Geschichte der Literaturkritik 1750-1950: Band 2 Das Zeitalter des Übergangs [Reprint 2019 ed.] 9783110849936, 9783110059151


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German Pages 381 [384] Year 1977

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VORWORT ZUR DEUTSCHEN ÜBERSETZUNG DES 2. UND 3. BANDES
VORWORT ZU BAND 2 UND 3
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG ZU BAND 2
KAPITEL 1. DIE FRANZÖSISCHE LITERATURKRITIK VOR 1850
KAPITEL 2. SAINTE-BEUVE (1804–1869)
KAPITEL 3. DIE ITALIENISCHE LITERATURKRITIK VON SCALVINI BIS TENCA
KAPITEL 4. DIE ENGLISCHE LITERATURKRITIK
KAPITEL 5. DIE AMERIKANISCHE LITERATURKRITIK
KAPITEL 6. DIE DEUTSCHE LITERATURKRITIK VON GRILLPARZER BIS ZU MARX UND ENGELS
KAPITEL 7. DIE RUSSISCHE LITERATURKRITIK
BIBLIOGRAPHIEN UND ANMERKUNGEN
ZEITTAFEL DER WERKE
NAMENREGISTER
SACHREGISTER
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Geschichte der Literaturkritik 1750-1950: Band 2 Das Zeitalter des Übergangs [Reprint 2019 ed.]
 9783110849936, 9783110059151

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WELLEK • GESCHICHTE D E R

LITERATURKRITIK

KOMPARATISTISCHE STUDIEN Beihefte zu „arcadia" Zeitschrift für vergleichende Literaturwissenschaft

Herausgegeben von Horst Rüdiger Band 5

w DE

G

WALTER DE G R U Y T E R • B E R L I N • NEW Y O R K 1977

RENÉ WELLE K

GESCHICHTE DER LITERATURKRITIK 1750 — 1950 Band 2 Das Zeitalter des Übergangs

w DE

G WALTER DE G R U Y T E R • B E R L I N • NEW Y O R K

1977

Titel der amerikanischen Originalausgabe A History of Modern Criticism (Yale University Press, New Haven 1965) Übersetzt von Cornelie und Gert Ueding

Geschichte der Literaturkritik in vier Bänden Band Band Band Band

1 2 3 4

Das Das Das Das

späte 18. Jahrhundert — Das Zeitalter der Romantik Zeitalter des Ubergangs späte 19. Jahrhundert 20. Jahrhundert

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen Bibliothek

Wellek, René Geschichte der Literaturkritik: 1750—1950. — Berlin, New York: de Gruyter. Einheitssacht. : A history of modern criticism (dt.) Bd. 2. Das Zeitalter des Übergangs — i . Aufl. — 1977. (Komparatistische Studien ; Bd. 5) ISBN 3-11-005915-0

© für alle deutschsprachigen R e c h t e 1977 by Walter de Gruyter Sc C o . , Berlin 30 Printed in Yugoslavia Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages (ist es nicht gestattet, dieses B u c h oder Teile daraus auf photomechanischem W e g e Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Satz und D r u c k : Casopisno grafi£no podjetje Delo, Ljubljana Buchbinder: Wübben u. C o . , Berlin 42

V O R W O R T Z U R DEUTSCHEN Ü B E R S E T Z U N G DES 2. U N D 3. BANDES

Es freut mich sehr, daß der 2. und 3. Band meiner History of Modern Criticism nun in deutscher Übersetzung erscheinen können. Die beiden Bände sind 1965 zuerst englisch bei der Yale University Press, New Häven (Conn.), erschienen und waren selbstverständlich im Hinblick auf die amerikanische und englische Leserschaft geschrieben. Die englische und amerikanische Kritik und Literaturtheorie (dazu behandle ich die Literaturgeschichtsschreibung) nehmen also viel Raum ein. Von Carlyle bis Oscar Wilde, von Emerson bis Henry James ist es ein weiter Weg. Aber ich wollte darüber hinaus, daß der amerikanische und englische Leser eine klare Vorstellung von den wichtigsten Entwicklungen und Persönlichkeiten erhält. Besonders lag mir daran, daß die deutsche Kritik, der ich im ersten Band die führende Rolle in der Entwicklung der Literaturtheorie von Lessing bis Hegel zusprach, auch in den siebzig Jahren (1830—1900), die diese Bände behandeln, gebührend beachtet werden sollte. Bekanntlich ist die Wirkung der deutschen Literaturkritik in diesen Jahren, besonders aufs Ausland, stark zurückgegangen. Aber ich glaube, daß man viel Gutes und auch Kritisches über die Autoren (Grillparzer, Uhland, EichendorfF, Carus, Menzel, Börne, Heine, Wienbarg, Gutzkow, Mündt, Gervinus, Rötscher, Rosenkranz, F. Th. Vischer, Danzel, Hebbel, Rüge, Marx und Engels) sagen kann, die im 2. Band oft kurz besprochen sind, und daß im 3. Band wenigstens zwei große Denker, Dilthey und Nietzsche, eine ausführliche Darstellung verdienen. Hettner, Haym, Scherer, Otto Ludwig, Freytag, Hillebrand, Fontane, Otto Brahm dienen als Hintergrund. Rezensenten in England und Amerika haben die Menge ihnen unbekannter Namen getadelt. Deutsche Leser mögen manchen Namen vermissen oder manches Werk zu kurz behandelt finden. Ich selbst gebe gern den Rezensenten recht, daß das Buch zu enzyklopädisch geworden ist. Doch eben das ist eine seiner Funktionen. Es ist notwendigerweise eine Geschichte, die die Mannigfaltigkeit der Lehren und Persönlichkeiten in vielen Ländern darstellen will. Der deutsche Leser kann und soll an den ihm unbekannten französischen, amerikanischen, englischen, italienischen und russischen Namen Anstoß nehmen — und sich dann über sie belehren. Das Buch ist eben doxographisch, informativ, beschreibend. Immer habe ich versucht, die Lehren der Kritiker in ihrem Zusammenhang

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VORWORT

ZUR

DEUTSCHEN

OBERSETZUNG

darzustellen, sie zu analysieren, und zu beurteilen. Oline eigenes Urteil wäre selbst die Auswahl der Namen zufällig. Ich muß einen eigenen Standpunkt einnehmen, denn ohne ein Netz von Fragen können die Antworten nicht verstanden werden. Mein Standpunkt ist in Vorworten und Nachworten und in meinen anderen Büchern, die auch deutsch vorliegen (Theorie der Literatur, Grundbegriffe der Kritik, Grenzziehungen), unmißverständlich dargelegt. Doch habe ich mich gehütet, die Geschichte in eine Polemik gegen die Kritiker der Vergangenheit ausarten zu lassen. Außer der Darstellung liegt mir besonders an der Erhellung der Lehren, die noch heute Gegenstand von Auseinandersetzungen sind. Große Kritiker veralten nicht. Viele Fragen sind noch immer ungelöst oder stehen wenigstens zur Diskussion, seit Aristoteles mimesis, katharsis, Tragödie und Form der Nachwelt als Problem gestellt hat. In diesem Sinne gibt es eigentlich keine Geschichte der Kritik. Die Texte sind gegenwärtig, hier, sind für uns zum Lesen. Aber natürlich sind diese Texte in einer gewissen Zeit, unter bestimmten Umständen entstanden. Ich glaube nicht, daß die Kritik allein durch ihr Milieu determiniert ist, aber auch nicht (oder nicht mehr), daß man ein inneres evolutionäres Schema der Geschichte der Kritik, wie es die russischen Formalisten für die Geschichte der Literatur vorschlugen, entwerfen kann. Doch kann ich das historische Milieu nicht vernachlässigen, obwohl ich mich bemühe, die Aufmerksamkeit auf die Texte selbst zu konzentrieren. Das Milieu, das der Kritik am nächsten liegt, ist vorerst das der eigentlichen Literatur: Kritik wurde von Dichtern selbst und von ihren Anhängern oft als Verteidigung des eigenen Schaffens geschrieben. Kritik hängt oft mit abstrakter Ästhetik und Philosophie zusammen. Die politische Geschichte betrifft viele Kritiker unmittelbar. Manchmal beachte ich auch die wirtschaftlichen Bedingungen der Kritik: Deutsche Professoren haben einen anderen Lebensstil als ein Pariser Bohémien wie Baudelaire oder ein Journalist der radikalen Intelligenz in Rußland. Je mehr ich die Kritik studiere (und ein oder zwei Bände über das X X . Jahrhundert sind noch nicht ganz abgeschlossen), desto mehr scheue ich mich vor Schlagworten und Generalisierungen. Eine letzte Entscheidung über die richtigen Proportionen der Nationen, Kritiker und Lehren muß ich mir vorbehalten. Ob ich immer das Richtige getroffen habe, entzieht sich meinem Urteil. Ich muß, wie jeder Autor, auf Leser und Rezensenten warten. New Haven, Connecticut, U S A 16. Oktober 1976

Rene Wellek

V O R W O R T Z U BAND 2 U N D 3

Band 2 und 3 dieser Geschichte der Literaturkritik sind viel länger geworden und haben viel mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich anfänglich für möglich hielt. Die unglaubliche Menge kritischer Schriften im 19. Jahrhundert, die Verbindung von Darstellung und Dokumentation, die in dem ersten Band eingeführt und damit verbindlich wurde, die lange Zeitspanne, die diese nächsten beiden Bände umfassen und die Notwendigkeit, zwei weitere Länder, die Vereinigten Staaten und Rußland, in die Untersuchung miteinzubeziehen, reichen, glaube ich, aus, um die Verzögerung bei der Ausführung und den Umfang der Bände zu erklären. Ich berücksichtige Spanien noch nicht, da die spanische Literaturkritik vor der sogenannten Generation von '98 weitgehend nur die französische und deutsche Entwicklung widerspiegelt. Ein Rückblick auf das 19. Jahrhundert in Band 4 wird wohl genügen. Indessen sollten Ziel, Thema und Methode des Werkes näher bestimmt werden, was sowohl den Rekurs auf das Vorwort zum ersten Band einschließt wie die Einwände zu berücksichtigen hat, die bereits dagegen erhoben worden sind. Mir geht es vor allem darum, die Geschichte der Literaturtheorie, d. h. der Poetik der gesamten Literatur, sei es nun Vers- oder Prosadichtung, aufzuzeichnen. Ich versuche einen Mittelweg einzuhalten zwischen allgemeiner Ästhetik auf der einen, Literaturgeschichte und bloßer Meinungsäußerung über Literatur auf der anderen Seite. Ich bin davon überzeugt, daß die Literaturtheorie sich nicht von der Ästhetik und von praktischer Kritik im Sinne einer Beurteilung und Analyse einzelner Kunstwerke trennen läßt. Dergleichen Versuche, wie sie etwa von Northrop Frye in der 'Polemical Introduction' zu seiner Anatomy oj Criticism) ( I 957) gemacht wurden, die Theorie (die er Literaturkritik nennt) von der Geschichte des Geschmacks zu trennen und dann zu folgern, daß »die Beschäftigung mit Literatur nie auf Werturteilen beruhen kann«, (S. 20) sind sicher zum Scheitern verurteilt. Literarische Theorien, Prinzipien und Kriterien lassen sich nicht im luftleeren Raum gewinnen: jeder Kritiker in der Geschichte hat seine Theorie in der Auseinandersetzung mit konkreten Kunstwerken entwickelt, die er auswählen, interpretieren, analysieren und schließlich doch beurteilen mußte. Die literarischen Meinungen, Rangfolgen und Urteile eines Kritikers werden von seinen Theorien gerechtfertigt, bestätigt und weiter entwickelt, und die Theorien werden gewonnen, begründet, illustriert, konkret und glaubhaft gemacht durch die Untersuchung von Kunstwerken. Der Gegenstand stellt eine Totalität dar,

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von der wir nicht ohne ernsten Schaden für seine Erkenntnis und Bedeutung einzelne Elemente gesondert betrachten können. Es mag bezweifelt werden, daß ich immer das richtige Verhältnis zwischen Ästhetik, Theorie, Literaturgeschichte und praktischer Kritik eingehalten habe, doch ist das, wie ich glaube, keine theoretische Frage, die a priori entschieden werden kann, sondern eine praktische Entscheidung, die jeweils von Fall zu Fall getroffen werden muß. Solange ich meiner allgemeinen Intention treu bleibe, hegt das Urteil bei mir, wieviel an allgemeiner Ästhetik, Literaturgeschichte und an Geschichte des Geschmacks in die Erörterung miteinbezogen wird. Ich bin davon überzeugt, daß diese Nachbargebiete in verschiedenen Zeiten, Ländern und Zusammenhängen von unterschiedlichem Gewicht sind. So ist im 19. Jahrhundert die Literaturgeschichtsschreibung stärker zu beachten als in früherer Zeit; und im späten 19. Jahrhundert braucht man der abstrakten Ästhetik weniger Aufmerksamkeit zu widmen, als dies bei der Diskussion zu Beginn des Jahrhunderts notwendig ist. Ein Autor hat das Recht, Art und Rahmen seines Buches selbst festzulegen. Eine Trennung zwischen Theorie und praktischer Kritik scheint mir unmöglich und ich beabsichtige auch nicht, ein Buch im Sinne Saintsburys zu schreiben, der dezidiert das Interesse an Theorie und Ästhetik zurückwies. Ebensowenig vermag mich der Einwand zu überzeugen, demzufolge Literaturkritik nicht als einheitlicher Gegenstand betrachtet werden kann. Erich Auerbach hat in den Romanischen Forschungen, 62 (1956), S. 387—97, behauptet, Literaturkritik sei wegen der Vielzahl möglicher Probleme und deren Überschneidungen und wegen der äußersten Verschiedenheit ihrer Voraussetzungen, Ziele und Akzente kein einheitlicher Gegenstand. Aber diese Verschiedenheit (die doch immer auf einen einzigen Gegenstand gerichtet ist — auf die Literatur) ist genau das Thema des Buches: einer seiner grundlegenden Gedanken ist die Abgrenzung der verschiedenen Schwerpunkte, Zugänge, Methoden, Neigungen und Interessen. Doch diese Unterscheidungen, Urteile und Rangfolgen verlangen keinen alexandrinischen Eklektizismus oder grenzenlosen Relativismus; auf der anderen Seite können sie auch nicht die Absage an Toleranz, historisches Einfühlungsvermögen und peinliche Genauigkeit beinhalten. Vollständiger Relativismus wie ihn einige Gelehrte vertreten, führt zu Skeptizismus und schließlich zu einer Lähmung der Urteilskraft: zur Aufgabe gerade der Gründe, die für die Existenz der Literaturkritik sprechen. Ich vertrete einen Standpunkt, ich will ihn vertreten, und ich bin davon überzeugt, daß einige Lehren richtig und andere falsch sind, obwohl ich weiß, daß manche Doktrin unter bestimmten Vorbehalten, in besonderen Zusammenhängen annehmbar sein mag. Aber dieser Kern von Überzeugungen (die an anderer Stelle erläutert werden, so in Theory of Literature und in vielen verstreuten Schriften, die jetzt gesammelt vorliegen als Concepts of Criticism) ist, wie ich hoffe, niemals aufgezwungen oder aufgedrängt als starre, vorgefertigte Schablone. Er soll aus der Geschichte hervorgehen, gerade wie die Geschichte ihrerseits nur mit Hilfe eines bewußt entworfenen Netzes von Fragen und Antworten verstanden werden kann. Weder Relativismus noch Dogmatismus ist der Maßstab, von dem ich mich leiten lasse, sondern ein »Perspektivismus«, der versucht, den Gegenstand von allen möglichen Seiten her zu sehen und der auf

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ZU BAND z UND 3

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der Überzeugung beruht, daß es ein Objekt gibt: den Elefanten trotz all der verschiedenen Meinungen der Blinden. Wie läßt sich der Anspruch rechtfertigen, dem2ufolge weder ich noch irgendein anderer Historiker zu diesen Blinden zu zählen ist — die nur den Leib, den Stoßzahn, den Schwanz oder den Fuß des Elefanten zu fassen kriegen? Die einzige Antwort ist genau die, die sich aus der Geschichte selbst ergibt: aus der Gesamtheit von Lehren und Einsichten, Urteilen und Theorien, in denen die menschliche Weisheit aufgespeichert ist. So hoffe ich, daß dieses Buch den Leser nicht einfach taumelnd in einem Gewirr von Meinungen zurückläßt, wie es selber auch nicht auf die Geschichte als eine Serie von Mißerfolgen herunterblickt, als gescheiterte Versuche, zu den Höhen unserer gegenwärtigen Herrlichkeiten hinaufzuklettern. Im Gegenteil ist dieses Buch in der Überzeugung geschrieben, daß Geschichte und Theorie sich gegenseitig erhellen, daß eine tiefgehende Einheit besteht zwischen Wirklichkeit und Begriff, Vergangenheit und Gegenwart. Ein solches Buch konnte nicht ohne die Förderung und Hilfe von Institutionen und Freunden geschrieben werden. Ich schulde der Guggenheim Foundation großen Dank, die mir 1957 eine lehrreiche Reise nach Europa ermöglichte, sowie dem American Council of Learned Societies und der Fulbright Commission, deren Hilfe es mir gestattete, ein Jahr (1959—60) hauptsächlich in Italien und England zu verbringen. Die Unterstützung durch die Rockefeiler und die Bollingen Foundations erlaubte mir von 1963 bis 1964 einen weiteren Urlaub von akademischen Pflichten. Freunde lasen Teile des Manuskriptes und gaben wertvolle Anregungen. Besonderen Dank schulde ich Edith Kern, Lowry Nelson, Jr., Blanche A. Price, Mr. und Mrs. R . W. Riddle, Nonna D. Shaw, Alexander Welsh und William K. Wimsatt. Nils Sahlin half beim Korrekturlesen. David Hörne war ein sorgfältiger Herausgeber. Es scheint heutzutage ungewöhnlich, die einfache Tatsache anzuerkennen, daß solch ein Buch ohne den freien Zugang zu großen Bibliotheken unmöglich zu schreiben wäre. Der Universitätsbibliothek Yale bin ich in erster Linie verpflichtet, in Europa benutzte ich die Biblioteca Nazionale in Florenz, die Alessändrina in Rom, das British Museum in London, die Bodleian und die Library of the Tailorian Institute in Oxford. Ihnen allen gebührt mein Dank für ihre Unterstützung. New Haven, Connecticut Juni 1964

R . W.

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort zur deutschen Übersetzung des 2. und 3. Bandes Vorwort zu Band 2 und 3 Einleitung zu Band 2 Kapitel 1: Die französische Literaturkritik vor 1850

V VII XIII 1

Kapitel 2: Sainte-Beuve (1804—1869)

32

Kapitel 3 : Die italienische Literaturkritik von Scalvini bis Tenca

67

Kapitel 4: Die englische Literaturkritik Vorbemerkung Thomas Carlyle (1795—1881) Thomas de Quincey (1785—1859) Leigh Hunt (1784—1859) Thomas Babington Macaulay (1800—1859) John Stuart Mill (1806—1873) John Ruskin (1819—1900)

79 84 102 111 116 122 126

Kapitel 5 : Die amerikanische Literaturkritik Vorbemerkung Edgar Allan Poe (1809—1849) Ralph Waldo Emerson (1803—1882) Die anderen Transzendentalisten

139 141 152 164

Kapitel 6: Die deutsche Literaturkritik von Grillparzer bis zu Marx und Engels Von Grillparzer bis zu Börne 170 Heinrich Heine (1797—1856) 180 Das junge Deutschland 187 Georg Gottfried Gervinus (1805—1871) 191 Die Hegelianer 198 Friedrich Hebbel (1813—1863) 208 Arnold Rüge (1802—1880) 213 Marx und Engels 217

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INHALTSVERZEICHNIS

Kapitel 7: Die rassische Literaturkritik Vorbemerkung Vissarion Belinsk'j (1811—1848)

224 227

Bibliographien und Anmerkungen

249

Zeittafel der Werke

342

Namenregister

348

Sachregister

359

EINLEITUNG Z U B A N D 2 Vor dreißig oder vierzig Jahren wäre das 19. Jahrhundert unvermeidlich als das goldene Zeitalter der Literaturkritik erschienen. Das stimmte besonders für Frankreich; Sainte-Beuve und Taine standen in hohem Ansehen, in einem höheren als irgendein anderer Kritiker in der ganzen Geschichte der Literatur, dessen Ansehen fast ausschließlich auf der Literaturkritik beruhte. Aber auch in anderen Ländern wurde Literaturkritik zur vorrangigen Hauptbeschäftigung, zum begünstigten Genre, und der Kritiker zu einer bedeutenden öffentlichen und nationalen Persönlichkeit: Belinskij in Rußland, De Sanctis in Italien, Brandes in Dänemark, Menéndes y Pelayo in Spanien, Matthew Arnold in England. Bezeichnenderweise scheinen nur in Deutschland und in den Vereinigten Staaten vergleichbare Persönlichkeiten gefehlt zu haben, obwohl rückblickend Henry James als ein wirklich großer Kritiker erscheint und Heine, Nietzsche und Dilthey als Literaturkritiker schwerlich übersehen werden können, wenn deren Ansehen auch auf andere Voraussetzungen zurückzuführen ist. Die ungeheure Rolle, die die Literaturkritik in diesem Jahrhundert in der Öffentlichkeit spielte, wurde von einer beispiellosen Entwicklung der allgemeinen Literaturbetrachtung und -diskussion unterstützt und begleitet. Die Anzahl der Kritiker spiegelt die Zahl der literarischen Zeitschriften und Manifeste sowie das wachsende akademische Interesse an der Literatur wider. Die Rolle der Edinburgh Review, der Quarterly Review und Blackwood's Magazine in den frühen Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entspricht der der Fortnightly Review oder der Saturday Review in den späteren Jahren. In Frankreich läßt sich kaum etwas mit der Funktion der Revue des Deux Mondes vergleichen, in Italien mit der der Nuova antologia, in den Vereinigten Staaten mit d.er der North American Review, in Deutschland mit der des Grenzboten und der Preußischen Jahrbücher und in Rußland mit der von Sovremmenik und Otechestvennye Zapiski. Monographien sind über die Rolle geschrieben worden — und viele mehr könnten geschrieben werden —, die die großen Zeitschriften des 19. Jahrhunderts bei der Bildung der öffentlichen Meinung und besonders bei der Prägung des literarischen Geschmacks und der Diskussion literarischer Ansichten gespielt haben. Die Universitäten nahmen eine kaum weniger bedeutsame Stellung ein. Die Franzosen sprechen von einer »critique universitaire«, die mit den rhetorischen Vorlesungen begann, die Abel François

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Villemain vor einem großen Auditorium an der Sorbonne bald nach deren Wiedereröffnung hielt. Brunetière war viele Jahre lang Professor an der Ecole Normale. Sogar Sainte-Beuve und Taine erschienen auf dem akademischen Katheder. Matthew Arnold war zehn Jahre lang in Oxford Professor für Poesie. De Sanctis wurde 1870 Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität von Neapel, und Carducci war mehr als vier Jahrzehnte lang Professor in Bologna. In Deutschland wurde die Literatur immer mehr zum ernsthaften Studienobjekt von Universitätslehrern: Nietzsche war in seiner Jugend Professor für klassische Philologie in Basel; Dilthey war von 1866 bis zum Ende seines langen Lebens 1911 Professor für Philosophie. In den Vereinigten Staaten hatte unter den Literaturkritikern nur Lowell akademische Verbindungen, während in Rußland die Literaturkritik weitgehend in den Händen von Journalisten und freien Schriftstellern blieb. Akademische Literaturbetrachtung führte natürlich nicht notwendigerweise zur Literaturkritik. Im allgemeinen förderte sie eher die Entwicklung der Literaturgeschichte. Deren Ausdehnung auf nahezu alle Zeiten und Nationen ist hauptsächlich Werk des 19. Jahrhunderts. Die Literaturgeschichtsschreibung wurde als eigene Disziplin im 18. Jahrhundert begründet, aber sie schwankte noch unentschieden zwischen den glänzenden Spekulationen eines Herder und den mühevollen, gelehrten Kompilationen eines Tiraboschi oder eines Thomas Warton. Vor der romantischen Bewegung gab es keine erzählende Literaturgeschichte. Die Gebrüder Schlegel waren die ersten modernen Literarhistoriker und in ihrer Nachfolge begründeten Sismondi, Fauriel, Ampère und Villemain die französische Literaturgeschichtsschreibung. Zunächst blieben seltsamerweise Italien und England, das für Warton keinen Nachfolger gefunden hatte, zurück. Doch die Saat jener frühen Jahrzehnte ging viel später auf: in den großen Werken von Gervinus und Hettner, Taine und Brunetière, De Sanctis und Brandes und ihren zahllosen Nachfolgern. Die Literaturgeschichte brachte in die Kritik eine neue unbegrenzte Menge von Stoffen und Problemen ein — eine Herausforderung, die sich ihres Unmaßes wegen als lähmend erwies. Niemand kann das unglaubliche Ausmaß der Literaturkritik jener Zeit leugnen, ihren wachsenden Anspruch, die Ausweitung ihrer Methoden und Stoffe und die Zunahme ihres Ansehens. Vom heutigen Standpunkt aus können wir aber zu einem mehr nüchternen und weniger günstigen Urteil über die eigentlichen Leistungen der Literaturkritik während der in Betracht kommenden siebzig Jahre gelangen. Es ließen sich sogar Gründe dafür anführen, daß die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in gewisser Hinsicht einen Niedergang oder sogar einen Irrweg in der Geschichte der Literaturkritik darstellt. Wenn wir die zentrale Aufgabe der Literaturkritik darin sehen, das Wesen der Dichtung und Literatur zu definieren und zu beschreiben — Poetik, Literaturtheorie — so könnten wir zu dem vernichtenden Ergebnis kommen, daß das

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spätere 19. Jahrhundert keine Fortschritte machte und vielmehr oft hinter die systematischen Leistungen der großen romantischen Kritiker zurückfiel. Wenn wir den überspannten und exzentrischen E. S. Dallas beiseite lassen, so wurde in England keine poetische Theorie hervorgebracht, die Neuartigkeit und systematischen Zusammenhang für sich in Anspruch nehmen könnte. Selbst in Deutschland, der Heimat der romantischen Theorien, wurde nach Vischers eklektischer Ästhetik wenig geschrieben, das mehr ist als eine Neuformulierung der Lehren von Goethe und Schiller, Humboldt und Hegel, wenn wir den höchst originalen, wenn auch wenig beachteten jungen Nietzsche ausnehmen. Das wichtigste neue Unternehmen dieser Zeit — dem besonders in Frankreich Taine, Hennequin, Brunetiere und Zola aber auch in Deutschland Dilthey und Wilhelm Scherer und in Rußland Alexandr Veselovskij nachgingen — war der Versuch, eine Wissenschaft von der Poetik in Analogie zu den Naturwissenschaften zu begründen. Ich glaube, wir stimmen heute darin überein, daß dieses Unternehmen kläglich scheiterte. Die miteinander in Beziehung stehenden ästhetischen Theorien des Realismus und Naturalismus — was auch immer ihre historische Berechtigung als antiromantische Waffe der Polemik gewesen sein mag — müssen heute als Ästhetiken höchst unzulänglich erscheinen, wenigstens diesseits des eisernen Vorhangs. Sie führten zu einer Verwechslung von Leben und Kunst, zu einer Leugnung der Imagination, zu einer falschen Auffassung vom Wesen der Kunst als Herstellung und Erzeugung einer Welt von Symbolen. Der Historismus, die andere große Errungenschaft des 19. Jahrhunderts, der den Gesichtskreis in R a u m und Zeit ungeheuer erweiterte und das Verständnis für die Vielfalt der Kunst und ihrer Formen vergrößerte, hatte auch seine nachteiligen Auswirkungen auf die Literaturkritik: er führte zu einem im Laufe des Jahrhunderts immer deutlicher werdenden lähmenden Relativismus und Zerfall der Werte. Reiner Subjektivismus, »Impressionismus« in der Literaturkritik war nur die Kehrseite derselben Münze. »Die Abenteuer seiner Seele inmitten von Meisterwerken« ist nur eine neue Formel für den Verlust des Wertgefühls des Kritikers, für Relativismus und Anarchie. Die wohldefinierte Position der l'art pour l'art Bewegung, die als Reaktion gegen Philistertum und grobe Lehrdichtung wertvoll war, hatte ebenso inhumane Folgen, als sie jeden Anspruch auf eine gesellschaftliche und philosophische Bedeutung der Kunst aufgab. Wir können auch die Dürre und Beschränktheit des neuen französischen Klassizismus von Desire Nisard und Brunetiere nicht leugnen oder die viktorianischen Grenzen der von Arnold entworfenen »Kultur« oder die stumpfe Heftigkeit von Tolstois Moralismus. Es scheint keine allzu voreilige Verallgemeinerung zu sein, wenn man sagt, daß die Literaturkritik des 19. Jahrhunderts das Verständnis für die Einheit von Form und Inhalt verloren hat: daß sie entweder in das Extrem der moralisch belehrenden Literatur oder in das des l'art pour l'art Formalismus verfiel — beziehungsweise, um diese Dichotomie zu variieren, in die Extreme, die mystische Einsicht in das Übernatürliche für die Kunst zu beanspruchen oder sie auf das bloß Technische,

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ein Spiel oder eine Kunstfertigkeit zu reduzieren. Poe, der beide Auffassungen verbindet, stellt das Dilemma schon zu Beginn des Jahrhunderts dar, Mallarmé, der von einer »negativen Ästhetik des Schweigens« träumte, von einem einzigen Buch, das alle anderen Bücher überflüssig machen würde, auf der Schwelle des 20. Jahrhunderts. Wir könnten gar so argumentieren, daß ein so gewandter und kompetenter Schriftsteller wie Sainte-Beuve — weit ausholend, scharfsinnig, gelehrt und feinfühlig — die Literaturkritik vom rechten Wege ab in Biographie und sogar gelegentlich in Anekdotengeschwätz und Klatscherei führte. Wenn wir aber diese Anklage überblicken, so müssen wir zuletzt von ihrer Ungerechtigkeit oder wenigstens Unangemessenheit betroffen sein. Genau mit seinen nach allen Pachtungen auseinanderlaufenden Bemühungen bietet uns das 19. Jahrhundert ein Laboratorium der Literaturkritik dar, mit gewaltigen, nicht enden wollenden Debatten, in denen jeder mögliche Standpunkt bis in sein Extrem gesteigert wurde. Wir können die Ausarbeitung (und manchmal die Reduktion bis zur Absurdität) fast aller uns noch heute geläufigen Theorien beobachten: Szientismus, Historismus, Realismus, Naturalismus, moralisch belehrende Literatur, Ästhetizismus, Symbolismus usw. Das wichtigste aber bleibt, daß sich in den Diskussionen um solche Streitfragen Kritikerpersönlichkeiten profilieren, nicht nur Personen, sondern Persönlichkeiten mit ihrer individuellen geistigen Physiognomie, ihren Widersprüchen und inneren Spannungen, ihren Triumphen und ihren Niederlagen. Aus diesem Grunde kann eine Geschichte der Literaturkritik nicht lediglich eine Geschichte von Ideen im luftleeren Raum sein, ein bloßes Nachzeichnen von Begriffen und Kontroversen. Glücklicherweise werden Begriffe, Kontroversen und Lehren in dem Werk eines großen Kritikers lebendig in einer unwiederholbaren Gestalt, die einzigartig und daher bedeutend ist, wenn wir Persönlichkeit und Menschlichkeit schätzen. Einige von diesen Literaturkritikern schlugen eine Brücke zwischen dem frühen 19. Jahrhundert und unserer Zeit, bewahrten und überlieferten uns das Wesentliche der großen Tradition. Sie sind, wie ich zu zeigen hoffe, die größten Kritiker ihrer Zeit: Taine und Baudelaire in Frankreich, De Sanctis in Italien, Nietzsche und Dilthey in Deutschland, Henry James in den Vereinigten Staaten. Diese Kritiker sind am besten als Ausdruck einer Kontinuität zu verstehen, die auch noch in solch frühen Gestalten wie Belinskij, Heine, Carlyle oder Emerson deutlich erkennbar ist. Taine ist im Grunde ein Hegelianer, Baudelaire faßte Leitgedanken der deutschen Romantiker zusammen, die auf verschlungenen Wegen über Carlyle, Poe und sogar (aus zweiter Hand) über Coleridge zu ihm durchsickerten ; De Sanctis steht wie Dilthey unmittelbar in der Nachfolge der Gebrüder Schlegel und Hegels. Nietzsche ist von Schopenhauer und den romantischen klassischen Philologen beeinflußt, Henry James ist durchdrungen von einem nahezu Goetheschen Sinn für das organische Gefüge der Kunst. Diese Literaturkritiker bereiteten den Weg für die Erneuerung, die im 20. Jahrhundert mit Croce, Valéry, T. S. Eliot und

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vielen anderen kam. Croce geht zurück auf De Sanctis und weiter auf die Deutschen. Valéry ist vertraut mit Mallarmé und Poe. Eliot zieht die unmittelbaren französischen Quellen und Coleridge heran. Was aber auch immer die genauen Verbindungen und Kanäle der Vergangenheit sein mögen, so ist doch im 20. Jahrhundert etwas wiederhergestellt worden, was im 19. Jahrhundert auseinandergefallen war: der Sinn für die Einheit von Inhalt und Form, das Verständnis für das Wesen der Kunst. Einen Grundzug in der Literaturkritik des 19. Jahrhunderts dürfen wir nicht unterschätzen: den Nationalismus. Zweifellos ist die Literaturkritik keine Angelegenheit einer einzelnen Nation: Ideen schweifen umher, ziehen fort und werden weitergetragen. Es ist unmöglich, sich die Geschichte der französischen, der englischen oder deutschen Literaturkritik isoliert vorzustellen. Dennoch haben sprachliche Traditionen und örtlich begrenzte nationale Eigenheiten wesentlich die Entwicklung der Literaturkritik beeinflußt. Die ungeheure Mannigfaltigkeit der nationalen Traditionen, das Entstehen einer Li«-eraturkritik in Nationen, die zuvor kaum an den Auseinandersetzungen innerhalb der Literaturkritik teilgenommen hatten — in den Vereinigten Staaten, Rußland, den anderen slawischen Ländern, in Spanien und Skandinavien — das ist die glänzende Seite der Sache. Aber der literarische Nationalismus hat auch seine dunkle Seite: nicht nur in den offensichtlichen Übertreibungen nationaler Ansprüche und den langen, sich immer wiederholenden Kontroversen über dieselben Fragen nach der nationalen Eigenart im Bereich der Literatur, sondern auch in der Zerstückelung der Literaturkritik. Wir müssen berücksichtigen, in welch erstaunlichem Maße das Gemeinschaftsgefühl (selbst verglichen mit dem romantischen Zeitalter) unter den europäischen Völkern im späten 19. Jahrhundert abgenommen hat und wie sich die Unterschiede in ihrer Entwicklung vergrößert haben. Frankreich und England standen in lebhaftestem Austausch, und die Vereinigten Staaten lösten sich natürlicherweise langsam und zum Teil mit Hilfe der Franzosen von britischer Vorherrschaft. Aber Deutschland, im frühen 19. Jahrhundert in der ästhetischen Spekulation führend, trieb in eine merkwürdige Isolation, die nur solch ein einsamer Geist wie Nietzsche durch alleinige Anstrengung überwinden konnte. Probleme seines nationalen Risorgimento beschäftigten Italien selbst in der Literaturkritik völlig, und Rußland stand ganz spezifischen lokalen Problemen gegenüber, die alle literarischen Auseinandersetzungen bestimmten. Obwohl die zentralen Probleme der Literaturkritik gleich bleiben und die größten Kritiker ihren örtlich begrenzten Gesichtskreis überschreiten, wird die Literaturkritik in einem historischen Kontext geschrieben, oft mit einem spezifischen Publikum vor Augen und in einer zeitlich bestimmten sozialen Situation. Wir dürfen sie nicht auf einen Spiegel dieser Situation reduzieren: wir müssen sehen, wie sie diese überall transzendieit, um zu den Problemen aufzusteigen, über die seit Aristoteles diskutiert wird und die heute immer noch unter völlig anderen sozialen und politischen Bedingungen erörtert werden. Wir können den Hintergrund, die Personen und

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E I N L E I T U N G ZU B A N D 2

die Völker nicht unbeachtet lassen, wenn unsere Geschichte Fleisch und Blut annehmen und kein Schattenspiel von Ideen bleiben soll. Es ist unvermeidlich, den einzelnen Nationalitäten entsprechend vorzugehen. Frankreich muß zuerst behandelt werden, weil es das wichtigste Land für die Entwicklung der westlichen Literaturkritik in unserem Zeitalter ist.

KAPITEL i

DIE FRANZÖSISCHE L I T E R A T U R K R I T I K V O R 1850

In Frankreich verschwand der erstarrte Neoklassizismus langsam und der emotionale Romantizismus, der an seine Stelle trat, brachte außer einem Gefühlsmaßstab und der Freiheit von den Regeln wenig für die Literaturkritik. Aber selbst vor der Restauration (1815) liefen überall neue Ideen um. Die Literaturkritik wurde plötzlich immer vielseitiger: sie stieß nicht nur in einer Richtung vorwärts, sondern breitete sich beinahe bis in alle Ecken des intellektuellen Universums aus. Der Mann, der schließlich aus diesem Chaos hervorgeht, Sainte-Beuve, ist von den Konflikten seiner Jugend gezeichnet. Wir verstehen ihn besser, wenn wir seine unmittelbaren Vorgänger und Zeitgenossen kennen. Dessen ungeachtet verdienen sie auch um ihrer selbst willen Aufmerksamkeit: sie legten die Grundlagen der französischen Literaturgeschichte, formulierten eine symbolistische Dichtungstheorie, forderten eine Literatur im Dienst der Humanität und regten die l'art pour l'art Bewegung an. Frankreich beerbte eine große Tradition kultureller Geschichtsschreibung aus dem 18. Jahrhundert. Auf die Literatur übertragen faßte De Bonald diese Tradition in seiner berühmten Formel zusammen : »Literatur is der Ausdruck der Gesellschaft.«1 Schon 1800 hatte Madame de Staël in De la Littérature einem ziemlich verschwommenen Entwurf zu einer Geschichte der Literatur, die durch die Gesellschaft bestimmt ist, vorgelegt. Sehr viel konkreter wurde der Einfluß der Literatur auf die Gesellschaft dann von Prosper de Barante (1782—1866) in seinem De la Littérature française au XVIIIe siècle (1809) untersucht. Barante, der Madame de Staël kannte, aber zu der Zeit, als er sein Buch schrieb, napoleonischer Beamter war, versucht, der Kontroverse über die Ursachen der Revolution eine neue Perspektive zu geben. Er beklagt den zersetzenden Radikalismus der philosophes und argumentiert von einem nicht klar umrissenen Kantischen Standpunkt aus gegen die Prämissen der sensualistischen Philosophie; dennoch erkennt er, daß nicht Voltaire und Rousseau die Revolution hervorgerufen haben. Französische Werke des 18. Jahrhunderts seien eher »Symptome der allgemeinen Krankheit« gewesen. Die 1

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Literaten seien, zu Sprechern der Unzufriedenheit und Unruhe geworden, die durch Despotismus und Obskurantismus des ancien régime verursacht wurden. Die Philosophie des 18. Jahrhunderts sei Ausdruck »eines allumfassenden nationalen Geistes gewesen, dem wir in den Schriftstellern wieder begegnen. Ihre Bücher waren nicht nur von der Allgemeinheit beeinflußt; sie waren sozusagen unter ihrem Diktat geschrieben worden.«2 In dem 1824 hinzugefügten Vorwort fand Barante die schlagende Formel, daß die Literatur im 18. Jahrhundert »ein Träger der öffentlichen Meinung geworden war, ein Element der politischen Konstitution. Da reguläre Institutionen fehlten, wurde die Literatur zu einer solchen.«3 Aber diese Einsicht in die Rolle der Literatur als einer gesellschaftlichen Einrichtung bleibt nur ein Argument in einem Aufsatz und regt nicht eine wirkliche Geschichte an. Im Hauptteil des Buches begutachtet Barante die wichtigsten Schriftsteller und charakterisiert jeden von ihnen in sehr allgemeinen Ausdrücken. Man erkennt seine Sympathien an dem reichlichen Lob Montesquieus, der kühlen Bewertung Voltaires und Rousseaus und der barschen Mißachtung Diderots. Seine Stellungnahme zur Literaturkritik zeigt, daß Barante sich der neuen Überzeugung deutlich bewußt ist: er lehnt die Nachahmungstheorie, das Verständnis der Sprache als ein System feststehender Zeichen und die Unterscheidung zwischen Gedanke und Stil ab. Er tadelt La Harpe, weil dieser die »Lebensumstände« der Autoren unbeachtet lasse.4 Aber in Ton und Stil nimmt nichts Barantes spätere Historie des Ducs de Bourgogne (1824—27) vorweg, eine Beschwörung des späten Mittelalters, die die Texte der Chroniken von Froissart und Commynes fast wörtlich wiedergibt um des erzählerischen und malerischen Effekts willen, ohne Analyse, ohne die offensichtliche »Ideologie«, die im Zentrum seines Buches über das 18. Jahrhundert steht. Auch François Guizot (1787—1874) begründete anschaulich den Einfluß der Gesellschaft auf die Literatur. Guizot begann mit literarischen Studien : er berichtet über deutsche Gelehrsamkeit, beschreibt Zeit und Lebensumstände Corneilles (1813) mit Betonung auf den Zeitverhältnissen,5 und er verfaßt das Vorwort zu einer revidierten Ausgabe von Le Tourneurs Shakespeare-Ubersetzung (1821). In letzterem behauptet er, daß »die Literatur sich nicht von den Revolutionen des menschlichen Geistes fernhalten kann; sie ist vielmehr gezwungen, ihm bei seinem Fortschritt zu folgen.« »Das klassische System ist aus dem Leben und den Sitten seiner Zeit hervorgegangen. Dieses Zeitalter ist vergangen.« In Frankreich hätten sich die Gattungen mit der Entstehung des strengen Klassensystems scharf voneinander abgesondert; in England, »dem Zufluchtsort germanischer Sitten und Freiheiten« sei das Durcheinander der Gattungen noch vom Mittelalter her erhalten geblieben. Das neue Drama werde »umfassend und frei (sein) aber nicht ohne Prinzipien und Gesetze.«6 Es werde offenbar in Analogie zu der konstitutionellen Monarchie entwickeln, dem richtigen Gleichgewicht zwischen Despotismus und Anarchie, die Guizot sein ganzes Leben lang als Staatsmann und Kulturhistoriker verteidigte.

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Für Madame de Staël, Barante, Guizot, Stendhal und sogar den Hugo des Vorworts zu Cromwell (1827) ist der allgemeine Geschichtsbegriff ein Schema von Fortschritt und Vervollkommnungsfähigkeit innerhalb einer starken kausalen Aufeinanderfolge psychologischer Zustände. Dieser Gedanke nimmt spätere deterministische, positivistische und soziologische Begriffe von historischer Entwicklung vorweg, die scharf von dem neuen, von Deutschland übernommenen Historismus unterschieden werden müssen. Der deutsche Historismus verband die Einsicht in Individualität, nationale Tradition und Zeitgeist mit dem Ideal universaler Toleranz und einem Verständnis der Entwicklung als sich frei entfaltende Kontinuität und langsames organisches Wachstum. Der deutsche Historismus war weniger an der Gesellschaft als an dem Volksgeist interessiert, weniger an kausalen Erklärungen oder allgemeinen Gesetzen als an der Ableitung lebendiger Traditionen von ihren in dunkler Vorzeit hegenden Ursprüngen. Der Prozeß der Aneignung dieser Ideen in Frankreich ist in seinen Einzelheiten immer noch unerforscht. Wie wir gesehen haben, kann Madame Staël selbst nicht so beschrieben werden, als wäre sie zu den deutschen Lehren bekehrt worden. Dennoch war der Kreis um sie der entscheidende Vermittler. Die Übersetzungen zeitgenössischer deutscher Literaturgeschichten — Bouterweks Band über spanische Literatur mit einem Vorwort von Phillipe-Albert Stapfer, 1 8 1 2 ; August Wilhelm Schlegels Vorlesungen Über dramatische Kunst und Literatur in der Übersetzung einer Cousine von Madame de Staël, Madame Necker de Saussure, 1 8 1 4 ; und Friedrich Schlegels Geschichte der alten und neueren Literatur, 1829 — wurden weithin beachtet.7 Aber der Unterschied war eher in der allgemeinen Assimilation der zentralen Gedanken des deutschen Historismus begründet. Die Ideen gingen ebenso aus vielen Quellen hervor, die nicht direkt etwas mit Literatur zu tun hatten: aus politischer Geschichtsschreibung, ästhetischer Spekulation und den neuen Wissenszweigen der vergleichenden Sprach- und Religionswissenschaft, Da diese Wege jedoch so verschiedenartig waren, scheint es für unseren Zweck am besten, nur die Auswirkungen auf Literaturgeschichte und Literaturkritik zu beachten. Die erste französische Literaturgeschichte, die von dem neuen Geist erfüllt ist, ist De la Littérature du Midi de l'Europe (4 Bände, 1813) von Jean Charles Leonard Simonde de Sismondi (1773—1842). Sismondi, ein Genfer, der einen italienischen Titel angenommen hat, ist immer noch als Wirtschaftswissenschaftler und Historiker der mittelalterlichen italienischen Republiken wohl bekannt und hat auch das unbestreitbare Verdienst, der erste moderne französische Literaturhistoriker zu sein. Sismondi kannte Madame de Staël; er reiste mit ihr nach Italien (1804—05) und nach Wien (1808), w o er A . W . Schlegels Vorlesungen Über dramatische Kunst und Literatur hörte. Er mochte Schlegel als Person nicht, aber er folgte, wenn auch ziemlich skeptisch, seinen Gedanken. Er las Bouterwek, dessen vielbändiges Geschichtswerk, besonders in seinen spanischen und portugiesischen Teilen, die Hauptquelle für sein eigenes Buch wurde. 8 Littérature du Midi ist der erste Versuch,

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die mittelalterliche Literatur als Ganzes zu behandeln. Ausgehend von den Arabern erfaßt es die provenfalische, altfranzösische und italienische Literatur — die letztere von ihren Ursprüngen bis zu Alfieri; es behandelt die spanische Literatur bis zum 18. Jahrhundert und schließt mit der portugiesischen ab. Weitere Bände über die nordeuropäische Literatur — über die englische und deutsche mit Bemerkungen über die holländische, dänische und sogar slawische Literatur9 — waren geplant, blieben aber aus unschwer zu erratenden Gründen ungeschrieben: Sismondi fehlten die sprachlichen Kenntnisse, und sein Interesse wendete sich von der Literatur ab. Der Titel seines Buches, »Literatur des Südens« ist von Madame de Staels Hauptgegensatz zwischen südlicher und nördlicher Literatur abgeleitet; aber anders als sie läßt Sismondi klimatische Einflüsse außer acht. Stattdessen fordert er programmatisch das Studium des »wechselseitigen Einflusses der politischen und religiösen Geschichte der Völker auf ihre Literatur und ihrer Literatur auf ihren Charakter.«10 Tatsächlich erläutert das Buch in der Hauptsache die deutschen »romantischen« Thesen. Die Literaturen des Südens seien romantische Literaturen, nur die französische stelle die einzige Ausnahme dar: sie allein »brachte die klassische Literatur der Griechen und Römer wieder hervor.« Die französische Literatur nach dem Mittelalter bleibt daher aus Sismondis Geschichte ausgeklammert, weil sie mit dem gebrochen hat, was er für die Einheit der romanischen Welt des Mittelalters hielt. Sie »bleibt weit zurück im Hinblick auf Empfindsamkeit, Begeisterung, Wärme, Tiefe und Wahrheit der Gefühle.« Sie sei von der der ursprünglichen romantischen Tradition der »Liebe, Ritterlichkeit und Religion abgewichen.« 11 Sismondis Wissen stammt oft aus zweiter Hand, ist abgeleitet und unvollständig, seine Methode ist häufig rein deskriptiv und kompilatorisch und sein Geschmack ängstlich romantisch. Als Kritiker gewinnt er an Leben nur bei der Erörterung der italienischen Literatur, denn er kennt und liebt deren Dichter und hat Zugang zu einer Tradition gelehrter Literaturgeschichte (Tiraboschi, Andres, Ginguene). Dante wird unter romantischen Aspekten gesehen: als Autor des Inferno, als derjenige, der Farinata und Ugolino naturgetreu geschildert habe, das Paradiso aber wird als gereimte Theologie verurteilt. Der Lobpreis Ariostos liest sich beinahe wie eine Verherrlichung des l'art pour l'art: »Träumerei ohne Zweck stimmt mit dem innersten Wesen der Poesie überein, die niemals Mittel sein darf, sondern ihr eigener, eigentlicher Zweck ist.« In Sismondis Augen ist Tasso der größte aller modernen Dichter, denn er verbinde das Romantische und das Klassische: er verstehe es, im Ganzen, strukturell klassisch zu bleiben und in der Schilderung von Lebensgewohnheiten und Situationen romantisch zu sein. Seine Dichtung sei im Geist des Altertums empfunden, aber im Geist des Mittelalters ausgeführt. Es überrascht nicht, daß der Liebhaber von Ariosto sich an Metastasio erfreut und der glühende Liberale Alfieri bewundert und ihn gegen die scharfe Kritik August Wilhelm Schlegels verteidigt. 12 Die spanischen Kapitel zeigen verglichen mit den italienischen ihre Abhängigkeit von Bouterwek. Z u m ersten Male in französischer

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Sprache erscheint in seiner Darstellung des Cervantes die deutsche romantische Interpretation des Don Quijote als ein melancholisches, tragisches Buch. Dagegen konnte Bouterwek mit Schlegels überschwenglichen Lob Calderóns nicht übereinstimmen. Die spanische Literatur, urteilt Sismondi, sei durch den unheilvollen Einfluß der Inquisition irregeleitet worden, und Calderón weiche zu weit von der Regel der Wahrscheinlichkeit ab, um Sismondis im Grunde konservativen Geschmack zu entsprechen." Abstrakt-theoretisch allerdings wiederholt Sismondi beständig das aus dem Historismus stammende Argument, demzufolge jedf c Volk seine charakteristisch eigene Literatur besitze mit ihren besonderen, voi allem das Drama bestimmenden Regeln, so daß die aus einer »höchst unklaren Abhandlung des Aristoteles« abgeleiteten drei Einheiten weder für andere dramatische Systeme verbindlich sein können noch es je gewesen seien.14 Sismondis Standpunkt bleibt immer noch ungeklärt: man merkt, daß er sich eine Theorie zu eigen gemacht hat, an, die er nicht ganz glaubte, die sogar seinem eigenen konservativen Geschmack zuwiderlief. Stendhal konnte fragen, ob »Sismondi in zwei sich widersprechenden Systemen befangen ist. Bewundert er Racine oder Shakespeare? Auf solche Weise verwirrt sagt er uns nicht, auf welcher Seite sein Herz ist; vielleicht gehört es keiner Partei an.«15 Doch zu seiner Zeit wurde das Buch in Frankreich als romantisches Manifest verstanden und angegriffen im Zusammenhang mit dem Eindringen deutscher Ideen und der Wiederbelebung des Mittelalters.16 Die wissenschaftliche Grundlage für eine Geschichte der mittelalterlichen Literatur wurde von zwei Männern erarbeitet: von Claude Fauriel (1772—1844) und seinem Schüler Jean-Jacques Ampère (1800—1864). Fauriel war eine fast legendäre Gestalt: zu Lebzeiten veröffentlichte er kaum etwas, was seinen ungeheuren R u f rechtfertigen konnte. Seine Beziehungen zu Madame de Staël, Manzoni und — mehr distanziert — zu den Gebrüdern Schlegel brachten ihn ins Spannungsfeld sich kreuzender kultureller Einflüsse. Seine Übersetzung moderner griechischer Volkslieder, Chants populaires de la Grèce moderne (2 Bände, 1823) bedeutete nicht nur einen zeitgemäßen Beitrag zur Sache der griechischen Unabhängigkeit, sondern, nach seinem Vorwort, auch eine grundsätzliche Erklärung für die universale Volkspoesie. Wie bei Herder stehen Volkspoesie und Kunstdichtung in scharfem Gegensatz zueinander. Volkspoesie sei der im Volk selbst lebendige »unmittelbare und wahre Ausdruck des nationalen Charakters und Geistes«, der Ausdruck »des ganzen Lebens des Volkes.« Die griechische Dichtung sei »gleichzeitig die unverfälschte nationale Geschichte des modernen Griechenland und das treueste Abbild der Sitten und Gebräuche seiner Bewohner.« Obwohl Fauriel erkennt, daß keines der von ihm gedruckten oder übersetzten Lieder vor 1600 datiert werden kann, glaubt er, sie seien »eine Weiterentwicklung, eine langsam und allmählich entstandene Neufassung der alten Dichtung und besonders der alten Volkspoesie Griechenlands.« Da könne es keinen Bruch in der Tradition gegeben haben. Während die anderen Künste ohne sorgfältige Pflege undenkbar seien, erreiche das unwissende

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Genie Vollendung in der Dichtung. »Gerade Unvollkommenheit oder fehlerhafter Gebrauch der künstlerischen Mittel, diese Art des Kontrastes oder Mißverhältnisses zwischen der Einfachheit der Mittel und dem Reichtum der Wirkung machten den hauptsächlichen Reiz eines solchen Werkes aus«, weshalb die Volkspoesie »teilhat an Charakter und Vorrecht von Werken der Natur.« 17 Fauriel erkennt, 'laß die griechischen Lieder den spanischen Romanzen, den schottischen und dänischen Balladen an die Seite gestellt werden müßten. Später berichtet er über die russischen Volksepen und die gefälschten tschechischen Manuskripte. Er entwirft sogar eine allgemeine Geschichte des Epos, in der er seine Kenntnisse von Sanskrit-Epen, Homer und anderer Heldendichtung heranzieht, um drei umfassende Stadien zu bestimmen: die unvermittelte Schöpfung des Volkes, die Rezitation durch den Sänger und Niederschreiben, Überdenken und Herausgeben.1» Allgemeine Literaturgeschichte wird als Ideal betrachtet und durch weit ausholende Gelehrsamkeit unterstützt. Aber die Voraussetzungen bleiben immer die der deutschen Romantiker, nur daß Fauriel eine andere Ausstrahlungsmitte für das frühe Mittelalter annimmt: eher die Provence als die germanische Urwelt der Gebrüder Grimm. Fauriels Forschung war hauptsächlich der Entstehung der volkssprachlichen mittelalterlichen Literatur gewidmet, den provencalischen Dichtern und den Anfängen der italienischen Literatur. Die Vorlesungen, die er in den dreißiger Jahren als Professor für ausländische Literatur an der Sorbonne hielt, wurden erst nach seinem Tode etwas fragmentarisch als Historie de la poésie provençale (3 Bände, 1846) und Dante et les origines de la langue et de la littérature italiennes (2 Bände, 1854) veröffentlicht. Die Antrittsvorlesung des ersten Lehrganges (1831) betont, daß »jede Literatur an der allgemeinen Bewegung teil hat, durch welche die Menschheit fortschreitend von einem Zustand zum anderen emporsteigt, von der Kindheit zur Jugend, von der Jugend zur Reife.« »Diese allgemeine Tendenz schneidet oder verbindet sich mit anderen, besonderen Entwicklungslinien des Klimas, der Bodenbeschaffenheit, der sozialen Bedingungen, des religiösen Glaubens, der Handelsverbindungen und der Folgen von Kriegen und Eroberungen«, die den allgemeinen Kern näher bestimmen und jeder Literatur »eine lokale Physiognomie und einen individuellen Charakter« verleihen. 19 In der Geschichte der provençalischen Dichtung wird die übertriebene These vorgebracht : die Provence sei das Zentrum der neuen christlich diesseitsbezogenen Kultur und Literatur gewesen. Der germanische Einfluß sei gering oder gar nachteilig gewesen. Bretonische und walisische Quellen spielten mit Ausnahme der Entlehnung einiger Namen und gängiger Uberlieferungen keine Rolle. Arabischen Einfluß habe es wirklich gegeben, aber er sei peripher gewesen und habe eher auf Sitten und Gebräuche als auf die Literatur gewirkt. Die Provençalen haben nicht nur die Troubadourdichtung, sondern auch das mittelalterliche Epos angeregt, wenn dieses selber auch nur in nordfranzösischen Versionen vermittelt durch die nordfranzösischen Minnesänger (trouvères) oder in deutschen Übersetzungen erhalten geblieben sei. (So sei Wolframs Parzival —

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wie der Dichter eingesteht — die Übertragung eines verlorenen Epos des Provenfalen Kyot). Provenfalische Liebesdichtung selbst müsse »eine Erweiterung, Umgestaltung und systematische Verfeinerung einer älteren, ungeschliffeneren, ursprünglicheren und mehr volkstümlichen Literatur« sein. Proven^alischer Einfluß (in Fauriels weitem Sinne) sei nicht nur für die italienische, sondern auch für die spanische, deutsche und englische Literatur entscheidend gewesen. Das ganze Schema entspricht offensichtlich dem Bemühen der vergleichenden Sprachwissenschaft, die indoeuropäische Urform des Französischen oder des Italienischen zu finden: es wird eine ursprüngliche Volkspoesie vorausgesetzt, zu der zum Beispiel auch epische Dichtung gehört haben muß, denn fehlte sie, so wäre das »eine Annahme, die im Gegensatz zu der normalen Tätigkeit des menschlichen Geistes stünde.« Daher sucht Fauriel überall nach den verborgenen Spuren urwüchsiger Volksdichtung; selbst das von einem Mönch verfaßte und den Einfluß Vergils verratende Waltharilied aus dem Kloster St. Gallen wird zum Beweis für den provenfalischen Ursprung des Heldenepos angeführt und des aus dem 9. Jahrhundert stammende »Gesang der Wachen von Modena«, eine lateinische geistliche Hymne, soll das Überleben volkstümlicher Traditionen bestätigen. Alba, ballata und pastorella seien volkstümliche Formen. Lateinische und germanische Überlieferungen werden beständig unterschätzt.20 Die moderne Forschung hat Fauriels Annahmen widersprochen, kann aber, wie es scheint, den Sachverhalt ihrerseits nicht überzeugend erklären. Die romantischen Theorien über die Volksdichtung enthalten einen wahren Kern, der nicht dadurch widerlegt werden kann, daß man bloß Fauriels Leidenschaft verwirft, alle wichtigen Entwicklungen vom Süden Frankreichs ausgehen zu lassen. Die Vorlesungsreihe über Dante (gehalten 1833—35) verfolgt das Thema der Verbreitung provengalischer Dichtung im Bereich der italienischen Literatur. Fauriel verweilt lange bei der politischen Lage in Italien, dem Zustand der italienischen Republiken unter besonderer Berücksichtigung von Florenz, bevor er über Dantes Leben, über die provengalische Dichtung in Italien und die frühe italienische höfische Liebesdichtung berichtet. Seine Behandlung der Göttlichen Komödie ist nur in Fragmenten erhalten. Fauriel betont das intellektuelle Bestreben Dantes, die Tatsache, daß er den modernen Konflikt zwischen Wissenschaft und Dichtung nicht gekannt habe. Auf der anderen Seite weist Fauriel scharf den Versuch zurück, die Göttliche Komödie auf eine Allegorie zu reduzieren, »die kälteste, künstlichste und unechteste aller poetischen Formen.« Die zentrale Gestalt der Komödie sei Beatrice und ihr Hauptthema »ein edles Bekenntnis seines Beatrices Andenken zugefügten Unrechts.« Weitere Kapitel geben eine ausgezeichnete Interpretation des Verfahrens, nach dem Dante die Gestalten der klassischen Mythologie (Charon, Cerberus usw.) umgeformt hat, um sie in seinen christlichen Grundplan einzufügen. Fauriel beweist auch, daß die entscheidenden Ereignisse in solchen Geschichten wie denen von Francesca da Rimini, Ugolino und Sordello nicht nachprüfbare Leistungen der freien Einbildungskraft Dantes sind.21 Die lange Schilderung des

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historischen Rahmens und der Zeitumstände wird durch Fauriels Einsicht in Dantes persönliche Erfahrung und Erfindungskraft ausgeglichen. Unglücklicherweise füllt eine veraltete Geschichte der italienischen Sprache den zweiten Band des Dantebuches aus. Alle Vorlesungen lassen offensichtlich ein Bild zurück, das dem Gelehrten nicht entspricht, den Sainte-Beuve, Renan, Ampère, Ozanam und andere als den magnus parens der französischen literarischen Gelehrsamkeit anerkannten. Renan sagte, daß Fauriel »tatsächlich die vergleichende Literaturwissenschaft in Frankreich begründete, ebenso die Wissenschaft von den literarischen Ursprüngen, die Betrachtungsweise von Literatur als eine historische Wissenschaft, was zweifellos sehr viel mehr bedeutete als die seichte und triviale Literaturkritik von La Harpe, Geoffroy, Petitot und selbst Marmontel und Voltaire.«22 Ampère ist was Haltung und Voreingenommenheit betrifft eng mit Fauriel verwandt. Wie bei Fauriel bemerken wir, daß er nur mangelhaft erfüllte, was seine Begabungen und die Verheißung seiner frühen Jahre versprachen. Ampère ging 1826 nach Bonn, w o er die Vorlesungen A . W . Schlegels und B.G.Niebuhrs hörte. Vor seinem Deutschlandaufenthalt hatte er einen Artikel über Goethe veröffentlicht, der Goethes Originalität und nationale Eigenart hervorhebt, die Vielfalt seiner Werke und ihren in Goethes geistiger Entwicklung liegenden Ursprung. »Jedes dieser Werke entspricht einer Disposition seiner Seele oder seines Geistes: hier muß man nach der Geschichte der Empfindungen und Ereignisse suchen, die seine Existenz ausfüllten.« Ampère bemerkt den inneren Zusammenhang zwischen Werther und Tasso. In Goethes Iphigenie finden sich christliches Zartgefühl wie auch moderne Bildung und Egmont stehe Goethes Herzen nahe. Ampère definiert seine Methode als »die historische Betrachtungsweise, die ausschließlich Goethe in seinen Werken aufsucht.«23 Kein Wunder, daß Goethe den Artikel übersetzte, den jungen Mann bei sich in Weimar bewirtete und ihn im Gespräch mit Eckermann lobte.24 Während seines Deutschlandaufenthaltes schrieb Ampère beifällige Arbeiten über Tieck, E. T. A. Hoffmann und Chamisso. Aber Ampère wollte nicht nur dem Beispiel Madame de Staèls folgen: er wollte Gelehrter werden, ein Philologe wie die Gebrüder Grimm (die er in Kassel besuchte). Der Deutschlandaufenthalt gipfelte in einer Skandinavienreise, die Artikel über Holberg, Oehlenschläger und die Gruppe der schwedischen Romantiker hervorbrachte und später Arbeiten über die beiden Fassungen der Edda, über die Sagas wie auch über die dänischen Balladen. Von einem kurzen Pragbesuch angeregt warf Ampère sogar einen flüchtigen Blick auf die alte tschechische Geschichte und Dichtung. 25 Auf diese Weise ermutigt legte er ein ehrgeiziges Programm in dem Discours sur l'histoire de la poesie (1830) vor. Literaturphilosophie und Literaturgeschichte seien die beiden Teile der Literaturwissenschaft. Eine Philosophie der Literatur und der Künste müsse aus einer vergleichenden Geschichte der Künste und der Literatur hervorgehen. Die Literaturgeschichte stehe daher als nächstes auf dem Programm und eine Geschichte der Literatur des Nordens sei die dringlichste Aufgabe. W i r sollen die verschiedenen Entwicklungsstufen kennenlernen, die die menschliche Seele und

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die menschliche Einbildungskraft durchlaufen haben. Wir werden so der großen Forderung unserer Zeit entsprechen: die Jahrhunderte zu verstehen und zu erneuern. Das letzte Ziel sei eine vollständige Geschichte der Menschheit. Ampère beschreibt die Stadien des kritischen Prozesses: zuerst komme die philologische Kritik, aber nur ein höheres Verständnis der inneren Bedeutung eines Werkes gebe uns das Recht zu urteilen. Alsdann sei es nötig, die Gesellschaft zu kennen, in der der Künstler gelebt habe: die Abstammung, das Land, die Sprache, die Sitten und Gebräuche, die Philosophie, die Religion, die Regierungsform. U m dem Künstler gerecht zu werden, müsse man sein Vaterland ganz verlassen und in der Vorstellung sich selbst in den Kreis der Gewohnheiten versetzen, in dem er gelebt habe. A b hängigkeiten, Ursachen und Wirkungen müssen erforscht werden. Wie in der Botanik und Zoologie dürfen wir nicht nach willkürlichen Einteilungen, sondern müssen nach einem chronologischen Zusammenhang und den natürlichen Beziehungen der Gattungen suchen; wie in der Geologie entspreche jeder großen Epoche der Dichtungsgeschichte eine der großen Phasen der Zivilisation. Ursprünglich sei die Dichtung überall gewesen: der Dichter habe die allgemeinen Gedanken dargestellt. »Das wirkliche Individuum war die Rasse, der Stamm. Der Dichter war die Stimme dieses kollektiven Individuums und nichts sonst.« Aber in der modernen Zeit überrage das Individuum die Menge: seine Veranlagung und Erziehung werden maßgebend. Wir müssen mit dem Dichter in Einklang stehen, ihn aber auch beurteilen mit Hilfe »einer großen, schöpferischen Kritik, die voller Respekt vor dem Genie und unnachgiebig gegenüber Fehlern bereitwillig bewundert und in Unabhängigkeit verurteilt.« Es sei Aufgabe des Kritikers, jedem Dichter einen bestimmten Rang zuzuweisen, und er tue das, indem er den Dichter auswähle, der am besten die Zeit in ihrer eigentlichen Substanz verkörpere, ihr Muster hervorbringe und ihr Bild darstelle. Gute Literaturkritik sei selten. Ampère glaubt sogar, es gebe mehr große Künstler als große Kritiker auf der Welt. Sie stehen vor der Aufgabe, aus den literarischen Zeugnissen der Zeit ein herrliches Museum zusammenzustellen.26 Allein aus dieser Vorlesung verstehen wir, warum Sainte-Beuve, der Ampère gerade in diesem Jahr (1830) traf, sich selbst »in gewisser Hinsicht seinen Schüler« nennen konnte, fleißig seine Vorlesungen besuchte und erklärte, unter dem Einfluß Ampères habe er sich von der rein biographischen und anekdotischen Literaturkritik freigemacht. 27 Das harmonische Verhältnis von Geschichte und Psychologie, von Einfühlung und Kritik ist für beide, Ampère und Sainte-Beuve charakteristisch. Ampère erwarb jedoch durch sein späteres Werk den R u f , ein zweiter Fauriel zu sein. Er gab seine frühen, an der nordischen Literatur orientierten wie auch seine universalistischen Pläne auf und versuchte, auf der Grundlage selbständiger Forschung die erste zusammenhängende Geschichte der französischen Literatur von ihren dunklen Anfängen an zu schreiben. Seine Histoire littéraire de la France avant le douzième siècle (2 Bände, 1839—40) beginnt, wie er selbst erkannte, in vorsintflutlicher Zeit: mit den Iberern, den Kelten, Phöniziern und Griechen auf franzö-

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sischem Boden. »Wir müssen in dieses schöpferische Dunkel hineintauchen, in das fruchtbare Chaos, aus dem eine Welt entstehen wird.« Er führt uns langsam weiter zu der römischen Literatur auf gallischem Boden (Lactantius, Ausonius), zur Christianisierung Galliens, zum Kampf mit den germanischen Eindringlingen bis zum Aufkommen einer neuen Kultur, die stets »die römische Straße, den römischen Boden« darunter verrät. Verständnis für die Kontinuität der lateinischen Tradition und Eifer für die räumliche Einheit Frankreichs haben Ampères ursprüngliche V o r stellung von der Volksdichtung verdrängt. Daher sind die beiden Bände fast vollständig der lateinischen Literatur gewidmet. Ampère legt seine These von der dreifachen Renaissance dar: die karolingische Renaissance im 9. Jahrhundert, die Blüte gegen Ende des 1 1 . Jahrhunderts und die Renaissance, die im 16. Jahrhundert von Italien gekommen sei.28 In dem ganzen Durcheinander von beinahe anonymen historischen und theologischen Schriften verliert Ampère nie den Blick für die Individualität. Bei der Betrachtung von Sidonius Appollinarius äußert er sein Überraschung, einen solchen Mann in solch einem Jahrhundert und solch einer Gesellschaft zu finden und er korrigiert seine Erklärung: »Die Literatur ist der Ausdruck der Gesellschaft.« Die Literatur »bringt (vielmehr) zum Ausdruck, was verborgen ist: sie ist eine Vertraute, die uns enthüllt, was man gedacht und im Geheimen empfunden hat, was latent und unterdrückt gewesen ist. Sie ist wie ein Echo, das von weither Worte wiederholt, die geflüstert wurden. Sie zeigt oft nicht das Uberwiegen einer Tatbestandes, sondern die Antwort darauf. Sie drückt die Wünsche und Versprechungen aus, ein unzweifelhaftes, in den Tiefen der Seele liegendes Ideal. Überdies ist sie nicht immer die Stimme des Augenblicks, in dem sie entsteht; sie ist oft der Widerhall dessen, was gewesen ist, der letzte Seufzer dessen, was stirbt, der erste Schrei dessen, was zum Leben erwacht.«29 Ampère hielt sich zu lange mit dieser dunklen Periode auf: sein nächstes Buch, Histoire de la littérature française au moyen âge comparée aux littératures étrangères (1841) löst das große Versprechen des Titels nicht ein. Es enthält eine »Histoire de la formation de la langue française«, die als erster Band einer neuen Reihe geplant war. Das lange Vorwort zum Hauptteil des Bandes, einer unvermeidlich veralteten philologischen Abhandlung, gibt einen Überblick über die französische mittelalterliche Literatur, 12., 13. und 14. Jahrhundert werden nach Aufstieg, Höhepunkt und Verfall eingeteilt. Es wird hingewiesen auf parallele Entwicklungen in anderen Ländern und auf Stadien der gotischen Architektur.. Ampère gibt eine Ubersicht über die Gattungen der französischen Literatur und ihren Einfluß im Ausland. Aber er akzeptiert zu fügsam Fauriels These von der provençalischen Vorherrschaft und scheint unsicher in solchen Streitfragen wie der nach dem arabischen Einfluß oder der nach dem Unterschied zwischen chanson de geste und dem RitterRoman. Wie Ampère die Fortführung seiner Arbeit geplant hatte, das muß aus seinen Artikeln über den Roman de la Rose, über Joinville und Amyot rekonstruiert werden. 30 Das ganze ehrgeizige Projekt blieb Fragment, weil sich Ampère durch

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die schlechte Aufnahme der ersten Bände entmutigen ließ (was angesichts ihres gelehrten und philologischen Charakters nicht überrascht) und sich anderen Gegenständen zuwandte, darunter vor allem der römischen Geschichte. Ampères spätere Interessen schlagen sich in einem fesselnden Buch nieder mit dem Titel La Grèce, Rome et Dante: Etudes littéraires d'après nature (1848), das in Form einer »critique en voyage« aufgebaut ist. Sein Motto lautet »Vergleiche die Kunst mit der Realität, der sie entstammt und erkläre sie durch diese Realität.« Er studiert griechische Dichter in der sie umgebenden Landschaft und folgt Dante auf einer »Dantereise« von Florenz nach Ravenna, weil er glaubt, daß »es gut ist, zu sehen, was er sah, und zu leben, w o er lebte.«31 Ampères großes Geschichtswerk blieb in den dunklen Zeitaltern stecken. Seinem klaren theoretischen Einblick und seiner historischen Einsicht gelang es nicht, seinem Stoff Leben einzuhauchen. So blieb uneingelöst, was seine schönen, programmatischen Feststellungen erwarten ließen und was er schon früh als Kritiker in seine Aufsätzen zur deutschen Literatur versprach. Sein Werk hat nicht überlebt, aber es ist als Anregung für Sainte-Beuve und für Generationen von Studenten der altfranzösischen Literatur historisch wirksam gewesen. Z u ihrer Zeit wurden beide, Fauriel und Ampère, von dem Erfolg des Abel François Villemain (1790—1870) überschattet. Brunetière, Chasles und andere sahen in ihm den Begründer der Literaturgeschichte und vergaßen dabei allerdings Sismondi und all die Engländer, Deutschen und Italiener vorher. 32 Der größte Teil seines Werkes ist von akademischer Langeweile, so die hochtrabenden Lobreden auf Montaigne und Montesquieu, mit denen er seine Laufbahn begann, die schwerfälligen und nicht sehr kenntnisreichen Lebensberichte über Shakespeare, Milton, Pope, Thomson und Byron, die Abhandlungen über die griechischen Romane, über christliche Beredsamkeit, über Leichenpredigten und so weiter. 33 Immer wenn Villemain schulgemäß schreibt, wird er langweilig, konventionell, Tinbestimmt, schwülstig und übervorsichtig. Voller Leben ist nur sein frühes Tableau de la littérature française au XVIIIe siècle (4 Bände, 1828—29), die verbesserten Abschriften ungeheuer erfolgreicher Vorlesungen an der Sorbonne. Dort läßt er sich zu einer frei schweifenden Beredsamkeit wie auch zu politischen Anspielungen hinreißen und kann auch die Reaktion der Zuhörer drucken lassen (»Vifs applaudissements«, »on rit«). Bei seiner Darstellung der französischen Literatur des 18. Jahrhunderts schöpft Villemain aus einer unmittelbaren Kenntnis der Haupttexte. Aber wie beinahe jeder Franzose seiner Zeit nahm er eine vorsichtige antirevolutionäre Haltung in ideologischen Streitfragen ein. Daher hat Villemain den alten Vorstellungen wenig Neues hinzufügen und er scheint oft die Proportionen zu verzerren und die Menschen zu karikieren. Er geht geringschätzig über die Encyclopédie hinweg und lehnt Diderot schroff ab. Ihn interessiert vor allem der Unterschied zwischen dem von der Religion, der Antike und der Monarchie beherrschten 17. Jahrhundert und dem von Skeptizismus, vom Nachahmungseifer moderner Literatur und von politischem Reformwillen bestimmten 18. Jahrhundert.34 Ville-

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main fordert in einem späteren Essay, daß die Literaturkritik und Fragen des Geschmacks einen »Anhang der Sozialgeschichte« bilden sollen und begründet das damit, daß jede große Literatur die umfassenden moralischen Interessen ihrer Gesellschaft einschließe.35 Die tatsächliche Abhängigkeit der Literatur von der Gesellschaft bleibt im Tableau allerdings unklar: der prosaische Ton des Gii Blas konnte dem »Stempel der Zeit, dem Geist der letzten Regierungsjahre von Ludwig XIV.« zugeschrieben werden. Meist begnügt sich Villemain damit, Biographie, ziemlich liberale aber immer noch ausdrücklich am klassizistischen Geschmack orientierte Literaturkritik und politische Geschichte zu vermengen. Neu und verdienstvoll an seinen Vorlesungen ist der Versuch, die ganze europäische Literatur zu berücksichtigen, »die ausländische Reaktion auf den französischen Geist in verschiedenen berühmten Werken Englands oder Italiens« sichtbar werden zu lassen. Villemain wagt sich an ein »vergleichendes Bild davon, was der französische Geist der ausländischen Literatur verdankt und was er ihr zurückgegeben hat.« Er möchte »das Kreuzfeuer« zwischen Frankreich und England beschreiben.36 Die Ausführung bleibt jedoch weit hinter dem Versprechen zurück. Wir erhalten Darstellungen von englischen Schriftstellern und hören sehr wenig über Italien und Deutschland. Aber es war neu, Voltaires Englandbesuch so stark zu betonen, Pope, Addison, Bolingbroke, Swift und andere zu beschreiben und in einem französischen Kontext einen Bericht über britische Parlamentsrhetorik, über Pitt, Sheridan, Fox und Burke zu geben. Verglichen mit den Vorlesungen über das 18. Jahrhundert leidet sein Tableau de la littérature au moyen âge en France, en Espagne et en Angleterre (2 Bände, 1830) unter einem Mangel an Kenntnissen und Einfühlungsvermögen. Die Vorlesungen gingen, das muß man sich vergegenwärtigen, dem veröffentlichten Werk von Fauriel und Ampère voraus. Diese geben eine ausgeprägtere Rechtfertigung des neuen Historismus als die Vorlesungsreihe über das 18. Jahrhundert es tut. Villemain erklärt sich selbst zu einem »Eklektiker« in dem Sinne, daß »wir alles lieben, was schön, geistreich und neu ist, welcher Schule es auch angehört. Wir glauben sogar, daß es unnötig ist, irgendeiner Schule angehören zu wollen, selbst nicht der Schule eines Genies.« Die moderne Literaturkritik zeichne sich durch ihre Suche nach ersten Ursprüngen aus, durch die Entdeckung von Entlehnungen der einen Literatur bei der anderen, durch ihr Interesse an »dem ausdrucksvollsten« und erfolgreichsten Musterbild einer jeden Zeit. Daher stelle die Göttliche Komödie »das vollendetste Denkmal der Einbildungskraft und der religiösen Überzeugung eines Volkes« dar. Villemain hütet sich vor jedem starren Entwicklungsschema und vor jeder psychologischen Stammesgeschichte, ob sie nun von Vico oder den Deutschen angeregt ist. Der Gedanke einer engen Parallelentwicklung von Antike und Mittelalter in ihrem Verfall und Niedergang scheint ihm falsch zu sein. Entgegen der romantischen Vorstellung behauptet er, daß die mittelalterlischen Schriftsteller die Erben der Griechen und Römer seien. Mit seinen kritischen Ansichten ist es unvereinbar, von der neuen Begeisterung mitgerissen zu

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werden: »selbst wenn man mit der Schärfe eines Gelehrten darüber diskutieren kann, was einer Zeit angemessen ist, so wird man deshalb nicht selbst durch die eigenen Worte verführt: man ist nicht betrogen und man betrügt andere nicht.« Nicht betrogen sein bedeutet für Villemain, unerschütterlich an seinem neoklassizistischen Geschmack festzuhalten. »Wie glücklich auch immer das Genie eines Schriftstellers der alten Zeit gewesen sein mag, es bleibt in jedem Fall etwas Gotisches und Fremdartiges an ihm.« »Echte Dichtung war wenigstens in Frankreich immer gleichzeitig mit gutem Geschmack.« Villemain beklagt die Versuche, die großen französischen Dichter zugunsten deutscher und englischer Dichter herabzusetzen. Goethe ist für ihn ein artifizieller, alexandrinischer Dichter: »in subtiler Weise natürlich, auf eine mühselige Art gewagt;« Byron kultiviere »einen raffinierten Widerwillen« gegen das Leben." Shakespeare sei zwar groß, doch er gehöre zu den Engländern und solle deren Dichter bleiben. Er gefällt Villenmain dann am meisten, wenn er zeigen kann, daß Shakespeare »in hohem Maße klassisch« ist, wenn er mit Euripides übereinstimmt.38 Villemains Position im Rahmen einer allgemeinen Geschichte der Literaturkritik ist der Thomas Wartons vergleichbar: ein im Grunde neoklassizistischer Geschmack, der nur in zweiter Linie ein gründliches Interesse an anderen Geschmacksrichtungen und Traditionen gestattet. Es scheint nur folgerichtig, daß Villemain ständiger Sekretär der Académie Française wurde und elf Jahre lang (1846—56) die feierlichen Reden zur jährlichen Preisverleihung verfaßte. 39 Der erste offen kosmopolitische französische Literaturkritiker war Philarète Chasles (1798—1873). Chasles verbrachte achtzehn Monate (1817—18) als Schriftsetzer in London, war lange literarischer Journalist, zunächst bei der Revue britannique, die Auszüge aus englischen Zeitschriften brachte, dann beim Journal des débats und lehrte von 1841 an als Professor für germanische Sprachen und Literatur (die englische eingeschlossen) am Collège de France. In etwa 30 Bänden sind seine Artikel gesammelt, Vorworte, unter seiner Mitwirkung entstandene Arbeiten oder zahllose in Zeitschriftenstößen begrabene Artikel nicht gerechnet. Sein Werk über die französische Literatur vor allem des 16. und 19. Jahrhunderts beginnt mit Tableau de la marche et des progrès de la littérature française au XVIe siècle (1828), das bei jenem Wettbewerb den Preis der Académie gewann, für den Sainte-Beuve ursprünglich sein über denselben Gegenstand geschriebenes Buch geplant hatte. Aber Chasles 'Essays umfassen die ganze Literatur und alle Themen: klassische Literatur, englische Literatur seit der Renaissance, amerikanische Literatur und amerikanisches Leben, die deutsche Literatur und Abstecher in spanische und italienische Themenbereiche.40 Es wird eine riesige Karte der westlichen Literatur ausgebreitet; der Akzent liegt auf den literarischen Einflüssen und Verwandtschaften, die, wie Chasles erkennt, eine Brücke über Jahrhunderte schlagen können. »Der Protestant Bayle berührt sich mit dem Katholiken Montaigne, der Ghibelline Dante mit den Dienern der provençalischen Liebe, und Molière schließt sich an Terenz an.« U m Literatur intensiv studieren zu können,

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müssen wir Politik, Religion und die Gesellschaft selbst studieren, sonst würde Literaturkritik »ein Labyrinth ohne Licht« sein.41 Als ideales Ziel schwebt ihm eine allgemeine Geistesgeschichte vor. Literatur als Kunst löst sich in Geschichte auf. Chasles' Begeisterung ist auf Übereinstimmung, nicht auf Ausschließung gerichtet: »die Harmonie in der Verschiedenheit der Werke des Geistes; die Weltliteratur, von der Goethe sprach, das heißt die Versöhnung gegensätzlicher Standpunkte.« Frankreich spiele die Rolle des »grand sympathique«42, es habe den Auftrag, Ideen sowohl zu verbreiten wie sie aufzunehmen und umzuformen. Aber Chasles erkennt ebenfalls die anregende Funktion der deutschen Literaturkritik an und ist auch mit den englischen romantischen Literaturkritikern vertraut. Deutschland »ist das einzige Land, in dem die Literaturkritik sich auf eine breite Grundlage stützen kann, wo der Besonderheit der Völker Achtung entgegengebracht wird, wo man die ungeheure Vielfältigkeit der menschlichen Natur und den Einfluß dieser Vielfalt auf die Künste richtig einschätzt, wo man akzeptiert, daß das Denken jedes Volkes von den politischen und sozialen Veränderungen abhängt und wo jede einzelne der tausend Formen bewundert wird, die das Schöne und das Ideale auf ihrem Gang durch die Geschichte annehmen können.«43 In einer Zusammenstellung großer Literaturkritiker erscheinen Coleridge (den Chasles in Highgate besucht hatte), Hazlitt, Villemain, A. W. Schlegel und Sainte-Beuve. Chasles lobt an anderer Stelle Lamb als »den ersten modernen Kritiker, der am tiefsten in das Studium der alten Sprachen und der englischen Autoren des 16. Jahrhunderts eingedrungen ist.« Chasles suchte »den gewaltigsten Geist, der alles versöhnen würde.«44 Chasles verfügt über einen unerhörten Spielraum, über reichhaltige (wenn auch oft ungenaue und veraltete) Kenntnisse, und seine oft scharfsinnigen Beobachtungen und Wahrnehmungen sind in ihrer Zeit neu. Mit großer Leichtigkeit stellt er Verbindungen und Konfrontationen her und zieht umfassende Vergleiche. Aber es ist ziemlich schwierig, einen überzeugenden Essay zu finden, die meisten seiner Arbeiten sind zu weitschweifig, zu überladen mit langen Zitaten, zu ausschließlich beschreibend oder belehrend, als daß sie über die vergängliche Funktion von literarischem Journalismus und Kulturdeutung hinaus noch etwas bedeuten könnten. Es gibt Ausnahmen, aber wie ich glaube, sehr wenige. Die glänzende Besprechung des Hernani (1830) könnte ausgenommen werden. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß Hugo sich nicht von dem französischen dramatischen System befreit hat: »er verdichtete bloß die bisher benutzten Kunstmittel; er hat sie nicht verändert, sondern eher vervielfacht.«45 Wir sollten noch den Nachruf auf Balzac hinzufügen (zu dem Chasles in enger Beziehung stand und dem er bei der Imitation der Rabelaischen Sprache für die Contes drolatiques half.). Dort prägte Chasles den Satz, Balzac sei ein Visionär (voyant) gewesen, ein Satz, den Sainte-Beuve aufgriff und der in neuerer Zeit wieder aufgenommen wurde.46 Da ist weiter die geschickte Verteidigung von Racines Phèdre gegen die scharfe Kritik August

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Wilhelm Schlegels, in der Schlegels Vergleich des Stückes mit Euripides Hippolitos berichtigt wird.47 Für seine Zeit vortrefflich war der Vergleich zwischen Shakespeare und Montaigne: Shakespeare ist für Chasles »ein skeptischer Dichter, ein ruhiger und oft grausamer Beobachter, ein Bruder Montaignes, ergriffen von einem leicht ironischen Mitleid mit den Menschen.«48 Chasles gehörte in Frankreich zu den ersten, die Jean Paul und Heine rühmten. Seine Berücksichtigung von Melvilles frühen Büchern und ein flüchtiger Besuch bei dem wahnsinnigen Hölderlin in Tübingen im Jahre 1815 stellen interessante Merkwürdigkeiten dar.49 Wenn auch eine gescheite Anthologie dazu beitragen könnte, Chasles' Ruf neu zu beleben, so wird er doch nie als großer Literaturkritiker gelten können. Einige entscheidende Proben besteht er nicht: Scharfsinn und Persönlichkeit fehlen ihm, und er gleicht das nicht durch tiefe Gelehrsamkeit oder Klarheit der Theorie aus. Seine literarische Theorie bleibt völlig unklar und verschwommen: er lehnt die Unterscheidung zwischen Literatur und Sozialgeschichte ab und kann sich daher weder auf den literarischen Gegenstand konzentrieren, noch ist er bereit, sich mit den Problemen einer Soziologie der Literatur auseinanderzusetzen. So klagt er etwa über Sainte-Beuves Skeptizismus und erklärt seinen »eigenen festen Glauben an die Kausalität«, aber andererseits schreckt er vor Taines Determinismus zurück, weil »die Essenz der Seele Freiheit und Freiheit Leben ist.«50 Die Zwischenlösung mag vertretbar und sogar richtig sein, aber sie wird weder ausgearbeitet noch genau untersucht. Ähnlich schwankt Chasles' Geschmack verwirrend zwischen einer grenzenlosen Begeisterung für die großen französischen Klassiker und einer Wertschätzung nicht nur Shakespeares, sondern auch Calderons, Rabelais und sogar Jean Pauls (dessen Titan er übersetzte) und Carlo Gozzis. Historistische Einfühlung hat in seinem Werk zu einem unterschiedslosen Relativismus geführt, zur Preisgabe aller Maßstäbe und folglich zu einer Auflösung der Literaturkritik. Chasles fehlt sowohl der Mittelpunkt wie die Überzeugung. Er wurde immer mehr von seinem Rivalen Sainte-Beuve in den Schatten gestellt, der so viel mehr Persönlichkeit besaß, soviel feinfühliger und sorgfältiger war. Sie waren zu Anfang befreundet, aber Chasles begann später Sainte-Beuve immer mehr wegen seiner außerordentlichen Beweglichkeit abzulehnen, als einen »Verräter aus Prinzip« und als einen »blendenden Don Juan im intellektuellen Harem.«51 Chasles fühlte, daß andererseits er selbst sich treu geblieben war — aber er konnte nur so empfinden, weil er keine Sache zu verraten hatte, außer sein kulturelles Kosmopolitentum, einen großmütigen, toleranten Relativismus, der unbegrenzt und unter allen Umständen aufrechterhalten werden konnte. Der neue Historismus mit seiner erweiterten internationalen Perspektive und seiner toleranten Haltung gegenüber anderen Kunstformen war weit davon entfernt, zu seiner eigenen Zeit siegreich zu sein. Als der eigentliche klassisch-romantische Debatte ihr Ende gefunden hatte — nachdem Musset dessen komischen Epitaph in seinen geistreichen Lettres de Dupuis et Cotonet (1836) geschrieben hatte — setzte

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eine klassizistische Reaktion ein. Rachel, in Rollen des klassischen Repertoires, und Ponsards »klassische« Tragödie Lucrèce (1838) hinterließen einen starken Eindruck und Hugos Les Burgraves (1843) fiel auf der Bühne durch. In der Literaturkritik repräsentierten vor allem der polemische Journalist Gustave Planche (1808—57) und noch einflußreicher die Literaturhistoriker Saint-Marc Girardin und Désiré Nisard diese Reaktion. Zu seiner Zeit wurde Planche als ein ernsthafter Rivale Saint-Beuves angesehen. Herausfordernd veröffentlichte er eine Aufsatzsammlung unter demselben Titel wie dieser: Portraits Littéraires (1836); aber heute erinnert man sich an ihn nur noch als hartnäckigen Gegner des romantischen Dramas. Planche greift Hugos Schauspiele an, weil sie sich sowohl gegen die Geschichte wie gegen die menschliche Natur vergingen. Auch in Notre Dame de Paris werde Gefühl durch bloße »Überraschung« ersetzt. »Stein und Stoff sind die hauptsächlichen und, wie ich eher sagen sollte, die einzigen handelnden Personen in dem Buch.« Ruy Blas ist »eine kindische Anhäufung von unmöglichen Szenen«, »ein Akt des Wahnsinns.«52 Planche beschimpft ebenso Chateaubriand. Langeweile gehe von Les Martyres aus, der Essay über die englische Literatur sei unzusammenhängend und zeuge von dürftigen Kenntnissen und die Ubersetzung von Paradise Lost sei wie die Eselsbrücke eines Schülers und voller grober Fehler. Chateaubriand »versteckt sich hinter Shakespeare und Milton, um bequemer den Weihrauch einatmen zu können, den er für sich selbst angezündet hat.«53 Und ähnlich geht er los auf Lamartine, Vigny und die anderen. Planche stellt immer einfache Fragen: spiegelt das Werk die Realität wider? Ist es wahrscheinlich? Ist es moralisch? Hat es Zusammenhang? Er ist kein Klassizist in dem Sinne, daß er das 17. Jahrhundert vergöttert oder die Regeln bewahrt, eher ein leidenschaftlich unabhängiger Verteidiger des »gesunden Menschenverstandes« was sich in der Praxis als Verneinung von Phantasie und Dichtung herausstellt. In seiner Theorie der Literaturkritik wiederholt Planche ständig, wie notwendig Strenge, Unparteilichkeit und Sorgfalt seien, und er beklagt sich über andere Arten der Kritik — über die kommerzielle, die gelehrte, die bloß unterhaltende, die witzige und paradoxe und über die unkritisch bewundernde — um im Gegensatz dazu seine eigene strenge, scharf urteilende Literaturkritik zu begründen. Der Streit mit Sainte-Beuve, der eine lange Zeit geschwelt hatte, kommt in Planches Rezension der Causeries du Lundi (1851) offen zum Ausbruch. Die Art, in der sich Sainte-Beuve gegen das richtete, was früher seine Bewunderung erregt hatte, scheint Planche die Sühne für die übertriebenen Lobreden, die er an die romantischen Dichter verschwendet hatte. »Ich gestehe Ihm die Aufrichtigkeit sowohl im Tadel als auch im Lob zu, sehe aber in dieser Beweglichkeit des Urteils einfach eine moralische Krankheit.«55 Planches Härte oder Standhaftigkeit, die ein bewundernswerter Charakterzug sein könnte, verbindet sich jedoch unglücklicherweise nicht mit einer wirklich kritischen Urteilskraft. Beständig lockert er die von ihm proklamierten strengen Kriterien, nicht nur für George Sand, die er zum Teil aus persönlichen Gründen

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sehr verehrte, sondern auch für Béranger und solche mittelmäßigen Autoren wie Barbier und Jules Sandeau. Planche verbrachte einige Zeit in England (1835), aber was er über die englische Literatur schrieb, ist bloße Berichterstattung. Einen Artikel über Fielding hat er, ohne daß er es angibt, von der französischen Ubersetzung eines Aufsatzes abgeschrieben, den Walter Scott verfaßt hat. Bulwers Eugene Aram vergleicht er lobend mit Euripides und Shakespeare und schenkt seine Aufmerksamkeit Henry Mackenzie. All das beweist eher das Fehlen eines kritischen Vermögens als neoklassizistische Beschränktheit.56 Planche bewundert viele gute Sachen (z. B. Manon Lescaut, Chénier und Adolphe57), aber seine Aufsätze leisten wenig mehr als die Geschichten im Hinblick auf Charakter und Handlung zu kommentieren oder Gedichte nach Gattung und mutmaßlicher Qualität einzuordnen. Obwohl er so logisch zu sein vorgibt, besitzt er eine geringe analytische Fähigkeit, wenig Charakterisierungskraft und kaum etwas Feingefühl. Man wird ihn als den Typ des streitsüchtigen Kritikers im Gedächtnis behalten — ein zweifellos oft zu Unrecht verspotteter Typ. Er erfüllte eine nützliche Funktion, indem er die Extravaganzen der romantischen Dichter bekämpfte. Der Erfolg von Saint-Marc Girardin (1801—73) war viel größer als der des einsamen Bohémien Planche. An der Sorbonne hielt Saint-Marc Girardin dreißig Jahre lang vor Massen von Studenten (manchmal mehr als tausend) Vorlesungen und hämmerte ihnen nachdrücklich eine einzige These ein : die moderne Literatur ist moralisch schlecht und sozial gefährlich; sie bestärkt den Ekel am Leben und führt letzten Endes zum Selbstmord. Die klassische und französische Literatur dagegen ist gut und groß, gut für Moral und Gesellschaft. OiFenbar übernahm Saint-Marc Girardin seine Methode von Chateaubriands Génie du Christianisme, obwohl er anders als Chateaubriand immer die Alten mit den Modernen zum Schaden der letzteren vergleicht. Die weithin gelesenen Cours de la littérature dramatique (5 Bände, 1843, 1849, 1855, 1860, 1868) beginnen mit dem ausgezeichneten Gedanken, daß »jedes Gefühl seine Geschichte hat und daß diese Geschichte interessant ist, weil sie sozusagen eine Abkürzung der Geschichte der Menschheit darstellt. Obwohl sich die Gefühle des menschlichen Herzens nicht verändern, zeigt sich an ihnen dennoch die Wirkung religiöser und politischer Revolutionen.«58 Unglücklicherweise ist Saint-Marc Girardin kein Historiker: er ist bloß ein Moralist, der den Selbstmord Didos neben den Chattertons (in Vignys Stück) stellt oder die väterliche Liebe des alten Horace in Corneilles Tragödie mit der Triboulets in Hugos Le Roi s'amuse vergleicht oder die kindliche Undankbarkeit in Ödipus auf Kolonos der Undankbarkeit Regans und Gonerils gegenüberstellt. Girardin erkennt nie, daß Abstraktionen wie »Vaterliebe« und »Eifersucht« nur im Kontext des Stückes für die Kritik bedeutungsvoll sind, daß absolut nichts für die Literaturkritik bewiesen ist, wenn man Horace den Vorzug vor Triboulet gibt oder seine Tochter Blanche ihrer unvernünftigen Liebe wegen tadelt.59 Die Moralpredigt ist das Zeichen einer engen Mittelklasse — Häuslichkeit, gute Laune und Mäßigkeit werden mit solch dreister Selbstgefälligkeit 2

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empfohlen, daß man Girardin zum musterhaften Bourgeois des juste milieu erklärte und er Sainte-Beuve und De Sanctis als warnendes Beispiel diente.60 Aber man sollte anerkennen, daß Saint-Marcs Geschichte besonders in den späteren, unter Napoleon III. veröffentlichten Bänden, als der Romantizismus keine Gefahr für die Gesellschaft mehr darstellte, viele kluge, geistreiche und liebenswürdige Deutungen nach Art des Psychologen und Moralisten enthält, die ihren Themen und Gegenständen gemäß angeordnet sind: »Eheliche Liebe bei Shakespeare«, »Eifersucht bei Molière«, »Die bußfertige Ehebrecherin« und so weiter. Wie Planche und Saint-Marc Girardin begann Désiré Nisard (1806—88) mit dem Protest gegen die Literatur seiner Zeit. In dem Pamphlet Contre la littérature facile (1833) schießt er seine Pfeile gegen den Sensationsroman, gegen die unechte Mittelalterlichkeit des historischen Romans und gegen das blutige und prunkvolle romantische Drama.61 Aber diese oberflächliche Schrift war bloß Vorbote der Études des moeurs et de critique sur les poètes latins de la décadence (2 Bände, 1834). Eine verdrießliche Kritik von Schriftstellern der Silbernen Latinität — Phädrus, Seneca, Persius, Statius, Martial, Juvenal und Lukan — führt hier zu einer ausdrücklichen Anklage der Literatur zu Nisards eigener Zeit.62 In der Geschichte der Dichtung unterscheidet Nisard drei Stadien: das der urtümlichen Dichter, Homer, Dante und Shakespeare; das der gelehrten Schriftsteller mit Vergil als ihrem Repräsentanten; und das der belesenen Verseschmiede wie er sie in seinem Buch beschreibt. In einem entsprechend dekadenten Stadium befinde sich die moderne französische Dichtung, sie zeige die gleichen Symptome wie das späte Altertum: moralische Schwäche, Genuß bloß äußerlicher Beschreibung, Gewaltsamkeit, barocker Stil, Dunkelheit und Unklarheit.63 Das Buch hat eine beträchliche historische Bedeutung, denn es gab den Anstoß für die ganze Diskussion über Dekadenz in der französischen Literatur (was bald von Gautier und Baudelaire als Ausdruck des Lobes verwendet werden sollte). In dem Buch über römische Literatur bleibt Nisards Anklage der neuen französischen Literatur ganz allgemein; auf die großen Namen der französischen Romantik konzentriert er sich ausdrücklich nur in zwei späteren Aufsätzen über Hugo und Lamartine (1836—37). Hugo wird angegriffen, weil er »Bilder an die Stelle der Wirklichkeit setzt, Farben an die Stelle des Denkens«, und weiter wegen seiner »buntscheckigen, blendenden Sprache, die man mit den Augen des Körpers wahrnimmt gleich der auf die Leinwand gestülpten Palette eines Malers, aber kein Bild.« Hugo gehe völlig in sinnlicher Beschreibung, im Glitzern und Glanz auf, aber er leide an der Öde des Herzens und an der Sinnlichkeit der Phantasie. Da sei kein Platz für die Vernunft, kein Plan, kein Geschmack, kein kritisches Vermögen, nur Phantasie, die sich unbeherrscht und ohne Kontrolle austobe. Lamartine sei ein Dichter nebuloser Allgemeinheiten, unfähig zur Selbstkritik, verschwommen pantheistisch, auf überschwengliche und sentimentale Weise menschenfreundlich.64

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Diese einflußreichen Aufsätze schließen stillschweigend den grundlegenden Dichtungs- und GeschichtsbegrifF ein, der Nisards größtes Werk belebt, die Histoire de la littérature française (Band i und 2, 1844, Band 3, 1849, Band 4, 1861). Nisards Buch war die erste vollständige Geschichte der französischen Literatur, von einem einheitlichen Geist konzipiert, klar gegliedert und entschlossen ausgeführt. In der Geschichte und in einer freundlichen Darstellung von Saint-Marc Girardin (1849) definierte Nisard seinen eigenen Begriff der Literaturkritik und Literaturgeschichte im Gegensatz zu den beiden anderen Tendenzen der Zeit: der neuen Form einer allgemeinen Geschichte, die den Einfluß der Gesellschaft auf die Autoren und der Autoren auf die Gesellschaft beschreibt, vertreten durch Villemain, und der sich auf biographische Portäts beschränkenden Literaturkritik, die von einem Feingefühl für die Mannigfaltigkeiten des individuellen Lebens inspiriert war (Nisard muß an Sainte-Beuve gedacht haben). Nisard strebt in seinem eigenen Entwurf der Literaturkritik danach, die Werke von der Tyrannei des »jeder nach seinem Geschmack« zu befreien und die Literaturkritik zu einer »exakten Wissenschaft« zu machen.65 Er postuliert ein sich in den Büchern ausdrückendes Ideal des allgemeinen menschlichen Geistes, als zweites ein Ideal des besonderen französischen Genies und als drittes ein Ideal der französischen Sprache, und setzt jeden Autor und jedes Buch in Relation zu diesem dreifachen Ideal. Was ihm entspricht, wird gelobt, was von ihm abweicht, getadelt. Die vollendete Synthese findet sich nur im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Die französische Literatur dieses großen Zeitalters besitzt das richtige Gleichgewicht der menschlichen Fähigkeiten, des Gefühls und der vom Verstand beherrschten Einbildungskraft, während die nordische Literatur individueller, aber auch ortsgebundener und nicht so universal ist. So liegt der gesamten Literaturkritik Nisards der Begriff eines universalen, idealen Menschen zugrunde, der harmonisch, vernünftig und fähig ist, seine Empfindungen und seine Einbildungskraft zu bändigen. Das Ideal der Universalität wird sogar dem Stil und der Sprache aufgezwungen. »Die notwendige Ähnlichkeit der Stile innerhalb der Verschiedenheit der Gegenstände oder des besonderen Genies der großen Schriftsteller macht die Schönheit unserer Literatur aus: es ist die Einheit der Sprache in der Verschiedenheit der Werke. Ich traue es dem erfahrensten Kritiker nicht zu, den Autor einer vollkommen ausgedrückten Idee zu identifizieren (es sei denn, er kennt die Stelle auswendig)«.66 Unsere heutigen Maßstäbe des Charakteristischen, des Individuellen und des Gegenständlichen könnten kaum nachdrücklicher verneint werden. Mit solchen Allgemeinbegriffen im Kopf kann die Geschichte nur als eine Folge von Annäherungen an dieses Ideal und Abweichungen von ihm verstanden werden. Die Wirkung von Nisards Buch entspricht ungefähr der eines Romans ohne Spannung, eines Romans, der aus der Perspektive eines offenkundig Allwissenden geschrieben wurde. Bis hin zur Klassik erscheint alles als Vorstufe und danach alles als Dekadenz. Nisards letzter Band über das 18. Jahrhundert entfaltet das Schema in seiner ganzen Einfachheit. Eine Bilanz der Gewinne und 2»

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Verluste wird gezogen, in der immer das 17. mit dem 18. Jahrhundert zu dessen Nachteil verglichen wird. Das Buch folgt einer Ordnung nach Gattungen und beginnt mit der lyrischen Dichtung. Die Geschichte der »Verluste« in der Poesie wird an der Dürftigkeit von Jean-Baptiste Rousseaus und Voltaires Versen demonstriert; allein Chénier habe die Poesie wieder entdeckt. »Gewinne« können in der Prosa von Montesquieu, Voltaire und Buffon gebucht werden, aber für Rousseau und seinen phantastischen Utopismus bleibt nur Entrüstung.67 Die 120 Seiten, die im 3. Band Bossuet — im Gegensatz zu 30 für La Fontaine oder 50 für Molière — zugemessen sind, zeigen seine Vorliebe : Nisard ist ein militanter Konservativer, der die »Phantasie« als ein niedereres Vermögen, als anarchisches Element verdammt. Die Phantasie reiße die Menge mit sich und hindere sie daran, die ewigen Wahrheiten wahrzunehmen. Damit sei Ronsards Popularität erklärt, selbst Racine gefalle wegen dieser minderwertigen Züge in seinem Werk und der Erfolg des modernen romantischen Dichters beruhe darauf, daß er auf die sinnliche Einbildungskraft wirke. 68 Nisard bemerkt nicht, daß er implizite die ganze Dichtung und Kunst verurteilt, daß seine Maßstäbe in einem weiten Sinne einfach religiös, moralistisch, intellektuell und politisch sind und daß seine urteilende Kritik, die er gegen eine an Schönheit orientierte Kritik verteidigt, in der Praxis die Sphäre der Literatur vollständig verlassen hat. Die Phantasie wirke auflösend, sei hilflos, neuerungssüchtig und revolutionär, und die Kunst stelle eine Gefahr für die Gesellschaft dar. Nisard brachte für seine Zeit den erneuerten Klassizismus, die Begeisterung für das 17. Jahrhundert und die Beständigkeit des französischen Geistes und Geschmacks auf eine einfache Formel — eine Formel, die im Wesentlichen bei Brunetière und sogar bei Lasserre und Irving Babbitt fortlebt. Literarischer Konservativismus und Klassizismus sind bei Nisard, Planche und Saint-Marc Girardin politisch und moralisch motiviert. Alexandre Vinet (1797 bis 1847) schöpft aus tiefen religiösen Quellen. Nisard ist Katholik und Bossuet ist sein Held. Vinet ist ein kalvinistischer Pfarrer aus Lausanne, der zwanzig Jahre als Französischlehrer in Basel lebte und als Professor der Akademie von Lausanne starb. Seine Helden sind Pascal und Port Royal, und er hat genau bestimmte und klar religiöse Maßstäbe. Seine Schriften, hauptsächlich posthum veröffentlichte Vorlesungen, umfassen die ganze französische Literatur seit dem frühen 17. Jahrhundert. Die Vorlesungen haben oft rein beschreibenden Charakter, sind durchsetzt mit langen Zitaten, weitschweifig, im Kanzelton gehalten, im Ton gelegentlich sogar salbungsvoll, und man könnte leicht über ihre altmodische, eifrig bemühte Pädagogik hinweggehen. Selbst das hohe Lob Sainte-Beuves, der Vinet kennengelernt hatte, als er in Lausanne über Port Royal Vorlesungen hielt, oder die kürzlich in der Schweiz unternommenen Versuche, Vinet als einen Moralisten und Theologen, als einen »Protestantischen Pascal« wieder ins Bewußtsein zu bringen, würden nicht ausreichen, ihm einen Platz unter den Literaturkritikern zuzuweisen. Aber sein Werk Etudes sur la littérature française au XIXe siècle (3 Bände, 1848) konfrontiert nicht nur die wichtigsten französischen

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Romantiker (Madame de Stael, Chateaubriand, Lamartine, Hugo, Michelet, Quinet, Sainte-Beuve) mit den Normen eines entschlossen festgehaltenen und tiefempfundenen protestantischen Glaubens, sondern in ihm manifestiert sich auch eine Auffassung von Dichtung als Symbol und Offenbarung, die in der französisch sprechenden Welt dieser Zeit beinahe einzigartig war. Vinet muß während seines Aufenthaltes in Basel etwas vom deutschen Denken gelernt haben, obwohl er selten deutsche Schriftsteller zitiert (Jean Paul, Friedrich Schlegel) und Goethe wegen seiner übertriebenen Objektivität und Distanziertheit kritisiert.69 Er verstand die zentralen Lehren der deutschen idealistischen Ästhetik, was auch immer seine genaue Quelle gewesen sein mag: das konkret vermittelte Allgemeine, die Verkörperung des Allgemeinen im Besonderen, die Materialisierung des Geistigen, die organische Einheit des vollkommenen Kunstwerks. Vinet, der meist als »Spiritualist« bezeichnet wird, wußte, daß in der Literatur die Lehre von der Idee um der Idee willen ebenso falsch war wie die Lehre des l'art pour l'art, daß die Geringschätzung des Besonderen und Konkreten dem Wesen der Kunst widerspricht.70 »Es ist nicht die Bestimmung des Dichters zu wissen, sondern zu sehen. Intuition ist seine besondere Gabe.« Er sieht und erkennt mit der Seele.71 Vinet nimmt die Vorstellung vom wissenden Herzen ernst und verteidigt deshalb Pascal gegen Cousins Beschuldigung des radikalen Skeptizismus.72 Das Herz habe seine Gründe, deshalb sei Dichtung die »unaufhörlich neue und überraschende Wiedergabe des unveränderlichen Geheimnisses,« »die vollständigste und tiefste Offenbarung, die der Mensch erfahren kann« gleich nach der Offenbarrung selbst.73 Die Dichtung sei das Wort, le verbe, der gefallenen Natur, und der Dichter habe die Aufgabe, das Universum zu erneuern und es in seiner ursprünglichen Herrlichkeit wiederherzustellen.74 Aber diese Offenbarrung durch das Herz, diese intuitive Einsicht erreiche die Dichtung nur in der konkreten Welt der Charaktere oder in Bildern und Metaphern. »Im allgemeinen definiert die Dichtung ihre Gegenstände nicht, sie zeigt sie, gibt ihnen Form; was wir von dem Dichter erwarten, ist nicht die Vorstellung eines Gegenstandes, sondern der Gegenstand selbst, konkret, komplex, lebendig.«75 »Die Dichtung«, wiederholt er nachdrücklich, »wird nie durch reine Ideen und Verallgemeinerungen leben. Der Leser wird immer nach einem Individuum suchen, um sich mit ihm zu identifizieren.«76 Daher werde eine Metapher nicht willkürlich erdacht, sondern gefunden »in den Tiefen der Seele. Sie färbt die Sprache nicht von außen, sondern aus dem Innern. Sie ist kein Anstrich, sondern eine Inkarnation.«77 In einem leidenschaftlichen Lobpreis auf Milton spielt Vinet die Variationen dieses Metaphernbegriffs durch, demzufolge sie das Unsichtbare sichtbar, das Abstrakte greifbar macht. »Die Dichtung gibt allem eine konkrete Form«, sie individualisiert und verkörpert Ideen. Ausdrücklich wird die Parallele zur Inkarnation Jesu Christi gezogen.78 Daraus folgt eine Verteidigung des Mythos, ja sogar des klassischen Mythos. »Die Sagen von Orpheus und Amphion sind Wahrheit; sie bringen uns bis zu dem Punkt, an dem sich das Gute und das Schöne, das Reale und das

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Ideale berühren und, wie man sagen könnte, zu dem wahren Grund der Dichtung.«" Vinets Begriff des konkreten Allgemeinen, seine Inkarnationsvorstellung ist eng verkettet mit seiner organischen Auffassung. Inhalt und Form sind eins, und ihre Einheit hängt von der Persönlichkeit ab. Je stärker die Individualität, umso stärker wird die innere Einheit sein. »Alles, was wie von außen zusammengesetzt erscheint, alles, was wie ein Gebäude konstruiert ist, statt wie eine Pflanze zu wachsen, kann keine poetische Wahrheit haben.«80 Allein Vinet hat unter den französischen Literaturkritikern seiner Zeit wenigstens in der Theorie die Trennung von Inhalt und Form, von Lehrdichtung und Formalismus überwunden — eine Trennung, welche die französische Literaturkritik (und nicht nur die französische) das ganze Jahrhundert hindurch quälen sollte. Vinets Verständnis des symbolischen und dialektischen Standpunktes erlaubt es ihm noch, eine erstaunliche Sympathie mit seinen gefühlvollen romantischen Zeitgenossen zu empfinden. Aber er versteht es, sie auf der Grundlage moralischer und religiöser Normen zu kritisieren: Lamartine wegen seines Pantheismus, Madame de Staël wegen ihres verschwommenen Idealismus. Er ist auch fähig, sie ästhetisch zu verurteilen wegen falscher Konkretheit, wie er es bei Hugo oder wegen falscher Verallgemeinerung, wie er es bei Lamartine getan hat. »Lamartine«, so beschließt er witzig seine Besprechung, »erinnert sich immer noch an eine erste Vision, und eines Tages wird er sich daran erinnern, daß er sich erinnerte.«81 Je weiter Vinet in die Vergangenheit geht, umso konventionell klassizistischer und moralistischer wird seine Literaturkritik. Die Vorlesungen über das 18. Jahrhundert polemisieren ununterbrochen gegen die philosophes. Die Vorlesungen über das 17. Jahrundert erschöpfen sich in schwerfälligen Schulmeistereien und moralisierendem Gerede. Nur das Buch über Pascal, Etudes sur Biaise Pascal (1848) hat einigen Wert. Vinet betont eher Pascals Psychologie und Ethik als seine Theologie und Metaphysik. Er versucht, Pascal weniger scharf dualistisch zu sehen als es Cousin tut. Pascal lege sein Wissen um die göttliche Wahrheit dar, ein Wissen durch das Herz, das wirkliches Wissen sei und nicht jener verzweifelte salto mortale von totalem Skeptizismus in Glauben, den Cousin bei Pascal vorfand. Vinets vernünftiges, gefühlsbetontes Christentum beseelt diese Interpretation (über deren richtige und falsche Seiten wir hier nicht zu entscheiden brauchen) wie es sein ganzes Werk beseelt. Sein Verständnis für das Symbolische und Organische bewahrte ihn davor, Dichtung bloß nach ihrem didaktischen Inhalt zu beurteilen. Charles Magnin (1793—1862) zeigt gelegentlich ein ähnliches Verständnis für das symbolische Wesen der Dichtung. Die Mehrzahl seiner Schriften — Les Origines du théâtre moderne (1838), eine Übersetzung der Stücke von Hroswitha (1845) und L'Histoire des marionettes en Europe (1852) — stellen einen wichtigen Beitrag zur Literaturgeschichte dar. Das Fauriel gewidmete Buch über die Ursprünge des Theaters vertritt in gelehrter Weise die These vom dreifachen Ursprung des modernen Theaters. Die Oper, das hohe Drama, das volkstümliche Theater

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haben ihren Ursprung jeweils in dem liturgischen Drama, in den höfischen Schauspielen und im Straßentheater. Diese dauernde Betonung: das Drama sei aus niedrigeren Formen entstanden, es bestehe seit der Antike eine ununterbrochene Kontinuität der dramatischen Kunst und es sei notwendig, diese »dunklen Zeitalter« zu verstehen, wenn man Lope de Vega, Calderón und Shakespeare würdigen wolle — all das bedeutete eine (wenn auch heute überholte) Darstellung der historischen Prinzipien: seiner Suche nach den Ursprüngen, seines Interesses an der Volkskunst, des Dogmas vom ununterbrochenen Zusammenhang. Der Historiker, schließt Magnin, muß »eines der zerbrochenen Bindeglieder der menschlichen Vervollkommnungsfähigkeit wiederherstellen.«82 Aber das ehrgeizige Vorhaben blieb wie im Falle von Ampère und Fauriel Fragment: der veröffentlichte Band ist größtenteils dem Altertum gewidmet, den Ritualen, Mysterien, Zirkusspielen und so weiter als Vorformen der dramatischen Kunst; und die späteren Bücher und verstreuten Aufsätze stellen nur partiell das untergründige Weiterleben dramatischer Kunst während des Mittelalters dar.83 Magnins ansprechende Berichte über die Leistungen der englischen Schauspieler in Paris84 — in denen er die Stücke und die Schauspielkunst von Kemble, Kean, Macready, Miss Smithson und anderen beurteilt und die damals gebräuchlichen Bearbeitungen Shakespeares wegen ihrer Abweichung von Shakespeares Text kritisiert — stellten bedeutende empirische Demonstrationen der Wirkung und des Erfolges der englischen Dramenform dar und ergriffen in der großen Auseinandersetzung Partei für die romantische Seite. Magnin ist auch ein hervorragender Theoretiker, obwohl er seine Ansichten leider nur kurz und gelegentlich formulierte und sie nie zu einer zusammenhängenden Theorie ausarbeitete. Mit Nachdruck proklamiert er das Ende der alten Poetik und die Notwendigkeit einer neuen »Ästhetik«, die sich mit dem »poetischen Zustand« befasse. Ebenso klar lehnt er die Theorie der Nachahmung ab und erklärt die »Phantasie« zur zentralen dichterischen Fähigkeit, die Bild und Musik verschmelze. Er weist auch die üblichen Gattungstheorien einschließlich Hugos starrem Evolutionsschema zurück und geht davon aus, daß die Gattungen in älteren Zeiten vermischt waren und sich gegenseitig durchdrangen.85 Während er die Unterschiede von Erzählung, Lied und Dialog anerkennt, ist er nicht bereit, die Gattungen festzulegen nach »künstlichen Unterschieden in der Form, sondern gemäß der Natur der inneren Saiten, die jede von ihnen im Kopf des Dichters und in der Seele der Zuhörer zum Schwingen bringt.«86 Es ist das Ziel des Dichters, »die großen Zeichen zu entziffern, die der Finger des Ewigen allen Dingen aufgeprägt hat, und in poetische Schwingungen jene geheime Musik zu übersetzen, die die Welt aus dem Innersten aller ihrer Elemente und aller Geschöpfe ausströmt.«87 »Die Dichtung, die als halbwissenschaftlich oder vielleicht besser vorwissenschaftlich charakterisiert werden könnte, ruft im Glanz ihrer Symbole und im Aufleuchten ihrer Metaphern eine Vielzahl antizipierter Wahrheiten herauf, für die die Wissenschaft später den Beweis finden wird.« Das ist so, weil »jeder wirklich poetische Ausdruck eine neu ent-

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deckte Verbindung zwischen der physischen und der moralischen Welt offenbart.«88 Der Dichter könne sich mit der Alltagssprache nicht zufrieden geben, weil er das Unaussprechliche auszudrücken suche, das Unbestimmbare in der Seele des Menschen, und »in jedem Augenblick einen Ausblick in das Unendliche öffnen sollte.« Daher sind die Dichter die Schöpfer der Sprache, sie schaffen und widerrufen sie unaufhörlich.89 Es überrascht, daß Magnin zu seiner Zeit und an seinem Ort sogar Dunkelheit, Extravaganz, das Phantastische — beispielhaft dafür Hoffmanns Kreisler — und den Zauber der Distanz rechtfertigt. Wie Diderot und Wordsworth schließt er die gewaltigen Affekte aus der Dichtung aus: es muß die Erinnerung an ein Gefühl, nicht dieses selbst sein. Ausdruck der Affekte ist Beredsamkeit, aber keine Dichtung. Die Dichtung »spiegelt nicht nur die Bilder und Empfindungen wider, die sie empfängt: sie stellt die Verbindungen her, die sie zwischen zwei Bildern oder zwei Ideen entdeckt, und gewinnt aus ihnen ein drittes Bild oder eine dritte Idee, den Ausdruck jener Verbindung, die ihr eigenes besonderes Werk ist. In diesem Sinne ist Dichtung schöpferisch.«90 Mit dieser hohen Auffasung von Dichtung als Produkt schöpferischer Einbildungskraft, als Deutung des verworrenen Gewebes des Universums, als Antizipation, hält Magnin nichtsdestoweniger an einem unerschütterlichen Skeptizismus gegenüber der gesellschaftlichen Funktion der Dichtung fest und verwirft Hugos hochtrabende Anmaßungen. »Folgt daraus, daß die soziale und religiöse Initiative heutzutage Sache der Dichter sein sollte und daß sie metaphysische und gesellschaftliche Probleme unmittelbar anzugreifen hätten?« Es ist Magnin nicht möglich einzusehen, wie ein Dichter soziale Wahrheit aufdecken kann. Es ist »mehr Erfindungsgabe, Schöpferkraft und wirkliche Originalität« in einigen von Hugos Gedichten, die »mit der Eingebung des Herzens und der Einbildungskraft« geschrieben sind als »in den vagen Allgemeinplätzen über die Zukunft, mit denen sich der Dichter sehr häufig verpflichtet sah, die Leere seines Denkens zu verbergen.«91 Gerade das Maßvolle von Magnins Forderungen sowie die Nachlässigkeit, mit der er sie vertrat, verdunkelten seine Position, welche die Erkenntnisse der symbolischen Poetik erfolgreich mit dem neuen Historismus verknüpfte. Magnin und viele andere schreckten davor zurück, den Dichter zum inspirierten Propheten und sozialen Führer zu erheben. Der Dichter geriet durch diese Erhöhung in eine seltsame Lage, in die er, überraschend genug, durch die frühen Formen des Sozialismus getrieben wurde, der am meisten rationalistisch utilitaristischen, didaktischen Bewegung der Zeit. In den Schriften Saint-Simons (1760—1825) spielt die Literatur immer noch eine sehr geringfügige Rolle. Aber Saint-Simon führte ein von seiner Bewegung sich herleitendes Merkmal der Literaturtheorie ein: die scharfe Unterscheidung zwischen Verstand und Gefühl, zwischen dem Philosophen und dem Wissenschaftler einerseits und den Künstlern, Dichtern und Malern andererseits, deren Aufgabe es nach Comtes Worten ist,

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»passionner les masses«.92 Saint-Simons eigene Auffassung ist rationalistisch, aber seine Schüler konnten sich der Ansteckung durch die romantische Atmosphäre nicht entziehen und erklärten sich selbst als Begründer einer neuen Religion. Gerade vor der Juli-Revolution appellierte Emile Barrault, ein unbedeutender Saint-Simonist, an die Künstler, sich der Bewegung anzuschließen, und versprach ihnen eine führende Rolle in der neuen Gesellschaft. »Allein der Künstler ist kraft der Sympathie, mit der er Gott und die Gesellschaft umfaßt, würdig, der Menschheit den Weg zu zeigen.«93 Der poeta vates kehrt in neuer Verkleidung zurück. Aber die wirklichen Führer der Saint-Simonistischen Bewegung dachten an die Dichter nur als an Diener ihres Glaubens. Enfantin erklärte als Vater dieser Kirche den Künstler zum »Wort des Priesters« — wobei er sich selbst als den Priester verstand.94 Kein Wunder, daß Dichter und Schriftsteller, die zuerst von der Bewegung mitgerissen worden waren, sich bald enttäuscht von ihr abwandten. Beinahe das gleiche gilt für den utopischen Sozialismus von Charles Fourier (1772—1837). Er und seine Anhänger hielten gleichfalls den Dichter für einen wertvollen potenziellen Verbündeten, doch klarer als die Saint-Simonisten forderten die Fourieristen eine volkstümliche, demokratische Kunst. Trotz der mystischen und sentimentalen Träume Fouriers selbst standen sie in den vierziger Jahren in enger Verbindung mit dem entstehenden Realismus. Der eine wirkliche Literaturkritiker unter den wichtigeren utopischen Sozialisten, Pierre Leroux (1797—1871), hielt enge Kontakte mit den romantischen Gruppen und formulierte eine Theorie, die die Forderung nach sozialer Kunst mit einem Symbolismus verband, der nicht weit von dem Magnins oder Vinets entfernt war. Leroux bewunderte Jean Paul und war mit Creuzers Arbeit über den Symbolismus etwas vertraut. In dem Aufsatz »Du style symbolique« (1829) erkennt er, daß die moderne Dichtung dauernd Bilder an die Stelle von abstrakten Begriffen setzt, »verschwommene und unbestimmte Ausdrücke an die Stelle von treffenden Bezeichnungen, Metaphern und Allegorien an die eines begrifflichen Vergleiches.« »In Symbolen zu sprechen, zu allegorisieren«, erscheint ihm »was den Stil betrifft als die große Neuerung der letzten fünfzig Jahre.«« Symbol bedeutet hier natürlich wenig mehr als jede Art von Tropen, Bildern oder stellvertretenden Ausdrücken. Aber das symbolische Prinzip wird in einer Reihe von bemerkenswerten Aufsätzen in der Revue encyclopédique (1831) sehr viel genauer bestimmt. Das Symbol sei insofern das außerordentliche Prinzip der Kunst, als der Künstler sein inneres Leben nur in dem verkörpern könne, was schon in der Natur existiere. Auf der einen Seite gebe es die abstrakte Sprache, die Eloquenz oder gar Erhabenheit nicht ausschließe, und andererseits die Dichtung, die Sprache der Symbole, ein System von Entsprechungen, ein Geflecht von »Schwingungen«: Die Dichtung ist jener geheimnisvolle Flügel, der sich ohne Einschränkung in die Welt der Seele emporschwingt, in jene unendliche Sphäre, deren einer Teil Farbe ist, ein zweiter Klang, ein dritter B e -

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wegung, ein vierter Urteilskraft usw., doch schwingen alle gleichzeitig nach bestimmten Gesetzen, so daß sich die Schwingung in einem Bereich auf einen anderen überträgt, und es ist das Privileg der Kunst, diese Verbindungen wahrzunehmen und auszudrücken, die tief in der vollkommenen Einheit des Lebens verborgen sind. Denn aus diesen harmonischen Schwingungen der verschiedenen seelischen Bereiche ergibt sich ein Akkord, und dieser Akkord ist das Leben; und wenn dieser Akkord dargestellt wird, so ist das Kunst; folglich ist das Symbol der Ausdruck dieses Akkords, und die Form seines Ausdrucks ist der Rhythmus, der selbst symbolische Eigenschaften hat; darum ist die Kunst der Ausdruck des Lebens, der Widerhall des Lebens und das Leben selbst.96 An anderer Stelle erkennt Leroux, daß in seinem Sinne »Metapher, Symbol und Mythos nur verschiedene Grade der Allegorie sind,«97 und sieht im Symbol »eine zwischen Vergleich und Allegorie im engeren Sinne vermittelnde Form, lebendiger als der Vergleich und nicht so dunkel wie die Allegorie. Es ist ein wirkliches Sinnbild, die Metapher einer Idee.«98 Der Begriff »Symbol« verschiebt sich ziemlich verwirrend von einer rhetorischen Kategorie zum Element einer mystischen Naturauffassung. Die ganze Theorie ist also von einem glühenden Glauben daran beseelt, daß die Kunst nicht nur das Leben im Dichter symbolisieren, sondern neues Leben hervorrufen und das künftige Geschick der Menschheit antizipieren muß. Doch Leroux akzeptiert in diesen Aufsätzen wie auch in der Einleitung zu einer Übersetzung des Werther (1845) die Auffassung, daß der Dichter nicht anders könne als seine Gesellschaft getreu widerspiegeln. Während er den Dichter tadelt, wenn dieser nicht weiß, in welcher Richtung die Menschheit sich entwickelt (das heißt, weil dieser kein Anhänger seines Glaubens ist), liefert er gleichzeitig eine Rechtfertigung des romantischen Pessimismus, der zeitgenössischen Dichtung ä la Byron. Lamartine und Hugo, so behauptet er, seien keine wirklichen Christen: sie schwanken unentschlossen zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, ohne daß sie irgendeine andere soziale Religion hätten als den Kult der Kunst. Dennoch drücken sie den wirklichen Zustand der Menschheit aus, »die dunklen und unergründlichen Tiefen des menschlichen Herzens in unserem Zeitalter.«99 Den Einwand, es gebe konservative oder optimistische Schriftsteller wie Scott, J. F. Cooper und Beranger beseitigt er durch den Hinweis auf die andere Gesellschaft, der sie angehören oder ihr besonderes Temperament. Die Literatur unseres Zeitalters sei »das Symbol des Chaos, in dem wir umhertaumeln und aus dem eine Welt entstehen wird.« Den Werther interpretiert Leroux nicht nach der seiner Meinung nach trivialen biographischen Art von Goethes eigener Darstellung in Dichtung und Wahrheit, sondern als einen Konflikt zwischen Goethes angestammtem deutschen Protestantismus und dem neuen französischen Atheismus. Werther

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sei für Natur, reine Liebe und menschliche Gleichheit empfänglich, aber ihm fehle die lebendige Empfindung für die Geschichte der Menschheit. Natur, Menschlichkeit, Familiensinn werden im Werther zwar stark, aber jeweils isoliert nachempfunden. Leroux verlangt, daß der Dichter uns zeige, daß »das Heil des individuellen Geschicks eng mit dem des allgemeinen verknüpft ist.«100 Eine scharfsinnige Analyse des mal du siècle geht Hand in Hand mit einer symbolistischen Dichtungstheorie und einem Verständnis des Dichters als eines Propheten und Vertreters der neuen zukünftigen Gesellschaft. Ein Literaturkritiker der Zeit konnte daher behaupten, daß »die symbolische Dichtung in Frankreich keine Zukunft hat und der Sozialismus ihr einen harten Schlag versetzt hat, als er sich ihrer bemächtigte.«101 Sainte-Beuve, der eine Zeitlang Leroux' Ansichten geteilt hatte, wandte sich gegen seine prophetischen Anmaßungen und klagte, Leroux sei ein Scharlatan geworden, als er »ein Gott und ein Seher« wurde. 102 Der soziale Enthusiasmus der Zeit — die Theorie der Lehrdichtung alter Schule, die von der Literatur Belehrung durch Vergnügen forderte, die vielen offiziellen und inoffiziellen Angriffe auf die Zensur und die staatliche Kontrolle der Literatur seit der Revolution 103 und die neue liberale oder sozialistische Forderung nach einer Kunst im Dienste des Fortschritts und der Utopie — all das rief eine Reaktion hervor, die üblicherweise als l'art pour l'art-Bewegung bezeichnet wird. Ihr Wortführer war Théophile Gautier (1811—72) und ihre Hauptschrift das Vorwort zu seinem Roman Mademoiselle de Maupin (1834). Man kann jedoch nicht von einer l'art pour l'art-Bewegung im strengen Sinne sprechen: es existierte nur eine Bohème, die ihre Trennung von der bürgerlichen Gesellschaft der Zeit höchst bitter spürte. Man kann Gautiers Manifest kaum ernst nehmen. Es ist eine Schmähschrift gegen Kritiker und Journalisten als unfähige, neidische Narren, die Autor und Werk verwechseln, einen Mann einen Säufer nennen, weil er eine Orgie beschreibe, oder einen Wüstling, weil er von Ausschweifungen erzähle. Die Literatur und die Künste haben keinen Einfluß auf die Gesellschaft: das Schöne sei gänzlich nutzlos. »Welchen Zweck hat die Schönheit der Frau?« verhöhnt Gautier die Utilitaristen. »Vorausgesetzt, daß sie fähig ist, einen Mann zu empfangen und Kinder zur Welt zu bringen, ist sie immer gut genug für den sparsamen Wirtschafter. Welchen Zweck hat die Musik? Oder die Malerei?« »Nichts wahrhaft Schönes dient einem Zweck : alles Nützliche ist häßlich.« Der nützlichste Teil eines Hauses sei der Abtritt. Gautier zieht einen nutzlosen mit Drachen und Mandarinen bemalten chinesischen Krug seinem Nachttopf vor. Er würde freudig »auf seine Rechte als Franzose und Bürger verzichten, um ein authentisches Bild von Raphael oder eine schöne nackte Frau zu sehen.« Lieber würde er zerrissene Schuhe tragen als schlecht gereimte Verse schreiben und lieber ohne Stiefel auskommen als ohne Gedichte. Gautier verlacht auch die Utopisten, Fourier und den törichten Fortschrittsglauben. Der Fortschritt habe nichts für den Menschen Wichtiges gebracht. »Hat irgendjemand eine einzige neue Todsünde erfunden?«104

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Gautier streckt in seinem Vorwort den Spießern die Zunge heraus, aber er formuliert keine Theorie, die über das Postulat von der Unabhängigkeit des Schönen hinausginge. Diese Idee als solche war natürlich alles andere als neu. Gewöhnlich führt man sie auf die Deutschen zurück, auf Kant und Schiller, die die Autonomie der Kunst erklärten. Die Formel: »Kunst um der Kunst willen und ohne Zweck« kann man in Benjamin Constants Tagebuch im Jahre 1804 finden, wo er ein in Weimar geführtes Gespräch mit Henry Crabb Robinson wiedergibt, der ihm von Kants Ästhetik berichtete.105 Aber die Deutschen ließen es sich natürlich nicht im Traume einfallen, die gesellschaftlichen und metaphysischen Ansprüche der Kunst aufzugeben; die Autonomie der Kunst hatte bei ihnen nichts mit der »Nutzlosigkeit« zu tun, mit der Gautier prahlte. Zweifellos hatte Gautier ganz allgemein von diesen ästhetischen Theorien gehört, da sie ja in Frankreich in unterschiedlichen Versionen von Victor Cousin (1792—1867) und Théodore JoufFroy (1796—1842) verbreitet wurden. In einer Vorlesungsreihe, die zuerst 1818 gehalten wurde (veröfFentlicht erst 1836), sprach Cousin offensicht von der Notwendigkeit der »Religion um der Religion willen, der Moral um der Moral willen und der Kunst um der Kunst willen.«106 In seinem Ästhetikkurs, den JoufFroy 1828 (veröfFentlicht erst 1843) privat vor einer kleinen Gruppe hielt, der auch Sainte-Beuve angehörte, widmete er eine ganze Stunde der Unterscheidung zwischen dem Schönen und dem Nützlichen.107 Cousins Ästhetik ist eine platonische Verherrlichung der klaren, idealen Schönheit. In Du Vrai, du Beau et du Bien (1836) — einer revidierten Ausgabe seiner an der Sorbonne gehaltenen Vorlesungen — tritt er für die schließliche Einheit der alten Triade ein. Ideale Schönheit sei Wahrheit »in sinnlicher Gestalt«, sie sei eine Schönheit, durchdrungen von einer Idee oder der höchsten Form von Anschaulichkeit.10« Jouffroys Ästhetik bedeutet eine Weiterentwicklung der englischen Ästhetik des 18. Jahrhunderts, die das Schöne für eine sympathetische Wirkung hält, für die Wirkung eines Prozesses, in dessen Verlauf die durch Zeichen oder Symbole vermittelten Ideen Verbindungen eingehen. Nichts könnte von Gautiers Auffassung der sinnlichen, körperlichen und sogar sexuellen Schönheit weiter entfernt sein als Cousins abstraktes Ideal, das auf Plato und Winckelmann zurückgeht, oder das menschenfreundliche Gefühl Jouffroys, das von der schottischen common sense-Schule herkommt. Vielmehr behauptet Gautier die Autonomie der Kunst, weil er das ästhetische Äußere, die Farbe, die äußere Erscheinungsform von Bildern und Gemälden liebt, sogar bis zur Verwechselung von sexuellem Reiz oder bloßem Luxus mit ästhetischem Vergnügen. Er selbst erkennt: »die Begierde der Augen, concupiscentia oculorum ist meine Sünde.«109 »Die Kunst ist Freiheit, Luxus, Ubermaß — sie ist das Aufblühen der Seele in Untätigkeit«, sagte Gautier 1832 und meinte mit der Seele eher die Sinne oder bestenfalls die Sensibilität des Künstlers.110 Er verteidigt folgerichtig den Vorrang der Form und empfindet deutlich deren Schwierigkeiten: was sie Arbeit und Kunstfertigkeit kostet. Kunst heißt »ausgesuchte Sorgfalt in der Ausführung; das Wort Poet bedeutet wörtlich Macher; alles was nicht gut ge-

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macht ist, existiert nicht.« Für Gautier, der selbst Maler werden wollte, ist die Sprache das Medium, das der Künstler beherrschen muß: »Der Vers ist ein funkelnder, harter Stoff wie Marmor aus Carrara.« 111 In vielen seiner Gedichte versuchte er, Bilder zu beschwören und in Worten den Farben des Malers nachzueifern. Auf dieser Vertauschung der Künste beruht auch die bekannteste Methode seiner Literaturkritik. Gautiers Kritiken sind voller metaphorischer Charakterisierungen mit Hilfe bildlicher Vergleiche. Lamb und Hazlitt nahmen diese Methode vorweg, aber erst bei Gautier wird sie zur vollendeten Manier und zum virtuosen Spiel. So beschreibt er zum Beispiel Chapelains episches Gedicht La Pucelle als »steinern«. »Auch die Luft ist aus Stein... die kleinen Bäche, die von den Felsen niederfallen, haben eher das Aussehen von Stalaktiten als von weichem und durchlässigem Wasser, und das Laub der Bäume scheint aus weißem Eisen zu bestehen« und so geht das eine ganze Seite lang weiter, dauernd die elementare Wahrnehmung variierend, La Pucelle sei öde, leblos und gleiche folglich einer steinernen Welt. 11 ^ Das ist keineswegs »impressionistische Literaturkritik« in dem Sinne, daß sie persönlich oder subjektiv wäre. Es ist bildliche Phantasiererei anläßlich eines literarischen Werkes. Aber es wäre ungerecht, Gautier nicht auch als einen Kritiker mit einem bestimmten Geschmack anzuerkennen, der dazu beitrug, die Geschichte der französischen Dichtung auf neue Weise zu interpretieren. Sein wichtigstes Buch ist Les Grotesques (1844), eine Reihe ungleicher Essays über französische Dichter, angefangen mit Villon über Theophile de Viau, Saint-Amant, Cyrano de Bergerac und Georges Scudery bis hin zu Scarron. Der erste Essay über Villon erscheint heute lau und unzulänglich. Aber Gautier entwirft eben eine antiklassizistische Geschichte der französischen Dichtung und zeigt ein wirkliches Verständnis für das, was wir schließlich Barock genannt haben. Der Begriff »grotesque« stammt aus Hugos Vorwort zu Cromwell, aber hier bedeutet er wenig mehr als etwas Regelwidriges, Bizarres, Wucherndes — das gleiche wie »arabesque« oder das Phantastische. Der Begriff wird weder klar festgehalten noch konsequent verfochten. Aber die Feindseligkeit gegen das allgemein akzeptierte Dogma des französischen Klassizismus wird deutlich. Gautier ist einer von denen, die Malherbes Einfluß bedauern. Malherbe ist für ihn der kleinste poetische Geist, den es jemals gab. Er habe die »Schule der verseschmiedenden Grammatiker« gegründet, die von Boileau weitergeführt wurde, »einem rechtschaffenen, aber beschränkten Geist, einem leidenschaftlichen und ungebildeten Kritiker«. Z u jener Zeit hätten die Franzosen ihren beklagenswerten Geschmack für die Dichtung erworben, von der sie »gläserne Klarheit, die Durchsichtigkeit gefilterten Wassers, geometrische Regelmäßigkeit« und die bloße Fabel und den Stoff verlangten. Für Gautier gehören selbstverständlich Metaphern, Figuren und die heftige Gemütsbewegung zur Dichtung. Er findet sie bei Theophile de Viau, einem »wirklich großen Dichter, mit dem die romantische Bewegung beginnt«, und bei Saint-Amant, dem, groß und einzigartig wie er ist, »die Erhabenheit und Melancholie Theophiles fehlen«. 111

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Gautier ist dann imstande, seine anderen »grotesques« wie Kuriositäten zu behandeln. Cyrano und Scarron seien komische Ungeheuer gewesen, die gegen ihre Zeit kämpften, Chapelain und Scudéry Monumente majestätischer Stumpfsinnigkeit. Gautiers andere Schriften zeigen, wie seine Geschichte der französischen Dichtung weitergegangen wäre. Im Alter schrieb er die unvollendete Histoire du romantisme (1872), eine Folge von Erinnerungen, die unter anderen Dingen stolz der roten Weste gedenken, die er bei der Premiere von Hernani trug. Die romantische Dichtung, behauptet er, habe von neuem mit Chénier begonnen, Chateaubriand sei ihr Vater, Hugo der große Meister gewesen. Sehnsüchtig beschwört Gautier die Gestalten der mit ihm befreundeten Bohémiens Petrus Borel, Philothée O'Neddy und Gérard de Nerval. 1 1 4 Während seines ganzen Schriftsteller daseins ermutigte er die Jungen, die Parnassiens. Banvilles und Leconte de Lisles bildhafte Kunst und ihre Wertschätzung des Handwerklichen ließen verwandte Saiten in ihm aufklingen, obwohl er ihre Objektivität nicht teilen konnte und ihre impassibilité niemals selbst empfand. Von seinen jungen Bewunderern zeichnete Gautier besonders Baudelaire aus, dem er einen Essay (1862), einen Abschnitt in seinem Uberblick »Les Progrès de la poésie française depuis 1830« (1868) und eines der Portraits et souvenirs (1875) widmete. Der erste Essay verteidigt die »Dekadenz«, die für Gautier »vollständige Reife, höchste Kultur, die Krönung aller Dinge bedeutet«. Unnötig zu betonen, daß Gautier Baudelaires Partei gegen die didaktische Irrlehre ergreift. Baudelaires Werk dürfe nicht als Argument gegen seinen Autor benutzt werden: dieser sei völlig harmlos und jedes seiner Gedichte gebe etwas Wesenhaftes wieder. Er habe, wie Hugo formulierte, »ein neues Schaudern erzeugt«.115 In seinem Essay über den »Fortschritt«, der häufig höchst unbedeutende Dichter allzu großmütig behandelt, verfährt Gautier mit Baudelaire ein wenig so, wie Sainte-Beuve mit ihm verfahren war — wie mit einem sonderbaren Mann »an der äußersten Grenze der Romantik«, einem Dichter, dem »Offenheit und Aufrichtigkeit« fehlen. Gautier charakterisiert Baudelaire, indem er ausführlich die Beschreibung des Gartens der giftigen Blumen aus Hawthornes Erzählung »Rappacini's Daughter« zitiert. Aber er erkennt, daß Baudelaire die Laster nicht gutheißt, »die Verderbtheiten, Monstrositäten, die er so kaltblütig wie ein Maler in einem anatomischen Museum vorführt. Er lehnt sie als Verstoß gegen den Weltrhythmus ab, denn trotz dieser Exzentrizitäten liebt er den geordneten Zustand und die Regel. Er zeigt kein Mitleid für die anderen, aber er beurteilt sich selber nicht weniger streng.«116 Dies ist auch das Thema des späteren, weit wohlwollenderen Porträts. Baudelaire sei maniriert, aber »auf natürliche Weise maniriert«, dekadent oder byzantinisch. Er glaube an die Verwandlung alles Natürlichen in Kunst: er verkläre selbst den häßlichsten Gegenstand durch bloße Willenskraft. Obwohl Gautier von Baudelaires System der Korrespondenzen weiß und seine religiösen Neigungen ahnt, 117 sieht er schließlich in ihm einen Schüler, der weit gegangen

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ist in der Verehrung von seltsamer und strenger Schönheit — ein wenig zu weit für Gautiers Geschmack. Gautier war der Gönner Baudelaires und Baudelaire ehrte Gautier — in dieser Beziehung scheinen Anfang und Ende des Jahrhunderts verknüpft zu sein. Dennoch bleibt der tiefe Unterschied zwischen den beiden Männern bestehen: der sinnliche, mitteilsame, joviale Gautier weiß nichts von der tragischen Tiefe, der verzweifelnden Intensität des Jüngeren. Gautier repräsentiert wohl — trotz seiner scheinbaren Isolation — die erste Hälfte des Jahrhunderts: die hitzige Expansion von Geschichte und Ästhtetik, das Vertrauen in die Bedeutung der Literatur und der Humanität trotz der oberflächlichen zeitgenössischen romantischen Melancholie. Sainte-Beuve, der alle Hauptmotive seiner Vorgänger aufnimmt und in sich vereint, der es ihnen gleichzumachen sucht und alle Stufen selber durchmacht, gehört nach Geist und Temperament zum späteren, härteren und nüchterneren Zeitalter.

