vorarlberg, zum Präses der ständigen Medicinalcommission in Innsbruck und die Erhebung in den Adelsstand (1877), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 136–139. 329 Weitere Ehrungen waren die Ernennung zum k. k. Regierungsrat, zum Landmedizinalrat für Tirol und Vorarlberg, zum Präses des akademischen Senats am Lyzeum in Innsbruck und die Erhebung in den Adelsstand (1877), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 136–139. 330 Körner Moriz Anton (1820–1876, Kratzau/Böhmen bzw. Graz). Körner war ein Schüler des bedeutenden Wiener Internisten Joseph Skoda. Er wirkte auch als Leibarzt des Erzherzog-Statthalters Karl Ludwig und ließ sich 1863 nach Graz an die gerade errichtete Medizinische Fakultät versetzen, s. Braunsteiner Herbert. Lehrkanzel und Klinik für Innere Medizin, 303. 331 Tragl Karl Heinz : Chronik, 244. 332 Tragl Karl Heinz : Chronik, 184f. 333 Tragl Karl Heinz : Chronik, 68. 334 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 119f.
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zinischen Schule mit ihrem Aufschwung seit der Tätigkeit von Carl v. Rokitansky, Joseph Skoda und Ferdinand Hebra335 u. a. Noch im medizinischen Lyzeum und in der Frühphase der wiedergegründeten Medizinischen Fakultät Innsbruck wirkte dann Otto Rembold (1864–1876)336. Auch Rembold war, wie erwähnt, ein Schüler von Skoda. Wie Körner verließ er Innsbruck in Richtung Graz (1876–1894)337. Rembold vertrat in der Lehre auch die Syphilidologie. Dabei fand er jedoch in Eduard Lang, damals Assistent des Chirurgen v. Heine, einen KonkurAbb. 28 : Otto Rembold (1834–1904). 339 renten, der sich für diese Fachrichtung schließlich durchsetzte338 (s. u.).339 Rembold war ein hervorragender Diagnostiker und ein blendender Vortragender.340 Als Professor sehr engagiert, profilierte er sich als Forscher auch auf dem
335 Holubar Karl : Hebra Ferdinand von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 542. 336 Rembold Otto (1834–1904, Ofen/Budapest bzw. Innsbruck) studierte und promovierte zum Doktor der Medizin in Wien (1858). Es folgte eine Promotion zum Doktor der Chirurgie und nachfolgende Prüfungen zum Magister der Geburtshilfe und der Augenheilkunde (1859). Sofort konnte er eine Assistentenstelle an der Medizinischen Klinik bei Joseph Skoda antreten (1859–1863). Als Nachfolger von Körner nach Innsbruck berufen, wurde er hier Professor der speciellen medicinischen Pathologie und Therapie sowie der medizinischen Klinik (ab 1864). Nach Eröffnung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät wurde er zum Ordinarius für „specielle Pathologie und medicinische Klinik“ berufen. Rembold wirkte anschließend wieder als Nachfolger von Körner als Professor derselben Fachbezeichnung an der Universität Graz (1876–1894). Nach seiner Emeritierung übersiedelte er wieder auf seinen Sommersitz in Lichtenberg im Vintschgau, s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 164–168 u. Festschrift, 32f. 337 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 624. 338 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 367f. 339 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Abb. 58. 340 „Die Verläßlichkit seiner Diagnosen bezeugt ein Ausspruch Eppingers, daß sich bei Rembolds Patienten eine Obduktion erübrige. Kollegen und Studenten bewunderten seine hervorragende Allgemeinbildung, die der im übrigen einsame Mann in seinen blendenden Vorträgen erraten ließ.“ Breitner Burghard : Geschichte der Medizin in Österreich, 98.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Gebiet der Kardiologie, der Gastroenterologie 341, medizinischen Chemie 342 und der Hämatologie (insbesonders zur Blutungsanämie infolge eines Parasitenbefalls des Darms343 (durch Ancylostoma duodenale). Rembold war zusammen mit dem Chemiker Ludwig von Barth zu Barthenau344 Gastgeber der 43. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Innsbruck (1869). Er machte sich auch um den Spitalsneubau nach der Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät verdient.345 3.4.4 Theoretische und Praktische Chirurgie In der Zeit von 1816 bis 1869 wurden drei Professoren auf die Lehrkanzeln für Theoretische und Praktische Chirurgie berufen. Sie finden sich in der folgenden Tabelle. Theoretische und Praktische Chirurgie
1818–1824 Joseph Wattmann, Freiherr v. Malcamps-Beaulieu 1825–1859 Franz Joseph Mauermann 1859–1869 Josef Fischer
Die Chirurgie in der Zeit des Medizinisch-chirurgischen Studiums stand im Zeichen von Joseph Wattmann (1818–1824) und Franz Joseph Mauermann (1825–1859). Beide waren durch die vormärzliche Wiener Schule für Chirurgie geprägt, die sich unter Vincenz von Kern entwickelt hatte.346 341 Bereits bei Skoda hatte er Abhandlungen über ungleichmäßige Kontraktionen des Herzmuskels und über Magenerkrankungen veröffentlicht, s. Braunsteiner Herbert : Lehrkanzel und Klinik für Innere Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 303. 342 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 166f. (mit Angaben über die veröffentlichten Arbeiten). 343 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzel und Klinik für Innere Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 303. Diese Untersuchungen wurden v. a. an italienischen Bauarbeitern (Errichtung der Brennerbahn) durchgeführt. Untersucht wurde ein Darmbefall durch Ancylostoma duodenale. 344 Oberkofler Gerhard und Goller Peter : Geschichte, 239, u. Braunsteiner Herbert : Lehrkanzel und Klinik für Innere Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 303. 345 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 123f. Rembold selbst konnte allerdings die Eröffnung des neuen Klinikums in Innsbruck nicht erleben. Diese erfolgte im Oktober 1888. 346 Vincenz v. Kern (1760–1829) leitete die Wiener chirurgische Klinik 1805–1823. Er war Nachfolger des aus Tirol stammenden Raphael Steidele (1737–1823), der diese Funktion 1784–1805 ausübte, jedoch in erster Linie Geburtshelfer war, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 62–66.
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Joseph Wattmann347 vereinigte „den nüchternen Beobachtungsgeist der Wiener Medizin“348 mit naturphilosophischem Denken im Geiste der damals verbreiteten romantischen Medizin349. Im Vordergrund seines chirurgischen Wirkens stand jedoch eine exakte und Neuerungen gegenüber aufgeschlossene „Beherrschung aller chirurgischen Technizismen“350. Als Operateur scheute er keineswegs ein kühnes Vorgehen351. Man kann Wattmann durchaus als Pionier auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie352, der Orthopädie353 und Urologie354 bezeichnen. Joseph Wattmann hat darüber hinaus „von Anbeginn seiner Innsbrucker Tätigkeit über Patho-
347 Wattmann Joseph Freiherr von Beaulieu (1789–1866, Oberlangbath bei Eibensee/Salzkammergut bzw. Wien), besuchte nach der Lateinschule in Linz an der Wiener Universität das Wiener k. k. chirurgische Operationsinstitut unter Vincenz von Kern. Er legte die Magisterprüfung in Chirurgie in Wien ab (1810), im selben Jahr auch jene in Geburtshilfe. Nach einer praktischen ärztlichen Tätigkeit in Wels und Eröffnung einer privaten Augenklinik wirkte er in Wien als Assistent von Kern (ab 1815). Bald wurde er an das Laibacher Medizinisch-chirurgische Lyzeum als Professor der Theoretischen und Praktischen Chirurgie berufen (1816). Bereits 1818 erfolgte sein Ruf nach Innsbruck als Professor mit denselben Aufgabengebieten. Gleichzeitig wirkte Wattmann als Primararzt der chirurgischen Abteilung am Innsbrucker Heilig-Geist-Spital. 1824 erfolgte die Berufung nach Wien als Professor der Praktischen Chirurgie und Direktor des Operationsinstituts in der Nachfolge von Kern. Promotion zum Doktor der Chirurgie 1829 und Aufnahme in die Wiener Medizinische Fakultät. 1834 Ernennung zum Leibchirurgen des Kaisers Franz II. (I.). 1838 Verleihung des Titels eines k. k. Regierungsrates von Niederösterreich, 1844 Senior des Professorenkollegiums der Wiener Universität, 1847 provisorischer Vizedirektor des Wiener Medizinischen Studiums, 1848 Versetzung in den Ruhestand. Wattmann habe der Chirurgie nicht den Weg zur pathologischen Anatomie gewiesen. 1849 Präsident des Mährischen Landtags, 1850 Berufung in die Medizinalkommission des österreichischen Innenministeriums, 1853 Erhebung in den Freiherrenstand und Verleihung des Titels eines k. k. Hofrates. 1866 Tod durch Cholera, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 68–70, Tragl Karl Heinz : Chronik, 51, u. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 187–195. 348 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 69. 349 Engelhardt Dietrich v. u. Hartmann Fritz (Hg.) : Klassiker der Medizin, Bd. 2., München 1991, 95– 118, hier 95–99. 350 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 69. 351 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 69. 352 Während der Innsbrucker Zeit wagte Wattmann „die Ausrottung eines Nomas und deckte den Substanzverlust plastisch mit einem Lappen aus der Stirnhaut“. Dazu die Publikation Versuche zur Heilung des sonst unheilbar erklärten Noli me tangere ; Innsbruck 1823, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 69. 353 Wattmann machte sich u.a. bei der Entwicklung der Arthroplastik verdient. Eine Publikation aus seiner Innsbrucker Zeit war „Über die Verrenkung am Hüftgelenk“, Wien 1826, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 70. 354 Eine seiner Publikationen bereits aus der Wiener Zeit war „über die Steinzerbohrung und ihr Verhältniß zum Blasenschnitt“, 1835, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 69.
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
logie der Augenkrankheiten“355 gelesen. Wattmann war der Lieblingsschüler des oben erwähnten Kern.356357 Als Nachfolger von Vincenz von Kern wirkte Wattmann nach seiner Innsbrucker Zeit 1824–1848 als Vorstand der I. Chirurgischen Klinik in Wien.358 Er pflegte in Wien die damals in Frankreich geübte Methode der Steinzertrümmerung/Lithotripsie.359 Aufsehenerregend war auch Wattmanns Beitrag zur Prophylaxe und Therapie der Luftembolie (1832). Diese Arbeit – die er im deutschen SprachAbb. 29 : Joseph von Wattmann (1789–1866). 357 raum zu wenig beachtet fand360 – wurde vom führenden Organ der französischen Medizin 1845 neuerlich publiziert361. Bedeutungsvoll war schließlich Wattmanns Wirken als Pionier orthopädischen Denkens und darauf aufbauender chirurgischer Handlungen. Die Orthopädie als chirurgische Disziplin mit der Zusammenschau von Anatomie, mathematisch fundierter Mechanik und einer funktionellen Betrachtungsweise dokumentieren Wattmanns Publikationen schon aus der Innsbrucker Zeit.362 Kern und Wattmann begründeten mit ihren Schülern eine österreichische Chirurgieschule, die – von der I. Wiener Chirurgischen Klinik ausgehend – auch die Inns355 Als Vorlesungsunterlage diente ihm das Lehrbuch von Georg Joseph Beer, „Lehre von den Augenkrankheiten“ (2. Bd., Wien 1813/1817), s. Heinz Karl, Lehrkanzel und Klinik für Augenheilkunde, 383–394, hier 383, Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 210f., u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 80–86, hier 82f. 356 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 64. 357 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 188–190, Abb. 187 (aus der Porträtsammlung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum). 358 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung medizinischer Spezialfächer, 570. 359 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 69. 360 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 70. 361 Es war die Monografie v. Wattmanns „Sicheres Heilverfahren bei dem schnell gefährlichen Lufteintritt in die Venen und dessen gerichtsärztliche Wichtigkeit“. Die Veröffentlichung in Frankreich erfolgte im Archives génerales de médecine 1845/1. 362 In Innsbruck erschien die Publikation „Über die Beschreibung des Skeletts mit elastischen Gelenksverbindungen zur Darstellung der Verrenkungen“ (Innsbruck 1823).
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brucker Chirurgie bis zur Zeit von Nicoladoni (1881–1895) prägte. In Wien gehörten zu den Schülern von Wattmann u. a. Franz Schuh (1804–1865)363, der Begründer der Wiener II. Chirurgischen Klinik, sowie Johann v. Dumreicher (1815–1880)364, Wattmanns Nachfolger an der I. Wiener Chirurgischen Klinik. Zu Wattmann bemerkt der spätere Innsbrucker Ordinarius B. Breitner365 : „v. Wattmann übernahm als Schüler des berühmten Vinzenz v. Kern, des Begründers der offenen Wundbehandlung und des Operateur-Institutes, das Erbe seines Meisters in treuer Gefolgschaft zu ideenreicher Weiterführung. Beide kamen aus der österreichischen Provinz. Beide – namentlich v. Kern – hatten sich Handwerk und theoretisches Rüstzeug von der primitivsten Basis an erworben. Beide zeigten sich originalschöpferisch. Beide vertraten eine untadelige Auffassung des ärztlichen Ethos. … v. Wattmann wuchs durch seine Arbeit über die Behandlung der Luftembolie rasch in seine europäische Bedeutung …“366
B. Breitner und E. Lesky weisen auf eine Schul-Genealogie der österreichischen Chirurgie hin, an deren Anfang Wattmann steht367. Er legte den Grundstock einer Wiener Chirurgieschule. Carl Nicoladonis368 Karrierepfad führte von Wien über Innsbruck nach Graz. Der Weg von Eduard Albert 369 dagegen – ähnlich wie jener Wattmanns 363 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 201. 364 Johann Dumreicher Freiherr von Österreicher leitete 1849–1880 die I. Chirurgische Universitätsklinik. Sein Nachfolger war der aus Innsbruck berufene Eduard Albert, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 201–206, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 69. 365 Burghard Breitner (1884–1956) leitete die Innsbrucker Chirurgische Klinik 1932–1955, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 256. 366 Breitner Burghard : Zur Genealogie der österreichischen Chirurgen. In : Forschungen und Forscher, Bd. 2, 389–394, Zitat : 392. 367 Breitner Burghard : Zur Genealogie der österreichischen Chirurgen, 389–394, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 201. 368 Nicoladoni Carl (1847–1902) : Der aus Wien stammende Nicoladoni promovierte in seiner Heimatstadt 1871. Er war dann Operationszögling auf der I. Wiener Chirurgischen Klinik unter Johann v. Dumreicher. 1873 wurde er dort Assistent und habilitierte 1876. Dieser – laut Eiselsberg – bedeutendste Schüler von Dumreicher pflegte in seiner Ausbildungszeit besonders auch die Kontakte zur Chirurgie II. Nicoladoni supplierte die Klinik 1880/81. Ordinarius in Innsbruck war er 1881–1895, und anschließend in Graz (1895–1902), s. Huber Paul. Lehrkanzel und Klinik für die chirurgischen Fächer, 321. 369 Albert Eduard (1873–1881) : Der Sohn eines Uhrmachers stammte aus Senftenberg bei Königgrätz (Hradec Kràlovc in Ostböhmen). Mit 25 Jahren promovierte er (1866). Albert erhielt seine chirurgische Ausbildung bei Johann Frh. v. Dumreicher (1815–1880). Er habilitierte dort (1872) und erhielt bereits im folgenden Jahr den Ruf nach Innsbruck, wo er bis 1881 blieb. Dann erhielt er den Ruf nach Wien und leitete – in der Nachfolge seines Lehrers Johann v. Dumreicher die Wiener I.
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– ging von Wien über Innsbruck wieder nach Wien. Leopold von Dittel (1815– 1898)370 stand am Anfang einer selbstständigen Wiener Urologenschule, wie sie damals in vergleichbarer Form wohl nur in England und in Frankreich zur Verfügung stand.371 Albert Mosetig v. Moorhof (1838–1907)372 wurde Leiter der – später aufgelassenen – 2. Chirurgischen Abteilung am Wiener Allgemeinen Krankenhaus. Er war zu seiner Zeit ein führender Wiener Kriegschirurg, Mitbegründer der Wiener Rettungsgesellschaft und früher chirurgischer Onkologe.373 Wattmann musste im Revolutionsjahr 1848 seinen Platz als Vorstand der I. Chirurgischen Klinik räumen. Zwei junge Chirurgen, seine Schüler F. Schuh und J. v. Dumreicher, wurden an seiner Stelle parallel zu Ordinarii der jetzt zwei Wiener Chirurgischen Kliniken bestellt. Diese arbeiteten eng v. a. mit der pathologischen Anatomie (Carl v. Rokitansky374) und der Inneren Medizin (J. Skoda375) zusammen.376 Die Pensionierung von Wattmann erfolgte aus Veranlassung von Ernst v. Feuchtersleben (1806–1849)377, kurzzeitig Unterstaatssekretär mit Zuständigkeit für das Unterrichtswesen. Wattmann habe „der Chirurgie nicht den Weg zur pathologischen Anatomie“378 gewiesen und er wäre ein Techniker geblieben. Der junge Kaiser Franz Joseph I. hat diese Pensionierung nicht widerrufen, Wattmann jedoch mit der Verleihung des Ritterkreuzes des österreichischen Leopold ordens, Erhebung in den Freiherrenstand, einem Hofratstitel und Berufung in die Medizinalkommission des österreichischen Innenministeriums wiederholt geehrt.379 Chirurgische Klinik (1881–1900). Dort folgte ihm Frhr. v. Eiselsberg (1901–1931), s. Lesky Erna : Die Wiener Medizinische Schule, 449–454 u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 69f. 370 Tragl Karl Heinz : Chronik, 82. 371 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 459. Lesky bezieht sich dabei auf eine Aussage des bedeutenden deutschen Chirurgen Ernst v. Bergmann. 372 Tragl Karl Heinz : Chronik, 254f. 373 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 456, s.a. Freund E.: Über die Aufgaben der medizinischen Chemie in der Geschwulstforschung. WiKliWo 25, Wien 1912, 1035–1041. Mosetig befasste sich u.a. mit Anilin als postuliertes Chemotherapeutikum. 374 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 129–141. 375 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 142–152. 376 V. a. trug Franz Schuh wesentlich zum Aufstieg der Wiener II. Medizinischen Schule unter den Pionieren Rokitansky und Skoda bei. Schuh hatte übrigens bereits 1857 in Wien erstmals eine Äthernarkose ausgeführt, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 195–200, s.a. Holuba Karl u. Wyklicky Helmut : Wiener Schule(n). In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1487–1494, hier 1492. 377 Laczik Mario : Feuchtersleben Freiherr Ernst von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 395. 378 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 70. 379 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 189f.
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Nach der Berufung von Wattmann nach Wien (1824) vertrat Johann Ammerer, Professor für Geburtshilfe (1823– 1833), den chirurgischen Unterricht (1824/25).380 Durch beinahe 35 Jahre wurde dann die Theoretische und Praktische Chi rurgie durch den aus Böhmen stammenden Franz Joseph Mauermann381 vertreten, der ebenfalls ein Schüler von Kern war (1825–1859)382. Mauermann bot seinen Studenten einen besonders praxisorientierten Unterricht am Krankenbett.383 Er hielt auch Vorlesungen zur gerichtlichen Arzneikunde („mit Abb. 30 : Franz Joseph Mauermann wirkte als Gesundheitspolizei, Hygiene“384). Mauordentlicher Professor der Theoretischen und ermann vertrat ebenso – in Form eines Praktischen Chirurgie in Innsbruck (1826–1859). Lehrauftrages – die Augenheilkunde. Er Zusätzlich lehrte er Augenheilkunde (1826–1859) und gerichtliche Arzneikunde (1833–1859). hielt auch Vorlesungen aus diesem Fach 385 in jedem Sommersemester. In seinem Operationsprogramm nahm die Operation am Auge einen wichtigen Platz ein.386 380 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 14f. J. Ammerer resignierte als Professor der Geburtshilfe nach 10jähriger Tätigkeit (1833). 381 Mauermann Franz Joseph (1788–1859, Friedland/Böhmen bzw. Innsbruck) besuchte das akademische Gymnasium in Wien und war anschließend am Wiener Operateurinstitut Schüler von Vincenz v. Kern. 1817 erhielt er das Diplom eines öffentlich geprüften Operateurs, Magisters der Chirurgie und der Geburtshilfe. Anschließend supplierte er an der Universität Wien die Lehrkanzel der Theoretischen Chirurgie und wirkte auch als Professor der Augenheilkunde und Gerichtlichen Medizin. 1826 trat er am Innsbrucker Lyzeum als Professor der Chirurgie die Nachfolgerschaft von Wattmann an. 1839 Verleihung der Ehrendoktorwürde der Chirurgie an der Universität Wien. 1842 u. 1848 Rektor magnificus und Präses des akademischen Senats der Universität Innsbruck. 1849/50 Dekan des „Studiums“ bis zur Annullierung durch das Wiener Unterrichtsministerium. 1850–1852 (provisorischer) Studiendirektor des Innsbrucker Lyzeums. 1855 Ernennung zum ordentlichen Mitglied der Medizinalkommission für Tirol und Vorarlberg, s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 140–143. 382 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 142. 383 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 20. 384 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 16. 385 Seit 1866 erhielt Mauermann dafür eine Remuneration von 300 fl., s. Heinz Karl : Lehrkanzel und Kliniken, 383–394, hier 383. 386 Teil III, Kap. 3.5.
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Mauermann erfreute sich in Tirol großer Beliebtheit. Dies galt nicht zuletzt auch in Bezug auf die studierenden Jugend, für die er testamentarisch ein Studentenstipendium stiftete.387 Josef Fischer 388, der an der Wiener Josephsakademie wirkte389, wurde 1859 als Nachfolger von Franz Joseph Mauermann als Professor der Theoretischen und Praktischen Chirurgie und der Augenheilkunde nach Innsbruck berufen. In diesen Funktionen wirkte er bis 1869. Zusätzlich hielt er außerordentliche Vorlesungen über die Zahnheilkunde (1860–1863)390. Vorgeschlagen für das Ordinariat für Chirurgie bei der Errichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät, konnte ihm wegen seines plötzlichen Todes das Ernennungsdekret nicht mehr ausgefolgt werden. An Fischers Stelle wurde jetzt Karl Ritter von Heine (1838–1877) aus Heidelberg berufen391; v. Heine leitete als Ordinarius die Innsbrucker Chirurgie (1869–1873) unter sehr schwierigen äußeren Bedingungen392. Dieser bedeutende Professor der Chirurgie verfasste u. a. ein Standardwerk zum Hospitalbrand. Er wurde dann nach Prag berufen.393 Dort leitete er „einen Wendepunkt in der Entwicklung der Chirurgie“394 ein. An der Prager Deutschen Universität wirkte er bis zu seinem frühen Tod. 3.4.5 Theoretische und praktische Geburtshilfe In der Zeit von 1816 bis 1869 wurden v. a. drei Professoren auf die Lehrkanzeln für Theoretische und Praktische Geburtshilfe berufen. Im Übrigen handelte es sich um supplierende Leitungen. Die Ernennungen finden sich in der folgenden Tabelle.395 387 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 142. 388 Fischer Josef (1824–1869, Poliz/Böhmen bzw. Innsbruck), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 96–98. 389 Die Wiener Josephsakademie war zu dieser Zeit eine hervorragende Ausbildungsstätte v. a. für Chirurgie. Bedeutend war insbesondere Franz v. Pitha (1810–1875), der die Chirurgie dort 1857– 1874 leitete und mit Billroth eng zusammen arbeitete, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 203–205. 390 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 17. 391 Huber Paul : Lehrkanzeln und Klinik für die Chirurgischen Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 317. 392 Teil III, Kap. 3.2. 393 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 566 u. 569. 394 Koerting Walther : Die Deutsche Universität, 195. 395 Supplierende Vorlesungen in Geburtshilfe wurden durch Joseph Wattmann (1822–1823), Franz von Wocher (1833–1835), Fabian Ulrich (1835–1845) und Ignaz Laschan (1850–1851) gehalten, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 15.
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Der Unterricht in Theoretischer und Praktischer Geburtshilfe
1818–1822 1823–1833 1835–1845 1845–1847 1847–1850 1851–1877
Joseph Hinterberger Johann Amerer Fabian Ulrich Ignaz Laschan (siehe Praktische Medizin). Wilhelm Lange Virgil Mayrhofen Ritter zu Koburg und Anger
Zunächst ist Joseph Hinterberger396 zu nennen. Er wirkte nach einer breiten chirurgischen, augenheilkundlichen und geburtshilflichen Ausbildung in Wien in Innsbruck als Professor der Geburtshilfe, allerdings nur für vier Jahre (1818–1822). Dabei konnte er die Errichtung einer Gebäranstalt für „Ambulierende“397 durchsetzen. Er wurde anschließend als Professor für Geburtshilfe und Chirurgie nach Linz berufen und erhielt später von der Wiener Medizinischen Fakultät ein Abb. 31 : Joseph Hinterberger (1795–1844), Ehrendiplom als Doktor der Chirurgie Professor der Theoretischen und Praktischen (1838). Er hatte zahlreiche PublikatioGeburtshilfe in Innsbruck (1818–1822), dann nen zu geburtshilflichen, chirurgischen, in Linz. Aus : Westhoff Manfred : Medicina augenärztlichen und pathologisch-anaO enipontana, 101. Abb. aus dem Bildarchiv der tomischen Fragestellungen veröffentÖsterreichischen Nationalbibliothek. licht.398 Sie betrafen v. a. Erkrankungen des Rückgrats, entzündliche Zustände des Rückenmarks, Krankheiten der Augenlinse, Extrauterinschwangerschaften u. a. Bedeutsam für Innsbruck war dann das Wirken von Wilhelm Lange.399 Lange kam von einer der damals angesehensten Lehrkanzeln für Geburtshilfe und Frau396 Hinterberger Joseph (1795–1844, Kleinmünchen/Linz bzw. Linz), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 102–106. 397 Tapfer Siegfried : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 353. 398 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 103–105. 399 Lange Wilhelm (1813–1881, Wilhelmshöhe/Böhmen bzw. Heidelberg). Lange promovierte an der
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Abb. 32 : Wilhelm Lange (1813–1881) wirkte als ordentlicher Professor der Theoretischen und Praktischen Geburtshilfe in Innsbruck 1847–1850. Aus : Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. 403
enkrankheiten, der Prager Klinik.400 Seine Tätigkeit in Innsbruck währte nur drei Jahre (1847–1850), anschließend wurde er als Professor der Geburtshilfe nach Prag (zurück) berufen (1850). Er wechselte jedoch bereits im folgenden Jahr nach Heidelberg. Dort enfaltete er eine 29-jährige Tätigkeit (1851–1880).401 Er war Verfasser eines in mehreren Auflagen erschienenen „Lehrbuch der Geburtshilfe für Hebammen“ (Heidelberg 1865, zuletzt Leipzig 51880), „Lehrbuch der Geburtshilfe mit Berücksichtigung der gerichtsärztlichen Seite des Fachs bearbeitet“ (Erlangen 1868) und weiterer geburtshilflicher Lehrbücher.402 403 Der in Innsbruck besonders angesehene Vertreter dieses Faches war Virgil Mayrhofen.404 Dieser wurde 1851 zum
Universität Prag (1839). Er habilitierte dort für Frauenheilkunde (1845). 1847 erfolgte sein Ruf als ao. Professor für Geburtshilfe nach Innsbruck, 1850 wechselte er wieder nach Prag als Professor der Hebammenkunde. Im Weiteren erhielt er einen Ruf als Ordinarius nach Heidelberg, wo er die Nachfolge von Franz Karl Naegele antrat. Dort wirkte er 1851–1880, s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 132–135, u. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 205 u. 209f. 400 „Die Lehrkanzel für Geburtshilfe und Frauenheilkunde in Prag bildete um die Mitte des 19. Jahrhunderts, ja noch bis in die 70er Jahre, eine der hervorragendsten Lehrstätten Europas. Ärzte aller Nationen sammelten sich hier in großer Zahl …“, Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 206–226, Zitat : 206. 401 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 575. 402 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 132–135, hier 134. 403 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 132 u. 676 (Abb.). 404 Mayrhofen Virgil Ritter zu Koburg und Anger (1815–1877, Bruneck/Südtirol bzw. Innsbruck) besuchte das Gymnasium in Innsbruck und studierte zunächst kurzzeitig katholische Theologie in Brixen, dann Medizin in Wien. Er promovierte zum Doktor der Medizin und Chirurgie und erhielt das Magisterium der Geburtshilfe in Wien (1843). Anschließend Ausbildung an der 2. Medizinischen Abteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses und der II. Geburtshilflichen Klinik. 1848/49 Oberarzt und Chefarzt im österreichischen Heer. 1851 Ernennung zum Professor der Geburtshilfe am Innsbrucker Lyzeum. Ab Wintersemester 1852/53 unterrichtete Mayrhofen gerichtliche Medizin an der Innsbrucker Juridischen Fakultät. 1869 Ernennung zum ordentlichen Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie an der neuerrichteten dritten Innsbrucker Medizinischen Fakultät. Nach einem Prodekanat (1869/70) Wahl zum Dekan der Medizinischen Fakultät (1870/71), s. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 146–149.
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Professor für Theoretische und Praktische Geburtshilfe ernannt und wirkte in dieser Funktion auch nach der Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät bis 1877.405 Die Innsbrucker Geburtshilfe hatte unter großen räumlichen Schwierigkeiten zu leiden. Die seit 1830 hier bestehende Gebärabteilung umfasste lediglich zwei Zimmer mit zehn Betten.406 Die größte Gebärabteilung des Kronlandes befand sich in Trient (Abteilung „Alle Laste“, die 1832 errichtet worden war)407. Jene Abteilung wurde nur von relativ wenigen Frauen in Anspruch genommen, da sie wegen ihrer weit entAbb. 33 : Virgil von Mayrhofen Ritter zu Koburg fernten Lage für viele Frauen kaum erund Anger (1815–1827), ordentlicher Professor für reichbar war.408 Theoretische und Praktische Geburtshilfe (1851– 1877). Er las auch über Augenheilkunde (1859). So hatte man sich bisher abgefunAus : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Abb. 82. den, eine – ab 1818/19 öffentlich dotierte – „Ambulierende Gebäranstalt“409 auch für den Unterricht zu verwenden. Der Unterricht mit den Gebärenden wurde dabei in deren Wohnungen erteilt. Lediglich die Untersuchungen fanden in einem Raum im Universitätsgebäude statt.410 Es gab auch Hebammen, die Gebärende in ihren eigenen Räumlichkeiten aufnahmen. 405 Festschrift, 230f. 406 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23. Mit zwei Hebammen sollte diese Gebärabteilung „armen und ledigen Müttern als Zuflucht dienen“. Es konnten jedoch auch zahlende Mütter aufgenommen werden, doch erfreute sich diese Abteilung keines besonderen Zuspruchs, dies nicht zuletzt wegen der Todesfälle durch Kindbettfieber. 407 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 353f. 408 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 24. „Der Weg nach Alle Laste war zu weit, und so wurde, wie Professor v. Mayrhofen 1852 beklagte, manche unglückliche Schwangere, weil ihr ein Zufluchtsort fehlte, zur Kindsmörderin …“ 409 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23. 410 Die Hebammen erhielten, falls die Geburt im Rahmen des Unterrichtes stattfand, ebenso wie die Schwangere dafür eine Vergütung, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23.
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Für die Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät war eine Neuerrichtung einer leistugnsfähigen geburtshilflichen Station oder die Verlegung der Gebäranstalt Alle Laste nach Innsbruck Voraussetzung gewesen.411 Dazu hatte sich das Land Tirol bereits verpflichtet, als die Gebäranstalt 1864 vom Staat übernommen worden war. Das Land musste auch für den Unterricht der italienisch sprechenden Hebammenschülerinnen in der Muttersprache – in Innsbruck – Sorge tragen.412 Insgesamt erwarb sich Mayrhofen um die Errichtung der Innsbrucker Gebärklinik413 (1870) große Verdienste. Darüber hinaus zählte er „zu den beliebtesten Mitgliedern des Professoren-Collegiums“414. Er verfasste auch ein „Lehrbuch der Geburtshülfe für Hebammen“ (Innsbruck 1854)415.
411 „Die Frage des geburtshilflichen Unterrichtsmaterials war jedenfalls eine der schwerwiegendsten schon für das Gedeihen des ‚Studium‘ und erst recht für eine wieder zu errichtende Medizinische Fakultät “, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 24. 412 Tapfer Siegfried : Lehrkanzeln, In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 353. 413 Durch die Anmietung eines zusätzlichen Stocks im Innsbrucker Spitalgebäude konnte dann 1870 die Innsbrucker Gebäranstalt unter der Leitung von Mayrhofen eröfffnet werden, s. Tapfer Siegfried : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 353, s.a. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 111f. 414 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 148. Es handelt sich um ein Zitat aus Tir. Bote, Jg. 1877, 1088. 415 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 149.
4.
Zu den Gesundheitsberufen im Tirol des 19. Jahrhunderts 4.1 Die promovierten Ärzte Zunächst einige Daten aus dem Sanitätsbericht des k. k. Landessanitätsrates (1883/1884)416. In Tirol417 gab es in diesen beiden Jahren insgesamt 338 bzw. 330 Doktoren der Medizin. Entsprechend dem noch sehr ausgeprägten Dualismus standen diesen Ärzten 110 bzw. 101 Wundärzte gegenüber. Bei den Doktoren handelte es sich um Doktoren der Medizin in 71 bzw. 67 %, um Chirurgen in 61 bzw. 62 %, um diplomierte Geburtshelfer in 48 bzw. 58 % und um Doktoren der gesamten Heilkunde in 29 bzw 33 % der Fälle. Die seltenste Berufssparte war jene der Augenärzte mit 4 bzw. 3 %. Im Staatsdienst und als kk. Bezirksärzte wirkten insgesamt 18 Ärzte.418 Ein größerer Teil der Doktoren war auf der Ebene der Städte und Gemeinden tätig. Sie besetzten dabei einerseits Ämter als Stadtphysikus, Polizei- und Armenärzte, andererseits – v. a. auf dem Lande – waren sie als Gemeindeärzte beschäftigt.419 Meist handelt es sich dabei um einen vorwiegend freiberuflichen Status. Diesbezüglich bestanden jedoch regionale Unterschiede. Die Gemeindeärzte bezogen einerseits ein fixes Gehalt, andererseits konnten sie die erbrachten Leistungen z. T. verrechnen. Bezüglich des fixen Gehalts war dieser Betrag v. a. in den ländlichen 416 Daimer J.: Sanitäts-Bericht über Tirol und Vorarlberg für die Jahre 1883 und 1884 mit Rückblicken auf die früheren Jahre. Herausgegeben vom k. k. Landessanithätsrate für Tirol und Vorarlberg. Innsbruck 1886, 248–260, hier 249f. 417 Das Kronland Tirol wurde damals in drei Landesteilen verwaltet, nämlich Nordtirol, Mitteltirol und die italienischen Bezirke (Welschtirol). „Nordtirol umfasst die nördlich vom Brenner gelegenen Bezirke : Kufstein, Kitzbühel, Schwaz, Innsbruck Umgbg., Imst, Landeck, Reutte und die Stadt Innsbruck ; Mitteltirol die Bezirke : Lienz, Bruneck, Brixen, Bozen Umgbg., Meran und die Stadt Bozen ; die italienischen Bezirke sind : Ampezzo, Borgo, Cavalese, Cles, Primiero, Riva, Rovereto und Umgbg., Tione, Trient Umgbg. und die Städte Rovereto und Trient.“ Sanitäts-Bericht des k. k. Landessanitätsrathes für Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1882, Innsbruck 1884, 2. 418 Es handelte sich um 14 kk. Bezirksärzte, drei Ärzte in der staatlichen Sanitätsverwaltung und um Sanitätsassistenten. S. Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 248. 419 Amtlich angestellte Ärzte hatten die Verpflichtung, „in dem ihnen zugewiesenen Standorte zu wohnen (und) die Behandlung der Kranken, besonders der armen Kranken zu übernehmen“. Bei den Gemeindeärzten war eine Verpflichtung zur Mitwirkung im öffentlichen Sanitätsdienst nur selten vorgeschrieben. Gemeindeärzte wurden für ein fixes Gehalt angestellt. S. Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 248.
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Regionen eher bescheiden.420 In Welschtirol waren die Arztbesuche durch den „Medico condotto“421 unentgeltlich oder erfolgten gegen eine sehr niedrige Entlohnung. Somit war die ärztliche Hilfe laut Sanitätsbericht für jedermann leicht zugänglich.422 Die Situation im übrigen Tirol war für die breite Bevölkerung weniger günstig. Die Gemeindeärzte bezogen ein „Wartgeld“423, das wie besprochen oft sehr bescheiden war.424 Die eigentlichen ärztlichen Leistungen wurden jeweils mit dem Patienten verrechnet. Für mittellose Patienten gab es z. T. einen Armenfonds. Die übrigen Ärzte, umfassend ca. ein Drittel aller medizinischen Doktoren, waren nicht angestellte (freiberufliche) „Privatärzte“.425 4.2 Die Wundärzte Maria Theresia hatte von Anfang ihrer Regierungsübernahme an das Bemühen gezeigt, ihren Untertanen eine möglichst gute ärztliche Betreuung zukommen zu lassen.426 Die wichtigste Maßnahme zur Verbesserung der medizinischen Betreuung auf dem Gebiet der staatlichen Sanitätsverwaltung war das „Sanitätshauptnormativ“427 vom 2. Jänner 1770. Dieses wurde am 10. April 1773 durch eine Erläuterung mit weiteren Zusätzen und Änderungen „zu jedermanns leichteren Begriff “ ergänzt.428 420 „In Wälschtirol beziehen die Gemeindeärzte fixe Gehalte bis zu 1.000 fl, selten unter 700 fl. In Mitteltirol schwanken diese Beträge … zwischen 20 und 600 fl, in Nordtirol bezieht der größere Theil der Aerzte nichts von den Gemeinden oder nur kleiner Beträge, deren Maximum nur in einer Gemeinde 500 fl erreicht.“ Insbesondere in den ländlichen Arealen war damals eine Verarmung der Bevölkerung zu verzeichnen. Die Bevölkerung konnte „in vielen Fällen … den Arzt nicht bezahlen“. Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 251–260, Zitate : 257 u. 258. 421 Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 257. 422 Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 257. 423 Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 257. 424 Die Gemeindearztstellen wurden ausgeschrieben und das Wartgeld nach Ermessen der Gemeinden festgelegt. Bei dem bestehenden Ärztemangel und den bescheidenen Mitteln vieler Gemeinden waren Ärztebestellungen oft keineswegs einfach. S. Taddei Elena, Bestellungsverfahren von Ärzten in Triol in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts : Qualifikation, Auswahlkriterien und Erwartungen. In : Dietrich-Daum Elisabeth, Dinges Martin, Jütte Robert, Roilo Christine (Hg.) : Arztpraxen im Vergleich. 18. bis 20. Jh. Innsbruck u.a. 2008, 221–237. 425 Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 248. 426 Plöckinger Erwin : Gesundheitswesen, 341–345. 427 Plöckinger Erwin : Gesundheitswesen, 342. 428 Plöckinger Erwin : Gesundheitswesen, 342–345.
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Kaiserin Maria Theresia verfügte die Bildung von Chirurgischen Gremien in allen Kreisen ihrer Länder (1773)429. In diesen Chirurgischen Gremien wurden „alle Stadt- und Landwundärzte, die ein Officin besitzen, die approbierten und von Gemeinden angestellten bürgerlichen Wundärzte, die keine Officin besitzen…, und die unter der vormaligen königlich-bayerischen Regierung eingeführten sogenannten Landärzte“ zu einer Einheit zusammengefasst.430 Im zweiten Teil des Sanitätshauptnormativs findet sich die „Instruktion“431 für Wundärzte und Bader. Darin werden die damaligen Unterschiede, die zwischen Badern und Barbieren bestanden hatten, jetzt formal auch endgültig aufgehoben.432 V. a. wird die Ausbildung der Wundärzte jetzt im Detail geregelt. „Alle, die in den Erblanden dem Amte eines Wund-Arztes oder Baaders vorstehen wollen, haben sich in einer erbländischen Universität bey der eine medicinische Facultät vorhanden ist, examimiren zu lassen und nicht anders, als wenn sie von derselben Urkunde ihrer Tauglichkeit erhalten, können sie zu ausübung ihrer Kunst gelassen und in Städten oder auf dem Lande angestellet werden… Die Wundaerzte und Baader haben sich eines mäßigen, ehrbaren und gottesfürchtigen Lebenswandel zu befleißen, bey ihren Verrichtungen allen möglichsten Fleiß und Fürsichtigkeit anzuwenden, bey Tag und nacht sich dabey unverdrossen zu erweisen und gebrauch zu lassen, auch in vorkommenden Pest- und Sterbens-Zeiten in den Lazarethen sich willigst einzufinden …“433
Nach dem Tod von Kaiserin Maria Theresia kam es unter Kaiser Josef II. zu einer Weiterentwicklung der Sanitätsgesetzgebung. Josef II. bemühte sich um eine verbesserte Ausbildung der Militärärzte und (Handwerks-)Chirurgen. Für die Militärärzte gründete er 1781 das „Josephinum“434. Das Gebäude der Josephinischen Akademie, die auch ein Promotionsrecht hatte, wurde 1785 eröffnet. Weiters gründete Josef II. in den Provinzhauptstädten „Lyceen für Land- und Zivilwundärzte … in denen die niedere Chirurgie gelehrt wurde und bald auch Kurse für die Ausbildung
429 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 78–83 u. Schmidt Gabriela : Zur Hebung des Chirurgenstandes an der Josephsakademie. In : Amt der Niederösterreichischen Landesregierung (Hg.) : Kunst des Heilens, 626–633. 430 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 78, Zitat aus : TLA, jüngeres Gubernium, Normalien, Sanität laufender Faszikel 3847, Nachtragspatent von 1773 zum Sanitätshauptnormativ 1770. 431 Plöckinger Erwin : Gesundheitswesen, 343. 432 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 78. 433 Sanitätshauptnormativ 2. Teil, § I. und § II, zitiert in : Plöckinger Erwin : Gesundheitswesen, 343. 434 Wyklicky Helmut : Das Josephinum. Biographie eines Hauses. Die medicinisch-chirurgische Josephs-Akademie seit 1785. Das Institut für Geschichte der Medizin seit 1920. Wien u.a. 1985, 7f.
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von Hebammen abgehalten wurden“435. Diese Lyzeen hatten selbstverständlich kein Promotionsrecht. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestanden neben den Universitäten in Wien, Prag436, Padua437, Pavia438, Pest439 und Krakau440 und der Josephinischen Akademie in Wien (s. o.) „die chirurgischen Anstalten in Graz, Innsbruck und Lemberg sowie die Lyzeen in Klagenfurt, Klausenburg, Linz, Olmütz und Salzburg“.441 In Tirol war wegen der schwierigen geografischen Beschaffenheit des Landes ein regelmäßiges Zusammentreffen der Wundärzte auf dem Land häufig nicht praktikabel. Die Gremien442 bestanden hier vielfach nur dem Namen nach und waren „weder mit chirurgischen Instrumenten, weder mit Büchern oder andern Requisiten, und ebensowenig mit einem Geldvorrathe versehen…“443. Mehrmalige Versuche, die Gremien im zu Ende gehenden 18. Jahrhundert mit mehr Leben zu erfüllen, scheiterten. Die bayerische Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte dann zu ihrer endgültigen Auflösung. Erst 1821 wurden die Gremien erneut ins Leben gerufen. Mit der „Wiedererneuerung“444 der Gremialordnung (1821)445 wurden in Tirol Haupt- und Nebengremien eingerichtet. In jedem Kreis gab es ein Hauptgremium und meist mindestens zwei Nebengremien446. Ein wichtiges Zeichen des Gremiums war die „Lade“447. Dabei handelte es sich um eine Zunfttruhe, ein in der Tradition des Zunftwesens und Zunftrechtes448 verankertes symbolträchti435 Plöckinger Erwin : Gesundheitswesen, 347. Grundlage dieser Lyzeen waren die Lateinschulen, die in den Provinzhauptstädten bereits bestanden. Die Lyzeen erhielten auch eine medizinische Abteilung, in der die Grundlage der Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe gelehrt wurde. 436 Hlaváčková Ludmilla : The Medical Faculty 1802–1848. In : Ed. By Havránek Jan u. Pousta Zdeněk : A History of Charles University 1802–1990 (= Vol. 2), Prag 2001, 47–57. 437 Gaffuri L. u. Verger J.: Padua (Padova). In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, 1617–1623, hier 1621– 1623. 438 Soldi Rondinini G.: Pavia. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, 1831–1836, hier 1835. 439 Fügedi E.: Buda und Pest. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, 898–902. 440 Strzelczyk J.: Krakau/Krakóv. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, 1467–1470. 441 Plöckinger Erwin : Gesundheitswesen, 347. 442 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 78–83. 443 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 81, Zitat aus : TLA, Instruktionen, 1773. 444 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 82. 445 TLA Gremialordnung 1821, zitiert nach : Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 82. 446 Eine genaue geografische Zuordnung der Haupt- u. Nebengremien in den sieben Kreisen des Kronlandes Tirols (einschl. des Kreises Trient, Rovereto sowie des Kreises Vorarlberg), s. Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 82. 447 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 83. 448 Schulz K.: Zunft, -wesen, -recht. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, 686–691, s.a. Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, 691–709.
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ges Möbelstück. In ihr wurden alle „Siegelstöcke, Urkunden, Akten, Protokolle und Aufzeichnungsbücher“449 aufbewahrt. Sie stand am Ort des Sitzes des Gremiums450. Die heilkundliche Betreuung der Bevölkerung in der Habsburgermonarchie war bis ins 18. Jahrhundert durch einen „Mangel an wohlausgebildeten Wundärzten und Chirurgen und ebenso an einer unzureichenden Zahl von promovierten Doktoren der Medizin (gekennzeichnet)“451. Es gab nur eine geringe Zahl promovierter Ärzte, da in der Habsburgermonarchie nur wenige medizinische Fakultäten – und diese mit geringen Hörerzahlen – bestand. Es war auch nur wenigen Schülern möglich, die Lateinschulen zu besuchen, die zu absolvieren Voraussetzung für ein Universitätsstudium war. Dazu kamen die hohen Kosten v. a. durch die Prüfungsund Promotionsgebühren, sodass promovierte Ärzte nur eine Minderheit darstellen. In der Habsburgermonarchie bestand global gesehen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch nicht der Standard im Gesundheitswesen, wie er in Frankreich, England, Italien und weiteren westlichen Ländern anzutreffen war.452 In der Habsburgermonarchie und insgesamt im Reich war die „Segmentierung“453 (promovierte Ärzte gegenüber „Handwerkschirurgen/Wundärzte“454) stärker ausgeprägt als z. B. in der Lombardei und dem sonstigen Oberitalien, in Frankreich und im flämisch-brabantischen Raum. Besondere Verhältnisse herrschten selbstverständlich in den großen Städten, insbesondere solchen mit einer lang bestehenden universitären Tradition. Die ältesten Universitätsstädte waren Prag (Universitätsgründung 1348)455,
449 Schadelbauer Karl : Von der Lade des Tiroler Gremiums, 2, zitiert bei Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 83. 450 Die Zunftlade, die das Innsbrucker (Neben-)Gremium ab 1821 verwendete, stammt aus dem 17. Jh. und befindet sich im Besitz der Tiroler Ärztekammer. 451 Plöckinger Erwin : Das Gesundheitswesen in Niederösterreich (Ende 16. Jh. bis 1918). In : Kunst des Heilens. Aus der Geschichte der Medizin und Pharmazie. Amt der Niederösterreichischen Landesregierung (Hg. = Katalog des NÖ. Landesmuseums, Neue Folge, Nr. 276), Wien 1991, 336–352, Zitat : 341. 452 „Das Medizinalwesen befand sich (noch) in der ersten Hälfte des 18. Jh. in Frankreich, England und Italien auf einem weitaus höheren Standard als in der Habsburgermonarchie“, s. Plöckinger Erwin : Gesundheitswesen, 341. 453 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 19–28. 454 Sander Sabine : Handwerkschirurgen. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 531. 455 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 6–14, u. Holubar Karl u. Wyklicky Helmut : Wiener Schulen. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1482–1494.
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Krakau (1364)456, Wien (1365)457, Pécs-Fünfkirchen (1367)458 sowie die deutschen Universitätsstädte Heidelberg (1386)459, Köln (1388)460, Erfurt (1392)461 etc. Laut Sanitätsbericht von 1883/1884 standen über die Hälfte der Wundärzte in Tirol im Dienste der Gemeinden.462 Diese traf insbesondere für die ländlichen Gebiete zu. Die beruflichen Tätigkeiten der Wundärzte/Handwerkschirurgen waren die folgende, wobei gegenüber den Befugnissen der Ärzte wichtige Einschränkungen definiert wurden463 : • der Aderlass, das Schröpfen, Brennen (Kauterisation) und das Anlegen von Blutegeln Der Aderlass464 mittels Lanzetten stand im Zentrum der Tätigkeiten der Wundärzte. Die Lanzetten waren sichelförmige Messerchen, mit denen die zur Rötung gebrachte Haut angeritzt wurde. Meist schnitt man bei dieser venae-sectio mehrmals in das Blutgefäß, das reichlich herausquellende Blut wurde in Schüsseln aufgefangen. Bei der Durchführung des Aderlasses orientierte man sich nach „Laßschemata“465 und nach der Konstellation der Gestirne.466 Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts fanden sich in den Kalendern (Ader)laßmännchen467, die dafür günstige Tage und auch empfohlene Inzisionsstellen grafisch darstellten.468 Für das Schröpfen als Methode der örtlichen Blutableitung standen spezielle Geräte in Form von Schröpfköpfen zur Verfügung.469 Mit der Lanzette setzte man 456 Strzelczyk J.: Krakau/Krakóv. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, 1467–1470. 457 Holubar Karl u. Wyklicky Helmut : Wiener Schulen. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1482–1494, hier 1487. 458 Holubar Karl u. Wyklicky Helmut : Wiener Schulen. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1482–1494, hier 1487. 459 Boehm L.: Heidelberg. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, 2009–2011, hier 2010f. 460 Groten M. u. Seibert H.: Köln. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, 1254–1268, hier 1259. 461 Boehm L.: Erfurt. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, 2131–2138, hier 2126f. 462 Im Jahr 1883 waren 56 %, 1884 sogar 58 % der Wundärzte bei Gemeinden angestellt. S. Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 249. 463 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 87–98. 464 Keil G.: Aderlass. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, 2002, 150f. 465 Keil G.: Aderlass. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, 2002, 151. 466 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 87. 467 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 87. 468 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 87, s.a. Nenna von Merhart : Bauerndökter und Heiler in Tirol. Innsbruck 1988, 28–30. 469 Ritsch-Egger Gertrud M.: Beiträge zur Geschichte des Heil- und Gesundheitswesens im Pustertal zwischen 1500 und 1900, phil. Diss., Innsbruck 1990, passim.
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eine Hautwunde und brachte dann den erwärmten Schröpfkopf an diese Stelle. Mit dem Abkühlen der Schröpfköpfe entstand ein Unterdruck, wodurch das Blut angesaugt wird. Daneben stellte auch das Trockenschröpfen470 ohne Scarifizierung der Haut (Einschnitt) eine traditionsreiche Maßnahme dar. Diese wurde u. a. bei der Behandlung von Seuchen/Pest angewendet.471 Der gedoppelte Schröpfkopf war übrigens bereits in der Antike ein Attribut des Ärztestandes. Er hielt sich ikonografisch bei Badern und Barbieren, während die Ärzte als Symbol ihrer (diagnostischen) Tätigkeit sich mit dem Harnglas zeigten. Vielfach geübt wurde auch das Anlegen von Blutegeln472 (Hirudo medicinalis). Die Behandlung mit Blutegeln erlebte z. B. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen gewissen Höhepunkt.473 Auch in der Volksmedizin war das Anlegen von Blutegeln vielfach geübt worden.474 • Chirurgische Tätigkeiten Die chirurgischen Tätigkeiten475 umfassten v. a. kleinchirurgische Eingriffe. Hand werkschirurgen zogen Zähne, nähten Wunden, verbanden dieselben, eröffneten Furunkel und legten Pflaster. Sie reponierten Dislokationen nach Frakturen (Knochenbrüchen). Sie versuchten Leistenbrüche zu reponieren und verabreichten Klistiere. • Die Geburtshilfe Die Ausbildung zum Geburtshelfer wurde für alle Wundärzte als obligat erklärt. Dabei wurden diese im Gebrauch der geburtshilflichen Instrumente ausgebildet. Für die geburtshilflichen Eingriffe waren die Wundärzte angehalten, die folgenden Instrumente zur Verfügung zu haben : „1 Schmitt’sche Geburtszange, 1 Perforatorium, der Smellie’sche Haken ; 1 Knochenzange ; die Fußschlinge ; endlich 1 gekrümmtes Knopfskalpell.“476
470 Keil G.: Schröpfen. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, 1571. 471 Keil G.: Schröpfen. In : Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, 1571. 472 Schweikhardt Christoph : Blutegel. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 193f. 473 Schweikhardt Christoph : Blutegel, 194. 474 Hovorka O. u. Kronfeld A : Vergleichende Volksmedizin. Eine Darstellung volksmedizinischer Sitten und Gebräuche, Anschauungen und Heilfaktoren, des Aberglaubens und der Zaubermedizin. Bd. 2 (Stuttgart 1909), 28 etc. 475 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 88f. 476 TLA, Verordnung vom 15. Februar 1830, zitiert bei : Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 70.
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• Eine Abgabe von Medikamenten und das Führen einer Hausapotheke Nach dem Sanitätshauptnormativ von 1770 durften Wundärzte keine Arzneien verabreichen. Wenn kein Arzt anwesend war, wie dies auf dem Lande häufig vorkam, war ihnen die Abgabe von Medikamenten gestattet.477 Diese mussten jedoch unschädlich sein.478 Wundärzten, die in einem Ort praktizierten, in dem eine Apotheke sowie auch ein promovierter Arzt (mit Hausapotheke) fehlten, wurde nicht selten das Führen einer Hausapotheke gestattet.479 Tatsächlich führten bis ins späte 19. Jahrhundert mehr Wundärzte als Doktoren eine Hausapotheke.480 Die Abgabe der Medikamente musste nach der Provinzialpharmacopöe erfolgen.481 Gestattet wurde den Wundärzten, „einfache Kräuter, Blumen und Samen selbst zu sammeln. Fertig zubereitete und gemischte Arzneien für innerliche Kuren musste er aber gebrauchsfertig beim Apotheker erstehen“.482 • Die Pockenimpfung Neben Ärzten und speziell ausgebildeten Impfärzten führten auch Wundärzte Pockenimpfungen durch483. Nach einer Verordnung von 1830 musste jeder 477 „… sollen die Chyrurgen sich von allen innerlichen Kuren und Zubereitungen von Arzneyen, wo Apotheken vorhanden sind, gänzlich enthalten … wohl aber dagegen jenen Chyrurgen, welche in kleinen Städten und Flecken wohnen, wo kein Medicus angestellt ist, unverwehret wird, unschädliche Mittel abzugeben und zu verschreiben.“ Zitat aus : Streinz Wenzel (Hg.) : Systematische Übersicht über die seit den Jahren 1770 bis 1836 erschienenen Gesetze und Verordnungen im Bezuge auf das Sanitätswesen im Allgemeinen und insbesondere für das Erzherzogthum Oesterreich ob der Enns und das Herzogthum Salzburg, Bd. 1, Linz 1838, 68, zitiert bei : Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 90. 478 Es war ihnen gestattet, einfache Kräuter und Ähnliches selbst zu sammeln. Arzneien für innere Kuren und gemischte Präparate mussten Wundärzte i. A. gebrauchsfertig beim Apotheker erstehen. S. Bernt Joseph : Systematisches Handbuch des Medizinalwesens nach den k.k. österreichischen Medizinalgesetzen. Wien 1819. 242, § 767, zitiert bei : Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 91. 479 Diese Ergänzung findet sich im Nachtragspatent von 1773, s. TLA, jüngeres Gubernium, Normalien, Sanität, Nachtragspatent von 1773 zum Sanitätshauptnormativ von 1770, zitiert nach : Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 90. 480 Daimer J.: Sanitäts-Bericht über Tirol und Vorarlberg für die Jahre 1883 und 1884 mit Rückblicken auf die früheren Jahre. Herausgegeben vom k. k. Landessanithätsrate für Tirol und Vorarlberg. Innsbruck 1886, 250f. Die Zahl der in Tirol geführten Hausapotheken betrug insgesamt 159 (erhoben für das Jahr 1883), davon wurden 87 von Wundärzten und 68 von Doktoren der Medizin geführt. Zusätzlich gab es von geistlichen Korporationen geführte Hausapotheken. 481 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 90. 482 Bernt Joseph : Systematisches Handbuch des Medizinalwesens nach den k.k. österreichischen Medizinalgesetzen. Wien 1819. 242, § 767, zitiert bei : Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 91. 483 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 92.
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Wundarzt ein Impfbesteck besitzen484. Es war ein besonderes Anliegen der Sanitätsverwaltung, Pockenimpfungen in breiten Bevölkerungskreisen populär zu machen.485 • Die berufliche Weiterbildung Zur Weiterbildung wurde das Lesen von „guten Büchern“486 vorgeschrieben, die an Mitglieder der Gremien verliehen wurden. Bei schwierigen Fällen war der Wundarzt verpflichtet, sofort einen Arzt zur Rate zu ziehen. Angemessene Strafen drohten ihm, wenn er seine Befugnisse überschreite.487 1875 kam es zum definitven Ende der Wundarztausbildung in Tirol. Am Beginn des 20. Jahrhunderts verschwanden die Wundärzte rasch aus den Ärzte-/Wundärzteverzeichnissen488. Mit dem Aussterben der Wundärzte war auch die Tätigkeit des Gremiums beendet. Eine offizielle Gremialaufhebung erfolgte in der Habsburgermonarchie am 29. Juni 1901.489 Zwischen Wundärzten und promovierten Ärzten gab es durchaus ein von Respekt getragenes Zusammenwirken. Ein Beispiel dafür war der Südtiroler Landarzt Dr. Franz v. Ottenthal 490 (1818–1899). Gesprochen wird von einem „Verhältnis professioneller Neutralität“.491 Wundärzte waren bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts v. a. in Nord- und Mitteltirol in großer Zahl präsent. Für das gesamte Kronland konnte bereits 1848 ein (geringes) numerisches Überwiegen der Ärzte gegenüber den Wundärzten festgestellt werden. In Welschtirol hatten dagegen die Wundärzte bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts deutlich gegenüber der zunehmenden Zahl promovierter Ärzte abgenommen. Ein Überwiegen der Ärzte gegenüber den Wundärzten 484 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 92. 485 Daimer J.: Sanitäts-Bericht über Tirol und Vorarlberg für die Jahre 1883 und 1884 mit Rückblicken auf die früheren Jahre. Herausgegeben vom k. k. Landessanithätsrate für Tirol und Vorarlberg. Innsbruck 1886, 84–88. 486 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 92f., Zitat : 92. 487 Streinz Wenzel : Systematische Übersicht, 68f., zitiert bei : Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 91. 488 Kulhanek Evelyn : Wundärzte, 83. 489 Plöckinger Erwin : Gesundheitswesen, 350. Die Auflösung erfolgte durch die k. k. Apostolische Majestät am 29. Juni 1901. Diese hob das Patent vom 10. April 1773 zur Schaffung der Chirurgischen Gremien auf. 490 Oberhofer Andreas : Eine Landarztpraxis im 19. Jh. am Beispiel der Ordination des Dr. Franz von Ottenthal (1818–1899). In : Dietrich-Daum Elisabeth, Dinges Martin, Jütte Robert, Roilo Christine (Hg.) : Arztpraxen im Vergleich. 18. bis 20. Jh. Innsbruck u.a. 2008, 167–191, 170f. 491 Oberhofer Andreas : Eine Landarztpraxis, 171.
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wurde im nördliche Tirol erst zu Ende des 19. Jahrhunderts beobachtet. Noch 1853 standen 59 Wundärzten nur 38 Doktoren gegenüber492. Mitteltirol nahm eine Zwischenstellung ein. Ähnliches galt für Vorarlberg.
Abb. 34 : Die Ärzte und Wundärzte im damaligen Tirol (mit dem Trentino, Vorarlberg etc.) zwischen 1826 und 1899 493
492 Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 253. 493 Kulhanek Evelyn, Die Wundärzte, ein verdrängter Beruf. Zur Geschichte des Sanitätspersonals im Tirol des 19. Jahrhunderts. Diplomarbeit (Geisteswissenschaften), Universität Innsbruck 1996, 102f.
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Abb. 35 : Der Anteil der Ärzte (a) bzw. der Wundärzte (b) in Nordtirol, „Mitteltirol“ und „Wälschtirol“. 494
494 Kulhanek Evelyn, Die Wundärzte, ein verdrängter Beruf. Zur Geschichte des Sanitätspersonals im Tirol des 19. Jahrhunderts. Diplomarbeit (Geisteswissenschaften), Universität Innsbruck 1996, 104.
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4.3 Die oft schwierige Besetzung von Arztstellen in Tirol Ab den 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts kam es zu einer Abnahme der Gesamtzahl von Ärzten und Wundärzten in Tirol.495 Dies ist aus der Abbildung 34 zu ersehen. Deutlich wurde dies v. a. ab den 70er-Jahren. Damit verbunden war – v. a. in den ländlichen Gemeinden – eine Vakanz der Diensstellen, die z. T. auch lange anhielt.496 Dabei war in der übrigen Habsburgermonarchie – im cisleithanischen Anteil – ein deutlicher Anstieg der Ärztezahlen zu beobachten. Dieser betrug in manchen Gebieten sogar um 40 % bezogen auf die Zeit 1849–1896.497 Am deutlichsten nahm die Zahl der Wundärzte ab, während die Zahl der promovierten Ärzte bis 1877 im Wesentlichen stagnierte.498 Ursache für den Ärztemangel war einerseits, dass nach der Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät (1869) Neupromovierte erst langsam das Ärztedefizit aufzufüllen begannen. Weiters war die Niederlassung v. a. auf dem Lande nicht besonders attraktiv.499 Das Wundärztestudium war bereits 1876 aufgelassen worden. Eine weitere Ursache dieser Abnahme waren auch die politischen Ereignisse. In der Folge der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Italien (1859 und 1866) wurden die Universitäten von Pavia und Padua jetzt Ausland. Die Anerkennung eines dort ausgestellten Doktordiploms erforderte daher ein Nostrifizierungsverfahren an einer österreichischen Universität.500 Ärzte mit Diplomen von oberitalienischen Universitäten konnten somit „nicht mehr als Gemeindeärzte angestellt (werden)“501. Die bis dahin für die Gesundheitsversorgung wichtigen oberitalienischen Ausbildungsstätten verloren jetzt zusehends an Bedeutung. Dies wirkte sich v. a. für das Trentino ungünstig aus.
495 Kulhanek Evelyn, Die Wundärzte, 102–110, hier 102. 496 Taddei, Elena : Bestellungsverfahren, 232–235, hier 232. 497 Taddei, Elena : Bestellungsverfahren, 232, FN 37. 498 Kulhanek Evelyn, Die Wundärzte, 102. Die Zahl der Ärzte in Tirol und Vorarlberg lag von 1850 bis 1873 zwischen 331 und 352. Die der Wundärzte nahm dagegen von 308 (1850) auf 203 (1873) und schließlich (bis 1899) auf 43 ab. 499 Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 251–260. 500 Taddei, Elena : Bestellungsverfahren, 226f. 501 Taddei, Elena : Bestellungsverfahren, 226. Begründung war, dass „seit 1859 die Anerkennung dieser ausländischen Zeugnisse nicht mehr so einfach sei“.
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4.4 Die Hebammen Im Kronland Tirol war eine relativ große Zahl von Hebammen tätig.502 Im Vergleich zu den meisten übrigen Kronländern war die Zahl der Hebammen bezogen auf die Bevölkerung, dort niedriger. Lediglich in Görz, Mähren, Oberösterreich und Triest war diese Relativzahl höher.503 Ein paar Worte über Mütter– und Kindersterblichkeit sowie Geburtenzahlen in Tirol. Nach dem Sanitätsbericht von Tirol und Vorarlberg 1883/84504 – mit einem Überblick über den Zeitraum 1871 bis 1874 – betrug die Sterblichkeitsrate pro Tausend Gebärende bei 4,0505. Dazu kamen die Todesfälle im Wochenbett, die in Tirol 7,5 pro Tausend betrugen506. Die Geburtenrate insgesamt war in Tirol und Vorarlberg die niedrigste in Cisleithanien. Auf 1.000 Lebende kamen in Tirol einerseits 29,7 Geburten und andererseits 25,2 Todesfälle507.Auffallend niedrig war in Tirol der Anteil der Totgeborenen. Hier wiesen Tirol und Vorarlberg nächst Dalmatien „die niedrigste Zahl von Totgeburten (auf )“508. Die kindliche Mortalität (bis zum 5. Lebensjahr) war ebenfalls in Tirol besonders niedrig. Von 1.000 Lebenden starben bis zu diesem Alter 9,18 bei einem Durchschnitt für Cisleithanien von 15,43.509
502 Eine Hebamme in Tirol war im Mittel für 889 Einwohner zuständig. Insgesamt waren in Tirol 902 Hebammen tätig (1883). Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 249f. 503 Daimer J.: Sanitäts-Bericht, 250. Lediglich in Triest war die Zahl der Hebammen deutlich, sonst nur unwesentlich höher. 504 Daimer J.: Sanitäts-Bericht über Tirol und Vorarlberg für die Jahre 1883 und 1884. Hg. vom Landessanitätsrathe für Tirol und Vorarlberg, Innsbruck 1886, 53–63 u. 120–134. 505 Die Müttersterblichkeit war in Nordtirol am niedrigsten (2,3 pro 1.000). In Mittel- und Welschtirol höher (4,7 bzw. 4,6). Die Werte für Vorarlberg lagen dazwischen (4,3), s. Daimer J.: Sanitäts-Bericht über Tirol und Vorarlberg, 60. 506 In Nordtirol und Vorarlberg betrug diese Sterblichkeitsrate jeweils 6,0, in Mitteltirol 7,2 und in Welschtirol 8,4. 507 Die Durchschnittsrate in Cisleithanien betrug bei den Geburten 40,2 und bei den Todesfällen 31,6, s. Daimer J.: Sanitäts-Bericht über Tirol und Vorarlberg, 63. 508 Daimer J.: Sanitäts-Bericht über Tirol und Vorarlberg, 54 u. 63. 509 Daimer J.: Sanitäts-Bericht über Tirol und Vorarlberg, 134.
5.
Auf dem Weg zur Neuerrichtung der Medizinischen Fakultät (bis 1869)
5.1 Die letzten entscheidenden Vorbereitungen und die s chließliche „Gewährung“ der medizinischen Fakultät Noch in der der Ära des Staatsministers Anton Ritter von Schmerling (1860–1865) und vorher des (ersten) Ministers für Kultus und Unterricht Leo Graf Thun (28. 7. 1849–20. 10. 1860) wurde den Wünschen nach Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät in Innsbruck mit Zurückhaltung begegnet. Als Grund wurden wiederum „das Fehlen der nötigen Unterrichts- und Geldmittel sowie … die geringe Hörerzahl“510 angegeben. Schließlich kam es in der Zeit des aus Sachsen stammenden Ministerpräsidenten Ferdinand Freiherr von Beust zur Entsendung von Carl von Rokitansky, dem bedeutenden Wiener Pathologen und Ministerialkonsulenten für das medizinische Unterrichtswesen, nach Innsbruck.511 Die budgetäre Situation hatte sich mit dem Ende des Neoabsolutismus verbessert.512 In der Abbildung 36 sind Budgetindikatoren der Perioden 1848 bis 1859 mit jenen der Jahre 1860 bis 1867 verglichen.513 Die Staatsfinanzen hatten sich so erholt, dass jetzt 84,0 % der staatlichen Ausgaben durch Einnahmen gedeckt waren. In der Vorperiode des Neoabsolutismus hatte diese Deckung lediglich 70,2 % betragen. Ein zentraler Punkt der Besserung der Staatsfinanzen war die Verminderung der Militärausgaben, die sich beinahe halbiert hatten (auf 32,9 % gegenüber 63,6 %). Jetzt setzten auch erhebliche (zusätzliche) Investitionen u. a. in den Bahnbau ein, diese konnten zwischen 1866 510 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 93. 511 Rokitansky war u.a. Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Wien (1850–1878), Präsident der Akademie der Wissenschaften (1869–1878) und Fachberater (Ministerialkonsulent) im Unterrichtsministerium (seit 1863), s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 95–101, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 129–141, hier 137–139. 512 Die Zeit des Neoabsolutismus entsprach der Frühzeit des Wirkens von Kaiser Franz Joseph I. und den Jahren 1849–1860. Zur wirtschaftlichen Situation siehe Sandgruber Roman : Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart (= Österreichische Geschichte, herausgegeben v. Wolfram Herwig, Themenband), Wien 1995, ND 2005, 233–251, hier 237–243. 513 Sandgruber Roman : Ökonomie und Politik, 237–247, hier 242.
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Auf dem Weg zur Neuerrichtung der Medizinischen Fakultät (bis 1869)
Budgetindikatoren 1848 bis 1867 (in Prozent)
1848/59 1860/67
Durchschnittliche Deckung der Ausgaben durch Einnahmen
Anteil des Defizits am Ausgabevolumen
Aufwand für Militär in Prozent der Einnahmen
Abb. 36 : Verbesserung der Staatsfinanzen im Anschluss an die Periode des Neoabsolutismus. Vergleich der Periode 1848–1859 mit 1860–1867 (Datenquelle : Sandgruber 514).
und 1873 verdoppelt werden.515 Dies hatte für das Kronland Tirol erhebliche Auswirkungen516 und führte dazu, dass Patienten in zunehmender Zahl nicht mehr nur vorwiegend aus dem Nahraum von Innsbruck, sondern z. B. aus dem Unterinntal und von südlich des Brenners an das Innsbrucker Stadtspital gebracht werden konnten.517 Die Verbesserung der Staatsfinanzen – bis zur großen Depression 514 Sandgruber Roman : Ökonomie und Politik, 242, Tab. 18, Quelle : Joachim Curt Wilhelm Liese, Staatskredit und Defizitfinanzierung in der ersten Konstitutionellen Periode der Habsburgermonarchie 1860–1867 (Diss. Wien 1988), 56. 515 Sandgruber Roman : Ökonomie und Politik, 245–247. 516 Die Teilstrecken Kufstein – Innsbruck und Verona – Bozen wurden 1858/59 eröffnet (Träger war damals die k.k. priv. Südbahn-Gesellschaft). Die Brennerbahn folgte 1867. 1871 wurde die Pustertallinie als kürzeste Verbindung des Tiroler Kernraums mit Wien eröffnet. Vier Jahre später folgte die Bahnlinie Salzburg – Zell am See – Wörgl, die Ost-West-Verbindung durch Tirol wurde dann mit der Eröffnung der Arlbergstrecke 1884 vollendet, s. Riedmann Josef, Geschichte Tirols, Wien u.a. 32001, 201–209, hier 204f., s.a. Fontana Josef : Wandel im Wirtschaftsleben. In : Fontana Josef u.a. (Hg.) : Geschichte des Landes Tirol. Bd. 3, Bozen u.a. 1987, 310–359, hier 342–350. 517 In den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts nahm der Patientenzustrom in das Stadtspital „enorm zu“. Dies war nicht nur durch die Zunahme der städtischen Bevölkerung, sondern wohl auch durch die
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(ab 1873)518 – und Engpässe in den Unterbringungsmöglichkeiten für Patienten am Innsbrucker Stadtspital wirkten mit anderen Faktoren somit zusammen, dass der allgemeine Wunsch der Bevölkerung nach Errichtung der Medizinischen Fakultät – mit einem entsprechenden Klinikum – das notwendige Gewicht erreichte. Vom 26. Oktober 1867 liegt dazu ein Reisebericht Rokitanskys vor.519 Die anschließend in Wien tagende Expertenkommission, von Minister Anton Josef von Hye einberufen (24. 11. 1867), hatte neben Rokitansky die Einbeziehung von zwei weiteren Wiener Professoren als Gutachter beschlossen. Es handelte sich um den Pharmakologen Carl Damian Schroff (1802–1887)520 und den Kliniker der Inneren Medizin Joseph Skoda (1805–1881)521. Neben Rokitansky 522 setzten sich auch die beiden Gutachter entschieden für die Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät ein. Huter fasst ihre Argumente zusammen523 : „Die beiden Professoren stellten fest, daß es erfahrunggemäß gerade die kleineren Universitäten seien, an denen der medizinische Unterricht besonders wirksam vermittelt werde.“524 Besonders das Studium der Fundamentalfächer sei an den Universitäten der volkreichen Hauptstädte „durch die große Zahl der Studierenden sehr beeinträchtigt … weil von den in den obligaten Hauptfächern inskribierten Hörern wegen der beschränkten Hörsäle kaum die Hälfte den Vorlesungen beiwohnen könne. Außerdem wirkten noch vielfach andere Einflüsse störend ein …“525 Der Vorteil einer kleineren Universitätsstadt wie Innsbruck sei „für die Fakultätsstudien, namentlich für jenes der Medizin, weit günstiger. Die Wiener Universität biete beste Gelegenheit zur gründlichen und umfassenden Ausbildung in den Spezialfächern, während (in Wien) für den eigentlichen Unterricht bei der großen Zahl der Hörer durch Dozenten vorgesorgt werden müsse“526.
Verbesserung der Verkehrsverhältnisse bedingt, s. Bubestinger Ingrid, Zeindl Gertraud : Zur Stadtgeschichte Innsbrucks, 44f., Zitat : 44. 518 Am Anfang dieser wirtschaftlichen Depressionsphase stand der Wiener Börsenkrach von 1873, s. Sandgruber Roman : Ökonomie und Politik, 243–245 u. 248–251. 519 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 95–97. 520 Der aus Böhmen stammende Schroff war seit 1851 ständiges Mitglied der Medizinalkommission beim Minister des Inneren, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 273–278. 521 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 142–152. 522 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 95–101. 523 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 98f. 524 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 98. 525 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 98. 526 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 98.
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Auch „aus wissenschaftlichen und pädagogischen Gründen“527 sei die Errichtung „zweckmäßig und höchst wünschenswert“.528 Weder für den theoretischen noch für den praktischen Unterricht fehle es in Innsbruck „an Material“.529 Sobald eröffnet, werde es in Innsbruck nicht an interessierten Studenten fehlen. Besonders wies er auf die Vorteile der bereits bestehenden philosophischen Fakultät hin. Insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern sei Innsbruck „mit ausgezeichneten Lehrkräften und Lehrmitteln ausgstattet …“530 Professor Schroff vertrat einen ähnlichen Standpunkt.531 Er zweifle nicht an der Entwicklung der neuen Fakultät „wenn tüchtige Lehrkräfte, an denen es in Österreich nicht fehle, berufen würden …“532 In Innsbruck bestünden ähnliche Verhältnisse „wie in vielen (kleineren) Universitätsstädten Deutschlands“533. Sie seien ein Vorbild, wie „die medizinischen Studien und Wissenschaften mit ausgezeichnetem Erfolg betrieben werden“534. Bei Erreichen eines solchen Standards werde es an Hörern auch aus dem benachbarten Ausland nicht fehlen.535 Schließlich verweist Schroff bezüglich Berufungen aus Deutschland auf Wiener Erfahrungen. Deutsche Kandidaten, die nach Wien gekommen seien, bewährten sich „namentlich in den Fundamentalfächern“.536 Nach langwierigen, engagiert betriebenen und schließlich erfolgreichen Beratungen durch Vertreter der Statthalterei, des Ministeriums für Kultus und Unterricht, des Landesausschusses und der Stadt Innsbruck befasste sich am 21. September 1868 der Tiroler Landtag mit der Wiedererrichtung der Fakultät.537 Dabei wurden u. a. Fragen der Verpflegskosten für mittellose Kranke aus Tiroler Gemeinden diskutiert und Verpflegskostenbeiträge beschlossen. Auch das Problem der Gebärklinik, deren Übersiedlung von Trient nach Innsbruck am 17. Jänner 1866 genehmigt worden war538, konnte schließlich einer Lösung näher gebracht werden (s. o.).539 527 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 98. 528 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 98. 529 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 98. 530 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 98. 531 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 99. 532 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 99. 533 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 99. 534 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 99. 535 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 99. 536 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 99. 537 Schober Richard : Geschichte des Tiroler Landtages, 255f. 538 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 108–112, hier 108. 539 Die 1864 vom Staat auf das Land Tirol übergegangene Gebäranstalt Alle Laste wurde im 3. Stock
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II. Teil: Gestern Universität, heute Lyzeum
Im Oktober 1868 wurde jetzt im Landtag und im Innsbrucker Gemeinderat der Beschluss für die Errichtung eines Spitalneubaus gefasst.540 Es handelte sich zweifellos um ein, die Möglichkeiten des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck auf Jahre erheblich belastendes Projekt.541 Vonseiten des Staates wurden die Professorengehälter, Lehraufträge und Dotationen getragen. Für die Neuerrichtung der Kliniken war der Beitrag des Staates damals gering542. Ohne hier auf die Finanzierungsfragen im Einzelnen einzugehen543, soviel war deutlich : Eine Budgetierung konnte erst „durch eine Lotterieanleihe von einer Million Gulden, einem günstigen Darlehen durch die Sparkasse der Stadt Innsbruck von 300.000 Gulden, Spenden und die Einführung einer sogenannten „Spitals steuer“544 möglich gemacht werden. Ein wesentlicher Impetus für diese Investitionspläne und die Planung der klinischen Gebäude war das Bewilligungsschreiben von Franz Joseph, auf das man so lange gehofft hatte. Der Kaiser hatte am 11. April 1869 seine Genehmigung zur Errichtung der Medizinischen Fakultät gegeben. Diese Nachricht wurde im Kronland „mit Jubel aufgenommen“545. Der Tiroler Landtag richtete eine Dankadresse an den Kaiser (23. Oktober 1869)546. Durchaus bemerkenswert ist die wiederholt kund getane Bereitschaft der Tiroler Bevölkerung, auch in Zeiten sich neuerlich anbahnender wirtschaftlicher Krisen547 für die Belange der Medizinischen Fakultät und des Innsbrucker Klinikums ihren Beitrag zu leisten. des Spitalgebäudes untergebracht. Die Stadt Innsbruck hatte diesen Stock angemietet, die Gebärklinik konnte dann schließlich am 1. 11. 1870 eröffnet werden. Die Landesgebäranstalt bot dann – laut Sanitätsbericht von 1883/84 – jährlich durchschnittlich 462 Schwangeren Aufnahme, Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 111f. 540 Fritsch Peter : Die Geburt der medizinischen Fakultät. 20–23, hier 22. 541 Die Einwohnerzahl der Stadt Innsbruck betrug damals 16.324, die des gesamten Kronlandes Tirol 776.283. Sanitätsbericht 1883/84, 29f. (Zensuszahlen vom 31. 12. 1869). 542 Die Errichtung eines staatlichen Spitals wurde vom Ministerium 1876 abgelehnt. Neben finanziellen Gründen dürfte dabei „wohl auch ein Zweifel an der Lebensfähigkeit der neu gegründeten Fakultät…“ eine Rolle gespielt haben, s. Fritsch Peter : Die Geburt der medizinischen Fakultät, 22. 543 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 101–127. 544 Fritsch Peter : Die Geburt der medizinischen Fakultät, 22. 545 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 128. „Die Stadt Innsbruck sandte Dankadressen an den Kaiser und an den österreichischen Ministerpräsidenten (23. 4. 1869), die Universität bedankte sich beim Statthalter (9. 5. 1869), im Herbst 1869 beschloß auch der Tiroler Landtag eine Dankadresse an den Herrscher (23. 10. 1869).“ 546 Schober Richard : Geschichte des Tiroler Landtages, 256. 547 Es herrschte zwar (bis 1873) eine wirtschaftliche Konjunkturphase. Mit dem Börsenkrach von 1873 folgte jedoch eine lang dauernde wirtschaftliche Depression mit erheblichen sozialen Konflikten. Die Auswirkungen auf Tirol waren jedoch vergleichsweise geringer und „im damals noch vorwiegend
Auf dem Weg zur Neuerrichtung der Medizinischen Fakultät (bis 1869)
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Konkret hieß es, dass : „… an der Universität zu Innsbruck vom Studienjahre 1869/70 angefangen eine vollständige medizinische Fakultät errichtet (werde), die dort bestehende chirurgische Lehranstalt aber aufgehoben und zwei Jahre nach Eröffnung der erwähnten Fakultät gänzlich aufgelassen werde“.548 Gleichzeitig wurden zunächst fünf Lehrkanzeln „mit Beruhigung“549 an bereits lehrende Innsbrucker Professoren zugeteilt (s. u.). Vorausgegangen war dieser kaiserlichen Zustimmung der Ministervortrag durch Leopold Hasner, Ritter von Artha550, dem damaligen Unterrichtsminister. Dieser hatte bemerkt, dass die bisher „gepflogenen Verhandlungen wegen Errichtung der Medizinischen Fakultät zum befriedigenden Abschluss gelangt sind“551. Man könne davon ausgehen, dass die Grundlagen und Bedingungen gegeben sind, um einerseits „eine blühende Stätte deutscher Wissenschaft“552 zu schaffen. Andererseits würde man mit der Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät „auch den geistigen Interessen und Bedürfnissen Tirols … entsprechen und den seit Dezennien gehegten dringenden und neuerlich durch ausgezeichnete Opferwilligkeit kundgegebenen Wünschen dieses Landes und seiner Hauptstadt Rechnung zu tragen“.553
agrarischen Gebirgslande (trat) die Erholung rascher ein als in den österreichischen Industriegebieten“. S. Bruckmüller Ernst : Sozialgeschichte Österreichs, 324–326, u. Huter Franz, Geschichte der Sparkasse der Stadt Innsbruck 1962, 63 (Zitat). 548 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 267. 549 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 267. 550 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 127. 551 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 127. 552 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 127. 553 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 127f. Die Fakultät könne, da im Präliminare 1869 vorgesorgt sei und die Kosten für das letzte Quartal 1869 durch Ersparnisse im Gesamtkredit gedeckt werden sollten, bereits mit Beginn des Studienjahres 1869/70 eröffnet werden.
1.
Neue Infrastrukturen und Lehrkanzeln
Das Spitalbaukommitee der Fakultät machte sich durch Besuche und „eingehende Studien der damals fortschrittlichsten Spitalbauten … genaue Vorstellungen über Anlage (Pavillonbauweise) und Funktionsplan …“ des zu errichtenden Innsbrucker Klinikums. Hochfliegenden Plänen wurde durch das Wiener Ministerium ein Ende gesetzt. Das neue Stadtspital kam 1885–1888 zur Ausführung. Bauplatz waren das am westlichen Rand der Stadt gelegene Hasslwantersche Anwesen und angrenzende Gründe mit einer Gesamtfläche von über 29.000 m2. Vorausgegangen war diesem Bau die Errichtung eines neuen Pathologisch-anatomischen Institutes zusammen mit der Medizinischen Chemie (1881–1882). Als erster Bau wurde das Gebäude der Pathologischen Anatomie und Chemie „in zwei Jahren fertig gestellt und 1882 bezogen“. 1887–1889 erhielt dann die Anatomie ebenfalls ein neues Gebäude. In der Periode 1885–1888 wurden dann die ersten Gebäude der Kliniken in Pavil lonbauweise (Medizinische Klinik, Chirurgische Klinik etc.) sowie das Verwaltungsmit dem Wirtschaftsgebäude fertiggestellt. Die feierliche Eröffnung des Spitals fand am 18. Oktober 1888 statt. Fritsch Peter : Die Geburt, 22. Die besuchten Krankenhäuser waren das Wiener Rudolfspital und das Spital der Israelitischen Kultusgemeinde, sowie die Universitätskliniken in Berlin, Halle, Heidelberg und Leipzig. Fritsch P : Die Geburt, 22. Dazu trug die Ablehnung des Ministeriums bei, ein staatliches Spital zu errichten (1876). Möglicherweise hatte dazu auch die inzwischen auf 13 bis 16 Neuimmatrikulationen geschrumpfte Studentenzahl beigetragen. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 148–157. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 144–148. Auf einem Sicherheitsabstand des Pathologisch-anatomischen Institutes zum geplanten Krankenhaus durch eine Gartenanlage im Umkreis von 30 m wurde gedrungen. Fritsch Peter : Die Geburt der Innsbrucker Medizinischen Fakultät. Ein Rückblick nach 125 Jahren. Medpress, Jänner 1995, 22. Gasser Rudolf Josef : Zur Geschichte der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck des Innsbrucker Stadtspitals, der Institute und Kliniken. In : Bodner Ernst (Hg.) : Die Medizinische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 190), Innsbruck 1992, 11–16, hier : 15. Fritsch Peter : Die Geburt der Innsbrucker Medizinischen Fakultät. Ein Rückblick nach 125 Jahren. Medpress, Jänner 1995, 22, u. Gasser Rudolf Josef : Zur Geschichte der medizinischen Fakultät der
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Einige Jahre später folgte der Bau des vierten Pavillons (1892–1894). 1894 konnte der Pavillon für Psychiatrie und Nervenpathologie, Dermatologie und die Hals-, NasenOhrenklinik eröffnet werden. 1898/99 folgte das „Siechenhaus“10. „Mittlerweile waren auch die Neubauten des Pharmakologischen Institutes (1900), sowie des Instituts für Physiologie, Hygiene und Experimentelle Physik (1904) fertiggestellt worden.“11
1901 folgte der Pavillon für die Kinderklinik12 und ein Jahr später die Infektions abteilung – das „Epidemiespital“.13 „Mit diesen Bauten war das große Konzept der Anlage der Innsbrucker Medizinischen Fakultät … (die) im wesentlichen (1969) noch besteht, abgeschlossen.“14 In der Zwischenkriegszeit erfolgten die Errichtung der Klinik für Neurologie und Psychiatrie (Eröffnung 1937) und verschiedener Zubauten.15 Universität Innsbruck des Innsbrucker Stadtspitals, der Institute und Kliniken. In : Bodner Ernst (Hg.) : Die Medizinische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 190), Innsbruck 1992, 11–16, hier : 15. Huter Franz : Hundert Jahre medizinische Fakultät, Bd. 1, 115–154. Zur Rekapitulation nochmals die drei früheren Pavillonbauten (1885–1887) : Medizinische Klinik, Chirurgische Klinik, Verwaltungsgebäude (mit Frauen- und Augenklinik) und Wirtschaftsgebäude (einschl. der Wohnung für die Barmherzigen Schwestern). Dieses Gebäude, das schließlich allein die Dermatologische Klinik umfasste, dient dieser Klinik noch heute. Fritsch Peter : Die Geburt der Innsbrucker Medizinischen Fakultät. Ein Rückblick nach 125 Jahren. Medpress, Jänner 1995, 22, u. Gasser Rudolf Josef : Zur Geschichte der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck des Innsbrucker Stadtspitals, der Institute und Kliniken. In : Bodner Ernst (Hg.) : Die Medizinische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 190), Innsbruck 1992, 11–16, hier : 15. 10 Gasser Rudolf Josef : Zur Geschichte der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck des Innsbrucker Stadtspitals, der Institute und Kliniken. In : Bodner Ernst (Hg.) : Die Medizinische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 190), Innsbruck 1992, 11–16, hier : 15. 11 Fritsch Peter : Die Geburt der Innsbrucker Medizinischen Fakultät. Ein Rückblick nach 125 Jahren. Medpress, Jänner 1995, 22, s. auch Huter Franz, : Hundert Jahre medizinische Fakultät, Bd. 1, 158–162. 12 Huter Franz : Hundert Jahre medizinische Fakultät, Bd. 1, 154–156. 13 Huter Franz : Hundert Jahre medizinische Fakultät, Bd. 1, 156f., Zitat : 156, Gasser Rudolf Josef : Zur Geschichte der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck des Innsbrucker Stadtspitals, der Institute und Kliniken. In : Bodner Ernst (Hg.) : Die Medizinische Fakultät der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 190), Innsbruck 1992, 11–16, hier : 15. 14 Huter Franz : Hundert Jahre medizinische Fakultät, Bd. 1, 154–156. 15 Huter Franz : Hundert Jahre medizinische Fakultät, Bd. 1, 170f.
Instituts- und Klinikbauten
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Erst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg setzte wieder eine z. T. rege Bautätigkeit ein, die mit dem Neubau der bombenzerstörten Medizinischen Klinik (1949–1954)16 begann. Nach weiteren räumlichen Zubauten bzw. Neuerrichtungen ab 196017 folgte schließlich der Neubau der Chirurgischen Klinik (1961–1968)18 und der weiteren Bauten über die 1970er-Jahre hinaus.
16 Schübl Elmar : Der Universitätsbau in der Zweiten Republik. Ein Beitrag zur Entwicklung der Universitätenlandschaft in Österreich, Horn u. Wien 2005, 361–392, hier 363. 17 Schübl Elmar : Der Universitätsbau in der Zweiten Republik, 364f. 18 Schübl Elmar : Der Universitätsbau in der Zweiten Republik, 366f.
2.
Lehrstühle und Institute der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Bereits 1869/1870 wurden zehn Lehrstühle besetzt (Anatomie, Physiologische und Pathologische Chemie, Allgemeine Pathologie, Pathologische Anatomie, Staatsarzneikunde/Gerichtliche Medizin, Innere Medizin, Chirurgie, Geburtshilfe/Gynäkologie, Augenheilkunde und Veterinärkunde19). In den Jahren 1870 bis 1880 folgten drei weitere Fächer. Es handelte sich um die Histologie und Embryologie, die Physiologie und die Syphilidologie/Dermatologie. 1880–1890 kam es – ein Nachholbedarf – zur Gründung der Pharmakologie/ Pharmakognosie (1886). Bemerkenswert späte Lehrstuhlgründungen waren die für Psychiatrie und Neuropathologie (1891) und jener der Kinderheilkunde (1892). Im selben Jahr kam es auch zur Errichtung der Klinik für HNO-Krankheiten und erst 1905 zu jener für Zahn- und Kieferheilkunde.20 Erledigte Lehrstühle (durch Emeritierungen, Pensionierungen und Auswärtsberufungen) wurden nach der Errichtung laufend wieder besetzt. Zur Gewinnung der Lehrkanzelvorstände hier ein kurzer Kommentar. Diese kamen aus den Ländern der damaligen Monarchie (gebürtig insbesondere aus Böhmen und Mähren), aus der hiesigen Universität oder aus dem deutschsprachigen Ausland. Auslandsberufungen betrafen vor allem Dozenten von deutschen Universitäten. Auf die wichtige Rolle von Böhmen und Mähren, insbesondere der Universität Prag als Ausbildungsstätte, wurde schon hingewiesen. Von 131 Berufungen handelte es sich an erster Stelle – nach der Auswertung von Franz Huter 21 (1869–1969) – in 55 Fällen (ca. 42 %) um Dozenten aus Wien. Berufungen aus Wien standen also erwartungsgemäß an erster Stelle. Die Wiener Medizinische Schule hatte ja bekanntlich auch international eine Spitzenposition inne, die um 1900 einen Höhepunkt erreichte.22 Karl Holubar bemerkt dazu : „Medicine in Vienna reached its zenith at the turn of the century and shortly before. By 1900 the great clinicians of surgery, internal medicine, and neurology 19 Festschrift, 230–232. 20 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 187f. 21 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 187–193. 22 Wyklicky Helmut : Wiener Medizin und Jahrhundertwende. In Berner Peter, Brix Emil u. Mantl Wolfgang (Hg. Wien um 1900 – Aufbruch in die Moderne), Wien 1986, 69–72.
Lehrstühle und Institute der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
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were recently deceased or soon to die (Theodor Billroth in 1894, Theodor Meynert in 1892, and Hermann Nothnagel in 1905). Such was also the case for the grand old man of experimental pathology, Salomon Stricker, who died in 1898. Even so, three Nobel Prizes were awarded to Vienna physicians in the first 30 years of the new century : Robert Bárány in 1915, Julius Wagner Jauregg in 1927, and Karl Landsteiner in 1930. It is clear, however, that the origins and designs of their studies were anchored firmly in the Fin de Siècle period.“23 Bei den Berufungen nach Innsbruck nahmen solche aus Wien und der Wiener Medizinischen Schule in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen kontinuierlich ab. Die von der Innsbrucker Fakultät erstellten Berufungsvorschläge erhielten dann häufig neben einer Liste in Österreich wirkender Dozenten/Professoren eine solche mit Kollegen aus Deutschland. Das Wiener Ministerium für Kultus und Unterricht zog meist – mit Ausnahmen – einen Ruf an inländische Bewerber vor. Trotzdem nahmen die Berufungen aus Deutschland zu und zwar bis zu den krisenhaften Jahren vor dem zweiten Weltkrieg. Ein negatives Beispiel für sich hinziehende Berufungskonflikte war jenes bezüglich des Professors für Neurologie und Psychiatrie in den 1930er-Jahren. An zweiter Stelle standen Dozenten der Innsbrucker Schule (33 Berufungen = ca. 25 %).24 Die dritte Position nahmen Dozenten von deutschen Universitäten ein. Von dort kamen 21 Dozenten/Professoren (ca. 16 %). An erster Stelle der Herkunftsuniversitäten stand dabei Leipzig.25 Die Berufungen von deutschen Kollegen an die Universitäten der Habsburgermonarchie hatte seit den Thun-Hohenstein’schen Reformen (1849–1860) begonnen. Zunächst war dies durch Berufungen v. a. nach Wien der Fall. Ein Paradigma dafür ist Ernst Wilhelm v. Brücke, Wiener Ordinarius für Physiologie 1849–1890. Dieser war die damals wohl wirkungsmächtigste Persönlichkeit und ein früher Förderer verschiedener Richtungen der biomedizinischen Forschung. Dies ging weit über die Physiologie hinaus.26 23 Holubar Karl : L’Esprit de la Fin de Siècle. In : Holubar Karl, Schmidt Cathrin und Wolff Klaus : Challenge Dermatology – Vienna 1841–1992, Wien 1993, hier 53–76, Zitat : 60. 24 Huter spricht von Innsbrucker Eigenbau, die Mehrzahl dieser Innsbrucker Berufungen erfolgte nach 1945, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 189. 25 Insgesamt war die Streuung der deutschen Herkunftsuniversitäten stark, nur Leipzig war, wie erwähnt, mehrfach vertreten. Bei den Berufungen aus Leipzig, Berlin und anderen deutschen Universitäten handelte sich in einer nicht geringen Zahl um Wissenschaftler und Kliniker von österreichischer Herkunft, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 189. 26 Die Berufung Ernst Brückes an die Medizinische Fakultät der Universität Wien im Jahre 1849 leitete eine bedeutende Ära der experimentell-naturwissenschaftlichen Forschung ein. Von E. W Brücke empfingen bekanntlich auch eine Reihe Nachbardisziplinen der Theoretischen Medizin und Physik,
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
In Innsbruck setzte man sich für die Gewinnung deutscher („reichsdeutscher“)27 Professoren an der neu gegründeten – räumlich zunächst völlig ungenügend ausgestatteten – Chirurgischen Klinik (1869) ein.28 Dies blieb zunächst ein einmaliges Ereignis und setzte sich – weiterhin nur vereinzelt – zuerst in den Grundlagenfächern fort.29 Bei den Berufungen aus Innsbruck selbst („Innsbrucker Eigenbau“30) handelte es sich meist um Dozenten/Professoren, die sich an Auslandsuniversitäten und Forschungsinstitutionen profilieren konnten.
2.1 Die theoretischen Institute 2.1.1 Lehrkanzel und Institut für Anatomie Für die Berufungen auf den Lehrstuhl der (deskriptiven) Anatomie nach Innsbruck waren – im Zeitraum 1869 bis 1938 – die anatomischen Schulen von Wien, aber auch von Prag sowie von Breslau31 und Leipzig maßgeblich. Aus der Wiener Schule kamen K. Dantscher, M. Holl, F. Hochstetter, von der Prager Universität R. Fick (mit Bezug auch zu Würzburg und Leipzig)32 und schließlich F. Sieglbauer (auch Wien und Leipzig)33. Aus der Breslauer Schule kam der aus Jena stammende W. Roux. Wegen der engen Beziehung zur Wiener Anatomie zunächst Vorbemerkungen zu einigen Wiener Lehrkanzelvorständen :
der klinischen Fächer und weitere naturwissenschaftliche Disziplinen und die Ästhetik „kräftige Impulse“, s. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 235–269, hier : 237–245, Zitat : 237 und Lotter Konrad : Physiologische Ästhetik. In Henckmann Wolfhart und Lotter Konrad (Hg.) : Lexikon der Ästhetik, München ²2004, 290–293. 27 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 189. 28 Der erstberufene Professor für die Chirurgie, Karl R. v. Heine, der 1869–1873 in Innsbruck Ordinarius war, s. Huber Paul : Lehrkanzeln und Klinik für die Chirurgischen Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 317–338, hier : 318, s.a. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 141–152. 29 Ein besonderes Beispiel war der aus Breslau hierher berufene Wilhelm Roux, Innsbrucker Ordinarius für Anatomie 1889–1895, Roux, ein bahnbrechender Entwicklungsgeschichtler (Spezialgebiet „Entwicklungsmechanik“) ging anschließend nach Halle a. S. 30 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 189. 31 Breslau kam 1742 an Preußen und stand bis 1945 unter deutscher Verwaltung. Vorher hatte das Herzogtum Breslau zur Habsburgermonarchie gehört (1526–1742), s. Köbler Gerhard : Historisches Lexikon der deutschen Länder, 97. 32 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 96 u. 104f. 33 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 96 u. 104.
Lehrstühle und Institute der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
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2.1.2 Zu den Wiener Lehrkanzeln der Anatomie Hier seien zuerst Joseph Hyrtl (1810–1894)34 und seine Schule erwähnt. Dieser wurde in Eisenstadt (heute Landeshauptstadt des Burgenlandes) geboren. Er promovierte 1835 in Wien zum Doktor der Medizin. Er war zunächst in Wien Prosektor bei Joseph Berres (1796–1844).35 Bereits zwei Jahre später wurde er zum Professor für Anatomie in Prag ernannt (1837–1845)36. Ludwig Türkheim37, der „kongeniale Fortsetzer“38 des Studienreformwerkes von Johann Peter Frank39, förderte auch Hyrtls Berufung nach Wien (Ordinarius 1845–1874). Hyrtl war ein exzellenter anatomischer Präparator und legte eine Sammlung von anatomischen Korrosionspräparaten an.40 „Seine anatomischen Präparate waren Muster der Zergliederungskunst und zierten die anatomischen Museen vieler Länder. Die Wiener Sammlung übertraf durch die Reichhaltigkeit der Rassenschädel, Gefässvarietäten, mikroskopischen Injectionen und Präparaten von Sinnesorgangen, besonders des Gehörganges, alle übrigen Sammlungen. Außerdem schuf er
34 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 240–246, u. Gerabek Werner E.: Hyrtl, Joseph. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 649f. 35 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 95f. 36 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 96–98. 37 Ludwig Türkheim (1777–1846) war Sohn des einflussreichen Staatsrates Karl Ludwig v. Türkheim. Geboren in Wien, promovierte er dort zum Doktor med. (1800). Dem Willen seines Vaters nachkommend, hatte er zusätzlich zur Medizin Rechtswissenschaft studiert. Sein wichtigster medizinischer Lehrer war Johann Peter Frank. Nach der Promotion war er praktischer Arzt. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte sich Türkheim jenen jungen Ärzten angeschlossen, die sich zu Sitzungen einer Ärztegesellschaft trafen. Im Hause eines weiteren Schülers von Johann Peter Frank, nämlich bei Johann Malfatti (1775–1859), kam es dann auch zur Gründung der Wiener Gesellschaft der Ärzte (1837). Durch sein ärztliches Handeln machte sich Türkheim „einen so ausgezeichneten Namen, dass seine Berufung in den Staatsdienst erfolgte“. Als Sanitätsreferent der k.k. vereinigten Hofkanzlei gewann er zunehmend Einfluss. Er wurde schließlich auch Vizedirektor des medizinisch-chirurgischen Studiums. Zusätzlich wirkte er an der Wiener Universität als Rektor (1817 u. 1829). Nach dem Tod von Andreas v. Stifft (1836) hatte Türkheim in der Studienhofkommission weitgehend freie Hand. Jetzt leistete er alles, um der Wiener II. Medizinischen Schule zum Durchbruch zu verhelfen. „Besonders in der Wahl der leitenden und lehrenden Kräfte besaß er einen Scharfblick ohne Gleichen, und verstand es, seine Anträge … zur Ausführung zu bringen.“ Zitate : Wurzbach Konstant v.: Biographisches Lexikon, Theil XLVIII, 88–90, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 121–125. 38 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 121. 39 Sahmland Irmtraud : Frank, Johann Peter. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 420f. 40 Mit dieser Methode konnten durch die Injektion von erstarrenden Substanzen Gefäße und Hohlraumsysteme dargestellt werden. Korrosionspräparate von Hyrtl gingen in die ganze Welt, „von Kasan bis Philadelphia, von Stockholm bis Rio de Janeiro“, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 240.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
ein Museum der vergleichenden Anatomie, das später der Lehrkanzel für Zoologie überlassen wurde“.41 In Hyrtls Werk nahm die Vergleichende Anatomie eine zentrale Stellung ein. Obwohl dieser charismatische Humanist die Anatomie als „eine philosophische Wissenschaft“42 ansprach, war er ein exakter Präparator und Empiriker. Er schuf ein vergleichend-anatomisches Museum mit etwa 5.000 Präparaten.43 Hyrtl bemühte sich um die Gewinnung des Physiologen Ernst Wilhelm v. Brücke 44, doch kam es später – auch bezüglich der Abgrenzung zwischen Anatomie und Physiologie – zu heftigen Auseinandersetzungen.45 Hyrtl war ein hoch gebildeter, wegen seiner Rhetorik bewunderter Lehrer. Unbestritten blieb Hyrtls Ruhm als akademischer Festredner.46 Er war Wiener Rektor 1864/65. Hyrtls Rektoratsrede „Die materialistische Weltanschauung unserer Zeit“47 gab allerdings zu heftigen Polemiken Anlass.48 Hyrtl lehrte zunächst in der alten Universität (1845–1849), dann im Josephinum (1849–1856)49 und schließlich in „Räumen einer ehemaligen Gewehrfabrik, die vor dem Pferdeställe waren“.50 1874 emeritierte Hyrtl wegen zunehmender Beeinträchtigung durch eine Sehschwäche. Danach beschäftigte er sich bis zu seinem Tod 1884 „mit kritischen Untersuchungen über die Geschichte der Anatomie und der anatomischen Terminologie, deren Ergebnisse den Inhalt mehrerer Werke bildeten“.51 41 Akademischer Senat der Wiener Universität (Hg.), Geschichte der Wiener Universität, 190. 42 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 242, Zitat aus Hyrtls Lehrbuch der Anatomie des Menschen (Wien 71862), 13. 43 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 242. 44 Später entwickelte sich zwischen Hyrtl und Brücke eine jahrelange Fehde, eine z. T. „ins persönliche übergreifende, wissenschaftliche Kontroverse.“Brücke Ernst Theodor : Ernst Brücke, Wien 1928, 33f. u. 38–41, Zitat : 41. 45 Auch wird erzählt, dass Hyrtl Versuchstiere aus dem Brücke’schen Laboratorium „heimlich fütterte“, um ihren Hunger zu stillen. Lesky Erna : Meilensteine, 95f., s.a. Brücke Ernst Theodor : Ernst Brücke, 38–41, Zitat : 38. 46 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 242. 47 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 244. 48 Der „Antimaterialist“ Hyrtl glaubte, Brücke widersprechend, noch an die Macht der „Lebenskraft“, s. Lesky Erna : Meilensteine, 95. 49 Tragl Karl Heinz : Chronik, 89–91. 50 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 244. 51 Akademischer Senat der Wiener Universität (Hg.), Geschichte der Wiener Universität, 190. Hyrtl widmete sein großes Vermögen Stipendien für Studierende der Medizin und zur Errichtung eines Waisenhauses in Mödling.
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Nachfolger von Hyrtl war Carl Langer (1819–1887)52. Dieser war Vorstand der I. Wiener Anatomie (1874–1887) und hatte bereits von 1870 bis 1874 die II. Wiener Anatomische Lehrkanzel geleitet.53 Letztere wurde am Josephinum eingerichtet, wo Langer neben der Anatomie auch die Physiologie vertreten hatte. Sein besonderes Interesse galt dem Bewegungsmechanismus der Gelenke.54 Langer hatte ähnlich wie Hyrtl hervorragende Mitarbeiter, so Carl Toldt und Emil Zuckerkandl (später Ordinarii der Anatomie in Wien), Moritz Holl (in Innsbruck und Graz), Carl Rabl (in Prag), Ferdinand Hochstetter (in Innsbruck und Wien) u. a.55 Der geborene Pustertaler und aus Prag 1884 berufene56 Carl Toldt (1840–1920)57 wurde zunächst mit dem Bau einer neuen Anatomie als Doppelgebäude für die beiden anatomischen Lehrkanzeln betraut.58 Toldt veröffentlichte zusammen mit seinem Mitarbeiter, dem ao. Prof. Alois Dalla Rossa (1847–1919)59, den Toldt’schen Anatomischen Atlas 60, ein Standardwerk der Anatomie mit zahlreichen Auflagen und Übersetzungen in mehrere Sprachen. Dieser Atlas eroberte „die Seziersäle der ganzen Welt“.61 Unter welch schwierigen Bedingungen bis zum Neubau der Anatomie gelehrt und studiert werden musste, schildert ein Bericht des Akademischen Senats (1898) : Die Räumlichkeiten der Anatomie „… waren in jeder Hinsicht ungeeignet. Der Hör saal war klein, dunkel, niedrig, so dass die obersten Sitzreihen bei der aufsteigenden Anordnung der Bänke bis an die Decke reichten. Die Seciersäle machten den Eindruck von schlecht gehaltenen Viehställen, aber nicht von Arbeitsräumen für Studierende. Allerdings sollten diese Localitäten nur ein provisorisches Unterkommen bieten, und es wurde schon 1854 der Bau einer anatomischen Anstalt in Aussicht gestellt ; aber es vergingen Jahrzehnte, bis diese Absicht ausgeführt wurde …“62 52 Akademischer Senat der Wiener Universität (Hg.), Geschichte der Wiener Universität, 191. 53 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 553. 54 Wyklicky Helmut : Das Josephinum, 118f. 55 Akademischer Senate der Wiener Universität (Hg.), Geschichte der Wiener Universität, 191. 56 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 100f. 57 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 505–507. 58 Toldt wurde vom Ministerium beauftragt, „die Baupläne für das anatomische Unterrichtsgebäude in Bezug auf die fachlichen Bedürfnisse, denen dabei Rechnung getragen werden musste, zu prüfen. Er war dazu ganz besonders berufen, da er schon bei dem Bau der Anatomie in Prag als fachmännischer Rathgeber mitgewirkt hatte.“ Der Bau wurde 1885 begonnen und konnte nach 15 Monaten weitgehend fertiggestellt werden, s. Akademischer Senat der Wiener Universität (Hg.), Geschichte der Wiener Universität, 191. 59 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 101. 60 Berlin u. Wien, 1896–1900, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 506. 61 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 101. 62 Akademischer Senat der Wiener Universität (Hg.), Geschichte der Wiener Universität, 192.
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Zu erwähnen sind in der Nachfolge von C. Langer63 insbesondere Emil Zuckerkandl (Vorstand der Anatomie I 1888–1910) und Julius Tandler (ebendort 1910–1934) sowie der aus Innsbruck nach Wien berufene Ferdinand Hochstetter (Vorstand der II. Wiener Anatomie 1908–1932).64 Emil Zuckerkandl (1849–1910)65 konnte seit seiner Berufung 1888 an die Wiener Anatomie I „im damals modernst ausgestatteten Anatomie-Gebäude“66 die Anatomie in ihrer ganzen Breite in Lehre und Forschung vertreten.67 Zuckerkandl ist auch der Meinung, dass „die Anatomie die Generalstabskarte für die Operationen der Ärzte ist“68. Sein besonderer Schwerpunkt war die Anatomie des Hals-Nasen-Ohren-Bereiches, wozu er auch mehrere entwicklungsgeschichtliche Arbeiten publizierte. Als wichtigstes Lebenswerk Zuckerkandls kann der vierbändige Atlas der topographischen Anatomie des Menschen (Wien 1899–1904) bezeichnet werden69. Zuckerkandl ist – in einem zeitgenössischen Kunstwerk dargestellt – ein Lehrer mit beispielhafter Dynamik, während Carl Langer einen Forscher in „kontemplativer Versunkenheit“70 repräsentiert. Ferdinand Hochstetter (1861–1954) war Vorstand der Anatomie II in Wien (1909–1932). Er wurde von Innsbruck nach Wien berufen. Zu seinen Lebensdaten und Tätigkeiten in Innsbruck (1896–1908) siehe unten. Julius Tandler (1869–1936)71 war ein Schüler von Emil Zuckerkandl. Sein besonderes anatomisches Interesse galt der Entwicklungsgeschichte und den Zusammenhängen zwischen Anatomie und deren funktionelle Aspekte. Sein Lehrbuch der systematischen Anatomie (4 Bde., 1918–1929) bringt dies u. a. zum Ausdruck. Seine besonderen Interessen betrafen Herz, Prostata und die Konstitutionslehre. Tandler war ein Pionier auf sozialem Gebiet, Unterstaatssekretär des Volksgesundheitsamtes (1919/20), Amtsführender Stadtrat (1920–1934) der Gemeinde Wien für das Wohlfahrtswesen und Initiatior/Verwirklicher eines geschlossenen Sys63 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 553. 64 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 553. 65 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 509–512. 66 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 510. 67 Dies galt sowohl für die deskriptiv-morphologisch, die vergleichend-anatomische, die entwicklungs geschichtliche, anthropologische und v. a. die topographische Anatomie, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 510f. 68 Zuckerkandl Emil : WMPr 29 (1888), 1539, zitiert bei Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 511. 69 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 512. 70 Beiden Professoren der Anatomie ist ein Denkmal gesetzt, das Anton Hanak für die Arkaden des Wiener Universitätshauptgebäudes 1924 fertigstellte, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 512. 71 Tragl Karl Heinz : Chronik, 19f., u. Sablik Karl : Tandler, Julius. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1379.
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tems der Fürsorge. Schwerpunkte seiner sozialen Tätigkeiten waren Jugendfürsorge, die Mütterberatung, das Schularztwesen u. a. Er engagierte sich als einflussreicher Sozialpolitiker im Kampf gegen die Tuberkulose, gegen den grassierenden Alkoholismus (in der Zeit der Massenarbeitslosigkeit) und in der Bekämpfung von Krebserkrankungen. Tandler wurde 1934 sowohl als Professor als auch als führender Wiener Gemeindepolitiker zwangspensioniert und vorübergehend verhaftet. Er besuchte im Rahmen seiner Vorlesungstätigkeit die USA, Russland und China etc. Bereits zwei Jahre nach dieser ihn entwurzelnden Vertreibung verstarb er. 2.1.3 Zur Innsbrucker Lehrkanzel der Anatomie a) Erster Professor der Anatomie war Karl Dantscher von Kollesberg. Dieser war im Rahmen der neu errichteten Fakultät anatomischer Ordinarius von 1869 bis 1887. Zu seiner früheren Tätigkeit im Rahmen des Lyzeums siehe oben. Karl Dantscher (1813–1887) stammte aus Pettau in der damaligen Steiermark. Nach seiner Promotion in Wien (1838) unterzog sich Dantscher einer Prüfung zum Magister der Geburtshilfe. 1844 wurde er Prosektor der Anatomie (bei Joseph Berres72). Nach seiner Berufung 1846 wirkte er durch 36 Jahre (bis 1882) als Professor der deskriptiven Anatomie73. Dantscher war gleichzeitig Lehrbeauftragter für pathologische Anatomie (1848–1869)74 und gerichtliche Arzneikunde (1859–1869). Weiters las er „praktische Demonstrationen aus der Physiologie“ (1855–1857). Zusätzlich hatte er Theoretische Medizin (Physiologie, Allgemeine Pathologie, Allgemeine Arzneimittellehre) suppliert (1855/1856). Ebenso hatte er die Tierseuchenlehre und Veterinärkunde vertretungsweise geleitet (1869). Schließlich lehrte er Erste Hilfe, damals unter dem Titel „Rettungsmittel beim Scheintod und in plötzliche Lebensgefahr geratene Menschen“75. Nachdem Dantscher sich unermüdlich für die Neuerrichtung der Medizinischen Fakultät eingesetzt hatte, wurde er bereits im Studienjahr 1869/70 erster Dekan und 1870/71 auch Rektor der Universität.76 Er war ein „glänzender Lehrer“77, der neben den Medizinern auch Hörer an72 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 95f, 73 Festschrift, 230f. 74 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 16. 75 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 16. 76 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 471f. 77 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 201–210, Zitat 201.
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derer Fakultäten, v. a. der Philosophischen Fakultät, anzog.78 Er legte – durchaus im Geiste seines Studienkollegen Joseph Hyrtl (1811–1893)79 – eine umfangreiche Sammlung anatomischer Korrosionspräparate80 an und widmete sich besonders der topographischen Anatomie.81 Aufgrund seiner vielfältigen Aufgaben in der Lehre und der Neuerrichtung der Fakultät trat seine Publikationstätigkeit zurück.82 b) Der Nachfolger Dantschers wurde Moritz Holl.83 Holl leitete die Innsbrucker Anatomie 1882–1889. Holl war Schüler des Wiener Anatomen Joseph Hyrtl 84 und von Carl v. Langer 85. 1889 nach Graz berufen wirkte er dort als Nachfolger von Emil Zuckerkandl 86 durch 31 Jahre (1889–1920)87. Holl dokumentierte „ein erschütterndes Bild vom Zustand seiner Anstalt, vom Mangel an Raum und Hilfskräften, von den ungenügenden Mitteln für Demonstra78 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 93–98, hier : 96. 79 Gerabek, Werner E., Hyrtl, Joseph. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, 649f., s.a. Huter Franz : Lehrkanzel und Institut für Anatomie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 201–209, hier : 201. 80 Die damalige Anatomie sah ein besonderes Anliegen darin, von den verschiedenen Organen und Körperbereichen dauerhafte Präparate herzustellen. Dazu injizierte man z. B. erstarrende Substanzen (Wachs, Harze etc.) kunstvoll in die feinsten Anastomosen (Arterien, Venen und Lymphgefäße). Hyrtl war darin besonders initiativ und erfolgreich, wobei das Gewebe um die gefüllten Gefäße weggeätzt wurde. In der Wiener Medizinischen Schule sprach man geradezu von der Zeit der Korrosionsanatomie. Dantscher wurde sogar vom damals in Innsbruck wirkenden Ophthalmologen Ludwig Mauthner als der „damals tüchtigste Forscher auf dem Gebiet der Corrosionsanatomie“ bezeichnet, s. Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, Zitat : 201, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 239f. 81 Die topographische Anatomie ist jene Richtung in der Anatomie, die räumliche Verhältnisse und die Lage der einzelnen Organe, Gefäße etc. zueinander detailgerecht beschreibt. Dies ist v. a. für die operativen Fächer von besonderer Wichtigkeit. 82 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 92–95, hier : 95. 83 Moritz Holl (1852–1920) stammte aus Wien und promovierte dort 1876. Er war ein Schüler der Anatomen Joseph Hyrtl und Carl Langer Ritter von Edenberg (1819–1887), wo er als Demonstrator wirkte. Holl ging dann als Operationszögling zu Johann Heinrich Dumreicher Frhr. von Österreicher (1815–1880). Es folgte (1876) wieder eine Tätigkeit am Wiener Anatomischen Institut, wo er bei Langer 1881 habilitierte, s. Huter Franz : Lehrkanzel und Institut für Anatomie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 201f. 84 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 240–246. Hyrtl war Wiener Ordinarius für Anatomie 1845–1874. 85 Langer war Ordinarius an der Wiener Anatomie I (1874–1887) und vorher der Anatomie II (1870– 1874). Langers Anliegen war „die Anatomie physiologisch zu betreiben“, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 246–248, Zitat : 247. 86 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 509–512. 87 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 547.
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tionen ; die von früher her vorhandenen seien zu Grunde gegangen“.88 Darauf bewilligte das Ministerium einen Neubau des Instituts für Anatomie. Dieser Neubau wurde am 12. November 1889 eröffnet.89 Kurz vorher war Holl der Berufung nach Graz gefolgt. Auf sein „reiches wissenschaftliches Werk“90 wird besonders hingewiesen. In Innsbruck schrieb er sein Buch „Operationen an der Leiche“ (1883).9192 c) Nachfolger von Moritz Holl wurde der Anatom und Entwicklungsbiologe Wilhelm Roux.93 Roux war vorher Leiter des Institutes für Entwicklungsmechanik in Breslau, das von ihm dort Abb. 37 : Moritz Holl 92 aufgebaut worden war.94 Er wirkte in Innsbruck von 1889 bis 1895 und folgte dann einer Berufung nach Halle an der Saale. Dort lehrte er von 1895–1921. Der in Jena geborene Roux (1850–1924)95 hatte in seiner Heimatstadt sowie in Berlin und Straßburg Medizin studiert (1870–1877). Wichtigste Lehrer waren dabei Ernst Haeckel 96, Jena, und Rudolph Virchow97, Berlin. Er dissertierte 1878 in Jena, anschließend war er Assistent am Hygienischen Institut in Leipzig (1878/79), ging dann zum Anatomen Karl Hasse nach Breslau (1879–88), wo er 1880 habilitierte. Er wurde 1886 ao. Professor für Anatomie und 1888 Leiter des neuen Instituts für
88 Huter Franz : Lehrkanzel und Institut für Anatomie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 201. 89 Huter Franz : Lehrkanzel und Institut für Anatomie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 202. 90 Huter Franz : Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 201f. (mit weiteren Angaben zu Holls wissenschaftlicher Tätigkeit) u. Bodner Ernst : Medizinische Fakultät, 37 (Zitat). 91 Zusätzlich widmete er sich Untersuchungen des reichlich vorhandenen Schädelmaterials. Bodner Ernst : Medizinische Fakultät, 37. 92 Huter Franz : Hundert Jahre, Anhang Bilder, Nr. 3. 93 Kirschner Stefan : Roux, Wilhelm. In : NDB 22, Berlin 2005, 149f. 94 Tshisuaka Barbara I.: Roux, Wilhelm. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1271f., hier : 1272. 95 Kirschner Stefan : Roux Wilhelm. In : NDB, 22, Berlin 2005, 149f. 96 Wenzel Manfred : Haeckel Ernst. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 521f. 97 Andree, Christian : Virchow, Rudolf. In : Enzyklopädie Medizingeschichte 3, 1445–1447.
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Entwicklungsgeschichte und Entwicklungsmechanik in Breslau98. Jetzt folgte die Berufung nach Innsbruck. 99 Bereits in seiner Breslauer Zeit schrieb Roux u. a. „Beiträge zur Morphologie der funktionellen Anpassung“ (1883–1885) und die „Beiträge zur Entwicklungsmechanik des Embryo“ (1885–1888).100 Roux wurde nach eingehender Beratung im Innsbrucker Kollegium und nach dem Majestätsvortrag durch den Unterrichtsminister Paul Freiherr von Gautsch von Kaiser Franz Joseph am 23. August 1889 ernannt.101 Die Berufung des Breslauer Entwicklungsmechanikers war zunächst nicht unumAbb. 38 : Wilhelm Roux 99 stritten.102 Im Vorschlag der Innsbrucker Fakultät standen nach Roux eine Reihe inländischer Anatomen mit Ferdinand Hochstetter (s. u.) an der Spitze.103 Es war das Gutachten des Innsbrucker Pathologen Gustav Adolf Pommer, das den Ausschlag für die Nominierung von Roux an erster Stelle gab.104 98 Tshisuaka Barbara I.: Roux, Wilhelm. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1271f. 99 Huter Franz : Hundert Jahre, Anhang Bilder, Nr. 4. 100 Huter Franz : Lehrkanzel, 203. 101 Huter Franz : Lehrkanzel, 203f, Zitat 203. Eine Minderheit des Innsbrucker Professorenkollegiums hatte sich bei der Nominierung „grundsätzlich gegen die Berufung von Ausländern“ ausgesprochen. Dieser Meinung schloss sich im Hinblick auf die hervorragenden bisherigen Leistungen von Roux weder die Mehrheit des Professorenkollegiums noch der Minister und schließlich der Kaiser an. Es war allerdings durchaus Usus des Wiener Unterrichstministeriums, hervorragende inländische Fachleute bei Berufungen bevorzugt zu berücksichtigen. 102 Auch der zuständige Minister betonte die herausragende Qualifikation von Roux. Er versicherte sich jedoch vorher beim Wiener Professor für Histologie Victor v. Ebner (1842–1926). Es ging dabei auch um eventuelle Gemeinsamkeiten zu den Schriften Darwins und ob es allenfalls deswegen Schwierigkeiten geben könnte. Ebner antwortete, dass nicht anzunehmen sei, „er würde wie Haeckel (1834–1919) religiöse Empfindungen verletzen …“, s. Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 204. 103 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 203. 104 Roux habe „auf dem Gebiet …der Entwicklungsgeschichte eine Reihe hochwichtiger, ja epochenmachender und zugleich für die gesamte Biologie wichtige Errungenschaften (veröffentlicht)…“. Pom-
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Roux hielt außer den Vorlesungen über Systematische und Topographische Anatomie und den zugehörigen Sezierübungen in jedem Sommersemester eine Vorlesung über das Spezialfach Entwicklungsmechanik.105 Während seiner Innsbrucker Zeit begründete Roux auch das „Archiv für Entwicklungsmechanik“106. Er vertiefte hier seine Vorstellung und die Lehre zum Aufbau funktioneller Organstrukturen. Er hatte die experimentelle Evidenz erarbeitet, dass es in den einzelnen Geweben eine Selbstgestaltung der Zweckmäßigkeit gäbe. Diese erfolge durch das Zusammenwirken von phylogenetischer Evolution und lokalen Anpassungsfaktoren.107 „Die Einsicht, dass der Verlauf der Entwicklung durch die Erbanlagen nicht vollständig determiniert sein könne, veranlasste Roux zu der fortschrittlich anmutenden Feststellung, dass im Embryo Ordnung auch durch die sich wechselseitig arrangierenden und regulierenden Zellen zu Stande kommen kann. Das entspricht dem modernen Begriff der ‚Selbstorganisation‘ …“108
d) Die nächste Berufung auf die Anatomische Lehrkanzel war jene von Ferdinand v. Hochstetter.109 Sein Wirken in Innsbruck dauerte von 1896 bis 1908110. Er nahm dann als Nachfolger von Carl Toldt (1840–1920)111 einen Ruf an die zweite Lehrkanzel für Anatomie in Wien an, dort lehrte er 1908–1932.112 Ferdinand v. Hochstetter (1861–1954) stammte aus Hruschau in Österr.-Schlesien. Er promovierte in Wien 1885 und war dann (1884–1892) Assistent an der ersten Wiener Anatomischen Lehrkanzel bei Carl Langer von Edenberg (1819– 1887)113 und Emil Zuckerkandl (1849–1910). Er hatte sich in Wien habilitiert (1888) und wurde dort auch ao. Professor (1892). mer gewann die Zustimmung des Kollegiums zur Nominierung primo loco. Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie : In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Zitat 203. 105 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 201f. 106 Kirschner Stefan : Roux, NDB, Bd. 22, 150. 107 Wieser Wolfgang : Gehirn und Genom. Ein neues Drehbuch für die Evolution. München 2007, 81–84, s.a. Carroll Sean B.: EVO DEVO. Das neue Bild der Evolution, Berlin 2008, 17–23. 108 Wieser Wolfgang : Gehirn und Genom. Ein neues Drehbuch für die Evolution., 80f., s.a. Sander K., Schmidt-Ott U.: Evo-devo aspects of classical and molecular data in a historical perspective. J. exp. Zool. (Mol. Dev. Evol.) 302B, (2004) 69–91. 109 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 204–206. 110 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 508. 111 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 504–507. Toldt war Ordinarius der II. Wiener Anatomie (1884–1908). 112 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 553. 113 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 246–248. Langer war Ordinarius für Anatomie (1874– 1887), sein Nachfolger Zuckerkandl von 1888 bis 1910.
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Während seiner Innsbrucker Zeit wirkte er als begeisterter Lehrer und Forscher.114 In der Lehre ging es ihm – neben entwicklungsgeschichtlichen Fragestellungen – um die möglichst exakte Darstellung anatomischer Verhältnisse, wobei ihm die Anwendbarkeit für die Klinik besonders wichtig war. „Hochstetter war ein glänzender Präparator mit phänomenaler Fertigkeit in der anatomischen Technik und mit erfinderischer Fähigkeit in der genauesten und natürlichsten Darstellung subtilster Körperteile und Einzelheiten“.115 In den funktionellen Deutungen Abb. 39 : Ferdinand Hochstetter 117 hielt sich Hochstetter dagegen eher zurück.116117Von den Publikationen erwähnt seien „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Gehirns“ (1898).118 Von grundlegender Bedeutung war seine Publikation über die Entwicklung des Blutgefäßsystems (erschienen im „Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere“ 1902).119 e) Nach dem Weggang von Hochstetter, der als schwerer Verlust empfunden wurde120, konnte für Innsbruck der bisherige Prager Ordinarius Rudolf Fick gewonnen werden.121 Dieser wirkte in Innsbruck 1909–1917. Sein Ziel in der Lehre war, eine funktionell orientierte Anatomie zu vermitteln. Dabei widmete er sich besonders der Anatomie und Mechanik der Gelenke sowie Grundzügen der Vererbungslehre.122 Er war dadurch richtungsweisend für das Grundlagenwissen in der Orthopädie.123 114 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 205. 115 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 205. 116 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 508. 117 Huter Franz : Hundert Jahre, Anhang Bilder, Nr. 5. 118 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 205. 119 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 205. 120 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 205. 121 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 205f. 122 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 205, s.a. Klinische Wochenschrift Jg. 15, 1936, Heft 8, S. 286–287. 123 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 104.
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Rudolf Fick (1866–1939) stammte aus Zürich, promovierte in Würzburg (1888) und war dort 1889–1892 Assistent von Albert v. Koelliker 124. Er habilitierte in Würzburg 1892. His d. Ä.125 holte ihn dann als ao. Prof. nach Leipzig (ab 1892).126 Dort publizierte er 1904 „Anatomie und Mechanik der Gelenke“127 und 1905 „Betrachtungen über die Chromosomen, ihre Individualität, Reduction und Vererbung“. 1906 wurde er – als Nachfolger von C. Rabl 128 – als Ordinarius nach Prag berufen. Bereits drei Jahre später erfolgte seine Ernennung in Innsbruck (15. Mai 1909).129 130 Abb. 40 : Rudolf Fick 130 Fick publizierte wärend seiner Innsbrucker Tätigkeit die Bände 2 und 3 der „Anatomie und Mechanik der Gelenke“131. Die klinisch so bedeutsame Arthroseforschung konnte, da zu dieser Zeit auch der Pathologe Gustav Adolf Pommer wirkte, durch diese beiden Institute erfolgreich betrieben werden. Fick folgte 1917 einer Berufung nach Berlin132, wo er in der Nachfolge von Wilhelm v. Waldeyer133 wirkte (1917–1935).134 124 Gerabek Werner E.: Koelliker, (Rudolf ) Albert von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte 2, 771f. 125 Borck Cornelius : His, Wilhelm d. Ä. In : Enzyklopädie Medizingeschichte 2, 604. 126 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 104. 127 1. Band 1904, erschienen in Bardelebens Handbuch der Anatomie, s. Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 205, s.a. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 104. 128 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 102f., Zitate 103. C. Rabl war auf dem Gebiet der vergleichenden Entwicklungsgeschichte auf Prager Boden bahnbrechend. „Rabl war auf wissenschaftlichem Gebiet ein Kämpfer, der seine Überzeugung mit aller Energie vertrat.“ Dabei hielt er eine unbedingte wissenschaftliche Ehrlichkeit „ganz besonders hoch“. 129 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 205. 130 Huter Franz : Hundert Jahre, Anhang Bilder, Nr. 6. 131 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 205f. 132 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 206, s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 545. Fick war in Berlin Ordinarius an der Anatomie I (1917–1935). 133 Tshisuaka Barbara I.: Waldeyer-Hartz, Wilhelm von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 1465. 134 Euler Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 545.
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Zusammenfassend war Fick „richtungsweisend für die Lösung orthopädischer Probleme“.135 Er war ein hervorragender Kenner der Gelenksmechanik von anatomischer und funktioneller Sicht, wobei er auch mathematische Modellvorstellungen einbezog. Gerühmt wird auch seine wegweisende Rolle bei der Einbeziehung von Röntgenuntersuchungen „für das Verständnis anatomischer Tatsachen“.136 Er war ein besonders engagierter Lehrer, insbesondere auch im praxisbezogenen Unterricht (Seziersaal etc.).137 f ) Der letzte hier zu besprechende Ordinarius für Anatomie war Felix Sieglbauer. Sieglbauer, kam aus der Schule von Carl Toldt (1840–1920), aber auch aus der des Chirurgen Anton v. Eiselsberg (1860–1939)138 u. a. Sieglbauer wirkte in Innsbruck 1918–1946. Sieglbauers Schwerpunkt war die deskriptive und die topographische Anatomie139. Dabei war es sein Anliegen, sein Fach auch in seinen funktionellen Aspekten „begnadet“140 zu vermitteln. Felix Sieglbauer (geboren 1877 in Wien) war Demonstrator am Anatomischen Institut bei C. Toldt (1898–1902) in Wien und Prag, promovierte 1902 und ging dann zu Carl Rabl (1902–1904)141 nach Prag. Anschließend war er Operationszögling bei Anton Freiherr v. Eiselsberg (1904–1905). Er wirkte dann als Assistent neuerlich bei Carl Rabl, jetzt in Leipzig (1905–1915), wo er auch habilitierte (1911).142 Schließlich war er kriegsbedingt Leiter des bakteriologischen Laboratoriums im Belgrader Klinikum. 1918 übernahm er als Nachfolger von Fick die Leitung des Innsbrucker Instituts für Anatomie. Sieglbauers Wirken ist ein Beispiel der engen Verbundenheit der Innsbrucker Medizinischen Fakultät mit Prag und Leipzig.143 Sieglbauer stand in Innsbruck einem Institut vor, das alle Facetten der anatomischen Techniken pflegte. Aus der Hand dieses Meisters auf dem Gebiet des „ana-
135 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 104. 136 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 104. 137 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 105. 138 Wyklicky Helmut : Eiselsberg Anton von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 339. 139 Sieglbauer publizierte v. a. auf dem Gebiet der vergleichenden makroskopischen Anatomie, z. B. Entwicklung der Extremitäten bei Amphibien und Vögeln etc., s. Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 206. 140 Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 207. 141 Carl Rabl war Ordinarius für Anatomie in Prag (1886–1904) und dann in Leipzig (1904–1917), s. Euler Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 550–552. 142 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 104. 143 Sieglbauers Lehrer C. Rabl wirkte in Prag (1886–1904) und in Leipzig (1904–1917), s. Euler HansHeinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 550–552.
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tomischen Modelierens“144 stammen zahlreiche Präparate und Zeichnungen. Noch heute, z. T. im Besitz der Innsbrucker Anatomie, ist auch eine anthropologische Schädel- und Abgusssammlung.145 Der hervorragende Lehrer vermittelte einer großen Zahl von Studierenden wertvolle Grundlinien ihrer Berufsauffassung. Studienunterlage war das „Lehrbuch der normalen Anatomie des Menschen“, sein eigentliches Lebenswerk.146 Diese hervorragende Standardmonografie erschien in zahlreichen Auflagen.147148 Abb. 41 : Felix Sieglbauer 148
2.2 Institut für Histologie und Embryologie 2.2.1 Die Histologie als Forschungs- und Lehrfach in Österreich Die Histologie wurde in Wien zunächst gemeinsam mit der Physiologie gelehrt.149 Man sprach von „höhere(r) Anatomie und Physiologie“.150 144 Sauser Gustav : Vorwort. In : Professorenkollegium der Med. Fakultät der Med. Univ. Innsbruck (Hg.) : Forschungen und Forscher der Tiroler Ärzteschule (1945–1947), Innsbruck 1947, 7–9, Zitat : 8. 145 Ein Teil dieser Sammlung wurde bei einem Bombenangriff im Dezember 1943 zerstört. Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 207. 146 Seit der Erstauflage 1927 sind bis in die 60er-Jahre neun Auflagen davon erschienen, s. Kirchmair H., Olbrich E.: Lehrkanzel und Institut für Anatomie, 207. 147 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 104. 148 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 7. 149 So hatten in Wien der Anatomieprofessor Joseph Barth (Professor für Höhere Anatomie 1774–1786) und in Prag Georg Prochaska (Professor 1778–1786, dann Wien) die makroskopische als „niedere“ Anatomie an den jeweiligen Prosektor abgetreten. Die „höhere Anatomie und Physiologie“ betraf u.a. den mikroskopischen Teilbereich des Faches, s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, Zitate 59. 150 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 89.
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Unter der herausragenden Forscherpersönlichkeit von Ernst Wilhelm v. Brücke (1819–1902), Ordinarius für Physiologie in Wien (1849–1890), hatte sich die „Wiener Heim- und Pflanzstätte der Mikroskopie“151 am physiologischen Institut weiterentwickelt. Daneben gab es mit Carl Wedl (1815–1891)152 – von der Physiologie getrennt – einen eigenen Lehrstuhl für Histologie (1853–1884). Wedl hat hervorragend publiziert153. Allerdings war das Institut von Wedl für die Medizinstudenten weniger attraktiv, auch hatte er kein Prüfungsrecht154. Nach der Emeritierung von Wedl (1884), eines Schülers des Pathologen Carl v. Rokitansky, wurde in Wien dieser Histologielehrstuhl sogar vorübergehend wieder stillgelegt (1884–1888)155. Erst vier Jahre später berief man Victor v. Ebner (Wiener Ordinarius für Histologie 1888–1912)156, der vorher als Mitarbeiter des Grazer Physiologen Alexander Rollett 157 (Ordinarius 1863–1903) dort tätig gewesen war. Ebner war übrigens mit Tirol eng verbunden (s. u.)158. Ähnlich wie Wedl wirkte Ebner v. a. forschungsorientiert, dies z. T. in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kliniken wie der Dermatologie, der damaligen Chi rurgie, der Zahnheilkunde. Andererseits betrieb Ebner eigenständige Forschungen auf dem Gebiet der Spermiogenese, über das Geschmacksorgan und den Bau der Gefäße etc.159 151 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 513–521, Zitat : 513. Tausende Studenten hatten im Brücke’schen Institut mikroskopieren gelernt und wurden von Brücke, dem „Altmeister der Mikroskopie“, auch geprüft. 152 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 249–251. 153 „Grundzüge der pathologischen Histologie“ (1854), „Atlas der pathologischen Histologie des Auges“ (1861), „Pathologie der Zähne“ (1870), „Zur pathologischen Anatomie des Glaukoms“ (1882). Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 249–251, u. http ://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Wedl, 15. 2. 2009. 154 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 513. Wedel war zunächst ao. Professor (ab 1853), dann Ordinarius für Histologie (1871–1884). 155 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 555. 156 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 513–519. 157 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, Wien 2001, 235–269, hier : 262f. 158 Ebner hatte 1870 in Innsbruck habilitiert, unter Rolletts Schirmherrschaft wurde er in Graz Professor für Histologie (1873–1879 ao. Professor, dann o. Professor ad personam bis 1888) und ging dann nach Wien, s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 554. 159 „Untersuchungen über den Bau der Samencanälchen und die Entwicklung der Spermatozoiden“ (1871), „Die acinösen Drüsen der Zunge und ihre Beziehungen zu den Geschmacksknospen“ (1873), „Über den feineren Bau der Knochensubstanz“. In : Sitzungsbericht der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe, 1875, „Mikroskopische Studien über Wachstum und Wechsel der Haare“. In : Sitzungsbericht der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe, 1876, „Untersuchungen über die Ursachen
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Zusammenfassend hat sich die Histologie in Wien und Graz in Forschung und Lehre zu wichtigen Teilen aus der Physiologie, in Wien auch aus der pathologischen Anatomie entwickelt. Innsbruck neigte dagegen schon früh zu einer Anlehnung der Histologie an die deskriptive Anatomie160. 2.2.2 Die Entwicklung des Faches in Innsbruck Als Geburtsstunde des Innsbrucker Instituts für Histologie und Embryologie kann das Jahr 1873 angegeben werden161. 1873 hatte die Innsbrucker Medizinische Fakultät die beiden Dozenten Victor v. Ebner R. von Rofenstein (1842–1924, s. o.)162 und Joseph Öllacher als ao. Professoren vorgeschlagen. Grund war das Bemühen, diese beiden herausragenden Forscher in Innsbruck zu halten. Victor von Ebner – mit starken Wurzeln im damaligen Kronland Tirol163 – erhielt in Innsbruck nicht den Histologie-Lehrstuhl, da er bereits für die entsprechende Lehrkanzel in Graz vorgesehen war164. Joseph Öllacher – bisher Prosektor am Inns-
der Anisotropie organisierter Substanzen“ (1882), „Histologie der Zähne“. In : Scheff Julius (Hg.) : Handbuch der Zahnheilkunde. Leipzig u. Wien 1890, „Über den Bau der Chorda dorsalis der niederen Fische und die Entwicklung des fibrillären Bindegewebes“, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie : 12, 1897, 469–526, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 513–519, Schönbauer Leopold : Das medizinische Wien. Wien u.a. 1944, 300f., u. http ://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Ebner, download vom 15. 2. 2009. 160 Vorbildhaft war dabei die Entwicklung an den deutschen Universitäten, s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 32–45, insb. 38f. 161 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 554. 162 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 513–519. 163 Victor von Ebner, Sohn eines tirolischen Statthaltereirates, gebürtig in Bregenz, verlebte Kinderund Jugendjahre v. a. in Innsbruck. Er studierte hier zunächst an der Philosophischen Fakultät (u.a. bei Adolf Pichler und Anton v. Kerner). Er ging dann 1861 nach Göttingen zu Jacob Henle (Ordinarius für Anatomie 1852–1885), dann hörte er bei E. W. v. Brücke (1862/63) und studierte in Wien Medizin (zunächst 1862/63). Weitere Orte seines Studiums waren dann Würzburg, wo er bei Albert v. Koelliker (Ordinarius für Anatomie 1848–1897) als Assistent tätig war (1864/65). Anschließend war er wieder in Wien und promovierte zum Dr. med. (1866). Seine postgraduelle Weiterbildung erfolgte in Wien, Graz und Innsbruck, insbesondere bei Brücke, Rollet und beim Innsbrucker Zoologen Camil Heller. In Innsbruck konnte sich Ebner dann auch habilitieren (1870). Dem 1873 in Graz zum ao. Professor für Histologie ernannten Ebner fehlte es dort an menschlichem Untersuchungsgut, sodass er v. a. an verschiedenen tierischen Geweben studierte, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 513–519, hier 514f., Huter Franz : Lehrkanzel und Institut für Embryologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 210, u. http ://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Ebner, 15. 2. 2009. 164 V. v. Ebner wirkte in Graz 1873–1888 und wurde dann nach Wien berufen (1888–1912), s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 513–519, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 554f.
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brucker Anatomischen Institut – wurde mit 5. April 1873 zum ao. Professor für Histologie und Entwicklungsgeschichte in Innsbruck ernannt.165 a) Joseph Öllacher 166 wirkte als ao. Professor für Histologie und Entwicklungsgeschichte167 1873–1892. Die Verselbstständigung der Histologie und Entwicklungsgeschichte stieß in der Fakultät zunächst auf den Widerstand des Physiologen Maximilian v. Vintschgau168. Öllacher schloss sich in der Folge dem Anatomischen Institut an169. Der aus Innsbruck stammende Joseph Öllacher (1842–1892)170 studierte zunächst in Innsbruck Naturgeschichte mit dem Schwerpunkt Anatomie und Chemie (1860–1864). Er ging dann zu Albert v. Koelliker nach Würzburg (1864/65) und promovierte in Wien Abb. 42 : Josef Oellacher 173 zum Doktor der Medizin (1868). Seine postgraduelle Ausbildung erhielt er bei dem Physiologen Ernst Wilhelm v. Brücke, bei dem Neuroanatomen und Psychiater Theodor Meynert 171 und bei dem Experimentellen Pathologen Salomon Stricker172 in Wien (1868/69). Er war dann Prosektor bei Dantscher in Innsbruck und habilitierte in Histologie und Embryologie 1870.173
165 Huter Franz : Lehrkanzel. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 211. 166 Huter Franz : Lehrkanzel und Institut für Histologie und Embryologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 210–212. 167 Festschrift, 232f. 168 Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 217–228, hier : 217–219. 169 Die Innsbrucker Fakultät unterstützte in der überwiegenden Mehrzahl das Bemühen Öllachers zur Verselbstständigung seiner Fachrichtung in Zusammenarbeit mit der Anatomie. 170 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 210. 171 Seitelberger Franz : Hirnforschung und Neurologie in Österreich. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaft, Medizin und Technik aus Graz, 375–437, hier : 390–400. 172 Angetter Daniela Claudia : Stricker, Salomon. In : Enzyklopädie Medizingeschichte 3, 1364. 173 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 11.
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Öllacher war v. a. entwicklungsgeschichtlich orientiert, wobei seine Arbeit „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Knochenfische“ erwähnenswert ist.174 Weiters publizierte er zur Differenzierung der Keimblätter und zur Herzentwicklung.175 Öllacher starb bereits mit 50 Jahren. Bei Öllacher habilitierte Michael Dietl (1874)176. Dietl wechselte jedoch zur Allgemeinen und Experimentellen Pathologie. Dort habilitierte er 1876177 (s. u.). b) Der nächste Extraordinarius für diese Disziplin war Ludwig Kerschner. Kerschner war ein Schüler u. a. von Emil Zuckerkandl 178. Er wurde 1894 ernannt und wirkte bis 1911.179 Ludwig Kerschner (1859–1911) stammte aus Bereghszasz/Siebenbürgen. Er studierte Zoologie in Graz (Dr. phil. 1881), dann Medizin in Prag und Graz (1881– 1884). Er war Demonstrator am Histologischen Institut in Prag (1882/83) und promovierte zum Dr. med. in Graz (1884). Es folgte eine Assistentenzeit bei Emil Zuckerkandl am Anatomischen Institut in Graz (1884–1889). Danach übersiedelte er nach Brünn, wo er als Prosektor bei den Mährischen Krankenanstalten wirkte (seit 1889). In Brünn an der dortigen Technischen Hochschule erhielt er eine Dozentur für Zoologie, Vergleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte (1890) und wurde mit der Vertretung der Lehrkanzel für Zoologie betraut. Kerschners weitgespanntes Arbeitsgebiet umfasste Themen zur Differenzierung der Keimzellen (1887)180, zur Entwicklung der Sinnesorgane (1888)181 und des Blutgefäßsystems (1888)182. Es folgten Arbeiten über Muskelspindeln (1896/97) und 174 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 211. 175 Bodner Ernst : Medizinische Fakultät, 39. 176 Der Titel der Habilitationsschrift von M. Dietl war „Histologie und mikroskopische Technik“, s. Festschrift, 246. 177 Wense Th. van der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 255–266, hier : 254f. 178 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker. Von Auenbrugger bis Wagner-Jauregg. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaft, Medizin und Technik aus Graz. Wien u.a. 2007, 425–449, hier : 439, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 509–512. 179 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 212f. 180 „Keimzelle und (Keim)Blatt“, s. Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, Bd. 2, 212. 181 „Beitrag zur Kenntnis der sensiblen Endorgane“, s. Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, Bd. 2, 212. 182 „Zur Morphologie der Vena cava inferior“, s. Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, Bd. 2, 212.
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über den Saison-Dimorphismus von Schmetterlingen (1901).183 Kerschner hat sich um den weiteren Aufbau des Institutes verdient gemacht. Das Anatomiegebäude, in dem neben der Anatomie – auch vorübergehend – das Pharmakologische Institut untergebracht war, wurde zwar am 12. November 1889 eröffnet184, jedoch konnte Kerschner erst 1900 einziehen, nachdem die Pharmakologie ein eigenes Gebäude erhalten hatte.185 Wie bereits das Anatomische Institut wurde auch die Histologie der Zeit entsprechend eingerichtet. Im Keller des Institutes wurde ein Tierstall errichtet.186 Während der Professur von Kersch Abb. 43 : Ludwig Kerschner 191 ner wurde die Histologie obligates Lehr- und Prüfungsfach. Diese Aufwertung brachte die Rigorosenordnung von 1903.187 Die Rigorosenordnung war das Werk v. a. von Victor v. Ebners.188 Seit dem Sommersemester 1895 wurde dem Extraordinariat eine Assistentenstelle zugewiesen.189 1903 wurde Kerschner zum Ordinarius ad personam ernannt.190191
183 Bodner, Ernst : Medizinische Fakultät, 39, s.a. Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 212f. 184 Huter Franz : Der Neubau des Anatomischen Institutes. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 157f. 185 Huter Franz : Der Bau des Pharmakologischen Institutes. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 158–160. 186 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, Bd. 2, 213. 187 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 519. 188 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 251. 189 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 213. 190 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 213. 191 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 12.
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c) Der Nachfolger Kerschners war Hans Rabl.192 Dieser war ein Schüler von Victor v. Ebner 193. Rabl wurde schon bei seiner Berufung zum Ordinarius ad personam ernannt (3. 10. 1911), blieb in Innsbruck jedoch nur bis zu seiner Berufung nach Graz zwei Jahre später (3. 10. 1913). Dort wirkte er bis 1936. Der aus Bad Hall/OÖ stammende Rabl (1868–1936) studierte Medizin in Wien und Prag194 und promovierte in Wien 1893. Schon seit 1892 arbeitete er als Assistent am Histologischen Institut in Wien bei v. Ebner und habilitierte dort 1897. Den Titel eines ao. Professors erhielt er 1901 in Wien. 1902/03 Abb. 44 : Hans Rabl 198 absolvierte er Studienreisen zu den zoologischen Stationen in Neapel und Triest. Rabl wirkte jetzt v. a. am Wiener Embryologischen Institut. Dieses war auf Antrag von Ernst Wilhelm v. Brücke 1873 errichtet worden.195 Das Institut wurde seit 1900 durch den jeweils ersten Assistenten des Institutes geleitet. Zu jenem Kreis gehörte jetzt Rabl, der vor der Berufung nach Innsbruck diese Stelle als Leiter angenommen hatte (1910).196 Rabl publizierte – bereits vor seiner Innsbrucker Zeit – über die Entwicklung der Nebennieren und der Vorniere sowie über die Arterienanlagen der vorderen Extremitäten von Vögeln. Weiters liegen von ihm embryologische Untersuchungen „über das thyreothermische System bei Säugern (Maulwurf u. a.), über Entwicklungsvorgänge und histologische Veränderungen im Eierstock der Säugetiere sowie über die Anhangsgebilde der Haut“197 vor. 198 192 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 213f. 193 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 513–519, hier : 519. 194 In Prag studierte er bei seinem Vetter Carl Rabl (Professor für Anatomie in Prag 1886–1904, dann in Leipzig 1904–1917), s. Eulner Hans-Heinz, Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 552 u. 550, s.a. Koerting Walter : Die Deutsche Universität in Prag, 102f. 195 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 519–521. 196 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 213f. 197 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 214. 198 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 13.
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Aus Rabls Innsbrucker Zeit stammt eine Untersuchung zu den Derivaten des Kiemendarms bei Meerschweinchen (1913) etc.199 In der Grazer Zeit – er lehrte dort von 1913 bis 1936 – entstanden u. a. entwicklungsgeschichtliche Arbeiten über die früheste Anlage der Schilddrüse (1925).200 d) Sigmund Schumacher-Marienfried201 wirkte als Extraordinarius in Innsbruck durch 24 Jahre (1913–1937). Er war Schüler des Histologen Victor v. Ebner, aber auch des Anatomen Carl Toldt 202 und des Physiologen Sigmund v. Exner.203 Der aus Innsbruck stammende Schumacher (1872–1944) promovierte 1898 zum Dr. med. in Wien. Bereits 1897 trat er als Demonstrator im Wiener Histologischen Institut bei Victor v. Ebner ein. 1898 wurde er Assistent am Wiener Physiologischen Institut bei Sigmund v. Exner.204 Ab 1900 war er Prosektor am Anatomischen Institut in Wien bei Carl Toldt. Er habilitierte dort 1904. Abb. 45 : Sigmund Schumacher v. Marienfried 205 Er wechselte 1910 an die Tierärztliche Hochschule in Wien, wo er mit der Leitung des Institutes für Histologie und Embryologie betraut wurde. Dort war er etatmäßiger Extraordinarius ab 1912.205 Schumacher war wissenschaftlich sehr aktiv.206 Erwähnt seien dabei Untersuchungen zum lymphatischen Gewebe im Lymphknoten, zum elastischen Gewebe der Milz und zahlreiche weitere Arbeiten zoologischen Inhalts. Ein weiteres Arbeitsgebiet war das Studium der „Ateriovenösen Anastomosen“.207 199 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 214. 200 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 214. 201 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 214f. 202 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 505–507. 203 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 395–401, s.a. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 1820–1930. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaft, Bd. 2, Wien 2001, 261f. 204 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 541–548. 205 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 14. 206 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 215. 207 Bodner Ernst : Medizinische Fakultät, 39.