KAPITEL 2

S A I N T E - B E U V E (1804—1869)

Charles Augustin Sainte-Beuve tat mehr als irgend ein anderer Literaturkritiker dafür, den Vorrang der französischen Literaturkritik wiederherzustellen.. Er wurde der Literaturkritiker, der Lehrmeister nicht nur für Frankreich, sondern für ganz Europa und ganz Amerika. Sein Werk besitzt den ungeheuren Umfang von etwa sechzig Bänden Literaturkritik im weiten Sinne des Begriffs. Die Lesbarkeit und bezaubernde Leichtigkeit seiner Schriften, die gebieterische Sprache seiner Äußerungen, die eindrucksvolle Gelehrsamkeit und die beträchtlichen Kenntnisse, die er vermittelt, sein kerngesunder Verstand, das richtige Gefühl und der gute Geschmack, eine gewisse Ausgewogenheit, Mißtrauen gegen das Exzentrische und Extravagante — alle diese Qualitäten haben Sainte-Beuve zu einer beherrschenden Figur in der europäischen Geistesgeschichte gemacht. Gerade wegen dieser Überlegenheit überrascht es nicht, daß vor allem in den letzten dreißig Jahren eine Umwertung eingesetzt hat. In zunehmendem Maße betont man die Grenzen von Sainte-Beuves Geschmack: in einem Zeitalter, das Stendhal, Balzac und Baudelaire als die größten Gestalten im Frankreich des 19. Jahrhunderts gepriesen hat, scheint Sainte-Beuves neidisches, feindliches und gönnerhaftes Verhalten ihnen gegenüber ein wichtiger Prüfstein zu sein, an dem er scheiterte. Man wendet gegen ihn ein, er habe seine Zeitgenossen und Anhänger nicht angemessen klassifiziert, Mittelmäßigkeiten und kurzlebige Erfolge überschätzt und er sei vielem gegenüber blind oder fast blind gewesen, was sich in der Zukunft als fruchtbar erweisen sollte. Selbst in seiner Beurteilung einer entfernteren Vergangenheit habe Sainte-Beuve die engen Grenzen seines Geschmacks gezeigt: seine Vorliebe für das Mittelmäßige, das Sichere und das Harmlose, seine Abneigung gegen das Barocke und Groteske, seine Furcht vor dem Großen und Erhabenen. Der Angriff gegen ihn hat auch einen moralischen Beiklang. Der Eindruck von klugem Gleichmut und Urbanität, hören wir, sei trügerisch. Seine Mißgunst oder gar seine ausgesprochene Bosheit werde in den unter dem Titel Mes Poisons (1926) veröffentlichten Notizbüchern eindeutig erkennbar.Während Sainte-Beuve

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seinen bitteren Haß und kleinlichen Groll genährt habe, habe er seinem Mittelklassenpublikum geschmeichelt und seine Meinung über Menschen und Bücher wie eine Wetterfahne nach den Winden der Mode gerichtet. In erster Linie sei er überhaupt kein Literaturkritiker gewesen, vielmehr habe sein Interesse hauptsächlich der Biographie, der Psychologie des Autors und der Sozialgeschichte gegolten. Dauernd habe er Leben und Kunst, den Mann und das Werk verwechselt. In drei beißend formulierten Essays, die erst 1954 veröffentlicht wurden, erhob Proust den Vorwurf, Sainte-Beuve verstehe nicht die »einzigartig geschlossene, mit dem Außen unverbundene Welt, die die Seele des Dichters ist«, er sehe nicht »den Abgrund, der den Schriftsteller von dem Weltmann trennt«, und er wisse nicht, daß »das Ich des Schriftstellers nur in seinen Büchern erscheint«.! Überdies ist durch das zunehmende theoretische und analytische Bemühen des 20. Jahrhunderts augenfällig geworden, daß sich Sainte-Beuve weniger mit literarischer Theorie und Textanalyse befaßt, daß seine Theorie, soweit eine solche ausfindig gemacht werden kann, äußerst schwer nachvollziehbar und oft widersprüchlich ist und daß seine Analysen von Texten nachlässig und flüchtig sind. Ein Bewunderer Sainte-Beuves, Logan Persall Smith, hat ihn beifällig als »einen Feind aller Systeme« beschrieben. »Seinen scharfsinnigen, reizbaren und boshaften Geist mit so etwas grobem wie einer Forderung nach Theorie zu konfrontieren, schiene beinahe so, als wolle man ihm Gewalt antun.«2 Aber diese Gewalt ist ihm schon vorher angetan worden und auch wir werden unserem Vorhaben gemäß nicht anders können. Ist es wirklich richtig, daß Sainte-Beuve keine Theorie hat, kein System von Fragen und Voraussetzungen? In einem späten Aufsatz über Chateaubriand (1862) protestiert Sainte-Beuve gegen die Beschuldigung, er habe keine Theorie, gehe rein historisch und gänzlich individuell vor und sei der skeptischste und unentschlossenste aller Kritiker. Er formuliert hier eine Theorie von psychologischen Menschentypen, die er »Familien des Geistes« nennt. Überzeugt von der engen Verbindung zwischen Werk und Person, von der Wahrheit des Sprichworts »wie der Baum, so die Frucht«, folgert er, daß die Beschäftigung mit Literatur zu einer Charaktertypologie führt.3 Diese Typologie wird als einfach gegeben vorausgesetzt: es gebe angeborene Antagonismen zwischen Menschen, »rassenspezifische Abneigungen«. »Wie wollen Sie Boileau verpflichten, Gefallen an Quinault zu finden oder Fontenelle zwingen, Boileau hoch zu schätzen? Oder Joseph de Maistre oder Montalembert, Voltaire zu lieben?«4 Sainte-Beuve begreift diese Familien des Geistes als Gruppierungen mit einer gewissen geistigen Affinität und sogar mit historischer Kontinuität. Vergil werde von Menander, Tibull, Terenz und Fenelon umgeben; Horaz präsidiere einer Gruppe von Dichtern des bürgerlichen Lebens und »denjenigen, die in Versen zu sprechen wissen«: Pope, Boileau, La Fontaine, Voltaire.5 Sainte-Beuve erwartet für die Zukunft einige große Fortschritte auf diesem Gebiet. Bisher hätten die Kritiker einfache Monographien geschrieben und detaillierte Beobachtungen zusammengetragen: 3

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er aber »kann Verbindungen und Zusammenhänge erkennen; und ein umfassenderer, glänzenderer subtilerer Geist könnte eines Tages die großen natürlichen Gliederungen aufdecken, die den Familien des Geistes entsprechen.«6 SainteBeuve scheint sich die seit seiner Zeit in Frankreich von Le Senne und anderen entwickelte Charakterologie vorzustellen oder die Typen der Weltanschauung, die von Dilthey, Jaspers, Spranger und sogar Jung bestimmt wurde, als ein vages Ideal der Zukunft, dem die literarische Forschung empirisches Beweismaterial verschaffen würde. Aber Sainte-Beuve wird die Literaturkritik kaum als bloßen Lieferanten von Dokumenten für das Studium psychologischer Typen betrachtet haben. Obwohl er diesen Gedanken schon früh als leitendes Prinzip für sein Werk Port Royal festhielt, um dessen Porträt-Gallerie von Mönchen und Nonnen zusammenzustellen,7 räumte er der Typologie nur unter dem Einfluß des systematischen Naturalismus der sechziger Jahre einen hervorragenden Platz ein. Damals befand sich Sainte-Beuve in der Defensive und versuchte diesen jüngeren Männern zu zeigen, daß er ihnen nicht feindlich gegenüberstand, obwohl er sich ihre Doktrinen nicht vorbehaltlos zu eigen machen konnte. In der Besprechung eines ziemlich wertlosen Buches von Emile Deschanel, Essai de critique naturelle (1864), akzeptiert Sainte-Beuve die »natürliche« oder »physiologische« Literaturkritik als eine neue Bewegung, die die frühere Geschmackskritik und die historische Kritik ergänzen werde. Doch er betont nachdrücklich einen Vorbehalt. »Es wird immer einen bestimmten unerklärten, unerklärbaren Teil geben, der das individuelle Talent des Genies ausmacht,... es gibt immer einen Ursprungsort für diese unbekannte treibende Kraft, das Zentrum und den Brennpunkt der höheren Inspiration oder des Willens, die unsagbare Monade.«8 In seiner höchst beifälligen Besprechung von Taines Histoire de la littérature anglaise wendet Sainte-Beuve ein, daß der »Funke des Genies«, »das für einen Dichter Wesentliche« von Taines Analyse nicht erfaßt werden könne. »Es gibt nur eine einzige Seele, eine besondere Form des Geistes, die imstande ist, dieses oder jenes Meisterwerk zu schaffen«, und »es wird immer ein letzter Rest bleiben, gleichsam eine letzte unüberwindliche Zitadelle«. Der Dichter sei nichts Einfaches, nicht die Summe zweier Kräfte oder eine einfach einstellbare Linse. Er habe seinen eigenen Spiegel, seine »individuelle, einzigartige Monade«.9 Die Rechtfertigung der Individualität mittels des Leibnizschen Begriffes zieht sich durch diese Aufsätze hindurch. Sainte-Beuve weigert sich, vor einem positivistischen Determinismus zu kapitulieren, wenn er auch von ihm beeindruckt ist, merkt, daß er sich selbst in dieser Richtung bewegt hat, und ahnt dunkel dessen große Zukunft voraus. Diese späten, in einer veränderten geistigen Atmosphäre geschriebenen Äußerungen umreißen jedoch nicht diejenigen Theorien Sainte-Beuves, die tatsächlich in seine Praxis als Kritiker eingegangen sind. Sainte-Beuve ist kein Naturalist der neuen Art. Er sollte eher als der größte Repräsentant des historischen Geistes

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in Frankreich beschrieben werden in dem Sinne, wie dieser Geist von modernen deutschen Theoretikern wie etwa Meinecke verstanden wurde. Wahrer Historismus bedeutet nicht einfach Erkenntnis von historischen Abhängigkeiten, sondern Erkenntnis von Individualität mitsamt und sogar mittels der historischen Veränderung. Sainte-Beuve erkennt beides und in seiner besten Zeit hält er das empfindliche Gleichgewicht aufrecht, das notwendig ist, um ihn selbst vor dem Relativismus oder der Überbetonung äußerer Bedingungen zu bewahren. Sainte-Beuves größte Stärke ist dieses Gefühl für Individualität, sein unablässiges Bemühen, den besonderen Ton, das schwer faßbare Wesen einer Persönlichkeit zu bestimmen, ob es sich nun um eine Person des wirklichen Lebens handelt oder um eine Persönlichkeit, die sich aus den Schriften eines Autors erschließt. Selbstverständlich ist er nicht immer ein Literaturkritiker. Häufig — zu häufig von unserem Standpunkt aus — ist er ein Historiker der Sitten, ein Psychologe oder Moralist. Er hat viel über Gestalten geschrieben, die man kaum zur Literatur rechnen kann — über Staatsmänner, Generäle, Mönche, Nonnen und Damen der Gesellschaft — und noch weit mehr über Schriftsteller, die nur am Rande zur schönen Literatur gehören — über Verfasser von Memoiren, Briefen oder Tagebüchern, über Geschichtsschreiber, Kritiker usw. Ein großer Teil seines Interesses ist offen biographisch und viel von Sainte-Beuves Theoretisieren gilt einem systematischen Zugang zur Biographie im Hinblick auf Vererbung, Körperbau, Umwelt, frühe Erziehung oder wichtige Erlebnisse. Sainte-Beuve ergreift oft die Gelegenheit, die Abstammung der von ihm dargestellten Personen zu erörtern; er setzt sich mit dem Vater von Saint-Simon, den Schwestern von Pascal und Chateaubriand und den Brüdern von Boileau auseinander. Er rät uns, die Kindheit, den Ort und die Landschaft, in der der Autor aufwuchs, zu untersuchen.10 Taine zum Beispiel trage geheimnisvoll den Stempel der düsteren Ardennen.11 Wir sollten die erste Gruppe studieren, unter deren Einfluß ein Autor stand, das erste Buch, das ihn berühmt machte und dann wieder die Stunde seines Niederganges, den Wendepunkt, der zu seinem Fall führte. Sainte-Beuve fordert uns auf zu fragen: »Was hielt er von der Religion ? Wie ist er von der Natur berührt worden? Wie verhielt er sich Frauen gegenüber? War er reich oder arm? Wie sah sein tägliches Leben a u s ? . . . Was war sein Laster oder seine Schwäche?«12 Und von einer Frau will er wissen: »War sie hübsch? Verliebte sie sich? Was war die entscheidende Ursache für ihre Bekehrung?«" Solche Fragen werden nicht nur gestellt, sondern häufig mit allen Details über die Kindheit eines Autors, über sein Liebesleben, seine Religion oder einfach mit Anekdoten und sogar Klatsch über seine täglichen Gewohnheiten beantwortet. Dennoch läßt sich kaum sagen, Sainte-Beuve habe alle diese Informationen aufeinander abgestimmt. Er nimmt lediglich an, daß sie zu einem endgültigen, greifbaren Bild beitragen werden. Obwohl er sich selbst oft in der Rolle eines Bacon sieht, eines Botanisierers und »Naturforschers des Geistes«14, macht sich Sainte-Beuve nie ganz die kausale Auffassung von der literarischen Produktion zu eigen. 3»

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Meist sollen die Informationen Sainte-Beuves durchgängiges moralisches Thema belegen: der Gegensatz zwischen Wesen und Erscheinung, zwischen dem Mann und seiner Maske. Die unabhängige Kritik, die selbst vor den Göttern und R e ligionen nicht halt mache, könne auch die Dichter nicht verschonen. 15 Diese Tätigkeit, »in und hinter die Herzen zu sehen«,16 begreift Sainte-Beuve manchmal als einen ernsten Prozeß des Entlarvens: wie ein Shakespearescher Narr soll der Kritiker »dem König sagen, daß er ein Mensch ist«;17 er muß »einen kleinen Nachtrag zur Unterstützung La Rochefoucaulds liefern«.18 Sainte-Beuve denunziert folglich Vignys Selbstverherrlichung als einen Versuch, »sich als etwas mit eigenen Händen Modelliertes und Gestaltetes auszugeben«.19 Man hat Sainte-Beuves Buch über Chateaubriand als Entlarvung eines unaufrichtigen poseur und sogar eines Lügners interpretiert. Chateaubriands Wallfahrt nach Jerusalem habe zum Stelldichein mit einer Frau in Granada geführt; Chateaubriands Mausoleumswahn sei »Heuchelei und Pose bis zum Tode«.20 Sainte-Beuve möchte »so getreue Porträts wie möglich... zeichnen, die Warzen und Male auf das Gesicht setzen, alles was eine natürliche Physiognomie charakterisiert, und uns überall das nackte Fleisch unter den Drapierungen, unter dem Faltenwurf und der Pracht des Mantels fühlen lassen.«21 Z u Zeiten liebt er es, »das Skalpell anzusetzen und auf den wunden Punkt zu verweisen«, so bei Villemain, den er als die »niedrige Seele, den boshaftesten Affen, den es gibt« verabscheute.22 In anderen Augenblicken betrübt se ihn, wenn er eine Kluft zwischen Leben und Werk entdeckt, wie im Falle von Bernardin de Saint-Pierre, der die zarte und reine Idylle von Paul et Virginie schrieb, aber ein harter und streitsüchtiger Mann war. 23 Manchmal fühlt sich Sainte-Beuve persönlich geprellt: er trägt in sein privates Notizbuch ein, daß er Hugo nicht als einen Scharlatan entlarven könne, ohne sich selbst der Naivität zu beschuldigen. »Mole sagte mir: dies ist ein Mann, der alles berechnet, was er sagt, selbst seinen ,guten Morgen' Gruß. Er war so seit seinem 16. Lebensjahr; aber zunächst vertraute ich seinen Worten. Ich glaube, es gibt keinen anderen Menschen, dem lügen weniger ausmacht.«24 Das ganze 19. Jahrhundert erscheint Sainte-Beuve zum großen Teil als »das Jahrhundert der Scharlatanerie — literarisch, menschenfreundlich, eklektisch, neukatholisch und was man will.«25 Die Einheit der menschlichen Person, »Wahrhaftigkeit«, ist Sainte-Beuves moralischer Imperativ und ebenso sein literarisches Ideal. Es ist für ihn ein hohes Lob, wenn er von einem vergessenen Dichter, Veyrat, sagt, »seine Lyra und seine Seele, sein Leben und sein Werk sind ein und dieselbe Sache«.26 Unter solchen Voraussetzungen werden Biographie und Literaturkritik identisch. Der Schwerpunkt hegt offensichtlich auf der Biographie. »Die Biographen haben sich, ich weiß nicht warum, vorgestellt, daß die Geschichte eines Schriftstellers völlig aus seinen Schriften hervorgeht, und ihre oberflächliche Kritik stößt nie bis zu dem Menschen vor, der das Wesentliche am Dichter ausmacht.«2' SainteBeuve meint sogar, daß »es immer leicht ist, einen Schriftsteller zu beurteilen, aber nicht ebenso leicht, einen Menschen zu beurteilen.« »Der Mensch ist schwer zu

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verstehen und wenn man nach dem Menschen im Schriftsteller sucht, dem Bindeglied zwischen Charakter und Talent, sollte man ihn nicht aus zu großer Nähe, nicht allzu früh studieren, da es sich um ein lebendes Wesen handelt.«2^ In solchen Äußerungen und in vielem von Sainte-Beuves praktischer Kritik wird die literarische Forschung der Biographie untergeordnet. Man muß den Dichter durchschauen, demaskieren und von ihm absehen, um den Menschen dahinter zu erreichen. Diese Methode ist nach unserem heutigen Empfinden völlig falsch. Für den Literaturkritiker unserer Zeit gibt es keine Maske, die abgerissen werden müßte, es gibt keinen »Grund«, der im Menschen und nicht eher im W e r k läge, keine Frage der »Wahrhaftigkeit«, die durch biographische Dokumente beantwortet werden kann. Zugunsten Sainte-Beuves können wir nur geltend machen, daß er in der romantischen Atmosphäre groß wurde, in der die Dichter ihr Ich und ihr Privatleben scheinbar ohne Verstellung übersteigerten und zur Schau stehen. Sainte-Beuve selbst war ein romantischer Dichter: sein R o m a n Volupté ist eine kaum verhüllte Autobiographie, sein Livre d'Amour gibt in Versen indiskret seine traurige Liebesffäre mit Madame H u g o wieder. Sainte-Beuve beobachtete die Umgestaltung der Erfahrung in Material der Poesie und Fiktion bei sich selbst und konnte nicht anders als sie überall um sich her zu beobachten. Er kannte viele prominente Schriftsteller sehr gut oder lebte wenigstens in einem Zirkel, in dem biographische Informationen, Vermutungen, Klatsch und V e r leumdung leicht zugänglich waren. Die Schriftsteller, die dem literarischen H o rizont seiner Jugend von größter Bedeutung erschienen — Chateaubriand, M a dame de Staël, Lamartine, Hugo und etwas später George Sand und Musset — waren in einem zuvor in der Literaturgeschichte kaum gekannten Maße ichbezogen. Die Beziehung zwischen ihrem Leben u n d W e r k herzustellen, bot sich als eine Selbstverständlichkeit an. Sainte-Beuves langsames Abrücken von der Romantik muß wenigstens teilweise als ein Prozeß der moralischen Ernüchterung über seine frühen Bundesgenossen interpretiert werden. Es ist kaum unfair, Sainte-Beuves W a f f e gegen ihn selbst zu kehren und darauf hinzuweisen, daß das Verhältnis zwischen seinen eigenen öffentlichen Worten und seinen privaten Empfindungen ihn moralisch beunruhigte und intellektuell verwirrte. Aber Sainte-Beuve ist seinen Kritikern immer einen Schritt voraus. Während er offenbar biographische Forschungen treibt und sich der Psychologie des Schriftstellers und dem moralischen Problem der Aufrichtigkeit widmet, kennt er den Unterschied zwischen Kunst und Leben sehr gut, die Isoliertheit der W e l t des schönen Scheins und das Indirekte der Verbindungen zwischen W e r k und Mensch. V o r allem um 1830 vertritt Sainte-Beuve (zusammen mit Leroux) eine symbolische Auffassung der Dichtung: »Wie mit einem besonderen Sinn begabt beschäftigt sich der Künstler friedlich damit, hinter der Außenwelt jene geheime W e l t wahrzunehmen, die den meisten Menschen unbekannt i s t . . . er beobachtet das unsichtbare Spiel der Kräfte und stimmt mit ihnen wie mit Seelen überein. Bei seiner Geburt wurden ihm der Schlüssel zu den Symbolen und das Verständnis

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für Bilder gegeben.«29 Nach 1863 erkennt Sainte Beuve, daß »auch die Kunst eine Welt ist«, daß es einen Konflikt zwischen dem menschlichen Gefühlsleben und dem erfinderischen und schöpferischen Talent gibt, welches Schaden leidet, wenn der Dichter zu sehr der Gewalt der natürlichen Gefühle ausgeliefert ist. »Von ihnen können der Philosoph, der Moralist, der Weise, der Christ gewinnen, aber der Dichter, der durch seine Entwürfe der Welt Konkurrenz macht und dessen Geheimnis darin besteht, sie in einem unermeßlichen magischen Spiegel zu reflektieren, fühlt sich verwirrt und entmutigt. Verzweifelt bleibt er auf halbem Wege stehen, wenn er seinen Kalvarienberg gefunden hat.«3® Sainte-Beuve weiß, daß Kunst und Leben, das Leben in der Phantasie und das Gefühlsleben nicht identisch sind, daß Veredelung der Person und moralische Feinfühligkeit der Vollendung großer Werke der Einbildungskraft sogar im Wege stehen können. In seinem Buch über Chateaubriand, das Sainte-Beuves herbe Enttäuschung über Verstellung und Posieren zum Ausdruck bringt, gibt er zu, daß »der wahre Grund dafür, daß niemand jemals die Maske Chateaubriands abgerissen hat, einfach der ist, daß er seine eigene Wahrhaftigkeit hatte und die Tatsache nie besonders bemäntelte, daß es nichts als eine Maske war, eine noble Maske.«'1 Selbst im Augenblick der Bekehrung, der Sainte-Beuve verdächtig erscheint, hatte Chateaubriand »seine Aufrichtigkeit, nicht notwendigerweise diejenige eines Gläubigen (jener höhere und innige Zustand entzieht sich uns), aber die Aufrichtigkeit des Künstlers und Schriftstellers.«32 Sainte-Beuve teilt auch Gautiers Vorliebe dafür, »die Natur durch eine transparente Verhüllung« zu sehen, und er pflichtet Gautiers Motto bei: »Die Maske hat uns wahr gemacht.«33 Selbst in seinem viel diskutierten Urteil über Stendhal war sich Sainte-Beuve dieses Sachverhalts bewußt. Gewiß beruft er sich zuerst auf einen persönlichen Eindruck von dem Menschen. Obwohl Stendhal »geistreich, scharfsinnig, gebildet, durchdringend und anregend«34 war, glaubt Sainte-Beuve nicht, daß er das Lob verdient, mit dem Taine und andere ihn zu überhäufen begannen. »Ich kann... solch einem Urteil nicht zustimmen und ich glaube nicht, daß irgendjemand, der ihn persönlich kannte, diese Meinung unterschreiben würde.« Um sich zu bestätigen, durchsucht Sainte-Beuve die Erinnerungen von Zeitgenossen, die Stendhal schon früh kannten — Mérimée, Ampère und Jacquemont. Doch er verläßt sich nicht allein auf diese persönlichen Eindrücke und räumt die Möglichkeit ein, daß »ein Mann vollendete Werke hinterlassen kann, Denkmäler, die von seinen Zeitgenossen wenig verstanden wurden«, selbst wenn er zu Lebzeiten bloß ein berühmtes Original gewesen sein mag35 — wie er selbst offensichtlich Stendhal sieht. Sainte-Beuve glaubt, Stendhal habe Bücher ohne Zusammenhang hinterlassen, sie hätten bemerkenswerte Passagen, ihnen fehle aber die Totalität und mit Denkmälern hätten sie keine Ähnlichkeit. Sainte-Beuve sieht, daß die letzte Berufungsinstanz im Urteil über die Werke selbst liegt, obwohl sein eigenes Urteil offenbar von seinem Eindruck der Persönlichkeit gefärbt ist und uns flach erscheinen mag, weil es von einem engen Maßstab klassischer Komposition ausgeht.

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Auf den ihm vertrauten Einwand, daß allein das Kunstwerk überdauert, antwortet Sainte-Beuve, daß er sich nicht nur um große Werke kümmert: »Unbedeutende Menschen und Werke finde ich in sehr vielen Fällen höchst interessant. Es ist für mich wirklich eine Sache der Gerechtigkeit.«36 Er protestiert oft gegen die Vergötterung der ganz großen und gegen die Vergessenheit, in die weniger bedeutende Schriftsteller geraten. Er weist darauf hin, daß die Ungleichheit zwischen den Werken nicht der wirklichen Ungleichheit unter den Menschen entspricht. Er verkennt die Tatsache, daß die Einstufung der Männer und Frauen nach ethischen und intellektuellen Gesichtspunkten als Persönlichkeiten und Charaktere zu einer Skala führen wird, die sich sehr von derjenigen unterscheidet, zu der er durch Beurteilung ihrer Leistungen gelangen würde. Das Fehlen einer unmittelbaren Korrespondenz von menschlichem Wert im sozialen Sinne und dem schöpferischen Talent ist eine historische Tatsache, die Sainte-Beuve nicht zugeben wollte. Außerdem weigert er sich zu sehen, daß der Ausleseprozeß, der Kampf ums Uberleben in der Geschichte notwendig grausam ist, weil die Menschheit nicht so viel im Gedächtnis behalten kann, wie Sainte-Beuve und andere Historiker es gerne hätten. Sainte-Beuve hatte offenbar das Gefühl, daß seine eigene Poesie und sein Roman ihre schlechte Aufnahme nicht verdient hatten und empfand mit Recht, daß er vielen Zeitgenossen geistig überlegen war, die weit mehr in der Öffentlichkeit beachtet wurden. Man kann von seinem Neid auf die Halbgötter und Idole seiner Zeit sprechen, aber ebenso muß man anerkennen, daß er sich wirklich um die verkannten Vorzüge der Anspruchslosen, der Bescheidenen, der Zurückhaltenden kümmert, oft auch um die für unseren Geschmack bloß Liebenswürdigen und Demütigen, Merkwürdigen und Durchschnittlichen. Es wäre falsch, eine Erörterung über Sainte-Beuve auf das Biographie-Problem zu reduzieren und ihn dem Historiker Taine entgegenzustellen. Sainte-Beuve bemüht sich sowohl um die Individualität als auch um die Geschichte. Er schrieb nicht nur anregend über die Geschichte des Denkens, die Geschichte der Empfindungen und über die Sozialgeschichte, sondern auch über Literaturgeschichte im engeren Sinn. Die Beachtung unbedeutender und manchmal minderwertiger Schriftsteller ergibt sich aus dem umfassenden Begriff von historischer Repräsentanz. Beinahe alle seine Bücher sind im Unterschied zu den Essaysammlungen Literaturgeschichte. Sein frühestes, Tableau de la poésie française au seizième siècle (1828) kommt reiner Literaturgeschichte am nächsten. Sainte-Beuve erörtert die Renaissance-Literatur weitgehend hinsichtlich ihrer poetischen und dramatischen Methoden. Ihn interessieren hauptsächlich Fragen der Sprache, des Stils und der Prosodie und die Unterschiede zwischen den Dichter-Gruppen und DichterSchulen. Obwohl das Buch zu seiner Zeit als ein romantisches Manifest verstanden wurde, war Sainte-Beuve nicht der »Entdecker« von Ronsard und der Pléiade. Besonders in dem im Globe veröffentlichten früheren Fassungen der Essays kritisierte er Ronsard scharf, weil er nur blasse Nachahmungen der Alten in einer

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toten Sprache produziert habe, und er lobte Malherbe, weil dieser das Enjambement verbot. 37 Das Tableau gibt eine mit weitläufigen Zitaten belegte, distanzierte, kühle und oft empfindungslose, deskriptive Darstellung der Pleiade. In der überarbeiteten Fassung schlägt Sainte-Beuve vor, eine Genealogie der Romantik im 16. Jahrhundert anzusetzen und stellt sogar die gewagte Behauptung auf, das französische Theater hätte sich freier entwickelt, wenn Alexandre Hardy ein Genie wie Shakespeare gewesen wäre. 38 Sainte-Beuve längstes W e r k , Port Royal, das aus Vorlesungen entstand, die er an der Akademie v o n Lausanne 1837—38 hielt und das schließlich fünf Bände umfaßte (1840—59), erhebt nicht den Anspruch, Literaturgeschichte zu sein. Es ist hauptsächlich die Geschichte des Klosters, der Männer und Frauen, die es bewohnten, und die Geschichte dessen, was Sainte-Beuve den Geist von Port R o y a l nennt. Sainte-Beuve ist weder in theologischer Argumentation bewandert noch interessiert ihn die Theologie, obwohl er es offenbar mit den Jansenisten gegen die Jesuiten hält. Er befaßt sich mehr mit der Geschichte religiöser Empfindungen, mit der Darstellung eines geistigen Typs, einer Lebensweise und einer Form des Fühlens und Denkens. Offenbar änderte sich im Laufe der Jahre seine eigene Haltung gegenüber diesem Gegenstand. In den dreißiger Jahren, als Sainte-Beuve die Vorlesungen vorbereitete, war er noch in der Atmosphäre romantischer Religiosität befangen und tief beeindruckt von seiner Begegnung mit Lamennais. In Lausanne empfand er es als notwendig, auf seine calvinistische Zuhörerschaft und solche Freunde wie Alexandre Vinet etwas Rücksicht zu nehmen. Später kehrt er zum Skeptizismus seiner frühen Ausbildung unter den ideologues zurück und empfand seine Distanz zu der Mentalität von Port R o y a l stärker. Dann k o m men ihm die Schwächen und Grenzen seines Gegenstandes zum Bewußtsein, er ist entsetzt über die »abscheuliche Art« ihrer mönchischen »Unreinheit«, über die Leichtgläubigkeit ihres Glaubens an Wunder, ihre Verherrlichung v o n Krankheit, Leiden und Armut und darüber, daß sie sich vor allem mit dem Tode als dem einzigen Ziel des Lebens beschäftigen. 39 Beim Abschluß v o n Port Royal (1857) gibt er seiner Ernüchterung Ausdruck und zieht sich auf die Position wissenschaftlicher Objektivität zurück. Er versteht sich als »einen Forscher, einen auftrichtigen, aufmerksamen und gewissenhaften Beobachter«. Er möchte »die Dinge und die Menschen sehen, wie sie sind, und sie wiedergeben, wie er sie sieht, als ein Diener der Wissenschaft die Mannigfaltigkeiten der Gattung vollkommen beschreiben, die verschiedenen Formen der menschlichen Organisation, die auf seltsame Weise in der Gesellschaft und in dem künstlichen Labyrinth der Doktrinen moralisch verändert sind.« Die Vorstellung von einer Typologie der Menschen und v o n einer kollektiven Psychologie hat den Sieg davongetragen über die frühe persönliche Sympathie für das »Geheimnis dieser frommen Seelen, ihrer innerlichen Existenz und die innige und tiefe Poesie, die es atmete«.40 Port Royal erörtert beiläufig literarische Gestalten und einige literarische Texte. Das Buch ist kritisiert worden, weil es literarische Gegenstände an den Haaren

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herbeizog, die nur entfernt mit Port R o y a l zu tun haben, und dafür, daß es den literarischen Einfluß der Bewegung im Ftankreich des 17. Jahrhunderts überschätzte.41 Aber Sainte-Beuve ist sich sehr genau bewußt, daß er Port R o y a l als eine Art roten Faden oder Bezugspunkt und sogar als einen Vorwand für Literaturgeschichte gebrauchte. 42 Man muß vielmehr die Geschicklichkeit bewundern, mit der es ihm gelingt, die Anziehungskraft eines Gegenstandes zu verstärken, der so speziell und v o n schöner Literatur entfernt zu sein scheint. Unter den diskutierten Texten und Schriftstellern stehen Corneilles Polyeucte und Rotrous Saint-Genest nur entfernt mit Port R o y a l in Beziehung. Guez de Balzac hat schwerlich etwas damit zu tun und dient eher als Folie, als der Gegentyp des rein literarischen Menschen, Molieres Tartuffe kann nur wegen seiner jesuitenfeindlichen Untertöne hinzugezogen werden. Aber sicherlich ist die Darstellung Montaignes, obwohl er Port R o y a l vorausgeht, notwendig, um Pascal zu erörtern und Racine kann wegen seiner Beziehungen zu den Patern behandelt werden. 43 Sainte-Beuve befaßt sich notwendig mit der Gedankenwelt der Schriftsteller, ihrer religiösen Haltung und den widerstreitenden Anschauungen der jeweiligen Zeit und versucht nicht, das Verständnis für literarische Entwicklung und Veränderung zu vermitteln. Aber es gelingt ihm, einiges von der Geschichte der literarischen Prosa Frankreichs mitzuteilen — ihre metaphorische Üppigkeit bei Montaigne, ihren Kampf um klassische Klarheit und Komposition, ihren Triumph bei Pascal — und es gelingt ihm weiter, seine Abneigung gegen das, was man heute als den »barocken« Stil im Zeitalter Ludwigs XIII. beschreiben würde, zu profilieren und zu begründen. Rotrou wird wegen übertriebener Emphase, Pomp, Schwulst und moralischen Unwahrscheinlichkeiten kritisiert und Francis de Sales wegen des »Euphuismus und Gongorismus seiner Frömmigkeit«. 44 Es gibt ein paar ausgezeichnete Seiten über die Lettres Provinciales, einige darüber, wie Pascals Kunst des Dialoges seinen satirischen Zwecken dient, und einige beinahe lyrische Passagen über Racines vollendeten Stil, die zum Teil Sainte-Beuves eigene frühe Auffassung von seiner elegischen Empfindsamkeit zurücknehmen. 45 Die Interpretation v o n Montaignes und Pascals Denken muß den Literaturwissenschaftler anziehen. Montaigne ist in Sainte-Beuves Augen der Heide, »der Naturmensch«, der Versucher Pascals, ein gehässiger Dämon, dessen »Methode mit Recht perfide genannt werden kann«.46 Im Gegensatz dazu erscheint Pascal Sainte-Beuve als ein gläubiger Mann, »ein weinender Archimedes am Fuße des Kreuzes.«47 Sainte-Beuve lehnt Cousins Versuch ab, Pascal zu einem Skeptiker und W e l t mann zu machen, der sich nur durch einen Sprung in den Glauben rettete.48 Sainte-Beuve geht entschlossen von der Voraussetzung aus, daß Pascals »Glaube vor seinem Zweifel Vorrang hat«49 — daß Pascal wie der heilige Johannes Christus den Erlöser mit völliger Hingabe Hebte. Er betont die Klarheit und Gesundheit von Pascals Gedanken und Stil. Sein bedauerlicher Mangel an Charme und seine asketische Feindschaft gegen die Kunst trügen außerdem zur Ausbildung seines nüchternen und schmucklosen, metaphernlosen Stils bei.50 Schließlich weist Sainte-

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Beuve darauf hin — etwas zögernd den Glauben an Fortschritt und Wissenschaft akzeptierend — daß Pascal endgültig nicht mit Hilfe von Argumenten, sondern von der Geschichte widerlegt werden könnte. Die Welt wird, so hofft Sainte-Beuve, ein weniger Furcht einflößender Ort werden und aufhören, eine Welt des Exils zu sein. Nach Meinung Sainte-Beuves widerlegen Buffon, die Biologie und die Evolutionstheorie Pascal oder sie werden ihn widerlegen. 51 Aber diese Grenzen seines dem 19. Jahrhundert entsprechenden Horizonts sollten die Tatsache nicht verbergen, daß Sainte-Beuve sein Ziel vollkommen erreichte: mit Hilfe seiner historischen Einfühlung gewann er zu Geist und Empfindungen einer Gruppe von Menschen Zugang, die der Zeit sehr fremd waren, in der Port Royal geschrieben wurde. Was auch immer an kleinlicher Kritik gegen die Ungenauigkeit im Detail oder selbst gegen Mißdeutungen vorgebracht werden mag, Port Royal bleibt ein Triumph der Geistesgeschichte. Da es die Geschichte religiöser Empfindungen, historische und biographische Erzählung, individualpsychologische Darstellung und Abstecher in die Literaturgeschichte verbindet, mag es wie ein Mischgebilde aussehen. Doch was den Büchern an Reinheit der Methode und Zielsetzung fehlt, das wiegen sie reichlich durch lebendiges Lokalkolorit und durch einen synthetischen Geist wieder auf, der den historischen Geist von seiner besten Seite zeigt. Port Royal spiegelt Sainte-Beuves grundlegende Uberzeugungen wider : seine Weigerung, die Rolle des Zufalls zu verheimlichen, seine Verehrung für den geheimnisvollen Kern der menschlichen Persönlichkeit und sein Mißtrauen gegen eine »Philosophie der Geschichte« und gegen großartige Systeme — ein Mißtrauen, das er auch Guizot entgegenbrachte, dessen »Geschichte viel zu logisch ist, um wahr zu sein«.52 Ein hartnäckiger irrationalistischer, antideterministischer Zug unterscheidet SainteBeuve von den neuen Rationalisten wie zum Beispiel Taine oder den orthodoxen Positivisten und Naturalisten. Sainte-Beuves drittes literaturgeschichtliches Buch, Chateaubriand et son groupe littéraire sous l'Empire, das auf 1848—49 in Lüttich gehaltenen Vorlesungen basierte, aber nicht vor 1860 veröffentlicht wurde, kommt der strengen Literaturgeschichte näher. Der »Eröffnungsvortrag« (1848) begründet ganz klar die Notwendigkeit von Literaturgeschichte: »Die Menschen zu kennen ist nicht genug, wenn es sich um die Werke handelt.« Wenn man versucht »das Erzeugnis des Geistes als Ausdruck einer Zeit und Gesellschaft zu charakterisieren, darf man nicht versäumen, das zu erfassen, was nicht zum vergänglichen Leben gehört, was zu der unsterblichen und heiligen Flamme, zum Genius der Literatur selbst gehört.«53 Sainte-Beuve stellt die Aufgabe, »vor allem die Bewegung, die Einheit und Totalität einer literarischen Epoche wiederzugeben«, und verwirft die hergebrachte, äußerlich klassifizierende und katalogisierende Philologie zugunsten eines lebendigen Verständnisses für die Tradition, einer Einfühlungsgabe für die wahren Zusammenhänge, für das, »was Einfluß ausgeübt hat, was zählt«.54 Anderswo protestiert Sainte-Beuve gegen die herkömmliche Literaturgeschichte als einen »Friedhof« und beschreibt ihr wahres Ziel als Darstellung »der Folge und

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des Wechselspiels von Schulen und Gruppen, der Namen und Physiognomien der wahren Führer, der Charaktere und Abstufungen der wichtigsten Begabungen, des Verdienstes der wirklich hervorstechenden denkwürdigen Werke.«55 Gelegentlich entwirft er flüchtige Skizzen einer Literaturgeschichte. Prüfend betrachtet er die wichtigsten Perioden der französischen Dichtung und weist darauf hin, daß Ronsard, Boileau und Lamartine eher als Malherbe (und implizite Hugo) die wirklichen Erneuerer gewesen seien.56 Aber im allgemeinen herrscht sowohl in seinen Essays als auch gewiß in seinem Buch über Chateaubriand das biographische Gestaltungsprinzip vor: »Die Soldaten zählen weniger und die Befehlshaber bedeuten beinahe alles in der Literaturgeschichte.«57 Unter den Präliminarien finden sich Erörterungen über Madame de Staël, Chateaubriands Freunden Fontanes und Joubert wird Aufmerksamkeit gezollt und in einem Anhang Chênedollé behandelt. Aber das ganze Licht fällt auf den Helden, auf seine geistige Entwicklung und die Perioden seines Stils. Zu seiner Zeit wurde ihm das Buch wegen seines Mißtrauens gegen Chateaubriands Aufrichtigkeit verübelt und wegen des Kontrasts zu SainteBeuves früherer ehrfurchtsvoller Bewunderung Chateaubriands, als dieser noch lebte. Sainte-Beuves merkwürdige Entschuldigung, früher sei er wie die Grille in La Fontaines Fabel »gezwungen gewesen, im Maule des Löwen zu singen«,58 wirft ein ärmliches Licht auf seine moralische Festigkeit, aber es besteht kein Grund, ihm Doppelzüngigkeit vorzuwerfen. Die Kritik an Chateaubriand ist vom modernen Standpunkt aus richtig angesetzt, scharfsinnig, gerecht und sogar gemäßigt. Sainte-Beuve behandelt Chateubriand immer noch als die große Gestalt des Jahrhundertsanfanges, bewundert immer noch die Harmonie und den Rhythmus seines Stils, die Kraft und Originalität seiner Bilder, den Zauber seiner Landschaften und das Konzise seiner fiktiven Idealgestalten und Stimmungen. Aber er bezeichnet ihn jetzt als »einen Epikuräer mit katholischer Phantasie«59 und zweifelt, ob Le Génie du Christianisme im Sinne einer Beweisführung überzeugt. Chateaubriand erscheint als großer Verführer, als ein »Magier« und großer Schriftsteller der Dekadenz. »Chateaubriand verlegte das Zentrum der Prosa von R o m nach Byzanz und manchmal sogar über Byzanz hinaus — von R o m nach Antiochien oder Laodikeia. Der byzantinische Stil in der französischen Prosa geht auf ihn zurück.«60 Sainte-Beuve ist zu dem Schluß gelangt, daß seine früheren Hoffnungen auf eine neue französische Renaissance falsch waren oder vielmehr von späteren Entwicklungen widerlegt wurden. Sainte-Beuves Ideal einer Literaturkritik und sein Geschmacksmaßstab hatten sich geändert. Es ist unmöglich, eine einwandfreie Chronologie der verschiedenen Begriffe von Kritik aufzustellen, die Sainte-Beuve hatte. Alles in allem scheint er sich gleichzeitig in zwei Richtungen zu bewegen: von einem frühen, subjektiveren Verständnis des persönlichen Ausdrucks zu weit größerer Objektivität, Unvoreingenommenheit und Toleranz und gleichzeitig von einer ziemlich unkritischen, mitfühlenden Zustimmung zu einer zunehmenden Betonung der Funktion des Urteils, zu einer Begriffsbestimmung des Geschmacks und der Tradition. Diese

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beiden Entwicklungstendenzen seines Geistes laufen einander entgegen. In der Theorie stimmt der romantische Historismus mit Toleranz und Relativismus überein, aber bei Sainte-Beuve wird er modifiziert und oftmals widerrufen durch lebhafte Parteinahme in den literarischen Auseinandersetzungen der Zeit und durch das Geltungsbedürfnis eines Dichters, der selbst in seiner Kritik nach individueller Ausdrucksweise strebt. Die Objektivität und Unvoreingenommenheit der späteren Periode bildet sich eher am Vorbild der Wissenschaft aus. Die Hinwendung zu einem klassischen Geschmack jedoch bewirkt eine Bekräftigung der kritischen Tätigkeit und damit den autoritären und oft scharfen Ton der Kritik Sainte-Beuves. Es wird am besten sein, die verschiedenen Begriffe von Literaturkritik ausfindig zu machen, ohne der Chronologie zuviel Beachtung zu schenken. Die erste Stufe der Kritik ist für Sainte-Beuve »ein Vergnügen daran, alles zu verstehen, was je lebte«,61 eine Freude an der Verschiedenheit des Menschengeschlechts, unbekümmert um geistige Übereinstimmung. Er übergeht Edmond Scherers Kritik an Joseph de Maistre, und wenn er deren Wahrheit auch zugibt, so sagt er doch: »ich werde ihm zuhören«. »Ich liebe alles an einem Menschen, wenn es ein ausgezeichneter und überragender Mensch ist, aus Neugier auf das Leben und auf jenes Meisterwerk des Lebens: von dem großen und gewaltigen Geist lasse ich mich mitreißen und werde ich mich immer mitreißen lassen. Bevor ich urteile, denke ich nur daran, die Gegenwart einer großen und glänzenden Persönlichkeit zu verstehen und zu genießen.«62 Wenn wir all die Mannigfaltigkeit des Menschengeschlechts verstehen wollen, müssen wir, was Sainte-Beuve für sich selber stolz behauptet, unparteiisch werden, sogar unpersönlich, indifferent. »Ich löse mich von mir selbst.«63 »Ich möchte in einem Geist vollkommener Unparteilichkeit über einen Schriftsteller sprechen; denn diese Unparteilichkeit, ja diese Neutralität, ich bekenne es, ist eines meiner höchsten intellektuellen Vergnügen geworden. Wenn das Dilettantismus ist, gestehe ich, daß ich davon nicht frei bin.«64 Er kann selbst so weit gehen zu sagen: »Ich setze meinen Stolz darein, nichts im Besonderen zu sein, und ich liebe mich zweifellos mehr in dieser gebrochenen, vielschichtigen und vorübergehenden Verfassung als in jeder anderen.«65 Daher kann er, wenigstens in späteren Jahren, leugnen, zu irgendeiner Partei zu gehören oder irgendeine besondere Doktrin zu vertreten,66 und es ist ihm möglich, von der »großmütigen Indifferenz«67 als seinem Ideal zu sprechen. Selbst schon in einem ziemlich frühen Essay über Bayle (1835) gibt er dem Gleichgewicht den Vorzug und weigert sich, »fanatisch zu sein oder ganz überzeugt oder besessen von irgendeiner Leidenschaft«. »Diese grundlegende Indifferenz, muß man sagen, diese bereitwillige, ungezwungene Toleranz, belebt vom Vergnügen, ist eine der wesentlichen Voraussetzungen des kritischen Geistes.« Das kritische Genie erscheint ihm als die »Kehrseite des schöpferischen, poetischen Genies und des philosophischen, mit System begabten Genies; es berücksichtigt alles, läßt allem seinem eigenen Wert . . . Das kritische Genie hat nichts übermäßig Würdiges, ist keineswegs zimperlich, keineswegs voreingenommen. . . Es verharrt nicht in seinem Zentrum . . . es hat keine Furcht

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vor einer Mesalliance.« Sainte-Beuve bezweifelt, daß der Kritiker ein religiöser Mensch sein kann, wenn er, so wie er es tut, »dieses kritische und diskursive, lockere und gefällige Vermögen« kultiviert. Der Beruf des Kritikers gleicht »einer fortwährenden aus Wissensdurst unternommenen Reise mit jeder Art von Leuten und in alle nur möglichen Länder«.«» Diese Kraft der Hingabe bedeutet, so Sainte-Beuve,' die Ablehnung jedes bestimmten Glaubens und selbst des Christentums. Damit liefert er ein zusätzliches Argument für seinen tief verwurzelten Skeptizismus hinsichtlich einer übernatürlichen Erklärung für das menschliche Leben. »Literaturkritik, besonders in der Art wie ich sie praktiziere, ist ach! fast unvereinbar mit christlicher Praxis. Zu urteilen, immer andere zu beurteilen oder die anderen gut nachzubilden, sich selbst in die anderen zu verwandeln wie ich es so oft tue: das ist im Grunde eine völlig heidnische Tätigkeit, die Metamorphosen Ovids.«69 Doch dies ist eine Eintragung in einem privaten Notizbuch; in der Öffentlichkeit ging er wohl selten ganz so weit. Meist verstand er die Literaturkritik als eine Schule der Toleranz. »Ein Dichter wird immer nur seine eigene Daseinsweise und Individualität verstehen und uns gerade dadurch zeigen, daß er kein Kritiker ist.« »Ich habe oft gedacht, daß es für einen Kritiker am besten ist, überhaupt kein künstlerisches Talent zu haben, damit er dann nicht die geheimen Vorurteile eines Vaters oder interessierten Autors in seine verschiedenen Urteile einfließen lasse.70 Er selbst fühlte, daß er ein Dichter gewesen war, daß aber der Verzicht auf seine dichterischen Ambitionen, wenn er auch schmerzlich wie jedes Mißlingen war, den Gewinn einer neuen Freiheit, einer neuen Weite des Geistes und des Horizontes bedeutete. Die Methode einer einfühlenden Kritik werde zuerst einfach im Lesen bestehen. »Die Kunst der Kritik besteht darin zu wissen, wie man einen Schriftsteller sinnvoll liest, und andere zu lehren, ihn auf die gleiche Weise zu lesen.«71 »Der Kritiker ist nichts als ein Mensch, der weiß, wie man liest und der andere lehrt, auch zu lesen.«72 Und noch einmal: »Zu wissen, wie man ein Buch liest und es währenddessen zu beurteilen ohne aufzuhören, es zu genießen, ist beinahe die ganze Kunst des Kritikers. Aber die Kunst besteht auch noch darin, zu vergleichen und die Vergleichspunkte gut zu beachten: deshalb lesen Sie neben Atala auch Paul et Virginie und Manon Lescaut; neben Rene auch Oherman und Le Lépreux; neben Les Martyrs die Odyssee, Telémaque und Milton. Tun sie das und lassen Sie sich treiben. Das Urteil wird sich ganz natürlich ergeben, es wird sich aus Ihrem Eindruck bilden.«73 In seiner frühen Periode verstand Sainte-Beuve die Literaturkritik als Werk eines Interpreten, sogar eines Propagandisten der Dichter. »Nach der Schöpfung und Erschaffung genialer Werke bleibt noch etwas Würdiges und Schönes zu tun, nämlich ein Gefühl der Bewunderung für sie zu verbreiten. Enthusiasmus, die Muse des Kritikers, wohnt darin.«74 Die Literaturkritik in diesem Sinne hielt er einmal sogar für die hauptsächliche und neue Aufgabe der Zeit. »Wir sind weit davon entfernt zu glauben, die Pflicht und Aufgabe der Kritik bestehe einzig und allein darin, den großen Künstlern nachzufolgen, ihren leuchtenden Spuren nach-

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zugehen, ihr Erbe zusammenzutragen, zu ordnen und zu inventarisieren, ihre Denkmäler mit allem zu schmücken, was ihren Wert ins rechte Licht rückt. Diese Art der Kritik hat zweifellos Anspruch auf unsere Hochachtung: sie ist gewichtig, gelehrt, entscheidend; sie erläutert, durchdringt, ordnet und sanktioniert die verworrene Bewunderung, die zum Teil verborgenen Schönheiten, die schwierigen Gedanken und auch die Buchstaben des Textes, wenn er dazu Anlaß gibt.« Seiner Meinung nach ist nur eine solche Literaturkritik notwendig, die sich den neuen Dichtern »anschließt, die Mittelmäßigkeit beschämt, wie ein Herold 'Macht Platz' für die Dichter ruft und vor ihrem Streitwagen herläuft.«75 Obwohl er sich nur für kurze Zeit einer Gruppe zeitgenössischer Dichter anschloß, betrachtete SainteBeuve später den Kritiker sogar als einen »Sekretär der Öffentlichkeit«, eine Art von »vertraulich privatem Bibliothekar«, der ihr sage, was sie auf eine Reise mitnehmen solle — denn die Menge des Gepäcks sei streng beschränkt.7« Man kann viele weitere Passagen mit dieser allgemeinen Grundtendenz finden, die die kritische Funktion der Literaturkritik herabzusetzen scheinen, indem sie entweder den Kritiker den Dichtern oder der Öffentlichkeit unterordnen oder ihn zu einer Art neutralem Spiegel oder einem alles-verstehenden Dilettanten und Epikuräer machen. Aber Sainte-Beuve entzieht sich jeder Verallgemeinerung. In zunehmendem Maße mißbilligt er Dogmatiker wie Nisard und macht seine Vorbehalte gegen die neue doktrinäre Theorie von Taine geltend. Er weiß, daß die alten Regeln ausgespielt haben und er besitzt ein deutliches Gespür für die Vielfalt der Literatur, für die unendlichen Reichtümer der Vergangenheit, und die gewaltige Weltkarte der Literatur. Aber man kann ihn nicht auf diese Resignation und Passivität festlegen, wie sie in den oben zitierten Äußerungen enthalten zu sein scheinen. Sie stellen oft nur Erklärungen der Bescheidenheit dar, Verzicht auf absolute Gewißheit, Vorbehalte und möglicherweise Ausflüchte. Sainte-Beuve glaubte zunächst einmal, daß der Kritiker ein Künstler sei. »Die Literaturkritik wie ich sie verstehe und praktizieren möchte, ist Erfindung und unaufhörliche Schöpfung.«77 Das traf auf ihn persönlich zu. Wenigstens kann er in einem Brief von seinen Portraits sprechen als von »einem Annex der sentimentalischen und romanhaften Gattung«. Ihre richtige Reihenfolge sei diejenige, in der sie gemäß Gefühl und Laune geschrieben worden seien. Ihr wahrer Gegenstand sei Sainte-Beuve selber.78 Er kann öffentlich sagen, seine Literaturkritik sei häufig nur eine besondere Form, ein Umweg dafür, seine eigenen Ansichten über die Welt und das Leben auszusprechen, »eine verborgene Dichtung auf indirekte Weise zum Ausdruck zu bringen«.7' »Unter dem Vorwand, jemand anderen zu beschreiben, versucht (der Kritiker) oft, sein eigenes Profil zu fassen.«80 Besonders in einer bestimmten Periode beklagte Sainte-Beuve sein Versagen als Dichter so heftig, daß er zu suggerieren versuchte, die Literaturkritik sei nicht nur ein pis-atter — was er zugibt —, sondern auch ein Fortschreiten, die notwendige zweite Stufe eines jeden Geistes und nicht wirklich von der Dichtung getrennt. 81 Dichtung könne auch mittelbar geschaffen werden und das Leben »wie ein geheimes Parfum

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durchdringen... Der dichterische Geist kann darin möglicherweise in einer reineren Form existieren als in seinen strahlenderen und bestechenderen Manifestationen.«82 Er scheint anzudeuten, daß er ein Dichter blieb und daß er als Kritiker sogar in einem höheren Maße Dichter wurde. In der Regel faßte Sainte-Beuve die Funktion der Literaturkritik sehr viel objektiver; hauptsächlich und grundsätzlich habe sie eine urteilende Funktion. Während er in der Theorie zu bestimmten Zeiten die richterliche Rolle der Literaturkritik herabsetzte, hörte er nie auf, zu urteilen und in zunehmendem Maße bekräftigte und bestätigte er diese urteilende Funktion. Der Kritiker, behauptet er, müsse mit Sicherheit, ohne jede Nachgiebigkeit erkennen, was gut ist und fortdauern wird. Er müsse uns sagen, »ob die wirkliche Originalität eines neuen Werkes genügt, um seine Mängel aufzuwiegen. Von welchem Rang ist das Werk? Welchen Gesichtskreis und welche Spannweite hat der Autor?«83 Sainte-Beuve hält Autorität für notwendig; anerkennend erwähnt er Malherbe, Boileau und Dr. Johnson. »Der wahre Kritiker geht der Öffentlichkeit voran, leitet und lenkt sie.«84 Als er den Zustand der Literaturkritik im Jahre 1845 erörtert, erkennt er, daß die Zeit für eine apologetische, dienende und erläuternde Kritik vorbei ist. Es sei Zeit, daß die Kritik zu ihrer ehemaligen Funktion der Beurteilung zurückkehre.85 Er scheint sogar für eine Kritik einzutreten, die als Heilmittel für gegenwärtige Mißstände einen gerechten Druck ausübt und für gute Ordnung sorgt, und er preist die Verpflichtung der Literaturkritik zu ungeschminkter Wahrheit. Er lobt Boileau dafür, daß er »ein dummes Buch« haßt, und findet in La Harpe und Johnson »einen redlichen und lebendigen Sinn« für Wahrheit, eine Gabe der Natur, die entwickelt und bis zu einem gewissen Grade vervollkommnet werden könne.86 Beständig kommt Sainte-Beuve auf diese Normen zurück; er schilt seine Zeitgenossen, weil sie »alles aussprechen werden außer einem Urteil. Sie werden es nicht wagen, sich selbst auf ein Urteil festzulegen: das ist gut und das ist schlecht.«87 Der Kritiker habe eine bewahrende und korrigierende Funktion: er »behauptet die Tradition und rettet den Geschmack«,88 verteidigt »die Ordnung der Kunst, die Stufen des Geistes«.89 »Wahre Kritik besteht darin, jedes Wesen zu studieren — das heißt jeden Schriftsteller, jedes Talent gemäß den Bedingungen seiner Natur, ihn lebendig und zuverlässig zu beschreiben, dann aber immer dafür zu sorgen, daß er klassifiziert und ihm seine Stelle in der Ordnung der Kunst zugewiesen wird.«90 Der Kritiker, schreibt Sainte-Beuve, habe einen unmittelbaren Einfluß auf die Entwicklungstendenzen der Literatur. Anschließend wird der heilsame Einfluß Boileaus gelobt. Laßt uns heute die edle und starke Harmonie des großen Jahrhunderts grüßen und anerkennen. Wo wären wir ohne Boileau und ohne Ludwig XIV. hingekommen, der Boileau als seinen Contrôleur Général des Pamaß anerkannte? Hätten selbst die größten Talente so viel von dem hervorgebracht, was heute das dauerhafteste Erbe ihres

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Ruhmes ausmacht? Racine hätte, fürchte ich, öfter Stücke wie Bérénice geschrieben, La Fontaine weniger Fabeln und mehr Erzählungen, selbst Molière hätte uns mehr Scapins hinterlassen und vielleicht nicht die ernsten Höhen des Misanthrope erreicht. Mit einem Wort, jedes dieser schönen Genies hätte in seinen Fehlem geschwelgt. Boileau — das heißt das richtige Gefühl des Dichter-Kritikers, autorisiert und verdoppelt durch das eines großen Königs — zügelte sie alle und zwang sie durch seine Respekt einflößende Gegenwart zu ihren besten und bedeutendsten Werken.') Sainte-Beuve bedauert die Tatsache, daß seiner Zeit ein Boileau fehle. 92 Man ahnt seine Breitschaft, diese Rolle selbst zu spielen, wenn er schreibt, daß Balzac von einem Boileau profitiert hätte,93 und hofft, daß Flaubert aus der Kritik lernen werde die er selbst über Salammbô geschrieben habe.94 Aber wie wird Tradition definiert? Sainte-Beuve beruft sich auf den zentralen Begriff der französischen literaturkritischen Tradition — auf den Geschmacksbegriff. Zeitweise bedeutet dieser »Geschmack« bloß »Schmecken«, eine Form von reinem Epikureismus. Es gibt eine merkwürdige Stelle, an der Sainte-Beuve die Tatsache beklagt, daß man nicht mehr auf einem Ruhebett liegend lesen könne wie Horaz während der Hundstage oder wie Gray auf einem Sofa ausgestreckt oder daß es nicht mehr möglich sei, durch die Landschaft zu spazieren, ein Buch in der Hand und in Meditationen versunken. Wie ganz anders lägen die Dinge heute! »Der Epikureismus ist für immer verloren; die letzte Religion derer, die keine andere hatten, die letzte Ehre und Tugend eines Hamilton und eines Petronius, wie ich Euch verstehe und bedaure sogar noch während ich Euch bekämpfe und aufgebe!«95 Der Geschmack »erscheint nie edler, vollkommener und auf unverfälschtere Weise geläutert und erhaben als im Schoß einer heilig sittlichen Natur. Aber oft zeigt er sich hoch entwickelt in sehr verschiedenen Naturen. Eine gewisse liebenswürdige Verderbtheit (darf man das zugeben?) ist nicht anstößig und gibt ihm sogar in einigen seiner seltenen Erscheinungsformen eine äußerste Verfeinerung.«9« Aber Sainte-Beuve entsagt diesem verderbten Geschmack. Sein Ehrgeiz gilt dem edelsten, dem erhabensten, dem humansten Geschmack, einem Geschmack, den er als »die Sittsamkeit des Geistes«97 bestimmen will und den er als »das edelste und intuitivste« unserer Organe ansieht,98 als »die Liebe zum Einfachen, Vernünftigen, Erhabenen und Großen«.99 Wenn er Eugénie de Guérin lobt, weiß er nichts Besseres von ihr zu sagen als: »Sie fürchtete den Exzeß, sie insistierte nicht und machte keine Anstrengungen, sie hatte Geschmack.«100 Guter Geschmack ist also ein Gefühl für das Maßvolle, Richtige und Vernünftige, verbunden mit der Anerkennung von Größe. Er ist einfach die subjektive Seite dessen, was Sainte-Beuve anderswo als die Tradition, als das Wesen des Klassischen zu definieren versucht. In zwei bekannten Essays, »Was ist ein Klassiker?« (1850) und »Über die Tradition« (1858), formulierte Sainte-Beuve seine Ansichten am

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denkwürdigsten. Der frühere Essay stellt einen doppelten Gesichtspunkt heraus: auf der einen Seite besteht er auf der griechisch-lateinischen Tradition, auf einer vernünftig abgestuften Verehrung der Klassiker. A u f der anderen Seite anerkennt er die Existenz von etwas, das diese Tradition überschreitet: die W e r k e v o n Homer, Dante und Shakespeare sind f ü r ihn klassische W e r k e der Literatur, obwohl sie den Forderungen der traditionellen Klassik nicht entsprechen. Sainte-Beuve sieht natürlich auch, daß der gewöhnliche französische Klassizismus mit seinen engen R e g e l n eine Sache der Vergangenheit ist, daß seine Zeit darüber hinaus gehen und eine neue Literatur schaffen muß, die die Forderungen des Zeitalters erfüllt. Er nimmt ein komplizierte und möglicherweise widersprüchliche, aber nicht unverständliche Position ein. Sein ganzes Leben hindurch verehrte er das 17. Jahrhundert als das große Zeitalter Frankreichs: er erkannte, daß es ein kollektives Phänomen, ein soziales Ereignis und nicht bloß eine Sache des zufälligen Übergewichts v o n Talenten und Genies war. »Der Begriff einer Klassik impliziert etwas, das Folgerichtigkeit und Konzistenz hat, was ein Ganzes bildet und eine Tradition ergibt, etwas Gestaltetes, das der Nachwelt weitergereicht wird und fortbesteht.« 101 Aber er wollte das 17. Jahrhundert nicht zum Vorbild erheben. Er verlangte eine großzügige Auffassung der Tradition. Klassisch sei jedes W e r k welcher A r t auch immer, das den Maßstäben der Schönheit und Vernunft entspreche, die der Kritiker jetzt fordere. Sainte-Beuve ist nicht damit zufrieden, die klassische Qualität in Begriffen wie Weisheit, Mäßigkeit oder Vernünftigkeit zu definieren; sie würde dann zum großen Teil zweitrangige Schriftsteller einbeziehen — vernünftige, gefällige Schriftsteller. Wesentlich scheint ihm zu sein, Idee und Verehrung des Klassischen zu bewahren und gleichzeitig auszuweiten. Sainte-Beuve zitiert »In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen«, ein Zitat, das eine umfassende Toleranz nahezulegen scheint. Doch widerruft er, was er in einem früheren Essay etwas klagend als Los des Kritikers bekannt hatte, »ein vagabundierender Zigeuner und beinahe ein Ewiger Jude« 102 zu sein. Jetzt aber kann er sagen: »eine Wahl muß getroffen werden, und die erste Bedingung des G e schmacks . . . ist, daß man nicht unablässig umherschweift, sondern ein f ü r allemal bei seiner einmal gefaßten Meinung bleibt. Nichts übersättigt so sehr den Geist und ist dem Geschmack so schädlich w i e das unablässige Umherschweifen.« 103 In dem späteren Artikel »Über die Tradition« liegt die Betonung noch stärker auf der lateinischen Tradition, w i e sie gewöhnlich verstanden wurde, vielleicht weil Sainte-Beuve sich mit der Einführungsvorlesung an der Ecole normale an eine studentische Zuhörerschaft richtete. Er sagt ausdrücklich, daß ein »Professor kein Kritiker ist«, er müsse nicht, (wie es der Kritiker sollte) über alles Neue unterrichtet sein. Der Literaturkritiker sei »ein Posten, immer wach, immer im Ausguck«, während der Professor geringere und andersartige Verpflichtungen habe: »er darf sich nicht weit von den heiligen Stätten entfernen, die er zu zeigen und zu hüten hat.« O b w o h l Sainte-Beuve meint, daß der Professor die wichtigsten neuen Ereignisse kennen und sich eine Ansicht darüber bilden sollte, empfindet er in

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jenem Augenblick ganz als Professor, der die Notwendigkeit erläutert, die Tradition zu bewahren. Er versteht seine Aufgabe als Hüter der Tradition eher im Sinne eines Humanisten als eines Antiquars. Er beklagt die Überbetonung der Forschung, die in Frankreich gerade begann, und das übertriebene Gewicht, das den Entdeckungen noch unveröffentlichter Dokumente beigemessen wurde. »Die Leute sind stolz auf Funde, die bloß merkwürdig sind (wenn überhaupt), die keinen Gedanken, keine Anstrengung des Geistes fordern, sondern lediglich die Mühe, hinzugehen und sie aufzuheben... Man könnte meinen, das Zeitalter der Scholastiker und Kommentatoren finge von neuem an. Dafür wird ein Mann nicht weniger geehrt und angesehen, nein, sondern mehr als wenn er sich an einen glänzenden R o m a n oder ein schönes Gedicht gewagt und den W e g wahrer Erfindung, die erhabenen W e g e des Denkens versucht hätte.« Sainte-Beuve berücksichtigte immer die Stufen der Kunst, das Niveau der Intelligenz. »Wir wollen fleißige Forschung ermutigen, aber in allem dem Talent, dem sorgsamen Denken, dem Urteil der Vernunft, dem Geschmack den Platz des Meisters überlassen.« Anstatt auf der Titelseite mit »unveröffentlichten Dokumenten« zu prahlen, sollte ein Buch, meint er, eher von »weisen Ideen und Auffassungen, selbst wenn sie alt sind«, berichten. W e n n jemand die Konzepte zur Geschichte des Peloponnesischen Krieges v o n Thukydides fände, argwöhnt er, daß sie dem fertiggestellten Buch vorgezogen würden. »Die Leute sind dazu gekommen, die Materialien dem W e r k , das Gerüst dem Denkmal vorzuziehen.«10* O b w o h l Sainte-Beuve selbst ungeheuer belesen war und sich, wie sein Port Royal zeigt, auf die anhaltende und ununterbrochene Erforschung von Dokumenten und abgelegenen Büchern einlassen konnte, mißtraute er immer einer bloßen antiquarischen Forschungsarbeit und besonders der Begeisterung für die mittelalterliche französische Literatur. Die gewaltige Entwicklung der Forschung auf diesem Gebiet ließ ihn kalt. »Nach Natur und Geschmack habe ich nie zu denen gehört, die den Boden des Mittelalters urbar machten.« Er verurteilte »den übertriebenen Enthusiasmus der einen und die gezierte Selbstgefälligkeit der anderen.«105 In einer Rezension einiger französischer Mysterienspiele des Mittealters protestiert er dagegen, daß ihre Herausgeber sie mit Racine und Sophokles vergleichen. Er zeigt, daß die beiden Herarusgeber, Paulin und Louis Paris, v o m Altertum und v o n dem französischen 17. Jahrhundert keine Ahnung haben: »sie besitzen die erforderlichen Vergleichspunkte nicht.« »Jeder, der Sophokles im Original gelesen hätte, wäre vor diesen Verdunkelungen oder Irrwegen des Geschmacks bewahrt geblieben.«106 Sainte-Beuve hält an der v o m klassischen Altertum begründeten Tradition fest und appelliert an die Franzosen als die Erben der R ö m e r : »Das Erbe, das wir v o n jenen erhabenen Meistern und Vätern empfangen haben, müssen w i r uns zu eigen machen, verstehen und dürfen es niemals verlassen, ein Erbe, das v o n Homer bis hin zu dem letzten Klassiker der jüngsten Vergangenheit reicht und das den glänzendsten und stärksten Teil unseres geistigen Kapitals ausmacht.« Er gibt zu, daß die poetische Fähigkeit gewissermaßen allgemein in der menschlichen Natur

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angelegt ist. Er wünscht die französische Tradition nicht geschlossen und exclusiv, schärft seiner Zuhörerschaft ein, nie den Attizismus, die Urbanität, das Prinzip des richtigen Gefühls und Verstandes verbunden mit Anmut preiszugeben. »Wir dürfen nie das Gefühl für einen bestimmten Schönheitsmaßstab verlieren, der zu unserer Rasse, unserer Erziehung und Kultur paßt.« Sainte-Beuve weigert sich, innerhalb dieser Tradition einen Unterschied zwischen den Griechen und Römern zu machen. »Für uns sind ihr Vermächtnis und ihre Wohltaten zusammengeschmolzen.« Er sympatisiert nicht mit dem neuen Hellenismus, der die lateinische Tradition nicht anerkennt, und er stimmt auch nicht mit der älteren Betonung des rein Lateinischen überein, welche die Griechen auf eine frühere primitive Vergangenheit verwies. Er versucht Shakespeare mit derselben Tradition zu verschmelzen und macht geltend, daß Shakespeare Montaigne und Plutarch las und daher nicht gänzlich außerhalb dieser Tradition stand. Er räumt die Fehler von Shakespeares Zeitalter ein, begreift ihn selber aber aus der zentralen menschlichen Natur heraus, nicht als verrückt oder barbarisch wie ihn Voltaire dargestellt hatte. »Große Menschen sind nie ständig extravagant, lächerlich, grotesk, prahlerisch, großsprecherisch, zynisch oder unanständig... Die Tradition und noch deutlicher' das Wissen um unser eigenes verfeinertes Wesen sagen uns, daß der Verstand immer den ersten Platz haben muß und ihn definitiv besitzt bei diesen Günstlingen, diesen Auserwählten der Einbildungskraft.«107 Dieser Verstand wird dann genauer definiert als geistige Gesundheit, als common sense, aber auch als Mangel an Unzufriedenheit und als Harmonie mit der Gesellschaft. Sainte-Beuve beruft sich auf Goethes berühmtes Wort: das Romantische sei das Kranke, das Klassische das Gesunde. (Er hegte eine große, wenn auch etwas distanzierte Hochachtung für Goethe, den er wiederholt den »größten aller Kritiker«108 nannte, obwohl diese Auffassung sich auf wenig mehr als auf Eckermanns Gespräche stützte). Die Klassik also umfasse die ganze gesunde und glücklich blühende Literatur, eine Literatur, die voll mit ihrer Zeit und ihrer gesellschaftlichen Umgebung übereinstimme, eine Literatur, der »es genügt, zu ihrer Nation zu gehören, zu ihrer Zeit, zu der Regierung, unter der sie entsteht und blüht... eine Literatur, die existiert und sich zu Hause fühlt, auf ihrem richtigen Wege innerhalb ihrer besonderen Gesellschaftsklasse, nicht aufrührerisch, nicht aus Prinzip unzufrieden, ein Prinzip, das nie eines der Schönheit gewesen ist.« »Die klassische Literatur klagt nie, murrt nie und empfindet niemals Langeweile.« »Der Klassiker liebt sein Land, seine eigene Zeit und kennt nichts Wünschenswerteres oder Schöneres.«109 Heute kann man die Untertöne dieser Darlegungen überhören. Sie riefen Entrüstung hervor, weil sie eine Bestätigung der Napoleonischen Herrschaft einschlössen. Sainte-Beuve wurde zu einem Symbol der Anpassung an das Regime und der Versöhnung mit ihm. In einem Artikel mit dem Titel »Les regrets« (1852) 110 verspottete er diejenigen, die immer der Vergangenheit nachweinten. Die R e v o lution von 1848, die ihn, mehr oder weniger freiwillig in ein zeitweiliges Exil nach Belgien schickte, hatte ihm einen furchtbaren Schock versetzt. 4*

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Er blickt nun auf die Romantik als eine Krankheit der Zeit zurück. »Hamlet, Werther, Childe Harold, die reinen Renes sind kranke Menschen von der Art, die singen und leiden, die ihre Krankheit genießen... Krankheit um der Krankheit willen.«" 1 Der Literaturkritik sei es zweifellos möglich, uns von solch einer Krankheit zu heilen und sie habe es getan. Schon früher hatte er in einer spöttischen, zweischneidigen Lobrede Saint-Marc Girardin gepriesen, weil er diese Krankheit bekämpft habe: jetzt heiraten die Leute und bekommen Kinder und verachten die Welt nicht mehr. »Die Jugend, ein Teil der Jugend, ist nüchtern geworden, sie träumt nicht mehr.« 112 Jetzt scheint ihm das richtig: er möchte, daß die Leute aufrichtig glücklich sind. Er hofft auf eine Gesellschaft, in der »wir uns mit uns selber in Einklang wiederfinden würden, Hader und moralische Krankheit ein Ende hätten und die Literatur wieder von selbst klassisch werden würde sowohl in ihrer erhabenen Gestalt als auch in dem, was wesentlich ist, in ihrer fundamentalen Basis... wir würden vielleicht wieder Werke bekommen, die überdauern.« 113 Sainte-Beuve verfolgt mit seiner Kritik nun ausdrücklich soziale und sogar moralische Absichten und sie ist mit ihrer Berufung auf einen umfassenden aber unveränderlichen Maßstab in ihren Implikationen absolut geworden. Die Meinungsverschiedenheiten der Kritiker scheinen ihm einfach Folgen unterschiedlicher Perspektiven. »Sie denken tatsächlich für den Augenblick nicht an denselben Gegenstand, dieselben Werke des betreffenden Autors, dieselben Passagen seiner Werke. Sie haben nicht das Ganze von ihm vor Augen, sie begreifen ihn in dem Moment nicht völlig. Eine größere Aufmerksamkeit, eine ausgedehntere Kenntnis werden die verschiedenen Urteile aufeinander abstimmen und ihre Harmonie wiederherstellen.«114 Dieser breite unveränderliche Maßstab — Sainte-Beuves Geschmack wurzelte in der lateinischen Tradition — wird konkreter, wenn man auf seine Vorlieben und Abneigungen im Bereich der Geschichte der Poesie und schönen Literatur kurz eingeht. 640 Essays enthalten seine Causeries du Lundi, die wöchentlichen Aufsätze, die sich von Oktober 1849 bis August 1861 fortsetzten, und seine Nouveaux Lundis, die fast kontinuierlich von September 1861 bis Mai 1869 erschienen. Von diesen lassen sich wohl nur 150 als literarisch und lediglich 55 als kritisch im strengen Sinne bezeichnen. Wie auch immer die Statistik aussieht, Sainte-Beuves Literaturkritik ist verwirrend reich, was ihren Wirkungskreis und ihre Vielfalt betrifft, sie schweift frei über alle Perioden und Gattungen der französischen Literatur. Im Hintergrund ragen die Alten empor, immer verehrt und intensiv studiert. »Lesen Sie einen Gesang von Homer noch einmal, eine Szene von Sophokles, einen Chor von Euripides, ein Buch von Vergil! — Erhabenheit oder Flamme des Gefühls, Glanz des Ausdrucks und womöglich Harmonie der Komposition und des Ganzen.«115 Sainte-Beuve bewunderte Homer und die griechischen Tragiker in hohem Maße und kannte sie gut. Aber wenn er über die Griechen schrieb, tat er es lieber über Theokrit, Meleager, Apollonius und Quintus Smyrnus, denn er liebte das Hirtengedicht und die Anthologia graeca und suchte in den hellenistischen Epen nach

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den Elementen, die eine moderne Zuhörerschaft interessieren könnten. Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß diese Wahl manchmal eine Sache des Zufalls war. Sainte-Beuve war die meiste Zeit seines Lebens Journalist. Er griff die Themen auf, wie sie von neuen Veröffentlichungen angeregt wurden, die in seine Hände fielen. Er mag auch geglaubt haben, daß er etwas Neuartiges zu sagen hätte, wenn er über unbedeutendere oder seinem Geschmack besser entsprechende Gestalten sprach. Obwohl er sich selbst während seiner letzten Lebensjahre mit dem Griechischen beschäftigte, 116 war er zweifellos ein viel besserer Latinist. Vergil steht im Zentrum seines Kultes und die Etüde sur Virgile (1857) weist SainteBeuve als einen »Priester Vergils« aus, obwohl es als Buch nicht sehr bemerkenswert ist, weil es zu deutlich seinen Ursprung aus Vorlesungen verrät, die für das Collège de France bestimmt waren. Er gibt zu, daß er durch seine geheimen Vorlieben zu »jener französischen Schule (gehört), die das Altertum in der Art Fontanes, Chateaubriands und Delilles bewundert«, und eine »gerade und ununterbrochene Linie von Vergil, Horaz, Ovid und Lukan bis zu unseren eigenen Tagen« sieht. »Nur über den majestätischen und triumphalen römischen Aquädukt haben uns die Quellen Griechenlands erreicht.« Vergil inspiriere selbst heute die vernachlässigte »verschwiegene Religion des Schönen, des Natürlichen, des Verfeinerten und des Zierlichen in der Dichtung.« 117 Vergil sei der erste in der Reihe der epischen Dichter, der vollendetste und vollkommenste der Dichter von Racinscher Art. Seine Liebe zur Natur und zu Büchern, seine Frömmigkeit und sein Patriotismus, der mit einer allumfassenden Humanität nicht unvereinbar sei, tragen »die Einheit des Klanges und der Farbe, der Harmonie und Übereinstimmung der Teile untereinander, der Proportion, des durchgehaltenen Geschmacks, der hier ein Zeichen des Genies ist, weil er zur Tiefe und Zierde der Seele gehört und den ich eine höchste Köstlichkeit nennen möchte.«118 Sainte-Beuves Ideal der Dichtung könnte nicht besser definiert werden. Das Lob des Horaz (1855) als ein »Brevier von Geschmack, Dichtung, praktischer und weltlicher Weisheit« ist kühler: Horaz sei die Quelle der französischen lyrischen Tradition, er komme der französischen Empfindungsart am nächsten, er sei ein Mensch und nicht »ein Engel oder eine Seele«; 119 aber Sainte-Beuve sieht Grenzen seiner Möglichkeiten, von denen er bei Vergil keine Notiz nimmt. Vergil habe ein Epos geschrieben, die höchste und erhabenste aller Gattungen, und sein Ton sei elegisch und melancholisch, eine Gefühlslage, die Sainte-Beuve am besten entsprach. Sainte-Beuves Verehrung der klassischen Tradition — wie romantisch sie uns auch immer erscheinen mag — verhindert sein Verständnis für die mittelalterliche Literatur. Er schenkte den französischen Historikern, Villehardouin, Joinville, Froissart und Commynes liebevolle Aufmerksamkeit, aber von der großen Leidenschaft des 19. Jahrhunderts für das Mittelalter bleibt er unberührt. Ein Diskurs über die Ursprünge der französischen Sprache und Literatur (1858) ist von Ampère inspiriert,120 und die causerie über Dante ist wenig mehr als eine Studie über Dantes Ansehen in Frankreich. Offenbar teilt Sainte-Beuve die An-

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sieht, die er V i c o zuschreibt: die Commedia sei »ein Ausdruck der Geschichte ihrer Zeit«. 121 Als Reaktion auf den wachsenden Chor derer, die Villon preisen, ist Sainte-Beuves Essay ziemlich kühl. Villon ist für ihn ein Urbild, eine Legende und Illusion, ein kollektives Individuum. Er findet, wie Voltaire im Falle Shakespeare, nur »zwei oder drei Perlen in seinem Misthaufen«. »La Ballade des dames du temps jadis« erregt als einziges Gedicht seine Begeisterung. 122 Es entspricht seinem allgemeinen Geschmack an der Elegie. A u c h seine Haltung der französischen Renaissance-Dichtung gegenüber wird von seinem klassischen Ideal bestimmt. Während Sainte-Beuve rückblickend seine frühe Verteidigung der Pléiade als »einen A k t des Geschmacks« lobt, formuliert er seine Vorbehalte gegenüber Ronsard und D u Beilay wiederum nachdrücklich: Ronsard sei ein gewandter, zu gewandter Dichter, 123 D u Beilay, obwohl auf dem richtigen W e g e zu einem Altertum ohne Abgötterei, bleibe nur beim herrlichen Versprechen stehen.12* Sainte-Beuve erkennt, daß die ausländischen romantischen Kritiker mit den Gebrüdern Schlegel an der Spitze recht hatten, als sie die Pléiade eher für den Beginn des französischen Klassizismus als für eine Antizipation der französischen Romantik hielten. Ronsard ist so zwischen zwei Feuer geraten: die französischen Klassizisten wollen ihn nicht als ihren Vorläufer anerkennen, die Ausländer halten ihn für den Mann, der die französische Dichtung auf den falschen W e g brachte. 125 Sainte-Beuve glaubt, er habe sie auf den richtigen W e g geführt. Sainte-Beuve ergreift entschlossen Partei für die klassische Linie der französischen Tradition. Die précieux und die barocken Dichter werden immer niedrig eingestuft: Saint-Amant zum Beispiel unter Racan und Maynard. Eitelkeit und schlechter Geschmack seien Saint-Amants Laster wie auch die Laster seiner Zeit. 1 2 6 Sainte-Beuve glaubt nicht ganz, daß »enfin Malherbe vint«, da Malherbe nur ein Reformer im Kielwasser der Revolution gewesen sei, die Ronsard durchgeführt habe. 127 Sainte-Beuve erkennt Malherbes Beschränktheit und beklagt seine negative Seite, seine Ablehnung der Vergangenheit; dennoch wird er v o n SainteBeuve in zwei späten Schriften als großer Dichter gelobt. »Sogar in seiner D ü r f tigkeit und in seinem Mangel an Stoff bleibt er immer erhaben und hat Augenblicke vollkommener und überwältigender Eleganz.«128 Er leite das Zeitalter Ludwigs X I V . ein, das für Sainte-Beuve das größte Zeitalter der französischen Literatur und sogar der Literatur überhaupt bleibt — vielleicht mit Ausnahme des Augustinischen Zeitalters Roms. (Shakespeare wird abgesondert als »der größte der natürlichen Dichter«, 129 und die Deutschen könnten ungeachtet Goethes keine Klassiker hervorbringen.) Selbst Sainte-Beuves erste Artikel in der Revue de Paris, die als Angriff auf die französischen Klassiker interpretiert wurden, stellen kaum mehr dar als großmütige Würdigungen v o n einem neuen Standpunkt aus. In dem Essay über Boileau (1829) beklagt er dessen mangelhaftes Empfinden für die Natur und lehnt L'Art poétique als einen »ungültig gewordenen Dichtungskodex« ab; aber immer noch folgert Sainte-Beuve, daß »Boileau ein

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vernünftiger und edler Geist ist, elegant und scharf, nicht sehr fruchtbar, von einer angenehmen Schroffheit, der beflissen die Regeln des echten Geschmacks befolgt und gute Verse schreibt.«130 Die frühen Essays über Racine müssen uns wegen ihres überschwenglichen Lobes in Erstaunen versetzen, obwohl Sainte-Beuve eine seltsame Neubewertung versucht, die von der romantischen Betonung des Lyrischen und von dem versteckten Wunsch inspiriert ist, die rein auf ihrem dramatischen Charakter beruhende Autorität der klassischen französischen Tragödie herabzusetzen. Racine wird in einen elegischen und frommen Sänger umgedeutet, seine reine Poesie wird seinem Drama vorgezogen. Nach Athalie habe Racine »die persönlichen zarten, leidenschaftlichen und glühenden Gefühle« 131 , die er wirklich empfunden habe, nicht mehr ausgedrückt. Sainte-Beuve erhebt gegen das dramatische System Einspruch, das in jener Zeit dem Theater immer noch aufgezwungen wurde. Er vermißt Lokalkolorit und griechische Lebensart in Phèdre, in Britanniens die römische Lebensart. Racines Tragödienform bewirke eine kühne und etwas trockene Vereinfachung des Bildes. Offenbar hatte Sainte-Beuve den Gegensatz zum romantischen Drama, zu seinem Lokalkolorit, seiner Vielfalt und Freiheit im Sinn. Später widerrief er diese Auffassung ausdrücklich: »Ach, ich selbst behauptete einmal, daß Racine besser für die Elegie oder die Lyrik geeignet sei als für das Drama.« 132 Und er änderte seine Ansicht über Boileau genügend, um, wie wir gesehen haben, dessen große Rolle als Kritiker anzuerkennen. Sainte-Beuves negative Kritik des Neoklassizismus richtete sich lediglich gegen die bloßen Nachahmer und Schlachtenbummler der Klassik im 18. Jahrhundert. Der Essay über Jean-Baptiste Rousseau (1829) schädigte Rousseaus Ansehen so empfindlich, daß es sich nie davon erholte. Der Essay ist vom Standpunkt des romantischen lyrischen Subjektivismus aus geschrieben. »Der lyrische Dichter ist eine nackte Seele, die auszieht und inmitten der Welt singt«, er erschaffe eine »Welt für sich, eine poetische Welt von Gefühlen und Ideen«. Nichts von all dem gebe es bei Jean-Baptiste Rousseau. Er besitze kein Genie, habe einen kleinlichen Geist, und alles bei ihm sei Handwerk. »Er war der am wenigsten lyrische von allen Menschen in der unlyrischsten aller Zeiten.« 133 Seine allegorischen Oden seien barock, metaphysisch, sophistisch, trocken und unentwirrbar. Ähnlich scharf sind Sainte-Beuves Urteile über einige der letzten Dichter der neoklassizistischen Tradition, wie etwa Delille und Parny. Noch 1837 greift Sainte-Beuve Delille an, da er »weder Kunst noch poetischen Stil« habe und verspätet in eine verbrauchte Tradition eintrete.134 Unter den Dichtern des 18. Jahrhunderts erregt Chénier die Bewunderung SainteBeuves. Mehr als jeder andere Kritiker trug Sainte Beuve dazu bei, Chéniers R u f zu begründen (seine Gedichte wurden erst 1819 veröffentlicht) und seinen Zeitgenossen die Ansicht einzuprägen, zwischen Chénier und den Romantikern bestehe ein innerer Zusammenhang, Chénier habe »die Dichtung der Zukunft offenbart und eine neue Lyra in die Welt gebracht«.135 Sainte-Beuve, so scheint es heute, überschätzte bei weitem Chéniers technische Neuerungen und überbe-

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wertete den elegischen gegenüber dem erotischen Ton beträchtlich. Doch wenigstens anfänglich zog Sainte-Beuve für die Romantik in den Kampf. Unter den Dichtern galt seine frühe Liebe Lamartine. Méditations poétiques (1820) bedeuteten eine Offenbarung für ihn: »Man ging plötzlich von einer trockenen, mageren, dürftigen Poesie ü b e r . . . zu einer großen, wahrhaft geistigen, reichen, erhabenen und ganz und gar göttlichen Poesie.«136 In einem langen Essay (1832) zollt er begeistert seinen Tribut: als Zeichen seiner Liebe und Verehrung verfällt er in Verse. 137 Die Besprechung von Jocelyn (1835) konnte kaum günstiger ausfallen. Sainte-Beuve strengt sich an, das Gedicht in die Tradition der idyllischen Poesie zu stellen und sein Wissen von Coleridges Genrebildern und Wordsworths beschreibenden Gedichten für sein Lob von Lamartines alpinem Melodrama fruchtbar zu machen. 138 Doch seine Enttäuschung über Lamartine wird in der Besprechung von Recueillements poétiques (1839) deutlich: sie zeigt Unzufriedenheit mit seiner Poesie, die nach Sainte-Beuves Meinung dem Einfluß Hugos erlegen sei, und sie kritisiert besonders die Einleitung, in welcher der Dichter sein frühes Werk herabzusetzen scheine und laut seine politischen und philanthropischen Vorurteile verkünde. 139 Die späteren Lundis enthalten wegen schlechten Geschmacks und fehlerhaften Stils beißende Angriffe auf Lamartines Les Confidences und wegen der erfundenen Liebesgeschichte auf seinen Raphael.140 SainteBeuve besprach Lamartines Geschichte der Restauration mit vernichtendem Witz 1 4 1 und verteidigte später La Fontaine gegen Lamartines geringschätzige Bemerkungen: »Lamartine blickt gewöhnlich zu dem Engel hinauf; und La Fontaine vergißt nie, obwohl er die Tiere auf die Ebene des Menschen emporzuheben scheint, daß der Mensch nichts ist als das erste unter den Lebewesen.« Lamartines Poesie sei »edel, erhaben, vergeistigt und wohlklingend, aber verschwommen«. 1 « Lemartine ignorant, qui ne sait que son âme.143. Diese Reaktion ist zweifellos von seiner Abneigung gegen Lamartines politische Laufbahn beeinflußt, aber Sainte-Beuve hatte auch das Gefühl, von einer Krankheit genesen zu sein — der romantischen Melancholie, die von Lamartine und den ihm geistig Verwandten herrührte. Doch untersucht man Sainte-Beuves Geschmack hinsichtlich der Dichtung des 19. Jahrhunderts, so fragt man sich, ob diese Genesung vollständig war. Seine Beziehung zu Hugo ist ohne die Kenntnis der biographischen Fakten kaum verständlich. Seine Liebesaffäre mit Adèle hatte eine Entfremdung zwischen beiden zur Folge und im späteren Leben schwieg er sowohl aus persönlichen als auch aus politischen Gründen über Hugo. Er schrieb weder über Hugos Dramen (er kümmerte sich sowieso nie um das Theater) noch über seine späteren Romane und Gedichtsammlungen nach 1835. Obwohl Sainte-Beuve eine Zeitlang Hugos »Herold« war und seine Dichtung übertrieben lobte, kann man nicht sagen, er sei selbst ganz zu Anfang unkritisch gewesen. In seiner frühen Besprechnug der Odes et Ballades (1827) räumt er ein, daß Hugo seine Kraft mißbrauche, die

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antithetische Form übertreibe und das Bizarre und Kindische nicht vermeiden könne. In seinem Streben nach einem Ideal mute er sich zu viel zu. 144 Nach dem Zeitraum, in welchem Sainte-Beuve deutlich seinem und ihrem Zauber erlegen war, begann er sich öffentlich über Hugos Eitelkeit und seinen Mangel an Ehrfurcht zu beklagen. Noch nach dem Bruch bewahrte er seine Bewunderung für Hugos Genie, sah in ihm aber immer mehr eine rohe Kraft, einen Zyklopen, »einen Caliban, der vorgibt, Shakespeare zu sein«, einen barbarischen Titan, 14 ' der in Sainte-Beuves Bild von der französischen Dekadenz paßte. Beinahe ebenso unglückselig gestalteten sich die Beziehungen zu Vigny. Nach einer etwas distanzierten Freundschaft entwickelte Sainte-Beuve gegen ihn als Akademiekollegen eine Abneigung. Schon 1826 kritisierte er Cinq Mars, weil darin die historische Wahrheit verletzt werde, und sein Lob der Gedichte war voller Vorbehalte. Die Prosa erschien ihm gänzlich irreal.146 Später wird der Ton seiner Kritik (wenn auch kaum ihr tatsächlicher Inhalt) offenkundig herabsetzend. Vignys Poesie sei »wie Alabaster, kunstvoll gearbeitet, aber blaß und farblos: weder Leben noch Blut zirkulieren in ihr«.147 Der Nachruf entschädigt etwas, verwahrt sich aber immer noch gegen Vignys aristokratische Pose, seine historisch falschen Schilderungen und reitet höchst ausführlich auf Vignys weitschweifiger Rede herum, die er anläßlich seiner Aufnahme in die Akademie hielt. Sogar Les Destinées ist, sicherlich zu Unrecht, in Sainte-Beuves Augen ein »gründlich vorangetriebener Niedergang«, obwohl er dann wieder einige Stücke, wie »La Colère de Samson«, sehr bewundert. 149 Persönliche Abneigung gegen den Menschen und sein großartiges Getue machten Sainte-Beuve übermäßig kritisch gegenüber seiner dichterischen Leistung, besonders, wenn man Sainte-Beuves Distanziertheit mit dem Lob vergleicht, das er an viele unbedeutende zeitgenössische Dichter — und besonders Dichterinnen wie zum Beispiel Madame Desbordes-Valmore verschwendete. Den bemerkenswertesten Fall stellt Béranger dar, selbst wenn man bedenkt, daß Béranger von Goethe und vielen anderen in einem Ton gepriesen wurde, der heute unbegreiflich scheint. Selbst in einem späteren, mit seinem Lob etwas zurückhaltenderen Artikel stellt Sainte-Beuve Béranger auf eine Stufe mit Dichtern zweiten Ranges wie Bums, Horaz und La Fontaine.149 Die richtige politische Tendenz machte für Sainte-Beuve vieles verzeihlich, und stärker als wir bewunderte er wohl auch den Bruch mit der französischen Tradition der Alexandrinischen Rhetorik. Das chanson selbst — volkstümliche, singbare Poesie, die in der französischen Tradition lange fehlte — war für Sainte-Beuve und sein Zeitalter von übergroßem Reiz. Er wiederholte nur die allgemeine Meinung, als er 1842 Béranger mit Lamartine und Hugo als die größten Dichter des Zeitalters auf eine Stufe stellte.50 Konfrontiert mit jüngeren Männern und Rivalen reagierte Sainte-Beuve immer kühler. Aufrichtig begrüßte er Musset, obwohl er die Mängel von Une Confession d'un enfant du siècle ganz klar erkannte.151 In dem Nachruf ist der Ton

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der Trauer über ein vergeudetes Leben, vielleicht allzu hörbar. Aber Sainte-Beuve wußte zu gut über Mussets Lebensweise und den Verfall während seiner letzten Jahre Bescheid.152 Vor allem bewunderte er die vier Nuits, denn seine Bewunderung elegischer und melancholischer Dichtung ließ nie nach, dagegen blieb er den Komödien gegenüber gleichgültig. Gautier scheint ihn zumindest in den früheren Jahren nicht sehr interessiert zu haben. In seiner Besprechung von Les Grotesques weist er auf sachliche Fehler hin und bedauert den Versuch Gautiers, die Dichter des Zeitalter Ludwigs XIII. zu rehabilitieren.153 Eine weitere Besprechung greift die Doktrin des l'art pour l'art an, sein ausschließliches Interesse an Farbe und Bild, »die übertriebene Kunst, in der die Form den Inhalt übersteigt und ihn so merkwürdig aufhebt«.154 Aber man muß hinzufügen, daß SainteBeuve immer eine rein didaktische, utilitaristische Haltung gegenüber der Kunst verwarf, selbst wenn er ihre gesellschaftliche Funktion anerkannte.155 Die drei späteren Essays über Gautier (1863) geben einen geschlosseneren und wohlwollenderen Überblick über dessen Werk, doch vermitteln sie den Eindruck, als fehle Gautier jede Tiefe und als bestünden seine Vorzüge in einem bloß oberflächlichen Zauber, den Sainte-Beuve inzwischen höher bewerte. Gautiers neues und bestes Buch Les Emaux et Camées wird lediglich nebenbei gelobt.156 Sainte-Beuves Kritik an den Romantikern, wenn auch zunehmend weniger wohlwollend, scheint im Wesentlichen richtig, wenn wir die zeitliche Perspektive und die engen Verbindungen berücksichtigen, die er mit fast allen von ihnen unterhielt. Ganz zu Recht betonte er, daß seine Abkehr von der Romantik nicht vollkommen war. In einem Essay über Banville unterscheidet er drei Untertypen dessen, was üblicherweise »Romantik« genannt wird. Er behandelt zunächst diejenigen, die die ganze Literatur von den herkömmlichen Regeln befreien wollten: Madame de Staël und ihr Kreis (Fauriel eingeschlossen). Anschließend spricht er von denen, die man für Hellenisten halten könnte, die sich nach Griechenland richteten und jetzt klassisch erscheinen mögen, die aber nicht ohne Berechtigung auch »romantisch« genannt werden: Chénier und Chateaubriand. Dieser liebte zwar die jüngeren Romantiker nicht, war aber »selbst ein großer Romantiker in dem Sinne, daß er auf die unmittelbare Eingebung griechischer Schönheit zurückgekommen war, und auch in dem weiteren Sinne, daß er mit René eine völlig neue Ader des Traums und der poetischen Emotion geöffnet hatte.« Schließlich gebe es die eigentlichen Romantiker, die Schule, an deren Spitze Victor Hugo stehe, der die Dichtung auf den verschiedenen Erscheinungsformen und Arten der freien und persönlichen Inspiration neu begründet habe. Gautier repräsentiere mit seiner Betonung des Sehens eine Richtung und Vigny mit seinen geistigen Bestrebungen eine andere. Sainte-Beuve bejaht die allgemeine Tendenz der Romantik, ihren Versuch, der französischen Dichtung Wahrheit, Natur und sogar Familiarität zurückzugeben. Er überlegt: »Denken wir doch an die moderne lyrische Dichtung, die in England von Kirke White über Byron und die Lake Poets zu Keats und Tennyson, in Deutschland von Bürger über Goethe

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zu Uhland und Rückert reicht und fragen wir uns doch, welche Rolle wir und unsere Literatur bei diesem Vergleich mit so vielen fremden modernen Reichtümern spielen würden, wenn wir nicht unsere Poesie hätten, gerade die poetische Schule, die so sehr angegriffen w i r d . . . Man stelle sich vor, sie fehlte; welch eine Lücke!« 157 Der kritische Scharfblick Sainte-Beuves läßt beträchtlich nach, wenn er sich mit seinen jüngeren Zeitgenossen und den neuzeitlichen Romanschriftstellern befassen muß, die wir heute am meisten schätzen: mit Stendhal, Balzac, Flaubert und Baudelaire. Während ihm der Literaturkritiker Stendhal gefiel, hielt SainteBeuve wenig v o n ihm als Romanschriftsteller. Seine Mängel als Romancier schienen ihm daraus zu folgen, daß er »zu dieser Art des Schreibens auf dem W e g e über die Kritik und bestimmte ältere und vorgefaßte Ideen gekommen war.«158 Seine Charaktere seien keine lebenden menschlichen Wesen, sondern sinnreich konstruierte Gliederpuppen. Julien in Le Rouge et le noir sei nur ein widerliches kleines Ungeheuer, ein Robespierre gleichender Verbrecher. Das Bild der Parteien und Machenschaften der Zeit werde ohne Ordnung und M a ß entwickelt, was allein den Eindruck eines getreuen Abbildes der Sitten und Gebräuche gewährleisten würde. La Chartreuse de Parme sei wegen seiner bezaubernden frühen Partien Stendhals bester Roman. In seinem oberflächlichen und gewöhnlichen Wesen gleiche Fabrice dagegen immer einem Tier, das von seinen Trieben beherrscht werde oder einem verwöhnten Kind, das sich seinen Launen überlasse. Er besitze keine Moral, keinen Grundsatz v o n Ehre. Seine abenteuerliche Flucht und ihre Konsequenzen wären unbegreiflich, wollte man nach O r d nung und Wahrscheinlichkeit in der Geschichte suchen. V o m Anfang bis zum Ende (vom Beginn abgesehen) stelle der R o m a n kaum mehr als »eine geistreiche italienische Maskerade« dar. Sainte-Beuve verlangt eine Portion Vernunft, gesunden Empfindens und echter Einfachheit, die man in I Promessi sposi oder in jedem guten R o m a n v o n Walter Scott finden könne. 159 N o c h nachdrücklicher wiederholt er sein Urteil in einem Essay über Taine' 60 und in einem Artikel über die Souvenirs v o n Delecluze. In beiden schränkt er auch sein Lob des Literaturkritikers Stendhal beträchtlich ein. »Stendhal entthront die menschliche Einbildungskraft. Aus Abneigung gegen täuschenden Glanz verachtet er die Herrlichkeiten der W e l t und die unbestrittene Größe der Leidenschaft, der Einbildungskraft und Beredsamkeit.« 161 Der Romantiker in Sainte-Beuve protestiert gegen den Sensualisten und Hedonisten des 18. Jahrhunderts. Der Klassizist in ihm besteht auf Einheit, Kohärenz und Wahrscheinlichkeit und protestiert gegen Stendhals schlecht konzipierte Romane. Man kann zwar nicht umhin, die Berechtigung einiger Ansichten Sainte-Beuves anzuerkennen, insgesamt aber muß man zugeben, daß er die Originalität Stendhals, die Schärfe seiner Psychologie und selbst das Unkonventionelle seiner Romankunst nicht erkannte. Balzac erschien Sainte-Beuve zunächst als ein Sensationsschriftsteller v o m Format eines Sue oder Soulie, und er änderte diese Meinung nie ganz. Sein endgültiges

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Urteil über Balzac ist unverkennbar von einem persönlichen Konflikt beeinflußt. Sein erster Kommentar über Balzac, eine Besprechung von La Recherche de l'absolu (1834) beurteilt den neuen Roman selbst günstig und erwähnt Eugénie Grandet als Balzacs bestes Buch. 162 Aber der allgemeine Akzent des Artikels liegt auf Balzac als einem Modeschriftsteller für Frauen. Sein R u f wird seiner Kenntnis des weiblichen Geschlechts zugeschrieben, seiner Physiologie du mariage. Balzac habe sich selber als intimen Tröster, als Beichtvater eingeführt, der auch so etwas wie ein Arzt sei. Geringschätzig erwähnt Sainte-Beuve auch seine okkulten Neigungen und spielt mehrmals auf seine lasziven, drolatique Vorlieben an. Er zitiert einen anonymen Freund (Ampère) : »So oft ich gewisse Dinge (bei Balzac) lese, möchte ich meine Hände waschen und meine Kleider abbürsten.«16' Die Aufmerksamkeit, die Sainte-Beuve Balzacs frühen Brotarbeiten widmet, muß den letzteren noch weit mehr aufgebracht haben. In dem bekannten Artikel »De la Littérature industrielle« (1839) verspottet Sainte-Beuve wenig später Balzac wegen seines Vorschlages, die Regierung solle die Werke der zehn oder zwölf literarischen »Marschälle Frankreichs« kaufen, angefangen mit den eigenen Werken Balzacs, der »seine Schriften auf zwei Millionen schätzt, wenn ich ihn richtig verstehe«.164 Balzac rächte sich und besprach den ersten Band von Port Royal höchst geringschätzig. Sainte-Beuve wartete zwanzig Jahre, bevor er seine Besprechung im Anhang (1860) der endgültigen Ausgabe wieder abdruckte, und kommentierte nicht zu Unrecht, Balzac habe kein Recht gehabt, das Buch zu beurteilen, da er nichts vom Christentum und vom 17. Jahrhundert verstand, er habe viele grobe Fehler begangen und sich im allgemeinen wie ein Scharlatan aufgeführt. Er geht zum Gegenangriff über und nennt Balzac mehr ein Monstrum als ein Genie, einen Zwitter aus großem Geist und großem Possenreißer. Sein Mangel an Maß, seine grobe Perspektive und seine Wahnvorstellungen hätten eine gewisse Grenze überschritten. Er habe nicht bloß die Laster seiner Gesellschaft geschildert, er habe sie zu positiv dargestellt.165 Es ist überraschend, daß SainteBeuve von Balzacs Schwester gebeten wurde, sich als einer der vier Bahrtuchhalter bei dessen Begräbnis zur Verfügung zu stellen (die anderen waren Hugo, Dumas und der Erziehungsminister) und daß er freundschaftlich die Schwester befragte, bevor er als Nachruf einen Essay schrieb.166 Obwohl er Balzacs Bedeutung kaum richtig einschätzt, ist dieser Essay 167 im Ton sehr viel milder und gerechter im Gehalt. Sainte-Beuve nennt ihn jetzt »den möglicherweise originellsten, fähigsten und scharfsinnigsten« Sittenmaler. Er lobt seine Charakterisierungskunst und sogar seinen feinen, subtilen, malerischen Stil. Eugenie Grandet, wiederholt er, werde bleiben. Aber sonst betont der Aufsatz viele Punkte, die SainteBeuve schon vorher unterstrichen hatte: der Schlüssel zu Balzacs Erfolg liege darin, daß er, besonders in La Femme de trente ans, auf die Wünsche seines weiblichen Publikums eingehe. Balzac atme köstliche Verderbtheit, sein Stil sei völlig asiatisch. Seine Handlungen erschienen häufig schwach, übertrieben, verworren.