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Weit verbreitet waren seine „Grundrisse der vergleichenden Histologie der Haussäugetiere“ (1914, zusammen mit W. Ellenberger)208 und „Jagd und Biologie. Ein Grundriß der Wildkunde“ (1939, 21956). Sein Lehrbuch „Histologie des Menschen“ (1934)209 wurde zum langjährigen Standardlehrbuch nicht nur in Innsbruck. Im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum war er zusammen mit C. Toldt Erneuerer der zoologischen Sammlung.210 e) Auf Schumacher folgte Jürg Mathis. Dieser supplierte zunächst211, bis er 1939 zum ao. Professor ernannt wurde.212 Jürg Mathis (geb. 1900 in Hohenems/Vlbg.) promovierte 1925 in Innsbruck. Er wurde dann Assistent auf der Innsbrucker Histologie unter Schumacher und habilitierte 1929. Mathis war anschließend Assistent bei Ferdinand v. Hochstetter (1930/31) und wurde 1937 zum tit. ao. Professor ernannt.
2.3 Lehrkanzel und Institut für Physiologie 2.3.1 Zur Situation an der Wiener und Grazer Medizinischen Fakultät An der Wiener und Grazer Medizinischen Fakultät wirkten in dieser Zeitperiode (1849–1938) v. a. die folgenden vier Professoren : • • • •
Ernst Wilhelm Ritter v. Brücke (1849–1890, Wien) Alexander Rollett (1863–1903, Graz) Sigmund Exner (1891–1917, Wien) und Arnold Durig (1918–1938, Wien)
Hier soll auf Ernst W. Brücke, Sigmund Exner und auf Alexander Rollett eingegangen werden.
208 Huter Franz : Lehrkanzel der Histologie und Embryologie, 215. Später erschien eine weitverbreitete „Histologie des Menschen“ (1934) mit zahlreichen Abbildungen, von Gustav Sauser herausgegeben. 209 Huter Franz, Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 215. Nach Schumachers Tod wurde dieses Lehrbuch durch Gustav Sauser herausgegeben und erlebte 10 Auflagen. 210 Huter Franz, Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 215. 211 Schumacher wurde 1937 mit 65 Jahren pensioniert, s. Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 215. 212 Huter Franz : Lehrkanzel für Histologie und Embryologie, 216, s.a. Eulner Hans-Heinz, Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 555.
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E. W. Brücke war Gründungsvater auch der Innsbrucker Physiologie und Lehrer von Maximilian R. v. Vintschgau (1832–1913). S. Exner war u. a. Lehrer der Innsbrucker Professoren Sigmund Schumacher 213 (Histologie 1913–1937), von Gustav Bayer 214 (Allgemeine und Experimentelle Pathologie 1922–1938) und von Alois Lode 215 (Hygiene 1897–1937). Aus der großen Zahl von Schülern des in Graz wirkenden A. Rollett seien v. a. genannt : Richard Maly (Physiologische Chemie Innsbruck 1869–1876 und Chemie in Graz und Prag), Victor Ebner (Histologie 1873–1888 Graz und 1888–1912 Wien), Rudolf Klemensiewicz (Allgemeine und Experimentelle Pathologie 1878–1921 Graz), Oscar Zoth (Physiologie 1902–1904 Innsbruck und 1904–1927 Graz) und schließlich Fritz Pregl (Physiologische bzw. Medizinische Chemie 1910–1913 Innsbruck und 1913–1930 Graz, Nobelpreis 1923)216. Ernst Wilhelm R. v. Brücke (1819–1892) war eine der ersten Berufungen des neuernannten Ministers für Cultus und Unterricht, Leo Graf Thun (1811–1888)217. Brückes Berufung „leitete eine bedeutende Ära experimentell-naturwissenschaftlicher Forschung (in der Habsburgermonarchie) ein. Nicht nur die Physiologie …, setzte sich neue Ziele – von ihr empfingen auch Nachbardisziplinen der theoretischen Medizin, klinische Fächer und Gebiete jenseits der herkömmlichen Grenzen der Medizin kräftige Impulse“218. Brücke stammte aus Stralsund und war Sohn eines Historienmalers, Lithografen und Zeichenlehrers219. Unter den Nachkommen von E. W. Brücke finden sich eine Reihe von bekannten MedizinerInnen220. Nach der Matura in Stralsund studierte er 213 Huter Franz : Lehrkanzel und Institut für Histologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 214. 214 Wense Th. van der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 260. 215 Schienzl A.: Lehrkanzel und Institut für Hygiene. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 278–282, hier 279. 216 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 262f. und FN 72. 217 Thienen-Adlerflycht Christoph : Graf Leo Thun-Hohenstein als nachjosephinischer Vorkämpfer eines aufgeklärten Konservativismus. In : Zellenberg Ulrich E. (Hg.) : Konservative Profile, Graz u.a., 2003, 103–168, hier : 139–153. 218 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, in : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, Wien 2001, 235–269, Zitat : 232. 219 Brücke Ernst Theodor : Ernst Brücke, Wien 1928, 2–4, s.a. Tshisuaka Barbara I.: Brücke, Ernst Wilhelm Ritter von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 215. 220 E. W. Brücke hatte zwei Söhne. Einer von ihnen, Hans v. Brücke (1849–1872), war Arzt. Sein Bruder Theodor v. Brücke (1853–1919) war Jugendrichter in Wien und hatte zwei Kinder, nämich Ernst Theodor und Doretta v. Brücke. Auf Ernst Theodor (1880–1941), Professor für Physiologe in Innsbruck, wird
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in Berlin und Heidelberg Medizin. Er promovierte 1842 zum Doktor der Medizin und Chirurgie. Bedeutsam war seine Assistentenzeit beim berühmten Physiologen Johannes Müller (1801–1858)221. Dort lernte er zwei weitere Schüler von Müller, nämlich den jüngeren Hermann Helmholtz (1821–1894)222 und Emil du Bois-Reymond (1818–1896)223, kennen. Mit beiden verband ihn eine lebenslange Freundschaft. 1845 war Brücke einer der Gründer der Berliner Physikalischen Gesellschaft. Es war bekanntlich eine Zeit der besonders engen Zusammenarbeit von Physik und Physiologie224. 1848 bis 1849 erhielt Brücke einen Ruf für Physiologie und Allgemeine Pathologie nach Königsberg225. Doch bereits im Dezember 1848 fragte der Wiener Anatom Hyrtl 226 bei Brücke brieflich an, ob er einem Ruf nach Wien Folge leisten weiter unten ausführlicher eingegangen werden. Andererseits war Doretta Brücke verh. Zwieauer (1882–1950), eine Tochter von Theodor. Sie hatte einen ärztlichen Sohn, Alfred Zwiauer, ist z. Z. Primarius f. Augenheilkunde in Salzburg. Der Enkel von Doretta, Mathias Blam (geb. 1947), ist Zahnarzt in Zell am See. Vom Innsbrucker Professor für Physiologie (s. u.) Ernst Theodor stammen vier Kinder : 1. Hans v. Brücke (1905–1999), ehem. chirurgischer Primarius in der Steiermark. 2. Franz v. Brücke (1908–1970), ehem. Ordinarius f. Pharmakologie in Wien. Dessen Sohn Thomas Brücke (geb. 1949) ist neurologischer Primarius in Wien/Wilhelminenspital (seit 1997). 3. Steffi v. Brücke, verh. Axenfeld (1910–2000), Psychiaterin. Ihr Ehemann Helmut war internistischer Primarius in Rottenmann/Stmk. 4. Gertl v. Brücke, verh. Kux (1911–1990), Ehefrau des Professors für Chirurgie Erhard Kux. Der Sohn von Gertl und Erhard, Matthias Kux (geb. 1940), war Chirurgischer Primarius in Wien am St.Josefs Krankenhaus (1976–2005). Die Tochter Veronika Kux, verh. Wimmer, ist Ärztin, mit einer Tochter Margarethe Coulibaly, Röntgenologin. Die Nachkommen von Hans v. Brücke und seiner (ersten) Ehefrau Helga sind 1. Ursula, verh. Heiss, ihr Ehemann ist Gynäkologe in Zell am See, ihr Enkel Fabian Kirchner Arzt in Ausbildung. 2. Peter Brücke (geb. 1936), allgemeiner Chirurg mit Schwerpunkt Herzchirurgie in Linz, hat mit Katharina, geb. Mayer-Rieckh, einen ärztlichen Sohn, DDr. Johannes Brücke, Kieferchirurg in Linz. 3. Elisabeth Brücke, verh. Wieser (geb. 1939), ist Ärztin. Eines ihrer vier Kinder, Stephanie, verh. Groz, ist Anästesieärztin am Wiener St.-Elisabeth-Krankenhaus. Frau Dr. Elisabeth Brücke sei für die Überlassung der hier angeführten Daten herzlich gedankt. 221 Brücke Ernst Theodor : Ernst Brücke, 9–20, hier : 18f., s.a. Tshisuaka Barbara I : Müller Johannes von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 1013. 222 Tshisuaka Barbara I.: Helmholtz Hermann Ludwig Ferdinand v., in : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 566. 223 Gradmann C.hristoph : du Bois-Reymond Emil Heinrich, in : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 198f. 224 „… die Physik, vor allem auf den Gebieten der Sinnes- und der Neurophysiologie, (erwies sich) als relevant für die Physiologie… gleichzeitig (wurde) auch die Relevanz der Physiologie für das Verständnis der Physik offenbar“, s. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 240 (Zitat), und Wurzbach, Bd. 2, Wien 1857, 169f., hier : 169. 225 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 660. 226 Gerabek Werner E., Hyrtl Joseph. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 649f.
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würde.227 Brücke antwortete, dass er bei entsprechenden Voraussetzungen „keinen Aufenthalt (wüsste), den ich diesem (nämlich Wien) vorziehen sollte, und keinen Ort, der mir gerade für mein Fach ein größeres Feld der Wirksamkeit darbieten könnte“.228 Brücke war dieser Wiener Berufung treu geblieben, obwohl sich Bonn und Straßburg um ihn bemühten.229 In Wien hatte der Freundeskreis des allerdings 1846 verstorbenen Ludwig v. Türkheim230 und insbesondere Joseph Skoda (1805–1885)231 die Berufung nach Wien vorbereitet. Der Zeitpunkt der Berufung von Brücke nach Wien (1849) eröffnete auch in der dortigen biomedizinischen Forschung eine neue Ära. Die Wiener Fakultät hatte mit Skoda gefordert : „Ein experimentelles Institut tat not, ein Laboratorium mit Instrumenten und Apparaturen, in dem die Studenten systematisch lernten, nach den Gesetzen der Physik und Chemie die Lebensvorgänge am Tier zu analysieren“.232 In Wien fühlte sich Brücke an der Zweiten Wiener Medizinischen Schule „in kongenialer Gesellschaft“.233 Brücke verband Klarheit und Offenheit der Denkweise mit „methodischer Strenge“234 sowie vielfältigen wissenschaftlichen und künstlerischen Interessen. Hier nur einige Hinweise auf sein weitgespanntes wissenschaftliches Œuvre.235 Ein Schwerpunkt des frühen Zellbiologen236 war die Muskelanatomie und -physiologie.237 Bereits in Berlin widmete er sich vergleichend-anatomischen und funktionellen Untersuchungen des Auges.238 227 Brücke Ernst Theodor : Ernst Brücke, 33f. 228 Brücke Ernst Theodor : Ernst Brücke, 34. 229 Brücke Ernst Theodor : Ernst Brücke, 34. 230 In der Nachfolge von Türkheim war dies zunächst Ernst v. Feuchtersleben und dann – im neu geschaffenen Ministerium für Cultus und Unterricht unter Leo Graf Thun – Franz Exner und Hermann Bonitz. 231 Wyklicky Helmut : Skoda, Josef. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1337f. 232 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 258. Lesky weist in diesem Zusammenhang neben Ernst Wilhelm Brücke auf folgende Persönlichkeiten hin : Johannes Evangelista Purkyně (1787–1869) in Breslau, Carl Ludwig (1816–1885), damals Marburg, die Gebrüder Ernst Heinrich (1795–1878) und Eduard Friedrich Weber (1806–1871) in Leipzig sowie – aus der Schule von Johannes v. Müller (1801–1858) – auch Hermann Ludwig Helmholtz (1821–1894) und Emil du Bois-Reymond (1818–1896) in Berlin. 233 Brücke Ernst Theodor : Ernst Brücke, 38–41, Zitat : 38. 234 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 242. 235 Liste der Publikationen bei Brücke Ernst Theodor : Ernst Brücke, 185–191. 236 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 242. 237 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 242f. 238 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 244. Brückes Untersuchungen „über die Lichtreflexion des Auges waren es, die Helmholtz zur Entwicklung des Augenspiegels führten …“.
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Seine muskelphysiologischen Untersuchungen galten u. a. dem Ciliarmuskel, der bei der Akkommodation des Auges eine zentrale Rolle spielt.239 Brücke war physiologischer Chemiker und konnte die organische Chemie weiterentwickeln240. Er verbesserte methodisch den Nachweis von Traubenzucker, Harnstoff, Gallenfarbstoffen u. a.241 Dazu kamen Studien zum Einfluss des Verdauungstrakts auf den Abbau von Fetten und Eiweißkörpern. Der profunde Histologe und physiologische Chemiker schrieb über Blutzellen und beschäftigte sich mit dem Blutfarbstoff. Zusätzlich hielt er seine Beobachtungen zum Aufbau und der Funktion des Blut- und Gefäßsystems fest.242 Brückes sprachphysiologische Untersuchungen zur Stimmbildung243 waren bahnbrechend. In seinen linguistischen Untersuchungen veröffentlichte er u. a. eine Schrift „Die physiologischen Grundlagen der neuhochdeutschen Verskunst“ (Wien 1871).244 Schließlich war Brücke auch ein Vertreter der Ästhetik245. Dies zeigt z. B. sein Spätwerk „Schönheit und Fehler der menschlichen Gestalt“ (Wien 1891).246 Von den zahlreichen Mitarbeitern und fachlichen Freunden auf dem Gebiet der Physiologie seien hier erwähnt Carl Ludwig (1816–1895)247, Joseph Breuer (1842–
239 Brücke Ernst : Über den Bau der Muskelfasern, Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien, Bd. 25, 1857, 579ff. Brücke verwendete dazu das Polarisationsmikroskop und konnte damit Vorstudien zu Myosin durchführen, s. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 243, FN 20. 240 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 242, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 262. 241 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 242f. 242 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 242. 243 Brücke Ernst : Grundzüge zur Physiologie und Systematik der Sprachlaute für Linguisten und Taubstummenlehrer, Wien 1856. 244 Brücke Ernst Theodor : Ernst Brücke, 189, Nr. 103, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 263. 245 In diesem Zeitalter der Ästhetik spielte auch die Physiologische Ästhetik eine wichtige Rolle. Als Beispiel genannt werden von Helmholtz „Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik“ (1863) oder von Brücke „Die Physiologie der Farben für die Zwecke des Kunstgewerbes“ (1866), s. Henckmann Wolfhart und Lotter Konrad (Hg.) : Lexikon der Ästhetik. München 22004, 290–293, hier : 290. 246 Darin versuchte Brücke einen „Brückenschlag zwischen der naturwissenschaftlich fassbaren Funktionalität des Körpers“ und den „Idealen der griechischen Bildhauer“, s. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 244f. (Zitat). 247 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie. In : Acham Karl : Die Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, 235–269, hier 246f., u. Gerabek Werner E., Ludwig Carl. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 868f.
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1925)248, Ernst Fleischl (1846–1891)249, Sigmund Exner (1846–1926)250, Alexander Rollett (1834–1903)251 und der in Innsbruck wirkende Maximilian Vintschgau (1832–1902, siehe unten). Der bekannteste Schüler von E. W. Brücke war jedoch Sigmund Freud (1856–1939). Lesky bezeichnet zusammenfassend das Institut von Brücke „ein schier unerschöpfliches Impulszentrum der Wiener Medizin der zweiten Jahrhunderthälfte (des 19. Jahrhunderts)“252. Alexander Rollett (1834–1903) war der Begründer des Grazer Instituts für Physiologie. Er wurde bereits im Jahr der Errichtung der Medizinischen Fakultät nach Graz berufen, wo er bis zu seinem Tode 1903 wirkte.253 A. Rollett wurde 1834 in Baden bei Wien als Sohn einer Ärztefamilie geboren. Schon unter seinen Vorfahren befanden sich bedeutende Naturhistoriker.254 In Wien hörte er Vorlesungen bei den damaligen „Koryphäen der Wiener Medizinischen Schule“255, zu denen besonders auch Carl Ludwig 256 (1816–1895) gehörte. Insgesamt werden ihm Kontakte und Freundschaften „mit den bedeutendsten Physiologen und Naturwissenschaftlern seiner Zeit im deutschsprachigen Raum“ zugeschrieben.257 Als Schüler und erster Assistent von E. W. Brücke wurde Rollett
248 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie. In : Acham Karl : Die Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, 256–259, u. Gerabek Werner E., Breuer Joseph. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 209. 249 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 538 u. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie. In : Acham Karl : Die Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, 261. 250 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 541–544. 251 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930, 262. 252 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 537–544, Zitat : 537. 253 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 305 u. 547, Kenner Thomas, Alexander Rollett. In : Freisitzer Fritz, Höflechner Walter, Holzer Hans-Ludwig u. Mantl Wolfgang (Hg.) : Tradition und He rausforderung. 400 Jahre Universität Graz. Graz 1985, 247–254, Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 262f., u. Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker – von Auenbrugger bis Wagner-Jauregg. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaft, Medizin und Technik aus Graz. Wien u.a. 2007, 437–439. 254 Kenner Thomas, Alexander Rollett, 248. 255 Er hörte Vorlesungen bei Hyrtl, Oppolzer, Arlt, Brücke und Carl Ludwig. Es waren besonders Brücke und Ludwig, die seine Entwicklung nachhaltig beeinflussten. Dazu kam auch Ernst Mach (1838– 1916). Letzterer wurde ja dann als Physiker nach Graz berufen, s. Kenner Thomas, Alexander Rollett, 248. 256 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 246f., u. Gerabek Werner E.: Ludwig, Carl. In : Enzyklopädie Medizingeschichte. Bd. 2, 868f. 257 Kenner, Thomas, Alexander Rollett, 248.
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1863 nach Graz berufen und wirkte durch 40 Jahre. Dort war er viermal Rektor und stand einem vielbesuchten Institut vor.258 Die Hauptleistungen von Rollett waren Arbeiten auf dem Gebiet der Physiologie und Histologie der quergestreiften Muskulatur, der physiologischen Optik und der Farbwahrnehmung sowie der Physiologie des Blutes. Dabei fand er, dass roter Blutfarbstoff von wirbellosen Tieren bis zu Vertebraten eine weitgehende Übereinstimmung zeigt und beschäftigte sich mit der Kristallisation des Hämoglobins. Rollett war ein hervorragender Lehrer. Dies zeigt sich schon an der großen Zahl hervorragender Schüler (s. o.). Zu den Schülern von Rollett gehörten auch zahlreiche russische Physiologen, bes. Iwan M. Setschenow259 (1829–1905). Dabei wird besonders Rolletts moderne Forschungsdidaktik260 betont. Kernbauer fasst dies so zusammen : Rollett zählte es „zu seinen Grundsätzen, keinen direkten Einfluß auf die Arbeiten seiner Schüler zu nehmen, denen er ihre Individualität und Kreativität belassen wollte …“261 Ein besonderes Anliegen Rolletts war es, seinen Schülern eine „… extreme Exaktheit der Methode und der naturwissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse …“262 mit auf den Weg zu geben. Rolletts Arbeitsstil „war geprägt von Selbstkritik, Zweifel und der methodisch stringenten Klarlegung des Unbekannten“.263 Abschließend sei nochmals Th. Kenner zitiert : „Zur Zeit seines Lebens war Rollett nach Brücke und Ludwig sicherlich einer der anerkanntesten Physiologen der Monarchie.“264 Zu den Nachfolgern von Ernst W. Brücke am Wiener Physiologielehrstuhl sei abschließend – ebenfalls für Innsbruck bedeutsam – das Wirken von Sigmund Exner dargestellt.
258 Graz war während Rolletts Tätigkeit – neben Leipzig, Wien und Paris – einer jener Orte, wo zahlreiche russische Wissenschaftler ihre vertiefte Ausbildung fanden, s. Kenner Thomas, Alexander Rollett, 252. 259 Setschenow beschrieb u.a. bahnbrechend unter den Gehirnfunktionen die zentrale Hemmung als charakterisierbare Hirnfunktion und ihre Beeinflussung durch psychische Faktoren. Unter seinen Schülern war Iwan P. Pawlow, s. Schneck Peter : Setschenow, Iwan Michailowitsch. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1323. 260 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker, 439. 261 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker, 439. 262 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker, 439. 263 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker, 439. 264 Kenner Thomas, Alexander Rollett, 253.
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Sigmund Exner (1846–1926) stammte aus einer schon im Vormärz bedeutenden Gelehrtenfamilie.265 1865 begann er sein Studium an der Universität Wien.266 Bereits im zweiten Studienjahr konnte er bei Ernst Brücke im Institut mitarbeiten. Weiters ging er auf Veranlassung Brückes zu Helmholtz267 nach Heidelberg und promovierte in Wien (1870). Bereits 1871 habilitierte er im Brücke’schen Institut, wo er 1875 tit. ao. Professor wurde. 1891 trat er dann die Nachfolge von Brücke an. Unter zunächst beengten Verhältnissen arbeitend – seine Arbeitsstätte waren Räumlichkeiten in einer ehemaligen Gewehrfabrik –, konnte er 1899 das neue Physiologische Institut beziehen, das dann 1904 feierlich eröffnet wurde. Er emeritierte 1917. Durch eine Reihe von Jahren stand Exner – in außerordentlicher Verwendung268 – auch dem Ministerium für Kultus und Unterricht als Berater zur Verfügung. Exners Hauptarbeitsgebiet war einerseits die Neurophysiologie.269 Schwerpunkte waren dabei Forschungen auf dem Gebiet der Physiologie der Netzhaut.270 Andererseits waren es Fragen der physiologischen Akustik und der Optik.271 Mit entsprechend konstruierten Apparaten wurden die Innovation des Kehlkopfs erforscht und Schwingungen des Trommelfells wie die Fortleitung des Schalls untersucht.272 Seiner Initiative war die Errichtung des Phonogrammarchivs der Akademie der Wissenschaften zu verdanken.273 Schließlich arbeitete Exner über den „Feinbau der Gehirnrinde“274. Dabei stützte er sich zunächst auf Ausfallserscheinungen bei Hirnverletzten. Diese wurden durch Tierversuche erhärtet275. Er studierte weiters Erregungen in ihrem zeitlichen Verlauf sowie „Hemmung und Bahnung“.276 Dabei untersuchte er auch reflektorische 265 Sein Vater war Franz Serafin v. Exner, Professor für Philosophie in Prag und wichtigster Mitarbeiter im Rahmen der Unterrichtsreform von Leo Graf Thun. Aus der Familie Exner kamen „eine Reihe von hervorragenden Gelehrten, Physiker, Juristen, Meteorologen“ etc., s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 541 und Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 261f. 266 Durig A.: Sigmund Exner. In : Wiener Klinische Wochenschrift, Bd. 39, Wien 1926, 221–224. 267 Tshisuaka Barbara I.: Helmholtz Hermann Ludwig Ferdinand von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 566. 268 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 541–544. 269 Schönbauer Leopold : Das medizinische Wien, 302f. 270 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 541–544, hier 541. 271 Schönbauer Leopold : Das medizinische Wien, 302f. 272 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 541. 273 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 262. 274 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 262. 275 Durig A.: Sigmund Exner. In : Wiener Klinische Wochenschrift, Bd. 39, Wien 1926, 222f. 276 Durig A.: Sigmund Exner. In : Wiener Klinische Wochenschrift, Bd. 39, Wien 1926, 223. „Seine Untersuchungen über Hemmung und Bahnung, der Nachweis, dass der Ablauf eines ersten Rindenreizes bahnend auf einen zweiten wirkt.“
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Erregungen. Exner postulierte schließlich eine physiologische Erklärung der wichtigsten psychischen Erscheinungen.277 „Das Verhalten der Menschen – einschließlich ihrer sittlichen Handlungen – sei wie das der Tiere zur Gänze physiologischmechanisch erklärbar.“278 Abschließend ein paar Worte zur persönlichen Art von Exner. „Als Mensch war Exner von großer Bescheidenheit, Korrektheit und Wahrheitsliebe, dabei jedoch selbstbewusst, von vornehmer Denkungsart und ausgesprochener Höflichkeit, von sehr ausgesprochenem Willen …“279 2.3.2 Zur Situation an der Innsbrucker Medizinischen Fakultät In der hier dargestellten Periode (1869–1938) wirkten fünf Vorstände des Institutes280. Der letzte hier besprochene Professor Ernst Theodor v. Brücke war ein Enkel von Ernst Wilhelm. a) Der erste Ordinarius für Physiologie in Innsbruck war Maximilian v. Vintschgau (1832–1913).281 Der geborene Innsbrucker war Schüler des wiederholt erwähnten Ernst Wilhelm v. Brücke.282 Vintschgau leitete das Innsbrucker Institut von 1870– 1902. Vorher hatte Vintschgau das Physiologische Institut an der Universität des damals österreichischen Padua (gegr. 1857) geleitet. Anschließend wirkte er an der Universität Prag283 (1867).
277 Exner Siegmund : Entwurf zu einer physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen. Leipzig – Wien 1894, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 544, u. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 262 mit FN 69. 278 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 262. 279 Kreidl Alois : Sigmund Exner. In : Wiener medizinische Wochenschrift, Bd. 76, Wien 1926, 330–332, Zitat : 332. 280 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 659. 281 Vintschgau stammte aus Innsbruck, er promovierte in Wien (1856) und wirkte dann als einer der vier, später zu Ordinarii ernannten Assistenten von Ernst Wilhelm von Brücke : neben Vintschgau waren dies Alexander Rollett (Graz), Sigmund Exner (Wien) und Ernst Fleischl v. Marxow (Wien), s. Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 217–228, hier : 217–219, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 259, u. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, Wien 2001, 235–269, hier : 263f. 282 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 258–268, u.Tshisuaka Barbara I.: Brücke Ernst Wilhelm Ritter von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 215. 283 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 114, 117f.
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Daneben lehrte in Prag – in tschechischer Sprache – Jan Purkinje (1787–1869)284. Der deutschsprachige Lehrstuhl in Prag wurde nach der vorübergehenden Leitung durch Vintschgau dann mit dem gebürtigen Sachsen Ewald Hering (1834–1918)285 besetzt. Ein bezeichnendes Beispiel der sprachlichen Vielfalt an den damaligen Universitäten der Habsburgermonarchie ist die (zweisprachige) Vorlesungspraxis von Vintschgau (s. u.).286 Vintschgau musste zunächst in Innsbruck v. a. Pionierarbeit leisten. Das Institut war räumlich außerordentlich Abb. 46 : Maximilian v. Vintschgau 286 bescheiden und noch im alten Universitätsgebäude untergebracht287. Vintschgau pflegte das damals selbstverständliche Nebeneinander von Deutsch und Italienisch. Die Physiologievorlesung wurde von ihm hintereinander in den beiden damaligen Tiroler Landessprachen gehalten.288 Vintschgaus wissenschaftliche Tätigkeit betraf Fragen der Neuro- und Sinnesphysiologie.289 Besonders beschäftigte er sich mit der Erregungsfortpflanzung und 284 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 114–117 ; Tshisuaka Barbara I.: Purkinje Johannes Evangelista Ritter von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1203, und Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 226f. 285 Hering wirkte 1865–1870 als Professor für Physiologie an der k.k. medizinisch-chirurgischen Josephakademie (Josephinum), dann an der Prager Universität (1870–1895) und anschließend in Leipzig, s. Gerabek Werner E.: Hering Karl Ewald Konstantin. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 572, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 545. 286 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 15. 287 Das Institut umfasste je ein Zimmer für den Vorstand und den Assistenten, einen Hörsaal (mit 30 Plätzen), einen kleinen chemischen Arbeitsraum und ein Zimmerchen für den Institutsdiener. Es fehlten Gas und elektrischer Strom, nicht einmal eine Wasserleitung war vorhanden, s. Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 217. 288 Vintschgau, „der die italienische Sprache besser noch als die deutsche beherrschte“, hielt seine Physiologievorlesung in Innsbruck von 9.00 bis 10.00 in Deutsch und von 10.00–11.00 in Italienisch, s. Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie, 217–219, Zitat : 217. 289 Er beschrieb u.a. den Zusammenhang der auf der Zunge liegenden Geschmacksbecher mit dem Nervus glossopharyngicus, Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 218., s.a. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 263f.
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deren zentralnervöser Verarbeitung sowie dem zeitlichen Ablauf von Sinnesreizungen.290 Vintschgau hatte eine Reihe hervorragender Schüler. Zu nennen sind Michael Joseph Dietl 291, der in Innsbruck zum ersten ao. Professor für Experimentelle Pathologie (1878) ernannt wurde, Eugen Steinach, der später nach Prag und Wien berufen wurde292, und Arnold Durig (1872–1961)293. Am Physiologischen Institut führte u. a. der innovationsfreudige Chirurg Eduard Albert tierexperimentelle Untersuchungen zur Magenchirurgie (Operation am Pylorus) durch.294 Am Ende seiner Tätigkeit kam es zum Baubeginn des physiologischen Institutes, das 1902–1904 als gemeinsames Gebäude für Physiologie, Hygiene und Experimentelle Physik errichtet wurde.295 Vintschgau erhielt zahlreiche Ehrungen296 und emeritierte 1902. b) Nachfolger wurde der aus Graz berufene Oscar Zoth (1864–1933)297. Zoth war, wie bereits erwähnt, einer der zahlreichen Schüler von Alexander Rollett.298 Zoth wirkte in Innsbruck allerdings nur 1902–1904 und wurde dann an die Grazer Physiologie berufen und somit zurückgeholt (1904–1927).299
290 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 263f. 291 Wense Theodor : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 256. 292 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 119 ; Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 218f. 293 Durig folgte 1918 als Wiener Ordinarius für Physiologie Sigmund Exner, dem Nachfolger und Schüler von Ernst Wilhelm Brücke. Durig war Ordinarius für Physiologie 1918–1938. U. a. hatte Durig in seiner Jugend auch einige Jahre als praktischer Arzt in Tirol verbracht, hatte dann als Vorstand des Physiologischen Innstitutes der Hochschule für Bodenkultur gewirkt, dort erreichte ihn der Ruf an die Wiener Medizinische Fakultät, s. Schönbauer Leopold : Das Medizinische Wien, 303. 294 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 453. 295 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 160–162, insbes. 162. 296 Ernennungen zum k.k. Hofrat, korrespondierendes Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher etc., s. Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 219. 297 Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 219f. 298 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker – von Auenbrugger bis Wagner-Jauregg. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaft, Medizin und Technik aus Graz. Wien u.a. 2007, 425–449, hier : 437–439, u. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 262f. 299 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 658.
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Zoth hat sich entsprechend der Arbeitsrichtung seines Lehrers u. a. der Muskelphysiologie gewidmet.300 In seine Zeit fällt die Übersiedlung ins neue Institut (Herbst 1904).301 302 c) Ebenfalls relativ kurz wirkte in Innsbruck Franz Bruno Hofmann (1869– 1926)303, ein Schüler des bahnbrechenden Physiologen Ewald Hering.304 Er kam aus Leipzig und leitete das Innsbrucker Institut 1905–1911.305 Hofmann wurde von Innsbruck nach Prag (1911– 1913)306, Königsberg (1913–1916), Marburg (1916–1922), Bonn (1922–1923) und schließlich nach Berlin (1923–1926) berufen.307 Abb. 47 : Oscar Zoth 302 Hofmann beschäftigte sich u. a. mit Muskelerregung, dem Reizleitungssystem im Herzen und der Physiologie der Sinnesorgane und Fragen des Raum sinnes.308
300 Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 219. 301 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 162. 302 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 16. 303 Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 220. 304 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 247–249, u. Gerabek Werner E.: Hering, Karl Ewald Konstantin. In : Enzyklopädie Medizingeschichte. Bd. 2, 572. 305 Die Besetzung des Innsbrucker Instituts in der Nachfolge von Zoth hatte sich schwierig gestaltet. Man wollte u.a. Arnold Durig gewinnen. Dieser hatte zwar suppliert (1904/1905), aber offensichtlich war die Innsbrucker Physiologie für profilierte Wiener Physiologen damals kaum attraktiv, s. Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 220. 306 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 120. 307 Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 220. 308 Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 220.
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d) Innsbruck war auch nur eine Zwischenstation des gebürtigen Rostockers Wilhelm Trendelenburg (1877–1946).309 Trendelenburg wirkte in Innsbruck 1911–1916, ging dann nach Gießen (1916/17), Tübingen (1917–1927) und schließlich nach Berlin (1927–1944). Trendelenburgs besonderes Interesse in Innsbruck lag v. a. auf dem Gebiet der Nerven- und Sinnesphysiologie. Ein Schwerpunkt war die Physiologie des Farbensehens. Im Unterricht brachte er den Studenten u. a. das spektrale Farbsehen nahe.310 311 Von den Mitarbeitern Trendelenburgs ist besonders Ludwig Haberlandt (1885– Abb. 48 : Wilhelm Trendelenburg 311 1932)312 zu nennen. Er hat sich besonders mit der Reizbildung im Herzen und der Erregungsleitung beschäftigt.313 e) Ernst Theodor von Brücke (1880–1941)314 war ebenfalls Schüler von Ewald Hering. Er wirkte in Innsbruck 22 Jahre (1916–1938). 1939 musste Brücke in die USA 309 Vor der Berufung nach Innsbruck war Wilhelm Trendelenburg ao. Professor in Freiburg i. Br. (seit 1910). Er war der Sohn des Chirurgen Friedrich Trendelenburg (1844–1924), damals Ordinarius in Rostock (später Bonn, dann Leipzig). Trendelenburg promovierte in Leipzig (1900), habilitierte in Freiburg (1904) und wurde dort zum ao. Professor ernannt, s. Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 220f., u. .Seidel Eduard u. Leven Karl-Heinz : Die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität, 378f. 310 Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 221. 311 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 17. 312 Haberlandt war von Trendelenburg nach Innsbruck geholt worden, hatte hier 1913 habilitiert und wurde ao. Professor 1919. Haberlandt war ein hervorragender Wissenschaftler, der allerdings früh verstarb (1932), s. Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 221. 313 Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 221. 314 Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 221–223, s.a. Scheminzky Ferdinand : Ernst Theodor von Brücke. Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.) : Almanach für das Jahr 1945, Bd. 95, Wien 1947, 393–398.
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emigrieren315 und war als Gastprofessor in Boston tätig, wo er an der Harvard-Universität mit A. Forbes (1882–1965) arbeitete.316 Brücke war Sohn des Hofrats am Wiener Oberlandesgericht Dr. Th. von Brücke und dessen Frau Emilie (Milly) v. Brücke (1853–1939)317. Er war Enkel des Wiener Physiologen Ernst Wilhelm v. Brücke d. Ä. Ernst Theodor v. Brücke promovierte 1905 in Wien und habilitierte sich bei Hering in Leipzig (1908), bei dem er 1905 als Assistent eingetreten war. In Leipzig wurde er ao. Professor (1913), und von dort wurde er nach Innsbruck berufen. 1924 lehnte er einen Ruf nach Basel ab, da er Innsbruck eng verbunden war.318 Brücke war mit Dora Teleky-Brücke verheiratet, einer bekannten Wiener Gynäkologin319. Nach der Machtübernahme durch die NS-Behörden durfte Brücke sein Institut nicht mehr betreten. Als Grund der Entlassung Brückes wurde der Druck des NS-Studentenbundes angegeben. Brücke wurde – „aus rassischen Gründen“320 – nicht für berechtigt gehalten, den vorgeschriebenen NS-Amtseid zu leisten.321 Er wurde Verhören unterzogen und seine Wohnung durchsucht. Ähnlich erging es seiner Frau, ihr wurde Berufsverbot erteilt. Ihre Wohnung, Praxis etc. wurden beschlagnahmt.322 Erst im Sommer 1939 konnte er mithilfe von Alexander Forbes und 315 Seyfarth Ernst August : Ernst Theodor von Brücke (1880–1941) and Alexander Forbes (1882–1965) : Chronicle of a transatlantic friendship in difficult times. In : Perspectives in Biology and Medicine, 40, 1, Chicago 1996, 45–54, u. http ://www.uibk.ac.at/ipoint/gastkommentar/575011.html, 31. 5. 2009. 316 Hubenstorf Michael : Österreichische Ärzteemigration. In : Stadler Friedrich : Vertriebene Vernunft. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930–1940. Münster 2004, 339–415, hier : 386. 317 Seyfarth Ernst August : Ernst Theodor von Brücke (1880–1941) and Alexander Forbes (1882–1965) : In : Perspectives in Biology and Medicine, 40, 1, Chicago 1996, 49, mit FN 2. Milly v. Brücke war eine geborene Wittgenstein aus der berühmten Wiener Industriellenfamilie. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein (1859–1951) war ihr Neffe. 318 Seyfarth Ernst August : Ernst Theodor von Brücke (1880–1941) and Alexander Forbes (1882–1965) : In : Perspectives in Biology and Medicine, 40, 1, Chicago 1996, 47. 319 Dora Teleky-Brücke war Gründerin der Organisation der Ärztinnen in Wien (1919) und erste Frau, die Mitglied der Wiener Gesellschaft der Ärzte werden konnte. Ihr Bruder Ludwig (1872–1957) war ein Pionier auf dem Gebiet der präventiven Medizin. Letzterer nahm Berufspositionen in Österreich und später in Deutschland ein, musste jedoch auch in die USA emigrieren, s. Seyfarth Ernst August : „Was ich anfangen soll, wenn ich nicht hier weiter arbeiten kann, beschäftigt mich sehr“, Neuroforum 1997, Bd. 1, 33, u. Hubenstorf Michael : Österreichische Ärzteemigration, 368–370 u. 380. 320 Oberkofler Gerhard, Goller Peter (Hg.) : Die Medizinische Fakultät Innsbruck. Faschistische Realität (1938) und Kontinuität unter postfaschistischen Bedingungen (1945). Eine Dokumentation. Innsbruck 1999, 58. 321 Oberkofler Gerhard, Goller Peter (Hg.) : Die Medizinische Fakultät Innsbruck. Faschistische Realität (1938) und Kontinuität unter postfaschistischen Bedingungen (1945). Eine Dokumentation. Innsbruck 1999, 57f. 322 Seyfarth Ernst-August : „Was ich anfangen soll, wenn ich nicht hier weiter arbeiten kann, beschäftigt mich sehr“, Neuroforum 1997, Bd. 1, 33.
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Walter B. Cannon in die USA emigrieren. Zu dieser Zeit war es bereits schwierig, an US-Universitäten längerfristige Positionen zu erhalten, da bereits zahlreiche Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich dorthin emigriert waren. Forbes versandte ohne Brückes Wissen einen Spendenaufruf an US-Neurophysiologen, um zunächst ein „Stipendium“ für Brücke finanzieren zu können323. Im Oktober 1938 wurde Brücke dann eine befristete Stelle als „Research Associate“ zur Verfügung gestellt. Die Emigration in die USA verzögerte sich, weil die NS-Behörden seine Emigrierung bürokratisch verzögerten324. Für die Finanzierung musste Forbes persönlich bürgen. Diese Verbindungen zur Familie Forbes begannen auf wissenschaftlicher Basis und entwickelten sich in eine persönliche Freundschaft, die auch später anhielt325. Hauptinteressengebiet von Brücke war die Physiologie von Nerven u. Muskeln326. Dabei erfand er die Methode der schwebenden Reizung327, wobei reflexerregende und -hemmende Nerven mit unterschiedlichen Frequenzen stimuliert und damit in ihrer Wirksamkeit beurteilt werden konnten. Weitere Untersuchungen betrafen die Funktion vegetativer Organe, die physiologische Optik und die vergleichende Physiologie328. Brücke war somit ein Pionier der Neurobiologie, insbesondere eben der nervösen Hemmung329. Aus Brückes zahlreichen richtungweisenden Publikationen330 sei insbesondere erwähnt : Über die reflektorische Erregung der Herznerven bei Reizung des N[ervus] depressor. Zeitschrift für Biologie, Vol. 67, 1917, 507–519. Zur Theorie der intrazentralen Hemmungen. Zeitschrift für Biologie. Vol. 77, 1922, 29–58. 323 Seyfarth Ernst August : Neuroforum 1997, Bd. 1, 33. 324 Seyfarth Ernst August : Ernst Theodor von Brücke (1880–1941) and Alexander Forbes (1882–1965) : In : Perspectives in Biology and Medicine, 40, 1, Chicago 1996, 50. Brücke verließ Europa über die Schweiz, Frankreich, Belgien und Großbritannien (London und Cambridge). 325 Seyfarth Ernst August : Ernst Theodor von Brücke (1880–1941) and Alexander Forbes (1882–1965) : In : Perspectives in Biology and Medicine, 40, 1, Chicago 1996, 53. 326 Hubenstorf Michael : Österreichische Ärzteemigration, 380. 327 Wense Theodor : Brücke Ernst Theodor, NDB Bd. 2, Berlin 1955, 654f., s.a. Seyfarth Ernst August : Ernst Theodor von Brücke (1880–1941), Neuroforum 1997, Bd. 1, 32f. 328 Scheminzky Ferdinand : Lehrkanzel und Institut für Physiologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 222, s.a. Wense Theodor : Brücke Ernst Theodor, NDB Bd. 2, Berlin 1955, 654f., u. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 265f. 329 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, Wien 2001, 235–269, hier : 265f. 330 Zitiert nach Seyfarth Ernst August. Ernst Theodor von Brücke (1880–1941) : „Was ich anfangen soll, wenn ich nicht hier weiter arbeiten kann, beschäftigt mich sehr“. In : Neuroforum 1997, Bd. 1, 32f.
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Vergleichende Physiologie des Erregungsvorgangs. Ergebnisse der Biologie Vol. 6, 1930, 327–425. Die Leistungen des normalen Rückenmarks. In : Bumke O., Foerster O. (Hg.) : Handbuch der Neurologie, Bd. 2, 1937, 88–186. Brücke hat zahlreiche Forscher aus den USA, Russland, Japan, Korea und China an seinem Institut ausgebildet.331 Brücke war 1926/27 Rektor der Innsbrucker Universität332. Er musste 1938 das Innsbrucker Institut verlassen und wirkte dann bis zu seinem plötzlichen Tod an der Harvard-Universität in den Abb. 49 : Ernst Theodor v. Brücke 336 USA. Zu seinem neurophysiologischen Wirken in den USA, insbesondere an der Harvard Medical School, liegt eine richtungweisende Publikation vor.333 Brücke war in den USA von Stipendien abhängig und dies belastete ihn offensichtlich sehr.334 Mitten in seiner Forschungstätigkeit in Boston ereilte Brücke ein plötzlicher Tod.335336
2.4 Lehrstuhl und Institut für Physiologische und Pathologische Chemie, später für Medizinische Chemie Das Fach Chemie wurde ab 1869 als Physiologische Chemie an der neu errichteten Medizinischen Fakultät gelehrt. Die Physik/Experimentalphysik verblieb 331 Seyfarth Ernst August : Ernst Theodor von Brücke (1880–1941) and Alexander Forbes (1882–1965) : In : Perspectives in Biology and Medicine, 40, 1, Chicago 1996, 47. 332 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 471. 333 Seyfarth Ernst August : Ernst Theodor von Brücke (1880–1941) and Alexander Forbes (1882–1965) : In : Perspectives in Biology and Medicine, 40, 1, Chicago 1996, 45–54, insb. 50–53. 334 http ://www.uibk.ac.at/ipoint/gastkommentar/575011.html 335 Seyfarth Ernst August : Ernst Theodor von Brücke (1880–1941) and Alexander Forbes (1882–1965) : In : Perspectives in Biology and Medicine, 40, 1, Chicago 1996, 53. 336 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 18.
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dagegen weiterhin an der Philosophischen Fakultät und erst im Wintersemester 1976/77 (sic !) wurde ein eigenes Institut für Physik an der Medizinischen Fakultät errichtet.337 Da die (Medizinische) Physik Prüfungsfach war338, war bis dahin die Philosophische Fakultät für diesen Unterricht verantwortlich.339 2.4.1 Die Chemie an der Philosophischen Fakultät in ihrer Bedeutung für die medizinische Ausbildung
Mit der Universitätsreform von Leo Graf Thun-Hohenstein (1849 bis 1860)340 kam es zu wesentlichen Verbesserungen des naturwissenschaftlichen Unterrichts, zunächst an den Philosophischen Fakultäten. Dies galt auch für die Universität Innsbruck.341 Bereits 1851 wurde der erste Lehrkanzelinhaber für Anorganische und Organische Chemie an die Innsbrucker Philosophische Fakultät berufen.342
337 Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 32. 338 Bereits seit 1872 wurde in der Rigorosenordnung der Medizinischen Fakultät eine theoretische Prüfung aus Physik angeordnet. In den Instruktionen zur neuen Rigorosenordnung (RGBl. 271 vom 21. Dezember 1899) wurde daraufhin eine wöchentlich fünfstündige Physik mit Übungen über zwei Semester vorgeschrieben. Dabei soll der Schwerpunkt insb. im „Manipulieren mit feinern Apparaten … Vorstellungen von exacten Methoden der Beobachtung, Untersuchung und Messung (etc.)“ liegen, s. Huter Franz : Der Physikunterricht für Mediziner. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 233f., Zitat 234 u. Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 32f. 339 Huter Franz : Der Physikunterricht für Mediziner. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 233f. 340 Thienen-Adlerflycht Christoph : Graf Leo Thun-Hohenstein als nachjosephinischer Vorkämpfer eines aufgeklärten Konservativismus. In : Zellenberg Ulrich E. (Hg.) : Konservative Profile. Graz u.a. 2003, 103–168, hier : 139–153. 341 Der erste Professor für Chemie an der Philosophischen Fakultät war Heinrich Hlasiwetz (ao. Professor 1851, o. Professor 1853). Ihm folgte der Professor für Naturgeschichte, der Botaniker Anton Josef Kerner, Ritter v. Marilaun (o. Professor 1860), dann Ludwig Barth, R. v. Barthenau (o. Professor 1867) und Carl Senhofer (ao. Professor 1874, o. Professor 1876), s. Festschrift, 236–239, und Machek Guido : Die Lehrkanzeln und Institute für Chemie in Innsbruck. In : Huter Franz (Hg). Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945. Innsbruck 1971, 173–190. 342 Es handelte sich um Dr. Hlasiwetz Heinrich, dieser wurde 1851 zum Extraordinarius und 1853 zum Ordinarius berufen. Er wechselte jedoch an das Wiener Polytechnikum, s. Festschrift, 236f., s.a. Machek Guido : Die Lehrkanzeln und Institute für Chemie in Innsbruck. In : Huter Franz : Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie, 173–213.
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2.4.2 Lehrstühle und Institute für Medizinische Chemie unter besonderer Berücksichtigung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät An der Medizinischen Fakultät wurde bereits 1869 eine Professur für Physiologische und Pathologische Chemie errichtet. Ab 1872 hieß der Lehrstuhl dann Angewandte Medizinische Chemie (1872–1916) bzw. Medizinisch-Chemisches Institut (1916–1939)343. Der erste Lehrstuhl für Physiologische und Pathologische Chemie in den damaligen österreichischen Kronländern wurde in Innsbruck (1869), dann in Prag (1872) gegründet. In Wien gab es dagegen vor der Physiologischen Chemie eine Pathologische Chemie344, deren Leiter Johann Florian Heller345 war. Die Namensgebung „Pathologische und Physiologische Chemie“ wurde allerdings nicht beibehalten. Mit der ersten Nachbesetzung hieß der Lehrstuhl bereits Angewandte Medizinische Chemie346. Neben den Lehrstühlen für Medizinische Chemie wurden klinisch-chemische Laboratorien, z. B. an den Medizinischen Kliniken, geführt. So ging der Antrag zur Errichtung eines derartigen Laboratoriums in Wien zuerst vom Internisten Johann R. v. Oppolzer (1808 –1871)347 aus. Oppolzer stellte 1866 den Antrag, den experimentellen Pathologen Salomon Stricker (1834–1898), einen Schüler von Ernst Wilhelm v. Brücke, seiner Klinik beizugeben348. Das Laboratorium selbst wurde dann am Institut für Pathologie bei Carl v. Rokitansky errichtet. Schwerpunkte der Laboratoriumsmedizin wurden neben den chemisch-analytischen Untersuchungen die Hämatologie, einschließlich Blutgerinnungsuntersuchungen, sowie, serologische und auch bakteriologische Methoden. Dabei wa343 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie. In : Huter Franz (Hg.). Hundert Jahre Medizinische Fakultät, Bd. 2, 235–246, hier : 236. 1939–1945 ist die Benennung dann „Physiologisch-Chemisches Institut“ und in der Zeit nach 1945 „Institut für Medizinische Chemie“. 344 In Wien entwuchs diese frühe Chemie dem Institut für Pathologische Anatomie von Carl v. Rokitansky. Dieser beauftragte den ehemaligen Assistenten des Prager Chemischen Lehrstuhls Johann Florian Heller (1813–1871), sich besonders mit der Untersuchung von Harn und Ergüssen chemischanalytisch zu befassen. Gegen die Anstellung des Chemikers Heller als Vorstand des Pathologischchemischen Institutes wandten sich jedoch die damals richtungweisenden Professoren der Wiener Medizinischen Schule Rokitansky, Skoda, Schuh und Hebra. Die Argumentation der Professoren war die folgende : Wie könne man einen Chemiker mit zu geringen Kenntnissen der Medizin zum Professor machen, „dessen Vorstellungen vom Baue der Organe, von physiologischen und pathologischen Processen nicht hinreichend klar geworden sind“, s. Lesky Erna. Wiener Medizinische Schule, 252–258. 345 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 252–254. 346 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 236. 347 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 149–152. 348 Spitzy Karl H. und Lau Inge : Van Swietens Erbe, 283.
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ren laufend die apparativen Weiterentwicklungen zu berücksichtigen349. Ein früher Wiener Internist mit dem Schwerpunkt Hämatologie war Wilhelm Türk (1871– 1916)350. Dieser reformierte die Leukozytenzählung mit einer von ihm entwickelten Zählkammer. a) Der erste Professor für Physiologische und Pathologische Chemie in Innsbruck war Richard Leo Maly (1869–1876)351. Maly war, wie bereits erwähnt, ein Schüler des in Graz wirkenden Physiologen Alexander Rollett (1834–1903)352. Maly war in Innsbruck Professor für Physiologische und Pathologische Chemie 1869 bis 1875 (ab 1872 für Angewandte Medizinische Chemie)353. Er kehrte dann nach Graz zurück, wo er 1875–1886 an der Technischen Hochschule eine Professur erhielt und anschließend nach Prag berufen wurde (ab 1886). 354 Abb. 50 : Richard Leo Maly 354 Die wissenschaftliche Tätigkeit von Maly betraf zahlreiche physiologischchemische, einschließlich zoophysiologische Fragestellungen. Er war Verfasser bzw. Mitautor von Lehrbüchern für Mediziner und Pharmazeuten.355 349 Gabl Franz : Vom Harnkosten zur Hormonanalytik. In : Spitzy Karl H. und Lau Inge : Van Swietens Erbe, 285–291. 350 Tragl Karl Heinz. Chronik, 362. 351 Der aus Graz stammende Richard Leo Maly (1839–1894) maturierte 1859 in Graz und studierte Medizin in Wien (Promotion 1864). Er war dann Assistent am Physiologischen Institut in Graz und habilitierte bereits 1864. Ab 1866 wirkte er am Medizinisch-chirurgischen Lyzeum in Olmütz als Professor für Chirurgische Vorbereitungswissenschaften. Dort erhielt er den Ruf nach Innsbruck (1869), s. Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 236. 352 Von Alexander Rollett wird als hervorstechendste Eigenschaft seine Fähigkeit genannt, „keinen direkten Einfluss auf die Arbeit seiner Schüler zu nehmen, denen er ihre Individualität und Kreativität belassen wollte, s. Kernbauer Alois : Große Wiener Mediziner und Biochemiker, 425–449, Zitat : 439. 353 Festschrift, 232. 354 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 23. 355 Z. B. „Grundzüge der modernen Chemie“, Wien 1868, und „Anleitungen zu pharmaceutisch-medicinisch-chemischen Übungen“ (gemeinsam mit K. Brunner), s. Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 237.
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Während Malys Tätigkeit in Innsbruck kam es – mit Verzögerungen – zwar zur Planung, jedoch noch nicht zur Fertigstellung des Institutbaues für Pathologische Anatomie und Chemie.356 Trotz aller räumlichen Beschränkungen gelang es Maly „mit organisatorischer Gewandtheit“357, einem Institut vorzustehen, „das nicht nur billigen Anforderungen vollkommen entspricht“.358 Bei Maly habilitierte der aus Debreczen/Ungarn stammende Leo Liebermann (1875)359, der nach der Berufung von Maly nach Graz den Lehrstuhl supplierte (1875/76). Ab 1879 lehrte Liebermann als ao. Professor für Pathologische und Physiologische Chemie in Pest am Tierarzneiinstitut.360 b) Der nächste, allerdings nur ein Semester wirkende, ao. Professor für angewandte medizinische Chemie war Carl Senhofer (1876).361 Er war Schüler von Ludwig R. Barth v. Barthenau.362 Nach einem Semester an der Medizinischen Fakultät (Sommersemester 1876) folgte er einem Ruf an die PhilosophiAbb. 51 : Carl Senhofer 364 sche Fakultät.363 364 356 Huter Franz : Hundert Jahre, Band 1, 144–148, hier : 144f. Die Fertigstellung des gemeinsamen Institutes für pathologische Anatomie und Chemie erfolgte 1881/82. 357 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 237. 358 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 237. 359 Festschrift, 246. 360 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 238. 361 Der aus Klausen in Südtirol stammende Carl Senhofer (1841–1904) habilitierte sich 1871 für Allgemeinchemie in Innsbruck und wurde 1874 am Chemischen Institut der Philosophischen Fakultät (unbesoldeter) ao. Professor. Er wechselte im selben Jahr an die Medizinische Fakultät, s. Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 237f., und Machek Guido : Die Lehrkanzeln und Institute für Chemie in Innsbruck. In : Huter Franz (Hg.). Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät in Innsbruck 1945. Innsbruck 1971, 173–222, hier 184–190. 362 Barth v. Barthenau war Professor für Chemie an der Innsbrucker Philosophischen Fakultät ab 1867 und wurde 1876 nach Wien berufen, s. Machek Guido : Die Lehrkanzeln und Institute für Chemie in Innsbruck. In : Huter Franz (Hg.). Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät in Innsbruck, 179–184. 363 Senhofer wirkte als o. Professor für allgemeine und pharmazeutische Chemie 1876–1902. 364 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 24.
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c) Wilhelm Franz Loebisch (1878–1910) 365 war ein Schüler u. a. des Wiener Ordinarius für Medizinische Chemie Ernst Ludwig (1842–1915).366 Loebisch wirkte als Professor für angewandte medizinische Chemie (1878 ao., 1882 o. Professor). 367 Während der Tätigkeit von Loebisch konnte endlich die Übersiedlung in den Neubau im Erdgeschoss des Pathologisch-anatomischen Institutes erfolgen. Das Institutsgebäude wurde 1881/82 fertiggestellt. Die medizinische Chemie war im Erdgeschoss des Institutsgebäudes für Abb. 52 : Wilhelm F. Loebisch 367 Pathologische Anatomie und Chemie untergebracht.368 „Das medicinisch-chemische Laboratorium enthält 28 Arbeitsplätze.“369 Es ist im Besitze einer reichhaltigen Bibliothek (445 Bände). Ein Assistent wirkt im Institut seit 1871.370 Seine wissenschaftliche Tätigkeit war vorwiegend von chemisch-analytischem und methodischem Charakter.371 An größeren Werken erschienen „Anleitung zur 365 Wilhelm Franz Loebisch (1839–1912) stammte aus Ungarn (aus Papa). Er studierte in Wien Medizin (Promotion 1863). Es folgten „bunt bewegte Jahre“ bis 1870. 1870 wirkte er in Tübingen bei Ernst Felix Immanuel Hoppe-Seyler, dann bei Richard Leo Maly in Innsbruck (1871). Ab dem folgenden Jahr arbeitete er bei Heinrich Hlasiwetz in Wien und schließlich bei Ernst Ludwig, Vorstand des dortigen Institutes für Medizinische Chemie, wo er sich 1877 für Medizinische Chemie habilitierte, s. Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 238f., Zitat : 238. 366 Ernst Ludwig – Schüler von Robert Wilhelm Bunsen – war Doktor der Chemie, jedoch nicht der Medizin. Er wurde 1874 zum Ordinarius für Medizinische Chemie ernannt. Wegen häufiger Kritik zu seinem fehlenden Doktorat in Medizin erhielt er dann 1883 das medizinische Ehrendoktorat. Aus seiner Schule ist „ein guter Teil der medizinischen Chemiker der Monarchie hervorgegangen“, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule 522–525, Zitat : 525, s.a. Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 246f. 367 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 25. 368 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 144–148, hier : 145. 369 Festschrift, 29. 370 Festschrift, 29. 371 Die Publikationen umfassen die Bestimmung von Harnbestandteilen, Wasseranalysen, Publikationen zu gerichtsmedizinischen Fragen und zu Arzneimittelproblemen, s. Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 238f.
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Harnanalyse“ (1878), „Die neueren Arzneimittel“ (1887), weiters publizierte er in „Eulenburgs Realencyklopädie der gesamten Heilkunde“, dort über Ernährung und neue Arzneimittel.372 d) Fritz Pregl (1910–1913)373 wirkte in Innsbruck als systemisierter Ordinarius. Er war, wie bereits angesprochen, ein Schüler des Grazer Physiologen Alexander Rollett 374 (s. o.). Während der Innsbrucker Zeit beschäftigte sich Pregl v. a. mit der physiologischen Chemie der Gallensäuren und – bahnbrechend – mit der Entwicklung der organischen Mikroanalyse. Diese Methodik war Voraussetzung z. B. für Untersuchungen von Sekreten aus dem Körperinneren mit den meist nur sehr geringen Substanzmengen.375 Fritz Pregl (1869–1930)376, geboren in Laibach, studierte nach einer Gymnasialzeit am Laibacher deutschsprachigen Gymnasium in Graz Medizin (1887–1893). Bereits vor der Promotion (1894) begann er seine Tätigkeit am dortigen physiologischen Institut bei Rollett zunächst als Hilfsassistent (ab 1890). Er war dort dann Assistent und habilitierte 1899. Nach dem Tod von Rollett (1903) bewarb er sich – vergeblich – um dessen Nachfolge. Er wurde jedoch mit der Supplierung dieser Lehrkanzel betraut (1903/1904) und zum ao. Professor ernannt (1903). Nach dieser Supplententätigkeit trat er einen einjährigen Studienaufenthalt an und erweiterte seine biochemischen Kenntnisse bei W. Ostwald (Leipzig), G. Hüfner (Tübingen) und dem späteren Nobelpreisträger Emil Fischer (Berlin). Er war dann als Assistent am Medizinisch-chemischen Institut in Graz tätig, dessen Leitung Karl B. Hofmann innehatte. Pregl wurde als ao. Professor mit einem Lehrauftrag in physiologischer Chemie betraut. Von Graz erhielt er den Ruf nach Innsbruck. In Pregls Innsbrucker Zeit „fielen die entscheidenden Arbeiten“377 zur organischen Mikroanalyse. Ausgangspunkt der Mikroanalyse waren die meist minimalen Mengen von Untersuchungsmaterial, die für physiologisch-chemische Untersu372 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 239. 373 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 239f. 374 Rollett war Grazer Professor für Physiologie 1863–1903. Ihm folgte Oscar Zoth (1904–1927), s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 658. 375 Nicht geschmälert sei bei der Entwicklung der Mikroanalyse der Grazer Beitrag, insbesondere im Rahmen der dortigen Technischen Hochschule. Dort wirkte Friedrich Emich (1860–1940), der bei dieser Entwicklung – aufbauend auf die Erfahrungen des Holländers Behrens – eine wichtige Rolle spielte, s. Acham Karl : Naturwissenschaft und Technik, 303f., u. Smekal, Ferdinand G.: Österreichischer Nobelpreisträger, Wien 1969, 56. 376 Smekal, Ferdinand G.: Österreichischer Nobelpreisträger, 53–63, u. Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 239f. 377 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 240.
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chungen zur Verfügung standen. Für Elemantaranalyse, z. B. Gallensäuren, suchte er daher ein methodisches Vorgehen „in gleichmäßig verkleinertem Maßstab“.378 Die Pregl’sche Mikroanalyse war de facto bahnbrechend.379 In Innsbruck arbeitete Pregl, wie bereits in Graz begonnen, über physiologischchemische Fragestellungen, zunächst insbesonders der Gallensäuren.380 Pregls Hauptaugenmerk galt der Weiterentwicklung der Mikroanalyse, wobei die drei Innsbrucker Jahre „zu den fruchtbarsten seines Lebens“381 gehörten. Zu dieser Zeit erfolgte auch eine öffentliche Demonstration dieser Methode in Berlin.382 In die Innsbrucker Zeit von Pregl fallen auch Bemühungen um die notwendige Verbesserung der Infrastruktur des Institutes383, das 1882 bezogen worden war. Ansuchen um Sonderdotationen wurden allerdings nur z. T. bewilligt. Pregl griff zur damals notwendigen Selbsthilfe, Gerätschaften mussten in Eigenregie z. T. als Prototypen angefertigt werden. So konnte Pregl „seine praktischen Fähigkeiten in Glasbläserei“384, weiterentwickeln. Ähnliches galt für handwerkliche Fähigkeiten in der Glasschleiferei. Er verfügte auch über Grundkenntnisse als „Tischler und Mechaniker“.385 Mit Kuhlmann/Hamburg und seiner Firma entwarf Pregl eine hochempfindliche Präzisionswaage.386 Unter den Mitarbeitern Pregls kommt Hans Lieb (geboren 1887, Promotion Chemie in Graz 1912)387 besondere Bedeutung zu. Dieser berichtet „von der großen Arbeitsintensität des Gelehrten“388, die auch gesellige Diskussionsrunden mit seinen Mitarbeitern bis in die Nachtstunden einschloss. Lieb begleite Pregl dann 378 Smekal Ferdinand : Österreichischer Nobelpreisträger, 56. Sowohl die eingesetzten Substrate, Reagenzien und auch die verwendeten Geräte mussten den geringen Testmengen angepasst werden. 379 Trutnovsky Helmut. Fritz Pregl – der erste Nobelpreisträger der Universität Graz. In : Acham Karl : Naturwissenschaft, Medizin und Technik, Wien u.a. 2007, 327–336, hier : 336. 380 In Graz hatte Pregl u.a. über die Unterschiede zwischen Sommer- und Wintergalle der steirischen Rinder publiziert, s. Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 240. 381 Smekal Ferdinand : Österreichischer Nobelpreisträger, 56. 382 Pregl präsentierte mit Assistenten im biologischen Material eine komplette Bestimmung des Gehaltes an den Atomen C, H und N, sowie eine Molmassebestimmung. Dies erfolgte bei der Jahresversammlung der Gesellschaft deutscher Chemiker in Berlin (1911). Die Demonstration erregte große Aufmerksamkeit. Man dachte allerdings, dass diese Methode „eigentlich eine Kunst sei und eine besondere Begabung benötigte“. Trutnovsky Helmut. Fritz Pregl, 334f., Zitat : 334. 383 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 240. 384 Trutnovsky Helmut : Fritz Pregl, 333. 385 Trutnovsky Helmut : Fritz Pregl, 333. 386 Trutnovsky Helmut : Fritz Pregl, 333. 387 Trutnovsky Helmut : Fritz Pregl, 333. 388 Smekal Ferdinand G.: Österreichischer Nobelpreisträger, 58.
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wieder nach Graz und wurde dort sein Nachfolger (1931–1958)389. Lieb war wesentlich bei der Entwicklung der wichtigsten Methoden der Pregl’schen Arbeitsgruppe beteiligt.390 Die Innsbrucker Jahre Pregls waren für die Entwicklung der quantitativen mikrochemischen Elementaranalyse organischer Stoffe besonders wertvolle Jahre. Am meisten zu Hause fühlte sich Pregl jedoch in Graz, das sich zum „Mekka der organischen Mikroanalyse“391 entwickelte. Dort wirkte auch der bereits erwähnte Friedrich Emich, dessen wichtige Rolle bei der EntwickAbb. 53 : Fritz Pregl (1869–1930)397 lung dieser Methode bereits kurz erwähnt wurde.392 Wichtige Details seiner laufend verbesserten Methodik, wie z. B. eine exakte gasvolumetrische Bestimmung des Stickstoffs, können hier nicht näher besprochen werden.393 1913 wurde Pregl an das medizinisch-chemische Institut nach Graz rückberufen, wo er bis 1930 als Ordinarius für Medizinische Chemie in der Nachfolge von Karl Berthold Hofmann (1842–1922) wirkte. In Graz veröffentlichte Pregl seine Monografie über mikrochemische Methoden „Die quantitative organische Mikroanalyse“ (1917, mit mehreren Neuauflagen).394 Es war das erste Lehrbuch der organischen Mikroanalyse. 1923 erhielt Pregl für seine Verdienste um die Mikroanalyse den Nobelpreis für Chemie.395 Pregls Methoden haben sich damals weltweit durchgesetzt. Sie haben „wesentlich zum großen Aufschwung der Naturstoffchemie in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts“396 beigetragen. 397 389 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 665. 390 Trutnovsky Helmut : Fritz Pregl, 333f. 391 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 263. 392 Smekal Ferdinand G.: Österreichischer Nobelpreisträger, 56 u. 61. 393 Smekal Ferdinand G.: Österreichischer Nobelpreisträger, 58. 394 Smekal Ferdinand G.: Österreichischer Nobelpreisträger, 60. 395 Trutnovsky Helmut. Fritz Pregl, 335, u. Moser Hans u. Smekal Christian (Hg.) : Leopold-FranzensUniversität Innsbruck, 78. 396 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 263. 397 http ://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Pregl
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e) Adolf Windaus (1913–1915)398 wirkte als Ordinarius für Medizinische Chemie (in der Nachfolge von Pregl). Windaus hatte in Freiburg i. Br. über die Struktur des Cholesterins habilitiert (1903)399 und wurde dort ao. Professor (ab 1906). Er nahm dann nach den Innsbrucker Jahren einen Ruf auf den Lehrstuhl für Chemie in Göttingen an.400 Dort war er Direktor des Allgemeinen Chemischen Universitätslabors. Sowohl in Innsbruck als auch in Göttingen trat er die Nachfolge jeweils eines Nobelpreisträgers an (Fritz Pregl bzw. Otto Wallach). Der Berliner A. Windaus401 studierte zuerst Medizin, sattelte jedoch nach dem Physikum (1897) auf Chemie um und promovierte 1899 in Freiburg i. Br. Zur weiteren Ausbildung ging er 1900/01 nach Berlin zu Emil Fischer.402 Er habilitierte – wie erwähnt – 1903 in Freiburg i. Br. über Cholesterin. 1906 wurde er dort außerplanmäßiger Professor und erhielt 1913 den Ruf nach Innsbruck. Die Innsbrucker Medizinische Chemie war dabei nicht zuletzt wegen der von F. Pregl etablierten organischen Mikroanalytik eine attraktive Forschungsinstitution. Windaus wissenschaftlicher Schwerpunkt war die Strukturanalyse der Sterine (insbesondere der Provitamine und der Vitamine D3 und D2). Seine Forschungen403 waren schließlich von unmittelbar therapeutischer Relevanz, insbesondere in der Prophylaxe der damals weitverbreiteten Rachitis.404 398 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie 240f. Bauer Axel W., Windaus Adolf. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1499f. 399 In der Habilitationsschrift und weiteren Arbeiten stellt Windaus (1876–1959) fest, „dass sich das Cholesterin als ein Prototyp von naher verwandter Verbindungen, den sog. Sterinen des Tier- und Pflanzenreiches erwies“. 1932 war es dann seiner Arbeitsgruppe gelungen, den komplexen Aufbau dieses Moleküls vollständig aufzuklären, s. Haas Jochen : Vigantol. Adolf Windaus und die Geschichte des Vitamin D. Heidelberger Schriften zur Pharmazie und Naturwissenschaftsgeschichte. Stuttgart 2007, 32–83, hier : 40–50 u. 401–409 (Werkverzeichnis), u. Windaus Adolf : Über Choelsterin. In : Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, Bd. 36, 1904, 37–52. 400 Die Göttinger Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät hatte damals eine Reihe hervorragender Forscher auf dem Gebiet der Physik (Robert R. Pohl u. a.), in der Biologie (F. v. Wettstein) u. a., der Kolloidchemie (Richard Zsigmondy, österreichischer Nobelpreiträger 1925), den emeritierten Chemiker Otto Wallach (Nobelpreisträger 1910) und eine Reihe anderer Physiker, Mathematiker, Biologen etc. Butenandt Adolf : Das wissenschaftliche Lebenswerk von Adolf Windaus. In : Schoen Rudolf, Butenandt Adolf, Brockmann Hans : Adolf Windaus zum Gedenken, Göttingen 1960, 5–25, hier : 7–25. 401 Bauer Axel W.: Windaus Adolf. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1499f., s.a. Moser Hans u. Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität, 79. 402 Tshisuaka Barbara I.: Fischer Emil. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 402f. 403 Haas Jochen : Vigantol, 40–50. 404 Gegen Ende seiner Laufbahn hieß es daher in einer Laudatio : „Wenn ich mir ein Denkmal vorstelle, das eine dankbare Menschheit einmal errichten wird, so drängen sich darauf um seine Gestalt Scharen von Kindern, die ihm Gesundheit und Heilung verdanken.“ Worte aus einer Anspra-
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Noch 1901 war die Bedeutung von Cholesterin „ganz unbekannt“405. Es war das Verdienst von Windaus, Cholesterin als Prototyp der Sterine grundlegend erforscht zu haben. Darauf aufbauend erfolgte dann unter seiner Leitung die Konstitutionsanalyse von verschiedenen (Vorläufer-)Formen des Vitamins D. Weiters stammen aus seiner Forschergruppe Arbeiten über Vitamin B1 und E.406 407 Während seiner zweijährigen Innsbrucker Tätigkeit veröffentlichte Windaus eine Arbeit zur Strukturanalyse von Cholesterin sowie über Emetin.408 Windaus war der damals beste Kenner auf dem Gebiet der KonstitutionsAbb. 54 : Adolf Windaus 407 analyse der Sterine.409 Ausgehend vom Cholesterin beschäftigte er sich weiters 410 mit den Gallensäuren und schließlich mit Wirkstoffen des Digitalis. Der Zeitpunkt der Untersuchungen von (Pro-)Vitaminen der D-Gruppe war zweifellos günstig, denn die Pathophysiologie von Vitamin-D-Mangelzuständen war damals ein aktuelles Forschungsgebiet. Es zeichnete sich die Möglichkeit ab, „eine ausgedehnte Prophylaxe der Rachitis zu verwirklichen. Die Zahl der unter der englischen Krankheit leidenden Kinder betrug danach in Großstädten bis zu 80 %“411. Es bestand allerdings bereits die Kenntnis, dass durch Bestrahlung mit che von Wilhelm Biltz anlässlich von A. Windaus fünfundsechzigstem Geburtstag. Zitiert bei Haas Jochen : Vigantol, 280f. 405 Butenandt Adolf : Das wissenschaftliche Lebenswerk, 110. 406 Haas Jochen : Vigantol, 83, u. Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie 240f. 407 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 27. 408 Zu seinen Publikationen während Windaus Wirken in Innsbruck siehe Haas Jochen : Vigantol, 402. 409 Butenandt Adolf : Das wissenschaftliche Lebenswerk, 9. 410 Insbesondere beschäftigte er sich mit Cholansäure in ihrer nahen Verwandtschaft zu anderen Sterinen. Zusätzlich forschte er zur Konstitutionsanalyse von Digitalis u.a. tierischen wie pflanzlichen Herzgiften, s. Butenandt Adolf : Das wissenschaftliche Lebenswerk, 9f. 411 Haas Jochen : Vigantol, 84–99, Zitat 84.
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UV-Licht412, z. B. der Nahrung von Versuchstieren, ein postuliertes Provitamin „in das eigentliche Antirachitikum überging“.413 Forscher v. a. aus den USA und England hatten bereits nachgewiesen, dass die Vorläufersubstanz des antirachitischen Vitamins nicht einem synthetisch gereinigten Cholesterin entsprach, sondern eine diesem ähnliche Substanz war. Hilfe bei der Identifizierung des tatsächlichen Provitamins brachte der Befund von Windaus und des Göttinger Physikers Robert Richard Pohl (1884–1976), dass das später erkannte Provitamin durch charakteristische Absorptionsbande identifiziert werden könne (1924)414. Schon bald gelang es dann, unter Verwendung von bestrahltem Ergosterin wirksames antirachitisches Vitamin D (Vitamin D2 = Calciferol) zu synthetisieren. Durch Zusammenarbeit der Windaus’schen Arbeitsgruppe mit den Firmen E. Merck (Darmstadt) und der I. G. Farbenindustrie A. G. (Werk Elberfeld) wurde daraufhin Vigantol synthetisiert und großindustriell vermarktet. Dabei handelte es sich um eine nach dem damals besten Wissensstand geprüfte ölige Lösung von bestrahltem Ergosterin mit außerordentlich guter antirachitischer Wirkung.415 Weitere Schwerpunkte der Forschungen von Windaus können hier nur angedeutet werden. Unter verschiedenen anderen pflanzlichen und tierischen Sterinen widmete er sich der Erforschung bestimmter Sexualhormone sowie von Hormonen der Nebennierenrinde. Somit wurden die ersten Steroide 416 als zur Familie der Sterine gehörend identifiziert. Windaus war weiter der Entdecker des Histamins, charaktarisierte – wie bereits erwähnt – u. a. die Vitamine B1 und E sowie das Colchicin, ein Mitosegift.417 Windaus zeigte nicht nur als Forscher, sondern auch als akademischer Lehrer herausragende Qualitäten.418 Windaus war „bei aller persönlicher Liebenswürdigkeit ein Mann der Distanz und innerer Reserve“.419 In dieser Hinsicht unterschied er sich von F. Pregl, der sich 412 Diese Erkenntnisse gehen v. a. auf Harry Steenbock (1886–1967) und Alfred Fabian Hess (1875–1933) zurück, die nachwiesen, dass es nicht erforderlich sei, an Rachitis erkrankte Menschen oder Tiere der Einwirkung des UV-Lichts auszusetzen, vielmehr genügte es, die verabreichte Nahrung zu bestrahlen, s. Haas Jochen : Vigantol, 249–281, hier : 280. 413 Haas Jochen : Vigantol, 84f. 414 Mithilfe dieser Eigenschaft konnte jetzt der Provitamingehalt der großen Zahl natürlicher Sterine bestimmt werden, s. Haas Jochen : Vigantol, 84–96, hier : 84f. 415 Haas Jochen : Vigantol, 84–278. 416 Butenandt Adolf : Das wissenschaftliche Lebenswerk, 14f. 417 Butenandt Adolf : Das wissenschaftliche Lebenswerk, 16f. 418 Brockmann Hans : Adolf Windaus als akademischer Lehrer. In : Schoen Rudolf, Butenandt Adolf, Brockmann Hans : Adolf Windaus zum Gedenken, 20–25. 419 Brockmann Hans : Adolf Windaus als akademischer Lehrer, 24f.
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auch in der Teamarbeit gesellig zeigte. Windaus wirkte auf seine Mitarbeiter und Schüler weniger durch Worte „sondern in einer sehr stillen aber … eindringlichen Weise“.420 Für seine Arbeiten über Sterine und Vitamin D erhielt Windaus 1928 den Nobelpreis für Chemie.421 f ) Der Nachfolger von Windaus erhielt ebenfalls später einen Nobelpreis für Chemie (1930)422. Es handelt sich um Hans Fischer (1881–1945)423, der in Innsbruck 1916–1918 wirkte und von hier nach Wien (1918–1920) sowie dann an die Münchner Technische Hochschule berufen wurde. H. Fischer (1881–1945)424, Sohn eines Farbstoffchemikers, stammte aus Höchst/ Main. Er studierte Chemie und Medizin in Marburg, Lausanne und München. Fischer promovierte in Marburg (Dr. phil./chem. 1904) und München (Dr. med. 1908). Er war dann Schüler von Friedrich v. Müller425 an der II. Medizinischen Klinik in München (1907–1909, 1910–1913), weiters arbeitete er bei Emil Fischer 426 in Berlin und beim Physiologen Otto Frank427 in München (1913–1916). Fischer habilitierte sowohl in Innerer Medizin (1912) als auch für Physiologie (1913) in München. Die Habilitationsschrift und zusätzliche damals erschienene Publikationen betrafen v. a. Bilirubin (Gallenfarbstoff ) und weitere heterocyclische Pyrrole (insbesondere die Prophyrine). Bereits F. v. Müller hatte das Interesse des Studenten Fischer für die Biologie und Pathologie des Blutfarbstoffabbaues geweckt.428 Nach einer kurzen Assistententätigkeit in Berlin bei Emil Fischer (Arbeiten über Peptide und Zucker) hatte er Gelegenheit, „viele der später führenden deutschen Chemiker persönlich kennenzulernen“.429 420 Brockmann Hans : Adolf Windaus als akademischer Lehrer, 25. 421 Moser Hans und Smekal Christian (Hg.) : Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Innsbruck 2001, 79. 422 Moser Hans und Smekal Christian (Hg.) : Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Innsbruck 2001, 78f. 423 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 241, Treibs Alfred : Das Leben und Wirken von Hans Fischer. München 1971, Schütt Hans-Werner : Fischer, Hans. In : Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE), Bd. 3, München u.a. 1996, 318. 424 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 241. 425 Friedrich v. Müller (1858–1941) war Vorstand der II. Medizinischen Klinik in München 1902–1934, s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 628, s.a. Martini Paul : Friedrich von Müller (†). Münchner Medizinische Wochenschrift, 1942 ; 89 : 13–15. 426 Tshisuaka Barbara I.: Fischer, Emil. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 402f. 427 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 9. 428 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 8. 429 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 9.
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Zurück in München, publizierte Fischer v. a. auf dem Gebiet der Pyrrole.430 Früh zeigte er, dass Bilirubin ein Abbauprodukt des Hämatins ist.431 1915 erfolgte dort die Ernennung zum ao. Professor und im folgenden Jahr die Berufung nach Innsbruck. Der die Berge liebende Fischer432 verbrachte nur zwei Jahre in Innsbruck. Als Ergebnis seiner Innsbrucker Tätigkeit publizierte er immerhin zumindest 13 Arbeiten,433 darunter vier Arbeiten über Porphyrine, die experimentell hier durchgeführt wurden.434 Die Innsbrucker Zeit von Fischer kann wohl als eine sehr erfolgreiche bezeichnet werden. Eine weitere PublikaAbb. 55 : Hans Fischer 439 tion behandelte die Mikrobestimmung des Stickstoffs nach Pregl435. Unter den Publikationen befindet sich weiters je eine in der Münchner Medizinischen und Wiener Klinischen Wochenschrift veröffentlichte Arbeit.436 Ebenso stellte er eine Übersicht in den Ergebnissen der Physiologie fertig, sie betrifft Blut- und Gallenfarbstoffe.437 Die meisten seiner Publikationen erschienen übrigens in Hoppe-Seylers Zeitschrift für Physiologische Chemie.438 439 430 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 9f. 431 Schütt Hans-Werner : Fischer Hans, 318. 432 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 4f. u. 9. Dabei war ein besonders tragisches Ereignis in seinem Leben eine gemeinsame Bergtour von Hans Fischer mit seinem Vater Eugen zum Riffler. Der Vater stürzte in eine Gletscherspalte und konnte von ihm nicht mehr gerettet werden. 433 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 624f. 434 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 241. 435 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 241, s.a. Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 624f. 436 Fischer H.: Über Porphyrinurie. MMW 1916 ; 63 : 377, u. Fischer H.: Die natürlichen Porphyrine und ihre Bedeutung für die Pathologie. WiKliWo 32, 1916 (zitiert nach Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 617–676). 437 Fischer H.: Über Blut- und Gallenfarbstoff. Ergebnisse der Physiologie 14, 1916, 185 (zitiert nach Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 617–676). 438 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 617–676 (Werkverzeichnis). 439 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 28.
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Sein folgender Tätigkeitsbereich war die Universität Wien (1918–1921). Sowohl die Tätigkeit in Innsbruck wie auch in Wien waren durch „eine Überbürdung mit Lehr- und Prüfungstätigkeit“440 belastet. Ab 1921 übernahm Fischer an der Technischen Universität in München den Lehrstuhl für Chemie (in der Nachfolge seines Freundes Heinrich Wieland 441). Dort gelang ihm mit einem großen Mitarbeiterstab die Erstsynthese des Porphyrins (1926).442 Es folgte die Strukturaufklärung des Chlorophylls.443 1928 gelang dann noch eine Totalsynthese des Hämins, der Farbstoffkomponente des Hämoglobins444, und weiter des Bilirubins (1944). Nach der Teilsynthese von Chlorophyll stand die Gesamtsynthese dieses Molküls bevor.445 Dieses Ziel konnte er infolge der Bombenzerstörung des Institutes nicht mehr erreichen. Bei einem Bombenangriff 1944 wurde das Institut fast vollständig zerstört. Das „erschütterte Fischer so sehr, dass er sich das Leben nahm.“446 Dies geschah am Ostersamstag, keine sechs Wochen vor Beendigung des Krieges (31. März 1945).447 Für seine Verdienste um die Synthese des Hämins erhielt Fischer 1930 den Nobelpreis für Chemie.448 Somit hatte die Innsbrucker Medizinische Fakultät von 1910 bis 1918 im Rahmen der Angewandten Medizinischen Chemie die Auszeichnung, hintereinander drei spätere Nobelpreisträger zu ihrem Lehrkörper zählen zu können.449 g) Erst im Oktober 1921 erfolgte mit Martin Henze450 eine Nachbesetzung aus Leipzig. Schwerpunkte der wissenschaftlichen Tätigkeit von Henze waren Publikationen zur Meeresbiologie und physiologisch-chemische Untersuchungen. Henze (1873–1956) wirkte in Innsbruck 1921–1938, dann erfolgte seine Enthebung.451 440 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 241. 441 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 11. Ein sehr gut ausgestattetes Laboratorium für Mikroanalytik wurde mit mehreren Mitarbeitern von Pregl besetzt. 442 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 11f. 443 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 241, Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 12, u. Schütt Hans-Werner : Fischer, Hans, 318. 444 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 12. 445 Schütt Hans-Werner : Fischer, Hans, 318. Diese Totalsynthese gelang allerdings erst 1960. 446 Schütt Hans-Werner : Fischer, Hans, 318. 447 Treibs Alfred : Das Leben und Wirken, 20–22, Zitate : 20 und 22. Fischer, ein „starker Gegner des Nationalsozialismus“, handelte wohl nach langem Überlegen. Er sagte : „Ich kann nur hier arbeiten und werde das (den Wiederaufbau des Institutes) nicht mehr erleben.“ 448 Moser Hans und Smekal Christian (Hg.) : Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Innsbruck 2001, 79. 449 Moser Hans u. Smekal Christian (Hg.) : Leopold-Franzens-Universität, 78f. 450 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 242f. 451 Im August 1938 „wurde er vom nationalsozialistischem Regime vor Erreichung der Altersgrenze
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Das bisher auf der Karriereleiter österreichischer und deutscher Nachwuchsbiochemiker durchaus interessante Innsbrucker Institut hatte jetzt offensichtlich an Attraktivität verloren. Die Berufungsliste in der Nachfolge Fischer hatte primo loco Richard v. Zeynek (Prag), secundo loco Franz Knoop (Freiburg i. Br.) nominiert, Henze war tertio loco gereiht. Mit Letzterem wurde dann im Herbst 1920 Kontakt aufgenommen.452 Die Berufungsverhandlungen mit Henze zogen sich „wegen der Zeitverhältnisse“453 hin. Während des Interregnums wurden die Vorlesungen zunächst von dem nicht habilitierten Assistenten Fritz Kopatschek, dann vom Institutsmitarbeiter und ao. Professor Hans Malfatti 454 gehalten, der sich bereits vor Pregl in der Ära Loebisch habilitiert (1892) und sich über viele Jahre um die Lehre verdient gemacht hatte.455 Für die Studentenausbildung in Anspruch genommen wurde auch das Chemische Institut an der Philosophischen Fakultät, das in der Lehre bis 1922 ebenfalls eine Hauptvorlesung, zugänglich für Mediziner, anbot.456 Geprüft wurde ausschließlich durch den dort wirkenden Ordinarius Karl Brunner (1855–1935).457 Martin Henze übernahm ein Innsbrucker Institut, in dem „trostlose Verhältnisse“458 herrschten. Diese besserten sich dann langsam. 1928 bekam das Institut einen eigenen Hörsaal.459 vom Dienst enthoben und pensioniert. Der Dank des Unterrichtsministeriums für vieljährige Wirksamkeit als akademischer Lehrer wurde aus dem Konzept der Pensionsurkunde gestrichen“, s. Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 242f., Zitate : 242, s.a. Oberkofler Gerhard und Goller Peter (Hg.) : Die Medizinische Fakultät Innsbruck. Faschistische Realität, 74f. 452 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 242. 453 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 242. 454 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 239 u. 242. 455 Der aus Rovereto stammende Hans Malfatti (1864–1945) war seit 1890 Assistent an der Angewandten medizinischen Chemie. Er habilitierte 1893, wurde zum ao. Professor ernannt (1900/01) und 1924 pensioniert. Seinen Lebensabend verbrachte er in Rovereto. 456 Bodner Ernst : Medizinische Fakultät, 45. 457 Der aus Linz gebürtige Brunner war zunächst ao. Professor für Chemie an der Deutschen Universität Prag (1894) und wurde von dort nach Innsbruck berufen. Hier wirkte er 1902–1926 als Lehrkanzelinhaber für Allgemeine Chemie, s. Machek Guido : Die Lehrkanzeln und Institute für Chemie in Innsbruck. In : Huter Franz. Die Fächer Mathemathik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945, 190–194 u. 213, s.a. Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 242. 458 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 242. Der Vorlesungsraum im Institut hatte die Größe eines Assistentenzimmers und diente später auch dazu. Es gelang, den Hörsaal des Institutes für Gerichtliche Medizin und des Institutes für Allgemeine und Experimentelle Pathologie mit zu benützen. Obwohl im selben Gebäude gelegen, hieß es, die für die Vorlesung notwendigen Versuchs- und Demonstrationsobjekte jeweils neu aufzubauen. 459 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 243.
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Henze war wissenschaftlich sehr produktiv und veröffentlichte etwa 60 Arbeiten. Das Schwergewicht seiner Forschung lag auf dem Gebiet meeresbiologischer und physiologisch-chemischer Untersuchungen. In Innsbruck publizierte er u. a. über die antiketogene Wirkung von Kohlehydratabbauprodukten sowie über Pyridin- und Cholinderivate460. Im Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden von Emil Abderhalden ist Henze mit einem Beitrag „Untersuchungen an Meerestieren“ vertreten.461 462 Das NS-Regime enthob Henze, „eine außerordentlich konziliante und vornehme Persönlichkeit von weltmänAbb. 56 : Martin Henze 462 nischem Gepräge“463. Er übersiedelte 1946 in die USA und starb in Pasadena/Kalifornien464. Die Universität Innsbruck verlieh Henze 1953 das Ehrendoktorat der Medizin. h) In der Nachfolge von Henze wurde der Privatdozent Richard Stöhr mit der supplierenden Leitung betraut. In dieser Funktion wirkte er vom Sommer 1938 bis 31. März 1939.465 Dann wurde er de facto enthoben und verlor seine Innsbrucker Assistentenstelle.466 460 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 243. 461 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 243. 462 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 29. 463 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 242. Henze war auch künstlerisch hochbegabt und insb. Musik und Literatur liebend. 464 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 242. 465 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 243, s.a. Oberkofler Gerhard und Goller Peter (Hg.) : Die Medizinische Fakultät Innsbruck. Faschistische Realität, 164f. 466 „Der Privatdozent Dr. Richard Stöhr hat als solcher keinen Beamtencharakter. Er würde einen solchen erst durch Verleihung einer Dozentur der neuen Ordnung empfangen. Dies wird aber nicht wohl möglich sein, denn er ist mit einer Halbjüdin verheiratet. Er hat daher noch 1938 seine Assistentenstelle zurückgelegt …“ Bericht von Rektor H. Steinacker an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten vom 6. 6. 1938, zitiert bei Oberkofler Gerhard und Goller Peter (Hg.) : Die Medizinische Fakultät Innsbruck. Faschistische Realität, 164.
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Richard Stöhr (1902–1990) wurde in St. Pölten, NÖ, als Sohn des Chirurgen Dr. Hermann Stöhr geboren. Nach der Matura in St. Pölten studierte er Chemie am 2. Chemischen Institut der Universität Wien (1921–1926) und promovierte zum Dr. phil. 1926. Anschließend war er Mitarbeiter bei Ernst Späth467 (1886–1946). Von Mitte 1927 bis 1929 war Stöhr Research-Fellow beim Diabetesspezialisten Fred. M. Allen in Morristown, New Jersey (USA). Anschließend übte er eine Assistententätigkeit am Innsbrucker Medizinsch-Chemischen Institut bei M. Henze aus. (1929–1938). Er habilitierte 1934 für medizinische Chemie. Nach der Innsbrucker Entlassung wurde Stöhr Leiter der wissenschaftlichen Abteilung der Luitpold-Werke in München (1939–1945). Ab Sommer 1945 war Stöhr wieder an der Innsbrucker Medizinischen Chemie tätig, seine Ernennung zum tit. o. Professor erfolgte am 17. Juni 1948, zum Ordinarius wurde er mit 13. Jänner 1951 berufen. Stöhrs wissenschaftliche Tätigkeit betraf v. a. Probleme des Intermediärstoffwechsels (z. B. Neubildung von Glykogen aus Fett- und Aminosäuren), Fragen des Lipid- und Mineralstoffwechsels etc.468
2.5 Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie 2.5.1 Zu den Professoren der Pathologischen Anatomie in der Habsburgermonarchie Die bekanntesten Professoren an der Wiener Medizinischen Fakultät waren – in der dargestellten Zeitperiode – Carl v. Rokitansky (Ordinarius 1844–1875)469, Richard Heschl (1875–1881)470, Hans Kundrat (1882–1893)471, Anton Weichselbaum (1893– 1916)472 und Rudolf Maresch (1923–1936).473 Der nächste Abschnitt gibt dazu weitere Informationen. An der Prager Medizinischen Fakultät (der dortigen Deutschen Universität)474 waren dies Joseph Engel (1849–1854)475, Edwin Klebs (1873–1882)476, Hans Chiari 467 http ://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Sp %C3 %A4th, 1. 6. 2009. 468 Stöhr Richard : Lehrkanzel und Institut für Medizinische Chemie, 244. 469 Tragl Karl Heinz : Chronik, 61f. 470 Tragl Karl Heinz : Chronik, 88f. 471 Tragl Karl Heinz : Chronik, 89. 472 Tragl Karl Heinz : Chronik, 184. 473 Tragl Karl Heinz : Chronik, 185. 474 Fischer Walter u. Gruber Georg Benno : Fünfzig Jahre Pathologie in Deutschland. Ein Gedenkbuch zum 50jährigen Bestehen der Deutschen Pathologischen Gesellschaft (1897–1947). Stuttgart 1949, 142, s.a. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 136–151. 475 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 139. 476 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 141f.
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(1882–1906)477, Richard Kretz (1907–1910)478 und Anton Ghon (1910–1936)479. Die Berufung von Herwig Hamperl (1940–1945)480 liegt bereits außerhalb der hier dargestellten Zeitperiode. An der Grazer Medizinischen Fakultät 481 wirkten – abgesehen von den bereits genannten Professoren482 – Hans Eppinger (1882–1912)483, Heinrich Albrecht (1913– 1920, Ordinarius in Wien 1920–1922)484, und Hermann Beitzke (1922–1940)485. Unter den Wiener Pathologen, die als bedeutende Prosektoren an Wiener Krankenhäusern wirkten, sei hier Carl Sternberg (Prosektor an der Wiener Poliklinik 1920–1935) genannt.486 Sternberg war ein enger Mitarbeiter von Richard Paltauf. Letzterer war Ordinarius für Allgemeine und Experimentelle Pathologie in Wien (1900–1924).487 Diese beiden zusammen mit dem oben erwähnten Hans Kundrat waren bahnbrechend auf dem Gebiet der Pathologie des lymphatischen und Makrophagensystems.488 2.5.2 Zur Wiener Schule für Pathologie und ihrem Gründer Carl v. Rokitansky Carl von Rokitansky (1804–1878) war ein medizinischer Denker im Sinne der Traditionen von Wilhelm von Humboldt (1767–1835)489. Die Verbindung von Lehre und For477 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 143f. 478 Tragl Karl Heinz : Chronik, 184, 401. 479 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 147–149. 480 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 150f. 481 Fischer Walter : u. Gruber Georg Benno : Fünfzig Jahre Pathologie, 156. 482 In Graz wirkten auch Richard Heschl (1863–1875) und Hans Kundrat (1875–1882). 483 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 143. 484 Tragl Karl Heinz : Chronik, 185. 485 Hermann Beitzke war Tagungspräsident der Deutschen Gesellschaft für Pathologie in Frankfurt im November 1937, s. Fischer Walter u. Gruber Georg Benno : Fünfzig Jahre Pathologie, 37. 486 Tragl Karl Heinz : Chronik, 339. 487 Vorstände des Wiener Instituts für Allgemeine und Experimentelle Pathologie waren Salomon Stricker (1868–1898), Philipp Knoll (1898–1900), Richard Paltauf (1900–1924) und – nach der Neuerrichtung des Institutes 1956 – Adolf Lindner, s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 649. 488 Eine Schlüsselarbeit von Sternberg ist die Monografie „Die Pathologie der Primärerkrankungen des hämatopoetischen Systems“ 1905. Paltauf und Sternberg waren frühe Beschreiber des Mb Hodg kins (Lymphogranolomatose Paltauf-Sternberg), s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 579f., u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 339. 489 Die Humboldtsche Universitätsreform für die neu gegründete Universität von Berlin (1810) orientierte sich an der Wissenschaftstheorie des Idealismus (verknüpft vor allem mit den Namen Schelling, Fichte und Schleiermacher) und betonte besonders die Einheit von Lehre und Forschung in einer Gemeinschaft der Professoren mit den Studierenden. s. Clark Christopher : Preußen. Aufstieg und Niedergang. 1600–1947, München 52007, 385–387.
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schung und das interdisziplinäre Zusammenwirken der Pathologie mit den klinischen Fächern waren ihm zentrales Anliegen.490 Rokitansky hatte bei seiner Ausbildung in Prag (1818–1824) und Wien (1824– 1828) die Grenzen des damaligen „reaktionären Unterrichtssystems“491 hinreichend erfahren. Zu seinen Lehrerpersönlichkeiten gehörte nicht zuletzt Bernard Bolzano 492 (1781–1848). Diese große Lehrerpersönlichkeit in analytischer Philosophie, die durch die damaligen Wiener Hofkreise zur Abdankung gezwungen wurde, war ein Vorläufer einer Wissenschaftslehre, die auf einer modernen Logik aufbaut.493 „Mechanisches Auswendiglernen vorgeschriebener Lehrbücher war alles, was ihm dieses (Unterrichtssystem) in seinen Prager … und Wiener Studienjahren … bot.“494 Rokitansky allerdings verband sein Leben lang (philosophisch)-analytisches Denken495 mit naturwissenschaftlich orientierter Forschung und einer hohen Arbeitsintensität. Im Wiener Allgemeinen Krankenhaus waren in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts die Voraussetzungen für eine moderne Pathologie noch wenig günstig. Von der Prosektur im Leichenhof – einem einstöckigen, ziemlich armseligen Gebäude496 – nahm eine „medizinhistorische Revolution im Vormärz“497 ihren Ausgang. In jenem Leichenhof des Allgemeinen Krankenhauses „stand seit den Zeiten Johann Peter Franks eine armselige, ebenerdige Baracke mit drei Kammern, zwei für die Sektionen, eine für die Aufbewahrung von Leichen. Ausländische Besucher – und ihrer gab es seit 1832 sehr zahlreiche – haben sich nicht wenig entsetzt“.498 490 Die folgenden Angaben beziehen sich, wenn nicht anders vermerkt auf Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 129–141. 491 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 130. 492 Hügli Anton u. Lübcke Poul : Philosophenlexikon, 100. 493 Hügli Anton u. Lübcke Poul : Philosophenlexikon, 100. 494 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 130. 495 Insbesondere waren es neben B. Bolzano Immanuel Kant (1724–1804) u. Arthur Schopenhauer (1788– 1860). 496 Lesky Erna : Meilensteine, 79. 497 Lesky Erna : Meilensteine, 79–86. 498 Lesky Erna : Meilensteine, 79. Auf dem Boden lagen etwa 20–30 Leichen pro Tag, In den zwei anstoßenden zugigen Kammern fanden dann den ganzen Vormittag Obduktionen statt. An manchen Tagen war die Zahl der Leichen kaum zu bewältigen insbesondere bemerkte man dies an Tagen in der Folge von Seuchen, Unfallsgeschehen oder klimatischer Veränderungen. Rokitansky wirkte auch als Prosektor für gerichtsmedizinische Obduktionen, nachdem Letztere für die Pathologie „frei gegeben“ wurden. Bekanntlich waren in der Habsburgermonarchie seit der Zeit Josef II. für im Krankenhaus verstorbene Patienten pathologisch-anatomische Sektionen obligat. Auf sie wurde nur in Einzelfällen nach ausführlicher Begründung verzichtet.
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Abb. 57 : Die im Leichenhof des Wiener Allgemeinen Krankenhauses gelegene Prosektur, die bis 1862 in Verwendung stand und das Hauptarbeitsfeld Rokitanskys darstellte. Farbige Skizze aus dem Institut für Geschichte der Medizin. 499
Unter räumlich sehr beengten Verhältnissen arbeitete Rokitansky 34 Jahre lang (1828–1862). Von dort aus konnte er die medizinische Wissenschaft „revolutionieren“.500 Sein großer Förderer war dabei Ludwig v. Türkheim. Dieser wurde auf den außerordentlich begabten Rokitansky aufmerksam und förderte ihn in besonderem Maße. Das Fach wurde aufgewertet und Rokitansky bereits (1834) zum ao. Professor für Pathologische Anatomie und Prosektor des Wiener Allgemeinen Krankenhauses ernannt. Ein besonderer Vorteil der Wiener Pathologie waren neben der großen Zahl von Obduktionen kongeniale Partnerschaften Rokitanskys mit den Klinikern Joseph Skoda, Ferdinand Hebra, Ignaz Semmelweis 501 u. a. „Rastlos bemüht, die von andern Forschern aufgefundenen Thatsachen an der Hand der eigenen Beobachtungen zu prüfen, zu berichtigen und zu ergänzen, hat er dieselben zugleich durch eine Menge neuer Entdeckungen vermehrt. Alle Theile der patho499 Lesky Erna : Meilensteine, 80. 500 Lesky Erna : Meilensteine, 79. 501 Semmelweis Ignaz Philipp (1818–1865, Ofen/Budapest bzw. Wien).
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logischen Anatomie verdankten ihm wertvolle Beiträge. So verbreitete er richtigere Anschauungen über die Natur einzelner Neubildungen. Zur Erklärung der Entstehung der Missbildungen zog er die Entwicklungsgeschichte heran. Übrigens beschränkte er sich nicht auf die makroskopische Untersuchung, sondern gieng auch auf die feineren Structurverhältnisse, auf die nur mit dem Mikroskop erkennbaren Veränderungen ein, obwohl er die Technik desselben erst im 40. Lebensjahre erlernt hatte.“502
Rokitansky – von Rudolf v. Virchow (1821–1902)503 als „Linné der pathologischen Anatomie“ bezeichnet504 – stand mit Letzterem in lebhafter fachlicher Auseinandersetzung. Der „Makroskopiker“505 Rokitansky vertrat gegenüber dem Zellularpathologen „eine neue Humoralpathologie“.506 Dabei zog er sich (1846) die Kritik Virchows zu, der die Zellpathologie in Rokitanskys „Handbuch der pathologischen Anatomie“507 darin zu wenig berücksichtigt sah. Obwohl Rokitansky die Histopathologie in späteren Jahren zunehmend berücksichtigte, blieb er Makroskopiker. Er hat jedoch bereits die „pathologische und physiologische Chemie“508 als wesentliches Teilgebiet der Pathologie aktiv gefördert. Die Bakteriologie fand in Anton Weichselbaum509, der zunächst an der Josephsakademie wirkte510, ab 1885 einen Fachvertreter, nachdem bekanntlich Ignaz Semmelweis ein entscheidender Vorläufer der (Kontakt)-Infektiologie511 war. Die frühe 502 Akademischer Senat : Geschichte der Wiener Universität, 199. 503 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 235. 504 Kernbauer Alois : Die Medizin und ihre weltweite Ausstrahlung. Streiflichter auf einem Hauptbereich der österreichischen Wissenschaftsgeschichte, in : Acham Karl : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, 331–354, Zitat : 339. 505 Die makroskopische Richtung Rokitanskys „hatte für die spezielle pathologische Anatomie alles geleistet, was sie zu leisten vermochte“, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 135. 506 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 135. 507 Rokitansky Carl von : Handbuch der pathologischen Anatomie, 3 Bände, Wien, 1842–1846, davon Bd. 1 1846, Bd. 2 1844, Bd. 3 1842. Neubearbeitung 1855 –1861, s. Prüll Cay-Rüdiger : Rokitansky. In : Eckart W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 279f., hier 280. 508 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 252–258, Zitat : 252. Als Leiter des pathologisch-chemischen Institutes an der Rokitansky’schen Pathologie wurde – auf Betreiben Rokitanskys – zunächst Johann Florian Heller (1813–1871) ernannt, dessen Forschungen v.a. die Harnchemie zum Ziel hatten. Die Lehrkanzel für Chemie an der Wiener Medizinischen Fakultät hatte allerdings bereits seit 1838 Adolf Pleischl (1787–1867) inne. 509 Weichselbaum Anton (1845–1920, Schiltern bei Langenlois/Niederösterreich bzw. Wien) : s. Tuppy Hans : Medizinische Mikrobiologie. In : Acham Karl : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2. 510 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 569. 511 Antall Jószef : Ignaz Semmelweis 1818–1865. In : Engelhardt Dietrich v. u. Hartmann Fritz (Hg.) :
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Immunologie und insbesondere Serologie konnte später durch Karl Landsteiner einen bahnbrechenende Vertreter finden.512 Die „allgemeine und experimentelle Pathologie“513, die spätere funktionelle Pathologie, geht ebenfalls auf eine Initiative Rokitanskys (1873) zurück. Der erste Lehrstuhlinhaber kam aus der Schule des Physiologen Ernst Wilhelm von Brücke514. Es handelte sich um Salomon Stricker (1834–1898)515. Die Herkunft der experimentellen Pathologie aus der Schule der Wiener Physiologie hatte dann zur Folge, dass sich dieses Fach in Wien (ab 1873) und Prag (ab 1880) weitgehend eigenständig außerhalb der pathologischen Anatomie entwickelte516. Ähnliches galt auch für Innsbruck.517 Rokitansky war der Erste, der „nach der Reorganisation der Facultäten zum Decan des medicinischen Lehrkörpers gewählt wurde, und auch der erste Professor, welcher die Würde des Rectors der Wiener Universität erlangte“518. Durchaus bahnbrechend waren seine Vorträge zur Wissenschaftstheorie und Stellung der universitären Forschung. Ein Beispiel dafür sind seine Vorträge im Rahmen der Akademie der Wissenschaften „zur Orientierung über Medicin und deren Praxis“519 und über „Der selbständige Werth des Wissens“.520 2.5.3 Die Innsbrucker Pathologische Anatomie Bei den Besetzungen der Lehrkanzeln der Pathologischen Anatomie spielte zunächst die Wiener Medizinische Schule eine Pionierrolle (F. Schott). Später war es Klassiker der Medizin, Bd. 2, München 1991, 190–202. 512 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie, 1820–1930. In : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, 237–245, u. Horn Sonia : Landsteiner Karl. In : Eckart W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 203f. 513 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 549–558, Zitat : 549. 514 Gradmann C.hristoph : Brücke Ernst Wilhelm von. In : Eckart W. U. u. Gradmann C.: Ärztelexikon, 67f. 515 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 549–558, s.a. Ernst Theodor Brücke : Ernst Brücke. Wien 1928, 75f. 516 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 549f. 517 Wense Theodor von der. Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 255–266. 518 Akademischer Senat : Geschichte der Wiener Universität, 200. 519 Rokitansky Karl : Zur Orientierung über Medicin und deren Praxis. Vortrag, gehalten in der feierlichen Sitzung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (31. Mai 1859). In : Almanach der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 9, Wien 1859, 119–152. 520 Rokitansky Karl : Der selbständige Werth des Wissens. Vortrag, gehalten in der feierlichen Sitzung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (31. Mai 1867). In : Almanach der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 17, Wien 1867, 103–140.
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dann die Grazer Schule (A. Pommer), gefolgt von Straßburg (G. B. Gruber). Mit Franz Josef Lang 521 wurde schließlich ein Tiroler als Lehrkanzelvorstand berufen, der akademische Wanderjahre an mehrern Institutionen in Deutschland (Hamburg, München, Berlin) sowie in den USA (Rockefeller Institute in New York, Chicago etc.) absolviert hatte. a) Erster Ordinarius für dieses Fach in Innsbruck war Ferdinand Schott von 1869 bis 1887.522 Er war ein Schüler von Carl von Rokitansky (1804–1878), dessen Schule, wie bereits erwähnt, zahlreiche Pathologien besetzen konnte.523 Abb. 57 : Ferdinand Schott 525 F. Schott (1830–1887) stammte aus Wien, wo er auch promovierte (1854). Nach einer Sekundararzttätigkeit wurde er ab 1855 Assistent am Wiener Pathologischen Institut (bis 1865), wo Carl v. Rokitansky damals als Vorstand wirkte. Anschließend arbeitete er als Prosektor am Wiener St. Anna Kinderspital (1865–1869). Der damalige Direktor war Hermann Widerhofer (1863–1905), ein Pionier der Wiener Pädiatrie.524 Von dort wurde er nach Innsbruck berufen. 525 Schott begann seine Tätigkeit in Innsbruck noch im alten Hl.-Geist-Spital am Beginn der Maria-Theresien-Straße/Ecke Marktgraben. Dieses bescheidene „Institut“ – „wenn man es als solches bezeichnen kann“526 – umfasste lediglich zwei 521 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 187–193, hier : 189. 522 Lang, Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie. In : Hundert Jahre Medizinische Fakultät, Bd. 2, 247–254, hier 158f., s.a. Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät 50–52. 523 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 139–141. Dabei handelt es sich neben Schott um die späteren Ordinarii in Krakau mit Alfred Biesiadecki (1839–1889), in Budapest Gustav Scheuthauer (1832–1894), in Prag und dann Straßburg Han(n)s Chiari (1851–1916), in Olmütz, Krakau, Graz und Wien Richard Heschl (1834–1881) und in Zürich, Prag etc. Joseph Engel (1816–1899). In Wien weiters Jakob Kolletschka (1803–1847, Ordinarius der Staatsarzneikunde 1843–1847), Han(n)s Kundrat (1845–1893) und der Prosektor an der Wiener Rudolfstiftung Julius Klob (1831–1879) etc. 524 Tragl Karl Heinz : Chronik, 649–651. 525 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 31. 526 Lang, Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie. In : Huter
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Arbeitsräume und eine Leichenkammer.527 Sofort begann er, den Bau eines neuen Institutes zu planen und zu koordinieren (Baubeginn 1881, Fertigstellung 1882). Zur Ausführung kam zunächst allerdings nur ein einstöckiges Gebäudes im Bereich des im Bau befindlichen Klinikums.528 Unter welchen Bedingungen bis dahin an der Innsbrucker Pathologie gearbeitet werden musste, schilderte der spätere Ordinarius für Chirurgie, Carl v. Nicoladoni (1847–1902, in Innsbruck 1881–1895)529. Im Parterre des Spitals lagen neben verschiedenen Kanzleien die Küche und hinter ihr das Leichenzimmer. „Über diesem höchst unheimlichen Parterre lag die chirurgische Klinik mit ihrem Operationssaale, und es ist zu verwundern, dass aus dieser verhängnisvollen Nachbarschaft den dort untergebrachten verletzten und operierten Kranken ein verhältnismäßig nur geringes Unheil erwachsen war …“ (K. Schadelbauer). Schott war ein engagierter „unermüdlicher Lehrer“.530 In dieser Hinsicht hatte Rokitansky vorbildhaft gewirkt.531 Schott war zusätzlich auch – ganz im Sinne von Rokitansky – mit der Lehre in gerichtlicher Medizin betraut (1875–1887). Am Institut herrschte damals eine Aufbruchsstimmung, und man plante bereits die unter seinem Nachfolger schließlich mögliche Erweiterung des gerade neu gebauten Institutes. Der vielseitige und exakte Universitätslehrer532 widmete seine publikatorische Tätigkei der Tuberkulose, aber auch anderen Themen.533 Er verstarb im Alter von 57 Jahren an einer chronischen Nierenkrankheit (1887). b) Der Nachfolger Gustav Adolf Pommer (1887–1922)534 kann als bahnbrechend für die Pathologie von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates bezeich-
Franz, Hundert Jahre, 248. 527 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 248. 528 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 248. 529 Schadelbauer, Karl : Die Entwicklung der medizinischen Fakultät in Erinnerung und Anekdote (= Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Innsbruck 32). Innsbruck 1968, 8. 530 Lang, Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 248. 531 Matis Herbert : Der Wissenschaftler Carl von Rokitansky : Pathologe, Philosoph und Wissenschaftler. In : Rumpler Helmut, Denk Helmut (Hg.), Ottner Christine (Red.) : Karl Freiherr von Rokitansky (1804–1878), Wien u.a. 2005, 33–38, hier : 34f. 532 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 248. 533 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 248. Genannt werden u.a. eine Reihe interessanter Fallbeobachtungen, Berichte über Ergebnisse der pathologisch-anatomischen Institute in Wien (1861) und Innsbruck (1870/71, 1872/73) und schließlich über die Behandlungsweise der Tuberkulose an der Innsbrucker Fakultät (1879). 534 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 249–251, u. Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 50–52, hier 50.
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net werden.535 Der aus Graz berufene Pommer war einerseits Schüler von Richard Heschl und von Hans Kundrat.536 Andererseits hat er sich v. a. in der pathologischen und patho-physiologischen Forschung als Schüler von Alexander Rollett 537 und Viktor v. Ebner 538 gesehen. Er wirkte in Innsbruck von 1887 bis zu seiner Emeritierung 1922, blieb aber auch als Emeritus noch über Jahre aktiv539. Besondere Anliegen Pommers waren der geistige Ausbau des Instituts540 : die Lehre und der Aufbau der Forschung. Mit Pommers Namen verknüpft ist auch das Institutsmuseum.541 542
Abb. 58 : Gustav Adolf Pommer 542
A. Pommer (1851–1935) wurde in Graz geboren (1851), er studierte dort und in Wien Medizin und promovierte 1875 in Graz. 1875–1880 wirkte er am dortigen Pathologischen Institut unter – wie erwähnt – dem Rokitansky-Schüler Richard Heschl und dessen Nachfolger Hans Kundrat 535 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 249f. 536 R. Heschl (1824–1881) war Schüler und Nachfolger Rokitanskys an der Wiener Pathologie (1875– 1881) und vorher Ordinarius in Graz (1963–1875). H. Kundrat (1845–1893) war in Graz dessen Nachfolger (1875–1882), um dann auch in Wien jenem nachzufolgen (1881–1893), s. Eulner HansHeinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 644 und 647. 537 Lang Viktor v.: Nachruf auf J. Alexander Rollett, erstattet vom Generalsekretär der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse. In : Viktor v. Lang : Bericht der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 54, 1904, 329–332. Das besondere Forschungsgebiet von Rollett waren Hämatologie und Hämostasiologie, Entwicklungen des Bindegewebes, Bau- und Physiologie der Muskeln, Haut- und Geschmackssinn etc. 538 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule. 539 Lang, Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 250. 540 Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 50, s.a. Fischer Walter u. Gruber Georg B.: Pathologische Anatomie an den Hochschulen. In : Fischer Walter, Gruber Georg Benno : 50 Jahre Pathologie, 133–172, hier : 163. 541 „Durch emsige Sammelarbeit neben Erfüllung all der anderen Pflichten des Lehrens und des Forschen hat … Adolf Pommer das Instituts-Museum reich vermehrt und gefördert“, s. Fischer Walter u. Gruber Georg B.: Pathologische Anatomie an den Hochschulen, 163. 542 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 32.
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(1845–1893).543 Vorübergehend hatte er sich auch als praktischer Arzt niedergelassen. Neben seiner Tätigkeit auf der Pathologie benützte er – unter den Professoren Alexander Rollett und Viktor v. Ebner – „jede freie Zeit“544 für physiologische und histologische Forschungen. 1886 habilitierte Pommer in Graz bei Kundrat. Pommer befasste sich bereits im Rahmen der Grazer Universität mit der Pathohistologie von Knochenerkrankungen. Publikationen erschienen bereits dort über die „lacunäre Resorption in erkrankten Knochen“ (1881)545. Es folgte eine Publikation zur Funktion der Osteoklasten (1883). Weiters erschien „das große Werk über Osteomalazie und Rachitis“.546 Pommer wurde in Innsbruck zunächst mit der Supplierung der Lehrkanzel betraut (1887) und im folgenden Jahr zum Ordinarius ernannt. Während seiner Innsbrucker Zeit kam es zur baulichen Aufstockung des Institutsgebäudes und zur Errichtung eines neuen Hörsaales (vollendet 1894). Er publizierte eine große Zahl von Arbeiten zum Stütz- und Bewegungsapparat. So erschien 1913 eine Arbeit über Athritis deformans. Seine Arbeiten brachten wichtige Erkenntnisse zur Entstehung der Osteoporose. Nach seiner Emeritierung vollendete er ein Buch über Gelenksgicht.547 Am Pathologischen Institut wirkten z. Z. von Pommer zwei herausragende Forscher auf dem Gebiet der Bakteriologie. Es war dies Emmanuel von Hibler (1865–1911)548 mit Arbeiten v. a. zur Anaerobier-Forschung sowie deren Pathogenität. Ihm folgte Felix Freiherr von Werdt (1880–1923)549, der – nach Aarau berufen – ebenfalls Opfer seines Berufes wurde. Pommer war über die Innsbrucker Fakultät hinaus sehr geschätzt und war Ehrenmitglied verschiedener wissenschaftlicher Institutionen und Gesellschaften.550 543 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 567f. 544 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 249. 545 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 249. 546 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 249. 547 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 250. 548 Hibler verstarb – in Ausübung seines Berufs als Pathologe – an einer Streptokokkeninfektion, s. Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 250. 549 Werdt nahm zunächst Hiblers Position in Innsbruck ein. Er publizierte u.a. über Gasbrand (Weichteilinfektionen durch anaerobe Clostridien) und erhielt dann einen Ruf als Prosektor an das Kantonsspital Aarau. Dort erlag er einer Sepsis, s. Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 250. 550 Pommer war Ehrendoktor der Innsbrucker Medizinischen Fakultät (1927), Ehrenmitglied der Universität Graz, der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie sowie korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften (1925), s. Lang Franz Josef u. Probst
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c) Der gebürtige Münchner Georg Benno Gruber wirkte 1923–1928 in Innsbruck und folgte dann einem Ruf nach Göttingen.551 Gruber (1884–1977) promovierte in seiner Heimatstadt München (1908) bei Friedrich v. Müller, Ordinarius für Innere Medizin an der II. Münchener Medizinischen Klinik (1902–1934). Dort hörte er u. a. über Erkrankung des Nervensystems sowie über Stoffwechselkrankheiten.552 Er habilitierte 1914 in Straßburg, wirkte dann als Prosektor in Mainz und erhielt von dort den Ruf nach Innsbruck. Nach einer fünfjährigen Tätigkeit hier wechselte er als OrdinaAbb. 59 : Georg Benno Gruber 554 rius für Pathologie nach Göttingen.553 554 Grubers umfangreiche Publikationsleistungen555 galten einerseits dem Gebiet der Missbildungen.556 Andererseits veröffentlichte er zu Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, der Leber und des GeAlbert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 250. 551 Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 50, u. Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 251, s.a. http ://www.whonamedit.com/doctor.cfm/1842.html ; 3. 8. 2008. 552 Gruber Georg B.: Friedrich v. Müller 1858–1941. In : Fischer Walter u. Gruber Georg B.: Fünfzig Jahre Pathologie in Deutschland, 93–112, hier 98–112. 553 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 251. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 645. 554 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 33. 555 Eine Auswahl : Über die Meningokokken und die Meningokokkenerkrankungen (Berlin 1918), Die Entwicklungsstörungen der Nieren und Harnleiter (Berlin 1925), Pathologie der Bauchspeicheldrüse (Berlin 1929), Spezielle Infektionsfolgen der Leber ; die Leber bei Erkrankungen des blutund lymphbildenden Gewebs-Apparates (Berlin 1930), Die Entwicklungsstörungen der Harnblase – Nierenbecken, Ureteren, Harnblase (Berlin 1931), Pathologische Anatomie an den Hochschulen sowie Pathologisch-anatomische Krankenhausprosekturen, In : Fischer Walter, Gruber Georg Benno (Hg.) : Fünfzig Jahre Pathologie, Stuttgart 1949, 133–203, Studien zur Historik der Teratologie (Jena 1963), und zusammen mit P. Diepgen u. H. Schadewaldt : Der Krankheitsbegriff, seine Geschichte und Problematik (Berlin u.a. 1969), s. http ://www.whonamedit.com/doctor.cfm/1842.html, download vom 1. 06. 2009 mit Ergänzungen. 556 Lang, Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 251.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
fäßsystems557. Hervorgehoben sei seine Arbeit zur Polyarteriitis nodosa558, die später als Immunkomplexerkrankung kleiner Gefäße erkannt wurde. Sehr intensiv hat sich Gruber mit den wissenschaftlichen Leistungen der Deutschen Pathologischen Gesellschaft (v. a. der Jahre 1897–1947) beschäftigt. Hervorgehoben seien seine Beiträge „Pathologische Anatomie an den Hochschulen“559 und „Pathologisch-anatomische Krankenhaus-Prosekturen“.560 Aus der ersten dieser zuletzt angeführten Publikationen stammen die folgenden Auswertungen, die Vergleiche zu den Arbeitsleistungen ausgewählter deutschsprachiger Universitätsinstitute für Pathologie im Hinblick auf Zahl der Sektionen bzw. pathohistologische Untersuchungen aus dem Jahr 1939 zeigen. Zahl der Sektionen und histopathologischer Untersuchungen pro Sekundararzt an ausgewählten pathologischen Instituten Universitätsort
Zahl der Sektionen
Zahl der histol. Untersuch.
Zahl der A ssistenten
Jährliche Sektionen pro Assistent
Wien
3.345
10.376
7
Frankfurt
2.200
4.574
5
440,0
914,8
Graz
2.002
4.820
7
286,0
688,6
Berlin
1.912
2.114
22
86,9
96,1
Zürich
1.611
7.006
11
146,5
636,9
München
1.544
5.812
22–27
ca. 63,0
237,2
Prag
1.041
1.169
5
208,2
233,8
683
ca. 7.500
5
136,6
1500,0
Innsbruck
477,9
Jährliche histol. Untersuch. pro Assistent 1482,3
Datenquelle : Fischer Walter, Gruber Georg B.: Pathologische Anatomie an den Hochschulen, 133–168.
Die Zahlen zeigen, dass trotz der kleinen Zahl wissenschaftlicher Mitarbeiter (fünf Sekundarärzte) an der Innsbrucker Pathologie die Histopathologie besonders intensiv bearbeitet wurde (Abb. 60). Im Vergleich zur Wiener Pathologie wurde in Innsbruck die Makroskopie/Sektionstätigkeit dagegen sehr selektiv gehandhabt (Abb. 61). Dies stand im Gegensatz zur Wiener Rokitansky-Schule mit ihren sehr zahlreichen Obduktionen. 557 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 251. 558 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 251. 559 Gruber Georg B.: Pathologische Anatomie an den Hochschulen. In : Fischer Walter u. Gruber Georg B.: Fünfzig Jahre Pathologie in Deutschland, 133–171. 560 Gruber Georg B.: Pathologisch-anatomische Krankenhaus-Prosekturen. In : Fischer Walther u. Gruber Georg B.: Fünfzig Jahre Pathologie in Deutschland, 172–203.
Lehrstühle und Institute der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
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Abb. 60 : Histopathologische Untersuchungen an ausgewählten Universitäten – Zahl der jährlichen histologischen Untersuchungen (1939) Datenquelle : Fischer Walter u. Gruber Georg B.: Pathologische Anatomie an den Hochschulen, 133–168.
d) Nach zweijähriger Supplenz wurde der gebürtige Tiroler Franz Josef Lang Ordinarius für Pathologie (1930–1965)561. Schwerpunkte der Tätigkeit von F. J. Lang waren Zellularpathologie, die Pathologie der Knochen und Gelenkserkrankungen und weitere Arbeiten aus verschiedenen Gebieten des Fachs562. Der 1894 aus dem Tiroler Lechtal (Elbigenalp) stammende Lang promovierte 1919 in Innsbruck zum Dr. med. Seine Habilitation erfolgte 1922. Bereits im gleichen Jahr ging er zur Vervollständigung seiner bakteriologischen Ausbildung zu Johannes Zeissler nach Hamburg.563 Am Innsbrucker Pathologischen Institut wur561 F. J. Lang hatte bereits 1922 die Klinik supplierend geleitet und „als Stellvertreter die Pflichten des Ordinarius wahrgenommen“, s. Gruber Georg B.: Pathologische Anatomie an den Hochschulen. In : Fischer W. u. Gruber G. B.: Fünfzig Jahre Pathologie in Deutschland, Stuttgart 1949, 163 (Zitat), u. Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 251–253. 562 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 252. 563 Eine repräsentative Arbeit dieses Hamburger Bakteriologen war – Zeissler Johannes : Zur Gasödemforschung im Weltkrieg, Klinische Wochenschrift, Bd. 3 (8), 1924, 322.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Abb. 61 : Pathologische Anatomie an ausgewählten Universitäten – Zahl der jährlichen Sektionen (1939) und durchschnittliche Sektionen pro Assistent Datenquelle : Fischer Walter u. Gruber Georg B.: Pathologische Anatomie an den Hochschulen, 133–168.
den damals bakteriologische Untersuchungen „größeren Stils“564 durchgeführt (bis 1924). Er war dann weiter in München an der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie (Emil Kraepelin Institut565), dem heutigen Max-Planck-Institut für Psychiatrie.566 Ab 1925 hielt er sich in den USA auf. Am Rockefeller Institute, wo Lang an zahlreichen staff meetings des Institutes teilnahm, lernte er den späteren Nobelpreisträger Karl Landsteiner (1868–1943)567 erstmals kennen, mit dem ihn rasch eine jahrelange Freundschaft verband.568 564 Gruber Georg B.: Pathologische Anatomie an den Hochschulen. In : Fischer Walter, Gruber Georg Benno : Fünfzig Jahre Pathologie, 163. 565 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 251. 566 Weber Matthias M.: Kraepelin Emil. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 785f. 567 Holubar Karl : Landsteiner Karl. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 822. 568 Bei diesen ersten Begegnungen von F. J. Lang mit Karl Landsteiner im Rockefeller Institute lud Ersterer den berühmten Immunologen und Entdecker der Blutgruppe nach Innsbruck ein. Es kam schließlich zu einem drei- bis vierwöchigen Aufenthalt von Landsteiner, seiner Frau Helene und seinem Sohn in Tirol. In dieser Zeit wurden zahlreiche Gespräche u.a. über wissenschaftliche Arbeiten an den Blutgruppen geführt sowie ausgedehnte Spaziergänge speziell in Nord- und Süd-
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F. J. Lang (1894–1975) brachte von seinem Aufenthalt am Rockefeller Institute Kenntisse zu Methoden der Zellkultur mit, die er bei Alexis Carrel (1873–1944)569 in New York und bei Alexander Maximow in Chicago kennenlernen konnte.570 Weiters wirkte er als stellvertretender Abteilungsleiter für experimentelle Zellforschung am Krebsinstitut an der Charité in Berlin bei Rhoda Erdmann (1870–1935).571 Lang berichtete dann über seine Erfahrungen und Überlegungen zur Rolle von Zellkulturen in der pathologischen Forschung sowie zum Verhalten von normalem und pathologischem Gewebe in vitro. Abb. 62 : Franz Josef Lang 575 Ein Vortrag Langs dazu im Rahmen der Innsbrucker Ärztegesellschaft (1927) ist dokumentiert.572 1928 wurde er als wirklicher ao. Prof. zum Leiter des Innsbrucker Pathologischen Institutes ernannt.573 Seit 1. April 1930 war er dann in Innsbruck Ordinarius dieses Faches.574 575 tirol unternommen (1933). Es kam auch später zu einem Gegenbesuch von Lang bei K. Landsteiner in New York, doch warfen schon damals „die politischen Ereignisse Europas… ihre Schatten voraus … Die Gespräche… soweit sie sich nicht um wissenschaftliche Themen bewegten, waren bei diesem Besuch nicht gerade heiterer Art …“, s. Speiser Paul u. Smekal Ferdinand G.: Karl Landsteiner, 68–70, Zitat 69f. 569 Gerabek Werner E.: Carrell Alexis. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 231f. 570 Hubensdorf Michael : Österreichische Ärzteemigration. In : Stadler Friedrich : Vertriebene Vernunft, Bd. 1, 359–415, hier : 377. 571 R. Erdman hatte nach ausgedehnten Forschungsaufenthalten am Robert-Koch-Institut Berlin, der Yale University New Haven, USA, und der Abteilung für Klinische Bakteriologie des Rockefeller Institues, Princeton 1919, die Leitung der neu gegründeten Abteilung für Experimentelle Zellforschung am Krebsinstitut der Charité (Berlin) übernommen. Dort wurde sie 1924 ao. Professor und Vorstand der I. Lehr- und Forschungseinrichtung der damals noch jungen Disziplin der Experimentellen Zellforschung. Sie wurde 1933 aus dieser Funktion entlassen, s. Mayer, Nicole : Erdmann, Rhoda. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 367. 572 Lang Franz Josef : Über Gewebszüchtung. Vortrag vor der Wissenschaftlichen Gesellschaft der Ärzte in Innsbruck am 3. Juni 1927, s. WiKliWo 40, 1928 : 958f. 573 Lang, Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 251. 574 Lang, Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 251. 575 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 34.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Lang wirkte in Innsbruck als Professor für Pathologie durch 37 Jahre (1928– 1965). Sein besonderes Interesse galt bekanntlich der Pathologie des Stütz- und Bewegungsapparates576. Von ihm stammen zahlreiche Einzelpublikationen, Monografien und Handbuchbeiträge. Diese hatten – neben der Zellularpathologie/Gewebekultur577 –, Knochen- und Gelenkserkrankungen, Probleme der Dentalpathologie und Kieferkrankheiten sowie die Pathologie der Genitalorgane zum Schwerpunkt578. Sein Institut war eine viel besuchte Ausbildungsstätte, nicht zuletzt in Zusammenarbeit mit der Orthopädischen Klinik der Universität Florenz579. Der interdisziplinär engagierte Lang hatte einen anregenden Gesprächskreis mit dem experimentellen Pathologen Gustav Bayer und dem Pharmakologen A. Jarisch 580. Mit dem Tod von Gustav Bayer ging diese Kooperation in Brüche.
2.6 Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie Der eigentliche Begründer der Allgemeinen Pathologie in Innsbruck war Anton Alois Tschurtschenthaler von Helmheim (1815–1900).581 A. Tschurtschenthaler, aus einem alten Tiroler (Sextener) Geschlecht stammend582, wurde 1869 zum Ordinarius für Allgemeine Pathologie, Pharmakologie und Pharmakognosie ernannt583. Dies war zweifellos bemerkenswert, da – sieht man von Innsbruck ab – der erste Lehrstuhl (Ordinariat) für Allgemeine und Experimentelle Pathologie im deutschsprachigen Raum in Wien 1873 – mit Salomon Stricker 584 – und dann in Prag 1879 – mit Philipp Knoll, dann Ewald Hering 585 – errichtet wurde.
576 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 252. 577 Lang Franz Josef : Über Gewebezüchtung, WiKliWo, 40, 1928, 958f. 578 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 252. 579 Lang Franz Josef u. Probst Albert : Lehrkanzel und Institut für Pathologische Anatomie, 252. 580 Hubensdorf Michael : Österreichische Ärzteemigration, 386. 581 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 180–185, u. Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 256f. 582 Tschurtschenthaler Christian et al.: Die Tschurtschenthaler, ein altes Tiroler Bauerngeschlecht aus Sexten und seine Verbreitung, Festschrift. Sexten 2000, 78 u. 88–90. 583 Festschrift, 230f. 584 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 549–558. 585 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 659.
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a) In Innsbruck war – von A. Tschurtschenthaler abgesehen – der erste Vertreter dieses Faches Michael Joseph Dietl (1876–1884).586 Dietl wurde 1878 zum zunächst unbesoldeten ao. Professor587 und Institutsvorstand588 ernannt.589 Dietl war Schüler von Maximilian Ritter v. Vintschgau590 und habilitierte bei diesem, der damals noch in Prag wirkte. Nach der Übersiedlung von Vintschgau nach Innsbruck (1870) wurde Dietl zunächst provisorischer und dann (1872) definitiver Assistent am Physiologischen Institut. Er erkrankte jedoch an einem „Nervenfieber“591 – vermutlich einer Lungentuberkulose – und musste daher das Lehramt 1884 zurücklegen. Er starb dann 1887 in Marienbad. 1885 hatte Anton Tschurtschenthaler (1815–1900) das Emeritierungsalter erreicht. Kaiser Franz Joseph erhob ihn im Juni 1885 daraufhin in den Adelsstand592. Jetzt konnte eine Nachbesetzung stattfinden (1886). b) Die Allgemeine und Experimentelle Pathologie erhielt 1887 als ersten systemisierten Professor der aus Prag stammende Mori(t)z Loewit (1851–1918).593 Loewit kam aus dem kürzlich errichteten Prager Institut für Experimentelle Pathologie nach Innsbruck. Hier stand er einem materiellen Nichts 594 gegenüber. Mori(t)z Loewit war gebürtiger Prager und promovierte dort 1877. Bereits während seines Studiums wirkte er beim Physiologen Karl Ewald Konstantin Hering (1834–1918).595 Nach der Promotion arbeitete er zwei Jahre an der Medizinischen 586 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 255f. 587 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 256. 588 Bodner, Ernst : Medizinische Fakultät, 53. 589 Festschrift, 232f. 590 Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, 235–269, hier 263f. 591 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 256. 592 Mit der Erhebung wurde ihm der Titel Edler von Helmheim verliehen, s. Tschurtschenthaler Christian : Die Tschurtschenthaler, 90. 593 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 257–259. 594 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 258. Das Professorenkollegium in Innsbruck bemerkte in einem Schreiben, dass man den neu zu Berufenden aufmerksam machen müsse, „daß für diese Lehrkanzel so gut wie gar kein Inventar vorhanden ist ; mit Ausnahme der Bücher finde sich nichts vor“. 595 Gerabek Werner E.: Hering, Karl Ewald Konstantin, Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 572.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Klinik der Deutschen Universität in Prag und ging dann 1880 zu Professor Philipp Knoll (ao. Prof. 1872, Ordinarius in Prag 1879 –1898)596 an das Prager neu errichtete Institut für Experimentelle Pathologie. 597 Bald nach Loewits Installation in Innsbruck (1887) war der Ausbau des Pathologischen Institutes (1892–1894) möglich geworden. Dorthin konnte nach Aufbau eines zweiten Stockwerkes Loewit übersiedeln. Loewits Hauptarbeitsgebiet waren, wie schon in Prag begonnen, Forschungen auf dem Gebiet der Hämatologie, v. a. Abb. 63 : Moritz Loewit 597 der weißen Blutzellen598. Im Rahmen seiner Forschung auf diesem Gebiet prägte Loewit erstmals den Ausdruck „Leukopenie“599 (= Verminderung weißer Blutzellen). Besonderes Interesse galt auch der Leukämieforschung. Dabei vertrat er eine von Wilhelm Türk 600 (1871–1916) bekämpfte Meinung, nämlich der pathogenetischen Rolle eines Parasitenbefalls als Ursache der Leukozytenvermehrung bei Leukämien. Weitere Arbeiten von Loewit hatten die Entstehung des Diabetes mellitus zum Inhalt. Er zeigte, dass tierexperimentell ein Diabetes mellitus nur nach Entfernung des Pankreas entstehe601. Weitere Arbeiten erschienen zur Stellung des s.a. Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 649 u. 661. Hering war in Prag Ordinarius für Physiologie (1870–1895) und erhielt dann einen Ruf nach Leipzig (1895–1916). 596 Loewit wirkte vor seinem Ruf nach Innsbruck als Assistent von Philipp Knoll (1841–1900). Knoll wurde dann Nachfolger von Salomon Stricker am Wiener Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie (1898–1900), s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 558 u. 616, u. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 152f. 597 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 35. 598 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 258f. 599 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 258. 600 Tragl Karl Heinz : Chronik der Wiener Krankenanstalten, 362. 601 Eine andere Meinung vertrat damals z. B. Eduard Friedrich Wilhelm Pflüger (1829–1910), der den Diabetes als Folge nervöser Schädigungen sah, s. Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 258, u. Hagner Michael : Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1142.
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Faches im medizinischen Unterricht602, zur Pathogenese des Fiebers, des Lungenödems, des Ikterus etc.603. Der Lehrstuhl Allgemeine und Experimentelle Pathologie vertrat eine Fachrichtung, die in dieser Form an den Universitäten in Deutschland nicht bestand.604 In Österreich hielt sich die Eigenständigkeit der Allgemeinen und Experimentellen Pathologie bis 1938 und ebenso in der Nachkriegszeit605. Auf die Bedeutung dieses Faches als experimentelle Schule für viele Kliniker hat nicht zuletzt Lesky hingewiesen.606 Die Allgemeine und Experimentelle Pathologie wurde als Funktionelle Pathologie auch in Innsbruck eine Forschungs- und Lehrinstitution, die sich als Brücke zwischen vorklinischen und klinischen Fächern verstand607. Sie wurde schließlich – nach dem hier behandelten Zeitraum – in das Institut für Pathophysiologie umbenannt. c) Auf Loewit folgte Hermann Pfeiffer (1877–1929)608, der 1919 bis 1921 das Institut leitete609 und dann nach Graz berufen wurde. Dort wirkte er von 1921 bis 1929. Pfeiffer war Schüler von Rudolf Klemensiewicz610, der die Grazer Allgemeine und 602 Dies war das Thema seiner Antrittsvorlesung 1887, „Die Stellung der Allgemeinen Pathologie im Medizinischen Unterricht“. Er fasste die Allgemeine und Experimentelle Pathologie „als Bindeglied zwischen klinischer Pathologie, Pathologischer Anatomie, Physiologie und Pharmakologie auf “, s. Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 258. 603 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 258f. 604 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 111 u. 648f. Die dort errichteten Pathologischen Institute umfassten die Allgemeine Pathologie, Pathologische Anatomie und PathoPhysiologie. 605 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 648f. 606 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 550. Dies zeigte sich bereits in der Zeit von Salomon Stricker. Dessen Institut wurde damals bereits als „Professorenfabrik“ bezeichnet. 607 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, 255–266, hier : 256f. 608 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 259f., u. Fischer Isidor : Biographisches Lexikon, Bd. 2, 1205f. 609 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 259f. 610 Rudolf Klemensiewicz (1848–1922) studierte an der Wiener und Grazer Universität und promovierte in Wien 1871 zum Dr. med. und 1872 zum Dr. chir. Er war dann Assistent am Physiologischen Ins titut bei Alexander Rollett in Graz, wo er 1876 habilitierte und 1878 zum ao. Prof. ernannt wurde. 1885 übernahm er das Grazer Ordinariat für Allgemeine und Experimentelle Pathologie und wirkte bis 1921. Seine wesentlichsten Publikationen : „Experimentelle Beiträge zur Kenntnis des normalen und pathologischen Blutstromes (Wien 1886), „Über Entzündung und Eiterung“ (Jena 1893), „Die Entzündung“ (Jena 1908), „Verfahren und Einrichtungen zur Beobachtung des Blutstromes an Kaltblütern“ (Berlin u. Wien 1923) u. a., s. Fischer Isidor : Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre, Bd. 1, Berlin u. Wien 1932, 772f.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Experimentelle Pathologie 1876–1921 leitete.611 Mit der Emeritierung von Klemensiewicz ging Pfeiffer nach Graz zurück. 612 Pfeiffer arbeitete in Innsbruck an seinem Lehrbuch der Allgemeinen und Experimentellen Pathologie, das dann nach seiner Übersiedlung nach Graz erschien. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte waren die thermischen Schädigungen bis zum Verbrühungstod, Folgen von Licht- und Röntgenschädigungen, „Das Problem der Eiweißanaphylaxie“ (Wien 1913), „Die Arbeitsmethoden bei Versuchen über Anaphylaxie“ (Berlin u. Wien 1921), Arbeiten zur Fermentforschung, blutAbb. 64 : Hermann Pfeiffer 612 chemische Befunde bei Geisteskrankheiten u. a.613. Van der Wense schließt, dass Pfeiffer „wissenschaftlich seiner Zeit vielfach voraus (war)“.614 d) Der Nachfolger von Pfeiffer war Gustav Bayer (1879–1938), ein Schüler von Mori(t)z Loewit615. Er leitete das Institut vom 1. Oktober 1922 bis zu seinem tragischen Freitod am 15. Mai 1938616. Bayers Schwerpunkt war die endokrinologische Forschung.617
611 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 648. 612 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 36. 613 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 260. 614 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 260. 615 Fischer Isidor : Biographisches Lexikon, Bd. 1, 83, u. Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 260–263. 616 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 260–263. 617 Wense Theodor von der : Die Lehrkanzel für Allgemeine und Experimentelle Pathologie in Innsbruck und ihr Vorstand Prof. Dr. Gustav Bayer. In : Forschungen und Forscher, Bd. 2, Innsbruck 1950, 199–211.
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Bayer war geborener Wiener und promovierte dort 1904. Bereits während seiner Studentenzeit (1902–1904) und nach seiner Promotion arbeitete er am Wiener Institut für Physiologie bei Sigmund Exner618 (1846–1926). Von dort holte ihn Loewit nach Innsbruck. In Innsbruck habilitierte er 1910 und wurde auch zum ao. Professor ernannt. Mit dem Weggang Pfeiffers nach Graz wurde er in Innsbruck 1922 zum o. Professor berufen. 619 Frühe Arbeiten beschäftigten sich mit Mediatoren der Immunabwehr.620 Ein Hauptarbeitsgebiet waren die Funktionen der Nebenniere.621 Er gab weitere endokrinologische Abb. 65 : Gustav Bayer 619 Werke, so z. B. „Bau und Funktion der innersekretorischen Organe unter normalen und pathologischen Verhältnissen“ (1926)622, heraus. 1928 erschien Bayers große Abhandlung „Nebenniere“ in Hirsch’s Handbuch der inneren Sekretion, Bd. 2/1.623 Ein weiteres umfassendes kompilatorisches Werk war „Blut und Hormone“ im Handbuch der allgemeinen Hämatologie von Hans Hirschfeld und Anton Hittmair, Bd. 2/2 (1933)624. Außerdem sind zu nennen das „Lehrbuch der 618 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 541–544. 619 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 37. 620 Es handelte sich um eine Arbeit über ein thermolabiles Bakteriolysin mit Schutzwirkung für Frosch eier gegenüber Milzbrand. Er arbeitete auch über Zytotoxine und Anaphylotoxine u. a., s. Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 208. 621 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 208. 622 Wense Theodor von der : Die Lehrkanzel für Allgemeine und Experimentelle Pathologie in Innsbruck und ihr Vorstand Prof. Dr. Gustav Bayer. In : Forschungen und Forscher der Tiroler Ärzteschule (1948–1950), Bd. 2, 199–211, hier : 202f. 623 Hirsch, Max (Hg.) : Handbuch der inneren Sekretion. Eine umfassende Darstellung der Anatomie, Physiologie und Pathologie der endokrinen Drüsen, 3. Bde., Leipzig 1928–1933. Der Beitrag von Bayer (1928) auf knapp 400 Seiten wird von Wense als „Höhepunkt seiner Darstellungskunst“ bezeichnet. S. Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 261. 624 Hirschfeld, Hans u. Hittmair, Anton (Hg.) : Handbuch der allgemeinen Hämatologie. Bd 2/2, Berlin u. Wien 1933.
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Organotherapie“ (Leipzig 1914) und „Infektionen und Immunität“ (Berlin u. Wien 1921, gemeinsam mit M. Loewit) u. a. Aus dem Institut kamen eine große Zahl von experimentellen Arbeiten, so zu Adrenalin, über die Pankreasfunktionen625, über die Atmung626, über Histamine627 u. a.628 Das Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie entwickelte sich immer mehr zu einer „zentralen Forschungsstätte der Fakultät“.629 Die NS-Zeit allerdings bedeutete für das Institut das Ende630. Es wurde aufgelöst bzw. fiel einer Umwidmung zu einer „Lehrkanzel und Institut für Erb- u. Rassenbiologie“631 zum Opfer. Bayers Welt „fiel 1938 völlig in Trümmer“.632 Daraufhin schied Bayer am 15. Mai 1938 vermutlich durch Selbstmord aus dem Leben.633 In der Tiroler Presse wird vom gleichzeitigen Tod seiner Tochter berichtet.634 625 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 210. 626 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 210f. 627 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 211. 628 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 261. Ein Verzeichnis der von Bayer aus dem Innsbrucker Institut erschienenen Arbeiten findet sich bei Wense Theodor von der : Die Lehrkanzel für Allgemeine und Experimentelle Pathologie in Innsbruck und ihr Vorstand Prof. Dr. Gustav Bayer, 208–211. 629 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 262. 630 Es kann geschlossen werden, dass Bayer „aus rassischen Gründen ein tragisches Opfer des Nazionalsozialismus geworden war“, s. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Die Medizinische Fakultät Innsbruck. Faschistische Realität, 46–48, Zitat : 48. 631 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 263, s.a. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 465, und Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Die Medizinische Fakultät. Faschistische Realität, 165–193. 632 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 263. 633 Hubensdorf Michael : Österreichische Ärzteemigration, 386. 634 „Am 17. März 1938 muss aufmerksamen Leserinnen und Lesern eine Todesanzeige in den Innsbrucker Nachrichten aufgefallen sein. Darin gaben die ‚tieftrauernden Hinterbliebenen‘ bekannt, dass „Dr. Gustav Bayer und sein Töchterlein Helga […] im Alter von 59 bzw. 17 Jahren plötzlich zu Gott abberufen worden’ seien. Das so angezeigte Ableben war nicht auf ein Unglück zurückzuführen, sondern beruhte auf einer Verzweiflungstat, die bereits einen Tag zuvor, am 16. März 1938, im selben Blatt knapp vermeldet worden war. Was war geschehen ? Zwei Tage zuvor, am 15. März 1938, hatte der Innsbrucker Arzt und Universitätsprofessor für Pathologie beschlossen, seinem Leben und dem seiner Tochter ein Ende zu setzen. Die Tat erfolgte aus Verzweiflung über die Ereignisse rund um den sogenannten ‚Anschluss‘ vom 11. auf den 12. März 1938, als die Deutsche Wehrmacht
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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Institut schrittweise wiederbegründet und nimmt seither an der Innsbrucker Medizinischen Schule eine zentrale Rolle ein.635
2.7 Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin Von den fünf Berufungen auf den gerichtsmedizinischen Lehrstuhl636 sei u. a. das bahnbrechende Wirken von Eduard v. Hofmann dargestellt. a) Der aus Prag stammende Eduard v. Hofmann (1837–1897)637 wurde 1869 auf den neu errichteten Lehrstuhl für Staatsarzneikunde nach Innsbruck berufen. Er wirkte hier bis 1875 und übernahm anschließend die Wiener Lehrkanzel (1875–1897).638 Hofmann hat die Gerichtliche Medizin in Österreich als Fach gegründet.639 Mit seinem Wirken gelang es, „Österreich auf dem Gebiet der Gerichtlichen Medizin in Führung (zu bringen)“.640 Die besonderen Verdienste von Hofmann lagen darin, die Gerichtliche Medizin als eigenständiges Fach zu etablieren. Bisher – v. a. in Wien in Österreich einmarschierte und Hitler den ‚Anschluss‘ Österreichs an das Deutsche Reich verkündete.“ Zitat aus : http ://www.uibk.ac.at/ipoint/news/uni_und_gesellschaft/564840.html, download vom 4. Juni 2009. 635 Wense Theodor von der : Lehrkanzel und Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie, 263, u. Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 190, 1992, 53–55. Theodor van der Wense erhielt 1948 zunächst einen Lehrauftrag für Allgemeine und Experimentelle Pathologie. 1955 konnte das Institut schrittweise wiedererrichtet werden. Wense wurde zunächst zum Extraordinarius (1955) und 1962 zum Ordinarius ernannt. 636 Die Lehrkanzelvorstände der Innsbrucker Gerichtsmedizin waren : Eduard v. Hofmann (1869–1875), Julius Kratter (1887–1892), Paul Dittrich (1892–1893), Carl Ipsen (1896 ao. Professor, 1899 o. Professor bis 1927) und Karl Meixner (1927–1950), s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 584. 637 Holzer Franz Josef. Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 267–276, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 606–611. 638 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 606–611. 639 Der Innsbrucker Lehrstuhl umfasste 1869 „Gerichtliche Medizin und Staatsarzneikunde“. Bei der Berufung von Hofmann von Innsbruck nach Wien (1875) war es von Anfang an dessen Ziel, die Gerichtliche Medizin aus der Umklammerung durch die Pathologische Anatomie zu lösen. S. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 606f. 640 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz. Hundert Jahre, Bd. 2, 267. Die Gerichtsmedizin entwickelte sich in Österreich aus der Staatsarzneikunde, die zusätzlich auch – zurückgehend auf Johann Peter Frank – die Hygiene umfasste. In Innsbruck wurde die Hygiene als eigene Lehrkanzel 1897 gegründet.
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– betrieb man die Forensik als Teilgebiet der Pathologischen Anatomie.641 Hofmann bezog dabei die Arbeitsmethoden der forensischen Medizin, der pathologischen Anatomie, der medizinischen Chemie, der experimentellen Pathologie und der Physiologie in die Konzeption der Gerichtsmedizin ein.642 Eduard v. Hofmann643 stammte aus Prag und promovierte dort (1861).644 1865 folgte seine Habilitation „Die Res piration während der Geburt mit besonderer Rücksicht auf das Einatmen von Fruchtwasser als Hilfsmittel zur Erkenntnis des auf natürlichem Wege eingetretenen Todes der Neugeborenen“ Abb. 66 : Eduard v. Hofmann in Prag. Von dort wurde er nach Innsbruck berufen. Prag, aber auch Graz hatten auf dem Gebiet der Gerichtlichen Medizin Pionierarbeit geleistet. Der Prager Boden hatte durch Matthias Popel (1789–1865)645 und Josef v. Maschka (1820–1869)646 für die Entwicklung der damaligen Gerichtsmedizin gute Voraussetzungen geschaffen.647 Wichtige Beiträge für dieses Fach leistete auch die Grazer Medizinische Fakultät. Bereits im Jahr ihrer Gründung (1863) kam es zur Berufung von Adolf Schauenstein (1827–1891)648, der ein „Lehrbuch der Gerichtlichen Medizin“ (Wien, 1862) als bahnbrechendes Werk verfasst hatte.649650 641 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 605. 642 Auf dem Prager Boden „ist Eduard Hofmann, der junge Innsbrucker Ordinarius, aufgewachsen, von ihm aus ist er zum Erneuerer der Gerichtlichen Medizin in Österreich geworden“, Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 606–611, Zitat : 606. 643 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 158f. u. Holzer Franz Josef. Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz. Hundert Jahre, 267. 644 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 156f. 645 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 156f. 646 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 157. 647 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 606. 648 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 285–287. 649 Kernbauer Alois : Großer Grazer Mediziner. In : Acham Karl : Naturwissenschaft, Medizin und Technik, 425–449, hier : 436f., und 516. 650 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 39.