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Es bedeutet genaugenommen kein Lob, wenn Sainte-Beuve Chasles Worte (später im Titel eines Buches über Balzac wieder aufgenommen) akzeptiert, Balzac sei eher ein Seher, ein »Visionär« gewesen denn ein Beobachter und Analytiker. Trunken von seinem Werk habe er seine Welt halb beobachtet und halb erschaffen. Dauernd habe er seine Muse angetrieben auf die Kritik nicht geachtet. Schließlich erhebt Sainte-Beuve Einwände gegen Cousine Bette wegen des übertrieben schwarzen Bildes von der menschlichen Natur. Die Heldin sei ein richtiger Jago oder R i chard III., eine monströse Verbrecherin. »Das kommt so im Leben nicht vor«, ist eine beliebte Redensart des späteren Sainte-Beuve, der immer mehr auf den Maßstäben der Wahrscheinlichkeit und Normalität bestand. Gegen Schluß wird Balzac unterhalb von George Sand eingereiht, die nach Sainte-Beuves Meinung »als Schriftstellerin größer, unfehlbarer und beständiger« sei. »Ihr Ausdruck ist nie unsicher.« Vermutlich erscheint ihm selbst Sue »was Erfindung, Fruchtbarkeit und Komposition betrifft Balzac gleichwertig.« Doch »kann er nicht so gut schreiben wie Balzac.«168 Eine Zeitlang fürchtete Sainte-Beuve dann, er habe Balzac nicht richtig gewürdigt und sich in seinem Urteil geirrt. Aber spätere Äußerungen wie auch Berichte über Sainte-Beuves Gespräche zeigen, daß er seine Meinung nicht wirklich geändert hatte. 1866 bedauert er, daß Sue und Soulie verschwunden seien, wie von Balzac verschluckt.169 Sainte-Beuves Verhältnis zu Flaubert war glücklicher. Der Artikel über Madame Bovary, damals wegen seiner Unsittlichkeit angegriffen, mutet uns eher schüchtern und lauwarm an. Sainte-Beuve lobt den Roman als ein »konsequentes, überlegtes Buch, in dem alles zusammenhält und nichts dem Zufall der Feder überlassen wird.« Es habe Stil, sogar ein wenig zu viel Stil für seinen Geschmack. Aber merkwürdig genug, Sainte-Beuve findet, Madame Bovary selbst sei nicht klar dargestellt, und schließlich gibt er zu, es sei Mangel an Sympathie, was er für einen übertrieben kalten und grausamen Realismus hält. Er erhebt Einwände gegen seine »Methode, die darin besteht, alles zu beschreiben und bei allem zu verweilen, auf das er zufällig stößt... Schließlich ist ein Buch nicht die Realität selbst und kann es nicht sein.« Flaubert sei zu trocken und ironisch; der Ton, klagt er, sei nie zärtlich und verständnisvoll und nicht ein einziger Charakter sei gut. In einer sonderbaren Verwechselung von Realität und Fiktion und mit einer Sentimentalität, die in seinen späteren Schriften selten ist, breitet SainteBeuve das Beispiel einer ihm bekannten Dame aus der Provinz aus, die ihr Leben mit Wohltätigkeit ausfüllte und so dem Schicksal Madame Bovarys entging. Während Sainte-Beuve die großen Qualitäten des Buches zugibt — seinen Stil, seinen Entwurf und Aufbau — äußert er seine mangelnde Sympathie gegenüber der neuen naturwissenschaftlichen Literatur. »Flaubert, der Sohn und Bruder hervorragender Ärzte, hält seine Feder wie ein Skalpell. Überall finde ich heutzutage Anatomen und Physiologen.«1''« Nach Sainte-Beuves Rezension sprach Flaubert bei ihm vor und beide schlössen Freundschaft. Aber diese kann schwerlich eng gewesen sein. Als Salammbo

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erschien, setzte die W a h l des Gegenstandes Sainte-Beuve offensichtlich in Erstaunen. Seine drei Essays über das Buch lassen Interesse erkennen, beinahe die Attitüde eines beratenden Vaters. Er hält die ganze Idee des Buches f ü r falsch und kritisiert es bis in Einzelheiten. Zuerst k o m m t er auf die Quelle, auf Polybius, zu sprechen, die einen bloßen Abriß der Handlung gebe und Flauberts Einbildungskraft freien Lauf lasse. Aber Flaubert gebe vor, nichts als das exakte Bild der Zeit zu reproduzieren. Sainte-Beuve zeigt sich nicht überzeugt, erläutert seine moralischen Anachronismen und verweist auf die romantischen Anlehnungen in Flauberts Charakterzeichnung und Darstellung. A m Anfang gleiche Salammbô einer sentimentalen Elvira, die einen Fuß in Sacré-Coeur habe. Sie sei wie eine Schwester Velledas, der Priesterin in Chateaubriands Les Martyrs. Die Landschaften erinnerten an Chateaubriands Itinéraire. Der verliebte Matho, ein afrikanischer Goliath, falle sowohl aus dem Rahmen der Natur wie aus dem der Geschichte. Die geschilderten Zeremonien gleichen freimaurerischen Initiationen. Das Buch sei theatralisch, opernhaft und voll von Absurditäten wie etwa der Szene, in der Salammbô eine Schlange streichle. Die Handlung entbehre beinahe völlig der Logik. Das ganze Buch sei mit guten Vorsätzen gepflastert, verschiedenfarbigen Kieseln gemischt mit kostbaren Steinen. Flaubert habe eine sadistische Phantasie: er häufe Entsetzen über Entsetzen. »Aber unsere Nerven sind keine Seile, und wenn sie genug haben und zu sehr gequetscht und gepeinigt werden, empfinden sie nichts mehr.« Aus Furcht vor Sentimentalität kultiviere Flaubert Greueltaten. 171 Sainte-Beuve kritisiert die Gattung überhaupt. Ein historischer R o m a n setze eine Menge von Informationen, eine Vertrautheit mit moralischen Überlieferungen und eine Affinität zum Gegenstand voraus. Der historische R o m a n werde dem Altertum nicht gerecht. Flauberts Buch sei eher ein roman-poème, eine pastiche, eine tour de force. Es sei Flaubert nicht gelungen, ihm wirkliche Bedeutung und echtes Leben zu geben; er rieche zu sehr nach Ö l und Lampe. Der Autor bringe sich selbst zu sehr ins Spiel; alles sei gekünstelt, schwerfällig und hohl, eine rein abstrakte Kunst, ohne menschliches Mitempfinden. Salammbô selbst interessiere uns letzten Endes gar nicht. Sainte-Beuve argumentiert, die Kunst könne nicht völlig von menschlichem Mitempfinden unabhängig sein und ein Künstler solle etwas uns Ahnliches beschreiben. Er reflektiert über die zeitgenössische Ablehnung von Emotionen. Aus Furcht, ein Gessner oder Greuze oder Fénélon zu sein, werde man ein Wolf, ein Schakal, ein Tiger ; man wolle sich nicht dem Verdacht aussetzen, die Flöte zu spielen. Sainte-Beuve rät allen Realisten: Macht die Dinge nicht besser als sie sind, aber macht sie auch nicht schlechter. Die Wahrheit ist schon in Ordung, aber »eßt nichts Schmutziges«. Er erklärt feierlich, daß er die neuen Realisten persönlich schätze, aber kein Mitglied ihrer Schule werden könne. Er hofft, daß Flaubert zu zeitgenössischen Themen zurückkehren und sich in Zukunft weniger Gedanken über den Stil machen werde. 172 Das Verhältnis zwischen Sainte-Beuve und Baudelaire ist dasjenige eines gönner-

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haften Meisters zu einem begabten aber ungezogenen Schüler. Im Jahre 1857 wurde Baudelaire mit Sainte-Beuve bekannt gemacht und etwas später im selben Jahre bat ihn Baudelaire, etwas über seine Poe-Übersetzungen zu schreiben. Er sandte Sainte-Beuve Les Fleurs du mal und dieser zeigte sich für das Geschenk erkenntlich, indem er Baudelaire selbst einige Überlegungen in den Mund legte, die die Wahl des Gegenstandes erklären sollten. »Ich stelle mir vor, Sie haben zu sich selbst gesagt: .Schön, ich muß Poesie entdecken, und zwar dort, w o niemand bisher versucht hat, sie aufzufinden und zum Ausdruck zu bringen!' Und Sie wählten die Hölle, Sie haben sich selbst in den Teufel versetzt.« Aber Sainte-Beuve warnt ihn: »Sie mißtrauen der Leidenschaft zu sehr, das ist Ihre Theorie. Sie gestatten dem Intellekt, der Kombinationsgabe zu v i e l . . . Fürchten Sie nicht, zu herkömmlich zu sein.« 1 " Als der Sturm über Les Fleurs du mal hereinbrach, verteidigte Sainte-Beuve sie nicht, wie Baudelaire gehofft hatte, sondern schwieg. In einem offenen Brief (Februar 1860) gab er seine Entschuldigungsgründe an: er sei doch letzten Endes der Autor von Port Royal, Professor an der Ecole normale und schreibe für den Moniteur, das offizielle Organ der Regierung.1 74 Als Baudelaire ihm 1860 Les Paradis artificiels sandte, bestätigte Sainte-Beuve höflich den Empfang und bedauerte, nicht mit ihm über dieses »sehr geistreiche, sehr kluge, sehr gebildete Buch« sprechen zu können, denn Baudelaire war damals in Brüssel. 175 Als Baudelaire sich um einen Sitz in der Akademie bewarb, bemerkte Sainte-Beuve in einer Beurteilung der Kandidaten, die Mitglieder der Akademie wüßten wahrscheinlich kaum, daß bemerkenswerte Beispiele von Talent und künstlerischem Können in Les Fleurs du mal verborgen seien und daß es in den Gedichten in Prosa Glanzstücke gebe. Baudelaire hätte »sich selbst einen wunderlichen und geheimnisvollen Pavillon errichtet, in dem man E. A. Poe liest, ausgesuchte Sonnette rezitiert und sich mit Haschisch berauscht, um später darüber zu diskutieren, und in dem man Opium und tausend abscheuliche Drogen aus Tassen exquisiten Porzellans einnimmt. Diesem eigenartigen Pavillon, ausgeführt in kunstvoller Einlegearbeit von einer ausgewogenen und vielschichtigen Originalität, der eine Zeitlang unsere Augen bis auf den äußersten Punkt des romantischen Kamtschatka gelenkt hat, würde ich den Namen ,Baudelaires Torheit' geben.« Aber Sainte-Beuve versicherte den Akademiemitgliedern, dieser seltsame, exzentrische Mann sei »ein höflicher, ehrerbietiger, vorbildlicher Kandidat, ein Gentleman von feiner Sprache und vollendeten Umgangsformen.« 176 Diese Beziehung ist viel und meist für Sainte-Beuve höchst ungünstig kommentiert worden. Man hat daraufhingewiesen, daß Sainte-Beuve ein Feigling gewesen sei, daß er gefürchtet habe, in Baudelaires Augen als Spießer zu erscheinen.177 Eine einfachere Erklärung seines Verhaltens ist die, daß Sainte-Beuve von Les Fleurs du mal oder vielmehr von gewissen Gedichten darin wirklich entsetzt war und sich fürchtete, als öffentlicher Verteidiger der Unmoral angesehen zu werden. Das ist offenbar eher ein menschliches Versagen als das des Kritikers: Sainte-Beuve war nicht für die Rolle des Märtyrers geschaffen und scheute es, zu einem Mittel-

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punkt der Unruhe zu werden. Gleichzeitig muß man zugeben, daß es ein ernsthaftes Versagen seiner Kritik bedeutete, die große Kraft und Originalität der Dichtung Baudelaires zu verkennen, wenn Sainte-Beuve auch einiges Wohlwollen für den Mann und für die Gefühle empfand, die er ausdrückte. SainteBeuve teilte trotz aller Versuche, mit der Zeit Schritt zu halten, das allgemein menschliche Los einer Verhärtung der kritischen Arterien, einer beständigen Abnahme seiner Sympathie für die Jungen und Neuen. Abgesehen von ein paar Abstechern ins klassische Altertum wie zum Beispiel das Buch über Vergil schrieb Sainte-Beuve fast ausschließlich über die französische Literatur. Doch hatte er gelernt, englisch und italienisch zu lesen und kannte sich recht gut in der englischen und italienischen Literatur aus. Gelegentlich kommentierte er deutsche Bücher, die in französischen Übersetzungen zugänglich waren. Von mütterlicher Seite her war er englischer Abstammung und verbrachte im Jahre 1828 einige Zeit in England, lernte aber offensichtlich die Sprache nie gut beherrschen.178 Dennoch hatte er einiges Interesse an englischer Literatur: seine Dichtung zeigt seine Liebe zu Cowper und Wordsworth. Seine Poésie de Joseph Delorme enthält einige Übersetzungen oder Nachdichtungen von Gray, Collins, Wordsworth, Keats und Kirke White. Ohne Zweifel hat er einiges von Jeffrey, Lamb und Hazlitt gelesen und er zitiert aus Coleridges Biographia Literaria. Alles in allem jedoch vermied er es, ausländische Literatur zu besprechen, zum einen, weil er sich seiner Sache und seines Textverständnisses nicht sicher fühlte, und zum anderen, weil es überhaupt nur wenig Gelegenheiten gab, seinem Publikum ausländische Bücher vorzustellen. Die Essays zur englischen Literatur in dem Causeries gehören nicht zu Sainte-Beuves hervorragendsten Leistungen: sie sind unverhohlen deskriptiv und erzählend wie zum Beispiel das Stück über Lord Chesterfield 179 oder die feine und gründlich vorbereitete Darstellung Cowpers, der Sainte-Beuves Ideal einer »Verbindung der Dichtung der Familie und des Heimes mit einer Dichtung der Natur« 180 entsprach. Die Essays über Gibbon, die seine französischen Verbindungen betonen, zeigen weder für den Menschen großes Verständnis noch auch für Absicht und Stil von The Décliné and Fall of the Roman Empire.1*1 Für Kenner der englischen Literatur ist Sainte-Beuve jedoch dann recht interessant, wenn er Pope gegen Taines scharfe Kritik verteidigt. Pope ist seiner Meinung nach Boileau was die Größe seiner Ideen und seinen Sinn für das Malerische betrifft weit überlegen und er schreibt eine vorzügliche Verteidigung von Popes Dichtung. 182 Sainte-Beuve erweist sich als ebenso vortrefflich, wenn er Swift gegen einen heftigen und ziemlich törichten Angriff Saint-Victors in Schutz nimmt. 183 Diese bei weitem nicht vollständige Übersicht über Sainte-Beuves literarische Ansichten reicht doch aus, um seinen Geschmack deutlich zu machen, den man als eine Art romantischen Klassizismus bezeichnen könnte: er orientiert sich vor allem an den Tugenden des Maßes, der Regelmäßigkeit, Ganzheit und des richtigen Gefühls. Ihn langweilt die Leere des späten akademischen Neoklassizismus,

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aber auch Mittelalter und Barock interessieren ihn nicht. Von den Exzessen der Romantik, ihren Ausflügen in das rein Schauerliche und Groteske, das W i d e r wärtige und Niedrige fühlt er sich abgestoßen, bleibt aber im Grunde romantisch mit seiner Liebe zum Elegischen, zur Melancholie, die über den menschlichen Verhältnissen und über der Vergangenheit des Menschen brütet. Er empfindet f ü r den neuen Realismus nur eine gemäßigte Sympathie und möchte, daß dieser das Heftige und Schreckliche, das niederdrückend Häßliche und Obszöne vermeide. Er hatte Einwände gegen Zola und gegen die R o m a n e der Brüder Goncourt und brachte f ü r Balzac kein Wohlwollen auf. Die Anfänge des Symbolismus erlebte er zwar noch, verstand sie aber k a u m : offensichtlich hielt er Les Fleurs du mal nur f ü r eine Kuriosität, f ü r einen späten Ableger der romantischen Poesie jener Art, wie er sie selbst geschrieben hatte. So können wir wenigstens drei widerstreitende Motive im Denken Sainte-Beuves erkennen: ein grundlegend skeptischer und auf Sympathie beruhender Historismus, ein Geschmack, der auf die klassische Tradition zurückgeht, sie aber freizügiger verstanden wissen will, und eine zunehmende Voreingenommenheit gegenüber den neuen naturalistischen, »naturwissenschaftlichen« Methoden, die Literatur zu studieren. W i r können uns vorstellen, w a r u m besonders unser Zeitalter an SainteBeuve nicht mehr interessiert ist. In den englisch sprechenden Nationen wird er wenig gelesen und jahrzehntelang ist keine seiner Schriften in englischer Übersetzung erschienen. Man kann nicht sagen, daß er einen bedeutenden Beitrag zur Literaturtheorie geleistet habe. Sein Historismus ist nur in Frankreich neu oder beinahe neu; sein Naturalismus, mäßig wie er ist, m u ß veraltet erscheinen. Sein Geschmack wird uns sowohl zu konservativ wie auch zu romantisch vorkommen. W i r lieben das Barocke, das Naturalistische und das Symbolistische (oder die meisten von uns lieben eine dieser Stilrichtungen), doch die große lateinischfranzösische Tradition halten wir für eine ausgemachte Sache. Dennoch wird man k a u m leichtfertig über Sainte-Beuve hinweggehen können. Die hohe Bedeutung seines Werkes spricht aus beinahe jeder Seite. Er bedient sich aller Methoden und wendet sie oft auf ganz kleinem R a u m gewandt und geschickt an. Einzig verschwommene Spekulation und starre Systematisierung sind ihm zuwider. Er beginnt mit dem kleinsten Detail und endet mit dem weitesten Ausblick. Nie schrieb Sainte-Beuve eine zusammenhängende Geschichte oder eine Monographie direkt f ü r den Druck. Port Royal k o m m t etwas Derartigem am nächsten, aber die Grundlage dazu bildeten Vorlesungen, die er in Lausanne gehalten hat. Selbst das Tableau stellt nur eine Sammlung v o n Zeitungsartikeln das, und sein Chateaubriand ist eine nahezu unrevidierte Abschrift der in Lüttich gehaltenen Vorlesungen. Daher müssen wir seine Methoden vor allem als die eines Essayisten und gelegentlich als die eines Lehrers beurteilen. Immer hat er das Publikum vor Augen, das er nicht mit technischen Analysen oder systematischen, theoretischen Abhandlungen langweilen kann und will. Innerhalb der Grenzen seiner Spannweite und seiner Intention hat er eine Methode der »BelageJ

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rung des Schriftstellers«184 entwickelt und weiß seine Auffassung kundig zu belegen. So beginnt er manchmal mit den Lieblingsworten eines Schriftstellers. Er reflektiert darüber, daß Madame de Staël sehr häufig das Wort »Leben« benutzte. Ein anderer großer Dichter (Lamartine) spreche ständig von »Harmonie« und von den »Wellen«. Ein weiterer (Hugo) könne nicht umhin, immer wieder auf die Welt der »Riesen« zurückzukommen. Das Motto von Senancour sei »Dauerhaftigkeit« und De Maistre hebe die Wendung »gerade heraus«.185 Gelegentlich, obwohl zugegebenermaßen selten, will Sainte-Beuve einen poetischen Text ganz genau untersuchen. Z u m Beispiel analysiert er ein Gedicht von La Prade und zeigt, daß die Bilder widerspruchsvoll, die Symbole nicht ganz richtig sind. 186 In dem Buch über Chateaubriand unterscheidet er drei Arten und drei Stufen in der Geschichte der Bilder und kann ein Beispiel für das von ihm so genannte »vertikale Bild« anführen. 187 Zuweilen analysiert er ein Stück wie Corneilles Cid188 oder sieht sorgfältig einen Roman wie Salammbô durch. Aber im ganzen gesehen ist seine Methode selten analytisch. Sainte-Beuve wechselt zwischen historischen Konfrontationen, Entwicklungen aus der Geschichte und aus früheren Ereignissen und Darstellungen und Evokationen in impressionistischer Manier. Er wird im Gegensatz zu vielen englischen und französischen Schriftstellern gegen Ende des Jahrhunderts selten in einer Weise malerisch oder metaphorisch wie Hazlitt und Gautier. Lyrische Passagen wie jene, die die Elegie von Chénier beschwört, sind nicht häufig und hauptsächlich auf die frühe Periode beschränkt.189 Sainte-Beuves Methoden sind zu verschiedenartig, als daß sie erschöpfend rubrifiziert werden könnten. Die Reichweite seines Gegenstandes, die Leichtigkeit seiner Behandlung, die Geschicklichkeit seiner Darstellung, die grundlegend zentrale Bedeutung seiner Auffassung der menschlichen Natur und der Literatur, die Verschmelzung der geistigen Strömungen des 19. Jahrhunderts (jedenfalls aller jener, die in Frankreich bekannt waren), die Flexibilität und Beweglichkeit seines Geistes — alles das sollte dazu beitragen, Sainte-Beuves Ansehen wieder zu heben. Man kann die Unzulänglichkeiten seiner Theorie nicht bemänteln, die Betonung von Biographie und Psychologie, auch nicht die Grenzen seines Geschmacks, der vor dem Grotesken, dem Extravaganten und dem tragisch Erhabenen zurückschreckt. Aber Sainte-Beuve ist zu repräsentativ, zu normal im besten Sinne, als daß man ihn je vernachlässigen könnte.

KAPITEL 3

DIE ITALIENISCHE L I T E R A T U R K R I T I K V O N S C A L V I N I BIS T E N C A

In den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts fand der auch in Frankreich, Deutschland und Rußland so auffällige Umschlag zu einer politisch fundierten Literaturkritik seinen vielleicht extremsten Ausdruck in Italien. Die Literatur wird, wenigstens in der Theorie, beinahe vollständig nationalen Zielen untergeordnet. Italien konzentrierte sich so ausschließlich auf die Befreiung und Einigung der Nation, daß auch die Literatur nur im Hinblick auf ihren Beitrag zum risorgimento betrachtet werden konnte. Wie heute war die Nation in zwei Lager gespalten: in das konservativ katholische und das weltlich liberale. Dieselbe Spaltung zeigte sich im Bereich der Literaturkritik zwischen den Nachfolgern Manzonis und Foscolos. Dennoch muß man innerhalb der beiden Lager scharfe Unterschiede machen: Gioberti und Mazzini, zwei Persönlichkeiten, die eine große Rolle in der Geschichte spielten, waren auch hervorragende Literaturkritiker, und überhaupt ist von Standpunkt der Literaturkritik aus gesehen die ganze Periode historisch bedeutsam, weil sie den Boden für De Sanctis vorbereitete, den bedeutendsten italienischen Kritiker des Jahrhunderts. Überreste ausgesprochen romantischer Auffassungen gab es in Italien ziemlich selten. Kaum jemand kannte zu seiner Zeit Giovita Scalvini (1791—1843), der ein paar Artikel in der Biblioteca Italiana (1818—20), einen kleinen Essay über Manzoni, Dei Promessi sposi (Lugano 1831) und eine Prosaübersetzung von Goethes Faust (1835) zusammen mit der verifizierten Übertragung einiger lyrischer Gedichte veröffentlicht hatte. Erst im Jahre 1860 erschien endlich eine Auswahl seiner Schriften, und heute hat er einen neuen Herausgeber und glühende Verehrer gefunden. 1 Foscolo war Scalvinis Lehrer: der junge Scalvini erlebte ihn in Brescia und später in London, aber er lehnte sich, zum Teil aus persönlichen Gründen, aber auch wegen seiner philosophischen und kritischen Haltung gegen ihn auf. Scalvini entdeckte die deutsche Philosophie, besonders Schelling und lehnte Foscolo wegen seines Skeptizismus und seines Widerwillens gegen jede Spekulation ab. In einem frühen Essay hatte Scalvini etwas naiv gegen die Selbstmordverzweiflung 5*

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des Jacopo Ortis (1817) argumentiert, doch dann kritisiert er in Anmerkungen zu dem späteren Manuskript den Künstler Foscolo wegen seines klassischen Alexandrinismus. Selbst in »I Sepolcri« vermißt er die Einheit. Es sei nur »eine Fundgrube kleiner Gedichte«. »Da riecht es stark nach Poesie, aber das ist ein künstlicher Geruch.«2 Scalvini tendiert mehr zu Manzoni und Goethe, doch letztlich unzufrieden bleibend wendet er sich selbst von ihnen wieder ab. In seinem schönen Essay über Manzonis I Promessi sposi verteidigt Scalvini den Roman gegen den Vorwurf, er imitiere Scott, indem er sich auf seinen Begriff der »inneren Form« beruft, auf die »Idee«, die »Seele«, die von der Scotts vollkommen verschieden sei. Nur die äußere Form des historischen Romans sei übernommen worden, aber wie man nichts dagegen sagen könne, daß Sophokles auch nach Äschylus noch Tragödien geschrieben und Raphael nach Leonardo noch gemalt habe, so gebe es auch keinen Einwand dagegen, daß Manzoni nach Scott einen historischen Roman geschrieben habe. Scalvini verteidigt die Wahl einfacher Hauptpersonen in einer Zeit der Dekadenz, Stagnation, Fremdherrschaft und Pest in Italien als Parallele und Kontrast zu Manzonis eigener Zeit, womit stillschweigend eine Lektion in Patriotismus gegeben werde. Dennoch sieht Scalvini Manzonis Grenzen. »In seinem Buch ist etwas streng Einfaches und sogar Einförmiges, etwas, das unbarmherzig auf ein Ziel zutreibt: du hast nicht das Gefühl, frei in der ungeheuer vielfältigen moralischen Welt umherzuschweifen; du bemerkst oft, daß du dich nicht unter dem mächtigen Himmelsgewölbe befindest, das alle die verschiedenen Kreaturen bedeckt, sondern du glaubst eher, unter dem Gewölbe einer Kirche zu sein, das sich über die Gläubigen und die Altäre spannt.«3 Freier atmet Scalvini in der Welt Ariostos, Byrons und Goethes. Er bewunderte Goethe als den größten Künstler und versuchte Faust zu charakterisieren, indem er etwa die plötzlichen Wechsel und raschen Übergänge hervorhob, die doch kein Gefühl von Zusammenhanglosigkeit aufkommen ließen. Schließlich jedoch wurde Goethe auch für ihn wie für Heine und viele andere zum Repräsentanten einer vergangenen Periode reiner Kunst, einer in sich selbst ruhenden Welt. »Die Kunst darf nicht einem Universum gleichen, das von der Notwendigkei regiert wird«, überlegt Scalvini, »sondern muß die Menschheit, das Leben des Menschen abbilden. Die Freiheit ist das Fundament der Kunst. Die Kunst entspringt aus dem L e b e n ! . . . Die Kunst muß der Verbesserung des Menschen dienen.«'' Diese endgültige Wendung zum »Leben«, zur Nützlichkeit hin, widerspricht jedoch den ästhetischen Spekulationen, denen sich Scalvini vorher gewidmet hatte. Es klingt wie Schelling, wenn Scalvini sagt, daß »in der Kunst die Idee aus dem dunklen Schoß des Unendlichen hervorgeht, ohne etwas von ihrer Universalität zu verlieren«, oder wenn er sich als einziger unter den Italienern der Zeit des SymbolbegrifFes bedient und ihn von der Allegorie unterscheidet. Wenn der Kritiker Kunstwerke als Symbole interpretiere, erklärt Scalvini, so entdecke er Aspekte, die dem Künstler selbst verborgen gewesen sein mögen. Der Bildhauer, der die Laokoon-Gruppe geschaffen habe, habe sich nicht alles

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das vorstellen können, was Lessing in ihr gesehen habe, und ebenso haben die ersten Dichter nichts von Herders tiefsinnigen Erörterungen über primitive Poesie gewußt. U m urteilen zu können, brauche man Vergleichsmöglichkeiten. »Vergrößern sich diese, so wächst auch das Urteilsvermögen.« Neue Seiten der Wahrheit würden sichtbar, wenn uns die Wahrheit auch nicht vollständig zu irgendeiner Zeit oder an irgendeinem Ort enthüllt werde. 5 Obwohl Scalvinis Werk Fragment geblieben ist und oft nur wiedergibt, was er an deutscher Literatur gelesen hatte, so zeigt es doch Verständnis für die romatischen Lehren und eine zu seiner Zeit in Italien sehr seltene, hochentwicklete, erfolglose und unbefriedigte Sensibilität. Der Kontrast zu Vincenco Gioberti (1801—52) könnte kaum stärker sein. Ein selbstbewußter, flüssiger Redner, ein systematischer Denker, ein Premierminister und Priester scheint er das andere Extrem zu dem gescheiterten und vertriebenen Scalvini zu sein. Aber in der Ästhetik lassen sich bei Gioberti dieselben Affinitäten zu Kant, Schelling und der Gebrüdern Schlegel feststellen. Dieses deutsche idealistische Denken widerspricht jedoch Giobertis katholischer Erziehung. Seine Abhandlung Del Bello (1841) ist eine seltsame Mischung aus einem ontologischen Absolutismus, der die Existenz einer in der Natur geofFenbarten »absoluten Schönheit« proklamiert, und einer psychologischen Ästhetik der Einbildungskraft. Die Leitmotive der gesamten Geistesgeschichte scheinen sich hier zu treffen. Schafe und Löwen, St. Thomas, Malebranche, Thomas Reid, Kant, Schelling, Hegel und Cousin finden sich einträchtig nebeneinander. Nur wenig ist is diesem Buch für die Literatur relevant, aber Giobertis Versuch, Kants ästhetische Theorien (nicht aus der Kritik der Urteilskraft, sondern aus den einleitenden Teilen der Kritik der reinen Vernunft) für eine Klassifikation der Künste fruchtbar zu machen, ist zumindest scharfsinnig; er spricht von »ästhetischer Mathematik« und »ästhetischer Physik«, von einem ästhetischen R a u m und einer ästhetischen Zeit und versteht darunter das die dichterische Personenwelt Umfassende. So ist die strittige Frage der Einheiten beantwortet, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß »die Phantasie der Zuschauer das wahre und einzige Theater ist«, daß die Charaktere nicht außerhalb von Zeit und R a u m stehen, sondern in ihrer eigenen ästhetischen Zeit und ihrem ästhetischen Raum, welche die Phantasie schrankenlos vereinen kann. Susanne Langers »virtuelle« Zeit und »virtueller« R a u m meinen im Wesentlichen dasselbe.6 Die zwei Schlußkapitel von Del Bello skizzieren die Geschichte der Kunst. Die ganze Kunst zerfalle in heterodoxe (das heißt nicht-christliche) und orthodoxe Kunst, womit sie auf einen Gegensatz zwischen Pantheismus einerseits und Reinkarnation sowie christlicher Auffassung von der Schöpfung und der Inkarnation andererseits zurückgeführt wird. Christus sei der Mittelpunkt, der »Typus« der orthodoxen Kunst, die Jungfrau, Engel und Heilige ihre anderen Sinnbilder. Die Göttliche Komödie sei das vollkommenste Gedicht und Dante repräsentiere den vollendeten Menschen: er »hätte nicht der größte Dichter und Schriftsteller sein können, wenn er nicht auch ein hervorragender Philosoph und Theologe

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gewesen wäre.« Die gängige Auffassung von Dante als einem Politiker sei falsch. »Während das Inferno in gewissem Sinne dem Dichter als ein allegorischer Deckmantel für die Schilderung und Bestrafung seiner verderbten Geburtsstadt dient, die beinahe zu einem Inferno für die Lebenden geworden war, erhebt sich der Genius des großmütigen Vertriebenen zu einer erhabeneren Vorstellung und erkennt in dem Welttheater ein Schattenbild höherer Wahrheiten, indem er die Ordung der immanenten Dinge als Idealtypus der zeitlichen Dinge betrachtet.« Diese Auffassung, welche die ganze Göttliche Komödie regiere und beherrsche, sei konstitutiv für die Verbindung der drei Teile, für die Einheit und Harmonie des ganzen Gedichts.7 Sowohl hier wie auch viel früher in Giobertis Marginalien zu Dante aus den Jahren 1821—23 8 tritt die entschlossen religiöse Interpretation Dantes in den Vordergrund. Dante sei völlig orthodox, catiolicissimo; Dichtung beruhe auf der Religion, sei letztlich Religion, und der größte Dichter sei der Dichter-Philosoph, der Dichter-Priester, der auch heute nötig sei.9 In Del Primato morale e civile degli Italiani (1843) sollen vor allem Dante, »der Prophet der Metaphysik und göttlichen Wissenschaft«, und die Göttliche Komödie, »die universale Genesis der christlichen Literatur und Kunst, in der alle charakteristischen Ansätze der modernen Ästhetik enthalten, eingeschlossen und zuerst entfaltet sind«,10 den Anspruch auf die Überlegenheit der italienischen Literatur rechtfertigen. Es ist ein seltsames Buch, das nicht nur die historische Größe Italiens glühend verteidigt, sondern herablassend allen anderen Nationen rät, Italien als die einzige schöpferische Nation und R o m als den Sitz der geistlichen und weltlichen Macht anzuerkennen. Französisch, räumt Gioberti ein, möge die Sprache für den gesellschaftlichen Verkehr bleiben. Die Deutschen sollten bei ihrer abstrusen Gelehrsamkeit bleiben. England sollte, um sich selbst zu retten, zum Katholizismus übertreten. Die italienischen Schriftsteller werden Religion und Wissenschaft versöhnen, Italien wieder unter der Führerschaft des Papstes zum Kulturträger der Welt und den italienischen Schriftsteller zum Priester in seinem Dienst machen. Doch ist der diesen Anspruch stützende Überblick über die italienische Literatur glücklicherweise kein bloßer Lobgesang, sondern ein kritischer Geschichts-Entwurf. Ariosto erscheint als der große Gegensatz und als Gegengewicht zu Dante. Gioberti erkennt (was angesichts seiner allgemeinen Einstellung überrascht) das Fehlen einer praktischen Absicht bei Ariosto, die Reinheit seiner Kunst und definiert seine zweideutige »süße Irionie« als zwischen Ernst und Gelächter schwebend. 11 »Mit Tasso verstummte die Posaune der italienischen Dichtung . . . schließlich erstarb sie, wie man sagen könnte, singend inmitten der Bühnenrequisiten, auf den Lippen von Virtuosen und Sopranistinnen und unter der Feder eines Kanonikus, des Autors von höfischen Hochzeitsliedern, von Opernarien, eines Dichters, der vom Kaiser bekränzt wurde (Metastasio).«12 Die italienische Literatur sei im Geiste Dantes nur bei Parini und Alfieri wiedererweckt worden. Gioberti sieht in Alfieris Festhalten an den Einheiten keine künstliche Beschränkung, vielmehr harmoniere es mit seinem Charakter: die Klarheit und sogar

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Kühnheit und Schnelligkeit der Handlung passen zu seiner Ungeduld, die keine Verzögerung dulden könne; er möchte sein Ziel ohne Abweichungen auf dem geradesten Wege erreichen.13 Nur zwei moderne Schriftsteller erregen Giobertis Bewunderung: Manzoni, wie leicht zu erraten ist, und Leopardi. Gioberti bewundert Leopardi, den er persönlich gekannt hatte, wegen seiner intensiven, unersättlichen moralischen und religiösen Suche, die, wie Gioberti fühlt, der St. Augustins oder Pascals ähnele, wenn er auch das ganz andere Ergebnis bedauern muß. Er erkennt, daß die »Werke von Leopardi von einer tiefen Melancholie erfüllt sind, von einer stillen und konsequenten Verzweiflung, die dem Leser nicht als eine Krankheit des Herzens, sondern als ein notwendiger Ausdruck des Geistes und als das Wesen eines ganzen Systems erscheint.«14 Die gleiche Aufgeschlossenheit belebt auch Giobertis Urteile über ausländische Schriftsteller, obwohl er gewöhnlich deren Einfluß auf Italien beklagte: angemessen kommentiert er Shakespeare, Moliere, Racine, Milton, Goethe, »den Rousseau der Dichtung und den Schöpfer der Literaturkritik«, Schiller, Madame de Stael und August Wilhelm Schlegel, dessen Vorlesungen Über dramatische Kunst und Literatur »die Literaturkritik und die ganze Ästhetik in großen Schritten vorwärtsgebracht und sogar die Erscheinung dieser Wissenschaften beinahe völlig erneuert« haben. 15 Giobertis Entwurf der Geschichte der italienischen Literatur, in U m rissen De Sanctis antizipierend, hatte großen Einfluß, aber möglicherweise war seine Darstellung von Dante als ein orthodoxer Dichter-Priester und DichterPhilosoph sogar von größerer Bedeutung. Niccolo Tommaseo (1802—74) nimmt einen ähnlich katholisch romantischen Standpunkt ein, unterscheidet sich aber gründlich von Gioberti. Er hat eine weitaus konkretere Beziehung zur Literatur und zum Wort, eine verfeinerte, wenn auch ungleichmäßige Sensibilität, besitzt die verworrene Gelehrsamkeit eines Gelehrten des 17. Jahrhunderts und ist von einem reizbaren, hartherzigen Moralismus, der bei dem sanften und sogar salbungsvollen Gioberti undenkbar wäre: Tommaseo jedoch hat keine systematische Ästhetik geschrieben — sein Dizionario estetico (1840) ist bloß eine Sammlung von Besprechungen, deren Ordnung der alphabetischen Reihenfolge der behandelten Autoren entspricht. Tommaseo war ein erstaunlich produktiver Schriftsteller, der über alle nur möglichen Themen schrieb: seine gesammelten Werke belaufen sich mühelos auf einhundert Bände. Im Bereich der Literaturkritik täuscht diese Fruchtbarkeit jedoch etwas. Viele frühere Bücher hat er später bloß aufpoliert und unter anderem Titel herausgegeben.16 Immerzu wiederholen sich dieselben Argumente. Seine zentrale Theorie besteht in der alten Identifikation des Guten und Schönen, in der Forderung nach der Einheit von Kunst und Glauben, Moral und Ästhetik. »Ein skeptischer Künstler«, heißt es, »ist der unfähigste, der schlechteste, der erbärmlichste Künstler.« Byron sei nur dann ein Dichter, wenn er glaube und hoffe. 17 Leopardi, »vornehm, verzweifelt, wortreich, trauernd und auf gelehrte Weise angeekelt von seinem armseligen Leben«, wird wegen seiner vermeintlichen Begründung des Atheismus

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verspottet: »Es gibt keinen Gott, weil ich ein Buckliger bin; ich bin ein Buckliger, weil es keinen Gott gibt.«18 Foscolos Leben sei eine »peinliche Lüge, eine bittere Komödie, eine boshafte Satire auf seine Zeit und seine Werke« gewesen. Diese und viele andere Schriftsteller scheinen Tommaseo gefährlich, weil sie seiner grundlegenden Überzeugung widersprechen, derzufolge »es ohne Religion keine Dichtung gibt«.19 Deutlich überrage Manzoni seine Zeitgenossen, weil er das italienische Leben und die italienische Literatur erneuert habe. Zunächst wenigstens akzeptierte Tommaseo sogar Manzonis völlige Identifizierung von Dichtung und historischer Wahrheit, und bei der Erörterung von I Promessi sposi vernachlässigte er die fiktive Handlung als ein bloßes Gerüst für die historisch getreue Darstellung des 17. Jahrhunderts. Später gab er jedoch zu, daß das »Eingebildete und Fiktive« im historischen Roman notwendig sei.20 Tommaseos idealer Dichter ist offensichtlich Dante, »der gläubige und daher große Dichter, volkstümlich wegen seines Glaubens«.21 Tommaseo widmete der Göttlichen Komödie einen sorgfältig ausgearbeiteten Kommentar (1837), der zu den besten seiner literaturkritischen Arbeiten zählt. Hier braucht er nicht zu polemisieren, hier kann er sich mit dem Text auseinandersetzen, hier kann er sowohl seine historische und philologische Gelehrsamkeit als auch seinen psychologischen Scharfsinn zeigen. Methodisch weisen seine Kommentare auf De Sanctis voraus — wenn er zum Beispiel das Leiden Francesca da Riminis erläutert, als sie Paolo für eine Liebe büßen sieht, der sie nicht entsagen kann, oder wenn er den seelischen Schmerz Ugolinos über seine Söhne interpretiert, der weit heftiger sei als sein Hunger. Ebenso ist es Tommaseos Verdienst, daß er das Purgatorio und Paradiso nicht nur unter grammatikalischen oder rhetorischen Gesichtspunkten, sondern im Hinblick auf die Harmonie der Szenen und Schauplätze bewundert und detailliert kommentiert hat, wie er auch die charakteristischen Worte beachtete — ihre musikalische Wirkung, ihre Verknüpfung und ihre Implikationen.22 Die Worte der Dichtung — das ist auch der Gegenstand jenes merkwürdigen Briefwechsels zwischen Tommaseo und Gino Capponi (1833), der vor kurzem deshalb Interesse hervorgerufen hat, weil er die Auffassungen Poes oder sogar Valerys vorwegzunehmen scheint. Capponi hatte Tommaseo geschrieben, das Gefühl sei das dichterische Material, wogegen die »materiellen Dinge« des Lebens rechnerisch zu erfassen seien, weshalb die Poesie nur in Fragmenten auftrete und die Epik nur Handwerk sein könne. Tommaseo antwortet zusammenfassend, »Interjektionen sind poetischer als Epen, die einzige uns Sterblichen eigene Dichtung ist die Lyrik«, aber tatsächlich korrigiert er diese Ansicht, wenn er, ich glaube nicht ganz ernsthaft, die Vorstellung entwickelt, daß »der Vers ein Kalkül ist, und der Kalkül ist Gesang und veranlaßt uns zu singen; Arithmetik ist potenzierte Poesie; . . . Poesie ohne Kalkül ist verschwommen, leer oder atheistisch oder Kantisch.« Der nächste Brief an Capponi, in französischer Sprache, ist ein bloßes cappriccio: Poesie, meint Tommaseo, »ist eine vergoldete Wolke; sie ist in dem Herzen, der Kehle, den Armen, der Stimme, auf den Lippen, in dem Lächeln,

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in den Augen, auf der Stirn. Poesie ist Handlung... sie ist das Wort.« 123 Was ein vielversprechender Kontrast zwischen Gefühl und Schlußfolgerung, Gesang und Arithmetik zu sein schien, zerrinnt in Platonische Unbestimmtheit und schließt mit einer Berufung auf das biblische Wort ab. Diese moralischen und linguistischen Leitmotive verbinden sich bei Tommaseo mit einem romantischen Historismus. Tommaseo war der erste Italiener, der Volkslieder nach dem Vorbild der Herderschen Volkslieder sammelte: Canti popolari toscani corsi illirici greci (Venedig 1841—42). Tommaseo, der in Dalmation geboren wurde und in Korfu, Korsika und Florenz lebte, übersetzte und sammelte die Lieder aus erster Hand. Sein ganzes Leben lang hielt er an diesem Ideal der Universalpoesie, der Weltliteratur fest und verfaßte lange Abhandlungen über viele ausländische Schriftsteller: über Goethe und Byron, Rousseau und Schiller, Lamartine und George Sand. Tommaseo gibt Byron vor Goethe den Vorzug, er schätzt den »schwermütigen, ernsten und leidenschaftlichen Zweifel des göttlichen Engländers« mehr als den »kalten und spöttischen Zweifel jenes Höflings« so wie er »einen Menschen einem Schauspieler« vorziehe.24 Byron der Mensch und Goethe der Schauspieler — hier ist die gängige Charakterisierung beider vertauscht. Im französischen Exil lernte Tommaseo viele Literaten kennen und trat eine Zeitlang mit Sainte-Beuve in Verbindung. Der Roman Volupte erregte Tommaseos Interesse, später jedoch griff er ihn an und sah in Sainte-Beuve einen affektierten, kalten und unmoralischen Menschen. 2 ' Tommaseos Historismus bleibt ziemlich episodisch, obwohl er Vico bewunderte und ihn hellsichtig kritisierte, weil er die Zyklen der Zivilisation zu starr begrenze und damit die historische Kontinuität zerstöre. Seine eigenen umfangreichen Essays über Gasparo Gozzi und Pietro Chiari stellen eine Kulturgeschichte Venedigs im 18. Jahrhundert dar und berichten detailliert von literarischen Auseinandersetzungen.26 Aber diese umfassende historische Gelehrsamkeit hat meist keine Beziehung zur literarischen Kritik. Tommaseos beinahe inquisitorischer Moralismus paralysiert seine Einsichten und sein Empfindungsvermögen. Seine Gelehrsamkeit wird am lebendigsten dort, w o er über eine isolierte Passage oder sogar ein einzelnes Wort nachsinnt: »Wenn ich eine metaphysische oder historische Wahrheit von einem philologischen Tatbestand bestätigt sehe, sage ich, dies ist das Siegel der Wahrheit.«27 Tommaseo, der das erste italienische Synonymwörterbuch und ein großes Wörterbuch der italienischen Sprache zusammenstellte, besitzt trotz vieler Fehler einen Sinn für Bedeutungsnuancen, ein Empfinden für die Poesie der Worte, das zu seiner Zeit einzigartig ist. Seine gequälte, bizarre, widersprüchliche Persönlichkeit — die in seinen Briefen, seinem Tagebuch und dem ziemlich abgeschmackten Liebesroman Fede e Bellezza (1840) am deutlichsten hervortritt — spiegelt sich nur in seltenen Augenblicken in der Literaturkritik wider. Was bleibt, ist eher eine Gestalt, sogar eher ein »Charakter« als ein Theoretiker: mehr ein Kommentator und Journalist als ein wirklicher Literaturkritiker. Giuseppe Mazzini (1805—72) steht in klarem Gegensatz zu den katholischen

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Kritikern. Mazzini, der in seinen frühen Jahren und in den Jahren seines Exils in England auch f ü r französische und englische Zeitschriften viele literarische Kritiken schrieb, lebt in einem vollständig anderen geistigen Klima. In seinen Auffassungen von der Funktion der Literatur steht er den Saint-Simonisten und besonders Leroux am nächsten. Mazzini wiederholt sich immer wieder. Es sei Aufgabe der Kritik, die Kunst der Zukunft vorzubereiten, eine neue kollektive Kunst, welche die neue kollektive Gesellschaft widerspiegeln werde. Der Dichter bekleide ein soziales A m t ; er sei der Prophet der Zukunft oder sollte es doch sein. Die glühende Begeisterung, das rhetorische Pathos, die sentimentale Bildlichkeit der Prosa Mazzinis solten nicht über die echte Herausforderung seiner Ansichten und das nicht selten festzustellende Einfühlungsvermögen seiner konkreten Kritik hinwegtäuschen. Mazzini kann mit dem Materialismus und mit dem dauernden Gerede von Gott, der Vorsehung und der Idee nichts anfangen; nach guter romantischer Manier bevorzugt er das Unbestimmte und Unendliche der Dichtung. Tatsächlich aber macht er sich die Auffassung eines streng determistischen, schicksalhaften, notwendigen, gesetzmäßigen Fortschritts zu eigen, der unvermeidlich v o m Zeitalter des Individualismus zum Zeitalter der Kollektivität führe. Der Dichter sei, und daran könne er nichts ändern, Repräsentant seines Zeitalters und die Literatur ein Ausdruck der Gesellschaft; gleichzeitig aber — mit derselben Widersprüchlichkeit, die auch den Marxismus durchziehen wird — fordert er, der Dichter solle nicht nur sein Zeitalter widerspiegeln, sondern auch die Zukunft der Menschheit antizipieren. 28 Mazzinis Evolutionsbegriff ist nicht identisch mit dem der Deutschen, er enthält nichts spezifisch Hegelianisches. Abstrakt, einfach und schematisch k o m m t er eher von Madame de Stael, D e Bonald, den SaintSimonisten und Leroux her. Der Klassizismus sei vergangen und tot. Die Romantik habe nützliche Zerstörungsarbeit geleistet, sei aber im Wesentlichen negativ geblieben. Ihre beiden größten Dichter, Goethe und Byron, seien in Gleichgültigkeit oder Verzweiflung geendet. Frankreich habe den Niedergang der beiden großen romantischen Dichter Lamartine und Hugo erlebt, die mit ihren ersten Werken große Hoffnungen erweckt hatten. Jeder habe sich in seinen eigenen Elfenbeinturm zurückgezogen. Hugo, ursprünglich von der Vorstellung einer Befreiung der menschlichen Persönlichkeit durchdrungen, habe nur einen Glauben zurückbehalten: den Glauben an sich selbst. »Er partikularisiert, trennt und konzentriert das Leben, anstatt es universal zu machen.« »Alles ist festgesetzt, entschieden, versinnlicht.« Sein Kult der Sinnlichkeit, sein Glaube an die Materie, sein literarisches Heidentum werden von der l'art pour l'art-Theorie gefördert, einer »verderblichen Theorie, die für die Kunst verhängnisvoll ist«, weil sie »eine Negation des universalen Lebens und der Einheit« sei.29 Mit Les Feuilles d'automne habe H u g o seinen Höhepunkt erreicht. Von da an habe er besonders in den Dramen nachgelassen. Lamartine habe mit seinen Meditations Hoffnungen geweckt, doch seine Harmonies haben kein anderes Heilmittel anzubieten als passiven orientalischen Pantheismus. Weder Hugo, der objektivere, dramatischere Dichter, noch Lamar-

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tine, der mehr subjektive, lyrischere Dichter entsprechen Mazzinis Erwartungen eines »religiösen Erzieher-Dichters, des Dichters der Zukunft«. Keiner erkenne, daß es nur eine »wahre und heilige Kunst (gibt): die Kunst im Dienste gesellschaftlicher Vervollkommnung«. Es sei eine Frage, schließt Mazzini, wie man die Dichtung definiere, ob mit den Worten Lamartines, »La poésie est un chant intérieur« oder ob mit den Worten Shakespeares, sie sei »the prophétie soul / of the wide world, dreaming on things to come«.30 Die »things to come«, von Mazzini so seltsam verdreht, damit sie seiner Absicht entsprechen, seien kollektive Dichtung. Manchmal versteht er sie als Synthese, als »Enzyklopädie« im romantischen Sinne, zu anderen Zeiten bedeutet sie einfach ein neues Sendungsbewußtsein des Dichters, der mit seiner Gesellschaft versöhnt sein und eine Literatur, eine Poesie der Zukunft hervorrufen würde, mit einer einzigen »Bestimmung«, einem einzigen »Banner«.31 In anderem Zusammenhang lesen wir, die Kunst der Zukunft werde eine neue Art des Dramas sein, eine kollektive Kunst, die eine Auffassung von der Geschichte als eines vorherbestimmten Planes ausdrücken würde. In einem seiner Essays skizziert Mazzini in Umrissen eine Geschichte des Dramas und unterscheidet drei Stufen mit drei repräsentativen Schriftstellern : Äschylus, Shakespeare und Schiller, jeder von einer einzigen Idee beherrscht: entweder von der Idee des Schicksals oder von der der Notwendigkeit oder von der Idee der Vorsehung. 32 Mazzini, der voller Bewunderung Friedrich und August Wilhelm Schlegel gelesen hatte (obwohl er natürlich gegen ihre Vorliebe für Mittelalter und Germanentum Einwände vorbringt 33 ) ist fasziniert von der Schicksalsidee der griechischen Tragödie und sogar eines so schwachen modernen Nachahmers wie Zacharias Werner, dessen Stück Der vierundzwanzigste Februar Mazzini wie das »Fragment eines wiedergefundenen Aschylusdramas« vorkam. 34 Die meisten Vorbehalte hatte er gegen Shakespeare, der für ihn das Drama des Individuums und der Freiheit repräsentierte, in dem die Notwendigkeit unsichtbar sei. »Es gibt keine Sühne (in Shakespeares Dramen), die irgendeinem anderen Individuum nützlich sein und die sich selbst zu der Würde des Opfers erheben könnte.« »Es gibt kein allgemeines Ziel, keinen allgemeinen Fortschritt. Einsamkeit im Leben. Einsamkeit im Tode.« Mazzini zitiert Shakespeare: »Life is a Walking shadow«, als ob damit dessen eigene Weltanschauung zusammengefaßt sei. Die moderne Vorstellung sei die der Vorsehung, wie sie in Schillers Dramen angedeutet werde. Schiller ahne »die Harmonie zwischen dem Individuum und dem gesellschaftlichen Denken, zwischen der Freiheit und den Gesetzen des Universums.«35 Mazzini war ein glühender italienischer Patriot, doch er besaß einen europäischen Horizont. Seine Urteile über die italienische Literatur wurden alle von der politischen Perspektive beherrscht. Alfieri wird als Erzieher Italiens gelobt, der jedoch nicht das Paradies des freien Menschen darstelle, sondern erreichen wolle, daß die Italiener aus Haß gegen die Tyrannei die Freiheit erlangen. Foscolo ist der eine moderne italienische Schriftsteller, dener fast uneingeschränkt bewundert. Mazzini verteidigte ausführlich seine politische Vergangenheit und akzeptierte

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vorbehaltlos seine flammende, leidenschaftliche Persönlichkeit — sicherlich auch aus Sympathie für seinen Leidensgefährten im englischen Exil; er scheint fast eine nationale Legende schaffen zu wollen. Es überrascht nicht, daß Mazzini Leopardi als weitere Stimme der Verzweiflung ablehnte und Manzoni kühl beurteilte. Er kritisierte Manzonis nüchternen Begriff der für den Roman geltenden Tatsachenwahrheit, da er moralische Wahrheit für die einzige Verpflichtung des Dichters h i e l t e In der Vergangenheit ist natürlich Dante überragend. Jede auf Einzelnes beschränkte Interpretation, jeden Versuch, Dante zu einem Katholiken oder Ketzer, zu einem Ghibellinen oder einem Guelfen zu machen, lehnte er ab. Dante sei ein »Christ und ein Italiener«, das »Musterbild einer ganzen Nation, voller Trauer und Größe wie sie selbst«.37 Mazzini begegnete in England Carlyle und war von ihm tief beeindruckt. Später aber enttäuschten ihn sein Skeptizismus und seine Verzweiflung und schließlich fühlte er sich von seiner Inhumanität zurückgestoßen. Carlyle war in Mazzinis Augen von Goethes indifferenter Haltung angesteckt. »Adieu ä Goethe, adieu ä Byron« ruft Mazzini aus, dezidiert entgegen Carlyles Rat, Goethe aufzuschlagen und Byron zuzuklappen. Carlyle hält er Emerson entgegen: es gebe einen universalen Geist, »von dem jeder einzelne Mensch eine weitere Inkarnation ist«, und er wiederholt sein eigenes grundlegendes Glaubensbekenntnis: »Der große, religiöse Gedanke, die stetige Entwicklung der Humanität durch kollektive Arbeit, die einem pädagogischen, von der Vorsehung festgesetzten Plan folgt.«38 Alle Nationen nehmen an diesem großen Plan teil und alle Dichter und Schriftsteller müssen ihm dienen. Mazzini interessierte sich zum Beispiel sehr für die slavische Welt, für Mickiewicz, den er »den größten lebenden Dichter« nannte, für Puschkin und sogar für tschechische Dichtung, die er in John Bowrings Ubersetzungen las.39 Das Ideal Herders der Universalpoesie harmoniert mit dem anti-österreichischen und anti-russischen Liberalismus, das Ideal der Humanität mit dem Wiedererwachen Italiens. Sowohl in der Politik als auch in der Literatur verbindet Mazzini Freiheit und Humanität, Nationalismus und Kollektivismus. Die liberale Version der italienischen Literaturgeschichte, auf die schon Mazzini und vorher Foscolo hindeuteten, wurde in den beiden einflußreichsten Literaturgeschichten des Jahrhunderst ausgearbeitet: in Paolo Emiliani Giudicis Storia delle belle lettere in Italia (1845) und Luigi Settembrinis Lezioni di letteratura italiana (1866—72). Emiliani Giudici (1812—72) kommt das Verdienst zu, die erste erzählende Geschichte der italienischen Literatur geschrieben zu haben, wenn man die früheren französischen Arbeiten von Ginguene und Sismondi ausnimmt. Doch recht fertigt die tatsächliche Leistung nicht seine im »Einleitenden Diskurs« prahlerisch bekundete Überlegenheit über seine Vorgänger. Emiliani Giudici bewundert Foscolo, weil er »die Verschmelzung der politischen und der literarischen Doktrin, die wir von allen Historikern unserer Literatur wünschen«40, erreicht habe, aber von seinem eigenen Buch kann man kaum sagen, es habe dieses Programm verwirklicht. Emiliani Giudici ist vielmehr ein Kompilator, der selten

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kritische Originalität oder Charakterisierungsfähigkeit zeigt. Sein literarisches Glaubensbekenntnis erschöpft sich in einem extremen Klassizismus, von dem aus er gegen ausländische Romantiker und katholische Reaktionäre polemisiert. Aber gleichzeitig übernimmt Emiliani Giudici die romantische Vorstellung, daß Literaturgeschichtsschreibung die Geschichte des nationalen Freiheitsbewußtseins sei. Doch das bleibt pathetisches Schema, während der Hauptteil des Buches nüchterner Berichterstattung gewidmet ist. Luigi Settembrini (1813—77) beschränkt sich sogar auf ein noch einfacheres historisches Schema. Er sieht das Ganze der italienischen Literatur als »einen Kampf der Kirche gegen die zivile Macht, gegen die Kunst, gegen die Wissenschaft, gegen die Freiheit, gegen die Religion selbst.« Malerei, Musik, Architektur wären in Italien von der Kirche abhängig, folglich »Guelfen«, während die Literatur »als Ghibelline viele Anregungen dem Heidentum verdankte, sich gegen die Autorität der Kirche erhob und niemand anderem als der Vernunft gehorchen wollte und schließlich den Skeptizismus zur Vollendung brachte.«41 Die italienische Literatur sei eine Fortsetzung der römischen Literatur; sie sei national und klassisch und bringe Form und Inhalt zur Übereinstimmung. Nach Settembrinis Auffassung ist das Christentum rein destruktiv. Selbst die Liebe des Heiligen Franziskus zum »Bruder Hund, Bruder Wolf, zum Bruder Sonne und zur Schwester Mond« wird entstellt als eine Erniedrigung des Menschen auf die Stufe des Tieres.42 Die Entfernung der Papste nach Avignon liefert wider Chronologie und gesunden Menschenverstand die Erklärung für die Blüte der italienischen Literatur mit Dante, Boccaccio und Petrarca. Die Göttliche Komödie repräsentiere »die Empörung der Vernunft gegen die Autorität«. Boccaccio spiegele die Volksrevolution wider, Petrarcas Heimatlosigkeit und seine zweideutige Stellung als Geistlicher ohne Gelübde seien Zeichen des Antiklcrikalismus.43 Merkwürdigerweise ist Settembrini trotz dieser Schmähschriften, die nur im Zusammenhang mit seiner langjährigen Gefangenschaft in bourbonischen Kerkern verständlich sind, ein besserer Kritiker als Emiliani Giudici. Er besitzt Mut und Geschmack. So bewundert er etwa Petrarcas Africa als einen Versuch, die klassische Nationalpoesie zu erneuern. Ausführlich stellt er dar, daß Marinos Adone eine erweiterte Episode aus Tassos Jerusalem sei, er verteidigt Goldonis scheinbare Oberflächlichkeit und erkennt, daß Foscolos Grazie sein bestes Gedicht ist.44 Settembrinis lebensvolle, »heidnische« Sensibilität verträgt sich nicht mit dem doktrinären Rahmen. Ein Kritiker, Carlo Tenca (1816—83) machte sich an die Aufgabe der Vermittlung von liberalen und katholischen Ansichten. Er überwand diese Spaltung durch sein Verständnis für das Wesen der Kunst und für die versöhnende und besänftigende Kraft des historischen Geistes. Seine frühen Schriften scheinen Tenca deutlich als einen Nachfolger Mazzinis auszuweisen. In einem Aufsatz »Delle condizioni deü'odierna letteratura in Italia« (1846) spielt er diskret auf die Ansichten eines »tapferen Italieners« an und bestimmt die Aufgabe der Kritik mit Mazzinis Worten: sie solle eine neue Literatur vorbereiten, die verlorene »Harmo-

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nie zwischen den Schriftstellern und der großen Masse« wiederherstellen, und sie solle die Einheit der Nation in der Weise befördern, in der »die Dichtung das allgemeine Empfinden eines Zeitalters auszudrücken habe« und dafür »eine literarische Formel finden«. Die Ursachen für die Größe und den Niedergang der Literatur liegen in der Geschichte. »Die Literatur wird in einer staatlichen bürgerlichen Ordnung natürlich und reich werden.« Aber die Literatur sei dem historischen Prozeß nicht völlig untergeordnet: »Die Kunst ist immer noch etwas mehr und in ihrer Substanz unveränderlich, und die Zeiten können sie in ihren Manifestationen umgestalten, aber nicht ihre Natur verändern oder sie verfälschen.'«45 Tenca akzeptierte die Leistung der italienischen Romantik, ihren Bruch mit den Fesseln der Tradition. Er lobt die Gruppe des Conciliatore, er bewundert Manzoni und verteidigt I Promessi sposi gegen Manzonis eigene Ablehnung des historischen Romans. Voller Großmut bespricht er das Lebenswerk des frommen Silvio Pellico und ist gegenüber dem mittelalterlichen und sentimentalen Tommaso Grossi überraschend nachsichtig. Ebenso akzeptiert er aber Foscolos Selbstporträt als das eines ungestüm unabhängigen, heroischen Dichters.46 Mit politischen Untertönen, die sich auf das österreichisch besetzte Mailand beziehen, aber im ganzen romantisch lobt Tenca die Slaven und unterrichtete die Italiener über russische, polnische und tschechische Literatur.47 Scharf kritisierte er nur die späten Romantiker und besonders Prati, den er des Pantheismus, der Sentimentalität, der Selbstgefälligkeit und des mystischen Irrationalismus überführen konnte.48 In einem eindrucksvollen Essay über Emiliani Giudici (1852) stellt er sich über die Parteien. Die Geschichte, so glaubte er, werde die universale, aussöhnende Kraft im Leben Italiens sein. Philosophischer Deismus und sentimentaler Katholizismus, die Relikte des frühen 19. Jahrhunderts, müssen beseitigt werden. Er kritisiert an Emiliani Giudici, »daß er aus den äußeren Ereignissen der Nation auf jene Ursachen für die Größe und den Verfall der Literatur schloß«, nach denen man eher im inneren Leben des Volkes suchen sollte. »Dieser historische Materialismus zeigt ein Mißtrauen gegen das große Schicksal der Literatur.« In Umrissen entwirft Tenca eine Geschichte der modernen italienischen Literatur, in der er die romantische Revolte verteidigt und dort Kontinuitäten erkennt, wo andere nur Gegnerschaft gesehen haben. Manzoni sei von Parini gar nicht so weit entfernt und bei Foscolo und Leopardi könne man Keime des neuen Zeitalters feststellen: Aufgabe der Literaturkritik sei es, »die Gebildeten zusammenzuführen und zu vereinen.« So werde die Literaturgeschichte zu »einem wirksamen Werkzeug der ästhetischen Evolution«.49 Es dauerte jedoch beinahe zwanzig Jahre, bevor De Sanctis* Geschichte diese Forderung erfüllte. De Sanctis wurzelt aber in dieser Zeit: er übernimmt ihren Geschichtsentwurf, der dem Giobertis ähnelt, und hat teil an der liberalen Ideologie von Maizinis Kritiker-Erzieher. Aber er unterscheidet sich von ihnen allen dadurch, daß er unmittelbar an die Gebrüder Schlegel und an Hegel anschließt, daß er dezidiert das Wesen der Kunst erfaßt und die politischen Schranken seiner Zeit überwindet.

KAPITEL 4

DIE E N G L I S C H E L I T E R A T U R K R I T I K Vorbemerkung

Die dreißiger und vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts kann man in England als eine Zeit des Überganges beschreiben. Das gilt, wie eingewendet wurde, für jede Periode, aber diese beiden Jahrzehnte entsprechen besonders gut der Darstellung John Stuart Mills in seinem Spirit of the Age (1831): »Die Menschen sind aus den alten Institutionen und Doktrinen herausgewachsen und haben noch keine neuen erworben.« Es herrschte eine Anarchie von Meinungen und eine Aversion gegen jede Art von System und Theorie. »Er ist ein Theoretiker: und das Wort, das die höchste und edelste Anstrengung der menschlichen Intelligenz bezeichnet, wird zum Gegennstand des Spottes.«1 Mill denkt an die allgemeine Situation, aber seine Diagnose läßt sich auch auf die Literaturkritik anwenden. Das System der Poetik und Ästhetik des 18. Jahrhunderts war verfallen, aber viele Schriftsteller hielten daran fest. Die romantische Überzeugung, von Coleridge systematisch vorgetragen, hatte in England keine festen Wurzeln gefaßt, obwohl sie in verschiedenen Variationen von Lamb und Hazlitt und nach ihrem Tode von ein paar Überlebenden wie zum Beispiel D e Quincey und Leigh Hunt aufrechterhalten wurde. Neue oder vergleichsweise neue Vorstellungen und Akzente erscheinen bei verschiedenen Schriftstellern, die auf anderen Gebieten als der im engeren Sinne Literaturkritik höchst bedeutend wurden: bei Carlyle, John Stuart Mill, Macaulay und Ruskin. Aber die Idee einer zusammenhängenden Literaturtheorie verschwindet fast vollständig und mit ihr jede Technik der Analyse von Literatur und jedes Interesse an der Form. Das Wesen der Literatur wird falsch verstanden. Für die meisten Literaturkritiker wird sie zu einer rein didaktischen oder emotionalen Tätigkeit. Langsam kristallisierte sich jene Einstellung heraus, die man »viktorianisch« genannt hat: eine didaktische Auffassung der Kunst, die entweder in einem Utilitarismus wurzelte, der weit über die Gruppe der Utilitaristen hinausging, oder in einem evangelischen Spiritualismus, der der Kunst als weltlich und frivol mißtraute. Der Maßstab der Nützlichkeit, der gesellschaftlichen Brauchbarkeit verband sich mit einem Mißtrauen gegen den Intellekt und das freie Spiel des

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Geistes, gegen alles Spekulative und Theoretische. Die Kunst war entweder als bloßes Vergnügen verdächtig oder, schlimmer, als sinnliches Stimulans oder gar als eine revolutionäte, subversive Kraft. Die Heftigkeit der englischen Reaktion auf den französischen Roman 2 läßt sich nur damit erklären, daß man merkte, in welchem Maße er die grundlegenden Voraussetzungen und Anstandsformen der Gesellschaft in Frage stellte. Jene, di immer noch die Kunst priesen, ordneten die Literatur entweder immer mehr der Religion unter oder verteidigten sie gegen die Mißachtung eines naturwissenschaftlichen und industriellen Zeitalters als eine häusliche Kultur der Emotionen — ein Winkel, in dem der Mensch seine Einsamkeit wahren konnte. Das Mißtrauen gegen den Intellekt, das in den Theorien von einer didaktischen oder emotionalen Zielsetzung der Literatur enthalten ist, bedeutete für die Kritik, daß sie der natürlichen Klugheit, dem gesunden Menschenverstand eines jeden Einzelnen vertraute, was in der Praxis zu einem regellosen Impressionismus führte. Die persönliche Laune blieb jedoch normalerweise hinter der enormen Selbstsicherheit des viktorianischen Propheten und Weisen, hinter dem Dogmatismus seines ipse dixit verborgen. 3 Der Kritiker, der an die untrügliche Beweiskraft seines gesunden Menschenverstandes oder seiner prophetischen Einsicht glaubt, wird für die Analyse eines Kunstwerkes oder die Formulierung einer allgemeinen Theorie keine Geduld aufbringen. Er wird bei dem von ihm diskutierten Schriftsteller nach Autorität der gleichen Provenienz suchen. Er wird sein Leben auf den Beweis der »Aufrichtigkeit« hin durchforschen, das neue Schlagwort der zeitgenössischen Literaturkritik, als ob Überzeugung, Aufrichtigkeit und Glauben gute Kunst garantieren könnten, als ob »die schlechteste« nicht »voller leidenschaftlicher Intensität« sein könnte. Der ziemlich starke Verfall der Literaturtheorie wurde jedoch von einer gewaltigen Erweiterung des antiquarischen Interesses an der Literatur und der Literaturgeschichte begleitet. Gerade der Zusammenbruch der kritischen Maßstäbe, der Mangel eines theoretischen Interesses begünstigten eine alles-umfassende Toleranz und förderten eine wahllose Akkumulation bloßer Informationen über Literatur. Dieser Prozeß hatte schon im 18. Jahrhundert begonnen, sich aber in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Ungeheuer verstärkt. Buchklubs, die frühe englische Bücher 4 in begrenzten Auflagen neu herausbrachten, Zeitschriften wie zum Beispiel The Retrospective Review5, die ausdrücklich Auszügen und Beschreibungen der älteren englischen Literatur gewidmet waren, und die populären Vortragsreihen über englische Literatur, die sich an ein gemischtes großstädtisches Publikum richteten, all das waren neue Entwicklungen. Das intensive Interesse an älterer englischer Literatur hatte, verbunden mit dem Wiederaufleben des englichen Nationalismus während der Napoleonischen Kriege, patriotische Nebentöne und spiegelte eine allgemeine Veränderung des Geschmacks wider: das neue Vergnügen an mittelalterlicher und besonders an elisabethanischer Literatur. Aber diese Beweggründe für das Wiederaufleben der älteren englischen Literatur traten bald in den Hintergrund und ihr Studium wurde immer mehr zur exklusiven

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Domäne der literarischen Altertumsforschung, deren Ethos in einer unterschiedslosen Liebe zur Vergangenheit bestand, in einer Verehrung neuer Tatsachen und einer nur mäßigen wissenschaftlichen Neugier. Während des 19. Jahrhunderts wurde die englische Literatur zum Gegenstand des akademischen Unterrichts. Gelehrt wurde englische Literatur bezeichnenderweise aber zuerst in Schottland, Irland und den Vereinigten Staaten, und sie konnte sich an den alten englischen Universitäten bis zum 20. Jahrhundert nicht ganz durchsetzen.6 Die englische Philologie erregte kaum etwas von der nationalen Begeisterung, die die Germanistik in Deutschland auslöste. Die angelsächsische Forschung besaß in England eine sehr alte Tradition, die bis ins Elisabethanische Zeitalter zurückreichte, aber im späteren 18. Jahrhundert verfiel. 7 Erst durch den Anstoß der neuen dänischen und deutschen Gelehrsamkeit, ihrer Entdeckungen in deutscher Philologie und ihrer Begeisterung für die germanische Vorzeit lebte die angelsächsische Forschung auch in England wieder auf. Beowulf war in Dänemark und Deutschland ediert worden, bevor John Mitchell Kemble (1807—57), der bei Jakob Grimm in Göttingen studiert hatte, im Jahre 1833 die erste englische Ausgabe herausbrachte.8 Der andere hervorragende frühe Forscher der angelsächsischen Literatur, Benjamin Thorpe (1782—1870), hatte die altenglische Sprache in Kopenhagen bei Rasmus Rask gelernt. Dennoch blieb die angelsächsische Literatur in England eine akademische Besonderheit. Viel mehr Begeisterung erregte das Studium der mittelalterlichen Ritterromane, Balladen und Volkslieder. Vorbereitet war dieses Interesse durch die sehr zaghaften Bemühungen Bischof Percys und Thomas Wartons. Ein solch verdienstvoller Altertumsforscher wie Joseph Ritson glaubte: »Legenden und Fabeln sind immer für denselben Zweck und mit derselben Absicht verfaßt worden: Förderung des Fanatismus«, und er behandelte die alten Gedichte bloß als Illustrationen alter Zeiten. 9 George Ellis erzählte Ritterromane mit herablassender, spöttischer Ironie. 10 Nur die Begeisterung Sir Walter Scotts für die Ballade und seine eigenen Nachdichtungen von Versepen regten eine ganze Schar von Forschern, Sammlern und Imitatoren an. Obwohl das Wort »Folklore« erst von 1846 datiert, entstand früh im Jahrhundert eine gewaltige Anhäufung verschiedenartiger Kenntnisse von Märchen, RomanstofFen, Balladen- und Volksliedtypen. Scott hatte seine Balladen noch frei verändert und umgearbeitet, aber langsam setzten sich sorgfältige und zuverlässige Editionsmethoden durch. Den Wendepunkt in der Balladenforschung stellt William Motherwells Ministrelsy: Ancient and Modern (1827) dar. 12 Richard Price war offenbar der erste, der mit seinem bemerkenswerten Vorwort zu einer neuen Ausgabe von Thomas Wartons History ofEnglish Poetry (1824) die Vorstellung von einer allgemeinen Literatur als einer geistigen Schatzkammer voller Themen aufbrachte, die sich nach Gesetzen ausbreiten, vermehren und weiterwandern, ähnlich denen, die von der neuen germanischen Philologie der Gebrüder Grimm für die Sprache nachgewiesen wurden. Price glaubt, daß »volkstümliche Dichtung ihrem Wesen nach auf Überlieferung beruht« und eine uralte symbolische 6 Wellek, Literaturkritik 2

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Weisheit darstellt.13 Viele neue Forscher widmeten sich dem, was wir internationale Stoffgeschichte nennen würden: besonders Sir Francis Palgrave (1788—1861) und Thomas Wright (1810—77) waren auf diesem Gebiet Forscher von erstaunlicher, wenn auch oft undisziplinierter Gelehrsamkeit. Die Begeisterung für Ritterromane und Balladen inspirierte sogar viel später Dichter wie Tennyson, Rossetti und Morris, aber das Studium selbst wurde zu einer Spezialbeschäftigung für Altertumsforscher, die sich in Textgesellschaften und lokalen historischen Vereinen ausbreiteten, dabei aber angesichts der Fülle des entdeckten Materials zunehmend an kritischem Unterscheidungsvermögen einbüßten. Das Elisabethanische Zeitalter zog die meiste Aufmerksamkeit der Kritik auf sich. Es wurde allgemein nicht nur von romantischen Dichtern, sondern auch von vielen Kritikern mit konservativem Geschmack wie etwas Jeffrey und Gifford als das größte Zeitalter der englischen Literatur gepriesen. Die Flut neuer Editionen ist überwältigend: beinahe alle poetischen Miszellen wurden wieder aufgelegt, es gab eine vollständige Ausgabe kritischer Essays aus der Elisabethanischen Zeit 1 4 und die Neudrucke der Stücke nahmen kein Ende. In den frühen Jahrzehnten des Jahrhunderts wurden die Werke Marlowes, Greenes, Middletons, Fords und Websters zum ersten Male als eigener Gegenstand der Literaturkritik erkannt, und es erschienen zuverlässige, mit Anmerkungen versehene Ausgaben von Ben Jonson, Beaumont und Fletcher, und Massinger. 15 Das Interesse begann sich auf die ziemlich vernachlässigten Gebiete der Literatur des 17. Jahrhunderts auszudehnen. Obwohl die Metaphysical Poets verrufen blieben, machte man von der allgemeinen Mißachtung Ausnahmen: gelegentlich lobte man Donne, Herbert, Marvell und sogar Crashaw; 1 6 Sir Thomas Browne wurde generell bewundert und von Simon Wilkin gut ediert.17 Die Begeisterung für die Dramen scheint oft besonders unkritisch zu sein. Aber in diesen ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts wurde das ganze Material (oder nahezu das ganze) aufgehäuft, das es zum ersten Male ernsthaft möglich machte, die Geschichte der englischen Literatur zu schreiben. Das Interesse an älterer Literatur dehnte sich auch auf die ausländische Literatur aus, die man vorher, wenigstens in diesen neu entdeckten Perioden, kaum gekannt hatte. Zum ersten Male erschienen Übersetzungen der Troubadoure und der deutschen Minnesänger. 18 J. G. Lockharts Buch Ancient Spanish Ballads (1823) steht in der von Scott wiederbelebten Balladentradition; die ganze Göttliche Komödie Dantes wurde von Henry Francis Cary (1772—1844) in Miltonschem Blankvers übersetzt.1» Die aus dem 18. Jahrhundert stammende nordische Mode führte zu wesentlichen Darstellungen der germanischen Vorzeit und schließlich zu Übersetzungen der poetischen Edda und der dänischen Balladen. 20 Einzelne Enthusiasten begannen sogar, die Literatur der Slawen, der modernen Griechen und der Ungarn zu übersetzen und über sie zu berichten,21 und es gab auch eine ausschließlich kritische Seite des wachsenden Interesses an orientalischer Literatur.22

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Aber erstaunlicherweise wurde diese starke Bewegung der Altertumsforschung von keiner Erscheinung begleitet, die als ein Aufblühen der Literaturgeschichtsschreibung bezeichnet werden könnte: in dieser Hinsicht hält sie keinem Vergleich mit Deutschland oder Frankreich stand. In England wurde keine Geschichte der Literatur verfaßt, um die von Warton zu ersetzen und zu ergänzen. Die erste sehr einfache allgemeine History ofEnglish Language and Literature (1836) war ein kleines Handbuch von Robert Chambers, das später zu seiner populären Cyclopaedia23 erweitert wurde. Die historiographischen Auffassungen waren immer noch äußerst zurückgeblieben: entweder übernahm man Wartons Vorstellung einer Entwicklung von der Imagination zur Vernunft oder ein Schema des Auf- und Abstiegs. Der berühmteste Literaturhistoriker der Zeit, Henry Hallam (1777—1859) gab in seiner Introduction to the Literature in Europe in the 15Ü1, i6th and i?th Centuries (1838—39) wenig mehr als die durchaus kundige Zusammenstellung eines Katalogs von Büchern, einen deskriptiven Überblick über alles nur irgendwie Bedeutende, das in sämtlichen Fächern, angefangen von Mathematik und Medizin bis hin zu Poesie und Romankunst, veröffentlicht wurde. Hallam hat keine Vorstellung von schöner Literatur und widmet daher Grotius und Hobbes mehr R a u m als jedem anderen Autor. Im Wesentlichen ein Skeptiker mißtraut er allen Theorien, allen psychologischen oder gesellschaftlichen Erklärungen. »Wenn es zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort keine großen Schriftsteller gibt, müssen wir einfach« ihr Fehlen »einer Unterbrechung in der natürlichen Fruchtbarkeit zuschreiben.« »Die Natur hält es nicht für richtig, sie hervorzubringen.« Hallam kommt zum Beispiel zu dem Schluß, »die Seltenheit origineller Romane im England des 17. Jahrhunderts war so groß, daß sie durch kein vernünftiges Denken erklärt werden kann.«24 Doch er hält am Maßstab eines neoklassizistischen Geschmacks fest. Er verteidigt Malherbe und beklagt sich, daß »wir unsere Definition der Poesie zu sehr einengen, wenn wir aus ihr die Dichtkunst des gesunden Menschenverstandes und der erlesenen Sprache ausschließen.« Hallam behauptet immer wieder, daß der historische Gesichtspunkt das Geschmacksurteil nicht verändern könne. »Schlechtes Schreiben wird nicht dadurch zu einem guten, daß man uns dauernd erzählt, wir müßten uns in die Lage des Schriftstellers versetzen und den Geschmack seines Zeitalters oder das Naturell seiner Nation in Betracht ziehen.« So widerspricht er der verbreiteten Überschätzung »unserer alten Schriftsteller«, verzeichnet unverblümt die Fehler Shakespeares und bringt es fertig zu sagen, daß »es unmöglich ist, nicht zu wünschen, daß Shakespeare seine Sonette nie geschrieben hätte«.25 Es erstaunt kaum, daß Hallam Donne, Góngora und Calderón verachtet und daß er nicht nur Montaigne lobt, sondern auch Sir John Davies und Massinger als »Shakespeare nicht nachstehend«.26 Sein Ideal ist eine »allgemeine Verbreitung von klassischem Wissen«. Milton scheint ihm »der erste Schriftsteller, der in hohem Maße ein echtes Wahrnehmungsvermögen und Gefühl für das Altertum besaß.« Mit seiner Weigerung, allgemeine Aussagen über nationale Literatur6*

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entwicklungen oder Epochen zu machen, mit seinem Begriff des Genies als eines bloßen Zufalls, mit seiner Ablehnung aller »sophistischen Theorien, die eine kausale Beziehung zwischen allen begleitenden Ereignissen annehmen«,27 gehört Hallam geistig einem früheren Zeitalter an. Einige Literaturkritiker der Zeit erkannten die Notwendigkeit eines historischen Systems, aber sie scheiterten in der Praxis. So schrieb der heute wegen seiner späteren Fälschungen Elisabethanischer Dokumente diskreditierte J. P. Collier (1789—1883) eine History of Engiish Dramatic Poetry up to the Time of Shakespeare (1831), die tendenziell darauf abzielt, eine richtiggehende Gattungsgeschichte zu geben. Er möchte zeigen, daß die Mysterienspiele »beinahe unmerklich in Moralitäten übergingen durch das allmähliche Hinzutreten von Allegorien zu biblischer Geschichte«, während die Moralitäten nach und nach »der Tragödie und der Komödie wichen, dadurch daß zeitweise Charaktere des wirklichen Lebens oder solche ihm angeblich entnommene eingeführt wurden.«28 Dieses Programm erfüllt Colliers Buch aber nicht. Z u viele Hasen jagt er gleichzeitig: er gibt lange Listen von Schauspielen und Aufführungen, Informationen über Schauspieler und Theater und verliert die Geschichte der Gattung als einer Kunstform aus den Augen. Die gesellschaftliche Erklärung der Literaturgeschichte wie sie Madame de Staël vorgebracht hatte, wurde von einem Engländer (oder vielmehr Schotten) in die Praxis umgesetzt. John Dunlops History of Fiction (1814) basierte auf einer engen Wechselbeziehung mit der Gesellschaftsgeschichte. Dunlop stellt zum Beispiel zwischen dem kaufmännischen Geist und der italienischen novelle eine Beziehung her und vergleicht die Höfe Ludwigs X I V . und Charles I., um den besonderen Charakter der heroischen Romane zu verdeutlichen. »Die einheimische Dichtung muß sich ihrem wahren Wesen nach mit den Formen, Gewohnheiten und Sitten der Gesellschaft verändern, die sie so, wie sie aufeinander folgen, zu schildern hat.«29 Die hinter dem Buch stehende Theorie ist stichhaltig, aber die Praxis leidet unter seiner verschwommenen Vorstellung von Gesellschaftsgeschichte und ihrer Beziehung zur Literatur. Allein Thomas Carlyle führte den Begriff einer nationalen, durch einen nationalen Geist geeinten Literatur ein, den Begriff der literarischen Evolution und das ganze Ideal der erzählenden, folgerichtigen Literaturgeschichte.

T H O M A S C A R L Y L E (1795—1881)

Heute erregt Carlyle eher Abneigung oder Langeweile als Bewunderung. Er wird für einen Vorläufer Hitlers gehalten, einen Verehrer der heroischen Übermenschen, für die »Macht Recht schafft«. Verteidiger pflegen zu argumentie-

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ren, daß Carlyles Held ein Gefäß Gottes sei, der die Macht nur besitze, weil er dem Gesetz des göttlichen Universums gehorche.1 Aber dieses Argument vermag nicht zu überzeugen, da es genug Beweise dafür gibt, daß Carlyle die Anwendung von roher Gewalt gegen die Unterdrückten empfiehlt und erbarmungslose und skrupellose Gewaltherrscher verherrlicht.2 Außerdem widersetzt sich Carlyles Stil jeder Wiederbelebung seiner Schriften. Sein sich wiederholender, laut tönender, emphatischer und manirierter Redeschwulst, das ganze biblische Pathos — widerspruchsvoll durchsetzt mit grotesken Possen — stößt den heutigen Leser ab, der die ruhigeren Passagen der Schriften Carlyles nicht kennt und die überlegte Methode nicht durchschaut oder keinen Gefallen an ihr findet, mit der Carlyle versuchte, eine halb mythische, halb humoristische Gestalt des Propheten unter der Maske von Teufelsdröckh und Sauerteig zu errichten. Aber welches auch immer unser endgültiges Urteil über Carlyle als sozialer Denker, Historiker oder Stilist sein mag, seine Bedeutimg als Literaturkritiker, als Interpret der deutschen Literatur, des Historismus und Transzendentalismus und als ein mit großer Charakterisierungskunst begabter moralischer Kritiker, der Aufrichtigkeit, Realität und das »Faktum« betonte, sollten wir erkennen. Dieses letzte Leitmotiv existierte von Anfang an, aber es überwucherte all die anderen, so daß sich Carlyle schließlich von aller Literaturkritik ab wandte. Dieser Kampf heterogener Elemente in seinem Geist verdeutlicht noch seine repräsentative Stellung. Carlyle ist der Herkules am Kreuzweg der Geistesgeschichte, der Tugend und Faktizität gegenüber Kunst und Fiktion den Vorzug gibt. Als Interpret der deutschen Literatur ist Carlyle in Kenntnis und Einsicht allen seinen Zeitgenossen wie Coleridge, De Quincey und solch professionellen Vermittlern wie "William Taylor of Norwich oder Mrs. Sara Austin unermeßlich weit überlegen. The History of German Literature, die Carlyle im Jahre 1830 begann, aber dann als nicht zu veröffentlichen aufgab, wäre größtenteils eine Kompilation von deutschen Quellen geworden: beendet hatte er nur den Teil von den Anfängen bis zu Luther, aus dem Carlyle zwei Artikel, einen über das Nibelungenlied, den anderen über »Early German Literature« vor allem des 14. und 15. Jahrhunderts zur Veröffentlichung herausnahm (1831). Diese Essays enthalten wesentliche Informationen, Zitate und Handlungsabrisse, aber kaum irgendeine Kritik.3 Carlyles Entwurf einer Geschichte der deutschen Literatur war hauptsächlich Ergebnis seines intensiven Interesses an einigen großen Gestalten der modernen deutschen Literatur. Sein erstes Buch, Life of Schiller (1825) ist kein besonders hervorragendes Werk, wenn man nach modernen Maßstäben urteilt.4 Es verbirgt seine häufig mangelhafte biographische Kenntnis hinter einem Johnson ähnlichen Moralisieren und das Fehlen von kritischem Scharfblick und Mut durch deskriptive Darstellung der Dramen und schwerfällige Ubersetzungen. Die Perspektive, unter der Schiller erscheint, ist noch sehr eng. Seine Beziehung zu Kant wird nur vage beschrieben die Ästhetik nahezu ignoriert. Carlyle beurteilt Schillers Geschichtsbegriff als zu kosmopolitisch und argumentiert nationalistisch. Die Gedichte

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werden kaum erwähnt, die Dramen oft falsch eingeordnet. So aktiviert Maria Stuart Carlyles altes Vorurteil gegen die leichtfertige schottische Königin. Der spätere Aufsatz über Schiller (1831) entschädigt jedoch reichlich durch seine kritische Genauigkeit. Er formuliert ein Urteil, das von Nachwelt bestätigt werden sollte: »Oft scheint es uns, als ob die Poesie alles in allem nicht [Schillers] wesentliche Begabung sei; als ob sein Genie in einem noch höheren Maße reflektierend als kreativ, eher philosophisch und rhetorisch als poetisch sei.«5 Z u Goethe hat Carlyle in erster Linie ein persönliches Verhältnis — das eines Schülers zu einem Lehrer und gar zu einem Erlöser. Für Carlyle war Goethe ein Weiser, der sich selbst und seine Zeit von Zweifel und Hoffnungslosigkeit Werthers befreite, der der Welt und Carlyle ein neues weltliches Evangelium der Entsagung, Verehrung, Toleranz und Tätigkeit verkündete. »Arbeite und verzweifle nicht«, »das große Geheimnis der Entsagung«, »die Verehrung des Schmerzes« — solche Redewendungen und Sprüche resümieren Carlyles Abhängigkeit. Aber als literarische Kritik weichen die verschiedenen Essays Carlyles über Goethe was genaue Textkenntnis und Charakterisierungskunst betrifft beträchtlich voneinander ab. Die erste Arbeit über Faust (1822) beschränkt sich darauf, die Handlung nachzuerzählen, über ihren Mangel an Einheit zu klagen und die Gestalten zu beschreiben: Faust als eine Art junger Carlyle »mit dem Kopf eines Skeptikers und einem frommen Herzen«, Mephistopheles als »einen französischen philosophe des letzten Jahrhunderts«.6 Das Vorwort zu Carlyles Übersetzung des Wilhelm Meister (1824) ist eine geschickte Verteidigungsrede für das Buch, mit dem Carlyle selbst aus moralischen Gründen gar nicht ganz glücklich war und das von Anstößigem zu reinigen er sich verpflichtet fühlte. Er beanstandet den Mangel an »erzählerischem Reiz« und den »Muttersöhnchen-Helden«, aber er ordnet Goethe, »das größte Genie unserer Zeit«, neben Homer und Shakespeare ein.8 In der Einführung zur Ubersetzung der Wanderjahre, enthalten in dem zweiten Band der German Romance (1827), entdeckt Carlyle sein zentrales Interesse und den bei ihm vorherrschenden Ton: Goethe sei ein »Lehrer und ein Verehrer, der nicht zerstört, sondern aufbaut.«9 Der Aufsatz über Goethes Helena (1828) setzt sich mit einem schwierigen Text auseinander: bemerkenswert ist er als eine frühe sympathetische Betrachtung eines Teiles aus Faust II. Carlyle erliegt sogar dem »seltsamen, prickelnden, ganz eigentümlichen Charme dieser Nachahmungen des alten griechischen Stils« und begreift, daß Goethe sich in »einer traumhaften Sphäre [bewegt], w o das Symbol und der bedeutete Gegenstand nicht mehr klar unterschieden sind.«10 Der lange Essay über Goethe (ebenfalls 1828) pointiert überaus scharf Carlyles Vorstellung von der Entwicklung Goethes vom Unglauben zum Glauben, von dem Selbstmord Werthers zu dem Heiligtum des Schmerzes in der Pädagogischen Provinz. Beiläufig berichtigt Carlyle die verbreitete sentimentale Auffassung des Werther und trägt zum mindesten dazu bei, die Eigenart von Goethes »sinnbildlichem Verstand [zu erfassen], sein beständiges, nie versagendes Streben, das Empfinden, das in ihm wohnen mag, in Gestalt, in Leben umzuformen.« 11 »Death of Goethe« (1832) ist schwerlich

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mehr als eine Grabrede, aber der letzte lange, bald darauf folgende Aufsatz ist trotz seines holprigen Anfanges auf einer gründlichen Darstellung von Dichtung und Wahrheit aufgebaut und beschreibt in drei Stufen Goethes Entwicklung: die frühe Werthersche, verzweifelnde, ungläubige Periode, die mittlere heidnische Periode mit Wilhelm Meister und dessen »warmem, herzlichem, heiter menschlichem Bestreben«, und die dritte klare, triumphierende Stufe der Wanderjahre und des West-Ostlichen Divan. Diese Entwicklung wird fast vollständig unter moralischen Gesichtspunkten gesehen und die literarische Seite vernachlässigt. Aber die Zitate aus der Spruchdichtung und den Epigrammen zeigen, daß Carlyle nicht nur an der Weisheit Goethes Vergnügen fand, sondern auch an dem »Bilderreichtum, der unmittelbar im Zentrum seines Wesenes liegt.«12 Bezeichnenderweise übersetzte und interpretierte Carlyle Das Märchen Goethes (1832), das er nicht als Allegorie mit einem einzigen Schlüssel verstand, sondern als eine »Phantasmagorie, in der die höchst heterogenen Dinge vermittelst der Homogenität der Gestalt als Sinnbilder sichtbar werden« und ein Dutzend Schlüssel benötigen würden. 1 ^ Carlyle zielte vor allem, wie Goethe bemerkte, auf »den geistigen und sittlichen Kern« 14 der deutschen Schriftsteller; aber während sich die Essays über Goethe mit dem Muster an Weisheit beschäftigen, mit der historischen Erscheinung der europäischen Wiedergeburt, die auf das folgte, was für Carlyle das Dunkel des 18. Jahrhunderts war, enthalten sie jedenfalls auch treffliche Literaturkritik, die erstmals den mehrwertigen Symbolismus des späten Goethe betont. Jean Paul ist der dritte deutsche Schriftsteller, den Carlyle mit Bewunderung und Sympathie diskutiert. Gewöhnlich interpretiert man seine Vorliebe für Jean Paul als eine Abirrung, die aber in einem anderen Licht erscheinen mag, wenn man die Jean Paul—Renaissance in Deutschland seit Stefan Georges Lob berücksichtigt und sich vergegenwärtigt, daß viele der bedeutendsten deutschen Prosaschriftsteller des 19. Jahrhunderts — E. T. A. Hoffmann, Börne, Heine, Stifter, Raabe, Gottfried Keller — Jean Paul tief verpflichtet waren. Jean Pauls Einfluß auf Carlyles Prosastil (obwohl erst später und weniger wichtig als der der Bibel und Sternes) und seine Romantechnik (in Sartor) ist nicht zu leugnen und bestätigt nur die Evidenz seiner Kritik. Die drei Aufsätze über Jean Paul (die Einleitung zu German Romance, 1826, und zwei Essays, 1827, 1830) charakterisieren Kunst und Anschauungsweise Jean Pauls konkret und sorgfältig. Jean Pauls Stil wird detailliert analysiert: seine Parenthesen, Einschachtelungen und Nebensätze, seine Neologismen, Bilder und Metaphern, seine Anspielungen, sardonischen Wendungen, Wortwitze und Wortspiele, die ganze »tolle, komplizierte Arabeske.«15 Jean Pauls Technik und seine allgemeinen formalen Prinzipien werden wohlwollend analysiert: eine »eher lebendige und Leben schenkende als eine schöne oder symmetrische Ordnung«. 16 Sein Humor wird im Vergleich mit dem Humor Sternes und Cervantes' in den Begriffen von Schillers Theorie der »umgekehrten Erhabenheit« definiert, deren »Wesen Liebe ist«.17 Mit einer einleuchtenden Metapher wird Jean Pauls gesamte Methode erläutert: »Seine Bewegung ist im wesent-

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liehen langsam und schwerfällig, denn er schreitet nicht mit einer einzelnen Anlage vorwärts, sondern mit dem ganzen Geist. Er bewegt sich mit Intellekt, Pathos und Witz, mit Humor und Phantasie vorwärts gleich einer mächtigen Heerschar, buntscheckig, massig, regellos und unwiderstehlich.«1» Carlyle erfaßt auch Jean Pauls Weltanschauung und sieht eher eine historische Verwandtschaft mit Herder und Jacobi als mit Kant oder Fichte: »Philosophie und Dichtung werden nicht nur versöhnt, sondern auch zu einem reineren Wesen verschmolzen, zu Religion.« Carlyles Formel für Jean Pauls Werk könnte ebenfalls als Inbegriff seines eigenen Ehrgeizes genommen werden. Es ist unnötig zu sagen, daß Carlyle Jean Paul wegen seines langen heroischen Kampfes mit der Armut als Persönlichkeit und als ein Beispiel für »christliche Größe«19 bewundert. Verglichen mit Goethe, Schiller und Jean Paul erregten alle anderen deutschen Schriftsteller nur Carlyles flüchtiges Interesse. Er hegte nur geringe Sympathien für die eigentliche romantische Bewegung. Carlyle bezweifelt die Behauptung Madame de Staels, daß drei junge Männer (die Gebrüder Schlegel und Tieck) in der kleinen Stadt Jena eine umfassende Veränderung in der Literatur bewirkt haben könnten. Er sieht keinen Konflikt zwischen der deutschen Romantik und den deutschen Klassikern. Die auf dem Gebiet der deutschen Literatur sich vollziehende Renaissance versteht Carlyle größtenteils als eine einheitliche Reaktion auf die Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Carlyle weiß, daß die deutsche Bewegung ihre Parallelen in England und Frankreich hat. Er führt die neue Begeisterung für Shakespeare und die Elisabethanischen Dichter und den Verfall von Popes Ansehen an. Er weiß, daß sogar in Frankreich die Kritiker die drei Einheiten in Zweifel zu ziehen beginnen und Corneilles Autorität schwächer wird. 20 Obwohl Carlyle sich häufig auf die Gebrüder Schlegel bezieht, vermag er nichts anderes über sie zu sagen, als daß sie ausgeprägte Persönlichkeiten gewesen seien oder bestimmte Doktrinen begründet hätten.21 Als Carlyle Friedrich Schlegels Philosophische Vorlesungen (1830) besprach, bot das ihm lediglich den Anlaß, um über den Gegensatz zwischen deutscher und britischer Philosophie zu reden: Schlegel wird unter völliger Vernachlässigung seiner wirklichen, ganz anders gearteten Lehren nur wegen seines Spiritualismus und seiner angeblichen Verneinung der Raum—Zeit Realität gelobt.22 Carlyle übersetzte einige von Tiecks Märchen für seine Sammlung German Romance (1827), die kaum mehr als ein buchhändlerisches Risiko darstellte, und hielt es für notwendig, in seiner Einleitung einiges über Tieck auszuführen. Offen räumt Carlyle selbst ein, daß der erste Abschnitt seiner Charakterisierung ebenso auf jeden anderen wirklichen Dichter zutreffen könnte23, und der Rest seiner Darstellung bleibt in gleichem Maße vage und hilflos. Nur einen späten, streng analytischen Brief über Tiecks historischen Roman, Vittoria Accorombona kann man als Literaturkritik als ansehen.24 Unter den deutschen Romantikern übte Novalis die größte Anziehungskraft auf Carlyle aus. Sein ihm gewidmeter Essay (1828) versucht wirklich, einen fremden

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Standpunkt zu verstehen: Carlyle bemüht sich um eine allgemeine Verteidigung des Mystizismus und charakterisiert die deutsche spekulative Philosophie ziemlich vereinfacht als einen Phänomenalismus, als einen Glauben sowohl an die Irrealität von R a u m und Zeit wie an die Fähigkeit der Vernunft im Gegensatz zu den niedrigen Erkenntnisvermögen. In Novails sieht er einen Verfechter dieser Vorstellungen ohne zu versuchen, ihn von seinen deutschen Zeitgenossen zu unterscheiden. Carlyle zitiert einige Aphorismen über die Selbsttötung, über den Körper als einen Tempel, über die sich selbstmahlende Mühle des Universums, wie es sich das 18. Jahrhundert vorgestellt hat (oft mit einer leichten Verzerrung der ursprünglichen Bedeutung), und begrüßt Novalis »als einen anti-mechanistischen Denker — als den vollkommensten der modernen Geistespropheten«.25 Gegenüber Novalis als Dichter und Mensch ist er allerdings höchst kritisch. Heinrich von Ofterdingen offenbare »einen Grad von Schlaffheit, nicht von Schwäche, sondern von Trägkeit«. Novalis »spricht mit einer leisen, nicht unmelodischen Monotonie«. »Er sitzt, könnte man sagen, mitten unter den reichen, schönen Kombinationen, die ihm sein Geist beinahe von selbst überläßt«, worin Carlyle die passive Kontemplation seines »asiatischen« Charakters sieht.26 Es scheint bedauerlich, daß Carlyle Hitzigs Hoffmanns Leben und Nachlaß für die Einführung zu seiner Übersetzung von Der Goldene Topf las. Er bezog daraus nur das Material für eine Predigt über das schreckliche Verderben künstlerischer Bohème, das über den armen Hoffmann hereingebrochen sei. Carlyle paraphrasiert Goethes Urteil über Günther, den Dichter des frühen 18. Jahrhunderts, wenn er schließt: »Tatsächlich vollendete er nichts: vor allem nicht sich selbst.«27 In erstaunlichem Gegensatz dazu behandelte Carlyle den dubiosen Zacharias Werner wohlwollend: in einem langen Essay (1828) spricht er voller Toleranz von Werners Übertritt zur römisch-katholischen Kirche, weil ihn das Phänomen psychologisch interessierte. Viel zu großzügig wurden Werners Schauspiele gelobt, besonders wenn man die Darstellung Werners mit der Herablassung vergleicht, mit der Carlyle dem weitaus besseren Dramatiker Franz Grillparzer begegnete. Zusammen mit Klingemann und Müllner behandelt er ihn wie einen bloßen »Stückeschreiber« mit einer »unbedeutenden Anlage zu Zartheit und Anmut«, nicht wie einen Dramatiker im eigentlichen Sinne. Carlyle kannte Die Ahnfrau, Sappho, und König Ottokar und beurteilte das letztere als eine »harmlose Tragödie . . . ohne jeden erkennbaren Zusammenhang.«28 In diesen Aufsätzen über deutsche Literatur besitzt Carlyle eine allgemeine Vorstellung von Literaturkritik und Literaturgeschichte. Früher als irgendein anderer in England hatte Carlyle die historische und organische Auffassung der Deutschen verstanden. Diese Leistung ist von den modernen Forschem nicht angemessen anerkannt worden, die manchmal seine frühen historiographischen Ansichten als Vorwegnahmen von »Soziologie« und moderner historischer Wissenschaft gelobt und seine früheren Auffassungen und Affinitäten mißverstanden haben.2» Carlyle teilt die grundlegenden Methoden und Einsichten der deutschen romantischen

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Kritik und Geschichtsschreibung. Literaturkritik heißt für ihn Identifikation mit dem Autor, Intuition, sogar Divination, nicht Demonstration von Beziehungen nach Ursache und Wirkung und auch nicht Suche nach allgemeinen Gesetzen oder Theorien. Folgerichtig wertet er die Poetik und Ästhetik des 18. Jahrhunderts ab, die genetischen Schemata, die Assoziationstheorien und gesellschaftlichen Erklärungsmodelle. »Der Mensch ist nicht das Produkt seiner Verhältnisse, sondern in einem weitaus höheren Grade sind die Verhältnisse Produkt des Menschen.«30 So werden Armut und sogar der Mangel an Erziehung eher als Antrieb denn als Hindernis für einen Dichter gesehen. Das Ziel des Kritikers sei es, »die Sehweise des Autors anzunehmen«: er müsse sich einen Weg bahnen in des Dichters »Denkungsart, bis er die Welt mit seinen Augen sieht, empfindet, wie er empfand und urteilt, wie er urteilte.«31 Im Akt des Kunstgenusses »werden wir partiell und für den Augenblick selbst der Maler und der Sänger.« Sympathie, »ein offenes liebendes Herz, das der Anfang allen Wissens ist«, und sogar Divination, »eine leuchtende, strahlende Einsicht in den Sachverhalt« seien notwendig. »Zu wissen, in die Wahrheit von irgendeiner Sache einzudringen, ist immer ein mystischer Akt«,32 das ist Carlyles triumphierender Schluß — eine Geste für ein Problem, wohl kaum eine Lösung. Wenn Sympathie, Identifikation die kritische Methode darstellt, so fragen wir nach einer Kritik der Absichten, einer Prüfung dessen, »was wirklich und wahrhaftig das Ziel des Dichters war«, und nach einer Kritik des Schönen, da »kein Mensch sich über die Fehler äußern kann, bis er die letzte und höchste Schönheit gesehen hat.«33 In dieser frühen Periode tritt Carlyle für universale Toleranz ein, für eine Literaturauffassung, die »Raum für alle wahren Sänger eines jeden Zeitalters und Himmelsstriches« lassen würde. Er hofft auf »freien literarischen Verkehr mit anderen Nationen«, auf Goethes »Weltliteratur anstatt isolierter, sich gegenseitig abstoßender Nationalliteraturen«.34 Carlyles Idealvorstellung von einer Weltliteratur verlangt natürlich nicht die Abschaffung der Nationalliteraturen, sondern erwartet eher eine harmonische Symphonie der Nationen. Der Weg zur Menschheit gehe über die Nation und das gelte auch für die Literatur. In German Romance (1827) hatte Carlyle das ihn bei der Behandlung deutscher Literatur leitende Prinzip dargelegt: »Ein Deutscher zu sein bedeutet für mich durchweg eine Qualität, nicht einen Fehler«, da »jede Nation ihre eigene Form von Charakter und Leben hat«.35 In dem Essay über Burns (1828) lobte er die neue schottische Literatur von Burns und Scott, sie wachse nicht mehr »im Wasser, sondern in Erde, bezeichnend für die wahren urwüchsigen Tugenden des Bodens und des Klimas« im Gegensatz zu Schriftstellern wie Hume und Kames, die »nichts wahrhaft Schottisches, nichts Bodenständiges« an sich gehabt hätten.36 In demselben Aufsatz, in dem er das Ideal der Weltliteratur verkündet, tadelt er William Taylor of Norwich dafür, daß er »kein Theorem über Deutschland und seinen geistigen Fortschritt« habe und keine »Darstellung des Nationalgeistes« anbiete; dort formuliert er auch höchst eindrucksvoll das neue Ideal der Literaturgeschichte:

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Die Geschichte der Dichtung eines Volkes ist die Essenz seiner Geschichte in politischer, ökonomischer, wissenschaftlicher und religiöser Hinsicht. Mit allen diesen Disziplinen wird der vollkommene Historiker der nationalen Dichtung vertraut sein; die nationale Physiognomie wird ihm in ihren feinsten Zügen und in den aufeinanderfolgenden Perioden ihrer Entwicklung klar sein. Er wird die große geistige Tendenz eines jeden Zeitalters erkennen, das, was in jedem das größte Ziel und die höchste Begeisterung der Menschheit war, und wie jede Epoche sich natürlich aus der anderen herausbildete. Er muß das höchste Ziel einer Nation in seiner ununterbrochenen Bestimmung und Entfaltung aufzeichnen, denn dadurch moduliert sich die Dichtung der Nation selbst; dies ist die Dichtung der Nation. 37 In dem damals unveröffentlichten Vorwort zu der History of German Literature bezeichnet Carlyle auf ähnliche Weise die Literatur als »das treueste Sinnbild des nationalen Geistes und der nationalen Lebensart«. Der Historiker sollte »das wesentliche Leben der Nation« verständlicher machen, er sollte »die geistige Gestalt der Nation in jeder der aufeinanderfolgenden Perioden entziffern und darstellen« und so deutlich die »verborgene innere Struktur jeder Nation«3^ ergründen. Alle Schlüsselwörter des deutschen Historismus sind hier versammelt: Individualität, Nationalität, Entwicklung, der Geist einer Nation und eines Zeitalters, innere Form und Struktur, Kontinuität. Es läßt sich nichts Soziologisches, nichts an den Saint-Simonismus oder an Hegel Erinnerndes an diesen Begriffen zu dieser Zeit feststellen: man könnte sie alle bei den Gebrüdern Schlegel, bei Novalis, Jean Paul und, mit mehr naturalistischen Sympathien, bei Herder und Goethe finden. Carlyle ist sich seiner Abhängigkeit wohl bewußt: als er die Anfänge der neuen Epoche der Altertumsforschung« bis zu Christian Gottlob Heyne verfolgt, weist Carlyle auf die Vorlesungen der Gebrüder Schlegel als ihren Höhepunkt hin. 39 In »State of German Literature« (1827) charakterisiert er die neue Literaturkritik der Deutschen: sie beschäftige sich nicht »mit den Eigenarten des Stils, der Kohärenz der Metaphern, der Angemessenheit der Empfindungen, der allgemeinen logischen Wahrheit in einem Kunstwerk«, auch nicht mit der Psychologie, sie habe kein Verlangen danach, »die besondere Natur des Dichters mit Hilfe seiner Dichtung« aufzudecken und zu beschreiben, sondern sie interessiere sich »eigentlich und im Grunde für die Substanz und das eigentümliche Leben der Dichtung selbst.« A m Beispiel der Dramen Shakespeares läßt Carlyle die Deutschen fragen: Worin liegt jenes Leben; wie haben [die Dramen] jene Form und Eigenart erlangt? . . . Sind diese seine [Shakespeares] Dramen nicht nur wahrscheinlich, sondern wahr; ja sogar wahrer als die Realität selbst, weil in ihnen die Substanz der ungetrübten Realität in aus-

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drucksstärkeren Symbolen greifbar dargestellt ist? Worin besteht diese ihre Einheit; und können wir durch unsere tiefere Einsicht herausfinden, daß sie unteilbar ist und notwendig existiert? . . . Was und wie war das Gedicht und warum ist es ein Gedicht und nicht gereimte Beredsamkeit, warum Schöpfung und nicht gestaltete Leidenschaften ? 40 Carlyle kennt die Unterschiede zwischen den ästhetischen Theorien Kants, Herders, Schillers, Goethes und Richters und er weiß, daß Tieck und besonders die Gebrüder Schlegel sich verdienstvoll darum bemüht haben, diese verschiedenen Meinungen zu versöhnen.41 Aber er selbst ist an diesen Unterscheidungen nicht interessiert, ebenso wie er keine deutlichen Unterschiede zwischen den deutschen Philosophen machte, die er las und benutzte — Kant, Fichte, Schelling und Jacobi. In seiner frühen Kritik eignete sich Carlyle freimütig den deutschen Begriff vom Sinn und von der Gestaltung der Dichtung an. Die Dichtung sei vor allem eine Art von Wissen, eine Einsicht in die Wirklichkeit hinter den Erscheinungen, in das Geheimnis des Universums. »Die Dichtung ist nichts anderes als eine höhere Erkenntnis«, »eine andere Form von Weisheit«. Der wahre Dichter sei der Seher, »dessen Auge damit begabt wurde, das göttliche Geheimnis von Gottes Universum zu erkennen und einige neue Zeilen seiner himmlischen Schrift zu entziffern . . . , denn er durchschaut das größte aller Geheimnisse, ,das offene Geheimnis'«,42 schreibt Carlyle mit Bezug auf Goethe, und er gebraucht Goethes Lieblingswendung. Ähnlich sagt er von Shakespeare: Er schaut nicht auf eine Sache, sondern in sie hinein, durch sie hindurch; so begreift er sie schöpferisch, kann sie auseinandernehmen und wieder zusammensetzen; der Gegenstand löst sich gleichsam unter seinen Augen in Licht auf und ersteht aufs neue von selbst vor ihm . . . Für Goethe wie für Shakespeare liegt die Welt ganz durchscheinend da, ganz schmelzbar könnten wir es nennen. Das Natürliche ist in Wahrheit das Übernatürliche . . . Was sind die Hamlets und die Stürme, die Fausts und Mignons anderes als Einblicke, die uns in diese durchscheinende, von Wundern umfaßte Welt gewährt wurden, Offenbarungen des Geheimnisses aller Geheimnisse, des menschlichen Lebens, wie es wirklich ist? 43 So sei die Dichtung »der Inbegriff aller Wissenschaft«, weil sie darauf abziele, »die ewige Vernunft des Menschen in Gestalten zu verkörpern, die seinen Sinnen greifbar sind.«44 Der Dichter sei notwendigerweise allumfassend, eine »lebende, wirkliche Enzyklopädie«, da »das Abbild der ganzen Welt als ein Ganzes vor ihm hegt.«45 Ebenso unvermeidlich werde er ein objektiver Dichter sein, gänzlich frei von subjektiver Maniriertheit. Für Goethe »sind Philine und Klärchen, Mephistopheles und Mignon gleich unwichtig oder gleich teuer.« Der Mensch Shakespeare

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sei unerforschlich: er sei »eine Stimme, die aus dem Lande der Lieder zu uns kommt.« Homer sei »der Zeuge; wir hören und glauben, aber wir sehen ihn nicht«, während dagegen Byron »nichts anderes als sich selbst schilderte, was immer auch sein Gegenstand war.«46 So habe die Dichtung nur ein Thema: das zentrale Geheimnis, das Carlyle oft mit einer bei Schelling üblichen Wendung das Unendliche im Endlichen nennt. »Der Dichter sollte das Endliche mit einer gewissen Unendlichkeit der Bedeutung beseelen.«47 In diesem frühen Stadium konnte Carlyle die Mittel und Methoden der Kunst in allgemeinen Begriffen beschreiben. Das Kunstwerk sei ein Ganzes, eine Einheit, und es erreiche diese Einheit durch eine Identität von Form und Inhalt, durch ein System von Symbolen. Die Ganzheit könne die des Dichters sein, dessen Fähigkeiten Harmonie besitzen müßten, der ein universaler Mensch sein müsse und nicht nur mit Intellekt begabt; oder es sei die Ganzheit, die in dem Werk selbst erreicht werde: »ein wahres, sich selbst begründendes Ganzes, das den höchsten Wert eines Gedichtes darstellt.«48 Carlyle vergleicht es mit einer tausendjährigen Eiche, an der »kein Blatt, kein Zweig überflüssig« sei,49 die biologische Analogie, die von. vielen Deutschen so überstrapaziert wurde. Es ist die Einheit von Form und Inhalt, »denn Körper und Seele, Wort und Gedanke vereinigen sich auf ungewöhnliche Weise« und »die Sprache ist das deutliche Bild des Gedankens, oder vielmehr ist sie der Körper, dessen Seele der Gedanke ist.«50 Ein Wort sei nicht bloßes, willkürliches Zeichen. Es sei immer noch »eine magische Formel, mit der der Mensch die Welt beherrscht.« Früher sei es »ein wahrer Name mit Bedeutung«51 gewesen und Carlyle strebt danach, das Wort in seiner alten heiligen Würde wiederherzustellen. Er konnte die Kritik jener nicht verstehen, die von ihm verlangten, seinen eigenen eigentümlichen Stil aufzugeben. »Jene armen Leute scheinen zu glauben, daß man einen Stil nicht wie eine Haut, sondern wie einen Mantel ablegen oder annehmen könne.«52 Wenn Worte nicht nur willkürliche Zeichen sind, dann sind sie Symbole. Das Symbol — nicht nur das künstlerische oder linguistische Symbol natürlich — ist der zentrale Begriff in Sartor. In einem Symbol gebe es »Verborgenheit und doch Enthüllung... Verkörperung und doch Offenbarung des Unendlichen. Das Unendliche ist darauf angelegt, sich mit dem Endlichen zu verbinden, dort sichtbar und gleichsam erreichbar anwesend zu sein.« Das Universum erscheint als unermeßliches Symbol Gottes. »Gleich Prometheus gestaltet der Dichter neue Symbole.«53 »Die ganze Geschichte und die ganze Poesie entziffert nur aus jenem geheimnisvollen himmlischen Sanskrit die Bibel der Weltgeschichte.«54 Carlyle unterscheidet Symbol und Allegorie; Dantes Göttliche Komödie sei keine Allegorie — der Mensch glaube an keine Allegorie, sondern an ein Symbol, an »eine sinnbildliche Darstellung seiner Überzeugung hinsichtlich dieses Universums.«55 Viele Begriffe der deutschen romantischen Literaturkritik kommen hier zusammen: die einem Baum gleichende Ganzheit oder Einheit; Bevorzugung des Symbols gegenüber der Allegorie. Carlyle fügt auch »Musik« hinzu, bei ihm ein höchst metaphorischer Ausdruck, eine Alternative

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zu Harmonie, Melodie und Lied: fast wie das griechische mousike, wenn er von der Dichtkunst als »musikalischem Denken« spricht, als »einer Melodie, die uns an den Rand des Unendlichen führt«, oder wenn er die Harmonie »das Wesen von Kunst und Wissenschaft« nennt. Mit einer leichten Verschiebung der Bedeutung kann Musik zum bloßen Metrum oder Lied werden. Dante wird dem Lied, Homer wie auch Bums der Musik zugeordnet.56 Diese kohärente Auffassung von Literaturkritik und Dichtung widersprach jedoch gleich von Anfang an anderen Leitgedanken in Carlyles Denken, die tiefer in seiner Persönlichkeit verwurzelt waren und schließlich beherrschend wurden: religiöse und ethische Vorstellungen widersprachen dem Gedankensystem, das wir umrissen haben, überlagerten und zerstörten es letzten Endes. Carlyle blieb im Grunde ein Puritaner, unfähig, den idealistischen Monismus der deutschen Philosophen oder den Historismus eines großen Teils der deutschen Literaturkritik ganz zu akzeptieren. Er hatte sich kurzzeitig, besonders zwischen 1827 und 1832 ihren Standpunkt angeeignet, hauptsächlich, weil er in ihnen Verbündete in seinem Kampf gefunden hatte, den Skeptizismus seiner Jugend zu überwinden und eine neue, von orthodoxen Fesseln befreite Religion zu finden. Aber Carlyles neue Religion — die nicht als Christentum bezeichnet werden kann, weil er Christi Funktion oder die Rolle der Kirche nicht akzeptierte — war weder deutscher Monismus noch Historismus. Sie bedeutete vielmehr einem Dualismus, demzufolge die Geschichte als ein Schlachtfeld von Gott und Teufel, Tatsache und Täuschung, Realität und Illusion erschien, und in der die Literatur nur eine einzige Funktion hatte: Bekräftigung dieses Glaubens und Verbreitung dieser Botschaft. Carlyle war oder wurde zunehmend eine seltsame Art von »Existenzialist«, der glaubte, daß es nur eine Realität gebe: die der gelebten Erfahrung, die er »fact« nannte, und daß die Kunst nur eine Aufgabe habe, die Darstellung dieser Tatsache. Die Geschichte wird die einzige Dichtung, die Biographie die einzige Geschichte. Die Substanz des Idealismus oder der Glaube an die Wirklichkeit hinter den Phänomenen und an die Möglichkeit, die Wirklichkeit in den Symbolen der Kunst zu lesen und zu interpretieren, werden preisgegeben. Immer weniger begriff Carlyle das Wesen der Kunst. »Die Dichtung hat mehr als wir vermuten teil am Wesen des Lügens.«57 Ein Ereignis, ein Faktum ist die einzige Realität, die Carlyle mit einer seltsamen, beinahe abergläubischen Scheu verehrt. »Wie eindrucksvoll die geringste historische Tatsache werden kann verglichen mit dem größten fiktiven Ereignis.« Daß etwas tatsächlich geschah, daß es kein Traum, sondern Realität war, ist ein gleichbleibender Gegenstand von Carlyles Staunen. Charles I. habe tatsächlich zusammen mit einem Bauern auf einem Heuboden übernachtet, und dieser Bauer aus dem Jahre 1651 sei geboren worden, sei ein Sohn, ein Vater gewesen, habe sich auf mannigfache Weise abgeplagt und sei gestorben. Johnson habe tatsächlich einer Straßendirne versichert: »Nein, nein, mein Mädchen, das führt zu nichts.« »Bedenke nur, daß das wahr ist, daß es in der Tat genauso geschah!« ruft Carlyle aus, überrascht von einem Gemeinplatz, der für ihn der Weis-

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heit Anfang ist.58 König Johann ohne Land sei wahrhaftig dort in St. Edmundsbury gewesen und habe »tredecim sterlingii wenn nicht mehr [zurückgelassen], und lebte und erlebte dieses oder jenes, und eine ganze Welt lebte und erlebte zugleich mit ihm. Da, behaupten wir, liegt die große Originalität, die unermeßliche, die in einem wahrhaft unendlichen Maße die geringste historische Tatsache von aller wie auch immer gearteten Fiktion unterscheidet.«5» Diese Verehrung des Faktischen, des vergangenen Ereignisses, erklärt Carlyles Wendung zur Geschichte und weg von der »lügenden« Literatur. Als Mill ihm französische Memoiren aus der Revolutionszeit lieh, kommentierte er begeistert: »Dies wäre, was ich die höchste Art des Schreibens nennen würde, weitaus höher als jede Art der Dichtung selbst von der Qualität Shakespeares. Ich für meinen Teil erkläre, daß ich jetzt kein anderes Gedicht mehr genieße als das undeutliche, schattenhafte, bisher einzig mögliche Gedicht, das für mich in jeder erfahrenen Realität schwebt.«60 Die Vergangenheit erhält in den Augen Carlyles eine heilige Aura, die ihn, wenigstens in der Theorie, dazu bringt, mit seinen moralischen Vorurteilen zurückzuhalten. »Was auch immer existiert hat, hat seinen Wert gehabt: ohne irgendeine in ihm liegende Wahrheit und Bedeutung könnte kein Gegenstand zusammengehalten haben und Werkzeug, Mittel für Unterhalt und Handlungsweise gewesen sein für Menschen, die vernünftig dachten und lebendig waren.« Diese Toleranz wird sogar zu einem allgemeinen Freispruch: »Die ganze Vergangenheit ist uns heilig; die Toten sind alle heilig, selbst die, die gemein und schlecht waren, solange sie lebten.«61 Mit zunehmendem Alter verurteilte Carlyle immer mehr alle Dichtung und Kunst. Er tadelte nicht nur Romane, wie er lange vorher schon die »modischen Romane« Bulwers, die Liebesgeschichten der George Sand62 oder Dickens Sentimentalitäten angegriffen hatte63, sondern er gelangte sogar dahin, Goethe und den ganzen verführerischen Reiz der Kunst zu verwerfen. »Die Fiktion, selbst in den schönen Künsten, ist keineswegs zulässig.«64 Viele Zeugnisse berichten uns, daß der ältere Carlyle Verse nicht liebte, den Dichtern riet, in Prosa zu schreiben und daß er mit Literaturkritik, Theorie oder Philosophie irgendeiner Art nichts anfangen konnte. 65 Aber über der Heftigkeit, mit der der spätere Carlyle Dichtung und Ästhetik verwirft, sollte die Tatsache nicht vergessen werden, daß er sich immer noch mit Literatur beschäftigte und imstande war, diese Begeisterung für das Faktum mit irgendeinem Nutzen des geschriebenen Wortes zu vereinbaren. Der Wechsel von einem Begriff der Dichtung als Offenbarung der Wirklichkeit hinter den Erscheinungen zu einer »aus dem Kerker befreiten Seele der Tatsache« scheint nicht zu radikal. Es war nur ein weiterer kleiner Schritt von der Aussage, daß die Dichtung selbst schlechthin Tatsache sei, zu der Behauptung, die Geschichte sei wahre Dichtung. 66 Ausnahmen gibt es, denkt Carlyle, nur scheinbar. Homers Ilias sei »in keiner Weise Fiktion«, da Homer geglaubt habe, die Geschichten seien reine Wahrheit. Ebenso sei Dantes Rede wahr und keine Fiktion und Shakespeares Schauspiele seien eine Art von Heldenerzählung, von Geschichte, eine Art Tatsache.67 Der

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Ursprung dieses Gedankens liegt in A. W . Schlegels Auffassung, daß Shakespeares Geschichten ein Epos Englands seien, aber Carlyle weitete ihre Bedeutung metaphorisch aus und würde auch Schauspiele eingeschlossen haben, die in der Ausführung ganz unrealistisch sind und keine Historie im Sinne irgendeiner traditionellen Klassifizierung sind. »Fact« wird zu einem heiligen Wort, das in der Praxis die Kunst von Dante, Shakespeare oder Homer meinen kann — alles, was Carlyle groß und wahr erschien. Wenn die Dichtung Geschichte oder Epos ist, dann ist sie »im Grunde« ein Heldengedicht, eine Biographie, die Lebensbeschreibung eines Menschen. 08 Das Kunstwerk als ein Artefakt geht verloren, sogar die Bestimmung des Dichters als eines Dichters verschwindet. Früher hatte Carlyle die Identität des Dichters und des Denkers festgestellt, aber später wird der Dichter von dem Helden absorbiert, von dem großen Menschen, von irgendeinem großen Menschen, und schließlich scheint sich der Dichter in keiner Weise von jedem beliebigen guten Menschen überhaupt zu unterscheiden. »Wo immer ich gehe oder stehe, finde ich den sprachlosen Staub von Dichtern (von Herstellern, Erfindern, großen kämpfenden Seelen, die nie für das Copyright auf der Staße hausieren gingen und bloß auf den Hümmel und Gott zustrebten und weg von der Hölle und dem Teufel); und ich sage zu mir selbst ,Es hat Millionen und aber Millionen von Dichtern gegeben, und Hunderte von ihnen sind Shakespeares gewesen, vielleicht Tausende oder eine größere Zahl, seit Adam seine Feigenblatthosen anzog.'«69 Der Dichter sei einfach ein guter Mensch, sogar ein stiller guter Mensch, weil alles Große unwillkürlich und letzlich schweigend geschehe. Mit mehr Uberteibung, als sie bei jedem anderen angesehenen Literaturkritiker zu finden ist, glaubt Carlyle an das Unbewußte, an die Natur und Inspiration. »Der nach außen gerichtete Teil vom Leben eines Menschen macht gegenüber dem ungeäußerten, unbewußten Teil nur einen geringen und unbekannten Anteil aus.« Nur eine »dünne Schale des Bewußten überzieht die tiefe, unergründliche Domäne des Unbewußten.« »Aus jener mystischen Region und aus ihr allein sind alle Wunder, alle Poesien, alle Religionen und sozialen Systeme hervorgegangen.«70 Das bezieht sich nicht nur auf die Individuen, sondern auch auf die Zeitalter. Ein seiner selbst bewußtes Zeitalter ist keine schöpferische, ist eine mittelmäßige Zeit. Die Literatur, soweit sie eine selbstbewußte Literatur ist, erscheint fast als eine Art Krankheit. Der Unterschied zwischen gläubigen und ungläubigen Zeitaltern, für Carlyle derselbe wie der Unterschied zwischen den schöpferischen und den kritischen oder sterilen Zeiten, bezieht auch die Individuen ein: Vergil stehe unter Homer wegen seiner »fatalen Bewußtheit«.71 Boswell habe auf Grund seines »unbewußten Talents« Erfolg gehabt. 72 Bewußtlosigkeit ist für Carlyle das Zeichen der Schöpfung. Die Nacht sei erhabener als der Tag, und Reden sei Silber, Schweigen sei Gold. »Vielleicht sind die stummen Miltons unsere größten Dichter.«73 John Morleys Spott über Carlyles »Evangelium des Schweigens in dreißig Bänden« vernachlässigt zwar diese Bedeutung der unbewußten Schöpfung, aber er weist auf die Selbstaufhebung eines solch extremen Irrationalismus hin. Dieser endet

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mit einer vollständigen Niederlage vor den objektiven menschlichen Schöpfungen, die schließlich das ausdrückliche Leben der Vernunft sind. Die radikale Ablehnung von Kunst, Fiktion und Theorie entstand aus Carlyles ursprünglichem Engagement für den Aktivismus und seinem biographischen Interesse. Von Anfang an tendierte Carlyles kritisches Interesse deutlich zur Biographie. Bei der Besprechung von Burns sagt Carlyle: »Weit interessanter als alle seine geschriebenen Werke sind seine gehandelten.« »In der Kunst dürfen wir keineswegs den Künstler vergessen«, weil kein »Gedicht seinem Dichter gleich ist.«74 In Frankreich wurde von Sainte-Beuve gleichzeitig eine ähnliche Entwicklung vollendet. Die Literaturkritik war formal oder emotional oder philosophisch gewesen und hatte sich immer in erster Linie mit dem Werk befaßt. Mit Carlyle wurde sie entschieden persönlich. Obwohl sich Carlyle oft mit der Biographie seiner deutschen Lieblingsschriftsteller befaßte, interessierte er sich doch wirklich für ihre Schriften und Lehren. Bei den englischen Schriftstellen seiner Zeit war das anders. Er kannte die meisten dieser Schriftsteller persönlich: sie drängten sich durch ihre Physiognomie und ihr Verhalten auf und wurden Opfer der satirischen Porträtierkunst Carlyles. Der murmelnde Coleridge, die Worte dehnend und näselnd »Om-m-mject« und »Sum-m-mject«, »ein stöhnender Singsang von theosophischmetaphysischer Monotonie«, »eine hilflose Seele, die mit den Spinnweben der anglikanischen Kirche überzogen ist; ein schwacher, sich weitschweifig wälzender Mann.«75 Wordsworth, »ein Mann mit ungeheurem Kopf und mächtigen krokodilähnlichen Kinnbacken, gegossen in eine Form, die zu gewaltiger Arbeit bestimmt ist«, aber tatsächlich »eine ziemlich geistlose, anstrengende, unproduktive und fast lästige Sorte Mensch.« »Aufrichtiger habe ich nie Äußerungen bloßer Geschwätzigkeiten und sogar Platitüden von irgendeinem Menschen gehört.« Dennoch »ein natürlicher Mensch« »mit einer schönen bäuerlichen Einfachheit und Würde um sich.«76 Lamb, »der dürrste aller Menschen, mit spindeldürren Beinen... eher ein jüdischer Typ, sprach stotternd, beim Gehen torkelte und schlurfte er; ein Sinnbild körperlichen und geistigen Schwachsinns, (ich habe etwas von wirklicher Geisteskrankheit gehört) und dennoch auch etwas von humanem, aufrichtigem, ergreifendem, heiterem Dulden.« »Gewöhnlich von ziemlich schlechtem Benehmen, bis zu einem gewissen Grade verbohrt in frostige Künstlichkeiten, schauderhafter Schein von Witz.« 77 Landor, »ein großer, breiter, stämmiger Mann mit grauem Haar und großen, wild-rollenden Augen: von der rastlosesten, heftigsten Lebhaftigkeit, die auch durch die vollkommenste Erziehung nicht gebändigt werden kann. — Ein ungezähmter Mensch, den keine noch so hohe Kultur hatte gefügig machen können.« Oder, in einer günstigeren Stimmung: »ein stolzer, reizbarer, entschiedener, doch großmütiger, wahrheitsliebender und würdevoller alter Mann, ganz von adeligem oder königlichem Charakter.«78 De Quincey, »einer der anziehendsten Schwätzer, die ich je gehört habe: von großem, allerdings krankhaftem Scharfsinn, nicht ohne Tiefe, auch mit feiner Empfindung, aber ohne Weite und Genauigkeit, schwach, zerstreut, überempfindlich, im Ganzen ein verdorbener, 7

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untauglicher Mensch.« »Einer der unverbesserlichsten Tories, die es jetzt noch gibt; der die Armut mit völliger Verachtung verabscheut, und er selbst, ach, ärmer als Hiob jemals war, der ja, auch wenn es ihm noch so schlimm ging, nicht für bankerott erklärt wurde.«79 Härte und gehässiger Witz vieler Urteile Carlyles sollten seine wirkliche Einsicht und seine Charakterisierungskunst nicht verdunkeln. Dennoch basiert diese Einsicht selten auf umfassender Lektüre der Werke des Schriftstellers, sondern scheint einfach auf physiognomischem Instinkt, Hörensagen oder äußerem Eindruck zu beruhen. Wordsworths »göttliche Reflexionen und Unergründlichkeiten [sind] beschränkt, verkürzt, bläßlich und unsicher; vielleicht teilweise ein schwacher Reflex (gewonnen aus zweiter Hand von Coleridge) des ungeheuren deutschen Fundus an diesen?«'0 Selbst wenn Carlyle die Menschen nicht persönlich kannte, beurteilte er sie zum größten Teil nach ethischen Maßstäben, die er an ihre Persönlichkeit anlegte. Burns wird wegen seiner Spontaneität, Aufrichtigkeit und lyrischen Unmittelbarkeit gelobt, aber angesehen als verdorben und ruiniert durch weltlichen Ehrgeiz. »Seine Sittlichkeit ist diejenige eines bloß weltlichen Mannes; Vergnügen, in einer feineren oder gröberen Form ist die einzige Sache, nach der er verlangt und strebt.« Carlyles Urteil über Burns' Werk ist erstaunlich geringschätzig. »Betrachten wir sie, so verdienen nur ein paar von diesen Stücken im streng kritischen Sinne Gedichte genannt zu werden. Sie sind gereimte Eloquenz, gereimtes Pathos, gereimte Empfindung, doch selten ihrem Wesen nach melodisch, atmosphärisch, poetisch.«81 Carlyle hebt »The Jolly Beggars« lobend hervor als das am strengsten poetische von allen seinen Gedichten. Aber er erhebt Einwände gegen »Tarn o'Shanter« als »bloße betrunkene Phantasmagorie, ein Stück funkelnder Rhetorik«.82 Burns' Poesie wird unter Texthinweisen wegen ihres warmen Gefühls der Liebe, ihres Wohlklanges, ihrer anschaulichen Naturbeschreibungen, ihrer Klarheit der Sicht gelobt. Obwohl Carlyle auf die Schwächen des Mannes anspielt und seinen Mangel an Religion bedauert, sind Akzent und Ton seiner Kritiken positiv. Das Gefühl einer Verwandtschaft mit einem armen schottischen Bauern und die Anerkennung der Lyrik als eine Gattung mit bescheidenen Ansprüchen machen den vor allem verständnisvollen Charakter dieses Essays aus, besonders deutlich, wenn er den Gegensatz zwischen Burns' Aufrichtigkeit und Byrons Falschheit herausarbeitet. Den geplanten Essay über Byron hat Carlyle nie geschrieben, aber aus den vielen verstreuten Kommentaren zu Byron wird deutlich,83 daß er ihn als Repräsentanten des Pessimismus, der Verzweiflung und sogar des moralischen Nihilismus behandelt hätte. Carlyle tadelt Byron beständig für ein, wie wir sagen könnten, Versagen der Nerven und überraschenderweise sogar für Passivität und Untätigkeit, trotz Byrons Teilnahme am griechischen Aufstand. Byron schildere »Empfindungen, die aus Leidenschaft entstehen und ungeeignet sind, in Tätigkeit umgesetzt zu werden.«84 Der berühmte Rat, »schließe deinen Byron, öffne deinen Goethe«,85 basiert auf diesem Gegensatz zwischen Tätigkeit, Liebe, Arbeit und hoffnungs-

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loser Schwermut und Faulheit. Goethes Bewunderung für Byron brachte Carlyle in Verlegenheit und er weigerte sich zu glauben, Euphorion habe irgendetwas mit Byron zu tun.8® Scott, ein »robuster, völlig gesunder und überdies sehr wohlhabender und siegreicher Mann«87 wird ebenfalls im Kontrast zu dem armen und kranken Burns erörtert. Aber was in dem Essay über Burns Grund zum Lob war — Erdverbundenheit und schottisches Lokalempfinden — wird im Falle Scotts zum Anlaß des Tadels. Der Akzent hat sich verschoben, weil Scott Erfolg hatte, ein Baronet geworden war und als Romanschriftsteller in Carlyles Augen ernsthaftere Verpflichtungen hatte als ein Liederdichter. »Sein Leben war weltlich; seine Ambitionen waren weltlich. Er hat nichts Geistiges an sich; alles ist ökonomisch, materiell, erdgebunden.« Er »muß sich selbst zerstören, um Landedelmann sein zu können, der Begründer eines schottischen Gutsherrengeschlechts.« Jeden Tag schrieb er wie eine Dampfmaschine, um »15 000 Pfund im Jahr zu verdienen und damit Polstermöbel zu kaufen.«88 Das Leben Scotts gibt den Stoff ab für eine Predigt über die Nichtigkeit weltlichen Ehrgeizes und Erfolges und die Unbrauchbarkeit aller Werke, die in Eile, aus dem Stegreif und nur zur Unterhaltung geschrieben werden. »Das große Geheimnis des Lebens erschien ihm nicht groß.« »Man merkt nicht, daß er ati irgendetwas glaubte.« Dieser »starke, friedliebende, weltliche Mann« hatte »der Welt keine wie auch immer geartete Botschaft zu überbringen.«8» Die Romane werden sehr hart als »theatralische Gemälde« beurteilt. Scotts Charakterisierungskunst sei ganz äußerlich: »Er gestaltet seine Charaktere von der Haut nach innen und kommt nie in die Nähe des Herzens.« Uberraschenderweise sieht Carlyle in Scotts historischen Bildern nichts als ein antiquarisches Vergnügen an den alten Formen der Waffen und der Kleidung. Aber »Ledergürtel und alle Arten von Jacken und Kostümen sind vergänglich; der Mensch allein ist beständig.«90 Widerwillig gibt Carlyle zu, daß der historische Roman eine wichtige Neuerung war, doch Scotts tiefe Einsicht in die historischen Konflikte erkennt er genau so wenig wie die Gültigkeit seines Bildes vom Schottland des 18. Jahrhunderts. Er behandelt ihn beinahe so streng wie es später Croce tun sollte als einen bloßen Helden des Geschäfts, als einen »Artisten«, als virtuosen Unterhaltungslieferanten. Die beiläufigen Bemerkungen über Shelley und Keats sind sogar noch härter und weniger scharfsinnig, obwohl man wie immer Carlyles unvergeßliche Formulierungskunst anerkennen muß. Ein Satz wie: »Hört einen Shelley die Erde mit unartikuliertem Wehklagen erfüllen; wie der unendliche, unartikulierte Schmerz und das Weinen von verlassenen Kindern« legt nahe, daß er nur »O Life O World O Time« kannte.91 Carlyle dankte Browning für seinen Essay über Shelley, der eine Sammlung von gefälschten Briefen einleitet, und versicherte ihm offen: Shelley erschien mir immer als äußerst schwaches Wesen und mehr beklagenswert als bewunderungswürdig. Von schwachem Talent 7*

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und Charakter (denn diese beiden hängen immer zusammen), ein armes, dünnes, sprunghaftes, hektisches, scharfes und bleiches Wesen . . . sein Universum ist von einem gänzlich ausdruckslosen Azur, behängt mit ein paar frostigen, düsteren, wenn auch schönen Sternen. Schon seine Stimme (sein Stil usw.), für meine Ohren schrill und kreischend, hat zu viel Gespenstisches.92 Mit Keats kann Carlyle ebenso wenig anfangen. In dem Essay über Bums verwies er auf Keats »schwachsichtige, rührselige Empfindsamkeit und einen gewissen vagen, zufälligen Wohlklang der Natur«,93 und Monckton Milnes Keats—Biographie steigerte seine Geringschätzung. »Die Menschenart, zu der Keats gehörte, erscheint mir immer abscheulicher. Mächtige Vergnüngungssucht jeder Art und Mangel an aller anderen Kraft — eine solche Seele, einstmals wäre das sehr deutlich gewesen, war ein auserwähltes ,Gefäß der Hölle'.«94 Die Grenzen der Literaturkritik scheinen damit erreicht zu sein und der Inquisitor erscheint. Diese heftigen Äußerungen zeigen, daß Carlyle nicht mit der englischen Romantik identifiziert werden kann: nicht ein einziger Schriftsteller entging seiner vernichtenden Anklage. Historisch gesehen stammt er aus einer älteren Vergangenheit. Die Aufklärung verfolgt Carlyle sogar mit noch grimmigerem Haß. Das 18. Jahrhundert wird vollständig und allgemein verdammt, obwohl Carlyle gegenüber Schriftstellern aus dem 18. Jahrhundert im Detail weitaus nachsichtiger urteilt als gegenüber Zeitgenossen. Dryden, Pope und Sterne werden gelobt: Sterne »wegen der ungeheuren Liebe zu den Dingen um sich herum.«« Swift und Hume erregen seine Bewunderung, obwohl Swift ihm kein Christ zu sein schien und Hume der große Gegner alles dessen war, wofür Carlyle eintrat. Dennoch besitzt Carlyle eine starke Neigung zum Stoizismus, und Hume war ein Stoiker, »ein heroischer, schweigsamer Mensch«.96 Aber Carlyles volle Bewunderung blieb Dr. Johnson vorbehalten, »einem der größten Helden«, »einer unserer großen englischen Seelen«.97 Der Schriftsteller Johnson interessierte Carlyle nicht sehr: in seinen Büchern entdeckt er »die unbestreitbaren Spuren eines großen Intellekts und eines großen Herzens« und »einen wunderlichen steifen Stil«,98 aber er kümmert sich nur um den Menschen, wie er von Boswell beschrieben wurde. Carlyles Respekt vor Boswells »offenem, liebenden Herzen«, vor seiner bereitwilligen Heldenverehrung, vor seinem »Scharfsinn, einem Bilderreichtum und wunderbaren Spiel, das momenthaft Einsichten vermittelt, die weitaus tiefer sind als üblich«, wird abgeschwächt durch eine niedrige Meinung von Boswells Moral und Denkfähigkeit: »ein unfeiner Mensch, ein eitler, gedankenloser Schwätzer, ein Geck« voller »Sinnlichkeit, Anmaßung und lauter Dummheit«.99 Carlyle präsentiert im wesentlichen die gleiche widersprüchliche Behauptung wie Macaulays ein wenig früherer Essay. Der dumme Boswell brachte unbewußt das bedeutendste Buch des 18. Jahrhunderts

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hervor: das Evangelium »des Propheten der Engländer«.100 Dieser Widerspruch ist später durch die Entdeckung von Boswells Handschriften gelöst worden, die sein bewußtes Künstlertum demonstrieren. Das französische 18. Jahrhundert ist für Carlyle das große Zeitalter des Unglaubens. Dennoch sind die Essays über Voltaire und Diderot und die Bemerkungen zu Rousseau in den Vorträgen über Helden nicht ohne menschliche Sympathie und einige literarische Feinfühligkeit. Rousseau scheint unter Carlyles Helden seltsam fehl am Platze: »ein angekränkelter, reizbarer, sprunghafter, erbärmlicher, eitler« Mensch, den er nur zu bewundern scheint, weil Rousseau von ernsthaftem Streben beseelt gewesen sei und »einen Funken göttlichen Feuers« in sich gehabt habe.101 Wegen seiner Toleranz, seines »durchdringenden Sinnes für Redlichkeit« erregt Voltaire in einem frühen Aufsatz (1828) Carlyles Bewunderung. Er sei »ein vollkommen gesitteter Mensch« gewesen, aber sein Charakter« war entschieden flach. »Von Anfang bis Ende finden wir nichts Heroisches in seinem Charakter, ja es gibt sogar, soviel wir wissen, keinen großen Gedanken in all seinen sechsunddreißig Quartbänden.« »Er ist kein großer Mensch, sondern nur ein großer Spötter.«102 Er sei kein Dichter, kein Philosoph, aber man müsse seine Schriften loben wegen ihrer Klarheit und Ordnung, wegen der Geschicklichkeit beim Überwinden von Schwierigkeiten, wegen des Witzes und des »Geschmacks« (was jedoch nicht gleichbedeutend mit echter Liebe zur Dichtung sei). Dennoch erkannte Carlyle, daß Voltaire als Denker Diderot unterlegen ist.103 Der Essay über Diderot bestätigt lebhaft dessen hohen intellektuellen Rang. Während Carlyle über Le Rêve de D'Alembert hinweggeht und auf Les Bijoux indiscrets als »der ekelhaftesten aller vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen geistlosen Romane« anspielt, spendet er für Jacques le Fataliste und besonders für Le Neveu de Rameau reichliches Lob. Carlyle hatte etwas von Diderots Schriften zur Kunstkritik gelesen und kritisiert ihren Naturalismus mit Begriffen von Goethes Kommentar.104 Aber es ist ein vor allem biographischer Essay, der ein richtiggehendes Entsetzen über Diderots Beziehung zu Sophie Volland und über den von ihm gepflegten niedrigen Umgang ausdrückt; und es ist ein ideologischer Essay mit einer glühenden Predigt gegen den Atheismus und die mechanistische Philosophie. Strenggenommen muß man es vom Standpunkt der Literaturkritik aus bedauern, daß Carlyle den Pfad der Tugend wählte: der Übergang zur Biographie, zur Theorie einer didaktischen Literatur, zum Moralismus und zu dem Kriterium der »Aufrichtigkeit« war der Sache der Literaturkritik nicht förderlich. Carlyles zeitweilige Hinneigung zu den Grundsätzen des Historismus und zum deutschen romantischen Symbolismus brachte ihn einem Verständnis von Dichtung viel näher. Aber andererseits sollte man anerkennen, daß Carlyles Moralismus für seine Persönlichkeit grundlegend war und daß eine einigermaßen tiefe Einsicht darin lag, die Anarchie der Werte und den blinden Glauben an die Veränderung abzulehnen, die im deutschen romantischen Historismus impliziert waren. Carlyles

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strenger Dualismus von Gut und Böse im Menschen, seine Erkenntnis von Katastrophen und verheerenden Umwälzungen in der Geschichte und selbst seine Verehrung von gelebter Erfahrung als »Faktum« repräsentieren eine Anschauung der Welt (und folglich der Kunst), der man sich stellen muß, um sie zu widerlegen.