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Insgesamt hat Hofmann bereits in seiner Innsbrucker Zeit „die Gerichtliche Medizin auf eine neue wissenschaftliche Basis gestellt“.651 Er hat auch in Innsbruck eine sehr angesehene gerichtsmedizinische Gutachtertätigkeit entfaltet. Wissenschaftlich galt sein Interesse v. a. der Problematik des Kindestodes und Virginitätsfragen.652 Er vertrat neben der Gerichtsmedizin auch die Hygiene, denn ein Lehrstuhl für Hygiene wurde in Innsbruck erst 1897 gegründet.653 Dies betraf allerdings nicht die Bakteriologie, die in Innsbruck zunächst vom Institut für Pathologie betreut wurde. Sein Lehrbuch der gerichtlichen Medizin (1878)654 erschien nach seiner Berufung nach Wien, wo er 1875–1897 als Ordinarius für Gerichtliche Medizin wirkte.655 Trotz dieser Berufung nach Wien blieb er Innsbruck/Igls sehr verbunden, arbeitete weiter hier wissenschaftlich und wurde auch in Igls beigesetzt. b) Der Nachfolger Hofmanns war Julius Kratter, der hier 1887–1892 wirkte und dann nach Graz berufen wurde.656 Julius Kratter (1848–1926) promovierte in Graz (1874), war anschließend Assistent am dortigen Pathologischen Institut sowie am Institut für Staatsarzneikunde (bei Adolf Schauenstein). Dort habilitierte er 1881 für Öffentliche Gesundheitspflege (Hygiene) und 1884 für Gerichtliche Medizin. Er erhielt die venia legendi für die Gesamte Staatsarzneikunde. c) Anschließend wurde die Innsbrucker Gerichtsmedizin durch Paul Dittrich 657 vertreten. Dieser wurde 1892 nach Innsbruck berufen, ging jedoch bereits 1893 nach Prag, wo er die Nachfolge von Arnold Paltauf 658 antrat.
651 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, 268. 652 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. Huter Franz : Hundert Jahre, 268, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 610. 653 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 609. Berufen wurde Alois Lode (1897–1937). 654 Das Lehrbuch erschien in zahlreichen Neuauflagen und wurde in das Tschechische, Französische, Englische und Italienische übersetzt, s. Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. Huter Franz : Hundert Jahre, 267f. 655 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 587. 656 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 269f., s.a. Fischer Isidor : Biographisches Lexikon, Bd. 2, 815. 657 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag 270. 658 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 160f.
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Paul Dittrich (1859–1936) promovierte an der Deutschen Universität in Prag (1883). Er war dann (1884) Assistent am Prager Pathologisch-Anatomischen Ins titut unter Hans Chiari (1851–1916).659 Bereits im folgenden Jahr trat er eine ausgedehnte Studienreise an, die ihn u. a. nach Göttingen an das Hygienische Institut unter Karl Flügge (1847–1923)660 sowie zu Robert Koch (1843–1910)661 nach Berlin brachte. Nach seiner Rückkehr etablierte er am Pathologischen Institut in Prag ein bakteriologisches Laboratorium. Seine Habilitation erfolgte 1889 in Pathologischer Anatomie in Graz. Bereits in diesem Jahr wurde er Assistent am Prager Gerichtlich-Medizinischen Institut bei Josef v. Maschka und habilitierte 1891 für Gerichtliche Medizin in Wien bei Eduard v. Hofmann, wo er zum ersten Assistenten aufrückte.662 Am 1. Oktober 1892 erfolgte seine Berufung zum ao. Professor für Gerichtliche Medizin in Innsbruck.663 Für P. Dittrich war Innsbruck nur ein Zwischenstadium vor seiner Rückberufung an die Deutsche Universität in Prag (1893).664 In Prag wirkte Dittrich dann bis 1929, seit 1895 als Ordinarius. In seiner 36-jährigen Tätigkeit an der Deutschen Universität in Prag verfasste Dittrich ein kurz gefasstes „Lehrbuch der gerichtlichen Medizin“.665 Außer seinen zahlreichen Publikationen666 war er u. a. Herausgeber des zehnbändigen Werkes „Handbuch der ärztlichen Sachverständigentätigkeit“.667 Dieses Werk war nach Karl Meixner668 ein „Denkmal der österreichischen Gerichtlichen Medizin“.669 d) In der Nachfolge von P. Dittrich wirkte Carl Ipsen in Innsbruck von 1894 bis 1927. Dieser kam als eingeladener Privatdozent/Supplent aus Graz nach Innsbruck.670 Er 659 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 143f. 660 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 160, FN 20. 661 Köhler Werner : Koch Robert. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, 767f. 662 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 270, u. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 160. 663 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 270. 664 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 586. 665 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 161. 666 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 161. 667 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 270, u. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 161. 668 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 271–273. 669 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 270. 670 Festschrift, 249, u. Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter
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wurde dann am 26. März 1896 zum ao. und am 16. Juli 1899 zum o. Professor für Gerichtliche Medizin ernannt. C. Ipsen (1866–1927) entstammte dem siebenbürgisch-sächsischen Kleinbürgertum671. Geboren in Mediasch/Siebenbürgen, absolvierte er dort das Gymnasium. Anschließend studierte er in Innsbruck, München, Prag und wieder Innsbruck Medizin. Er promovierte im März 1891. Bereits seit 1888 war er am Gerichtsmedizinischen Institut in Innsbruck unter der Leitung von Kratter als Assistent tätig. Mit der Berufung von Julius Kratter nach Graz (dortiges Wirken 1892–1919)672 folgte ihm Ipsen. In Graz habilitierte Ipsen 1894. Im selben Jahr noch, kaum 28 Jahre alt, ging er als Supplent nach Innsbruck (s. o.). Bei Dienstantritt von Ipsen in Innsbruck war die Lehrkanzel „wirtschaftlich bescheiden“.673. Ein eigenes Institut674 konnte dann 1893 den Betrieb aufnehmen, und zwar im Gebäude der Pathologischen Anatomie, die durch ein zweites Stockwerk vergrößert wurde. Ipsen legte eine „mustergültige Sammlung“ 675 anatomischer Präparate an und richtete ein forensisch-chemisches Laboratorium ein. Gleichzeitig kam es zu bedeutenden Verbesserungen der apparativen Ausrüstung des Institutes. Zu Ipsens Verdiensten gehört auch die Ausbildung einiger hervorragender Mitarbeiter. Zu nennen sind v. a. Hans Molitoris (Habilitation 1874), der 1919 als planmäßiger ao. Professor nach Erlangen berufen wurde676 und Erich Fritz (1899). Letzterer wurde 1942 zum Ordinarius nach Hamburg berufen und wirkte dort bis 1967/68.677 Zu den Publikationen von Ipsen seien jene über Vergiftungen und über die Mechanik von Knochenbrüchen genannt678. Ipsen war 1905/06 und 1911/12 Dekan Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 270f., Zitat : 271. „Für den Fall, dass das k. k. Ministerium nicht den Willen hat, auf die Berufung einer ausländischen Kraft einzugehen, tritt an die Fakultät die Notwendigkeit heran, über die Frage einer eventuellen Supplierung durch die schon genannten inländischen Assistenten zu urtheilen. Für diesen Fall ist Dr. Ipsen derjenige, der allein der Fakultät für die Zukunft Gutes zu versprechen scheint.“ 671 Molitoris Hans : Carl Ipsen †. In : Int J Legal Med 1927 ; 9(1) : I–V. 672 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 583f. 673 Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 56. 674 Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 56. 675 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 271. 676 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 582. 677 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 581. 678 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 271.
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der Innsbrucker Medizinischen Fakultät679. Er war Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Gerichtliche Medizin und auch Präsident des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins.680 e) Karl Meixner übernahm 1927 das Institut und leitete die Innsbrucker Gerichtsmedizin bis 1950.681 Karl Meixner (1879–1955)682, geboren in Wien, war ein Schüler des bekannten Wiener Gerichtsmediziners Alexander Kolisko (1857– 1918).683 Im Rahmen seiner Ausbildung war Meixner auf der Wiener II. Chirurgischen Klinik (Vorstand Julius v. Hochenegg684)und beim Professor für Gynäkologie und Geburtshilfe Ludwig Piskaček 685 tätig. Er arbeitete auch beim damaligen Prosektor des Kaiser-Franz-Joseph-Spitals Richard Kretz686, der vorübergehend auch o.Professor an der Deutschen Universität in Prag war, bei Morris Simmonds (1855–1925) in
679 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 473 680 Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 56. 681 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 271–273. 682 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 271, s.a. F. J. Holzer : Karl Meixner, Dtsch Zsch Gerichtl Med 1955 ; 44 : 341–2. 683 Tragl Karl Heinz : Chronik, 184, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 614–616. 684 Julius v. Hochenegg (1859–1940) war Vorstand der II. Wiener Chirurg. Klinik 1904–1930. Hochenegg führte 1890 die erste Leberresektion und 1891 die erste Speiseröhrenplastik durch. Sein besonderer Schwerpunkt war jedoch die Operation des Rektumkarzinoms, s. Tragl Karl Heinz : Chronik : 123. 685 Piskaček (1854–1932) war nach einer Tätigkeit in Oberösterreich Vorstand der III. Wiener Geburtshilflichen Klinik (1901–1905), Tragl Karl Heinz : Chronik, 157. 686 Kretz war vorübergehend in Prag o. Professor und Vorstand des Anatomisch-Pathologischen Ins titutes (1907–1910). Von dort wurde er nach Würzburg berufen, wo er 1910–1913 wirkte. Aus gesundheitlichen Gründen kehrte er 1913 nach Wien zurück und verstarb 1920 an einem Herzleiden. Kretz, ein Schüler von Hans Kundrat, arbeitete später eng mit Richard Paltauf zusammen. Dies führte im Areal des Kaiser-Franz-Joseph-Spitals zur Errichtung der Serumgewinnungsstelle für das Serumtherapeutische Institut. B. Breitner rühmt dessen besondere Verdienste wie folgt : „Als Typus eines österreichischen Gelehrten, gekennzeichnet durch universelles Wissen, Großzügigkeit und Charakterstärke, erscheint Richard Kretz, Professor der Pathologischen Anatomie in Prag… Würzburg (nach Borst) und Wien. Sein Arbeitsgebiet bezog sich auf die Pathologie der Leber, galt aber auch seiner ausgedehnten bakteriologischen und serologischen Tätigkeit, die er im Verein mit chemischem Wissen als unentbehrlich für einen modernen Pathologen bezeichnete. Im Kampf um die Klärung der Ätiologie der Appendicitis trat er entschieden auf. Bekannt wurden auch seine Arbeiten über Thrombose und Embolie und über die Entstehung der Gallensteine. Kretz war ein vorzüglicher Lehrer und wirkungsvoller Redner…“, s. Breitner Burghard : Geschichte der Medizin, 68f. (Zitat), u. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 144, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 401.
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Hamburg und bei Carl Sternberg (1872–1935) damals in Brünn.687 Es folgte eine kurze Tätigkeit als Schiffsarzt beim Österreichischen Lloyd (1908). Entscheidend waren für Karl Meixner dann seine Tätigkeit am Wiener Gerichtsmedizinischen Institut zunächst bei Alexander Kolisko, Vorstand der Wiener Gerichtsmedizin (1898–1916)688. Anschließend wirkte er bei dessen Nachfolger Albin Haberda (1917–1933).689 Dort erreichte Meixner der Ruf nach Innsbruck. Das Hauptinteresse von Meixner galt dem plötzlichen Tod. Ein Beispiel dafür war seine Arbeit „ob es eine tödliche Gehirnerschütterung ohne greifbaren anatomischen Befund gibt“690. Er beschäftigte sich mit der Klärung selterner Todesursachen und mit Problemen forensischer Begutachtung.691 „Mit Landsteiner (dem Entdecker des A B 0-Blutgruppensystems, dem Beschreiber des Pathomechanismus des Icterus neonatorum/Neugeborenenicterus etc.)692 erkannte er die volle forensische Bedeutung der Blutfaktoren.“693 K. Meixner wird als „ein überragender Vertreter der gerichtlichen Medizin“694 beschrieben. Dies kommt auch in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zum Ausdruck, die seine umfangreichen Erfahrungen als gerichtsmedizinischer Gutachter in vielen Straf- und Zivilprozessen zeigte.695 Er war ein ausgezeichneter Lehrer und überzeugend in seiner Formulierungsfähigkeit. Er verstand es, die komplexen Fragestellungen der Gerichtlichen Medizin „klar darzustellen und durch Beispiele aus seiner reichen Erfahrung zu illustrieren“.696
687 Tragl Karl Heinz : Chronik, 233f., u. Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 273, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 234. 688 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 587. 689 Holzer Franz Josef : Karl Meixner, Dtsch Zs Gerichtl Med 1955 ; 44 : 341f.,s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 587. 690 Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 272. 691 Holzer Franz Josef : Karl Meixner, Dtsch Zs Gerichtl Med 1955 ; 44 : 341f. u. Holzer Franz Josef : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 271–273, hier : 272. Beispiel dafür ist seine Arbeit „Über die symmetrischen Erweichungsherde in den zentralen Ganglien des Gehirns bei protrahierter Kohlenoxydgasvergiftung“. 692 Holubar Karl : Landsteiner Karl. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 822. 693 Bodner Ernst : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin, 56f., Zitat : 56. 694 Hingewiesen wird auch auf Meixners Gutachtertätigkeit mit „unübertroffener Gründlichkeit“, s. Holzer Franz Josef : Karl Meixner, Dtsch Zschr Gerichtl Med, 1955 ; 44 : 341. 695 Holzer Franz Josef : Karl Meixner, Dtsch Zschr Gerichtl Med, 1955 ; 44 : 341, s.a. Bodner Ernst : Lehrkanzel und Institut für Gerichtliche Medizin, 56. 696 Holzer Franz Josef : Institut und Lehrkanzel für Gerichtliche Medizin. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 273.
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2.8 Lehrkanzel und Institut für Hygiene 2.8.1 Die Hygiene in Innsbruck Während Innsbruck z. B. im Fach Gerichtliche Medizin eine gewisse Vorreiterrolle spielte, stieß die eingenständige Lehre in der Hygiene hier längere Zeit auf Schwierigkeiten. So wurde Innsbruck unter den österreichischen Universitäten auf diesem Gebiet Schlusslicht (1897).697 Die Errichtung des Innsbrucker Instituts für Hygiene erfolgte erst 22 Jahre nach jener von Wien und 15 Jahre nach Graz und Prag.698 In Wien geht die Gründung – als Extraordinariat – auf 1875699, in Graz auf 1884700 und in Prag ebenfalls auf 1884 zurück.701 Die Errichtung dieses Lehrstuhls in Innsbruck war dringend geboten, da 1899 die Hygiene Pflicht- und Prüfungsfach wurde.702 Dazu kam auch die Schlüsselrolle des Lehrstuhls bei der Verbesserung der hygienischen Verhältnisse, wofür München ein besonderes Vorbild war und Innsbruck deutlich zurücklag. Die deutschen Universitäten waren der Entwicklung Österreichs voraus. Die Hygiene in München, deren Gründung mit dem Namen Max v. Pettenkofer 703 verknüpft ist, wurde 1865 gegründet, ebenso im bayerischen Würzburg und in Erlangen. 1885 folgten Berlin704 und Marburg.705 Erster Institutsvorstand in Berlin war Robert Koch.706 697 Schinzel Alfred : Lehrkanzel und Institut für Hygiene (seit 1958 für Hygiene und Mikrobiologie). In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 277–286, hier 277. 698 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 608f., 612. 699 In Wien scheiterte zunächst die Errichtung des Lehrstuhles, da Max v. Pettenkofer eine Übersiedlung von München nach Wien ablehnte (1872). Als erster Professor für Hygiene in Wien wurde dann Josef Nowak ernannt (1875–1886). Sein Nachfolger war Max v. Gruber, ein Schüler von Pettenkofer, vorher Professor der Hygiene in Graz (1884–1887). Gruber leitete das Wiener Institut 1887 bis 1902 und wurde dann nach München berufen (1902–1923). Räumlich war das Wiener Institut übrigens äußerst bescheiden. S. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 589–602. 700 Erster Grazer Lehrstuhlinhaber war Max v. Gruber (1884–1887). Ihm folgte Wilhelm Prausnitz (1894–1932). Beide waren Schüler von Pettenkofer. Prausnitz errichtete in Graz die erste bakteriologische Untersuchungsstelle der Monarchie, s. Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaft, Medizin und Technik, 425–449, hier : 442f. 701 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 154. 702 Schinzel Alfred : Lehrkanzel und Institut für Hygiene. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 276. 703 Köhler Werner : Pettenkofer Max von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1132. 704 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 154. 705 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 611. Bahnbrechend wirkte in Marburg Emil v. Behring (1895–1916). 706 Köhler Werner : Koch Heinrich Hermann Robert. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 767f.
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a) Alois Lode (1866–1950)707 wurde in Innsbruck 1897 zum a. o. und dann 1908 zum o. Professor ernannt. Er wirkte in Innsbruck bis zu seiner Emeritierung 1937. Von Anfang an war Lode nicht nur als Forscher und Lehrer, sondern besonders auch als Organisator auf sanitärem Gebiet gefordert. Es ging um die „Lösung sehr wichtiger praktischer Probleme (wie) der Seuchenbekämpfung (und) der Lebensmittelpolizei …“708 Lode war auch in der gesamtösterreichischen Gesundheitspolitik geschätzt.709 Alois Lode stammte aus Siebenbürgen (Broos). Er promovierte in Wien Abb. 67 : Alois Lode 711 (1892) und erhielt auch in Wien eine umfassende medizinische Ausbildung. So arbeitete er beim Internisten Hermann Nothnagel, beim Ophthalmologen Ernst Fuchs, beim Gynäkologen und Geburtshelfer Rudolf Chrobak und bei den Physiologen Ernst Wilhelm v. Brücke und Sigmund v. Exner. Zusätzlich war er am Wiener Medizinisch-chemischen Institut unter Ernst Ludwig tätig (1887/88). Seit 1894 wirkte er am Wiener Hygienischen Institut unter Max v. Gruber, wo er 1897 habilitierte. In diesem Institut arbeiteten damals eine Reihe profilierter Mitarbeiter.710 Max v. Gruber wurde mit seiner Berufung nach München (1902–1923) sozusagen ein enger Nachbar zu Lode in Innsbruck. 711 In Lodes Innsbrucker Tätigkeit fällt der Aufbau des neuen Hygiene-Institutes (1902–1904).712 In diesem Institut und weiteren Räumlichkeiten wurde auch die 1912 gegründete bakteriologisch-serologische Untersuchungsanstalt untergebracht.713 707 Schinzel Alfred : Lehrkanzel und Institut für Hygiene. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 278–282. 708 Schinzel Alfred : Lehrkanzel und Institut für Hygiene. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 279. 709 Er wurde 1912 in den Wiener obersten Sanitätsrat berufen und stieg in diesem Gremium zum zweiten und dann ersten Vizepräsidenten auf (1927 bzw. 1931), s. Schinzel Alfred : Lehrkanzel und Institut für Hygiene. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 279. 710 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 595–602, hier : 602. 711 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 46. 712 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 160–162. Das Gebäude beherbergte neben dem Institut für Hygiene jenes für Physiologie sowie für Experimentelle Physik. 713 Schinzel Alfred : Lehrkanzel und Institut für Hygiene. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 280.
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Lode verfasste z. T. mit seinen Mitarbeitern 68 Publikationen aus dem Gebiet der Bakteriologie sowie solche mit physiologisch-chemischem Schwerpunkt. Weiters liegen Arbeiten über Entkeimung und Desinfektion, über das Trinkwasser, über Ernährung und Arzneimittelhygiene u. a. vor.714 Lode war in den entsprechenden Gremien der Stadt Innsbruck und des Landes Tirol in führender Position tätig. Es war sein Anliegen, „in den darniederliegenden hygienischen Belangen (des Landes)“715 eine schrittweise Besserung zu erreichen. Auf diagnostischem Gebiet übernahm sein Institut die damals gängigen bakteriologischen und serologischen Methoden und leistete auf diesem Gebiet Entwicklungsarbeit.
2.9 Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie/Pharmakognosie Bei der Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät erhielt Anton v. Tschurt schenthaler den Lehrstuhl für Pharmakologie und Pharmakognosie zusammen mit Allgemeiner Pathologie (s. o.)716. Er übte diese Funktion bis 1886 aus. Tschurtschenthaler war eine „dynamische, vielseitig interessierte Persönlichkeit“.717 Die Pharmakologie wurde auch an den österreichischen Universitäten zunächst gemeinsam mit der Pharmakognosie (Arzneistoffkunde) gelehrt.718 Ursprünglich wurden diese Fächer zunächst – wie auch in Wien719 und Innsbruck720 – mit der allgemeinen Pathologie gemeinsam vertreten. Die Pharmakologie entwickelte sich aus der Lehre über die Arzneimittelquellen (Materia medica).721 In der Habsburgermonarchie hielt man noch in der Studien- und 714 Schinzel Alfred : Lehrkanzel und Institut für Hygiene. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 280f. 715 Schinzel Alfred : Lehrkanzel und Institut für Hygiene. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 279. 716 Festschrift, 230f. 717 Tschurtschenthaler, bereits seit 1856 Prof. für Theoretische Medizin, war u.a. Präsident des Tiroler Landessanitätsrates und k. k. Hofrat (1870–1898), Dekan der Medizinischen Fakultät (1878/79) und Rektor Magnificus (1884–85). Außer einer Dissertation über Odontopathien (1841) sind keine weiteren Publikationen dokumentiert, s. Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 208 (Zitat) u. Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 180–185. 718 Stoll Ulrich : Pharmakologie. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1143–1149, hier : 1147f. 719 Beispiel für die gemeinsame Professur in Allgemeiner Pathologie, Pharmakologie und Pharmakognosie war zuletzt der hier bereits erwähnte Carl Damian Schroff (1802–1887), s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 273–279. 720 Als Professor für diese Fächer wirkte nach der Wiedererrichtung Anton von Tschurtschenthaler (1869–1886), s. Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, 287–302, hier : 287f., u. Festschrift, 230. 721 Richter Thomas : Materia medica. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 895f.
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Rigorosenordnung von 1872 an der Verbindung von Pharmakologie und Pharmakognosie fest.722 Für Innsbruck wurde die Trennung der beiden Fachrichtungen noch 1893 von Seiten des Ministeriums abgelehnt.723 Erst 1924 konnte eine eigenständige Pharmakologie – zuerst mit der Errichtung einer ao. Professur –, installiert werden.724 Die Trennung von Pharmakologie und Pharmakognosie gab erst der experimentell ausgerichteten Pharmakologie ihren wichtigsten Forschungsschwerpunkt. Dagegen war die Pharmakognosie damals v. a. deskriptives Fach.725 E. Lesky bedauert den „Anachronismus“726 der lange gemeinsamen Vertretungen dieser beiden Richtungen. Dies habe dazu geführt, „dass während eines Menschenalters in Wien, in Graz, in Innsbruck und Krakau die Pharmakologie nicht experimentell sondern referierend betrieben wurde“.727 Die Grundlegung der Pharmakologie im heutigen Sinn geht bereits auf Oswald Schmiedberg728 (1838–1921) zurück, den herausragenden Schüler von Rudolf Buchheim729 (1820–1879). Diese Schule begründete die Pharmakologie als experimentell orientiertes Fach.730 Die hier gegebene Darstellung beschränkt sich auf einige herausragende Vertreter dieser Richtungen. 722 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 583–589. Beispielhaft für diese gemeinsame Fachvertretung in Wien war August Emil Vogel (1833–1909). 723 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 289–294, Zitat : 291. Dabei hatte das Innsbrucker Fakultätsmitglied, der ao. Prof. für Angewandte medizinische Chemie, Wilhelm Franz Loebisch in einem Separatvotum vom 16. Jänner 1893 einen derartigen Teilungswunsch ausführlich begründet. „So finden wir in der ungetheilten Lehrkanzel für Pharmakologie und Pharmakognosie zwei Doctrinen aneinander gebunden, deren erstere biologisch experimentelle, deren andere eine descriptive ist, deren erstere in einem weit größeren, geistig höher stehenden Wissensgebiet wurzelt und in jeder Richtung ein unvergleichlich größeres Wissenssubstrat darbietet als die zweite ; deren erstere einen Prüfungsgegenstand für Mediciner, deren zweitere einen solchen für den Pharmaceuten und Physikatskandidaten bildet. Hinzu kommt schließlich der wichtige Umstand, daß, während die experimentelle Pharmakologie als biologische Doctrin nur an einer Medizinischen Fakultät die Stätte ihrer Übung und Förderung finden kann, die Pharmakognosie als Drogenlehre auch an den technischen und Handelshochschulen gepflegt und fortentwickelt wird.“ 724 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 294–300, insb. 298f. Bei der Annahme des Rufes nach Innsbruck forderte Adolf Jarisch eine Trennung der Vereinigten Fächer für Pharmakologie und Pharmakognosie. 725 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 589. 726 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 589. 727 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 589. 728 Ackerknecht Erwin H.: Geschichte der Medizin. 7. überarbeitete und ergänzte Auflage von Axel Hinrich Murken, Stuttgart 1992, 119 u. 164. 729 Kästner Ingrid : Buchheim, Rudolf. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 218. 730 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 287.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
a) Die Errichtung eine Lehrkanzel für Pharmakologie und Pharmakognosie erfolgte mit Josef Moeller.731 Er wirkte in Innsbruck 1886–1893. Sein Hauptinteresse war die Pharmakognosie in ihren morphologisch-mikroskopischen Aspekten.732 Der aus Ungarn (Pápa) stammende Josef Moeller (1848–1924) hatte in Wien Medizin studiert und promovierte 1873 zum Dr. med. Nach einer Tätigkeit im Wiener Allgemeinen Krankenhaus wurde er Assistent von August Emil Vogel Ritter von Fernheim733 in Wien. Moeller habilitierte an der Wiener Technischen Hochschule (1877) und daraufhin an der Universität Wien über Abb. 68 : Josef Moeller 735 mikroskopische Untersuchungen an Drogen unter besonderer Berücksichtigung von Nahrungs- und Genussmitteln (1884).734 735 Während seiner Innsbrucker Zeit veröffentlichte Moeller ein Lehrbuch für Pharmakognosie (1889) und einen pharmakognostischen Atlas (1892). Er wird „zu den hervorragendsten Pharmakognosten seiner Zeit“736 gezählt. 1892 wurde Moeller nach Graz, 1908 auf die Pharmakognosie nach Wien berufen737 (1908–1916). b) Adolf Jarisch738 kann als Pionier der Innsbrucker experimentell orientierten Pharmakologie bezeichnet werden739. Er vermittelte in der Lehre eine Zusammenschau der Pharmakologie mit der Physiologie, Pathophysiologie und pathologi-
731 Konzett, Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 288f. 732 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 289. 733 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 583–589. u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 655. 734 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 289. 735 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 51. 736 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 289. 737 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 588. 738 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 295–301. 739 Bodner Ernst : Medizinische Fakultät, 63.
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schen Anatomie.740 Jarisch wurde 1924 als ao. Prof. nach Innsbruck berufen, die Ernennung zum Ordinarius erfolgte 1927. Jarisch emeritierte 1958. Adolf Jarisch d. J. (1891–1965), Sohn des Innsbrucker und Grazer Professors für Dermatologie, Adolf Jarisch d. Ä.741, wurde 1891 in Innsbruck geboren. Mit der Berufung seines Vaters nach Graz742 wechselte Jarisch in diese Stadt. Er begann in Graz sein Medizinstudium (1909). In Graz forschte er bereits als Student am dortigen Pharmakologischen Institut unter Otto Loewi.743 Die Promotion in Graz erfolgte 1914. Nach dem Ersten Weltkrieg wirkte Jarisch als Abb. 69 : Adolf Jarisch d. J.745 Assistent wieder beim Grazer Pharmakologen und späteren Nobelpreisträger (1936) Otto Loewi (1873–1971).744 Bereits 1920 habilitierte Jarisch in Graz für Experimentelle Pharmakologie und gleichzeitig für Experimentelle und Allgemeine Pathologie. Mittels eines Rockefeller-Stipendiums (1924/25) erhielt er eine postgraduelle Ausbildung in Cambridge, Utrecht und Stockholm. 745 Mit der Übernahme der Innsbrucker Professur führte er hier u. a. Forschungen auf dem Gebiet der Kreislaufregulation und ihrer Beeinflussbarkeit durch. Zusammen mit Albert von Bezold, der dieses Phänomen bereits 1868 beschrieb, ist Jarisch 740 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 297. 741 Konrad Josef, Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatiologie und Syphilidologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, 367–382, hier : 371f., s.a. Kernbauer Alois. Große Grazer Mediziner und Biochemiker – von Auenbrugger bis Wagner-Jauregg. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaften, Medizin und Technik aus Graz, Wien u.a. 2007, 425–449, hier 440. 742 Kernbauer Alois. Große Grazer Mediziner und Biochemiker – von Auenbrugger bis Wagner-Jauregg. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaften, Medizin und Technik aus Graz, Wien u.a. 2007, 425–449, hier : 440. 743 Otto Loewi leitete das Grazer Pharmakologische Institut 1909–1938. s. Lembeck Fred : Die nachhaltige Ausstrahlung eines Nobelpreises. Sir Henry Dale and Otto Loewi. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaft, Medizin und Technik, 337–347. 744 Schwarzmann-Schafhauser Doris : Loewi, Otto. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 861f. 745 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 53.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
namensgebend für den Bezold-Jarisch-Reflex, einem vom Herzmuskel ausgehenden Schonreflex.746 Jarisch war ein Forscher mit hoher internationaler Reputation. Von ihm stammen zahlreiche Publikationen in angesehenen Journalen wie Naunyn-Schmiedeberg Archiv für Experimentelle Pathologie und Pharmakologie, in der Klinischen Wochenschrift, der Wiener Klinischen Wochenschrift, der Zeitschrift für Kreislaufforschung u. a.747 „Jarisch (benützte) die Pharmaka (…) mit Vorliebe als Reagenzien des Lebens und Spürsonden zur Aufklärung physiologischer Vorgänge.“748 Dabei lag ihm jedoch durchaus auch die praktisch-therapeutische Verwendung der Medikamente am Herzen.749 Persönlich war Jarisch umfassend gebildet, von bescheidenem Auftreten, jedoch gleichzeitig von – wie er schreibt750 – „barocker Lebensfreude“ und hatte einem großen Freundschaftskreis. Auf dem Gebiet der Pharmaka geht es ihm v. a. um praktisch-therapeutische Anwendungen am Herz-Kreislauf-System. Eine Berufung nach Düsseldorf (1930) konnte ihn nur für ein Jahr von Innsbruck trennen. 1926 wurden die in einem gemeinsamen Institut vereinten Fächer Pharmakologie und Pharmakognosie getrennt751.
746 http ://de.wikipedia.org/wiki/Bezold-Jarisch-Reflex, download vom 3. 8. 2008. 747 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 297. 748 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 297. 749 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 297. 750 Siehe Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 298. 751 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, 298f. Das Pharmakognostische Institut wurde – wie auch sonst üblich – der Philosophischen Fakultät angeschlossen. 1929 wurde Ludwig Kofler (1891–1951) zum ordentlichen Professor für Pharmakognosie und zum Vorstand des Institutes für Pharmakognosie ernannt. Nachfolger von Kofler wurde Otto Schaumann (1947–1962).
3.
Die klinischen Fächer
3.1 Lehrkanzel und Klinik für Innere Medizin Die Klinik für Innere Medizin zählte in der dargestellten Zeitperiode (1869–1938) fünf Vorstände.752 Bei den Berufungen dominierte die Wiener Medizinische Schule, wobei es sich zunächst um Schüler von Joseph Skoda753 (Rembold, Rokitansky), dann um solche von Edmund v. Neusser 754 (Ortner, Schmidt) handelte. Der zuletzt aus Greifswald berufene Anton Steyrer war ein Schüler von Friedrich Kraus.755 a) Otto Rembold (1834–1904, Ordinarius hier 1864–1876)756 war bereits auf die Lehrkanzel für Medizinische Pathologie und Therapie und Medizinische Klinik z. Z. des Staatsministers von Schmerling 1864 berufen worden757 (s. o.) Otto Rembold stammte aus Ofen in Ungarn und promovierte 1858 in Wien. Er war dann einer der Assistenten von Joseph Skoda.758 In seinen Wiener Jahren absolvierte er Studienaufenthalte in England und Frankreich. Er beschäftigte sich v. a. mit ungleichmäßigen Kontraktionen des Herzmuskels und Magenerkrankungen.759
752 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 626. 753 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 142–152, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 62f. 754 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 327–330, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 245f. 755 Friedrich Kraus (1858–1936) promovierte 1882 an der Deutschen Universität in Prag, er war dann dort Assistent am Physiologisch-Chemischen und am Pathologisch-Anatomischen Institut. Als Assistent von Otto Kahler übersiedelte er mit diesem 1889 nach Wien. 1890 erfolgte die Habilitation bei Kahler. Er wurde 1893 zum Extraordinarius und im selben Jahr zum Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung an der Wiener Rudolfstiftung ernannt. Im selben Jahr erhielt er eine Berufung an die Medizinische Universitätsklinik Graz, von dort ging er 1902 als Vorstand der II. Medizinischen Klinik der Charité nach Berlin, Er galt als „einer der führenden Internisten des deutschen Sprachraumes“, s. Bergmann G. v.: Friedrich Kraus zum 70. Geburtstag, DMW 1928, 54 (21) : 859f., Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 170f., Tragl Karl Heinz : Chronik, 246 u Kernbauer, Alois. Große Grazer Mediziner, 435 (Zitat). 756 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 303–316, hier : 303, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 149. 757 Festschrift, 230f. 1869 erfolgte mit der Fakultätsgründung seine Übernahme auf den Lehrstuhl für Spezielle Pathologie und medizinische Klinik. 758 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 149. 759 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln, 303.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Rembold gehörte ohne Zweifel zu den herausragenden Schülern von Skoda.760 Wissenschaftlich beschäftigte er sich mit einer Mehrzahl von Teilgebieten der inneren Medizin. Dies galt für die Hämatologie, für Infektionskrankheiten, der damals besonders aktuellen Problematik der Tuberkulosebehandlung, kardiologische Fragestellungen u. a.761 Die bei den Bauarbeiten der Brennerbahn bei Arbeitern beobachtete Anämie konnte von ihm abgeklärt und als Folge des Darmbefalles durch Ancylostoma duodenale und Bothriocephalus latus Abb. 70 : Otto Rembold 763 beschrieben werden.762 763 In die Zeit Rembolds fielen die frü764 hen Verhandlungen zum Neubau der Klinik , die schließliche Übersiedlung in das neue Klinikum fand jedoch erst 1888 statt765. Baulich hatte man sich zunächst mit dem adaptierten wie erweiterten Räumlichkeiten im alten Stadtspital zu begnügen. Zusammen mit dem Chemiker Ludwig Barth v. Barthenau766 wirkte Rembold als veranstaltender Geschäftsführer der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte (1869), die ihre Jahrestagung in Innsbruck abhielt. 760 Zu nennen sind Anton Drasche (1826–1904), Eugen Kolisko (1811–1884), Gustav Loebl (1817–1880), Moritz Körner (1820–1876), Prokop v. Rokitansky (1834–1928) und Leopold Schrötter v. Kristelli (1837–1908). S. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 149. 761 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker. In : Acham Karl : Naturwissenschaft, Medizin und Technik, 435. 762 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker. In : Acham Karl : Naturwissenschaft, Medizin und Technik, 435 u. Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 303. 763 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 58. 764 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 103. 765 Rembold gehörte dann dem Spitalbaukomitee als Fakultätsvertreter (mit Heine und Mauthner) an, s. Gasser Rudolf Josef : Die Geschichte der Medizinischen Fakultät. In : Bodner Ernst : Medizinische Fakultät, 11–16, hier : 15, u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 123–127. 766 Machek Guido : Die Lehrkanzeln und Institute für Chemie in Innsbruck. In : Huter Franz (Hg.) : Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie, 173–213, hier : 179–184.
Die klinischen Fächer
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Rembold wurde 1876 an die Medizinische Klinik nach Graz berufen767. Rembold war 1876–1894 Vorstand der Grazer Klinik. In Graz trat er die Nachfolge von Anton Moritz Körner an. Dieser war ebenfalls ein Schüler von Skoda und hatte vor ihm in ähnlicher Weise einen Wechsel in das besser ausgebaute Grazer Klinikum erreicht768. b) Mit der Berufung von Prokop Frhr. v. Rokitansky (Ordinarius hier 1877– 1907)769 – seine Nominierung erfolgte unico loco – kam ein klinisch und experimentell ausgebildeter Vertreter der Wiener Medizinischen Schule nach Innsbruck. Auch er war ein Schüler von Skoda sowie von dessen Nachfolger Adalbert Ducheck.770 Der in Wien gebürtige Rokitansky (1842–1928) war Sohn des Pathologen Carl v. Rokitansky. Er promovierte 1866 und war dann Assistent bei Skoda und Ducheck (bis 1873). Experimentell klinisch wirkte er bei Salomon Stricker 771. Er habilitierte 1876772. Publikationen aus seiner Wiener Zeit betreffen die WirAbb. 71 : Prokop Frhr. v. Rokitansky 773 kung von Chloralhydrat auf das Nervensystem sowie das Atemzentrum. 773 Unter Rokitansky als Ordinarius fällt die Übersiedlung ins neue Klinikum (1888). Er war Dekan (1887/88) und Rektor (1896/97). Bezüglich seiner For-
767 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker. In : Acham Karl : Naturwissenschaft, Medizin und Technik, 435. 768 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 303, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 149. 769 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 304. 770 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 308–310, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 66. Ducheck war Vorstand der Ersten Wiener Medizinschen Universitätsklinik (1871–1882). Sein Hauptarbeitsgebiet waren die Krankheiten des Herzens, des Herzbeutels und der Arterien. 771 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 550. 772 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 304. 773 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 59.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
schungsaktivitäten wird von einem „gewissen wissenschaftlichen Stillstand“774 gesprochen. c) Eine herausragende Persönlichkeit war Norbert v. Ortner. Er war Innsbrucker Ordinarius 1907–1911775. Ortner war ein Paradigma eines umfassend ausgebildeten, großen internen Klinikers, der nicht nur die Diagnostik mit den damals zur Verfügung stehenden optimierten physikalischen Krankenuntersuchungsmethoden „wirksam beherrschte“776. Er stand auch damaligen Neuentwicklungen, insbesondere der Laboratoriumsmedizin und der Einführung der Röntgendiagnostik, sehr aufgeschlossen gegenüber und konnte sie an seiner Klinik etablieren. Dazu hatte wohl sein Ausbildungsweg, nämlich die Schule des Wiener Internisten Emund v. Neusser (1852–1912)777 und des Pathologen Anton Weichselbaum778 wesentlich beigetragen. Der in Linz geborene Ortner (1865–1935) promovierte in Wien (1889). Nach einer Assistentenzeit am Pathologischen Institut war er Assistent bei Neusser an der II. Medizinischen Universitätsklinik in Wien (1892–1899). Die Habilitation erfolgte 1894, 1899 wurde er zum ao. Professor ernannt. 1899 erfolgte seine Berufung zum interimistischen Primarius am Wiener Franz-Joseph-Spital sowie anschließend zum Primarius am Wiener AKH, nämlich der 3. Medizinischen Abteilung (1903–1907).779 Ortner war – wie ewähnt – bei seiner Berufung nach Innsbruck bereits Primarius im Wiener AKH. Anerkannt waren seine Publikationen aus den Fachgebieten 774 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 304. 775 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 304 u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 329 u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 365. 776 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 106. 777 Neusser war ein intuitiv begabter Diagnostiker (einer Diagnosestellung per analogiam) mit großer klinischer Erfahrung, der gleichzeitig den methodischen Entwicklungen sehr aufgeschlossen gegenüberstand. Seine Klinik wurde 1896 mit der Aufstellung einer Röntgenapparatur zu einer Geburtsstätte der österreichischen Röntgendiagnostik. Neusser fühlte sich übrigens der französischen Medizin eines Guillaume Benjamin Amand Duchenne (1806–1875) und Jean Martin Charcot (1825–1893) und ihrer nosologisch-klinischen Betrachtungsweise sehr verbunden, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 330, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 245f. 778 Weichselbaum wirkte in der Wiener Medizinischen Schule richtungweisend auf dem Gebiet der Infektionskrankheit. Er beschäftigte sich auf bakteriologischem Gebiet früh mit Pneumokokken und Meningokokken. Als Erster wies er nach, dass die Ursache der Miliartuberkulose die hämatogene Streuung durch Tuberkelpazillen ist, s. Spitzy Karl H. u. Lau Inge : Van Swietens Erbe, 323–329, hier 324, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 568–574, insb. 570, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 283f. 779 Tragl Karl Heinz : Chronik, 96.
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Kardiologie, Pulmonologie (Lungentuberkulose), Hämatologie, Gastroenterologie, Krankheiten der Gallenwege und Infektionskrankheiten.780 781 Ortner war auch in Innsbruck ein „außerordentlich eindrucksvoller Lehrer“782, persönlich gleichzeitig von gewinnender Bescheidenheit. In den vier Jahren seiner Innsbrucker Tätigkeit stellte Ortner auch organisatorische Weichen. Ortner konnte eine Laboratoriumseinheit aus vier Räumen aufbauen, in der hämatologische, andere mikroskopische Arbeiten, chemische Analysen und frühe bakteriologische und serologische Untersuchungen durchgeführt Abb. 72 : Norbert v. Ortner 781 wurden783. Ab 1911 wirkte Ortner wieder in Wien zunächst als Vorstand der III. Medizinischen Universitätsklinik (in der Nachfolge von Adolf Strümpell, 1853–1925)784. Bereits im folgenden Jahr trat Ortner die Nachfolge des plötzlich verstorbenen Edmund von Neusser als Vorstand der II. Wiener Medizinischen Universitätsklinik an. Einer der zahlreichen Schüler von Ortner war dann Ernst Lauda, der spätere Ordinarius der I. Wiener Medizinischen Universitätsklinik (1946–1962). d) Auf Ortner folgte wieder ein Schüler von Neusser, nämlich Rudolf Schmidt (1873–1947). Auch Schmidt war bei seiner Berufung nach Innsbruck bereits Primarius an einem angesehenen Wiener Krankenhaus. Er führte die Innsbrucker Klinik 1911–1913 und wurde dann nach Prag berufen785. 780 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 305. 781 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 60. 782 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 304. 783 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 305. 784 Strümpell leitete die Medizinische Universitätsklinik III (1909–1910), dann wurde er nach Leipzig berufen (1910–1925), s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 68. 785 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 306f. Weitere Daten s. WiKliWo. 60 (1948). 53 (G. Holler).
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Der aus Leoben in der Steiermark stammende Rudolf Schmidt (1873–1947) promovierte 1895 in Wien. Er habilitierte als Assistent von Neusser (1903). Anschließend wurde er zum Primararzt am Wiener Kaiserin-Elisabeth-Spital ernannt (1908)786. Dort wirkte er bis zu seiner Berufung nach Innsbruck.787 Höhepunkt seiner Tätigkeit war wohl sein Wirken in Prag (1913–1931).788
Abb. 73 : Rudolf Schmidt 787
e) Auf Schmidt folgte als langjähriger Ordinarius Anton Steyrer. Steyrer stand der Klinik 1913–1938 vor. Der gebürtige Österreicher leitete zuletzt die Medizi nische Universitätsklinik in Greifswald.789 Steyrer war als Internist eine anerkannte Autorität790 mit zusätzlicher Qualifikation in der Laboratoriums
medizin und der Röntgendiagnostik. Der aus der Murau in der Steiermark stammende Anton Steyrer (1873–1943)791 studierte Chemie (Doktorat 1896) und Medizin (Doktorat 1897) in Wien. Anschließend arbeitete er in Straßburg beim Internisten Bernhard Naunyn (1839–1925)792. Es folgte eine internistische Tätigkeit bei Friedrich Kraus in Graz (1858–1936)793. Als Kraus 1902 an die Charité in Berlin berufen wurde, folgte ihm Steyrer als Oberarzt dorthin. An der Charité leitete Steyrer die Poliklinik, das Laboratorium und die Röntgenstation. Nach der Habilitation 1907 wurde er im folgenden Jahr tit. ao. Professur. 1909 folgte der Ruf nach Greifswald zur Leitung der dortigen Medizinischen Klinik. 786 Tragl Karl Heinz : Chronik, 412. 787 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 61. 788 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 629, u. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 171. 789 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 625. 790 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 308. 791 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 307–309. 792 Bauer Axel W.: Naunyn Bernhard. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 1028. 793 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaften, Medizin und Technik aus Graz, 435.
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Im Berufungsvorschlag der Innsbrucker Medizinischen Klinik standen – neben Steyrer an erster Stelle – der damals in Leipzig wirkende Friedrich Rolly und aus Freiburg Paul Morawitz.794 Bemerkenswert ist, dass die Wiener Medizinische Schule im Berufungsvorschlag nicht berücksichtigt wurde795. Steyrer kam – wie erwähnt – aus der Schule von Friedrich Kraus (Graz–Berlin).796 Trotz des Zusammenbruchs der Monarchie und der Notsitutation des Landes in der Folge des Ersten Weltkrieges konnte der klinische Betrieb, allerdings nur notdürftig, aufrechterhalten werden.797 Immerhin gelang es schließlich, Abb. 74 : Anton Steyrer 796 Erweiterungsbauten im Bereich der Klinik durchzusetzen. U. a. wurden die Bettenzahl erhöht und der Hörsaal ausgebaut.798 794 Paul Morawitz (1879–1936) wurde 1912 systemisierter Extraordinarius an der Freiburger Medizinischen Poliklinik. Er verließ diese 1913 und ging – in der Nachfolge von Steyrer – als Ordinarius nach Greifswald. Es folgten dann Berufungen nach Würzburg und Leipzig. Als Diagnostiker und Kliniker mit dem Schwerpunkt Hämatologie, aber auch pathologische Physiologie war Morawitz mit einer „bahnbrechenden Arbeit über die Blutgerinnung“, eines Thrombokinasedefekts bei Hämophilie etc. zweifellos ein herausragender Kandidat, s. Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 307, u. Seidler Eduard u. Leven Karl-Heinz : Medizinische Fakultät, 311 u. 761. 795 Möglicherweise war es die nur kurze Tätigkeit der beiden letzten aus Wien kommenden Ordinarii, die nach wenigen Jahren Innsbruck wieder verließen. 796 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 62. 797 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 307. 798 Im Nord- und Südblock wurde ein 2. Stock mit Krankensälen sowie Liegehallen ausgebaut. Die Ambulanz im Nordblock wurde vergrößert, erweitert wurden u.a. die Röntgenabteilung, das EKG und das Laboratorium. Dabei war die Stadt Innsbruck nicht mehr imstande, die inflationsbedingten horrenden Kosten vorzuschießen. Das Spital wurde samt Inventar an das Land übergeben. Bezüglich der Erweiterungsbauten aus der Zwischenkriegszeit s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 163–168, u. Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 307, u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 175. Durch die Zubauten konnte die Klinik 140 Betten beherbergen. Im Hörsaal hatten 60 Hörer Platz.
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Steyrer war ein ausgezeichneter akademischer Lehrer, der den Schwerpunkt seiner Vorlesungen „nach der praktischen Seite hin orientiert (hatte)“799. Er hatte zweifellos eine starke persönliche Ausstrahlung, war „ein vornehmer und verlässlicher Vorgesetzter“.800 Der klinische Dienst war „mit fast preussischem Drill organisiert“.801 Entsprechend von Steyrers eigenem Ausbildungsweg legte er auf eine Zusatzqualifikation seiner Mitarbeiter in vorklinischen Fächern („eine theoretische Ausbildung“802) großen Wert. Neben zwei späteren Lehrstuhlinhabern in Graz und Innsbruck gingen aus seiner Klinik eine Reihe von Dozenten und Primarärzten hervor.
3.2 Lehrkanzel und Klinik für Chirurgie Zur Geschichte der Klinik für Chirurgie und der chirurgischen Fächer ist eine Pub likation in Vorbereitung. Hier folgt nur eine Zusammenstellung der Lehrkanzelvorstände. • Karl Wilhelm Ritter v. Heine (1869–1873)803 Heine war ein Schüler von Carl Otto Weber/Heidelberg804 und von Bernhard v. Langenbeck.805 Nach seiner Innsbrucker Tätigkeit wurde er nach Prag berufen.806 In Prag wirkte er 1873–1877. • Eduard Albert (1873–1881)807 Albert war ein Schüler von Johann Heinrich Dumreicher 808. Nach seiner Inns799 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 307. 800 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 308. 801 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 307f. 802 Braunsteiner Herbert : Lehrkanzeln. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 308. 803 Huber Paul : Lehrkanzeln und Klinik für die Chirurgischen Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 317–338, hier : 317f. 804 Carl Otto Weber (1827–1867) war erster Professor für Pathologische Anatomie in Bonn (1857–1865, seit 1862 o. Professor) und dann für Chirurgie in Heidelberg (1865–1867 o. Professor), s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 333, 566 u. 642, s.a. http :// de.wikipedia.org/wiki/Karl_Otto_Weber, download v. 19. 6. 2009. 805 Tshisuaka Barbara I.: Langenbeck Bernhard Rudolf Konrad von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2. 824. 806 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 195f. 807 Huber Paul : Lehrkanzeln und Klinik für die Chirurgischen Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 319f., u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 69f. 808 J. Dumreicher (1815–1880) war Vorstand der I. Wiener Chirurgischen Klinik (1849–1880), s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 69.
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brucker Tätigkeit wurde er an die I. Chirurgischen Universitätsklinik in Wien berufen (1881–1900).809 Carl Nicoladoni (1881–1895)810 Nicoladoni war ebenfalls ein Schüler von Dumreicher. Er wurde nach seiner Tätigkeit in Innsbruck an die Grazer Chirurgische Universitätsklinik berufen (Wirken dort 1895–1902).811 Viktor Ritter v. Hacker (1895–1903)812 war ein Schüler von Theodor v. Billroth. Auch er folgte einem Ruf nach Graz und wirkte dort 1903–1924.813 Hermann Schloffer (1903–1911)814 war ein Schüler von Anton Wölfler 815 in Prag. Nach seiner Tätigkeit in Innsbruck wurde er an die deutsche Universität in Prag berufen, wo er 1911–1937 tätig war.816 Hans v. Haberer (1911–1924)817 war Schüler von Anton Frh. v. Eiselsberg.818 Haberer folgte dann einem Ruf nach Graz (1924–1928), Düsseldorf (1928–1930) und Köln (1930–1945).819 Egon Ranzi (1924–1932) war ebenfalls ein Schüler von Anton Frh. v. Eiselsberg, dessen Nachfolge er 1932–1938 in Wien antrat.820 Burghard Breitner (1932–1955)821 war der letzte nach Innsbruck berufene Eiselsberg-Schüler. Er wirkte hier bis 1955.
809 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 449–454. 810 Huber Paul : Lehrkanzeln und Klinik für die Chirurgischen Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 320–322. 811 Spath Franz : Zur Geschichte der Chirurgie an der Karl-Franzens-Universität Graz, 36–45. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung medizinischer Spezialfächer, 565. 812 Huber Paul : Lehrkanzeln und Klinik für die Chirurgischen Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 322–324. 813 Spath Franz : Zur Geschichte der Chirurgie an der Karl-Franzens-Universität Graz, 46–59. 814 Huber Paul : Lehrkanzeln und Klinik für die Chirurgischen Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 329f. 815 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 197f. 816 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 198f. 817 Huber Paul : Lehrkanzeln und Klinik für die Chirurgischen Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 325–328. 818 A. Eiselsberg leitete die I. Wiener Chirurgische Klinik 1900–1931, s. Wyklicky Helmut : Eiselsberg Anton von (1860–1939). In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 339. 819 Spath Franz : Zur Geschichte der Chirurgie an der Karl-Franzens-Universität Graz, 60–84, s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 564–567. 820 Huber Paul : Lehrkanzeln und Klinik für die Chirurgischen Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 329–331, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 121f. 821 Huber Paul : Lehrkanzeln und Klinik für die Chirurgischen Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 331–333.
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3.3 Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie Zunächst eine kurze Rekapitulation der Bemühungen um die Entwicklung des Faches unter besonderer Berücksichtigung der Geburtshilfe822. Nach der – bereits erwähnten – Errichtung einer Ambulierenden Gebäranstalt 823 unter Joseph Hinterberger 824 (1819/1820) wurde 1830 durch Johann Amerer (geb. 1778) im Stadtspital eine kleine Gebärabteilung für die stationäre Betreuung eingerichtet825. Allerdings waren an dieser Abteilung im Durchschnitt nur jährlich etwa 22 Geburten zu verzeichnen und ihre Zahl ging eher zurück.826 Die Verbindung einer öffentlichen Gebäranstalt mit einem Kinderasyl – wie sie in Trient mit Alle Laste bestand827 – stieß allerdings in breiten Kreisen der Landeshauptstadt auf wenig Verständnis.828 Dazu kamen auch Widerstände finanzieller wie regionalpolitischer Art. Einerseits war die Finanzierung einer Gebär- und Findelanstalt in Innsbruck längere Zeit nicht gesichert, andererseits stieß die Verlegung von Alle Laste nach
822 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23–26, u. Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 353–366. 823 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 353, u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23. 824 Westhoff Manfred : Medicina Oenipontana, 101–106, u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23. 825 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23. 826 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23. 827 Alle Laste bei Trient war 1833 errichtet worden. Die Anstalt hatte den Zweck, „geschwächten Weibspersonen zu einem allgemeinen Zufluchtsorte, wo sie vor Schande und Noth gerettet, und ihre Leibesfrüchte in Schutz genommen werden, zu dienen.“ Die Anstalt hatte eine unentgeltliche Abteilung und eine für zahlende Frauen. Die Wöchnerinnen auf dieser letzteren Abteilung hatten auf Anonymität Anspruch. Die auf der unentgeltlichen Abteilung aufgenommenen Frauen hatten nach ihrer Entbindung in der Findelanstalt vier Monate als Amme tätig zu werden und nach Möglichkeit auch Hausarbeiten zu verrichten. Nach den Statuten von 1874 hatte die Anstalt auch „dem Unterrichte auf der Klinik zu dienen“. Bei Austritt aus der Anstalt „nehmen die Mütter ihre Kinder, wenn diese nicht in der Anstalt gestorben sind, mit und erhalten für die selben einen kleinen Vorrath an Kleidern und Wäschestücken unentgeltlich. Jene Mütter aber, welche sich über Armut ausweisen, können noch zwei Monate nach der Entbindung in der Anstalt bleiben …“ Für uneheliche Kinder aus Tirol mit nachweisbarer Armut war eine Dotation vorgesehen. Sie betrug im 1. Lebensjahr etwas über 43 fl, im 2. Lebensjahr 36 fl. Die Kosten der Gebärklinik wurden vom Tiroler Landesfonds bestritten, einen Beitrag dazu leistete auch der Studienfonds, s. Daimer J.: Sanitäts-Bericht über Tirol und Vorarlberg für die Jahre 1883 und 1884 … Herausgegeben v. k. k. Landes-Sanitätsrathe für Tirol und Vorarlberg, Innsbruck 1986, 166–172, Zitate : 167. 828 Brezinka Christoph : Von der Gebär- und Findelanstalt zur Universitäts-Frauenklinik. In : Festschrift anläßlich des 65. Geburtstages von Univ.-Prof. Dr. Otto Dapunt, Redaktion : Univ.-Doz. Dr. Christoph Brezinka, Innsbruck, Wien 1995, 18–29, hier : 25f.
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Innsbruck auf den Widerstand der Welschtiroler Abgeordneten.829 Virgil von Mayrhofen hat zur Lösung dieser Problematik wesentlich beigetragen (s. u.). Schließlich sagte man den Trentiner Abgeordneten auch zu, dass den italienischsprachigen Hebammenschülerinnen „auch in Innsbruck Unterricht in der Muttersprache erteilt werde“.830 In der hier besprochenen Periode gab es acht Lehrkanzelvorstände für Geburtshilfe und Gynäkologie. a) Virgil von Mayrhofen war bereits 1851–1877 Professor für Theoretische und praktische Geburtshilfe831. Er wurde 1869 zum o. Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie ernannt832. Mayrhofen erreichte jetzt die Errichtung einer Gebärabteilung im Innsbrucker Spitalsgebäude. Die Eröffnung erfolgte am 1. November 1870, also nur kurz nach der Fakultätserrichtung. Diese Einrichtung einer geburtshilflichen Abteilung war zur Bedingung gemacht worden, um für Innsbruck überhaupt den Fakultätsstatus zu erreichen833. Die Geburtshilfe war Angelegenheit des Landes.834 Das Land Tirol errichtete dann schließlich eine – außerhalb der Klinik liegende – Gebärabteilung. In diese konnte allerdings erst 1889 übersiedelt werden.835 829 Vonseiten der dortigen Abgeordneten gab es Widerstände, weil einerseits die Welschtiroler gegen die Verlegung der Gebäranstalt Alle Laste eingestellt seien, andererseits dürften die Italiener aus nationalpolitischen Gründung „die Ausbildung ihrer Ärzte, nachdem Padua und Pavia zum Ausland geworden waren, in Innsbruck abgelehnt haben“. S.a. Brezinka Christoph : Von der Gebär- und Findelanstalt, 25. Schober Richard : Geschichte des Tiroler Landtages, 254–256, Zitat : 256. 830 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 353. 831 Festschrift, 230f. 832 Festschrift, 230f 833 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 23–26 u. 108–112, Zitat : 111f. „… der Landesausschuss bestätigte den Beschluss zur Übersiedlung von Alle Laste … und führte im Laufe des September und Oktober 1870 die Übersiedlung durch, sodass die Gebär- und Findelanstalt am 1. November 1870 in den dritten Stochwerken der Spitalbauten eröffnet werden konnte. Der Hebammenunterricht sollte … im Wintersemester in deutscher, im Sommersemester in italienischer Sprache abgehalten werden.“ 834 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 24. Mayrhofen überreichte 1858 dem damaligen Statthalter Erzherzog Karl Ludwig ein Memorandum, in dem er die Schließung der Gebärklinik Alle Laste wegen der hohen Sterblichkeit als notwendig ansah. Gleichzeitig wurde die formale Eingliederung der vorgesehenen Innsbrucker Gebäranstalt unter die Verwaltung von Alle Laste vorgeschlagen. 835 Diese Gebärabteilung des Landes Tirol wurde in Wilten (Michael-Gaismair-Straße) errichtet, s. Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 353, s.a. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 111f.
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Abb. 75 : Ludwig Kleinwächter 836
b) Der nächste Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie war Ludwig Kleinwächter. Dieser wirkte in Innsbruck 1877–1881. Erst durch sein Eintreten konnte dann auch eine gynäkologische Abteilung – im Stadtspital – errichtet werden (1879).836 Ludwig Kleinwächter (1839–1906) stammte aus Prag. Er promovierte dort 1863 und habilitierte 1870. 1875 wurde er in Prag zum ao. Professor ernannt.837 838 Kleinwächter publizierte während seiner Innsbrucker Tätigkeit ein „Lehrbuch der Hebammenkunst“ (1879) und weitere Werke.839 Er ließ sich wegen Unstimmigkeiten mit der Landesverwaltung ab dem Wintersemester 1881/82 zeitlich beurlauben und dann 1884 in den Ruhestand versetzen.840
c) Unter den Professoren der Gynäkologie und Geburtshilfe kam Friedrich Schauta besondere Bedeutung zu.841 Der in Wien geborene Schauta wirkte zunächst als supplierender Leiter, dann als ao. Professor (1883) und schließlich als Ordinarius der Innsbrucker Klinik (1884–1887)842. 836 Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, 102. 837 Die Prager Frauenklinik wies bekanntlich eine Reihe von hervorragenden Vertretern dieses Faches auf. Hier seien Bernhard Seyfert, Professor der Geburtshilfe und Gynäkologie, 1854–1870, davon seit 1865 Ordinarius, und August von Breisky genannt. Breisky leitete die Prager Klinik von 1874 bis 1886, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 468f. u. Tragl Karl Heinz, Chronik, 55. 838 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 82. 839 Eine italienische Übersetzung der „Hebammenkunst“ (1881), weiterhin „Das Becken“ (1886) u. a., s. Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 354. 840 1881 verlor die Innsbrucker Universitäts-Frauenklinik ihre Funktion als Gebär- und Findelanstalt, da inzwischen die Sieberersche Waisenstiftung in Innsbruck die Funktion eines Findelhauses übernommen hatte. Nach Aufhebung der Findelanstalt an der Gebärabteilung strich das Land Tirol Kleinwächters damit verbundenen Primarärztegehalt. Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 354f., s.a. Brezinka Christoph : Gebär- und Findelanstalt, 25. 841 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 355f., Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 476–478, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 151f. 842 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 576.
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Friedrich Schauta (1849–1919) stammte aus Wien und studierte Medizin in Wien, Würzburg und Innsbruck. Er promovierte in Wien 1874, war dann Operationszögling bei Johann von Dumreicher 843 an der Ersten Chirurgischen Klinik und bei Friedrich Franz Salzer, Leiter der Zweiten Chirurgischen Abteilung am Wiener Allgemeinen Krankenhaus.844 Somit hatte er eine ausgezeichnete chirurgische Ausbildung erhalten. Schauta war 1876–1881 Assistent an der II. Wiener Geburtshilflichen Klinik bei dem geborenen Bozner Joseph S. Späth.845 Dort habilitierte er 1881. 846 Schauta machte sich um die OperaAbb. 76 : Friedrich Schauta 846 tionstechniken bei Karzinomen der Gebärmutter, insbesondere des Collumkarzinoms, besonders verdient847. Die nach ihm benannte Schauta’sche Operation erfolgte über den vaginalen Weg, neben dem Gebärmutterkrebs erfolgte auch die Entfernung z. B. von Myomen über diesen Zugang. Schautas vielgerühmte Operationsweise wurde ihm offensichtlich durch seine hervorragende chirurgische Ausbildung ermöglicht848. Weiters initiierte Schauta die routinemäßige Vermessung des Beckens als Maßnahme der Schwangerenuntersuchung.849 Während der Tätigkeit von Schauta in Innsbruck entstand sein „Grundriss der operativen Geburtshilfe“ (Wien, Leipzig 1885) und weiters ein Beitrag über Anomalien des weiblichen Beckens850. 843 Tragl Karl Heinz, Chronik, 69. 844 Tragl Karl Heinz, Chronik, 258. 845 Tragl Karl Heinz, Chronik, 54f. 846 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 83. 847 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 354. – „Seine vaginale Operationskunst machte ihn zu einem der erfolgreichsten Krebsoperateure seiner Zeit.“ 848 Eingeführt wurde diese vaginale Uterusentfernung (Hysterektomia vaginalis) zunächst durch den damaligen Billroth-Schüler Vinzenz v. Czerny. Czerny war nach seiner Wiener Tätigkeit Ordinarius in Freiburg (1871–1877) und Heidelberg (1877–1906), s. Tshisuaka, Barbara I.: Czerny, Vinzenz v. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 283. 849 Tshisuaka Barbara I.: Schauta Friedrich. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1290. 850 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 356.
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Schauta war ein hervorragender Lehrer, u. a. in dem von ihm für die Studierenden selbst geleiteten geburtshilflichen Internat. Schauta gestaltete in seiner Innsbrucker Zeit die Pläne zur Übersiedlung der Frauenklinik aus dem Stadtspital in das neue Klinikum wesentlich mit, die allerdings erst im Jahr nach seinem Weggang zur Verwirklichung kamen (1889).851 Auch Schauta hatte mit der Problematik gynäkologische Universitätsklinik und geburtshilfliche Landesabteilung zu kämpfen.852 Von Innsbruck ging er zunächst nach Prag (1887–1891) und dann nach Wien an die I. Univ.-Frauenklinik zurück (1891–1919)853. Zusammen mit Rudolf Chrobak, Vorstand der II. Wiener Frauenklinik, kam es dann zur Errichtung der beiden (neuen) Kliniken in der Spitalgasse.854 In Wien erschien dann von diesem „Pionier der vaginalen Operationstechniken“855 sein Hauptwerk: „Die erweiterte vaginale Totalexstirpation des Uterus bei Collumkarzinom“ (1904). d) Der Nachfolger von Schauta war Emil Ehrendorfer, der als Ordinarius die Innsbrucker Frauenklinik 1887–1914 leitete856. Unter Ehrendorfer, einem bedeutenden geburtshilflichen Kliniker, geschah die oben erwähnte Übersiedlung der Landesgebäranstalt nach Wilten.857 Während des 27-jährigen Wirkens von Ehrendorfer „erlebte die neue Gebärklinik in Wilten eine wahre Blüte“.858 Schließlich konnte 851 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 148–152, insb. 150, u. Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 355. 1888 wurde die Frauen- und Augenklinik zusammen mit dem Verwaltungsgebäude, die Pavillone der medizinischen sowie chirurgischen Klinik und das Wirtschaftsgebäude errichtet. Im sog. Verwaltungsgebäude wurde im 1. Stock die Frauenklinik mit 24 Betten eingerichtet. 852 Schauta selbst schildert seine Schwierigkeiten in einem Bericht an das Unterrichtsministerium folgendermaßen : „Der Professor der Geburtshilfe in Innsbruck ist ja faktisch nicht Vorstand der Klinik. In allen ärztlichen und administrativen Fragen untersteht der Professor jedoch dem von der Landesbehörde eingesetzten Inspektor resp. dem Verwalter. Ohne dessen Zustimmung ist er nicht imstande, über ein Zimmer selbstständig zu verfügen oder von den Verhältnissen und den Fortschritten des Faches geforderte Änderungen einzuführen. Man könnte über Mißstände, welche aus der Stellung des Professors zur Gebärklinik entstehen, Bücher schreiben.“ 853 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 578f., s.a. Tragl Karl Heinz : Chronik, 151f. 854 Tragl Karl Heinz : Chronik, 152. 855 Tragl Karl Heinz : Chronik, 152. 856 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 356–358. 857 Diese wurde 1889 in der Michael-Gaismair-Straße eröffnet, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 357. 858 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 357. Die Zahl der Geburten lag bei 917 (1904). Statistiken zeigten „erstaunlich gute“ Ergebnisse.
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auch die Gynäkologische Universitätsklinik mit der Eröffnung des 4. SpitalPavillons sich erheblich ausdehnen (1894).859 Emil Ehrendorfer (1853–1945)860 stammte aus Böhmen (Wittingau). Er war Operationszögling bei Billroth (1878–1881), dann Assistent an der II. Geburtshilflichen Klinik in Wien bei Joseph Späth und August Breisky861. Er habilitierte 1885.862
e) Auf Ehrendorfer folgte Paul Mathes, Innsbrucker Ordinarius 1915–1923.863 Paul Mathes (1871–1924) stammte aus Wien. Er studierte dort und in Greifswald. Nach der Promotion in Abb. 77 : Emil Ehrendorfer 862 Wien (1895) wirkte er am Anatomischen Institut bei Emil Zuckerkandl und am Universitätsinstitut für Pathologische Histologie und Bakteriologie bei Richard Paltauf (1895/96). Er ging dann zu Anton v. Eiselsberg nach Königsberg (1896– 1898) und war weiters Assistent an den Frauenkliniken in Prag und Graz (1898– 1907). 1904 habilitierte er bei Emil Knauer, der 1903–1935 die Grazer Frauenklinik leitete und ein bedeutender Endokrinologe war864. Dann wurde er Konsiliarius an der Chirurgischen Klinik in Graz (1908–1912). 1911 erfolgte seine Ernennung zum tit. ao. Professor. Er war schließlich auch Leiter des Strahlentherapeutischen Institutes der Grazer Frauenklinik (1913–1915).865 Mathes konnte die bauliche Vereinigung der ursprünglichen Geburtshilflichen Abteilung und der Gynäkologischen Klinik erreichen. Die Gebäranstalt in Wilten 859 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 356, u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 152–154, insb. 154. 860 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 356, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 471. 861 Joseph Späth leitete die II. Wiener Frauenklinik 1873–1886, August von Breisky 1886–1889, s. Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 579. 862 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 85. 863 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 358f. 864 Acham Karl : Naturwissenschaft, Medizin und Technik aus Graz, 416. 865 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 358.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Abb. 78 : Paul Mathes 867
(Michael-Gaismair-Straße) wurde aufgelassen und im Klinikum durch einen entsprechenden Aufbau im Bereich der Gynäkologischen Klinik die Geburtshilfe dort untergebracht. Zusätzlich wurden in einem anschließenden neuen Trakt Räume für den Hörsaal, die Hebammenschule etc. geschaffen (1922–1924)866. Der Hebammenunterricht lag Mathes besonders am Herzen. Dazu verfasste er auch ein entsprechendes Hebammen-Lehrbuch (1908). 867 Mathes war besonders forschungsorientiert868. Vor seinem Tod erschien „seine letzte große Arbeit über Konstitutionstypen der Frau, insbesondere den intersexuellen Typus“869. Er starb bereits mit 52 Jahren (1923).
f ) Unter Heinrich Eymer, Ordinarius 1924–1930, konnte in Innsbruck die lokale Strahlentherapie des Kollumkarzinoms eingeführt werden870. Eymer unterbrach die Tradition der gynäkologischen Berufungen aus Wien und Graz, er kam aus der Schule von Carl Menge 871. Die Auslandsberufung erfolgte trotz der damaligen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der „Insuffizienz fast aller Mittel“.872 Heinrich Eymer (1883–1965) stammte aus Frankfurt a. M. Er promovierte in Heidelberg (1908), war dann Assistent und Oberarzt bei Carl Menge (1908–1924). Seine Zusatzausbildungen erfolgten u. a. am Röntgeninstitut in Hamburg, am Hy866 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 164f. 867 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 86. 868 „Man kann … (Mathes) mit Recht einen genialen Forscher nennen. Die Lehre von der Konstitution hat er … bahnbrechend gefördert“, s. Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 358. 869 Weitere Arbeiten betrafen die Monografie „Über Infantilismus und Asthenie“, Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 358f. 870 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 360. 871 Carl Menge (1864–1945) war Ordinarius in Erlangen (1906–1908) und dann in Heidelberg (1908– 1930), s. Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 573 u. 575. 872 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 358.
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gieneinstitut in Frankfurt und an der Pathologie in Straßburg. Er habilitierte bei Carl Menge in Heidelberg (1917).873 874 Eymer leistete auf dem Gebiet der Strahlentherapie Pionierarbeit, dies drückte sich auch in seinen Publikationen aus.875 Auf diesem Gebiet hatte er „Weltgeltung“876 erlangt. Die Innsbrucker Frauenklinik erhielt unter Eymer Radium und konnte damit die gynäkologische Strahlentherapie in Innsbruck entwickeln. Bereits sechs Jahre nach dem Beginn seiner Tätigkeit in Innsbruck erhielt Eymer den Ruf nach Heidelberg. Dort wirkte er 1930 bis 1934 und ging dann an die I. Frauenklinik nach München (1934– Abb. 79 : Heinrich Eymer 874 1954)877, wo er dann auch emeritierte. g) Auf Eymer folgte Hans Zacherl. Dieser war in Innsbruck Ordinarius 1931–1935. Hans Zacherl war gebürtiger Wiener (1889–1968). Er promovierte 1913, erhielt eine Ausbildung beim Anatomen Ferdinand Hochstetter und war anschließend Assistent bei Richard Paltauf. Bei Anton v. Eiselsberg wurde er Operationszögling (1917) und ging anschließend an die Universitäts-Frauenklinik nach Graz zu Emil Knauer.878 Dort habilitierte er (1924) und wurde 1928 zum ao. Professor ernannt.879 Die Forschungsschwerpunkte von Zacherl waren u. a. die hormonelle Steuerung des weiblichen Genitalzyklus, hormonelle Veränderungen der Wechseljahre880 so873 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 360. 874 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 87. 875 „Die Strahlenbehandlung der Gebärmutterkrebse“. In : Seitz Ludwig u. Amreich Alfred I. (Hg.) : Biologie und Pathologie des Weibes (1929) u.a. 876 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 360. 877 Eulner Hans-Heinz : Medizinische Spezialfächer, 575–577. 878 Emil Knauer (1867–1935) war 1903–1935 gynäkologischer Ordinarius in Graz, s. Eulner HansHeinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 574. 879 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 361, u. Tragl Karl Heinz, Chronik, 156. 880 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 361, u. Tragl Karl Heinz, Chronik, 156.
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wie Untersuchungen zu Früh- und Vorstadien des Kollumkarzinoms881. Das breite Forschungsspektrum von Zacherl wurde zusammenfassend dargestellt.882 883 Von Innsbruck wurde er nach Graz berufen (1935–1948) und avancierte schließlich zum Vorstand der II. Wiener Universitäts-Frauenklinik (1948– 1960).884 h) Isodor Amreich war Ordinarius von 1936 bis 1939. Er „vervollkommnete“885 die Radikaloperation des Kollumkarzinoms. Dieser Schüler von Schauta war den Entwicklungen neuer gynäkologischer Operationsmethoden besonders Abb. 80 : Hans Zacherl 883 aufgeschlossen.886 Isidor Amreich (1885–1972) stammte aus Niederösterreich (Gars am Kamp). Er promovierte 1910 in Wien und erhielt seine Ausbildung dann bei Hochstetter (1910–1912), Schauta und Eiselsberg (1912– 1914). Im Ersten Weltkrieg wirkte er in der Chirurgentruppe, die Eiselsberg leitete. Anschließend war er durch acht Jahre Asssistent bei Schauta und anschließend bei Heinrich v. Peham.887 Er habilitierte 1923.888 Amreich beschäftigte sich v. a. mit Fragen des Uteruskarzinoms, mit der Entwicklung neuer Operationsmethoden und der weiblichen Sterilität.889 Seine gemeinsam mit Heinrich v. Peham geschriebene „Gynäkologische Operationslehre“ kann als Großtat der Wiener Medizinischen Schule bezeichnet werden.890 Sie 881 Spitzy Karl H. u. Lau Inge : Van Swietens Erbe, 180. 882 Tapfer Siegfried : Professor Dr. H. Zacherl. Zum 70. Geburtstag. WiKliWo 71, 1959, 557f. 883 Huter Franz : Hundert Jahre, Anhang Bilder, Nr. 88. 884 Tragl Karl Heinz, Chronik, 156. 885 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 362. 886 Tragl Karl Heinz, Chronik, 153. 887 Heinrich v. Peham (1871–1930) leitete die I. Wiener Frauenklinik 1920–1930, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 152. 888 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 362. 889 Tragl Karl Heinz : Chronik, 153. 890 Tapfer Siegfried : Lehrkanzel und Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie, 362.