T H O M A S D E Q U I N C E Y (1785—1859) Man hat De Quincey oft als einen kleineren Coleridge bezeichnet und ihn sogar »das Adjektiv, zu dem Coleridge das Substantiv war«, genannt.1 Z w a r besaß De Quincey eine glühende Begeisterung für Coleridge als Philosophen und Psychologen: er glaubte ihn mit Plato und Schelling vergleichen zu können und hielt ihn als Psychologen für »absolut unerreicht auf Erden«.2 Aber er war auch der erste, der Coleridges Schelling-Plagiate aufdeckte.3 Er schrieb unnachsichtig über Coleridges Opiumsucht und scheint seine Dichtung keineswegs verstanden zu haben. In seinem einzigen weitschweifigen Kommentar zu einem der Gedichte behauptet er, daß »der alte Seemann das Wesen erschlagen hatte, das ihn auf der ganzen Welt am meisten liebte. In der Finsternis seines schrecklichen Aberglaubens hatte er es getan, um seine Mitmenschen vor einem eingebildeten Nachteil zu bewahren.«4 Auch was die Ästhetik oder Literaturtheorie anbetrifft stimmte De Quincey nicht mit Coleridge überein: er weiß nichts von dessen ausschließlicher Beschäftigung mit der Imagination, der Ganzheit oder dem Symbol und er verwirft ausdrücklich Coleridges Kritik an Wordsworths Theorie der Dichtersprache und seiner Auffassung von der Illusion.5 In der Literaturkritik ist De Quincey eher Wordsworth verpflichtet: »Was den größten Teil der stichhaltigen Kritik an der Dichtung oder an irgendeinem damit zusammenhängenden Gegenstand betrifft, dem ich jemals begegnet bin, muß ich eingestehen, daß ich Mr. Wordsworth für den viele Jahre dauernden Umgang verpflichtet bin.«6 Er nannte das Preface aus dem Jahre 1800 »jenseits allen Vergleichs das scharfainnigste und (selbst der beste aller deutschen Essays nicht ausgenommen) vollendetste und meisterhafteste Muster der Beweisführung, das zu irgendeiner Zeit oder in irgendeiner Nation von irgendeiner der schönen Künste hervorgebracht worden ist.«7 Später klagt De Quincey über Wordsworths Versäumnis, seinen Angriff auf die alte konventionelle Sprache der Dichtung zu belegen oder abzugrenzen, und beschuldigte ihn sogar, gänzlich »seine eigene Meinung mißzuverstehen«.» Doch in Bezug auf die Literaturtheorie gehört De Quincey nicht dem Symbolismus Coleridges und dem deutschen dialektischen Symbolismus an, sondern der empirischen psychologischen Tradition der Briten und der emotionalen Richtung, die von Dennis herkommt und über Hartley zu Wordsworth führt. D e Quincey hegte große Hoffnungen für die zukünftigen Fortschritte der Psychologie. »Eine Literaturkritik im Sinne der absoluten und

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philosophischen Kritik besitzen wir kaum oder gar nicht; denn, bevor eine solche existieren kann, müssen wir eine gute Psychologie besitzen, die wir im Gegenteil augenblicklich überhaupt nicht aufweisen können.«9 Es findet sich bei De Quincey (wie auch bei Wordsworth) gelegentlich ein Widerhall der symbolistischen Auffassung. Die Dichtung lehre uns wie die Natur uns lehre, »wie die Wälder, wie das Meer, wie die Kindheit lehren — nämlich durch tiefen Impuls, durch hieroglyphische Eingebung... durch Symbole und Wirkungen.«io Selbst hier ist »der vom Frühlingswald ausgehende Impuls« in dem symbolischen Alphabet erkennbar. Aber üblicherweise hat die Dichtung bei De Quincey keine belehrende Funktion, sondern überträgt vielmehr Emotionen. Die berühmte Unterscheidung zwischen »Literature of Power« und »Literature of Knowledge« (für die De Quincey Wordsworth als Quelle anführt), 11 stellt auf den ersten Blick eine bloße Neuformulierung der Unterscheidung zwischen Dichtung und Wissenschaft dar, die von Wordsworth und Coleridge getroffen wurde. Die Konzeption einer »Literature of Power« ermöglichte es De Quincey, die dichterische lyrische Prosa unter diesem Begriff zu subsumieren und dadurch, daß er unabhängig vom Metrum zusammenfaßte, was die Deutschen Dichtung nennen, den Implikationen des Terminus »Fiktion« auszuweichen. »Power« bedeutet bei D e Quincey emotionale Einwirkung und ist sicherlich mit ähnlichen Unterscheidungen verwandt, die Hazlitt gemacht hatte, 12 und möglicherweise sogar mit Herders Versuch, »Kraft« zum zentralen Begriff der Dichtung zu machen, als er in dem ersten seiner drei Kritischen Wälder (1769) Lessings Laokoon zu widerlegen trachtete. De Quincey hatte teilweise Laokoon übersetzt, mit Anmerkungen versehen, und er hatte eine kurze Abhandlung über Herder geschrieben.13 Aber der deutsche Diskussionsstand scheint De Quincey nicht vertraut gewesen zu sein und er wird sich eher auf die Diskussionen des 18. Jahrhunderts über das Erhabene bezogen haben. Sein eigener Gebrauch der Unterscheidung zwischen Kraft und Wissen änderte sich. Die frühe Passage (1823) betont den Unterschied zwischen»power« und»pleasure« und sieht die Aufgabe der Literatur darin, schlummernde Gefühle wachzurufen. »Wenn diese trägen und schlafenden Formen gegliedert werden, wenn diese Möglichkeiten verwirklicht werden, so meine ich, daß dieser bewußte und lebendige Besitz meiner selbst Kraft ist, oder was denn sonst?«14 Später jedoch (1848) gibt De Quincey eine andere Definition seiner Unterscheidung: »Literature of Power« spreche zu dem menschlichen Geist, die »Literature of Knowledge« zum trockenen Verstand. 15 Power heiße die »tiefe Übereinstimmung mit der Wahrheit«, »Übung und Erweiterung unserer eigenen latenten Fähigkeit zur Übereinstimmung mit dem Unendlichen«. Sie beziehe sich auf »die großen moralischen Fähigkeiten des Menschen« und wird mit »dem verstehenden Herzen«, mit intuitivem Wissen identifiziert. »Ruhe« und »Gelassenheit«16 werden als wesentlich für große Kunstwerke proklamiert, mit dem Versuch, der frühen, bloß affektiven und überwältigenden Bedeutung von »power« entgegenzuwirken. Wie Longinus versucht De Quincey, sowohl ekstasis als auch katharsis beizubehalten.

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Aber die Formel »Literature of Power* hat sich in der Literaturkritik nicht erhalten, weil »power* nicht eindeuting emotionale Einwirkung suggeriert und weil »knowledge* in einer wohlbekannten Redensart »power* ist. Dieser zentrale Gedanke der Literaturtheorie De Quinceys paßt auf seltsame Weise zu Ideen von ganz anderer Herkunft und ganz anderen Konsequenzen. In zwei Essays »Rhetoric« (1828) und »Style« (1840—41) unterscheidet D e Quincey zwischen Rhetorik und Eloquenz (oder Beredsamkeit). Eloquenz sei die Kunst der Überredung, die Kraft zu bewegen (von der man denken würde, sie errege seinen Beifall), während die Rhetorik das Spielen mit Ideen um ihrer selbst willen meint, die geistige Gymnastik oder Pyrotechnik, eine »Kunst, sich seiner eigenen Kräfte zu erfreuen«.17 De Quincey schließt sich häufig der Auffassung an, daß im Idealfalle Stil oder »Manier mit der Sache zusammenfließt«, daß der Stil in Wordsworths Terminologie nicht das Kleid, sondern die »Verkörperung der Gedanken« sei oder sein sollte.1« In der Praxis jedoch interessiert sich D e Quincey für denjenigen Stil, der die Sprache um ihrer selbst willen behandelt, einen Stil, der »einen absoluten Wert (besitzt)... ganz unabhängig von dem Wert des Gegenstandes, auf den er sich bezieht.«19 Er findet Beispiele dieser »Rhetorik« bei Donne, Jeremy Taylor und Sir Thomas Browne, wogegen die Griechen nur Beredsamkeit besessen haben, aber keine Rhetorik in seinem besonderen Sinne.20 Konsequent schätzt De Quincey zwei Stilmöglichkeiten gering ein: den schmucklosen Stil eines Swift wegen seiner »groben Kunstlosigkeit«,21 der für ihn in keiner Weise dem Stil Defoes und Hunderter von anderen Schriftstellern überlegen ist; und den wechselvollen, diskontinuierlichen Stil Hazlitts oder Lambs. In De Quinceys Sinne ist Hazlitt daher nicht eloquent. »Kein Mensch kann eloquent sein, dessen Gedanken unzusammenhängend, isoliert, unberechenbar und (um ein eindrucksvolles Wort Coleridges zu gebrauchen) nicht folgsam sind.«22 Lamb leide unter Kurzatmigkeit. »Die Kreisbewegung, innerhalb derer sein Empfinden sich dreht, von welcher Art es auch immer sein mag, ist stets die kürzest mögliche. Sie dehnt sich nicht selber aus — sie wiederholt sich nicht — sie breitet sich nicht aus.« Lamb habe »keinen Sinn für das Rhythmische in der Prosa«.23 D e Quincey urteilt möglicherweise nur deshalb so übertrieben, weil »Rhythmus« für ihn nur den gedehnten Rhythmus der Ciceronianischen und barocken Periode bedeutete, den er bei Taylor, Milton, Browne und Burke bewunderte und selber in seinen »leidenschaftlichen« Traumphantasien benutzte. Aber seine Auffassung von »Stil« und Rhetorik schwankt unentschlossen zwischen dem, was er »organology« nennt — Stil als ein Organon des Denkens, Stil in Verbindung mit den Ideen und Empfindungen — und »mechanology«, eine Wissenschaft, für die Stil eine Art von Mechanismus bedeutet, in dem Worte auf Worte einwirken. 24 Rhythmus, unabhängig von Bedeutung und Gedankenspiel, und Rhythmus, unabhängig von seinem Gegenstand oder seiner Wahrheit verbinden sich in seinem Verständnis der »Rhetorik«, das so eigentümlich und so sehr «jedem historischen Gebrauch entgegensetzt ist, daß es schwer wird, einzusehen, warum es als »der originellste

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Beitrag zur rhetorischen Theorie seit Aristoteles« begrüßt werden sollte.25 De Quincey verdrehte nur einen eingeführten Begriff in eine neue Bedeutung. Nebenbei skizzierte er eine Tendenz in der Geschichte des englischen Stils im 17. Jahrhundert. Aber selbst De Quincey mußte zugeben, daß die Trennung der Rhetorik von Bedeutung und Eloquenz nicht ganz überzeugend ist.26 Die beiden grundlegenden Begriffe, »Literature of Power« im Sinne von emotionaler Wirkungskraft und »Rhetorik«, definiert als nicht emotionale geistige Pyrotechnik, passen nicht zusammen und werden auf sogar noch seltsamere Weise mit anderen historischen Vorstellungen verknüpft. De Quincey offerierte eine eigene Version des Klassischen und Romantischen und übernahm eine zyklische Vorstellung von der Geschichte der Literatur. In beiden Punkten jedoch erweist er sich als völlig unoriginell und verdient das übertriebene Lob nicht, mit dem man ihn überhäuft hat wegen seines »tiefen Verständnisses für das, was man die organische Auffassung der Literatur nennen könnte«.27 De Quincey bemüht sich, den Gegensatz zwischen klassischer und romantischer Literatur durch einen Gegensatz zwischen heidnischer und christlicher Literatur zu ersetzen. Den hauptsächlichen Unterschied zwischen Altertum und Christentum sieht De Quincey in der verschiedenen Haltung gegenüber dem Tode: der Heide sei voll düsterer Ungewißheit und versuche deshalb, den Gedanken des Todes zu verschleiern; der Christ biete seinem Schrecken entschlossen die Stirn, weil er an die Auferstehung glaubt. Prahlerisch behauptet De Quincey, daß er »die beiden großen und konträren Gesetze ermittelt hat, unter denen die griechische und die englische Tragödie sich getrennt entwickelt haben«, und geringschätzig beurteilt er die Gebrüder Schlegel, die -»bloß die Unterscheidung zwischen klassisch und romantisch angegeben haben«, aber »keinerlei Anrecht auf irgendeine Entdeckung geltend machen können«.2« Doch ist De Quinceys Originalitätsanspruch in diesem Punkt sehr zweifelhaft: die Gebrüder Schlegel, Jean Paul (dessen Vorschule De Quincey bewunderte29) und viele andere Deutsche waren der Ansicht, die romantische Poesie könnte ebensogut christlich genannt werden. De Quinceys Betonung der verschiedenen Todesvorstellungen im Altertum und im Christentum — seine Gegenüberstellung von Jünglingen, die auf Darstellungen auf antiken Sarkophagen eine Fackel auslöschen und den Skeletten mit Sensen auf christlichen Grabsteinen — gibt eine lange Diskussion wieder, an der Lessing, Herder und Schiller führend teilnahmen.30 Eigentümlich für De Quincey ist lediglich seine heftige Mißbilligung der heidnischen Religion. Einer Gruppe von deutschen Romantikern ähnlich, die sich gegen den Hellenismus der großen deutschen Klassiker empörten, war De Quincey auf fanatische Weise antigriechisch. Seiner Ansicht nach verbreiteten die griechischen Götter nur blinden Schrecken und wurden als »öffentliche Plagen«, als »Klapperschlangen« gefürchtet. Der Einfluß der griechischen Religion sei entwürdigend gewesen: die Alten hätten keine Vorstellung von Geistigkeit, von der Sünde oder selbst von Nächstenliebe gehabt. 31 Systematisch greift De Quincey Griechenland an, »das unschöpferische Grie-

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chenland, denn lautstark behaupten wir, daß Griechenland in seinen Dichtern epigonal und steril war jenseits des Beispiels anderer Nationen.«32 Geringschätzig beurteilt er Homer als Chaucer weit unterlegen, Pindar als unlesbar, Demosthenes als nichtssagend und Plato als »keineswegs außerordentlich was den Reichtum seiner Ideen betrifft«.33 Von den griechischen Tragikern seien allerdings die einzigen Strahlen moralischen Lichts in der heidnischen Dunkelheit ausgegangen. Die griechische Tragödie wird von De Quincey gelobt, aber als tableaux vivants verstanden, die keinen Konflikt kennen und »ein Leben innerhalb eines Leben darstellen: ein Leben, abgeschlossen in irgendeinem entfernten, schlummernden Zustand, beherrscht von der strengen Ruhe des Hades; ein Leben, das in dem marmornen Leben von Skulpturen symbolisiert wird; aber völlig außerhalb jeder Ubereinstimmung und Wechselbeziehung mit den Realitäten jenes menschlichen Lebens, das wir Modernen als die Grundlage unseres tragischen Dramas begreifen.«34 De Quinceys »Theory of Greek Tragedy« (1840), für die er vollständige Originalität beansprucht, dehnt einfach bis zur Absurdität die von den Gebrüdern Schlegel aufgestellte Parallele zwischen der griechischen Skulptur und dem griechischen Drama aus. Obwohl sich De Quincey selber für den zweiten griechischen Gelehrten in England hielt, vertritt er eher eine extreme romantischchristliche Reaktion gegen den Hellenismus. Diese doktrinäre und unhistorische Geschichtsphilosophie wird bei D e Quincey zeitweise mit einem rationalistischen Begriff des unumgänglichen zyklischen Fortschreitens verbunden, mit einer in England seit Warton und Hurd wohlbekannten Auffassung, der zufolge die Dichtung von einem frühen Zeitalter der Leidenschaft zu einem Zeitalter der Vernunft abfalle, oder mit der Auffassung eines wechselnden Auf und Ab von schöpferischen und kritischen Perioden. Diese Idee verfolgt De Quincey selber zurück bis zu Velleius Paterculus und er könnte sie bei Goethe und Carlyle gefunden haben.35 Besonderen Gebrauch macht er von dieser Konzeption bei dem Versuch, die Auffassung zu widerlegen, es habe eine französische Periode in der englischen Literatur gegeben oder Pope sei abhängig vom französischen Klassizismus gewesen. Stattdessen, so lautet De Quinceys Argument, »gibt es nicht einen Abschnitt der französischen Literatur, dem es je gelungen wäre, unsere eigene zu beeinflussen oder in geringstem Maße zu modifizieren.«36 Was Pope und Dryden anbetrifft, »was sie getan haben, hätten sie auch dann getan, wenn Frankreich hinter China gelegen hätte. Die Schule, der sie angehörten, war eine Schule, die sich auf einer bestimmten Stufe des Fortschritts in allen Nationen gleich entwickelte... eine Schule, die von der besonderen Richtung abhing, die dem Empfindungsvermögen von der Reflexionsfähigkeit und von den neuen Erscheinungsformen der Gesellschaft gegeben wurde.«37 De Quincey tadelt Pope für dessen Worte: »Wir besiegten Frankreich, doch lebhaft empfanden wir den Charme unserer Gefangenen: ihre Künste triumphierten siegreich über unsere Waffen.« 38 Dennoch beurteilte er das englische augustinische Zeitalter als ein unpoetisches, unbedeutendes Zeitalter, dem mit

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der Zeit Johnsons ein »Zeitalter des Zusammenbruchs«39 folgte. Streng kritisierte De Quincey Addison, Swift, Dr. Johnson, Fielding und Crabbe, 40 doch erstaunlicherweise bewunderte er Pope außerordentlich. Das ist ihm deshalb möglich, weil er Pope — besonders in dem Essay von 1848 — seinen Begriff der Rhetorik anpaßt. »Ich bewundere ihn als einen pyrotechnischen Künstler, der leuchtende und vorübergehende Wirkungen aus Elementen gewinnt, die kaum das Leben eines Augenblicks besitzen.«41 Popes Gegenstand sei irrelevant: der Stil des Bogenschützen entscheide, nicht die Wahl der Opfer. 42 De Quincey glaubt, Pope sei kein richtiger Satiriker gewesen, weil ihm Bosheit und Entrüstung gefehlt haben, weil er mit seiner Gesellschaft zufrieden gewesen sei und wirklich eine friedfertige und gütige Gemütsverfassung besessen habe. Obwohl er das Christentum »unbekümmert und nachlässig vertrat«, »hatte er gründlich aus den Strömen christlicher Empfindung getrunken.«43 In seiner Poesie nahm er absichtlich »die Zügellosigkeit eines Lügners an um irgendeines flüchtigen und possenhaften Effektes willen« und erlaubte sich Roheiten und dreiste Lügen, denn er war »eines aufrichtigen Gedankens oder einer aufrichtigen Empfindung unfähig.«44 The Dunciad sei »bei weitem sein bedeutendstes Werk«, während An Essay ort Man »einen Traum des berauschten Eklektizismus« darstelle ohne auch nur einen zentralen G r u n d g e d a n k e n . « De Quincey geht mit seiner Auffassung zu weit und macht sie unannehmbar, wenn er schließlich Popes Aufrichtigkeit verleumderisch bezweifelt. Doch zu einer Zeit, als Pope gewöhnlich entweder als ein »korrekter« didaktischer Dichter und ernster moralischer Denker angesehen wurde oder als boshafter, gehässiger Schurke,46 erkannte De Quincey einiges von der Technik Popes, eine Maske oder persona anzulegen, und er besaß eine wahre Einsicht in seinen Charakter und seine sozialen und religiösen Verhältnisse. Diese wichtigsten theoretischen Begriffe der Schriften D e Quinceys sind in sich selbst unvereinbar und lediglich die Glanzpunkte, die über einer ungeheuren Menge verschiedenartiger Schriften verteilt sind. Die Mehrzahl der praktischen Kritik D e Quinceys hat keinerlei Beziehung zur Theorie und ist oft biographisch oder besteht in einem bloß launischen Urteilen. Er entfaltet eine abgelegene, oft ungenaue Gelehrsamkeit oder eine haarspaltende polemische Schärfe, unterbrochen von unglaublich geschmacklosen Clownerien und anmaßender Prahlerei. Es gibt keinen ärgerlicheren Schriftsteller als De Quincey; nie scheint er fähig zu sein, an einer Frage festzuhalten, beständig schweift er ab, plustert sich dreist auf und zielt offensichtlich darauf ab, seinen Leser um jeden Preis zu überraschen. Wir lesen, daß Dr. Johnson »nichts studiert hatte«, daß Hazlitt »nichts gelesen hatte«, daß Kant »nie in seinem Leben ein Buch las«47 und so weiter. Es wäre ein leichtes Spiel, De Quincey als ein Musterbeispiel bloßer Laune, reiner John Bull -Provinzialität, engstirnigen Moralismus und selbstgefälligen Anti-Intellektualismus hinzustellen: ein Modell der schlechtesten Eigenschaften der zeitgenössischen Literaturkritik. Seine Ansichten über die französische Literatur können mit Sicherheit nicht ernst genommen werden 48 und seine Schriften über die deutsche

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Literatur sind, obwohl weniger voreingenommen, schwerlich ausgewogener. Man mag sich amüsieren, wenn er über Wilhelm Meister und seine Geliebten höchst unterhaltsam moralisiert,4' aber es fällt schwerer, die Biographien Goethes und Schillers zu entschuldigen (es sei denn als Brotarbeit), die er für die Encyclopaedia Britannica (1838) schrieb. De Quincey lehnt Faust als unverständlich ab und ignoriert Goethes lyrische Dichtung. Er läßt Schillers ganze Prosa und Poesie unbeachtet, ebenso wie alle dem Wallenstein folgenden Dramen. 50 De Quincey hielt Goethe »an Kraft und Breite des Geistes für weitaus unbedeutender als Coleridge« und prophezeite, daß »die Nachwelt sich über das gestürzte Ideal wundern wird, von dessen Fundament, hohl und brüchig, die Verehrung ihrer Väter als ein Rätsel für ihre Nachkommen übrig bleiben wird.«51 Nur die wenigen wohlwollenden Seiten über Jean Paul 52 versöhnen etwas mit De Quinceys häufigen, doch seltsam unzulänglichen Abschweifungen in die deutsche Literatur.53 Vertraut war er nur mit der modernen englischen Literatur. Sein für die Encyclopaedia Britannica (1838) geschriebenes »Life of Shakespeare« übertrifft jedoch schwerlich die Biographien deutscher Schriftsteller; unglaublich weitschweifig, bar jeder Information schwelgt er in sentimentalen Spekulationen über Shakespeares »Mißerfolge in der Ehe«.54 Der kleine Essay »On the Rnocking at the Gate in Macbeth« (1823) wird mit Recht als die scharfsinnige Analyse eines Klangeffekts bewundert. De Quincey zieht Beispiele aus dem Alltagsleben heran — wie etwa die einem großen Begräbnis folgende Stille und Einsamkeit der Straßen, die plötzlich durch das polternde Geräusch von davonfahrenden Rädern unterbrochen werden — um die Wirkung des Klopfens in Macbeth zu erklären: Das Abtreten des menschlichen und der Auftritt des unmenschlichen Herzens sollte ausgedrückt und spürbar gemacht werden. Eine andere Welt ist eingebrochen... Aber wie soll das vermittelt und fühlbar gemacht werden? Damit die neue Welt eintreten kann, muß diese Welt eine Zeitlang verschwinden. Die Mörder und der Mord müssen isoliert werden — durch einen unermeßlichen Abgrund von dem gewöhnlichen Ablauf und der Folge der menschlichen Geschäfte abgeschnitten — verschlossen und eingesperrt an irgendeinem tiefen abgeschiedenen O r t . . . die Zeit muß aufgehoben, die Verbindung zu den Dingen draußen abgeschnitten w e r d e n . . . das Klopfen am Tor ist zu hören und es macht für die Ohren vernehmbar, daß der Umschlag begonnen hat; das Unmenschliche beginnt wieder hinter das Menschliche zurückzuweichen, die Pulse des Lebens beginnen wieder zu schlagen, das Treiben der Welt, in der wir leben, wird wieder aufgenommen und bringt uns erst recht die furchtbare Unterbrechung zum Bewußtsein, durch die es zeitweise ausgeschlossen war.

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De Quincey hat auf den entscheidenden Wendepunkt des Stückes aufmerksam gemacht und den plötzlichen Wechsel analysiert, wenn man auch daran zweifeln kann, ob es dem KlopfefFekt rückwirkend gelingt, das verbrecherische Paar zu isolieren. Könnte nicht der Effekt viel einfacher damit erklärt werden, daß wir an der Angst und dem Schrecken der schuldigen Menschen teilnehmen? Das Klopfen ist wie die Stimme des Verderbens, der Herold der Vergeltung, und die Alltagsrealität wird eher durch die Rede des Pförtners wiederhergestellt, auf den in De Quinceys Essay nicht einmal verwiesen wird. Der Essay kulminiert in einer Peroratio auf Shakespeare, die ein charakteristisches Stück romantischer Dichterverehrung darstellt. Oh mächtiger Dichter! Deine Werke sind nicht wie die anderer Menschen, einzig und allein große Kunstwerke, sondern sie gleichen den Erscheinungen der Natur, wie die Sonne und das Meer, wie die Sterne und die Blume, wie Frost und Schnee, Regen und Tau, Hagelwetter und Donner, die man alle mit der ganzen Bescheidenheit unserer eigenen Kräfte und dem völligen Vertrauen studieren soll, daß sie weder ein Zuviel noch ein Zuwenig, weder etwas Unnötiges noch auch etwas Indifferentes kennen, sondern daß wir, je weiter wir bei unseren Entdeckungen vordringen, umso mehr Beweise von Plan und Selbsterhaltung finden werden, wo das flüchtige Auge nichts als Zufall gesehen hatte;55 Shakespeare ist für De Quincey Natur — aber eine Natur, die Gottes Plan in jedem kleinsten Detail offenbart: Natur, mit der Kunst versöhnt. Gegenüber seinen Zeitgenossen empfand De Quincey keine derartige Ehrfurcht. Der Essay über Keats (1846) gibt sich lauwarm: De Quincey tadelt Endymion als »den reinsten hellen Wahnsinn der Künstelei, der falschen, verschwommenen Gefühlsduselei und der phantastischen Verweichlichung«, ein Gedicht, das zu den »abscheulichsten Sammlungen von wächsernen Filigranfiguren oder vergoldeten Pfefferkuchen« gehöre. Keats habe in ungehöriger Weise die englische Sprache mißbraucht, auf ihr herumgetreten w i e mit den Hufen eines Büffels«, aber dennoch ein unvergängliches Werk, Hyperion, hervorgebracht, mit »der Erhabenheit, der strengen Schönheit und der Einfachheit eines griechischen Tempels, der mit griechischer Skulptur geschmückt ist.«56 Ein Jahr später allerdings besann sich De Quincey dann darauf, daß es keine Empfehlung bedeute, einem griechischen Tempel zu gleichen, weil die griechische Mythologie »kraftlos« sei, unfähig, etwas so Tiefes hervorzubringen wie es in Hyperion geschildert werde, das sich weitaus älteren, und weit unergründlicheren Glaubensüberzeugungen nähere.57 Und nicht ein Wort über Keats' Oden oder seine anderen erzählenden Gedichte! In Anbetracht seiner politischen Gesinnung und Religion erging es Shelley nur unbedeutend besser. De Quincey bemüht sich in seinem Essay (1846), »die bewundernswerten Qualitäten seiner sittlichen Natur«, seine Aufrichtigkeit und

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Reinheit anzuerkennen. Aber das gelingt ihm nur deshalb, weil er Shelleys Verhalten und seine Ansichten als »partiellen Irrsinn« erklärt. De Quincey zeigt offen seine selbstgefällige Bigotterie, wenn er zu verstehen gibt, Shelley sei in einem »heiligen Hurrikan« umgekommen, der von einem »gottesfürchtigen Meer« aufgerührt worden sei, um die Sache einer »verleugneten und beleidigten Gottheit« zu rächen. In dem langen Essay wird von den Werken überhaupt keine Notiz genommen, mit Ausnahme von The Cenci, das De Quincey wegen der »engelgleichen Natur Beatrices« verteidigt, »des Lichts, das in der Finsternis leuchtet«. »Selbst der Mord, selbst der Vatermord, obwohl sie selber die Ursache ist, vertieft nur jenen finsteren Hintergrund, der nur umso vollkommener die Herrlichkeit jenes leidenden Gesichts hervortreten läßt, das Guido unsterblich gemacht hat.«S8 Keats oder Shelley kannte De Quincey nicht persönlich, wohl aber Wordsworth, und er verehrte ihn als den größten Dichter des Zeitalters. Doch er war mit Wordsworth zu vertraut und konnte über ihn und seine Familie nur mit einer sonderbaren Mischung aus echter Zuneigung und geschwätziger Bosheit schreiben. Mrs. Wordsworth sei «sehr unansehnlich« gewesen und habe »einen beträchtlich schiefen Blick« gehabt. Dorothy habe gestottert, sich ungraziös bewegt und sehr wenig gewußt. Williams »Beine [seien] sicherlich keine Zierde« gewesen, er habe die Schultern hängen lassen, sei vorzeitig gealtert und unfähig gewesen, »auf demütige und bescheidene Weise den Hof zu machen.«59 Begünstigt von einem unerhörten Glück in allen finanziellen Angelegenheiten habe er Erbschaften und fette Pfründe gerade dann bekommen, wenn sie gebraucht wurden — als ob die Leute gestorben seien, um ihm zu helfen. Doch diesen Erinnerungen (1839) folgte in einem späteren Essay (1845) eine mehr diesen Namen verdienende Literaturkritik. Ein Teil dieses Essays besteht aus Krittelei und aus Scherzen: daß zum Beispiel Margaret in The Excursion an das Kriegsministerium hätte schreiben sollen, um den Aufenthalt ihres Ehemannes in Erfahrung zu bringen.60 De Quincey lobt natürlich Wordsworth Entdeckungen in der Natur, sein »kundiges Auge«. Wie vor ihm Coleridge bewunderte De Quincey solche Beobachtungen wie etwa die eines Wasserfalles, der »aus der Entfernung« aussieht, als ob er »gefroren« wäre, oder die des Zwielichts, das eine entwirklichende, entfernende Kraft habe, oder die der grasenden Rinder, »die ihre Köpfe niemals heben; da sind vierzig, die weiden wie eines.«61 Aber De Quincey vermag Wordsworths Dichtung auch feiner zu charakterisieren, seine Art, die Leidenschaften indirekt zu gestalten, seine Fähigkeit, »plötzlich eine Verbindung zwischen Gegenständen aufzudecken, die bischer als beziehungslos und unabhängig voneinander betrachtet wurden«, und schließlich seine planvolle Suche nach »Traurigkeit gerade in der üppigen Freude«, darauf wartend, daß »das Frohe in das Traurige und das Traurige in das Frohe eindringt — diese wechselseitige Verstrickung der Finsternis in Licht und des Lichts in Finsternis.«62 De Quincey nennt es »das Prinzip des Gegensatzes«,63 offenbar analog zu den Gesetzen der Ideenassoziation. Wir ziehen vor, es Ironie oder Paradox zu nennen.

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Solche scharfsinnigen Kommentare, die meist die Analyse der Reaktion des Lesers auf die Literatur bezwecken, entschädigen für die öde Langeweile der leichten Schäkerei, der gelehrten Wunderlichkeiten und schwülstigen Deklamationen De Quinceys. Dennoch scheint durch jeden Aufsatz wie weitschweifig, abwegig und anmaßend er auch immer ist, eine auf seltsame Weise einnehmende, koboldartige Persönlichkeit und ein wachsamer Geist. Aber De Quincey mangelt es am System, an der Konsequenz und Objektivität eines großen Kritikers.

LEIGH H U N T (1784—1859)

In der Literaturtheorie steht De Quincey, wie wir gesehen haben, Wordsworth am nächsten. Leigh Hunt dagegen scheint, will man eine allgemeine Aussage über seine gewaltige Produktion von etwa fünfundfünfzig Buchtiteln und Hunderten von Artikeln machen, in der Methode Lamb und Hazlitt am nächsten zu stehen, und seine Theorie der Bildungskraft (imagination) ist sicherlich von Coleridge abgeleitet. Hunt lobte Coleridges Kritik an Wordsworth als »den hervorrangendsten Vortrag über die Kunst der Dichtung in menschlicher Spreche.«1 Begeistert schrieb er über Lambs »meisterhafte« Literaturkritik2 und er bewunderte Hazlitt, selbst wenn er mit der Härte seiner Urteile oft nicht übereinstimmte.3 Hunt gibt die systematische Darlegung seiner Prinzipien in der mit »In Answer to the Question: What Is Poetry«? überschriebenen Einleitung zu Imagination and Fanq/ (1844), einer Anthologie von Auszügen, die von Chaucer bis Keats reicht. Er versucht zu zeigen, »welche Art von Poesie als die am meisten poetische Poesie betrachtet werden kann«, Poesie »in ihrem eigensten Element, einer destillierten Essenz ähnlich« oder »reine Poesie«, wie er sie manchmal nennt. Er sucht die Antwort in Coleridges Unterscheidung zwischen Einbildungskraft (imagination) und Phantasie (fanq/). Doch hat Coleridges Unterscheidung bei Hunt ihre Begründung in einer idealistischen Erkenntnislehre verloren: die Einbildungskraft hat aufgehört, eine produktive Imagination zu sein und ist wieder bloßes Erfinden, bloße Einbildungskraft oder Bildergestaltung geworden. Letzte Reste von Coleridges Unterschidung sind immer noch erkennbar: die Einbildungskraft sei ein »Vermögen, die Ubereinstimmungen im Wesen der Dinge wahrzunehmen«, wogegen Phantasie »ein Spiel mit ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Ähnlichkeit« sei. Aber die Kluft zwischen diesen beiden Fähigkeiten hat sich verbreitert: die Einbildungskraft gehört für Hunt zur Tragödie oder zu der ernsten Muse, die Phantasie zur komischen. Unter anderen sei die Melancholie die Lehrerin der Einbildungskraft. Die Phantasie habe »im Denken und Empfinden nicht das Gewicht der anderen«. Sie sei »ein eher leichtes Spiel der Einbildungskraft oder Gefühl für Analogie, dem die Ernsthaftigkeit fehlt.« Sie stelle den »poetischen

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Teil des Witzes« 4 dar. Die Depravierung der Phantasie zu bloß komischem W i t z geht sehr viel weiter als bei Wordsworth oder Coleridge. In Hunts Anthologie -Pendant Wit and Humour (1846) wird W i t z sogar gleichgesetzt mit »Phantasie in ihrem eigenwilligsten und genau genommen in ihrem am wenigsten poetischen Zustand.« Der Humor zeichnet sich dadurch aus, daß er es »mit Ungereimtheiten des Charakters und der Verhältnisse (zu tun hat) wie der W i t z mit willkürlichen Ideen.«5 Diese ungenauen Unterscheidungen werden nicht präzisiert durch die häufigen Erklärungen, daß ein Abschnitt sowohl Einbildungskraft als auch Phantasie erläutern könne oder durch wirr vermengte Klassifizierungen der Tätigkeit von Einbildungskraft und W i t z gemäß rhetorischen Kategorien. Unterabteilungen der Einbildungskraft sind natürliche und unnatürliche Fiktionen, Gleichnisse, Metaphern, belebende Metaphern, kleine Details wie etwa das graue Kinn des vor Achill knieenden Priamos. Gleichnis, Metapher, Ironie, Burleske, Parodie, Übertreibung, Wortspiele und nonsense-Verse, das sind einige der Unterabteilungen des Witzes. In der Praxis fällt die Poesie der Einbildungskraft in »Bildlichkeit« und »Musik« auseinander: entweder bewunderte Hunt die Einheit von Malerei und Musik bei Spenser oder Coleridges reine Musik. D o c h in der Theorie zieht er nie die Konsequenzen dieses Ideals der »reinen Poesie«. Nicht die Lyrik, sondern die Epik (zusammen mit dem Drama) hält Hunt für die höchste Gattung.« Die »Musik« in der Poesie versteht er oberflächlich als Glätte, »Lieblichkeit« des Versbaus oder einfach als den freien, akzentuierten Balladenvers, wie er von Coleridge dargestellt wurde. In seiner frühen Reaktion gegen Popes »Kuckuck-Lieder-Poesie halb rauf, halb runter«7 lobte Hunt den fortlaufenden Vers Drydens und benutzte ein lockeres, zwanglos gereimtes Reimpaar in seiner eigenen trivialen Nachbildung der Paolo — Francesca Episode, The Story of Rimini (1816). Später aber, in dem posthum veröffentlichten Book of the Sonnet (1869) besteht Hunt auf den strengen technischen Erfordernissen einer Versform, auf dem italienischen Reimschema des Sonetts, auf einer einzigen leitenden Idee, und er empfiehlt, ein Sonett als »wohltuende Unterhaltung« zu dichten, die »mit der gewöhnlichen Geschäftigkeit des Lebens nicht mehr als das Essen oder der Spaziergang in Konflikt zu geraten braucht.«8 Reine Poesie, zu Anfang als Poesie der Einbildungskraft verstanden, ist zu belangloser Poesie geworden, zu Poesie als Flucht, Belustigung, als ein verfeinertes Spiel. Kein Wunder, daß Hunt keinen Widerspruch zwischen Dichtung und Naturwissenschaft, Fiktion und Tatsache kannte. Er tadelt Keats dafür, daß dieser das »Entflechten des Regenbogens«, den Zugriff kalter Philosophie beklagt. »Eine Poesie des Herzens wird es so lange geben wie es Tränen und Lächeln gibt: es wird eine Poesie der Einbildungskraft geben, solange der Ursprung der Dinge ein Geheimnis bleibt. Ein Mensch, der kein Dichter ist, mag glauben, er sei kein solcher mehr, wenn er die physikalische Ursache des Regenbogens herausgefunden hat; aber er braucht nicht beunruhigt zu sein, er war auch vorher keiner.« »Mit dem Fortschritt des Experiments ist ein Zeitalter der Poesie entstanden.«9

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Mit liebevoller Bewunderung betrachtet Hunt sein isoliertes Reich der Poesie. Die Kritik — und er muß scharf unterscheidende, zensierende Kritik im Sinn haben — sei »größtenteils ein Ärgernis und eine Frechheit«. Er setzt den Kritiker herab, der »oft ein erfolgloser Schriftsteller und nahezu immer unbedeutender als ein Mann von Genie« sei.10 Genau deshalb bewundert er Lambs Literaturkritik, weil sie »anti-kritisch« sei und darauf abziele, »uns mit allem auszusöhnen, das auf der Welt existiert.«11 Daher kennt er auch keinen Unterschied zwischen Geschmack und Urteil. »Der Geschmack macht gerade das Urteil.« 12 Alle Spielarten der Dichtung sind erlaubt: »Exklusivität des Geschmacks« sei beklagenswert. In dem Vorwort zu einer anderen Anthologie A Book for a Corner (1849), welche die »besänftigenden, heiteren und herzlichen Empfindungen« kultiviere, definiert er »einen Universalisten, einzig wegen seiner bedeutenden Bücherkenntnisse, als den wahren Leser. Denn er ist der einzige Leser, für den keine Schrift verloren i s t . . . der einzige Leser, der etwas aus Büchern machen kann, für die er keine Vorliebe besitzt.«13 Leigh Hunt war selber ein solcher Universalist. Er will Begeisterung für die Dichtung erregen; er schreibt Einführungen, stellt Anthologien zusammen, kommentiert und lobt reichlich und herzlich. Seine gute Laune und sein heiterer, die menschliche Natur betreffender Optimismus lassen nur dann nach, wenn er sich von Byrons Verhalten ihm gegenüber in Italien verletzt fühlt oder wenn er gegen die bösartigen Tory Rezensenten protestiert, die ihn zum »King Cockney« ernannt und Keats, Shelley und Hazlitt aus politischen Gründen verfolgt hatten.14 Aber es gibt sogar für Hunts Geschmacksuniversalität Grenzen: er bewundert Dante wegen seiner Einbildungskraft und der Intensität seiner Leidenschaft, auf der anderen Seite aber kann er ihn wegen seines »ungezähmten Hasses und seiner Bigotterie«, wegen seines religiösen und politischen Fanatismus nicht ausstehen. Das Inferno erscheint ihm als »der Traum eines hypochondrischen Wilden«. 15 Dieselben Vorbehalte äußert er gegenüber Milton: er mag Miltons »schwermütig religiösen Glauben« nicht, dem »die höchste Frömmigkeit der Nächstenliebe fehlt«.16 Es ist unnötig zu sagen, daß Hunt sich nichts aus der »Morbidität und Grobheit« des »lieblosen Misanthropen« Swift macht. 17 Nach einigen anfänglichen Feindseligkeiten wurde Wordsworth von Hunt als »der größte Dichter des gegenwärtigen Zeitalters« anerkannt, doch hielt er an seinen Einwänden gegen Wordsworths politische Gesinnung fest, und in einem späteren Brief konstatiert er seinen Mangel am »musikalischen Teil der dichterischen Natur — dem jovialen, dem animalischen oder vogelähnlichen, dem glücklich übereinstimmenden«18 — eine treffende, unbeabsichtigte Wiedergabe seiner eigenen Eigenschaften. Es würde schwer fallen, einen Schriftsteller welchen Ranges auch immer zu nennen, den Hunt nicht gelobt hätte. Dennoch werden seine besonderen Vorlieben deutlich genug: er liebt die Tradition des Hirtengedichts, des Sonetts und der italienischen Versromane, allen widmete er ein besonderes Buch in Form einer Anthologie oder von Nacherzählungen. 19 Unter den englischen Dichtem liebt 8

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er vor allem Spenser. Dieser sei »der größte Maler, den England hervorgebracht hat«, »seine Verskunst besteht in beinahe ununterbrochener Süßigkeit«. Hunt präsentiert »A Gallery of Pictures from Spenser«; das heißt, er wählt Strophen aus The Faerie Queene aus und teilt sie Künstlern zu, die ein Bild zu ihnen gemalt haben könnten: RafFael, Coreggio, Tizian, Guido Reni, Poussin, Claude Lorrain, sogar Michelangelo und Rembrandt. 20 Hunts Geschmack erwies sich wegen seiner Bewunderung für die Dichtung Coleridges, Shelleys und Keats als höchst fruchtbar für die Literaturkritik. Es lag ein wahres Verdienst in seiner frühen Anerkennung von Keats, über den er die ersten günstigen Kritiken und die ersten biographischen Skizzen schrieb.21 Mit unbeirrbarer Zuneigung verteidigte er Shelley als Mensch und als Dichter; 22 und Hunt war auch einer der ersten, der die besondere Bedeutung und Feinheit der Poesie Coleridges betonte. »Auf dem Gebiete reiner Poesie, was strenggenommen heißt, daß sie aus nichts anderem besteht als aus dem ihr wesentlich Eigenen, ohne konventionelle und vergängliche Hilfsmittel, war er der größte Meister seiner Zeit. Wenn man sie in einer Phiole sehen könnte wie eine aus Rosen destillierte Flüssigkeit, wenn wir den günstigsten Fall annehmen, meine ich, würde man sie fehlerlos finden.«23 Sehr positiv besprach Hunt die frühen Sammlungen der Gebrüder Tennyson 24 und Elizabeth Barrett Browning pries er sowohl für Aurora Leigh als auch für die Sonnets from the Portuguese als »die größte Dichterin, die jemals lebte.«25 Hunts Unvoreingenommenheit war nahezu allumfassend. Seine eigene gütige »Religion des Herzens« veranlaßte ihn dazu, Uncle Toby als »den hohen und wirklich letzten christlichen Gentleman« und Sterne als »den weisesten Mann seit Shakespeares Tagen«26 zu loben. Aber ebenso war er in der Lage, Voltaire als den größten französischen Schriftsteller zu bewundern. Er edierte die Dramatic Works of Wycherley, Congreve, Vanbrugh, and Farquhar (1840) und entsetzte sich nur sehr minimal über deren Unsittlichkeit; und trotz seiner frühen Einwände gegen die »französische Schule« in der englischen Dichtung schätzte er Dryden, liebte The Rape of the Lock und gestand dem Charakter Popes jede nur mögliche gute Eigenschaft zu.27 Mit Lamb und Hazlitt teilt Hunt die Begeisterung für die Elisabethanischen und Jakobischen Dramatiker; er gab eine Auswahl aus Beaumont und Fletscher heraus »unter Ausschluß alles moralisch Anstößigen« (1855) und veröffentlichte in seinen Anthologien auszugsweise gewinnende Passagen aus den Stücken vieler anderer Dramatiker. Er hielt Webster und Decker für »die größten aller Shakespeare-Nachfolger« und war offenbar der erste, der De Flores* Charakter in Middletons Changeling zu würdigen wußte. 28 A m meisten zog ihn Shakespeare von der Seite an, die gewöhnlich sein »Märchenstil« und sein »herrlicher und unparteiischer Geist der Humanität« genannt wird. 29 Hunts frühe Theaterkritik, die der Hazlitts und Lambs vorgereift oder ihr parallel läuft, beschäftigt sich immer wieder mit Shakespeare und Shakespeare-Aufführungen. Vieles davon sind Ratschläge für die Schauspieler zur Interpretation ihrer

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Rollen. Scharf kritisiert er den pomphaften Stil John Philip Kembles und bewundert Keans Othellointerpretation. Dieser scheint ihm vollendet »in der verzweifelten Wut seiner Rache, wie er dann halb ermattet die wirkliche Wahrheit erfährt und wie er schließlich am Ende in einem Augenblick eine Art von sittlicher Haltung und Würde wiedergewinnt, in dem er sich mit einem großartigen, wohlerwogenen Kunstgriff den Dolch in die Brust bohrt.« Manchmal versucht Hunt, Shakespeares Gestalten gegen moralische Verdächtigungen zu verteidigen: so lobt er etwa Desdemona und Ophelia als seien sie wirkliche, höchst anziehende Frauen. Im allgemeinen spiegelt Hunts Shakespeare-Kritik die wachsende romantische Verehrung der Schriften Shakespeares wider: er rechtfertigt das tragische Ende von King Lear oder verspottet die Bühnenversion der Grabszene, in welcher Romeo die Wirkung des Gifts lange genug überlebt, um noch mit Julia sprechen zu können.3» Und man darf nicht vergessen, daß Hunt sein Leben lang für Chaucer eingetreten ist: »Kein alter Dichter außer von der Chronologie her: er ist jung und heiter und steht in der vollen Blüte des Lebens.«31 Hunts Methode ist folglich keine theoretische, sondern eine lobende, was man ungenau »impressionistische«, »verstehende« Kritik genannt hat. Gelegentlich besteht die Kritik einfach in einer Metapher: er nennt das bewunderte Hirtengedicht Allan Ramsays, The Gentie Shepherd »eine wilde Rose, wenn man will, besser gesagt, eine Rose in einem Landhausgarten, benetzt vom Morgentau und von einem treuen Liebhaber gebrochen, der sie seiner Gehebten schenken will.«32 Aber meist gleicht Hunts Kritik viel mehr der Tätigkeit des Führers in einer Gallerie: kleine sentimentale, wunderliche Einfälle oder Ausrufe des Erstaunens, ein Hinweis auf schöne Passagen, die er mit einer Feder gekennzeichnet oder durch Kursivdruck hervorgehoben hat,33 und manchmal eine Bemerkung mit der er auf kleine Details aufmerksam macht. So lenkt er die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Vokale in einer Strophe aus Shelleys »Ode to a Skylark« oder kommentiert feinfühlig eine Passage aus Keats' »Eve of St. Agnes«; »Madeline schläft in ihrem Bett; aber ihr Schlaf stimmt auch mit den Legenden der Jahreszeit überein, und deshalb wird das Bett ihr Schoß so gut wie der des Schlafes.«34 (ein Kritiker des New Criticism könnte auf diese »Interpretation« stolz sein.) Hunt hat historische Bedeutung als Propagandist der imaginativen, »reinen« Poesie, als ein Vermittler der älteren italienischen Literatur, als ein früher Streiter für Keats und Shelley. Doch ihm fehlt das theoretische Vermögen, wie seine ungenaue, epigonale Theorie der Imagination zeigt. Er besitzt nur geringe Urteilskraft, wenn auch einen bestimmten Geschmack für das Bezaubernde, das glühend Imaginative oder das gefühlvoll Entzückende. Auch seine Fähigkeit der Charakterzeichnung oder Beschwörung ist nicht groß, obwohl er in Details über eine feinfühlige Beobachtungsgabe verfügt. Wie wichtig er als eine Mittelsperson romantischer Ideen und Geschmacksvorstellungen, als ein anregender, sorgfältiger, viel belesener Initiator und Experimentierer auch immer war, die wahre Größe des Geistes fehlt ihm. Eine solch ausführliche Diskussion wäre kaum notwendig, 8*

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wenn Saintsbury ihn nicht »auf eine Ebene mit Coleridge, Laiiib und Hazlitt«35 gestellt hätte und wenn er nicht in den letzten Jahren Befürworter gefunden hätte, die ihn gleich hinter Coleridge und Hazlitt, »vor Lamb, De Quincey undCarlyle« einordnen.36 Jedem dieser Kritiker scheint er mir deutlich unterlegen.

T H O M A S B A B I N G T O N M A C A U L A Y (1800—1859)

Macaulays ungeheures Ansehen als Literaturkritiker hat stärker als das irgendeines der anderen größeren Viktorianischen Schriftsteller abgenommen. In Croces Ästhetik wird er als der Repräsentant der englischen Kritik neben Lessing, SainteBeuve und De Sanctis genannt.1 Doch Macaulay selber machte sich über seine Fähigkeiten keine Illusionen. In einem Brief, in dem er es ablehnt, im Jahre 1838 einen Artikel über Scott für die Edinburgh Review zu schreiben, teilte er dem Herausgeber mit, er habe »bei der Analyse der Wirkung genialer Werke keinen Erfolg. Ich habe Verschiedenes zu historischen, politischen und moralischen Problemen geschreiben, dessen ich mich auch nach reiflichster Überlegung nicht zu schämen brauche und auf Grund dessen man mich beurteilen möge; aber ich habe nie eine Seite Kritik der Dichtung oder der schönen Künste geschrieben, die ich nicht verbrennen würde, wenn das in meiner Macht stünde.«2 Es wäre ungerecht, wollte man diese Selbstkritik nicht ernst nehmen. Macaulay ist Historiker und Biograph, ein politischer und sozialer kritischer Publizist, aber nur gelegentlich ein Literaturkritiker. Selten interessiert ihn die Analyse eines Werkes der Literatur oder einer Literaturtheorie. Ein starkes, antitheoretisches Vorurteil steht im Mittelpunkt seiner Auffassung von der Politik und dem Leben im allgemeinen. In dem Essay über Bacon erklärt er alle Theorie als »nutzlos« und verspottet die griechische Philosophie — und stillschweigend die ganze spekulative Philosophie und Theologie —, sie habe »die Welt mit langen Worten und langen Bärten gefüllt«. Macaulay vertritt demgegenüber die Nützlichkeit und den Fortschritt, die Taten und die Worte, die »Philosophie der Früchte« und nicht die »Philosophie der Dornen«.3 Das Mißtrauen gegen die Theorie ist die Folge seines Hasses gegen die Französische Revolution und der beständigen Mühe des Whig Reformers, sich von den Radikalen seiner Zeit zu distanzieren: von den Utilitaristen, mit denen er manches Ziel gemeinsam zu haben scheint, die er aber wegen ihres Rationalismus und Utopismus kritisierte. Wie Macaulay die theoretische Spekulation ablehnt, so mißtraut er auch der genauen Analyse, der Zergliederung dessen, was ihm jenseits der Fassungskraft des Verstandes zu liegen scheint. »Ein Element muß sich den Forschungen der Literaturkritik immer entziehen, und das ist genau das Element, durch welches Dichtung Dichtung wird.« »Die Beschreibung eines Naturforschers verhält sich

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zu einem wirklichen Stachelschwein wie die Bemerkungen eines Kritikers zu den Bildern der Dichtung. Was sie so unvollkommen zerlegt, kann sie auch nicht vollkommen wiederherstellen.«4 Solcher Anti-Intellektualismus scheint die Kritik auf bloße Geschmacksäußerungen einzuengen oder ihre Aufgaben an Geschichte und Biographie zu delegieren. Er findet sich bei Macaulay wie auch bei vielen anderen Literaturkritikern des 19. Jahrhunderts. Tatsächlich gilt das nur für den späteren, reifen Macaulay. In seinen frühen Essays legte er ein höchst spekulatives Schema der Dichtungsgeschichte vor, ein Schema, das einen Begriff von Dichtung und einige kritische Maßstäbe impliziert. Das historische Schema wurde in Macaulays allererstem Essay, dem über Dante (1824), formuliert. Es ist auch der Gegenstand des Milton-Essays (1825) und wird ein paar Jahre später in dem Essay über Dryden wiederaufgegriffen (1828). Obwohl Macaulay Hazlitt oder Peacock gelesen zu haben scheint,5 gleicht sein Schema dem von Kritikern des 18. Jahrhunderts wie etwa Thomas Warton, dessen doppelte Anschauungsweise den Aspekt des Ursprungs und Glauben an den Fortschritt vereinigte. »In einer primitiven Gesellschaft werden am häufigsten große originelle Werke hervorgebracht.« »In dem Maße wie die Zivilisation fortschreitet, verfällt beinahe notwendigerweise die Dichtung.«6 Macaulay schließt sich vorbehaltlos einer deterministischen Ansicht an. »Die Gesetze, von denen Fortschritt und Verfall von Dichtung, Malerei und Bildhauerkunst abhängen, wirken mit einer unbedeutend geringeren Zuverlässigkeit als jene, die den periodischen Wechsel von Hitze und Kälte, von Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit regeln.« Es gibt einen »Zeitgeist«, gegen den das Individuum kämpfen kann, »wir wollen nicht sagen vergeblich, doch mit zweifelhaftem Erfolg und wenig Beifall.«7 In der modernen Gesellschaft stelle der Dichter einen Überrest aus einem primitiven Zeitalter dar. »Er, der in einer aufgeklärten und literarischen Gesellschaft danach trachtet, ein großer Dichter zu werden, muß zuerst ein kleines Kind werden.« Der moderne Dichter werde »eine Art von Geisteskrankheit« haben, einen schönen Wahnsinn, weil die Dichtung verstanden wird als »eine Kunst, eine Illusion über die Imagination hervorzurufen« — Illusion bedeutet hier eine fiktive Welt, die jedem gesunden Menschenverstand widerspricht. »Jene ersten Voraussetzungen [der Dichtung] verlangen einen Grad von Leichtgläubigkeit, der beinahe auf eine partielle oder vorübergehende Verwirrung des Verstandes hinausläuft.«8 Coleridges »freiwillige Aufhebung des Unglaubens« ist zu einer selbstgewählten Geisteskrankheit geworden. Man muß anerkennen, daß der Essay über Dryden das Übertriebene dieser Auffassung mildert. Immer noch gibt es da das wohlbekannte Schema des Wechsels von schöpferischen und kritischen Zeitaltern. »Unsere Urteilskraft entwickelt sich, unsere Einbildungskraft verfällt.« Die Einbildungskraft, behauptet Macaulay immer noch, sei »am stärksten bei Wilden, Kindern, Wahnsinnigen und Phantasten.« Aber er erkennt jetzt, daß beide Prinzipien einander nicht völlig ausschließen können. Er sieht ein, daß »die Menschen zur Zeit Elizabeths vernünftiger urteilten als zur Zeit Egberts und daß sie ebenfalls

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bessere Dichtung schrieben.« Er gibt nun zu, daß es einen Unterschied zwischen der Dichtung als einem geistigen Akt und der Dichtung als eine Komposition gibt und erkennt, daß man Kommunikationserfahrung erwerben müsse. »Die ersten Werke der Einbildungskraft sind... dürftig und primitiv, nicht aus Mangel an Genie, sondern wegen der fehlenden Stoffe. Phidias hätte nichts mit einem alten Baum und einer Fischgräte oder Homer mit der Sprache Neuhollands anfangen können.«9 Allerdings beherrscht die Primitivitätsauffassung Macaulays frühe Urteile. Shakespeare sei »der größte Dichter, der je gelebt habe«, wenn er sich dem Impuls seiner Einbildungskraft überlasse. »Aber sobald seine kritischen Fähigkeiten sich hereinmischen, sinkt er auf das Niveau Cowleys herunter; oder er führt vielmehr das schlecht aus, was Cowley gut verwirklichte. Alles, was in seinen Werken schlecht ist, ist es auf kunstvolle Weise und mit böser Absicht.« Die wenigen großen Werke der Einbildungskraft, die in einem kritischen Zeitalter erschienen, seien die Werke ungebildeter Menschen: Bunyan, Defoe, Burns.10 Milton, sowohl »ein Mann von Gelehrsamkeit als auch von Einbildungskraft«, stelle folglich im Zeitalter der Philosophen und Theologen eine Ausnahme dar. Macaulay versucht, dies Unzeitgemäße mit Miltons Isolation in Folge seiner Blindheit und mit der Unabhängigkeit seines Geistes in theologischen und politischen Fragen zu erklären. Aber Milton habe sich nicht nur gegen seine Zeit empört: er habe auch eine Kompromißlösimg für den vorausgesetzten Konflikt zwischen Einbildungskraft und Vernunft gefunden, indem er eher »andeutende« als »bildliche« Dichtung geschrieben habe. Dante sei weitaus bildlicher, weitaus konkreter: dagegen lasse Milton seine Geisterwelt absichtlich im Zwielicht der Ungewißheit. »Besonders seine Teufel sind wundervolle Schöpfungen. Sie sind keine bösen Menschen. Sie sind keine häßlichen Tiere, sie haben keine Hörner und auch keine Schwänze.«11 Macaulay teilt die im 18. Jahrhundert allgemeine Auffassung, die frühe Sprache sei eine Bildersprache und daher poetisch wesen, während sich die moderne Sprache zu einer abstrakten Symbolsprache entwickelt habe (im Sinne von willkürlichen Zeichen) und weniger für die Dichtkunst geeignet sei. Dante ist für Macaulay der Dichter von Bildern, überzeugenden Gemälden und die Göttliche Komödie sei »über jeden Vergleich hinaus das größte Werk der Einbildungskraft seit Homer.«12 Macaulay, ein treuer Protestant, nennt »die katholische Religion die poetischste«, weil sie die bildhafteste sei, und verteidigt Dantes groteske Details: sie seien »ergreifendeer« als »die verschwommene Erhabenheit« Miltons. Er lobt Dantes »Vermenschlichung der übernatürlichen Wesen«, seine »heidnischen Fiktionen« in der anderen Welt und erkennt, daß Dantes von irdischen Gegenständen abgezogenen Metaphern und Vergleiche »mit dem Anschein von überzeugender Realität zusammenstimmen«, den herzustellen ihm gelungen sei.13 Dagegen müsse man Milton für einen unbedeutenderen Dichter halten, obwohl er sich gerade mit der Suggestivität ein Mittel geschaffen habe, seine Absicht zu erreichen. »Miltons Darstellung unterscheidet sich in diesem Punkt von der Dantes,

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wie die Abenteuer des Amadis sich von denem Gullivers unterscheiden.« Macaulays beständige Grundvoraussetzung ist die, daß »die Sache der Dichtung die Bilder und nicht die Worte sind. Der Dichter gebraucht zwar Worte, aber sie stellen bloß die Instrumente seiner Kunst dar, nicht deren Gegenstände. Sie sind das Material, welches er derart anorden soll, daß sich dem geistigen Auge ein Bild darbietet.«14 Die Rechtfertigung Miltons bezieht sich folglich auf dessen historischen Standort. In einem kritischen Zeitalter habe er das einzige Mittel zur Überzeugung skeptischer Geister geschaffen: mehr Suggestion als bildliche Darstellung. Die Dichotomie von Bild und Zeichen oder Einbildungskraft und Kritik erlaubt es Macaulay, an seinem literarhistorischen Schema festzuhalten. Ein Zeitalter der Kritik folge auf ein Zeitalter der Einbildungskraft. Ungeduldig, den schlechten Geschmack des Zeitalters der Einbildungskraft zu verbessern, seien die frühen Kritiker jedoch in das Extrem gefallen, »willkürliche Vorschriften des Geschmacks«, Regeln der Korrektheit aufzustellen. Fast vorbehaltlos verurteilt Macaulay die neoklassizistische Kritik. Rymer sei »der schlechteste Kritiker, der je gelebt hat.« Addisons Kritik bleibe »so oberflächlich wie die von Dr. Blair«. Johnsons Kommentare zu Shakespeares Dramen und Miltons Gedichten seien so »elend« wie die Rymers. Seine Shakespearesausgabe sei »wertlos« und alle seine Urteile werden durch Voreingenommenheit und Aberglauben beeinträchtigt.15 Offenbar konnte Macaulay auch mit Byrons Verteidigung der Einheiten und der Korrektheit Popes nichts anfangen.16 Macaulays History of England beschränkte sich auf die Periode der Restauration und der Vertreibung der Stuarts. Die meisten seiner literarischen Essays behandeln Gestalten aus dem späten 17. und dem 18. Jahrhundert (Bunyan, Dryden, Temple, die Komödiendichter der Restauration, Addison, Johnson, Boswell, Horace Walpole, Goldsmith, Fanny Burney). Hier waren Macaulays biographische und historischen Kenntnisse wie auch seine menschliche Anteilnahme am stärksten. Obwohl er eine ausgedehnte Literaturkenntnis der klassischen Schriftsteller, der großen Italiener und sogar mehrer Deutscher wie etwa Schillers besaß, haben wir immer den Eindruck, daß das späte 17. und 18. Jahrhundert seine geistige Heimat sind. Doch auf Grund seines Schemas der Dichtungsgeschichte war diese Periode für ihn eine des Niedergangs. Selbst Dryden, den er als den größten der »kritischen« Dichter bewunderte, als einen »unvergleichlichen Denker in Versen«, schien ihm kein »Mann mit schöpferischem Geist«, denn ihm habe »im höchsten Sinne des Wortes jede Originalität« gefehlt. 1 ' Macaulay findet kaum ein gutes Wort für den Witz der Dramatiker der Restauration, die sein moralisches Feingefühl verletzten und ihm als »Wortführer des zutiefst verderbten Teils einer verdorbenen Gesellschaft« erschienen. Lambs Verteidigung lehnt er ab, denn er erkennt, daß der moralische Kodex, den diese Dramatiker vorlegten, nicht ein Produkt ihrer Einbildungskraft sei, sondern ein »Kodex, der tatsächlich von einer großen Anzahl von Leuten anerkannt und befolgt wurde.«18 Macaulay liebte Pope als Menschen nicht und reihte ihn was Originalität und natürliche Einbildungskraft betrifft hinter

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Defoe ein. 19 Obwohl er die Person, den Moralisten und Essayisten Addison äußerst wohlwollend darstellte, machte er sich über den Wert seiner Poesie und Dramatik keine Illusionen. Bei aller Sympathie für den Zauber Oliver Goldsmiths konnte er nicht umhin zu sagen, daß die Fabel des Vicar of Wakefielä »tatsächlich eine der schlechtesten ist, die je erdacht wurde« und daß »The Deserted Village« historisch ganz falsch sei.20 Die Schriften Dr. Johnsons, meinte er, seien zu Recht in Vergessenheit geraten und er überschätzt nicht einmal seine geliebte Fanny Burney. Er erkennt durchaus, daß sie sowohl Maria Edgeworth als auch Jane Austen unterlegen ist, die ihm diejenige Romanschriftstellerin zu sein scheint, die Shakespeare in der subtilen Charakterzeichnung am nächsten komme. 21 Seine Abneigung gegen die skeptischen und weltlichen Temples und Walpoles ist sowohl vom Temperament her als auch politisch begründet. Nur die ungeheure Bewunderung für Boswells Life of Johnson stellt eine paradoxe Ausnahme dar. Macaulay zieht es Tacitus, Clarendon, Alfieri und Johnsons Lives vor. Seinen hohen Rang habe es beinahe unbewußt und trotz seines Autors erlangt. Boswell sei »ein Mann von mittelmäßigstem und schwächstem Geist« gewesen, »dem Logik, Eloquenz, Witz und Geschmack« gefehlt haben. »Wenn er nicht ein großer Narr gewesen wäre, wäre er nie ein großer Schriftsteller geworden.« 22 Hier herrscht der gleiche unversöhnte, unerklärte und unerklärliche Gegensatz, der Gegenstand des Bacon-Essays wurde: ein serviler, korrupter Richter, ein niedriges menschliches Wesen, aber gleichzeitig der größte Wohltäter der Menschheit; des Menschen Herrlichkeit und seine Schande. Diese Bündel von Antithesen zeigen sowohl psychologische Empfindungslosigkeit wie auch oberflächliche Geschichtsbetrachtung an. Die Jahre von 1750 bis 1780 bezeichnen für Macaulay den tiefsten Stand der englischen Literatur. Die neue Blüte beginne mit Cowper, den Macaulay nach seiner historischen Stellung mit Alfieri vergleicht. Er begrüßt die neue Annäherung an die Elisabethaner wie er Monti seiner Dante-Imitation wegen lobt. 23 Er erkennt die Einheit der neuen Bewegung, selbst wenn er sie nicht als »romantisch« bezeichnet. Der Byron-Essay behauptet, daß Byron, wenn auch vielleicht unbewußt, »der Dolmetscher zwischen Mr. Wordsworth und der Menge« gewesen sei, daß Byron »so etwas wie eine populäre Lake School gründete«.24 Macaulay lobt Byrons Briefe und kritisiert wie allgemein üblich seine schwermütige Selbstgefälligkeit und sein System der Ethik, in dem »die beiden großen Gesetze gelten, hasse deinen Nächsten und hebe dessen Frau.« Dennoch erkannte er, daß Byron nicht als ein bloßer eitler Schauspieler abgefertigt werden könne: »Die Affektiertheit wirkte auf seine Gefühle zurück. Wie weit der Charakter, den er zeigt, echt war und wie weit theatralisch — darüber zu entscheiden würde ihn wahrscheinlich selbst verwirrt haben.«2' Obwohl Macaulay als Historiker und Balladendichter stark unter dem allgemeinen Einfluß Scotts gestanden haben muß, so hätte er doch nichts Günstiges über ihn verlauten lassen, wenn er den entsprechenden Essay geschrieben hätte, worum man ihn gebeten hatte: »Der politischen Gesinnung nach

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ein erbitterter und skrupelloser Parteimann, von verschwenderischer und prahlerischer Aufwendigkeit... der unaufhörlich die Vollkommenheit seiner Arbeiten und die Beständigkeit seines Ruhmes wegen seiner Geldgier aufs Spiel setzt und mit der nachlässigen Hast eines Dryden schreibt.«26 Es ist schwer auszumachen, wen von seinen Zeitgenossen Macaulay bewunderte oder aus welchen Gründen außer jenen eines dogmatischen kritischen Liberalismus er für die romantische Bewegung Partei ergriff. In dieser Hinsicht ähnelt Macaulays Position der seines Vorbilds Jeffrey, den er lobte, weil er »einem universalen Genie näher sei als jeder Mensch unserer Zeit.«27 Im Laufe der Jahre verhärteten sich Macaulays Ansichten über seine Zeitgenossen sogar mehr. Besonders in Briefen und in dem Tagebuch (das nie vollständig veröffentlicht wurde), erlegte er sich keinen Zwang auf. Carlyle sein ein »hohlköpfiger, hochtrabender Dummkopf« gewesen. Seine »Philosophie ist Unsinn und der Stil Kauderwelsch. Ich verachte ihn zutiefst.«28 Aurora Leigh sei »Blech — bares Blech — schlechte Philosophie, schlechter Stil, schlechter Versbau, grobes und manchmal unanständiges Bilderwerk.« Melvilles The Whale sei »absurd«.29 Für Dickens und den »düsteren Sozialismus von Hard Times« hatte er nichts übrig.30 Thackeray dagegen scheint er sowohl als Romanschriftsteller als auch als Mensch geschätzt zu haben. Die negative Einstellung dehnte sich auf die Romantiker aus. Von Coleridge, seinem »wolkigen Kauderwelsch« und dem »Hokuspokus« um Vernunft und Verstand hielt er nichts.31 Gleich nach der Veröffentlichung las er das Preluäe und beurteilte es als »eine dürftigere Ausgabe von Excursiort. Da sind die alte Begeisterung für Berge und Wasserfälle, die alte flache Philosophie über die Wirkung der Landschaft auf das Gemüt, die alte gebrechliche mystische Metaphysik, die endlose Wüstenei eines dummen, platten, prosaischen Geschwätzes.«32 Nur die Alten, Shakespeare und einige Romanschriftsteller wie etwa Richardson und Jane Austen blieben seine dauernden Gefährten.33 Doch der Genuß und das Wissen scheinen seltsam fern zu bleiben, mit wenig oder gar keiner Beziehung zu seinen eigenen Auffassungen und Empfindungen. Der Kritiker war zum Richter geworden oder »ein Wappenherold, der in den Gesetzen der literarischen Rangfolge erfahren, [dem Autor] den genauen Platz zuweisen muß, auf den [er] Anspruch hat.«34 Aber die Grundlagen dieses Rechtsanspruches bleiben unklar: sie sind höchstens etwas so Verschwommenes wie der »gesunde Menschenverstand«, die Wahrheit der »Nachahmung«, »die Darstellung von menschlichen Charakteren«.35 Macaulay hatte augenscheinlich die Unzulänglichkeit seines frühen historischen Schemas eingesehen und war dahin gelangt, jeder Evolutionstheorie zu mißtrauen. Er hatte erkannt, daß es für ihn unmöglich war, eine rationale Analyse und imaginative Einschätzung zu leisten. Er begnügte sich immer mehr mit willkürlicher Äußerungen seiner Vorlieben und Abneigungen, und machte genau denselben Fehler, den er Dr. Johnson angekreidet hatte — mit außergewöhnlicher Leidenschaft die Autoren und ihre Werke in numerischer

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Reihenfolge einzuordnen.36 »Literarische Fragen entschied er wie ein Rechtsgelehrter, nicht wie ein Gesetzgeber. Nie untersuchte er die Grundlagen.«37 Das pure Talent des Schriftstellers muß uns immer beeindrucken: seine Kenntnisse und sein Gedächtnis, die Klarheit seiner Prosa, die interpretatorische Geschicklichkeit, die Lebendigkeit der Darstellung. Aber seine Intoleranz und sein Selbstbewußtsein, sein Mangel an analytischer Beharrlichkeit und seine Mißachtung der Theorie zeigen die Grenzen seines Geistes auf. Der Zugang zur höchsten Sphäre des Geistes und zur tiefsten Tiefe der Seele blieb ihm versperrt. In Arnolds Sinne war er ein Philister.

J O H N S T U A R T MILL (1806—1873)

Mindestens seit Plato die Dichter aus seiner Republik verbannte, hat die Dichtung ihre Verleumder. Im Laufe der Geschichte wurde sie lügnerisch, unsittlich oder nutzlos genannt und dann mit Argumenten als wahr, gut und nützlich verteidigt. In England wurde diese Debatte früh im 19. Jahrhundert mit neuem Eifer und in einer neuen Form geführt. Die ehemaligen, moralisch begründeten Einwände wie sie von nonkonformistischen Kreisen vorgebracht wurden, scheinen nachgelassen zu haben. Die Diffamierung der Dichtung als nutzlos und unwahr fand jedoch eine neue systematische Rechtfertigung in der utilitaristischen Doktrin, in der sich Haltungen kristallisierten, die weithin von einer Gesellschaft eingenommen wurden, die Handel, Wirtschaft und technischen Fortschritt vergötterte. Der Begründer des Utilitarismus, Jeremy Bentham (1748—1832) vertritt den extremsten Fall eines Mannes, der wenigstens in der Theorie bar jeder Empfindung für die Geschichte, Tradition, Imagination oder selbst eines normalen menschlichen Mitgefühls war. In seiner pedantischen Terminologie klassifizierte er die Künste als»anergastic«(produktlos) und »aplopathoscopic«(auf bloße Sensation aus). In seiner Lust- und Unlustbilanz rangiert die Dichtung weit unten. »Der Quantität des Vergnügens nach ist das Kegelschieben so gut wie die Dichtung.« Außerdem sei natürlich die Dichtung nicht wahr, sie sei »Verdrehung«,1 Übertreibung. John Stuart Mill, (1806—73) wurde von seinem Vater, James Mill, Benthams hervorragendstem Schüler, streng in diesem rationalistischen Geist erzogen. In seiner spät geschriebenen Autobiography schildert Mill seine geistige Krise, als er im Alter von zwanzig Jahren die Unzulänglichkeit des Systems entdeckte und sich intellektuell gegen seinen Vater auflehnte. Dort mißt Mill seiner Lektüre von Wordsworth (im Jahre 1828) große Bedeutung bei als »eine meinem Geisteszustand angemessene Medizin« und als »eine Quelle innerer Freude«,2 die ihm half, seine Niedergeschlagenheit zu überwinden. In der Antrittsrede in St. Andrews (1867) empfiehlt Mill gleich nach der intellektuellen und sittlichen Erziehung »die Aus-

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bildung der Empfindungen und die Pflege des Schönen«.3 Der glänzende Essay über Bentham (1838) kritisiert Mills früheren Lehrer heftig wegen seines »Mangels an Einbildungskraft« und »poetischer Bildung« und wegen »der allgemeinen Unvollkommenheit seines eigenen Geistes als Repräsentant der universalen menschlichen Natur.«4 Rückschauend wird die Dichtung immer bewertet als Erziehung der Empfindungen, als eine Befreiung vom dürren Rationalismus, als ein Grundbestandteil, der für eine allumfassende Humanität notwendig ist. Etwa fünf Jahre nach seiner Krise empfand Mill die Notwendigkeit, eine Theorie der Dichtung zu formulieren und er schrieb einen Aufsatz mit dem Titel »What is Poetry?« (1833), der eine andere und viel außergewöhnlichere Darstellung des Wesens der Dichtung gab. Radikaler als jeder Zeitgenosse (mit der möglichen Ausnahme Leopardis) argumentiert er dort nicht nur, daß die Dichtung eine Wiedergabe der Empfindung und keine Wissenschaft sei, vielmehr sei sie auch keine »Rhetorik«, sondern ein Selbstgespräch, reine Selbstaussage ohne Rücksicht auf ein Publikum. Die Dichtung übermittele nicht nur keine wissenschaftlichen Wahrheiten, sie beschreibe nicht einmal Gegenstände oder erzähle Ereignisse. In Mills konsequenter Phänomenologie wird die ganze über sich hinaus weisende Seite der Kunst, die ganze Widerspiegelungstheorie geleugnet. »Deskriptive Dichtung besteht... in der Beschreibung der Dinge, wie sie erscheinen, nicht wie sie sind.« »Wenn ein Dichter einen Löwen beschreibt, beschreibt er ihn nicht, wie es ein Naturforscher, auch nicht wie es selbst ein Reisender tun würde, der die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit festhalten wollte.« Der Dichter müsse vielmehr den »Zustand der Furcht, des Erstaunens oder Entsetzens« des Menschen beschreiben, der dem Löwen gegenüberstehe. »Nun bedeutet das, scheinbar den Löwen zu beschreiben, in Wirklichkeit aber den Erregungszustand des Zuschauers. Mag der Löve auch falsch oder mit Übertreibung geschildert werden, die Dichtung wird umso besser sein.« Die einzige notwendige Wahrheit sei die emotionale Wahrheit. »Wenn die menschliche Gemütsbewegung nicht mit gewissenhafter Genauigkeit geschildert wurde, so ist die Dichtung eine schlechte Dichtung, des heißt überhaupt keine Dichtung, sondern ein Mißerfolg.«5 Die Dichtung bestehe auch nicht aus Erfindung, Fiktion, Erzählung oder unerwartetem Vorfall — alles das ist für Kinder und Menschen auf den frühen Stufen der Gesellschaft. »Ein episches Gedicht soweit es episch ist (das heißt erzählend) ist überhaupt keine Dichtung«, äußert Mill, obwohl er erkennt, daß es eine allumfassende Form darstelle, die es zulasse, daß jede »Art von Dichtung einen Platz in ihr findet«. Das Drama wird ebenfalls als eine »Verbindung von Dichtung und unerwartetem Vorfall« gelten gelassen, aber der Vorfall ist deutlich der untergeordnete Bestandteil. »Für die vielen ist Shakespeare groß als Geschichtenerzähler, für die wenigen als Dichter.«6 Mill erkennt, daß diese Betonung der Gemütsbewegung noch nicht ausreicht, Dichtung und Rhetorik zu unterscheiden. Wie er die Dichtung von der äußeren Realität abgetrennt hat, so löst er ihre Verbindung zu jeder Publikumswirkung.

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In einer berühmten Wendung hält er den Gegensatz fest: »Die Beredsamkeit wird gehört, der Dichtung lauscht man.« »Die Beredsamkeit setzt Publikum voraus; die Eigenart der Dichtung scheint uns darin zu liegen, daß sich der Dichter gar nicht des Zuhörers bewußt ist.« So »ist die ganze Dichtung ihrem Wesen nach Selbstgespräch.« Dem Dichter müsse »es gelingen, aus seinem Werk jeden Rest eines Ausblicks auf die äußere und alltägliche Welt auszuschließen« und er müsse »seine Empfindungen genau so ausdrücken wie er sie in der Einsamkeit gefühlt hat oder wie er sie seinem Bewußtsein nach empfinden würde, sollten sie auch für immer unausgesprochen bleiben.« »Wenn der Ausdruck seiner Empfindungen von einem Verlangen gefärbt ist, ein anders Gemüt zu beeindrucken, dann hört er auf, Dichtung zu sein und wird Beredsamkeit.« »Die Dichtung«, formuliert Mill eindrucksvoll, »ist Empfindung, die sich selber in Augenblicken der Einsamkeit beichtet.«7 Das ist eine extreme Position, die, durchdenkt man sie bis zur letzen Konsequenz, zu einer Auffassung des Dichters als eines Einsiedlers führt, zu einer Dichtung als emotionale Überflutung ohne Handlung, Vorfall oder selbst Beschreibung und zu einem Zuhörer, der privaten Selbstgesprächen lauscht. In seinen Briefen, die Mill zu dieser Zeit an Carlyle richtete, erkannte er die Schwierigkeiten dieser Auffassung und schrieb bald eine diese Doktrin erweiternde und etwas modifizierende Ergänzung mit dem Titel »The T w o Kinds of Poetry« (1833). Er berücksichtigt nun zwei Arten von Dichtern: Dichter der Natur und Dichter der Kultur, mit Shelley und Wordsworth als ihren jeweiligen Repräsentaten. Recht seltsam erscheint Shelley als der Dichter, dem es an Kultur mangelt, als der reine, spontane, passive Dichter, der die Bedingungen der frühen Definition erfüllt. Die Schlußfolgerung ergibt sich, daß »lyrische Dichtung in höherem Maße und vornehmlicher Dichtung ist als jede andere.« Dagegen sei Wordsworth der Dichter der Kultur. »Seine Dichtung ist fast immer der bloße Rahmen eines Gedankens.« Sie habe den »Anschein gelassener Bedachtsamkeit«, sie sei gewollt und folglich nicht spontan. »Wordsworths Genie ist im wesentlichen unlyrisch.« Aber das bedeutet nicht wie man es der Logik des ersten Essays folgend erwarten würde eine Herabsetzung von Wordsworth. Vielmehr sticht Shelley als »bloßer Dichter« gegen den »Dichter-Philosophen« ab, der beide Begabungen vorbildlich in sich vereinigt. Dieser Begriff des »Dichter-Philosophen« erlaubt es Mill, das Denken in die Dichtung mit einzubeziehen, wenn auch immer in untergeordneter Position. Mill gibt sogar eine mechanistische Erklärung der dichterischen Veranlagung nach den Vorstellungen der Assoziationspsychologie: »Dichter sind diejenigen, die so beschaffen sind, daß ihre Emotionen die Bindeglieder der Assoziationen sind, durch die ihre sowohl sinnlichen als auch geistigen Ideen miteinander verbunden werden.«8 Deutlich liegen die Voraussetzungen dieses Standpunktes in der empirischen psychologischen Tradition der britischen Ästhetik: bei Jeffrey, Thomas Brown, Dugald Stewart und Hartley und sicherlich in einigen Aspekten der von Words-

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worth vetretenen Theorie.9 Im Jahre 1831 hatte Mill Wordsworth besucht und er berichtet, daß dieser die Theorie der Dichtung »mehr als jeder andere Mensch befördert hat und wahrscheinlich der erste gewesen ist, der je mit solch ausgezeichnetem Erfolg in der Kunstpraxis diese große Fähigkeit der Verallgemeinerung mit der Gewohnheit, über deren Prinzipien nachzudenken, in sich vereinigte.«10 Es gibt wohl keinen Grund, in dieser Zeit dem Einfluß Coleridges oder Carlyles, mit dem Mill im Jahre 1831 zusammentraf, irgendeine Bedeutung beizumessen, da Mill weder ihre Ansichten noch ihre Terminologie teilt. 11 Mills Betonung auf Selbstgesprächs, das der ganzen Affekt-Tradition der britischen Ästhetik zuwiderläuft, ist eine echte, wenn auch wunderliche Originalität nicht abzusprechen. Alle späteren, verstreuten Äußerungen Mills über die Dichtung wiederholen oder erweitern die Ansichten der beiden frühen Essays oder suchen Kompromisse zwischen unvereinbaren Positionen. Der Essay über Vigny (1838), obwohl er größtenteils nur die Prosa berücksichtigt, akzeptiert ohne Bedenken die Funktion politischer Dichtung. Mill überlegt, daß das Vergnügen an dem »eigentlich Schönen« an »der Schönheit in dem Abstrakten«, das er bei Goethe findet, heute selten sei und den Durst nach Empfindungen des wirklichen Lebens unserer Zeit nicht lindere. Mill verteidigt sogar die Darstellung von Scheußlichkeit bei Balzac, weil sie eine Erscheinungsweise des wirklichen Lebens wiedergebe. Doch die Poesie erhält eine besondere Stellung, weil sie nach guter Manier des 18. Jahrhunderts von einem starken Empfindungsstrom abgeleitet wird, der beinahe physiologisch eine rhythmische Äußerung erzwingt. Mill weiß, daß diese Ansicht »kurze Gedichte verlangt, da es für ein so eindringliches Gefühl, welches einen rhythmischeren Tonfall als den beredter Prosa fordert, unmöglich ist, sich selber für längere Zeit auf seiner höchsten Höhe zu halten.« Deshalb »wird ein langes Gedicht immer (obwohl vielleicht unbewußt) als etwas Unnatürliches und Nichtssagendes empfunden werden.« 12 In dem Bentham-Essay (1838) wird der Begriff der Einbildungskraft im Sinne von Einfühlung eingeführt, um einen neuen Gegensatz angeben zu können zwischen dem lyrischen Dichter, der »melodisch seine eigenen wirklichen Gefühle äußert« und dem Dramatiker, der »die Kraft [besitzt], die es einem Menschen gestattet, in den Geist und die Verhältnisse eines anderen einzudringen.«13 Eine Rezension der Poems of Many Years von Richard Moncktom Milnes (1838) lobt die Aufrichtigkeit des Dichters, verrät aber gleichzeitig interessanterweise die Schwierigkeit dieses Lieblingskriteriums der englischen Literaturkritik. »Aufrichtig ist strenggenommen nur das ganze Leben eines Menschen — das allein ist der Ausdruck des ganzen Menschen, kontemplativ und aktiv zusammengenommen.«14 Häufiger versuchte Mill, die Dichtung mit Wissenschaft und Philosophie auszusöhnen. Schon 1833, möglicherweise unter dem Einfluß Carlyles, nennt Mill den Künstler »vertraut mit intuitiven Wahrheiten«, die »zu verkünden und einprägsam zu machen« seine Aufgabe sei. »Die Dichtung steht höher als die Logik und beider Verbindung ist die Philosophie.«15 Mill lobt in seiner Besprechung von The

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French Revolution (1837) Carlyle als einen großen Dichter, begabt mit »der wesentlichen Grundbedingung des poetischen Charakters — mit schöpferischer Einbildungskraft, die aus einem Chaos von verstreuten Andeutungen und verworrenen Zeugnissen die Sache so zusammenfassen kann, daß sie vor ihr als ein vollendetes Ganzes erscheint.«16 Mill übernimmt hier zwar die romantische Ausdrucksweise, wendet aber ein, daß Carlyle in seinem Mißtrauen gegen Analyse und Verallgemeinerung zu weit gehe; denn Mill fordert eine Geschichtswissenschaft, die Regeln und Gesetze ausfindig macht, mit deren Hilfe man die Zukunft vorhersagen könnte. 17 In einer Besprechung von Tennysons Poems (1835) empfiehlt Mill dem Dichter, Philosoph zu werden, obwohl er Tennysons künstlerischem Können hohe Anerkennung zollt. Mill erkennt, daß »The Palace of Art« der Versuch ist, in einem Gedicht »geistige Wahrheiten symbolisch« darzustellen. Aber der Dichter müsse sich darüber im Klaren sein, daß »seine Theorie des Lebens und der Welt keine Hirngespinste sind, sondern das wohlbegründete Ergebnis eines gründlichen und reifen Denkens; er muß mit ganzer Hingabe sowohl die Philosophie wie auch die Dichtung pflegen.«1» Den Rest seines Lebens widmete sich Mill mit Eifer der Logik, Ökonomie und Soziologie. In seinem Coleridge-Essay (1840), der Coleridge und Bentham als die beiden Pole der englischen Philosophie darstellt, geht er kaum auf den Dichter und Kritiker ein. Anscheinend gelang es Mill immer besser, die Dichtung in die hintere Ecke seines Geistes zu verbannen. In einer Tagebucheintragung aus dem Jahre 1854 bekräftigt er die Auffassung, daß der »Künstler kein Seher ist« und daß »die Kunst in Beziehung zur Wahrheit nichts als Sprache ist.«19 Die interessante extreme Auffassung des ersten Essays bleibt Mills einziger bedeutender Beitrag zu einer Theorie der Dichtung.

J O H N R U S K I N (1819—1900)

Ruskin scheint kaum in eine Geschichte der Literaturkritik zu gehören. Man kann natürlich seine Ansichten über Dichter und Schriftsteller sammeln und mit einer Menge Äußerungen aufwarten, die, nicht unerwartet, den Geschmack des frühen Viktorianischen Zeitalters wiederspiegeln: Shakespeare wird wegen seiner Universalität und Objektivität bewundert, Wordsworth wegen seiner Liebe zur Natur, ein Verkünder der Herrlichkeit Gottes; Scott, »der größte Schriftsteller, den das Zeitalter hervorbrachte«,1 wegen seiner Humanität, seines gesunden Verstandes und seiner Landschaftsmalerei. Ruskin schätzte Tennyson und die beiden Brownings und Dante. Gabriel Rossetti förderte und verteidigte er sowohl als Maler als auch als Dichter. Swinburne begeisterte ihn, obwohl er ihn für »einen dämonischen jungen Mann« hielt.2 Doch ließ Ruskins Wohlwollen

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nach, als er mit dem neuen Roman seiner Zeit konfrontiert wurde: einem Bild der Häßlichkeit und Verderbtheit des modernen Stadtlebens und der Begierde nach Erregung um jeden Preis. Mit Dickens konnte Ruskin wenig und mit Thackeray gar nichts anfangen, selbst die hochherzige George Eliot wird heftig kritisiert: »The Mill on the Floss stellt vielleicht das auffallendste Beispiel dafür dar, daß es nur noch darum geht, Hautkrankheiten zu studieren. Tom ist ein plumper und grausamer Lümmel und der Rest der Gestalten einfach der Auswurf eines Pentonville Omnibus.«3 Eher überraschend lernte Ruskin Pope zu schätzen, obwohl er anfangs dessen »Twickenham-Klassizismus« kritisiert hatte. Pope sei zusammen mit Vergil »der größte Meister in der absoluten Kunst der Sprache«. Er sei »seit Chaucer der größte Repräsentant des wahren englischen Geistes« und »in vieler Hinsicht«, fügt er sogar hinzu, »lebte nie ein größerer Mensch«.4 Unter den ausländischen Dichtern erkennt er natürlich Homer große Bedeutung zu und studiert sorgfältig Dante, den »Mann, um den sich die ganze Welt dreht«, und sicher der »große prophetische Repräsentant« des Mittelalters.5 Ruskin liebte Don Quijote, den er in romantischem Sinne interpretierte; wenn auch etwas zögernd, so zeigte er doch ein beträchtliches Interesse an Goethe, und seine Bewunderung für den zweiten Teil des Faust war zu jener Zeit in England außergewöhnlich. 7 Eine spezielle Vorliebe hegte Ruskin für Jeremias Gotthelf, den Schweizer Dorfpfarrer, der erst in den-letzten Jahrzehnten als ein großer Romanschriftsteller anerkannt worden ist.8 Aber alles dies sind obiter dicta, Klassifikationen und Wertungen — Äußerungen Ruskins, wenn er der üblichen Bitte entsprach, die hundert besten Bücher aufzuzählen und die Lektüre guter Bücher im allgemeinen zu empfehlen.9 Sie tragen mit zu dem Gesamtbild bei, das wir uns von diesem Mann zu machen versuchen, aber sie betreffen nicht unmittelbar die Entwicklung der Literaturkritik. Interessanter ist es, wenn Ruskin gelegentlich Zitate von Dichtern benutzt, um seine Entwürfe für die Geschichte des Gefühls zu veranschaulichen. So verfolgt er etwa die Wandlungen der Todesanschauungen von den Schlachten Homers bis zum modernen Sensationsdrama. Homer, Dante und Scott repräsentieren für ihn die Unterschiede zwischen antikem, mittelalterlichem und modernem Landschaftsempfinden. 10 Ruskin kann auch ausführlich auf eine einzige Passage eines Dichters eingehen, um das, was man heute ihre Interpretation nennen würde, zu geben. So verteidigt er ausgezeichnet die Stimmigkeit des Bildes von den »blinden Mündern« in Miltons Lycidasn oder erläutert, daß sich Mathilda in der Rede bei ihrem ersten Auftritt im Purgatorio auf einen Psalm beziehe.12 Dennoch läßt sich Ruskins Bedeutung in der Geschichte der Literaturkritik nicht auf irgendwelche vereinzelte Meinungen oder Kommentare reduzieren. Vielmehr stützt sie sich auf seine Ästhetik, die in den ersten drei Bänden von Modern Painters (1843,1846,1856) vorgelegt wird, und später auf seine sozialen Lehren, in denen die Kunst eine zentrale Stellung beansprucht. Ruskins Bedeutung wird heute verkannt, weil wir seinen Geschmack in Malerei und Architektur ablehnen: sein Lob von

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Bildern wie Landseers »The Old Shepherd's Chief-Mourner« oder Hunts »Light o f the World« verurteilt ihn sofort. Das Oxford Museum, das er auszuschmücken half und die von ihm geförderte »gemaserte« Venezianische Gotik finden heute wenige Bewunderer. Es ist unmöglich, mit seiner unterschiedslosen Verurteilung der späten Renaissance, der Barock- und der Rokoko-Künstler übereinzustimmen, mit seiner Abneigung gegen die holländischen Maler, Rembrandt eingeschlossen, und seiner Verachtung Whistlers, die zu dem berühmten Verleumdungsprozeß führte, weil Ruskin geschrieben hatte, er hätte »nie erwartet, einen Narren zweihundert Guineas dafür fordern zu hören, daß er einen Topf Farbe der Öffentlichkeit ins Gesicht schleuderte.«13 Es fällt schwer, die Beweise von reinem Eigensinn und purer Widerspenstigkeit zu entkräften — besonders in den späteren Schriften, überladen mit phantastischer Ethymologisiererrei oder den wahnhaften Lieblingstheorien über klimatische Veränderungen — oder den unangenehmen Eindruck des salbungsvollen oder zornigen Pathos und seinen rührseligen Grillen zu verwischen. Seine Vorliebe für Kate Greeneways Zeichnungen und andere Sentimentalitäten der Zeit wurden durch die Geschichte von Ruskins nie vollzogener Ehe und seiner Vernarrtheit in die kleinen Mädchen von Winnigton und Rose La Touche in ein rührendes Licht getaucht. Aber diese ganzen Seltsamkeiten, die Ruskin zu dem verschrobensten und abseitigsten aller Viktorianischen »Weisen« gemacht haben, sollten die Tatsache nicht in den Hintergrund drängen, daß er eine Theorie der Kunst (und Literatur) besaß, die bei weitem nicht inkonsequent oder gar altmodisch ist, sonder eine eindrucksvolle Neuformulierung der romantischen Organismustheorie darstellt. Ruskins ästhetische Ansichten lassen sich auf die Literatur übertragen, da er sich immer weigerte, eine Trennungslinie zwischen Maler und Dichter zu ziehen: er gebraucht das Wort »poetry« oft in dem weiten platonischen Sinne, und er bewegt sich, ohne einen Unterschied zu machen, von der Malerei oder Bildhauerei zur Dichtung und wieder zurück. Homer und Dante werden zusammen mit Claude Lorrain und Turner zitiert, um Landschaftsempfinden zu illustrieren. Die Einheit der Künste wird nicht lediglich vorausgesetzt, sie ist die Folge einer Theorie, welche die künstlerische Schöpfung zu einem inneren Akt der Intuition und Einbildungskraft macht. Ruskin hielt folgerichtig sein ganzes Leben an der zentralen Lehre der Organismustheorie fest, selbst wenn man Akzentverschiebungen feststellen kann. Der frühe Ehrgeiz, zuverlässige Gesetze der Kritik aufzustellen, trat zurück: der spätere Ruskin konnte mit den Einzelheiten seines Systems wenig anfangen, das er mit einem beträchtlichen scholastischen Scharfsinn in den ersten Bänden der Modern Printers ausgearbeitet hatte. Seine Abneigung gegen die »Metaphysik« und gegen überflüssige Unterscheidungen wurde mit den Jahren stärker. Der salbungsvolle Ton des ersten Bandes von Modern Printers verschwand: der reife Ruskin hätte kaum so etwas geschrieben wie den Satz über die »Engel, die einen unverstandenen Schmerz empfinden, während sie immer wieder vergeblich versuchen, harte Herzen mit ihren gütigen Flügeln zu erwärmen.«14 Während

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einer Periode wenigstens lehnte er sich gegen seine frühe Auffassung vom »Evangelium der Schönheit« auf und äußerte eine verlegene und verwirrte Bewunderung für das Starke und Sinnliche in der Kunst. Homer, Shakespeare, Tintoretto, Tizian, Michelangelo seien kühne, sinnliche Künstler gewesen, dagegen der Hlg. Franziskus und Fra Angelico nur arme schwache Wesen. »Ich verstehe das nicht«, gibt Ruskin in einer Notiz aus dem Jahre 1858 zu, nachdem er eine langweilige evangelische Predigt in Turin gehört hatte. »Man hätte denken können, Reinheit gebe Kraft, aber sie tut es nicht. Eine gute, starke, autonome, herrliche Sinnlichkeit entspricht einer Dichter- und Künstlerart.«15 Später allerdings kehrte er zu seiner früheren Auffassung zurück und konstatierte, daß »die Religion« bei Giotto »statt zu schwächen, jede Fähigkeit seines Herzens und seiner Hand geweiht und entwickelt hatte.«16 Aber die grundlegende Theorie bleibt dieselbe. Sie ist offensichtlich weitgehend von Wordsworth, Coleridge und von Carlyle abgeleitet, den Ruskin als seinen Lehrer anerkannte.17 Einzelheiten der Diskussion um Einbildungskraft und Phantasie ähneln den Erörterungen Leigh Hunts. Ungeachtet energischen Protestes muß Ruskin von Pugins Verteidigung der Gotik beeindruckt gewesen sein und Rio sowie andere Repräsentanten einer Hinwendung zum Mittelalter gelesen haben.18 Er erkannte, daß viele seiner Ansichten Emerson ähnelten und er hielt es sogar für der Mühe wert, sich gegen den Plagiatsvorwurf zu verteidigen.19 Die romantische deutsche Ästhetik lernte er aus englischen Quellen kennen, obwohl er sie, kaum rezipiert, schon ablehnte: zum Teil aus Unkenntnis, wie er etwa Schiller gänzlich verzerrt,20 und zum Teil wegen echter Hemmungen auf Grund der Terminologie und der, wie es ihm schien, antireligiösen Folgen der deutschen Lehren. Die Hauptzüge seiner Theorie sind deutlich: Ruskin versucht, Naturalismus und Symbolismus zu verbinden: eine Verehrung der Natur selbst in ihren unbedeutendsten Erscheinungen mit einem Supranaturalismus, der eine »typische« oder wie wir sagen »emblematische« und »symbolische« Darstellung der Natur erlaubt. Die fundamentale Begründung ist religiös: »Die Himmel verkünden die Herrlichkeit des Herren.« Die Natur sei Werk und Wort Gottes und die Aufgabe des Künstlers daher, diese Botschaft zu vermitteln. Es ist falsch, Ruskin für den Verfechter einer simplen Nachahmung der Natur zu halten. Er unterscheidet immer klar zwischen »Kopieren« und »Imitieren« und verwirft die Täuschung oder das trompe l'oeil. Die holländische Kunst lehnt er durchgängig ab und sieht den modernen realistischen Roman als eine niedere Gattung an. Wenn er an einer wohlbekannten und oft falsch verstandenen Stelle dem Künstler rät, »mit aller Aufrichtigkeit seines Herzens in die Natur zu gehen und keine anderen Gedanken dabei zu haben, als wie er am besten ihre Bedeutung erfassen könne, ohne etwas zu verwerfen und auszuwählen: in der Uberzeugung, alle Dinge seien richtig und gut und mit der anhaltenden Freude über die Wahrheit«,21 so rät er jungen Künstlern, ihr Wahrnehmungsvermögen auszubilden, aber er engt nicht den mit Einbildungskraft begabten großen Menschen ein. Ruskin bekämpft den akademischen Klassizismus, 9 Wellek, Literaturkritik 2

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den Glauben an das Allgemeine, die Empfehlung eines Reynolds, den Stoff als solchen zu malen (nicht Samt oder Seide), die Konvention des »braunen Baumes«, der »dunklen Laterne«, die er in gleichem Maße ablehnte wie er die sklavische Wiedergabe der Holländer verabscheute. Diese Polemik nach beiden Seiten wird verständlich, wenn wir Ruskins zentralen Gedanken erfassen: Kunst sei Analogon der Natur, sei lebendig, »organisch« wie die Natur und müsse die Wahrheit der Natur widerspiegeln — eine Wahrheit, die für Ruskin sowohl von der Leblosigkeit (oder dem, was er für Leblosigkeit hält) der holländischen Kunst wie auch von dem »Klassizismus« der französischen und italienischen Landschaftsmaler des 17. und 18. Jahrhunderts verletzt wird. Es wäre leicht, Zitate zusammenzutragen, die eine veraltete Auffassung der Kunst als bloße Illustration oder bloßes Protokoll zu implizieren scheinen — etwa von Gebäuden oder wissenschaftlichen Phänomenen — Funktionen, die seither von der Photographie übernommen worden sind, obwohl Ruskin selber die Photographie seiner eigenen Zeit mehr für Natur verfälschend als für eine genaues Wiedergabeinstrument hielt.22 In manchem Kontext ist der Maßstab Ruskins tatsächlich der der Beobachtungstreue. Vieles von Turner lobt er wegen seiner exakten Genauigkeit: mit einer Felsen darstellenden Zeichnung Turners vor sich »könnte ein Geologe eine Vorlesung über das ganze System der durch Wasser verursachten Erosion halten.«23 Vieles von der heftigen Kritik an Claude Lorrain und Salvator Rosa drückt den Ärger aus über »Beispiele verfälschter Berge«,24 falscher Wolkenbildungen, schlecht beobachteter Bäume, Blumen und Tiere und unechter Lichteffekte. Große Teile von Modern Painters befassen sich überhaupt nicht mit Kunstwerken, sondern erörtern über lange Strecken ganz unabhängig von Bildern Wolkenformationen, Baumformen, Felsoberflächen usw., nur mit der vagen Erklärung, den Künstler die Erkenntnis der Naturwahrheit lehren zu wollen. Ruskin kann sich dann wieder auf das umstellen, was uns als eine »impressionstische« Auffassung des Kunstgegenstandes erscheint. Die Natur sei nicht einfach vorgegeben, sondern sie werde in Zusammenarbeit mit dem Verstand geschaffen: es gäbe »eine Wahrheit der Betrachtungsweise«, wie der Künstler sich »ausschließlich so mit den Dingen [befasse], wie sie die menschliche Sinnesempfindung und die menschliche Seele affizieren.« »Für die Kunst« räumt Ruskin ein, »sind nur die Tatsachen von Nutzen, die zu den Erscheinungen führen.«25 Doch dieser Phänomenalismus geht von der Voraussetzung aus, daß es letztlich eine Harmonie zwischen dem Menschen und der Natur gebe, da beide Schöpfungen Gottes seien. Die Natur spreche in einer symbolischen Sprache zum Menschen und der Künstler erläutere diese Sprache: er schaffe Werke, die in diesen Symbolen sprechende Natur wiedergeben. In Modern Painters wird diese Auffassung oft in Form jenes alten physikotheologischen Gottesbeweises vorgebracht, der in England seit Derham und Paley auf eine lange Tradition zurückschauen kann. Ruskin betont ausdrücklich, daß ein Prediger und ein Maler dieselbe Pflicht haben. »Beide

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interpretieren das Unendliche«, und naiv behauptet er, daß »es nicht einen Augenblick in allen Tagen unseres Lebens gibt, in dem die Natur nicht Szene auf Szene, Bild auf Bild, Herrlichkeit auf Herrlichkeit hervorbringt und nach solch vortrefflichen und unveränderlichen Prinzipien der vollkommensten Schönheit immer weiterwirkt, und wir ganz gewiß sein können, daß alles für uns getan wird und der Zweck unser immerwährendes Vergnügen ist.«26 Aber in seinen weniger frommen Augenblicken scheint er doch der Ansicht zu sein, daß diese Sprache Gottes uns nicht einfach übermittelt oder offenbart werde, sondern vom Künstler erkannt, entdeckt und sogar geschaffen werden müsse. Ruskins Begriff der Imagination — vor allem im zweiten Band der Modern Painters (1846) erläutert — fehlt die klare Unterscheidung zwischen Zuschauer und Künstler, zwischen dem Menschen im allgemeinen und dem Künstler und zwischen der Absicht des Künstlers und dem vollendeten Werk. Gleichzeitig erfindet er zu komplizierte Klassifikationen, die bedeutungslos geworden sind, weil sie einer veralteten Psychologie mit getrennten Seelenvermögen verpflichtet sind. Ruskin beginnt mit dem Zuschauer: er unterscheidet zwischen aesthesis und theoria, aesthesis als reiner sinnlicher Eindruck (daher sei »Ästhetik« eine unrichtige Bezeichnung) und theoria als »die frohlockende, ehrfurchtsvolle und dankbare Wahrnehmung des Schönen«. »Sie empfangt die Sinnesfreuden nur mit Dankbarkeit und in Beziehung auf Gottes Herrlichkeit.«27 Die theoretische Fähigkeit sei Kontemplation (gleichzusetzen mit dem deutschen Begriff Anschauung), kontemplative Betrachtung der Ideen des Schönen, begleitet jedoch von »der völligen Erkenntnis, daß sie ein Geschenk und eine Offenbarung Gottes sind.« Der Gebrauch dieser theoretischen Fähigkeit sei eine der Pflichten des Menschen. »Die Menschen haben kein Recht, einige Dinge für schön zu halten und ebenfalls kein Recht, in Bezug auf andere gleichgültig zu bleiben.«2« Ruskin erkennt jedoch, daß dieser theoretische Imperativ nur durch den Prozeß einer ästhetischen Erziehung eingelöst werden kann: daß wir die rechte Schönheit nicht notwendigerweise sogleich erkennen, sondern erst nach argemessener Vorbereitung und Übung. Scharf wird das Schöne wie bei Kant von dem Wahren und dem Nützlichen getrennt, und natürlich muß Ruskin die genetischen Erklärungen des Schönheitsempfindens als Assoziationen oder Gewohnheit ablehnen, die in der psychologischen Tradition Englands üblich waren. Der Begriff des Schönen umfasse zwei Grade: den »naturalistischen« und den »symbolischen«: da sei zunächst die »vitale«, natürliche Schönheit, wie sie sich in Tieren und sogar Pflanzen, aber hauptsächlich in der Schönheit der menschlichen Gestalt manifestiere. Ruskin lehnt natürlich das klassische Ideal der »allgemeinen« Schönheit ab und bevorzugt die »charakteristische«, doch in diesem Zusammenhang wenigstens hat sich in religiöser Verkleidung das klassische Ideal erhalten: das wahre Ideal könne nur dadurch erreicht werden, daß »die unmittelbaren Zeichen der Sünde von Gesicht und Körper verbannt werden.«29 Aller Schmerz, alle Leidenschaften seien für die hohe Kunst ungeeignet, seien häßlich oder niedrig. Doch jenseits der vitalen Schönheit stehe die »typische« 9*

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Schönheit, symbolisch für die Attribute von Gottes Unendlichkeit,» Einheit, Ruhe, Ebenmaß, Reinheit und Gelassenheit. »Die Tatsache, daß wir allem eine unaufhörliche Freude verdanken, was ein Sinnbild göttlicher Eigenschaften ist oder Ähnlichkeit mit ihnen h a t . . . ist das 'Herlichste, was von der menschlichen Natur gezeigt werden kann.«30 Aber das, was über das theoretische Vermögen und die beiden Arten der Schönheit gesagt worden ist, wird dann auf die Einbildungskraft übertragen und wiederholt. Die Unterscheidung zwischen dem theoretischen Vermögen und der Einbildungskraft wird jedoch in der Praxis aufgegeben und es werden genau dieselben Stufenfolgen von der Sinneswahrnehmung bis zur höchsten Einsicht in einer anderen Terminologie erläutert. Die Imagination stehe höher als die Phantasie. Die Phantasie wird als sinnlich, frivol und mechanisch in der Art Leigh Hunts herabgesetzt. Phantasie, sagt Ruskin in seiner malerischen Weise, »spielt wie ein Eichhörnchen in seinem runden Gefängnis und ist glücklich, aber die Imagination ist ein Pilger auf Erden — und ihre Heimat ist der Himmel.«31 Aber anderswo konzidiert Ruskin den inneren Zusammenhang zwischen Imagination und Phantasie und später verwirft er jede Unterscheidung. 32 Doch wird die Imagination in drei Funktionen eingeteilt, die Ruskin »gänzlich verschieden« nennt: Durchdringung, Assoziation und Kontemplation. »Durchdringung« sei Einblick in die Realität, nicht in Form einer allgemeinen wissenschaftlichen Wahrheit, sondern als ein konkretes, individuelles Sein — eine andere Version der »charakteristischen« Schönheit, die er vorher gefordert hatte. »Assoziation« ist Ruskins irreführende Bebeichnung für das kombinatorische Vermögen der Imagination: Coleridges »Iti-eins-bildende Kraft*. »Kontemplation« sei der die vorausgegangenen Tätigkeiten festhaltende und bewahrende Prozeß. 33 Sie umfaßt, was wir den ganzen Prozeß der Symbolisierung und Veräußerung nennen würden — das heißt, das Kunstwerk selber. Wie in der ganzen platonischen Tradition, wie bei Coleridge, Carlyle und Emerson wird die Unterscheidung zwischen dem imaginativen Akt und dem Kunstwerk auf ein Mindestmaß reduziert: die Imagination verwandele die Realität in das Ideal und das Ideal sei einfach das Werk selber. In einer neuen Reihe von Unterscheidungen parallel zu denen der Schönheitsformen zählt Ruskin drei Ideale auf: das puristische, das groteske und das naturalistische Ideal. Der Purismus werde zum Beispiel von Fra Angelico repräsentiert: Engelreinheit, »geistige« Schönheit, die von der Natur unberührt bleibe. Das groteske Ideal bedeute Imagination, die sich ausschließlich der Betrachtung des Bösen widme, während das naturlistische Ideal vollendete organische Kunst darstelle: die Kunst, geschaffen wie die Natur. Die Betonung des Grotesken ist das auffallendste Neue dieser neuen Folge von Unterscheidungen, wie sie notwendigerweise bei der Erörterung der Schönheit fehlen mußte. Abermals differenziert Ruskin zwischen dem falschen Grotesken, dem bloß mutwilligen, morbiden oder unheimlichen und dem erhabenen oder symbolischen Grotesken, das er in den Einzelheiten gotischer Kathedralen und Paläste und bei Dürer und Holbein bewundert. Machmal scheint gro-

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tesk einfach das zu bedeuten, was gewöhnlich »Tragikomödie« genannt wird oder auch das Nebeneinander oder das Gemisch von Stilen; so stehe etwa bei Shakespeare »Prinz Heinrich gegen Falstaff, Titania gegen Zettel... Imogen gegen Cloten.«34 Das ganze sorgfältig ausgearbeitete Schema ist übersichtlich genug: Das Schöne existiere draußen in der Natur und der Mensch müsse es durch sein theoretisches Vermögen erfassen, um es über die sinnliche hinaus auch als göttliche Schönheit zu erkennen. Im Menschen und besonders im Künstler liege das Vermögen der Imagination, welches die verschiedenen Ideale in Kunstwerken, puristische, groteske oder naturalistische, durchdringe, vereinige, anschaue und verwirkliche. Tatsächlich aber werden alle diese Unterscheidungen in einem übergreifenden Zusammenhang vereinigt: dem von Mensch und Natur und Gott in der Natur. Aufgabe der Kunst sei es, diese Natur und das Göttliche in ihr in vielen Stilen darzustellen: von der bescheidensten Imitation bis hin zu den höchsten Schwüngen der Phantasie. Nur ein Kriterium müsse befolgt werden: die Kunst habe organisch, »vital«, der Einfühlung oder was Ruskin »Liebe« nennt offen zu sein — selbst als symbolische Darstellung Gottes, der der Gott der Natur sei. Ruskin will Gott einfach nicht als einen Mathematiker, als den Erfinder der Newtonschen Weltmaschine anerkennen. Er verabscheute »die verderbliche Macht der konventionellen Kunst«, die Ornamente der Alhambra, der ägyptischen und byzantinischen Kunst, die klassizistische Perfektion, den Kristallpalast, die Eisenkonstruktion, alles, was ihn mechanisch dünkte, mit Hilfe bloßer Routine produziert, inhuman und abstrakt. Deshalb zog er die unwiederholbaren, leicht ungenauen Schnitzwerke der mittelalterlichen Handwerker den modernen Fabrikwaren vor. Er hätte, wie geistreich gesagt wurde, »einen Gott vorgezogen, dessen Berechnungen alle ein wenig falsch waren.«35 Ferner fällt die Renaissancekunst unter sein Verdikt einer ungeistigen, unmenschlich perfekten, oberflächlichen Kunst, obwohl es schwerfällt, Ruskins Abneigung gegen den Apollo von Belvedere, seine Gleichgültigkeit gegenüber Raffael und seinen Widerwillen gegen Palladio mit seiner ungeheuren Bewunderung für Michelangelo und die Venezianischen Koloristen Tizian, Veronese und Tintoretto in Einklang zu bringen, die zur Renaissance gehören, wenn je ein Künstler dazu gehörte. In der gotischen Kunst sucht Ruskin systematisch nach einer naturalistischen oder grotesken Tendenz oder nach Antizipationen der späteren, mehr illusionistischen Kunst. So vergleicht er einen frühen extrem stilisierten Engel mit einer späteren, viel menschenähnlicheren Darstellung der Eva mit der Schlange oder zwei Greifen, 36 und er bevortzugt immer das Bild mit dem menschlicheren — das heißt »vernünftigeren« — Ausdruck. Doch der naturalistische Maßstab wird nicht konsequent beibehalten. Er kann immer durch einen religiösen Symbolismus beiseite gedrängt werden. So wird Tintoretto verteidigt, der in seiner »Vertreibung aus dem Paradies« einen Engel gemalt hat, der entgegen der Lichtquelle einen Schatten vor sich hin auf Adam und Eva zu wirft.37 Tizians »Bacchus und Ariadne« darf

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unkritisiert das »herrlich unmögliche Blau der weit entfernten Landschaft« entfalten, da Ruskin zugibt, daß »der ganze Wert und die Stimmung des Bildes zerstört würden, sollte dieses Blau verändert werden.«38 Wäre Canaletto »ein großer Maler gewessen«, so hätte er Ruskins Erlaubnis gehabt, »die Reflexe« auf seinen Bildern zu werten, »wohin er wollte, und sein Meer schräg abfallend zu malen, wenn es ihm beliebte.«3' Tintoretto bewundert er wegen seiner allegorischen oder emblematischen Darstellungen: die englischen Heerscharen, die in der Taufe die Gestalt eines Fischkopfes annehmen oder der Esel, der in der Kreuzigung von den Resten verwelkter Palmblätter frißt.40 So kräftig wie der überspannteste Romantiker vertritt Ruskin die Rechte der Imagination, die »alle Ketten und Fesseln der bloßen äußeren Wirklichkeit abwirft, die ihrer suggestiven Kraft in Wege stehen.«4i Streng parallel zu denen der anderen Künste sind die Normen der Dichtung aufgebaut. Ruskin mißbilligt den Realismus als trivial und häßlich, er kritisiert den konventionellen Klassizismus und beanstandet unwahre Darstellungen der Natur, selbst der Topographie als geschmacklos. Jeden, der das Schloß von Chillon gesehen hat, würde wie Ruskin Byrons Schilderung seiner »schneeweißen Zinnen« und des »tausend Fuß tief« unter ihm liegenden Genfer Sees42 stören, obwohl die ästhetischen Gründe dafür schwer einzusehen sind. Homer, Shakespeare, Wordsworth und Scott werden immer wieder als Muster sorgfältiger Beobachtungskunst zitiert. Beispiele aus der Dichtung veranschaulichen die verschiedenen Stufen der Imagination, die über die bloße Nachahmung hinausführen. Coleridges »Frost at Midnight« mit seiner Fixierung des auf dem Kaminfeuer zitternden Films steht als Beispiel für die kontemplative Imagination.43 Spensers Bild des Neides stelle das erhabene Groteske dar, während Dantes Teufel im 2 1 . und 22. Gesang des Inferno »die vollkommensten Beispiele des schrecklich Grotesken« seien, wenngleich Ruskin sich scheut, uns diese Aussage zu begründen.44 Er kann bei diesen Unterscheidungen sehr pedantisch sein, so wenn er mit erstaunlicher Selbstsicherheit Zeile für Zeile die Adjektive und Appositionen der Blumen in Miltons Lycidas entweder der Imagination oder der Phantasie zuteilt.45 Im ganzen jedoch findet Ruskin an allen Arten einer genauen Kunst Geschmack: an allem eindrucksvoll Vergegenwärtigten, wie unwirklich es auch immer sei. Der Zentaur Chiron, der bei Dante erst seinen Bart mit einem Pfeil teilen muß, bevor er sprechen kann, muß »tatsächlich quer durch Dantes Kopf getrabt [sein] und er sah es ihn tun.«46 Puck, Ariel, Caliban, Miltons Teufel, das ganze Universum Dantes, alle werden als große Heldentaten der dichterischen Imagination gefeiert, selbst wenn Ruskin ziemlich grob The Tempest als Allegorie eines Konfliktes von Freiheit und Sklaverei darstellt.47 Die Unterschiede zwischen hoher imaginativer Kunst und Mythos geraten immer mehr aus Ruskins Blickfeld. In seinen weithergeholten Interpretationen der griechischen Mythen in The Cectus of Aglaia (1865) und The Queen of the Air (1869) stammt vieles aus den Quellen Aeschylus, Pindar und Homer. Das physikalisch Existierende, Sonne, Himmel, Wolke oder Meer,

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sei die Wurzel des Mythos, aus dieser Wurzel wachse die persönliche Inkarnation, »eine freundliche und gesellige Gottheit«, und als letzte Stufe erscheine »die sittliche Bedeutung, welche in all den großen Mythen die ewige und wohltätige Wahrheit ist.«48 Ruskin glaubte buchstäblich daran und verteidigte die »Idee eines persönlichen Wesens in der Naturgewalt«, wie sie die griechischen Götter und sogar die Gestalten der 'Apokalypse repräsentierten: die bleiche auf dem Pferd reitende Schwester müsse als ein »wirklicher und lebendiger Engel« verstanden werden und nicht lediglich als ein Symbol für die Macht des Todes. 49 Wie phantastisch und abergläubisch uns diese Uberzeugung auch immer anmuten mag, sie folgt aus dem grundlegenden romantischen Animismus, an dem Ruskin in verschiedenen Versionen seiner wörtlichen Bedeutung nach sein ganzes Leben lang festhielt. Sogar die Berge, behauptet er, »Heben«. »Ihr mögt« antwortet er fragenden Mädchen in The Ethics of the Dust (1865) »wenigstens mit Ernst glauben, daß die sich in eurem eigenen Leben auf dem Höhepunkt zeigende Erscheinung des Geistes anfängt sich zu entfalten, w o immer der Staub der Erde irgendeine regelmäßige und liebliche Form anzunehmen beginnt. Ihr werdet es als unmöglich einsehen, diese Idee einer abgestuften Manifestation von derjenigen einer lebenspendenden Macht zu trennen.« Dieser Animismus wird über die empirische Welt hinaus projiziert: »die Idee einer Abstufung erlaubt die Vorstellung von einem uns übergeordneten Leben, in anderen Geschöpfen soviel erhabener als das unsere wie unseres erhabener ist als das des Staubes.« Ruskin begann an die »mannigfache Wirksamkeit lebendiger Engel« zu glauben oder wieder zu glauben.50 Es erscheint daher umso überraschender, daß Ruskin die von ihm so bezeichnete »pathetic fallacy« bekämpfte. Schließlich ist die jeder Metapher zugrunde liegende Methode der Anthropomorphismus und es scheint unmöglich, solche Unterschiede wie Ruskin zu machen, wenn er bestimmte Gedichte kritisiert. Oliver Wendeil Holmes Zeilen »Der verschwenderische Krokus, wie er nackt und zitternd mit seinem Kelch von Gold durch die Erde bricht« seien »wirklich falsch. Der Krokus ist kein Verschwender, sondern eine kräftige Pflanze; sein Gelb ist nicht goldfarben, sondern ein Safrangelb.«51 Ruskin erkennt nicht, daß der Krokus »verschwenderisch« genannt wird von der Vorstellung her, daß er sein Gold überreich verschwendet. Ebenfalls ist nicht einzusehen, warum Kingsleys Vers »Der grausame, kriechende Schaum« verurteilt werden muß, weil »der Schaum nicht grausam ist und auch nicht kriecht«, andererseits aber verteidigt als dem Sprecher in der Ballade dramatisch angemessen, weil sein Verstand »von Kummer zerrüttet« sei. Warum wird Coleridges Vers »Das eine rote Blatt, das letzte seiner Art, es tanzt so oft es tanzen kann« für falsch gehalten? Coleridge, kritisiert Ruskin, »stellt sich ein Leben und einen Willen in dem Blatt vor, die es dort nicht gibt; er verwechselt seine Ohnmacht mit Wahlmöglichkeit, seinen dahinwelkenden Tod mit Fröhlichkeit und den Wind, der es schüttelt, mit Musik.« Ruskin bevorzugt den Vergleich Dantes: Geister, »die wie von einem Zweig wehende tote

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Blätter fallen«, weil das ein Vergleich sei, der nicht »einen Augenblick lang Dantes klare Wahrnehmung überschreitet, daß es sich bei diesen um Seelen und bei jenen um Blätter handelt.«52 Dieses Kriterium jedoch leugnet gerade das Wesen der Metapher oder Substitution, die nicht »Verwechselung« bedeuten. Die Unterscheidung zwischen einer animistischen, überlegt ersonnenen Metapher und einer solchen, die durch emotionale Anspannung gerechtfertigt ist, scheint ganz unbeweisbar und in der Praxis selbst von Ruskin unhaltbar. So werden die durch Händeis Vertonung allgemein bekannten Zeilen Popes »Wo immer du gehst wird kühler Wind die Lichtung fächeln: w o du sitzt, werden sich Bäume schattig zusammendrängen« verurteilt als eine »ausdrückliche Absurdität, die in Affektiertheit wurzelt und skrupellos entgegen der Natur und der Wirklichkeit behauptet wird«, wie es überhaupt »keine größere Niederträchtigkeit in der Literatur (gibt) als die Gewohnheit, diese metaphorischen Ausdrücke kaltblütig zu verwenden.«53 Aber es ist unmöglich, einzusehen, warum Popes Bild, das sich vorher bei Edmund Waller, Ben Jonson und Persius findet und sehr wohl auf den griechischen Mythos der Geburt Aphrodites aus dem Meer zurückgehen mag, 54 schlechter sein sollte als Wordsworths Aussage »Die schwebenden Wolken sollen ihre Majestät ihr leihen; für sie die Weide beugen...«, Zeilen, die Ruskin ob ihrer »hochgradigen Richtigkeit« gutheißt.5S Ruskins eigene Schriften und die seiner Lieblingsdichter Wordsworth, Scott und Tennyson sind voll von »pathetischer Täuschung« und so sind es in unterschiedlichem Maße die aller Dichter. Josephine Miles hat gezeigt und statistisch analysiert, wie dieses Kunstmittel in der englischen Dichtkunst des 19. Jahrhunderts an Boden gewann und alles durchdrang;5« daß den Dingen Gemütsbewegung zugeschrieben wird, ist natürlich uralt: es ist ein weit verbreitetes Mittel der Volksdichtung und spiegelt .den Glauben an ein belebtes Universum wider, der schließlich mit Ruskins eigener, zentraler Überzeugung übereinstimmt. Es scheint paradox, daß seine grundsätzliche Einsicht auf der einen Seite von dem Maßstab eines nüchtern gefaßten, gegen naturwissenschaftliche Ungenauigkeiten gerichteten Beobachtungsnaturalismus, auf der anderen Seite vom Maßstab der »Aufrichtigkeit« getrübt worden sein sollte, der literarische Tradition und Technik leugnet. Mutwille, Leichtfertigkeit, nett gedrechselte Komplimente für eine Dame müssen nach Ruskins Ansicht falsch sein oder einer minderwertigen Einbildungskraft angehören. Der große Dichter müsse ein guter, ein ernsthafter Mensch, ein Seher und Prophet sein, wie auch die Kunst Gott und dem Menschen — also der Gesellschaft und der Tugend zu dienen habe. Besonders in seinen späteren Schriften betrachtet Ruskin die Kunst hauptsächlich unter dem Blickwinkel des Moralisten und sozialen Reformers. In den Lectures on Art (1870) definierte er den Zweck der Kunst dreifach: »(1) die Religion der Menschen durchzusetzen, (2) ihre Sittlichkeit zu vervollkommnen und (3) ihnen sachliche Hilfe zu leisten.«57 Ihr Wesen und ihre Hauptaufgabe scheinen vergessen zu sein. Doch die Auffassung, daß die Kunst in die Gesellschaft verstrickt sei und für die Gesundheit einer Gesellschaft eine symptomatische Bedeutung habe, wurde

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jedenfalls in England nie so geschlossen und überzeugend dargelegt wie von Ruskin. Sein Stones of Venice mag in seinen Urteilen exzentrisch sein, aber es ist die ausführlich dargestellte Geschichte von dem Aufstieg, der Blütezeit und dem unbestreitbaren Niedergang einer Stadt im Spiegel ihrer Kunst. Die Kunst sei »repräsentativ für den Geist einer Nation«, »der Spiegel und das Abbild des nationalen Charakters«, »die wichtigste Autobiographie einer Nation.«5» Ruskin war einer der ersten, der die Industrialisierung nicht nur unter dem Aspekt menschlichen Leidens, sondern auch unter dem des schädlichen Einflusses sah, den sie auf die Kunst und die freie schöpferische Produktivität ausübt. Er durchschaute die gepriesenen Segnungen der Arbeitsteilung. »Streng genommen wird nicht die Arbeit, sondern der Mensch geteilt: zerlegt in bloße Segmente des Menschen — zerbrochen in kleine Fragmente und Lebenskrümchen.«59 Ruskins Kritik an dem »Wirtschafts-Menschen« ist selbst heute noch gültig, und sein Entsetzen über die Verbreitung von Häßlichkeit und über die empfindungslose Barbarei, mit der die Spuren der Vergangenheit, ihre Bauwerke, Skulpturen und Malereien vernichtet oder bis zur Unkenntlichkeit restauriert werden, ist heute oft ebenso angebracht wie zu seinen Lebzeiten. Aber wir müssen zugeben, daß Ruskins Verbesserungsvorschläge Träume waren: die St. Georgs Gilde wurde schlecht geführt, die idyllische Auffassung des Mittelalters — für Ruskin nicht das dunkle, sondern das helle Zeitalter«0 — und seines Handwerkerglücks ist unhaltbar. Der Widerstand gegen die Stadt erscheint oft sentimental oder einfach eine verlorene Sache. Doch eine fundamentale Wahrheit liegt in seinem Verlangen nach einer Kunst als »Freude für alle«,61 erreichbar nur in einer heilen Gesellschaft. Ruskins unmittelbare englische Nachfolger, G. B. Shaw und William Morris, die die Schönheit der englischen Buchproduktion wiederherstellten und die Gartenvorstadt-Bewegung auslösten, verdanken ihm manche grundlegenden Vorstellungen. Frank Lloyd Wrights Konzeption einer organischen Architektur ist ohne Ruskins Einfluß undenkbar.62 Eher überraschend fand er in Proust einen glühenden Bewunderer und ausgezeichneten Übersetzer, der von ihm lernte, daß »das Universum von unendlichem Wert ist«, obwohl Proust später an Ruskins Aufrichtigkeit zweifelte und sogar schrieb, daß seine Werke »oft töricht, fanatisch, ärgerlich, falsch und unerfreulich, aber immer lobenswert und immer groß sind.«63 Das scheint mir genau die Wahrheit zu sein. Ruskin weist nahezu ausnahmslos die unerfreulichsten Merkmale des viktorianischen Propheten auf: Anspruch auf Unfehlbarkeit, Kanzelberedsamkeit, launische Wunderlichkeit, empfindliche Prüderie und häufige Gefühlsduselei; sie stoßen uns ab mitten in Passagen von wundervollem Feingefühl, tiefer Empfindung, scharfsinniger Analyse und echter Tiefe. Zu seiner Zeit leistete Ruskin beinahe ganz auf sich gestellt die ästhetische Erziehung der Engländer. Durch sein Verständnis des Wesens organischer Kunst und ihrer Rolle in der Gesellschaft verschaffte er der Kunst eine zentrale Stellung in der Zivilisation. Viele seiner Zeitgenossen fühlten, daß er die Menschen gelehrt

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hatte, »die Unschuld der Augen«64 zurückzugewinnen und Kunst wie Natur zum ersten Male zu sehen. Er konnte und wollte der Platonischen Identifikation und Verwechslung von Kunst, Moral und Religion nicht ausweichen, aber er verschmähte mit Recht die Alternativen, die zu seiner Zeit angeboten wurden: die l'art pour l'art Doktrin und den Ausschluß der Kunst aus den utilitaristischen Belangen des Zeitalters. Wie von Kant und Schiller so wurde die Kunst auch von Ruskin wieder als die große humanisierende Tätigkeit und Leistung des Menschen gesehen.

KAPITEL 5

DIE AMERIKANISCHE L I T E R A T U R K R I T I K Vorbemerkung

In den letzten Jahrzehnten haben amerikanische Gelehrte die frühe Geschichte der Literaturkritik in den Vereinigten Staaten genau studiert und gezeigt, daß selbst die Kolonialzeiten einige Literaturkritik im Sinne von literarischer Meinung über Schriftsteller und über die Funktion der Literatur hervorgebracht haben. Im frühen 19. Jahrhundert spiegelt die Kritik weitgehend das Interesse der neuen Nation an ihrer Identität und der Begriffsbestimmung einer nationalen Literatur wider. In den Vereinigten Staaten stellte sich das Problem der Nationalität in einer besonderen Art, die sich kaum mit der anderer Völker vergleichen läßt. Hier war eine neue Nation entstanden, die dieselbe Sprache wie ihr Mutterland sprach, sich aber im Zwist von ihm losgesagt hatte. Hier war eine Nation, im Gegensatz zu Europa eine Republik, eine freie Demokratie, die die Klassenunterschiede und die Hierarchie einer älteren Zivilisation nicht akzeptieren konnte. Und hier war auch eine Gesellschaft, die hart um ihre materielle Existenz kämpfen mußte. Die Pflege der Literatur, besonders der Poesie und der schönen Literatur, mußte dauernd gegen moralistische und utilitaristische Vorurteile des Publikums in Schutz genommen werden. Die Vereinigten Staaten besaßen keine von den Quellen, aus denen sich die Nationalliteraturen des Kontinents vorwiegend speisten: keine lange, romantische Geschichte, keine Volksdichtung, keine malerischen Städte. Uns gehört, wie Hawthorne zugeben sollte, »ein Land, wo es kein Dunkel gibt, kein Altertum, kein Geheimnis, weder ein malerisches und düsteres Unrecht, noch irgendetwas außer einem gewöhnlichen Glück in hellem und klarem Tageslicht.«1 Diese Verhältnisse erklären einige der hervorstechendsten Merkmale der frühen amerikanischen Kritik. Die höchst selbstbewußte Haltung gegenüber England beruhte zum Teil auf dem Wunsch des Provinzlers, Intelligenz und Talent zu zeigen, um dem Spott eines Sydney Smith zu begegnen, der im Jahre 1820 fragte, ob wohl irgendjemand »in den vier Himmelsrichtungen des Erdballs ein ameri-

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kanisches Buch liest.«2 Zur gleichen Zeit entdeckte ein trotziger Optimismus auf Schritt und Tritt amerikanische Genies oder hegte zuversichtliche Hoffnungen für die Zukunft, wenn Freiheit, Gleichheit und die Ausbreitung der Demokratie das literarische Jahrtausend einläuten würden. Besonders nacl ¿815 wendeten sich die Amerikaner dem Kontinent und als Reaktion auf I re Abhängigkeit von England vor allem Deutschland zu. Größte Bedeutung gewann in der Literaturkritik der Einfluß von Ideen der deutschen Romantik, Schellings, A. W . Schlegels und der ganzen Schule des deutschen Historismus, besonders auch seit verwandte Vorstellungen aus britischen Quellen kamen, von Coleridge und Carlyle, oder von französischen Vermittlern wie Cousin. William E. Channing beklagte sich in seinem hochtrabenden Vortrag über »The Importance and Means of a National Literature« (1830) darüber, daß »unsere Lektüre zu sehr auf englische Bücher begrenzt ist« und daß wir »vertraut werden« sollten mit der Literatur des europäischen Kontinents.3 Longfellow prophezeihte im Jahre 1849, daß »so wie das Blut aller Nationen mit unserem eigenen vermischt ist, auch ihre Gedanken und Empfindungen sich schließlich in unserer Literatur vereinigen werden. Von den Deutcshen werden wir die Zartheit erwerben, von den Spaniern Leidenschaft, von den Franzosen Lebhaftigkeit, und diese Eigenschaften werden sichimmer mehr mit unserem englischen gesunden Menschenverstand vermischen. Und das wird uns die Universalität verleihen, die so sehr zu wünschen ist.«4 Wir mögen über die Einfalt von Longfellows Rezept lächeln, sollten aber erkennen, daß etwas von dieser Universalität das bedeutende Merkmal der amerikanischen Literaturkritik in dem dann folgenden Jahrhundert wurde. Die amerikanische Kritik ist eng mit der des Kontinents verknüpft geblieben, ohne ihre Bindungen an England verloren zu haben. Der günstige Ausgangspunkt jenseits des Ozeans hat es ihr leicht gemacht, so etwas wie eine Synthese der europäischen Literaturkritik zu werden, befreit wenigstens von den besonderen Beschränkungen der hauptsächlichen nationalen Traditionen. In dieser frühen Periode greift man auf der Suche nach nationaler Eigenart eher auf einfachere Hilfsmittel zurück, auf die Forderung nach amerikanischen Stoffen und einheimischem Milieu, auf der Betonung der einzigartigen Inspiration durch die amerikanische Landschaft, auf den amerikanischen Indianer und seine Traditionen, auf die jüngste amerikanische Vergangenheit — den Unabhängigkeitskrieg und die düsteren Legenden Neuenglands, die der beste amerikanische Schriftsteller der Zeit, Hawthorne, heranziehen sollte. Die Diskussion über die amerikanische Nationalliteratur war von großer lokaler Bedeutung, braucht aber kaum in einer allgemeinen Geschichte der Literaturkritik berücksichtigt zu werden. Das gleiche gilt für die im engeren Sinne literarischen Theorien der Zeit vor dem Auftreten Poes und Emersons etwa um 1836. Als Theorien sind sie von geringer Bedeutung weil sie die betreffenden britischen Entwicklungen wiederholen. Im 18. Jahrhundert gab es so etwas wie einen amerikanischen Neoklassizismus,

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— das heißt, Schriftsteller machten sich die englische Orthodoxie mit Pope oder Johnson an der Spitze zu eigen. Es existierte auch so etwas wie eine amerikanische Frühromantik in der Literaturkritik; die schottischen Kritiker Kames, Blair und Alison, deren Bücher in amerikanischen Schulen benutzt und mit erstaunlicher Häufigkeit nachgedruckt wurden, beherrschten die Szene, bevor sie der neue englische romantische Geschmack aus der Mode brachte. 5 Man kann den neuen Shakespeare-Kult verfolgen, das wachsende Ansehen Wordsworths, Coleridges, Byrons, Scotts und später Shelleys und Keats nachzeichnen, und man kann das Echo ihrer literarischen Ideen bei vielen Schriftstellern studieren. Der Dichter William Cullen Bryant wiederholte in wohl ausformulierten Vorlesungen über die Dichtung« alle Hauptgedanken der romantischen Theorie. Die Dichtung sei keine nachahmende Kunst, sondern »suggestiv«; sie wende sich an die Imagination, doch wichtiger noch sei ihre »mächtige Quelle«, das Gefühl. Die Dichtung unterscheide sich von der Beredsamkeit in nichts außer in ihrer metrischen Form und die Poesie sei natürlich auch nicht v o n der Sittlichkeit getrennt. Die Dichtung »gibt unmittelbaren Unterricht in Weisheit 7 «, sie trage zu dem Glück der Menschheit bei, indem sie uns anhalte, unsere Mitmenschen zu lieben, die menschliche Herrlichkeit und die Herrlichkeiten und Wunder der Natur zu lieben. Es ist unnötig, die Quellen dieser ehrwürdigen Allgemeinplätze aufzuzeigen. Sie wurden immer wieder neu formuliert — v o n Longfellow zum Beispiel in einer blumigen und überschwenglichen Rezension von Sidneys Defence ofPoetryß Poetik bedeutete »Verteidigung der Poesie« und in einer puritanischen Handelsgesellschaft mußte sie es sein. Die ästhetische Theorie und der literarische Geschmack blieben notwendigerweise epigonal. Dieselben Vorstellungen konnte man in all den Zeitschriften der Zeit finden — mit verschiedenen Schwerpunkten, in verschiedenen Zusammenhängen, aber ohne wesentliche neue Unterschiede.

E D G A R A L L A N P O E (1809—1849)

Es könnte leicht gezeigt werden, daß Edgar Allan Poe ein Rezensent war, der den Geschmack seiner Zeit widerspiegelte und die Methoden und Ausdrucksformen der zeitgenössischen britischen Zeitschriften und ihrer amerikanischen Gegenstücke benutzte. Das Bild von Poes intellektueller Einsamkeit inmitten einer kommerziellen Zivilisation, das in Europa vor allem v o n Baudelaires starkaufgetragenen Aufsätzen verbreitet wurde, wird von Poes rasender und erfolgreicher Aktivität als literarischer Journalist Lügen gestraft, der sich den Forderungen seines Publikums und den Konventionen seines Berufes unterwarf. Er »reißt« seine Gegner in sarkastischen »Hinrichtungen« herunter oder er lobt und verherrlicht »schöne Autorinnen«. So vergleicht er ernsthaft Mrs. Osgood mit Mrs. Norton oder

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Miss Talley mit Mrs. Welby. 1 Er äußert seine Bewunderung für die Herrlichkeiten seiner eigenen Zeit im Vergleich mit der Vergangehneit. »Dies ist entschieden das denkende Zeitalter; — in der Tat, man mag ohne weiteres fragen, ob die Menschheit jemals zuvor wahrhaft gedacht hat.«2 Die griechische Tragödie setzt er auf Grund ihrer »Oberflächlichkeit und Plumpheit«3 herab und spricht von dem »dramatischen Unvermögen der Alten«.4 Er hält die älteren englischen Dichter für überschätzt5 und erklärt uns, »für einen Fouque gebe es fünfzig Molieres«.6 Auch glaubt er, historische Gelehrsamkeit ausbreiten zu müssen, obwohl diese oft aus zweiter Hand stammt und ungenau ist.7 Poe bewundert Dichter wie Tennyson, »den edelsten Dichter, der je lebte«,8 Elizabeth Barrett Browning, Thomas Moore, Thomas Hood — und R . H. Hörne wegen seines Orion, einem Werk, das nie übertroffen oder selbst eingeholt worden sei »in allem, was die höchsten und heiligsten Eigenschaften wahrer Poesie betrifft.«9 Er bewundert Romanschriftsteller wie Dickens, Godwin, Bulwer und Disraeli. Carlyle und Hugo verabscheut er als »Esel«,10 Emerson als einen »Mystiker um des Mystizismus willen.« 11 Cooper liebt er ebenso wenig, verfolgt Longfellow wegen angeblicher Plagiate, wendet sich scharf gegen Lowell, der ihn verspottet hatte, und fordert, daß »kein Südstaatler je einen Band dieses Autors berühren sollte«, weil Lowell ein Gegner der Sklaverei sei.12 Obwohl sich Poe bei seinen Rezensionen oft wiederholt, obwohl er oft voreingenommen, sentimental oder einfach langweilig ist, bleiben seine häufige Treffsicherheit und sein gelegentlich vortreffliches Empfindungsvermögen unbestritten. Er kann stolz daraufsein, daß er sich für Hawthornes frühe Erzählungen einsetzte, obwohl seine Bewunderung nicht ungetrübt ist — er beschuldigt Hawthorne des geistigen Diebstahls bei Tieck, 13 findet an seinen Allegorien keinen Geschmack und kritisiert seine Eintönigkeit. Die Besprechung von Dickens' Barnaby Rudge14 verdient es, gelobt zu werden, nicht, weil Poe den Mörder im voraus ermittelte, sondern wegen seiner klaren Analyse der Handlung und der Gestalten mit den Maßstäben der Wahrscheinlichkeit und des inneren Zusammenhanges. Ebenfalls hat sich seine Dramenkritik für ihre Zeit einige Verdienste erworben: zeitgenössische Schauspiele werden hauptsächlich wegen ihres »Mangels an Wahrscheinlichkeit«,15 ihrer absurden Bühnenpraxis und ihres unzulänglichen Aufbaus angegriffen. 16 Selbst seine soviel regellosere Kritik der Poesie enthält scharfsinnige Analysen von Bildlichkeit, Reim und Stil. Im ganzen beurteilt Poe den literarischen Nationalismus sehr einsichtig. Obwohl ein guter Patriot, erkennt er, daß »wir uns täglich in dem widersinnigen Dilemma befanden, ein einfältiges Buch höher zu schätzen oder vorzugeben, es zu mögen, weil allerdings seine Dummheit von unserem eigenen Wuchs war und unsere eigenen Angelegenheiten erörterte.«17 Verdienstvoll ist ebenfalls seine häufige Bekräftigung der hohen Funktion der Literaturkritik und besonders der Nachdruck, den er auf ihre kritische Funktion legt. Dennoch schwankt Poe, ob er die Kritik eine Wissenschaft oder eine Kunst nennen soll. 19 Die Literaturkritik erfordere insofern Kunst, als jeder Essay ein

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Kunstwerk sein sollte, aber sie sei auch »eine Kunst, die unerschütterlich in der Natur gründet«,20 auf Prinzipien beruhe und sich daher der »Wissenschaft« nähere. Was auch immer die Verdienste dieser gewaltigen Aktivität in ihrer Zeit und an ihrem Ort gewesen sein mögen (258 Artikel zählt die Virginia Edition), sie würden Poe nicht den Anspruch einräumen, in einer internationalen Geschichte der Literaturkritik einen Platz einzunehmen. Aber dieser Anspruch ist gerechtfertigt und kann durch den Verweis auf zwei Essays bestätigt werden, auf »The Philosophy of Composition« (1846) und »The Poetic Principle« (1848, veröffentlicht 1850). Bekräftigt wird er ferner durch Eintragungen in den »Marginalia« und durch verstreute Bemerkungen in den Buchbesprechungen. Von dem Standort unserer Zeit aus gesehen und besonders durch die Augen der französischen Symbolisten erscheint Poe als der Initiator von Theorien, die in sich selbst nicht originell und auch als ein zusammenhängendes kritisches System unhaltbar sein mögen, die aber den Vorzug besitzen, auf die wichtigsten Leitmotive eines viel späteren Denkens über die Dichtung vorauszudeuten. Poe formuliert wiederholt so scharf die Idee von der Autonomie der Kunst, daß er der ganzen Doktrin des l'art pour l'art nahekommt. In der Praxis bekämpfte er die tyrannische didaktische Theorie seiner Zeit und seines Landes. Er prägte die berühmte Wendung von »der Ketzerei des Didaktischen«21 und hielt es für einzig richtig und angemessen, »ein Gedicht ausschließlich um des Gedichtes willen zu schreiben«.22 Er bezweifelte, daß der allerletzte Zweck der Dichtung die Wahrheit sei und behauptete, es gebe »radikale und abgrundtiefe Unterschiede zwischen der wahren und der poetischen Weise, etwas einzuprägen«. Es sei so unmöglich, »die Poesie mit der Wahrheit zu versöhnen wie das widerspenstige Öl mit dem Wasser.«2* Es überrascht mehr, wenn Poe den Unterschied zwischen Dichtung und Leidenschaft hervorhebt. Einesteils bedeutet das nicht mehr, als daß er an Wordsworths »Erinnerung in der Stille« anknüpft mit der Bedeutung, daß zum Beispiel Schmerz »gemäßigt« werden oder, wie wir sagen würden, man sich von ihm distanzieren müsse, bevor er poetisches Material werden könne. Und auf der anderen Seite heißt das aber auch, daß »die Poesie, indem sie emporhebt, die Seele beruhigt. Mit dem Herzen hat sie nichts zu tun.«24 Die Poesie sei geistig, nicht leidenschaftlich — und auch nicht erotisch. Auch ahme die Poesie natürlich nicht die äußere Welt nach, allenfalls sei sie »die Nachbildung dessen, was die Sinne in der Natur durch den Schleier der Seele wahrnehmen.«^ Daher hänge die Dichtung nicht von der Gesellschaft ab: »Der Dichter in Arkadien, in Kamschatka ist immer noch der Dichter... irgendwelche gesellschaftlichen oder politischen, moralischen oder physikalischen Bedingungen können nicht mehr tun als für einen Augenblick lediglich die Triebe unterdrücken, die in unserer eigenen Brust so heftig glühen wie in der unserer Vorfahren.«26 So weit scheint in ihrer Ausschließlichkeit diese Abgrenzung des Bereichs der Poesie ganz in der wenn auch durch Coleridge, A. W. Schlegel und andere

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vermittelten Tradition Kants und seiner Kritik der Urteilskraft zu stehen. Doch wird Poes Begriff von der Autonomie der Kunst in der Praxis beträchtlich modifiziert und abgeschwächt. Obwohl er die didaktische Poesie verurteilt und Longfellow beharrlich wegen seiner moralistischen Balladenschlüsse kritisiert, hat er nichts gegen eine »didaktische Lehre« als »die verborgene Tendenz eines poetischen Themas«27 einzuwenden und gesteht der Poesie zu, »die Tugend darzustellen — nicht aber sie zu erörtern und zu predigen.«28 Wenn er über das Drama schreibt, widerholt er seine Einwände gegen eine offen didaktische Absicht. »Die Vermittlung dessen, was absurderweise ,eine Moral' genannt wird . . . sollte dem Essayisten und dem Prediger überlassen bleiben. Es liegt nicht in der Macht irgendwelcher Fiktion, irgendeine Wahrheit einzuprägen.« Bereitwillig konzediert er jedoch einen Maßstab der Lebenswahrheit. »Wahrhaftigkeit, die unerläßliche Wahrhaftigkeit des Dramas bezieht sich nur auf die Treue, mit der es die Natur schildern soll . . . das Drama mit einem Wort, muß wahrhaftig sein, ohne das Wahre zu vermitteln.«29 So läßt Poe Wahrheit und Moral wieder zu, wenn auch in einer untergeordneten Position und offensichtlich nur in Bezug auf zwei Gattungen der Literatur, Drama und Roman, die seiner Meinung nach der Poesie gerade wegen ihres nachahmenden Charakters unterlegen seien. Obwohl Poe dagegen protestiert, die Kunst utilitaristischen Kriterien zu unterwerfen, sieht er ohne Zweifel die gesellschaftliche Funktion der Kunst ein und verherrlicht sie sogar. Der Geschmack tritt bei Poe in guter Kantischer Weise zwischen Vernunft und Sittlichkeit, in »enger Verbindung mit beiden Extremen . . . das Laster nur wegen seiner Häßlichkeit bekämpfend — wegen seines Mangels an Proportion — seiner Abwehr des Schicklichen, des Angemessenen, des Harmonischen — mit einem Wort, des Schönen.«}® In seiner bemerkenswerten Schrift »Colloquy of Monos and Una« (1841), in der er den Triumph des Intellektualismus, der Demokratie und des Industrialismus als ein letztes schreckliches Stadium vor der Zerstörung der Erde beschwört, betrachtet er die Perversion des Geschmacks als das letzte Greuel. »Denn wahrlich in diesem entscheidenden Krisenaugenblick war es allein der Geschmack — jene Fähigkeit, welche eine Mittel- und Mittlerposition zwischen dem reinen Intellekt und dem moralischen Empfinden innehat und niemals ungestraft mißachtet werden konnte — in diesem Augenblick war es einzig und allein der Geschmack, der uns sanft hätte zurückführen können zu Schönheit, Natur und Leben.«31 Diese an Schillers ästhetische Erziehung erinnernde ästhetische Rettung des Menschen stellt eine Gelegenheit dar, die selbst in einem phantastischen Traum mit Bedauern verpaßt wird. Meist erklärt Poe die Idee des Schönen, der »überirdischen« Schönheit als Ziel und Zentrum der Kunst. Sein Begriff des Schönen ist nicht wie einige Äußerungen nahezulegen scheinen völlig von Erkenntnis getrennt. Seine Beziehung auf Harmonie, auf mathematische Proportionen, auf das Ideal oder die Idealität weist ihn als neoplatonisch aus.32 Er nimmt aber eine romantische Färbung an durch die nachdrückliche Betonung, daß Schönheit unbestimmt sei, vielsagend und fremd,

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traurig oder melancholisch, aber auch »überirdisch«, »ätherisch« und »mystisch«. Es gebe im Menschen einen »unvergänglichen Naturtrieb«, einen unstillbaren Durst, der zu seiner Unsterblichkeit gehöre. Es ist das Verlagen des Nachtfalters nach den Sternen. Keine bloße Würdigung der Schönheit vor uns — sondern eine ungestüme Anstrengung, die Schönheit über uns zu erreichen. Inspiriert von einer ekstatischen Ahnung der Herrlichkeiten jenseits des Grabes mühen wir uns mit den vielfältigen Kombinationen unter den Dingen und Gedanken der Zeit ab, einen Teil jener lieblichen Schönheit zu erlangen, deren Elemente vielleicht gerade allein der Ewigkeit angehören. Und wenn wir uns also unter dem Einfluß der Poesie — oder der Musik, der überwältigendsten aller poetischen Stimmungen — in Tränen aufgelöst finden — so weinen wir dann — nicht wie der Abbate Gravina meint — aus übermäßiger Freude, sondern aus einem gewissen ungeduldigen, unduldsamen Schmerz über unsere Unfähigkeit, jetzt, gänzlich, hier auf Erden und für immer jener göttlichen, leidenschaftlichen Freuden teilhaftig zu werden, von denen wir durch das Gedicht oder durch die Musik nur einen flüchtigen und unbestimmten Schimmer erhaschen.33 Poes strengster Kritiker, Yvor Winters, beschwert sich darüber, daß Poe »uns aller Gegenstände beraubt und die Poesie von ihrer traditionellen Position als Akt vollkommenen Begreifens auf ein Position der Trivilität herabwürdigt.«34 Aber Poe kennt nichts Triviales oder selbst Spielerisches in diesem Begriff der Schönheit: wie beschränkt er in seiner Ausschließlichkeit auch immer sein mag, so hält er zweifellos den metaphysischen Anspruch auf einen Schimmer der höchsten Wahrheit fest. In einem ähnlichen Zusammenhang und durchaus nicht zufällig zitiert Poe Shelleys platonische »Hymn to Intellectual Beauty«35 und verweist auf ihre »schreckliche Schönheit«. Er behauptet, daß »die Anstrengung, die himmlische Schönheit zu erfassen, der Welt alles das gegeben hat, was ihr [der Welt] je ermöglicht hat, zugleich poetisch zu begreifen und zu empfinden,«36 Doch offenbar besaß Poe kein großes Verständnis für Metaphysik. Die Empfänglichkeit für den »ungeduldigen, unduldsamen Schmerz« deutet auf ein bloßes Gefühl für das Geheimnis hinter dem Universum, verbunden mit der Überzeugung von seiner Unerforschlichkeit. Seine Hoffnungen auf Unsterblichkeit beruhen auf der Theorie eines kosmischen Fortschritts, der Wiedergeburt auf einem anderen Planeten.37 Poe, im Grunde ein Agnostiker, versuchte auf Resten von Religiosität eine Ästhetik zu begründen. Überdies bedeuten Schönheit und Poesie bei Poe oft etwas höchst Alltägliches — das bloße Gefühl von Traurigkeit, den Gedanken an den Tod oder die Sehnsucht nach Liebe. Der Katalog schöner Gegenstände in »The Poetic Principle« gibt zum Teil eine Aufzählung von natürlichen Schönheiten und zum Teil eine Liste von 10

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ethischen Werten: »alle edlen Gedanken — alle uneigenützigen Motive — alle heiligen Impulse — alle ritterlichen, großmütigen und aufopferungsvollen Taten.« Das schließt auch die körperliche wie auch die geistige Schönheit der Frauen ein: sowohl »die Harmonie im Rascheln ihrer Kleider« als auch ihre »milden Wohltaten, ihre sanfte und fromme Geduld, die Treue, Reinheit und Stärke, die ganze göttliche Majestät ihrer Liebe.«38 Die sentimentale Rhetorik dieser Passage wird in »The Philosophy of Composition« ergänzt durch die Versicherungen, daß »die Schönheit in ihren höchsten Formen die empfindsame Seele stets zu Tränen reizt«39 und daß »der Tod einer schönen Frau zweifellos das poetischste Thema der Welt ist.«40 In der Praxis geht Poes Auffassung von der höchsten Poesie viel weiter; ein Katalog »vorbildlicher« Dichtung nennt Aeschylos' Gefesselten Prometheus, Dantes Inferno, Cervantes' Numancia41, Miltons Comus, Coleridges drei große Gedichte, Keats' Ode to a Nightingale und ganz besonders Shelleys The Sensitive Plant und De La Motte Fouques Undine.42 Dieser Katalog erscheint an anderer Stelle ohne Undine und um Rape of the Lock und Tarn o'Shanter vermehrt. 43 Dieser Autorenkatalog ist bunt und widerspruchsvoll genug, um eine Reduktion der Dichtung auf nur einen Gegenstand oder selbst eine Gefühlslage auszuschließen, und sie stimmt nicht einmal überein mit Poes üblichem Insistieren auf der Identität von Lied und Dichtung oder ihrer Affinität zur Musik. Bei Poe bedeutet »Musik« häufig nicht mehr als musikalische, wohlklingende oder sogar singbare Verse, also die Einheit von Musik und Poesie, die er an Thomas Moores Gewohnheit, seine eigenen Lieder zu singen, bewunderte.44 Aber ebenso oft bedeutet »Musik« eine Variation über das »mystische«, »überirdische« Thema. In einem Brief erklärte er: »Ich werde tief erregt von Musik und von einigen Gedichten, besonders von denen Tennysons — den ich zusammen mit Keats, Shelley, Coleridge (gelegentlich) und ein paar anderen von ähnlichem Inhalt und Ausdruck als die einzig wahren Dichter ansehe. Musik ist Vollendung der Seele oder Idee der Poesie. Das Unbestimmte der Begeisterung, die von einer lieblichen Melodie erregt wird (sie sollte ganz unbestimmt sein und nie von zu starker Suggestivkraft) ist genau das, wonach wir in der Dichtung streben sollten.«4' Poe meint nichts in musikalischen oder metrischen Begriffen Definierbares, sondern gebraucht nur einen neuen Ausdruck für ein mystisches Verlangen, das, sofern überhaupt möglich, nur erfüllt werden kann durch »die Klänge, einer irdischen Harfe entlockt, die den Engeln nicht fremd gewesen sein können.«46 Diese Wesen, so merken wir, sind sogar noch fragwürdiger als Rilkes Engel. So besitzt Poe durchaus nicht etwa einen symbolistischen Begriff von Dichtung. Da er sogar der Metapher und dem Vergleich mißtraut, kann er keine Vorstellung von Entsprechung oder Analogie haben, kein Verständnis für das poetische Symbol. 47 Die Poesie gewährt uns nur einen flüchtigen Blick auf etwas Jenseitiges, Ideales, Überirdisches, Übernatürliches. Die Analyse von Poes Begriff der Einbildungskraft und der Natur des schöpferischen Prozesses bestätigt diese Schlußfolgerung. Die Einbildungskraft ist für Poe

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nicht schöpferisch. Obwohl er von Neuartigkeit und Originalität als ihren notwendigen Bedingungen spricht, ist die Einbildungskraft bei ihm immer nur eine kombinatorische Fähigkeit. Allenfalls bedeutet sie für ihn ein Intuitionsvermögen im dem Sinne, daß daß sie die mühevollen Schritte von Induktion und Deduktion überspringt.48 Obwohl die Einbildungskraft »unter den geistigen Fähigkeiten am höchsten« stehe und uns »unmittelbar an die Grenze der großen Geheimnisse« führe 49 — wie ja auch die Poesie —, sei sie immer noch durchaus unschöpferisch, kombinatorisch. Sehr früh einmal (1836) bezog sich Poe auf die Theorie, die Coleridge von Schelling übernommen und als produktive und reproduktive Imagination formuliert hatte: »Die Einbildungskraft ist beim Menschen möglicherweise in geringerem Maße eine schöpferische Kraft als in Gott.« Aber Poe interpretiert das sofort im vor-Kantischen Sinne, wenn er sich auf einen preußischen encyclopédiste des 18. Jahrhunderts, auf den Baron von Bielfeld, beruft. 50 »Was sich die Gottheit vorstellt ist, aber es war vorher nicht. Was sich der Mensch vorstellt ist, aber es war auch. Der menschliche Geist kann sich nicht vorstellen, was nicht ist.«51 Poes spätere, ausführlichste Diskussion der Einbildungskraft dreht sich um diesen einen Gedanken von Kombination und Wahl. »Die reine Einbildungskraft wählt aus dem Schönen und aus dem Häßlichen nur das, was sich am besten zur Kombination eignet und bisher noch nicht kombiniert wurde. Das Zusammengesetzte als ein Allgemeines hat (seinem Charakter gemäß) teil an dem Erhabenen oder Schönen, in dem Verhältnis des jeweils Erhabenen oder Schönen der einzelnen kombinierten Dinge — die man für sich genommen immer noch als vereinzelt ansehen muß — das heißt in dem der Kombination vorhergehenden Zustand.« Es ist unbestreitbar, daß Poe dann seinem beharrlichen Festhalten am Atomismus widersprach, als er chemische Verbindungen zugab, von denen das Resultat »nichts von der Eigenschaft eines Einzelteils oder sogar nichts von den Eigenschaften beider« besitze.52 Aber weder physikalische noch chemische Zusammensetzungen seien wahre Schöpfungen. So ist es nur konsequent, wenn Poe auch Coleridges Unterscheidung zwischen Imagination und Phantasie verwirft und sie »eine Unterscheidung ohne einen Unterschied [nennt] — ohne einen Gradunterschied. Die Phantasie ist nahezu so schöpferisch wie die Imagination und keine von beiden ist es überhaupt. Neue Vorstellungen sind nichts anderes als ungewöhnliche Kombinationen.«53 Unbestreitbar ist auch, daß Poe selber gelegentlich in seiner Literaturkritik die Unterscheidung zwischen Imagination und Phantasie benutzt. So zeige Joseph Rodman Drakes »Culprit Fay« lediglich »Phantasie, die Fähigkeit des Vergleichs«, bloße Erfindungsgabe. 54 Und an anderer Stelle unterscheidet Poe sogar auf vierfache Weise zwischen der Imagination, die »sogar aus häßlichen Gestalten jene Schönheit verfertigt [wieder ein mechanistischer Ausdruck], die gleichzeitig ihr allgemeiner Gegenstand und notwendiger Prüfstein ist«; der Phantasie, die ein untergründiges Element des Unerwarteten einbringe, einer glücklich überwundenen Schwierigkeit; der Phantasie, die durch Aufhebung jeglichen Ebenmaßes 10"

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gekennzeichnet sei und dem Humor, der »nicht übereinstimmende oder antagonistische Elemente« ausfindig mache.55 Aber wie unentschieden auch immer Poes Terminologie sein mag, er ist — entgegen der allgemeinen Überzeugung der amerikanischen Poe-Forschung — kein Nachfolger Coleridges oder A . W . Schlegels. Zweifellos hatte er sie gelesen und von ihren Ideen profitiert,56 aber er lehnte die dialektische und symbolistische Uberzeugung der Romantik ab und blieb ein Rationalist des 18. Jahrhunderts mit okkulten Neigungen. Eine Untersuchung von Eureka, Poes kosmologischem Prosagedicht, führt zu den gleichen Ergebnissen. Poe übernimmt die Vorstellung der Newton-Laplaceschen Welt-Maschine, verwechselt aber grob Schwerkraft und Liebe und schreibt, Gott existiere »nur in der diffusen Materie und im Geist des Universums«.57 Da für Poe die Einbildungskraft nur kombinatorisch ist, macht ihm die Unterscheidung zwischen wissenschaftlicher Spekulation und imaginativer Einsicht Schwierigkeiten. Obwohl Poe im Hinblick auf das Verhältnis von Spekulation und Imagination zu verschiedenen Zeiten verschiedene Standpunkte einnimmt,58 so gelangt er doch zu der Auffassung, daß »wahre Einbildungskraft immer analytisch ist«59 und verwirft das alte Dogma, »daß die mathematischen Fähigkeiten dem Ideal entgegenstehen.« »Die höchste Ordnung des imaginativen Intellekts ist immer eine höchst mathematische, und umgekehrt.«60 So insistiert Poe auf dem Anteil des Intellekts am schöpferischen Prozeß und unter Intellekt versteht er kombinatorisches Vermögen. »Man kann keinen größeren Fehler machen als vorauszusetzen, daß die wahre Originalität eine bloße Sache von Impuls oder Inspiration sei. Schöpferisch sein bedeutet sorgfältig, geduldig und mit Verstand kombinieren.«61 Urteilskraft und Vernunft, jedem rechten Klassizismus immanent, erhalten bei Poe eine andere Zielsetzung und dienen der Verteidigung von technischer Verfertigung und berechneter Erfindung. In der »Philosophy of Composition« macht es sich Poe zur Aufgabe, den Entstehungsprozeß seines Gedichts »The Raven« zu beschreiben, um zu zeigen, daß »keine Einzelheit dieses Gedichtes sich aus Zufall oder Intuition ergeben hat — daß das Werk Schritt für Schritt bis zum Abschluß mit der Präzision und strengen Folgerichtigkeit einer mathematischen Berechnung entstanden ist.«62 Darauf folgt die berühmte Deduktion des dichterischen Prozesses: der Entschluß, Schönheit zu wählen, dann Melancholie als »die rechtmäßigste aller poetischen Stimmungen«, dann den Refrain »Nevermore«, daran anschließend die Vorstellung von einem Vogel, der den Refrain wiederholt, dann die Wahl eines Raben gefolgt von dem Argument, daß der Tod einer schönen Frau das poetischste Thema der Welt sei, darauf die Entscheidung, das Gedicht in eine Reihe von Fragen aufzulösen, die von einem Liebenden an den Raben gestellt werden, dann die Wahl der Strophe (Poe prahlt mit ihrer noch nie dagewesenen Originalität, obwohl er das Schema Chivers verdankte), danach die Entscheidung für ein Zimmer als Schauplatz, für den Sturm draußen, für den Kontrast zwischen der weißen PallasBüste und dem schwarzen Raben, usw. Selbst Baudelaire, der Poes Essay zitierte,

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als wäre er sein eigener, fragte: »Stellte er sich mit einer seltsamen, amüsanten Eitelkeit als sehr viel inspirationsloser dar, als er es von Natur aus war? Setzte er seine Spontaneität herab, u m seinem freien Willen eine größere Anteil einräumen zu können? Ich neige zu dieser Annahme?« U n d Baudelaire wies darauf hin, daß »schließlich eine kleine Scharlatanerie dem Genie immer gestattet und ihm sogar eigen ist.«63 Zweifellos kann man die genaue Reihenfolge der Berechnung Poes nicht ernst nehmen. Die schrittweise Deduktion ist ein Kunststück a posteriori (wenn nicht gar ein Täuschungsmanöver), in seinem regellosen Wechsel vom Thema zur metrischen Form und wieder zurück psychologisch gänzlich unglaubwürdig und wird von der Tatsache widerlegt, daß Poe fünfzehn verschiedene Fassungen des Gedichts anfertigte. Aber die grundlegende Idee ist offensichtlich ernst gemeint, wie sehr Poe auch versuchte, seine Leser aus der Fassung zu bringen und dadurch ihren naiven Glauben an die Inspiration zu zerstören. Die subtile Darstellung des schöpferischen Prozesses zu Beginn des Essays kommt der Wahrheit sehr viel näher als die »Deduktion«: Die meisten Schriftsteller — vor allem die Dichter — lassen die Leute gern in dem Glauben, sie schrieben vermöge eines schönen Wahns — entrückter Intuition — sie schaudern förmlich bei dem Gedanken, das Publikum hinter die Kulissen blicken zu lassen, auf die Unsicherheit und Mühseligkeit des rohen Gedankens — auf die Grundideen, die sich erst im letzten Moment einstellten — die zahllosen Einfälle, die nie zur Reife einer vollen Einsicht gelangten — die ausgereiften Bilder, die verzweifelt verworfen wurden, weil sie sich nicht einpassen ließen — das vorsichtige Auswählen und Abweisen — das gequälte Wegstreichen und Einfügen — mit einem W o r t , auf Räder und Getriebe — auf Schnürboden — auf Kulissenleitern und Versenkungen — auf Hahnenfedern, rote Schminke und schwarze Schönheitspflaster die in neunundneunzig von hundert Fällen das Werkzeug des literarischen Histrionen darstellen.64 Die Elemente des Tastens, Experimentierens, der harten Arbeit, der Kunstfertigkeit, selbst der Schauspielerei, des Maskierens und Vorspiegeins benötigten dringend diese emphatische Stellungnahme, nachdem die Romantik sich vertrauensvoll dem Hauch der Inspiration überlassen hatte. Doch Schlußfolgerung, Kalkulation, schrittweise Deduktion sind eine andere Sache. Tatsächlich verfehlte Poe beständig die Methode, deren er sich brüstete; er erkannte nicht durch wirkliche Deduktion, daß ein Mensch in Maelzels Schachautomaten versteckt war, er löste das Geheimnis der Marie R o g e t nicht durch Deduktion und er konnte nur einfache Kryptogramme enträtseln.« Sein Gedicht »The Raven«, das viele Leser besonders in Frankreich und Rußland beeindruckt hat, muß als tour-de-force bezeichnet

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werden, eine virtuose Kunstübung, die in ihren Einzelheiten oft unecht und nachlässig erscheint. 66 Poes Ideal, auf Wirkung hin zu planen, entspricht im Grunde rhetorischer Auffassung, derzufolge der emotionalen, durch das Gedicht verursachten Erregung ästhetischer W e r t zuzusprechen sei. »Der W e r t des Gedichtes liegt in dieser erhebenden Erregung.« 67 Willkürlich und mit enger Begrenzung bestimmt Poe, daß eine einzige, reine, gleichförmige und einzigartige Wirkung erzielt werden müsse, die durch eine einzige Stimmung, einen einzigen emotionalen Grundton hervorgerufen werde. Damit erklärt sich seine berühmte Ablehnung des langen Gedichts und sein Eintreten für die Kurzgeschichte, die von nur einer Stimmung beherrscht werde und nur auf eine Wirkung gerichtet sei. Ein Gedicht müsse intensive Erregung bewirken, und Poe meint mit Erregung buchstäblich eine Anspannung der Nerven. Eine solche Erregung, bemerkt er, könne nur kurz und flüchtig sein, folglich »gibt es kein langes Gedicht«68 oder vielmehr ein »langes Gedicht ist in Wirklichkeit nur eine Abfolge von kurzen.« »Wenigstens die Hälfte von ,Paradise Lost' ist im Grunde Prosa.«69 Milton und Homer geben uns nur eine »Abfolge von kürzeren Gedichten«. »Aber die Zeit dieser künstlichen Anomalien [des Epos] ist vorbei.« 70 Poe bestimmt sogar hundert Zeilen als die richtige Länge eines Gedichtes und meint, es wäre notwendig, ein Gedicht oder eine Erzählung ohne Unterbrechung zu lesen,71 weil sonst die Illusion, der Zauber zerstört werde. Mit seinem beharrlichen Insistieren auf der Einheit der Wirkung und damit auf Kürze und Zielstrebigkeit hat Poe alle späteren Theorien der Short-Story beeinflußt. Den langen R o m a n tadelt er ebenso wie das lange Gedicht. »Da man einen R o m a n nicht ohne Unterbrechung lesen kann, muß der Vorteil der Totalität ungenutzt bleiben.« »Während der kurzen Zeit der Lektüre [einer kurzen Geschichte] befindet sich die Seele des Lesers unter der Kontrolle des Schriftstellers.«72 Der Verfasser einer Kurzgeschichte sollte »sich überlegt eine einzige bestimmte, von ihm beabsichtigte Wirkung auszudenken suchen.« Dann »erfindet [er] solche Begebenheiten — und kombiniert anschließend solche Ereignise, die ihm am besten helfen können, die vorgefaßte Wirkung zu erreichen.« 73 »Sein allererster Satz« sollte schon auf diese Wirkung abzielen. »Die ganze K o m position sollte kein W o r t enthalten, dessen Tendenz nicht direkt oder indirekt auf die eine vorher festgesetzte Absicht gerichtet ist.«74 Die Voraussetzungen dieser Theorie erscheinen jedoch höchst fragwürdig. Die Bedenken gegen das lange Gedicht und den R o m a n werden nur vor dem Hintergrund einer psychologischen Theorie plausibel, die die ästhetische Wirkung mehr von einer vorübergehenden Anspannung der Nerven abhängig macht als von der ruhigen Betrachtung einer möglicherweise ausgedehnten Wortstruktur. Psychologisch motiviert und erfolgreich gerechtfertigt werden könnte auch die ununterbrochene, Tage dauernde Versenkung, das Leben mit einem Kunstwerk. Das Beharren auf einer einzigen Grundstimmung beruht auf der Voraussetzung, die aus dem Neoklassizismus stammt, daß die Gattung rein gehalten werden

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müsse und zusammengesetzte oder gegensätzliche Stimmungen unkünstlerisch seien. Poes Begriff der Einheit ist zweifellos nicht organisch. Ein organischer Begriff schließt eine Versöhnung der Gegensätze, eine Vielheit in der Einheit ein, während Poes Begriff nur eine Einheit der Wirkung meint, die durch Kalkül erreicht wird. Es liegt so etwas wie poetische Gerechtigkeit in der Tatsache, daß Poe oft in Handbüchern zur Herstellung von Kurzgeschichten zitiert wird, die Rezepte für die verschiedenen Story-Typen — schlicht oder deftig, Detektivoder Abenteuer-story — liefern, die in populären amerikanischen Zeitschriften kursieren. Entgegen der üblichen Auffassung scheint Poe kein Verständnis für die organische Einheit aufzubringen. Er übernahm den Ausdruck »Einheit des Interesses« von A. W . Schlegel. Schlegel verdankte ihn de La Motte, einem französischen Kritiker des 18. Jahrhunderts, und wußte wohl, daß er einen ursprünglich auf die Psychologie des Publikums gemünzten Ausdruck in einen Strukturbegriff des Kunstwerks umdeutete.75 Poe greift auf die Vorstellung des 18. Jahrhunderts zurück, wonach diese Einheit eine des Eindrucks oder der Wirkung auf den Leser ist, nicht die unter den Gesetzen der Natur im Geist des Dichters gewachsene organische Einheit. Sie sei entweder Einheit des Tones — »Einklang«, wie Poe dem Ausdruck der Maler folgend gern sagt,76 oder sie sei einfach eine eng zusammenhängende, dicht verknüpfte Handlung, die auf ein dénouement hinweise. Die Handlung müsse den »unerläßlichen Eindruck des Kausalen und Folgerichtigen« vermitteln, 77 in so vollendeter Weise, daß — Poe schließt sich hier eng der Definition des Aristoteles an — »es unmöglich ist, eines ihrer Bestandteile ohne Schaden für das andere zu verändern.«78 Vollkommen wäre eine Handlung, die die Kausalität nicht zeige. »Wir sollten danach streben, Absichten oder Begebenheiten so zu ordnen, daß auch nicht in Bezug auf eine von ihnen deutlich wird, daß sie von irgendeiner anderen abhängt oder auf ihr irgend eine andere beruht.« Doch »in diesem Sinne«, räumt Poe ein, »ist die Vollendung der Handlung tatsächlich unerreichbar, — weil der Mensch der Konstrukteur ist. Die Handlungen Gottes sind vollkommen. Das Universum ist eine Handlung Gottes.«79 In dieser kühnen Metapher erscheint bei Poe vorübergehend die Idee des Organischen, aber wiederum behauptet er, der Mensch sei ein bloßer Konstrukteur kausaler Abfolgen und nicht etwa ein schöpferisches Wesen. Was die Handlung für die Prosaerzählung, das bedeute Rhythmus oder »Musik« für die Lyrik. Poesie sei »die rhythmische Schöpfung der Schönheit«.80 In dem umfangreichen Aufsatz — Poes längster literaturkritischer Arbeit — mit dem Titel »The Rationale of Verse« (1848) entwickelt er eine Prosodie, welche vom modernen Standpunkt aus gesehen sogar in elementaren Dingen seltsam verworren erscheint. Den englischen Versakzent verwirft er völlig und scheint auf eine elementare Singsang-Prosodie hinzuarbeiten, wie sie später von Sidney Lanier formuliert wurde. Poe verteidigt Verse, die sich monoton lesen lassen, gleiche Versfüße besitzen und dadurch den Eindruck eines Singsangs erwecken.

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So sei die von ihm erstrebte suggestive, mystische und beschwörende Wirkung zu erreichen. In der Praxis bevorzugt er ein regelmäßiges Metrum, schwierige, wenn auch unregelmäßige Strophenformen, Alliterationen, Binnenreime und onomatopoetische Erfindungen. 81 »Musik« für die Lyrik und »Handlung« für die kurze Erzählung sind die beiden Erfindungen, auf die er besonders stolz ist. Sie repräsentieren die beiden Seiten von Poes poetischer Theorie: okkult und mystisch auf der einen, planend und kalkulierend auf der anderen Seite. Seine merkwürdige Verbindung von Mystizismus und Mathematik, sentimentaler Sehnsucht und überlegter Wirkungsabsicht lieferte der Theorie des Symbolismus zwei bedeutende Leitmotive — Musikalität mit ihrer Suggestivkraft und Unbestimmtheit und bewußtes Künstlertum, kalkulierende Virtuosität. Okkultismus und Technologie sind die auf wunderliche Weise verknüpften Fäden, die in den Theorien der französischen Symbolisten sogar noch enger miteinander verwoben wurden. Glücklicherweise fügten sie noch anderes hinzu, das sich in den Begriffen Symbol und schöpferischer Einbildungskraft kristallisiert — Begriffe, die sogar schon zur Zeit Poes in den Vereinigten Staaten von Emerson und den Transzendentalisten wieder aufgegriffen wurden.

R A L P H W A L D O E M E R S O N (1803—1882)

Ralph Waldo Emerson vertritt eine höchst extreme symbolistische Dichtungstheorie. Bei ihm wird die Kunst völlig in eine monistische Weltanschauung einbezogen, in der sie als Chiffrensprache in fließenden, sich verwandelnden Formen die Substanz einer Natur enthüllt, die göttlich, gut und strahlend schön ist. Der Dichter wird als Genie und Prophet gepriesen. Seine Einbildungskraft die sich aus Inspiration und sogar Instinkt speise, überlasse sich in weiser Passivität den Einflüssen, die von der Weltseele ausgehen und schaffe so Werke von organischer, ausgeglichener, ebenmäßiger Schönheit, die die zentrale Idee des Universums widerspiegele und verkörpere. Emersons Theorie der Literatur erörtert weder Imitation noch Vergnügen, weder Leidenschaft noch Assoziation und nur nebenbei die Tragödie, das Epos, den Roman und andere Gattungen. In seiner Identifikation von Schönem, Wahrem und Gutem, von Vision und schöpferischem Akt mit dem Akt der Rezeption verschwinden solche Unterscheidungen. Eins aber bleibt unentbehrlich: das Gewebe sich verwandelnder Symbole, die Rhetorik der Metamorphosen, die von der Göttlichkeit der Natur und des Menschen zeuge. Dieses in hohem Maße geistige Ideal der Dichtung, scheinbar so entlegen und abstrakt, erlaubt es Emerson, für die Gleichheit aller Gegenstände, für Gleichzeitigkeit und für eine demokratische, amerikanische Kunst zu plädieren. Die christliche Idee der

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Gleichheit aller Menschen inspiriert seine Voraussage: »Amerika ist ein Gedicht für unsere Augen; seine weite Landschaft blendet die Einbildungskraft und es wird nicht lange aufsein Versmaß warten müssen.«1 Whitman empfand zu Recht, daß er Emersons R u f gefolgt war; und Emerson war der erste, der Leaves of Grass begrüßte als »das Großartigste an Witz und Weisheit, an dem Amerika bis heute mitgewirkt hat.«2 Emerson wurde oft der Inkonsequenz und Systemlosigkeit bezichtigt. Santayana behauptet sogar, er habe »überhaupt keine Doktrin gehabt«.3 Das Wort »närrisch« aufgreifend, läßt sich mit Emersons eigenen Worten antworten, »närrische Folgerichtigkeit ist der Kobold kleiner Geister.«4 Emerson bekannte sich zu »einem schwachen Mißtrauen gegen jede systematische Vollständigkeit, nach der Metaphysiker gewöhnlich streben.«5 Bescheiden konzedierte er sogar seine »Unfähigkeit, methodisch zu schreiben«, und entschuldigt sich für seine Unkenntnis in Bezug auf »die Bedeutung von Argumenten für irgendeinen Ausdruck eines Gedankens.«6 Die meisten Arbeiten über Emerson haben die lockere Gestaltung seiner Essays kritisiert, und Emerson schrieb in Briefen an Carlyle selber, daß alle Sätze in ihnen »sich immer abstoßende Partikel« seien und daß alles von ihm Geschriebene eher »einem Ziegelofen als einem Hause« gleiche.7 In betendem Tone schrieb er sogar: »Wenn Minerva mir ein Geschenk und eine freie Wahl anböte, ich würde sagen: gib mir Stetigkeit. Ich bin der Bruchstücke müde. Asmodis Kraft sei auch die meine, damit ich Garn spinne aus meinem Haufen Sand.«* Selbst zugegeben, das alles sei richtig, so würde man immer noch mit der Tatsache konfrontiert bleiben, daß Emerson, wenigstens in der Ästhetik und Literaturkritik, über eine eigene zusammenhängende Doktrin verfügt, die zwar, wie wir sehen werden, eine bedeutende Inkonsequenz aufweist, aber im ganzen eher dem Vorwurf der Monotonie, der Wiederholung und Starrheit ausgesetzt ist als dem eines wahllosen Eklektizismus. Man hat Emerson zu Recht vor allem als Tagebuchautor bezeichnet, der »zu sich selber predigt«.9 Sein Journal könnte beinahe sein einziges Werk genannt werden: es greift auf die Essays über und ergießt sich in sie. Emersons ausgeprägter Stil und seine entschiedene Persönlichkeit, seine Offenheit, Klarheit und Gelassenheit, seine manchmal sanfte Entrückung, aber auch sein konsequenter Blickwinkel schaffen die Voraussetzungen für entscheidende Einsichten und eine einheitliche Auffassung der Welt und damit auch der Kunst. Nichts beweist, daß Emersons Anschauungen über Kunst und Dichtung irgendeine wichtige Veränderung erfuhren, nachdem einmal sein grundlegender Standpunkt festgelegt war, nicht einmal soviel Veränderung, wie sie sich immerhin nachweisen läßt mit seiner Preisgabe des subjektiven Idealismus, dem allmählichen Verlust seiner frühen prophetischen Hoffnungen, seiner zunehmenden Konzentration auf Evolutionsprobleme der Naturwissenschaften und mit seiner schließlichen ergebenen Einsicht in eine »schöne Notwendigkeit«. 10 Die Essays über »Art and Criticism« (1859), über »Beauty« (1860) und über »Poetry and Imagina-

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tion« (1872) wiederholen im wesentlichen die Gedanken des »Beauty« iiberschriebenen Kapitels in dem ersten kleinen Buch mit dem Titel Nature (1836) oder der Essays über »Art« und »The Poet«, die wohl in den Jahren 1836 und 1841 verfaßt wurden. Die späten Essays stützen sich alle auf frühe Entwürfe und bilden zusammen mit vielen Eintragungen im Journal ein einziges Kaleidoskop, in dem die bunt gefärbten Sätze dauernd zu neuen, blendenden Mustern geformt werden. Doch die Glasstücke bleiben immer dieselben. Im Grunde hat Emerson eine neoplatonische Vorstellung vom Universum. Er nähert sich einem emanatistischen Pantheismus — doch für seine Zeit etwas modifiziert durch eine gewisse Leichtigkeit und imaginative Freiheit, die reinem Mystizismus und scholastischer Starrheit gleichermaßen entgegengesetzt sind. »Die Natur ist die Inkarnation eines Gedankens und verwandelt sich wieder in einen Gedanken zurück.« »Die Welt ist Geist, der sich niedergeschlagen hat.«11 Es gebe einen »universalen Geist«, der allen Menschen gemeinsam sei, von dem jeder Mensch eine andere Inkarnation.darstelle. Jedes Individuum habe durch Selbstaufgabe Zugang zu der »Überseele«, wodurch es zwar seine Individualität verliere, ihm aber dafür seine ursprüngliche Göttlichkeit wiedergegeben werde. Die Abstufung in der Natur reiche von dem geringsten Mineral bis hinauf zum universalen Geist, oder, innerhalb des Individuums, von tierischer Sinnescmpfindung bis zur prophetischen Vision. Die gesellschaftlichen Implikationen eines hierarchischen Schemas werden durch Emersons Betonung von Gleichheit und Ubiquität auf ein Mindestmaß beschränkt. Die Schönheit sei überall. »Gott ist der Allschöne, Wahrheit, Güte und Schönheit sind nur verschiedenen Ansichten desselben Ganzen.« Die Natur sei schön: »Maßstab der Schönheit ist der ganze Kreislauf der natürlichen Formen — die Totalität der Natur«, 12 und eine Form nach der anderen »deutet auf die Identität hin«.13 In dieser Skala spielt die Kunst nur eine geringe Rolle; die von Menschen hervorgebrachte Schönheit vermehre die Werke der Natur. Für Emerson ist ein Kunstwerk nicht nur analog zur Natur »organisch«, sondern genau »ein neues Werk der Natur wie jeder Mensch selber.«14 Er kann sagen, daß »Shakespeare seinen Hamlet schuf wie ein Vogel sein Nest baut« und daß »Tempel wachsen wie das Gras wächst«.15 An der Analogie zur Naturschöpfung hält Emerson beharrlich und übertreiben genau fest: »Denn es ist der Inhalt und nicht das von ihm abhängende Metrum, der ein Gedicht schaff — ein Gedanke, so leidenschaftlich und lebendig, daß er wie der Geist einer Pflanze oder eines Tieres ein eigenes Gefüge besitzt und die Natur mit einer neuen Gestalt ziert.«16 Diese neue Gestalt sei schön und wahr, weil sie »ein Auszug oder Abriß der Welt« sei, weil sie »diesen Glanz der Welt in einem Punkt konzentriert« und »einen einzigen Geganstand aus der verwirrenden Fülle herausgreift.« »So ist die Kunst eine Natur, die den Destillierkolben des Menschen durchlaufen hat.«17 Im allgemeinen aber ist sich Emerson bewußt, daß die Kunst einen besonderen Bereich darstellt. Sein Vers »das Schöne ist die eigene Rechtfertigung seines

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Daseins« bezieht sich auf den blühenden Rhodora in den Wäldern, aber Emerson unterscheidet auch theoretisch zwischen »dem Denken, [das] die Einheit in der Einheit zu erkennen sucht« und »der Dichtung, [die] sie durch die Mannigfaltigkeit zu zeigen [sucht]; das heißt, immer mit Hilfe eines Gegenstandes oder eines Symbols.«!' Theoretisch sieht Emerson sogar »die Gefahr des Didaktischen, die Dichtung zu töten«, doch im allgemeinen erklärt er vom hohen Niveau seiner Meditationen herab, daß »der wahre Philosoph und der wahre Dichter eins sind, und beide zielen auf eine Schönheit, die gleichzeitig Wahrheit und auf eine Wahrheit, die gleichzeitig Schönheit ist.«20 Wie auch der Philosoph und Seher, so »betrachtet der Dichter die zentrale Identität.« Die Poesie sei »ständiges Bemühen, den Geist eines Gegenstandes auszudrücken«, daher »ist sie, einmal vollendet, die einzige Wahrheit: die dem Wirklichen und nicht dem Scheinbaren entsprechende Sprache des Menschen.« Der Dichter »lüftet den Schleier und gewährt ihnen [den sterblichen Menschen] einen flüchtigen Einblick in die Gesetze des Universums.«22 In Wahrheit seien alle Künste identisch: »Raffael malt die Weisheit, Händel besingt sie, Phidias meißelt sie in Stein, Shakespeare schreibt sie, Wren baut sie, Columbus ersegelt sie, Luther predigt sie, Washington bewaffnet sie, Watt konstruiert sie. Die Malerie wurde .stumme Poesie' genannt und die Poesie ,sprechende Malerei'. Die Gesetze einer Kunst lassen sich in die Gesetze jeder anderen Kunst umsetzen.«2^ Aber aus Emersons Katalog, der einen Entdecker, einen General und einen Erfinder einschließt, wird deutlich, daß diese Gesetze nichts mit den Maßstäben der Literaturkritik zu tun haben, sondern vielmehr Gesetze darstellen, die allen großen, »repräsentativen« Menschen gemeinsam sind, Gesetze, die das Universum durchdringen. Emerson glaubt, daß die Natur, »der riesige Schatten des Menschen«,24 ein System von Symbolen sei, daß sogar die Menschen »Symbole [sind] und unter Symbolen leben«,25 daß anders ausgedrückt die Welt »emblematisch« sei und daß »die ganze Natur eine Metapher des menschlichen Geistes ist«.26 Die Analogie sei der Schlüssel zum Universum und Entsprechung liege »im Kern aller Dinge«. Die Natur sei ein Alphabet, das der Dichter entziffere. Aber anders als die Anhänger Swedenborgs, denen er viel verdankte, betont Emerson die »Zufälligkeit und Flüchtigkeit des Symbols«. In einem von Plotin stammenden Gleichnis vergleicht er den Dichter mit Lynkaeus, dessen Augen man nachsagte, sie könnten durch die Erde hindurchsehen. »Der Dichter verwandelt die Welt in Glas; er steht den Dingen einen Schritt näher und sieht das Fließende oder die Metamorphose.«27 Swedenborg und Böhme werden ausdrücklich kritisiert, weil sie »das Symbol als zu statisch und unveränderlich« auffassen, weil sie »es auf einen Sinn fixieren«, weil sie fälschlich »ein zufälliges und individuelles Symbol für ein universales« halten. Für Emerson sind alle Symbole »Fluxionen«.28 »Die zentrale Identität ist für jedes Symbol die Bedingung der Möglichkeit, nacheinander alle Arten und Schattierungen des wirklichen Daseins auszudrücken. Bei der Übertragung des himmlischen Wassers paßt jeder Schlauch an jeden Hydranten.«29 Beginnend mit der

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geringsten Metonymie, einem »schwachen Idealismus«, arbeitet Emerson die Allgegenwart und fließende Vertauschbarkeit symbolischer Darstellung heraus. Für Emerson hat alles »zwei Griffe«30 d. h. sowohl eine wirkliche als auch eine symbolische Bedeutung. Es gebe eine »endlose Verwandlung eines jeden Elementes in neue Formen«, eine »unaufhörliche Metamorphose«.31 Emerson stellt einen ganzen Katalog von Naturnamen zusammen. »Die Welt ist ein Tänzer, sie ist ein Rosenkranz, ein reißender Strom, ein Boot, ein Nebel, ein Spinnennetz, sie ist was immer man will, und die Metapher wird passen... Schneller als das Licht verwandelt sich die Welt in den Gegenstand, den du nennst... Nenne sie eine Knospe, eine Rute, einen Petersilienkranz, eine Tamariskenkrone, einen Hahn, einen Sperling, und wenn das Ohr den Namen hört, springt der Geist in das Bild.«32 Mit nicht enden wollenden Variationen feiert Emerson die Macht des Dichters und seiner Einbildungskraft bei der Verwandlung der Welt. »Meine Stiefel, mein Stuhl und mein Leuchter sind verkleidete Feen, Sternschnuppen und Sternbilder . . . Jedes Wort hat eine doppelte, dreifache oder hundertfache Anwendung und Bedeutung... Spreu und Staub beginnen zu funkeln und werden eingehüllt in Unsterblichkeit.«33 Wenn die gute alte Schuhschachtel der Einbildungskraft ein Juwelenetui bedeutet, dann sind alle Gegenstände für die Dichtung gleichwertig. »Stehen eine Eisenbahn, eine Schuhfabrik oder ein Versicherungsbüro, eine Bank oder eine Bäckerei außerhalb des Systems und Zusammenhanges der Dinge oder sind sie von Gott weiter entfernt als eine Schafweide oder eine Muschelbank?«34 Alles gehöre ins Reservoir des Schriftstellers »ein Krieg, ein Erdbeben, die Wiedergeburt der Wissenschaften, die neue Fügung J e s u . . . Himmel, Hölle, Macht, Wissenschaft, selbst das Néant existieren für ihn als Farben für seinen Pinsel.«35 Von dem Argument, die Kunst bediene sich aller Gegenstände, bis zur Forderung nach zeitgemäßem Leben, Demokratie und amerikanischer Kunst ist nur ein kleiner Schritt. »Gib mir Einsicht in das Heute und gerne überlasse ich dir die alte und die zukünftige Welt.«36 So »ist der Prüfstein oder das Maß des dichterischen Genies sein Vermögen, die Poesie des Geschäfts aufzunehmen — die gegenwärtigen Verhältnisse zu verflüssigen; nicht sich Scotts oder Shakespeares veralteter Überzeugungen zu bedienen, sondern die des 19. Jahrhunderts und der bestehenden Nationen in universale Symbole zu verwandeln... die lebendigen Energien, die zu dieser Stunde in N e w York, Chicago und San Francisco wirksam sind, in universale Symbole zu verwandeln.« »Es gibt keinen Gegenstand, der [dem Dichter] unangemessen ist — Politik, Ökonomie, Fabrikationen, Börsengeschäfte ebensosehr wie Sonnenuntergänge und Seelenzustände.«37 Ein großer Teil der älteren Literatur erscheint Emerson hoffnungslos veraltet auf Grund der Errungenschaft der Demokratie: es sei sinnlos geworden, etwa Hirtengedichte zu schreiben oder historische Stile nachzuahmen. »Warum müssen wir das dorische oder gotische Muster nachahmen? Schönheit, Angemessenheit, Größe des Denkens und phantastischer Ausdruck finden sich in unserer Nähe

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genauso.«38 Das Hohe und das Niedrige, das Gute und das Böse, das Schöne und das Häßliche seien in den Augen des Dichters gleich. »Ein Hund oder ein Wurf Ferkel von einem Meister gemalt befriedigen uns und sind nicht weniger eine Realität als die Fresken Angelos.«39 »Die Kunst lebt und erschüttert, indem sie Gegensätze auf neue Weise gebraucht und verbindet und ununterbrochen in das Dunkel hineingräbt in schwärzere Klüfte der Nacht. Was wäre ein Maler oder Dichter oder ein Heiliger ohne die Kreuzigungen oder Höllen? Und ewig dauert dieses wunderbare Gleichgewicht von Schönheit und Ekel, Pracht und Ratten in der Welt.«40 Es wäre jedoch falsch, aus diesen Äußerungen die handgreifliche Folgerung zu ziehen, und aus ihnen eine Empfehlung des »Realismus« oder der Genremalerei herauszulesen oder zu meinen, er rede einer Aussöhnung der Gegensätze, einer Auflösung des Häßlichen und Tragischen durch die Kunst das Wort, um nicht von dem »Formalismus« zu sprechen, den Emerson zu verfechten scheint, wenn er sagt, »der Gegenstand ist absolut gleichgültig«.41 Seine Variationen kreisen nur um ein Thema: die Einheit der Welt, die Gleichheit von Dingen und Menschen vor Gott, die alles erfassende Symbolik der universalen Metamorphose. Er beschränkt sich auf die einfachste Methode der Metonymie, auf ein zerlegendes Ausbreiten, eine Häufung von Beispielen, Illustrationen, Vergleichen und Metaphern, die alle allein in der Ewigkeit zusammengehalten werden. Die Gleichheit und Demokratie des Gegenstandes bedeutet religiöse Gleichheit. Alle Dinge leben und existieren in Gott, eines in allen und alle in einem. Emersons essayistische Methode, Beispiele aneinanderzureihen, die um ein Thema kreisen, ist exemplarisch für seine Theorie. Seine Gedichte weisen ebenfalls diese Struktur dauernden Fortwucherns auf, was Emerson für »ungezähmte Freiheit« hielt. Er wollte ein »Gedicht [schreiben], welches in das Chaos und die alte Nacht hinein eine glänzende Architektur baut, um das Weglose zu überbrücken und allen Kindern des Morgens laut zuzurufen: die Schöpfung beginnt von neuem.«42 Diese Auffassung eines freien, fließenden Symbolismus, wo »jeder Schlauch an jeden Hydranten paßt«, wird jedoch bei Emerson oft ergänzt und teilweise von einem anderen Vorstellungskomplex in Frage gestellt: der Ansicht, zwischen Worten und Dingen bestehe eine feste Beziehung, es gebe einen notwendigen Stil, der eine organische Einheit widerspiegele, kurz, es gebe ein einziges Ideal klassischer Schönheit. Seiner symbolistischen Grundüberzeugung folgend ist die Kunst deutlich der Natur untergeordnet, oder bestenfalls unterscheidet sich die Kunst geringfügig von der Natur. Doch zeitweise und besonders, wenn er die schönen Künste diskutiert, faßte Emerson die Kunst eher als idealisierte Natur. Der Gegensatz zwischen seiner Auffassung, daß »uns in glücklichen Stunden die Natur als eins mit der Kunst erscheint, als vollendete Kunst«43 und seiner Bewunderung für die idealisierte Kunst, für die griechische Plastik, für Michelangelo, Raffael und zu ihnen in passender Distanz für Canova. Thorwaldsen und Horatio Greenough bleibt unvermittelt. Auf Bacon fußbend, (der Gemeinplätze des

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Renaissance-Platonismus wiederholt), schreibt er, daß »die Dichtung . . . danach strebt, die Erscheinungen der Dinge dem Verlangen des Geistes anzupassen und eine ideale Welt zu schaffen, die besser ist als die empirische Welt.« 44 Er sieht nicht, daß dieser andere »Idealismus« und seine Welt der vollendeten Formen unvereinbar ist mit der Konzeption eines fließenden Symbolismus, der die Kunst im Gewebe der Entsprechungen verschwinden läßt. Er erkennt auch nicht den Widerspruch zwischen solch einem fließenden, vieldeutigen Symbolismus und seiner Sprachtheorie, an der er unerschütterlich festzuhalten scheint. Emerson behauptet oft, daß »Worte Dinge sind«, daß Worte eins mit den Dingen werden sollten oder daß »es immer ein einziges richtiges Wort gibt und jedes andere falsch ist.«« Jedes Wort sei notwendig. »Gute Dichtung macht den Eindruck, als wäre sie von irgendeiner unsichtbaren Tafel im Geist der Ewigkeit abgeschrieben.« Alle großen Dichter haben ihre »Verse gefunden, nicht gemacht«.46 Emerson hält an der Theorie des 18. Jahrhunderts von einer ursprünglichen Bildersprache fest. »Wenn wir in der Geschichte zurückgehen, wird die Sprache immer malerischer, bis sie in ihrer Kindheit wieder ganz Poesie ist.«47 So »ist die Sprache versteinerte Poesie«, eine Auffassung, die der Vicos entsprechen würde und die Croce gefallen hätte. Der Dichter »ist Namengeber oder Sprachschöpfer«.48 »Weise Menschen durchstoßen diese morsche Ausdrucksweise [unserer Zeit] und machen die Worte wieder an sichtbaren Dingen fest.«49 So müssen die Worte des Dichters »Bilder sein, seine Verse Kugeln und Würfel, die man sehen, riechen und fühlen kann.«50 Manchmal scheint Emerson der Meinung zu sein, daß doch nur ein einziger Schlauch an einen Hydranten passe, daß also ein glückliches Symbol »eine Art von Evidenz besitzt, die dem Gedanken angemessen ist.«51 In offensichtlichem Widerspruch zu seinem gewöhnlichen Vertrauen auf das Individuum, auf Selbstsicherheit und völlige Unabhängigkeit erkennt Emerson zeitweise die Macht der Tradition an, den Zwang des Zeitalters, die »Stimme der Legende«, die etwas Göttliches an sich habe.52 Unter Berufung auf Goethe schreibt er über die höchsten Kunstwerke: »was immer schön ist, ruht auf der Grundfeste des Notwendigen. Nichts ist willkürlich, nichts vereinzelt in der Schönheit.« Ein Kunstwerk sei etwas »Geistig-Organisches«, die »Notwendigkeit seines Daseins [hege] in der N a t u r . . . vom Künstler jetzt nur entdeckt und ausgeführt, nicht von ihm willkürlich verfaßt.«" Ebenso bezieht sich Emerson bei seiner Unterscheidung des Klassischen und des Romantischen auf Goethes Formulierungen: »Die klassische Kunst ist die Kunst der Notwendigkeit, organische Kunst. Die moderne oder romantische trägt den Stempel von Laune oder Zufall. Die klassische entfaltet, die romantische fügt hinzu. Die klassische beruht auf dem Sollen, die moderne auf dem ¡Vollen. Die klassische ist gesund, die romantische krank.«54 Die klassische Einheit wird Emersons Ideal, »ein einziger Ton«, »das Ganze beherrschend«.55 Die Welt wird in eine endgültige Harmonie aufgelöst. »Der Dichter, der die Dinge wieder mit der Natur und dem Ganzen verknüpft... erledigt sehr leicht die unangenehmsten Tatsachen.«56 Die Tragödie und das Tragische verschwinden. »Aller Schmerz ist

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oberflächlich... Alle Melancholie und alle Leidenschaft gehören zum äußeren Leben.« Abschätzig wird die griechische Tragödie beurteilt wegen ihres Glaubens an ein unvernünftiges Verhängnis oder Schicksal, an eine »ungeheure Laune«.57 Emerson gelangt damit in die dünne Höhenluft des Optimismus. Der ältere Henry James äußerte, daß Emerson »kein Gewissen« besesseb habe und Lowell schrieb, »wenn man ihm begegnet [könnte man denken], der Fall Adams sei ein Gerücht.«58 Dieses leichte Vertrauen auf die Güte der Natur und die Harmonie des Universums erfüllt auch Emersons Auffassung des Genies. Meist ist das Genie für ihn gekennzeichnet durch seine völlig passive, willenlose Hingabe an den von oben ausgehenden Strom der Inspiration. Die größten Dichter, Homer oder Shakespeare, seien »Kanäle, durch die Ströme des Denkens fluteten.«5' Der Dichter »entindividualisiert« sich selber: er sei »ein Mensch, durch den die Seele aller Menschen kreist«, ein »Organ, durch das der universale Geist wirkt«.60 Emerson geht sogar so weit, zu sagen, daß »unsere sittliche Natur durch den Eingriff unseres Willens eingeschränkt wird«, und daß »der Dichter auf einen Endzweck hinarbeitet, der seinen Willen übersteigt und auch mit Hilfe von Mitteln, die seinem Willen nicht unterliegen.«61 So verteidigt er »private und Familienpoesie« wie auch Tagebuchverse, weil technische Mängel für ihn keine Rolle spielen. Solche Mängel zeugen nur davon »daß der Verfasser mehr Mensch als Künstler, mehr ernst als eitel war, daß der Gedanke ihm zu köstlich oder zu heilig erschien, als daß es seine Ohren oder seine Augen ertragen hätten, einen leichten Fehler im Ausdruck zu hören oder zu sehen.«62 Konsequenterweise fordert Emerson eine spontane, aufrichtige Kunst. Die Kunst sei persönlicher Ausdruck, wenn auch paradoxerweise die höchste Kunst ebenso gänzlich unpersönlich sei wie die Vorsehung. Eine Passage klingt äußerst »expressionistisch«: »Je tiefer der Gedanke, eine umso größere Bürde bedeutet er. Immer im Verhältnis zur Tiefe seiner Bedeutung klopft er nachdrücklich an die Pforten der Seele, um ausgesprochen, um ausgeführt zu werden. Was innen ist, will heraus.«63 Immer wieder finden wir Stellen, an denen er dem Dichter »Aufrichtigkeit« empfiehlt: der Dichter sollte aus »wirklicher Erfahrung« schreiben, »nicht seine Lippen, sondern sein Herz sollte reden.« Die Dichtung müsse »eine notwendige und autobiographische Grundlage« besitzen.64 Emerson geht so weit zu sagen: »der Straßburger Dom ist ein stoffliches Gegenstück zu der Seele Erwin von Steinbachs. Das wahre Gedicht ist der Geist des Dichters: das wahre Schiff" ist der Schiffserbauer.«65 Wie bei den Piatonikern der Renaissance wird das Kunstwerk mit der inneren Vision, der Idee identifiziert. Überraschend, betrachtet man diese grundlegende Auffassung, gehen Emersons Überlegungen machmal in eine praktischere Richtung. Die Kunst sei nicht immer freudiger Selbstausdruck gewesen: Emerson weiß, daß »die schönsten Gedichte der Welt geschrieben wurden, damit sich der Schriftsteller vor dem Hunger oder dem Irrenhaus bewahren konnte.«66 Wir dürfen der Literatur nicht »die Mühe des Menschen, sich selber schadlos zu halten«, anlasten und müssen anerkennen, daß ein Dichter »seine Schmerzen in [seinen] Schriften von sich

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wirft«. Emerson sieht, daß »es keinen schlimmeren Heuchler gibt als den aufrichtigsten Menschen« und daß »viele Menschen besser mit einer Maske als aus sich selber heraus schreiben können.«67 Ungeduldig tadelte er den jüngeren William Ellery Channing wegen dessen Weigerung, seine Gedichte zu verbessern und wegen seines Vetrauens auf bloße Inspiration. »Er hätte die ganze Nacht wach liegen sollen, um den richtigen Reim für einen Vers zu finden.« Emerson haßt »diese hastige Kristallisation«,68 die Weigerung, selbst einen Buchstaben zu verändern. Als er die verschiedenen Antriebe, aus denen heraus Dichtung entstehe, zusammenstellte, schlug er so etwas wie Hygiene oder Gymnastik für den Dichter vor, zum Beispiel Frühaufstehen, Briefe schreiben Einsamkeit, Unterhaltung und sogar der äolischen Harfe zuzuhören.69 Doch diese Betonung der künstlerischen Praxis und ihrer Erfordernisse wird durch die darüber weggehende Auffassung weitgehend aufgehoben, derzufolge alle Dichtung eins sei und in dieser Einheit verschwinden wird. »Man könnte sich leicht vorstellen, daß ein Meister alle Bücher der Welt schreibt. Sie sind alle gleich.« »Einer schrieb alle Bücher.« Die ganze Literatur sei »deutlich das Werk eines alles sehenden, alles hörenden Gentleman«.70 Aber selbst auf diesen einzelnen Gentleman, der ein einziges Buch schreibe, könne man aus demselben Grunde verzichten, aus dem wir keine Bildhauer und Maler brauchen. Dem Künstler wird die unbequeme Frage gestellt: »Wenn er alles zeichnen kann, warum soll er irgendetwas zeichnen?« »Malerei und Plastik sind Übungen für das Auge« und daher »gibt es keine Statue, die sich mit diesem lebendigen Menschen vergleichen läßt mit seinem unendlichen Vorteil über alle ideale Skulptur, der unaufhörlichen Abwechslung.« »Fort mit diesem Unsinn von Öl und Staffeleien, von Marmor und Meißel. Wenn sie nicht deine Augen für die Meisterwerke der ewigen Kunst öffiien, sind sie gleisnerischer Plunder.«71 Die Kunst existiere vollkommen nur im Geist und keine äußere Tätigkeit sei nötig. »Wenn wir fühlen, daß das Universum unser wäre, daß wir in der Ewigkeit lebten und in alle Weisheit eindringen könnten, wir wären weniger begierig nach diesem Funken und dieser Asche. Warum sollten wir einen Petersdom erbauen wollen, wenn wir ein sehendes Auge hätten, das all den Glanz von Schönheit und Majestät im verflochtenen Gras und in den überhängenden Zweigen erblickte? Warum sollte ein Mensch Jahre damit verbringen, einen Apollo zu meißeln, wenn er mit jedem Blick der Apollogestalten viele in die Landschaft hineinsieht?«72 Das alte Problem eines »Raffael ohne Hände« wird auf leichte Weise gelöst: er kann Apollofiguren in die Landschaft hineinsehen. Auch die Sprache wird damit im Grunde überflüssig: »Mit jedem Fortschritt... verschwindet die Sprache mehr und endet schließlich in einem erhabenen Schweigen.«73 Alle Künste existieren nur »anfangs«, die Literatur sei »vergänglich« und wir können »ohne weiteres von der Voraussetzung ihres völligen Verschwindens ausgehen.« Diese merkwürdige Vollendung werde dann erreicht sein, wenn »die wahre Offenbarung des Gesetzes der Schöpfung — vorausgesetzt ein Mensch würde für wert befunden, es zu verkünden — die Kunst in das Reich der Natur hinaufträgt

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und ihre isolierte und widersprüchliche Existenz aufhebt.« 74 Alles werde dann Dichtung sein — oder wir könnten auch im Gegenteil sagen: nichts werde Dichtung oder Kunst, sondern alles Natur und Gott sein. Eine solche Konzeption hat schwerlich einen Raum für die Literaturkritik. Kritik kann nur Einfühlung und Identifikation bedeuten. Emerson zitiert als »grundlegendes Gesetz der Kritik« das alte Wort: »jede Schrift soll von demselben Geist intepretiert werden, der sie schuf«,75 und er behauptet kühn, »der Leser Shakespeares ist ebenfalls ein Shakespeare«. Das bedeutet »letzte Identität von Künstler und Publikum«.7 Doch offensichtlich kennt Emerson noch eine Art der Literaturkritik, die »transzendentale Kritik«, welche die Bücher »nach absoluten Maßstäben« beurteile.77 Dieser Ausdruck darf nicht im Sinne einer Rückkehr zu doktrinärer Literaturkritik aufgefaßt werden, sondern als Weiterentwicklung der Vorstellung von der Überwindung der Kunst durch Natur. »Die Legitimation der Kritik [liegt] in der Überzeugung, daß Gedichte die korrupte Version eines Naturtextes sind, mit dem sie zur Übereinstimmung gebracht werden sollten.« Absonderlich mutet Emersons Meinung an: »die Paarung der Vögel ist eine Idylle, längst nicht so langweilig wie unsere Idyllen: ein Sturm ist eine wilde Ode ohne Falschheit oder Schwulst, ein Sommer mit seiner Ernte, gesät, geemtet und aufgespeichert, ist ein epischer Gesang, dem so viele bewundernswert ausgeführte Werke nicht gleichkommen.«78 Wie der Kritiker so sei der Philosoph »ein gescheiterter Dichter«,79 das Gedicht eine mißratene Paarung von Vögeln, ein minderwertiger Sturm oder ein fruchtloser Sommer. Was eine glühende Rechtfertigung der Dichtung schien, eine Erhöhung der Kunst zu Weisheit und Vision und des Dichters zu einem Seher, ist umgeschlagen in eine völlige Unterordnving der Dichtung unter die Natur und in eine Identifikation des Dichters mit allen Menschen. Da alle Literatur als ein Ganzes gesehen wird, kann sie keine wirkliche Geschichte haben. »Die Geschichte der Literatur — nimm das Endergebnis Tiraboschis, Wartons oder Schlegels — ist eine Summe sehr weniger Ideen und sehr weniger origineller Erzählungen.«80 Seine phantastische Vorstellung ist, daß »die Poesie bereits vor aller Zeit vollkommen niedergeschrieben w a r . . . wir hören jene ursprünglichen Triller und versuchen sie niederzuschreiben, aber immer verlieren wir ein Wort oder einen Vers und ergänzen etwas eigenes und verfälschen deshalb das Gedicht. Menschen mit einem feineren Ohr schreiben diese Kadenzen getreuer nieder und diese Abschriften werden, obwohl sie noch unvollkommen sind, die Gesänge der Nationen.«81 Emerson scheint so etwas wie die alte Vorstellung einer ursprünglichen Volkspoesie im Sinn zu haben, von der alle geschriebene Poesie nur ein Fragment oder Widerhall sei. Oft nannte er den Dichter einen »Barden«, er las über die walisischen Barden und behauptete, der Zauberer Merlin spreche in der Sprache des vollkommenen Dichters.82 Im allgemeinen aber hält er sich nicht mit dem Verfall irgendwelcher vager Herrlichkeiten der Vergangenheit auf; vielmehr stellt die Literatur für ihn eine statische Totalität dar: wir sollten 11 Wellek, Literaturkritik 2

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»alle vorhandenen Ergebnisse des menschlichen Geistes als Produkte nur eines Zeitalters betrachten, von ihm zu korrigieren, zu revidieren und umzustoßen.«83 Das allerdings heißt nicht, daß Emerson keinerlei Unterschiede unter den Dichtern sah und daß er keine deutlichen literarischen Vorlieben hatte. Man hat ihm oft eine »seichte Bildung« nachgesagt, und seine merkwürdigen, unterschiedslosen Schriftstellerkataloge und Gedicht-Auswahlen wurden als Beweise für seinen Mangel an Geschmack zitiert.84 Obwohl er selber schwerlich auf systematische Gelehrsamkeit Anspruch erhob, besaß er umfangreiche Lektüre-Kenntnisse, besonders in der englischen Dichtung. Er übersetzte Dantes Vita Nuova,*s las viel von Goethe im Original und kannte seinen geliebten Montaigne, den »großartigen alten Liederjan« in Cottons Übersetzung.' 6 Man verkennt Ziele und Tätigkeit seines Geistes, wenn man seine Kataloge auf folgerichtige Affinitäten untersucht oder die Auslese im Parnassus (1874) streng kritisiert.8'' Er liest sozusagen zum eigenen Gebrauch, sucht Sätze, Worte, Verse, »Glanzlichter«, und wenn er Beaumont und Fletcher in dergleichen Verzeichnisse aufnimmt, so weist er ihnen keinen »Rang« zu, sondern erinnert sich an einige Lieder und an heroische Dialoge, die er bewunderte.88 Dennoch lassen sich ein deutliches Muster seiner Abgrenzungen und Einordnungen, eine Reihe von kritischen Maßstäben herausarbeiten. Mit romantischem Weltschmerz und bloßem Subjektivismus kann Emerson offensichtlich wenig anfangen. Byron sei »kein Dichter«. »Worauf beruht Lord Byrons Dichtung außer auf seinem ,Ich bin Byron, der edle Dichter, höchst begabt, aber in London nicht beliebt.'?« Byron »rächt sich an der Gesellschaft für deren angebliches Mißtrauen ihm gegenüber.«8» Shelley schien Emerson »ein aufstrebender Mann, von heroischem Charakter«, aber kein Dichter zu sein. Seltsam genug ist sein Urteil, daß es Shelley an Einbildungskraft mangele, er sei voller »monotoner Nachahmungen«.90 Von Wordsworth zeigte sich Emerson nach anfänglichem Zögern vor allem seiner neoplatonischen »Immortality Ode« wegen beeindruckt, »der Höhepunkt, den der menschliche Geist in diesem Zeitalter erreicht hat.« Wordsworth und Swedenborg hätten »die Reform der Philosophie eingeleitet, die Poesie zur Natur zurückgeführt — Natur und Geist verbunden und damit die alte Trennung aufgehoben, in der die Dichtung dürr und falsch und die Natur verdächtig und heidnisch gewesen war.« Doch häufig kritisiert er Wordsworth, weil seine Poesie etwas »Hartes und Steriles« habe, weil er beschränkt und provinziell sei, einer Theorie folgend schreibe und Entgleisungen in Zeitungssprache aufweise. 91 Es gibt eine Art von minutiösem Realismus, den Emerson weder bei Wordsworth noch bei den englischen Romanschriftstellern oder bei Goethe schätzte. Über Jane Austen urteilte er geringschätzig: »vulgär im Ton, steril in der künstlerischen Erfindungskraft, in den elenden Konventionen der englischen Gesellschaft verhaftet, ohne Genie, Witz oder Weltkenntnis. Niemals war das Leben so ärmlich und eng.«92 Mit Dickens kann er wenig anfangen (»der armselige Pickwick-Plunder«) und Oliver Twist hielt er für ganz oberflächlich.« Man kann Emerson fast seufzen hören, wenn er schreibt »welch ein hervor-

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ragender Gemüsehändler ist mit Macaulay verlorengegangen!«94 Ganz offensichtlich bewundert Emerson Milton wegen seines Idealismus und Burns lobt er wegen dessen Selbständigkeit. Zu seiner Zeit ungewöhnlicher war seine große Vorliebe für George Herbert, dessen emblematische Naturanschauung ihm gefiel. Auch Donne, Herrick, die Gedichte Ben Jonsons und Marvells interessierten ihn.95 Doch die Urteile über sie sind verstreut und kaum zusammenhängend. Nur die Essays über Goethe und Shakespeare schließen sich zu durchgängiger Literaturkritik zusammen. Der Shakespeare-Essay wird vor allem deshalb im Gedächtnis bleiben, weil er Shakespeare als »Meister in den Belustigungen für Menschen« herabzusetzen scheint. Emerson bedauert, daß »der beste Dichter ein obskures und profanes Leben führte und sein Genie für die öffentliche Unterhaltung verausgabte.« Aber dieser Rest puritanischen Argwohns der Bühne gegenüber sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß Emerson Shakespeare »den ersten Dichter der Welt« nennt — in so hohem Maße unvergleichlich, daß »alle Kritik nur darin besteht, von seinen Schönheiten Regeln abzuleiten«.®6 Shakespeares Genie sei synthetisch und objektiv, frei von Manier und Selbstgefälligkeit. Er sei im eigentlichen Sinne optimistisch, da »kein Mensch ein Dichter sein kann« ohne Frohsinn. Er bewirke »das Wunder, jede Tatsache des gewöhnlichen Lebens zu mythologisieren«. Emerson erkennt, wie sehr Shakespeare seinen Vorgängern verpflichtet ist, sein Adaptions- und Assimilationsvermögen und seine Abhängigkeit von der traditionellen Ethik und der Bibel." Mit Goethe hatte Emerson seine Schwierigkeiten, so sehr er von Carlyle und vielen Amerikanern empfohlen wurde. Goethe erschien ihm häufig prosaisch und künstlich und stieß ihn moralisch ab. Den Respekt, den Carlyle für die Persönlichkeit Goethes aufbrachte, empfand Emerson nicht. »Faust«, schreibt er, »strotzt vor Widerwärtigkeiten. Das Laster erscheint lüstern, erfahren, pariserisch. In der Gegenwart Jupiters mag Priapus als Folie erlaubt sein, aber hier ist er ein gleichwertiger Held.« Emerson spricht von Goethes »verderbter Subjektivität«, von seinem »totalen Mangel an Offenheit« und nennt ihn sogar »einen Artisten, aber keinen Künstler«.9« Dann aber wird er erstaunlicherweise von Helena mitgerissen. Goethe sei »ein Indianer in der Wildnis, ein Stück reiner Natur wie ein Apfel oder eine Eiche, groß wie der Morgen oder die Nacht und tugendhaft wie eine dornige Rose.« Was für uns künstliche Antike, das Artifiziellste in Goethes Werken ist, erscheint Emerson gerade als ein Stück Natur. Organische Weltanschauung kann für verschiedene Geister völlig verschiedene Dinge bedeuten. Immer wieder kommt Emerson auf Goethe zurück, dessen Sentenzen und Sprüche, Maximen und Reflexionen, dessen Einsicht in die Analogie der Natur und dessen Kunsttheorie er hoch schätzte. »Er hat die Kunst definiert, ihren Bereich und ihre Gesetze.«99 Emerson hat hier selbst den Finger auf die Quelle seiner Ästhetik gelegt, und in allen möglichen Zusammenhängen zitiert er Goethe zu seinem Zwecke. Goethe, der die Parallelität von Kunst und Natur so streng betonte wie Emerson, ist auch Ii*

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die Quelle seiner Ansichten über Notwendigkeit, Gesundheit, über das Klassische und Ideale, Ansichten, die nicht selten mit dem mehr fließenden und glühenden Symbolismus seiner zentralen Doktrin kollidieren.100 Die allgemeine Quelle dieser Doktrin ist der Neoplatonismus. Plotin kannte er unmittelbar durch die Übersetzungen Thomas Taylors und mittelbar durch Coleridge und den Cambridge-Platonismus, vor allem durch Cudworth. In einer allgemeinen Geschichte der Ästhetik scheint Emersons Position der Schellings am nächsten zu sein, aber Anzeichen für einen direkten Einfluß der Schriften Schellings sind selten.101 Emerson ging eher von Coleridge und Carlyle aus. Die glühende, mystische und wunderliche Komponente seiner Anschauungen weist mehr auf Swedenborg und dessen Anhänger, auf Böhme, Novalis, Oegger, einen Franzosen, und auf Sampson Reed, einen Landmann, den Emerson schon sehr früh bewunderte. Aber obwohl jede einzelne Idee auf irgendeine vorhergehende zurückgeführt werden kann, stellt Emersons Auffassung von Kunst und Dichtung dennoch eine originale Kombination dar. Besonders bemerkenswert für seine Zeit und seinen Ort vollzog Emerson einen scharfen Bruch mit der Vergangenheit eines konventionellen Rationalismus, gesunden Menschenverstandes und emotionalen Romantizismus. Gerade die Radikalität, mit der er an seinen Ansichten festhielt, macht ihn zu einem hervorragenden Repräsentanten des romantischen Symbolismus in der englischsprachigen Welt. Was dialektisches Vermögen und die Beschäftigung mit konkreten Texten betrifft, so kann Emerson nicht mit Coleridge verglichen werden, doch er ist frei von dessen Eklektizismus und sein Blickwinkel bleibt sehr viel konstanter. Er teilt weder Carlyles Verehrung des Faktums noch auch dessen Historismus. Emerson bleibt immer substanziell und seine Doktrin ist von einer beinahe erschreckenden Reinheit.

DIE ANDEREN TRANSZENDENT ALISTEN Emerson wird im allgemeinen für den Stifter und das Haupt der Transzendentalistenbewegung gehalten. Aber es gibt wenige Anzeichen dafür, daß seine eigentümlichen Ideen über Ästhetik und Literaturkritik von anderen geteilt oder auch nur in weiteren Kreisen in seiner Zeit verstanden und bewundert wurden. Die Transzendentalistenbewegung selber war in erster Linie eine religiöse Erweckungsbewegung: die Hinwendung zu einer emotionalen, intuitiven, undogmatischen Religion, die philosophischen Rückhalt (soweit nötig) bei einer Philosophie des Glaubens suchte, und zwar eher bei Coleridge und den französischen Eklektikern als bei Emersons neoplatonischen Lehrern. Literarische Interessen und Theorien waren nebensächlich und dienten oft als Vorwände für die zentrale religiöse Tätigkeit. In einer Geschichte der Literaturkritik mag ein kurzer Blick auf drei

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Persönlichkeiten geniigen, die mit Emerson verbunden waren, um verschiedene Positionen im Hinblick auf den Lehrer und unterschiedliche Haltungen gegenüber der Literatur deutlich zu machen. Henry David Thoreau (1817—62) steht Emerson trotz ihrer von Temperament bedingten und sozialen Unterschiede am nächsten. Man kann Zitate aus Thoreaus Tagebuch anführen, die zeigen, daß er Leitmotive der Ästhetik Emersons aufnimmt, paraphrasiert oder überspannt. So ist Thoreau möglicherweise darin sogar noch beharrlicher als Emerson, Kunst als Natur zu behandeln. Die Dichtung sei »eine natürliche Frucht«. »So natürlich wie die Eiche Eicheln trägt, bringt der Mensch ein Gedicht hervor.«1 Thoreau glaubt ebenfalls an die symbolische Bedeutung der Natur und an die Aufgabe des Dichters, solche Symbole ausfindig zu machen. »Ich wollte die Tatsachen so darlegen«, formuliert Thoreau seinen Ehrgeiz, »daß sie bedeutsam, Mythen oder mythologisch werden.«2 Die Sprache steht wie bei Emerson in enger Beziehung zu den Dingen, sogar zu Körper und Sinnen. Den poetischsten Namen ein Gegenstand von einem Menschen, »dessen Leben am engsten mit ihm verbunden ist und der ihn am längsten und besten kennt.«3 Wie bei Emerson haben alle Sprachen nur provisorischen Charakter. Eine Zeit werde kommen, in der »die gegenwärtigen Sprachen und alles, was sie ausdrücken, vergessen sein wird.«4 Immer identifiziert Thoreau Wissen und Tun, Schreiben und Leben. »Jede Äußerung ist ein Akt des ganzen Menschen« und »das herrlichste Gedicht ist das Leben eines großen Menschen.«5 Ähnliche Identifikationen enthält sein einziges umfangreicheres Stück Literaturkritik, »Thomas Carlyle and his Works« (1847). Thoreau versucht nicht, »zwischen Carlyles Werken zu unterscheiden«, sondern betrachtet sie alle »als ein Werk wie auch der Mann selber eine Einheit ist«. Er lobt Carlyles »rauhe, unermüdliche und kräftige Aufrichtigkeit« und charakterisiert ihn seltsamerweise (wenn auch nicht ungerecht) nicht als einen »Seher, sondern als einen Zuschauer und Rezensenten«, der eine »gerechte Würdigung jedes, selbst des mittelmäßigen Talents« gebe.6 Doch er wendet sich sich gegen die Maniriertheiten, die er von Carlyle selber in dessen Darstellung von Jean Pauls Stil beschrieben sieht, gegen die vielen Übertreibungen und Skurririlitäten, die Thoreau für ebenso viele Charakterfehler hält. Der beste Stil sei der, »in dem die Sache alles und die Ausdrucksweise gar nichts ist7«. Er selber las und bewunderte die »metaphysischen« Dichter und die großen Prosastilisten des 17. Jahrhunderts — besonders Sir Thomas Browne — von denen man allerdings kaum sagen kann, sie wären nur an dem Gegenstand interessiert gewesen. Und Thoraues eigener Stil und sein poetisches Empfindungsvermögen sind zu subtil, verwickelt und sogar idiosynkratisch, als daß wir seine eigenen Empfehlungen in dem »Reading« überschriebenen Kapitel seines Waiden (1854) annehmen könnten. Dort preist er die antiken Schriftsteller und die »noch älteren und mehr als klassischen, aber sogar unbekannteren heiligen Schriften der Nationen«, Veda und Zendavesta, »ein solcher Stapel, daß wir hoffen können, mit seiner Hilfe schließlich den Himmel zu ersteigen.«8 Für Thoreau sind Bücher Orakel; und den Himmel zu

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ersteigen sei sein und aller Menschen Hauptinteresse. Dem Leben des Künstlers bleibe die Dichtung untergeordnet. »Das wahre Gedicht ist nicht das, welches das Publikum liest. Es gibt immer ein Gedicht, das nicht auf Papier gedruckt ist, identisch mit seiner Produktion, unveränderlich eingedruckt in das Leben des Dichters. Er ist, was er durch sein Werk geworden ist. Nicht die Art und Weise, wie die Idee in Stein oder auf Leinwand oder auf Papier ausgedrückt wird, ist die Frage, sondern wie weit sie Form und Ausdruck im Leben des Künstlers geworden ist.« Doch Thoreau wußte um seine eigene Erfolglosigkeit und formulierte das in dem merkwürdigen Vers: »Mein Leben ist das Gedicht, das ich geschrieben hätte, aber ich konnte nicht beides, es leben und ausdrücken.«9 Das Leben absorbierte seine Kunst: welchen Platz gab es da für Kritik? Ein anderer Transzendentalist ging in eine andere Richtung: Jones Very (i 813—80), der erst neuerdings glühende Bewunderer wegen seiner mystischen Poesie und einige Aumerksamkeit wegen seiner Kritik gefunden hat. 10 Als er Emerson seine Essays über Shakespeare zusandte, schrieb er: »Sie hören nicht meine Worte, sondern die Lehren des Heiligen Geistes.«11 Aber man hört nur die Stimmen Coleridges und August Wilhelm Schlegels, gedämpft durch fromme Deklamationen. Selbst der ein wenig frühere Essay über »Epic Poetry« (1837) gibt eine verdünnte Fassung der Schriften Schillers und Schlegels: die moderne Dichtung habe sich von der epischen zur dramatischen fortentwickelt, weil die Dichtung sich von der griechischen plastischen Dichtung der Sinne gewandelt habe zur christlichen innerlichen Dichtung der Empfindsamkeit. »Das Unvermögen des menschlichen Geistes in der gegenwärtigen Zeit«, eine Handlung objektiv darzustellen, sei Grund genug, sich zu freuen, da es den Triumph des Christentums bezeuge. 12 Die Essays über Shakespeare und besonders der über Hamlet (1838) entwickeln die Vorstellung von Shakespeares vollkommener Objektivität. »Mit dem stets erstaunten Gemüt eines Kindes verwandelte er sich immer in den Gegenstand, den er sah.« Aber dann wird Shakespeare inkonsequenterweise allein mit Hamlet identifiziert. Jones Very »hört unausgesetzt den Dichter selber deutlich durch die Worte Hamlets sprechen.« Hamlets Stimme sei geballt in dem Monolog »To be, or not to be« zu hören. Alle Eigenschaften Hamlets, seine Unentschlossenheit und seine Haltung gegenüber Ophelia werden mit seinem Grübeln über den Gedanken des Todes und mit seinem Zweifeln an der Unsterblichkeit erklärt. »Für ihn ist die andere Welt durch die intensive Tätigkeit seiner Gedanken so wirklich geworden wie diese.« Shakespeare sei in ähnlicher Weise ein Mensch, der »zu schwach [war], um mit eigener Kraft und ohne Hilfe gegen den Zerstörer des Menschengeschlechts zu kämpfen, unfähig, den Weg, die Wahrheit und das Licht zu finden.«13 Vermutlich fand Jones Very den Weg, ließ aber die Literatur, Shakespeare und den Hamlet-Text weit hinter sich. Margaret Füller (1810—50) verließ die Literaturkritik zugunsten der römischen Revolution und des Marchese Ossoli. Bei der Erinnerung an ihre frühen mit dem Transzendentalismus verknüpften Jahre empfand sie, daß »so viel Kraft an A b -

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straktionen vergeudet wurde, die nur deshalb solchen R a u m gewinnen konnten, weil ich nicht auf dem richtigen Boden aufwuchs.« 14 Aber aus einer historischen Perspektive gesehen stellen ihre Kritiken für Dial (1840—44) und ihre Rezensionen für die N e w Yorker Daily Tribüne (1844—46) eine solide Leistung dar. Transzendentalistische Ausdrucksweise färbt ihre Darstellungen nur oberflächlich, und selbst ihre schwülstige, oft hochtrabende und sentimentale Rhetorik sollten die Aufmerksamkeit nicht ablenken von ihrem grundlegenden richtigen Gefühl und ihrer klaren kritischen Urteilskraft. Der »Brief an Beethoven«, geschrieben siebzehn Jahre nach dem Tode des Komponisten, in dem sie von der »Erhebung ihrer Seele, so unergründlich wie die Ihre«15 spricht, ist glücklicherweise nicht charakteristisch für ihr Werk. Tatsächlich reflektierte Margaret Füller konkreter über Natur und Aufgabe der Literaturkritik als jeder andere ihrer amerikanischen Zeitgenossen, und sie war mit literarischen Werken vertrauter und beschäftigte sich häufiger mit ihnen als jeder andere in der Neuengland-Gruppe. Ihre Unterscheidung in drei Arten der Kritik ist immer noch gültig, obwohl wir ihre Terminologie nicht mehr gebrauchen: »subjektive« Kritiker, die sich persönliche Launen leisten können, »einfühlsame« (apprehensive) Kritiker, die aus sich selbst heraustreten und völlig in eine fremde Existenz eintreten können, und schließlich »begreifende« (comprehensive) Kritiker, die auch einfühlsam sein, in die Natur eines anderen Werkes eintreten, aber zusätzlich das Werk seiner Eigengesetzlichkeit nach beurteilen müssen. Margaret Füller erkennt und verteidigt die Bedeutung kritischer Untersuchung und die Notwendigkeit der Verallgemeinerung in der Literaturkritik. 16 Obwohl sie in der Art der Transzendentalisten nach einem »vollkommenen natürlichen Zustand, in dem die einzige Kritik stillschweigende Ablehnung sein wird«, schmachtet, verlangt sie Kriterien, Maßstäbe, »Protestantismus«, nicht immer nur Loben und Würdigen, sondern auch »Nein« sagen. Daher bleibt ihr nichts anderes übrig als zu »untersuchen, vergleichen, sichten und sieben«. »Ich kann nicht vorangehen, bevor ich nicht weiß, was ich fühle und warum«, 17 das ist keine schlechte Beschreibung des kritischen Gewissens. Margaret Füller schrieb ohne Scheu und rezensierte ihre amerikanischen Zeitgenossen durchaus streng. Sie erkannte das Problem der Nationalität und Individualität, das Neue der amerikanischen Synthese Europas, doch betrübt stellte sie fest, sie werde nicht »dabei sein, wenn diese Ernte eingebracht wird.« 18 Emerson ist ihr Vorbild — »der Vorbote eines besseren Tages«, »ein Vater des Landes«, aber sie sieht auch seine Grenzen und drückt sie in ihrer malerischen Art aus. »Zu früh stand er senkrecht auf und lag nicht lange genug am Boden ausgestreckt, um das heimliche Flüstern der Quellen unseres Lebens zu hören.«19 Sie hatte in der Sprache ihrer »Rhetorik« zu seinem Bildnis »beten« wollen, doch Emerson wies ihren Eifer fast entschuldigend zurück.20 Hawthorne erkannte sie als »den besten Schriftsteller der Zeit«.21 Obwohl sie ein Opfer der kritischen Schärfe Poes wurde, besaß sie einen Sinn für sein Talent: für den »starken Intellekt«, das »wohlgewählte Ziel«, die Kunstfertigkeit der Gedichte.22 Die Dichter Neuenglands wurden von

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ihr beinahe so wenig geschont wie von Poe: Longfellow ahme nur nach und schreibe erkünstelt, »ein Pindar als Dandy«. Lowell »fehlt völlig der wahre Geist und Ton der Poesie«.23 Ihre Urteile über die englischen Dichter sind weniger sicher. Sie überschätzte Baileys Festus und Henry Taylors Tragödie Philip van Artvelde und verständlicherweise steht für sie Elizabeth Barrett »über jeder Schriftstellerin, die die Welt bis jetzt gekannt hat«.24 Andererseits bewunderte sie auch Robert Browning als eine der ersten in Amerika. 25 In ihrem Uberblick über die englischen romantischen Dichter (1846) fehlt Keats, doch sie lobt Shelley und die Lake Poets. Daß das höchste Lob Wordsworth zufällt, war zu erwarten, aber man freut sich zu hören, daß sie im Ancient Mariner nicht die Moral vermißt. Nur ihre übertriebene Einstufung Southeys stört. »Überschwengliche und glühende Frömmigkeit« und »tränenerfüllte Tiefe des Ausdrucks«26 bedeuten verräterisches Lob für unsere unsentimentalen Ohren. Sentimentalität durchdringt auch ihre Darstellungen über den französischen Roman (1845). George Sand — die »Glut ihres Herzens« — und Eugène Sue teilen sich in ihr Lob; doch etwas bewundert sie auch Vignys Erzählungen und Balzac, obwohl sie den letzteren einen »herzlosen Chirurgen« und »einen Mephistopheles« nennt.2'' Ihr Interesse an italienischen Verhältnissen war hauptsächlich politischer Natur, doch erstaunlich begeistert äußerte sie sich über Alfieri, nicht nur über die Autobiographie, sondern auch über die strengen Tragödien, die sie denen von Manzoni und Schiller vorzog. 28 Goethe war der eine Schriftsteller, mit dem sie sich am meisten beschäftigte. Sie übersetzte Tasso, Eckermanns Gespräche und mehrere Gedichte. Sie plante eine Biographie Goethes und las sehr viel von ihm und aus seinem Umkreis. Bettina von Arnim fesselte sie besonders und sie übersetzte ihren Briefwechsel mit Karoline von Günderode (1842). Sie schrieb verschiedene Aufsätze über Goethe und behandelte ihn ausführlich in Woman in the Nineteenth Century (1845). 29 Margaret Füller hatte mit Goethe große Schwierigkeiten; einige, die ihrem Hintergrund und ihrer Umwelt zuzuschreiben sind und andere, die ihr von Goethes deutschen Kritikern erst deutlich gemacht wurden. Der von Bettina erfundene Brief, der das Treffen Beethovens und Goethes mit Kaiser Franz in Teplitz beschreibt, war ihr ein Stein des Anstoßes, und auf Grund ihres Liberalismus teilte sie sogar die politischen Einwände Menzels, obwohl sie dessen Erbärmlichkeit erkannte.30 Besondere Aufmerksamkeit widmet sie Goethes aristokratischen Neigungen und seiner Olympischen Herzlosigkeit, erfaßt aber immer auch die Werke selbst. Sie erkennt, daß Goethes Selbstbeherrschung mühsam erworben wurde und daß Tasso als Sieg über sein Ich und dessen Gefahren interpretiert werden sollte. Mit Recht verteidigt sie die strenge Moral der Wahlverwandtschaften. Sie gibt wohlwollende Darstellungen von Iphigenie und Wilhelm Meister wegen ihres Humanitätsideals und ihrer Frauengestalten.31 Den ersten Teil des Faust bewundert sie, hat aber wie seither viele Kritiker auch Schwierigkeiten mit dem Ende des zweiten Teils. Sie

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wünscht, Faust hätte den Teufel lieber bezwungen als betrogen: und es gäbe keine »Erlösung durch die Hintertür.«32 Margaret Füller bedauert, daß Goethe überhaupt nach Weimar ging und seine Zeit mit höfischen Unterhaltungen vertrödelte, aber sie spielt ihm gegenüber auch nicht den jungen Goethe der Zeit vor Weimar aus. Der Werther verwirrt sie: sie vermißt die »Pointe einer Geschichte, die mit solch einer Rücksicht auf Wirkung verfaßt wurde.«33 Ihr Goethe ist der klassische Goethe, der Weise, den sie zwar kritisiert, weil ihm die Einsicht Emersons in das »heilige Geheimnis« gefehlt habe, den sie aber wegen seiner weltlichen Weisheit und Toleranz, seiner Kenntnis der menschlichen Natur und Kunst bewunderte. »Als ein Kritiker der Kunst und Literatur, der an Unabhängigkeit, Fairness, sympathetischer Stärke und Weite des Blickes unübertroffen ist«,34 hat Goethe dazu beigetragen, sie von prüder Moral und sentimentaler Frömmigkeit zu befreien. Diese Emanzipation gelang ihr nicht vollkommen. Dem Charakter ihres Geistes nach gehört sie nicht zu Goethe mit seiner Universalität, nicht zu Emerson mit seiner verfeinerten Vision, sondern eher zu Bettina und George Sand — kurz zu dem großzügigen, offenen und etwas übertrieben feurigen Geist des Jungen Deutschland oder des liberalen Frankreich.