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wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Erwähnenswert ist u. a. die Monographie „Die Sterilität, ihre Ursachen, Erforschung und Behandlung“ (1951). Amreich wurde anschließend Vorstand der Ersten, dann der Zweiten Wiener Universitäts-Frauenklinik (1939–1943 bzw. 1943–1945).891 3.4 Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie Die Innsbrucker Lehrkanzel für Dermatologie wurde 1873 gegründet. In der dargestellten Zeitperiode wirkten hier acht (Extra-)Ordinarii. Diese Innsbrucker Klinik entwickelte sich zunächst als eine Station der Chirurgischen Klinik zur Behandlung von Patienten mit Syphilis (u. a. venerischen Erkrankungen)892. Dass es zur Errichtung der Innsbrucker Klinik für „Syphilis und Dermatologie“893 kam, ist ein besonderes Verdienst von Eduard Lang894 und seinem Innsbrucker Förderer, dem Chirurgen Karl Ritter v. Heine.895 a) Eduard Lang konnte 1871 – als Assistent der Chirurgischen Klinik – seine Probevorlesung „Chirurgie und Syphilis“ halten und war damit einer der ersten Innsbrucker Dozenten.896 1872 wurde die venia legendi auf die Dermatologie erweitert. Lang wirkte als Professor für Syphilis und Dermatologie in Innsbruck 1873–1887. Somit hatte sich in Innsbruck die Syphilidologie aus der Chirurgischen Klinik entwickelt.897 Eduard Lang (1841–1916)898 war aus dem damaligen Ungarn, jetzt dem westslowakischen Gebiet Trentschin (Trenčin), und zwar aus Klacsau, gebürtig. Der Sohn eines Kleinbauern maturierte in Pest. Das Medizinstudium absolvierte er zusammen 891 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 579f. 892 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie. In : Huter Franz, Hundert Jahre, Bd. 2, 367–382, hier : 367f. 893 Festschrift, 232. 894 Tragl Karl Heinz : Chronik, 460f., u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 355–358. 895 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 367f. 896 1870/71 habilitierten zunächst Victor v. Ebner (Histologie/Entwicklungsgeschichte), Josef Oellacher (ebenfalls Histologie/Entwicklungsgeschichte) und als Dritter Eduard Lang, s. Festschrift, 245. 897 Eduard Lang legte im Sommersemester 1873 seine Assistentenstelle an der Klinik Heine zurück, Kaiser Franz Joseph genehmigte bereits am 26. September 1873 die Ernennung von Lang zum ao. Professor und Leiter der Klinik für Syphilis und Dermatologie, s. Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie,368f. 898 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 369, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 103.
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mit einem Studium der höheren Mathematik in Wien. Die Promotion zum Dr. med erfolgte 1865. Er ging anschließend als Sekundararzt an das Wiener Städtische Krankenhaus Rudolfstiftung899, wo er an der syphilitisch-dermatologischen, der medizinischen und der chirurgischen Abteilung wirkte (1865– 1866). Nach einer Unterbrechung seines Wiener Wirkens – er war CholeraArzt sowie anschließend selbstständiger Fabriksarzt (in Marienthal) – wurde er Operationszögling bei Billroth in Wien (1869/70). Dort lernte er den damaligen Abb. 81 : Eduard Lang 900 Innsbrucker Professor für Chirurgie Karl v. Heine kennen, der ihn zum Kommen nach Innsbruck bewog und ihm dort eine Assistentenstelle verschaffte. 900 Lang beschäftigte sich in Innsbruck einerseits mit dem Aufbau einer klinischen Bettenstation.901 Andererseits begann er mit Errichtung des Lehrstuhles (1873) ein zweisemestriges, je dreistündiges Kolleg „Syphilitische und Hautkrankheiten“ zu halten.902 Aus seiner Innsbrucker Lehrtätigkeit entstand dann die seinen internationalen Namen begründende Schrift „Vorlesungen über Pathologie und Therapie der Syphilis (Wiesbaden 1884–1888)“.903 Dabei bemühte er sich um die bessere Charakterisierung eines spezifischen Syphiliscontagiums904. Der „originelle Autodidakt“905 kann als „Gegenpol“906 zu Hebra gesehen werden. 899 Tragl Karl Heinz : Chronik, 238–286, hier : 270–273. 900 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 94. 901 Im Stadtspital wurden ursprünglich zwei Zimmer im Erdgeschoss und je eines im ersten und zweiten Stock für PatientInnen mit ansteckenden Krankheiten benützt. 1874 wurden insgesamt 233 Patienten betreut, darunter waren 95 Variola-(Blattern-)Fälle. Das Auftreten von Blattern, 1874 dokumentiert, förderte Langs Stellung, s. Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 369, s.a. Gasser Rudolf : Zur Geschichte der Medizinischen Fakultät. In : Bodner, Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 11–16, hier 15. 902 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 368. 903 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 355. 904 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 355. Lang hatte bereits bei seinem Innsbrucker Habilitationsvortrag 1871 von einem spezifischen Syphiliscontagium gesprochen. 905 Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 110f., Zitat : 110. 906 Bodner Ernst (Hg.) : Die Innsbrucker Medizinische Fakultät, 110.
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Hebra, aber auch Moriz Kaposi (1837–1902)907, Heinrich Auspitz (1835–1886)908 und Isidor Neumann (1832–1906)909 gingen noch von der Identität der Erreger von Syphilis, Tripper und weichem Schanker aus.910 Lang hatte einen „untrüglichen Sinn für alles Experimentelle“911 und begleitete dabei auch Forschungen auf dem Gebiet der Impfsyphilis wissenschaftlich.912 Lang erhielt bereits in Innsbruck (1886) den „Titel und Charakter eines Ordinarius“.913 Letzter Anlass der Beförderung zum Ordinarius war dabei wohl die bereits erwähnte Monografie „Vorlesungen über Pathologie und Therapie der Syphilis“. 1886–1888 erschienen auch seine Artikel zur Syphilistherapie, in denen er sich auch für eine spezielle Quecksilbertherapie einsetzte.914 Obwohl Lang in Innsbruck durchaus eine Pionierrolle einnahm, zog es ihn nach Wien. Er trat die Nachfolge von Heinrich Auspitz (1835–1886) an, der zuletzt seit 1884 die 2. Abteilung für Syphiliskranke im AKH geleitet hatte.915 Lang entfaltete in Wien wieder eine Pioniertätigkeit, jetzt allerdings auf dem Gebiet der Lupus-Therapie. Es ging um eine bessere Behandlung des Lupus vulgaris (Hauttuberkulose). Die lokal destruierenden Tuberkulome des Hautorgans behandelte er, so weit möglich, durch ein plastisch-operatives Vorgehen.916 Auf Initiative von Lang, seiner Gattin und prominenten Förderern wurde im Wiener Wilhelminenspital917 die Lupus-Heilstätte gegründet.918 907 Holubar Karl : Kaposi, Moriz. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 717. 908 Tragl Karl Heinz : Chronik, 323f. 909 Tragl Karl Heinz : Chronik : 73. 910 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 356. Der Erreger der Syphilis ist bekanntlich die Spirochaeta pallida, des Trippers die Gonokokken und des Ulkus molle (weicher Schanker, im Gegensatz zum harten Schanker auf syphilitischer Basis) eine Streptokokkenart (Haemophilus Ducreyi). Die Spirochaeta pallida konnte allerdings erst 1905 bakteriologisch klassifiziert werden. S. Gerabek Werner E.: Syphilis. In. Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1371–1374. 911 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 357. 912 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 357. So wurde Eiter aus syphilitischen Gummata (prallelastische Geschwulstbildungen mit Neigung zu geschwürigem Zerfall) z. B. in die vordere Augenkammer von Kaninchen übertragen und dadurch Syphilis ausgelöst. 913 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 370. 914 Lang hatte sich für die subkutane Gabe von sog. Grauem Öl eingesetzt, einer aus der quecksilberhaltigen grauen Salbe und Öl bestehenden Emulsion, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 356 u. FN 40–42. 915 Auspitz starb bereits mit 51 Jahren aufgrund einer Herzerkrankung, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 102. 916 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 358 (mit weiterführender Literatur in FN 49–51). 917 Tragl Karl Heinz : Chronik, 429–476, hier : 460f. 918 Diese Lupus-Heilstätte in unmittelbarer Nachbarschaft des Wilhelminenspitals wurde nach den Plänen von Otto Wagner 1913 fertig gestellt. Sie hatte 123 Betten, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 460f.
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In der Heilstätte wurden zur Lupus-Behandlung neben den operativen Maßnahmen, um deren Entwicklung sich Lang besonders bemühte919, die Strahlentherapie eingesetzt. Niels Ryberg Finsen920 folgend wurde der Lupus vulgaris zu einer „unbestrittenen Domäne“921 der Fototherapie. Zur Anwendung kam ultraviolettreiches Licht, aber auch eine lokale Strahlentherapie (Röntgen, Radium).922 b) Von den nachfolgenden (Extra-)Ordinarii923 kommt Adolf Jarisch eine wichtige Rolle beim weiteren Ausbau der Klinik für „Dermatologie und Syphilis“924 zu. Er leitete die Innsbrucker Klinik 1888–1892.925 Adolf Jarisch (1850–1902)926 stammte aus Wien und promovierte dort 1874. Er war anschließend Aspirant an verschiedenen Abteilungen des Wiener AKH und wurde 1876 von Ferdinand v. Hebra zum Assistenten ernannt. Er habilitierte dort 1880 und wurde 1885 an die Wiener Poliklinik927 berufen. In der Poliklinik war er – parallel zu Hans v. Hebra (1847–1902)928 – tätig. Nach Innsbruck berufen, konnte er die Planung des dann im Pavillonstil neu errichteten Klinikums mitgestalten (die Übersiedlung erfolgte jedoch erst unter seinem Nachfolger).929 In seiner vierjährigen Tätigkeit hier machte er sich insbesondere um die Lehre verdient. Das Lebenswerk von Jarisch, „Die Hautkrankheiten“ (1900), erschien dann erst in seiner Grazer Zeit. Dorthin wurde er 1892 berufen930. 919 E. Lang entfernte Lupusherde seit 1892 weit im Gesunden und konnte mit seiner plastisch-operativen Methode der Lupus-Therapie erfolgreich wirken. Diese operative Behandlungsmethode stand der Finsen’schen Lichttherapie gegenüber, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 357f. 920 Andree Christian : Finsen Niels Ryberg (1860–1904). In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 401. 921 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 371. 922 Die Fototherapie mit UV-Licht etc. wurde experimentell von Niels. R. Finsen (1860–1904) zur Behandlung der Hauttuberkulose entwickelt. Finsen hatte in Kopenhagen das Institut für Fototherapie gegründet (1896). Dafür erhielt er den Nobelpreis (1903). S. a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 358. 923 Adolf Jarisch (1888–1892, dann Graz), Wladimir v. Lukasiewicz (1892–1898, dann Lemberg), Johann Heinrich Rille (1898–1902, dann Leipzig), Ludwig Merk (1903–1925), Leopold Arzt (1926, dann Wien), Wilhelm Kerl (1926/27, dann Wien), Leo Kumer (1928–1938, dann Wien) 924 Festschrift 234f. 925 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 601. 926 Konrad Josef u. Zelger, Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 371f. 927 Tragl Karl Heinz : Chronik : 286–342, hier : 323–326 insb. 326. 928 Tragl Karl Heinz : Chronik : 324. Hans v. Hebra war der Sohn von Ferdinand v. Hebra. 929 In diesem 1894 fertiggestellten 4. Pavillon wurden neben der Dermatologie u.a. die Psychiatrie und die HNO-Klinik untergebracht, s. Gasser Rudolf : Zur Geschichte der Medizinischen Fakultät. In : Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 11–16, hier : 15 u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 152–154. 930 Kernbauer Alois : Große Grazer Medizinier und Biochemiker – von Auenbrugger bis Wagner-Jauregg. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaft, Medizin und Technik aus Graz (Wien u.a. 2007), 425–449, hier : 440f.
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Jarisch wirkte in Graz 1892–1902, dort bald schon als Ordinarius (1895 tit. Ordinarius, 1901 Ordinarius).931 932 Jarisch baute auf die morphologischklinische Betrachtungsweise von F. v. Hebra auf. Er ergänzte diese durch pathohistologische Untersuchungen.933 Er publizierte u. a. über die Pigmententwicklung, über therapeutische Versuche bei der Syphilis (mit Erwähnung der sog. Jarisch-Herxheimer-Reaktion934), über Hautgeschwülste etc.935 Insgesamt fällt die Zeit des Wirkens von Jarisch d. Ä. mit dem Kulminationspunkt der Wiener Dermatologenschule in etwa zusammen. Letztere hat ihren damaligen Höhepunkt mit Moriz KaAbb. 82 : Adolf Jarisch d. Ä. (1850–1902) 932 posi (1837–1902) erreicht, der 1881 auf den Lehrstuhl Dermatologie I berufen und 1893 zum Ordinarius ad personam ernannt wurde.936 Parallel dazu wirkte an der Dermatologie II in Wien Isidor Neumann.937
931 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 600 u. Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker – von Auenbrugger bis Wagner-Jauregg. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaft, Medizin und Technik aus Graz, 440. 932 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 95. 933 Die pathohistologischen Untersuchungen wurden in Wien insb. vom Histologen Carl Wedl (1815– 1891) und dem Experimentalpathologen Salomon Stricker (1834–1898) weiterentwickelt, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 249–251 u. 549–558 u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 64f. 934 Die Verstärkung der Hautreaktion (Roseola syphilitica) während der Therapie wurde von Karl Herxheimer (1861–1942) bestätigt, s.a. Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 372. u. Winkelmann Otto : Herxheimer, Karl. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 581. 935 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 372. 936 Holubar Karl : Kaposi, Moriz. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 717. Das Lehrbuch Kaposis in seiner zweiten Auflage (1891) wurde ins Französische übersetzt und mit ausführlichen Kommentaren von Ernest-Henri Besnier (1831–1909) u.a. versehen. Daraus resultierte der erste synkretistische Text des Faches Dermatologie, „das die Lehren der damals führenden deutschen und französischen Schulen vereinigte“. 937 Tragl Karl Heinz : Chronik, 73.
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c) Nachfolger von Jarisch war Wladimir v. Lukasiewicz, der in Innsbruck 1892–1898 wirkte. Lukasiewicz war ein Schüler des erwähnten Moriz Kaposi. In die Zeit des Wirkens von Lukasiewicz in Innsbruck fällt die Übersiedlung der Dermatologie aus dem alten Stadtspital in das neu errichtete Klinikum. Die Fertigstellung des (4.) Spitalspavillons hatte sich verzögert. Die Übersiedlung erfolgte im Oktober 1894.938 Wladimir v. Lukasiewicz (1860–1924) stammte aus Galizien (Hottosszynez). Er studierte in Krakau und promovierte auch dort (1883). Seine ärztliche Ausbildung erfolgte dann in Wien an der KliAbb. 83 : W. v. Lukasiewicz 943 nik für Syphilidologie unter Isidor Neumann und an der Klinik für Gynäkologie unter Joseph Späth (1884/1885). Er war dann Sekundararzt beim Dermatologen Kaposi und dem Urologen Leopold v. Dittel.939 Anschließend war er Assistent bei Kaposi (1887–1892). 1892 wurde er nach Innsbruck zum ao. Professor berufen und ging 1898 als o. Professor nach Lemberg.940 Die wissenschaftliche Tätigkeit vor Lukasiewicz galt v. a. klinischen Beschreibungen verschiedener Hauterkrankungen wie der Mycosis fungoides, des Xeroderma pigmentosum, des Lichen scrophulorum u. a.941 Lukasiewicz folgte nach sechsjähriger Tätigkeit in Innsbruck einem Ruf in seine galizische, heute ukrainische Heimat.942 943 938 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 152–154, u. Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 373. 939 Tragl Karl Heinz : Chronik, 82. 940 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 373. 941 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 373f. 942 Unterschiedlich zu Innsbruck, wo die Dermatologie meist ein Extra-Ordinariat war, wurde diese Lemberger Professur als Ordinariat ausgeschrieben. Die k.k. Unterrichtsverwaltung bemühte sich bekanntlich, die Lemberger Universität aufzuwerten. Lemberg war 1772 zur Habsburgermonarchie gekommen, die Gründung der Universität erfolgte 1784, s. Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 373, u. Kappeler Andreas : Kleine Geschichte der Ukraine, München 22000, 112–114. 943 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 96.
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d) Johann Heinrich Rille wirkte nur kurz in Innsbruck (1898–1902) und wurde dann nach Leipzig berufen. Johann Heinrich Rille 944 stammte aus Brünn. Er studierte zunächst in Wien Philosophie (Klassische Philologie, Archäologie, Linguistik) und dann Medizin (1883–1885 bzw. 1885–1887). Rille schloss sein Medizinstudium in Graz ab (Promotion 1891). Er wirkte dann u. a. an der Grazer Hautklinik unter Eduard Lipp (1831–1891). Nach dessen Tod ging Rille nach Wien zum Syphilidologen Isidor Neumann (1832–1906). Er habiAbb. 84 : Johann Rille 947 litierte dort 1897 und wurde im selben Jahr an die Wiener Poliklinik berufen.945 In Leipzig war Rille (1902–1934) Professor für Dermatologie (zunächst ao. Professor, dann ab 1904 persönlicher Ordinarius).946 Im Jahr seiner Berufung nach Leipzig erschien sein „Lehrbuch für Haut- und Geschlechtskrankheiten“ (Jena 1902). 947 Rille zog in Innsbruck bereits in das neu errichtete Klinikum ein, das, wie erwähnt, unter seinem Vorgänger Lukasiewicz 1894 eröffnet worden war.948 Er erwarb sich „als Lehrer und Forscher… einen… bedeutenden Namen“.949 Rille erhielt daher auch die Ehrendoktorwürde in Leipzig und Wien. Er blieb mit Innsbruck auch im Alter besonders verbunden950 und förderte wie auch andere die Kontakte zwischen den Medizinischen Fakultäten von Leipzig und Innsbruck.951 944 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 374f., u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 374. 945 Tragl Karl Heinz : Chronik, 324. 946 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 603. 947 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 97. 948 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 152–154 u. Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 373. 949 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 374f., u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 374. 950 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 374f., u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 324. 951 Ein weiteres Beispiel für diese Verbindungen zwischen den beiden Fakultäten war der in Innsbruck geborene und in Leipzig wirkende chirurgische Ordinarius Erwin Payr (1911–1937), s. Huber Paul : Lehrkanzel und Klinik für die chirurgischen Fächer, 324.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
e) Der langjährige Innsbrucker dermatologische Klinikvorstand Ludwig Merk952 leitete durch 22 Jahre die Innsbrucker Dermatologie (1903–1925). Er kam als Schüler von Eduard Lipp (1831–1891)953 und von Adolf Jarisch (1850–1902) als ao. Professor von Graz nach Innsbruck. 1913 erfolgte seine Ernennung zum Ordinarius ad personam. Der Grazer Ludwig Merk (1862– 1925) promovierte dort zum Dr. med. (1885). Nach einer Ausbildung als Assistent am Histologisch-Embryologischen Institut in Graz (1884–1886) ging er ins Wiener Garnisonsspital an die Abb. 85 : Ludwig Merk 956 dortige dermatologisch-syphilidologische Abteilung und war dann Prosektor am Wiener Anatomischen Institut unter Carl Toldt (1840–1920)954. Er musste dann wegen einer Lungenerkrankung (Hämoptoe) seine Ausbildung unterbrechen und heilte sich als österreichischer Schiffsarzt aus (1888–1890). Anschließend war er in Graz an der Dermatologie tätig (1890–1902, zuletzt supplierende Leitung). Studienaufenthalte an Kliniken in Breslau, Berlin, Bonn, Lille und Paris hatten Zentren mit sehr angesehenen Dermatologen zum Ziel (z. B. A. Neisser 955 in Breslau). Die Berufung nach Innsbruck erfolgte 1903. 956 Merk vermittelte in Innsbruck einer ganzen Generation österreichischer Ärzte ihre dermatologische Ausbildung.957 In der Forschung war die dermatologische Histopathologie einer seiner Schwerpunkte. Bedeutungsvoll war dabei auch seine Befassung mit der damals in Südtirol endemischen Pellagra958. Dazu erschien von 952 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 375f. 953 E. Lipp war erster Extraordinarius für Syphilidologie und Dermatologie in Graz (Leitung der Klinik 1864–1891), ihm folgte in Graz A. Jarisch, s. Eulner Karl Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 600. 954 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 505–507. 955 Gerabek Werner E.: Neisser Albert (1855–1916). In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 1029f. 956 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 98. 957 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 376. 958 Die Pellagra kommt v. a. durch chronisches Fehlen von Nikotinsäure und Nikotinsäureamid zustande. Häufig besteht ein Defizit von mehreren B-Vitaminen. Die Pellagra hat ihre wichtigste Ursache in einseitiger Ernährung. Es kommt zu Hautveränderungen mit entzündlichen Läsionen
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Merk u. a. der Artikel „Die Pellagra“ im Zentralblatt für Haut- und Geschlechtskrankheiten (1925)959. f ) Die beiden folgenden Vorstände wirkten in Innsbruck nur außerordentlich kurz. Leopold Arzt war in Innsbruck nur ein knappes Sommersemester. Nach seiner Ernennung mit 1. April 1926 wurde er bereits am 7. Juli 1926 nach Wien als Vorstand der I. Wiener Hautklinik berufen.960 Arzt (1883–1938) verfasste zahlreiche Arbeiten aus fast allen Gebieten der Haut- und Geschlechtskrankheiten. Sein besonderes Interessengebiet waren granulomatöse Hauterkrankungen und die Mycosis fungoides.961 Während seiner Wiener Tätigkeit war Arzt ein besonders einflussreicher Repräsentant seines Faches.962 963
g) Wilhelm Kerl964, leitete die Klinik nur während des Studienjahres 1926/27. Kerl initiierte die Errichtung der dermatologischen Lichtstation in Innsbruck und
Abb. 86 : Wilhelm Kerl (1880–1945)963
und chronischer Hyper- wie Atrophie der Haut. Schleimhautveränderungen, Durchfälle und auch eine zentralnervöse Symptomatik bis zum Delier können das Krankheitsbild begleiten. 959 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 376. 960 Leopold Arzt leitete die I. Wiener Hautklinik bis zu seiner Enthebung 1938 und dann wieder 1945–1954, s. Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 374f., u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 147. 961 Tragl Karl Heinz : Chronik, 147. 962 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 347f. 963 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 100. 964 Wilhelm Kerl (1880–1945) wurde in Wien geboren und promovierte dort 1906. Er war dann am Pathologisch-chemischen Institut bei Ernst Freund (1862–1946), beim Internisten Edmund v. Neusser und beim Chirurgen Julius Hochenegg tätig. Anschließend wirkte er an der I. Wiener Klinik für Dermatologie und Syphilidologie unter Gustav Riehl sen. (1908–1926). Er habilitierte 1915 und wurde 1921 tit. ao. Professor. Vor seiner Tätigkeit in Innsbruck war er Vorstand des Ambulatoriums für Haut- und Geschlechtskrankheiten im Wiener Kaiserin-Elisabeth-Spital. s. Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 378, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 149 und 420f.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
konnte hier auch die Röntgentherapie der Haut einführen.965 Er war nach seiner Tätigkeit in Innsbruck Vorstand der II. Wiener Hautklinik (1927–1938).966 h) Leo Kumer konnte immerhin zehn Jahre die Innsbrucker Klinik leiten.967 Er wurde am 30. April 1928 ernannt und am 13. März 1938 nach der NS-Machtergreifung seiner Stellung enthoben.968 Leo Kumer (1886–1951)969 stammte aus Bleiberg in Kärnten. Er studierte in Wien und promovierte dort 1910. Ab 1912 wurde er Aspirant und Sekundararzt im Wiener Kaiserin-Elisabeth-Spital. 1913 ging er zunächst an die neu errichtete Dermatologie des Krankenhauses Lainz zu Otto Kren970 und ab 1914 an die Erste Universitätshautklinik zu Gustav Riehl sen. Unterbrochen durch Kriegsdienstleistung und -gefangenschaft (1914–1918) kehrte er wieder an die Klinik zu Riehl zurück (1918–1928). Die Habilitation erfolgte 1924. Das wichtigste klinische Anliegen von Kumer war die Strahlentherapie von Hauterkrankungen. Als anerkannter Fachmann auf diesem Gebiet erhielt er zur dermatologischen Brachytherapie sofort Radium zur Verfügung gestellt. Weitere Interessengebiete waren die Hauttuberkulose, Pilzerkrankungen, Verbrennungskrankheiten, die Pathologie der sichtbaren Schleimhäute, Pyodermien u.a.971 Von seinen zahlreichen Publikationen sei das Buch „Die Radium- und Mesothoriumbehandlung der Hautkrankheiten (1928)“ genannt.972 Kumer wurde 1938 verhaftet, später beurlaubt, ab 1940 übernahm er – mit Unterbrechungen – die dermatologische Abteilung des Wilhelminenspitals.973 In einem Nachruf wird er als „Typus des souveränen Diagnostikers, Therapeuten und Lehrers“974 gerühmt. 965 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 378. 966 W. Kerl wurde 1938 enthoben und verhaftet. Er zog sich daraufhin in die Privatpraxis zurück. Die beiden Wiener dermatologischen Kliniken wurden in der NS-Zeit fusioniert, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 149. 967 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 379f. 968 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 347f., s.a. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Die Medizinische Fakultät Innsbruck, 96–98. 969 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 379, und Tragl Karl Heinz : Chronik, 459. 970 Tragl Karl Heinz : Chronik, 535f. 971 Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 380. 972 Tragl Karl Heinz : Chronik, 459. Weitere Publikationen v. a. der Innsbrucker Zeit s. Konrad Josef u. Zelger Josef : Lehrkanzel und Klinik für Dermatologie und Syphilidologie, 380. 973 Tragl Karl Heinz : Chronik, 459. 974 Riehl Gustav : Leo Kumer. Wiener Medizinische Wochenschrift, Bd. 101, 1951, 887. Riehl bemerkt, es gäbe nicht mehr all zu viele klingende Namen der einst blühenden Wiener Dermatologen. Daher hinterlasse der Tod Kumers eine unersetzliche Lücke.
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3.5 Lehrkanzel und Klinik für Augenheilkunde Die Voraussetzungen für die Errichtung einer Klinik für Augenheilkunde waren in Innsbruck günstig. Bereits seit 1818 wurden an Professoren des Lyzeums Lehraufträge für Augenheilkunde vergeben975. Diese Lehre wurde durch die Professoren für Chirurgie wahrgenommen (Wattmann, Mauermann und J. Fischer).976 Fördernd für die Innsbrucker Augenheilkunde waren insbesondere die Entwicklungen an den Wiener ophthalmologischen Kliniken. Dort wurde bereits 1812 am Allgemeinen Krankenhaus eine Klinische Abteilung für Augenkranke unter Georg Joseph Beer errichtet.977 Auf Beer (1812–1821) folgten Anton v. Rosas (1821–1855)978 und Ferdinand v. Arlt (1856–1883)979. Parallel dazu wurde dann 1883 mit Eduard Jaeger v. Jaxtthal (1883–1884)980 die II. Augenklinik gegründet.981 Bedeutsam waren auch die apparativ-methodischen und medikamentösen Entwicklungen. Die Ophthalmoskopie trat ihren Siegeszug an. Sie ging auf Hermann Ludwig Ferdinand v. Helmholtz982 zurück. Dazu kam die Möglichkeit, eine lokale Anästhesie des Auges zunächst mittels Kokain vorzunehmen983. Diese letztere Entdeckung ist mit dem Namen des Wiener Sekundararztes Carl Koller (1857–1944)984 verknüpft. Von Anfang an war bei der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät ein Ordinariat für Augenheilkunde vorgesehen. Die Lehrkanzel wurde ausgeschrieben und ein Vorschlag erstellt.985 Es herrschte bei den Ernennungen 975 Huter Franz : Hundert Jahre Medizingeschichte, Bd. 1, 16. 976 Lediglich 1859 hatte vorübergehend Virgil v. Mayrhofen diesen Lehrauftrag erfüllt. 977 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 80–86, und Tragl Franz, 56. 978 Tragl Karl Heinz : Chronik, 56. 979 Tragl Karl Heinz : Chronik, 73f. 980 Tragl Karl Heinz : Chronik, 74f. 981 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 561f. 982 Tshishuaka Barbara I.: In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 566. Helmholtz erfand 1850 das Ophthalmoskop als Konkavspiegel, der in der Mitte gelocht war. 983 Schwarzmann-Schafhauser Doris : Kokain. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 772. 984 Amm Marita : Koller Carl. In Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 772f., und Schönbauer Leopold : Das medizinische Wien, 384f. Koller war Sekundararzt der II. Wiener Augenklinik unter E. Fuchs (Klinikvorstand 1885–1915). Koller verwendete 1884 erstmals eine zweiprozentige Kokainlösung zur Anästhesie der oberflächlichen Augenstrukturen. Im Weiteren ging man wegen der Nebenwirkungen auf Derivate, vor allem das Novocain, über. 985 Der Vorschlag der Innsbrucker Fakultät lautete primo loco Albrecht Nagel/Tübingen und Ludwig Mauthner/Wien. Secundo loco wurden Josef Niemetschek/Prag und August v. Reuß/Wien nominiert. Nagel (1833–1895) war in Tübingen ao. Professor und wurde dort Ordinarius (1874–1895). Reuß (1841–1924) wurde Primarius der Wiener Poliklinik (1872–1922) und supplierte sowohl die II.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
– bis zur Berufung von Richard Seefelder (1919–1945) – eine Dominanz der Wiener Medizinischen Schule.986 a) Der erste Ordinarius für Augenheilkunde war Ludwig Mauthner 987, der die Innsbrucker Klinik durch sieben Jahre leitete (1869–1876). Mauthner war ein Schüler von Eduard v. Jaeger (1818–1884), der zuletzt Vorstand der II. Wiener Ophthalmologischen Klinik geworden war.988 989 Ludwig Wilhelm Mauthner (1840– 1894) stammte aus Prag. Er studierte in Wien und promovierte dort 1861. Er zeichnete sich schon in der Kindheit als „frühreifes Wunderkind“990 aus. Er hatte dann Gelegenheit, die bedeutendsten Augenheilanstalten Europas zu besuchen (Berlin, Utrecht, London, Paris). Auf der Wiener Augenklinik unter EduAbb. 87 : Ludwig Mautner (1840–1894)989 ard v. Jaeger arbeitend, nahm er dort bald „eine geradezu souveräne Stellung ein“.991 Mauthner wurde (zusammen mit Isidor Schnabel, s. u.) zum Sprachrohr dieses hervorragenden Forschers, der als auch die I. Wiener Augenklinik (1884/85), s. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 383–394, hier 384f., u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 282f., s.a. Tragl Karl Heinz : Chronik, 320f., u. Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 559 u. 561f. 986 Im letzten Drittel des 19. Jh. gehörte die Augenheilkunde in Wien „zu den am besten vertretenen Fächern“ der Wiener Fakultät, s. Schönbauer Leopold : Das medizinische Wien, 383–387, Zitat : 383. 987 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 383–394, hier : 384f. u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 58–60, u. Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik in Innsbruck, 11–17, Innsbruck 1994. 988 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 229–232, u. Schmidt Gabriela : Jaeger Eduard von Jaxtthal. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 687. 989 Huter Franz : Hundert Jahre, Anhang Bilder, Nr. 101. 990 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 384. 991 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 479–482, Zitat : 480.
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ein Pionier beim Studium des normalen und pathologischen Auges und Augenhintergrundes war.992 Mauthner habilitierte bei Jaeger 1864. Sein Werk „Lehrbuch der Ophthalmoscopie“ (Wien 1868), publiziert knapp vor seiner Berufung nach Innsbruck, wurde dann ein „Welterfolg“.993 Der neu ernannte Innsbrucker Professor wirkte hier für zahlreiche Patienten „wie ein Magnet“994. Er hatte daher laufend mit Bettenproblemen zu kämpfen995. Zur Verfügung standen ihm damals nur zwölf Betten. Notwendig wären 40 bis 50 Betten gewesen. Dazu kam die beschränkte Zahl von Mitarbeitern (zunächst nur ein Assistent996). Auch in der Lehre fühlte sich der begeisterte Vortragende enttäuscht. Er hatte jeweils nur ein bis drei Hörer997. In Wien waren es vorher dagegen 96 Hörer (im Wintersemester 1868/69)998 gewesen. Mauthners Forschungen betrafen v. a. Bestimmungen von Refractionsanomalien sowie Augenspiegeluntersuchungen des gesunden und kranken Auges. Er hatte selbst u. a. ein Lehrbuch „Vorlesungen über die optischen Fehler des Auges“ (Wien 1872–1876)999 verfasst, das in Mauthners Innsbrucker Zeit herauskam. Dabei handelte es sich um ein herausragendes damaliges Standardwerk zur ophthalmologischen Optik.
992 Eduard v. Jaeger publizierte zahlreiche Befunde und Ergebnisse zur Pathologie des Augenhintergrundes und wurde (in Wien) als „größter Ophthalmoskopiker“ dieser Zeit bezeichnet. Er beauftragte jedoch seine Schüler Ludwig Mauthner und Isidor Schnabel (1842–1908), ihn in der Lehre zu unterstützen, was beide in hervorragender Weise übernehmen konnten, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 230 u. Schönbauer Leopold : Das medizinische Wien, 584 (Zitat). 993 Lesky Erna : Wiener medizinische Schule, 480. 994 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 384. 995 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 384. Von 800 Patienten im damaligen Stadtspital entfielen 1870 nicht weniger als 30 % (240) Patienten auf die Ophthalmologie. 996 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 385. 997 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 385. Die Zahl der Studierenden der Medizin war damals tatsächlich sehr gering. Dies zeigt sich auch aus der Zahl der Promotionen, die in den Jahren 1869/70 bis 1875/76 je Studienjahr 5 bis 30, im Mittel 20,6 Promovenden, betrug, vgl. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 510. 998 Zitiert aus dem von Mauthner verfassten, im Innsbrucker Universitäts-Archiv aufliegenden Curriculum vitae, s. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 384. 999 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 384.
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Mauthner sah offensichtlich für sein Wirken in Innsbruck zu geringe Möglichkeiten.1000 Bereits 1873/74 suchte er um Enthebung an.1001 Man versuchte ihn zu halten, wählte ihn zum Dekan für das Studienjahr 1875/761002 und gab ihm einen zusätzlichen Assistenten. Trotzdem deponierte er ein neuerliches Enthebungsgesuch (Dezember 1876), das genehmigt wurde.1003 Daraufhin verließ Mauthner Innsbruck „fluchtartig“.1004 Nach der Rückkehr war er einerseits in der Privatpraxis tätig, die wieder florierte1005. Er erhielt in Wien rasch eine Venia legendi 1006 und konnte seinen Professorentitel weiterführen. Im Weiteren wurde er an die Wiener Allgemeine Poliklinik berufen. Dort konnte er seine Vorlesungstätigkeit und seine Forschungsarbeit wieder aufnehmen.1007 Schließlich erhielt er den Ruf zum Vorstand der I. Wiener Augenklinik (am 8. Oktober 1894).1008 Dieser lebenslange Wunsch Mauthners erfüllte sich de facto jedoch nicht. Er verstarb – bevor er sein Amt antreten konnte – an einer Herzattacke in der Nacht vom 19. zum 20. Oktober 1894.1009 b) Der Nachfolger Mauthners in Innsbruck war Isidor Schnabel. Dieser leitete die Innsbrucker Klinik durch zehn Jahre (1877–1887) und wurde dann nach Graz berufen.1010
1000 Daxecker Franz : 125 Jahre, 13. 1001 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 385. 1002 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 472–474, hier : 472. 1003 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 385. 1004 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 480. Mauthner meinte wohl, dass Innsbruck seiner „expansiven Persönlichkeit“ zu wenig Wirkungsmöglichkeit lasse. 1005 Tragl Karl Heinz : Chronik, 321. 1006 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 480f. 1007 Seine wichtigsten Publikationen waren u.a. „Die Bestimmung der Refractionsanomalien mit Hilfe des Augenspiegels (Wien 1867)“, „Lehrbuch der Ophthalmoskopie (Wien 1868)“, Vorlesungen über die optischen Fehler des Auges (Wien 1872–1876) und Vorträge aus dem Gesamtgebiete der Augenheilkunde für Studierende und Ärzte (Wiesbaden 1881–1889), s. Daxecker Franz : 125 Jahre, 51. 1008 Tragl Karl Heinz : Chronik, 74. 1009 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 482, u. Daxecker Franz : 125 Jahre, 17. 1010 Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaften, Medizin und Technik aus Graz : Medizin, Biochemie, Biotechnologie, Vorbemerkung 411–423, hier : 419f. u. Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaften, Medizin und Technik aus Graz, 425–449, hier : 431f.
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Isidor Schnabel (1842–1908)1011 stammte aus Böhmen (Neubydschow). Er besuchte die Mittelschule in Prag und studierte in Prag und Wien. Er promovierte in Wien 1865. Als Schüler und Mitarbeiter von E. v. Jaeger sowie von L. Mauthner habilitierte er 1871. 1012 In Innsbruck kam Schnabel – im Gegensatz zu Mauthner – „mit den … Realitäten besser zu recht“.1013 Er war ein anerkannter Lehrer, wobei der streng logische Aufbau seiner Vorträge besonders hervorgehoben wird1014. Schnabel war ein früher Propagator der Abb. 88 : Isidor Schnabel (1842–1908)1012 wissenschaftlichen Ophthalmoskopie und warnte vor realitätsfremdem spekulativem Denken1015. Dieser hervorragende Lehrer hatte die Schwerpunkte Glaukom (Grüner Star).1016 Seine Innsbrucker Forschungen betrafen das Gebiet der Skotome (umgrenzte Gesichtsfeldeinschränkungen)1017, den Strabismus (das Schielen), die Myopie (Kurzsichtigkeit)1018 u. a. Schnabel pflegte die Zusammenarbeit mit den Innsbrucker Kollegen, z. B. mit dem Syphilidologen Eduard Lang. Mit Letzterem untersuchte er die Impfsyphilis, nämlich die Übertragung des luetischen Contagiums auf das (Kaninchen-)Auge.1019 Schnabel bildete eine größere Zahl von Mitarbeitern aus.1020 Dazu gehörten Othmar Purtscher (1852–1927)1021, der spätere Gründer der Landesaugenabteilung 1011 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 385. 1012 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 103. 1013 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 386. 1014 Schnabel konnte seine Meinung „in einer Klarheit und zwingenden Folgerichtigkeit zur Darstellung… bringen, die den in der geistigen Welt KANTS lebenden und an seiner Logik geschulten Denker verrät“, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 485. 1015 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 485. 1016 Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaften, 420, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 484. 1017 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 386. 1018 Daxecker Franz : 125 Jahre, 17, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 484f. 1019 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 355. 1020 Daxecker Franz : 125 Jahre, 17f., u. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 385f. 1021 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 226, FN 30, u. 485f., sowie Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 385.
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in Klagenfurt, und Theodor Sachs, der bei Schnabel habilitierte.1022 Schnabel wurde 1887 nach Graz, 1891 nach Prag und schließlich nach Wien an die I. Augenklinik berufen.1023 Auch hier zeigte sich die enge Kooperation zwischen Innsbruck, Prag und Wien.1024 Ähnliches galt für Graz. c) Michael Borysiekiewicz, ein Schüler von Carl v. Stellwag-Carion1025, kam von der I. Wiener Augenklinik nach Innsbruck. Er war hier Vorstand der Augenklinik 1887–1892 und wechselte dann nach Graz. Michael Borysiekiewicz (1848–1899) Abb. 89 : Michael Borysiekiewicz (1848–1899)1027 stammte aus Galizien (Bialobnica). Er studierte in Wien Medizin und promovierte 1872. Er war ursprünglich Schüler von Ferdinand Arlt (Leiter der I. Wiener Augenklinik 1856–1883) und dann von Carl Stellwag-Carion (1884–1894). Borysiekiewicz habilitierte 1881. Seine experimentelle Ausbildung hatte er beim Wiener Experimentalpathologen Salomon Stricker erfahren.1026 1027 Während seiner Innsbrucker Vorstandszeit konnte die Augenklinik aus dem alten Stadtspital in das neu gebaute Klinikum übersiedeln (1888)1028. Neben sei1022 Sachs war der erste habilitierte Innsbrucker Ophthalmologe (1887). Nach Daxecker ging Sachs zu Ernst Fuchs nach Wien und leitete dann die Augenabteilung im Wiedner Krankenhaus in Wien. Heinz dagegen spricht von einem Tod von Sachs als Augenarzt in Innsbruck (1895), s. Daxecker Franz : 125 Jahre, 17 u. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 385. 1023 Isidor Schnabel war an der I. Wiener Augenklinik Nachfolger von Carl Stellwag v. Carion (1884–1894). 1024 Schnabel leitete nach seiner Tätigkeit in Prag die Wiener Augenklinik 1895–1908, s. Eulner HansHeinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 861. 1025 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 226–229, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 74. 1026 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 386 u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 228f. u. 550, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 649. Strickner leitete die Allgemeine und Experimentelle Pathologie 1868–1898. 1027 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 104. 1028 Die Augenklinik umfasste im neuen Klinikum 54 Betten. Sie war im „Verwaltungsgebäude“ untergebracht, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 150.
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ner klinischen Tätigkeit war er besonders auch in der Retinaforschung erfolgreich1029. Borysiekiewicz wirkte anschließend in Graz durch sieben Jahre (1892–1899). Er starb mit nur 41 Jahren. d) Wilhelm Czermak war Schüler des bedeutenden Wiener Ophthalmologen Ernst Fuchs. Für die Berufung nach Innsbruck war mitentscheidend, dass er 1889 die II. Augenklinik supplierend geleitet hatte. Hier sind ein paar Worte zu E. Fuchs (1851–1930)1030 und seiner Schule angezeigt. Fuchs konnte bereits als Medizinstudent beim Physiologen Ernst Wilhelm Brücke und dem Histologen Carl Wedl hospitieren (1868–1874). Noch während des Studiums ging Fuchs als Assistent zum Physiologen Maximilian v. Vintschgau nach Innsbruck (März bis November 1875). Dann war er in Wien Aspirant bei Ferdinand v. Arlt an der II. Wiener Augenklinik (November 1873 bis Dezember 1874). Anschließend ging er zu Billroth als Operationszögling und lernte dabei die gerade in Wien eingeführte Antisepsis kennen. Eine Assistentenstelle bei Arlt trat er im Februar 1876 an. Bereits im Alter von 25 Jahren konnte er auf der Klinik Arlt die ophthalmologische Operationstechnik reformieren. Während bisher die Operationsinstrumente nach der Operation gereinigt worden waren, führte man auch auf der Augenklinik jetzt die Desinfektion (mit Karbol und anderem) vor der Operation ein. Schon früh bemühte sich Fuchs um Besucher, die aus aller Welt an die Klinik kamen. Die augenärztlichen Kurse an der Klinik wurden von Fuchs erstmals in englischer Sprache gehalten. 1888 habilitiert, erhielt Fuchs schon im folgenden Jahr den Ruf nach Lüttich und 1885 nach Wien, wo er bis 1916 wirkte. Er hat an der Klinik, vergleichbar mit den chirurgischen Operationsinstituten, ein derartiges augenärztliches Institut errichtet. Fuchs sah eine außerordentlich große Zahl von Patienten. „2000 Patienten zogen allein in der Ambulanz jährlich an ihm vorbei“1031. 1889 kam die erste Auflage des „Lehrbuch der Augenheilkunde“ heraus, das in 19 Auflagen und zahlreichen Übersetzungen erschien. Zu den unmittelbaren Schülern von Fuchs gehörten die in Innsbruck wirkenden Professoren Dimmer, Bernheimer und Meller sowie der zunächst zu besprechende Czermak.
1029 Die Monografie „Zur vergleichenden Histologie der Retina“ gilt als sein wissenschaftliches Hauptwerk, s. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 386, u. Daxecker Franz : 125 Jahre, 19. 1030 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 490–496, Zitat 463 u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 75. 1031 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 463.
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Wilhelm Czermak (1856–1906)1032 stammte aus Brünn. Er promovierte in Graz (1882) und habilitierte dort (1886). Czermak ging dann als Assistent zu Ernst Fuchs (1887–1891). 1889 hatte er die II. Augenklinik supplierend geleitet.1033 1034 In Innsbruck wirkte Czermak 1892– 1895. Er konnte sich an der Innsbrucker Fakultät so etablieren, dass er – zunächst nur Extraordinarius – 1894 zum Ordinarius ernannt wurde. Bereits in der Innsbrucker Zeit konnte Czermaks Handbuch „Augenärztliche Operationen“1035 mit dem ersten Band fertiggestellt werden (erschienen 1893–1904). Abb. 90 : Wilhelm Czermak 1034 In seiner Lehrtätigkeit hatte er „die Gabe klarer Darstellung“1036. Czermak wurde 1895 in der Nachfolge von I. Schnabel nach Prag berufen und wirkte dort 1895–1906.1037 e) Auch der Nachfolger von Czermak, Friedrich Dimmer, verließ nach einer relativ kurzen Innsbrucker Wirkungsdauer (1895–1900) Innsbruck. Er ging dann zunächst nach Graz. Friedrich Dimmer (1855–1926)1038 stammte aus Prag und besuchte dort die Mittelschule. Er begann in Prag das Medizinstudium, setzte es jedoch dann in Wien fort und promovierte in dieser Stadt 1878. Postpromotionell arbeitete er zunächst beim Dermatologen/Syphilidologen Karl Ludwig v. Sigmund und beim Internisten Heinrich v. Bamberger.1039 Ab 1880 war er Assistent bei Ferdinand Arlt an der I. Wiener
1032 Daxecker Franz : 125 Jahre, 21, u. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 387. 1033 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 387. 1034 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 105. 1035 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 387, s.a. Daxecker Franz : 125 Jahre, 21. 1036 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 387. 1037 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 561. 1038 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 494, u. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 387f., sowie Daxecker Franz : 125 Jahre, 21–28, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 163. 1039 Karl Ludwig Sigmund Ritter v. Ilanor (1810–1883) leitete die II. Wiener Hautklinik 1844–1881. Heinrich v. Bamberger die II. Wiener Medizinische Klinik 1872–1888.
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Augenklinik.1040 Er wirkte dann ab 1883 bei Eduard Jaeger und Ernst Fuchs an der II. Wiener Augenklinik. Er habilitierte 1885 bei Fuchs, verließ 1887 die Klinik zur Ausübung seiner Privatpraxis und wurde 1894 an die Wiener Poliklinik berufen.10411042 Dimmer – ein Schüler von Arlt (1880–1883), Jaeger (1883/84) und Fuchs (1885–1887)1043 – arbeitete wissenschaftlich v. a. an zwei Schwerpunkten.1044 Einerseits waren es Forschungen auf dem Gebiet der ophthalmoskopisch fassbaren Erkrankungen und andererseits optische und technische Fragen Abb. 91 : Friedrich Dimmer (1855–1926)1042 bis hin zur fotografischen Dokumentation des Augenhintergrundes.1045 Dimmers Hauptwerke waren „Der Augenspiegel und die ophthalmologische Diagnostik“ (1887), „Die ophthalmoskopischen Lichtreflexe der Netzhaut“ (1894), „Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Macula lutea des Menschen“ (1894) und „Die Photographie des Augenhintergrundes“ (1907, 31920).1046 Dimmer wirkte auch in Innsbruck als hervorragender Lehrer und brachte die neuen technischen Entwicklungen der Ophthalmologie (fotografische Dokumentation des Augenhintergrundes etc.) in den Unterricht.1047 Beim Verlassen von Innsbruck hatte Dimmer bereits „ein Lebenswerk“1048 vollbracht. Dies war die Erforschung der Anatomie und Physiologie der Macula lutea sowie der Lichtreflexe der Netzhaut. 1040 Ferdinand v. Arlt (1812–1887) war Ordinarius der I. Wiener Augenklinik (1856–1883). 1041 Tragl Karl Heinz : Chronik, 321. 1042 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 106. 1043 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 494. 1044 Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik Innsbruck, 1869–1994, Innsbuck 1994 (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 201), 21–28. 1045 Acham Karl : Naturwissenschaften, Medizin und Technik aus Graz, 420. 1046 Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik, 28. 1047 Dies konnte er in Graz weiter ausbauen. Die Kamera wurde in Zusammenarbeit mit der Fa. Zeiss entwickelt und gebaut, s. Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker. In Acham Karl : Naturwissenschaft, Medizin und Technik, 432, u. Daxecker Franz : 125 Jahre UniversitätsAugenklinik, 28. 1048 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 494.
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Während seiner Grazer Zeit konnte er die internationale Stellung der dortigen Ophthalmologie festigen.1049 1907 erschien sein Werk „Die Fotografie des Augenhintergrundes“.1050 Neben seiner ärztlichen und wissenschaftlichen Tätigkeit hatte er sich auch in Wien besonders auch um die technische und bauliche Ausstattung der Klinik verdient gemacht1051, ohne dabei seine wissenschaftliche Tätigkeit zu vernachlässigen.1052 In Wien war er zuerst Vorstand der I. Wiener Augenklinik (1910–1915) und wechselte dann auf die Augenklinik II (1915–1926).1053 Dimmer gehörte – nach Karl Lindner – „zu den bescheidenen Gelehrten … die wenig und ungern an die Öffentlichkeit traten“. Gerühmt werden neben seinen Verdiensten für die augenärztlichen Kliniken in Innsbruck, Graz und den beiden Wiener Augenkliniken sein besonderes Organisationstalent und seine Begeisterung für die Lehre.1054 Er war ein „liebenswerter und feinsinniger Gelehrter, dem Gegensätzliches zu versöhnen ein Lebensbedürfnis war“.1055 f ) Stefan Bernheimer (1864–1918) folgte in Innsbruck Dimmer und wirkte hier 1900–1915. Bernheimer war ausgesprochen forschungsorientiert.1056 Mit ihm „begann eine Zeit der wissenschaftlichen Entfaltung in Innsbruck“.1057 Stefan Bernheimer1058 stammt aus Triest und studierte in Wien Medizin (Promotion 1885). In Wien arbeitete er zunächst beim Internisten Heinrich v. Bamberger, beim Physiologen Ernst Wilhelm v. Brücke und dem Ophthalmologen Ferdinand Arlt. Er ging dann nach Heidelberg, befasste sich mit Nervenheilkunde1059 und wurde Assistent beim Ophthalmologen Otto Becker.1060 Er habilitierte dort und supplierte ab 1888 an dessen Heidelberger Klinik. 1891 ging Bernheimer nach Wien an die Klinik von Ernst Fuchs. Er habilitierte auch in 1049 Kernbauer Alois : Große Grazer Mediziner und Biochemiker, 425–449, hier : 432. 1050 Daxecker Franz : 125 Jahre, 47. 1051 Tragl Karl Heinz : Chronik, 321f. Dimmer war in Wien Vorstand der I. Univ.-Augenklinik, seit 1918 auch der II. Augenklinik. 1052 Tragl Karl Heinz : Chronik, 321f. 1053 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 61f. 1054 Meller Josef : Prof. Friedrich Dimmer. WiKliWo, 39, 1926 : 341f. 1055 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 494. 1056 Bernheimer kam direkt aus dem Forschungslaboratorium der Klinik Fuchs, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 495. 1057 Daxecker Franz : 125 Jahre, 33. 1058 Tragl Karl Heinz : Chronik, 163. 1059 1891–1904 wirkte an der Heidelberger Nervenklinik der Pionier der Psychiatrie und Gehirnforschung Emil Kraepelin (1856–1926), s. Weber Matthias M.: Kraepelin Emil. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 785f. 1060 Otto Becker (1828–1890) war Schüler von Arlt und Ordinarius in Heidelberg 1868–1890.
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Wien (1892) und wurde dann nach Innsbruck berufen (1900). Nach Innsbruck kam Bernheimer „direkt aus dem Laboratorium der Fuchs’schen Klinik“.1061 1062 Bernheimers Tätigkeit in Innsbruck war besonders forschungsbezogen1063 mit dem Schwerpunkt „zentrale Sehnervenbahnen und Bahnen für die motorische Innnervation des Auges“.1064 Bernheimers wichtigste Publikationen waren : „Über die Sehnervenwurzel des Menschen“ (1891)1065, „Über die Bahnen der Pupillarreaktion“ (1898). „Die Lage des Sphinkterzentrums“ (1901), „Die Gehirnbahnen der Augennerven“ (1903). „Behandlung der Gonoblenor Abb. 92 : Stefan Bernheimer (1864–1918)1062 rhoe“ (1906), „Behandlung der sympathischen Ophthalmie“ (1911), „Angeborene Anomalien der Iris“ (1913).1066 Bisher hatte es in Innsbruck nur eine einzige ophthalmologische Habilitation gegeben, nämlich unter Schnabel von Theodor Sachs (1887).1067 Unter Bernheimer konnte sich Friedrich v. Herrenschwand 1068 habilitieren (1913), der später (1945) auch supplierender Leiter der Innsbrucker Klinik wurde1069. 1061 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 495. 1062 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 107. 1063 Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik, 28–33, hier : 33. 1064 Bernheimer war ein Pionier bei der Erkenntnis der zentralen (partiellen) Kreuzung der Sehnervenbahnen, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 163 (Zitat). 1065 Bernheimer beschrieb die partielle Kreuzung der Sehnervenbahnen im Chiasma. In seiner frühen Innsbrucker Zeit (1901) erhielt er für diese Forschungstätigkeit den Graefe-Preis der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 163. 1066 Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik, 49. 1067 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 385 und 389. 1068 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 389 und 391. Herrenschwand arbeitete dann hauptsächlich auf bakteriologischem Gebiet. Seine wichtigste Publikation : „Die pathogenen Mikroorganismen des Auges“ (1927). Er erhielt 1917 den tit. ao. Professor, war dann auf zwei Berufungsbesetzungsvorschlägen (Basel und Graz), ging jedoch später in die Privatpraxis und starb 1959. 1069 Herrenschwand übernahm auch den Lehrauftrag für Geschichte der Medizin (1940/41–1947/48),
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g) Nach der Berufung von Bernheimer nach Wien (1915 an die I. Augenklinik)1070 folgte an der Innsbrucker Klinik Josef Meller1071, der hier die Klinik 1915 bis 1918 leitete. Meller kam ebenfalls aus der Schule von Ernst Fuchs. Josef Meller (1874–1968)1072 stammte aus Niederösterreich (Stein a. d. Donau). Er studierte in Wien und promovierte 1898. Seine ophthalmologische Ausbildung erhielt er in Wien bei Ernst Fuchs, wurde bei ihm Assistent (1900) und habilitierte 1907. Er wurde 1913 tit. ao. Professor1073. 1910 supplierte er während einer länger dauernden Abwesenheit und Erkrankung von Fuchs die Klinik. 1074 Abb. 93 : Josef Meller 1074 Meller war ein hervorragender Operateur, er sah seine Lebensaufgabe in der „Pflege des operativen Zweiges der Fuchs-Schule“1075. Er verfasste eine ophthalmologische Operationslehre, die – bezeichnenderweise für seine internationale Ausrichtung – zunächst in englischer Sprache erschien („Ophthalmic Surgery“, Philadelphia 19081076). Während seiner Innsbrucker Zeit kam dann die erste deutschsprachige Ausgabe der Operationslehre, seine Monografie „Augenärztliche Eingriffe“, heraus (1918)1077 heraus. Neben diesem operativen Schwerpunkt war Meller ein exzellenter Pathohistologe. Sein Schwerpunkt war dabei die Sympathis. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 391, u. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 466–468, hier 466. 1070 Bernheimer war Vorstand der I. Wiener Augenklinik 1915–1918. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt waren die Sehnervenbahnen und die motorische Innovation des Auges, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 163. 1071 Tragl Karl Heinz : Chronik, 163f. 1072 Pillat Arnold : Prof. Dr. Josef Meller zum 75. Geburtstag. WiKliWo 61 (49), 1945, 857–859 u. Böck Josef : Prof. Dr. J. Meller, WiKlWo 81 (6), Wien 1969, 93–95. 1073 Tragl Karl Heinz : Chronik, 163f., u. Heinz Karl : Lehrkanzel und Klinik für Augenheilkunde, 389. 1074 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 108. 1075 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 495. 1076 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 495. 1077 Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik, 51.
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sche Ophthalmie.1078 Er war auch „ein hervorragender Kenner der Keratitis“.1079 Zu seinen weiteren Forschungsgebieten s. Pillat.1080 Meller war ein hervorragender Lehrer und – obwohl nur kurz in Innsbruck, und dies in der Zeit des Ersten Weltkrieges1081 – bemühte sich besonders um den Unterricht und legte u. a. eine große Sammlung histologischer Präparate des Auges an.1082 h) Der Nachfolger von Meller war Richard Seefelder. Dieser kam erstmals nicht aus der österreichischen ophthalmologischen Schule. Der ophthalmologische Lehrer von Seefelder, Hubert Sattler 1083 war jedoch Schüler von Ferdinand v. Arlt (1812–1888).1084 Seefelder wirkte in Innsbruck 1919–1945. Richard Seefelder (1875–1949)1085 stammt aus Bayern (Nesselbach). Er studierte Medizin in Erlangen und München und promovierte in München 1898. Er trat dann als aktiver Sanitätsoffizier in die sächsische Armee ein (1899–1918). Als Oberarzt der Sanität wirkte u. a. er an der Leipziger Augenklinik bei Hubert Sattler.1086 Dort habilitierte Seefelder 1908 und erhielt eine ao. Professur 1914.
1078 Die Sympathische Ophthalmie kann nach perforierenden Verletzungen eines Auges auftreten. Charakteristisch ist dabei das Übergreifen der Entzündung auf das zweite Auge. Um einer Erblindung zuvorzukommen, ist eine rechtzeitige Entfernung des verletzten Auges notwendig. Meller publizierte während seiner Innsbrucker Zeit auch über die „spontane sympathische Ophtalmie“, s. Meller Josef : Ueber die Entwicklung der Lehre von der sympathischen Ophthalmie in der Wiener Ophtalmologischen Schule. WiKliWo 48 (20), 1935, 622–629. 1079 Tragl Karl Heinz : Chronik, 163. 1080 Pillat Arnold : WiKliWo 61, Wien 1949, 857–859. 1081 Die Innsbrucker Krankenhauseinrichtungen fungierten während des Kriegs als Etappenspital für die nahe italienische Front. Meller war dadurch u.a. mit perforierenden Augenverletzungen ärztlich konfrontiert, s. Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik, 33–36, hier : 36. 1082 Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 389. 1083 Sattler war Vorstand der Augenklinik in Gießen (1877–1879), Erlangen (1879–1886), in Prag (1886– 1891) und in Leipzig (1891–1920), s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 557 u. 560f., s.a. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 232f. 1084 Seefelder wurde von Sattlers letzter Wirkungsstätte Leipzig nach Innsbruck geholt. Im Vorschlag des Innsbrucker Professorenkollegiums standen Seefelder und Bruno Fleischer (Tübingen) vor Karl David Lindner (1883–1961). Lindner war Fuchs-, dann Dimmer-Schüler. Lindner wurde 1924 zum Primararzt an der Wiener Poliklinik und 1926 – in der Nachfolge von Dimmer – Vorstand der II. Wiener Augenklinik, s. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 389–391, hier : 389 und Tragl Karl Heinz : Chronik 322f., sowie Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik, 39. 1085 Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik, 39. 1086 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 560.
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Seefelder, bescheiden im Auftreten und humorvoll1087, hat durch 26 Jahre die Innsbrucker Ophthalmologie geformt1088. Es entstand eine größere Zahl wissenschaftlicher Publikationen1089, wie z. B. „Die Mißbildungen des menschlichen Auges“ (1930)1090 sowie der „Atlas zur Entwicklung des menschlichen Auges (1911 –1914).1091 1092 Seefelder wirkte als Dekan (1923/24) und als Rektor (1929/30)1093. 1945 wurde Seefelder pensioniert1094. Während Seefelders Wirken habilitierte Hugo Gasteiger (1929)1095, zuletzt Direktor an der Augenheilkunde an der Berliner Freien Universität (1957– Abb. 94 : Richard Seefelder 1092 1968)1096. Weiters ist Günter Badtke (1942) zu nennen, späterer Vorstand der Universitätsaugenklinik in Halle (1955–1967)1097.
1087 Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik, 40. 1088 Daxecker Franz : 125 Jahre, 36–41. 1089 Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik, 39f. und 51f. 1090 Seefelder Richard : Die Mißbildungen des menschlichen Auges“, in : Kurzes Handbuch der Ophthalmologie, Bd. 1, Berlin 1930 (519–630), s. Daxecker Franz : 125 Jahre Universitäts-Augenklinik, 52. 1091 Daxecker Franz : 125 Jahre, 38–40 u. 51f. Dort auch weitere Publikationen, z. B. zum fötalen Auge und Entwicklungshemmung der Retina u. a. 1092 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 109. 1093 Seefelders Rektoratsrede „Über die Schönheit des menschlichen Auges“ zeigt einen naturverbundenen, ästhetisch denkenden Ophthalmologen, s. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 390. 1094 Heinz Karl : Lehrkanzel und Klinik für Augenheilkunde, 391. 1095 Daxecker Franz : 125 Jahre, 40. 1096 Der auch auf dem Gebiet der Experimentellen Pathologie des Auges forschende H. Gasteiger ging bereits 1936 als ao. Professor nach Frankfurt/Main, wurde 1938 Direktor der Augenklinik in Dresden und wirkte zuletzt in Berlin (s. o.), s. Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 556, u. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 390. 1097 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 558, s.a. Heinz Karl : Lehrkanzel für Klinik und Augenheilkunde, 390f.
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3.6 Klinik für Oto- und Laryngologie bzw. Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten Frühe Impulse für diese Fachgebiete über den deutschen Sprachraum hinaus gingen vergleichsweise früh von der Wiener Medizinischen Schule aus.1098 Die Einführung des Kehlkopfspiegels/Laryngoskop (1857) durch den Internisten und Neurologen Ludwig Türck (1810–1868)1099 sowie den Physiologen Johann Nepomuk Czermak (1828–1873)1100 setzte dafür die wichtigsten Impulse. Die erste laryngologische Klinik wurde dann 1870 durch den Internisten Leopold Schrötter v. Kristelli 1101 begründet, der auch eine hervorragende chirurgische Ausbildung absolviert hatte.1102 Diese laryngologische Klinik war die früheste Klinik dieser Art.1103 Parallel dazu kam es zur Gründung der Wiener universitären Otologie/Klinik für Ohrenkrankheiten (1873). Diese ist an die Namen Josef Gruber und Adam Politzer geknüpft.1104 1098 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 347–386, insb. 381f.u. 385. 1099 Türck wurde 1876 mit der Leitung einer (kleinen) Abteilung für Nervenkrankheiten betraut. Als Primarius dieser Abteilung (1858) hat sich Türck zwar primär mit Neurobiologie und Nervenkrankheiten befasst, wandte sich jedoch zusätzlich der Entwicklung der Laryngoskopie zu. Gerabek Werner E., Türck Ludwig. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1424, Spitzy Karl H. und Lau Inge : Van Swietens Erbe, 143, Seitelberger Franz : Hirnforschung und Neurologie. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, 375–437, hier : 386f., u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 75f. 1100 Czermak, ein Schüler von Johannes Evangelista Purkinje und Ernst Wilhelm Brücke, hatte zuerst statt des Sonnenlichtes künstliches Licht verwendet. Er folgte später einem Ruf nach Jena (1865), dann Leipzig (1869), Czermak wurde auch zum Begründer der Rhinoskopie. Gerabek Werner E.: Czermak Johann, Nepomuk. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 282, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 192–194. 1101 Leopold v. Schrötter leitete die Laryngologische Klinik (1870–1890) im Wiener AKH, weiters die I. Medizinische Abteilung in der Wiener Rudolfstiftung (1877), die 2. Medizinische Abteilung im AKH (1881) und wurde schließlich Vorstand der III. Medizinischen Klinik (1890–1908), s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 337, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 68. 1102 Leopold v. Schrötter war durch zwei Jahre Operationszögling beim Leiter der II. Wiener Medizinischen Klinik Franz Schuh, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 68. 1103 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 331. Lesky spricht von der frühesten laryngologischen Klinik der Welt. 1104 Rivalitäten spielten nicht nur bei der Einführung des Laryngoskops, sondern auch bei der Errichtung der Wiener Universitätsklinik für Ohrenkrankheiten eine erhebliche Rolle, s. Lesky Erna : Meilensteine, 183–186, u. Kernbauer Alois : Die Medizin in ihrer weltweiten Ausstrahlung. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, 331–354, hier : 346.
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Josef Gruber wurde 1862 zum „k. k. Ohrenarzt des Allgemeinen Krankenhauses“1105 ernannt. Dazu erhielt er ein „otriatrisches Ambulatorium“.1106 Aus diesem ging 1873 die „erste Univ.-Ohrenklinik der Welt“1107 hervor. Gruber hatte 1871 habilitiert1108 und wurde 1875 zum ao. Professor ernannt. Parallel dazu wirkte Adam Politzer.1109 Letzterer konnte sich unter dem Pathologen Carl Rokitansky wissenschaftlich besonders profilieren. Er habilitierte bereits 1861 „als Erster für das Fach der Ohrenheilkunde“1110 und wurde 1870 ao. Professor. Gleichzeitig mit Gruber wurde Politzer 1875 Leiter der Klinik für Ohrenheilkunde1111. Zwischen dem älteren Gruber (1827–1900) und dem auch in der Forschung profilierten Politzer (1835–1920) entwickelte sich jedoch eine lebhafte „Rivalität“.1112 Als eine weitere Persönlichkeit profilierte sich der HNO-Arzt Robert Bárány.1113 Bárány war damals Mitarbeiter von Politzer. Er erhielt dann als erster Österreicher den Nobelpreis für Medizin (1914/15).1114 Unter den Laryngologen und Otologen in Wien entwickelte sich auch die Rhinologie (Lehre von den Krankheiten des Nasenraumes). Ein früher Pionier dieser Fachrichtung war der Carl Stoerk1115, der um sich eine Reihe von Schülern scharte. Eine Pflegestätte auf diesem Gebiet war weiters die Wiener Poliklinik. Dort konnte bereits 1872 eine laryngologische Abteilung unter Johann Schnitzler 1116 1105 Tragl Karl Heinz : Chronik, 273. 1106 Tragl Karl Heinz : Chronik, 273. 1107 Tragl Karl Heinz : Chronik, 273. 1108 Tragl Karl Heinz : Chronik, 77. 1109 Tragl Karl Heinz : Chronik, 77. 1110 Tragl Karl Heinz : Chronik, 77. 1111 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 596. 1112 Kernbauer Alois : Die Medizin in ihrer weltweiten Ausstrahlung, 346. 1113 Die Forschungen von Robert Bárány betrafen den Vestibularapparat des Innenohres sowie verschiedene Kleinhirnerkrankungen. Gerabek Werner E.: Bárány Robert. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 137f., s.a. Tragl Karl Heinz : Chronik, 77f. 1114 Bárány lebte ab 1917 in Schweden und starb 1936 in Uppsala. 1115 Stoerk wurde 1864 für „Laryngo- und Rhinoskopie und Krankheiten des Kehlkopfes, der Luftröhre und des Rachens“ habilitiert. Ebenso für Laryngo- und Rhinoskopie habilitierte bereits 1861 Friedrich Semeleder. Tragl Karl Heinz : Chronik, 76, s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 406–414, Zitat : 406. 1116 Johann Schnitzler (1835–1893, Privatdozent 1865, tit. ao. Prof. 1878, Direktor der Polyklinik 1864). Schnitzlers Sohn war der im Wiener Fin de Siècle als Schriftsteller und Arzt berühmte Arthur Schnitzler (1862–1931), s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 313 u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 417–419.
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errichtete werden. Bei Schnitzler wurden eine Reihe der Wiener späteren Professoren für HNO-Krankheiten ausgebildet. Zu dessen Schülern gehörte der spätere Ordinarius Markus Hajek, der sich auch besonders der Rhinologie widmete.1117 Die in Wien so innovativ vertretenen Teilgebiete der HNO-Heilkunde konnten dann als HNO-Klinik institutionalisiert werden.1118 Dass es zur endgültigen Errichtung einer gemeinsamen HNO-Klinik kam, ging nicht zuletzt auf den Wunsch der in der Praxis wirkenden Wiener HNO-Ärzte zurück. Dies konnte allerdings erst verwirklicht werden, nachdem 1911 ein neues Klinikum erbaut worden war. In der Lazarettgasse, unmittelbar neben dem ursprünglichen AKH gelegen, konnte dort endlich in entsprechendem Rahmen großchirurgisch1119 gearbeitet werden. Das Bemühen um diesen Neubau ging auf Ottokar v. Chiari zurück, einem Schüler des Wiener Chirurgischen Ordinarius Johann v. Dumreicher und des oben erwähnten Internisten/Laryngologen Leopold v. Schrötter.1120 Die ursprüngliche Otologische Klinik (Gründer die oben erwähnten Adam Politzer und Josef Gruber) wurde dann zur HNO-Klinik I. Aus der Laryngologischen Klinik (Gründer Leopold v. Schrötter) formierte sich dann die HNO-Klinik II.1121 Ein weiterer zu erwähnender Professor war Heinrich Neumann1122, der ebenfalls 1892 zum (persönlichen) Ordinarius ernannt wurde.1123 Heidelberg diente nach Lesky1124 als Vorbild für die Wiener HNO-Kliniken.
1117 Markus Hajek (1861–1941) war jüngerer Kollege von Ottokar v. Chiari (1853–1918). Er folgte Chiari auf dem Lehrstuhl nach (1919–1933) und wurde 1922 zum (persönlichen) Ordinarius für HNOKrankheiten ernannt. Tragl Karl Heinz : Chronik, 313, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 597. 1118 Übersichtlich dargestellt bei Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 596f., s.a. Tragl Karl Heinz : Chronik, 166–170 u. 312–315. 1119 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 420. 1120 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 419f., u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 313f., s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 596f. 1121 Tragl Karl Heinz : Chronik, 166–170, s.a. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 596f. 1122 Heinrich Neumann war Vorstand der HNO-Klinik I (1919–1938), s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 166f., u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 432–434. 1123 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 596. 1124 In Heidelberg erhielt Werner Kümmel, Professor für Ohrenheilkunde und Klinikdirektor, 1908 auch die Lehrbefugnis für Laryngologie und wurde bereits 1919 Ordinarius ad personam für HNO-Krankheiten, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 420, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 376.
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In Graz wurde die Oto-Laryngologie 1893 begründet.1125 Erster Lehrkanzel inhaber war Johann Habermann (1850–1935), dieser gilt als „Entdecker der berufsbedingten Schwerhörigkeit“.1126 a) In Innsbruck wurde die erste – außerordentliche – Professur für Oto- und Laryngologie, mit Georg Juffinger 1127 1893 errichtet. Das Jahr dieser Gründung entspricht somit dem der entsprechenden Grazer Klinik. Juffinger wirkte in Innsbruck 1893–1913. Er war Schüler der oben erwähnten Leopold v. Schrötter und Carl Stoerk1128. Juffinger leitete, seit 1911 mit dem Titel und Charakter eines Ordinarius, die Klinik unter räumlich und personell sehr beschränkten Verhältnissen. Georg Juffinger (1853–1913)1129 stammte aus Hötting/Innsbruck. Er studierte und promovierte in Innsbruck (Promotion 1881). Zunächst wurde er hier auf der chirurgischen Klinik unter C. Nicoladoni 1130 ausgebildet. Er ging dann nach Wien zu einer augenklinischen Ausbildung bei Ferdinand v. Arlt 1131, war dann auf der I. Wiener Dermatologie bei Moriz Kaposi.1132 1884 wurde er Assistent bei Leopold Schrötter v. Kristelli sowie bei Carl Stoerk. Letzteren sah er als seinen wesentlichsten Lehrer an. Dort arbeitete er über das Rhinosklerom1133 und über Tuberkulose der Schleimhaut der oberen Luftwege. Er habilitierte 1892 in Wien im Fach Oto-Laryngologie. Die wichtigste Aufgabe von Juffingers Wirken in Innsbruck war zunächst die Entwicklung der Lehre. Seine Vorlesungen über „Rhinologie, Laryngologie und Otiatrie mit Praktischen Übungen in der Diagnostik und Therapie“1134 fanden zunächst im 1125 Acham Karl : Naturwissenschaft, Medizin und Technik aus Graz, 411–423, hier : 419. 1126 Acham Karl : Naturwissenschaft, Medizin und Technik aus Graz, 411–423, hier : 419. 1127 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Lehrkanzel für Audiologie und Phoniatrie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 395–412, hier : 397–399. 1128 Stoerk war Nachfolger von Schrötter (Klinikleitung 1890–1899), s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 406–414. 1129 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Lehrkanzel für Audiologie und Phoniatrie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 398. 1130 Huber Paul : Lehrkanzel und Klinik für Chirurgische Fächer. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 320–322. 1131 Tragl Karl Heinz : Chronik, 605f. 1132 Tragl Karl Heinz : Chronik, 72. 1133 Eine zusammenfassende Darstellung zum Rhinosklerom, eine granulomatöse Wucherung im Geschichts-Halsbereich stammt von G. Juffinger : „Sklerom der Schleimhaut der Nase, des Rachens, des Kehlkopfes und der Luftröhre“ (Leipzig und Wien 1892), s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 412. 1134 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Lehrkanzel für Audiologie und Phoniatrie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 398.
Die klinischen Fächer
Hörsaal der Augenklinik statt. Erst im Wintersemester 1895/96 stand ein eigener laryngologischer Hörsaal im Pavillon der Hautklinik zur Verfügung.1135 1136 Dort war die Klinik gemeinsam auch mit der Psychiatrie untergebracht. Juffingers Klinik erhielt dort zunächst sechs Betten1137, bei der Neuausschreibung des Lehrstuhles (1913) wird dann von 17 Betten gesprochen. Schwerpunkt der wissenschaftlichen Tätigkeit von Juffinger war ursprünglich das Rhinosklerom gewesen, eine, wie erwähnt, bakterielle granulomatöse Erkrankung im HNO-Bereich und der Trachea etc., die v. a. in den östlichen Teilen der Habsburgermonarchie verbreitet war. 1911 zum Ordinarius ernannt, starb Juffinger bereits am 6. Dezember 1913.
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Abb. 95 : Georg Juffinger (1853–1913)1136
„Dass Prof. Juffinger unter den bestehenden Verhältnissen bis zu seinem Tode lehren und arbeiten musste, ist tief beklagenswert. Dass er trotzdem Lust und Liebe dazu beibehielt, ehrt ihn über das Grab hinaus.“1138
b) Die nächste Berufung erfolgte mit Heinrich Herzog1139. Herzog kam aus München und zwar aus der Schule von Friedrich Bezold 1140. Herzog wirkte in Innsbruck 1916–1928 und erhielt dann eine Berufung an die Universität Münster/Westfalen, wo er bis 1937 wirkte.1141 1135 Bodner Ernst : Die Medizinische Fakultät, 15. Huter Franz, Hundert Jahre, Bd. 1, 152–154. 1136 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 110. 1137 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 398f. 1138 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Lehrkanzel für Audiologie und Phoniatrie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 399. 1139 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Lehrkanzel für Audiologie und Phoniatrie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 399–401. 1140 Locher Wolfgang G.: Bezold Friedrich. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 173. 1141 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Lehrkanzel für Audiologie und Phoniatrie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 400.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Mit der Berufung von Herzog aus München war wieder eine Verbindung von Innsbruck und München bei der Besetzung von hiesigen Lehrkanzeln gegeben. „Auf dem Karrierepfade“1142 der Berufungen an die Innsbrucker Medizinische Fakultät aus Deutschland stand allerdings nicht München, sondern Leipzig an der Spitze1143. Heinrich Herzog1144 (1875–1938) stammte aus Bayern (Pfaffenburg). Nach einem Medizinstudium in München und Würzburg promovierte er 1900. Er war dann als Militärarzt tätig (bis 1910). Bereits während des Medizinstudiums hatte er in München an der Rhino-Laryngologischen Poliklinik geAbb. 96 : Heinrich Herzog (1875–1938)1146 arbeitet (1896 bis 1900). Ab 1905 war er Assistent unter Friedrich Bezold 1145 an der Münchener Klinik für Ohrenkrankheiten. 1146 Während seiner Innsbrucker Tätigkeit galt seine besondere Vorliebe experimentellen Arbeiten sowohl auf laryngologischem als auch otologischem Gebiet. Dabei bemühte er sich, experimentelle mit pathologisch-anatomischen Untersuchungen zu verbinden.1147 Für retrobulbäre Neuritiden – rhinogenen 1142 Lichtenberger Elisabeth : Geographie. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2 : Lebensraum und Organismus des Menschen. Wien 2001, 99–102, Zitat 99. 1143 Bei den Berufungen auf Lehrkanzeln in Innsbruck von deutschen Universitäten stand Leipzig an der Spitze. Leipzig war auch eine beliebte Ausbildungsstätte für den Innsbrucker Mittelbau. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 187–193, hier : 189. 1144 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Lehrkanzel für Audiologie und Phoniatrie, 400. 1145 Der 1886 zum ao. Professor für Ohrenheilkunde an der Universität München ernannte F. Bezold (1842–1908) erhielt 1906 Titel und Rang eines o. Professors. Von ihm stammen grundlegende Arbeiten zur Physiologie des Hörens u.a., s.a. Münchner Medizinische Wochenschrift, 55, 1908, 2286–2288. Locher Wolfgang G., Bezold Friedrich. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 173, u. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 377f. 1146 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 111. 1147 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 400.
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Ursprungs – entwickelte er eine Operation zur Daueranämisierung des Siebbeines. Er beschäftigte sich auch mit der Anatomie und Pathologie des Nervus recurrens. Seine klinische Tätigkeit stand im Zeichen der Verbesserung der unter räumlicher Beengung stehenden Patientenbehandlung, wobei ihm eine Erhöhung der Bettenzahl auf 26 gelang.1148 Er bildete auch eine größere Zahl von Mitarbeitern aus, die in Nord- und Südtirol, sowie auch in Vorarlberg wirkten.1149 Habilitiert wurde unter Herzog Walter Stupka.1150 Er war Dozent ab 1924 und seit 1943 tit. ao. Professor. Er wurde zum Primararzt am Krankenhaus Wiener Neustadt berufen. Er entfaltete auch dort eine rege wissenschaftliche Tätigkeit, v. a. zu Missbildungen/Anomalien der Nase und des Rachenraumes.1151 Die zweite Habilitation war jene von Wilfried Krainz (1927). Krainz wurde der Nachfolger von H. Herzog (s. u.). Herzog, in der Fakultät sehr geschätzt1152, folgte 1928 einem Ruf an die Universität Münster/Westfalen1153 und wirkte dort 1928–1937.1154 c) Die Nachfolge von Herzog gestaltete sich schwierig.1155 Noch immer waren Ausstattung und Unterbringung der Klinik mangelhaft.1156 Schließlich wurde der mit der
1148 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 400. 1149 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 400f. 1150 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 400. 1151 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Lehrkanzel für Audiologie und Phoniatrie, 400. 1152 Er wurde zum Dekan der Medizinischen Fakultät (1922/23) und zum Senator der Universität Innsbruck (1926–1928) gewählt. 1153 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 595. 1154 Veranlassung für die Annahme des Rufes nach Münster war die „überaus beengte Atmosphäre an der Klinik, die zu ändern er bei aller Anstrengung keine Möglichkeit sah …“, s. Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 400. 1155 Die Berufungsliste der Innsbrucker Fakultät umfasste primo loco K. Beck aus Heidelberg und L. Haymann aus München sowie secundo loco A. Seifert aus Berlin. Trotz längerer Verhandlungen konnte kein konkretes Ergebnis erzielt werden. Fehlgeschlagen waren v. a. Versuche, L. Haymann aus München zu gewinnen, s. Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 401. 1156 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 401.
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Supplierung beauftragte Wilfried Krainz zum Vorstand der Klinik berufen (1931).1157 Wilfried Krainz1158, gebürtig in Klagenfurt, absolvierte sein Medizinstudium in Innsbruck, wo er 1921 promovierte. Neben einer Tätigkeit am Pathologisch-anatomischen Institut unter G. Pommer wurde er bereits 1921 zum Assistenten an der Oto-Laryngologie unter H. Herzog ernannt. Krainz hospitierte u. a. bei Arthur Thost in Hamburg-Eppendorf1159. In Ergänzung seiner ohrenklinischen Ausbildung war er in Wien bei Heinrich Neumann1160 und bei Hermann Marschik1161 zur laryngologischen Weiterbildung. ZusätzAbb. 97 : Wilfried Krainz (1895–1943)1163 lich arbeitete er einige Zeit in Basel an der Physiologie unter Philipp Broemser, 1162 dort Ordinarius 1925–1930. Weiters hospitierte er in der oto-laryngologischen Klinik des Hospitals St. Louis in Paris. Bei den mehrfach erwähnten räumlichen Beengtheiten war die Vergrößerung der Klinik ein besonderes Anliegen. Krainz konnte am 2. Jänner 1936 im neu erbauten Verwaltungsgebäude eine erweiterte HNO-Klinik beziehen1163. Unter Krainz 1157 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 401f. 1158 Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und Lehrkanzel für Audiologie und Phoniatrie, 401. 1159 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 592. 1160 Heinrich Neumann (1873–1939) war Vorstand der I. Wiener HNO-Klinik (1919–1938). Er wurde 1938 verhaftet, enthoben und ging ins Exil (USA), s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 166. 1161 Hermann Marschik (1878–1969) war Primarius an der Wiener Poliklinik. Tragl Karl Heinz : Chronik, 314. 1162 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 656. 1163 Im 2. und 3. Stock des neu erbauten Verwaltungsgebäudes war ursprünglich eine „Krankenherberge“ geplant. Aufgrund der unbefriedigenden Unterbringung der bisherigen HNO-Klinik entschloss man sich, diese Räume jener Klinik zu widmen. Jetzt standen 42 Betten, ein kleiner Operationssaal und ein Hörsaal für 60 Studenten zur Verfügung, s. Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 402, s.a. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 163–168, hier : 166f.
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konnte wieder eine größere Zahl von HNO-Ärzten ausgebildet werden. Zur Habilitation kamen Wendeling Sprenger (1943) und Friedrich Prietzel (1943). An der Klinik arbeitete auch der Klinikvorstand nach dem Zweiten Weltkrieg, Ludwig Hörbst (Assistent 1931–1938).1164 Krainz war in der klinischen Forschung sehr engagiert. Neben klinischen Beobachtungen führte er histologische Untersuchungen und tierexperimentelle Arbeiten durch1165. Er starb 1943 im Alter von 48 Jahren.
3.7 Lehrkanzel und Klinik für Psychiatrie und Neurologie
Die Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie und Nervenpathologie, wie der Lehrstuhl bei der Erstbesetzung 1891 hieß, hatte mit den beiden frühen Berufungen (G. Anton und C. Mayer) jeweils eine überzeugende Wahl getroffen. Damals wurde – zweifellos durch das Wirken von Theodor v. Meynert, Maximilian Leidesdorf, Richard v. Krafft-Ebing, Julius v. Wagner-Jauregg u. a. – ein erster Höhepunkt der Psychiatrie und klinischen Neurobiologie in der Habsburgermonarchie erreicht1166. Dazu kam Sigmund Freud und sein Kreis mit der „Statuierung des … Unbewussten“1167. Es war sein Verdienst, in der psychoanalytischen Behandlungsmethode neue Formen „einer besonderen Arzt-Patienten-Beziehung“1168 zu entwickeln. 1164 Ludwig Hörbst hatte bis auf die Probevorlesung 1938 das Habilitationsverfahren abgeschlossen. Seine Habilitation wurde jedoch durch den Rektor sistiert. Hörbst wurde einberufen. Die Erteilung der Venia Legendi erfolgte am 20. 7. 1945, s. Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 402, s.a. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter (Hg.) : Die Medizinische Fakultät Innsbruck. Faschistisch Realität (1938) und Kontinuität unter postfaschistische Bedingungen (1945). Eine Dokumentation. (Typoskript Innsbruck 1999), 78–80. 1165 Krainz publizierte zahlreiche Arbeiten über die Pneumatisation und entzündliche Erkrankungen des Mastoids, beschrieb Entzündungsphasen bei der Mastoiditis, publizierte über die VigantolVergiftung, über bösartige Geschwülste des Kehlkopfes, der Speiseröhre und Nebenhöhlenerkrankungen. Die Krankheitszeichen der chronischen Tonsillitis beschrieb er mit dem Pathologen F. J. Lang, s. Hörbst Ludwig und Schlorhaufer Walter : Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 401f. 1166 Seitelberger Franz : Hirnforschung und Neurologie in Österreich im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, 375–437, hier : 390–400, 407–409, 414–418, 431–434. 1167 Seitelberger Franz : Hirnforschung und Neurologie in Österreich im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, 410–414, Zitat : 411. 1168 Schott Heinz u. Tölle Rainer : Geschichte der Psychiatrie, 124–134, Zitat 129.
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Noch stärker war jedoch der Einfluss Freuds auf das Kulturleben des 20. Jahrhunderts.1169 3.7.1 Zu den Entwicklungen der Wiener Medizinischen Schule mit Auswirkung auf Innsbruck Theodor Meynert1170 war ein bahnbrechender Forscher auf dem Gebiet der Neuroanatomie unter besonderer Berücksichtigung der Hirnforschung 1171. Meynert ging es nach G. Anton darum, die Geistesstörungen „nicht allein nur vom Standpunkte einer Irrenheilkunde zu betrachten, … (sondern) zu ihren Wurzeln vorzudringen …, nämlich (in) die Gehirnanatomie“.1172 1169 Schott Heinz u. Tölle Rainer : Geschichte der Psychiatrie, 125, s.a. Roudinesco Elisabeth u. Plon Michel : Wörterbuch der Psychoanalyse, Namen, Länder, Werke, Begriffe. Wien u.a. 2004, 299–310. 1170 Theodor Meynert (1833–1892) stammte aus Dresden. Seine Familie zog jedoch bereits 1841 nach Wien. Nach einer Gymnasialausbildung im Wiener Piaristengymnasium studierte er an der Universität Wien und promovierte zum Dr. med. 1861. Im Rahmen seiner medizinischen Ausbildung interessierte er sich besonders für die Anatomie des Gehirns – er hospitierte u.a. bei Carl Wedl (1815–1891), dem Professor für Histologie, mit einem Schwerpunkt Neuropathologie. Dabei ergab sich bald eine Zusammenarbeit mit seinem späteren Förderer, dem Pathologen Carl v. Rokitansky (1804–1878). Dies vermittelte Gustav Scheuthauer (1832–1894), Assistent bei Rokitansky und späterer Ordinarius für Pathologie in Budapest, ein Schwager von Meynert. Er habilitierte mit der Arbeit „Bau und Leistung des Gehirns und des Rückenmarks mit Beziehung auf deren Erkrankungen“ (1865). Meynert wurde Sekundararzt an der neuen Niederösterreichischen Landesirrenanstalt am Bründlfeld (1865–1866). Diese Landesirrenanstalt war nahe beim AKH gelegen. Meynert konnte seine Venia Legendi 1868 auf Psychiatrie erweitern und wurde 1870 zum ao. Professor der Psychiatrie ernannt. 1873 wurde er o. Professor. 1874 trat er jedoch wegen laufender Auseinandersetzungen mit dem Anstaltspsychiater Ludwig Schlager (1828–1885) zurück. Mithilfe von Rokitansky wurde Meynert 1874 nach Zürich berufen, um an der dortigen Irrenanstalt Burghölzli zu wirken. Bereits im folgenden Jahr konnte er jedoch an der für ihn gegründeten Zweiten Psychiatrischen Universitätsklinik in Wien eine Professur antreten. (An der Ersten Psychiatrischen Universitätsklinik folgte auf Meynert Maximilian Leidesdorf, 1818–1889.) Meynert scharte eine Anzahl hervorragender Mitarbeiter um sich, zu denen auch die späteren Innsbrucker Professoren Gabriel Anton und Carl Mayer gehörten. Weitere wichtige Schüler bzw. Kollegen waren Heinrich Obersteiner (1847–1922), Carl Wernicke, August Forel (1848–1931), Wilhelm v. Waldeyer-Hartz (1836–1921) u.a. Meynert konnte insgesamt die damalige österreichische universitäre Psychiatrie mit dem Schwerpunkt Hirnforschung etablieren, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 177 u. 373–381, Seitelberger Franz. Hirnforschung und Neurologie, 390–397, s.a. Tragl Karl Heinz : Chronik, 79–82, Tshisuaka, Barbara I.: Meynert, Theodor Hermann. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 985. 1171 Seitelberger Franz : Hirnforschung und Neurologie in Österreich im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert. In : Acham Karl (Hg.), Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, Wien 2001, 375–437, hier : 390–400, und Seitelbeger Franz : Theodor Meynert (1833–1892), Pioneer and Visionary of Brain Research. Journal of the Neurosciences, Vol. 6 (3), 1997, 264–274. 1172 Anton H.: Theodor Meynert : Seine Person, sein Wirken und sein Werk. Eine fachgeschichtliche Studie. In : Journal für Psychologie und Neurologie, Bd. 49, 1930, 256–281, Zitat : 267.
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Meynert leitete die I. Wiener Klinik für Psychiatrie und Nervenpathologie, später Neurologie, 1870 bis 1874 und die entsprechende II. Klinik 1875–18921173. Dabei war er – trotz seiner Aufgaben als gleichzeitiger Leiter einer Klinik mit etwa 2000 Aufnahmen pro Jahr und als Prosektor der NÖ. Irrenanstalt – ein innovativer Forscher.1174 Meynert und seiner Schule standen Kliniker gegenüber, die – im Sinne der Schulen von Wilhelm Griesinger1175 – sich besonders um eine Integration pflegerischer Institutionen in den universitären Klinikbetrieb bemüht haben. Es sind dies beispielhaft Maximilian Leidesdorf, Richard Frhr. v. Krafft-Ebing u. a. Maximilian Leidesdorf 1176 kann als eigentlicher Begründer des patientenorientierten klinisch-psychiatrischen Unterrichts – im Sinne von W. Griesinger 1177 – im damaligen Österreich bezeichnet werden1178. Maximilian Leidesdorf (1816–1889), der an mehreren oberitalienischen Universitäten Medizin studiert hatte, in Bonn promovierte (1845) und sich zunehmend an der Schule von W. Griesinger orientierte1179, wirkte nach seiner Tätigkeit als leitender Irrenarzt in St. Petersburg (1848–1852). Nach Wien zurückgekehrt, habilitierte er 1856 und übernahm zusammen mit Benedikt Obersteiner1180 die Privatheilanstalt in Wien/Oberdöbling (ab 1850 Mitbesitzer, ab 1860 Leitung). Diese Einrichtung war eine „berühmte Heilanstalt … (die sich) zu einer humanitären Musteranstalt“1181 1173 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 678f. 1174 Meynert betrieb – mit seinen Schülern – vergleichende gehirnanatomische Studien vom verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata) bis hinauf zur Großhirnrinde. Dabei ging es ihm besonders um Vergleichsuntersuchungen makroskopischer und mikroskopischer Art vom menschlichen Fötus über kindliche bis Erwachsenengehirne. Weiters ging es ihm um Vergleiche von Ergebnissen beim Normalen und unter pathologischen Bedingungen, aber auch um phylogenetische Studien. Eine vordringliche Aufgabe von Meynert war es, zwischen dem Hirnmantel und dem Hirnstamm Verbindungssysteme darzustellen. Er beschrieb zum Großhirn aufsteigende, sensible Faserzüge (für die Sinneswahrnehmung bestimmt) und vom ins Rückenmark absteigende motorische Bahnen (für die willkürlichen Bewegungen etc.). Er postulierte dabei auch eine regulative Kontrolle des Großhirns über die tieferen Hirnanteile und forderte – in Anlehnung u. a. an den Philosophen J. F. Herbart (1776–1841) – Hemmungsmechanismen der Hirntätigkeit, s. Anton G.: Meynert, 260–269, und Seitelberger F., Meynert, 393–400. 1175 Schmiedebach Heinz-Peter : Griesinger Wilhelm (1817–1868). In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 510f. 1176 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 184–186 und Tragl Karl Heinz : Chronik, 316. 1177 Schmiedebach Heinz-Peter : Griesinger Wilhelm. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 510f. 1178 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 185f. 1179 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 184–186, hier : 185. 1180 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 184–186, hier : 185. 1181 Schönbauer Leopold : Das Medizinische Wien. Geschichte/Werden/Würdigung. Berlin u.a. 1944, 345 (Zitat).
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entwickelte. Leidesdorf leitete auch (1872–1875) das „Beobachtungszimmer für des Irreseins verdächtige Personen“1182 im Allgemeinen Krankenhaus und wurde – in der Nachfolge von Meynert – Vorstand der (I.) Psychiatrischen Klinik „Am Bründl feld“ (1875–1889). Daneben wirkte er als Psychiater an der Wiener Poliklinik1183 (ab 1872). Von ihm stammt das „Lehrbuch der psychischen Krankheiten“ (21865)1184. Mit Heinrich Obersteiner, dem Sohn von Benedikt (s. o.), teilte er sich auch die Leitung von Oberdöbling1185. Leidesdorf war ein „hervorragender Kliniker und ein ebenso hervorragender Lehrer“1186, der seine Schüler dazu anhielt, „die Geisteskranken selbst kennenzulernen …“1187, und ihnen die Fähigkeit vermittelte, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Richard Frhr. v. Krafft-Ebing1188 stammte aus Mannheim. Nach einem Studium in Heidelberg und Zürich, u.a. beim erwähnten Wilhelm Griesinger1189, promovierte er in Heidelberg (1863). Nach dem Studium hospitierte R. Krafft-Ebing u. a. in Wien, wo er den Pathologen Carl v. Rokitansky sowie die Internisten Joseph Skoda1190 und Johann v. Oppolzer 1191 kennenlernte. Es folgte eine Tätigkeit als Anstaltsarzt in der bekannten Badischen Irrenanstalt Illenau (1864–1868).1192 Dort publizierte er über „Erkenntnis 1182 Tragl Karl Heinz : Chronik, 80. 1183 Tragl Karl Heinz : Chronik, 316. 1184 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 185. 1185 Diese Heilanstalt in Oberdöbling hatte Leidesdorf 1860 gemeinsam mit Benedikt Obersteiner übernommen. Benedikt Obersteiner war der Vater des bekannten Hirnforschers Heinrich Obersteiner (1847–1922). Heinrich Obersteiner übernahm die Mitleiterschaft 1872 von seinem Vater, s. Schönbauer Leopold : Das Medizinische Wien. Geschichte/Werden/Würdigung. Berlin u.a. 1944, 345, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 79f. 1186 Tragl Karl Heinz : Chronik, 80. 1187 Schönbauer Leopold : Das Medizinische Wien, 345. 1188 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 381–386, Tshisuaka Barbara I.: Krafft-Ebing Frhr. v. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 789, s.a. Tragl Karl Heinz : Chronik, 80, u. Johnston William M.: Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte, 239 – 242). 1189 Schmiedebach Heinz-Peter : Griesinger Wilhelm : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 510f., s.a. Eulner Hans-Heinz : Medizinische Spezialfächer, 260, 671, 679. Griesinger war u.a. ab 1843 bei C. A. Wunderlich Assistenzarzt in Tübingen und habilitierte sich dort. Vorübergehend auch in Kairo wirkend, wurde er 1854 Professor der Medizinischen Klinik in Tübingen. Es folgten eine Professur an der Medizinischen Klinik bzw. der Irrenanstalt in Zürich (1860–1865) und in Berlin (1865–1868). 1190 Tragl Karl Heinz : Chronik, 62f. 1191 Tragl Karl Heinz : Chronik, 67. 1192 Schott Heinz u. Tölle Rainer : Geschichte der Psychiatrie, 259–263 u. 553f. (FN 258), hier : 260f., s.a. Seidler Eduard u. Leven Karl-Heinz : Medizinische Fakultät, 253f. Krafft-Ebing war mit dem langjährigen Leiter von Illenau, Roller, befreundet. Roller hatte 1842 die Illenau eröffnet. Roller
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zweifelhafter Seelenzustände“ (1867). Anschließend war er als selbstständig praktizierender Nervenarzt in Baden-Baden tätig. Nach einer Berufung als ao. Professor an die Universität Straßburg (1872) folgte Krafft-Ebing dem Angebot, in Graz Direktor an der Landesirrenanstalt Am Feldhof zu werden (1872, Eröffnung 1874).1193 1873 nahm er die Berufung zum Professor für Psychiatrie in Graz an.1194 In der Nachfolge von Leidesdorf wurde Krafft-Ebing in Wien Vorstand der I. Psychiatrischen Klinik (1889–1892) und dann – nach Meynert – Direktor der II. Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik (1892–1902).1195 Krafft-Ebing gelang in Wien „die Synthese zwischen der … Anstaltspsychiatrie und der … forschenden Universitätspsychiatrie“1196. Krafft-Ebing sah – ganz im Gegensatz zu Meynert – die theoretischen Fächer (Hirnanatomie, Experimentelle Pathologie, Physiologie etc.) nur als „Hilfswissenschaften“1197 der Psychiatrie und Nervenpathologie. Im Vordergrund seiner klinischen Tätigkeit standen die Beschreibung und Kenntnis abnormer Verhaltensweisen, die es zu beobachten galt, die man jedoch vielfach nicht erklären konnte. Die Sichtweise von Krafft-Ebing in den fachlichen Schwerpunkten zeigt dessen Vorlesungstätigkeit in Straßburg (1872–1873). Er las dort „Allgemeine Psychiatrie“, „Psychiatrische Klinik“, „Criminalpsychologie“ und hielt einen „Cursus der Elektrotherapie“ ab.1198
kämpfte im Weiteren gegen den psychiatrischen Unterricht in Anstalten, um den Patienten ihre Ruhe zu gewähren. 1193 Acham Karl : Naturwissenschaft, Medizin und Technik, aus Graz, 361–363, s.a. Griessenböck Angela : Die „Landesirrenanstalt Hall in Tirol“, eine vergleichende Darstellung mit der „Landesirrenanstalt Feldhof bei Graz“ (Zeitraum 1830–1912). In : Wazka Carlos u. Chahrour Marcel (Hg.) : Vor Freud. Therapeutik der Seele vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Wien 2008, 89–108, hier : 92f. 1194 Die Tätigkeit Am Feldhof gab er dann zugunsten einer privaten Anstalt, dem Sanatorium Maria grün, auf (1886). Berner Wolfgang, Krafft-Ebing Fh v. Richard und seine Bedeutung für die moderne Sexualwissenschaft. In : Acham Carl (Hg.) Naturwissenschaft, 397–408, hier : 399f. 1195 Tragl Karl Heinz : Chronik, 81, hier eine übersichtliche Darstellung der beiden Kliniken. Die I. Psychiatrie, gegründet 1870, war im Bründlfeld lokalisiert, die II. Psychiatrische Klinik im Areal des damaligen Allgemeinen Krankenhauses (Gründung 1875). Mit Julius Wagner-Jauregg wurde die I. Psychiatrische Klinik dann zur Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik umbenannt und die II. Psychiatrische Klinik aufgelassen, da Wagner-Jauregg in die Klinik I übersiedelte. 1196 Czeike Felix (Hg.) : Historisches Lexikon der Stadt Wien, Bd. 3, Wien 1994, 586. 1197 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 384. 1198 Eulner Hans-Heinz : Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 273f.
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Aus seiner Grazer und Wiener Zeit stammten Publikationen zur Lehre in der Psychiatrie1199, der Forensischen Psychiatrie1200 und die – umstrittene – Schrift über das abnorme Sexualverhalten.1201 Dies traf besonders auch für seine weiteren Schwerpunkte zu, nämlich Beiträge zur Forensischen Psychiatrie („Lehrbuch der gerichtlichen Psychopathologie“, Stuttgart 1875 u. a.)1202, und das abnorme Sexualverhalten („Psychopathia sexualis“ Stuttgart 1886).1203 In der Klinik und Lehre ist es Meynert und Krafft-Ebing gelungen, die Zusammenführung der Psychiatrie und (frühen) Neurologie zu erreichen. Dies wurde damals erreicht, obwohl es sich – nicht nur wissenschaftstheoretisch gesehen – bekanntlich um sehr ungleiche Disziplinen handelt. Das Doppelfach sei – so die damals weitverbreitete Meinung1204 – „durch den empirischen Befund des gemeinsamen Funktionsträgers Gehirn“1205 hinreichend begründet. 1903 kam es dann in der Habsburgermonarchie zur Anerkennung der Psychiatrie und Neuropathologie als gemeinsames obligatorisches Prüfungsfach.1206 Der Vergleich von Meynert mit Krafft-Ebing macht den Wandel des Faches Psychiatrie deutlich. Für Meynert war die Psychiatrie und Neuropathologie vor allem eine Wissenschaft von „Bau und Leistung des Gehirnes und Rückenmarkes mit Beziehung auf deren Erkrankungen“1207. Krafft-Ebing ging dagegen davon aus, dass die Psychiatrie eine Phänomene beobachtende und beschreibende Fachrichtung ist, erklärbar sei vieles nicht.1208 Dem Studierenden möge der Kranke – noch 1199 Krafft-Ebing Richard von : „Lehrbuch der Psychiatrie“ (Stuttgart 61897) u. „Der klinische Unterricht in Psychiatrie. Eine Studie“ (Stuttgart 1890). 1200 Krafft-Ebing Richard von : „Grundzüge der Criminalpsychologie auf Grundlage des Strafgesetzbuchs des deutschen Reichs für Aerzte und Juristen“ (Erlangen 1872). 1201 Krafft-Ebing Richard von : „Psychopathia sexualis, eine klinisch-forensische Studie“ (Stuttgart 1886). 1202 Tsishuaka Barbara I.: Krafft-Ebing, Richard Frhr. v.: Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 789. 1203 Johnston William M.: Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte, 240–242. In seiner Psychopathia sexualis (Stuttgart 1886) schrieb er u.a. über den Masochismus als Pendant zum Sadismus. 1204 Schott Heinz u. Tölle R.: Geschichte der Psychiatrie, 89–93, s.a. Seitelberger Franz : Hirnforschung und Neurologie. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, 410f. 1205 Dort auch eine ausführliche Diskussion der Vorteile dieser „Verklammerung“, wobei auch auf die durchaus vorteilhafte Vereinigung von Neurologie und Innerer Medizin verwiesen wird. In Wien war ein Beispiel dafür Hermann Nothnagel (1841–1905), Vorstand der I. Medizinischen Klinik (1882–1905), s. Seitelberger, F.: Hirnforschung, 409–411, Zitat : 411. 1206 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 383. 1207 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 384. 1208 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 383.
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vorwiegend als der Irre bezeichnet – in seiner vielschichtigen Persönlichkeit nahegebracht und von ihm in seiner Behinderung erkannt werden.1209 In der Nachfolge von Leidesdorf und Krafft-Ebing wirkte Julius Wagner v. Jau regg.1210 Dieser langjährige Professor für Psychiatrie und Neurologie hat die Wiener Kliniken 1887–1889 und von 1893–1928 geprägt und war zwischendurch auch Klinikvorstand in Graz. Zu Ende seiner Laufbahn erhielt er für sein Konzept der Fiebertherapie den Nobelpreis für Medizin (1927). Wagner-Jauregg, der „internistisch dachte“1211, befasste sich einerseits mit Störungen der Schilddrüsenfunktion mit besonderer Hinwendung zum Kretinismus. Wagner-Jauregg hatte sich bereits während seiner (Hilfs-)Assistentenzeit (bis 1883) beim experimentellen Pathologen S. Stricker mit Problemen der Schilddrüse auseinandergesetzt. Dies betraf das Auftreten von Tetanien nach Schilddrüsenentfernung. Später arbeitete er über Erfolge der Kropfprophylaxe durch Gabe von jodiertem Kochsalz u. a. Ein wichtiges Forschungsthema war weiter insbesondere der Kretinismus (angeborene Entwicklungsstörungen als Folge eines Schilddrüsenmangels)1212 und dessen Behandlung mit Jod und Schilddrüsenextrakten. Wagner-Jaureggs Hauptforschungsrichtung war der Einfluss fieberhafter Erkrankungen auf schwere psychiatrische und neurologische Erkrankungen (mit besonde-
1209 Nicht sollte der Eindruck entstehen, dass nicht Meynert auch die persönliche Zuwendung zum Geisteskranken als Anliegen vertreten hatte. Meynert vertrat jedenfalls „ein beeindruckendes human-ethisches Bekenntnis zur … Empathie und (zur) sozialen Brüderlichkeit“, s. Seitelberger F.: Hirnforschung, 398–400, Zitat : 399. 1210 Julius Wagner v. Jauregg (1857–1940) war zunächst (Hilfs-)Assistent am Institut für Allgemeine und Experimentelle Pathologie bei Salomon Stricker. Seit 1883 war er bei M. Leidesdorf auf der I. Wiener Psychiatrischen Klinik (an der niederösterreichischen Landesirrenanstalt) tätig. 1885 habilitierte Wagner-Jauregg für Neurologie. Die Habilitation für Psychiatrie erfolgte 1888. Die supplierende Leitung der Psychiatrie I hatte er 1887–1889 wegen der Erkrankung von Leidesdorf inne. Als Krafft-Ebing die Leitung der Psychiatrie I in Wien übernahm, folgte Wagner-Jauregg einem Ruf an die Psychiatrie nach Graz (1889). Nach Wien kehrte er als Vorstand der Psychiatrischen Klinik I (1893) zurück. 1902 folgte seine Berufung in der Nachfolge von Richard Krafft-Ebing als Direktor der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik II. 1927 erhielt er den Nobelpreis für Medizin. 1929 emeritierte Wagner-Jauregg. Er hinterließ eine große Zahl hervorragender Schüler, nämlich Erwin Stransky, Otto Kauders, Constantin von Economo, Alexander Pilcz, Otto Pötzl, Hans Hoff u.a., s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 136f., u. Seitelberger F.: Hirnforschung, 414–418, u. Smekal Ferdinand G.: Julius Wagner-Jauregg : In : Smekal Ferdinand G.: Österreichs Nobelpreisträger, Wien, 1969, 77–88. 1211 Seitelberger F.: Hirnforschung, 414f., das Zitat stammt von seinem Schüler und Nachfolger Otto Pötzl. 1212 Seitelberger F.: Hirnforschung, 415, s.a. Wagner-Jauregg Julius : Vorläufiger Bericht über Erfolge der Kropfprophylaxe, Wi Kli Wo Bd. 41, Wien 1928, 833–835.
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rer Berücksichtigung der Progressiven Paralyse1213). Darin sah er einen neuen Weg, die „lähmende therapeutische Passivität“1214 in der Psychiatrie zu überwinden (ab 1887). Wagner-Jauregg wurde dadurch zu einem Vorläufer der „biologischen Psychiatrie“.1215 Nach Sicherung der Diagnose einer Neurolues bei progressiver Paralyse erfolgte dabei die Übertragung einer Malaria tertiana durch Blut eines Malariakranken. Nach im Durchschnitt 1–3 Wochen traten nach erfolgreicher Überimpfung die typischen Fieberschübe auf. „Wenn die gewünschte Zahl von Fieberschüben erreicht ist“1216, wird die Malaria durch Chiningaben gestoppt. Wagner-Jauregg berichtet dazu, dass in Frühfällen der Neurolues in 83 % eine weitgehende Remission erreicht wurde.1217 Dabei stützte man sich v. a. auf die (modifizierte) WassermannReaktion an Liquorproben. Schließlich war es das Verdienst Wagner von Jauregg, die forensisch-psychiatrische Gutachtertätigkeit in hervorragender Weise weiterentwickelt zu haben1218. Erwähnenswert sind auch seine Beiträge zur Neuroseforschung in Zusammenhang mit den Kriegsereignissen.1219 Die Wertschätzung für Wagner-Jauregg war nach Schönbauer ganz außerordentlich.1220 Das Konzept einer Heilung von Nervenkrankheiten, durch spontane oder indizierte somatische Erkrankungen erhielt durch Wagner-Jauregg eine empirische Evidenz.1221
1213 Schott Heinz u. Tölle Rainer : Geschichte der Psychiatrie, 80f. 1214 Seitelberger F.: Hirnforschung, 416–418, Zitat : 417. 1215 Wagner-Jauregg experimentierte mit der Verabreichung von Tuberkulin, Typhusbakterien u.a. Einen Durchbruch sah er durch die Applikation von Malaria tertiana in der Behandlung der progressiven Paralyse als Form der tertiären Lues/Syphilis, s. Seitelberger : Hirnforschung, 417, u. Gerabek Werner E.: Wagner von Jauregg, Julius. In : Enzyklopädie Medizingeschichte Bd. 3, 1463. 1216 Wagner-Jauregg Julius : WiKliWo, Bd. 41, Wien 1928, 673. 1217 Wagner-Jauregg Julius : WiKliWo, Bd. 41, Wien 1928, 673. Hingewiesen wird in diesem Referat, dass die Kur „mit gewissen Gefahren“ verbunden ist. Bei geschwächten Patienten könnten bestenfalls vier Fieberanfälle toleriert werden. 1218 Dazu hatte bereits der erwähnte R. Krafft-Ebing wesentliche Vorarbeiten geleistet, s. Seitelberger : Hirnforschung, 417. 1219 Wagner-Jauregg Julius : Kriegsneurologisches und Kriegspsychiatrisches, Wiener medizinische Wochenschrift, Bd. 68 (Wien 1918), 1878–1884, s.a. Schott Heinz u. Tölle Rainer : Geschichte der Psychiatrie, 368–379, hier : 374 (Posttraumatische Störungen). 1220 Schönbauer Leopold : Das medizinische Wien, 346–350, Zitat : 350. Wagner-Jauregg gehörte zu den größten Medizinern Wiens. 1221 „Großen Erfolg hatte die Malariabehandlung bei Progressiver Paralyse. Die Fiebertherapie wurde noch bis in die 1960er-Jahre bei schizophrenen und depressiven Psychosen angewandt, die anders nicht beeinflussbar waren. Hiezu wurde ein Präparat von Eiweißstoffen, die aus Coli-Bakterien gewonnen waren, benutzt.“, Schott Heinz u. Tölle Rainer : Geschichte der Psychiatrie, 482.
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Zeitlich parallel zu Wagner-Jauregg wirkte Sigmund Freud.1222 Nach Verlassen des Wiener Physiologischen Institutes, wo er 1876–1882 unter Ernst Wilhelm Brücke gearbeitet hatte, ging Freud zunächst in das Wiener Allgemeine Krankenhaus zum oben erwähnten Meynert und zum Internisten/Neurologen Nothnagel.1223 Freud setzte seinen Weg als Wissenschaftler und frei praktizierender Psychotherapeut (ab 1886) weitgehend außerhalb der Universitäten fort. Bei seiner epochemachenden „Statuierung des … Unbewussten“1224 beschäftigte er sich zunächst mit der Hypnose von PatientInnen mit Hysterie.1225 Freud führte seine Befassung mit der Hypnose und die Anstöße zur Psychoanalyse übrigens auf Joseph Breue r 1226 zurück, der ebenfalls ein Schüler von Ernst Wilhelm Brücke war1227. Ein weiterer Schritt zur Entwicklung der Psychoanalyse war das vom Therapeuten begleitete „Konzept der freien Assoziation“.1228 Hier ist nicht der Rahmen, auf die epochemachende Wirkung von Sigmund Freud ausführlicher einzugehen. Sein Weg führte über die „kathartische Methode“1229 und die Entwicklung der „freien Assoziation“1230 zur Vollentwicklung der Psychoanalyse.1231 Die Stärke der damaligen Wiener Medizinischen Schule lag jedoch besonders auch in der neurobiologischen Forschung.1232 Hingewiesen sei hier auf die Namen Heinrich Obersteiner 1233 und Constantin Economo v. San Serff.1234 1222 Seitelberger F.: Hirnforschung, 411–414, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 395–401. 1223 Tshisuaka Barbara I.: Nothnagel, Hermann. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 1057. 1224 Seitelberger F.: Hirnforschung, 411. 1225 Freud hielt sich im Rahmen einer Studienreise nach Paris bei Jean-Martin Charcot auf (1885/86). Er ging 1889 zu H. M. Bernheim nach Nancy. Freud übersetzte Bücher dieser beiden Autoren mit entsprechenden Kommentaren ins Deutsche, s. Siefert Helmut : Hysterie. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 650, u. Siefert Helmut : Freud, Sigmund. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 439. 1226 Gerabek Werner E.: Breuer, Josef. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 209. 1227 „Wenn es ein Verdienst ist, die Psychoanalyse ins Leben gerufen zu haben, so ist es nicht mein Verdienst. Ich … war ein Student, als ein anderer Wiener Arzt, Dr. Joseph Breuer, dieses Verfahren zuerst bei einem hysterisch erkrankten Mädchen anwendete.“ S. Freud Sigmund : Fünf Vorlesungen über Psychoanalyse. Leipzig, Wien 31916, zitiert bei : Tuppy Hans : Physiologie und Biochemie 1820–1930. In : Acham Karl (Hg.) : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, 256–259, hier : 258. 1228 Tragl Karl Heinz : Chronik, 95 (Zitat), s.a. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 400. 1229 Laier Michael : Psychoanalyse. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1193–1195, Zitat : 1194. 1230 Laier Michael : Psychoanalyse. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1193–1195, Zitat : 1194. 1231 Schlüsselarbeiten aus dieser Zeit waren „Die Abwehr-Neuropsychosen“ (1894), „Zur Ätiologie der Hysterie“ (1896), „Die Sexualität in der Ätiologie der Neurosen“ (1898) sowie „Die Traumdeutung“ (1900), s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 400. 1232 Heute als Neurosciences umfassender ausgedrückt, s. Seitelberger : Hirnforschung, passim, Zitat : 375. 1233 Seitelberger Franz : Hirnforschung, 401–407. 1234 Seitelberger Franz : Hirnforschung, 418–425.
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Obersteiner war Gründer des Wiener Neurologischen Institutes (seit 1882), das er zu einem wichtigen Teil durch eigenen Mittel finanzierte.1235 Economo, aus einer wohlhabenden griechischen Adelsfamilie stammend, kam über Triest nach Wien (1893). Er war u. a. Assistent bei Wagner-Jauregg und sah seinen Forschungsschwerpunkt in der „Cytoarchitektonik der Hirnrinde“.1236 Er war Erstbeschreiber der Encephalitis lethargica mit ev. Verhaltensstörungen („Schlafsucht“1237) und Folgezuständen („postenzephalitischer Parkinsonismus“1238). Er war Initiator eines Hirnforschungsinstitutes an der Klinik Wagner von Jauregg, das neben dem erwähnten Neurologischen Institut eine bedeutende Forschungsstätte war.1239 Zusammenfassend waren die Wiener Einrichtungen in Patientenbetreuung und neurobiologischer Forschung im 19. und der hier behandelten Periode des 20. Jahrhunderts herausragend.1240 Die Entwicklung an den österreichischen Landesuniversitäten Graz und Innsbruck verlief dagegen „etwas verzögert“1241. 3.7.2 Die Berufungen in Innsbruck Vor Errichtung einer Professur für Psychiatrie und Nervenpathologie wurden an der Landesirrenanstalt in Hall in Tirol psychiatrische Vorlesungen gehalten. In Hall in Tirol, also in naher Nachbarschaft zu Innsbruck, war 1830 eine Irrenanstalt eröffnet worden, die den damaligen Vorstellungen der Betreuung von „Irren“ im Wesentlichen entsprechen konnte. Vorteile und Grenzen dieser Institution sind ausführlich dokumentiert.1242
1235 „Nicht nur die Gründung des Institutes, sondern auch dessen wesentliche Einrichtung und laufende Kosten sowie nicht zuletzt seine bauliche Gestaltung“ sind dem Mäzenatentum Obersteiners zu danken. Seitelberger Franz : Hirnforschung, 401–407, Zitat : 403. 1236 Economo C. v. u. Koskinas G. M.: Die Cytoarchitektonik der Hirnrinde des erwachsenen Menschen (Berlin 1925). 1237 Im Rahmen dieser Untersuchungen konnte er das „Schlafsteuerungszentrum“ 1929 identifizieren. Seitelberger Franz : Hirnforschung, 421–423, Zitat : 422. 1238 Seitelberger Franz : Hirnforschung, 422. 1239 Das Institut wurde 1931 eröffnet, Economo überlebte diese Gründung jedoch nur um ein halbes Jahr, s. Seitelberger Franz : Hirnforschung, 424. 1240 Seitelberger Franz : Hirnforschung, 427–431. 1241 Seitelberger Franz : Hirnforschung, 431–4434, Zitat : 431. 1242 Redinger Thomas : Zur Geschichte der psychiatrischen Disziplin : Die „Irrenanstalt“ von Hall in Tirol (1830–1882), Diplomarbeit am Institut für Geschichte der Univ. Innsbruck 1998, u. Griessenböck Angela : Die „Landes-Irrenanstalt Hall in Tirol“ (1830–1913) – dargestellt im Vergleich mit der „Landes-Irrenanstalt Feldhof bei Graz“. In : Tagungsband der „Wiener Gespräche zur Sozialgeschichte der Medizin“, Wien 2008, 89–108.
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Die ersten Vorlesungen für Medizinstudenten wurden an der Landesirrenanstalt organisiert1243. Zu nennen sind als Vortragende Josef Stolz, Direktor der Anstalt, der 1871–1876 Psychiatrieunterricht erteilte. Es folgte Fridolin Schlangenhausen, der 1878 habilitierte und erster Assistent an der Irrenanstalt war (Vorlesungen 1878– 1882 ?)1244. Zusätzlich las auch Franz Schnopfhagen, Privatdozent und nach einer Assistententätigkeit am Innsbrucker Pathologischen Institut 1880 zum Primararzt an der Irrenanstalt Niedernhart ernannt (Vorlesungstätigkeit 1878–1886). Bis zur Ernennung von Gabriel Anton (1891) fehlten dann regelmäßige Psychiatrievorlesungen.1245 a) Der erste Professor für Psychiatrie und Nervenpathologie1246 war Gabriel Anton, ao. Professor in Innsbruck 1891–18941247. Er ging dann – in der Nachfolge von Julius v. Wagner-Jauregg (1857–1940)1248 – nach Graz (1894–1905)1249 und schließlich – nach Carl Wernicke (1848–1905)1250 – nach Halle/Saale. Dort wirkte Anton 1905–1926.1251 Ursprünglich war Gabriel Anton Schüler und dann Freund von Theodor Meynert 1252. Im damaligen Wien des Fin de Siècle war die Einbeziehung dieser engsten Mitarbeiter Meynerts, nämlich G. Anton und C. Mayer – beide später Innsbruck –, auch ins persönliche Leben der Familie gang und gäbe.1253 Dabei war Meynert eine „seltsame Mischung von Künstler und Naturforscher“1254, der sogar seine Wohnung in eine Forschungsstätte für seine Mitarbeiter umfunktionierte.1255
1243 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 675. 1244 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 675. 1245 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 675. 1246 Festschrift, 234f. 1247 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 413–438, hier : 415f. 1248 Gerabek Werner E.: Wagner von Jauregg, Julius. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1463. 1249 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 674. 1250 Lancik Mario : Wernicke, Carl. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1474. 1251 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 674. 1252 Seitelberger Franz : Theodor Meynert (1833–1892). Pioneer and Visionary of Brain Research. J. Hist. Neuroscience, Bd. 6, Nr. 3, 1997, 264–274. 1253 Stockert-Meynert Dora v.: Theodor Meynert und seine Zeit. Wien u.a. 1930, 208. 1254 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 373. 1255 Stockert-Meynert Dora v.: Theodor Meynert, 44–49, Zitat 44. Stockert-Meynert spricht von „Papas Laboratorium“, wo neben G. Anton, August Forel, Carl Wernicke und Franz Schnopfhagen tätig waren.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Gabriel Anton (1858–1933) stammte aus Saaz/Böhmen am Südrand des Erzgebirges. Er studierte und promovierte in Prag (dort war er auch Schüler von Ernst Mach1256). Nach einer kurzen internistischen Ausbildung bei Richard Přibram, Vorstand der II. Prager Medizinischen Universitätsklinik, arbeitete er zunächst in der böhmischen Landesirrenanstalt Dobrzan1257. Er war Assistent von Arnold Pick (1841–1924), der als frisch ernannter Ordinarius für Psychiatrie an der Prager Klinik wirkte (1886–1921)1258. Anschließend ging Anton 1887 nach Wien zu Meynert.1259 1260 Anton, ein universeller Geist1261, lehrte in Innsbruck nur wenige Semes1260 Abb. 98 : Gabriel Anton (1858–1939) ter (1891–1894). Unter außerordentlich beengten Verhältnissen (Raumnot) arbeitend, hinterließ er ein beachtliches wissenschaftliches Œuvre1262. Sein Hauptinteresse galt der Großhirnpathologie und ihren Folgen für die Klinik sowie der Frage der Bewusstseinsbildung als morphologisch-physiologischer Feedback-Mechanismus1263. Dabei widmete er sich v. a. Fragen der Korrelation von klinisch-anatomischen Befunden und ihrer neurologischen Lokalisation mit ihren Rückwirkungen auf das psychische Verhalten. Dies betraf z. B. den zerebralen Balkenmangel und das „Anton’sche Symptom“.1264 1256 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 533–535. 1257 Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 184–191, hier 188. 1258 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 678, s.a. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 187f. 1259 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 373–378. 1260 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 114. 1261 Ganner Hans : Lehrkanzel und Klinik für Psychiatrie und Neurologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 415f. 1262 Ganner Hans : Lehrkanzel und Klinik für Psychiatrie und Neurologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 415f. 1263 Springer Alfred, Springer-Kremser Marianne : Sigmund Freud, Psychoanalysis and the Viennese Psychiatric School. In : Wolpert Eugen M., et al.: Images in Psychiatry, Heidelberg 2006, 306. 1264 Seitelberger Franz : Hirnforschung, 375–437, hier : 433, u. Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für
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Jedenfalls ging man davon aus, dass psychische Störungen gehirnanatomisch fassbaren Veränderungen nicht nur zugrunde liegen, sondern auch morphologisch nachweisbar wären. In der Nachfolge von Meynert verfasste er mit seinem Mitarbeiter Hermann Zingerle eine Monografie über „Bau, Leistung und Erkrankung des Stirnhirns“.1265 Er veröffentlichte auch eine Reihe psychiatrischer Arbeiten. Dies jedoch v. a. in seiner späteren Grazer und Halle’schen Zeit. Anton übernahm – nach seiner Grazer Tätigkeit (1894–1905) – die Leitung der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik in Halle an der Saale (1905– 1926).1266 Er war dort Nachfolger von Carl Wernicke (1848–1905). Wernicke war übrigens – wie erwähnt – mit Meynert und auch Anton fachlich sehr verbunden.1267 Beide wie auch C. Mayer gehörten zu den engsten Schülern von Meynert.1268 Aus der Zeit von G. Anton in Graz und Halle stammen u. a. pädiatrisch/sozialpsychiatrische Arbeiten. Er bemühte sich auch organisatorisch um die Errichtung von Beratungsstellen zur Unterstützung verhaltensgestörter Kinder.1269 b) Eine über 40-jährige Innsbrucker Tätigkeit entfaltete Carl Mayer, Professor und Klinikvorstand 1894–1934.1270 Er war ebenfalls – wie erwähnt – ein Schüler und Freund von Meynert, mit dem er bis zu dessen Tod zusammenarbeitete.1271 C. Mayer kam jedoch auch aus der Schule von Hermann Nothnagel1272, Wiener Vorstand der Klinik für Innere Medizin I und Forscher auf neurologischem Gebiet. Eine kollegiale Zusammenarbeit verband ihn mit Richard v. Krafft-Ebing und Wagner-Jauregg. Carl Mayer (1862–1936) stammte aus Wien und promovierte dort 1886. Anschließend absolvierte er die erwähnte internistische Ausbildung bei Hermann Nothnagel, Psychiatrie und Neurologie. 415f. Das Anton’sche Symptom äußert sich in der fehlenden Wahrnehmung einer eigenen Blind- oder Taubheit. 1265 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie. 415. 1266 Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 674. 1267 Seitelberger, Franz : Hirnforschung, 396f. Das Syndrom der sensorischen Aphasie als Verlust des Sprachverständnisses wurde von Meynert 1866 erkannt. C. Wernicke hat es 1874 in klassischer Weise beschrieben, s.a. Lanczik Mario : Wernicke-Aphasie. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1475. 1268 Stockert-Meynert Dora v.: Theodor Meynert, 46 u. 144, u. Seitelberger Franz : Hirnforschung, 391f. Zu den bedeutendsten Schülern von Th. Meynert gehörten neben G. Anton H. H. Grasney (1839–1914), Obersteiner (1847–1922), Wernicke (1848–1904), C. A. Forell (1848–1937), C. Mayer (1862–1936), F. Chvostek (1864–1944) u. a. 1269 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 415. 1270 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 416–426. 1271 Schönbauer, Leopold : Das Medizinische Wien, Berlin u. Wien 1944, 341–344. 1272 Seitelberger Franz : Hirnforschung, 409f., u. 433, s.a. Tshisuaka Barbara I.: Nothnagel Hermann. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 1057.
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
Vorstand der I. Medizinischen Universitätsklinik (1882–1905)1273. Er wirkte dann als Mitarbeiter von Meynert bis zu dessen Tod (1892). Anschließend habilitierte er 1893 und leitete „die verwaiste Klinik“.1274 Bereits im Jahr nach seiner Habilitation wurde er nach Innsbruck berufen.1275 1276 Dem Zug der Zeit entsprechend1277 war Mayers Wirken in Innsbruck sowohl neurologisch als auch psychiatrisch geprägt. Dies kam bereits in seiner Antrittsvorlesung zum Ausdruck1278. Er verfasste bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiet kombinierter Systemerkrankungen, zur Lokalisationsdiagnostik und der Reflexforschung1279, der Abb. 99 : Carl Mayer (1862–1936)1276 Neurophysiologie und auf dem Gebiet der Neurohistologie.1280 Er war in besonderem Maße schulebildend mit einer größeren Zahl von begabten Mitarbeitern, darunter spätere Ordinarii (s. u.). Mayer beschrieb das Mantelkantensyndrom, das bei Hirntumoren (Mantelkantentumoren1281) mit parasagital wachsenden Läsionen zur Beobachtung kommt1282. Weiters publizierte er zu „Halbtraumzustände“ (1892), zur aufsteigenden Dege-
1273 Tshisuaka, Barbara I.: Nothnagel, Hermann. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 2, 1057 ; Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 313–326. 1274 Wagner-Jauregg Julius : Hofrat Professor Dr. Carl Mayer †. WieKliWo 49, Wien 1936, 633. 1275 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 416. 1276 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 115 1277 Seitelberger Franz : Hirnforschung, 410f. 1278 „Sie sehen, wie psychiatrisches Denken und klinisch-neurologisches Beobachten, sich gegenseitig befruchtend, hier untrennbar ineinander verschlungen sind.“ Zitat aus dieser Antrittsvorlesung, s. Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 417. 1279 Seitelberger Franz : Hirnforschung, 433. 1280 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 417f. 1281 Trepel Martin : Neuroanatomie, 256f. 1282 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 418, u. Seitelberger Franz : Hirnforschung, 433.
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neration motorischer Gehirnnerven (1894)1283, „Versprechen und Verlesen“ (1895, gemeinsam mit Rudolf Meringer), „Physiologie und Pathologie über das Gähnen“ (1921, gemeinsam mit dem Anatomen Felix Sieglbauer), zur „Klinik der Encephalitis epidemica“ (1921, gemeinsam mit K. Scharfetter), zur „Symptomatologie der Chorea Huntington“ (1925) sowie zur „Klinik und Anatomie der Hirntumoren“ (1934). Von erheblicher praktisch-klinischer Bedeutung waren die Untersuchungen zum Grund-Gelenk-Reflex (GGR, 1915).1284 Mayers Tätigkeit in Innsbruck musste unter räumlich sehr schwierigen Bedingungen erfolgen – die Raumnot war beinahe „unerträglich“.1285 Die Klinik war „provisorisch“ (seit 1893/94) im Parterre des Spitalpavillons der Dermatologie untergebracht1286. Erst nach dem Ersten Weltkrieg (1920) konnte die räumliche Situation an der Klinik etwas gebessert werden1287. Die neurologische Abteilung konnte jetzt in das Schulkommandogebäude der ehemaligen Kadettenschule am Innrain verlegt wurde.1288 Die wirtschaftlichen Krisenzeiten zögerten den Bau einer eigenen psychiatrisch-neurologischen Klinik hinaus, der dann erst 1937/38 fertiggestellt werden konnte.1289 In den 40 Jahren seiner Innsbrucker Tätigkeit bildete Mayer eine große Zahl von Schülern heran.1290 Zu nennen sind v. a. Georg Stiefler (für den Innsbrucker Lehrstuhl 1937 primo loco nominiert)1291, Eduard Gamper (späterer Ordinarius an der Prager Psychiatrie)1292, Helmut Scharfetter (Vorstand der Innsbrucker Klinik 1283 Zu den Publikationen im Detail siehe ÖBL, Bd. 5, 435, s.a. Wagner-Jauregg J.: Hofrat Professor Dr. Carl Mayer †, 633. 1284 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 418. 1285 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 417. 1286 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 152f., u. 168f. Noch 1918 besaß die Klinik lediglich 52 Betten, 14 für neurologische und 32 für psychiatrische Patienten. 1287 1894 war der Spitalpavillon für Dermatologie, Psychiatrie und HNO-Klinik in einem gemeinsamen Gebäude errichtet worden. S. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 168–171, u. Gasser RudolfJosef : Die Geschichte der Medizinischen Fakultät. In : Bodner, Ernst (Hg.) : Medizinische Fakultät, 11–16, hier : 15. 1288 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 169. 1289 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 168. 1290 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 419–426. 1291 G. Stiefler war langjähriger Primarius in Linz am Allgemeinen Krankenhaus und dem dortigen Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, er hat ein reichhaltiges wissenschaftliche Œuvre hinterlassen. Zuletzt war Stiefler (1937) primo loco in dem (revidierten) Berufungsvorschlag zur Nachbesetzung von C. Mayer aufgenommen. Das Wiener Ministerium nahm diesen Vorschlag jedoch nicht auf. Stiefler war bereits (1935) secundo loco gereiht gewesen, Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 419 u. 426, s.a. Oberkofler G. u. Goller P. (Hg.) : Die medizinische Fakultät in Innsbruck, 144f. 1292 Gamper beschrieb ein Mittelhirnwesen mit Defekten des Riechhirns (Arhinenzephalie) und pub
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III. Teil : Von der Wiedererrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät
1938–1955)1293, Raimund Untersteiner (führender Neurologe und Psychiater in Salzburg)1294 und Otto Reisch (Ordinarius in Graz 1940–1945)1295, Hans Ganner (Leiter der Innsbrucker Klinik in der Nachkriegszeit)1296, u. a. Mayer war ärztlich, in seiner Tätigkeit als Klinikvorstand, in seinen wissenschaftlichen Arbeiten und im Unterricht ein Vorbild1297. In der Fakultät war er zweimal Dekan (1906/07, 1913/14), übte das Rektorsamt aus (1917/18) und wirkte auch als Präsident der Tiroler Ärztekammer.1298 c) Die Nachfolge von C. Mayer gestaltete sich schwierig. Die Gründe, nicht zuletzt Diskrepanzen zwischen den Vorschlägen der Fakultät und den Vorstellungen des Wiener Ministeriums sind entsprechend dokumentiert.1299 Die Nachfolge von C. Mayer war durch wiederholte Berufungsvorschläge (1934–1938) gekennzeichnet, die jedoch im Ministerium nicht den notwendigen Rückhalt fanden. Insgesamt wurden sechs Besetzungsvorschläge von der Fakultät erstellt.1300
lizierte über die Neuropathologie des Korsakow-Syndroms (Schädigung der Corpora mammaria im Hypothalamus bei chronischem Alkoholismus). Er wurde Vorstand der Prager Klinik für Psychiatrie und Neurologie (1930–1938) und starb 51-jährig bei einem tragischen Verkehrsunfall, Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 419–421, Seitelberger Franz : Hirnforschung, 433, u. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 190, s.a. 75–94. 1293 H. Scharfetter wurde Vorstand der Innsbrucker Psychiatrisch-Neurologischen Klinik (1938/39 bis 1945), s. Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 421–423 u. Oberkofler G. u. Goller P. (Hg.) : Die Medizinische Fakultät in Innsbruck, 144 1294 Untersteiner wirkte u.a. als langjähriger Konsiliarius für Neurologie und Psychiatrie am Salzburger Krankenhaus. Er war Leiter einer „Österreichischen Spitzbergen-Expedition“ (1931), an der auch H. Scharfetter teilgenommen hatte, s. Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 423. 1295 Reisch war u.a. Vorstand der Grazer Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie (1940– 1945), s. Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 424 – 426. 1296 H. Ganner übernahm nach Ernst Niedermeyer, der 1960 in die USA ging, dessen supplierende Tätigkeit an der Klinik bis 1967. Im Mai 1967 wurde Ganner Vorstand der neu geschaffenen Lehrkanzel für Neurologie, er emeritierte 1975, s. Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 434, u. Bodner Ernst (Hg.) : Medizinische Fakutltät, 75–77, hier : 75. 1297 Mayer galt als „Gewissen der Fakultät“, s. Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 418. 1298 ÖBL, Bd. 5, 435. 1299 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 426f., u. Oberkofler G. u. Goller P. (Hg.) : Die Medizinische Fakultät, 144–151 u. 204–209. 1300 Unter den Vorgeschlagenen befanden sich in primo/secundo loco-Reihung Gamper, Reisch, Scharfetter und Stiefler als Schüler von C. Mayer. Aus der Wiener Schule war u.a. Otto Kauders
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Erst am 28. Jänner 1938 wurde dann – allerdings für nicht sehr lange – Hubert Urban zum ao. Professor und Vorstand der Klinik ernannt.1301 Hubert Urban, gebürtig in Linz (1904)1302 studierte in Innsbruck und Wien Medizin. Er promovierte in Wien 1929. Die Fachausbildung erhielt er bei Julius Wagner v. Jauregg und seinem Nachfolger Otto Pötzl1303, Vorstand der Wiener psychiatrisch-neurologischen Klinik (1928–1945). Urban habilitierte 1937 mit der Schrift „Zur Klinik der Pathologie der Haemangioblastome“. Seine wissenschaftlichen Publikationen, insgesamt 31 Arbeiten (z. T. mit Mitarbeitern), betrafen in erster Linie die pathologische Anatomie des Gehirns (20 Arbeiten) und neurochirurgische Fragestellungen (neun Arbeiten). Sein Interessengebiet war v. a. die Neurochirurgie. Dazu absolvierte er Studienaufenthalte in Breslau, Stockholm und Boston/USA. Zuletzt war Urban Primarius am Wiener Städtischen Versorgungsheim1304, das dem Krankenhaus Lainz angeschlossen war1305. Urban hatte anscheinend bei seinen bevorzugt pathologisch-anatomischen und neurochirurgischen Ambitionen eine nur kurze psychiatrische Ausbildungszeit erfahren.1306 Die Wirkungsdauer von Prof. Urban war sehr kurz1307, denn bereits im März 1938
(tertio loco 1935) und Alfred Auersperg nominiert worden, s. Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 426 u. Oberkofler G. u. Goller P. (Hg.) : Die Medizinische Fakultät, 144–150, s.a. Tragl Karl Heinz : Chronik, 567 (Auersperg), 138 (Kauders). 1301 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 427–432. 1302 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 427, u. Oberkofler G. u. Goller P. (Hg) : Die Medizinische Fakultät, 204–209. 1303 Otto Pötzl (1877–1962) war zunächst Vorstand der Prager psychiatrisch-neurologischen Klinik (1922–1928) und dann der Wiener neurologisch-psychiatrischen Klinik (1928–1945), s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 132f. 1304 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter (Hg.) : Die Medizinische Fakultät, 204–209, hier : 209. 1305 Das Versorgungsheim mit sehr großen Patientenzahlen – eigentlich ein Pflegeheim – lag in unmittelbarer Nachbarschaft zum Krankenhaus Lainz (ursprünglich Franz-Joseph-Spital). Den Primariaten am KH Lainz, die großteils prominent besetzt waren, standen die Primariate des Versorgungshauses gegenüber. Urban wirkte als neurologischer Primarius am Versorgungshaus, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 352–404 (Das Kaiser-Franz-Joseph-Spital). 1306 Die anlässlich der Innsbrucker Besetzungsvorschläge angeforderten Gutachten, sowohl von Prof. Wagner-Jauregg als auch von Prof. Pötzl, betonen diese geringe psychiatrische Erfahrung und sprechen von einer einseitig neurologischen und neurochirurgischen Ausbildung, s. Oberkofler G. u. Goller P. (Hg.) : Die Medizinische Fakultät, 144f. 1307 H. Urban wurde am 13. 3. 1938 ohne Pension entlassen. Er leistete dann drei Jahre als Unterarzt Wehrdienst. Insgesamt musste er „Hausdurchsuchungen und verschiedene wirtschaftliche und berufliche Nachteile“ in Kauf nehmen, Zitat aus dem UAI-Personalstandesblatt Hubert Urbans mit Unterschrift desselben vom 18. Juni 1946, s. Oberkofler G. u. Goller P. (Hg.) : Die Medizinische Fakultät, 204–209, Zitat : 209.
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wurde der – zunächst kommissarische – Leiter der Klinik H. Urban, wieder enthoben.1308 Eine Wiederberufung erfolgte dann Anfang 1946.1309 d) Nachfolger von Urban wurde der langjährige Oberarzt der Klinik, Helmut Schar fetter. Er wirkte in dieser Funktion vom März 1938 bis 19451310. Helmut Scharfetter (geb. 1893) war nach der Promotion in Innsbruck (1919) zunächst Assistent bei Prof. Gustav Adolf Pommer an der Innsbrucker Pathologie und dann an der Innsbrucker Nervenklinik bei C. Mayer (1921–1936). Er habilitierte 1928 mit der Schrift „Das Myxödem“. Wissenschaftlich untersuchte Scharfetter z. T. gemeinsam mit E. Gamper den Kretinismus in zwei Tiroler Epidemiegebieten. Dazu verfasste er mit jenem gemeinsam auch den Handbuchbeitrag „Das Myödem und der endemische Kretinismus“ (1928)1311. Weitere Arbeiten betrafen die Narkolepsie (gemeinsam mit dem Internisten Wilhelm Ludwig), Beziehungen zwischen Klima und Auftreten von Schlaganfallsleiden u. a. Ein Schwerpunkt von Scharfetters Tätigkeit war die forensische Psychiatrie. Dazu hielt er – seit der Berufung von Gamper nach Prag (1930) – von Medizinern und Juristen gern besuchte Vorlesungen. H. Scharfetter führte die Klinik – soweit dies in der NS-Zeit möglich war – in bekannt ruhiger und besonnener Art. Dokumentiert ist Scharfetters ärztlich humanitäres Engagement, das sich dem damaligen nationalsozialistischen Druck nicht beugte1312. 1308 Urban „leitet(e) die neugebaute Klinik mit großer Umsicht und fester Hand, und hat die Organisation des Betriebes in der kurzen Zeit seines Wirkens mustergiltig eingerichtet. Er baut seine Vorlesungen auf festem anatomischen Wissen auf und weiß den Stoff klar einzuteilen“, s. Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 426f., s.a. Oberkofler G. u. Goller P. (Hg.) : Die Medizinische Fakultät, 204–209, Zitat : 205. 1309 Zunächst als Extraordinarius und im gleichen Jahr (1946) als o. Professor. 1958 erfolgte dann eine neuerliche Enthebung von H. Urban. In der Zeit von Urbans Tätigkeit in der Nachkriegszeit wurde eine Reihe von Mitarbeitern habilitiert (P. Dal Bianco, G. Harrer, E. Niedermayer), s. Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 427–432, s.a. Oberkofler G. u. Goller P. (Hg.) : Die Medizinische Fakultät, 208f. 1310 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 427. 1311 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 421. 1312 „Von der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik erfolgten keinerlei Transferierungen an ein Vernichtungszentrum, NS-Ärzte haben niemals Selektionsuntersuchungen am Patientengut der genannten Klinik durchgeführt.“ – „Die Krankengeschichten der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätskliniken in Innsbruck, atmen in Diktion, Wortwahl und Bewertung nicht den Geist der unseligen Zeit.“ Insgesamt wurden allerdings auch in Tirol und Südtirol an psychisch Kranken und Behinderten zahlreiche Vergehen begangen. Die wichtigsten Anstalten für diese Verbrechen waren die Heil- und Pflegeanstalt Linz-Niedernhart (Hartheim). Selektionen wurden in den verschiedensten Armenhäusern und Pflegeeinrichtungen auch in Tirol und Vorarlberg durchgeführt. Durch Hunger und Entbehrungen wie auch durch direkte Tötungen mussten „min-
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Zusammenfassend folgte ab den frühen 30er-Jahren für die Innsbrucker Klinik für Neurologie und Psychiatrie eine Periode der gefährdeten Kontinuität. In dieser Zeit konnte zwar –mit der baulichen Neuerrichtung der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik (1936/37) – zweifellos ein wesentlicher Fortschritt in der Infrastruktur erreicht werden. Auch wirkten – wie dargestellt – profilierte Professoren und weitere anerkannte Mitarbeiter1313, jedoch brachte wohl erst die Errichtung getrennter Lehrstühle für Neurologie (1967) und Psychiatrie (1974) die Voraussetzungen, wieder kompetitiv zu werden1314.
3.8 Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde Nach der Wiedergründung der medizinischen Fakultät ließ die Errichtung einer Pädiatrie zunächst auf sich warten. 43 andere Berufungen gingen der Besetzung des Extraordinariates für Pädiatrie voraus1315. Zunächst hielt Anton Alois v. Tschurtschenthaler1316 „außerordentliche“1317 pädiatrische Vorlesungen (1859–1869)1318. Obwohl er einer der angesehensten Innsbrucker Professoren war1319 und seit 1869 Ordinarius für Allgemeine Pathologie, Pharmakologie und Pharmakognosie destens 502 Tirolerinnen und Tiroler“ ihr Leben lassen, s. Hinterhuber Hartmann : Ermordet und vergessen. Nationalsozialistische Verbrechen an psychisch Kranken und Behinderten, Innsbruck u.a. 1995, 40–127, Zitate : 67–68, 1313 Ganner Hans : Lehrkanzeln und Klinik für Psychiatrie und Neurologie, 423–438, s.a. Bodner Ernst (Hg.) : Die Medizinische Fakultät, 75–80. 1314 Bodner¸ Ernst : Medizinische Fakultät, 75–80. 1315 Festschrift, 230–235. 1316 Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 287f. 1317 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 439–450, Zitat : 439, s.a. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 17. 1318 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 26. 1319 „Tschurtschenthaler muss eine dynamische, vielseitig interessierte Persönlichkeit gewesen sein. Er lehrte theoretische Fächer der Medizin, war aber auch in der praktischen Medizin zu Hause, supplierte vakante Kliniken, hielt für Pharmazeuten Vorträge über Apotheken- und Medizinalverordnungen, hielt für Parallelvorlesungen in italienischer Sprache… sammelte Drogen und Pflanzen, erweiterte das Pharmakologisch-Pharmakognostische Cabinet und war zudem noch in den zur Überwachung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung eingesetzten Gremien tätig. So gehörte er seit dem 13. Dezember 1855 der ständigen Medizinalkommission für Tirol und Vorarlberg an, wurde am 13. Dezember 1870 ordentliches Mitglied des Landessanitätsrates für Tirol und Vorarlberg und schließlich 1879 dessen Vorsitzender.“ S. Konzett Heribert : Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 288.
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und verschiedene Lehrverpflichtungen zusätzlich übernommen hatte, waren für die Pädiatrie nur außerordentliche Vorlesungen im Lehrplan (1859–1869)1320 vorgesehen. Die Pädiatrie war für Tschurtschenthaler nur ein Teil seiner Aufgaben. Sie machte jedoch wohl den wichtigsten Teil seiner praktischen Tätigkeit aus (er betrieb eine ausgedehnte Kinderarztpraxis und ein Ambulatorium für Kinderkrankheiten)1321. Tschurtschenthalers Pensionierung erfolgte 1886.1322 Die Fakultät machte 1890 und 1891 Eingaben an das Wiener Ministerium zur Errichtung einer pädiatrischen Klinik.1323 Der damalige Minister für Kultus und Unterricht Paul Freiherr Gautsch v. Frankenthurn zeigte sich in einem Majestätsvortrag im Oktober 1891 von der Notwendigkeit der Errichtung einer eigenständigen Pädiatrie in Innsbruck überzeugt. Innsbruck habe als einzige der inländischen Universitäten bisher auf dem Gebiet des Unterrichts in Kinderkrankheiten eine „vollständige Unzulänglichkeit“1324. Dabei machte der Minister sehr konkrete Vorschläge zur Realisierung, wobei er davon ausging, dass „die Vertretung der Stadtgemeinde Innsbruck die Aktivierung eines pädiatrischen Ambulatoriums, respektive einer Klinik nach Thunlichkeit fördern werde …“1325 Der Antrag des Ministers wurde durch den Kaiser innerhalb einer knappen Woche positiv erledigt (am 24. Oktober 1891) und gleichzeitig die staatliche Finanzierung einer außerordentlichen Professur mit Zulagen ab dem Studienjahr 1892/93 genehmigt.1326 Die Aufforderung durch das Ministerium, einen Besetzungsvorschlag zu erstellen, zeigte dann die Schwierigkeit der geplanten Berufung. Tatsächlich standen ja Räumlichkeiten für den Betrieb der Klinik noch gar nicht zur Verfügung. Man einigte sich in der Fakultät auf einen Vorschlag mit zwei in Prag und einem in Wien wirkenden Pädiater. 1320 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 17. 1321 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 26, s.a. Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 439–450, hier : 439. 1322 Festschrift, 230f. 1323 Der Anatom Roux, der Internist Prokop v. Rokitansky und der Gynäkologe Ehrendorfer waren Verfasser der Eingabe vom 18. 12. 1890. Vorgeschlagen wurde der Betrieb der Klinik zunächst in einem Privathaus nahe dem alten Stadtspital, s. Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 439. 1324 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1I, 439–450, hier : 440f, Zitat : 440. 1325 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1I, 440. 1326 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1I, 440.