KAPITEL 6

DIE D E U T S C H E L I T E R A T U R K R I T I K V O N G R I L L P A R Z E R BIS Z U M A R X U N D ENGELS Von Grillparzer bis zu Börne

Der T o d Jean Pauls (1825), Friedrich Schlegels (1829), Hegels (1831) und besonders Goethes (1832) kennzeichnete das Ende einer großen Periode in Deutschland. Die Zeitgenossen empfanden diesen Bruch scharf, da er mit der Veränderung in der ganzen intellektuellen und politischen Atmosphäre nach der Julirevolution zusammenfiel. Goethe selber hatte in seinen letzten Jahren häufig seine Ahnung v o m Ende des alten Europa ausgedrückt, und Hegel hatte das bevorstehende Ende der ganzen Kunst prophezeiht. In der Kritik richtete sich die Reaktion gegen Goethe und die Romantik auf das, was heute als die Periode der konservativen Restauration erscheint. Die neuen nationalen und liberalen Bewegungen warfen mit Losungen um sich wie »lieber Leben als Kunst«, lieber Dienst für die Nation als individuelle Bildung, lieber zeitgemäß leben als zur Vergangenheit zurückzukehren. Vertrauen in die Zukunft, Glaube an den unvermeidlichen Fortschritt, an den Geist des Zeitalters wurde das nahezu allgemein akzeptierte Glaubensbekenntnis. Die deutsche Kritik wurde immer mehr den nationalen, politischen und sozialen Zielsetzungen der Zeit untergeordnet. In der Literaturkritik waren die Dinge zweifellos in Bewegung geraten. Man kann eine ganze Skala von A u f fassungen zusammenstellen von den konservativsten bis zu den fortschrittlichsten, v o n Theorien, die immer noch von den Voraussetzungen des 18. Jahrhunderts abhängen, bis zu einem Marxismus, der heute immer noch sehr lebendig ist. W i r werden die Kritiker der Zeit nach der historischen Position der Gedanken darstellen, die sie vertraten. So wird sich auch eine nach Alter und öffentlichem Auftreten sich richtende annähernd chronologische Reihenfolge ergeben. Der österreichische Dramatiker Franz Grillparzer (1791—1872) ist am deutlichsten ein Nachfahre des 18. Jahrhunderts. Seine umfassenden Notizbücher, zu denen wir eine autobiographische Skizze (geschrieben 1853—54) und ein paar verstreute Artikel hinzufügen sollten, wurden erst nach seinem Tode und in einigen Fällen

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lange danach veröffentlicht. Sie stellen eine Sammlung von Reflexionen und Meinungen dar, die nicht nur wegen des Lichts Interesse.hervorgerufen haben, das aufsein dramatisches Werk fällt, sondern die auch Bewunderung erregt haben wegen ihres starken gesunden Menschenverstandes, ihres unabhängigen Urteils und der weitreichenden, ungewöhnlichen Belesenheit, von der sie zeugen.i Im allgemeinen teilt Grillparzer Haltungen und Anschauungen der deutschen Klassiker: Goethe, Schiller und Lessing. Viele seiner Notizen polemisieren gegen die neue Literatur: gegen die Romantiker, besonders A. W. Schlegel, gegen die spekulativen Philosophen, besonders Hegel und gegen die politischen und nationalistischen Literaturhistoriker, besonders Gervinus. Eine große Zahl seiner Anmerkungen sind Lope de Vega und den anderen spanischen Dramatikern gewidmet, die Grillparzer seit etwa 1824 genau studierte. Er las Dutzende von Lopes Stücken, machte sich Handlungsabrisse für seine eigenen Dramen und immer zog er Lope de Vega wegen seiner »Natürlichkeit«, Erfindungsgabe und seines heiteren Uberflusses dem »manirierten« Calderón vor. 2 Aber diese unprätentiösen Notizen, ein Denkmal der Zuneigving, erreichen selten das Niveau von Literaturkritik im Sinne von Analyse und Wertbestimmung. Grillparzer ist hauptsächlich Dichter, der eine starke Abneigung gegen System, Theorie, Vorschrift und Dogma empfindet. An die historistische Doktrin von Kontinuität, Evolution, kollektiver Kreativität oder »Volksgeist« kann er nicht glauben und hält daher an der Rolle von Zufall und glücklicher Begabung fest. Über Gervinus' Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen klagt er: »Alles, was kommt, mußte so kommen; der Willkür, der Stimmung, dem Genie, der Laune ist kein Spielraum gelassen, bis aufs Blut wird alles erklärt.«3 Grillparzer leugnet die enge Verbindung von Dichtung und Geschichte. »Die Fortschritte der Kunst sind von den Talenten abhängig, und nicht von den Weltbegebenheiten. Goethe wäre derselbe große Dichter geworden, wenn es auch nie einen Friedrich den Großen gab, und die Französische Revolution, die doch drastisch genug war, hat keinen einzigen Poeten hervorgebracht.«4 Die allgemeine Auffassung, daß die Kunst überflüssig wird, erscheint Grillparzer lächerlich. »Ein Genie ist immer ein Art Wunder und kann durchaus nicht natürlich erklärt werden.«5 Auch Quellen und Traditionen erklären den Dichter nicht hinreichend genug. Grillparzer kritisiert zum Beispiel die Ansicht, daß Ariostos L'Orlando Furioso den Höhepunkt der Karlssage darstelle. Ariosto habe nichts mit den mittelalterlichen Ritterromanen zu tun: um die Sagen habe er sich nur gekümmert, soweit sie als bloßer Stoff für die Behandlung tauglich gewesen seien. Man könnte ebensogut Yoricks Sentimental Journey »unter die Reisebeschreibungen klassifizieren«.6 Gervinus fehle, bemerkt Grillparzer, die erste notwendige Bedine gung für einen Literaturhistoriker: er verstehe keine Dichtung. So wie ein Geschichtsschreiber der Chemie Chemiker sein müsse und ein Historiker der Astronomie Astronom, so müsse auch der Verfasser eines Buches über die poetisch-

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Literatur Deutschland ein Dichter sein — oder doch wenigstens poetischen Sinn haben.7 Dieser Mangel an poetischem Sinn lasse die meisten Literaturkritiker nicht über das Mittelmaß hinauskommen. Theaterkritiker seien gewöhnlich schlechte Studenten, die ihren Ärger an den Dramatikern auslassen. »Wer etwas weiß und kann, der schreibt etwas und nicht über etwas«. Der Einwand, es gebe ein besonderes kritisches Talent, beeindruckt Grillparzer nicht. »Das kritische Talent ist ein Ausfluß des hervorbringenden. Wer selbst etwas machen kann, kann auch das beurteilen was andere gemacht haben.«8 Der Standpunkt des Dichters könnte nicht nachdrücklicher vertreten werden. Für die Literaturkritik scheint es wenig Sinn oder Hoffnung zu geben. Gleichwohl zeigen die Notizbücher Grillparzers lebenslange Anstrengung, ein brauchbares Verständnis der Ästhetik zu gewinnen. Aus Eintragungen, die über Jahrzehnte verstreut sind, oft in enger Verbindung mit seiner Lektüre stehen, entsteht keine wirklich kohärente Theorie. Die Identifikation von Schönheit und »Vollendung« kommt von Baumgarten. Lessing und Kant sind ebenfalls dauernd gegenwärtig. Einige Ideen stammen von Bouterwek, den Grillparzer als besten Ästhetiker pries.9 Doch werden auch romantische Leitmotive wieder aufgegriffen: die Unterscheidung von Phantasie und Einbildungskraft, das unermeßliche Gefühl für Schönheit, die organische Auffassung des Kunstwerkes, die Anschauung, daß wahre Poesie ein »Welttropus« oder ein großes Bild sei, »nicht allegorisch, aber gewissermaßen symbolisch.«10 Grillparzers Spekulationen werden origineller, wenn er sich mit dem Drama und besonders mit dem Begriff" des Schicksals befaßt. Er ist entschieden der Ansicht, daß Schillers Begriff" der Tragödie als Sieg der Freiheit über die Notwendigkeit unzureichend ist. Er kritisiert A. W . Schlegel, der das Schicksal in die Antike verbannt. Schicksal in der griechischen Tragödie bedeute Verschiedenes. Die Vorsehung, sein angebliches christliches Gegenstück, würde die Tragödie unmöglich machen. Schicksal, argumentiert Grillparzer, könne im modernen Drama sehr gut als der Determinismus der Natur eingesetzt werden, als ein Tropus der Weltordnung. Es könne als die »dunkle Ahnung« der Charaktere selbst erscheinen.11 Doch Grillparzer, der mit einer kruden Schicksalstragödie, Die Ahnfrau (1816), komplett mit umherirrendem Geist und Familienfluch, begonnen hatte, wendete sich später von diesem strengen Determinismus ab. Einerseits fordert er als guter Klassizist immer noch, daß Wahrscheinlichkeit, strenge Kausalität und das »Gefühl der Notwendigkeit« die »innere Form des Dramas« ausmachen. Das Drama müsse »Gegenwart« darstellen. Selbst die Einheiten werden als Mittel zu diesem Zweck gerechtfertigt. Andererseits liebt Grillparzer Lope de Vega, er bewundert Shakespeare und sogar Beaumont und Fletcher und preist folglich als den höchsten Dramantyp denjenigen, dem es gelinge, selbst Zufälle, zufällige Ereignisse, »die Inkongruenzen der Natur zur Geltung und Wirklichkeit (zu) bringen.« Was »durch seine bloße Existenz Glauben erzwingt« sei ein erfolgreiches Stück. Daher behandelt Grillparzer die Gestik und Pantomime seiner Stücke mit großer Aufmerksamkeit und hält, merkwürdig genug, sogar den

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Dialog für »episch«.12 Darin bestehe die Überlegenheit des historischen Dramas oder des Dramas, das auf allgemein anerkannten Mythen beruhe. Medea werde, wie wir ja wissen, ihre Kinder ermorden, und der Dramatiker brauche sich deshalb nicht Gedanken darüber zu machen, die Tat so sorgsam zu motivieren wie bei der Tat eines fiktiven Charakters. Aber nach Grillparzers Ansicht ist Geschichte nichts Heiliges. Der Dramatiker sei kein Historiker wie uns die Hegelianer oder Hebbel Glauben machen wollten. Von dem Dramatiker zu verlangen, er solle die Geschichte treu darstellen, sei so ungerechtfertigt wie eine genaue Nachahmung der Natur zu fordern. Geplagt von der kleinlichen österreichischen Zensur und beunruhigt durch die nationalistische Entrüstung, die seine Tragödie König Ottokar von Böhmen erregt hatte, verteidigte er sein Recht, die Geschichte nach Belieben zu verändern wie es auch Schiller und Shakespeare getan hätten.i3 Das Drama, plädiert Grillparzer, müsse nach seiner Wirkung auf der Bühne beurteilt werden. Kunst oder Form sei einfach, der »Komplex der Mittel, seine Gedanken lebendig auf den Zuhörer übergehen zu lassen.« Das Publikum möge kein guter Richter sein, aber es stelle eine zuverlässige Jury dar.14 Nach seinen späteren Mißerfolgen auf der Bühne hüllte er sich vorzeitig in Schweigen. Grillparzers starker Patriotismus und seine Loyalität gegenüber den Habsburgern brachten ihm scharf den Unterschied zwischen Österreich und Deutschland in der Literatur zum Bewußtsein. Er mißtraute dem virulenten germanischen Nationalismus, der in Deutschland aufkam, die Bewunderung für die Volkspoesie und die deutsche mittelalterliche Literatur teilte er nicht. Er verteidigte sogar die französischen Klassiker, vor allem Corneille.15 Die deutschen Romantiker liebte er wenig, obwohl er das vergeudete Talent Zacharias Werners bewunderte als des seiner Begabung nach drittgrößten deutschen Dichters.16 Er verabscheute die Jungdeutschen, ihren politischen Liberalismus und kurzsichtigen Journalismus. Er hatte Heine in Paris besucht und sah ihn mit zwei grisettes zusammenleben. Trotz seines Witzes und seines richtigen Gefühls ist er in Grillparzers Augen »ein lumpiger Patron«.17 Dem jungen Hebbel, der sein Rivale in Wien geworden war, wich Grillparzer aus. Er schlug eine Einladung zu einem Essen aus, an dem Hebbel anwesend sein sollte, und kommentierte: »Der Mann weiß alles. Er weiß zum Beispiel, wie unser Herrgott entstanden ist, ich aber weiß das nicht, und so kann ich mit ihm nicht sprechen.«18 Bescheidenheit, gesunder Menschenverstand, echtes Empfinden seien, so hoffte Grillparzer wenigstens, die alten österreichischen Tugenden.19 Es sind sicherlich die Tugenden von Grillparzers Literaturkritik. Obwohl ihr die spekulative, analytische Kraft fehlt, ist sie ein schönes Dokument für die Anstrengung eines Künstlers, seine Praxis sich selbst gegenüber zu rechtfertigen, seine Empfindungen über Kunstwerke niederzuschreiben, bescheiden, schlicht, wenn auch oft beißend, wie es seinem einsamen, verbitterten, gehemmten Temperament entsprach. Grillparzer gehört, wenigstens seiner Literaturkritik nach, zu einem Zeitalter, das der Romantik im strengen deutschen Sinne vorausging: selbst seine Vorliebe

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für Lope de Vega widerspricht der Vergötterung Calderöns durch die Gebrüder Schlegel. Die Gebrüder Schlegel selber hatten keine unmittelbaren Nachfolger, aber die jüngeren Romantiker, besonders die Gebrüder Grimm, regten eine ungeheure, gelehrte Tätigkeit an, welche auf die mittelalterliche Literatur und die germanische Vorzeit gerichtet war. Ludwig Uhland (1787—1862), zu seiner Zeit ein Dichter mit großem Ansehen, war als Kritiker in ihrer Nachfolge ihr hervorragendster Schüler. Sein Werk erlangte nicht das Ansehen, das ihm zugestanden hätte, weil vieles zu seinen Lebzeiten entweder unveröffentlicht oder an entlegener Stelle gedruckt war. Erst die posthumen Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage (1865—73) enthüllten Umfang und Eigenart seines Werkes. Als ganz junger Mann schrieb Uhland einen Aufsatz mit dem Titel »Über das Romantische« (1807), der die Hauptschlagworte der Zeit wiederholt: das Unendliche, das Nordische, das Christliche. Als Uhland im Jahre 1810 nach Paris ging, studierte er altfranzösische Manuskripte und schrieb eine bemerkenswerte Dissertation über das altfranzösische Epos. Zwar immer noch auf sehr ungenügender Kenntnis beruhend, ist es doch der früheste Versuch zu zeigen, daß es ein altfranzösisches Helden-Epos gab, im Stil völlig verschieden von den Ritterromanen und eher mit den Epen Homers und der Nibelungensage vergleichbar. Uhland setzt ein altes Chanson de Roland voraus, das man noch nicht wiedergefunden habe, und nimmt alles in allem die Theorien Pio Rajnas vorweg was die alte germanische Grundlage des chanson de geste betrifft. 20 Uhlands zuerst veröffentlichtes gelehrtes Werk, Walther von der Vogelweide (1822), stellt eine ebenso gründliche Leistung dar. Vor Uhland hielt man den deutschen Minnesang fast immer für Liebesdichtung, und zwischen den einzelnen Dichtern wurde nicht sehr deutlich unterschieden. Uhland stellte Walther entschlossen als einen politischen Dichter dar, der »die Gegenwart ergriffen« habe, 21 und eher als einen Dichter der sinnlichen »niederen« Liebe denn als Minnesänger, der nach seiner idealisierten Dame schmachtet. Als Uhland im Jahre 1829 zum Professor an der Universität Tübingen berufen wurde, begann er sofort mit einem Vorlesungszyklus der, wenn er zu jener Zeit veröffentlicht worden wäre, bei weitem die beste Geschichte der älteren deutschen Literatur dargestellt hätte. Die Einführung verkündet ein eindrucksvolles Programm der literarischen Geschichtsschreibung. Eine gute Geschichtsdarstellung müsse poetische Ideen, Figuren und Formen ausbreiten und »den Gang dieser Entwicklung« nachzeichnen.22 Bloße Beschreibung von Werken nach Gattungen oder die Erläuterung der Bedingungen und Einflüsse, unter denen das Werk entstanden sei oder selbst kritische Bewertung reichten nicht aus. Uhland nennt seine Methode »organisch« oder entfaltend, doch in der Praxis konzentriert er sich auf die Rekonstruktion des alten germanischen Heldenmythos und auf die Betrachtung der religiösen Legenden, der Ritterromane, der höfischen Liebesdichtung und der didaktischen Versdichtung. Er nimmt an, daß diese verschiedenen Arten ungefähr in chronologischer Reihenfolge entstanden sind und den Ver-

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änderungen im sozialen Status ihrer Urheber entsprechen — von dem mythischen Volk über den Geistlichen und den Ritter schließlich zum Bürger. Wie die Gebrüder Grimm versucht er, den »poetischen Kern« herauszukristallisieren, den Urmythos hinter den vorliegenden Werken. Der Mythos müsse aus ihnen herausgezogen, gereinigt und sein Geist müsse befreit werden, damit seine Gestalten und Formen klar hervortreten." Daher kann Uhland dessen Geschichten wiedererzählen und sie häufig suggestiver darstellen, als sie es ihren weitschweifigen oder ungeschliffenen Originalen nach sind, und er kann ebenfalls eine glühende Beschreibung ihrer Ethik der Treue geben, die oft poetisches Ideal und historische Wirklichkeit verwechselt. Während Uhlands Methode und allgemeine Überzeugung mit der der Gebrüder Grimm übereinstimmen, besitzt er eine realistischere Auffassung von der Entstehung des Nibelungenliedes; er argumentiert, daß der Autor, der ja nicht auch Erfinder des Mythos gewesen sei, immer der Dichter des Liedes bleibe, wie wir es kennend Je weiter die Vorlesungen fortschritten, umso mehr ließen Uhlands Kompetenz und Interesse nach. Wohlwollend stellt er Wolfram von Eschenbach dar, übergeht aber Gottfried von Straßburg. Die Abschnitte über die deutsche Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts enttäuschen, weil Uhland wenig Verständnis für Humanismus und Theologie zeigt. Nur der Teil über Fischart, den deutschen Bearbeiter und Nachahmer Rabelais', ist originell und wertvoll. Einem richtigen Instinkt folgend ging Uhland wieder zurück, las über Sagengeschichte der germanischen und romanischen Völker (1831—32) und behandelte den Heldenmythos im Vergleich mit anderen Nationen. Uhlands Gelehrtenlaufbahn wurde dann von der Politik unterbrochen, und erst später kam er dazu, deutsche Volkslieder zu sammeln und herauszugeben. Im Gegensatz zu Des Knaben Wunderhorn ist seine Sammlung Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder (1844) auf frühe Texte begrenzt, die vor dem 17. Jahrhundert überliefert sind, und sie werden mit gewissenhafter Ehrlichkeit herausgegeben. Uhland hatte die seltsame romantische Idee, sich vorzustellen, daß die Lieder gemäß irgendeiner spekulativen Ordnung der Empfindungen entstanden seien, doch die Gruppierung in »Sommer- und Winterlieder«, »Tierfabeln«, »Rätsel und Wünsche« und »Liebesgedichte« ist nicht schlechter als irgendeine andere. Leider wurde Uhland in späteren Jahren weniger kritisch und zunehmend provinzieller. Viel Energie wandte er auf, um zu beweisen, daß Schwaben das Ursprungsland der germanischen Mythen sei, und widmete sich allegorischen Interpretationen. Die umfassende, achtbändige Sammlung seiner Prosa enthält nur die Anfänge seiner ungeheuren Projekte: eine mittelhochdeutsche Literaturgeschichte, eine germanische Mythologie, Studien zu deutschen Volksliedern und Legenden. Doch es gibt genug fertige Arbeiten, die Uhland nach den Gebrüdern Grimm zum hervorragendsten Forscher der frühen Germanistik machen. Der feine lyrische Dichter, Joseph von Eichendorff (1788—1857), war Student in Heidelberg, als Arnim und Brentano das Wunderhorn veröffentlichten und in die allgemeine Begeisterung für die Volkspoesie mit einstimmten. Spät in seinem

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Leben schrieb Eichendorff vier Bücher zur Literaturgeschichte, von denen seine Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands (1857) das umfassendste ist.2^ Diese Bücher verdienen als frühe Versuche Beachtung, die Literatur von einem konsequent römisch-katholischen Standpunkt aus zu beurteilen. Eichendorff arbeitet ein einfaches historisches Schema heraus: die ganze Geschichte seit dem Mittelalter falle von der idealen Vereinigung von Dichtung und Religion ab. Nach der Reformation erscheine ein Riß im Menschen. Entweder beanspruche das Gefühl oder der Verstand die alleinige Herrschaft. Sentimentalität, Lehrdichtung und die pantheistische Religion der Humanität seien die schreckliche Folge. Die romantische Bewegung (und das würde heutige Kritiker einer »Auflösung der Sensibilität« überraschen) erscheint Eichendorff als eine große und heroische Anstrengung, die Einheit von Dichtung und Religion wiederherzustellen. Eichendorff legt besonderen Nachdruck auf die zum römischen Katholizismus Bekehrten, auf Friedrich Schlegel, Zacharias Werner und Adam Müller, er lobt die, welche als Katholiken geboren wurden und den Weg zurück zur Kirche gefunden haben wie Clemens Brentano, und sucht nach Anzeichen katholischer Neigungen bei denen, die Protestanten geblieben sind, bei Tieck, Novalis und Arnim. Da er das endgültige Ergebnis berücksichtigt, beurteilt Eichendorff nachsichtig und ohne Prüderie die langen Verirrungen Brentanos und Werners. In dem Falle des unerschütterlichen Protestanten Arnim, bei dem er keine Anzeichen einer Wandlung feststellen kann, akzeptiert Eichendorff recht mühelos moralischen Eifer als Ersatz für den Katholizismus und nennt ihn »wesentlich Katholischer... als die meisten seiner Katholizisierenden Zeitgenossen«.26 Das zerstörte Leben E. T. A. Hoffmanns und Kleists dient ihm als warnendes Beispiel: die Zuflucht des Glaubens sei ihnen versperrt gewesen. Eichendorffs Bücher sind größtenteils unmittelbare Kritik an den Menschen, ihrem Verhalten und ihren Gesinnungen, aber er wendet auch ästhetische Kategorien auf literarische Werke an. Die Dichtung müsse symbolisch sein und immer das zentrale Problem lösen, das Ewige im Wirklichen zu verkörpern. Die Idee müsse Bild werden. 27 Eichendorff lobt Wolframs Parzival als den Gipfel der mittelalterlichen Dichtung, lobt Calderón (dessen autos er übersetzte) als den größten Dramatiker und kritisiert streng Schillers Dramen, die ihm rhetorisch und abstrakt erscheinen.28 Im Detail sind diese Bücher oft nachlässig gearbeitet oder von Gervinus und anderen Gelehrten abgeschrieben und die Vorurteile erscheinen allzu hartnäckig und aufdringlich. So dient Shakespeare dazu, den Verfall des Katholizismus zu beklagen, und die Tatsache, daß Hamlet nach Wittenberg studieren ging, wird dahingehend interpretiert, daß Shakespeare dort den Sitz des ätzenden Skeptizismus gesehen habe.29 Eichendorffs Literaturgeschichten gehören in die neue Atmosphäre Mitte des 19. Jahrhunderts, als ideologische Streitfragen scharf diskutiert und ästhetische Kriterien herabgesetzt oder vergessen wurden. Eichendorffs Geschmack und seine menschliche Nachsicht bewahren ihn vor den schlimmsten Konsequenzen dieses dogmatischen Standpunktes.

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Dennoch spiegelt er die allgemeine Umwandlung der Literaturkritik in ein Instrument des ideologischen Kampfes wider. Dieser Kampf war um die Person Goethes entbrannt. Goethes Ruhm (nach der vorübergehenden Beliebtheit von Werther und Goetz), war zum großen Teil früh im Jahrhundert von den Gebrüdern Schlegel begründet worden. Goethe hatte auch andere ergebene Bewunderer und Interpreten gefunden. Schon 1799 schrieb Wilhelm von Humboldt (1767—1835), der große Sprachforscher, ein unglaublich pedantisches, weitschweifiges Buch über Hermann und Dorothea als Illustration der epischen Theorie. F. W . Solger schrieb eine prätentiöse Analyse der Wahlverwandtschaften (1809) als einer Tragödie. In Berlin gab es einen eifrigen Goethekult, dessen Zentrum Varnhagen von Ense (1785—1858) und seine Frau Rahel Levin (1771—1833) waren. Die Bücher über Goethe vervielfachten sich sogar schon zu seinen Lebzeiten. Carl Ernst Schubarth (1796—1861) schrieb ein zweibändiges Werk (1820), das die erste ausgedehnte allegorisierende Interpretation des Faust gab.30 Von diesen frühen Interpreten scheint Carl Gustav Carus (1789—1869) — ein Arzt, Naturphilosoph, Landschaftsmaler und Psychologe 31 — das tiefste Verständnis und die größte Sympathie für Goethes Geist gehabt zu haben. Carus korrespondierte mit Goethe, hauptsächliche über anatomische Probleme, und besuchte ihn einmal in Weimar. Seine beiden kleinen Bücher über Goethe, Briefe über Goethes Faust (1835) und Goethe zu dessem näheren Verständniss (1843) sind von einem naturwissenschaftlichen, »physiologischen« Standpunkt aus geschrieben. Er betrachtet Goethe als eine physische und psychische Totalität, wie er »eine Pflanze, eine Palme, einen Adler, einen Löwen« betrachten würde. 32 Carus betont Goethes körperliche und geistige Gesundheit (die gelegentliche Krankheiten nicht ausschließt), seinen schönen Körperbau und damit zusammenhängend seine Fähigkeit, sich zu entwickeln und zu verwandeln. Goethes Leben sei ein »Kunstwerk«, die »Pyramide seines Daseins« (Goethes eigener Ausdruck), Ergebnis einer inneren organischen Evolution, die sowohl physisch als auch psychisch sei. Doch Carus ist gegenüber Goethes Leistung nicht vollkommen unkritisch. Goethes Entsagung spiegele ein Unvermögen wider, von sich selbst zu geben, und seine strenge, steife Erscheinung im hohen Alter sei eine Schutzhülle für seine innere Weichherzigkeit. Diese Auffassung Goethes als Person wird geschickt durch die Untersuchung seiner Schriften gestützt. Carus interpretiert Goethes Wort, sein Werk sei eine einzige große Konfession, nicht im autobiographischen Sinne, sondern als Reinigung, durch die all das entfernt werde, was seine geistige Gesundheit gefährde. Carus bekämpft energisch Goethes Identifizierung mit Tasso, Faust oder Wilhelm Meister. Er interpretiert Faust entsprechend dem »genetischen« Prinzip: als eine Folge von Verwandlungen. Aber im Gegensatz zu vielen Kommentatoren erkennt Carus, daß Faust nur das Vorgefühl des Glücks selbstloser Liebe zur Menschheit erlebt und lediglich durch übernatürliche Gnade gerettet 12 Wellek, Literaturkritik 2

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wird. Die Fmwi-Dichtung sei »mehr beendet als vollendete Carus Schriften halten sich nicht nahe genug an die Texte, um große Literaturkritik zu sein, aber ihre Methode bedeutet eine interessante Variation der Hauptthemen der deutschen Romantik: organische Anschauung, Evolution und Individualität, diese verstanden sowohl als physisches wie auch als geistiges Sein. Goethe sei ein exemplarischer Mensch geworden, der repräsentative Deutsche. Dennoch meldete sich aus fast jeder Richtung der Widerstand gegen Goethe. Konservative lutherische Kreise hatten ihn viele Jahre lang aus moralischen und theologischen Gründen streng kritisiert.34 Wolfgang Menzel (1798—1873) jedoch war der erste, der die Kritik von einem nationalistischen Standpunkt aus vortrug. Menzels Die deutsche Literatur (1828) ist kein so flaches Buch, wie es nach den lärmenden Angriffen auf Goethe scheinen könnte. Menzel besaß einige außergewöhnliche Erkenntnisse. Er war zum Beispiel einer der frühen Bewunderer des vortrefflichen Schweizer Bauerndichters Jeremias Gotthelf und er lobte Hölderlin zu einer Zeit, in der Hölderlin beinahe vergessen war. Im Grunde war Menzel ein Romantiker, aufgewachsen im Geist der Befreiungskriege gegen Napoleon. Er bewundert Schelling und Tieck als die größten Meister der Philosophie und Dichtung. Er lobt die Deutschen wegen ihrer »Innerlichkeit, Sinnigkeit, Beschaulichkeit«,35 obwohl er sie wegen ihres Mangels an nationalem und bürgerlichem Stolz rügt. Der Angriff auf Goethe ist zum Teil politisch motiviert: Goethe sei kein guter Deutscher gewesen, weil er sich in der Zeit nationaler Not auf das Studium des Chinesischen zurückgezogen habe. Der Angriff ist auch moralisierend; Menzel tadelt Goethes Sinnlichkeit und sein Heidentum; und er ist literarisch: Goethe sei der große Eklektiker, der große Imitator aller ausländischen literarischen Bewegungen und Moden — ein Meister weiblicher Hingabe mit dem Talent einer griechischen »Hetäre«, ein Chamäleon. 36 Goethes Fähigkeit zur Verwandlung und Entwicklung, Goethes Aufgeschlossenheit den Einflüssen der Weltliteratur gegenüber und Goethes Verständnis für die Frauen sind lediglich deshalb so negative Züge, weil sie Menzels Idealen von dogmatischer Starrheit, ungeschminktem Nationalismus und Männlichkeit entgegenstehen. Menzels grobes aber eloquentes Buch entsprach dem Verlangen nach einer lesbaren Darstellung der deutschen Literatur seiner Zeit. Es wurde zum Beispiel von Margaret Füller ins Englische übersetzt und war Anlaß für einen langen, polemischen Artikel von Belinskij. Heine lobte es als einen frühen Überblick und meldete nur geringe Vorbehalte gegen die Beurteilung Goethes an. Mündt und Gervinus lernten für ihre Darstellungen der Geschichte der deutschen Literatur unverkennbar von Menzel. 37 Die ebenso heftige Ablehnung Goethes durch Ludwig Börne (1786—1837) war ganz anders motiviert. Börne, der radikale Journalist und Essayist, war ein ehrlicher Moralist und liberaler Theoretiker. Er war wirklich mit sich uneins: die relativistische oder skeptische ästhetische Anschauung kämpfte mit einer politischen Ge-

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sinnung, die den ewigen Wahrheiten republikanischer Freiheit huldigte. Er schrieb sehr viele Dramenkritiken und rezensierte viele Bücher, erklärte aber unverblümt, daß er nichts von dramatischen Theorien verstehe und sich sogar noch weniger daraus mache.38 Er kenne nur ein Ziel: die Einheit von bürgerlichem Leben, Wissenschaft und Kunst oder, in der Praxis, die Aufhebung der Kunst durch das »Leben«, das für ihn Politik bedeutet. Rückblickend auf seine eigene Theaterkritik schreibt er: Ich sah im Schauspiel das Spiegelbild des Lebens, und wenn mir das Bild nicht gefiel, schlug ich, und wenn es mich anwiderte, zerschlug ich den Spiegel. Kindischer Zorn! In den Scherben sah ich das Bild hundertmal. Ich war bald dahinter gekommen, daß die Deutschen kein Theater haben, und einen Tag später, daß sie keines haben können. Das erstere war mir gleichgültig, — man kann ein sehr edles, ein sehr glückliches Volk sein, ohne gutes Schauspiel — aber das Andere betrübte mich.39 Die Deutschen können kein Theater haben, wir brauchen kaum fortzufahren: weil sie nicht frei seien und Freiheit das Fundament aller Kunst sei. Doch Börne besitzt keine historische Perspektive. Selbst eine Besprechung von Hamlet behandelt Hamlet als eine Allegorie des willenlosen Deutschland. Eine Aufführung von Schillers Wilhelm Teil dient nur als Vorwand, um Teil als einen deutschen Spießbürger zu verspotten.40 Eine Rede auf Jean Paul nach seinem Tode (1825) feiert ihn mit glühender Beredsamkeit: er sei der »Dichter der Niedergeborenen, der Sänger der A r m e n . . . der Jeremias seines gefangenen Volkes« gewesen.41 Die Briefe aus Paris loben P.-L. Courier, Beranger, Hugo und sogar Paul de Kock, vor allem, weil sie Liberale sind. Die berühmten Angriffe auf Goethe müssen auch als politische Aktion verstanden werden. Börne kritisiert nie ein Werk Goethes. Er beurteilt nur seinen Charakter und seine politische Gesinnung. Höchst wirkungsvoll sammelt er aus den Tagsund Jahresheften alle die ehrerbietigen Äußerungen Goethes, die dessen Bewunderung für den Adel und den Weimarer Hof belegen, doch er verkennt die Bedeutung von Bettinas Heldenanbetung in Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (1835), wenn er das Buch für eine Entlarvung Goethes als eines erbärmlichen Egoisten und gefühllosen Olympiers hält.42 Börne ist im Grunde ein Mann der Aufklärung, der gerne dem Polemiker Lessing nacheifern würde, wenn auch schwerlich dem Ästhetiker Lessing. Er hat sich irgendwie der ganzen deutschen Entwicklung von Herder bis zu den Romantikern entzogen: er ist ein didaktischer Moralist, neu und bedeutend nur, was die ausschließlich politischen Maßstäbe betrifft (die für ihn moralische sind), die er in der literarischen Diskussion einführte. Heine, den Börne in späteren Jahren angriff, wird gewöhnlich mit ihm zusammen genannt. Aber er unterscheidet sich gründlich von ihm. Heine hörte nie auf, Dichter zu sein und verlor nie das Verständnis für das Wesen der Kunst.

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Heine ist als Schriftsteller so viel brillanter, geistreicher, gewandter und schlagfertiger und als Dichter (besonders, was sein Ansehen außerhalb Deutschlands betrifft) so viel größer als seine deutschen Zeitgenossen, daß selbst sein kritisches Werk die Geringschätzung überlebt hat, die dem ihrigen entgegengebracht wurde. Man kann Heines Kritik als Kommentar zu seiner ideologischen, politischen und religiösen Entwicklung betrachten — als polemischen Kommentar zu seiner Selbstbestimmung. Die vielen Äußerungen über Goethe versetzen diesen als einen bewunderten, aber überwundenen »olympischen« Klassiker in die unwiederrufliche Vergangenheit. Die Satire über Platen in Die Bäder von Lucca (1829) rechnet mit einem virtuosen akademischen Formalismus ab, wenn der Angriff auch zum großen Teil Platens homosexuellen Neigungen gilt. Mit seinem Buch Die romantische Schule (1833), seiner geschlossensten kritischen Arbeit, löst sich Heine von seiner eigenen Vergangenheit. Hier bricht er mit den Gebrüdern Schlegel, mit Tieck, Jean Paul, Novalis, Hoffmann, Arnim und Brentano, die die Vorbilder seiner Jugend waren, und hier verwirft er die ganze Idolatrie des Mittelalters, Mystizismus, sentimentales Träumen und germanischen Patriotismus. Mit seinem Schwabenspiegel (1838) wird die antiromantische Kritik auf die lokalen, provinziellen und trivialen Nachahmer der deutschen Volkspoesie ausgedehnt. Das Buch über Ludwig Börne (1840) zieht zu den radikalen und revolutionären Verbündeten eine Grenze, mit denen Heine in den Augen der Öffentlichkeit identifiziert worden war auf Grund seines Exils in Paris und des Etiketts »Junges Deutschland«, das ihm durch den Beschluß des Bundestages aufgezwungen worden war. Heine sieht in Börne den T y p eines neuen Fanatikers. Ziel der Nazarener, der Juden und der asketischen Spiritualisten sei es, die Hellenen, die Heiden, die Sensualisten auszurotten, zu deren Partei sich Heine zählt. Heine, Jude von Geburt und Liberaler durch lebenslage Uberzeugung, eignet sich die SaintSimonistische Lehre der »Emanzipation des Fleisches« an und fürchtet, daß die ganze moderne Zivilisation, »die mühseligen Errungenschaften so vieler Jahrhunderte, die Frucht der edelsten Arbeiten unserer Vorgänger« durch einen Sieg des Kommunismus oder der egalisierenden Demokratie gefährdet sei.1 Die verstreuten Äußerungen, die Freiligrath, Herwegh und Dingelstedt als zaghafte Dichter der »Freiheit im allgemeinen« verspotten, sind Versuche, die Verbindung mit der neuen rhetorischen, politischen Dichtung aufzukünden. Aber wir haben es in dieser Geschichte immer abgelehnt, die Kritik bloß wegen des Lichts darzustellen, das sie auf die Biographie und die anderen Schriften eines Kritikers wirft. Es wäre auch möglich, Heines Prosaschriften (oder die Mehrzahl von ihnen nach seiner Ankunft in Paris im Mai 1831) als eine Episode in den deutsch-französischen kulturellen Beziehungen zu betrachten. Die romantische Schule (1833) und das Pendant dazu, Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland (1834)

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wurden in ihren französischen Fassungen als Reaktion auf Madame de Staëls De l'Allemagne angesehen. Heine wollte das Deutschlandbild korrigieren, das Madame de Staël den Franzosen präsentiert hatte. Inspiriert von ihrem Haß auf Napoleon habe Madame de Staël die deutsche Geistigkeit, Ehrlichkeit, Tugend und Kultur verherrlicht, habe aber »unsere Zuchthäuser, unsere Bordelle, unsere Kasernen« nicht gesehen.2 Ihr Zugang zu der deutschen Philosophie sei völlig dilettantisch: sie habe »Kant als Sorbet von Vanille, Fichte als Pistache, Schelling als Arlequin« verschlungen. Ihre Bewunderung für die deutschen Romantiker habe sie blind für ihre wirkliche Bedeutung gemacht.3 Heine versichert den Franzosen, daß die deutsche Philosophie weit davon entfernt sei, harmlos zu sein: daß sie verhüllter Atheismus sei, die größten revolutionären Umwälzungen vorbereite und daß die deutsche Romantik bloß dünn verschleierter römischkatholischer Obskurantismus sei. Die deutschen romantischen Dichter seien »ein Haufen W ü r m e r . . . die der heilige Fischer zu R o m sehr gut zu benutzen weiß, um damit Seelen zu ködern.«4 Heines weitere Berichte aus Paris — Französischen Maler (1831), Französische Zustände (1832) und die späteren Artikel, gesammelt als Lutezia (1854) — stellen den Deutschen nicht nur die Politik in der Metropole Europas dar, sondern auch Malerei, Musik, Theater und Literatur der Zeit. Dieser exzellente, geistreiche, scharfsinnige Journalismus nährt sich von Heines ausgedehnten persönlichen Verbindungen in Paris. Er bringt es fertig, ein Gefühl für die ungeheure Gärung dieser Jahre in Frankreich zu vermitteln, ein Gefühl für den Reichtum der Zeit im Gegensatz zu der stickigen Atmosphäre des von der Zensur beherrschten Deutschland. Heute jedoch erscheinen Heines Bewertungen und Urteile von seiner politischen und persönlichen Perspektive verzerrt. Folgerichtig lobt er George Sand: »Der größte Schriftsteller, den das neue Frankreich hervorgebracht« habe.5 Musset betrachtet er »jedenfalls... nach Béranger« als den größten lebenden französischen Dichter, obwohl er ihn auch angreift, »Gassenjunge« nennt und auf den Ruin seines persönlichen Lebens anspielt. Seine Komödien lobt er als denen Shakespeares in ihrer Stimmung ähnlich, und Mussets frühen Byronschen Pessimismus hielt Heine für bloße Affektiertheit — wenn auch für eine Affektiertheit, die das Leben beklagenswert als Realität bestätigt hatte.6 Das Lob Balzacs als eines Frauenkenners, der die Frauen untersuche »wie ein Naturforscher irgendeine Tierart oder ein Pathologe eine Krankheit«7 klingt eher herablassend. Es fällt auch schwer, das überspannte Lob Edgar Quinets, den er einen großen Dichter nennt, »ein Deutscher, eine gute deutsche Haut« ernst zu nehmen, wenn Heine Quinets Person und seine Stiefel verspottet,8 oder eine Charakteristik von Vignys Talent und Geist als »auf das Zierliche und Miniaturmäßige gerichtet« sehr überzeugend zu finden.9 Heine hatte manche Vorbehalte gegenüber französischen Dingen: nie gab er seine Abneigung gegen den französischen Alexandriner auf, der ihm als bloßes »gereimtes Rülpsen« 10 erschien, und ganz konsequent verurteilte er das französische romantische Drama. Hugo lehnte er aus vielen Gründen ab : seine Stücke scheinen

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Heine künstlich, kalt und geschmacklos zu sein, Hugo sei sowohl psychisch wie auch physisch ein Buckliger und Les Burgraves sei »versifiziertes Sauerkraut«.)1 Sainte-Beuve gleiche dem Schildknappen des Königs von Darfour im dunkelsten Afrika, der mit der lautesten Stimme schreie: »Seht da den Büffel, den Abkömmling eines Büffels, den Stier der Stiere, alle andre sind Ochsen, nur dieser ist der rechte Büffel!« Mit jedem neuen Werk, mit dem Hugo vors Publikum getreten sei, stieße Sainte-Beuve »in die Posaune und lobhudelte den Büffel der Poesie.«12 Man wird kaum überrascht sein, daß Heine Chateaubriand für einen ausgesprochenen Narren hält, einen »Polichinell, der seine Marotte den Leuten vorhält: ,Ecco il vero cruce'.«13 Wenn Heine unerwartete Begeisterung für Lamartine zu zeigen beginnt, den er früher wegen seines Spiritualismus abgelehnt hatte, so nur wegen dessen durch und durch liberaler Histoire des Girondins,14 Die politischen Rücksichten stoßen alle anderen Erwägungen um: die literarischen Vorstellungen sind nebensächlich. Weder die polemischen Auseinandersetzungen mit seinen deutschen Zeitgenossen noch die Rolle eines deutsch-franzosischen Vermittlers würden Heine zu einem bedeutenden Kritiker machen. Auch läßt sich wenig zugunsten einer buchhändlerischen Spekulation wie etwa Shakespeares Mädchen und Frauen (1838) sagen. Heines Kommentar zu den romantischen Erläuterungen Shakespeares stützt sich stark auf Hazlitt, Mrs. Jameson und Guizot.15 Sein Interesse bleibt rein zufällig, so etwa die Verteidigung Shylocks und die Angriffe auf Tiecks Interpretationen von Lady Macbeth und Ophelia. Die lange Einleitung zu einer illustrierten Ausgabe von Don Quijote (1835) bewegt sich auf gleichem Niveau — eine lebendige Wiederholung der deutschen romantischen Auffassung. Die wirkliche Bedeutung der Literaturkritik Heines liegt eher in der seltsamen Zweideutigkeit seiner theoretischen Position. Die persönliche und ideologische Färbung nahezu aller seiner Schriften läßt Heines Einsicht in die Natur der Dichtung und den Rang der Kunst umso bemerkenswerter erscheinen. Als einziger der neuen Liberalen, die mit der romantischen Vergangenheit gebrochen hatten, bewahrte er eine kohärente Theorie der Dichtung. Seine boshafte Verunglimpfung A. W. Schlegels — für die Schlegels Eitelkeit, seine Beziehungen zu Madame de Staël und der Skandal der zweiten Ehe die hauptsächlichen äußeren Anlässe waren — hinderten Heine nicht, die grundlegenden Einsichten seines alten Lehrers zu bekräftigen. In der Theorie verurteilt Heine bloße Tendenzpoesie und verteidigt die Autonomie der Kunst. »Weder der Religion, noch der Politik soll sie als Magd dienen, sie ist selber letzter Zweck, wie die Welt selbst.«16 Bei der Erörterung Goethes schrieb Heine beipflichtend: »Ich stimme daher ganz überein mit jener erhabenen Ansicht«, daß die Kunst »eine unabhängige zweite Welt« erschafft, » . . . denn in der Kunst gäbe es keine Zwecke, wie in dem Weltbau selbst, wo nur der Mensch die Begriffe, .Zweck und Mittel' hineingrübelt: die Kunst, wie die Welt sei ihrer selbst willen da.« Später verbesserte Heine, »Ich kann aber dieser

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Ansicht nicht unbedingt huldigen.«17 Zweifellos leugnet er häufig die Autonomie der Kunst. Er lobt die Schriftsteller des »Jungen Deutschland«, »die keinen Unterschied machen wollen zwischen Leben und Schreiben, die nimmermehr die Politik trennen von Wissenschaft, Kunst und Religion, und die zu gleicher Zeit Künstler, Tribüne und Apostel sind.«18 Konfrontiert mit Zeitgenossen urteilt Heine meistens nach ideologischen Kriterien. Antiklerikalismus, Liberalismus, Widerwille gegen die Deutschtümelei beeinflussen jede Äußerung. Ganz überzeugt verstand er sich selber zuallererst als ein Soldat im Kampf der Humanität. Diese Widersprüche lösen sich jedoch auf, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Heine eine evolutionäre Geschichtsauffassung vertritt, die von Hegel und von den Brüdern Schlegel abstammt. Die Entwicklung der Künste wird als streng parallel vorgestellt, jede repräsentiere ihr Zeitalter, jede sei von einem einigenden Geist erfüllt. Heine spielt mit der romantischen Analogie, wenn er das Nibelungenlied mit einer versifizierten Kathedrale vergleicht oder die Verzerrungen der mittelalterlichen Malereien als Ergebnisse des christlichen Spiritualismus erklärt. Er mißbilligt den neugotischen Baustil, weil man nicht eine ältere Denkungsart wieder erwecken könne und dürfe.19 In kritischen Anmerkungen zu einem Besuch der Kathedrale in Amiens klagt er, daß wir Modernen nur noch Meinungen und keine Überzeugungen mehr haben, und »es gehört etwas mehr als eine bloße Meinung dazu, um so einen gotischen Dom aufzurichtend" Diese organische Einheit sieht er auch in der Renaissance verwirklicht, als die Werke der Künstler »das träumende Spiegelbild ihrer Zeit« gewesen seien, als die Künstler »in heiliger Harmonie mit ihrer Umgebung [lebten]; sie trennten nicht ihre Kunst von der Politik des Tages.« Dagegen sei die deutsche Klassik eine Periode der künstlichen Trennung von Kunst und Leben, des Widerspruches gegen den Zeitgeist gewesen. Sein eigenes Zeitalter stelle die Stufe des Uberganges dar, in der Subjektivität und Individualität sich ungehindert austoben können und sollen. Er hoffe aber gerade auf eine neue Kunst, die die Kunst wieder mit dem Leben und der Gesellschaft versöhnen werde. Ihre Symbole werde sie nicht von der Vergangenheit leihen, sondern möglicherweise sogar eine neue Technik entdecken.21 So kann Heine bei seiner Kritik von drei Perioden und drei Kriterien ausgehen und mit ihnen jonglieren: die Welt der klassischen, objektiven, universalen Kunst, die der Vergangenheit angehöre, die gegenwärtige, subjektive, ironische, entzweite Kunst, deren Repräsentant und Opfer er selber sei, und die Kunst der Zukunft, die er undeutlich als eine Befreiung von romantischer Zwiespältigkeit sieht, als neue Versöhnung mit der Gesellschaft und mit dem Leben. Die Autonomie der Kunst bleibt für Heine Postulat einer besonderen Zeit. Die Verschmelzung von Kunst und zeitgenössischem Leben könne als die Aufgabe eines neuen Zeitalters verstanden werden. Doch diese Aussöhnung wird nicht als eine Hinwendung zur didaktischen oder realistischen Dichtung gesehen. Heine protestiert immer gegen das realistische Dogma. Die Kunst sei keine Nachahmung der Realität. »In der Kunst ist die Form alles, der Stoff gilt nichts.«22 In

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einem Abschnitt, der später von Baudelaire zitiert werden sollte, erklärt er: »In der Kunst bin ich Supernaturalist.« (Im Gegensatz zu seinem Naturalismus in der Religion.) »Ich glaube, daß der Künstler nicht alle seine Typen in der Natur auffinden kann, sondern daß ihm die bedeutendsten Typen, als angeborene Symbolik eingeborener Ideen, gleichsam in der Seele geoffenbart werden.« »Töne und Worte, Farben und Formen, das Erscheinende überhaupt, sind jedoch nur Symbole der Idee, Symbole, die in dem Gemüte des Künstlers aufsteigen, w e n n es der heilige Weltgeist bewegt.« 23 Heine geht beinahe so weit wie Oscar Wilde, w e n n er von der das Leben umgestaltenden Macht der Kunst spricht: die schönen Gesichtszüge der italienischen Frauen müssen dem Einfluß der bildenden Künste zuzuschreiben sein. Die Natur, die in ferner Vergangenheit dem Künstler die Muster lieferte, kopiere heute die W e r k e der M e i s t e r k ü n s t l e r . 2 4 O b w o h l das nur ein jeu d'esprit sein mag, besteht kein Zweifel, daß Heine mit Goethe und Schelling die Idee der engen Zusammenarbeit von Kunst und Natur teilt — den Begriff einer zweiten Welt der Kunst, einer objektiven Welt von universaler Gültigkeit, spontan geschaffen als Analogon der Naturprozesse. Heine glaubt an die Inspiration. Der Verstand habe in der Kunst nur eine überwachende Funktion. 2 ' O b w o h l die Kunst wie wir hörten, supernaturalistisch sei, sei sie auch natürlich — spontan, original, ursprünglich. Heine wird nie müde, deutsche Volkslieder u n d -legenden zu loben. Er kritisiert Platen, dem »tiefe Naturlaute, wie wir sie im Volkslied, bei Kindern und an deren Dichtern finden«, fehlen-, »den beängstigenden Zwang, den er sich antun muß, u m etwas zu sagen, nennt er eine .große Tat in W o r t e n ' — so gänzlich unbekannt mit dem Wesen der Poesie, weiß er nicht einmal, daß das W o r t nur bei dem R h e t o r eine Tat ist, bei dem wahren Dichter aber ein Ereignis.« 26 Heine schilt Goethe, weil er sich nicht an die echte Faustsage gehalten habe und es gegenüber ihrer »inneren Seele« an Ehrfurcht habe fehlen lassen.27 Fest glaubt er an die Kreativität des »Volkes«, und er bleibt trotz aller antiklerikalen Vorbehalte ein Liebhaber und Verehrer der mittelalterlichen deutschen Literatur und Volksdichtung. O b w o h l er die Gebrüder G r i m m hoch lobt und aus ihrer Deutschen Mythologie viel Material bezog f ü r seine Schriften Götter im Exil, Elementargeister und das Tanzpoem Faust, sind seine Auffassungen denen der Gebrüder Schlegel, Arnims, und Rosenkranz' näher. 2 » Die Volkspoesie ist f ü r Heine nicht vollständig erloschen wie f ü r die Gebrüder Grimm. Sie könne wieder neu ins Leben gerufen werden und sie werde wiederbelebt von ihm, Heine, selber. Lied, Musik und Tanz sind Themen und Vorbilder vieler seiner Gedichte. 29 Die größten W e r k e in der Vergangenheit seien objektiv, universal und oft wie das Nibelungenlied anonym gewesen. Objektivität ist f ü r Heine immer ein Ideal. Er schilt Börne wegen seiner subjektiven Voreingenommenheit: Börne könne »objektive Freiheit« nicht verstehen, denn die künstlerische Form habe er bei Goethe f ü r bloße »Gemütlosigkeit« gehalten. 30 Shakespeare wird wegen seiner Universalität gelobt. Er sei kein Spiegel der Natur, sondern umfasse selber eine eingeborene Welt. Das kleinste Bruchstück der Welt enthülle dem Dichter den

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ganzen universalen Zusammenhang.31 Heine, der häufig auf den Gegensatz der Gebrüder Schlegel zwischen Romantischem und Klassischem zurückkommt, verwirft deren Einteilung in plastische und musikalische Kunst, weil die ganze Kunst plastisch sein solle.32 Die Dichter haben die schönen Wesen der griechischen Mythologie bewahrt. Nach dem Triumph der christlichen Kirche seien die Dichter »eine stille Gemeinde [gewesen]... wo die Freude des alten Bilderdienstes, der jauchzende Götterglaube sich fortpflanzte von Geschlecht auf Geschlecht.«33 Obwohl Goethe hart wegen seiner politischen Servilität, seiner Indifferenz und seiner Vorliebe für mittelmäßige Menschen kritisiert wird, bleibt er doch das Objekt der Bewunderung als Schöpfer plastischer Charaktere, lebendiger Männer und Frauen, wegen seines »klaren Griechenauges« und seines heidnischen Bilderdienstes.34 Heines Ironiebegriff, ein weiteres Kennzeichen der idealen Kunst, ist in der Theorie die objektive Ironie Friedrich Schlegels. In einem gestrichenen Passus bedauert Heine, daß die Gebrüder Schlegel die Auffassung der Ironie als »das Wesen der Kunst«, die später Solger besonders ausgebildet habe, zugunsten von Schellings Identitätsphilosophie aufgaben.35 Ironie ist für Heine »das Hauptelement der Tragödie«: er fordert sogar, jede romantische Komödie sollte tragisch sein.3« Die Ironie sei das Gegengift gegen Sentimentalität und Idolatrie des Mittelalters. Die modernen Dichter wollen »keine katholische Harmonie der Gefühle erlügen«, sondern sie wollen vielmehr »Jakobinisch unerbittlich, die Gefühle zerschneiden, der Wahrheit wegen.«37 Sein Lob des Aristophanes, Shakespeares, dessen Troilus eine »jauchzende Bitterkeit, eine weltverhöhnende Ironie« zeige, das Lob Cervantes, Molieres und Sternes weisen auf Heines Vorgänger hin. Er wurde immer kritischer gegenüber seinen unmittelbaren Vorbildern, gegenüber Hoffmann, Jean Paul und dem Theoretiker der Ironie, Friedrich Schlegel, dem er seine Konversion und seinen Dienst für das reaktionäre Österreich nicht verzeihen konnte.3« Für Heine ist auch der Stil eine objektive Qualität. »Meister des Wortes« gehen mit dem Stil frei um: sie »schreiben objektiv, und ihr Charakter verrät sich nicht in ihrem Stil.«39 Obgleich Heine beständig biographische Kenntnisse, und das sehr oft unfair, in seiner eigenen Kritik auswertete, nahm er es höchst übel, wenn man mit ihm ähnlich verfuhr.40 Er muß es bedauert haben, die Trennung von Leben und Werk in Atta Troll so scharf formuliert zu haben: »kein Talent, doch ein Charakter.« Seither sagte man von ihm, er habe »Talent« und keinen »Charakter«. Gelegentlich bedient er sich selber dieses angenommenen Gegensatzes von Stil und Persönlichkeit. Buffons Wort, »Le style, c'est l'homme« sei, argumentiert Heine, völlig falsch. Villemains Stil, versichert er hinterhältig, sei »schön, edel, wohlgewachsen und reinlich«.41 Doch die Harmonie von Mann und Werk sei lediglich ein fernes Ideal. In unserer Zeit könne der Dichter nicht anders als »subjektiv, lyrisch und reflektierend« sein.42 Byronscher Weltschmerz, innere Zwiespältigkeit, Zerrissenheit resultierten aus dem Zwang der Zeit, da »die Welt selbst mitten entzwei gerissen ist. Denn da das Herz des Dichters der Mittelpunkt der

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Welt ist, so mußte es wohl jetziger Zeit jämmerlich zerrissen werden.«43 Heine scherzt und macht sich über den Dichter lustig, aber im Grunde glaubt er an den Dichter als Märtyrer, weil er sowohl der Repräsentant seines eigenen Zeitalters sei wie auch der verkannte, verfolgte Prophet eines neuen. Doch die Zukunft der Dichtung bleibt dunkel. Zweifellos sollte sie nicht mit der didaktischen Poesie der Jungdeutschen identisch sein. Eher erschien ihre Zukunft andeutungsweise in Heines eigener später Poesie, die er in der Matratzengruft schrieb — ein sehr reales prosaisches Märtyrertum. Diese Dichtung antizipiert die moderne komplizierte, widersprüchliche Sensibilität: Bitterkeit und Entsetzen, Ironie und Witz, Traum und düstere Realität. Sie nimmt Baudelaire und Laforgue vorweg. Heines Position in einer Geschichte der poetischen Theorie ist daher ambivalent, eine Übergangsposition: romantisch und liberal, ästhetisch und didaktisch. Aber in der Theorie und Methode der Kritik stehen seine Affinitäten außer Frage. In der Kritik verteidigt er die Bedeutung der künstlerischen Intentionen. Der Kritiker solle nicht danach fragen, was der Künstler hätte tun sollen, sondern vielmehr: »Was will der Künstler? oder gar, was muß der Künstler?«44 Kritik sollte sympathetisch sein. Die Gebrüder Schlegel, anerkennt Heine, haben sich große Verdienste um die Kunstkritik erworben. »In der reproduzierenden Kritik aber, wo die Schönheiten eines Kunstwerks veranschaulicht werden, wo es auf ein feines Herausfühlen der Eigentümlichkeit ankam... da sind die Herrn Schlegel dem alten Lessing ganz überlegen.«45 A. W . Schlegel wird jedoch getadelt, weil er die historische Abhängigkeit unbeachtet ließ, als er Bürgers Balladen zu deren Nachteil mit den von Percy gesammelten verglich: »Die altenglischen Gedichte... geben den Geist ihrer Zeit, und Bürgers Gedichte geben den Geist der unsrigen.«46 Letztes Ideal ist Herders Kosmopolitismus: »Herder betrachtete die ganze Menschheit als eine große Harfe in der Hand des großen Meisters, jedes Volk dünkte ihm eine besonders gestimmte Saite dieser Riesenharfe und er begriff die Universalharmonie ihrer verschiedenen Klänge.«47 Heines Methode ist meist eher metaphorisch als spekulativ oder analytisch. Nur zwei frühe Besprechungen von Stücken, die Freunde geschrieben hatten, mühen sich schulmäßig mit den Aristotelischen Kategorien: Handlungen, Leidenschaften, Charakter, Diktion usw.48 Später wird Heines Literaturkritik, gestützt auf Jean Paul, Görres und Hazlitt, beinahe gänzlich zur metaphorischen Charakterisierung, wenn sie nicht ideologische Polemik oder persönliche Satire ist. Aber wenn er von einem literarischen Text spricht, kann er seine Stimmung durch weitläufige Vergleiche hervorrufen, ohne sich zu genau auf den wirklichen Inhalt seines Textes einzulassen. So anläßlich Tiecks Märchen: Der Leser fühlt sich da wie in einem verzauberten Walde; er hört die unterirdischen Quellen melodisch rauschen; er glaubt manchmal, im Geflüster der Bäume seinen eigenen Namen zu vernehmen; die breitblättrigen Schlingpflanzen umstricken manchmal beängstigend

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seinen Fuß, wildfremde Wunderblumen schauen ihn an mit ihren bunten sehnsüchtigen Augen; unsichtbare Lippen küssen seine Wangen mit neckender Zärtlichkeit: hohe Pilze, wie goldene Glokken, wachsen klingend empor am Fuße der Bäume; große schweigende Vögel wiegen sich auf den Zweigen, und nicken herab mit ihren klugen, langen Schnäbeln: alles atmet, alles lauscht, alles ist schauernd erwartungsvoll: — da ertönt plötzlich das weiche Waldhorn, und auf weißem Zelter jagt vorüber ein schönes Frauenbild, mit wehenden Federn auf dem Barett, mit dem Falken auf der Faust.49 Ähnlich wird Goethes West-östlicher Divan beschrieben, als ob diese Buch ein üppiges orientalisches Gemälde im Stil Thomas Moores wäre.50 Heines Kritik ist oft ornamentale, phantasievolle, bezaubernde, dekorative Kunst, die sich schnell in witzige, beißende und oft gemeine und grobe Satire verkehren kann. Zeigt er sich von seiner besten Seite, kann Heine begeisternd und anregend oder beißend aphoristisch sein, zeigt er sich von seiner schlimmsten Seite, so kann er zu bloßem Klatsch, zu Sentimentalität oder ermüdenden, billigen Witzeleien herabsinken. Die eine Seite deutet auf Nietzsche voraus, die andere auf einen flachen, sensationslüsternen Journalismus.51

DAS JUNGE DEUTSCHLAND Der Beschluß des Deutschen Bundestages vom 10. Dezember 1835 richtete sich gegen eine Gruppe von Schriftstellern, die unter dem Namen Junges Deutschland bekannt geworden war. Aus ihr wurden fünf Autoren herausgegriffen: Heine, Gutzkow, Wienbarg, Laube und Mündt. Nicht nur wurden ihre veröffentlichten Schriften verboten, sondern auch alles, was sie in der Zukunft schreiben würden. Sogar sie zu rezensieren oder ihre Namen und die Titel ihrer Bücher zu erwähnen, wurde untersagt. Die Meinungen über die Ursachen dieses erstaunlichen Edikts weichen selbst heute noch voneinander ab: eine gewisse Wirkung muß den entrüsteten Artikeln beigemessen werden, die Wolfgang Menzel gegen den erotischen Roman seines früheren Mitarbeiters Karl Gutzkow, Wally die Zweiflerin geschrieben hatte. Verdacht hatte auch der ehrgeizige Plan einer Deutschen Revue erregt, für die jedoch viele andere harmlose Autoren ihre Mitarbeit in Aussicht gestellt hatten. Der Name Junges Deutschland war schon vorher in aller Munde gewesen und muß sich wie Mazzinis revolutionäres La Giovine Italia angehört haben. Doch eine zusammenhängende deutsche Gruppe existierte nicht. Heine korrespondierte aus Paris unregelmäßig mit Laube und erkundigte sich nach den anderen. Der Rest kannte sich kaum, war uneins und sogar zerstritten. Die

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Verfolgung schüchterte sie gründlich ein.1 Der Bundestag widerrief seinen Beschluß im Jahre 1842 und nichts blieb vom Jungen Deutschland übrig außer der Bezeichnung. Politisch blieben diese Männer völlig wirkungslos und machten sehr schnell ihren Frieden mit der Obrigkeit. Gutzkow wurde später Generalsekretär der Deutschen Schillerstiftung. Laube war jahrelang Direktor des Wiener Hofburgtheaters. Mündt wurde preußischer Professor. Wienbarg verstummte früh unter dem Einfluß einer Geisteskrankheit. Trotz all ihrer Differenzen und des lockeren Charakters ihrer Verbindung teilten diese Männer ein Ideal: Liberalismus, was soviel bedeutete wie Glaube an den Fortschritt, an den Geist der Zeit, an die gesellschaftliche Funktion der Literatur. Ludolf Wienbarg (1802—72) hatte offenbar am meisten dazu beigetragen, den Namen der Gruppe zu verbreiten, als er seine Ästhetischen Feldzüge (1834) dem Jungen Deutschland widmete. Diese einstmals berühmten Vorlesungen erscheinen heute als ziemlich vage Deklamationen, deren ästhetische Ideen vollständig von Lessing, Goethe, Schiller, Jean Paul, Solger und Schelling abgeleitet sind.2 Doch in Wienbargs dauernder Forderung nach einer »Poesie des Lebens«, die die soziale Situation ausdrücken sollte, und in seinen Klagen über die trockene Gelehrsamkeit der deutschen Kultur, über das Fehlen eines Mittelpunktes und den Mangel an Gemeinsamkeit hört man den Ton einer neuen Zeit. Die Ästhetik hat für Wienbarg aufgehört, irgendetwas spezifisch mit der Kunst Zusammenhängendes zu bedeuten. Sie ist identisch mit Weltanschauung oder Ideologie.3 Als Wienbarg sich gegen Ende des Buches mit konkreten kritischen Problemen auseinandersetzt, beurteilt er Goethe durchaus zwiespältig. Goethe sei servil und unabhängig, groß und unbedeutend, ein Genie und ein Höfling. Faust wird allegorisch interpretiert als »das nach Befreiung ringende Deutschland«. Faust sei ein Revolutionär; Faust ist Goethe, aber nur der frühe Goethe. Aus Liebe zu einer Prinzessin habe sich Goethe geändert und angepaßt.4 Das Buch schließt mit einem Lob auf Heines Prosa und seinen Witz, der bürgerliche Freiheit prophezeihe. Doch unglücklicherweise sei Heine Ausländer und Feind. Er habe einen jüdischen Vater gehabt und eine christliche Mutter, von der er die Gabe der Phantasie und einen dunklen Anflug von deutschem Gemüt geerbt habe.5 In einer anderen Darstellung lobte Wienbarg Heines Buch über Deutschland als »kühn, großartig und durchaus genetisch«. »Die Zusammenstellung der philosophischen Revolution Deutschlands mit der politischen Revolution Frankreichs ist der Glanzpunkt seines welthistorischen Witzes.«6 Während Wienbarg Ansprüche auf eine ästhetische Theorie machte, bekannten sich Karl Gutzkow (1811—78) und Heinrich Laube (1806—84) offen als Publizisten, fruchtbare Pamphletisten, Rezensenten, als Schriftsteller, welche literarische Meinungen diskutierten. Gutzkow war stark anti-Hegelianisch, gegen Fatalismus, »historische Empfindungslosigkeit« und Quietismus eingestellt. Er gab sich antiromantisch und unverblümt antilyrisch.7 Ohne irgendein klares Bekenntnis zum

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Realismus abzulegen, beschäftigte er sich mit dem Roman als einer aufstrebenden Kunstform. Er empfahl und praktizierte, was er den »Roman des Nebeneinander« nannte, einen Roman, der die ganze Vielfalt der Welt darstellen sollte, »die ganze Zeit, die ganze Wahrheit, die ganze Wirklichkeit.« Sein schwerfälliger Roman, Die Ritter vom Geiste (1850), stellt eine Folge von komplexen, verflochtenen oder kontrastierenden Handlungen aus verschiedenen sozialen Sphären dar, die durch ihre Korrelation die Gleichzeitigkeit des Lebens eher vermitteln sollen, als die bloße Folge von Ereignissen, die Gutzkow dem Drama zuweist.8 Gutzkow deutet wenigstens das Problem des Raumes im Roman an, obwohl er es weder in der Theorie noch in der Praxis lösen konnte. In ähnlicher Weise anregend, improvisiert und aktuell bedeutend ist die viele Bände umfassende Literaturkritik Gutzkows. Gutzkow wendete sich mit vorgerückten Jahren gegen beinahe alle seine Zeitgenossen. Büchner, den er oberflächlich kannte, war die eine Entdeckung, auf die er stolz sein konnte.9 Doch dann begann er, Hebbel zu verabscheuen und Heine nach dessen Buch über Börne als einen »Judas« zu verachten. »Heine affectiert ein Dichter zu sein aber schreibt wie ein Gamin.«10 In seinem kleinen Buch Über Goethe am Wendepunkte zweier Jahrhunderte (1836) versucht er ängstlich Balance zu halten zwischen dem Bedauern über Goethes politische Gesinnungen und der Bewunderung für sein Werk, besonders für das der frühen Periode. Gutzkow sieht Goethes Grundlage »im Häuslichen«, in das er sich immer habe zurückziehen können. Seine »Harmlosigkeit«, sein Mißtrauen gegen die Theorie und der Mangel an Dialektik, sein »gesunder Egoismus« und seine geistige Ökonomie seien Qualitäten, die sowohl seine Stärke wie seine Schwäche erklären.11 Gutzkow bekräftigt Goethes Ideal der Weltliteratur, es solle jedoch die nationale Eigenart eher bestätigen als ersetzen. »Zur Weltliteratur gehört alles das würdig ist in fremde Sprachen übersetzt zu werden.«12 Scharfsinnig erörtert Gutzkow Goethes seltsames Verhältnis zu Byron, der ihm »nur ein Charakter, der sich der Poesie bemächtigte« zu sein scheint.13 Kurz, Goethe ist für Gutzkow kein kritisches, moralisches oder politisches Vorbild; er ist dennoch der Lehrmeister. »Die Zeit der Tendenz kann beginnen, wenn man über die Zeit des Talents im Reinen ist«,14 mit anderen Worten, die Zeit von Goethes Talent bedeutet künstlerische Vollendung, Kunstfertigkeit, Qualitäten, die in den krausen, lahmen, weitschweifigen Schriften Gutzkows jammervoll fehlen. Heinrich Laube hat eine größere aber oberflächliche Begabung. Seine frühe Geschichte der deutschen Literatur (1836) ist jedoch eine flüchtige Kompilation, von der nur die Teile einigen dokumentarischen Wert besitzen, die der gegenwärtigen Literatur gewidmet sind. Das gleiche gilt auch für seine umfangreiche Theaterkritik, die sich über mehrere Jahrzehnte (1829—75) und mehrere Städte (Breslau, Leipzig, Berlin, Wien) erstreckte.15 In Erinnerungen und Büchern, die dem Theater gewidmet sind, beschrieb und verteidigte Laube seine Tätigkeit als

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Theaterdirektor, Bearbeiter und Regisseur. Das Wiener Burgtheater verdankte Laube eine Periode der Blüte und Grillparzer erfuhr seine Wiederbelebung auf der Bühne. Unter den Jungdeutschen, die vom Bundestag verdammt worden waren, scheint mir, obwohl er heute am wenigsten bekannt ist, Theodor Mündt (1808—61) der weitaus beste Literaturkritiker und -historiker zu sein. Seine Geschichte der Literatur der Gegenwart (1842) ist ein glänzender Entwurf, angeblich eine Fortsetzung von Friedrich Schlegels Wiener Vorlesungen. 16 Die politische Absicht ist natürlich eine völlig andere. Mündt ist Protestant und Liberaler, der dennoch im echten Geist romantischer Geschichtsschreibung schreibt. Der Begriff der Literatur entspreche »einer zusammenhängenden, nationalen Wissenschaft... als eines concreten Bestandteils der wahren Wirklichkeit des Volksgeistes.«17 Seit etwa 1800 habe sich die moderne Literatur auf die Revolution konzentriert, die »der Mythus der neuen Zeit« sei. Mündt vergleicht das Zeitalter des Individualismus, das Zeitalter Goethes und Schillers mit dem romantischen Zeitalter, das gleichzeitig national und universal sei. Während Mündt die Romantik aus vielen Gründen, politischen und literarischen, verurteilt, verteidigt er sie als notwendig und progressiv, weil sie die Literatur dem Leben der Nation zurückgegeben habe. Die Romantik dürfe nicht mit der Reaktion und dem römischen Katholizismus identifiziert werden. 18 Doch Mündt hofft natürlich, daß die aufstrebende liberale Literatur, die demokratische und protestantische Literatur, die richtige Synthese von Individualismus und Kollektivismus, Nationalismus und Kosmopolitismus finden werde. Der Begriff der Weltliteratur widerspreche der nationalen Eigenart nicht, vielmehr sei diese »der wahre Kern und der höchste Reiz« der Literatur, und jede Nation sollte ihre Eigenart bis zur Vollendung treiben, um Teil einer Weltliteratur zu werden. 19 Unglücklicherweise erwies sich gerade dieses kühne Ideal einer Komparatistik in der Praxis als nachteilig für Mündts Buch. Die ersten drei rückblickenden Vorlesungen charakterisieren eindrucksvoll die deutschen Klassiker und Romantiker. Novalis sei »der Bergmann, der sich in seinem eigenen Schacht verloren und dort mitten unter all seinen Reichthümern verschüttet gefunden worden.«20 Hölderlin (der damals wenig bekannt war) wird hoch gelobt: »Kaum ein Dichter [hat] das wahre Bedürfnis des modernen Geistes so tief empfunden und erkannt.«21 Jean Paul mit seinem Mißverhältnis von Geist und Körper sei das Symbol des modernen Deutschland, und Kleist sei »der politische Werther seiner Zeit.« 22 Die späteren Kapitel dehnen sich jedoch zu enzyklopädischen Überblicken aus, löblich wegen ihrer Anstrengung, selbst unbedeutendere Literaturentwicklungen zu berücksichtigen: die spanische, russische, polnische, schwedische, sogar die ungarische und tschechische Entwicklung. Aber Mündt zahlt einen hohen Preis für diese Weite: er wird inhaltslos und oberflächlich. Ausführlich behandelt er die Frauenfrage, er gibt fleißige Resümées der Romane George Sands und greift den Politiker Gentz an, kurz, er verliert sein ursprüngliches Ziel aus den Augen. 23 Die liberale protestantische Ideologie erdrückt

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die eigentliche Literaturkritik. Auf seiner Höhe erreicht Mündt den Ton und die Haltung Adam Müllers und Friedrich Schlegels und entwirft ein kühnes spekulatives Schema der starken ideologischen Kräfte, die auf die Literatur einwirken. Mündts Position und Methode ähneln in mancher Hinsicht auffallend denen des ersten großen Historikers der deutschen Literatur, G. G. Gervinus.

G E O R G G O T T F R I E D G E R V I N U S (1805—19871)

Gervinus wäre entsetzt gewesen, mit dem Jungen Deutschland zusammen genannt zu werden. Unter seinen frühen Schriften findet sich ein scharfer Angriff auf Börne, und er verachtete Heine und seine Anhänger selbst noch im Alter. 1 Dennoch gehört er als Literaturhistoriker zum politischen Liberalismus der Zeit; er teilt den Glauben an das Ende der Kunstperiode und strebt nach einer Versöhnung von Literatur und Leben, Politik und Kunst. Seine monumentale Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen (5 Bände, 1835—42) verkündet laut: »jene Blüthe unserer Literatur ist einmal vorüber, sie ist ins Kraut gewachsen« und erklärt, daß wir unserem Vaterland eine »große Geschichte« wünschen müssen, die Umgestaltungen und Revolutionen, die Goethe gefürchtet habe.2 »Der Wettkampf der Kunst ist vollendet; jetzt sollten wir uns das andere Ziel stecken, das noch kein Schütze getroffen hat, ob uns auch da Apollon den R u h m gewährt, den er uns dort nicht versagte.«3 So lauten die letzten Worte von Gervinus Geschichte. Es liegt Ironie und Pathos in Gervinus politischen Verwicklungen. Im Jahre 1837 war er einer der sieben Professoren der Göttinger Universität, die aus Protest gegen die Aufhebung der Verfassung abdankten. Im Jahre 1853 wurde er wegen seiner demokratischen Ideen erneut verfolgt. Das Vorwort zu der fünften Auflage der Geschichte im Jahre 1870 warnte vor »unberechenbaren Gefahren« bei der Einigung Deutschlands unter Preußischer Vormachtstellung.4 Sein leidenschaftlicher demokratischer Liberalismus trug sicher dazu bei, daß sein Ansehen plötzlich nach der Gründung des neuen Reiches sank. Die politische Begeisterung, das Interesse an der Größe und moralischen Gesundheit der Nation erfüllen seine ganze Geschichte. In der Einleitung (1835) verwirft Gervinus ausdrücklich alle ästhetischen Maßstäße: »Ich habe mit der ästhetischen Beurtheilung der Sachen nichts zu thun, ich bin kein Poet und kein belletristischer Kritiker. Der ästhetische Beurtheiler zeigt uns eines Gedichtes Entstehung aus sich selbst, sein inneres Wachstum und Vollendung, seinen absoluten Werth, sein Verhältniss zu seiner Gattung und etwa zu der Natur und dem Charakter des Dichters. Der Aesthetiker thut am besten, das Gedicht so wenig als möglich mit anderen und fremden zu vergleichen, dem Historiker ist diese Vergleichung ein

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Hauptmittel zum Zweck«.5 Der Vergleich, oft in einer starren und ermüdend antithetischen Weise, ist die Methode, von der Gervinus beinahe besessen ist. Er wendet sie die ganzen Bände hindurch an, um historische und soziale Erscheinungen zu erläutern und historische und soziale Gruppierungen zu bestimmen. Er untersucht die Wandlungen im gesellschaftlichen Status der Dichter und Schriftsteller vom Klerus zu den Rittern und Bürgern und erläutert den »Rücktritt der Dichtung aus dem Volke unter die Gelehrten«« im 16. und 17. Jahrhundert. Er berücksichtigt die Beiträge der verschiedenen deutschen Provinzen und Städte, die Verbindungen und Kontakte der Dichter untereinander, und er diskutiert, obwohl er deutlich die schöne Literatur in den Mittelpunkt stellt, als Hintergrund ganz ausführlich die Geschichtsschreibung, die Kritik, politische Schriften und den Zustand des Theaters. Kein Zweifel, Sozialgeschichte und Geistesgeschichte sind eher seine Stärke als Dichtungsgeschichte. Dennoch erstreckt sich sein Interesse darüber hinaus auf die Gesamtheit des nationalen Lebens. Er glaubt wie Hegel an eine notwendige Verbindung zwischen Dichtung und nationaler Entwicklung, an irgendeine zwangsläufige erweiternde oder einschränkende Macht des historischen Prozesses. So versucht er in Faust nicht nur »die leitenden Momente in den Zeitideen zu finden, die historische Verknüpfung anzudeuten« oder es als »ein Symbol« der Sturm und Drang Periode zu verstehen,7 sondern als »ein Gedicht, das pflanzlich aus dem Boden, aus der Lage des Volks und der Zeit hervorkeimte und dessen Entfaltung von dem Anbau dieses Boden völlig abhängig ist.«8 Die Grenzen des Gedichts seien die Grenzen der Zeit. Goethe habe an der Stelle stillgestanden, an der er seinen Helden habe stillstehen lassen. Er habe kein Empfinden für das aktive Leben und die Willenskräfte im Menschen gehabt. Goethe »stand an dieser Stelle notwendig still, weil das Vaterland hier selber still stand, das die Kluft zwischen dem empfindenden, dem denkenden Leben und dem activen noch heute nicht überschritten hat.«9 Ein neuer Faust sei unmöglich »ohne einen wesentlichen Fortschritt in dem großen Leben der Nation.«10 Ahnliche Reflexionen rufen Schillers Tragödien hervor: »Es hat Alles seine Zeit und Bedingung, und so hat die Tragödie nie eine große Epoche gehabt, ohne daß die Lage der wirklichen Welt für den Tragöden eine Schule dargeboten hätte.« Schiller habe diese Schulung erhalten. »Unser Trauerspiel irrte rathlos umher, bis die französischen Zustände (d. h. die Revolution) orientierten.«11 Die Moral ist immer: »wenn unsere heutige Jugend erst sorgen wollte, Geschichte zu machen, dann würde sie sich für das Geschäft der poetischen Mache ein besseres Glück versprechen dürfen.«1* In einer Zueignung (1840) für den Historiker F. C. Dahlmann fordert Gervinus das Ende der Versemacherei und zitiert Hotspur mit einer seltsam falschen Anwendung seiner Worte: »Dichten? Ich wär ein Kitzlein lieber und schrie Miau, als einer von den Versballadenkrämern.«13 Wenn Gervinus nur ein Gegner der »gezierten Poesie« wäre, ein Prediger politischer Aktion oder gar ein Moralist, der die unzüchtigen Wielands und die obszönen Heinses zu verurteilen hat, dann müßte er als ein anderer Wolfgang

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Menzel, als politischer Historiker der Literatur, als Publizist eingestuft werden. Aber er war ein wirklicher Kritiker und ein großer Gelehrter. Seine Geschichte ist nicht nur die beste Geschichte der deutschen Literatur vor Hettner und Scherer, sondern, wie mir scheint, die beste Literaturgeschichte in irgendeiner Sprache vor Taine und De Sanctis. Ihre faktenreiche Gelehrsamkeit, die Geschicklichkeit der Erzählung, Interpretationsvermögen und Charakterisierungskraft und die K o härenz, Klarheit und grundlegende Wahrheit ihres allgemeinen Systems erheben sie deutlich über die Geschichten von W a r t o n und Hallam, v o n Emiliani Giudici, von Ticknor und selbst v o n Villemain, Ampère und Nisard. Trotz politischer Schlußfolgerungen und einer didaktischen Tendenz, trotz einer mißlichen Zurückhaltung darin, konkrete Analysen von Kunstwerken zu bieten, wird die Geschichte, besonders in ihrer ersten Auflage (bevor ihr Fluß und ihre Einheit v o n Erweiterungen, Korrekturen und der Einverleibung von gelehrten Materialien gestört wurde) 1 4 von einer entschlossenen ästhetischen Überzeugung und einem starken, wenn auch oft unbeugsamen kritischen Geist beseelt. Gervinus verbindet erfolgreich Geschichte und Kritik, die gedrängte Übersicht über Gattungen und Massenbewegungen mit Geistesbiographien der großen Schriftsteller: Klopstock, W i e land, Lessing, Herder, Goethe, Schiller und Jean Paul. N u r das letzte Kapitel über die romantische Dichtung scheint übertrieben verständnislos und polemisch. Gervinus kritisiert die romantische Bewegung wegen ihrer Entfremdung von der Realität und dem Leben, ihrer Unterstützung der politischen Reaktion, ihrer katholischen Neigungen, ihrer verschwommenen Empfindelei, ihrer moralischen Unverantwortlichkeit, ihrer Flucht in Märchenland und V o r geschichte. Gervinus erscheint die tatsächliche dichterische Leistung der Zeit äußerst unbedeutend: Tieck scheint f ü r ihn die typischste Persönlichkeit zu sein, Novalis wird geringschätzig beurteilt, Kleist kühl gelobt und E. T. A. Hoffmann, ein kränkliches Wesen, wird allenfalls als Produzent roher Stoffe f ü r zukünftige Kunstwerke zugelassen. 1 ' Gervinus Preisgabe der Idole seiner Jugend, besonders Jean Pauls, der sein großer Trost während seiner frühen, in einem Tuchgeschäft verbrachten Jahre war, 16 ist zu radikal, als daß sie zu einer voll befriedigenden Kritik seiner unmittelbaren älteren Zeitgenossen beitragen könnte. D o c h Gervinus räumt ein: »In der R o m a n t i k ging unsere Dichtung in Fäulnis über; sie war aber der Dünger einer neuen Saat, aus der die Wissenschaften der Literaturgeschichte, Plastik, Geschichte, Mythologie, Sprachforschung aufwuchsen.« 17 Gervinus erkennt den W e r t der ästhetischen Kritik der Gebrüder Schlegel, die »eine ganz neue Wissenschaft, die Literaturgeschichte, angeregt mehr als selbst geschaffen« haben. 18 Er selbst war sich bewußt, daß er diese Wissenschaft beinahe ohne Hilfe geschaffen hatte, daß er der erste war, der »ein darstellendes Kunstwerk« 19 statt eines forschenden Werkes der Gelehrsamkeit entworfen habe. Zweifellos ist Gervinus in seiner Praxis der direkte Nachfahre der Gebrüder Schlegel trotz seiner ganz anderen Ideologie und der vielen Einwände, die er gegen ihre Schriften und Überzeugungen vorbrachte. 20 13 Wellek, Literaturkritik 2

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Gervinus besitzt ästhetische Kriterien und er fällt dauernd ästhetische Urteile, selbst wenn er jede formale Ästhetik ablehnte. Er argumentiert, daß das ästhetische Urteil bei einem Historiker als selbstverständlich vorausgesetzt werden müsse. Was die Theorie betrifft, so verweist er nur sehr allgemein auf seine Quellen bei Aristoteles und Lessing, Goethe und Humboldt (und er hätte Schiller hinzufügen sollen).21 Ein ausdrücklich deutscher klassischer Geschmack erfüllt das Buch: eine grenzenlose Bewunderung der Griechen und besonders Homers, eine Liebe zu Shakespeare, eine Verehrung Lessings und tiefe Sympathie für das klassische Theater Goethes und Schillers. Die Deutschtümelei wird nur bei der Behandlung des Mittelalters bemerkbar. Obwohl er internationalen Beziehungen und ausländischen Quellen sehr viel Aufmerksamkeit schenkt, gelangt er immer mehr zu dem Schluß, daß die deutsche Ausarbeitung ihrem Vorbild überlegen sei — daß zum Beispiel der Minnesang irgendwie tiefer, »innerlicher« sei als die Troubadourdichtung, obwohl er später zugab, daß der Themenbereich des Minnesanges viel beschränkter sei.22 Dennoch bewahrte er, berücksichtigt man die Umgebung, in der er schrieb (mit den Gebrüdern Grimm als seinen Kollegen in Göttingen), eine bemerkenswert kritische Haltung gegenüber der deutschen mittelalterlichen Literatur. Er bedauert den übertriebenen Kult um das Nibelungenlied, das ästhetisch gesehen nicht auf eine Stufe mit Homer gestellt werden und kein Vorbild nationaler Nacheiferung bedeuten könne. 23 Die Erörterungen Walther von der Vogelweides, Wolframs und Gottfrieds verlieren den ästhetischen Gesichtspunkt nicht aus dem Auge, und die Bände über das 15., 16. und 17. Jahrhundert, die, obzwar sie es schon sind, doch noch mehr historisch sein könnten, sparen nicht mit kritischen Urteilen, die nur durch fehlende Sympathie für die gelehrte lateinische Tradition und den barocken katholischen Geschmack beeinträchtigt werden. Den Höhepunkt des Werkes stellt die Behandlung des großen klassischen Zeitalters dar: die Darstellung Lessings, der für Gervinus die deutsche Kunst am klarsten definierte als »zwischen Nord und Süd, zwischen Niederland und Griechenland, zwischen Natur und Ideal« gelegen und der mit Nathan der Weise trotz der schlechten Verse »das eigentümlichste und deutscheste was unsere neuere Poesie geschaffen hat« geschrieben habe; 24 die Darstellung Wielands, der kritisiert, aber sehr ausführlich analysiert wird, Herders, der unter seinem Pietismus und Kosmopolitismus gelitten habe, und schließlich Goethes und Schillers, deren parallele geistige Biographien mit großer Sorgfalt skizziert werden. Ein besonderer Schrein wird für Gervinus Lieblingsschriftsteller bereit gehalten: für den R e volutionär Georg Forster, dessen Schriften er mit einer langen Einleitung herausgab, und für J. H. Voss, dessen Homer-Übersetzung ihm die große Quelle der deutschen Klassik zu sein scheint.25 Gervinus beurteilt streng die Sturm und Drang Periode, beschreibt Goethes Rolle in ihr und betont Goethes Distanz zu seinen Zeitgenossen. Entgegen der üblichen deutschen Annahme weiß Gervinos, daß »Erlebnis« kein Maßstab für die Dichtung ist. Goethe war immer »am Rande

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der durchlebten Erfahrung und zum Abschluß fertig, zur Bewältigung geschickt, ehe er zu [seinem poetischen] Werke schritt.« Er habe »auf der gefährlichen Scheide von Gefühl und Reflexion, von Instinkt und Bewußtsein« gestanden, wissend, daß »jene Gabe, die Dinge innerlichst zu genießen und doch in objective Ferne zu stellen« die wahre Kraft des Dichters sei.26 Gervinus versteht die Reise nach Italien als eine ethische und ästhetische Reinigung, als einen Schritt »von Regellosigkeit zur Ordnung und Klarheit, von nordischer Barbarei zur südlichen Cultur.«27 Gervinus begrüßt die Freundschaft mit Schiller, erläutert Goethes Ästhetik (einschließlich des Symbols) peinlich genau und feiert dann begeistert Hermann und Dorothea, »das einzige [Gedicht] vielleicht, was die sämtlichen Jahrhunderte einem widererstandenen Griechen ohne Commentare und ohne Verlegenheit bieten dürften.«28 Goethe wird jetzt zum ursprünglich epischen Dichter, unfähig, eine Tragödie zu schreiben, durch seine Natur zur Objektivität gezwungen, zur Absonderung und schließlich zum Quietismus, der olympischen Kälte und der »peinlichen Duldsamkeit« seiner späteren Jahre. Gervinus behandelt mit besonderer Aufmerksamkeit Goethes Abscheu vor der Geschichte, seine Blindheit für die Bedeutung der französischen Revolution, seine komische Unterwürfigkeit gegenüber Fürstentum und Adel, seine feierliche Erhöhung der trivialsten Ereignisse und Gegenstände.30 Goethe hätte ein Vergil sein können, aber er sei nur ein Ovid gewesen — oder vielmehr, wenn wir seine Worte unter Berücksichtigung von Gervinus ausschließlicher Vorliebe für Hermann und Dorothea korrigieren dürfen: ein Theokrit. 31 Faust sei ebenfalls ein Epos, »von Lücken, Rätseln und Widersprüchen voll«, die die verschiedenen Stimmungen und Stile im Leben Goethes eher als ein einheitliches Drama widerspiegeln.32 Wie viele seiner Zeitgenossen bedauert Gervinus die Gesamtheit von Goethes späterer Entwicklung. »Die orphische Periode«, wie er sie nennt, sei »nur psychologische Merkwürdigkeit.« Der Divan sei »körperlos, nebelhaft«, die Novelle »unsäglich geringfügig«,33 der zweite Teil des Faust bloß eine Allegorie auf Goethes Leben: »Die Entstehung, die Art, die Deutung dieses Gedichts hat das Widerliche für uns, was Dantes und Tassos Commentare zu ihren eigenen Dichtungen...« »Es wird beiseitigt bleiben wie Miltons wiedergewonnenes Paradies und Klopstocks erzwungene Dramen.«34 Selbst Goethes klassische Werke werden oft streng mit den Maßstäben der klassischen Einheit und Kohärenz des Tones beurteilt. In Egmont bestehe ein Mißverhältnis zwischen den flandrischen Volksszenen und den OpernefFekten, Wilhelm Meister zerfalle in zwei ungleiche Teile. Nur Iphigenie sei »die reinste Blüthe der modernen Sittigung.«35 Schiller wird gemäß seinen eigenen Unterscheidungen Goethe gegenübergestellt als der tragische gegen den epischen, der subjektive gegen den objektiven, der sentimentalische gegen den naiven Dichter. Gervinus' Bewunderung für Schillers ästhetische Schriften und für seine politische und patriotische Bedeutung könnte kaum größer sein. Das ganze Wagnis der historischen Tragödie erscheint Gervinus als das höchste Ziel des modernen Dichters. Schiller, zwischen der typischen Kunst 13*

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Sophokles' und der individualisierenden Kunst Shakespeares stehend, erreiche die Versöhnung von Natur und Kultur, Altertum und Moderne, die Gervinus für das höchste ästhetische Ideal hält.36 Aber sein kritischer Sinn gibt sich nicht zufrieden mit einer abstrakten Lösung, mit der sorgfaltig ausgeführten Parallele, die er zwischen Goethe und Schiller zieht, oder selbst mit seiner Schlußfolgerung, daß der Streit um Vorrang zwischen ihnen genau so wenig entschieden werden könne wie der zwischen Plato und Aristoteles, Ariosto und Tasso, Rousseau und Voltaire.37 In der Praxis erkennt Gervinus die Schwächen von Schillers Schauspielen — nicht nur der frühen Stücke, von denen er den Fiesco wegen seines historischen Stoffes vorzieht,38 sondern auch des Wallenstein. In dem letzteren erliege Schiller dem Fatalismus, »er gibt den reinen Zusammenhang der Handlung und Katastrophe auf, der bei Shakespeare und Göthe immer ganz tadellos ist.«39 Wie Goethe in seiner Zeit kein Homerisches Epos habe zustande bringen können, mit der Achilleis gescheitert sei40 und Vollendung nur mit der bescheidenen Idylle Hermann und Dorothea erreicht habe, so habe Schiller nicht der Shakespeareschen Tragödie gleichkommen können, die von der Geschichte genährt worden sei, weil seinem Deutschland die wahre Geschichte gefehlt habe. So hat Gervinus ein System gefunden (das von dem jungen Friedrich Schlegel oder von Hegel hätte erdacht werden können), das gleichzeitig ästhetisch und historisch ist. Es beruht auf der klassischen Hierarchie der Gattungen mit der Tragödie und dem Epos als den höchsten. Das Epos, objektiv und ruhig, sei auf die Vergangenheit gerichtet. Die Tragödie, subjektiv und in ihre Zeit verwickelt, sehe der Gegenwart ins Gesicht.41 Lyrische und didaktische Dichtung werden als minderwertige Gattungen angesehen. Die lyrische Dichtung scheint Gervinus immer ein Zeichen von Dilettantismus zu sein, denn der Dilettant »flieht das Objektive.«42 »Lyrische Gedichte sind eigentlich wie die Kindheit eines Poeten, und sie können nie an sich interessieren, wenn es der Dichter nicht weiter gebracht«, schreibt er bei der Behandlung Hölderlins, der Gervinus bloß ein romantischer Träumer zu sein scheint.43 Gervinus unterscheidet zwischen dem Volksdichter, der die Fäden »behaglich von dem Rocken der Zeit« spinne und dem individuellen Dichter, der »angestrengt wie die Spinne aus seinem Innern herausspinnt.«44 Von Bedeutung seien nur Drama und Epos, tragische und heroische Tat — die Ideale, die Lessing verteidigt habe und vor denen Herder, eine sanfte, lyrische Seele, zurückgeschreckt sei: »Er zittert vor dem Blutbade, den dieser letzte Satz, Handlungen seien der eigentliche Vorwurf der Poesie, unter den Dichtern anrichten würde.«45 Gervinus scheut sich nicht vor diesem Blutbad, Homer, Shakespeare, Goethe und Schiller würden es überleben. In ihrem goldenen Zeitalter haben die Deutschen, groß in ihrer für immer dahingeschwundenen Vergangenheit allein unter den modernen Nationen die Übereinstimmung von Hellenismus und Christentum, die wahre moderne »Kultur« erreicht.46 Sie haben sie trotz eines elenden nationalen Lebens erreicht, in einer Zeit nationaler Schmach, in der Isolation einer Welt von schönen Träumen. Gervinus beneidet die Griechen und die Engländer, die in Perikles'

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und Shakespeares Zeit die ideale Einheit von nationalem Glanz und Freiheit durch die Kunst erlangt haben. Folglich schrieb Gervinus sein nächstes, vier Bände umfassendes Buch über Shakespeare (1849—50), das, als es im Jahre 1874 von F. J. Furnivall vorgestellt wurde, in der englischsprachigen Welt große Aufmerksamkeit erregte, bis es von A. C. Bradleys subtileren und genaueren Interpretationen der Tragödien in den Schatten gestellt wurde. Gervinus' Shakespeare verdient immer noch ein gewisses Interesse als der erste Versuch nach Ulrici, eine detallierte Übersicht über alle Shakespeare-Dramen zu geben und eine systematische Darstellung von Shakespeares sittlicher Auffassung zu bieten. Während Ulrici Shakespeares Christentum betont, entwickelt der weltliche Gervinus sehr ausführlich das Thema von Shakespeares moralischer Gesundheit, seinem Gleichmut, seiner Gerechtigkeit, Vorurteilslosigkeit und seinem Common sense. Für ihn seien Moral und wahre Dichtung unzertrennlich. Shakespeares Dramen zeigen »jene höhere Ordnung... die ewige Gerechtigkeit in den menschlichen D i n g e n . . . den Finger Gottes.«47 Obwohl Gervinus nicht an poetische Gerechtigkeit glaubt im Sinne der Ordnung einer genauen Vergeltung, so sieht er die Gerechtigkeit selbst da erfüllt, w o sie offensichtlich verletzt wird. Die Art und Weise des Todes sei entscheidend: »Cordelia stirbt in der Glorie einer verklärten Retterin, Lear in Versöhnung, Gloster lächelnd, Kent mit Freudigkeit.«4« Shakespeares Entwicklung (in periodische Zeiträume unterteilt) wird auch als eine sittliche verstanden. Gervinus interpretiert die Sonette als ein Protokol der moralischen Reinigung und er identifiziert Shakespeare mit Prinz Hai. Er rechtfertigt so seine Ablehnung Falstaffs und verunglimpft Falstaff als »die Personification... der thierischen sinnlichen Natur.«49 Anthony and Cleopatra verwirrt ihn, denn es zeige eine vorübergehende moralische Erschlaffung von Shakespeares moralischem Charakter. Er erkennt einen Bruch im Stoff selber, den Konflikt »zwischen politischer Pflicht und unsittlicher Leidenschaft«, und er beklagt den Mangel an Adel der beiden Protagonisten.5" Merkwürdigerweise stuft Gervinus Cymbeline sehr hoch ein: mit Lear zusammen erscheint es als »eine dichterische Theodicee«, einem Epos der Vorgeschichte verwandt. 51 Die moralische Prüfung fällt mit einer Suche nach künstlerischer Einheit zusammen. Gervinus forscht überall nach dem Leitgedanken, dem vereinigenden Thema, 52 und er hält seine kritische Aufgabe für erfüllt, wenn er eine allgemeine Formel für ein Stück oder für eine Gruppe von Stücken finden kann, wenn er sagen kann, The Merchant of Venice stelle das Verhältnis des Menschen zum Eigentum dar oder Cymbeline drehe sich um zwei entgegengesetzte Vorstellungen oder sittliche Qualitäten, um Treue und Wahrhaftigkeit gegen Falschheit und Treulosigkeit. 53 Gervinus kennt die Gefahren des Intellektualismus sehr wohl, den Hegelianismus liebt er nicht sehr und er protestiert häufig gegen Reduktionen auf abstrakte Formeln. 54 Doch in der Praxis wird seine Kritik durch die Unfähigkeit beeinträchtigt, seinem hohen didaktischen Anspruch, seiner ganzen psycho-

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logisch-moralistischen Auffassung der Dramen zu entgehen. Er macht gute Beobachtungen über die antithetische Stellung und das Ineinandergreifen bestimmter Szenen und Gemütszustände: Claudius' Rede, als er in machtloser Reue niederkniet sei die Parallele zu Hamlets eigener Gemütsverfassung, V o lumnias Appell an Coriolanus werde in der frühen Szene vorweggenommen, die zu seiner Verbannung führt. 55 Allzu oft jedoch versteht Gervinus die Dramen nicht als Dramen, sondern untersucht nur die isolierten Charaktere. Er muß die Handlung von dem Charakter ableiten, weil er Shakespeare nicht zugeben kann, was er für Fatalismus halten würde. 56 Selbst die Hexen in Macbeth seien »die bloße Verkörperung der inneren Versuchung.«57 Es müsse immer einen sittlichen Bruch in tragischen Gestalten geben. Viel Aufmerksamkeit widmet er absurderweise den Tatsachen, daß Cordelia eine französische Armee rufe, um in England einzufallen, daß Desdemona die Schuld am Tod ihres Vaters trage, daß Romeo von leidenschaftlicher Unbesonnenheit erfüllt sei, daß Hamlets Schleichwege das schließliche Massenschlachten verschuldeten.58 Die Analysen der Charaktere und Situationen sind oft schwerfällig, langweilig und halten sich nur an das Handgreifliche. Im allgemeinen konzentriert sich Gervinus auf die Dramen und gibt nur selten auf die Gegenwart bezogene Deutungen Shakespeares. Doch das Thema: Deutschland ist Hamlet entwickelt auch er, ein Satz, der durch ein Gedicht Freiligraths (1840) populär gemacht wurde, und er empfiehlt den Deutschen schließlich Shakespeare als »freidenkend«, als »Lehrer von unbestreitbarer Autorität«, der »die Bresche des Fortschritts offen hält.«59 Wie in der Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen hat die Bindung an seine Zeit oder die Pflicht gegenüber seiner eigenen Zeit den Kritiker Gervinus gelähmt wie so vielen seiner Landsleute zu jener Zeit.

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Von allen Systemen der deutschen idealistischen Philosophie hatte allen voran das Hegels die weitreichendsten Folgen in der Literaturkritik. Hegels Vorlesungen über Ästhetik wurden erst im Jahre 1835 posthum veröffentlicht, doch seine früheren Äußerungen und, wichtiger, die ganze Methode der Dialektik und das allgemeine System der historischen Entwicklung reizten viele Schüler und Anhänger, sich in Literaturtheorie und Interpretation selbst vor dem Tode des Lehrers zu versuchen. Leider verstanden nur wenige Hegels sorgfältig ausgewogene Position: seine Betonung der Einheit von Idee und Bild, Inhalt und Form. Seine Schüler ergriffen sozusagen nur eine Seite des Henkels, die »Idee«, die bald nur noch den philosophischen, moralischen oder religiösen Inhalt eines Kunstwerkes bedeutete. Die Hegelianer, ob sie Hegels gesamtes System nun akzeptierten oder nicht,

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wurden in der Literaturkritik zu den hartnäckigsten Forschern nach »zentralen« oder »leitenden« Ideen: Allegoriker, die ein Kunstwerk auf die Illustration einer philosophischen Theorie oder auf ein Dokument in der Geschichte der Entwicklung des Geistes reduzierten. Goethes Faust eignete sich schon vor der Veröffentlichung des zweiten Teils für diesen interpretatorischen Ansatz. Carl Friedrich Göschel (1784—1862) interpretierte Faust in seinem Buch Über Goethes Faust und dessen Fortsetzung (1824) geradezu als eine dichterische Antizipation und Bestätigung von Hegels Philosophie. »Der W e g , den Faust geht, ist aber der notwendige W e g , den der Gedanke gehen muß, denn dieser geht im Laufe seiner Entwicklung durch alle Weisen des Zwiespalts und Unterschieds zwischen Mensch und Gott, zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Einzelnen und Allgemeinen, zwischen Diesseits und Jenseits.«1 Ein Jahr später veröffentlichte Hermann Friedrich Wilhelm Hinrichs (1794—1861) seine Ästhetischen Vorlesungen über Goethes Faust (1825), die Goethes höfliche, wenn auch verlegene Aufmerksamkeit erregten und die Wiederaufnahme der Arbeit am zweiten Teil angeregt haben mögen. 2 Hinrichs »konstruiert« Faust nach den Hegeischen Triaden und findet sie in jedem Akt, jeder Szene und Situation und jedem Charakter. Er weiß aus der Theorie, daß der Gehalt jeder wahren Tragödie eine Versöhnung von Gott und Mensch sein muß und prophezeiht daher zuversichtlich, daß Faust erlöst werde »in dem freien Geständnis, daß er gefehlt habe.«3 Shakespeare wurde das andere Opfer dieser Interpretationsmethode. Eduard Gans (1798—1839), ein Rechtsphilosoph, interpretierte Hamlet als eine Tragödie des Verstandes oder des v o n der Vernunft getrennten Verstandes: Hamlet verletze die Sittlichkeit durch deren Zergliederung. Mit Fortinbras, dem personifizierten Staat, triumphiere am Ende die Vernunft. 4 Dieselbe trockene Begrifflichkeit zieht sich auch durch die erste systematische deutsche Shakespeare-Interpretation seit A . W . Schlegel, durch Ulricis Über Shakespeares dramatische Kunst (1839). Hermann Ulrici (1806—84) war nicht eigentlich ein Hegelianer. Tatsächlich kritisierte er Hegels Philosophie und korusipierte sein eigenes System des philosophischen Theismus. 5 Sein frühes W e r k , Geschichte der hellenischen Dichtkunst (1835) ist jedoch noch völlig in Hegelscher (und möglicherweise Schellingscher) Dialektik befangen: »Entwickelung« der Kunst und der verschiedenen Kunstgattungen »in ihrer nothwendigen Idee«.6 Das Shakespeare-Buch enthält viel historisches Material, das aus englischen Quellen stammt, einschließlich der Informationen über andere Elisabethanische Dramatiker, befaßt sich aber vor allem damit, zu beweisen, daß Shakespeare eine konsequente christliche Anschauung vertreten habe. Die Tragödie Shakespeares stelle immer »das unmittelbare Walten der göttlichen Gerechtigkeit oder der sittlichen Nothwendigkeit« dar.7 Die Dramen werden auf ihre grundlegenden Ideen hin untersucht und »in einer ideellen Ordnung« dargestellt, die v o n der »bräutlichen Liebe« Romeos und Julias über Othellos »eheliche Liebe«, Lears »väterliche Liebe«, Macbeths Tragödie

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von Entschluß und Handlung im Staat bis zu Hamlets höchster, universalster Tragödie des Denkens reiche. Ulrici scheint der erste Schriftsteller zu sein, der Hamlets Aufgabe der Rache von einem christlichen Standpunkt aus verurteilt. Hamlets Untätigkeit sei eher Tugend als Schuld. Er gehe unter, weil er versuche, »der leitenden Hand Gottes sich [zu] entwinden«, weil er »selbst absoluter Herr«, »selbst Gott« sein wolle.8 In der Praxis führt Ulricis Suche nach Shakespeares Philosophie oft zur Erklärung einer sehr kruden Art von poetischer Gerechtigkeit: Julia, Cordelia, Desdemona werden bestraft für ihre Sünden oder kleineren Vergehen, Paris, Julias Freier, wegen der Oberflächlichkeit, mit der er sich die Liebe vorstelle, Ophelia wegen ihrer »glänzenden Träume von sinnlicher Lust und weltlicher Glückseligkeit.«9 Heinrich Theodor Rötscher (1802—71) kommt Ulrici mit seinen ShakespeareInterpretationen sehr nahe. Er verdient Aufmerksamkeit wegen seiner theoretischen Rechtfertigung der Hegeischen Methode und wegen des Einflusses, den er auf zwei große Schriftsteller ausübte, auf Belinskij und Hebbel. Belinskij bewunderte ihn und paraphrasierte gelegentlich einen Artikel, Hebbel sah in ihm einen kritischen Mentor und hörte eine Zeitlang auf seinen Rat. 10 In späteren Jahren (1845—63) war Rötscher ein einflußreicher Theaterkritiker in Berlin und schrieb auch einiges zur Theorie der Schauspielkunst.11 Doch seine frühen Essays vor allem über Shakespeare und Goethe stellen unverfälscht die orthodoxe Hegelsche Kritik dar. Die Sammlung Abhandlungen zur Philosophie der Kunst (1837—42) wird von einer Analyse des Verhältnisses »der Philosophie der Kunst und der Kritik zum einzelnen Kunstwerk«12 eingeleitet, die ein deutliches Problembewußtsein zeigt. Das Ziel der Literaturkritik sei es, erklärt Rötscher, »die großen Kunstwerke in ihrer innern Vernünftigkeit, ihrer Einheit von Gedanke und Darstellung zu begreifen«, uns mit der »Einsicht in die Nothwendigkeit des Organismus« vertraut zu machen. Die Schwierigkeit, erkennt er, bestehe darin, die Antwort auf die Frage zu finden: »wie gewinnt denn der frei angeschaute Gedanke überhaupt Form und Umgränzung? Wie gewinnt also überhaupt das Unendliche endliche Gestalt?«13 In der Praxis formuliert Rötscher wie die anderen Hegelianer auch zunächst eine allgemeine, leitende Idee und versucht dann, jedes Detail dieser Formel anzupassen. So sei die »Idee« des Merchant of Venice die sich selbst aufhebende »Dialektik des abstrakten Rechts.« Sogar Lanzelot Gobbos Abfall von seinem Herren, Jessicas Entlaufen und das Geschäft mit den Ringen im letzten Akt müssen sich als in das System passend erweisen. Die Melancholie Antonios, interpretiert Rötscher, entstehe aus einem »bewußtlos wirkenden Widerspruch seiner idealen Natur mit den Interessen und Zwecken seiner merkantilischen Thätigkeit.« Portias Gehorsam gegenüber dem letzten Wunsch ihres Vaters hinsichtlich der drei Kästchen erhebe eine willkürliche Verfügung zu einer moralischen Verpflichtung: sie vertraue der göttlichen Vorsehung, »der Art der christlichen Gnade.« Mit ähnlich hartnäckigem Scharfsinn verteidigt Rötscher jedes Detail in Romeo and Juliet und King Lear. Er widerlegt mühelos die Ansicht,

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nur ein böser Zufall habe den Tod der beiden Liebenden verursacht. Seinem dialektischen Ansatz entsprechend stellt er fest: »der Zufall trägt also nur dazu bei, das Unabwendbare zu offenbaren.«15 Lear büße für seine anfängliche Schuld, für den furchtbaren Wahn, »das Wort an die Stelle der That, die Rede an die Stelle der Gesinnung zu setzen.« Seine Tollheit, die nicht psychologisch begründet werden dürfe, sei dieser selben inneren Trennung von Wort und Tat zuzuschreiben. 16 Man sollte jedoch anerkennen, daß Rötscher trotz vielen abstrakten Geredes wirkliche Probleme von King Lear aufdeckt. Der Schluß erscheint ihm wie ein Jüngstes Gericht: Lear und Gloucester wurden »durch das Übermaß des Leidens entsündigt und zu Gestalten, welche das Unglück geheiligt«.17 Viele Ergebnisse Rötschers würden modernen Shakespeare-Interpreten zusagen, die nach Symbolen, Entsprechungen und christlichem Gehalt suchen. Zwar schenken sie Shakespeares Text sehr viel mehr Aufmerksamkeit als es Rötscher tat, aber sie teilen mit den Hegelianern das intellektualistische Mißverständnis der Kunst. Verglichen mit Rötscher erscheint Karl Rosenkranz (1805—79), Hegels Biograph, als der sehr viel gelehrtere Historiker. Seine Geschichte der deutschen Poesie im Mittelalter (1830) überträgt das Hegeische System auf die deutsche mittelalterliche Literatur. Die Literatur bewege sich von der Anschauung (der epischen) über das Gefühl (der lyrischen) zum Gedanken (der didaktischen Dichtung) und zeige innerhalb dieser Stufen wieder ein triadisches Fortschreiten. Die Lyrik zum Beispiel entwickle sich vom Minnesang über den Meistersang zum Volkslied. Geistige Kräfte — der Individualismus der alten Germanen, der Universalismus der Kirche, der Mystizismus, der aus dem Orient gekommen sei — vollführen ein Schattenboxen in der Literatur. Doch innerhalb dieses Schematismus gelingt es Rosenkranz, eine Menge konkreter Informationen und auch einige Kritik zu vermitteln. Sehr hoch schätzt er etwa Titurel,18 Das Handbuch einer allgemeinen Geschichte der Poesie (1832—33) ist in seinen Klassifikationen sogar noch schematischer und willkürlicher. Während seines Aufenthaltes im Gefängnis, im Castel del'Ovo in der Bucht von Neapel, übersetzte De Sanctis das Werk ins Italienische: er wollte Deutsch lernen und ihm stand viel Zeit zur Verfügung. 1 ' In seinen späteren Werken befreite sich Rosenkranz allmählich von dem schweren Panzer der Hegeischen Begriffe. Sein gewichtiges Buch über Goethe und seine Werke (1847) bewegt sich immer noch innerhalb des Hegeischen Entwicklungsschemas: Goethe sei von der Kultur über die Natur zum Ideal und folglich zur »Idee« fortgeschritten.20 Doch die zwei Bände Diderots Leben und Werke (1866) geben einfach eine historische, psychologische und deskriptive Darstellung. Es ist ein Pionierwerk, einzigartig in dem Deutschland jener Zeit wegen der Sympathie und des Verständnisses, das Rosenkranz für Diderot aufbringt, für einen Atheisten und Materialisten, für einen wegen Unsittlichkeit verrufenen Schriftsteller. Rosenkranz' interessantestes Buch ist die Ästhetik des Häblichen (1853), das, wenn auch nicht theoretisches Vermögen, so doch wenigstens großen klassifizierenden

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Scharfsinn verrät. Die bloße Idee einer Ästhetik des Häßlichen ist (wenn auch nicht völlig neu) 21 so doch eindrucksvoll. Rosenkranz argumentiert, daß das Häßliche in der Kunst nicht nur als Folie für das Schöne diene, sondern im Hegelschen Sinne eine echte Negation des Schönen sei und eine Theorie verlange — gerade so w i e das Böse in der Ethik oder die Krankheit in der Biologie. 22 Rosenkranz konstruiert eine fortschreitende Skala des Häßlichen: v o n der »Formlosigkeit» über die »Incorrectheit« schließlich zur »Defiguration«. Die »Formlosigkeit« wird unterteilt in die »Amorphie«, die »Asymmetrie« und die »Disharmonie«. Die »Defiguration« erstreckt sich von dem »Gemeinen« (das »Kleinliche«, das »Schwächliche«, das »Niedrige«) bis zu dem »Widrigen«, zur »Karikatur«. Das »Widrige« wird ebenfalls triadisch unterteilt in: das »Plumpe«, das »Todte und Leere« und das »Scheußliche«, das seinerseits in das »Abgeschmackte«, das »Ekelhafte« und das »Böse« zerfällt (von dem auch wieder drei Grade unterschieden werden: das »Verbrecherische«, das »Gespenstische« und das »Diabolische«, der extremste Punkt, den das Häßliche erreichen könne.) 23 Doch sogar das »Diabolische zerfällt noch in das »Dämonische«, das »Hexenhafte« und das »Satanische«. Rosenkranz versucht auch solche Kategorien w i e das Bizarre, das Barocke und das Groteske zu definieren und zu erläutern und eine Darstellung der Karikatur und der Parodie zu geben. Das Barocke, mit dem er Schwierigkeiten hat, es v o n dem Bizarren zu unterscheiden, bestehe in dem Versuch, »dem Gewöhnlichen, dem Zufälligen und Willkürlichen durch die Außerordentlichkeit der Form eine Bedeutung zu geben.«24 Seine Darstellung ist zum großen Teil psychologische oder lexikographische Erörterung der Bedeutung bestimmter Begriffe, doch Rosenkranz belebt sie durch viele wenig bekannte Illustrationen, die er hauptsächlich der Literatur entnimmt, und er schreckt auch nicht vor dem Obszönen und dem Pornographischen zurück — ein Zeichen v o n seltener Kühnheit zu seiner Zeit und an seinem Ort. Das endgültige Verhältnis v o n Häßlichem und Schönem bleibt jedoch ungelöst, und der schwerfällige dialektische Apparat scheint kaum gerechtfertigt. Rosenkranz erkennt: »der grelle Kontrast kann . . . schön werden«, und er weiß, daß es eine echte »Synthese heterogener Gegensätze« gibt (er kannte offenbar Solger), und er ist fasziniert v o n den Manifestationen des Häßlichen in allen seinen Erscheinungsformen. D o c h seine Schulung im deutschen Idealismus und seine klassischen Überzeugungen bringen ihn zu dem Ergebnis, daß »die Kunst auch das Haßliche idealisieren, d. h. nach den allgemeinen Gesetzen des Schönen behandeln« müsse.25 Die alte Identifizierung der Kunst mit der Erzeugung der idealen Schönheit kann er nicht überwinden. Derselbe Wunsch, das System der Hegeischen Ästhetik zu erweitern und zu modifizieren, beseelt das W e r k Friedrich Theodor Vischers (1807—87). D o c h er führt ihn weiter w e g bis in die empirische Psychologie, in den neuen Realismus. Vischer verfaßte Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen (1846—57), eine Art v o n summa aestheticae in sechs großen Quartbänden. Abgesehen von dieser monumentalen Enzyklopädie schrieb er viel konkrete Kritiken über Goethe und Shakespeare und

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seine eigenen unmittelbaren Zeitgenossen — Eduard M ö r i k e und Gottfried Keller, Hebbel und Uhland. 2 « Sein ganzes Leben lang kritisierte Vischer heftig den zweiten Teil v o n Goethes Faust als vorsätzlich dunkel, willkürlich allegorisch, ethisch verdächtig, als »absurd, affektiert, steif, widerwärtig, lächerlich.« 27 Er schrieb nicht nur eine Parodie auf Faust (Der Tragödie dritter Teil, 1862), sondern maßte sich sogar an, eine Fortsetzung v o n Faust I so zu skizzieren, w i e Goethe das Drama hätte schreiben sollen. Diese merkwürdige Ü b u n g in »positiver Kritik« verrät die Grenzen v o n Vischers G e schmack und Phantasie. Es ist ein künstliches Schema, demzufolge Faust durch eine R e i h e v o n festen Sphären gehen müsse: Religion, Politik und Wissenschaft. Faust müsse ein wirkliches Verbrechen begehen, er müsse bitterste A r m u t erfahren, und er müsse einen Heldentod sterben als freiwilliges O p f e r f ü r sein V o l k . Vischer bewundert den ersten Teil in hohem Maße, abstrahiert aus i h m einen Begriff des Charakters und des Stiles und konfrontiert den zweiten Teil mit dieser Schablone. Er kennt sie und ignoriert doch die Tatsache, daß Goethe sich verändert und in dem zweiten Teil etwas erreicht hatte, was sich v o m ersten sehr unterschied. Vischers Unternehmen scheitert selbst als intellektuelles Experiment, denn er versteht den Stil des ersten Teils falsch und versucht, Goethe in Richtung auf sein eigenes ästhetisches Ideal hin zu verbessern und zu v e r v o l l k o m m n e n : ein geläuterter, weniger »barocker« Shakespeare — ein Ideal, das auch die Essays und V o r träge über Shakespeare beherrscht. 29 Diese preisen Shakespeare als den großen, ursprünglichen »Realisten«, kritisieren aber dauernd seine Manierismen, seinen Schwulst, seinen forcierten W i t z und seine nachlässige Handlungsführung. In der Praxis bleiben Vischers Interpretationen meist psychologisch. Hamlet w i r d eher als Mann v o n exzessiver Phantasie, denn v o n Empfindsamkeit, Intelligenz oder gelähmter Willenskraft verstanden. Hamlet sei hart, impulsiv, selbst boshaft und verschlagen, ein Spötter und Tatmensch, der erst durch Selbsterkenntnis »ein solcher verhärteter Stotterer des Handelns«30 werde. Shakespeares Historiengemälde sind f ü r ihn das große Vorbild, das er den Deutschen empfiehlt: ein neues nationales, historisches und politisches D r a m a solle geschaffen werden, eine Kreuzung zwischen dem D r a m a Schillers und dem Shakespeares. 31 Sehr viel vitaler als dieses akademische Interesse an einer schließlichen Versöhnung v o n Idealismus und Realismus, v o n deutscher Klassik und Shakespeare w a r V i schers konkrete Vorliebe für die innige lyrische Kunst seines Freundes Eduard Mörike und besonders f ü r den humorvollen Realismus Gottfried Kellers. Sein eigener seltsamer R o m a n , Auch Einer (1879) zeigt, w i e weit er sich v o n der deutschen Klassik entfernt hatte. Vischer will Realismus, aber einen humorvollen, gefälligen, heiteren Realismus, einen »poetischen Realismus« der grelle Satire, bittere Sozialkritik oder abstoßende Häßlichkeit vermeide. In d e m riesigen B a u der Ästhetik ist der komische Geist auch Vischers höchstes Ideal und die K o m ö d i e die letzte Gattung.

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Die Ästhetik besteht aus numerierten Paragraphen, innerhalb derer zunächst in deutlich hervorgehobener Schrift ein Thema formuliert wird, durchsetzt mit weitschweifigen Kommentaren in kleinerem Druck, die alle früheren deutschen Ästhetiken verarbeiten und diskutieren. Der ganze fünfte Band (1857) ist einem sorgfaltig ausgeführten System der Poetik gewidmet. Die Ästhetik gibt vor, nur eine modifizierte, verbesserte Darlegung der Hegeischen Ästhetik zu sein, doch im Grunde stürzt sie das ganze System um. Im Gegensatz zu Hegel behandelt Vischer das Naturschöne mit großer Aufmerksamkeit. Ein ganzer Band analysiert die objektive Existenz des Schönen, beginnend mit der Schönheit v o n Licht, Farbe, Luft, Wasser und Erde, weiterschreitend über die Schönheit der Pflanzen, Fische, V ö g e l und so fort bis hin zu der des Menschen. Diese Skala wird mit der subjektiven Form der Existenz der Schönheit verglichen, mit der Einbildungskraft, die Vischer analysiert und ohne ersichtliche Beziehung zur Kunst teilt und unterteilt. Die Kunst erscheint schließlich als die Synthese von Natur und Einbildungskraft. 32 O b w o h l Vischer sich immer noch in Hegeischen Triaden bewegt, so hat er doch tatsächlich die Dialektik und die besondere These Hegels, die Kunst sei in der Geschichte einbegriffen, verlassen. Vischer gibt zu, daß die Geschichte der Künste zum größten Teil mit der Abfolge ihrer Gattungen zusammenfällt, doch er führt einen Begriff der »Zufälligkeit« ein, der das Irrationale und Zufällige berücksichtigt und den Anspruch der Dialektik auf eine vollständige Deduktion ihrer Begriffe aufhebt. 33 Mit dem Begriff der Zufälligkeit geht eine sehr viel nachdrücklichere Betonung des Bildlichen gegenüber der Idee einher, der Kunst als »Verewigung des Individuums« wie auch die daher rührende Betonung der Komik, ihrer »negative(n) Stellung zur Idee«. Das Komische widersetzt sich »der Durchdringung mit der Idee...«, weil sein Geist der »Geist der Immanenz« sei.34 Während Hegel Satire, Komödie und den modernen komischen R o m a n als Momente der Geschichte behandelte, analysiert Vischer die Posse, den W i t z und Humor ausführlich als selbständige Kategorien. Vischer hebt auch den Hegelschen Dreischritt der Stile — symbolisch, klassisch, romantisch — auf und setzt ihm zwei widerstreitende Hauptprinzipien, plastisch und malerisch, entgegen — und stellt damit der klassischen Tradition einen konkreten, individualisierenden, realistischen Stil gegenüber. 35 Der Band über die Poetik enttäuscht sehr. Er ist fast ein Kompendium aller Gemeinplätze der deutschen idealistischen Ästhetik. Die gegenseitige Durchdringung von Idee und Bild, Inhalt und Form, die Notwendigkeit einer Totalität, die »in jedem Bild ein Weltbild« hervorbringe; die Einheit von Bildlichkeit und Musik, Darstellung und Stimmung, Gestaltung und Rhythmus — alle diese Kategorien werden erläutert und verteidigt. 36 D o c h dann geht Vischer zu einer konventionellen Darlegung der Gattungstheorie über. Er offeriert das alte triadische Schema v o n Epik, Lyrik und Dramatik, wobei sich das Epos auf die Vergangenheit wende, die Lyrik auf die Gegenwart und das Drama auf die Zukunft. 3 7 Die Kapitel über das Epische hängen völlig von den Auffassungen Wilhelm von

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Humboldts und A. W . Schlegels ab. Das Epische sei objektiv, distanziert, fortschreitend usw. Die Lyrik wird origineller behandelt, nicht in der üblichen Charakterisierung als subjektiv oder in der Auffassung ihrer zeitlichen »Punctualität«, sondern in der scharfsinnigen Zusammenstellung ihrer Untergattungen: die Hymne oder der Dithyrambus sei »eine Lyrik des Aufschwungs zum Gegenstande«, das Lied erreiche das reine Aufgehen »des letzteren ins Objekt«, und die beginnende und wachsende »Ablösung aus ihm in der Betrachtung« werde von den kontemplativen reflektierenden Formen wie etwa zum Beispiel der Elegie geleistet.38 Das Drama wird als die höchste Form der Dichtung angesehen. Die Tragödie wird in Hegeischen Begriffen als Konflikt und Aussöhnung von ethischen Kräften erörtert — obwohl Vischer auch niedrigere Typen aufnimmt. Er erkennt, daß in der Tragödie auch der Schuldlose untergehen könne und verteidigt heftig die Unschuld Desdemonas, Cordelias und Ophelias gegen die frommen Verfechter einer »poetischen Gerechtigkeit«.39 Das Komische sei der »Act der reinen Freiheit des Selbstbewußtseins« und die Komödie die höchste Gattung, weil sie der Subjektivität den höchsten Grad an Freiheit gewähre. »Die Komödie enthält das Erhabene, das Tragische in sich.«40 Die Komödie bewege sich jedoch am Rande der Prosa, der Rationalität, der Rhetorik. Vischer stimmt mit Hegels Prophezeihung eines unmittelbar bevorstehenden Endes der Kunst nicht überein, doch er teilt die Empfindung seiner Zeitgenossen von ihrem Verfall. Er bekräftigt sogar Gervinus' Argument, daß das Zeitalter der Poesie wenigstens vorübergehend aufgehört habe, und er kritisiert scharf die Gruppe der Jungdeutschen und die politischen Dichter der Zeit (besonders Herwegh) als disharmonische, zersetzende, in sich selber gespaltene Menschen, die nicht in der Lage seien, wahre Poesie hervorzubringen und auch nicht hervorgebracht haben.41 Er hat nur Verachtung für Heine übrig, und er wendet sich gegen den modischen Nihilismus von Hebbels Maria Magdalena, obwohl er das Stück als eine psychologische Studie bewundert. 42 Von Natur aus ist Vischer ein heiterer Optimist, sogar ein Philister. Sowohl in der Politik (wo er als radikaler Demokrat begann und als Bewunderer Bismarcks aufhörte) wie in der Literatur sucht er den goldenen Mittelweg, das richtige Gleichgweicht, common sense und Sinn für Humor. Es ist kein Wunder, daß er seinen frühen Hegelianismus aufgibt und sich der positivistischen Bewegung und einem gemäßigten Realismus anschließt. Vischer veröffentlichte in späteren Jahren (1866 und 1873) eine umfassende Kritik seiner eigenen Ästhetik, einen Widerruf und eine Selbstverteidigung von seltenem intellektuellen Mut. Er gibt die allgemeine Struktur und Methode der Ästhetik auf, verwirft die Hegeische Entwicklung des Begriffs und akzeptiert die Kantische Auffassung, daß das Schöne nur dem Akt der Intuition entspringe und daß das Naturschöne nicht unabhängig von der Einbildungskraft diskutiert werden könne.43 Andererseits verteidigt er nachdrücklich und scharfsinnig in diesen beiden Abhandlungen und in einer früheren Schrift, »Über das Verhältnis von Inhalt und Form in der Kunst« (1858) 44 die Einheit von Form und Inhalt, »die

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inhaltsvolle Form«, die »wesentlich Ausdruck« sei, und er greift die neue formalistische, von Herbart herkommende Ästhetik an, besonders die Robert Zimmermanns wegen ihrer »barocke(n) Verbindung von Mystik und Mathematik.« Für Vischer existiert die »reine Form« nicht als eine ästhetische Wirklichkeit, denn »die Form hängt nicht am Stoff, sondern geht aus ihm hervor.« Die Form sei nichts als die »Form des Inhaltes, das Äußere des Inneren.«45 Er erkennt, daß er und die anderen Hegelianer legitime Probleme der Struktur und der äußeren Form unterschätzt hatten,46 doch kann er einer Theorie nicht zustimmen, die die Form vom Gehalt trenne und die entscheidende Rolle des Symbols in der Kunst unbeachtet lasse. Vischers letzte Abhandlung mit dem Titel »Das Symbol« (1887) kennzeichnet die äußerste Stufe dieser Entwicklung auf eine psychologische und empirische Ästhetik hin, obwohl er immer noch an dem festhält, was für ihn die Essenz der idealistischen Position ist. Er analysiert sorgfältig die verschiedenen Bedeutungen des Symbolbegriffs. Ein Symbol sei mehr als eine Verschmelzung von Bild und Bedeutung (wie Brot und Wein beim Heiligen Abendmahl identisch werden mit dem Leib Christi). Es sei auch nicht dasselbe wie »Mythos«, an den man als eine Realität glauben müsse. Vielmehr, folgert Vischer, solle unser moderner poetischer Glauben an den Mythos symbolisch genannt werden. Über diese erste religiöse Bedeutung des Symbols hinaus nimmt er eine zweite Stufe des Symbolischen an: die Beseelung der Natur durch den Dichter. Das Symbol in dieser zweiten Bedeutung von Naturbeseelung oder Vermenschlichung der Natur beruhe auf der »Wahrheit aller Wahrheiten, daß das Weltall, Natur und Geist in der Wurzel Eines sein muß.« Das Symbol sei ein Akt der »Einfühlung«, den Vischer nun in rein psychologischen Kategorien analysiert. Er unterscheidet verschiedene Stufen — eine rein sinnliche Einfühlung, die »Zuempfindung«, eine motorische Einfühlung, die »Nachempfindung« und eine schließliche Stufe der Identifikation, die »Einempfindung«. Vischer sucht nach Beweisen für diese letzten Stufen in Träumen, die von physischen Reizen herbeigeführt werden, in der Physiognomie und in der Sprache der Gebärden. Einfühlung, argumentiert er, sei nicht nur die Verbindung, die zu formalen, für die reine Schönheit konstitutiven Verwandtschaften hinzukomme. Vielmehr seien sogar die mathematische und logische Schönheit der Einfühlung assimilierbar. Es gebe nicht zwei Prinzipien der Kunst — »Harmonik und Mimik« — sondern nur eines: imaginative Einfühlung. Die dritte Bedeutung des Wortes »Symbol« als bewußt erfundener Symbolismus, als die poetische Repräsentation dessen, was allgemein signifikant und typisch sei, erscheint Vischer als der Allegorie gefährlich nahe, die er anläßlich des zweiten Teils von Faust und Dantes nie zu verurteilen aufhörte. Das Symbol sei die Grundlage der ganzen Kunst, das aber bedeutet bei Vischer primär Einfühlung, Beseelung der Natur, Vermenschlichung und spricht so für eine pantheistische Metaphysik. Er zitiert Fichte: »Die Kunst macht den transcendentalen Standpunkt zum gemeinen.«47

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Vischer ist eine ungewöhnlich repräsentative Persönlichkeit, da er beinahe als Beispiel für den Übergang vom Hegelianismus zum Psychologismus dienen kann. Seine Ästhetik wird immer das große Kompendium der Periode bleiben und seine späteren Revisionen und Polemiken zu dem Problem von Form und Inhalt und zum Symbol erörtern Sachverhalte, die immer noch zur Debatte stehen. D e Sanctis, der den Mann nicht mochte, lernte gleichwohl einiges von dem Kritiker Vischer. Ernst Cassirer und Susanne K . Langer kommen in ihrer Auffassung von Symbolismus und empfundener Form Vischer oft sehr nahe. Eine Reaktion auf den Hegelianismus kann man auch bei vielen von Vischers Zeitgenossen beobachten. In den meisten Fällen wendeten sie sich einfach von der Ästhetik und Theorie weg und der unmittelbaren Literaturgeschichte zu. Doch kann Theodor Wilhelm Danzel (1818—50) als Ausnahme hervorgehoben werden wegen seines ungewöhnlich hohen theoretischen Bewußtseins und der Klarheit seiner neuen ästhetischen Position, die in mancher Hinsicht Croce vorwegnimmt. Ein frühes Pamphlet, Über die Ästhetik der Hegeischen Philosophie (1844) kritisiert Hegels Vermischung von Kunst und Religion und seinen Intellektualismus, der verkenne, daß jedes Kunstwerk »ein Einzelnes, und zwar ein wahrhaft concretes« sei. Bei Hegel bedeute das Kunstwerk »nur eine bestimmte Form der Äußerung und Darstellung des Wahren.« Danzel klagt über die Hegelianer: »das Philosophieren über die Kunst besteht dann darin, daß man die Form zerbricht, und nun, bei Gelegenheit des Kunstwerks, über den Inhalt das aus Religions- und Rechtsphilosophie anderweitig Bekannte wiederholt.«48 In einer Besprechung von Ulricis Shakespearebuch verwirft Danzel die ganze Auffassung, daß Shakespeare oder irgendein anderer Dichter eine systematische Weltanschauung gehabt habe. Der Gedanke sei ein »unseliger Ausdruck, der ein ganzes Zeitalter zur Sysyphusarbeit einer Zurückführung der Sache id. h. eines Kunstwerks] auf das Denken des Verstandes und der Vernunft verdammt hat. Der Gedanke eines Kunstwerks ist nichts Anderes als des . . . Erschaute, welches nicht in dem Kunstwerk dargestellt, sondern das Kunstwerk selbst ist. Der Kunstgedanke kann niemals durch Begriffe und Worte ausgedrückt werden... Nie kann ich seinen Inhalt anders mittheilen als dadurch, daß ich es eben ganz wie es ist vor Augen stelle.« Seine Elemente seien »Anschauung und Stimmung«, nur durch das Erlebnis übertragbar. Daraus folge, daß es in einem Kunstwerk »gar kein Wesentliches und Unwesentliches« gebe. Ein Kunstwerk, dessen grundlegenden Gedanken wir angeben könnten, wäre kein wahres Kunstwerk. Es sei sogar noch absurder zu glauben, daß ein Gedanke Glied eines ganzen Systems sein könnte, da es nichts gebe, in das er eingepaßt werden könne. Wenn irgendetwas allgemeineres existierte als das Kunstwerk, so könnte das nur die »Stimmung« des Künstlers sein, die seinen Werken den »Stil« gebe. Doch dieser sei nur »ein subjectives Allgemeines, nur eine subjective Einheit.«4» Die Kritik könne »das Werk in seiner ganzen Eigentümlichkeit für die Anschauung vermitteln.« Danzel ist sich bewußt, daß ein Vergleich mit den Quellen helfen könne zu zeigen, was der Schriftsteller geleistet habe, und

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er argumentiert, daß schließlich »eine wahre Kunstgeschichte der Poesie« entstehen müsse, »in welcher nicht nur die äußeren Formen, sondern auch die innere Auffassung des Stoffs bei den verschiedenen Dichtern« dargestellt würde. Diese hätte Unterschiede des Stils aufzuzeigen und endlich einen »Entwicklungsgang« nachzuweisen.50 »Ohne links und rechts zu sehen« werde eine zukünftige Literaturgeschichte »die Metamorphosen der poetischen Production rein aus dieser selbst« darzustellen habendi Danzel kann daher die damals blühende Literaturgeschichte als bloße Kulturgeschichte kritisieren. Er beklagt, daß die Literaturgeschichte in Deutschland die vermittelnde Stufe zwischen altmodischen, gelehrten Kompilationen und philosophischen und politischen Geschichtsdarstellungen von der Art des Gervinus übersprungen habe. Eine einfache, pragmatische Darstellung der Materialien fehle. Nötig seien, folgert Danzel, Monographien über ausländische Einflüsse auf die deutsche Literatur (die Teil der Weltliteratur sei und deshalb nicht isoliert behandelt werden könne) und Untersuchungen über die Geschichte der Literaturkritik und Ästhetik.52 Danzel folgte seinem eigenen Rat. In einer dichten Abhandlung »Uber den gegenwärtigen Zustand der Philosophie der Kunst und ihre nächste Aufgabe« (1844—45) stellte er die Geschichte der deutschen Ästhetik dar mit dem Schwerpunkt auf Kant, Schiller, Schelling und Solger. In anderen Schriften analysierte er sehr scharfsinnig einige der ästhetischen Konzeptionen von Moses Mendelssohn, Goethe und Schiller.53 Er gab den Briefwechsel Gottscheds heraus und begann eine großangelegte Monographie über Lessing, von der er vor seinem frühen Tode nur einen Band fertigstellen konnte.54 Es war die erste gründlich dokumentierte, Leben und Zeit umfassende Monographie eines klassischen deutschen Schriftstellers: eine detaillierte Biographie mit historischem Hintergrund, eine peinlich genaue chronologische Untersuchung sogar der nebensächlichsten Schriften Lessings unter ständiger Berücksichtigung ihrer Quellen, Gedanken und ihres Stils. Danzel meisterte die Materialfülle leider nicht ganz und viele der Probleme, die er sich stellte, konnte er nicht lösen. Er gab seinen Traum auf, »der Winckelmann der Geschichte der Poesie«55 zu werden — das ferne Ideal einer Kunstgeschichte der Literatur, das selbst heute kaum verwicklicht ist — und er beschränkte sich darauf zu »forschen«, einen ungeheuren Berg von Fakten, Quellen, Parallelen und Einflüssen zusammenzutragen, die mit dem Fortschreiten des Jahrhunderts immer mehr zum Hauptinhalt der literarischen Forschung in Deutschland wurden.

FRIEDRICH HEBBEL (1813—1863) Vor allem um die Jahrhundertwende erlangte Friedrich Hebbel in Deutschland eine große Berühmtheit. Weithin wurden seine Dramen aufgeführt, neu herausgegeben, umfassend studiert, und er wurde als Vorläufer Ibsens und als der größte

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Dramatiker des 19. Jahrhunderts gepriesen. Hebbels R u f drang dann auch etwas ins Ausland, aber man hat den Eindruck, daß er im Wesentlichen von lokaler Bedeutung war und daß selbst in Deutschland das Interesse an Hebbel (außerhalb der Universitäten) allmählich geschwunden ist. Dennoch verdient seine Theorie der Tragödie in unserem Zusammenhang Aufmerksamkeit. Sie wurde in Deutsche land im Zusammenhang mit den Stücken und ihren Quellen endlos diskutiert. Hegel, Schelling, Solger, G. H. Schubert und Rötscher wurden von verschiedenen Forschern verschieden stark betont. Hebbel selbst leugnete energisch, daß er ein Hegelianer gewesen sei. Er las die Vorlesungen über die Ästhetik nicht vor 1842 in Kopenhagen und äußerte oft seine Abneigung gegenüber abstrakter Philosophie, Dialektik und was er für den falschen Optimismus und Monismus des Hegeischen Systems hielt.1 Gleichwohl ist Hebbel, wie auch immer seine genauer Kenntnis von Hegels Texten gewesen sein mag, in der Ästhetik und Dramentheorie ein Hegelianer. Er erkannte das selber in Bezug auf das entscheidende Problem der tragischen Schuld.2 In späteren Jahren näherte er sich sogar noch stärker dem Hegeischen Begriff des Tragischen, möglicherweise unter dem Einfluß Rötschers, dessen Essay über Goethes Wahlverwandtschaften er im Jahre 1842 gelesen hatte und mit dem er 1847 zu korrespondieren begann. Durch Besprechungen und sehr lange briefliche Diskussionen scheint Rötscher Hebbels Auffassung der Versöhnung und der Stellung der Geschichte in der Tragödie zugunsten der Hegeischen Orthodoxie beeinflußt zu haben.3 Felix Bamberg war ein weiterer Hegelianer, mit dem Hebbel häufigen Kontakt hatte (nach 1843). Hebbel kannte R ü g e und Mündt, wenn er sie später auch kritisierte, und er schätzte Friedrich Theodor Vischer, der einer der ersten Kritiker war, die sein Werk ernsthaft besprachen.4 So war die Atmosphäre, in der Hebbel lebte, gründlich mit Hegehanismus gesättigt. Die lobenden Hinweise auf Solger 5 widersprechen dieser Schlußfolgerung nicht und für unser besonderes Problem können andere Einflüsse vernachlässigt werden. Wir müssen wie üblich unterscheiden zwischen unserem Interesse an Hebbels Theorien und der anderen Fragestellung nach seiner Metaphysik oder der Beziehung zwischen seinen Theorien und seiner Praxis. Entspricht dieses oder jenes Drama seinen Theorien? Oder widerspricht es ihnen, überschreitet es sie, umgeht es sie oder enthält es implizit einen anderen Begriff des Tragischen? Alle diese Fragen liegen außerhalb einer Geschichte der Literaturkritik. Hebbels Tagebücher und Briefe enthalten viele Äußerungen, die extrem romantisch klingen, wenn er die persönliche Betroffenheit und die Rolle des Unbewußten bei der künstlerischen Schöpfung formuliert. Hebbel schreibt: »Poesie ist ein Blutsturz; der Dichter wird sein Blut los und es zerrinnt im Sande der Welt.«6 Er vergleicht das Schreiben mit dem Schlafwandeln, identifiziert die Dichtung mit dem Träumen und notiert die unzusammenhängendsten Träume seiner Frau wie auch seine eigenen mit der Pedanterie eines eingefleischten Freudianers. Künstlerische Schöpfung geschehe wie die Zeugung am besten im Dunkeln.» Das 14 Wellek, Literaturkritik 2

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Schreiben, sei eine Notwendigkeit oder ein Zwang, »dessen erstes Stadium, das empfangende doch tief unter dem Bewußtsein hegt und zuweilen in die dunkelste Ferne der Kindheit zurückfällt.« Beim Dichten glaubt Hebbel mit seinem inneren Ohr Melodien gehört zu haben. Stoffe und Motive seien ihm zufällig in den Sinn gekommen. Er gleiche einem vogelfangenden Jungen: »Er fängt ihn, weil er gerade da sitzt, und sieht sich ihn erst näher an, wenn er ihn in der Hand hat.«9 Derartige Aufzeichnungen Hebbels klingen oft wie eine verzweifelte Selbstversicherung, daß er in Wahrheit ein inspirierter Dichter sei und nicht ein Schriftsteller, der Probleme auf der Bühne diskutiere. Jedes echte Kunstwerk, wiederholt Hebbel oft, sei ein »geheimnisvolles, vieldeutiges, in gewissem Sinne unergründliches Symbol«.10 Gerne würde er der Gefahr, die Idee als einen bloßen abstrakten Begriff mißzuverstehen, ausweichen, fällt daher sogar hinter Hegel zurück und greift zu Raffaels neoplatonischer »Idee«. Dennoch haben Dichtung und Philosophie eine identische Aufgabe. Dichtung sei »die realisierte Philosophie«, aber sie müsse eine Philosophie sein, die aus dem Leben herausgewachsen sei.11 Die Kunst, betont er, sei sowohl universal als auch individuell, »der Dichter muß durchaus nach dem Äußeren, dem Sichtbaren, Begränzten, Endlichen greifen, wenn er das Innere, Unsichtbare, Unbegränzte, Unendliche darstellen will.«12 Die Sprache im Drama müsse malerisch, anschaulich sein, das stelle das einzige Kriterium der guten Kunst dar, das niemals versage.13 Dies alles sind Einsichten, die der unmittelbaren Tradition entstammen. Hebbel äußert seine innersten Überzeugungen nur, wenn er die Theorie der Tragödie in zwei schwerfällig geschriebenen Abhandlungen erörtert, »Mein Wort über das Drama« (1843) und das Vorwort zu seiner Tragödie Maria Magdalena (1844), zu denen die prägnanteren und oft klareren Eintragungen in seine Tagebücher einen erhellenden Kommentar und Nachtrag liefern. Das einzige Thema der Tragödie sei die Beziehung des Menschen zu der Idee oder, modern ausgedrückt, zu der Ordnung der Welt — die Beziehung des Individuums zum Ganzen. Die Tragödie bedeute die wahre Einsicht in die Natur der Welt, sie schildere die Vernichtung des Individuums durch das Universum. Hebbels originelle Wendung in dieser alten Anschauung ist, daß das Individuum nicht für seine Empörung oder Hybris oder Maßlosigkeit bestraft werde, sondern es gehe unter, einfach weil es Individuum sei. »Diese Schuld ist eine uranfängliche, von dem Begriff des Menschen nicht zu trennende und kaum in sein Bewußtsein fallende, sie ist mit dem Leben selbst gesetzt.«14 Sie sei so etwas wie eine Erbsünde ohne einen ausdrücklichen Sündenfall und ohne jede Hoffnung auf Erlösung, das schuldlos schuldige principium individuationis. So mache es nichts aus, ob der tragische Held an einer vortrefflichen oder einer verwerflichen Bestrebung scheitere, ob er unschuldig oder schuldig sei, passiv leide oder sich heroisch auflehne. Hebbel jedoch bevorzugt den Tod des Guten als tragisches Thema. Er entgegnet dem dänischen Hegelianer Heiberg (und Hegel), daß Antigone unschuldig sei: sie habe nur »ein bürgerliches, in sich selbst unhaltbares, und nur der Form nach die Idee des Staats repräsentierendes Gesetz«

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verletzt.15 Auf ähnliche Weise wird seine Agnes Bernauer das unschuldige Opfer einer grausamen wenn auch notwendigen Staatsräson. Für Hebbel scheint die Tragödie aufgehört zu haben, eine theodicee zu sein: stattdessen demonstriert sie niederdrückend, erschreckend, daß der Mensch qua seines Menschseins zum Untergang verurteilt sei, was auch immer er tue. Es bestehe kein großer Unterschied zwischen Handeln und Leiden, denn »alles Handeln löst sich dem Schicksal^ d. h. dem Weltwillen gegenüber, in ein Leiden auf.«16 Der Mensch lebe in einem Abgrund, und falls er aus ihm sich emporhebe, stoße ihn eine unbekannte Hand immer wieder zurück.17 Die Tragödie versöhne uns mit unserem Schicksal. Die Erziehung des Menschen sei abgeschlossen, »wenn der Mensch sein individuelles Verhältnis zum Universum in seiner Nothwendigkeit begreift.«18 Seine sogenannte Willensfreiheit »läuft darauf hinaus, daß er seine Abhängigkeit von den allgemeinen Gesetzen nicht kennt.« Des Menschen Wille sei bloß das Wollen des Notwendigen: Unterwerfung unter das Unvermeidbare.19 Die Tragödie werde nur dann erfolgreich sein, wenn ihre Handlung absolut notwendig sei. Hebbels Ideal wäre es, Charaktere zu schaffen, die alle das Recht auf ihrer Seite haben und »deren Schicksal daraus hervorgeht, daß sie eben diese Menschen sind und keine anderen.«20 »Es ist thöricht, von dem Dichter zu verlangen, was Gott selbst nicht darbietet, Versöhnung und Ausgleichung der Dissonanzen. Aber allerdings kann man fodem, daß er die Dissonanzen selbst gebe und nicht in der Mitte zwischen dem Zufälligen und dem Nothwendigen stehen bleibe. So darf er jeden Charakter zu Grunde gehen lassen, aber er muß uns zugleich zeigen, daß der Untergärig unvermeidlich, daß er, wie der Tod, mit der Geburt selbst gesetzt ist.«21 Es gebe keine poetische Gerechtigkeit, weder im Leben noch in der Kunst. »Es giebt nur Eine Nothwendigkeit, die, daß die Welt besteht; wie es den Individuen aber in der Welt ergeht, ist gleichgültig.«22 Der pessimistische Determinismus wird bis ins Extrem getrieben: die Tragödie erscheint wieder als eine Schule des Stoizismus, der Resigantion, der Unterwerfung unter das unerforschliche Mysterium. Möglicherweise unter dem Druck der herrschenden Hegeischen Gedanken geht Hebbel manchmal zu Betrachtungen über, die dieser fundamentalen Auffassung widersprechen, indem sie vage Ausblicke auf eine hypothetische Weltordnung eröffnen, die von einem »sittlichen Mittelpunkt« beherrscht werde, und sogar auf das kosmische Drama eines Gottes, der seine eigene Erlösung suche. Es gebe keine Versöhnung innerhalb der Tragödie: »Die Versöhnung fällt immer über den Kreis des speziellen Dramas hinaus.« Sie sei »die an sich seiende Versöhnung«23 in dem Interesse des Ganzen, nicht im Interesse des einzelnen Helden. Es sei gar nicht nötig, daß das Individuum sich der Versöhnung bewußt werde (obwohl es besser sei, wenn es sich ihrer bewußt wäre). Hebbel offeriert den seltsamen, kaum tröstenden Vergleich mit einem Fluß: »Das Leben ist der große Strom, die Individualitäten sind die Tropfen, die tragischen aber Eisstücke, die wieder zerschmolzen werden müssen und sich, damit dies möglich sey, an einander abreißen und zerstoßen.«24 Der Mensch, ist man versucht hinzuzufügen, ist ein Eisgedränge auf 14*

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dem Strom der Welt, der nach dem Tauwetter ruhig weiterfließen wird. In der Tragödie werde die ,Schuld' annuliert, vermutlich durch den Tod des Helden, doch lasse das »den innern Grund der Schuld unenthüllt.«25 In manchen Eintragungen seines Tagebuches weist Hebbel sogar auf die Möglichkeit einer kosmischen Tragödie hin, in der die Welt »die große Wunde Gottes« sei oder »Gottes Sündenfall«, der Mensch »das Prokrustesbett der Gottheit« und die Schöpfung sogar »die Schnürbrust der Gottheit.«26 »In der Welt ist ein Gott begraben, der auferstehen will und allenthalben durchzubrechen sucht, in der Liebe, in jeder edlen That.«27 Doch diese letzten spekulativen Leitgedanken, die aus uralten mystischen Vorstellungen stammen, stellen keinen klar umrissenen Bestandteil in Hebbels Theorie der Tragödie dar.28 Im allgemeinen richten sich Hebbels Reflexionen auf sehr viel unmittelbarere Probleme, besonders auf das Verhältnis der Tragödie zur Geschichte und zur Gegenwart. Zeitweise scheint es so, als sei für ihn die Tragödie identisch mit der Geschichte und er nennt dann die Kunst »die höchste Geschichtsschreibung.«29 Die Tragödie bediene sich vor allem der Wendepunkte der Geschichte: mit Judith und Holofernes habe er nicht nur den Prozeß zwischen Mann und Frau darstellen wollen, sondern auch den zwischen Judentum und Heidentum. In Herodes und Mariamne werden zwei Zeitalter des Menschen gegenübergestellt: Herodes repräsentiere die jüdische Gemeinschaft und Mariamne prophezeihe die christliche »Wiedergeburt der Individualität.«3" Hebbel verachtet jedoch das historische Drama seiner Zeit und beurteilt es sehr geringschätzig — die altertümelnden, patriotischen Stücke, die den Glanz der deutschen Vergangenheit beschwören.31 Die historischen Krisen, die in Hebbels Stücken widergespiegelt werden, gestatten ihm vielmehr, sich auf allgemeine Konflikte zu konzentrieren: auf den Kampf der Geschlechter (den er als erster so formuliert zu haben scheint), den Konflikt zwischen dem Staat und dem Individuum und zwischen dem Menschen und der Gesellschaft. In seiner Verteidigung der Maria Magdalena könnte man Hebbel sogar für einen Verfechter des bürgerlichen Trauerspiels halten. Aber er kümmert sich nicht um soziale Probleme als solche, um Armut oder den Konflikt zwischen Klassen, der in den Herzensaffären aufbricht,32 er unterstreicht vielmehr die Auffassung, daß allgemeine Probleme auf jeder sozialen Ebene entstehen werden. So betont er den Gegenwartsbezug, als ob er ein Jungdeutscher wäre: er definiert sogar als seine Lebensaufgabe, »den gegenwärtigen Welt-Zustand, wie er ist und ward, darzustellen.«33 In dem Vorwort zu Genoveva (1842), einem Drama, das auf einem mittelalterlichen Thema beruht und das vorher von dem Romantiker Tieck bearbeitet worden war, verkündet Hebbel: »Ein jedes Drama ist nur so weit lebendig, als es der Zeit, in der es entspringt, d. h. ihren höchsten und wahrsten Interessen, zum Ausdruck dient.«34 Das Drama sei »zeitgemäßig« in einem tieferen Sinne als dem der täglichen Zeitung. Er nennt sogar seine Dramen »künstlerische Opfer der Zeit« und beschäftigt sich anhaltend mit dem Widerspruch zwischen Drama und Theater. Dieser Widerspruch vereitelte seine Hoff-

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nung auf ein neues nationales Drama, das sowohl große Dichtung als auch wirkungsvolle Bühnenrealisation hätte sein sollen.35 Der Dichter sei nicht nur ein Historiker und ein Spiegel seiner Zeit, sondern auch ein Prophet oder (mit einem Ausdruck, der im Zeitalter von Radio und Fernsehen beinahe seine alte zoologische Assoziation verloren hat) »der Fühlfäden seiner Zeit.«36 Alle diese sich möglicherweise widersprechenden Aussagen und Vorstellungen werden in der Konzeption des Dichters als eines repräsentativen Menschen in Einklang gebracht, die es ihm erlaubt, den Dichter abwechselnd einen wahren Interpreten der Vergangenheit, einen Wortführer seiner Zeit und den Herold einer neuen Zeit zu nennen. »Die Kunst ist das Gewissen der Menschheit.«37 Der Dichter habe eine Vision der wahren Wirklichkeit. Doch Hebbels Universum ist dunkel und geheimnisvoll, widerspruchvoll und unergründlich. »Das moderne Schicksal ist die Silhouette Gottes, des Unbegreiflichen und Unerfaßbaren.«38 Der Hegeische Optimismus ist gebrochen, aber es ist nicht die Absicht Hebbels, daß der Mensch den Willen zum Leben verneine, wie es Schopenhauer verlangte, und er betrachtet die Welt auch nicht als ein unordentliches Chaos, wie es sein Zeitgenosse Georg Büchner getan hat. Vielmehr bewahrt er einen starken sittlichen Kern: einen ernsten, stoischen Stolz, einen Rest Kantianismus, der den Menschen selbst im Untergang seines individuellen Lebens mit einem höheren Gesetz verbindet und ihn darüber erhebt.39

A R N O L D R U G E (1802—1880)

Die Spannungen zwischen den Schülern und Anhängern Hegels waren schon zu Hegels Lebzeiten sichtbar geworden. Aber die tatsächliche Spaltung in einen rechten und einen linken Flügel wurde erst 1837 von David Friedrich Strauß erklärt, dem Autor des Buches Das Leben Jesu (1835). Im Jahre 1838 gründete Arnold R ü g e mit Theodor Echtermeyer eine neue Zeitschrift, Die Hallischen Jahrbücher für die deutsche Wissenschaft und Kunst (1841 von der Zensur unterdrückt), die das führende Organ der linken Hegelianer würden. Die Gegensätze zwischen den beiden Flügeln beruhten zum großen Teil auf politischen und religiösen Differenzen: die linken Hegelianer waren glühende Liberale und Radikale und besaßen eine höchst kritische Einstellung gegenüber der traditionellen protestantischen Orthodoxie. In der Literaturkritik war R ü g e ihr beredtster Wortführer. Er entwickelte die besondere Kombination von Hegelschem Historismus mit radikaler politischer Anschauung, von Relativismus mit einem völligen Vertrauen auf den Fortschritt. Die Geschichte wird als ein langer Prozeß auf die Errichtung der Freiheit hin verstanden. Die Literatur sei sowohl Widerspiegelung dieses Prozesses als auch ein Werkzeug für seine Vollendung. Einerseits könne der

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Dichter nichts dafür, daß er der »Sohn seiner Zeit« sei, vom »Genius des Jahrhunderts« abhängig. 1 Andererseits habe jeder Dichter auch die Verpflichtung, seine Zeit zu verändern. Er sei sowohl ein passiver Spiegel der Gesellschaft, der ihre Verhältnisse reflektiere, als auch ein Reformer und sogar Revolutionär, der die Tendenz der Geschichte erfassen und sich mit ihr auf die Zukunft hin bewegen sollte. Als er die Gedichte Georg Herweghs lobt, eines politischen Dichters, wenn es je einen gegeben habe, identifiziert R ü g e ohne weiteres revolutionär und schöpferisch. »Revolutionär, heißt das nicht poetisch, novarum rerum studiosus, schöpferisch? . . . Jede neue, ist sie nicht der Umsturz einer alten und veralteten Geisteswelt?« »Jede Poesie ist eine kämpfende.« »Das Wesen der Poesie ist demokratisch« in dem Sinne, daß der Dichter »alle Herzen zu beherrschen« wünsche. 2 Aber es wäre ein Irrtum zu folgern, R ü g e empfehle einfach eine politische und gesellschaftliche Dichtung, die seine Sache unterstütze. Er verhielt sich höchst kritisch gegenüber den politischen Dichtern seiner Zeit. In vielen Essays arbeitete er ein ganzes System der deutschen Literaturgeschichte heraus, das sie als Ringen zwischen Geist und Gemüt darstellt. Alle seine Sympathien sind auf der Seite des »Geistes«, begriffen als rational im Hegeischen Sinne, während er das Gemüt als romantisch, mystisch, irrational und daher reaktionär denunziert. Ruges historisches System beginnt mit einem Lob der Aufklärung, mit einem Lob Lessings, Schillers und Kants, denn »die Aufklärung behauptet die Wahrheit der Wissenschaft, die Wirklichkeit der Tugend und Freiheit, endlich die Existenz des Ideals durch die Kunst.«3 Doch Rüge ist kein durchschnittlicher Verteidiger des Rationalismus des 18. Jahrhunderts: er erkennt seine Grenzen und ist sich klar dessen bewußt, was man heute die Entfremdung des Künstlers von der Gesellschaft und den Fehler des unhistorischen, abstrakten Kosmopolitismus und Ästhetizismus der deutschen Klassiker nennen würde. Er zitiert Schiller: »Wir wollen dem Leibe nach Bürger unserer Zeit bleiben weil es nicht anders sein kann; sonst aber dem Geiste nach ist es das Vorrecht und die Pflicht des Philosophen, wie des Dichters, zu keinem Volk und zu keiner Zeit zu gehören, sondern im eigentlichen Sinne der Zeitgenosse aller Zeiten zu sein«, und kommentiert traurig, »Armer Dichter der deutschen Zeitlosigkeit! Aber so war es und so ist es: wer keine Zeit erlebt, kann freilich nicht ihr Genosse sein.«4 Gleichwohl akzeptierte R ü g e die deutsche klassische Ästhetik und den Gedanken der Autonomie der Kunst. Er lobt Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen, weil sie eine absolut freie ästhetische Welt entdeckt hätten. Doch er glaubt, daß die deutsche Literatur über die Klassik und ihre innere Freiheit hinaus vorwärts schreiten könne, wenn eine reichere Wirklichkeit Ursache einer reicheren idealen Welt sein werde, 5 oder, um es schärfer zu formulieren: wenn ein freies Deutschland eine lebendigere, echtere Kunst erlauben werde. Obwohl er sowohl Goethe als auch Schiller sehr bewundert, bedauert R ü g e ihre nachdrückliche Betonung der Selbstverwirklichung, der individuellen Bildung. Goethe wird getadelt, weil er sich von der Politik

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ferngehalten, habe. Der Humanismus der deutschen Klassiker sei eine private Sache geblieben. »Nur der freie Staat erzeugt einen Dichter, der die wahre Wirklichkeit idealisiert und ein Ideal hervorbringt, das die Welt ernstlich verwirklicht.« Auf diesem Wege zu einer Vereinigung des Idealen und des Wirklichen hin erscheint R ü g e die Romantik als ein mächtiges Hindernis, ein gefährlicher Feind der Vernunft. »Die Romantik ist die Kriegserklärung dieses Geistes der Willkür gegen den freien gesetzlichen Geist unsrer Zeit.«7 Für R ü g e bedeutet Romantik Unverantwortlichkeit, Phantasie, Hingabe an die Spekulation, an Träume und egozentrische Wunscherfüllung. »Die Romantik ist die verkehrte Welt, sie setzt die Natur über den Geist, den Kopf nach unten und die Beine nach oben, das Unvernünftige, ja das Vernunftlose, wie die Pflanze und das Organische zur Regel des Vernünftigen, die Natur und das Paradies zum Ziel des Geistes und der Cultur.«8 Was der Romantik fehle sei »der Geist und sein Begriff . . . Ihre Poesie (ist) unpoetisch, ihre Freiheit Frechheit, ihre Philosophie Ironie und Mystifikation.«' R ü g e kritisiert auch die Idolatrie des Volksliedes, die ihm ein Zeichen der Verzweiflung über die Dichtung seiner eigenen Zeit zu sein scheint.10 Er kritisiert Novalis wegen dessen Verbindung von Wollust, Religion und Grausamkeit und wegen seines Kultes der Nacht und des Todes. 11 Weder die Gebrüder Schlegel oder Tieck noch die jüngeren Romantiker finden Gnade vor seinen Augen. Nur Heine (den er in Paris traf) gefällt ihm, doch auch er wird der Unverantwortlichkeit oder romantischen Willkür verdächtigt. »Hat Heine das Recht ernsthaft zu reden, nicht verscherzt? Wer glaubt ihm noch?« Heines Poesie sei gefallsüchtig: er habe sich nicht seinen Gefühlen ausliefern wollen. »Die ganze Welt der Wahrheit und die ganze Realität geht ihm verloren.« R ü g e bewundert Heines antiromantischen Geist, kommt aber zu dem Ergebnis, »sie scheint Geist zu sein und sie ist nichts, als die Verzweiflung am Geiste selbst.«12 Er glaubt, daß Heine ein aufrichtiger Liberaler, doch ein hoffnungsloser Liebhaber der Freiheit gewesen sei, der der gemeinsamen Sache durch seine Verzweiflung und seinen beißenden Witz Schaden zugefügt habe. R ü g e stellte einen amüsentan Katechismus der Romantik auf: Ein ächter Romantiker glaubt: (1) An den genialen Göthe, an die unbedingte Vollkommenheit Shakespeares, an die Tiefe Dantes, und an Calderon den Spanier, auch an einige Griechen. Diese sind .Dichter', Schiller und Körner dagegen sind .Nichtdichter'. (2) Diese Bestimmung bleibt mysteriös... Shakespeare, Dante, Calderon, Göthe, Hans Sachs, F. Schlegel, Holberg, Heinrich von Kleist, Manzoni sind Dichter; Voltaire dagegen, Schiller, Körner, Walter Scott und Wieland mögen sonst hübsche Leute sein, aber 'es fehlt ihnen das Eine, Dichter sind die nicht.' Warum, das weiß man nicht.

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(3) Der Romantiker glaubt ferner an das Mittelalter, an den Katholicismus, an die mittelaltrige Kunst und an die Vor-Raphaelsche Malerei. (4) An die Poesie des Aberglaubens, an die Volkspoesie im Gegensatz gegen die Kunstpoesie, an Volkslieder und Volksbücher, nach der Melodie: ,Das Beste wird durch Worte nicht deutlich.' (5) An den Styl A. W. Schlegels und an Tiecks Welthumor im Kater. (6) Er sehnt sich nach Italien, und verachtet jeden als geistlos, der es nicht lobt. (7) Er erzieht seine Kinder nach der Wunder- und Märchenschrulle. (8) Die Narrenfeste, Volksspiele, die alte Reisepoesie gehören zu seinen frommen Wünschen. (9) Sein drittes Wort ist tief und mystisch. (10) Er haßt die Aufklärung und die Franzosen... Die Wörter, Nutzen und Geschmack in den Mund zu nehmen ist trivial. (11) Er verachtet die Park- und Gartenkunst und liebt den Naturwuchs der .Waldeinsamkeit.' (12) Er glaubt an den Weltuntergang, und zwar ist derselbe bereits eingetreten, in der dramatischen Poesie, seit Shakespeare und Holberg tot sind... Er glaubt endlich auch in keiner andern Sphäre an den Freiheitzeugenden Geist, wohl aber an den Teufel und an Spuck. Prüft man diesen Katalog, der, wie Rüge betont, zum Teil aus der Beobachtung eines sozialen Typus gewonnen sei, so überrascht einen die Tatsache, daß Rüge selber die ersten beiden Punkte dieses humoristischen Glaubensbekenntnisses nicht ernsthaft in Zweifel gezogen haben würde. Er hätte sicherlich keinen der Nichtdichter (mit Ausnahme Schillers) verteidigt. Seine antiromantische Einstellung bezieht sich auf die beherrschende Stellung des Irrationalen, des Gemüts über der Vernunft. Er hofft auf eine Vereinigung von Dichtung und Politik im Geiste der Philosophie und unter der Flagge der Freiheit. Er ist kein Realist in irgendeinem späteren Sinne: er erhebt keinerlei Einwände gegen irgendwelche Kunstgriffe und Konventionen in der Literatur. Manschmal nennt er die Klassik sein Ideal. Doch schließlich entscheidet er sich dafür, daß aller Absolutismus falsch sei oder vielmehr: »das Absolute oder die Freiheit erreichen wir nur in der Geschichte.«14 Rüge vergöttert den Geist der Zeit und in der Praxis sogar die öffentliche Meinung mehr als irgendeiner seiner Zeitgenossen. Wie Marx nach ihm ist er ein Historist, der nur an die historische Wahrheit glaubt, ideologisch aber ist er Utopist, für den der Gang der Geschichte mit der unaufhaltsamen Woge der Zukunft zusammenfällt und für den der unvermeidliche Fortschritt die Vernunft der Zeit darstellt. Der Dichter sei Wortführer und Prophet des Fortschritts: er könne es nicht ändern, daß er beides sei.

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M A R X U N D ENGELS Die literarischen Theorien und Auffassungen von Karl Marx (1818—83) und Friedrich Engels (1820—95) üben immer noch einen ungeheuren Einfluß aus. Die beiläufigsten Äußerungen aus frühen Rezensionen oder späten Briefen sind in umfangreichen Editionen in der kommunistischen Welt gesammelt und neu gedruckt worden. Diese Äußerungen sind Gegenstand intensiver Forschungen geworden und wurden von marxistischen Kritikern mit der gleichen Sorgfalt studiert, mit der theologische Texte von Theologen interpretiert und ausgearbeitet werden. Marx und Engels waren von Beruf keine Literaturkritiker. Ihr Interesse an der schönen Literatur wurde dann und wann in spezifischen Situation ihrer langen politischen Laufbahn geweckt. Dennoch ist die Chronologie ihrer literarischen Auffassungen vernachlässigt worden und die Gedanken der beiden Männer wurden nicht klar unterschieden. Ihre literarischen Ansichten waren nicht die Ergebnisse ihrer Theorie des ökonomischen Materialismus, ihre Quelle hegt vielmehr in der Welt des Jungen Deutschland und der linken Hegelianer, vor allem in den Schriften Arnold Ruges. Marx begann seine Laufbahn als Student der Literatur. In Bonn nahm er 1835—36 an Kursen A. W . Schlegels über Homer und Propertius teil. In Berlin las er 1837 Lessings Laokoon und fertigte ausführliche Exzerpte aus Winckelmanns Schriften und Solgers Erwin an. 1842 studierte er C . F. Ruhmors Italienische Forschungen als Vorbereitung auf einen Artikel über das Verhältnis von Religion und Kunst, der dann aber nie geschrieben wurde. Marx war in der deutschen Ästhetik der klassischen Periode sehr bewandert. Noch 1857 bereitete er einen weiteren, auch nicht beendeten Artikel über die Ästhetik für C . A. Danas New American Cyclopaedia vor und exzerpierte dafür ausführlich Vischers Ästhetik. Doch diese ästhetischen Interessen führten zu keinem besonderen Ergebnis. Marx blieb bei seiner Vorliebe für Homer, Shakespeare und die deutschen Klassiker, er lobte Dickens und George Sand wegen ihres sozialen Engagements, doch er schrieb im strengen Sinne keine literarische Kritik, es sei denn, wir beziehen den Angriff auf eine Hegelianische Interpretation von Eugene Sues Les Mysteres de Paris (1844) mit ein. Marx argumentiert hier überzeugend gegen die absurde allegorische Interpretation eines Szeliga (das Pseudonym von Franz Zychlin von Zychlinski), doch er behandelt den Inhalt des Romans einfach als gesellschatfliche Realität. Er reflektiert zum Beispiel über die Rolle der Pariser concierge als Regierungsspione oder verspottet die Ökonomie von Sues fiktiver Armenbank. 1 Bedeutende theoretische Äußerungen von Marx lassen sich erst feststellen, nachdem die enge Zusammenarbeit mit Engels begonnen hat. In seiner Jugend war Engels praktizierender Literaturkritiker im Stil des Jungen Deutschland. 1839 veröffentlichte Gutzkow Engels* Berichte über das religiöse und geistige Leben in seinem heimischen Barmen-Elberfeld als »Briefe aus dem

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Wuppertal«. Der neunzehn Jahre alte Kritiker hatte offenbar Heine und Wienbarg gelesen und schloß sich in seinen literarischen Meinungen sehr eng Gutzkow an. Bald aber löste sich Engels von Gutzkows Einfluß. Er entdeckte Börne und in einem Aufsatz über »Die deutschen Volksbücher« (1839) benutzte er Börnes Methode, sogar alte deutsche Volksbücher vom Standpunkt des politischen Liberalismus aus zu beurteilen: Griseldis sei ein Bild der Erniedrigung der Frauen, und die Erzählungen von Helena und Octavianus halten immer noch am Aberglauben vom blauen Blut der Aristokratie fest.2 Doch auch dieser Einfluß war nur von kurzer Dauer. Bald las Engels R ü g e und schloß sich dem Hegelianismus an: sehr kritisch besprach er Gutzkows Stück Richard Savage (1840) und tadelte Alexander Jungs Vorlesungen (1842) wegen ihres Lobpreises auf das Junge Deutschland. Aber diese ganze frühe kritische Tätigkeit geriet schon bald vollständig in Vergessenheit; erst im 20. Jahrhundert wurde sie neu entdeckt.3 Spät im Jahre 1842 übersiedelte Engels nach England und beschäftigte sich dann immer mehr mit der Lage der dortigen Arbeiterklasse. Bewußt die Kapitel über Abt Samson auslassend, weil sie als romantisches Lob des Mittelalters angesehen werden könnten, übersetzte er Carlyles Past and Present wegen seines Angriffs auf »die Lage Englands«.4 1844 Wraf Engels Marx in Paris und ihre enge Zusammenarbeit begann. Die Literatur stand, verständlich genug, nicht im Vordergrund ihres Interesses. Im Zusammenhang mit der Polemik gegen eine abweichende sozialistische Gruppe schrieb Engels eine scharfe Rezension eines naiven Buches über Goethe, Karl Grüns Goethe vom menschlichen Standpunkt (1846), in welcher dieser versuchte, Goethe als liberal und sogar radikal erscheinen zu lassen. In Erinnerung an seine frühe Lektüre der Schriften Wienbargs folgt Engels dem Vorbild Wienbargs und nennt Goethe einen in sich widerspruchsvollen Menschen: »bald kolossal, bald kleinlich; bald trotziges, spottendes, weltverachtendes Genie, bald rücksichtsvoller, genügsamer, enger Philister«, ein großer Künstler, aber ein kleiner Mensch.s Sowohl Marx als auch Engels bewunderten Heine als Schriftsteller, doch die gelangten zu dem Ergebnis, daß er »ein kommuner Hund politice« gewesen sei und sie verspotteten seine Rückkehr zur Religion. 6 Die in den vierziger Jahren durch ihre Zusammenarbeit entstandenen ökonomischen und philosophischen Schriften von Marx und Engels enthalten ein paar verhängnisvolle Äußerungen über die Beziehungen von Literatur und Gesellschaft. In Die deutsche Ideologie (1845—46) findet sich die erste Erklärung des ökonomischen Determinismus aller Kultur. Aber sie bleibt noch vage und sogar widerspruchsvoll. Marx und Engels sprechen von dieser Abhängigkeit einmal in biologischen Ausdrücken: das kulturelle Leben sei zuerst »direkter Ausfluß ihres [der Menschen] materiellen Verhaltens.« Unmittelbar anschließend leugnen sie aber, daß die Ideologie irgendeine Geschichte oder Entwicklung durchmache und erklären, daß das Denken und das Produkt des Denkens sich mit der materiellen Produktion und Distribution verändere. »Nicht das Bewußtsein bestimmt das

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Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein.«7 Damit ist Hegel auf den Kopf gestellt oder vielmehr, wie Marx und Engels betonen würden, auf die Füße gestellt. Dennoch bleibt das »Leben« im allgemeinen die Triebkraft der historischen Veränderung, nicht die ökonomische Produktion. Der Prozeß der Geschichte, argumentieren sie, werde zu einer neuen klassenlosen Gesellschaft führen, die die Arbeitsteilung aufheben werde und damit auch die Folgen dieser Teilung, die Spezialisierung des Menschen. Deshalb werde der Künstler oder Dichter als ausschließlicher Fachmann verschwinden. »In einer kommunistischen Gesellschaft gibt es keine Maler, sondern höchstens Menschen, die unter anderem auch malen« (Menschen offenbar wie Churchill und Eisenhower). Diese idyllische Auffassung (gänzlich widerlegt von der Geschichte und besonders von der Geschichte der Malerei mit ihren ausschließlich professionellen Malern wie Tizian, Rembrandt, Rubens oder Cezanne als ihren Meistern) impliziert einen Humanismus, der sich auch in Engels viel späterem Lob der großen universalen Männer der Renaissance: Leonardo, Dürer, Machiavelli ausdrückt, Menschen, »noch nicht unter die Teilung der Arbeit geknechtet.«8 Eine Ausflucht aus dem Determinismus der Geschichte und der Abhängigkeit von der Geschichte scheint damit vorgesehen zu sein. Der strenge Historismus wird von Marx und Engels aufgegeben, weil sie ihre Träume in etwas Beständigem und Universalem, einem zukünftigen goldenen Zeitalter, einer Utopie verankern wollen. Im Kommunistischen Manifest (1847—48) findet sich ein greifbarer Verweis auf die Literatur nur als rhetorische Frage: »Bedarf es tiefer Einsicht, um zu begreifen, daß mit den Lebensverhältnissen der Menschen, mit ihren gesellschaftlichen Beziehungen, mit ihrem gesellschaftlichen Dasein auch ihre Vorstellungen, Anschauungen und Begriffe, mit einem Wort, auch ihr Bewußtsein sich ändert?«9 Wenn man die Präposition »mit« frei interpretiert, so wird hier noch kein völliger ökonomischer Determinismus proklamiert: das geistige Leben des Menschen verändere sich mit den Veränderungen der ökonomischen Basis. Ein Parallelismus, eine Analogie wird damit gelehrt — keine einseitige Abhängigkeit. In der von ihm alleine verfaßten »Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie« (1857) kehrte Marx wieder zu dieser Fragestellung zurück, einem Manuskript, das er aufgab und das erst 1903 in einer abgelegenen Zeitschrift veröffentlicht wurde. 10 Marx betont überraschenderweise »das unegale Verhältnis der Entwicklung der materiallen Produktion zur künstlerischen« und wirft die Frage nach der Unabhängigkeit der Kunst von den historischen Bedingungen am Beispiel der griechischen Kunst auf, die ihm wie den meisten Deutschen seiner Zeit von ewiger, zeitloser Schönheit erschien. Es sei »bei der Kunst bekannt, daß bestimmte Blütezeiten derselben keineswegs im Verhältnis zur allgemeinen Entwicklung der Gesellschaft, also auch der materiellen Grundlage, gleichsam des Knochenbaus ihrer Organisation stehn. Z . B . die Griechen, verglichen mit den Modernen oder auch Shakespeare«. »Aber die Schwierigkeit«, gibt Marx zu,

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»liegt nicht darin, zu verstehn, daß griechische Kunst und Epos an gewisse gesellschaftliche Entwicklungsformen geknüpft sind. Die Schwierigkeit ist, daß sie für uns noch Kunstgenuß gewähren und in gewisser Beziehung als Norm und unerreichbare Muster gelten.« Marx kann nur unbefriedigend antworten, daß der Reiz der griechischen Kunst der Reiz der Kindheit sei. »Normale Kinder waren die Griechen. Der Reiz ihrer Kunst für uns steht nicht im Widerspruch zu der unentwickelten Gesellschaftsstufe, worauf sie wuchs.« 11 Historischer Relativismus wird durch eine zweifelhafte Theorie von der Kindheit des Menschengeschlechts und ihrer ewigen Anziehungskraft gerettet. Marx selber war sich wohl bewußt, daß er die Frage nicht gelöst hatte und brach daher seine Arbeit ab. Als er das »Vorwort« zur Kritik der politischen Ökonomie schrieb (veröffentlicht im Jahre 1859; es muß von der ungedruckten »Einleitung« unterschieden werden), erklärte er in allgemeiner Form die Theorie des strengen ökonomischen Determinismus. »Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt.«12 Das Problem der zeitlosen Schönheit blieb unbeachtet. In demselben Jahre begannen Marx und Engels eine briefliche Debatte mit Ferdinand Lassalle (1825—64), die konkreter herausstellte, was sie von der Literatur erwarteten. Lassalle hatte Marx seine historische Tragödie Franz von Sickingen gesandt, und Marx empfahl in einem kritischen Brief auf Schillers Namen anspielend mehr zu »Shakespearisieren« als zu »Schillern« und kritisierte »das Verwandeln von Individuen in bloße Sprachröhren des Zeitgeistes.« Er beanstandete auch die Wahl des Helden, der Marx Meinung nach eher »ein Ritter und Repräsentant einer untergehenden Klasse..., ein miserabler Kerl« gewesen sei denn ein tragischer Held. 13 In einem sogar noch umfangreicheren Brief an Lassalle, der auch einiges Lob für einzelne Szenen bereithält, arbeitet Engels diese beiden entscheidenden Fragen heraus. Lassalles Begriff des Dramas scheint Engels »etwas zu abstrakt, nicht realistisch genug«. Ihm fehle ein »Falstaffscher Hintergrund«. Der historische Konflikt hätte auf eine »tragische Kollision zwischen dem historisch notwendigen Postulat und der praktisch unmöglichen Durchführung« hinauslaufen sollen.14 Diese Einwände werden in Begriffen der Hegeischen Ästhetik vorgebracht. Die Charaktere sollen durch konkrete Allgemeinheit bestimmt, sie sollen individuell und repräsentativ sein, die Tragödie müsse den Konflikt zwischen gleichwertigen historischen Kräften darstellen. Lassalle betonte in einer weitschweifigen Entgegnung ganz zu Recht, daß die Einwände seiner Kritiker darauf hinauslaufen, daß er »einen Franz von Sickingen und nicht einen Thomas Münzer oder eine andere Bauernkriegstragödie« geschrieben habe. Er erkennt auch, daß Marx und Engels Fiktion und Realität verwechselt haben, weil das, was sie über den historischen Sickingen sagen, nicht auf den Sickingen von Lassalles Drama passe. Lassalle beklagt auch, daß ihr Begriff der Tragödie keinen R a u m für menschliche Freiheit, folglich für dramatische Handlung lasse.15 Lassalle übernimmt Schillers Begriff der Tragödie, Marx und Engels glauben an Hegels

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notwendige überpersönliche Konflikte. Marx und Engels hatten recht, das Stück als ein totgeborenes Lesedrama zu verurteilen und Shakespeare Schiller vorzuziehen. Dennoch ist es schwer zu verstehen, warum dieser Briefwechsel ein solch bedeutendes Dokument in der marxistischen Ästhetik werden konnte. Marx und Engels sagen bloß, daß Lassalle ein guter Dichter und ein besserer Historiker hätte sein sollen, daß er wie Shakespeare hätte schreiben und die sozialen Konflikte innerhalb der deutschen Reformation hätte richtig verstehen sollen. Nach Marx' Tode wurde Engels zu einer Art Orakel für Briefeschreiber und beantwortete auch Fragen über literarische Gegenstände. Nur diese Briefe stützen die modernen marxistischen Realismustheorien. Der erste dieser Briefe, an Minna Kautsky (26. November 1885), formuliert Engels Abneigung gegen eine offensichtliche Propagande in der Literatur. Die Tendenz müsse sich aus der Situation und der Handlung ergeben. Das Konkret-Allgemeine wird im Begriff »Typus« wiederaufgenommen, der »aber auch zugleich ein bestimmter Einzelmensch [ist], ein .Dieser', wie der alte Hegel sich ausdrückt.«16 Ein englischsprachiger Brief an Miss Margaret Harkness (1888) kommentiert ihren Roman The City Girl und gibt zu bedenken, »daß die Erzählung vielleicht doch nicht realistisch genug ist. Realismus bedeutet, meines Erachtens, außer der Treue des Details die getreue Wiedergabe typischer Charaktere unter typischen Umständen.« Dann wiederholt Engels seine Auffassung : »Je mehr die Ansichten des Autors verborgen bleiben, desto besser für das Kunstwerk.« Er führt das Beispiel Balzac an, den er bewundert als »einen weit größeren Meister des Realismus... als alle Zolas passés, présents et à venir.« Engels wußte, daß Balzac »politisch ein Legitimist« war. »Sein großes Werk ist ein ständiges Klagelied über den unvermeidlichen Verfall der guten Gesellschaft; alle seine Sympathien sind bei der Klasse, die zum Untergang verurteilt ist. Aber trotz all dem ist seine Satire niemals schärfer, seine Ironie niemals bitterer, als wenn er gerade die Männer und Frauen in Bewegung setzt, mit denen er zutiefst sympathisiert — die Adligen.« Balzac sei gezwungen worden, »gegen seine eigenen Klassensympathien und politischen Vorurteile zu handeln«, aber »er [sah] die wirklichen Menschen der Zukunft d o r t . . . , w o sie in der damaligen Zeit allein zu finden waren — das betrachte ich als einen der größten Triumphe des Realismus und als einen der großartigsten Züge des alten Balzac.« Engels' einziger Beleg — Balzacs angebliche Bewunderung für die Helden der R u e du Cloître-Saint-Merri, der verfrühte Aufstand vom 5. Juni 1832 — überzeugt allerdings nicht. In der entsprechenden Erzählung »Un grand Homme de province à Paris« (1839) zieht Balzac eine scharfe Unterscheidung zwischen seinem Helden, Michel Chrestien mit seinem symbolischen Namen, und den R e volutionären, die er verurteilte.17 Dennoch formuliert Engels Brief die Theorie des Realismus, die vom »Typus« ausgeht, recht treffend und deutet die Möglichkeit eines Konflikts an, der zwischen der Intention und der Ausführung eines Autors, zwischen dessen ausdrücklicher Meinung und seiner latenten Sympathie

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entstehen könne. Es ist überflüssig zu betonen, daß in den achtziger Jahren diese Auffassungen nicht neu waren: ihre Formulierung durch Taine, Zola und Dobroljubow in den sechziger Jahren war weit verbreitet. Zola insbesondere hatte den Konflikt zwischen Balzacs politischen Uberzeugungen und seiner Romanpraxis in sehr ähnlichen Ausdrücken hervorgehoben.1« Mehrere von Engels' Briefen, die er in den neunziger Jahren geschrieben hat, bringen einen deutlichen Rückzug von dem unmittelbaren ökonomischen Determinismus der frühen Theorie zum Ausdruck. In einem Brief an Joseph Bloch (21. September 1890) räumt Engels eine Wechselbeziehung zwischen dem Uberbau und der ökonomischen Basis ein. Er bezweifelt sogar, daß die ökonomische Veränderung allein entscheidend sei für die historische Veränderung. Unvorhersehbare Zufälligkeiten, innere Zusammenhänge von Dingen, so entfernt, daß sie unmöglich nachweisbar seien, werden zugegeben.19 Schließlich betont auch ein Brief an Hans Starkenburg (25. Januar 1894) wieder die Wechselwirkung der Kräfte, »die geographische Grundlage... das diese Gesellschaftsform nach außen hin umgebende Milieu« seien wesentliche Faktoren. »Rasse selbst ist ein ökonomischer Faktor«. »Je weiter das Gebiet, das wir gerade untersuchen, sich vom Ökonomischen entfernt, und sich dem reinen abstrakt Ideologischen nähert, desto mehr werden wir finden, daß es in seiner Entwicklung Zufälligkeiten aufweist, desto mehr im Zickzack verläuft seine Kurve.«20 Ein Maß von Freiheit im Sinne eines losen Zusammenhanges von Basis und Uberbau scheint das endgültige Ergebnis zu sein. Engels hat sich von dem starren ökonomischen Determinismus entfernt: ohne Scheu benutzt er Taines Dreiheit von Rasse, Milieu und Moment. Die meisten der Äußerungen über Literatur von Marx und Engels sind verstreut, beiläufig und weit davon entfernt, endgültig zu sein. Sie laufen nicht auf eine Theorie der Literatur hinaus oder selbst auf eine Theorie der Beziehungen zwischen Literatur und Gesellschaft. Doch das heißt nicht, daß diese Äußerungen damit ohne Zusammenhang wären. Sie werden durch eine allgemeine Geschichtsphilosophie zusammengehalten und zeigen eine deutliche Entwicklung — von einer frühen Verwicklung in die polemische Situation im Deutschland der dreißiger und vierziger Jahre über eine Periode des starren ökonomischen Determinismus zu einer milderen und toleranten Haltung im Rahmen des späten Realismus und Naturalismus. Wir können noch nicht von einer marxistischen Kritik der Literatur sprechen, selbst nicht bei den drei Schriftstellern, die sich selber spät im 19. Jahrhundert als Marxisten erklärten und über literarische Themen schrieben. Franz Mehring (1846—1919) in Deutschland und Georgij Plechanow (1857—1918) in Rußland versuchten den ökonomischen Determinismus mit der Evolutionstheorie Darwins und großen Resten der idealistischen Ästhetik zu verbinden. George Bernard Shaw (1856—1950) war für eine kurze Zeit auf seine eigene Weise ein marxistischer Kritiker. Erst im 20. Jahrhundert haben die Marxisten

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eine einheitliche Literaturtheorie formuliert, die sich oft willkürlich auf die eine oder andere Periode in der Entwicklung von Marx und Engels beruft. Doch ihre Quellen liegen in der deutschen Situation der dreißiger und vierziger Jahre. Die gegenwärtige marxistische Literaturtheorie zeigt immer noch Spuren des seltsamen Gemischs von radikaler Ideologie, Hegelscher Dialektik, ökonomischem Determinismus und realistischer Typologie, die sich in den gelegentlichen Äußerungen ihrer geistigen Väter finden lassen.

KAPITEL 7

DIE R U S S I S C H E L I T E R A T U R K R I T I K Vorbemerkung

Die russische Literaturkritik ist f ü r den Forscher der Literaturkritik nicht nur deshalb von besonderem Interesse, weil sie ein lebendiges Licht auf die große russische Literatur des 19. Jahrhunderts wirft, sondern auch, weil sie eine Art von Laboratorium darstellte, in dem die radikalsten Lösungen uralter Probleme erprobt wurden. Die meisten dieser Entwicklungen entstanden im späten 19. Jahrhundert und im frühen 20. Jahrhundert. Einige Literaturkritiker suchten mit ihren philosophischen und religiösen Ideen nach dem Wesen der Literatur und konzentrierten sich weitgehend auf die Interpretation Dostoevkijs. In Dostoevkijs großem Antipoden, Lev Tolstoj, haben wir einen moralistischen Kritiker reinsten Wassers und von der kühnsten Strenge vor uns. Erst früh im 20. Jahrhunderts wurde das entgegengesetzte Extrem, der Formalismus, von einer Gruppe begabter Literaturforscher entwickelt, doch ihre Konzeption war im 19. Jahrhundert schon durch das Werk des Komparatisten Aleksandr Veselovskij und des Sprachforschers Aleksandr Potebnja vorbereitet worden. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überwog jedoch in Rußland allgemein ein historischer und soziologischer Ansatz der Literaturinterpretation. In seiner marxistischen Version ist er zur offiziellen sowjetischen Überzeugung geworden und hat überall eine tiefgreifende Wirkung hervorgerufen. Er wurde in seinen politischen und sozialen Implikationen von einer ganzen Reihe der »radikalen« Kritiker vorweggenommen, die mit Vissarion Belinskij in den dreißiger Jahren begann und mit seinen drei Nachfolgern, Nikolaj Cemysevskij, Nikolaj Dobroljubov und Dmitrij Pisarev, in den sechziger Jahren fortgesetzt wurde. Sie alle repräsentieren im allgemeinen die liberale und revolutionäre Opposition gegen den Zarismus: aber auch gesellschaftlich konservative Kritiker wie zum Beispiel Apollon Grigor'ev beschäftigten sich grundlegend mit einer Interpretation der Literatur als Geschichte oder als Essenz des Nationalgeistes. Die Bestimmung dieser konträren Position und die Fixierung scharfer Trennungslinien waren das Ergebnis der Umwälzungen des späteren 19. Jahrhunderts. Das

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frühe Stadium der russischen Literaturkritik, für sich genommen durchaus nicht bemerkenswert, ist eher der schwache Widerhall der französischen und deutschen Entwicklungen, wie wesentlich es auch immer für die russische Literaturgeschichte gewesen sein mag. Für unsere Zwecke scheint es ausreichend, einen Blick auf das 18. Jahrhundert zu werfen, als die ersten modernen russischen Dichter die Lehren des französischen Neoklassizismus einführten. Bezeichnenderweise beklagte sich der erste neuere russische Dichter, Antioch Kantemir (1709—44), im Jahre 1739, daß es kein russisches Wort für das französische »critique« gebe, 1 und Vasilij Tretiakovskij (1703—69), die zweite bedeutende Persönlichkeit in der Geschichte der russischen Dichtung, übertrug Boileaus Art poe'tique in russische Verse (1752). Die größte literarische Gestalt der Jahrhundertmitte, Michail Lomonosov (1711—65), ein Wissenschaftler und Dichter erhabener Oden, arbeitete die alte Theorie der drei Stilebenen für den Gebrauch der russischen Sprache aus: der hohe Stil sollte sich des altslawischen Wortschatzes und der mittlere Stil sowohl des Altslawischen als des gesprochenen Russisch bedienen, während der niedere Stil auf russische Worte begrenzt war. 2 Lomonosov sah einen besonderen Vorzug in diesem Rekurs auf zwei Sprachen, der es ihm erlaubte, die Hierarchie der Gattungen auch stilistisch zu definieren. Der Zweck der Dichtung war bei allen diesen Hofdichtern didaktisch, patriotisch, bürgerlich. Die Ode, die die Siege russischer Waffen verherrlichte, war die höchste Gattung; die Satire, obwohl niedrig, hatte als Geißel des Lasters ihre große Aufgabe. Allmählich begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Verschiebung von dem starren französischen Neoklassizismus hin auf einen liberalen »Geschmack«. Das Lesepublikum nahm zu und Zeitschriften im Stil des Spectator entstanden. Als Maßstab galt der Geschmack, nicht mehr die Regeln. Wie überall können hier die Anfänge eines historischen Interesses nachgewiesen werden: Nikolaj Novikov (1744—1818) schrieb ein Werk Versuch eines historischen Wörterbuchs über russische Schriftsteller (1772), das sogar ein paar Schriftsteller vor Peter dem Großen erwähnte und so viele nicht-adlige Schriftsteller wie möglich zu verzeichnen suchte.3 Aber wirkliche Kritik als Institution trat in Rußland erst sehr spät auf: der große Historiker Nikolaj Karamzin (1766—1826), der die Zeitschrift Vestnik Evropy (Der Europäische Bote, 1802) herausgab, erklärte in seinem Programm, daß »das Kritisieren neuer russischer Bücher keine wirkliche Notwendigkeit unserer Literatur ist.«4 Die Kritik solle loben und ermuntern, nicht urteilen: die Ästhetik sei eine Lehre des Geschmacks, und der Geschmack sei letzten Endes unergründlich. Karamzin kannte deutsche Schriftsteller des 18. Jahrhunderts wie etwa Sulzer oder sogar Platner.5 Die theoretische Abhängigkeit vom französischen Klassizismus ließ nach und mit dem ersten romantischen Dichter, Vasilij ¿ukovskij (1783—1852), welcher Gray, Bürger, Goethe und Schiller übersetzte, werden wir in die Atmosphäre der englischen und deutschen Vorstellungen über die Dichtung als Empfindung und Imagination versetzt. 1J

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¿ukovskij ist einer der erscen Russen, der es unternahm, seine Vorgänger zu charakterisieren: er schrieb Studien über den Fabeldichter Krylov und über Kantemirs Satiren.6 Leben kam aber erst in die russische Literaturkritik, als die klassisch-romantische Debatte eröffnet wurde. Fürst Petr Vjazemskij (1792—1878) bestimmte die R o mantik hauptsächlich als Unabhängigkeit von Regeln. Er wollte eine Literatur, die sowohl volkstümlich als auch national sei, die Charakter und Auffassungen des Volkes ausdrücke, frei von der Tyrannei der Regeln sei und Lokalkolorit besitze;7 Es war nur folgerichtig, daß er ein begeistertes Vorwort zu Puskins Der Gefangene im Kaukasus (1823) schrieb. Inzwischen war die Entwicklung soweit fortgeschritten, daß Aleksandr Puskin (1799—1837), der als der bei weitem größte Dichter seiner Zeit hervortrat, beinahe unrecht hatte, als er klagte: »wir besitzen keine Kritik... Wir haben nicht einen einzigen Kommentar, nicht ein einziges Buch der Kritik.«8 Er selbst blieb vor allem Dichter und beschäftigte sich nur gelegentlich mit Kritik, wenn es auch möglich ist, eine Fülle literarischer Meinungen aus seinen Briefen zusammenzutragen, und wenn er auch ein paar kritische Artikel schrieb und noch mehr Entwürfe, Notizen und Exzerpte hinterließ, die von seinem heftigen Verlangen nach literarischer Kenntnis zeugen. PuSkin war schwerlich ein Theoretiker, aber man kann im allgemeinen seine Auffassung vom Dichter und von der Funktion der Dichtung darstellen. Sie ist auf den ersten Blick etwas widerspruchsvoll und oszilliert zwischen der Behauptung einer völligen Unabhängigkeit des Dichters von seinem Publikum und der großartigen Forderung, der Dichter habe die Vormundschaft über sein Volk zu übernehmen und seine Unsterblickheit überdauere alle Zeiten. Einerseits äußerte Puskin seine Verachtung für den Pöbel und empörte sich über die Zensur und Kontrolle des Zaren. Er beteuert, daß der Dichter »nicht verpflichtet ist, irgendjemandem Rechenschaft abzulegen.« Er könne »den unauffälligsten Gegenstand« wählen. Der Zweck der Kunst »ist nicht moralische Belehrung, sondern die Darstellung des Ideals.«9 In einem Brief an ¿ukovskij, der den Zweck der Zigeuner erfahren wollte, antwortete Puskin, »Der Zweck der Poesie ist die Poesie.«10 Die einleitende Skizze zu den Ägyptischen Nächten (1835) stimmt dem Thema dieser Improvisation zu: »der Dichter selbst wählt den Gegenstand seiner Dichtung; die Menge hat kein Recht, seiner Inspiration zu gebieten.«n Andererseits sei der Dichter, wie verschiedene von Puskins berühmtesten Gedichten bezeugen (»Der Prophet«, »Der Dichter«), auch ein Prophet und ein Priester: er sei ein inspirierter Sänger und daher im erhabensten Sinne ein Lehrer seines Volkes und der Menschheit. Wir brauchen uns nur die glänzende Übertragung von Horaz' Exegi monumentum ins Gedächtnis zurückzurufen, um zu erkennen, für wie edel Puskin seine Aufgabe ansah. Die heftige Verteidigung der Unabhängigkeit ist deutlich der gemeinsame Nenner der beiden Konzeptionen. Puskin konnte den Dichter kaum als müßigen Sänger eines müßigen Tages verstehen, doch es war ihm auch nicht möglich, in ihm lediglich

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das Sprachrohr der Obrigkeit oder den Diener der unmittelbaren Gemeinschaftsinteressen zu sehen. Er lehnte sowohl den Ästhetizismus als auch didaktische Dichtung ab. In der literarischen Diskussion seiner Zeit stellte sich Puskin auf die Seite der Romantiker, obwohl seine eigene Kunst in der französischen Tradition des 18. Jahrhunderts steht. Chenier, Parny und Voltaire waren die wesentlichen Vorbilder und er bewahrte auch seine Vorliebe für Boileau. 12 Doch über Byron »verlor ei seinen gesunden Menschenverstand«, er verherrlichte Shakespeare und Scott als die wahren Dichter und großen Romantiker. 13 Er mißtraute der aufstrebendeil französischen romantischen Schule, obwohl ihn Stendhal und die Dichtung des jungen Sainte-Beuve interessierten.14 Die deutschen Romantiker jedoch kannte er kaum. Er besaß einen klar definierten Geschmack: eine Vorliebe für die von den romantischen Schriftstellern bewahrte Kontinuität mit der Vergangenheit gepaart mit Argwohn gegenüber allem Extravaganten, Gestaltlosen und Grotesken. Puskin erfüllte seine eigene Definition des Geschmacks als »Gefühl für Symmetrie und Harmonie.«15 Deshalb verurteilte er Radiscevs Werk als »mittelmäßig« und in einem »barbarischen Stil« geschrieben. Er hege eine »ungebildete Verachtung der Vergangenheit, eine schwachsinnige Bewunderung seiner eigenen Zeit, ein blindes Vorurteil zugunsten alles Neuen und habe nur oberflächliche, beschränkte Kenntnisse.«16 Auch gegen den aufstrebenden Kritiker Belinskij, der ihn an die Spitze der russischen Literatur stellen sollte, hatte Puskin seine Vorbehalte. »Wenn er mit der Unabhängigkeit seiner Meinungen und mit seinem Scharfsinn mehr Gelehrsamkeit, mehr Belesenheit, mehr Achtung für die Tradition und größere Vorsicht verbinden würde, kurz, wenn er mehr Reife hätte, besäßen wir in ihm einen wirklichen Kritiker.« 17 Als er seine Reife erlangte, lebte Puskin nicht mehr.

V I S S A R I O N BELINSKIJ (1811—1848) Der erste russische Literaturkritiker von mehr als lokaler Bedeutung war Vissarion Belinskij. Tatsächlich ist er der bedeutendste Kritiker in der ganzen Geschichte der russischen Literatur überhaupt, er hat keinen ernstzunehmenden Konkurrenten, was Wirkungskreis oder Einfluß betrifft. Er definierte die Position der russischen Schriftsteller seiner Zeit wie es nur ein großer Kritiker kann. Puskin, Gogol' und Lermontov verdanken ihm wenigstens zum guten Teil ihre vorrangige Stellung. Schon früh erkannte er die Begabung Dostoevskijs, Turgenevs, Goncarovs und Nekrasovs. Sein Mut und seine Einsicht, mit denen er zweitrangige Romanschriftsteller seiner Zeit verurteilte, erbarmungslos unbedeutende Dichter kriti^ sierte, mit den russischen »Klassikern« des 18. Jahrhunderts brach und die wiederent15*

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deckte altrussische Literatur nur kühl aufnahm, bestimmten die literarische Meinung für ein Jahrhundert. Heute, außerhalb Rußlands, wo er beinahe wie ein Heiliger vergöttert wird, mögen wir die Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten einiger seiner Ansichten bedauern. Wir können seiner niedrigen Einstufung der russischen Volksdichtung nicht zustimmen, ebensowenig seiner Unterschätzung der russischen Literatur des 18. Jahrhunderts, seiner Herabsetzung einiger bemerkenswerter Dichter um Puskin oder seinem übermäßigen Lob für zeitgenössische Berühmtheiten wie Walter Scott, George Sand, James Fenimore Cooper und Beranger.1 Doch sein hoher Rang als praktischer Kritiker und seine Funktion in der russischen Literatur- und Sozialgeschichte sind nicht zu bezweifeln. Belinskijs Bedeutung als Literaturtheoretiker im Rahmen einer allgemeinen Geschichte der Literaturkritik scheint allerdings weit weniger hervorragend zu sein. In Fragen der Theorie muß man ihn als einen Nachfolger der deutschen romantischen Literaturkritik betrachten, der sich die Gesamtheit der ästhetischen Theorien aneignete, die von Herder, Goethe, Schiller, den Gebrüdern Schlegel, Schellirig und Hegel ausgearbeitet wurden. Er ist jedoch kein Anhänger irgendeines einzelnen dieser Autoren. Er teilt nicht vollkommen in allen ihren Konsequenzen die Auffassung eines einzelnen von ihnen. Zum Beispiel kann man ihn nicht als einen strengen Hegelianer bezeichnen, weil er Hegels Anschauung vom Ende der Kunst nicht akzeptiert und keine Sympathie für seine nostalgische Begeisterung für die Griechen und die griechische Plastik als höchsten Gipfel der Kunst empfindet. Es ist auch nicht möglich, reinlich abgegrenzte Perioden in Belinskijs kritischer Entwicklung zu unterscheiden: es gibt keine ausdrücklich an Fichte, Schelling, Hegel oder Feuerbach orientierte Periode in seiner Kritik. Gleich von Anfang seiner schriftstellerischen Tätigkeit an, von den Literarischen Träumereien (1834) bis zu der letzten seiner jährlichen Übersichten über die russische Literatur (1847) verwendet Belinskij dieselben Kategorien, Begriffe und Methoden, dasselbe grundlegende theoretische Vokabular, wie unterschiedlich auch immer die Betonung und was auch immer seine politische Überzeugung war. Erst in den letzten fünf Jahren seines Lebens kann man eine deutliche Veränderung wahrnehmen. Und sogar diese Veränderung bleibt im Rahmen der gleichen Tradition und verläuft genau parallel zu der Veränderung, die die Nachfolger des deutschen spekulativen Denkens sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern durchmachten. Belinskijs Entwicklung ist in dieser Hinsicht etwa der Arnold Ruges, De Sanctis', Carlyles oder selbst Taines ähnlich, die alle die romantischen Vorstellungen annahmen und sie später modifizierten zugunsten dessen, was sie als einen näheren Zugang zur empirischen Realität, zu den Tatsachen, zur Wissenschaft, zu den nationalen und sozialen Notwendigkeiten der Zeit ansahen. Ich kann nicht einsehen, aus welchen Gründen Belinskij, wenigstens in seinem kritischen Denken, als »Materialist« oder sogar als »Realist« in dem Sinne bezeichnet werden kann, wie die Franzosen den Ausdruck als literarisches Schlagwort nach 1857 zu verwenden begannen.

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Das Problem, aus welchen Quellen genau Belinskij seine fundamentalen Vorstellungen bezogen hat, scheint schwer zu lösen, denn es ist oft unmöglich exakt zwischen seinen deutschen Quellen zu unterscheiden. Das Problem ist überdies erschwert worden durch seine ständig wiederholten Behauptungen, das Deutsche sei ihm gänzlich unbekannt gewesen. Diese Unkenntnis des Deutschen kann man jedoch nur mit einiger Vorsicht akzeptieren. Als Student erteilte Belinskij Deutschunterricht, er besaß eine deutschsprachige Sammlung von Goethes Werken und berichtet darüber, daß er Goethes Wilhelm Meister mit einem Wörterbuch durcharbeite.2 Dennoch braucht man keine unmittelbare Kenntnis der originalen deutschen Texte vorauszusetzen, um zu erkennen, daß er zu ihren Gedanken leicht Zugang hatte. Es gab russische Übersetzungen von verschiedenen grundlegenden und sogar untergeordneten Texten. Belinskij besaß Friedrich Schlegels Geschichte der alten und neuen Literatur in russischer Ubersetzung und versah sie mit Anmerkungen, 3 er las Bachmanns Kunstwissenschaft, eine Kantianische Abhandlung; ebenso eine Darstellung von Ast, einem Nachfolger Schellings, und er kannte Heinrich Theodor Rötscher, einen eher zweitrangigen Hegelianer, und war — eine Zeitlang — von ihm begeistert.4 Außerdem waren die russischen Schriften dieser Zeit voll vom Widerhall deutscher Gedanken. Belinskijs unmittelbarster Lehrer war Nadeidin, der Schelling und die Gebrüder Schlegel gut kannte. Ein Freund, Michail Katkov, lieh ihm seine Notizen über Hegels Ästhetik.5 Z u diesen müssen wir die mündlichen Quellen hinzufügen: seine Freunde Stankevic und Bakunin waren begeisterte Hegelianer.« Verbal kam Belinskij den deutschen Quellen nicht nahe — sei es auch nur deshalb, weil er meist über russische Themen schrieb. Er näherte sich ihnen mehr, als er an dem Projekt eines »Theoretischen und kritischen Kurses der russischen Literatur« (1841) arbeitete, von dem nur Fragmente und auch diese größtenteils lange Zeit nach seinem Tode veröffentlicht wurden. 7 Sooft Belinskij durch seinen Plan dazu gezwungen wird, allgemeine theoretische Vorstellungen auf höchstem Niveau auszuarbeiten oder wenn er versucht, eine zusammenhängende Gattungstheorie zu entwickeln, greift er auf deutsche Quellen und deutsche Termini zurück. Eng von ihnen abhängig zeigt er sich auch dann, wenn er allgemeine Betrachtungen über die Weltgeschichte wiedergibt oder wenn er sich über das klassische Altertum, das Mittelalter oder den Orient äußert, Gegenstände, von denen er keine unmittelbare Kenntnis haben konnte. Von allen Deutschen steht Belinskij Rötscher am nächsten, besonders dessen Aufsatz »Das Verhältnis der Philosophie der Kunst und der Kritik zum einzelnen Kunstwerk« (1837).« Seine Interpretation von Fausts Gang zu den Müttern hängt eng von Rötscher ab und seine Charakterstudie von Hamlet (1838) orientiert sich in ihrer Terminologie und Konzeption ganz an Hegel.9 Wir wollen die Entwicklung von Belinskijs Ideen verfolgen, indem wir seine berühmtesten Artikel betrachten. In seiner ersten bekannten Folge mit dem Titel Literarische Träumereien (1834) fordert er, die Literatur solle der Ausdruck

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des Nationalgeistes sein, das Symbol des inneren Lebens einer Nation, ihre Physiognomie: 10 ein Begriff, der aus Deutschland eingeführt und in Rußland schon geläufig war: Friedrich Schlegels Geschichte der alten und neuen Literatur beginnt mit einer ähnlichen Erklärung. 11 Die ganze Konzeption steht im Zentrum der romantischen Literaturgeschichtsschreibung und gehört zur Ideologie des romantischen Nationalismus. Ausgehend von diesem Begriff gewinnt Belinskijs Übersicht über die ältere russische Literatur eine kritische Schärfe: die Russen haben bisher keine Literatur gehabt, die den Nationalgeist zuverlässig ausdrücke. Wenigstens bis hin zu Puskin habe die russische Literatur die westeuropäische nachgeahmt, sie sei pedantisch, epigonal und künstlich gewesen. Sie habe große vereinzelte Talente hervorgebracht, aber keine kontinuierliche literarische Tradition. In allen diesen Aussagen wird der Gegensatz von »Kunst« und »Natur« impliziert, der die deutschen Diskussionen seit Herder beherrscht, oder er wird in höchst romantischer Ausdrucksweise wiederholt aufgegriffen. »Die Literatur«, sagt Belinskij, »wird nicht geschaffen; sie erschafft sich selbst gleich der Sprache und den Gebräuchen, unabhängig von Willen und Wissen des Volkes.« 12 Aber während Herder in einer vergleichbaren Situation als Reaktion auf die französische neoklassische Literatur Deutschlands eine Rückkehr in die ferne Vergangenheit, zu Volksdichtung und Mythos empfahl, bleibt Belinskijs Haltung gegenüber der altrussischen Literatur und slawischer Volksdichtung skeptisch. Später, vor allem um das Jahr 1841 herum, lernte er einige ihrer Qualitäten bewundern und schrieb sogar anerkennende Besprechungen der byliny, des Igorliedes und von Volksliedern. 12 Doch Belinskij betrachtete die Volkspoesie nie als Vorbild für die gegenwärtige Literatur. Vielmehr stellt er meist die mündlich überlieferte Literatur in herabsetzender Weise dar — als altertümlich, primitiv, veraltet, künstlerisch unbeholfen und plump. Er schätzte Lermontovs »Lied vom Zaren Ivan Vasil'evic und dem kühnen Kaufmann Kalasnikov« so hoch wie alle die alten byliny zusammengenommen. 14 Diese zum großen Teil (wenn auch nicht allgemein) negative Haltung gegenüber der Volksdichtung und der altrussischen Literatur muß zum Teil der polemischen Situation der Zeit zugeschrieben werden, als die Slawophilen und Konservativen meist die alte Literatur als die große Quelle des nationalen Stolzes und als das wahre Vorbild der modernen russischen Literatur priesen. Doch Belinskijs Einwände hinsichtlich der Grenzen der Volksdichtung basierten auch auf genuin ästhetischen und historischen Uberzeugungen. Klar erkannte er die Bindung dieser Dichtung an die Leibeigenengesellschaft, aus der Rußland seiner Uberzeugung nach in das Licht der Freiheit hervortreten sollte. Belinskij stand mit dieser Auffassung nicht allein. In Deutschland nahmen die Gebrüder Schlegel die gleiche Position ein. Obwohl sie sich ebenfalls für das Nibelungenlied sehr interessierten, lehnten sie die Versuche der Gebrüder Grimm und anderer Liebhaber des Germanischen ab, Deutschland von der westlichen Tradition abzuschneiden, und argumentierten, daß die Volksdichtung einer unwiderruflichen Vergangenheit angehöre. 15

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Doch Belinskij gesteht auch den Erfolg dessen ein, was man heute einen Realismus des Lokalkolorits nennen könnte. Die Russen, sagt er, begreifen die Nationalität als »die Wiedergabe von Szenen aus dem russischen Leben.« Sie können diese hervorbringen und das sogar gut. Aber das bedeute nicht, daß sie einen eigentümlichen russischen Nationalgeist entwickelt haben, einen, der sich in jedem Gegenstand manifestiere und die Kraft habe, ihn zu assimilieren. Die Russen könnten nichts derartig Nationales wie die französisierten Griechen der klassischen französischen Tragödie oder die germanisierte Iphigenie Goethes hervorbringen. Puskins Erzählung »Der Gefangene im Kaukasus«, argumentiert er, sei bloß malerisch, sie könnte auch von einem Ausländer geschrieben sein.16 Dennoch erkennt er etwas wahrhaft Nationales in Eugen Onegin und Boris Godunov, ohne jedoch den Versuch zu machen, diese charakteristische Eigenart zu definieren. Belinskij betont immer wieder diesen Unterschied zwischen Volksdichtung und Nationalität. Er kämpft gegen zwei Tendenzen: gegen die pedantische, abgeleitete, aristokratische Literatur des 18. Jahrhunderts und gegen die populäre Volksdichtung und den Lokalkolorit-Nationalismus der russischen Romantiker. Sein eigenes Ideal der Literatur wird gleich zu Anfang seiner Schriften durch die Termini national, echt, natürlich und wirklich angedeutet. Aber was ist mit »Natürlichkeit« und »Realität« gemeint? Zweifellos in diesen frühen Schriften nichts, was auch nur entfernt dem Realismus des späteren 19. Jahrhunderts ähnelt. Belinskij spricht von der französichen Romantik als einer »Rückkehr zur Natürlichkeit«17 und denkt offensichtlich an den Sturz dessen, was ihm als der künstliche Klassizismus der Franzosen erscheint. In dem nächsten bedeutenden Artikel nach den Träumereien, »Uber die russische Erzählung und die Erzählungen des Herrn Gogol'« (1836) nimmt Belinskij Friedrich Schlegels Unterscheidung zwischen idealer und realer Dichtung auf 18 und preist Shakespeare und Scott als die beiden größten Repräsentanten »realer« Dichtung. Shakespeare, sagt er, »versöhnte die Dichtung mit dem wirklichen Leben« und Scott, »der zweite Shakespeare, erreichte die Vereinigung mit dem Leben.«19 Wahrheit, Realität bedeuten hier »substanzielle Wahrheit«, innere Realität, die Wahrheit der Imagination. Es gebe für die Themen und Erfindungen des Dichters keine Grenzen. Belinskij lobt Caliban in Shakespeares Tempest und äußert sich begeistert über den Traum in Gogol's »Nevskij Prospekt«.20 Er preist den »objektiven« Dichter, der das Universum in all seiner Totalität wiedergebe und widerspiegele und setzt dagegen den subjektiven Dichter vergleichsweiser herab — ebenso wie die Gebrüder Schlegel Goethe gegen Schiller ausgespielt und Shakespeare auf den Gipfel des Ruhmes erhoben hatten als objektiven, gottähnlichen Schöpfer. Belinskij wiederholt diese Auffassungen: Shakespeare sei der neue Proteus, er habe keine Ideale, keine Sympathie. Er sei der unbewußte DichterDenker, welcher der Realität einen leidenschaftslosen Spiegel vorhalte. 21 Das Schaffen sollte zweckmäßig ohne Zweck, bewußt ohne Bewußsein sein, sagt Belinskij, die paradoxen Formeln Kants und Schellings wiederholend. Der Dichter

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könne nicht auf Befehl schaffen, auf Befehl seines persönlichen Willens. Das künstlerische Schaffen sei eine freie Tätigkeit, das bedeute frei von Berechnung oder Urteil, ja es sei sogar »visionär, nachtwandlerisch«.22 Belinskij lobt Gogol's Erzählung »Altväterliche Gutsbesitzer«, weil sie nicht der Realität nachgeahmt, sondern »durch das Gefühl in dem Augenblick der poetischen Entdeckung gewonnen« sei.23 Eine Hauptaufgabe des Dichters bestehe darin, Typen, Gestalten zu schaffen, die, obwohl konkrete Individuen, dennoch allgemeine Bedeutung haben werden. Hamlet, Othello, Shylock und Faust sind für Belinskij Beispiele aus der ausländischen Literatur; zu diesen gesellt er die Hauptcharaktere aus Griboedovs Verstand schafft Leiden und Gogol's Leutnant Pirogov der Erzählung Nevskij Prospekt hinzu, der ihm, seltsam genug, als »Typ der Typen«, als Symbol, als »mystischer Mythos« erscheint.14 Die Gebrüder Schlegel und Schelling hatten Hamlet, Don Quijote und Faust in solchen Ausdrücken gepriesen und so hatte es Charles Nodier in Frankreich getan.25 Belinskij beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit den Problemen, die er in diesen beiden Aufsätzen angeschnitten hatte. Belinskij entwickelte ein kritisches System (falls wir von einem solchen sprechen können) in zwei Richtungen. Erstens verstand er das Kunstwerk mit zunehmender Emphase als ein vollkommen in sich selber abgeschlossenes Ganzes, eine Einheit von Form und Inhalt, »einen sinnlichen Ausdruck der Idee« mit Hegels Worten. Gleichzeitig sah er es zunehmend in einem zeitlichen Zusammenhang, unbarmherzig vom Strom der Geschichte vorwärtsgetrieben. Der historische Gesichtspunkt ist in dem Begriff der Literatur als Ausdruck der Gesellschaft impliziert. Aber nur in seinen Aufsätzen über Lermontov (1841) sollte er sich das zu eigen machen, was ich den Mystizismus der Zeit nennen würde. Eine Zeitlang tritt der historische Gesichtspunkt zurück. In dem Artikel »Menzel als Kritiker Goethes« (1840) greift Belinskij das Schlagwort des Zeitgemäßen an, den Slogan des être de son temps, der bei den Franzosen und Italienern in hohem Kurs stand. »Der Inhalt der Kunst«, behauptet er nun, »sind nicht die Probleme des Tages, sondern die aller Zeiten, nicht die Interessen eines Landes, sondern der Welt, nicht das Schicksal von Parteien, sondern das der Menschheit.«26 Die Kunst, sage man, solle der Gesellschaft dienen. »Will man darauf bestehen, so tut sie das nur, indem sie ihre Selbsterkenntnis darstellt, aber sie existiert für sich selbst, hat ihren Zweck in sich selbst.«27 Die Kunst sei gesellschaftlich, doch sie diene der Gesellschaft, indem sie sich selber diene.28 Das Problem der Beziehung zwischen Kunst und Moral wird auf ähnliche Weise durch die Erklärung gelöst, daß »das Künstlerische auch moralisch ist.« Belinskij erkennt, daß der Schriftsteller die moralischen Konventionen seiner Gesellschaft verletzen mag, nicht aber die Moralität selber verletzen könne.29 Analog werden Kunst und Wahrheit, Kunst und Realität identifiziert. Die Kunst sei Wahrheit, doch eine besondere Art Wahrheit. So behauptet Belinskij in seinem nächsten Artikel über Griboedovs

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Verstand schafft Leiden (1840): »Die Kunst ist Wahrheit in der Darstellung, nicht im abstrakten Denken.« Der Dichter »denkt in Bildern«.30 Belinskijs Begriff der Realität ist wenigstens zu dieser Zeit noch weit entfernt von Materialismus oder sogar Empirismus. Die Wirklichkeit, sagt er ausdrücklich, sei die geistige Welt, die Welt der Ideen. Alles Einzelne, Zufallige, Irrationale sei nicht wirklich. »Der Mensch trinkt, ißt, kleidet sich — das ist die Welt der Erscheinungen, aber der Mensch fühlt, denkt, weiß, daß er selbst Organ, Gefäß des Geistes ist, ein begrenztes Teilchen in dem Allgemeinen und Unendlichen — und dies ist die Welt der Realität.« 31 Die moderne Dichtung sei die Dichtung der Wirklichkeit, die Dichtung des Lebens.32 Das ist Belinskijs Formel, die auf eine substanzielle geistige Wirklichkeit und damit auf die Werke der Schriftsteller verweist, die er am meisten bewundert: im Ausland Shakespeare, Goethe, Scott, Byron, Cooper, in Rußland Puskin und Gogol'. Nachdrücklich hebt er immer wieder hervor, daß der Dichter etwas Universales und Typisches schaffen müsse, das von allem Zufälligen gereinigt sei.33 Das Kunstwerk bilde ein in sich geschlossenes Ganzes, eine Welt, eine Totalität. Von diesem Punkt seiner Entwicklung an benutzt Belinskij immer wieder und mit großem Erfolg die Kategorie der Ganzheit und Kohärenz als Maßstab der Beurteilung. In der Analyse von Gogol's Revisor weist er nach, daß die Komödie streng durchorganisiert sei, eine Totalität darstelle und sich um eine zentrale Idee und eine zentrale Gestalt abspiele. »Der Revisor ist die Quelle, von der alles kommt und zu der alles zurückkehrt.«34 Das ganze Stück sei »mehr als ein Spiegel der Wirklichkeit, es ist der Wirklichkeit ähnlicher als die Wirklichkeit selber: es ist eine künstlerische Wirklichkeit.«35 Gogol's Komödie wird dann Griboedovs Verstand schafft Leiden, sehr zum Nachteil des letzteren gegenübergestellt. Verstand schafft Leiden gebe eine bloße Folge von Bildern. Es sei keine wirkliche K o mödie, sondern eine Satire mit dem Zweck, eine besondere, lokal beschränkte Gesellschaft lächerlich zu machen. Belinskijs Meinung nach gehört die Satire überhaupt nicht zur Kunst, weil man nicht gleichzeitig zornig und schöpferisch sein könne.36 Griboedov fehle die Objektivität: das Stück ende mit lyrischen Ausbrüchen von subjektivem Zorn. Es sollte nicht Verstand schafft Leiden sondern Eigensinn schafft Leiden heißen.37 Diesen allgemeinen Standpunkt behält Belinskij auch die nächsten Artikel hindurch bei, wenn er auch fast beiläufig Ideen vorbringt, die später seinen Maßstab der künstlerischen Objektivität gefährden sollten. Die beiden Aufsätze über Lermontov (1840—41) wiederholen die Auffassung, daß ein Kunstwerk ein organisches Ganzes sei, eine in sich geschlossene Welt. Es gebe nicht mehrere Schönheiten oder Fehler in einem Kunstwerk: jeder, der das Ganze begreife, sehe nur die eine Schönheit. W o Organisation sei, da sei Leben, und w o Leben sei, da sei Geist.38 Ausführlich erläutert Belinskij die Idee, daß ein Kunstwerk wie eine Pflanze wachse, eine Analogie, die seit Herder von den Deutschen mit Vorliebe gebraucht wurde. 39

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In der Besprechung von Lermontovs Gedichten (1841) vertritt Belinskij die A u f fassung von der instinktiven Kreativität des Dichters und der überlegenen Wirklichkeit der Poesie. Er übertreibt sogar, was das letztere betrifft. Die Wirklichkeit, oft düster und häßlich, erscheint in der Vision des Dichters erleuchtet und harmonisch.40 Belinskij nimmt die Kantische Unterscheidung zwischen Verstand und Vernunft auf, um die höhere Vernunft des Dichters zu preisen. Die Kunst reinige die Wirklichkeit. 41 Der Naturalismus wird ausdrücklich herabgesetzt: der Held eines Romans müsse nicht bei seinem täglichen Mittagessen gezeigt werden. »Man kann eine Trinkgesellschaft, eine Hinrichtung, den Tod eines Säufers, der in eine Senkgrube fiel, sehr natürlich beschreiben — aber solchen Schilderungen fehlt eine vernünftige Idee und ein Ziel.«42 Allein die vernünftige Wirklichkeit existiere für den Künstler: er verwandle die gewöhnliche Realität durch seine Ideale. Die Dichtung, verkündet Belinskij leidenschaftlich, sei die Quintessenz des Lebens, der Dichter sei das Organ des universalen Lebens, er erlebe alles, er werde alles.43 Es sei lächerlich, von ihm zu verlangen, gegenwärtige Bedürfnisse zu befriedigen. Er ahme die Natur nicht nach, sondern konkurriere vielmehr mit ihr: seine Schöpfungen machen den gleichen Prozeß durch und haben denselben Ursprung. Die Kunst stehe höher als die Natur wie jede bewußte und freie Handlung höher stehe als eine unbewußte und willenlose.44 Diese Auffassungen stellen zu seiner Zeit, die angeblich Belinskijs Hegeische Periode gewesen sein soll, ein vollständiges Repertoire der deutschen romantischen Vorstellungen dar, mit deutlichen Anklängen an Schelling. Das Kunstwerk sei ein Organismus, die Kunst habe ihren eigenen Zweck, doch die Kunst gewähre auch Einsicht in eine höhere Realität, sie sei eine Art von Erkenntnis, aber einer nichtrationalen Erkenntnis. Die Kunst sei eine Parallele und ein Analogon zur Natur, der Dichter sei sowohl inspiriert als auch in hohem Grade seiner selbst bewußt, vollkommen frei. Die Paradoxien des deutschen dialektischen Idealismus konnten nicht vollständiger und offener wiederholt werden. Merkwürdigerweise enthalten dieselben Aufsätze Auffassungen Belinskijs, die zwar in sich selber dieser Position noch nicht widersprechen, aber doch den Keim ihres Widerrufs bereits enthalten. Beiläufig und ohne offenbar alle Konsequenzen zu erkennen, vertritt er die Ansicht, daß ein Kunstwerk das Ergebnis des historischen Prozesses sei. Er löst sogar den Künstler und seine Kreativität von der Verantwortung für ein Kunstwerk, erlegt sie dafür seinem Zeitalter auf und erklärt den Dichter als vollkommen abhängig von der zeitlichen Konstellation. Uber die Reihenfolge der literarischen Gattungen nach Art der Deutschen spekulierend nimmt er eine notwendige Reihenfolge in der Entwicklung von der Lyrik über das Epos zum Drama an, nicht nur allgemein in der Geschichte, sondern in der Entwicklung jedes einzelnen Dichters. Lermontov müsse schließlich dahin kommen, Tragödien zu schreiben, Puskin, wäre er am Leben geblieben, hätte sich zu einem großen Romanschriftsteller entwickelt. »Jede nationale Kunst hat ihre historische Entwicklung, die den Charakter und die Art der Tätigkeit des

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Dichters bestimmt.«45 »Je größer der Dichter — je mehr er der Gemeinschaft angehört, in der er geboren wurde — desto enger werden. Entwicklung, Tendenz und Eigenart seines Talentes mit der historischen Entwicklung der Gesellschaft verknüpft sein.«46 Doch diese Entwicklung wird nun, entgegengesetzt dem Ideal, das er nur wenige Seiten zuvor vertreten hatte, als ein Fortschritt auf Reflexion und Subjektivität hin verstanden. Dabei wird vorausgesetzt (wenn auch nie begründet), daß der Fortschritt von Gesellschaft und Literatur in Richtung auf Reflexion und Subjektivität, Zeitbezogenheit und unmittelbare Relevanz hin gehen müsse. Heute sei objektive Dichtung kaum mehr möglich. Belinskij widerruft ausdrücklich seinen Artikel über »Menzel als Kritiker Goethes« und kritisiert Goethes Mangel an historischem und sozialem Interesse, seine zufriedene Bejahung der Realität. Daher habe die weniger kunstvolle aber humanere Dichtung Schillers größeren Widerhall gefunden als die Dichtung Goethes.47 Subjektivität und Zeitbezogenheit werden jetzt wenigstens als historische Notwendigkeit akzeptiert. Belinskij versucht immer noch, die neuen Einsichten mit seinen wichtigsten Theorien in Einklang zu bringen. Ein großer Dichter spreche, wenn er von sich selbst rede, von dem Allgemeinen, von der Menschheit.48 Ein russischer Dichter, der einen historischen Moment in der russischen Geschichte darstelle, werde wahrhaft national, werde eins mit dem Volke. 49 Etwas gezwungen werden alle diese Argumente vorgebracht, um Lermontovs Dichtung der Verzweiflung und Empörung zu rechtfertigen. Dennoch ist die Entwicklung Belinskijs in Richtung auf eine Rechtfertigung subjektiver, zeitgemäßer Dichtung damit keinesfalls beendet. Die Kapitel, die er 1841 für ein Buch über die Poetik vorbereitete, zeigen kaum Spuren der neuen Auffassungen. »Die Einteilung der Dichtung in Gattungen« wiederholt, nur ziemlich ungegliedert, die Gedanken der deutschen Kritiker. Wir lesen sogar von der »Poesie der Poesie«, ein Ausdruck, den Friedrich Schlegel und Jean Paul liebten.50 Die Auffassung der Gebrüder Schlegel von dem plastischen, objektiven, ewig schönen Charakter der griechischen Tragödie wird getreulich wiedergegeben 51 und Scott als Homer des christlichen Europa gepriesen.52 Die didaktische Dichtung schließt Belinskij von wahrer Dichtung aus.53 In orthodoxen Hegeischen Begriffen umreißt er eine Theorie der Tragödie: Antigone demonstriere den Triumph des Ewigen und Allgemeinen über das Individuelle und Besondere. 54 Heftiger noch als die nationalistischen Deutschen lehnt Belinskij die französische Literatur ab: die Franzosen besitzen keine Poesie, ihr Drama gehöre eher zu einer Geschichte der Moden als der Kunst. 55 Deutlich betont er, daß »das Wesen der Dichtung allein vom deutschen Denken bewußt erfaßt wurde.«56 Der nächste Aufsatz mit dem Titel »Die Idee der Kunst« schließt sich vollkommen an Hegel an, obwohl der berühmte Satz (den Belinskij schon früher gebrauchte): »Die Kunst i s t . . . Denken in Bildern« in dieser Form bereits bei August Wilhelm Schlegel und dem weniger bekannten deutschen Ästhetiker Trahndorff 57 auftaucht. Belinskij erläutert die Hegeische Auffassung der Geschichte, die Menschheit

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mache drei Entwicklungsstadien durch: Mythos, Kunst und Denken. Der Essay schließt mit einer Übersetzung der recht gesuchten Interpretation Rötschers v o n Fausts Gang zu den Müttern. Der Essay »Über die allgemeine Bedeutung der Weltliteratur« stellt eine sehr vie originellere Leistung dar. Belinskij versucht, zwischen den geläufigen Termin in Bezug auf die Geschichte der russischen Literatur zu differenzieren. Er unterscheidet mündlich überlieferte Literatur (slovesnost'), in Handschriften vorliegende Literatur vor Einführung der Buchdruckerkunst (pis'mennost') und die moderne gedruckte Literatur (literatura). D o c h die moderne gedruckte Literatur sei nicht identisch mit allen existierenden gedruckten Büchern. Z u r Literatur gehöre nur, was einen historisch sich entwickelnden Nationalgeist zum Ausdruck bringe. 58 Der Nationalgeist schließe alles Zufällige aus, er sei die dialektische Bewegung der Idee. Sogar Abweichungen von einem gesunden Geschmack werden, wenn sie allgemein sind, als Ausdruck des Geistes einer Zeit und einer Nation angesehen. Die französische Tragödie unter Ludwig X I V . und die französische Romantik sind für Belinskij Beispiele eines typischen schlechten Geschmacks. 59 Im Mittelpunkt aller Erörterungen steht das Problem der Eigenart einer Nationalliteratur: ihrer grundlegenden Anschauung der Welt. Belinskij nimmt das Ergebnis der Literarischen Träumereien, es gebe keine echt russische Literatur, zurück, aber er betont immer noch, daß sie rein lokale Bedeutung habe: historisch bedeutungsvoll, nicht ästhetisch, ein bloßes Versprechen für die Zukunft. 60 In seinem nächstfolgenden Aufsatz mit dem Titel »Allgemeine Betrachtungen über die Volksdichtung« behauptet Belinskij, daß der Nationalcharakter Alpha und Omega der Ästhetik unserer Zeit sei, daß jede Nation ihre eigene Logik habe, daß die Literatur einer Nation ihre Individualität ausdrücken solle, daß alle Nationen endlich eine ideale Individualität bilden sollen — die Menschheit. 61 Der romantische Nationalismus, der zum Humanismus führe, wird hier in glühenden Ausdrücken neu formuliert. In den Artikeln über Gogol's Tote Seelen (1842) kann man eine Veränderung v o n Belinskijs Geschmack feststellen und mit ihr eine neue Akzentverschiebung in der Theorie, obwohl diese zunächst nur gering und verbal ist. Gogol' wird als der erste begrüßt, der die russische Wirklichkeit kühn und offen betrachtet habe. 62 Belinskij verteidigt ein naturalistisches Detail der Toten Seelen, das viele empörte Reaktionen hervorgerufen hatte: die kleine Szene, in der ein Soldat eine Laus v o n seinem Kragen nimmt und tötet. Gogol' scheint Belinskij ein Schriftsteller , v o n größerer Bedeutung zu sein als PuSkin, denn er sei sozialer, lebe mehr im Geist seiner Zeit. 63 Starke Betonung hegt auch hier wieder auf dem Nationalcharakter. Gogol' trage zur nationalen Selbsterkenntnis bei, er könne aber nicht »weiter sein als seine Zeit und sein Land«.64 Er sei rein lokal und daher unbegreiflich außerhalb Rußlands. Gogol' ist für Belinskij nicht nur ein naturalistischer Maler der russischen Wirklichkeit. Er betont, Die toten Seelen seien keine Satire und hebt die Subjektivität und das hohe lyrische Pathos des Romans hervor. 65 Belinskij behauptet, Dichtung sei Ausdruck der Wirklichkeit, aber Ausdruck bedeutet für ihn Ideali-

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sierung der Erscheinungen der Wirklichkeit, ein Aufdecken ihrer allgemeinen Bedeutung.66 In einem Artikel, der Aleksandr Nikitenkos Rede über die Kritik (1842) kommentiert, entwickelt Belinskij seine derzeitige theoretische Position. Die Wirklichkeit, erklärt er, sei die Losung der Gegenwart. Unser Zeitalter lehne die Theorie des »l'art pour l'art« ab.67 Die großen Schriftsteller der Zeit seien Scott, Cooper und ein neuer großer Autor, George Sand, der erste poetische Glanzpunkt der zeitgenössischen Welt.68 Doch Belinskijs Auffassung ist noch nicht völlig relativistisch und historistisch geworden. Er hält immer noch an der Erkenntnis fest, daß die Kunst, wenn sie auch von dem Prozeß der historischen Entwicklung abhängig sei, doch auch die ewigen Wahrheiten der Existenz zum Gegenstande habe, und daß in der Kritik zuallererst das ästhetische Urteil darüber entscheide, ob ein Kunstwerk die Aufmerksamkeit der historischen Kritik verdiene.69 Zu dieser Zeit kennt Belinskij keinen Konflikt zwischen der historischen und der ästhetischen Kritik, denn jede brauche die andere und könne ohne sie nicht bestehen.™ Er sieht auch keinen Widerspruch zwischen den ästhetischen und sozialen Forderungen an einen Schriftsteller. Er macht es sich ein wenig zu leicht in seinem Bemühen, die Kunst irit den Forderungen der Gesellschaft zu versöhnen. Der Dichter müsse Bürger, ein Sohn seiner Gesellschaft und seiner Zeit sein und er müsse seine Wünsche mit denen seiner Gesellschaft vereinen. Dazu brauche er Sympathie, Liebe, ein gesundes praktisches Empfinden für die Wahrheit.71 Nicht einmal als Möglichkeit antizipiert Belinskij die ernsthaften Konflikte der nächsten hundert Jahre zwischen Kunst und Gesellschaft. Belinskijs Theorie der Literaturkritik bleibt dann etwas länger unverändert, immer noch zentriert um den Begriff des Organischen. In einer Besprechung von Boratynskijs Gedichten (1842) greift er die ältere atomistische Kritik einzelner Fehler an und stellt die Errungenschaften der neuen Kritik in den Vordergrund, die ein Kunstwerk als Ganzes beurteile, seine Ideen aufdecke und die enge Verbindung von Inhalt und Form aufweise. Der Kritiker solle den Geist des Dichters in seinen Werken aufspüren, er solle die leitende Idee herausfinden, die vorherrschende Stimmung, und er solle die innere Vision des Dichters, sein pathos aufdecken und deutlich machen.72 Ein Artikel über Deriavin (1842) beginnt mit der neuen Erklärung, daß die Kunst zur Sphäre der absoluten Erkenntnis gehöre und ihre eigenen ewigen Gesetze habe.73 So war die Wende zu einem relativistischen Standpunkt noch nicht ganz vollzolgen. Eine merkwürdige Passage, in der Belinskij die »Prosa« rühmt, weil durch sie Puskin in seiner Entwicklung die »Romantik« überwunden habe, zeigt, wie trügerisch Belinskijs Ausdrucksweise sein kann und wie falsch es wäre, von ihr ausgehend in dieser Zeit eine Wendung zum Realismus konstatieren zu wollen. Man könnte der Meinung sein, »Prosa« bedeute hier so etwas wie Realismus, zweifellos aber meine Belinskij, Puskin habe die Versdichtung zugunsten der Prosa aufgegeben. Doch die Verserzählungen Mozart und Salieri, Der geizige

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Ritter, Galub und Der steinerne Gast, erklärt Belinskij, seien »reine Prosa«. Prosa, schreibt Belinskij, bedeute »Reichtum des inneren poetischen Inhalts, männliche Reife und Geistesstärke.«74 Die von Belinskij gepriesene »Prosa«-Periode der russischen Literatur umfaßt einfach die ganze russische Literatur seit etwa 1829 — das heißt, die ganze Literatur, die nicht sentimental oder romantisch in dem engen Sinne ist, wie Belinskij die Begriffe verstand. Doch »Prosa« heißt nicht Realismus: sie sei vielmehr »die reale Tatsache, gefiltert durch die Imagination des Dichters, verstärkt durch das Licht einer universalen Bedeutung, gleich einem Porträt, auf dem der Mann, der dargestellt wird, sich selbst ähnlicher sehen kann als auf einem Daguerrotyp.«75 In dem ersten einer langen Folge von Aufsätzen, die dem Werk Puskins gewidmet sind (1843), läßt sich Belinskij völlig auf den Mystizismus der Zeit und des Fortschritts ein. Immer noch vertritt er die Auffassung, daß es das Ziel der Literaturkritik sei, zwischen dem Ewigen und dem Zeitlichen, dem Künstlerischen und dem Historischen zu unterscheiden, doch er weist nun diese Aufgabe nicht dem Kritiker oder der Ästhetik zu, sondern der »historischen Bewegung der Gesellschaft selber.« Je lebendiger ein Phänomen sei, desto mehr werde seine Erkenntnis von der Bewegung der Gesellschaft selbst abhängen.7« Diese Auffassung soll das Hauptargument der Aufsätze begründen, Puskin gehöre zu einer vergangenen und abgeschlossenen Periode der russischen Literatur und Gesellschaft. Deshalb sei das Publikum nach seinen ersten Erfolgen Puskin gegenüber gleichgültig geworden. »Unterdessen ging die Zeit weiter und mit ihr schritt das Leben fort, brachte neue Ereignisse hervor, ließ neue Tatsachen erkennen und führte es den Weg der Entwicklung hinauf.« Lermontov befriedige daher eine fortschrittlichere Zeit, eine Zeit, die in ihren Forderungen und Zeichen jener überlegen sei, die sich in der Dichtung PuSkins ausdrücke. Belinskij geht von der Voraussetzung eines automatischen, schicksalhaften Fortschritts aus, von einem ständigen Höhersteigen der Welle der Zukunft. Selbst kritische Überzeugung könne sich nur mit der Zeit und aus ihr heraus entwickeln. Belinskij gibt zu oder er rühmt sich sogar, daß er diese Auffassung Puskins vorher nicht habe vertreten können, denn er selber habe sich mit den Zeiten verändert und beneide die »fertigen Naturen« durchaus nicht.77 Wiederum nimmt er das Argument aus den Literarischen Träumereien zurück. Rußland, schreibt er jetzt, besitze eine Literatur, eine lebendige, organische Entwicklung, eine Geschichte. Abermals gibt er einen Überblick über die ältere russische Literatur, ohne sein strenges Urteil über die Schriftsteller des 18. und frühen 19. Jahrhunderts entscheidend zu modifizieren, wenn er sie nun auch als Glieder einer Kette sieht oder vielmehr als Stufen, die zu dem Tempel der zeitgenössischen russischen Dichtung hinaufführen. Ihr Versagen wird entschuldigt, denn sie konnten nicht umhin, so zu sein, wie sie waren, weil die Zeit, in der sie gelebt haben, ihre Entwicklung gehemmt und gehindert habe. Der2avin wird zu einem geborenen Dichter, einem großen Talent erklärt, obwohl er nicht ein einziges vollkommenes Kunstwerk hervorgebracht habe und

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wegen der historischen Situation der Zeit auch nicht habe hervorbringen können. Das gesellschaftliche Leben der Zeit habe ihm keine reichen Stoffe zu liefern vermocht.78 Der Sentimentalismus wird als ein natürlicher Schritt hin zu einem Verständnis der Poesie angesehen. Karamzin, erklärt Belinskij, habe etwas wahrhaft Großes erreicht, wenn er auch absoluten Maßstäben nicht standhalten könne. Er sei das Beispiel eines Mannes, der in lebendigen Beziehungen mit seiner Zeit gelebt habe, während andere Menschen im Kampf mit dem Geist der Zeit zugrunde gegangen seien.79 Von ähnlicher historischer Notwendigkeit sei die Romantik gewesen, die Belinskij eng als Subjektivismus definiert. Aber der Mensch lebe nicht allein in der Welt des Herzens: er müsse sich mit der Welt der Geschichte und der gesellschaftlichen Tätigkeit auseinandersetzen.«" Die Verantwortung für die Kunst trägt damit die Gesellschaft. Die Stoffe, welche die Gesellschaft dem Dichter zur Bearbeitung übergibt, sind die Determinanten seines Werkes geworden. Auf der einen Seite steht die Natur, die Talente hervorbringe, ohne zu fragen, ob sie gebraucht werden oder nicht, auf der anderen die Gesellschaft, die eine poetische Wirklichkeit schaffen müsse, um die Dichtung möglich zu machen.81 Recht naiv schreibt Belinskij über die Griechen, sie hätten auf Schritt und Tritt auf ihren Straßen schöne Männer gesehen, und über die Italiener des Mittelalters, sie hätten für ihre Bilder madonnenähnliche Frauen als Modelle gehabt. »Ohne schöne Modelle gibt es keine Malerei«, behauptet Belinskij, und das gelte analog für die Dichtung. Puskin »trat zu einer Zeit auf, als zum ersten Male Dichtung in Rußland möglich wurde.«82 Diese Art von Äußerungen mögen lediglich als bequeme Einsichten hinterher erscheinen, als unwiderlegbare, aber bedeutungslose Behauptung, die Dinge hätten nun einmal nicht anders sein können als sie waren. Doch sie schließen nicht nur ein Vertrauen in den Gang der Geschichte ein, sondern auch das Lob des russischen Lebens und seines erwachenden Freiheitswillens. Die Bildung einer wahren russischen Gesellschaft nach den Erschütterungen des Napoleonischen Einfalls habe wahre Dichtung möglich gemacht. In seiner Erörterung von Puskins Entwicklung verfolgt Belinskij tatsächlich den Gedanken einer vollkommenen Abhängigkeit des Dichters von der gesellschaftlichen Situation und den damit gegebenen Stoffen nicht sehr weit. Vielmehr versucht er, die herrschende Stimmung, das allgemeine Pathos in Puskins Dichtung zu bestimmen und findet es in einer »leichten, klaren, tröstenden Traurigkeit«.83 Er wiederholt seine romantischen Ansichten über die organische Form und besteht darauf, daß nur ein Pathos, nur ein Geist alle Werke eines Schriftstellers durchdringen sollte.84 In den späteren Artikeln versucht er wieder, diesen allgemeinen Geist von Puskins Werk zu bestimmen, doch das gelingt ihm weniger gut als vorher. Puskin sei in erster Linie ein Künstler, der alles aufnehmen könne, um eine schöne Form daraus zu bilden.85 Er sei eher ein Dichter der Meditation als ein reflektierender oder philosophischer Dichter.86 Er betrachte alles mit Liebe und Wohlwollen, er verwerfe oder verdamme nichts.87 Er sei ein nationaler Russe, aber man könne diese Qualität nicht näher bestimmen.88

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Belinskij kritisiert Puskins aristokratischen Stolz, seine Verachtung für die Menge, seinen Glauben an die übernatürliche Inspiration und distanzierte Haltung des Dichters. So folgert er schließlich, daß Puskin einem vergangenen Zeitalter angehöre. »Ein großer Teil seiner Werke hat an Interesse verloren: ihm fehlen Antworten auf die dringenden, schmerzlichen Fragen der gegenwärtigen Zeit.«89 Das Publikum habe in Puskins späteren Jahren mit Recht mehr moralische und philosophische Probleme in der Dichtung gefordert.90 Die Artikel, die Puskins Schriften eine nach der anderen prüfend durchgehen, sind von diesem allgemeinen Standpunkt aus geschrieben. Puskin sei wie Goethe der Dichter einer vergangenen Zeit, einer Zeit reinen Künstlertums. Die Erörterung der einzelnen Werke zeigt sowohl die starken als auch die schwachen Seiten von Belinskijs Methoden und offenbart seine extreme Ungleichmäßigkeit als Kritiker: das unberechenbare, plötzliche Aufblitzen von Einsichten dicht neben dem Rückfall in bloße didaktische Theorie und bloßes Moralisieren. So dient Puskins Erzählung Die Zigeuner nur als Vorwand für einen Vortrag über die Eifersucht, ein Laster, das eines gebildeten Menschen nicht würdig sei. Othello ist nach Belinskijs Meinung nur in dem barbarischen Zeitalter möglich, in dem Shakespeare gelebt habe.91 Die Erzählung Poltava soll die Theorie beweisen, daß ein episches Gedicht in dieser Zeit unmöglich sei. Poltava halte dem Maßstab der Gattungskritik nicht stand. Es sei kein richtiges Epos — in dem Sinne, daß eine wahrhaft nationale Begebenheit geschildert werde — es versuche nur, eines zu sein. Die private Liebe Mazeppas und Marias störe den Gang der Ereignisse.92 Eugen Onegin, als historisches Gedicht zwar hoch gelobt, wird als veraltet und altmodisch qualifiziert. »Aber es ist nicht die Schuld des Dichters, daß in Rußland alles so schnell weitergeht. Wenn das Gedicht nicht überholt erschiene, so würde das nur zeigen, daß eine imaginäre Gesellschaft in ihm dargestellt wurde. Aber lohnte es sich, über solch ein Gedicht zu sprechen?«93 Ein bestimmtes lokales und zeitliches Kolorit wird hier als Zeichen des Veraltens angesehen. Gleichzeitig erklärt Belinskij solches Verhalten für unvermeidlich, wenn er schreibt, »daß das Genie niemals seiner Zeit voraus ist, sondern immer deren Inhalt und Bedeutung verkündet.«94 Einen seiner schlimmsten kritischen Schnitzer macht er in seiner Charakterisierung Tatjanas als eines »moralischen Embryo« und einer »ägyptischen Statue, unbeweglich, schwer und gebunden«.95 Im Namen der romantischen Religion der Leidenschaft und einer romantischen Kritik der konventionellen Ehe ä la George Sand hält Belinskij Tatjana eine Moralpredigt, weil sie sich Onegin schließlich verweigert.96 Wie so häufig verwechselt Belinskij Fiktion und Wirklichkeit, ignoriert die Forderungen der Handlung und damit seine alten Maßstäbe von Ganzheit und Kohärenz, um einen Vorwand für seine Predigt über die Rückständigkeit der russischen Frauen zu erhalten. Mit der Besprechung von Boris Godunov (1845) kehrt Belinskij zur Literaturkritik zurück. Seiner Meinung nach handelt es sich dabei nicht um ein Drama, sondern um ein episches Gedicht in Dialogen. Es enthalte weder Leidenschaften

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noch Konflikte noch dramatische Ereignisse. Godunov sei ein melodramatischer Bösewicht, der von einem schlechten Gewissen gequält werde. Er sei gleichzeitig ehrlich und gemein, ein Held und ein Feigling, kurz, eine Ansammlung von Widersprüchen. Jede Szene sei selbständig, dem Stück fehle jede Totalität (l'ensemble), Godunovs Charakter bestehe aus einem Mosaik einzelner isolierter Charakterzüge.97 Belinskijs Urteil beruht auf einer Gattungstheorie und den Maßstäben der organischen Einheit und Kohärenz — insofern also stellt es genuine Literaturkritik dar. Aber Belinskij verdirbt sie sehr schnell wieder, wenn er den Unterschied zwischen Dichtung und Geschichte ignoriert. Puskin sei nicht dafür verantwortlich zu machen, daß es ihm nicht gelungen sei, ein richtiges Drama der russischen Geschichte zu schreiben; vielmehr trage die Zeit Boris Godunovs selber die Schuld an diesem Scheitern. Die russische Geschichte, argumentiert er, sei damals durch ihren quietistischen Charakter gekennzeichnet gewesen. Es habe keine sich entwickelnden Persönlichkeiten gegeben, die Familie sei alles gewesen.®8 Godunov habe in der Geschichte keine Spur hinterlassen, er sei ein talentierter Mann gewesen, der sich zu Unrecht für ein Genie gehalten habe, ein Emporkömmling, der weder Ideen noch Prinzipien besessen habe." Belinskij schreibt mit großer Selbstsicherheit über die Psychologie dieser blassen historischen Gestalten: so etwa kritisiert er die schöne Szene zwischen dem f a k sehen Zaren und Maria, seiner polnischen Geliebten, weil Liebe zu einer Frau dem Charakter des historischen Dimitri nicht angemessen sei.100 Aber wie konnte sich Belinskij oder irgendjemand sonst dessen so sicher sein? Und selbst wenn dieser Schluß mit einem historischen Zeugnis belegt wäre, was könnte das für Puskin bedeuten? Wenn er gewollt hätte, hätte er einen fiktiven Charakter erfinden können, der leidenschaftliche Liebe zu einer Frau fühlt. Es lohnt sich ein solches Detail von Belinskijs Kritik zu betrachten, um den plötzlichen Wechsel von romantischen Maßstäben der Kritik zu einem Vertrauen auf die äußere, unkünstlerische, vorkünstlerische Wirklichkeit der Geschichte oder der Gesellschaft zu verstehen. Meines Erachtens verschlechterte sich Belinskij als Kritiker je mehr er seiner Neigung nachgab, »Zeit« und »Fortschritt« zu verehren, seiner Vorliebe, »Realität« und »Gesellschaft« als fixe Elemente außerhalb des Werkes eines Schriftstellers zu betrachten, um aus ihnen »Gesetze« zu gewinnen, die sich in der Praxis als starre Kunstregeln erwiesen. Diese Veränderung führte zu einer Auflockerung von Belinskijs fniherem festen Verständnis des Prinzips der organischen Einheit. In dem Artikel »Gedanken und Bemerkungen über die russische Literatur« (1846) löst er die Einheit von Form und Inhalt auf, indem er erklärt, daß ein russischer Dichter, wie groß auch immer sein Talent sein möge, »mit einem europäischen Dichter nur in der Forrri, aber nicht in dem Inhalt seiner Dichtung wetteifern« könne. Den Inhalt gebe dem Dichter das Leben seines Volkes. Sein Wert hänge von der historischen Bedeutung des Lebens seines Volkes ab und nicht von dem Dichter selber und seinem Talent. 101 Die unausgesprochene Folgerung ist, daß das russische Leben 16

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in der Gegenwart elend sei und daher seine Literatur unbedeutend sein müsse. Belinskijs Schluß: laßt uns das russische Leben verändern und die Literatur wird groß sein. In einer häufig zitierten Passage, die Rußlands Größe hundert Jahre später prophezeiht, bekennt er seinen glühenden Glauben an den Fortschritt, sowohl im sozialen als auch im literarischen Leben.1"2 Belinskij gerät in große Schwierigkeiten, wenn er versucht, diesen Gedanken auf die ausländische Literatur zu übertragen: er muß jetzt die französische Literatur loben, denn er bewundert die Franzosen als Träger der großen Revolution und der Julirevolution und damit als Fahnenträger des zeitgenössichen Fortschritts. Er muß zugeben, daß die französische Literatur ihr gesellschaftliches und historisches Leben viel genauer reflektiert als die deutsche. Doch sein fester Geschmack empört sich gegen die Implikationen dieser Theorie: er hatte schon lange behauptet, daß die französische klassische Tragödie keine Kunst sei, er hatte seine tiefe Abneigung gegen die Sensationsliteratur der französischen Romantiker geäußert. Nun rettet er seine Theorie durch ein höchst unbeholfenes Manöver. Corneilles Tragödien, schreibt er, seien »theoretisch häßlich«, doch sie besitzen die innere Kraft und das Pathos, das Mirabeau begeistert habe. Nicht eine einzige von Molieres Komödien könne der ästhetischen Kritik standhalten: jede sei eher künstlich erfunden als wirklich geschaffen. Man müsse jedoch zugeben, daß die Franzosen ein lebendiges Theater haben.1®3 Belinskij unterscheidet zwischen guter Kunst und schlechter Kunst, wobei die letztere dennoch mehr zum Wohle einer Gesellschaft beitragen mag. Er scheint anzudeuten, daß man schlechte Kunst bevorzugen sollte, wenn sie eine gute soziale Wirkung habe. Doch wird das nicht direkt heraus gesagt und Belinskij kehrt zurück zu seinem Vertrauen auf die Zeit. »Von allen Literaturkritikern ist die Zeit der größte, der genialste, der zuverlässigste.«104 Er sieht nicht, daß Zeit schließlich nur die Summe der Urteile ihrer Kritiker (ihn selber eingeschlossen) und Leser bedeutet. Die letzten beiden Jahresübersichten über die russische Literatur, die für 1846 und 1847, formulieren am nachdrücklichsten seine endgültigen Lehren. Er gebraucht jetzt den Ausdruck der »Naturalen Schule«105 für die russische Literatur seit Gogol und betont den naturalistischen Maßstab der Naturwahrheit. Gegen die gängige Kritik, daß die Naturalisten nur die schlechte Seite des russischen Lebens darstellen, stellt er die Hoffnung, daß es mit der Verbesserung der russischen Gesellschaft möglich sein werde, auch die positiven Seiten zu zeigen.106 Mit seiner Kritik an Dostoevkijs Doppelgänger lehnt er ausdrücklich das Phantastische als künstlerisches Mittel ab. »Heutzutage gehört das Phantastische nur ins Irrenhaus, nicht in die Literatur. Es ist die Domäne der Ärzte, nicht der Dichter.«107 Er geht sogar so weit, die »genauest mögliche Ähnlichkeit der dargestellten Personen mit ihren Vorbildern im wirklichen Leben« zu fordern.180 Gogol wird gelobt, weil er seine ganze Aufmerksamkeit auf die Menge, die Masse, die gewöhnlichen Leute konzentriert habe.109 Belinskij verteidigt die Überschwemmung der Literatur mit Bauern. Der Bauer sei ein Mensch, wir bedauern ihn. Der

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Erlöser sei für alle Menschen gekommen, und die Literatur als Ausdruck der Gesellschaft habe diese Emanzipationsbewegung der Leibeigenen nicht nur widergespiegelt, »sondern vielmehr zu ihrem Aufkommen beigetragen, sie ist nicht nur nicht hinter ihr zurückgeblieben, sondern hat sie vielmehr überholt.«110 Belinskij scheint seine frühere Auffassung der Literatur als bloße Widerspiegelung der Gesellschaft, die sie nie überschreiten und überholen könne, aufzugeben. Fast sieht es so aus, als wolle er ihr die Rolle eines Führers, sogar antizipatorische Weissagung zuschreiben. Die Stärke er modernen Kunst liege seiner Meinung nach in dem edlen Unterfangen, den Interessen der Gesellschaft zu dienen.111 Der Naturalismus, lobt er, sei eine Bewegung auf die Wirklichkeit hin, allem Phantastischen und Geisterhaften abgeneigt.112 Wieder erklärt er mit merkwürdigen Worten sein Vertrauen auf den Fortschritt : »Man kann nur vorwärts gehen, niemals zurück.« Entwicklung heißt für ihn Verbesserung, Erfolg, Fortschritt. 1 " In diesen beiden Artikeln beschäftigt sich Belinskij vor allem mit dem aufkommenden sozialkritischen Roman. Er hatte Dostoevskijs Die armen Leute als Roman des sozialen Protests begrüßt, war nun aber über den phantastischen Doppelgänger und die verwirrende und obskure Erzählung Die Wirtin enttäuscht.114 Wortreich empfiehlt er die realistischen Romane, Erzählungen und Skizzen von Grigorovic. Weltman, Dal und anderen. Er lobt Herzens Roman Wer ist schuld? wegen seiner tiefen Gedanken.115 Zusammen mit seinem ganzen Zeitalter rühmt er in übertriebener Weise George Sand und sogar Eugène Sue, obwohl er die Unzulänglichkeiten des letzteren erkennt.116 Inzwischen sieht er Goethe mit den Augen seiner modernen deutschen Kritiker: als einen repräsentativen Deutschen, von der Gesellschaft entfremdet, indifferent der Gesellschaft und Geschichte gegenüber, ein bloßer Künstler, als den er jetzt ja auch Puskin bezeichnet.117 Es ist verständlich, daß diese letzten Äußerungen das Bild Belinskijs in den Augen der Nachwelt weitgehend bestimmt haben. Die sowjetische Literaturkritik und die ganze Tradition des radikalen Denkens in Rußland seit Cernysevskij findet hier die früheste einheimische Rechtfertigung ihres allgemeinen Standpunktes. Doch dieses Bild vereinfacht sehr. Es ignoriert den größten Teil von Belinskijs früheren Schriften, die wir oben dargestellt haben, und es läßt die vielen Vorbehalte selbst noch in diesen letzten beiden Artikeln unbeachtet. Solche Abschnitte in den letzteren Schriften mögen lediglich als Uberreste seiner älteren Auffassungen angesehen werden: ich würde es vorziehen, sie als Beweis dafür zu betrachten, daß Belinskij seine grundlegende Sensibilität und seinen Geschmack, sein Verständnis für das Wesen der Kunst und sogar seine ursprüngliche Einsicht in das Verhältnis von Literatur und Wirklichkeit, Literatur und Gesellschaft nicht verloren hat. Belinskij wurde nicht einfach zum Propagandisten einer naturalistischen Kunst, die einem spezifischen gesellschaftlichen oder didaktischen Zweck dienen soll l«*

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wie etwa der Befreiung der Leibeigenen oder allgemeiner der Befreiung Rußlands von der Autokratie. In seinem Angriff auf die l'art pour l'art Dpktrin erkennt er, daß »die Kunst zuerst Kunst sein muß und erst später kann sie der Ausdruck des Geistes und der Tendenz der Gesellschaft eines bestimmten Zeitalters sein.« Sowohl l'art pour l'art wie auch die didaktische Dichtung lehnt er ab, weil ihm beide als schlechte Extreme erscheinen. Er schreibt, die reine Kunst sei eine verträumte Abstraktion, die noch nie irgendwo existiert habe.118 »Der Kunst das Recht zu verweigern, den öffentlichen Interessen zu dienen, bedeutet, sie zu verderben, nicht, sie zu stärken, denn das würde nichts anderes heißen, als sie ihrer lebendigsten Kraft zu berauben, also der Idee, und sie zu einem Objekt schwelgerischen Vergnügens, einem Spielzeug träger Müßiggänger zu machen.«11' Es ist deutlich, daß Belinskij nichts gegen die Existenz eines ästhetischen Bereichs, gegen die Autonomie der Kunst einwendet, wie sie von Kant und Schiller verstanden wurde. Sie hätten die große Rolle der Kunst in der Weltgeschichte niemals bezweifelt und sie für ein rein sinnliches Vergnügen gehalten. Wogegen sich Belinskij wendet, das ist vielmehr eine omamentale, hedonistische Auffassung der Kunst, wie sie vielleicht von Gautier oder einfach, instiktiv und grob von den Vorteidigern des Vergnügens an Poesie, Musik, Tanz und Malerei in Rußland vorgebracht werden. Belinskij erkennt sehr wohl die Gefahr einer didaktischen Dichtung. Sie belehre lediglich, sei kalt, trocken und tot. »Mit was für schönen Ideen auch immer ein Gedicht angefüllt ist und wie sehr es auch zeitgenössische Probleme behandelt, wenn es keine Poesie in sich hat, kann es weder schöne Ideen noch irgendwelche Probleme enthalten.«120 Der »Zweck« müsse im Herzen, nicht allein im Kopf hegen. Immer wieder und sogar noch in seinem letzten Artikel betont Belinskij den Unterschied zwischen Kunst und Wissenschaft oder Philosophie. Der Dichter spreche in Gestalten und Bildern, er zeige die Dinge und beweise sie nicht.121 Der »Naturalismus« bedeutet für Belinskij auf keinen Fall bloße Genauigkeit oder Einsicht in gesellschaftliche Wirklichkeiten. Er ist sich bewußt, daß in einem Kunstwerk »die Wirklichkeit durch die Phanitasie hindurchgegangen sein muß«, daß die Phantasie «etwas Ganzes, Vollkommenes, Vereinigtes und in sich Geschlossenes« schaffen müsse.122 Seiner alten Dialektik gemäß stimmt er sogar der Funktion der Individualität in der Kunst zu. Während die Objektivität, »das Vermögen, die Tatsachen der Wirklichkeit ohne Beziehung zu sich selber darzustellen, nur ein anderer Ausdruck für die Natur des Dichters ist«, gibt er dennoch zu, daß der Dichter in seinem Werk als Mensch, Charakter und Individualität gespiegelt werde. Sogar Shakespeare und Scott stellen sich selber dar. 123 Wir müssen immer Belinskijs historische Position vor dem Sieg von Realismus und Naturalismus im 19. Jahrhundert berücksichtigen. Er kämpfte gegen den Pseudoklassizismus, der immer noch eine Macht in Rußland darstellte, und gegen die Romantik, die Belinskij wegen ihrer konservativen Vorliebe für das Mittelalter, ihrer Verehrung für die Volksdichtung oder ihrer phantastischen und schauerlichen Effekthascherei kritisierte. Zum Realismus

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gehören für ihn in ihren Verfahren und Methoden so verschiedene Schriftsteller wie Shakespeare, Scott, Cooper, George Sand und Dickens. In Rußland umfaßt die »Naturale Schule« Gogol' und jeden Schriftsteller, der in Belinskijs Augen etwas Substanzielles, »Wirkliches«, Wichtiges und Natürliches geschaffen hat. Er lobt die eher bescheidenen Anfänge eines Lokalkolorit-Realismus, »physiologische« Skizzen Petersburgs, Bauerngeschichten und so weiter und er interessiert sich für Romane, die soziale Probleme darstellen und erörtern. Doch er hat sein kritisches Vermögen nicht verloren. So urteilt er über Herzens Wer ist schuld?, ein Buch, das seiner Ideologie durchaus entsprach, dennoch, daß es kein Kunstwerk sei, kein wirklicher Roman, sondern eher ein Dokument. 124 Herzen wird Philosoph und nicht Dichter genannt. 125 Gewöhnlich wird Belinskijs Ablehnung von Puskins Märchen und Dostoevskijs Doppelgänger als Beispiel für sein Vorurteil gegenüber nichtrealistischer Kunst angeführt, doch man sollte nicht vergessen, daß er auch Den ehernen Reiter, Den steinernen Gast und sogar Rusalka nahezu uneingeschränkt lobte und daß seine Einwände gegen den Doppelgänger nicht nur von einem realistischen Standpunkt aus vorgebracht wurden. Er kritisierte den Doppelgänger, übrigens nicht ungerechtfertigt, weil Dostoevskij unfähig gewesen sei, das Übermaß seiner großen Fähigkeiten zu meistern und die künstlerische Entwicklung der Idee zu bestimmen und zu begrenzen. Belinskij erkennt »tiefreichende Konzeptionen« und »große schöpferische Kraft« in der Erzählung. 126 Er prophezeit Dostoevskij eine kontinuierliche Entwicklung und Entfaltung und sieht damit etwas von seiner künftigen Bedeutung voraus trotz gelegentlicher Spötteleien und Äußerungen der Enttäuschung über einen Menschen, den er einmal als einen Verbündeten betrachtet hatte. 127 Belinskij überschätzte zweifellos die realistische Genauigkeit und gesellschaftliche Bedeutung von Gogol's Kunst und äußerte sich bitter enttäuscht über Ausgewählte Stellen aus dem Briefwechsel mit Freunden. Aber man kann nicht behaupten, er habe die andere Seite Gogol's nicht erkannt. In einer Besprechung der zweiten Auflage der Toten Seelen, das er immer noch das »größte Werk der russischen Literatur« nennt, drückt er seine starke Abneigung gegen Gogol's prophetischen Ton und seine schwülstige lyrische Sprache aus.128 Schon 1836 hatte er sich abschätzig über Gogol's Intelligenz geäußert und die in seinen Arabesken eingestreuten Essays kritisiert.129 Der berühmte offene Brief versucht verständlicherweise, den Abgrund zwischen dem früher bewunderten Gogol' und dem verachteten neuen Buch zu erweitern, »Wenn dieses Buch nicht Ihren Namen trüge, wer würde glauben, daß dieser aufgeblasene und erbärmliche Wort- und Phrasenschwall den Autor des Revisor und der Toten Seelen zum Verfasser habe?«130 Das war gute Polemik aber schwerlich wahre Kritik. In dem Augenblick der Wut und Enttäuschung konnte Belinskij, der in Gogol' einen »Prediger der Knute, Apostel der Ignoranz, Vorkämpfer für Obskurantismus«131 entdeckte, nur den religiösen Zeloten oder Heuchler ablehnen, der die Sache von Freiheit und Fortschritt verraten habe. Für ihn gab es da keine Zeit für Literaturkritik.