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Es handelte sich um den Prager Dozenten R. W. Raudnitz, den Prager Universitätsassistenten Adalbert Czerny 1327 und den Wiener Assistenten am Kinderspital St. Anna, Karl Foltanek (1856–1942).1328 Das Ministerium wählte Karl Foltanek. Dieser war Mitarbeiter des kaiserlichen Leibarztes und Direktors des St.-Anna-Kinderspitals Hermann Widerhofer (1832–1901).1329 Foltanek, der nicht habilitiert war, erhielt vom Ministerium den Auftrag, „vorläufig seine Lehrtätigkeit auf die Abhaltung von theoretischen Vorträgen und De monstrationen an ambulanten Kranken (zu) beschränken“.1330 Als Tätigkeitsbeginn war der 1. Oktober 1892 vorgesehen. Foltanek sah jedoch – in zwei Resignationsschreiben an den Minister – Voraussetzungen für eine sinnvolle pädiatrische Tätigkeit für nicht gegeben.1331 Foltanek bereute wahrscheinlich seine damalige Absage nicht. Er wirkte in Wien als Vertreter von Widerhofer und nach dessen Pensionierung als supplierender Klinikvorstand in St. Anna (1901/1902). Anschließend wurde Foltanek zum Primarius am Wiener Wilhelminenspital ernannt (1902–1929).1332 a) Nach der ersten fehlgeschlagenen Besetzung dauerte es in Innsbruck vier Jahre bis zur Ernennung des Grazer Privatdozenten Johann Loos, der mit 1. Jänner 1896 zunächst provisorisch, ab 22. Dezember 1896 als Extraordinarius und ab 1911 als Ordinarius für Pädiatrie wirkte1333. Loos leitete die Kinderklinik bis 1934. Die Ernennung war dringend notwendig, da in der Rigorosenordnung von 1899 die Pädiatrie obligates Prüfungsfach wurde. Innsbruck war unter Zugzwang, Wien hatte eine größere Zahl angesehener Kinderkrankenhäuser1334 und Graz „hervorra1327 Gerabek Werner E.: Czerny Adalbert Marianus (1863–1941). In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 281. 1328 Tragl Karl Heinz : Chronik, 651. 1329 Hermann Widerhofer wurde – in der Nachfolge von Ludwig Wilhelm v. Mauthner und Franz Mayr – zum Ordinarius für Kinderheilkunde ernannt (1875). Widerhofer war der Nachfolger und Schüler des Tirolers Franz Mayr (1814–1863), der in Ausübung seines Berufes an Tuberkulose verstorben war, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 361–364, u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 84f. u. 650f. 1330 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1I, 442. 1331 Der „ehrfurchtvollst Gefertigte“ verlangte, die Aktivierung der Pädiatrischen Klinik bis zur Errichtung der absolut notwendigen Räumlichkeiten zu verschieben, s. Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1I, 443. 1332 Tragl Karl Heinz : Chronik, 450. 1333 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1I, 444f. 1334 Neben dem St.-Anna- – insbesondere das St.-Josef-, das Leopoldstädter-, das Mauthner-Markhof-
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gende Fachvertreter“1335 der Pädiatrie. In Graz war dies besonders Theodor Escherich, der dorthin 1890 berufen wurde1336. Für Innsbruck mussten jedoch zunächst die baulichen Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu benötigte man dringend einen initiativen Fachvertreter1337, wie es der neuberufene Johann Loos dann auch durch sein Wirken zeigte. Johann Loos (1863–1943)1338 stammte aus Brünn, er promovierte 1889 an der Universität Graz. Dort war er bis 1885 Assistent an der Pädiatrischen Klinik unter Rudolf v. Jaksch, einem Schüler von Rokitansky und Skoda1339, sowie – für Loos besonders prägend – der spätere Wiener Vorstand der Pädiatrischen Klinik, Theodor Escherich1340, u. a. ein hervorragender Bakteriologe. Loos habilitierte bei Letzterem (1894) und kam zwei Jahre später nach Innsbruck. Loos hat sich in Innsbruck sofort um die – zunächst provisorische – Inbetriebnahme von Räumlichkeiten für die Kinderklinik bemüht und dabei rasch Fortschritte erzielen können. Zunächst wurden im Pavillon der Medizinischen Klinik (1896) ein pädiatrisches Ambulatorium und eine kleine Station – mit 26 Betten – errichtet1341. Diese Unterbringung an der Medizinischen Klinik war jedoch nur eine provisorische Lösung. 1899 konnte dann der neue pädiatrische Klinikbau fertiggestellt werden1342. Die sche Kinderspital, das Karolinenkinderspital, die Kinderklinik Glanzing, das Preyer’sche Kinderspital etc., s. Spitzy K. u. Lau I.: Van Swietens Erbe, 65f., u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 645–681. 1335 Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaften, Medizin und Technik aus Graz, 411–423, hier : 416f., Zitat : 416. 1336 Tuppy Hans : Medizinische Mikrobiologie. In : Acham Karl (Hg.) : Naturwissenschaften, Medizin und Technik aus Graz, Bd. 2, 439–463, hier : 446–448, s.a. Tragl Karl Heinz : Chronik, 159f. 1337 Loos war im ursprünglichen Berufungsvorschlag der Innsbrucker Fakultät noch nicht enthalten. In einem späteren Vorschlag wurde neben Raudnitz, den man für Innsbruck, da „ursprünglich Israelite“, für nicht geeignet hielt, und Czerny, der aber inzwischen nach Breslau berufen wurde jetzt – secundo loco – Johann Loos nominiert. Darauf reagierte das Ministerium prompt und berief Loos im November 1895, s. Berger H.: Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 441–444, Zitat : 442. 1338 Berger H.: Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 444. 1339 Jaksch war Vorstand in Graz von 1887 bis 1889, s. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 146. 1340 Escherich war Vorstand in Graz von 1890 bis 1904. Tshisuaka Barbara I.: Escherich Theodor. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1, 73. 1341 Das Ambulatorium wurde im Hörsaalbereich der Medizinischen Klinik eingerichtet. Die Klinik bestand aus zwei Krankenzimmern, einem kleinen Operationszimmer, einem Isolierzimmer und drei Arbeitsräumen, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 155. 1342 Die Mittel dazu stammten z. T. aus der Kaiser-Franz Joseph-Jubiläumsspende, dazu kamen Gelder der Innsbrucker Sparkasse. Der Innsbrucker Bürgermeister Wilhelm Greil prangerte den nach seiner Meinung zu geringen Beitrag des Wiener Unterrichtsministeriums an und sprach von „peinlicher Kargheit und stiefmütterlicher Behandlung“, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 154–157, hier : 155f., Zitat : 156, s.a. Huter Franz : Geschichte der Sparkasse Innsbruck. Das erste heimische
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tatsächliche Eröffnung der Klinik fand dann am 24. Juni 1901 statt1343. Im nächsten Bauabschnitt ging es dann um die Erstellung eines Infektionspavillons1344. Dieser Bau, fertiggestellt 1901/1902, wurde als Epidemiespital unmittelbar an die Kinderklinik angrenzend errichtet. Die Infektionsabteilung nahm im Bedarfsfall kindliche und erwachsene Patienten auf1345. Der Bettenbestand der Kinderklinik betrug schließlich – nach Fertigstellung der beiden Bauten – ca. 130. Die Errichtung dieses pädiatrischen Klinikums, eine „für die damaligen Verhältnisse sehr moderne Klinik“1346 war ein besonderes Verdienst des in seiner ärztlichen Tätigkeit geschätzten Johann Loos. Dieser war 1914/15 Dekan. Er konnte wissenschaftlich allerdings nur „stark eingeschränkt“1347 wirken. Unter Loos habilitierte (1933) Viktor Niederwieser 1348. Dieser supplierte die Kinderklinik 1934/35 sowie 1955/56 und 1956/57. b) Nachfolger von Loos wurde Richard Priesel.1349 Priesel, der die Klinik 1935 – 1955 führte, kam aus der Wiener Schule von Clemens v. Pirquet1350 (Klinikvorstand 1911–1929) und dessen Nachfolger Franz Hamburger.1351 Priesel habilitierte 1934 unter Franz Hamburger.1352 Geldinstitut Tirols im Spiegel der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung (1822–1958). Innsbruck, 1962, 264–269, insbes. 264f. 1343 Die Verzögerung der Öffnung war durch Unstimmigkeiten über die Finanzierung des Baues und des Unterhalts der Klinik bedingt, s. Huter Franz : Geschichte der Sparkasse Innsbruck. Das erste heimische Geldinstitut Tirols im Spiegel der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung (1822– 1958). Innsbruck, 1962, 264–269, insbes. 264f. 1344 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 156f. 1345 Diese Infektionsabteilung wurde damals der Verwaltung des Vorstandes der Medizinischen Klinik unterstellt. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 1, 156f. 1346 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 445. 1347 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 445. 1348 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 445. 1349 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 445–447. 1350 Clemens v. Pirquet (1874–1929) leitete die Wiener Kinderklinik 1911–1929, s. Tuppy Hans : Medizinische Mikrobiologie. In : Acham Karl : Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften, Bd. 2, 439–463, hier : 451–454, u. Köhler Werner : Pirquet Clemens Freiherr von. In : Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 3, 1164f., u. Tragl Karl Heinz : Chronik, 160. 1351 Franz Hamburger (1874–1954) – ein Schüler Th. Escherichs – leitete die Wiener Kinderklinik von 1930 bis 1944, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 160. 1352 Tragl Karl Heinz : Chronik, 160.
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Richard Priesel (1890–1955)1353 geboren in Wien, promovierte dort 1914. Zunächst als Sekundararzt im Wiener Krankenhaus an der Wieden wirkend, kam er 1924 an die Wiener Pädiatrische Klinik. R. Priesel, zunächst ao. Professor und seit 1942 Ordinarius, leitete die Klinik in bekanntlich schwierigen Zeiten. Es gelang ihm, als Arzt und Lehrer gleich beliebt zu sein1354. Auf dem Gebiet der klinischen Forschung konnte er Publikationen aus verschiedenen Teilgebieten der Pädiatrie fertigstellen, wobei die Schwerpunkte die Schule von F. Hamburger zum Ausdruck brachten. Hamburgers „Lehrbuch für Kinderkrankheiten“ (1920) wurde von Priesel mit herausgegeben1355. Weitere Schwerpunkte seiner Schriften galten dem kindlichen Diabetes und der Fettsucht1356, der Tuberkulose, Ernährungsfragen und der pädiatrischen Röntgenologie1357. Unterstützt wurde Priesel von Doz. Viktor Niederwieser, der unter Loos habilitierte (1933) und als stellvertretender (supplierender) Leiter 1934/35 und nach dem plötzlichen Tod von Priesel diese Funktion auch 1955–1957 ausübte1358. 3.9 Lehrkanzel für Zahnheilkunde und Zahn- und Kieferchirurgie In der hier dargestellten Periode hatte diese Lehrkanzel zwei Vorstände (B. Mayerhofer und Wilhelm Bauer). Begründet wurde diese als ao. Professur, und zwar erst 1904/1905.1359 Die Errichtung war nicht zuletzt aufgrund der Rigorosenordnung von 1899/1900 notwendig geworden. Innsbruck war damit gegenüber Wien und Prag in einer Nachzüglerrolle.
1353 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 445f. 1354 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 446. 1355 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 446. 1356 Priesel Richard u. Frey Leopold : Fettsucht im Kindesalter, Stuttgart 1938. 1357 R. Priesel nahm auch selbst z. T. die Röntgenuntersuchungen vor, zur Röntgendiagnostik im Innsbrucker Klinikum der damaligen Zeit s. Ruggensteiner Ernst : Lehrkanzel und Institut für Röntgenologie. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 343–352, hier : 347, u. Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 446. 1358 Berger Heribert : Lehrkanzel und Klinik für Kinderheilkunde. In : Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 445–447. 1359 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 188, u. Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahnund Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, 451–462, hier : 451–453.
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Erster Fachvertreter der Wiener akademischen Zahnmedizin war Georg Carabelli (1821–1842).1360 Sein Nachfolger war Moritz Heider (1843–1863). Letzterer wurde 1859 zum ao. Professor ernannt.1361 In Prag war der erste Fachvertreter Franz Nessel (1827–1874). Er war ein Schüler von Carabelli, ao. Professor und Vorstand einer Lehrkanzel für Zahnmedizin (seit 1827).1362 Der erste Prager Extraordinarius für Zahnheilkunde war Heinrich Boenecken (1897 ao., 1929 o. Professor).1363 Erster Fachvertreter der Grazer Zahnmedizin war Valentin Tanzer (1866– 1883).1364 Tanzer war Privatdozent (1866). Ein zahnärztliches Institut bestand erst seit 1904 unter Anton Bleichsteiner (1884–1907).1365 Es war zunächst keineswegs einfach, für die Innsbrucker Professur eine geeignete Persönlichkeit zu gewinnen. Der Vorschlag der Fakultät lautete Oskar Römer (Leiter des zahnärztlichen Institutes in Straßburg)1366, Gustav Preisweg (Lektor an der Universität Basel) und Bernhard Mayerhofer. Mayerhofer war noch nicht habilitiert. Auf die Nominierung weiterer namhafter Wiener Zahnärzte wurde verzichtet, da sie ihre Wiener Wirkungsstätte nicht aufgeben wollten.1367 a) Der erste Extraordinarius für Zahnheilkunde war somit Bernhard Mayerhofer. Er wirkte als Innsbrucker Lehrkanzelinhaber 1905–1933 und anschließend bis zu seinem Tod (1938) als Honorarprofessor.1368 1360 Carabelli erhielt 1821 die Dozentur, er hielt seit damals außerordentliche Vorlesungen für dieses Fach, s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 689, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 232–235. 1361 Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 235–239, hier : 235. 1362 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 412 u. 688, u. Lesky Erna : Wiener Medizinische Schule, 232. 1363 Koerting Walther : Die deutsche Universität, 253. 1364 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 412 u. 683. 1365 Bleichsteiner erhielt 1896 eine tit. ao. und 1905 eine planmäßige ao. Professur. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 683. 1366 Oskar Römer (1866–1952) war zunächst ao. Professor in Straßburg (1906–1916) und dann in Leipzig (1916–1934), seit 1920 Ordinarius, s. Eulner Hans-Heinz : Die medizinischen Spezialfächer, 687 u. 689. 1367 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 452f. 1368 Als Honorarprofessor befasste er sich insbesondere mit medizingeschichtlichen Themen und errichtete eine Lehrmittelsammlung zu diesem Thema. Mayerhofer hatte bereits bald nach seiner Berufung die medizingeschichtlichen Vorlesungen übernommen (ab 1908). Nach seiner Pensionierung (1934) schenkte er die Sammlung der Fakultät und verwaltete diese bis zu seinem Tod, s. Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 466–468, hier : 466.
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Bernhard Mayerhofer (1868–1938)1369 stammte aus der Steiermark (Mürzzuschlag). Er promovierte 1892 in Wien. Zunächst war er als praktischer Arzt in Oberösterreich (Mauerkirchen) tätig. Neben seiner Landarztpraxis bildete sich Mayerhofer bei Julius v. Scheff (ao. Professor für Zahnheilkunde, 1894, tit. o. Professor 1912)1370 und Rudolf Weiser (ao. Professor 1919)1371 in Wien zahnärztlich aus. Vor seiner Berufung nach Innsbruck eröffnete Mayerhofer eine Praxis in Linz, die sich großen Zuspruchs erfreute. 1372 Bei der Neugründung der ZahnheilAbb. 100 : Bernhard Mayerhofer 1372 kunde Innsbruck war zunächst eine Reihe von Schwierigkeiten zu überwinden. Einerseits galt es, das Platzproblem zu lösen. Zunächst kam es zur Anmietung in einem Privathaus (Anichstraße 24). 1909 erfolgte dann die Übersiedlung in das – im Klinikum gelegene – Siechenhaus und dann 1935 in das Verwaltungsgebäude des Krankenhauses.1373 Das Ministerium unterstützte diese Bemühungen und bewilligte auch die notwendigen Dotationen, allerdings mit entsprechenden „Restriktionen“.1374 Mayerhofer konnte in Innsbruck das Fach in seiner ganzen Breite etablieren. Am Beispiel der Kieferchirurgie zeigte er, dass Spezial- oder Sonderfächer aus mehreren Gründen ihre Berechtigung haben. Sie sind notwendig auf Grund methodischer Fortschritte. Dies galt insbesondere auch für das von ihm vertretene Fach mit der Sonderstellung zwischen der (konservativen) Zahnheilkunde und der operativ ausgerichteten „Kieferstation“.1375 1369 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 453. 1370 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 689. 1371 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 689. 1372 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 126. 1373 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 453. 1374 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 452. 1375 Schönbauer Leopold : Das Medizinische Wien, 394.
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„Fortschritte der Technik der Medizin (lieferten) neue Instrumente … auf deren Erfindung sich verschiedene Spezialfächer ganz neu und selbstständig aufbauen konnten. So begründete der Augenspiegel die Augenheilkunde, der Kehlkopfspiegel die Laryngologie, das Zystoskop die Urologie (etc.).“1376
Nicht nur die Fortschritte der chirurgischen Technik, sondern auch spezielle Erfordernisse in der Ausbildung machen die Entwicklung von Sonderfächern notwendig. Diese sind v. a. organbezogen. Beispiel dafür ist die komplexe Situation des Gesichtsschädels. „Hier sind auf kleinem Raum in wunderbarer Weise höchst lebenswichtige Einrichtungen anatomisch aufs Engste miteinander verbunden : Die beiden edelsten Sinnesorgane Auge und Ohr …“1377 liegen neben den Organen für Geruch und Geschmack. Dazu kommt die Problematik der Zahnheilkunde und orthopädische Fragen, v. a. im Zusammenhang mit den Kiefergelenken. Hier bedürfen auch die zahlreichen Gefäß- und Nervenbahnen eines besonderen Wissens und technischer Fertigkeiten.1378 Dazu komme eine spezielle Knochen- und Zahnpathologie sowie die Notwendigkeit, dass „außer der Heilung gerade die Funktion in absolut fehlerloser Weise wieder (herzustellen sei)“.1379 Infektionen sind in der Zahnheilkunde und der Gesichtschirurgie ein besonderes Problem, nicht zuletzt über die Zähne als Eintrittspforte. Weiters gilt ein besonderes Augenmerk auf Schmerzzustände zu richten – nicht selten als „unerträgliche Nervenschmerzen“1380 auftretend. Eingriffe am Gesichtsschädel sind nicht selten neurochirurgischer Art. Auch in dieser Hinsicht ist eine besondere Ausbildung notwendig und ein interdisziplinäres Vorgehen vorteilhaft. Eine Fehlentwicklung wäre es, wenn „der Spezialarzt nur das Organ behandle, den übrigen Menschen aber dabei übersehe“1381. Führende Vertreter sind mit Selbstverständlichkeit gegen eine übersteigerte Einengung ihrer Spezialdisziplin. Insgesamt gebe es in der Ausübung eines Sonderfaches zwei Möglichkeiten : „Entweder (ist) all dies Wissen oder Können in einem Kopf und einer Hand vereinigt …“1382 Die Alternative ist ein „Zusammenarbeiten der beteiligten Instanzen“.1383 1376 Mayerhofer Bernhard : Über neuzeitliche Kieferheilkunde. WiKliWo 1933 ; 46 (1), 1–5, Zitat : 1. 1377 Mayerhofer Bernhard : Über neuzeitliche Kieferheilkunde. WiKliWo 1933 ; 46 (1), 2. 1378 Mayerhofer Bernhard : Über neuzeitliche Kieferheilkunde. WiKliWo 1933 ; 46 (1), 2. 1379 Mayerhofer Bernhard : Über neuzeitliche Kieferheilkunde. WiKliWo 1933 ; 46 (1), 2. 1380 Mayerhofer Bernhard : Über neuzeitliche Kieferheilkunde. WiKliWo 1933 ; 46 (1), 4. 1381 Mayerhofer Bernhard : Über neuzeitliche Kieferheilkunde. WiKliWo 1933 ; 46 (1), 5. 1382 Mayerhofer Bernhard : Über neuzeitliche Kieferheilkunde. WiKliWo 1933 ; 46 (1), 5. 1383 Mayerhofer Bernhard : Über neuzeitliche Kieferheilkunde. WiKliWo 1933 ; 46 (1), 5.
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Der Kooperation der verschiedenen Spezialfächer in verständnisvoller Weise gehöre gerade im Kopf-, Mund- und Halsbereich die Zukunft. Abschließend werden in dieser Hinsicht vorbildliche Kliniken genannt, nämlich Düsseldorf, Wien, Berlin und Graz. In der Zeit von Mayerhofer konnte praktisch aus dem Nichts eine Klinik mit „fünfzehn wohl eingerichteten Räumen : Übungs- und Arbeitszimmer, Bibliothek, chemischen und bakteriologischen Laboratorien, Mikroskopierraum, Fotoeinrichtung, Hörsaal ; Ambulanzräume(n)… wie Krankenzimmer“1384 geschaffen werden. Gleichzeitig war Mayerhofer auch wissenschaftlich sehr aktiv.1385 Ein Standardwerk war das „Lehrbuch der Zahnkrankheiten für Ärzte und Studierende“ (1913, dann 31930).1386 Schließlich war Mayerhofer auch medizinhistorisch tätig.1387 Mayerhofer wurde 1914 zum tit. Ordinarius und 1925 zum wirklichen Ordinarius ernannt.1388 Er war Senator (1914/15–1917/18) und Dekan der Medizinischen Fakultät (1930/31). Als Rektor (1932/33) hielt er eine Grundsatzrede über Möglichkeiten und Grenzen seines Faches1389, aus der oben zitiert wurde. Sein Institut konnte sich während der Tätigkeit Mayerhofers zu einer Vorbildeinrichtung entwickeln.1390 b) Nachfolger Mayerhofers wurde Wilhelm Bauer, der 1933 bis zu seiner Emigration 1938 als ao. Professor die Klinik leitete.1391 In der NS-Zeit wurde er „mit sofortiger Wirksamkeit … beurlaubt“.1392 Wilhelm Bauer (1886–1956)1393 stammte aus Prag. Er habilitierte in Innsbruck (1925) und erhielt 1932 eine ao. Professur. Nach seiner Emigration (1938) wurde 1384 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 453. 1385 Bis zum Tod Mayerhofers erschienen aus der Institution 131 wissenschaftliche Arbeiten, einschließlich von acht Monografien und Lehrbüchern, s. Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 454. 1386 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 454. 1387 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, 466. 1388 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 685. 1389 WiKliWo 1933 ; 46, 1–5. 1390 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 453f. 1391 Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 685. 1392 Oberkofler Gerhard u. Goller Peter (Hg.) : Die Medizinische Fakultät Innsbruck, Faschistische Realität, 40. 1393 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 454f.
Die klinischen Fächer
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er schließlich Vorstand des Department of Pathology of St. Louis University of Medicine und starb in USA 1956. 1394 Bauer war einerseits technisch-fachlich hervorragend.1395 Gleichzeitig war er wissenschaftlich besonders engagiert. Es kam zu einer „ungemein fruchtbaren Zusammenarbeit“1396 mit dem Innsbrucker Pathologischen Institut, sodass Bauer auch als Schüler von F. J. Lang angesehen werden kann.1397 Bauer beschäftigte sich im Rahmen umfangreicher morphologischer Untersuchungen mit verschiedenen Aspekten der Pathologie des Kauapparates. Zu erwähnen sind dabei auch seine Beiträge Abb. 101 : Wilhelm Bauer 1394 zur Anatomie und Histologie des Kiefergelenkes. Auf dem Gebiet Dentalpathologie publizierte er z. B. „Zur apikalen Paradentitis“ (1929) und zu luetischen ZahnKiefer-Veränderungen (1931–1935). Bemerkenswert ist sein gemeinsam mit Leo Haselhofer1398 publizierter Beitrag zu den „braunen Tumoren“1399 des Unterkiefers. 1394 Huter Franz : Hundert Jahre, Bd. 2, Anhang Bilder, Nr. 127. 1395 Gesprochen wird von einem besonderen manuellen Elan, der gerade der Zahnheilkunde einen besonderen Stempel aufdrückt, s. Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 455. 1396 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 455. 1397 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 455. 1398 L. Haselhofer (1901–1970) stammte aus Linz. Er studierte und promovierte in Innsbruck (1928). Er trat dann in das Innsbrucker Pathologische Institut ein und wirkte hier unter Prof. F. J. Lang bis 1937. In Innsbruck habilitierte er (1932) und wurde zum tit. ao. Professor ernannt (1937). Im selben Jahr wurde er zum Leiter der Pathologie im Krankenhaus Wien-Lainz bestellt. Dort war er bis zur Pensionierung tätig (1967). Unterbrochen war sein Wirken durch die Entlassung in der NSZeit (1938–1945). Die Medizinische Fakultät in Innsbruck entzog ihm die Venia Legendi wie die ao. Professur (1938–1945). Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt war die Pathologie des Knochensystems, s. Tragl Karl Heinz : Chronik, 554, u. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Die Medizinische Fakultät Innsbruck, Faschistische Realität, 69f. 1399 Wunderer Hans : Lehrkanzel für Zahnheilkunde, Zahn- und Kieferklinik. In : Huter Franz (Hg.) : Hundert Jahre, Bd. 2, 455.
IV. Teil : Schlussfolgerungen und Ausblick
In der Gründungsphase war Innsbruck – neben Wien und Prag – vornehmste Residenzstadt der Habsburgermonarchie. Grund dafür war nicht zuletzt die Brückenfunktion des Landes. Es waren v. a. auch die Verbindungen zu den oberitalienischen Universitäten, die vergleichsweise früh in Tirol auch zur Errichtung eines Lehrstuhles für Chirurgie führten (1733). Man konnte mit dieser Errichtung – von Kaiser Karl VI. tatkräftig unterstützt – der Universität Freiburg i. Br. (gegründet 1457) zuvorkommen. Dort wurde – wie in Wien – eine chirurgische Lehrkanzel erst 1773 gegründet und 1782 die Notwendigkeit postuliert, die „beiden Medicinen (Chirurgie und klinische Medizin)“ zu vereinigen. In Wien handelt es sich bei der frühen chirurgischen Klinik im Wesentlichen um eine geburtshilfliche Abteilung, geleitet vom Tiroler Raphael Steidele. Auch Prag folgte 1773. Gezeigt wurde, dass auch bei einzelnen anderen Disziplinen (z. B. physiologische bzw. medizinische Chemie, Gerichtliche Medizin) Innsbruck ebenfalls eine solche Vorreiterrolle spielen konnte. Die Phase der konsequenten Orientierung nach den Vorgaben Wiens (ab 1748) war die Folge der Aufklärung, die auch für Innsbruck einen weitgehenden Paradigmenwechsel mit sich brachte. Bedeutsam war, dass diese Reformen unter Maria Theresia in Innsbruck nicht primär von der Fakultät initiiert wurden, sondern von außen herangebracht werden mussten. Dazu waren zwei Reformschritte notwendig. Der Verfasser des Reformations-Dekretes von 1748 war der Statthalter von Böhmen, Rudolf Graf v. Chotek (1701–1771). Dies allein reichte noch nicht aus. Nach
Probst Jacob. Geschichte ; 383. Seidler Eduard u. Leven Karl-Heinz : Die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität, 104–107, Zitate : 106. Auch die Chirurgie sei eine, an der Universität gelehrte „freie Kunst“. Lesky Erna : Die Wiener Mediznische Schule, 61f.und 74. Eine (außerordentliche) Lehrkanzel für Chirurgie wurde in Prag 1773 mit Karl Ferdinand Arnold errichtet, s. Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 295–321, hier : 318 sowie 569. Probst Jacob : Geschichte, 393–401.
330
IV. Teil : Schlussfolgerungen und Ausblick
zähem Widerstand der Innsbrucker Fakultät folgte das Nominale von 1765. Dieses ist an den Namen des Hofrates Karl Anton v. Martini (1726–1800) geknüpft. Neben dem Bemühen, den Unterricht am Krankenbett zu verbessern, wird in beiden Edikten die Verknüpfung der Medizin mit den naturwissenschaftlichen Disziplinen urgiert. Für Innsbruck war es „insgesamt ein schwieriger“ , aber kontinuierlicher Weg zur van Swieten’schen Medizinalreform, allerdings als deutlicher Nachzügler nach der Wiener und der Prager Fakultät. Die entscheidendste Zäsur mit Wirkung über 80 Jahre hinaus war für Innsbruck die sozialreformatorischen Konzeptionen von Kaiser Josef II. Aufgabe der jetzt medizinisch-chirurgische Studienanstalt genannten Medizinschule war die Ausbildung akademisch qualifizierter Wundärzte und diplomierter Hebammen. Wieder war es v. a. dem Bemühen der Tiroler Stände zu verdanken, zur Wiedererrichtung der Medizinischen Fakultät initiativ zu bleiben. Dies war zunächst allerdings nur vorübergehend wirksam (neuerliche Medizinische Fakultät unter Kaiser Leopold II. und in der Anfangszeit der bayerischen Herrschaft). Die Vorarbeiten zur tatsächlichen Wiedererrichtung einer zeitgemäßen Medizinischen Fakultät wurden jedoch erst unter Leo Graf Thun-Hohenstein und seiner Universitätsreform (1849) geleistet. Eine aktive Berufungspolitik, v. a. an der Philosophischen Fakultät, gab die Möglichkeit, für die naturwissenschaftlichen Fächer hervorragende Vertreter zu gewinnen. Für die theoretisch-naturwissenschaftlichen Fächer war dadurch im Wesentlichen gesorgt. Viel kostspieliger und „complicierter“ war der Übergang zur Entwicklung der klinischen Spezialfächer. Bereits am 19. August 1848 war durch Ministererlass „die Aufhebung der niederen Chirurgenschule angeordnet (worden)“.10 Erst 1869 erfolgte schließlich die Bewilligung zur Neuerrichtung der Innsbrucker Medizinischen Fakultät mit dem Promotionsrecht. Ein neues Ins tituts- und Klinikareal entstand westlich der Stadt buchstäblich auf der grünen Probst Jacob : Geschichte, 401–411. Oberkofler Gerhard u. Goller Peter : Geschichte, 63. „Für die Besetzung erledigter oder neu zu errichtender Lehrkanzeln haben die Facultäten Vorschläge an das Ministerium zu richten, die Ernennung erfolgt durch den Kaiser. Für den Nachwuchs wissenschaftlich und lehramtlich geeigneter Kräfte ist durch die Privatdocenten gesorgt, deren Habilitierung auf Grund gedruckter wissenschaftlicher Arbeiten, eines mündlichen Examens und eines Probevortrages von der Facultät ausgesprochen, vom Ministerium bestätigt wird. Durch diese Autonomie ist es den Professorencollegien möglich geworden, einen wirksamen Einfluss auf die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Hochschule zu nehmen ; und wie es ihr Recht ist, so haben es die Facultäten auch in sehr vielen dieser Fragen für ihre Pflicht erachtet die Initiative zu ergreifen …“, s. Festschrift 10. Festschrift, 14f., Zitat : 14. 10 Festschrift, 14.
IV. Teil : Schlussfolgerungen und Ausblick
331
Wiese. Diese Pionierzeit hatte wieder gezeigt, wie sehr – neben dem Bundesbeitrag11 – Mittel des Landes selbst und seiner Bevölkerung zur Verbesserung der Krankenversorgung aufgebracht und widmungsgemäß verwendet werden konnten. Die Innsbrucker Medizinische Fakultät lag jetzt am (nationalen und internationalen) Karrierepfad von Professoren aus Theorie und Praxis. Wie Berufungsauswertungen zeigen, verließen mehr als die Hälfte der hierher Berufenen die Fakultät in Richtung größerer Universitäten. Fachliche Möglichkeiten und die Lebensqualität der Stadt waren wohl Ursache, dass – neben anderen namhaften Fachvertretern – vier spätere Nobelpreisträger, darunter drei an der Medizinischen Fakultät, in der Zwischenkriegszeit hier in Innsbruck wirkten. Welche sind einige der Unterschiede zwischen Innsbruck und Wien ? Wien galt und gilt als die ressourcenreiche Großuniversität mit einer Pluralität des Lehrangebotes, wie dies Innsbruck nie bieten konnte. Andererseits hat Innsbruck schon seit der Wiederbegründung der Medizinischen Fakultät meist verstanden, z. T. hervorragende Vertreter der verschiedensten Schulen nach Innsbruck zu berufen. Die Innsbrucker medizinische Schule war und ist eine überschaubare Institution, die im damals neu errichteten Klinikum und Institutsareal günstige Voraussetzungen zur Zusammenarbeit bieten konnte. Ein Blick über die dargestellte Periode hinaus soll diese Publikation abschließen (siehe Beilagen). Innsbruck ist eine kleinere, jedoch kontinuierlich wachsende Universität. Dabei konnten mit den steigenden Studentenzahlen auch die baulichen Investitionen bisher weitgehend Schritt halten, eine in Österreich seltene Situation12 (Beilage 3). In den Forschungsleistungen bestehen zwischen Innsbruck und Wien im Output erwartungsgemäß erhebliche Unterschiede. Bei Vergleich der personellen Ressourcen relativieren sich diese Unterschiede allerdings (Beilage 4). Vergleicht man die letzten zwölf Jahresperioden (1992 bis 2004), so lagen zu Beginn die Publikationsleistungen – gemessen an den Impaktpunkten – and der Wiener Medizinischen Fakultät13 nur knapp doppelt so hoch wie in Innsbruck. Sie stieg hier in diesen zwölf Jahren auf das 2,8-Fache, wobei der Abstand zwischen Innsbruck und Wien allerdings größer geworden ist. Aufgrund dieser Zahlen kann der Schluss gezogen werden, dass vermehrte Investitionen in die biomedizinische Forschung – insbesondere in personeller Hinsicht – gerade für Innsbruck notwendig sind. Die 11 Nach den Erfordernissen an das Universitätsbudget der Monarchie erhielt lediglich Czernowitz in der Bukowina niedrigere Bundesbeiträge, s. Höflechner Walter : Die Baumeister des künftigen Glücks, 810–812. 12 Schübl Elmar : Der Universitätsbau in der Zweiten Republik, Horn u.a. 2005, 361. 13 Der Anstieg in Wien (1992–2004) betrug das über 3,7-fache.
332
IV. Teil : Schlussfolgerungen und Ausblick
hier mögliche besonders enge Verknüpfung zwischen Klinik und Grundlagenforschung lässt für derartige Investitionen – so der optimistische Ausblick – ein erhebliches Potenzial patientennaher Forschungsergebnisse erwarten.
Beilagen
Der finanzielle Aufwand im Vergleich zu Wien
333
1. Der finanzielle Aufwand im Vergleich zu Wien und anderen Universitäten der Habsburgermonarchie bzw. der Republik Österreich W. Höflechner dokumentiert die finanziellen Erfordernisse für das Hochschulwesen in Cisleithanien bzw. Österreich (1874–1931). Der budgetäre Aufwand für die Universität Innsbruck – Zahlen für die Medizinische Fakultät allein liegen mir nicht vor – betrug im Durchschnitt (arithmetisches Mittel) bis zum Ende der Habsburgermonarchie 8,17 % der Gesamterfordernisse der cisleithanischen Universitäten. Damit lag Innsbruck in diesen Erfordernissen im unteren Bereich der Universitäten der Habsburgermonarchie (Abb. 1) – niedriger war lediglich der Aufwand für die Universität Czernowitz.
Abb. 1 : Quelle : Höflechner Walter : Die Baumeister des künftigen Glücks. Fragment einer Geschichte des Hochschulwesens in Österreich vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis in das Jahr 1938 (= Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz, Bd. 23), Graz 1988, Statistische Angaben zur staatlichen Aufwendung für das Hochschulwesen in Österreich von 1874 bis 1938, 810–814, hier 810–812.
Höflechner Walter : Die Baumeister des künftigen Glücks. Fragment einer Geschichte des Hochschulwesens in Österreich vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis in das Jahr 1938 (= Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz, Bd. 23), Graz 1988, Statistische Angaben zur staatlichen Aufwendung für das Hochschulwesen in Österreich von 1874 bis 1938, 810–814, hier : 810–812.
334
Beilagen
1874 wurden nach diesen Daten insgesamt etwas über 2,6 Mio. Gulden als „Summe der ordentlichen und außerordentlichen Erfordernisse aller österreichischen Universitäten“ budgetiert. Ab 1904 beziehen sich die Erfordernisse jeweils auf Kronen und ab 1926 auf Schillinge. Angegeben ist die Summe der ordentlichen und außerordentlichen Erfordernisse pro Universität. Ab 1919/20 kommt es – wie die Daten deutlich zeigen – zu prozentuell wesentlich höheren Überweisungen aus dem Gesamtbudget der Universitäten, da die Universitäten von Prag, Lemberg, Krakau und Czernowitz/Tscherniwzi (Letztere als Universität ab 1878) nicht mehr aus diesem Budget finanziert wurden. Ein Vergleich der Erfordernisse der Universitäten Wien und Innsbruck zeigt, dass Innsbruck etwa ein Viertel des Aufwands der Universität Wien in Anspruch nehmen konnte (Abb. 2). Bezogen auf die Gesamterfordernisse der Universitäten von Cisleithanien lag der Innsbrucker Anteil fast immer unter 10 % und z. T. auch deutlich niedriger. Dieser Anteil ging erst in der Ersten Republik auf ca. 15 bis knapp über 20 % des gesamtösterreichischen Universitätenbudgets hinauf (Abb. 3). Nach den Daten von Höflechner betrug der durchschnittliche Aufwand (1874– 1918/19) für Wien 31,58 %, für Prag 25,30 %, für Krakau 11,90 % für Graz 10,93 %, für Lemberg 8,52 % und für Czernowitz ca. 3,6 %. Wien und Prag hatten 1917/18 zusammen 56 % – davon Prag 23,5 % – der Gesamterfordernisse der Universitäten der Habsburgermonarchie beansprucht. In Prag stiegen die Erfordernisse ab den 1880er-Jahren deutlich an. Dies entsprach zeitlich der Errichtung getrennter deutscher und tschechischer Universitäten. In den 1910er-Jahren änderte sich dieser Trend wieder (Abb. 2). Jahr
Wien
Prag
Innsbruck
1874
1.634
918 (56,2 %)
361 (22,1 %) 407 (18,5)
1878
2.205
1.142 (51,8)
1891
1.822
1.598 (87,7)
497 (27,3)
1898
2.181
1.942 (89,0)
648 (29,7)
Höflechner Walter : Statistische Angaben zur staatlichen Aufwendung für das Hochschulwesen in Österreich von 1874–1938, 810–814, Zitat : 810. Nach den Durchschnittswerten der Erfordernisse erhielt nach diesen Daten die Universität Wien etwa das 3,9-Fache der Universität Innsbruck. (1874–1918/19). Höflechner Walter : Statistische Angaben zur staatlichen Aufwendung für das Hochschulwesen in Österreich von 1874 bis 1938, 810–812. Havránek Jan : The Czech University 1882–1918. In : Kavka Frantisek : A History of Charles University. Vol 2, Prague 2001, 123–131, s.a. Koerting Walther : Die Deutsche Universität in Prag, 6–95.
335
Der finanzielle Aufwand im Vergleich zu Wien
Jahr
Wien
Prag
Innsbruck
1905
6.605
5.922 (89,7)
2.106 (31,9)
1912
10.779
7.707 (71,5)
2.524 (23,4)
11.356
entfällt
3.070 (27,0)
1919/206
Abb. 2 : Die finanziellen Erfordernisse der Universitäten Innsbruck, Wien und Prag (1874–1912). Die Budgetzahlen sind jeweils in 1.000-Gulden bzw. 1.000-Kronen angeführt. In Klammer prozentueller Vergleich mit den Wiener Budgetzahlen. Quelle : Höflechner Walter : Die Baumeister des künftigen Glücks. Fragment einer Geschichte des Hochschulwesens in Österreich vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis in das Jahr 1938. (=Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz, Bd. 23), Graz 1988, Statistische Angaben zur staatlichen Aufwendung für das Hochschulwesen in Österreich von 1874 bis 1938, 810–814, hier : 810–812.
Die Erfordernisse der Universitäten:
Vergleich der Universitäten Wien und Innsbruck (jeweils als Prozentsätze der Gesamtaufwendungen für die Universitäten der Habsburgermonarchie bzw. der Republik Österreich) 70,00% 60,00% 50,00%
Wien Innsbruck
40,00% 30,00% 20,00% 10,00%
28
30 19
25
19
23 19
19
0
21 19
8
/2 19
19
14
/1
19
17
12
19
10
19
19
06
08 19
04
19
19
91
96 18
18
18
74
0,00%
Abb. 3 : Quelle : Höflechner Walter : Die Baumeister des künftigen Glücks. Fragment einer Geschichte des Hochschulwesens in Österreich vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis in das Jahr 1938 (= Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz, Bd. 23), Graz 1988, Statistische Angaben zur staatlichen Aufwendung für das Hochschulwesen in Österreich von 1874–1938, 810–814, hier : 810–812.
In der Abbildung 4 sind die Erfordernisse der Universitäten Innsbruck und Graz auf Gesamterfordernisse bezogen, die hier nicht nur die Universitäten, sondern auch Die Budgetsummen sind von 1914/15 bis 1920/21 nach dem Studienjahr angegeben, s. Höflechner Walter : Die Baumeister des künftigen Glücks, 811. In den Jahren 1874 und 1878 ist der Aufwand für die Prager Universität von knapp 1 Mio. Gulden auf fast 2 Mio. Gulden (1898) erhöht worden. Die Prager Universität näherte sich – auch im Kronenbudget von 1905 – bis auf fast 90 % der Universität Wien. 1912 gingen dann die Aufwändungen für Prag deutlich zurück. Sie lagen jedoch auch weiterhin deutlich über den Erfordernissen aus der Ära vor 1882 (Tabelle 9).
336
Beilagen
alle (nichtuniversitären) Hochschulen und die Akademien betreffen. Er betrug für Innsbruck 13,77 % und für Graz 16,76 % des Gesamtbudgets. Der Aufwand für die Universität Graz gegenüber Innsbruck am Gesamtbudget von Universitäten und Nichtuniversitäten lag für Graz somit etwas höher. Vergleich der Erfordernisse für die Universität Innsbruck als Prozentsatz der Gesamterfordernisse für die Universitäten und Hochschulen sowie Akademien 25,00%
20,00%
15,00% Innsbruck Graz 10,00%
5,00%
31
29
27
24
19
19
19
19
9
22 19
5 /1
19
18
/1
12 19
14
10
19
08
19
19
04
91
06 19
19
18
18
74
0,00%
Abb. 4 : Quelle : Höflechner Walter : Die Baumeister des künftigen Glücks. Fragment einer Geschichte des Hochschulwesens in Österreich vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis in das Jahr 1938. (= Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz, Bd. 23), Graz 1988, Statistische Angaben zur staatlichen Aufwendung für das Hochschulwesen in Österreich von 1874–1938, 810–814, hier : 813.
2. Innsbruck als offene Universität : zu den Berufungen von Innsbrucker Professoren Innsbruck spielte für eine größere Zahl von Professoren der hiesigen Fakultät eine Zwischenstation auf ihrem Karriereweg. Dies wird im Vergleich zu Graz und Prag deutlich. 55 % der Innsbrucker Professoren wurden von hier an andere Universitäten berufen (Abb. 5). Höflechner Walter : Statistische Angaben zur staatlichen Aufwendung für das Hochschulwesen in Österreich von 1874 bis 1938, 813f. und FN 10. Bei den Nichtuniversitäten handelt es sich um „die Technischen Hochschulen, die Tierärztliche Hochschule, die Hochschule für Bodenkultur, die montanistischen Hochschulen und die Akademien“. Die Zahlen für Innsbruck, Graz und Prag stammen aus der Zusammenstellung von Eulner : Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, Anhang.
Innsbruck als wachsende Universität – ein Ausblick über die Jahrtausendwende
337
In der Periode 1869–1938 erging an 50 von 91 der Ordinarii und Extraordinarii ein (angenommener) Ruf an eine größere deutschsprachige Universität. In Graz lag dieser Anteil deutlich niedriger, nämlich bei 39 %, in Prag bei knapp 36 %. Berufungen von Innsbrucker Professoren an andere Universitäten : Berufung von Innsbruck wohin Universitäten der Habsburgermonarchie
Zahl der Berufungen
%
39
43
Deutsche Universitäten
11
12
In Innsbruck emeritiert, pensioniert bzw. verstorben
41
45
91
100
Abb. 5 : Quelle : Eulner Hans-Heinz : Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer an den Universitäten des deutschen Sprachgebietes, Stuttgart 1970, Anhang.
Innsbruck hatte einen besonders hohen Anteil von Berufungen an andere Universitäten der Habsburgermonarchie (43 %). Dies war wieder deutlich höher als in Graz (29 %) oder Prag (21 %). Für Innsbrucker Professoren war Graz der bevorzugte Berufungsort – in 17 von 39 Berufungen. An zweiter Stelle lag Wien (14 Berufungen) gefolgt von Prag (7 Berufungen) und schließlich Lemberg (1 Berufung). Von Graz aus ging man dagegen v. a. nach Wien (20 von 25 Berufungen) und ähnliches galt für Prag (19 von 22 Berufungen). Bei den Berufungen an ausländische deutsche Universitäten hatte Prag den höchsten Anteil, nämlich 15 %. Innsbruck folgte mit 12 % und Graz mit 10 %.10 3. Innsbruck als wachsende Universität – ein Ausblick über die Jahrtausendwende
In der Nachkriegszeit kam es zunächst zu einem – wie zu erwarten – zögerlichen Start.11 Dieser wurde jedoch relativ bald von einem beachtlichen Aufschwung12 abgelöst. Dies galt für die Gesamtuniversität ebenso wie für die Medizinische Fakultät.13 10 Eine eindeutige Bevorzugung für bestimmte Universitätsstädte des deutschen Auslandes bestand bei den Berufungen von Innsbrucker Professoren nicht. Für Prag dagegen waren einige Städte bevorzugt, nämlich Leipzig (4 Berufungen), Berlin (2 Berufungen) und Straßburg (2 Berufungen). 11 Moser Hans und Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität, 85–99 12 Moser Hans und Smekal Christian : Leopold-Franzens-Universität, 85–98, hier : 92–94. Gesprochen wird sogar von einem Großem „Aufschwung“. Für die Medizinische Fakultät waren ein erstes Zeichen eines Aufschwungs der Bau und die schließliche Eröffnung der neu errichteten Medizinischen Klinik (1953/54). 13 Huter Franz : Hundert Jahre, Band 1, 174–183, s.a. Schübl Elmar : Der Universitätsausbau in der Zweiten Republik – Ein Beitrag zur Entwicklung der universitären Landschaft in Österreich, Horn u. Wien 2005, 361–392
338
Beilagen
Studentenzahlen/ordentliche Studierende, Universitätspersonal und bauliche Investitionen reflektieren beachtliche Wachstumsraten. In den Jahren 1970 bis 2000 konnten die zunehmenden Studentenzahlen in Innsbruck von einem vergleichbaren Wachstum der Bauinvestitionen begleitet werden (Abb. 6).14
450% 400% 350% 300% 250% 200% 150% 100%
Abb. 6 : Quelle : Schübl Elmar : Der Universitätsausbau in der Zweiten Republik. Ein Beitrag zur Entwicklung der universitären Landschaft in Österreich, Horn u.a. 2005, 361–392, hier : 361.
Gesamtuniversitär gesehen „fiel (in Innsbruck) die Steigerungsrate der Flächengewinne und jene der Studierendenzahlen praktisch gleich hoch aus“15. Die Zunahme der Mitarbeiter fiel dagegen – wie die Abbildung zeigt – deutlich flacher aus.16 Der Vergleich mit der Universität Wien fällt für Innsbruck – im Hinblick auf die baulichen Investitionen – recht günstig aus. An der Universität Wien konnten die baulichen Investitionen den steigenden Studentenzahlen weniger als in Innsbruck folgen (Abb. 7). Aber ähnlich wie in Innsbruck nahm die Zahl der Mitarbeiter mit den steigenden Studentenzahlen nicht entsprechend zu. Die Grazer Situation war ähnlich jener von Wien.17 14 Schübl Elmar : Der Universitätsausbau in der Zweiten Republik – Ein Beitrag zur Entwicklung der universitären Landschaft in Österreich, Horn u. Wien, 2005, 361–392, insbes. 361–367, 373–376 u. 389–391 15 Schübl Elmar : Der Universitätsausbau in der Zweiten Republik, 361. 16 In der Grafik sind die prozentuellen Zunahmen von Universitätspersonal, ordentlichen Studierenden und der Nutzfläche dargestellt (Zeitperiode 1970–2002). Nicht einbezogen sind in der Grafik die insgesamt ausführlich dokumentierten Klinikbauten (mit beachtlichen Neuerrichtungs- und Erweiterungsanlagen). Auf dem personellen Sektor standen der Innsbrucker Universität 2002 an wissenschaftlichem Personal 1.377 Personen zur Verfügung ; Allgemeine und Universitätsbedienstete besetzten 942,5 Planstellen. Die Nutzfläche der Bauten betrug 177.000 m². Die Zahl der Inskriptierten betrug insgesamt 22.190 (Studienjahr 2002/03) 17 Schübl Elmar : Der Universitätsausbau in der Zweiten Republik, 281–315, grafische Darstellung 281.
Zu den Publikationsleistungen der Medizinischen Fakultäten
339
Abb. 7 : Quelle : Schübl Elmar : Der Universitätsausbau in der Zweiten Republik. Ein Beitrag zur Entwicklung der universitären Landschaft in Österreich, Horn u.a. 2005, 133–206, hier : 133.
4. Zu den Publikationsleistungen der Medizinischen Fakultäten bzw. der Medizinischen Universitäten (1992–2004) Die Daten zu den Publikationsleistungen der drei österreichischen Medizinischen Fakultäten (Medizinischen Universitäten) zeigen in Wien, Innsbruck und Graz von Beginn dieser Auswertung (1992) bis 2004 sehr deutliche Anstiege. In Wien betrug der Anstieg der Impact-factor-Punkte18 das über 3,5-Fache19, in Innsbruck20 dagegen betrug dieser Anstieg das 2,8-Fache (Abb. 8).
18 Der Impact-factor berücksichtigt Publikationen in international akzeptierten wissenschaftlichen Zeitschriften mit entsprechendem Qualitätsstandard. Die Höhe der Impact-factor-Punkte richtet sich dabei nach der Häufigkeit der Zitationen der einzelnen Zeitschriftenartikel. So bringt z. B. eine Publikation im J Clin Investigations hohe Impact-factor-Punkte, da die dort erschienenen Artikel in der Literatur besonders häufig Erwähnung finden. 19 1992 betrugen die Impact-factor-Punkte in Wien (Theoretische Institute und Kliniken) 1.004, 2004 betrugen sie 3.760. 20 1992 betrugen die gesamten IF-Punkte in Innsbruck 563 und 2004 dann : 1.586. Dies entspricht einer Steigerung auf das 2,8-Fache.
340
Beilagen
Publikationsleistungen (Impactfaktoren) 1992–2004 4000 3500 3000 2500
Wien Innsbruck Graz
2000 1500 1000 500 0 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Abb. 8 : Daten aus den Statistiken des Institutes für Gefäßbiologie und Thromboseforschung in Wien.21
Als Vorteil für Innsbruck wurde – bei dieser Auswertung – ein konstant höherer Output (Impact-factor-Punkte pro Mitarbeiter) nachgewiesen. Allerdings unterscheiden sich die Organisationsformen in Innsbruck deutlich von jenen an der Wiener Medizinischen Fakultät/Universität. Eine weitergehende Analyse der Daten wurde in diesem Rahmen nicht durchgeführt. Hat sich Innsbruck im Vergleich zu Wien in seinen Publikationsleistungen gegenüber Wien verbessern können ? Dafür geben die dargestellten Impact-factorAuswertungen für den Zeitraum 1992 – 2004 keinen Hinweis. In der ersten Kohorte betrugen die ausgewerteten Innsbrucker Publikationsleistungen gegenüber Wien 47,24 %22. In den Jahren 2002–2004 andererseits 42,84 %.23 Wir schließen jedenfalls, dass der Abstand in den Publikationsleistungen – nach den uns übermittelten Daten – zwischen Innsbruck und Wien in den Jahren 1992– 2004 keineswegs geringer geworden ist.
21 Hrn. Prof. B. Binder und Fr. M. Pinkawa sei für die Überlassung der Daten besonders gedankt. Weitere Daten dazu in der diesbezüglichen Diplomarbeit des Autors, erstellt an der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck. 22 Wien : 3.373,33, Innsbruck : 1.593,45 (1992–1994). 23 Wien : 10.324,26, Innsbruck : 4.422,68 (2002–2004).
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Personenregister* Abderhalden, Emil 212 Aberle, Matthias 84 Abulcasis 20 Albaneder, Theodor 84, 110, 112 Albert, Eduard 125, 191, 256 Albrecht, Heinrich 214 Allen, Fred Madison 213 Amerer, Johann 127, 129, 258 Amreich, Isidor 266f. Anton, Gabriel 299f., 309, 310 (Abb. 98), 311 Arco, Carl Maria 80, 89 Aristoteles 21, 31 Arlt, Ferdinand von 277, 282ff., 289, 294 Arnemann, Justus 63, 105 Arnold, Karl Ferdinand 38 Arzt, Leopold 275 August von Sachsen 33 Auspitz, Heinrich 269 Avicenna 20, 25 Bacchettoni, Hieronymus Leopold 23, 26, 28, 32, 35, 36 (Abb. 9), 37 (Abb. 10) Bader, Franz Josef L. von 76 Badtke, Günter 290 Baillie, Mathias 64 Bamberger, Heinrich von 284, 286 Bang, Ludwig Frederik 64 Bárány, Robert 159, 292 Barth zu Barthenau, Ludwig von 122, 200, 250 Bartitsch, Georg 33 Bauer, Wilhelm 322, 326, 327 (Abb. 101) Bayer, Gustav 182, 228, 232, 233 (Abb. 65), 234 Bayer, Helga 234 Becker, Otto 286 Beer, Georg Joseph 101, 106, 124, 277 Beitzke, Hermann 214 Bernheimer, Stefan 282f., 286, 287 (Abb. 92), 288 Bernt, Joseph 101 Berres von Perez, Joseph 101, 111, 161, 167
Beust, Ferdinand von 146 Bezold, Albert von 247 Bezold, Friedrich 295f. Bidloo, Govert 63 Billroth, Theodor von 38, 159, 257, 263, 268, 283 Bingen, Hildegard von 21 Bleichsteiner, Anton 323 Blumenbach, Johann Friedrich 63 Boenecken, Heinrich 323 Boer, Johann Lukas 101 Boerhaave, Herman (Hermann) 7, 29, 39, 47, 56, 62f. Bois-Reymond, Emil Heinrich du 183f. Bolzano, Bernhard 215 Borysiekiewicz, Michael 282 (Abb. 89), 283 Brambilla, Giovanni Alessandro 38, 76 Braun, Joseph 84, 96 Breisky, August von 263 Breitner, Burghard 125, 257 Breuer, Joseph 185, 307 Broemser, Philipp 298 Brücke, Dora siehe Teleky-Brücke, Dora Brücke, Emilie (Milly) von 194 Brücke, Ernst Theodor von 189, 193–196 (Abb. 49) Brücke, Ernst Wilhelm von 159, 162, 172, 176, 179, 181ff., 198, 218, 243, 283, 286, 307 Brücke, Theodor von 194 Brunner, Karl 211 Brunschwig, Hieronymus 34 Buchheim, Rudolf 245 Canisius, Petrus 13 Cannon, Walter Bradford 197 Carabelli, Georg 323 Carrel, Alexis 227 Celsus, Aulus Cornelius 67 Chelius, Maximilian Joseph von 107 Chiari, Han(n)s 213, 238 Chiari, Ottokar von 293
* Innsbrucker Lehrkanzelvorstände (Haupthinweise) – kursiv
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Personenregister
Chotek von Chotkowa, Rudolph 5, 42f., 46, 329 Chrobak, Rudolf 243, 262 Claudia Felicitas siehe Medici, Claudia Felicitas de’ Conradi, Johann Wilhelm Heinrich 105 Consbruch, Georg Wilhelm Christoph 106 Coredo, Max Ernest 12 Cranz (Crantz), Johann Heinrich Nepomuk 48, 56, 61 Czermak, Johann Nepomuk 291 Czermak, Wilhelm 283, 284 (Abb. 90) Czerny, Adalbert 319 Dalla Rossa, Alois 163 Dantscher von Kollesberg, Karl 108, 110, 111 (Abb. 23), 160, 165f., 167f., 176 De Luca, Ignatz 22 Dietl, Michael Joseph 177, 191, 229 Dimmer, Friedrich 284, 285 (Abb. 91), 286 Dioskurides 21 Dittel, Leopold von 126, 272 Dittrich, Paul 237f. Drasche, Anton 120 Ducheck, Adalbert 251 Dumreicher von Österreicher, Johann Heinrich 125f., 256f., 261, 293 Durig, Arnold 181, 191 Eble, Burkhard 102 Ebner von Rofenstein, Victor 168, 174f., 178ff., 182, 221f. Economo von San Serff, Constantin 307f. Egloff zu Stadthof, Franz Caspar Benedikt 7, 49, 55 Egloff zu Stadthof, Franz Carl Anton von 25, 26 (Abb. 5), 32 Egloff, Franz Caspar Benedikt d. J. 7, 49, 55 Ehrendorfer, Emil 262, 263 (Abb. 77) Eiselsberg, Anton von 172, 257, 263, 265f. Emich, Friedrich 204 Engel, Josef 213, 219 Eppinger, Hans 214 Erdmann, Rhoda 227 Escherich, Theodor 320 Exner, Sigmund von 180ff., 186ff., 191, 233, 243 Eymer, Heinrich 264, 265 (Abb. 79)
Fabricius, Hildanus Wilhelm 34 Ferdinand I. (Kaiser) 9 Ferdinand II. (Erzherzog) 3 Ferdinand Karl (Erzherzog) 3, 13 Feuchtersleben, Ernst von 126 Fick, Rudolf 160, 170, 171 (Abb. 40), 172 Finsen, Niels Ryberg 270 Fischer von Fischheim, Wolfgang Martin 25, 32 Fischer, Emil 202, 205, 209 Fischer, Hans 208–210 (Abb. 55) Fischer, Josef 109, 122, 128 Fleischl von Marxow, Ernst 186 Fludd, Robert 30f. Flügge, Karl 238 Foltanek, Karl 319 Forbes, Alexander 194f. Frank, Johann Peter 35, 61, 63, 74, 161, 215 Frank, Otto 209 Franz II./I. (Kaiser) 60, 91, 93f., 96 Franz Joseph I. (Kaiser) 126, 150, 168, 229 Freud, Sigmund 186, 299, 307 Fried, Jacob 55 Fritz, Erich 239 Fritz, Ignaz Franz 38 Frohriep, Ludwig Friedrich von 105 Fuchs, Ernst 243, 283ff., 288 Fuchs, Leonhard 28 Galenos (Galen) von Pergamon 20, 25, 65 Galura, Bernhard von 95 Gamper, Eduard 313, 316 Ganner, Hans 314 Gasteiger, Hugo 290 Gautsch von Frankenthurn, Paul 168, 318 Gersdorff, Hans von 34 Gerstner, Karl Anton 29, 32, 58 Ghon, Anton 214 Gmelin, Ferdinand Gottlob von 106 Goller, Peter 85 Griesinger, Wilhelm 301f. Gruber, Georg Benno 218, 223 (Abb. 59), 224 Gruber, Josef 291ff. Gruber, Max von 243 Haberda, Albin 241 Haberer, Hans von 257 Haberlandt, Ludwig 193
Personenregister
Habermann, Johann 294 Hacker, Viktor von 257 Haeckel, Ernst 168, 169 Haen, Anton de 57 Hajek, Markus 293 Hamburger, Franz 321f. Hamperl, Herwig 214 Haselhofer, Leo 327 Hebra, Ferdinand von 121, 160, 163, 216, 268ff. Hebra, Hans von 270 Heider, Moritz 323 Heine, Karl Wilhelm von 121, 128, 256, 267f. Heister, Lorenz 34, 47, 63f. Heller, Johann Florian 198 Helmholtz, Hermann Ludwig Ferdinand von 183, 188, 277 Helmont, Johann Baptist van 30 Hempel, Adolph Friedrich 105 Henckel, Johann Friedrich 103 Henze, Martin 210–212 (Abb. 56), 213 Hering, Karl Ewald Konstantin 112, 190, 192ff., 228f. Herrenschwand, Friedrich von 287 Herzog, Heinrich 295, 296 (Abb. 96), 297 Heschl, Richard 213, 221 Hibler, Emmanuel von 222 Hildebrandt, Georg Friedrich 107 Hinterberger, Joseph 109, 129 (Abb. 31), 258 Hippokrates von Kos 24, 65f. His, Wilhelm d. Ä. 171 Hochenegg, Julius von 240 Hochstetter, Ferdinand von 160, 163f., 168, 169f. (Abb. 39), 181, 265f. Hoermann, Ignaz von 84, 114 Höflechner, Walter 333f. Hofmann, Eduard von 235, 236 (Abb. 66), 237 Hofmann, Franz Bruno 192 Hofmann, Karl Berthold 202, 204 Hohenheim, Theophrastus Bombast von (genannt Paracelsus) 30 Holer von Doblhof, Franz 24 (Abb. 4), 32 Holl, Moritz 160, 163, 166f. (Abb. 37) Hörbst, Ludwig 299 Horn, Ernst 103 Horn, Johann Philipp 102 Huber, Alfons VII Hufeland, Christoph Wilhelm 103f.
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Hüfner, Gustav von 202 Humboldt, Wilhelm von 214 Hunczovsky, Johann Nepomuk 102 Huter, Franz 148, 158 Hye, Anton Josef von 146 Hyrtl, Joseph 102, 111, 113, 161ff., 168, 183 Innozenz XI. 12f. Ipsen, Carl 238ff. Isfordink, Johann Nepomuk 102 Jacquin, Nikolaus (Nicolaus) Joseph von 49, 61, 79 Jaeger von Jaxtthal, Eduard 277ff., 285 Jaksch, Rudolf von 320 Jarisch, Adolf d. Ä. 247, 270, 271 (Abb. 82), 272, 274 Jarisch, Adolf d. J. 228, 246, 247 (Abb. 69), 248 Jaus, Franz Joseph 72 Josef II. (Kaiser) 1, 7, 35, 39, 42, 50, 58ff., 74, 76, 135, 330 Juffinger, Georg 294, 295 (Abb. 95) Kaposi, Moriz 269, 271f., 294 Karl VI. (Kaiser) 6, 17, 37, 50, 329 Karpe, Franz Xaver Karl 114f., 115 (Abb. 25), 119 Karpff, Anton Franz 119 Keesbacher (Keespacher), Johann Nepomuk 76f., 84, 95 Kenner, Thomas 187 Kerl, Wilhelm 275f. (Abb. 86) Kern, Vincenz von 102, 122, 124f., 127 Kernbauer, Alois 187 Kerschner, Ludwig 177, 178 (Abb. 43), 179 Khuen, Johann Franz von 14 Kilian, Hermann Friedrich 107 Klebs, Edwin 213 Kleinwächter, Ludwig 260 (Abb. 75) Klemensiewicz, Rudolf 182, 231f. Knauer, Emil 263, 265 Knoll, Philipp 228, 230 Knoop, Franz 211 Koch, Heinrich Hermann Robert 238, 242 Koelliker, (Rudolf ) Albert von 171, 176 Kolisko, Alexander 240f. Kolisko, Eugen 120 Koller, Carl 277
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Personenregister
Kopatschek, Fritz 211 Körner, Moritz Anton 109, 119, 120f., 251 Krafft-Ebing, Richard von 299, 301ff., 311 Krainz, Wilfried 297, 298 (Abb. 97), 299 Kratter, Julius 237, 239 Kraus, Friedrich 249, 254f. Kren, Otto 276 Kretz, Richard 214, 240 Kubik, Jacob Adolph 114, 115f. Kumer, Leo 276 Kundrat, Hans 213f., 221f. Kurzak, Franz Xaver 114, 115f. (Abb. 26) Laicharding, Johann Nepomuk 76, 78 Landsteiner, Karl 159, 218, 226, 241 Lang, Eduard 121, 267, 268 (Abb. 81), 269f., 281 Lang, Franz Josef 219, 225f., 227 (Abb. 62), 228, 327 Lange, Wilhelm von 129, 130 (Abb. 32) Langenbeck, Bernhard Rudolf Konrad von 256 Langer von Edenberg, Carl von 163f., 168, 169 Laschan von Solstein, Ignaz Georg 109, 119, 120, 129 Lauda, Ernst 253 Leber, Ferdinand Joseph 48, 61, 103 Leidesdorf, Maximilian 299, 301ff., 305 Leopold I. (Kaiser) 4, 10, 11 (Abb. 1), 24 Leopold II. (Kaiser) 61, 94, 102, 330 Leopold V. (Erzherzog) 3 Lesky, Erna 125, 186, 231, 245, 293 Lieb, Hans 203f. Liebermann, Leo 200 Lindner, Karl David 286 Linné, Carl von 28, 48, 217 Linsing von Linsingburg, Peter 24f., 32 Lipp, Eduard 273f. Lode, Alois 182, 243 (Abb. 67), 244 Loebisch, Wilhelm Franz 201 (Abb. 52), 202 Loeseke, Johann Ludwig 63 Loewi, Otto 247 Loewit, Mori(t)z 229, 230 (Abb. 63), 231 Loos, Johann 319ff. Ludwig, Carl 186f. Ludwig, Ernst 201, 243 Ludwig, Wilhelm 316 Lukasiewicz, Wladimir von 272 (Abb. 83), 273 Lutzenberg, Johann Michael 75f., 77, 84
Mach, Ernst 310 Malfatti, Hans 211 Maly, Richard Leo 182, 199 (Abb. 50), 200 Maresch, Rudolf 213 Marherr, Philipp Ambros 62 Maria Theresia (Kaiserin) XI, 5f., 17, 39, 41f., 50ff., 134f., 329 Marschik, Hermann 298 Martini, Karl Anton von 7, 43, 46f., 330 Maschka, Josef von 236, 238 Mathes, Paul 263, 264 (Abb. 78) Mathis, Jürg 181 Mauermann, Franz Joseph 109, 122, 127 (Abb. 30), 128, 277 Mauthner, Ludwig Wilhelm 278 (Abb. 87), 279f. Maximilian I. (Kaiser) 3, 80 (Abb. 16) Maximilian I. Joseph (König) 79, 81, 86, 92 Maximow, Alexander 227 Mayer, Alois Michael 61, 103 Mayer, Carl 299, 309, 311, 312 (Abb. 99), 313f., 316, 327f., 330 Mayerhofer, Bernhard 322–326 (Abb. 100) Mayrhofen zu Koburg und Anger, Virgil 109, 129, 130, 131 (Abb. 33), 132, 259 Meckel, Johann Friedrich d. Ä. 55 Mederer und Wuthwehr, Matthaeus von 75, 76 Medici (Fürsten) 3 Medici, Anna de’ 4 Medici, Claudia Felicitas de’ 4 Meringer, Rudolf 313 Meixner, Karl 238, 240f. Meller, Josef 283, 288 (Abb. 93), 289 Menge, Carl 264f. Menghin, Johann ( Joan) Michael von 56, 57f., 76, 78 Merk, Ludwig 274f. Metzger, Johann Daniel 63 Meynert, Theodor von 159, 176, 299ff., 307, 309ff. Miller, Andreas 73, 77 Moeller, Josef 246 (Abb. 68) Molitoris, Hans 239 Montgelas, Maximilian Joseph von 79, 81 (Abb. 17), 82 Morawitz, Paul 255 Morgagni, Giovanni Battista 64 Mosetig von Moorhof, Albert 126
Personenregister
Müller, Friedrich von 209, 223 Müller, Johannes von 183 Napoleon I. Bonaparte 92f. Naunyn, Bernhard 254 Neisser, Albert 274 Nessel, Franz 323 Neumann, Heinrich 293, 294, 298 Neumann, Isidor 269, 271ff. Neusser, Edmund von 249, 252ff. Nicoladoni, Carl von 125, 220, 257, 294 Niedermaier, Franz Xaver 74f., 78, 84 Niederwieser, Viktor 321f. Nothnagel, Hermann 159, 243, 307, 311 Nusshard, Franz Willibald 103 Oberkofler, Gerhard 85 Obersteiner, Benedikt 301f. Obersteiner, Heinrich 302, 307f. Oppolzer, Johann von 198, 302 Öllacher, Joseph 175, 176f. Ortner, Norbert von 249, 252, 253 (Abb. 72) Ostwald, Wilhelm 202 Ottenthal, Franz von 141 Paltauf, Arnold 237 Paltauf, Richard 214, 263, 265 Paracelsus siehe Hohenheim, Theophrastus Bombast von Paré, Ambroise 33 Pascoli, Anton 119 Patruban, Karl von 109f., 112, 113 (Abb. 24) Payr, Johann Friedrich von 26, 27 (Abb. 6), 28, 32 Pedanios Dioscurides siehe Dioskurides Peham, Heinrich von 266 Pettenkofer, Max von 242 Pfeiffer, Hermann 231, 232 (Abb. 64), 233 Pick, Arnold 310 Pirquet, Clemens von 321 Piskaček, Ludwig 240 Pitha, Franz Joseph 38 Plenk, Jakob Joseph 61 Pohl, Robert Richard 205, 207 Politzer, Adam 291ff. Pommer, Gustav Adolf 168, 171, 218, 220, 221 (Abb. 58), 222, 298, 316
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Popel, Mathias 236 Pötzl, Otto 315 Pregl, Fritz 182, 202f., 204 (Abb. 53), 205, 207, 211 Preisweg, Gustav 323 Přibram, Richard 310 Priesel, Richard 321f. Prietzel, Friedrich 299 Probst, Jacob 22, 27, 58 Purkinje, Johann Evangelista 108, 112, 190 Purtscher, Othmar 281 Rabl, Carl 163, 179f. Rabl, Hans 179 (Abb. 44), 180 Ranzi, Egon 257 Reisch, Otto 314 Rembold, Otto 119f., 121 (Abb. 28), 122, 249, 250 (Abb. 70), 251 Rhazes 20 Riehl, Gustav 276 Rille, Johann Heinrich 273 (Abb. 84) Rindler, Johann Baptist 27, 28 (Abb. 7), 32 Röderer, Johann Georg 55 Rogenhofer, Gert 21 Rokitansky, Carl von 103, 121, 126, 146, 148, 174, 198, 213ff., 249, 251, 292, 302, 320 Rokitansky, Prokop von 120, 251f. (Abb. 71) Rollett, Alexander 174, 181f., 186f., 199, 202, 221f. Rolly, Friedrich 255 Römer, Oskar 323 Rosas, Anton von 277 Röschlaub, Andreas 82 Rottruf, Joseph 57f., 72f., 78 Roux, Wilhelm 160, 167, 168 (Abb. 38), 169 Sachs, Theodor 282, 287 Sala, Gaudenz von 17f., 21, 24, 32 Salzer, Friedrich Franz 261 Sattler, Hubert 289 Schadelbauer, Karl 220 Scharfetter, Helmut 313f., 316f. Scharfetter, Karl 313 Schauenstein, Adolf 236f. Schauta, Friedrich 260, 261 (Abb. 76), 262, 266 Scheff, Julius von 324 Scherer, Claudius Martin 51, 57, 71f., 73, 78, 109 Schiverek, Swibert Burkhard 50, 57f.
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Personenregister
Schlangenhausen, Fridolin 309 Schloffer, Hermann 257 Schmerling, Anton von 146, 249 Schmidt, Rudolf 249, 253, 254 (Abb. 73) Schmiedberg, Oswald 245 Schnabel, Isidor 278, 280, 281 (Abb. 88), 282, 284, 287 Schneller, Ludwig 119 Schnitzler, Johann 292f. Schnopf hagen, Franz 309 Schönbauer, Leopold 306 Schöpfer, Franz Xaver 84, 109 Schöpfer, Matthias (Matthaeus) Michael 76, 78, 84 Schott, Ferdinand 218, 219 (Abb. 57), 220 Schroff, Carl Damian 148f., 244 Schrötter von Kristelli, Leopold 120, 291, 293f. Schuh, Franz 125f. Schultes, Johannes 34 Schumacher von Marienfried, Sigmund 180 (Abb. 45), 181 Scultetus, Johannes siehe Schultes, Johannes Seefelder, Richard 278, 282, 289, 290 (Abb. 94) Seidl, Emanuel 109, 114, 116f. Selle, Christian Gottlieb 63 Semmelweis, Ignaz Philipp 216f. Senhofer, Carl 200 (Abb. 51) Setschenow, Iwan Michailowitsch 187 Sieglbauer, Felix 160, 172, 173 (Abb. 41), 313 Sigmund von Ilanor, Karl Ludwig 284 Simmonds, Morris 240 Skoda, Josef 120f., 126, 148, 184, 216, 249ff., 302, 320 Smellie, William 55 Soemmering, Samuel Thomas 64 Späth, Ernst 213 Späth, Joseph S. 261, 263, 272 Spielmann, Jakob Reimbold 64 Sprengel, Kurt Polykarp Joachim 106 Sprenger, Wendeling 299 Staravasnig, Georg Karl 76 Statlender, Theodor Friedrich 22, 23 (Abb. 3), 24f., 27, 32 Steidele, Raphael Johann 35, 37, 61, 329 Steinach, Eugen 191 Sternberg, Carl 214, 241 Sterzinger zu Salzrain, Nikolaus Anton 28, 29,
31 (Abb. 8), 32 Steyrer, Anton 249, 254, 255 (Abb. 74), 256 Stiefler, Georg 313 Stoerk, Carl 292, 294 Stöhr, Hermann 213 Stöhr, Richard 212f. Stoll, Maximilian 57 Stolz, Josef 309 Störck, Anton von 56, 76 Stricker, Salomon 159, 176, 198, 218, 228, 251, 282, 305 Strümpell, Adolf 253 Stubenberg, Joseph von 82 Stupka, Walter 297 Swieten, Gerard van 6, 27, 29, 39, 41f., 46, 56, 62 Tandler, Julius 164f. Tanzer, Valentin 323 Teleky-Brücke, Dora 194 Thost, Arthur 298 Thun-Hohenstein, Leo 110, 146, 182, 197, 330 Tiedemann, Friedrich 82 Tittmann, Johann August 107 Toldt, Carl 163, 169, 172, 180f., 274 Trabucco, Alois Paul 57f., 73 Trendelenburg, Wilhelm 193 (Abb. 48) Tschurtschenthaler von Helmheim, Anton Alois 110, 114f., 117, 118 (Abb. 27), 228f., 244, 317f. Türck, Ludwig 291 Türk, Wilhelm 199, 230 Türkheim, Ludwig von 161, 184, 216 Ulrich, Fabian 129 Untersteiner, Raimund 314 Urban, Hubert 315f. Usteri, Paul 64 Valentin, Gabriel Gustav 108 Vintschgau, Maximilian von 112, 176, 182, 186, 189, 190 (Abb. 46), 191, 229, 283 Virchow, Rudolf von 169, 217 Vogel von Fernheim, August Emil 246 Wagner von Jauregg, Julius 159, 234, 299, 305ff., 311, 315 Waldeyer-Hartz, Wilhelm von 171
Personenregister
Wallach, Otto 205 Walther, Philipp Franz von 82 Wattmann von Malcamps-Beaulieu, Joseph 122, 123, 124 (Abb. 29), 125ff., 277 Weber, Carl Otto 256 Wedl, Carl 174, 271, 283 Weichselbaum, Anton 213, 217, 252 Weinhart, Ferdinand Karl von 18, 19 (Abb. 2), 21, 24, 32, 44, 62, 65f. Weinhart, Paul d. Ä. 19, 65 Weiser, Rudolf 324 Weller, Karl Heinrich 106 Wense, Theodor von der 232 Werdt, Felix von 222 Wernicke, Carl 309, 311
Widerhofer, Hermann 219, 319 Wieland, Heinrich 210 Windaus, Adolf 205, 206 (Abb. 54), 207f. Wocher, Franz von 119 Wölfler, Anton 257 Wolstein, Johann Gottlieb 57, 62 Zacherl, Hans 265, 266 (Abb. 80) Zeissler, Johannes 225 Zentner, Friedrich Georg von 82 Zeynek, Richard von 211 Zingerle, Hermann 311 Zoth, Oskar 182, 191, 192 (Abb. 47) Zuckerkandl, Emil 163f., 168, 169, 177, 263
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Die vorliegende Chronik spannt den Bogen der Wiener Krankenanstalten von ihrem Beginn im Hospiz der Schotten und im Bürgerspital im 12. und 13. Jahrhundert über die Gründung des Allgemeinen Krankenhauses durch Joseph II. im Jahre 1784 bis in unsere Tage mit der Errichtung des neuen AKH, des Donauspitals und der Sozialmedizinischen Zentren. Die Gliederung und die Chronologie des umfangreichen Buches erlauben die Lektüre einzelner Zeitabschnitte oder einzelner Krankenanstalten. d e r au to r : Univ. Prof. Dr. Karl Heinz Tragl, 1977 Primararzt am Kaiser Franz Joseph Spital, 1988 Leiter des L. Boltzmann Inst. f. Altersforschung, 1992 Ärztl. Direktor und Primararzt am Donauspital, Wien. 2007 Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Wien.
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