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Abschließend müssen wir feststellen, daß Belinskij ein Kritiker war, der sich in die Auffassungen der deutschen Theoretiker vertieft hatte und entschlossen an ihrer zentralen Lehre festhielt: die Kunst sei eine konkrete, sinnliche Erkenntnis, das Kunstwerk ein organisches Ganzes. Der Künstler müsse als ein unbewußter Schöpfer wie die Natur verstanden werden. Die Kunst sei der Ausdruck eines Volkes und einer Zeit, sie sei »charakteristisch« für dieses Volk und dieses Zeitalter und sollte es sein. In den letzten Jahren seines Lebens jedoch machte Belinskij eine Veränderung durch, die ohne Zweifel von seiner zunehmenden Unzufriedenheit über die russischen Verhältnisse veranlaßt wurde: sie bedeutet einen Umschlag zum politischen Radikalismus und mag mit einer religiösen Krise zusammenhängen, die zur Aufgabe seines alten Glaubens führte. Sie verläuft genau parallel zu der Entwicklung vieler seiner Zeitgenossen, besonders der Junghegelianer. Für sie verlor gerade so wie für Belinskij der »Geist« Hegels seine Bedeutung einer Kraft, die in die Geheimnisse des Universums eindringt. Er wurde verdrängt von dem »Zeitgeist«, von dem Gedanken, daß der menschliche Verstand nur ein Ausdruck der gesellschaftlichen und historischen Wirklichkeit sei. Arnold Rüge verkündete, daß die Macht der Zeit der absolute Herrscher der Geschichte sei: er erhob die Geschichte, die er seltsamerweise mit der öffentlichen Meinung identifizierte, zu den Höhen des Absoluten.132 Ahnlich erklärte Belinskij die Wirklichkeit zu seinem Gott und mystifizierte im blinden Glauben an den Fortschritt die Zeit. In zunehmendem Maße unterstützte Belinskij den Realismus im Sinne der Darstellung der russischen gesellschaftlichen Wirklichkeit mit realistischen Methoden und er forderte klare Äußerung des gesellschaftlichen Zwecks, die helfen sollte, eine öffentliche Meinung gegen die Obrigkeit zu organisieren. Für unser Urteil über Belinskij müssen wir berücksichtigen, daß, wie Cernysevskij vor langer Zeit deutlich machte, die literarische Kritik in Rußland Träger einer viel allgemeineren Diskussion über Politik, Gesellschaft und Moral war, vor allem deshalb, weil die Zensur weniger streng über das wachte, was sich als Buchbesprechung ausgab. Belinskij war ein allgemeiner Gesellschaftskritiker, der jede Gelegenheit wahrnahm, über die Befreiung der Leibeigenen, den Aberglauben und die Vorurteile des russischen Kastensystems, die Würde des menschlichen Individuums, die soziale Stellung der Frau und die Nationalitätenfrage zu schreiben. Dadurch verfälschte er ganz bewußt seine Literaturkritik mit Inhalten, die nur entfernt mit dem vorliegenden Gegenstand zu tun hatten. Seine Kritik wird häufig durch einen Stil beeinträchtigt, der von Zeitschriftenautoren in jener Zeit verlangt wurde: weitschweifige Beschreibung, Wiederholung, Abschweifung und zu viel Zitate, unaufhörliche polemische Auseinandersetzungen mit Gegnern, die später in der Versenkung verschwanden, elementare Erklärungen für ein Publikum, das allgemeine Erziehung und Aufklärung brauchte — kurz, rhetorische Emphase, die auf unmittelbare, überraschende Effekte zielte. In dieser Hinsicht fällt der Vergleich mit seinen Zeitgenossen zu Belinskij s Un-

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gunsten aus, etwa mit Sainte-Beuve, der knapp und subtil, scharfsinnig und raffiniert sein konnte, da er ein ganz anderes Publikum ansprach. Belinskij ist in seiner Weitschweifigkeit und mit seinen Exkursen englischen Zeitschriftenautoren wie De Quincey, Wilson oder Macaulay recht ähnlich. Aber er hat eine Art von eindringlicher Schwere, ein Pathos der Hingabe an die Literatur seines Landes und den Fortschritt seiner Gesellschaft, mit der man es im Westen nicht leicht aufnehmen kann. Berücksichtigt man die Bedingungen, unter denen er arbeitete, die Versuchungen, denen er als ein Mann der Öffentlichkeit ausgesetzt war und die Gewalt seines sprunghaften Temperaments, so muß man seine allgemeine Einsicht in das Wesen der Kunst, die hohen Maßstäbe, die er anlegte und an denen er festhielt, die Kraft und den Scharfsinn vieler seiner Kritiken und das Charakterisierungsvermögen, das er entfaltete, bewundern. Belinskij erfüllte eine sehr wichtige historische Funktion in Rußland: er vermittelte die Lehren des deutschen Idealismus mit der Tradition der russischen Kritik. Er war die Autorität für die Kritiker der fünfziger und sechziger Jahre, wenn sie auch versuchten, die idealistischen Elemente bei ihrem Meister zu ignorieren oder als nebensächlich darzustellen. Später konnten sich marxistische Kritiker, Michajlovskij und Plechanov wie auch Lenin auf Belinskij berufen: bei ihm fanden sie sicherlich die Auffassung, daß die Literatur sich automatisch mit der Gesellschaft entwickele — die Mystifizierung der Zeit — eine Auffassung, die ihnen auch von Marx und Engels vermittelt wurde, da alle drei im deutschen Idealismus ihre gemeinsame Quelle haben. Belinskij prägte die russische Literaturkritik, seine Spuren sind auch heute noch nicht völlig ausgelöscht.

BIBLIOGRAPHIEN UND ANMERKUNGEN

BIBLIOGRAPHIE R A P I T E L I : DIE F R A N Z Ö S I S C H E L I T E R A T U R K R I T I K V O R 1850

Es gibt keine befriedigende Geschichte der französichen Literaturkritik, aber es gibt sowohl die Kapitel in dem dritten Band von George Saintsburys A History of Criticism and Literary Taste in Europe (3 Bände Edinburgh, 1900—04), die kurzen Skizzen von Ferdinand Brunetière, L'Evolution de la critique depuis la Renaissance jusqu'à nos jours (Paris, 1900), und von Philippe van Tieghem Petite Histoire des grandes doctrines littéraires en France (Paris, 1946), als auch das alte Buch von Alfred Michiels, Histoire des idées littéraires en France au XIXe siècle et de leurs origines dans les siècles antérieures (4. Aufl., 2 Bände, Paris, 1863) und die Essaysammlung von Irving Babbitt, The Masters of Modern French Criticism (Boston, 1912). Über die Ästhetik existiert ein mittelmäßiges Buch von T . M . Mustoxidi, Histoire de l'esthétique française: 1700—igoo (Paris, 1920). Albert Cassagne, La Théorie de l'art pour l'art en France chez les derniers romantiques et les premiers réalistes, Paris, 1906; Neuauflage 1959. H. A. Needham, Le Développement de l'esthétique sociologique en France et en Angleterre au XIXe siècle, Paris, 1926; mittelmäßig. H . J . Hunt, Le Socialisme et le romantisme en France, Oxford, 1 9 3 5 ; ausgezeichnet. A. E. Carter, The Idea of Decadence in French Literature, 1830—1900, Toronto, Canada 1958. Margaret Gilman, The Idea of Poetry in France, from Houdar de la Motte to Baudelaire, C a m bridge, Mass., 1958; ausgezeichnet. Über deutsche Einflüsse: André Monchoux, L'Allemagne devant les lettres françaises de 1814 à 1835 (Paris, 1953), mit einer Bibliographie. Über Barante: »Sainte-Beuve« in Portraits contemporains (1843), Band 4. Georg Brandes behandelt Barante in einem Kapitel der Hauptströmungen, Band I. U b e r Sismondi:

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BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

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BIBLIOGRAPHIEN

UND

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littéraires, politiques

et philosophiques

(3. A u f l .

Paris, 1852). 169—206, e n t w i c k e l t D e B o n a l d diesen G e d a n k e n interessanterweise als eine Parallele z u Buflfons »le style est l ' h o m m e même« u n d sagt, eigentlich sollte es »le style est l'expression de l ' h o m m e « heißen. D a r a n anschließend erklärt er, daß die Literatur sich zur Gesellschaft w i e der Stil z u d e m M e n s c h e n verhalte u n d daß m a n die Literatur als den »Stil der Gesellschaft« definieren k ö n n e . Jede Gesellschaft habe ihren Stil w i e jedes V o l k seine Sprache besitze. D e B o n a l d definiert die Gesellschaft als »Form der politischen u n d religiösen Konstitution.« 2. 4. A u f l . 1824, S. 38: »symptômes de la maladie générale«; S. 2 1 4 : »un esprit universel de la nation«; S. 2 1 5 : »Les livres n ' o n t pas seulement reçu l'influence du p u b l i c ; ils ont, p o u r ainsi dire, été écrits sous sa dictée.« 3. Ebd., S. 5: »Devenue un organe de l'opinion, u n élément de la constitution politique. Faute d'institutions régulières, la littérature en était une.« 4. Ebd., S . 182, 184, 282. 5. G u i z o t schrieb viele A r t i k e l f ü r Le Publiciste.

Er l o b t A . W . Schlegel f ü r seine

Kenntnis der A n t i k e u n d w e g e n seines Schicksalsbegriffes (29. A u g u s t 1808). E i n zelheiten v g l . Charles H . Pouthas, La Jeunesse de Guizot Vie des poètes français du sihle de Louis XIV

(Paris, 1936), S. 2 3 2 — 3 3 .

(Paris, 1813) w u r d e v o n G u i z o t als Cor-

neille et son temps, Paris, 1852 n e u herausgegeben.

252

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

6. »Etudes sur Shakespeare« in Œuvres complètes de Shakespeare,

Traduction de M.

Guizot

(Neuauflage Paris, 1860), B d . 1, 1 : »La littérature n'echappe p o i n t a u x révolutions de l'esprit h u m a i n ; elle est contrainte de le suivre dans sa marche«; S. 1 2 7 : »Le système classique est né de la vie et des moeurs c o m m e des libertés germaines«; S. 128: »II sera large et libre, mais n o n sans principes et sans lois.« 7. Friedrich Schlegels Histoire de la littérature ancienne et moderne erschien 1829 übersetzt v o n W i l l i a m D u c k e t t (1808—63). D u c k e t t w a r ein Mitschüler Planches a u f d e m C o l l è g e de B o u r b o n u n d w u r d e Herausgeber der Chronique de Paris. Siehe M . R e g a r d , Planche, 1, 23, 29, 176, 193, 230. V g l . Marcel Françon, »Note Balzacienne: W i l l i a m D u c k e t t « in Symposium, 13, (1959), 1 0 2 — 0 5 . 8. Sismondi über A . W . S c h l e g e l à la Comtesse d'Albany,

siehe Lettres inédites de Sismondi,

de

Bonstetten...

hrsg. S . - R . Taillandier (Paris, 1863), S. 168, 2 7 8 ; B e n j a m i n

Constant, »Journal intime« in Œuvres

complètes,

Edition

Pléiade,

S. 310.

Über

B o u t e r w e k siehe Pellegrini, S. 93 fr. Sismondi gesteht f r e i m ü t i g seine A b h ä n g i g k e i t ein; siehe Littérature du Midi 1, 13 A n m . 9. De la littérature du Midi de l'Europe, 4 B ä n d e , Paris, 1 8 1 3 ; 1, iii, 10; 4, 2 6 0 — 6 1 , 562. 10. Ebd., 1, ii: »L'influence réciproque de l'histoire politique et religieuse des peuples sur leur littérature, et de leur littérature sur leur caractère.« 1 1 . Ebd., 4, 5 5 7 : »A reproduit la littérature classique des Grecs et des R o m a i n s . « 1, 343: »Elle d e m e u r e fort e n arrière sous le rapport de la sensibilité, de l'enthousiasme, d e la chaleur, de la p r o f o n d e u r et de la vérité des sentiments.« 4, 5 5 7 : » . . . ce m é l a n g e d ' a m o u r , de chevalerie et de religion.« 12. Ebd., 2, 69: »La rêverie sans b u t est plus c o n f o r m e à l'essence de la poésie, qui ne doit jamais être u n m o y e n , mais qui est à e l l e - m ê m e son p r o p r e objet.« V g l . 1, 361, 382fr.; 2, 2 5 7 — 5 8 , 434fr. 13. Ebd., 3, 340ff.; 4, 105fr.



14. Ebd., 3, 99, 4 7 0 — 7 1 : » U n traité fort obscur.« 15. Stendhal, Rome,

Naples

et Florence,

hrsg. v . Daniel M u l l e r (Paris, 1919), 2, 260:

»Sismondi est travaillé par d e u x systèmes opposés: admirera-t-il R a c i n e o u Shakespeare? D a n s ces perplexités, il ne n o u s dit pas de quel parti est son c o e u r ; peut-être n'est-il d'aucun parti.« 16. Siehe E d m o n d E g g l i u n d Pierre M a r t i n o , Le Débat romantique en France:

1813—1830.

B a n d 1, 1 8 1 3 — 1 6 (Paris, 1933), S. 43 fr. 17. Chants, 1, X X V : »L'expression directe et vraie du caractère et de l'esprit n a t i o n a l . . . qui v i t . . . dans le peuple l u i - m ê m e , et de toute la v i e du p e u p l e . . . A la fois et la véritable histoire nationale de la G r è c e m o d e r n e , et le tableau le plus fidèle des moeurs de ses habitants.« Seite C I : »Une continuation, u n e altération lente et g r a duelle de l'ancienne poésie, et spécialement de l'ancienne poésie populaire des Grecs.« Seite C X X V I : »C'est précisément ce défaut d'art o u cet e m p l o i imparfait d'art, c'est cette espèce de contraste o u de disproportion entre la simplicité d u m o y e n et la plénitude de l'effet, qui f o n t le charme principal d ' u n e telle c o m p o s i t i o n . . . Elle p a r t i c i p e . . . au caractère et au privilège der oeuvres de la nature.« 18. Siehe Frédéric O z a n a m , »M. Fauriel et son

enseignement« in

Œuvres

complètes

(Paris, 1872), 8, 1 0 7 — 6 8 , bes. S. 126; A n d r é M a z o n , »Claude Fauriel et les p o è m e s prétendus anciens de Russie et de B o h ê m e « in Revue 121—44.

des Etudes slaves, 21, (1944),

BIBLIOGRAPHIEN 19. Histoire de la poésie provençale

UND

ANMERKUNGEN

(Paris, 1846), 1, V—VI:

253

»Toutes les l i t t é r a t u r e s . . .

p a r t i c i p e n t . . . à la marche générale par laquelle l'humanité s'élève progressivement d'une condition à une autre, de l'enfance à la jeunesse, de la jeunesse à la maturité.« » . . . cette tendance générale se croise o u se c o m b i n e toujours avec des tendances particulières o u s e c o n d a i r e s . . . L e climat, le sol, l'état social, la c r o y a n c e religieuse, les relations de c o m m e r c e , les résultats des guerres et des conquêtes« » . . . une p h y s i o n o m i e locale, u n caractère d'individualité.« 20.

Ebd., 1, 1 6 — 1 7 , 2 6 — 2 7 , 40, 44, 399; 2, 144, 4 4 5 f f über W o l f r a m ; 2, 3 7 1 : »L'extension, la modification, le raffinement systématique d ' u n e littérature

antérieure,

plus grossière, plus naturelle et plus populaire.« 2, 370: »Une hypothèse contraire à la m a r c h e ordinaire de l«esprit humain.« 2 1 . Dante et les origines de la langue et de la littérature italiennes, hrsg. v. J. M o h l (2 B ä n d e , Paris, 1854), 1, 373, 405. Seite 463 : »la plus froide, la plus factice et la plus fausse de toutes les formes poétiques.« Seite 4 6 1 : » . . . u n noble aveu de ses torts envers la m é m o i r e de Béatrix.« Seite 430, 437, 489, 501, 534. 22. R e n a n , Nouveaux

Cahiers de jeunesse

(Paris, 1907), S. 2 9 3 — 9 4 : »M. Fauriel a ré-

ellement créé en France la littérature comparée, et la science des origines littéraires, le point de v u e d'envisager la littérature c o m m e une science historique, bien supérieur sans d o u t e à la fade critique littéraire et mesquine de La H a r p e , G e o f f r o y , Petitot et m ê m e de M a r m o n t e l et Voltaire.« C l a u d e - B e r n a r d Petitot ( 1 7 7 2 — 1 8 2 5 ) w a r Herausgeber v o n R a c i n e , M o l i è r e , eines 23-bändigen Répertoire

du

Théâtre,

usw., k a u m ein Literaturkritiker. 23. Littérature, Voyages et Poésies (Paris, 1858), I , 173 (ursprünglich i m Globe, 29. A p r i l , 20. M a i 1826): »Chacun de ces ouvrages correspond à quelque disposition de son â m e o u de son esprit; il faut y chercher l'histoire des sentiments et des événements qui ont rempli son existence.« Seite 180: »Le point de v u e h i s t o r i q u e . . . ne cherchant que G o e t h e dans ses oeuvres.« 24. In Von Kunst und Altertum, B a n d 5 und 6. Siehe Werke, J . - A . 38, 2 3 — 2 8 . A m p è r e besuchte G o e t h e a m 27. A p r i l 1827 u n d w a r dreimal z u m Essen eingeladen, a m 3., 4. u n d 6. M a i . E c k e r m a n n , 3. M a i 1827. Siehe Gespräche,

hrsg. v .

Houben,

S. 4 9 7 — 9 8 , 502. 25. Littérature, Voyages, S. 204fr., 22off., 2 2 5 f r , 257fr., 3 i i f . 26. Mélanges d'histoire littéraire et de littérature (2 B ä n d e Paris, 1867), 1, 1 — 5 0 . Seite 3: »C'est de l'histoire comparative des arts et de la littérature chez tous les peuples que doit sortir la philosophie de la littérature et des arts.« Seite 33: »C'est le temps o ù i f véritable i n d i v i d u est la race, la tribu. L e poète est la v o i x de cet i n d i v i d u collectel et rien de plus.« Seite 42: »Cette critique est f é c o n d e . . . pleine de respect p o u r le génie et de sévérité p o u r l'erreur, admire volontiers et c o n d a m n e avec indépendance.« 27. Nouveaux

Lundis, 13, 224: »Je suis à certains égards u n élève d ' A m p è r e . «

28. Histoire littéraire de la France avant Charlemague. 2. A u f l . 2 B ä n d e Paris, 1867, 1, 4 : »Plonger dans ces ténèbres c r é a t r i c e s . . . dans ce chaos f é c o n d qui enfantera u n m o n d e « Seite 1 4 : » . . . à la v o i e romaine, au sol romain.« Siehe auch »Les Renaissances« i n Mélanges, 1, 4 3 7 — 6 7 . 29. Histoire littéraire, 2, 238: «Elle e x p r i m e souvant ce qui est c a c h é . . . elle est une c o n fidente qui nous révèle ce q u ' o n a pensé, ce q u ' o n a senti e n secret, ce qui a été latent, c o m p r i m é ; elle est c o m m e ces échos qui répètent au loin des mots prononcés t o u t

254

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

bas. Elle manifeste parfois n o n la d o m i n a t i o n d ' u n fait, mais une réaction contre ce fait. Elle e x p r i m e des désirs, des v o e u x , u n certain idéal qui est au f o n d des âmes. D e plus, elle n'est pas toujours la v o i x d u m o m e n t m ê m e o ù elle se p r o d u i t ; elle est parfois le retentissement de ce qui a été, le dernier soupir de ce qui m e u r t , le premier cri de ce qui vivra.« 30. Siehe Mélanges,

B a n d I. O f f e n b a r existieren n o c h

ausführliche

stenographische

N o t i z e n der V o r l e s u n g e n Amprères, die eine vollständige Geschichte der französischen Literatur bis z u m 18. Jahrhundert ergeben w ü r d e n . 31. Rome et Dante, Paris, 1848. Seite iii: » C o m p a r e r l'art à la réalité qui l'a inspiré, et l'expliquer par eile.« Seite 213 : »II est b o n de v o i r ce qu'il a v u , de v i v r e o ù il a vécu.« 32. Brunetière, Evolution,

S. 195 ff. Chasles in Mémoirs

(Paris, 1877), 2, 1 7 1 — 7 5 : »Le

véritable i n i t i a t e u r . . . il a f o n d é l'histoire littéraire en France.« 33. In Discours et Mélanges littéraires, 3. A u f l . 1825; Etudes le littérature ancienne et étrangère, N e u a u f l a g e Paris 1877. 34. Tableau de la littérature au XVIIIe

siècle, N e u a u f l a g e 4 B ä n d e Paris, 1873. Siehe 1, 2.

35. »De la littérature en France durant les quinze annés de la Restauration« in

Choix

d'études sur la littérature contemporaine (Paris, 1857), S. 336: »Un appendice de l'histoire sociale.« V g l . S. 321. 36. Tableau, 1, 2 5 1 : »La m a r q u e du temps, l'esprit de ces dernières années du r è g n e de Louis X I V . « 1, i v : »Le contre-coup d u génie français au dehors, dans plusieurs p r o ductions célèbres d'Angleterre et d'Italie.« 1, 2 : »Nous montrerons par u n tableau c o m p a r é ce que l'esprit français avait reçu des littératures étrangères, et ce qu'il leur rendit.« 1, 1 9 : »Le feu croisé.« 37. Tableau de la littérature au moyen âge (Neuauflage 2 B ä n d e 1875), 1, 32: »Nous aimons tout ce qui est beau, ingénieux, n o u v e a u , n ' i m p o r t e quelle soit l'école. N o u s c r o y o n s m ê m e qu'il ne faut v o u l o i r être d'aucune école, pas m ê m e de celle d u génie.« 1, 103 ; 31 : »Son t y p e le plus expressif et le plus heureux.« 1, 3 1 4 : »Le m o n u m e n t l e plus c o m p l e t de l'imagination et des croyances d ' u n peuple.« 1, 3 1 6 — 1 8 , 2 1 8 : » Q u a n d on peut discuter, avec u n e justesse d'érudit, ce qui convient à chaque é p o q u e , o n n'est pas s o i - m ê m e sous la séduction de ses propres paroles; on n'est pas t r o m p é , o n ne t r o m p e pas.« 2, 203 : »Quel que soit l'heureux génie d ' u n écrivain de ce v i e u x temps, il reste toujours quelque chose de g o t h i q u e et d'étrange.« 2, 209: »la vraie p o é s i e . . . elle ne f u t jamais contemporaine que du b o n goût.« 2, 245: » . . .subtilement naturelle, laborieusement t é m é r a i r e . . . un d é g o û t savant.« 38. Etudes de littérature ancienne et étrangère, S. 274: »C'est a u x A n g l a i s Shakespeare, et qu'il doit rester.« Tableau de la littérature au XVIIIe

qu'appartient siècle, 3, 308:

V o i l à Shakespeare é m i n e m m e n t classique; il se rencontre avec Euripide.« 39. In Choix

d'études sur la littérature contemporaine, Paris, 1857.

40. Etudes sur l'antiquité,

Paris, 1847; Etudes sur le XVIIIe

1846; Etudes sur la littérature et les moeurs de l'Angleterre sur Shakespeare, Marie Stuart et l'Arétin, Anglo-Américains

au XIXe

siècle en Angleterre, au XIXe

2 Bände

siècle, 1850; Etudes

1852; Etudes sur la littérature et les moeurs des

siècle, 1 8 5 1 ; Etudes sur l'Allemagne

ancienne et moderne,

2 B ä n d e 1854; Etudes sur l'Espagne et sur les influences de la littérature espagnole en France et en Italie,

1847.

4 1 . Etudes sur l'antiquité, S. 9 : »Bayle le protestant t o u c h e à M o n t a i g n e le c a t h o l i q u e ; le gibelin Dante, a u x servants d'amours p r o v e n ç a u x ; M o l i è r e donne la m a i n à Térence.«

BIBLIOGRAPHIEN

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43.

44.

45.

46. 47. 48.

49.

50.

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55. 56.

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ANMERKUNGEN

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— Aus »De l'esprit et de la critique littéraire« ( 1 8 3 4 ) , in The Legacy of Philarite Chasles, hrsg. v. A. Levin, Chapel Hill, 1957. Seite 5: »Un labyrinthe sans lumière.« Etudes sur l'Allemagne, 2, XII—XIII: »L'harmonie des variétés dans les oeuvres de l'esprit; le Welt-Literatur dont parlait Goethe; c'est-à-dire la conciliation des points de vue opposés.« Etudes sur l'antiquité, S. 11. »De l'esprit« in Legacy, S. 3: »La seule contrée où la Critique a reposé sur de larges bases, où le génie des nationalités ait été compté pour quelque chose, où l'ont ait compris l'immense variété de la nature humaine et l'influence de cette variété sur les arts, où l'on ait accepté la pensée de chaque peuple soumise à toutes ses modifications politiques et sociales, et admiré tour à tour les mille formes que le beau et l'idéal peuvent revêtir dans leur passage à travers l'histoire.« Etudes sur le XVIIIe siècle en Angleterre. 2 Bände Paris, 1846. 2, 279: »Le premier des critiques modernes... qui a pénétré le plus avant dans l'étude de la vieille langue et des auteurs anglais du XVI e siècle.« Journal des Débats, 14. September 1836, zitiert von Phillips, S. 127: »L'esprit le plus vaste serait celui qui concilierait tout.« In Revue de Paris, 1830, neu abgedruckt in Legacy, S. 2 9 — 3 8 : »Les ressorts employés jusqu'ici par elle, il les a violemment comprimés; il ne l'a point changée, il l'a multipliée par elle-même.« In Journal des Débats, 24. August 1850, in Legacy, S. 156. Etudes sur l'antiquité, »Euripide et Racine«, S. 245—68. L'Angleterre au XVIe siècle (Paris, 1 8 7 9 ) , S. 146—47: »Un poète sceptique, observateur calme et souvent cruel, frère de Montaigne, ému d'une pitié un peu ironique pour les hommes.« »Etudes sur Jean Paul« in Caractères et paysages (Paris, 1 8 3 3 ) , S. 4 3 — 1 2 8 . Etudes sur l'Allemagne: ancienne et moderne (Paris, 1854) enthält lange Auszüge aus Siebenkäs, Schmelzte und eine gute Charakterisierung seines Stils (S. 3 0 2 — 0 7 ) . — Über Heine siehe Etudes sur l'Allemagne (Band 2 , 1 8 6 1 ) , S. 2 6 5 — 8 0 . — Über Melville, Etudes sur la littérature et les moeurs des Anglo-Américains au XIXe siècle (Paris, 1851), S. 185—235. —• »Hoelderlin: le fou de la révolution« in Etudes sur l'Allemagne (Band 2 , 1 8 6 1 ) , S. 355—62Mémoires, 2 Bände Paris, 1 8 7 6 — 7 7 . 2, 2 5 1 : »La plus profonde foi dans la causalité.« Besprechung von Taines Histoire de la littérature anglaise in Journal des Débats, 28. April 1867, in Legacy, S. 220: »Cette essence de l'âme est la liberté et la liberté, c'est la vie.« Mémoires, Band 2, 250: ».. .traître par principe.« »Le Don Juan fascinateur du harem intellectuel.« Portraits littéraires, 3. Aufl. 2 Bände Paris, 1 8 J 3 . 1, 1 5 7 — 5 9 : »L'étonnement.« »La pierre et l'étoffe sont les principaux, je devrais dire les seuls acteurs de ce livre.« Nouveaux Portraits littéraires, 2 Bände Paris, 1854. 1, 274, 285: »Un puéril entassement de scènes impossibles... un acte de folie.« Portraits littéraires, 2, 173 : » . . . se réfugier derrière Shakespeare et Milton pour respirer plus à l'aise l'odeur de l'encens qu'il a lui-même allumé.« »De la critique française« in Portraits littéraires, 2, 3 0 1 — 2 4 . Nouveaux Portraits, 1, 401 : »J'admets la sincérité dans le blâme comme dans la louange, et je vois tout simplement, dans cette mobilité de jugement, une maladie morale.« Über die englischen Aufsätze und das Plagiat siehe Michiels, op. cit., 1, 348fF. und Regard, 1, 90ff.

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BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

57. Siehe Portraits littéraires, 1, i — 3 2 , 3 3 — 5 7 , 6 1 — 7 2 . 58. Cours de littérature dramatique (Neuauflage 5 B ä n d e Paris o. J.), 1, 1 7 : »Chaque sentim e n t a son histoire; et cette histoire est curieuse, parce qu'elle est, p o u r ainsi dire, u n abrégé de l'histoire de l'humanité. Q u o i q u e les sentiments du coeur h u m a i n ne changent pas, cependant ils ressentent aussi l'effet des révolutions religieuses et politiques qui se f o n t dans le monde.« 59. Ebd., 1, 7 9 f f . , 120if., 143 ff., 187fr., bes. 1 6 4 — 6 5 . 60. Siehe W i l e y , Saint-Marc

Girardin; u n d Sainte-Beuve in CL, 1, (1849), die allererste

causerie. D e Sanctis in z w e i Aufsätzen, »Saint-Marc Girardin« u n d »Triboulet« in Saggi critici, B a n d 1. 61. N e u a b g e d r u c k t in Etudes de critique littéraire, Paris, 1858, u n d in Essais sur l'école romantique, Paris, 1891. 62. D i e erste A u f l a g e ist sehr selten. D i e späteren A u s g a b e n (1848 usw.) s c h w ä c h e n die polemischen Stellen g a n z beträchtlich ab. 63. Etudes, 4. A u f . Paris, 1878. Bes. »Conclusion«, 2, 381 ff. u n d über drei A r t e n v o n Dichtern, 2, 366. 64. Essais sur l'école romantique, S. 2 3 5 — 3 6 : »Langue, qui p o u r v o u l o i r t o u t peindre, Substitute des images a u x réalités, des couleurs a u x pensées; langue bariolée, éblouissante, q u ' o n v o i t avec les y e u x du c o r p s ; une palette versée sur une toile, mais n o n pas u n tableau.« 65. »La critique dans M . Saint-Marc Girardin« in Etudes de critique littéraire, S. 1 4 8 — 4 9 . Histoire de la littérature française, 17. A u f l . 4 B ä n d e Paris o. J., 4, 540: »Chacun à son g o û t . . . U n e science exacte.« 66. Ebd., 3, 2 1 0 : »C'est cette ressemblance nécessaire des styles, dans la différence des sujets o u du génie particulier des grands écrivains, qui fait la beauté d e notre littérature: c'est l'unité de la langue dans la diversité des écrits. Je defierais le critique le plus exercé, s'il ne sait pas l'endroit de m é m o i r e , de reconnaître à qui appartient une pensée e x p r i m é e e n perfection.« 67. Ebd. 4, 128ff., i 6 o f f . , 321 f f , 415fr. »Pertes«, »gains«. 68. Ebd., 1, 361 ff. 3, 70fr. V g l . Essais sur l'école romantique, S. 136, als eine frühe Stelle (1831) über die R o l l e des Künstlers. 69. In Chrestomathie française, Lausanne, 1870. B a n d 3, ein einführender »Discours sur la littérature française« bezieht sich a u f die beiden B r ü d e r Schlegel; z. B . S. 21 A n m . , u n d a u f B o u t e r w e k , S. 23 A n m . ; zitiert Jean Paul, S. 24 A n m . , 95 A n m . ; G o e t h e , S. 27 A n m . , 32 A n m . , 62 A n m . ; Friedrich Schlegel über Bossuet, R a c i n e u n d R o u s seau, S. 37 A n m . , 50 A n m . , alles in Deutsch. Ü b e r Goethe, Etudes sur la littérature française au XIXe

siècle, 3 B ä n d e Lausanne, 1 9 1 1 , 1, 154.

70. Ebd., 1, I J 3 , 379. 7 1 . Ebd., 2, 296: »Sa v o c a t i o n n'est pas de savoir, mais de voir. Sa faculté à lui, c'est l'institution.« 72. Des Pensées de Pascal (Paris, 1853), w a r der bahnbrechende Bericht über das M a n u skript der Pensées. Vinets B e s p r e c h u n g in Etudes sur Blaise Pascal (Lausanne, 1936), S. 6 8 — 1 1 4 . 73. Etudes, 2, 1 1 9 : »La reproduction incessamment n o u v e l l e et surpernante d ' u n mystère qui ne c h a n g e point.« » . . . la révélation la plus c o m p l è t e et la plus p r o f o n d e que l ' h o m m e puisse recevoir.«

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

257

74. Ebd., 2, 3—5. 75. Ebd., 5, 356—57; »La poésie, en général, ne définit pas les objets: elle les montre, elle leur donne une f o r m e . . . Ce que nous demandons au poète, ce n'est pas l'idée d'un objet, c'est cet objet lui-même, concret, complex, vivant.« 76. Etudes, 2, 75 : »La poésie ne vivra jamais d'idées pures et de généralités... le lecteur y cherchera toujours un individu, afin de s'y trouver soi-même.« 77. Ebd., 3, 14: »Au fond de l'âme... C'est du dedans, non du dehors, qu'elles colorent la diction: ce n'est pas un fard, c'est un incarnat.« 78. Ebd., 1, 446: »La poésie matérialisait tout.« 79. Ebd., 2, 263: »Les fables d'Orphée et d'Amphion sont la vérité même: elles nous reportent au point de jonction du bon et du beau, du réel et de l'idéal, et, l'on pourrait dire, à la vraie raison de la poésie.« 80. Ebd., 1, 322: »Tout ce qui est assemblé du dehors... tout ce qui, au lieu de croître comme une plante, a été construit comme un édifice, ne peiit avoir, poétiquement, aucune vérité.« 81. Ebd., 2, 193 : »II se souvient encore d'une première vision, il se souviendra un jour de s'être souvenu.« 82. Les Origines du théâtre moderne (Paris, 1838), S. XI—XII, X X V I I — X X V I I I : »C'est rétablir un des anneaux brisés de la perfectibilité humaine.« 83. Außer der Ausgabe von Hroswitha und dem Buch über die Marionetten gibt es eine lange Folge von Aufsätzen über das altfranzösische Theater in Journal des Savants, 1846—58, die in einer Untersuchung von Patelin (1855—56) gipfelt. 84. 1827. Neudruck nach Le Globe in Band 2 der Causeries et Méditations historiques et littéraires, 2 Bände Paris, 1843. 85. Causeries, Band" 1. »Qu'est-ce que l'esthétique, et qu'est-ce qu'une poétique« (S. 61—88), und insbesondere »Ahasvérus, mystère, par Edgar Quinet, et de la nature - du génie poétique« (S. 89—158). Auch in Edgar Quinet, Œuvres complètes (1858), 7, bes. S. 94. 86. Origines, S. 2—3 : »Non d'après les différences artificielles de la forme, mais d'après la nature des cordes intérieures que chacun d'eux fait vibrer dans le cerveau du poète et dans l'âme des auditeurs.« 87. Causeries, 1, 93: »Sa vocation est de déchiffrer les grands caractères que le doigt de l'Eternel a imprimés sur toutes choses, et de traduire en vibrations poétiques la secrète musique que le monde exhale du sein de tous les éléments et de toutes les créatures.« 88. Ebd., 1, 3 1 3 : »La poésie, qu'on peut appeler la demiscience et mieux peut-être la prescience, fait jaillir à travers le rayonnement de ses symboles et l'éclair de ses métaphores une foule de vérités anticipées dont la science trouvera plus tard la démonstration.« »Toute expression vraiment poétique est la révélation d'un nouveau rapport découvert entre le monde physique et le monde moral.« 89. Ebd., 1, 219: »II doit nous ouvrir, à tous moments, la perspective de l'infini.« 90. Ebd., 1, 141—42, 144—45, 153—56. 157: »Celle-ci ne reflète pas seulement les images ou les sensations reçues; elle en crée qui sont à elle, c'est à dire que des rapports qu'elle découvre entre deux images ou entre deux idées, elle tire une troisième image ou une troisième idée, expression de ce rapport, et qui est son propre ouvrage. C'est en ce sens que la poésie est créatrice.« 17

Wellek, Literaturkritik 2

258

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

9 1 . Ebd., 1, 3 1 3 : »S'ensuit-il que l'initiative sociale et religieuse appartienne de nos j o u r s a u x poètes, et qu'ils doivent aborder de front les problèmes métaphysiques et sociaux?« Seite 3 1 5 : »11 y a plus d'invention, plus de création, plus d'originalité réelles dans quelques pages écrites sous la dictée du coeur et de l'imagination, que dans les vagues lieux c o m m u n s d'avenir dont le poète a cru d e v o i r t r o p s o u v e n t . . . masquer le v i d e de sa pensée.« 92. Siehe H u n t , S. 1 1 u n d M a r g u e r i t e T h i b e r t , Le Rôle social de l'art d'après les saint-simoniens, Paris, 1927. 93. H u n t , S. 3 5 : »L'artiste s e u l . . . par la puissance de cette sympathie qui lui fait e m brasser D i e u et la société, est d i g n e de diriger l'humanité.« 94. H u n t , S. 7 1 : »L'artiste est le verbe d u Prêtre.« 95. In Le Globe,

29. M a r z u n d 8. A p r i l 1829. N e u a b g e d r u c k t in OEuvres

Paris, 1851. B a n d 1, 324 als »De la poésie d u style.« » . . .

complètes,

des espressions v a g u e s

et indéterminées à l'expression propre, des métaphores et des allegories à des c o m paraisons d'idées.« »Parler par symboles, allégoriser« » . . .

la grande

innovation,

en fait de style, depuis cinquante ans.« 96. Revue Encyclopédique,

B a n d 52, O k t o b e r 1831. » A u x Philosophes. D e la poésie de

notre époque.« Seite 407—08 : »La poésie est cette aile mystérieuse qui plane à v o l o n t é dans le m o n d e entier de l'âme, dans cette sphère infinie d o n t u n e partie est couleurs, une autre sons, u n e autre m o u v e m e n t , une autre j u g e m e n t , etc. mais qui toutes vibrent e n m ê m e temps suivant certaines lois, en sorte q u ' u n e vibration dans u n e région c o m m u n i q u e à une autre région, et que le p r i v i l è g e de l'art est de sentir et d ' e x p r i m e r ces rapports, p r o f o n d é m e n t cachés dans l'unité m ê m e d e la vie. C a r de ces vibrations harmoniques des diverses régions de l ' â m e il résulte un accord, et cet accord c'est la v i e ; et quand cet accord est e x p r i m é , c'est l'art; or, c'est acc o r d e x p r i m é , c'est le s y m b o l e ; et la f o r m e de son expression, c'est le r h y t h m e , qui participe l u i - m ê m e d u s y m b o l e : voilà p o u r q u o i l'art est l'expression de la vie, le retentissement de vie, et la vie elle-même.« 97. »Allégorie« in Encyclopédie nouvelle,

ou Dictionnaire

philosophique,

Paris,

183s—41.

1, 527: »Métaphore, s y m b o l e , m y t h e , ne sont que des allégories à divers degrés.« 98. A u s Le Globe, w i e oben, A n m . 95. Œuvres, 1, 3 3 0 — 3 1 : »Une f o r m e intermédiaire entre la comparaison et l'allégorie p r o p r e m e n t dites, plus rapide que la c o m p a r a i s o n et moins obscure que l'allégorie. C ' e s t un véritable e m b l è m e . . . la m é t a p h o r e d ' u n e idée.« 99. Revue encyclopédique, S. 647: »Le f o n d noir et p r o f o n d d u coeur h u m a i n dans n o t r e époque.« 100. »Considérations sur W e r t h e r et e n général sur la poésie de notre époque« in Werther par Goethe, Paris, 1845. Seite 24: »Symbole d u chaos o ù nous agitons, et d ' o ù sortira u n monde.« Seite 289, 4 1 . Seite 4 5 : »Le salut d e la destinée individuelle lié à celui de la destinée universelle.« 101. Paulin L i m a y r a c , »La Poésie symboliste et socialiste«, Revue des Deux Mondes,

Neue

F o l g e 14 (1844), 682: »La Poésie symboliste n'a pas d ' a v e n i r en France, et le socialisme, en l'accaparant, lui a porté un rude coup.« 102. S a i n t e - B e u v e , Correspondance générale. 7, 1 4 3 — 4 4 , B r i e f an Hortense A l l a r t , O k t o b e r 1847: » U n dieu et un révélateur.« V g l . Les Cahiers (Paris, 1876), S. 105: »11 est d e v e n u dieu, et j e suis d e v e n u bibliothécaire.«

BIBLIOGRAPHIEN

UND

259

ANMERKUNGEN

103. E n t g e g e n der üblichen Auffassung w a r e n nicht nur Z e n s u r u n d K o n t r o l l e d u r c h die R e g i e r u n g , sondern eine ausdrücklich gelenkte Literatur das Z i e l s o w o h l des r e v o l u tionären w i e des Napoleonischen R e g i m e s w i e auch der b o u r b o n i s c h e n R e s t a u r a tion. D e B o n a l d lieferte die T h e o r i e dazu. Siehe z. B . S a i n t e - B e u v e , Causeries du lundi, 4, 428 ff. u n d B . M u n t e a n o , »Une T h é o r i e de la littérature dirigée sous la r é v o l u t i o n et l'empire« in Actes du quatrième congrès international d'histoire

littéraire

moderne (Paris, 1948), S. 1 9 1 — 2 0 3 . 104. La Préface de Mademoiselle

de Maupin,

hrsg. v . G . M a t o r é (Paris, 1946), S. 1 6 — 1 7 ,

25, 26, 30, 3 1 : »A q u o i sert la beauté des f e m m e s ? P o u r v u q u ' u n e f e m m e s o i t . . . en état de recevoir l ' h o m m e et de faire des enfants, elle sera toujours assez b o n n e p o u r des économistes. A quoi b o n la musique? à q u o i b o n la p e i n t u r e ? . . . Il n ' y a de vraiment beau que ce qui ne peut servir à rien: tout ce qui est utile est laid.« Seite 32: »Je renconcerai très j o y e u s e m e n t à mes droits de Français et de citoyen, p o u r v o i r un tableau authentique de R a p h a ë l , o u une belle f e m m e nue.« Seite 3 5 : »A-t-on inventé u n seul péché capital de plus?« 105. B . Constant,

Journaux

intimes, 1 1 . Februar 1804. OEuvres,

Edition Pléiade, S. 266:

»L'art p o u r l'art, et sans but.« R o b i n s o n hatte soeben in einer obskuren englischen Zeitschrift, The Monthly

Register, einige Aufsätze über K a n t geschrieben. Ich habe

das Manuskript des letzten unveröffentlichten Aufsatzes über Kants Ästhetik e n t deckt u n d in m e i n e m Kant in England (Princeton, 1931), S. 1 5 7 — 5 8 beschrieben. 106. Cours de philosophie professé à la Faculté des Lettres pendant Vannée 1818 par A i . V.

Cousin

(Paris, 1836), S. 224: »II faut de la religion p o u r la religion, de la m o r a l e p o u r la morale, c o m m e de l'art p o u r l'art.« 107. Cours d'ésthétique,

hrsg. v . Ph. D a m i r o n (Paris, 1843), S. 24ff. Q u a t r i è m e l e ç o n :

»Différence de l'utile et du beau.« 108. Cours, S. 298 : »Engagé sous les formes sensibles.« 109. L'Artiste,

14. D e z e m b e r

1856.

S. 4 :

»La concupiscence

des y e u x ,

concupiscentia

oculorum — ce péché est n o t r e péché.« 110. V o r w o r t z u Albertus

(1832). Poésies complètes, hrsg. v . R . Jasinski, Paris, 1932. 1,

8 1 — 2 : »L'art, c'est la liberté, le luxe, l'efflorenscece, c'est l'épanouissement de l ' â m e dans l'oisiveté.« m .

»La D i v i n e Epopée, par A l e x a n d r e Soumet« in Revue des Deux Mondes, 4. F o l g e , 26, (April 1841), 1 2 1 : »Le soin exquis de l'exécution. L e m o t poète v e u t dire littéralem e n t faiseur;

tout ce qui n'est bien fait n'existe pas.« Seite 1 2 6 : »Le vers est une

matière étincelante et dure c o m m e le marbre de Carrara.« 112. Les Grotesques, N e u a u f l a g e Paris, 1904. Seite 267: »L'air aussi est de p i e r r e . . . les petits ruisseaux qui t o m b e n t des rochers ont l'air de stalactites p l u t ô t que d ' e a u x molles et pénétrables, le fueillage des arbres semble fait avec d u fer blanc.« 1 1 3 . Ebd., S. 336, 105. Seite 154: »L'école des versificateurs-grammairiens.« Seite 1 5 6 : »Esprit juste, mais étroit, critique passionné et ignorant.« Seite 2 6 1 : »Une clarté de verre, u n e limpidité d'eau filtrée, une exactitude géométrique.« Seite 98: »Un véritable grand p o è t e . . . qui a c o m m e n c é le m o u v e m e n t romantique.« Seite

122:

»II n'a pas l'élévation et la mélancolie de Théophile.« 114. Histoire du romantisme suivie... 1929), S. 82, 61 ff., 1 1 5 f r . 17»

d'une étude sur la poésie française 1830—1868

(Paris,

260 115.

BIBLIOGRAPHIEN Fusains et eaux-fortes,

UND

ANMERKUNGEN

Paris, 1907. Seite 306: »Maturité complète, la civilisation

extrême, le c o u r o n n e m e n t des choses.« » U n frisson nouveau.« 1 1 6 . Histoire

du romantisme. Seite 300: »Sur les confins extrêmes d u

romantisme...«

Seite 301: » . . . m a n q u e d'ingénuité et de candeur.« Seite 305—06. Seite 3 0 1 : »Le poète n ' a aucune indulgence p o u r les vices, les dépravations et les monstruosités qu'il retrace avec le sang-froid d ' u n peintre de musée anatomique. Il les renie c o m m e des infranctions au r h y t h m e universel; car, en dépit de ces excentricités, il aime l'ordre er la norme. I m p i t o y a b l e p o u r les autres, il se j u g e n o n moins sévèrement lui-même.« 1 1 7 . Portraits et souvenirs

littéraires, Paris, 1892. Seite 1 6 7 : »Naturellement

maniéré.«

Seite 172, 183—84, 206.

BIBLIOGRAPHIE K A P I T E L 2:

SAINTE-BEUVE

D i e Schriften Sainte-Beuves w e r d e n nach den alten, h ä u f i g n e u aufgelegten A u s g a b e n zitiert: Premiers Lundis (3 B ä n d e Paris, 1 8 7 4 — 7 6 ) als Pre Lu; Portraits littéraires (3 B ä n d e Paris, 1862—64) als Po Li; Portraits contemporains (5 B ä n d e Paris, 1 8 6 9 — 7 1 ) als Pc; Portraits de femmes (Paris, 1879) als PF; Port Royal (7 B ä n d e Paris, 1 8 6 7 — 7 1 ) als Po Ro; v o n

Chateau-

briand et son groupe littéraire (2 B ä n d e Paris, 1861) benutzte ich die k o m m e n t i e r t e A u s g a b e v o n M a u r i c e A l l e m , 1949, als Cha; Causeries du lundi (16 B ä n d e Paris, 1 8 5 7 — 7 2 ) als Nouveaux

Lundis (13 B ä n d e Paris, 1863—70) als NL; Etude sur Virgile, Paris, 1870;

CL;

Chroni-

ques parisiennes, hrsg. v . J . T r o u b a t , Paris, 1876; Les Cahiers, hrsg. v . J. T r o u b a t , Paris, 1876; Mes Poisons, Cahiers intimes, hrsg. v . V . Giraud, Paris, 1926; Ein T e i l des ursprünglichen T e x t e s der in Lausanne gehaltenen V o r l e s u n g e n w u r d e veröffentlicht als Port

Royal:

Le Cours de Lausanne, hrsg. v . J e a n P o m m i e r , Paris, 1937. Sainte-Beuves B r i e f e bis einschließlich 1864 in Correspondance générale, hrsg. v . Jean B o n n e r o t , 13 B ä n d e Paris, 1935 bis 63. Jean B o n n e r o t , Bibliographie de l'oeuvre de Sainte-Beuve (3 T e i l e in 4 B ä n d e n Paris, 1 9 3 7 — 5 2 ) ist sehr w e r t v o l l . D e r dritte B a n d in z w e i Teilen enthält ein chronologisches Verzeichnis aller seiner Schriften u n d ein Verzeichnis seiner Lektüre. D i e beste Lebensbeschreibung ist A n d r é B i l l y , Sainte-Beuve,

sa vie et son temps, 2 B ä n d e

Paris, 1952. K ü r z e r e B i o g r a p h i e n sind die v o n M a u r i c e A l l e m , Portrait de (Paris, 1954) u n d v o n H a r o l d N i c o l s o n , Sainte-Beuve L e w i s Freeman M o t t , Sainte-Beuve,

Sainte-Beuve

(London, 1957), f u ß t a u f B i l l y .

N e w Y o r k , 1925; b r i n g t Tatsachen.

G u s t a v e M i c h a u t , Sainte-Beuve avant Les Lundis (Paris, 1903), ist eine vollständige deskriptiv e Darstellung Sainte-Beuves früherer Schriften. A . G . L e h m a n n , Sainte-Beuve.

A Portrait

of the Critic 1804—1842 ( O x f o r d , 1962), ist eine ausgezeichnete Beschreibung seiner geistig e n E n t w i c k l u n g . C a r l o B o , Delle Immaginigiovanili

di Sainte-Beuve

(Florenz, 1938), b r i n g t

w e n i g Neues. M a r c e l Proust, Contre Sainte-Beuve Buch.

(Paris, 1954, geschrieben 1908—10) ; ein m e r k w ü r d i g e s

B I B L I O G R A P H I E N UND

ANMERKUNGEN

261

Lander MacClintock, Sainte-Beuve's Critical Theory and Practice after 1849 (Chicago, 1920), ist eine brauchbare Arbeit. William Frederick Giese, Sainte-Beuve, A Literary Portrait (Madison, Wise., 1931) ist eine enthusiastische Darstellung seiner Ansichten. Maxime Leroy, La Pensée de Sainte-Beuve (Paris, 1940), behandelt Religion und politische Gesinnung und berührt die Literaturkritik kaum. Gustave Michaut, Etudes sur SainteBeuve (Paris, 1905), erörtert spezielle Fragen: das Verhältnis zu Michiels, zu Chateaubriand, usw. André Bellessort, Sainte-Beuve et le XIXe siècle (Paris, 1927), ist eine gute allgemeine, etwas populäre Darstellung. Die folgenden Aufsätze erschienen mir sehr interessant oder hilfreich: Irving Babbitt, in Masters of French Criticism (Boston, 1912), S. 97—188; immer noch der beste Essay in englischer Sprache. Gabriel Brunet, »Regard sur Sainte-Beuve« in Evocations littéraires (Paris, 1930), S. 183 bis 248 ; in hohem Maße kritisch. W. H. Frohock, »The Critic and the Cult of Art: Sainte-Beuve and the Esthetic Movement« in Romanic Review, 32, (1941), S. 379—88. Vgl. Edna Fredrick, »The Critic and the Cult of Art: Further Observations«, ebd., 33, (1942), S. 385—87. R e m y de Gourmont, »Sainte-Beuve, créateur de valeurs« in Promenades philosophiques (9. Aufl. Paris, 1913), S. 33—44; 1904 zuerst veröffentlicht. Jean Hytier, »Balzac et Sainte-Beuve: une haine littéraire« in Rivista de estudiosfianceses, 6 (1951), S. 47—88. A.G. Lehmann, »Sainte-Beuve, critique de la littérature anglaise« in Revue de littérature comparée, 18 (1954), S. 419—39. Henri Peyre, viele ungünstige Stellungnahmen in Writers and Their Critics (Ithaca, N. Y., 1944); Index. E.M.Phillips, »The Present State of Sainte-Beuve Studies« in French Studies, 5 (1951), S. 101—25), gibt viele weitere Hinweise. Martin Turneil, »Literary Criticism in France«, »Sainte-Beuve« in Scrutiny, 8 (1939), S. 177—82; neu abgedruckt in R . W . Stallman, Critiques and Essays in Criticism (New York, 1949), S. 421—34. Carl A. Viggiani, »Sainte-Beuve (1824—30), Critic and Creator« in Romanic Review, 44 (1953), S. 263—72. Emile Zola, »Sainte-Beuve« in Documents littéraires, Œuvres complètes, hrsg. v. Maurice Le Blond (Paris, 1928), S. 209—54; 1881 zuerst veröffentlicht.

ANMERKUNGEN KAPITEL 2 : SAINTE-BEUVE 1. Marcel Proust, Contre Sainte-Beuve, Paris, 1954. Seite 142: »Ce monde unique, fermé, sans communication avec le dehors qu'est l'âme du poète...« Seit? 143: »L'abîme qui sépare l'écrivain de l'homme du monde... le moi de l'écrivain ne se montre que dans ses livres.« 2. Reperusals and Recollections (London, 1936), S. 30. 3. NL, 3, 13—16: »Tel arbre, tel fruit.« »Familles d'esprits.«

262

BIBLIOGRAPHIEN UND

4. Ebd.,

ANMERKUNGEN

S. 32: »Haines de race.« » C o m m e n t v o u l e z - v o u s obliger B o i l e a u à g o û t e r

Q u i n a u l t ; et Fontenelle à estimer grandement B o i l e a u ? et Joseph de Maistre o u M o n t a l e m b e r t à aimer Voltaire?« 5. CL, 3, 5 1 — 5 2 . 6. N L , 3, 1 7 : »J'entrevois des liens, des rapports, et u n esprit plus étendu, plus l u m i e u x , et resté fin dans le détail, pourra découvrir u n j o u r les grandes divisions naturelles qui répondent a u x familles d'esprits.« 7. Po Ro, 1, 55. 8. N L , p, 7 0 — 7 1 : » . . . il y aura toujours une certaine partie inexpliquée, inexplicable, celle en q u o i consiste le d o n individuel du g é n i e . . .

o n aura toujours u n e place

très s u f f i s a n t e . . . o ù l o g e r ce principal ressort, ce m o t e u r inconnu, le centre et le f o y e r de l'inspiration supérieure o u de la v o l o n t é , la m o n a d e inexprimable.« 9. NL, 8, 66ff., bes. 70, 86, 88, 93. Seite 86: » . . . il n'est qu'une âme, une f o r m e particulière d'esprit p o u r faire tel o u tel chef-d'oeuvre.« Seite 88: » . . . u n dernier p o i n t et c o m m e une dernière citadelle irréductible.« Seite 93 : »Non, le poète n'est pas u n e chose si simple, ce n'est pas une résultante ni m ê m e u n simple f o y e r réflecteur; il a son miroir à lui, sa monade individuelle unique.« 10. N L , 3, 18 ff. V g l . Cahiers, S. 70. 1 1 . N L , 8, 7 1 . 12. N L , 3, 2 8 : »Que pensait-il en religion? C o m m e n t était-il affecté d u spectacle d e la nature? C o m m e n t se comportait-il sur l'article des f e m m e s ? Etait-il riche, était-il p a u v r e ? Q u e l l e était sa manière journalière de v i v r e ? . . . Enfin, quel était son v i c e o u son faible?« 13. N L , 1, 2 1 3 : »Etait-elle j o l i e ? A - t - e l l e a i m é ? Q u e l a été le m o t i f déterminant de sa conversion?« 14. N L , 3, 18: »Un b o n naturaliste dans ce c h a m p si vaste des esprits.« 15. N L , 6, 400: »Le libre e x a m e n , qui n'épargne pas m ê m e les religions et les d i e u x , n e saurait être interdit à l ' é g a r d des poètes.« 16. N L , 6, 4 1 9 : » . . . c e b e s o i n . . . de regarder dedans et derrière les c o e u r s . . . « 17. Cha, 1, 9 5 : »le m o n a r q u e qu'il était un homme.« 18. PC,

1, 136: » . . . u n petit appendice à l'appui de La R o c h e f o u c a u l d . . . «

19. N L , 6, 400: » . . . d e s'imposer ainsi tout sculpté, façonné de ses propres m a i n s . . . « 20. Cha, 1, 83—84, 201 A n m . : »Quelle arrangement et quelle pose j u s q u e dans la m o r t ; « 2, 58. 2 1 . N L , 2, 1 7 : » . . .il faut faire les portraits le plus ressemblants possible, le plus étudiés et réellement vivants, y mettre les verrures, les signes au visage, tout ce qui caractérise u n e p h y s i o n o m i e au naturel, et faire partout sentir le n u et les chairs sous les draperies, sous le pli m ê m e et le faste du manteau.« 22. B r i e f an Ernest Bersot, 9. M a i 1863: »Glisser le scalpel et indiquer le défaut de la cuirasse? de montre les points de suture entre le talent et l ' â m e ? . . . « »l'âme la plus sordide, le plus méchant singe qui existe.« In Correspondance (2 B ä n d e , Paris, 1877 bis 1878), 1, 316. 23. Po Li, 2, 1 1 6 , 1 1 5 , 118. 24. Mes Poisons, S. 49: »C'est un h o m m e , m e disait M . M o l é , qui calcule t o u t ce qu'il dit, jusques au bonjour.' Et il était c o m m e cela dès l'âge de seize ans; mais m o i , j e

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

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croyais d'abord à ses paroles. — Je ne crois pas qu'il y ait d'homme ä qui il coûte moins de mentir.« 25. NL, 5, 253: » . . . l e siècle du charlatanisme littéraire, humanitaire, éclectique, néocatholique et autre...« 26. NL, 10, 149: ».. .sa lyre et son âme, sa vie et son oeuvre sont une même chose.« 27. Po Li, 1, 30: ».. .les biographes s'étaien imaginé, je ne sais pourquoi, que l'histoire d'un écrivain était tout entière dans ses écrits, et leur critique superficielle ne poussait pas jusqu'à l'homme au fond du poète.« 28. Pre Lu, 2, 298—99: »L'écrivain est toujours assez facile à juger, mais l'homme ne l'est pas également.« ».. .qu'un homme est difficile à connaître... Dès qu'on cherche l'homme dans l'écrivain, le lien du moral au talent, on ne saurait étudier de trop près, de trop bonne heure, tandis et à mesure que l'objet vit.« 29. Pensées XX, eingebunden am Ende von Vie, poésies et pensées de Joseph Delorme, S. 141 : »L'artiste, comme s'il était doué d'un sens à part, s'occupe paisiblement à sentir sous ce monde apparent l'autre monde tout intérieur qu'ignorent la p l u p a r t . . . Il assiste au jeu invisible des forces, et sympathise avec elles comme avec des âmes; il a reçu en naissant la clef des symboles et l'intelligence des figures.« 30. NL, 4, 363: »L'art aussi est un m o n d e . . . Le philosophe, le moraliste, le sage, le chrétien y peuvent profiter: le poète qui, par ses conceptions puissantes, fait rivalité au monde et dont le secret est de le réfléchir dans un miroir magique immense, se sent déconcerté, découragé; il s'arrête de désespoir à mi-chemin, s'il y a trouvé son calvaire.« 31. Cita, 1, 135: »La vraie raison peut-être pour laquelle on n'a jamais tiré ce masque de Chateaubriand, c'est que lui-même avait sa sincérité et qu'il n'a jamais trop dissimulé que ce fût un masque — un masque noble.« 32. Ebd., 148: »Sa sincérité, je ne dis pas de fidèle (cet ordre supérieur et intime nous échappe), mais sa sincérité d'artiste et d'écrivain.« 33. NL, 6, 338: »La nature à travers un léger travestissement... ,Le masque nous a rendus vrais.'« 34. CL, 13, 277: »homme d'esprit, sagace, fin, perçant et excitant.« 35. NL, 3, 110—11 : ».. .je ne puis en mon âme et conscience consentir à un tel jugement, et je ne pense pas qu'aucun de ceux qui ont connu le personnage y souscrive... Je conçois qu'un homme qui laisse des ouvrages achevés, des monuments peu accueillis d'abord et peu compris de ses contemporains... soit proclamé homme de génie sur sa tombe, tandis qu'il ne passait de son vivant que pour un original distingué.« 36. Pre Lu, 2, 299—300: ».. .les hommes, les oeuvres secondaires m'intéressent singulièrement en bien des circonstances. C'est pour moi véritablement affaire d'équité.« 37. Tableau, Paris, 1876. 1, 149, 256. In G. Michaut, Etudes sur Sainte-Beuve, Paris, 1905, findet sich eine ausführliche Untersuchung des Unterschiedes zwischen den beiden Fassungen. 38. Z. B. Tableau, 1, 106, 134, über Hardy S. 402. 39- Vgl. Po Ro, 3, 94, 323, 326—27, 343. 40. Po Ro, 6, 245: »un investigateur, un observateur sincère, attentif et scrupuleux... de voir les choses et les hommes comme ils sont, et de les exprimer comme on les voit, de décrire autour de soi, en serviteur de la science, les variétés de l'espèce, les diverses formes de l'organisation humaine, étrangement modifiée au moral dans la

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société et dans le dédale artificiel des doctrines.« Seite 243 : »le mystère de ces âmes pieuses, de ces existences intérieures, y recueillir la poésie intime et p r o f o n d e qui s'en exhalait.« 4 1 . Siehe A n t o i n e A d a m , Histoire de la littérature française au XVIIe

siècle, B a n d 2, L ' é p o -

que de Pascal, S. 1 7 8 — 7 9 . L ' A b b é B r e m o n d , Histoire littéraire du sentiment

religieux

u n d j . Laporte, La Doctrine de la grâce chez Arnauld (Paris, 1922), g e b e n a b w e i c h e n d e Interpretationen v o n Port R o y a l . 42. Po Ro, 1, 146. 43. Ebd., 147 ff. ; 2, 53 ; 3, 272 ff. ; 2, 3 9 j ff. ; 6, 83 ff. 44. Po Ro, 1, 147 ff. Seite 240: » l ' e u p h u i s m e . . . et le g o n g o r i s m e de la dévotion.« 45. Po Ro, 3, 120; 6, 118 ff. 46. Po Ro, 2, 386. Seite 409: » l ' h o m m e naturel«; S. 4 2 5 — 2 6 : »La m é t h o d e . . . peut se qualifier à b o n droit perfide.« V g l . S. 397. 4 7 . Po Ro, 3, 4SI'- »Archimède en pleurs au pied de la C r o i x . « 48. Po Ro, 3, 4 1 4 ff. 49. PC, 5, 2 1 5 : »Sa foi fut antérieure à son doute.« 50. Po Ro, 3, 53, 102 A n m . , 103, 1 2 1 . 51. Po Ro, 3, 400—01, 414, v g l . 105 A n m . 52. C L , 1, 3 1 7 — 1 8 : »Sa philosophie de l ' h i s t o i r e . . . n'en est pas moins b e a u c o u p t r o p l o g i q u e p o u r être vraie.« V g l . A l b e r t Sorel, »Sainte-Beuve et les historiens« in Etudes de littérature et d'histoire (Paris, 1901), S. 5 9 — 7 2 . 53. Cha, 1, 1 9 : » . . .connaître les h o m m e s n'est pas assez quand il s'agit des o e u v r e s ; et tout en s'appliquant à bien caractériser les productions de l'esprit c o m m e l'expression d ' u n temps et d'un ordre de société, o n ne saurait négliger d ' y saisir ce qui n'est pas de la vie passagère, ce qui tient à la flamme i m m o r t e l l e et sacrée, au génie m ê m e des Lettres.« 54. Cha, 1, 3 5 — 3 6 A n m . : »Avant tout reproduire le m o v e m e n t , l'unité et l'ensemble d'une é p o q u e l i t t é r a i r e . . . « Seite 3 5 : » . . . à ce qui a influé, à ce qui compte.« 55. NL,

4, 296: »une n é c r o p o l e . . . la succession et le jeu des écoles et des groupes, les

n o m s et la p h y s i o n o m i e des vrais chefs, à marquer les caractères et les degrés des principaux talents, le mérite des oeuvres v r a i m e n t saillantes et dignes de m é m o i r e . . . 5(5. Pre Lu, 3, 142 ff. Eine B e s p r e c h u n g v o n Crépets Les Poètes français, 57. Cha,

1861.

1, 36: » . . . d a n s l'histoire littéraire, là o ù les soldats c o m p t e n t moins, et o ù

les chefs sont presque tout.« 58. Cha, 1, 1 4 : »la cigale obligée de chanter dans la gueule du lion.« 59. CL, 2, 145 : » U n Epicurien qui a l'imagination catholique.« 60. Cha, 1, 2 3 ; 2, 9 1 ; 1, 206: »11 a transporté le centre de la prose de R o m e à B y z a n c e , et quelquefois par delà B y z a n c e , de R o m e à A n t i o c h e o u à Laodicée. C ' e s t de lui que date dans la prose française le style bas-empire.« 61. PF, 3 8 1 : »11 est d o u x de c o m p r e n d r e tout ce qui a vécu.« V g l . C L , 5, 39: »11 a lieu de peindre, dans u n temps, tout ce aqui vécu, brillé, fleuri à son h e u r e . . . « 62. CL, 15, 6 7 — 6 8 : » . . . j ' a i m e t o u t ce qui est de l ' h o m m e quand l ' h o m m e est distingué et supérieur; j e m e laisse et m e laisserai toujours prendre à la curiosité de la vie, et à ce c h e f - d ' o e u v r e de la vie, — u n grand et puissant esprit; avant de le j u g e r , j e ne pense q u ' à la c o m p r e n d r e et q u ' à en j o u i r quand j e suis en présence d ' u n e haut et brillante personnalité.«

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63. Mes Poisons, S. 10: »je me détache de m o i . . . « 64. NL, 2, 1 — 2 : »Mon désir serait de le faire dans un parfait esprit d'impartialité; car cette impartialité, cette neutralité m ê m e . . . devient, je l'avoue, un de mes derniers plaisirs intellectuels. Si c'est un dilettantisme, je confesse que j'en suis atteint.« 65. NL, 5, 391 : »je me pique peut-être de n'être rien en particulier et que je m'aime mieux apparemment sous cette forme brisée, multiple et fuyante que sous toute autre.« 66. Cha, 1, 19. 67. Ebd., S. 264: »Une généreuse indifférence.« 68. PL, 1, 367: ».. .qu'on soit fanatique ou même trop convaincu, ou épris d'une autre passion quelconque.« Seite 369: »Cette indifférence du fond, il faut bien le dire, cette tolérance prompte, facile, aiguisée de plaisir, est une des conditions essentielles du génie critique.« Seite 370—71: »au revers du génie créateur et poétique, du génie philosophique avec système; il prend tout en considération, fait tout valoir. . . .Le génie critique n'a rien de trop digne, ni de prude, ni de préoccupé. . . . Il ne reste pas dans son centre... il ne craint pas de se mésallier...« Seite 377: »cette faculté critique et discursive, relâchée et accommodante. Le métier de critique est comme un voyage perpétuel avec toutes sortes de personnes et en toutes sortes de pays, par curiosité.« 69. Mes Poisons, S. 10: »La critique littéraire, celle même que je fais, hélas! est à peu près incompatible avec la pratique chrétienne. Juger, toujours juger autrui ! ou bien reproduire autrui, se transformer en lui, comme je fais souvent: opération au fond toute païenne, métamorphoses d'Ovide.« 70. NL, 1, 9: »L'auteur... ne comprend que sa propre manière d'être et sa propre individualité; par cela même il nous avertit qu'il n'est pas un critique.« Seite xo: »J'ai souvent pensé que le mieux pour le critique qui voudrait se réserver le plus de largeur de vues, ce serait de n'avoir aucune faculté d'artiste, de peur de porter ensuite dans ses divers jugements la secrète prédilection d'un père et d'un auteur intéressé.« 71. CL, 1, 278: »L'art de la critique... consiste à savoir lire judicieusement les auteurs, et à apprendre aux autres à les lire de même.« 72. Po Li, 3, 546: »Le critique n'est qu'un homme qui sait lire, et qui apprend à lire aux autres.« 73. Cha, 1, 189: »Savoir bien lire un livre en le jugeant chemin faisant, et sans cesser de le goûter, c'est presque tout l'art du critique. Cet art consiste encore à comparer, et à bien prendre ses points de comparaison: ainsi, à côté d'Atala lire Paul et Virginie et Manon Lescaut; — à côté de René lire Oberman et le Lépreux; — à côté des Martyrs lire l'Odyssée, Télémaque et Milton. Faites cela, et laissez-vous faire. Le jugement résultera tout naturellement en vous et se formera de votre impression même.« 74. PC, 5, 342: »Après créer et enfanter des oeuvres de génie, il reste encore quelque chose de digne et de beau, c'est de les sentir et de les faire admirer. L'enthousiasme, la muse du critique doit être là.« 75. PC, 1, 416: »Car, loin de nous de penser que le devoir et l'office de la critique consistent uniquement à venir après les grands artistes, à suivre leurs traces lumineuses, à recueillir, à ranger, à inventorier leur héritage ,à orner leur monument de tout ce qui peut faire valoir et l'éclairer! Cette critique-là sans doute a droit à nos respects; elle est grave, savante, définitive; elle explique, elle pénètre, elle fixe et consacre des admirations confuses, des beautés en partie voilées, des conceptions difficiles à atteindre, et aussi la lettre des textes quand il y a lieu.« Seite 417 : » . . . elle doit s'attacher

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76. 77. 78. 79. 80. 81. 82.

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à eux de préférence... faire honte à la médiocrité qui les coudoie, crier place autour d'eux comme le héraut d'armes, marcher devant leur char comme l'écuyer.« Siehe Heines weiter unten (S. C X X X I V ) zitierten, geistreichen Spott. CL, 1, 373: »Le secrétaire du public...« 4, 515: »Un bibliothécaire de confiance.« Po Li, 3, 546: »La critique, telle que je l'entends et telle que je voudrais la pratiquer, est une invention et une création perpetuelle.« Brief an J.-G. Chaudes-Aigues, 7.—8. Juni 1838. Correspondance générale, 2, 384: »Une dépendance de la partie élégiaque et romanesque.« PF, S. 411: »exhaler avec détour une certaine poésie cachée.« PC, 3, 399: ».. .sous prétexte de peindre quelqu'un, c'est souvent un profil de luimême qu'il cherche à saisir.« PC, 2, 486—87. PC, 3, 362: »la pénètre, comme ferait un aromate secret.« Seite 363—64: ».. .l'esprit poétique, intime, précis, et en tant qu'il touche aux racines mêmes, existe plus peut-être que dans d'autres manières bien autrement brillantes et spécieuses...« Cha, 2, 93: »Si, dans une oeuvre nouvelle, l'originalité réelle suffit à racheter les défauts? de quel ordre est l'ouvrage? de quelle portée et de quelle volée est l'auteur?«

84. Ebd., S. 95 : »Le vrai critique devance le publique, le dirige et le guide.« 85. PC, 5, 265. 86. Ebd., S. 268—69: »La haine d'un sot l i v r e . . . ce sens juste et vif.« 87. CL, 1, 382: »ils vous diront tout, excepté un j u g e m e n t . . . Ils n'oseront se commettre jusqu'à dire: Ceci est bon, ceci est mauvais.« 88. CL, 15, 356: »de maintenir la tradition et de conserver le goût.« 89. CL, 15, 376: »Les degrés de l'art, les étages de l'esprit.« 90. CL, 12, 191: »La vraie critique... consiste plus que jamais à étudier chaque être, c'est-à-dire chaque auteur, chaque talent, selon les conditions de sa nature, à en faire une vive et fidèle description, à charge toutefois de le classer ensuite et de le mettre à sa place dans l'ordre de l'Art.« Vgl. NL, 3, 300. 91. CL, 6, 511—12: »Saluons et reconnaissons aujourd'hui la noble et forte harmonie du grand siècle. Sans Boileau, et sans Louis X I V qui reconnaissait Boileau comme son Contrôleur-Général du Parnasse, que serait-il arrivé? Les plus grands talents eux-mêmes auraient-ils rendu également tout ce qui forme désormais leur plus solide héritage de gloire? Racine, je le crains, aurait fait plus souvent des Bérénice; La Fontaine moins de Fables et plus de Contes; Molière lui-même aurait donné davantage dans les Scapins, et n'aurait peut-être pas atteint aux hauteurs sévères du Misanthrope. En un mot, chacun de ces beaux génies aurait abondé dans ses défauts. Boileau, c'est-à-dire le bon sens du poète critique, autorisé et doublé de celui d'un grand roi, les contint tous et les contraignit, par sa présence réspectée, à leurs meilleures et à leurs plus graves oeuvres.« Vgl. eine ähnliche, frühere Stelle (1844): Po Li, 1, 115—16. 92. C L , 6, 512. 93. CL, 2, 456—57. 94. NL, 4, 72. 95. NL, p, 86—87: »Epicurisme du goût, à jamais perdu, religion dernière ce ceux même qui n'avaient plus que celle-là, dernier honneur et dernière vertu des Hamilton et

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97. 98. 99. 100. 101. 102. 103.

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des Pétrone, comme je te comprends, comme je te regrette, même en te combattant, même en t'abjurant.« Po Ro, 2, 89: »II ne paraît jamais plus noble, plus complet, plus véritablement délicat et élevé, qu'au sein d'une nature saintement morale; mais il se voit souvent très développé chez des natures bien différentes. Une certaine corruption agréable (est-il permis de le confesser?) n'y messied pas, et en raffine même extrêmement plusieurs parties rares.« NL, 2, 27; CL, 3, 391: »la pudeur de l'esprit.-; NL, 1, 12: »de plus fin et de plus instinctif.« CL, 1, 283: »l'amour du simple, du sensé, de l'élevé, de ce qui est grand...« NL, 9, 277: »Eugénie de Guérin craignait l'excès; elle n'appuie pas, elle ne tâche pas: elle avait du goût.« CL, 3, 40: »L'idée de classique implique en soi quelque chose qui a suite et consistance, qui fait ensemble et tradition, qui se compose, se transmet et qui dure.« Pre Lu, 2, 226, über Mickiewicz, 1833 : »une sorte de Bohémien vagabond et presque de Juif errant...« CL, 3, 53: »Car il faut choisir, et la première condition du g o û t . . . est de ne pas voyager sans cesse, mais de s'asseoir une fois et de se fixer. Rien ne blase et n'éteint plus le goût que les voyages sans f i n . . . « CL, 15, 373—78. Seite 373: »Le professeur n'est pas le critique. Le critique... est une sentinelle toujours en éveille, sur le qui-vive... il doit peu s'écarter des lieux consacrés qu'il a charge de montrer et de desservir.« Seite 376: »On est fier de simples trouvailles curieuses (quand elles le sont), qui n'exigent aucune méditation, aucun effort d'esprit, mais seulement la peine d'aller et de ramasser... O n dirait que l'ère des scholiastes et commentateurs se rouvre et recommence. O n est aussi honoré, considéré pour cela, et bien plus, que si l'on avait tenté un beau roman, un beau poème, les chemins de la vraie invention, les routes élevées de la pensée... encourageons toute recherche laborieuse, mais laissons en tout la maîtrise au talent, à la méditation, au jugement, à la raison, au goût.« Seite 378: » . . . on en viendrait en tout à préférer les matériaux à l'oeuvre, l'échafaudage au monument.«

105. NL, 5, 471 : »Par nature et par goût, j e n'aurais jamais été de ceux qui ont défriché le M o y e n - A g e . . . l'enthousiasme excessif des uns, la complaisance un peu minutieuse des autres...« 106. NL, 3, 384: »[Ils]n'avaient pas et n'ont pas en eux tous les termes voulus de comparaison.« Seite 396: »Quiconque... a lu Sophocle dans le texte est à jamais préservé de ces éclipses ou de ces aberrations du goût.« 107. CL, 15, 358: »nous avons à embrasser, à comprendre, à ne jamais déserter l'héritage de ces maîtres et de ces pères illustres, héritage qui, depuis Homère jusqu'au dernier des classiques d'hier... forme le plus clair et le plus solide de notre fonds intellectuel.« Seite 362: »Le sentiment d'un certain beau conforme à notre race, à notre éducation, à notre civilisation, voilà ce dont il ne faut jamais se départir... leur héritage pour nous et leurs bienfaits se confondent.« Seite 367—68: ».. .les plus grands des hommes ne sont jamais extravagants, ridicules, grotesques, fastueux, jactancieux, cyniques, messéants en permanence. . . . la tradition nous le dit, et la conscience de notre propre nature civilisée nous le dit encore plus haut, la raison toujours doit présider et préside en définitive, même entre ces favoris et ces élus de l'imagination...«

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108. C L , 15, 369; NL, 3, 265: »Goethe, le plus grand des critiques modernes et de tous les t e m p s . . . « 109. CL,

15, 3 6 9 — 7 0 : »les l i t t é r a t u r e s . . . contentes d'être de leur nation, d e leur temps,

du r é g i m e o ù elles naissent et

fleurissent...

les littératures qui sont et qui se sentent

chez elles, dans leur voie, n o n déclassées, n o n troublantes n'ayant pas p o u r principe le malaise, qui n ' a j a m a i s été un principe de beauté.« Seite: 370: »La littérature classique ne se plaint pas, ne g é m i t pas, ne s'ennuie pas.« Seite 3 7 0 — 7 1 : »Le c l a s s i q u e . . . a c e l a . . . d'aimer sa patrie, son temps, de ne v o i r rien de plus désirable ni de plus beau.« 110. C L , 6, 397 ff. ni.

C L , 25, 3 7 1 : »Hamlet, W e r t h e r , C h i l d e H a r o l d , les R e n é s purs, sont des malades p o u r chanter et souffrir, p o u r j o u e r de leur m a l . . . la maladie p o u r la maladie.«

112. C L , 1, 1 8 — 1 9 : »La j e u n e s s e . . . est devenue positive; elle ne rêve p l u s . . . « 113. CL, 15, 372: » . . . o n se retrouverait à l'unisson; la lutte, la maladie m o r a l e cesseraient, et la littérature d ' e l l e - m ê m e redeviendrait classique par les grandes lignes et par le f o n d (c'est l'essentiel). . . . N o u s recommencerions peut-être à avoir des monuments.« 114. C L , 15, 381 : »Ils ne pensent pas en effet, p o u r le m o m e n t , au m ê m e objet, a u x m ê m e s o u v r a g e s de l'auteur en question, a u x m ê m e s endroits de ses o e u v r e s ; q u e c'est qu'ils ne l ' o n t pas tout entier présent, qu'ils ne le comprennent pas actuellement tout entier. U n e attention et u n e connaissance plus étendues rapprocheraient les j u g e m e n t s dissidents et les remettraient d'accord.« 1 1 5 . NL, 3, 378: »Relisez u n chant d ' H o m è r e , une scène de Sophocle, u n c h o e u r d ' E u r i pide, u n livre de V i r g i l e ! grandeur o u flamme du sentiment, éclat de l'expression et, s'il se peut, h a r m o n i e de composition et d ' e n s e m b l e . . . « 1 1 6 . V g l . Cahiers de notes grecques, hrsg. v . R u t h Mulhauser (Chapel Hill, N . C . , 1955), schlecht ediert. Siehe die B e s p r e c h u n g v o n F. M . C o m b e l l a c k in Comparative

Litera-

ture, 8, (1956), 3 5 1 — 5 4 1 1 7 . Virgile, S. 23 : »un prêtre de V i r g i l e . . . cette école française admiratrice de l'antiquité dans le sens de Fontanes, de Chateaubriand, de Delille l u i - m ê m e . . . « Seite 24: »De V i r g i l e , d ' H o r a c e , d ' O v i d e , de Lucain j u s q u ' à nous, la pente est unie, la p e r spective est droite et i n i n t e r r o m p u e . . .

C ' e s t u n i q u e m e n t par le majestueux et

triomphal aqueduc r o m a i n que sont arrivées j u s q u ' à nous bien des fontaines de la Grèce.« Seite 2 5 : » . . . u n e religion plus discrète qui tient à l ' a m o u r du beau, du n a turel, du fin et d u délicat dans la poésie.« 118. Ebd., S. 89, 92, 94, 99, 102: » . . .l'unité de t o n et de couleur, de l ' h a r m o n i e et de la convenance des parties entre elles, de la proportion, de ce g o û t soutenu, qui est ici u n des signes du génie, parce qu'il tient au f o n d c o m m e à la fleur de l ' â m e , et q u ' o n m e laissera appeler une suprême d é l i c a t e s s e . . . « 1 1 9 . Ebd., S. 433, 434, 440. Seite 433 : »un bréviaire de g o û t , de poésie, de sagesse pratique et mondaine.« Seite 440: »un ange, u n e âme.« 120. Pre Lu,

3,

72—133-

121. C L , i l , 198 ff., bes. 208: »L'expression de l'histoire de son temps.« 122. C L , 14, 282, 284, 296, 282: » D e u x o u trois perles dans son tumier.« 123. C L , 12, 63: »Un acte de goût.« Seite 69: »Un poète assez facile, et p l u t ô t trop facile.« 124. NL, 13, 310. 125. C L , 12, 65.

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ANMERKUNGEN

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126. CL, 12, 173 ff.; 176, 179. 127. Pre Lu, 3, 143. 128. CL, 8, 73: »En tout, Malherbe, même dans sa maigreur et son peu d'étoffe, est toujours digne et a des moments d'une élégance parfaite et ravissante.« Vgl. NL, 13, 360. 129. Po Ro, 3, 274: »Shakespeare, le plus grand (dans l'ordre poétique) des hommes purement naturels.« Ober Shakespeare siehe auch PC, 5, 331; Pre Lu, 1, 330. 130. Po Li, 1, 22: »un code poétique abrogé«; Seite 15: »Boileau, selon nous, est un esprit sensé et fin, poli et mordant, peu fécond; d'une agréable brusquerie; religieux observateur du vrai goût; bon écrivain en vers...« 131. Po Li, 1, 95. Seite 92: »des sentiments personnels, tendres, passionnés, fervents.« 132. Pre Lu, 2, 207: »Moi-même, hélas!... n'ai-je pas prétendu quelque part qu'il était bien plus propre à l'élégie, au lyrique, qu'au dramatique...« 133. Po Li, 1, 130: »Un poète lyrique, c'est une âme à un qui passe et chante au milieu du m o n d e . . . « Seite 131: »un monde à part, un monde poétique de sentiments et d'idées...« Seite 133: ».. .ce fut le moins lyrique de tous les hommes à la moins lyrique de toutes les époques.« 134. Po Li, 2, 97, 98. Seite 97: »ni l'art ni le style poétique.« 135. Po Li, 1, 174: »Chénier est le révélateur d'une poésie d'avenir, et il apporte au monde une lyre nouvelle...« 136. CL, g, 535: »On passait subitement d'une Poésie sèche, maigre, p a u v r e . . . à une Poésie large, vraiment intérieure, abondante, élevée et toute divine.« 137. PC, 1, 295—300. 138. Ebd., S. 308—48. 139- Ebd., S. 349—74. 140. CL, 1, 20—34, 63—78. ' 141. CL, 4, 389—407, mit herabsetzenden Bemerkungen zur Histoire des Girondins. 142. CL, 7, 533: »Lamartine vise habituellement à l'ange, et La Fontaine, s'il semble élever les bêtes jusqu'à l'homme, n'oublie jamais non plus que l'homme n'est que le premier des animaux.« Seite 535: »noble, volontiers sublime, étherée et harmonieuse, mais vague...« 143. PC, 1, 378; auch CL, 11, 462. 144. Pre Lu, 1, 179, 187. 145. Mes Poisons, S. 46—47: »Hugo dramatique, c'est Caliban qui pose pour Shakespeare.« 146. PC, 2, 536—42, vgl. 70. 147. Chroniques parisiennes, S. 245 (1844): »Cette poésie-là me paraît comme de l'albâtre assez artistement travaillé, mais pâle, sans couleur; la vie et le sang n'y circulent pas«. Auch in Correspondance générale, 5, Teil II, 644, Brief an J. Olivier, 5. August 1844148. NL, 6, 398 ff., 440: »un déclin très bien soutenu...« 149. CL, 2, 306. I J O . PC, 3, 321. 151. PC, 2, 202 ff. 152. CL, 13, 364 ff. 153- PC, 5, 1 1 9 .

270

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

154. PC, 2, 523: »Un art exagéré chez qui la forme surmonte, écrase si étrangement le fond.« 155. Siehe z. B. NL, 1, 205. 156. NL, 6, 26s ff. 157. CL, 14, 74, 79, 72, 78. Seite 72: »un grand romantique, et en ce sens qu'il avait remonté à l'inspiration directe de la beauté grecque, et aussi en cet autre sens qu'il avait ouvert, par René, une veine toute neuve de rêve et d'émotion poétique; Seite 78: ».. .songeons un peu à ce qu'a été la poésie lyrique moderne, en Angleterre, de Kirke White à Keats et à Tennyson en passant par Byron et les Lakistes, — en Allemagne, de Biirger à Uhland et à Riickert en passant par Goethe, — et demandonsnous quelle figure nous ferions, nous et notre littérature, dans cette comparaison avec tant de richesses étrangères modernes, si nous n'avions pas eu notre poésie, cette même école poétique tant raillée. ...Supposez-la absente, quelle lacune!« 158. CL, g, 330: »Venu à ce genre de composition que par la critique, et d'après certaines idées antérieures et préconçues.« 159. CL, g, 305, 334, 337; S. 335: »une spirituelle mascarade italienne.« 160. CL, 13, 276—77. 161. NL, 3, 109 ff. Seite 118: »11 découronne par trop l'imagination humaine. Par aversion pour le cliquant, il fait trop fi des richesses de la parole et des magnificences légitimes qu'en tirent la passion, la fantaisie ou l'éloquence.« 162. PC, 2, 327—57. 163. Ebd., S. 346 Anm.: ».. .quand j'ai lu ces choses-là, il me semble toujours que j'ai besoin de me laver les mains et de brosser mon habit.« Z u Ampère, siehe Mes Poisons, S. 110. 164. Ebd., S. 469: »maréchaux de France... qui s'évalue à deux millions, si j'ai bien compris.« Po Ro, 1, 549 ff, 558—59. Siehe NL, 3, 19. CL, 2, 443—63. Ebd., besonders S. 443, 449, 456, 459, 461—62. Seite 443: »peut-être le plus original, le plus approprié, et le plus pénétrant.« Seite 459 : »Cela ne se passe point ainsi dans la vie.« Seite 461 : »un plus grand, plus sûr et plus ferme écrivain... elle ne tâtonne jamais dans l'expression... peut-être l'égal de M. de Balzac en invention, en fécondité et en composition.« Seite 462: »ne sait pas autant écrire que Balzac.« 169. Zitiert von Billy, 2, 38. Ein Brief an Benoît Jouvin, September 1866. 170. CL, 13, 346 ff. Seite 347: »Un livre composé, médité, où tout se tient, où rien n'est laissé au hasard de la plume.« Seite 360: »Sa méthode qui consiste à'tout décrire et à insister sur tout ce qui se rencontre... U n livre, après tout, n'est pas et ne saurait jamais être la réalité même.« Seite 363 : »Fils et frère de médecins distingués, M. Gustave Flaubert tient la plume comme d'autres le scalpel. Anatomistes et physiologistes, je vous retrouve partout !« 171. NL, 4, 73 ff. Seite 77: »Mais les nerfs humains ne sont pas des cordages, et, quand ils en ont trop, quand ils ont été trop broyés et torturés, ils ne sentent plus rien.«

165. 166. 167. 168.

172. Ebd., S. 90, 95. Seite 90: »mangeurs de choses immondes.« 173. CL, g, 527—29: »vous vous êtes dit, j'imagine: 'Eh bien! j'en trouverai encore de la poésie, et j'en trouverai là où nul ne s'était avisé de la cueillir et de l'exprimer.' Et

BIBLIOGRAPHIEN

UND

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ANMERKUNGEN

v o u s a v e z pris l'enfer, v o u s v o u s êtes fait diable.« »Vous v o u s défiez trop de la passion; c'est chez v o u s une théorie. V o u s accordez trop à l'esprit, à la c o m b i n a t i o n . . . n ' a y e z j a m a i s peur d'être trop c o m m u n . . . « 174. CL, 15,

350—51-

175. B r i e f an Baudelaire, 1860, zitiert v o n B i l l y , 2, 107: »Ce livre très spirituel, très i n g é n i e u x , très raffiné.« 176. N L , 1, 4 0 0 — 0 1 : »M. Baudelaire a t r o u v é m o y e n de se b â t i r . . . u n kiosque b i z a r r e . . . 2t mystérieux, o ù o n lit de l ' E d g a r P o ê , o ù l ' o n récite des sonnets exquis, o ù l ' o n s'envire avec le haschich p o u r en raisonner après, o ù l ' o n prend de l ' o p i u m et mille drogues abominables dans des tasses d ' u n e porcelaine achevée. C e singulier kiosque, fait en marqueterie, d ' u n e originalité concertée et composite, qui, depuis quelque temps, attire les regards à la pointe extrême d u K a m t c h a t k a romantique, j ' a p p e l l e cela la folie

Baudelaire.« Seite 402: » . . . u n candidat poli, respectueux, exemplaire,

d ' u n gentil garçon, fin de langage et tout à fait classique dans les formes.« 177. B i l l y , 2, 1 1 6 . W e i t e r e B e m e r k u n g e n , v g l . Proust, Contre

Sainte-Beuve.

178. Siehe G e o r g e s R o t h , »Ce que Sainte-Beuve a su d'anglais« in Revue Germanique, (1921), 3 7 8 — 8 1 ; u n d A . C . L e h m a n n , Sainte-Beuve,

12,

in der Bibliographie.

179. C L , 2, 2 2 6 — 4 6 . 180. C L , 11, 139 ff., 1 9 5 : »L'union de la poésie de la famille et du f o y e r avec celle de la nature.« 181. C L , 8, 431 ff. 182. N L , S, 126 fF. 183. N L , 10, 4 4 7 — 4 8 . 184. N L , 9, 85: »faire le siège d ' u n é c r i v a i n . . . « 185. PC,

1, 162—63;

Po Ro, 3, 2 5 1 : »à brûle-pour-point.«

186. N L , 1, 3 ff. 187. Cha, t, 172 ff., 2 5 2 : »image 'verticale'.« 188. N L , 7, 199 ff 189. PL, 1, 156.

BIBLIOGRAPHIE KAPITEL 3: ITALIENISCHE

LITERATURKRITIK

Guiseppe B o r g e s e , Storia della critica romantica in Italia (Neapel, 1905; N e u d r u c k Florenz, 1949), ist das einzige B u c h , das alle diese A u t o r e n behandelt, d o c h mir scheint seine P e r spektive v ö l l i g verzerrt. In W a l t e r Binni, Hrsg., I Classici italiani nella storia della critica, 2 B ä n d e , Florenz, 1 9 5 4 — 5 5 , findet sich viel Brauchbares. Siehe auch A l d o V a l l o n e , La Critica dantesca nell'ottocento, Florenz, 1958; u n d M a r i o P u p p o , Poetica e cultura del romanticismo, R o m , 1962. Scalvini w i r d zitiert nach Foscolo, Manzoni,

Goethe (zitiert als FMG),

T u r i n , 1948. Ü b e r

Scalvini: M a r i o Marcazzan, » U g o Foscolo nella critica di Giovita Scalvini« in Romanticismo critico e coscienza storica, Florenz, 1947; u n d P u p p o , S. 1 3 9 — 7 1 . G i o b e r t i w i r d nach der Edizione N a z i o n a l e zitiert. B a n d 2 und 3 : Del Primato morale e civile degli Italiani, hrsg. v . U g o R e d a n ó , Mailand, 1 9 3 8 — 3 9 ; B a n d 11: Del Bello, hrsg. v .

272

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

Enrico Castelli, Mailand, 1939; weitere Stellen nach Scritti Scelti, hrsg. v. Augusto Guzzo, Turin, 1954. Über Gioberti: siehe Carmelo Sgroi, L'Estetica e la critica letteraria di V. Gioberti, Florenz, 1921 ; Carlo Calcaterra, »Gli studi dantesche di V. Gioberti« in Dante e il Piemonte (Turin, 1922), S. 39—256. Tommaseo muß nach den Originalausgaben zitiert werden. Opere, hrsg. v. A. Borlenghi, Neapel, 1958, enthält wenig Kritik; Commento alla Divina Commedia, hrsg. v. U. Cosmo, 3 Bände Turin, 1920. Über Tommaseo: Paolo Prunas, La Critica, l'arte e l'idea sociale di Niccolò Tommaseo, Florenz, 1901; Fausto Montanari, »L'Estetica e la critica di Niccolò Tommaseo«, Giornale storico della letteratura italiana, 98 (1931), 1—72; Ettore Caccia, Tommaseo critico e Dante, Florenz, 1956; Croce behandelt ihn in Conversazioni critiche, (Bari, 1950), 1, 63—67. Siehe Petre Ciureanu, »Un' amicizia italiana: Sainte-Beuve e Tommaseo« in Revue de littérature comparée, 28 (1954), 444—57. Mazzini wird nach der Edizione nazionale zitiert: Scritti letterari, editi e inediti, 5 Bände Imola, 1906—19. Dort auch die französischen und englischen Fassungen vieler Aufsätze. Über Mazzini siehe De Sanctis, La Letteratura italiana nel secolo XIX, 2 (Bari, 1953), 363—79; und Borgese. G. Guadagnini, »La Fonte delle teorie romantiche mazziniane«, Giornale storico della letteratura italiana, 89 (1927), 37—110, sieht Madame de Staël als Mazzinis Hauptquelle. Über Emiliani Giudici siehe Getto, und Antonio Russi, »Paolo E. G. e la storia letteraria dell' età romantica«, Convivium, 11 (1939), 402—09. Über Settembrini siehe Bonaventura Zumbini in Studi di letteratura italiana, Florenz, 1894. Tenca wird zitiert nach Giornalismo e letteratura nell' ottocento, hrsg. v. G. Scalia, Bologna, 1959; eine vollständigere Auswahl, Prose e poesie scelte, hrsg. v. Tulio Massarani, 2 Bände, Mailand, 1888; über Tenca Borgese, Carlo Muscetta, Einleitung zu De Sanctis, La Scuola cattolico-liberale (Torino, 1953), S. X X X — X L I und Scalias Einleitung; siehe Umberto Bosco, »Giusti, Tenca, Carducci«, Giornale storico della letteratura italiana, 134 (1957), 535 bis 47. Neudruck in Realismo romantico (Rom, 1959), S. m — 2 6 .

ANMERKUNGEN KAPITEL 3 : ITALIENISCHE L I T E R A T U R K R I T I K 1. Scritti, hrsg. v. Niccolò Tommaseo, Florenz, 1860. Mario Marcazzan war der erste, der die Manuskripte studierte, die in Brescia aufbewahrt wurden, und der Foscolo, Manzoni, Goethe, Turin, 1948, herausgab. 2. Der Essay über Ortis, geschrieben 1817, wurde nicht vor 1871 als Vorwort zu einer Ausgabe von Foscolos Roman gedruckt. FMG, S. 432—33: »una grande fragranza di poesia: ma è fragranza artificiale... una miniera di piccoli poemetti.« 3. FMG, S. 210: »forma interna«; Seite 212: »l'idea, l'anima«. Seite 221: »Nel suo libro è non so che di austero, quasi direi d'uniforme, d'insistente senza alcuna tregua mai verso un unico obbietto: non ti senti spaziare libero per entro la gran varietà del mondo morale: t'accorgi spesso di non essere sotto la gran volta del firmamento che cuopre tutte le multiformi esistenze, ma bensì d'essere sotto quella del tempio che cuopre i fedeli e l'altare.«

BIBLIOGRAPHIEN 4. FMG,

UND

273

ANMERKUNGEN

S. 383 : »L'arte n o n d e v e somigliare all'universo g o v e r n a t o della necessità,

ma

d e v e ritrarre l ' u o m o , la vita dell'umanità. L a libertà è il f o n d a m e n t o dell'arte. L ' a r t e esce dalla vita e dee uscire alla vita«; Seite 3 7 0 : »L'arte dev'essere volta al m i g l i o r a m e n t o degli uomini.« 5. FMG,

S. 2 7 0 : »Nell'arte l'idea" esce dagli occulti seni dell'infinito, senza perdere

n u l l a m e n o in tutto la sua universalità.« Seite 2 3 3 , A b g r e n z u n g v o n S y m b o l un,d A l l e g o r i e . Seite 3 0 7 — 0 8 : » C o l l ' a u m e n t a r e di questi a u m e n t a n o i giudizi.« 6. Scritti scelti, S. 1 7 5 — 7 9 : »La fantasia degli spettatori è il v e r o e unico teatro.« V g l . Susanne IC. L a n g e r , Feeling

and Form,

7. E d i z i o n e N a z i o n a l e , Del Bello,

N e w York, 1953.

S. 1 5 8 : »Dante n o n a v r e b b e p o t u t o essere il m a s s i m o

poeta e scrittore se n o n fosse stato eziandio

filosofo

e t e o l o g o insigne.« Seite 1 5 9 :

»Se l ' i n f e r n o p e r un certo rispetto serve al poeta di v e l o allegorico p e r dipingere e sferzare la corrotta patria, divenuta quasi un i n f e r n o dei v i v i , l ' i n g e g n o del m a g n a n i m o esule s'innalza a p i ù vasto c o n c e p i m e n t o e ravvisa nella scena del m o n d o u n ' o m b r a delle verità superiori, considerando l'ordine delle cose i m m a n e n t i c o m e il tipo delle successive. Il qual concetto, che spazia e s i g n o r e g g i a per tutta la D i v i n a C o m m e d i a , costituisce il v i n c o l o delle tre cantiche, l ' u n i t à e l ' a r m o n i a di tutto il poema.« 8. V e r ö f f e n t l i c h t in Opere di V. Gioberti,

27, N e a p e l , 1866. C a r l o Calcaterra, »Gli Studi

danteschi di V . Gioberti« in Dante e il Piemonte

(Turin, 1 9 2 2 ) , S. 3 9 — 2 5 6 , studierte

diese A n m e r k u n g e n s o r g f ä l t i g und mißt ihnen g r o ß e B e d e u t u n g bei. A b e r sie unterscheiden sich nicht wesentlich v o n den späteren 9. Del Bello,

Bemerkungen.

S. 1 7 2 : »Catolicissimo.«

1 0 . Scritti scelti, S. 6 2 8 : »II vate della metafisica e della divina scienza«; Seite 6 2 3 : »La Genesi universale delle lettere e arti cristiane, in q u a n t o tutti i g e r m i tipici dell' estetica m o d e r n a , vi si t r o v a n o racchiusi e inizialmente esplicati.« 1 1 . Ebd., S. 6 3 4 ff. Seite 6 3 9 : »ironia dolce.« 1 2 . Ebd.,

S. 6 4 5 : » C o l Tasso a m m u t ì la t r o m b a dell' Italiana p o e s i a . . .

finché

morì,

cantando, si p u ò dir f r a la scene, sulla labbra delle virtuose e dei soprani, e sotto la penna d ' u n canonico, scrittore di epitalami aulici, d'ariette teatrali, e poeta cesareo.« 1 3 . Ebd.,

S. 3 7 7 .

1 4 . Del Primato, E d . N a z . , 2, 3 2 4 : »Le o p e r e del L e o p a r d i s o n o animate da una malinconia p r o f o n d a , da una tranquilla e l o g i c a disperazione, che apparisce al lettore, n o n c o m e u n m o r b o del cuore, m a c o m e una necessità della spinto, e il sunto di tutto un sistema.« 1 5 . Scritti scelti, S. 4 8 4 : »II R o u s s e a u della poesia, e il creatore della critica«; Seite 4 8 8 : »Ha f a t t o fare, a parer m i o , de' gran passi alla Critica e a tutta l'Estetica, anzi ha quasi interamente rinnovellata la faccia di quelle scienze.« 1 6 . Z . B . Storia civile nella letteraria, 1 8 4 3 . Ispirazione

R o m , 1 8 7 2 , liegt z u g r u n d e Studi critici,

ed arte, Florenz, 1 8 5 8 , beruht auch a u f Studi

critici u n d

Venedig, Bellezza

educatrice, V e n e d i g , 1 8 3 8 , u s w . M e h r in Prunas, S. 7 5 — 8 0 . 1 7 . Antologia,

O k t o b e r , 1 8 3 1 , S. 1 0 : »un artista s c e t t i c o . . .

sarebbe il p i ù inefficace, il

più disperato, il più misero degli artisti.« 1 8 . Ispirazione

ed arte, Florenz, 1 8 5 8 . Seite 4 3 0 : »Elegantemente disperato, prolissamente

dolente e d o t t a m e n t e annoiato di questa misera vita.« B r i e f an G i n o C a p p o n i , Sept e m b e r 1 8 3 3 , in Carteggio

inedito dal ISJJ

al 1874, hrsg. v . P. L u n g o u n d P. Prunas

( B o l o g n a , 1 9 1 1 — 3 2 ) , 1 , 2 0 : »II n ' y a pas de D i e u , parce que j e suis b o s s u ; j e suis bossu parce q u ' i l n ' y a pas de Dieu.« D e r B r i e f ist eine P a r o d i e a u f Fénelons 18 Wellek, Literaturkritik 2

Télcmaque.

274

B I B L I O G R A P H I E N UND

ANMERKUNGEN

19. Ein Brief an U . F. Prato-Guasti, 1847. Zitiert von Prunas, S. 1 2 7 : »Una menzogna dolorosa, un commedia amara, tuia satira virulente del suo tempo e delle opere sue.« Studi filosofici (Venedig, 1840), 2, 255: »Senza religione non è poesia.« 20. Besprechung von I Promessi sposi, in Antologia, Oktober 1827. Im Neudruck der Rezension in Ispirazione ed Arte, Florenz, 1858, einige Modifikationen. A m großzügigsten im Anhang zu Duca d'Atene (Florenz, 1858), S. 2 3 1 — 3 2 : »L'imaginario ed il finto.« 2 1 . Dizionario estetico (Venedig, 1840), 3, 170: »Poeta credente, perchè grande, e popolare perchè credente.« 22. Ausführliche Untersuchung von Ettore Caccia, Tommaseo critico e Dante. 23. Opere, hrsg. v. A. Borlenghi, Ricciardi, Neapel, 1958. Seite 834—38: »Le interiezioni sono più poetiche delle epopee : . . . unica poesia di noi mortali è la lirica.« »II verso è calcolo; il calcolo è canto, e fa cantare; l'aritmetica è una poesia rinforzata... la poesia senza calcolo è vaporosa, vacua, od atea o Kantiana.« »La poesie c'est le nuage d o r è . . . la poésie est dans le coeur, dans la gorge, dans les bras, dans la voix, sur les lèvres, dans le sourire, dans les yeux, sur le f r o n t . . . La poésie c'est l'action... c'est le Verbe.« Siehe Croces Stellungnahme in Conversazioni critiche (Bari, 1950), 1, 63—67. 24. Dizionario estetico, (2 Bände, Mailand, 1852), 2, 146: »II dubbio mesto e serverò e passionato dell'inglese d i v i n o . . . il dubbio gelido e derisore di questo cortigiano... l'attore dall'uomo.« 25. Vgl. die drastischen Bemerkungen, die bei Ciureanu in einem seltsam betitelten Aufsatz, »Un amicizia italiana«, festgehalten sind. 26. Über Vico siehe »G. Vico e i suo secolo« in Storia civile nella letteratura, R o m , 1872. Dort auch die Essays über Gozzi und Chiari. 27. Nuova proposta di correzioni e aggiunte al Dizionario italiano (Venedig, 1841), S. 1 : »Quand' io vedo una verità metafisica o storica confermata da un fatto filologico, questo dico, è il suggello del vero.« 28. Einige Schlüsselessays: Scritti letterari, Band 1 (1906): »D'una letteratura europea« (1829), »Saggio sopra alcune tendenze della letteratura Europea nel X I X secolo« (1829), »Pensieri. Ai poeti del secolo X I X « (1832); Band 2 (1910): »De l'Art en Italie« (1835), »Prefazione d'un periodico letterario« (l'Italiano, 1836), »Storia letteraria« (1836), »Della Fatalità considerata com' elemento drammatico« (1836), »Victor Hugo« (1836), »Di Victor Hugo e dell'Angelo Tiranno di Padova« (1838), »Italian Literature since 1830« (1838); Band 3 (1913): »Hugo's Les Voix Intérieures« (1838), »The Present State of French Literature« (1838); Band 4 (1915): »De l'état actuel de la littérature« (1837), »Poésie-art« (1837), »The French Revolution« (1840), »Byron and Goethe« (1841); B a n d i (1919): »On the Works of Thomas Carlyle« (1843), »Dante Alighieri« (1844). 29. Scritti, 2, 254: »Egli particolarizza, segrega, concentra, invece d'universalizzarla, la vita.« 2, 257: »Tutto è definito, determinato, materializzato.« 2, 258: »teorica rovinosa, mortale all' A r t e . . . negazione della vita e dell'unità universale.« 30. Ebd., 3, 375, 400, Englisch zitiert. 3 1 . Ebd., S. 254, in Englisch: »design« und »ensign«. 32. »Deila Fatalità considerata com' elemento drammatico« (1836), ebd., 2, 169—200. 33. Eine Besprechung der italienischen Übersetzung von Friedrich Schlegels Geschichte (1828), ebd., 1, 113—25.

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

275

34. Ebd., S. 1 7 2 : » U n f r a m m e n t o d'Eschilo dissotterato.« 35. Ebd., S. 189: »Né mai l'espiazione p u ò fruttare al altri che all'individuo, né mai i n nalzarsi alla maestà del s a c r i f i c i o . . . N o n intento, n o n progresso c o m m u n e . Solitudine in v i t a ; solitudine in morte.« 2, 198: »L'accordo tra l ' i n d i v i d u o e il pensiero sociale, tra la libertà e la l e g g e dell'universo.« 36. Ü b e r Alfieri, ebd., 1, 2 5 8 — 6 0 : über Leopardi, ebd., 2, 314. M a z z i n i schrieb den »lettera apologetica« als V o r w o r t z u seiner Edition v o n Foscolos Scritti politici (1844), w i e d e r a b g e d r u c k t in 5, 1 5 9 — 8 2 . Ü b e r Foscolo siehe Scritti letterari, 2, 295 ff. Ü b e r M a n z o n i , Scritti,

1,

31—41.

37. Scritti letterari, 5, 195, 214, in Englisch. 38. Ebd., 4, 425; 5, 85, 9 1 , in Englisch. 39. Ebd.,

2, 69, über M i c k i e w i c z .

Anthology

1, 3 7 7 — 8 6 , B e s p r e c h u n g v o n B o w r i n g s

Cheskian

(1833).

40. Storia (Florenz, 1845), 1, 54: »La fusione della dottrina politica e della letteraria che noi desiderammo negli storici tutti della nostra letteratura.« Dieser »Discorso preliminare« w u r d e in der 2. A u f l a g e , Storia della letteratura italiana, 2 B ä n d e , Florenz, 1855, unterdrückt. 4 1 . Lezioni

di letteratura italiana, hrsg. v . Valentino Piccoli (3 B ä n d e T u r i n , 1927), 1, 1 7 :

»La lotta della Chiesa col potere civile, c o n l'arte, c o n la scienza, c o n la libertà, c o n la religione stessa.« Seite 21 : »La letteratura f u ghibellina, cercò m o l t e aspirazioni nel Paganesimo, si sollevò contra l'autorità della Chiesa, n o n v o l l e ubbidire m a ragionare, ed infine riuscì allo scetticismo.« 42. Ebd., 1, 70: »Frate cane, frate l u p o , frate sole, e suor luna.« 43. Ebd., 1, 1 1 4 : »II sorgere della ragione contro l'autorità.« V g l . S. 172. 44. Ebd., S. 202 ff., über Africa; 236 ff., über 45. Giornalismo

2, 257 ff., über Adone;

3, 1 5 3 — 5 6 , über G o l d o n i ;

j,

Grazie. e letteratura nell'ottocento,

S. 96: »un valente i t a l i a n o « . . . »ristabilire l'ar-

m o n i a tra gli scrittori e la moltitudine.« Seite 83 : »La poesia d e v e esprimere il sentim e n t o generale di un'epoca.« Seite 85: »forinola letteraria.« Seite 89: »Le lettere risorsero

spontanee e f e c o n d e insieme colle civili instituzioni.« Seite 90: »L'arte è

una ed i m m u t a b i l e nella sua essenza, e . . . i tempi possono bensì modificarla nelle sue manefestazioni, m a n o n ¡snaturarla, né falsarla.« 46. Ebd., S. 288 ff., über Conciliatore;

156 ff., über M a n z o n i ; 191 ff., über Pellico; 101 ff.,

über Grossi. D e r A u f s a t z über Foscolo in Prose e poesie scelte, hrsg. v . T u l i o Massarani (2 B ä n d e Mailand, 1888), 1, 1 9 7 — 2 7 0 . 47. »Della letteratura slava« (1847) u n d » D e l l ' A v v e n i r e dei p o p o l i slavi« (1852), in Prose, B a n d 2. D i e Informationsquellen scheinen deutsch z u sein. S c h u k o w s k i j erscheint verschrieben oder v e r d r u c k t als I n k o w s k y u s w . 48. D e r Essay über Prati in Giornalismo, 1 2 9 — 4 5 . Essays über N i c o l i n i u n d T o r t i in Prose, B a n d 1. Vieles v o n T e n c a s Literaturkritik liegt i m m e r n o c h in den S t ö ß e n der Rivista europea (1845—47) u n d Crepuscolo 49. Giornalismo.

(nach 1850) b e g r a b e n .

S. 243 : »desumere dalle "vicende esterne della nazione quelle cause di

grandezza e di decadimento l e t t e r a r i o . . . Q u e s t o materialismo storico, questa diffidenza dei grandi destini della letteratura.« Seite 273 : »ravvicinare, armonizzare g l ' i n telletti.« Seite 233: »Stromento attivo di s v i l u p p o estetico.« 18'

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BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

BIBLIOGRAPHIE KAPITEL 4: ENGLISCHE L I T E R A T U R K R I T I K Außer George Saintsburys History of Criticism und William K. Wimsatt und Cleanth Brooks, Literary Criticism: A Short History (New York, 1957), behandelt M. H. Abrams, The Minor and the Lamp: Romantic Theory and the Critical Tradition (New York, 1953) eingehend einige Schriftsteller der Zeit (Carlyle, Mill, usw.). Ian Jack, English Literature 1815—1832 (Oxford, 1963) richtet sein Augenmerk auf die Literaturkritik und enthält ein wertvolles Kapitel, »Interest in Foreign Literature and in Earlier English Literature.« Allgemeine Überlegungen finden sich in Jerome H. Buckley, The Victorian Temper: A Study in Literary Culture (Cambridge, Mass., 1952), Walter E. Houghton, The Victorian Frame of Mind (New Haven, 1957) und John Holloway, The Victorian Sage (London, 1953).

Wir besitzen keine Geschichte der englischen Literaturforschung oder Literaturgeschichtsschreibung dieser Periode. Einige Hinweise finden sich in Gerard O'Leary, English Literary History and Bibliography (London, 1928), einem unpretentiösen bibliographischen Handbuch und in Stephen Potter, The Muse in Chains (London, 1937), einem oberflächlichen Angriff auf den Literaturunterricht, der in dem Lob »King Saintsbury's« gipfelt. Zur Balladenforschung siehe Sigurd B. Hustvedt, Ballad Books and Ballad Men, Cambridge, Mass., 1930. Über Romanzen siehe Arthur Johnston, Enchanted Ground: The Study of Medieval Romance in the Eighteenth Century (London, 1964), das auch etwas über das frühe 19. Jahrhundert enthält. Über Hallam ein ausgezeichneter anonymer Aufsatz in Edinburgh Review, 72, (Oktober 1840), 194. Der Autor war Herman Merivale (1806—74). (Information von Walter Houghton.) Siehe die guten Bemerkungen in Emersons Journal, Band 8, S. 461 (1854).

ANMERKUNGEN KAPITEL 4: ENGLISCHE L I T E R A T U R K R I T I K 1. Das waren Essays in The Examiner (Januar—Mai 1831), neu herausgegeben mit einem einleitenden Essay von Frederick A. von Hayek (Chicago, 1942), S. 6: »Men have outgrown old institutions and old doctrines, and have not yet acquired new ones.« Seite 2 1 : »He is a theorist: and the word which expresses the highest and noblest effort of human intelligence is turned into a bye-word (sic) of derision.« 2. Siehe C. R . Decker, The Victorian Conscience (New York, 1952) zur Reaktion auf Balzac, Flaubert, Zola und Baudelaire in England. 3. Vgl. z. B. Ruskins Brief an Furnivall, 9. Juni 1854: »Until people are ready to receive all I say about art as 'unquestionable'... I don't consider myself to have any reputation at all worth caring about.« Works, hrsg. v. Cook—Wedderburn, 36, 169. 4. Harrison Ross Steeves, Learned Societies and English Literary Scholarship, New York. 1913-

B I B L I O G R A P H I E N UND

ANMERKUNGEN

III

5. Hrsg. v. Henry Southern, 14 Bände 1820—26; zweite Folge, 1827—28. Siehe bei Saintsbury, 3, 283—86, eine übertrieben günstige Darstellung. Seine Aufstellung der Mitarbeiter ist ungenau: es gibt kein Anzeichen für eine Mitarbeit Hartley Coleridges. Charles Wentworth Dilke (1789—1864) schrieb die meisten der Arbeiten über das Elizabethanische Drama und James Crossley (1800—83) die über die Prosa des 17. Jahrhunderts. 6. Außer Potter, Einzelheiten siehe bei C. H. Firth, The School of English Language and Literature: A Contribution to the History of Oxford Studies, Oxford, 1909; und R . W. Chambers, Philologists at University College, London, 1927. 7. Siehe Eleanor F. Adams, Old English Scholarship from 1566—1800, New Haven, 1917. 8. Siehe Bruce Dickins, »John Mitchell Kemble and Old English Scholarship« in Proceedings of the British Academy, 25, (1939), S. 51—84; und Marvin C. Dilkey und H. Schneider, »John M. Kemble and the Brothers Grimm«, Journal of English and Germanic Philology, 40 (1941), 461—73. 9. Ancient English Metrical Romances (London, 1802), 1, X X X I I I : ».. .legends and fables constantly fabricated for the same purpose, and with the same view: the promotion of fanaticism«. Siehe Bertrand H. Bronson, Joseph Ritson, Scholar-at-Arms, 2 Bände, Berkeley, Calif., 1938. Bronson überschätzt ihn stark; siehe meine Kritik in Philological Quarterly, 20 (1941), 184—87. 10. Specimens of Early English Metrical Romances, 3 Bände, London, 1805. 1 1 . W . J . Thomas schlug den Ausdruck »folklore« in Athenaeum, 22. August 1846 vor. 12. Siehe Hustvedt, Ballad Books and Ballad Men. 13. Wieder abgedruckt in W. C. Hazlitts Edition von Wartons History (London, 1871), 1, 32—33, 92. Seite 65: »popular fiction is in its nature traditive«. Price kennt die Gebrüder Grimm, Görres und Creuzer. 14. Viele Neudrucke der Elizabethanischen poetischen Miszellen wurden von Sir Samuel Edgerton Brydges und Thomas Park ediert. Über Brydges, einen seltsamen Enthusiasten, siehe Mary Catherine Woodworth, The Literary Career of Sir Samuel Edgerton Brydges, Oxford, 1935. Ancient Critical Essays upon English Poets and Poesy, hrsg. v. J. Haslewood (2 Bände London, 1811—15). Druckt Puttenham, Webbe usw. neu. 15. Über Marlowe, siehe C. F. Tucker Brooke, »The Reputation of Christopher Marlowe«, Transactions of the Connecticut Academy of Arts and Sciences, 25 (1922), 347—408. — Robert Greene, hrsg. v. A. Dyce, 1831. — Middleton, hrsg. v. A. Dyce, 1894. — Ford, hrsg. v. Henry Weber, 1 8 1 1 , und W. Gifford, 1827. — Webster, hrsg. v. A. Dyce, 1830. — Ben Jonson, hrsg. v. W. Gifford, 1816. — Beaumont und Fletcher, hrsg. v. H. Weber, 1812; George Darley, 1840; und A. Dyce, 1843—46. — Massinger, hrsg. v. W. Gifford, 1805. 16. Siehe A. H. Nethercot, »The Reputation of the 'Metaphysical Poets' during the age of Johnson and the 'Romantic Revival'«, Studies in Philology, 22 (1925), 81—132; Austin Warren, »Crashaw's Reputation in the 19th Century«, PMLA, 51 (1936), 769—85; Kathleen Tillotson, »Donne's Poetry in the 19th Century (1800—72)«, in Elizabethan andJacobean Studies Presented to F. P. Wilson (Oxford, 1959), S. 307—26; Joseph E. Duncan, The Revival of Metaphysical Poetry, Minneapolis, 1959. 17. Works. Including His Life and Correspondence, 4 Bände, London, 1836. Vieles über Brownes Reputation findet sich in O. Leroy, Le Chavalier Thomas Browne, Paris, I93I-

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BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

18. Siehe Louisa Stuart Costello, Specimens of the Early Poetry of France from the Time of the Troubadours and Trouvères to the Reign of Henri Quatre, London, 1835. Edgar Taylor, Lays of the Minnesinger, or German Troubadours, London, 1825; Taylor übersetzte auch Waces Chronicle (London, 1837) mit guten Reproduktionen der Tapisserie de Bayeux und die Grimmschen Märchen als German Popular Stories (2 Bände 1823—26) mit ausführlichen Anmerkungen. 19. Carys Übertragung ging die schlechte Übersetzung von Henry Boyd voraus, 3 Bände, 1802. Carys Inferno wurde in 2 Bänden, 1805—06, veröffentlicht; die ganze Göttliche Komödie in 2 Bänden, 1814. Über Cary siehe R . W. King, The Translator of Dante, London, 1925. 20. William Herbert, Select Icelandic Poetry, 2 Bände London, 1804—06; Henry Weber und R . Jamieson, Illustrations of Northern Antiquities, Edinburgh, 1814; George Borrow, Romantic Ballads, 1826. 21. Sir John Bowring, Specimens of the Russian Poets, 1820; — Servian Popular Poetry, 1827; — Specimens of the Polish Poets, 1827; — Poetry of the Magyars, 1830; — Cheskian Anthology, 1832; usw. 22. Sir William Jones' Übersetzung von Kalidasas Sakuntala geht zurück auf 1789. Horace H. Wilson (1786—1860) veröffentlichte Select Specimens of the Theatre of the Hindus, Kalkutta, 3 Bände 1826—27; und Edward William Lane verfertigte eine Übersetzung von 1001 Nacht aus dem Arabischen (The Thousand and One Night, 3 Bände London, 1839—41). 23. Chambers nennt das Buch »a textbook for those lectures on English literature, which are now given in so many institutions for mechanics and others.« Doch erhebt er den Anspruch, es sei »the only History of English Literature which has as yet been given to the world« (Vorwort). The Cyclopaedia of English Literature, weitgehend eine Anthologie, erschien zuerst 1844 in 2 Bänden. 24. Ich zitiere den Neudruck, London, 1876 in 4 Bänden: 1, 67: »If there are no great writers at a certain time and place, we must simply ascibe . . . a pause in natural fertility.« Seite 164: »Nature does not think fit to produce them.« 4, 3 3 1 : ».. .the scarcity of original fiction in England of the 17th century was so great as to be inexplicable by any reasoning.« 25. Ebd., 3, 243 : ».. .we narrow our definition of poetry too much if we exclude from it the versification of good sense and select diction.« Seite 290: »It will not convert bad writing into good to tell us, as is perpetually done, that we must place ourselves in the author's position and make allowances for the taste of his age, or the temper of his nation.« 4 229: »our old writers«. 3, 315, 264: »it is impossible not to wish that Shakespeare had never written his Sonnets.« 26. Ebd., 3, 241—42, 255—56, 289; 2, 227; 3, 343: »second to Shakespeare.« 27. Ebd., 3, 226: ».. .general diffusion of classical knowledge.« ».. .the first writer who eminently possessed a genuine discernment and feeling of antiquity.« Seite 349: ».. .sophistical theories which assume a causal relation between any concomitant events.« 28. Band 1, XI—XIII: »...almost imperceptibly deviated into the morality, by the gradual intermixture of allegory with sacred history« ».. .gave way to tragedy and comedy, by the introduction, from time to time, of characters of actual life, or supposed to be drawn from it.«

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

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29. 1815 hrsg., Band 2, 157—58: »From the very nature of domestic fiction, i. must vary with the forms and habits and customs of society, which it must picture as they occur successively.« BIBLIOGRAPHIE: C A R L Y L E

Ich zitiere die Centenary Edition (30 Bände London, 1896—99) als Works, die Essays (5 Bände) als E, Heroes and Heroworship als HH, Past and Present als PP, German Romance als GR, Auch: Lectures on the History of Literature, hrsg. v. J. R . Greene (New York, 1892), als LHL. Carlyle's Unfinished History of German Literature, hrsg. v. Hill Shine (Lexington, Ky., 1951), als HGL. Two Note Books, hrsg. v. C. E. Norton (New York, 1898), als TN. Reminiscences, hrsg. v. C. E. Norton (London, 1932), als Rem. Collectanea, hrsg. v. S. A. Jones (Canton, Pa., 1953), enthält eine frühe Besprechung von Faust (1822). Die weitläufige Korrespondenz, besonders mit Emerson, J. S. Mill und J . Sterling enthält viele literarische Meinungsäußerungen, die auch von Gesprächspartnern wie zum Beispiel Sir Charles Gavan Duffy (Conversations with Carlyle, New York, 1892) oder F. Espinasse (Literary Recollections, New York, 1893) berichtet werden. Die Forschungsliteratur ist endlos, wenn es auch wenig über die Literaturkritik gibt. F. W . Roe, Thomas Carlyle as a Critic of Literature (New York, 1910), ist brauchbar, wenn auch falsch in seinen Schlußfolgerungen. Über Beziehungen zu den Deutschen: C. F. Harold, Carlyle and German Thought: 181g—1834 (New Haven, 1934), ist am besten. Vgl. Werner Leopold, Die religiöse Wurzel von Carlyles literarischer Wirksamkeit dargestellt an seinem Aufsatz »State of German Literature« (1827), Halle, 1922. Eine ausgezeichnete deutsche Arbeit. Ein guter Abschnitt in Jean-Marie Carré, Goethe en Angleterre (Paris, 1920), S. 101—87. Zu einigen Einzelheiten siehe: B. H. Lehman, Carlyle's Theory of the Hero, Durham, N. C., 1928. Hill Shine, Carlyle's Fusion of Poetry, History and Religion by 1834, Chapel Hill, N. C., 1938. Hill Shine, Carlyle and the Saint-Simonians, Baltimore, 1941. Hill Shine, Carlyle's Early Reading to 1834, University of Kentucky Libraries, Occasional Contributions, No. 57, Lexington, Ky., 1953. Führt 3184 Posten auf. Louis Merwin Young, Thomas Carlyle and the Art of History, Philadelphia, 1939. In John Holloway, The Victorian Sage, London, 1953, findet sich ein ausgezeichnetes Kapitel über Carlyles Rhetorik und Terminologie. Viele weitere Hinweise und Erörterungen verwandter Fragen finden sich in meinen älteren Schriften: 1. »Carlyle and German Romanticism«, in Xenia Pragensia (Prag, 1929), S. 375—403. 2. Ein Abschnitt meines Buches Kant in England (Princeton, 1931), S. 183—202. 3. »Carlyle and the Philosophy of History«, Philological Quarterly, 23 (1944), 55—76, weitgehend eine Besprechung von Hill Shine und Mrs. Young. (No. i und 3 neu abgedruckt in meinem Buch Confrontations, Princeton, 1965).

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BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

ANMERKUNGEN: CARLYLE 1. V g l . z. B . , Life of John Sterling, S. 1 9 2 : »might makes right.« 2. V g l . seine H a l t u n g g e g e n ü b e r den Iren, zur polnischen Frage, g e g e n ü b e r d e n T s c h e chen u n d besonders g e g e n ü b e r den N e g e r n , z. B . in der A f f a i r e v o n G o u v e r n e u r E y r e . Siehe auch seine Z u s t i m m u n g z u m O p i u m k r i e g (PP,

S. 267).

3. D a s Manuskript der History of German Literature, j e t z t in der B i b l i o t h e k der Y a l e U n i v e r s i t y , w u r d e v o n Hill Shine, L e x i n g t o n , K y . , 1951, ediert. N u r die einleitenden Abschnitte haben" einigen kritischen W e r t . Es erscheint seltsam, d a ß (History

Saintsbury

of Criticism, 5, 497 A n m . ) die mittelalterlichen Essays als die besten h e r -

vorhebt. 4. F r o h w a l t K ü c h l e r , Carlyle

und Schiller

(Halle, 1902), u n d »Carlyle u n d Schiller«,

Anglia, 26 (1903), 1 — 9 3 , 393—446, untersucht die B e z i e h u n g sehr genau, z. B . die Verwendung von Doerings Biographie. 5. E, 2, 198: »Often, it seems to us, as i f poetry w e r e , o n the w h o l e , n o t [Schiller's] essential g i f t ; as i f his genius w e r e reflective in a still higher degree than creative, philosophical and oratorical rather than poetic.« 6. Collectanea,

88: »with the head o f a sceptic and the heart o f a devotee«, Seite 78:

»some French philosophe

o f the last century.«

7. Siehe Early Letters, hrsg. v . C . E. N o r t o n (London, 1886), S. 283—84, 286 (»Goethe the greatest genius and the greatest ass«), 307—08, 312, u n d das V o r w o r t z u

Wilhelm

Meister, 1, 10. V g l . C . T . C a r r , »Carlyle's Translations f r o m the German«,

Modern

Language Review, 42 (1947), 2 2 3 — 3 2 ; und O . M a r x , Carlyle's

Wilhelm

Translation of

Meister, B a l t i m o r e , 1925. 8. Wilhelm Meister, 1, 6: » . . . r o m a n c e interest«, »milksop hero«; Seite 8: »the greatest genius in o u r times.« 9. Ebd., S. 28: ». . .a teacher and a reverencer; n o t a destroyer, b u t a builder-up.« 10. E, 1, 1 7 3 : » . . .strange, piquant, quite peculiar c h a r m o f these imitations o f the old Grecian style«, Seite 195: » . . . a phantasmagoric region w h e r e s y m b o l and thing signified are n o longer clearly distinguished.« 11. E, 1, 244: » . . . e m b l e m a t i c intellect; his perpetual never-failing tendency to transform into shape, into life, the feeling that m a y d w e l l in him.« 12. E, 2, 438: »warm, hearty, sunny h u m a n Endeavour«, » . . .figurativeness w h i c h lies in the v e r y centre o f his being.« 13. E, 2, 449: » . . . p h a n t a s m a g o r y , w h e r e i n things the most heterogeneous are, w i t h h o m o g e n e i t y o f figure, e m b l e m e d forth.« 14. G o e t h e zu E c k e r m a n n , 25. Juli 1827, Gespräche, hrsg. v . H o u b e n , 508. 15. E, 1, 12, 1 9 : »wild complicated Arabesque.« 16. GR, 2, 1 2 1 : » . . . l i v i n g and l i f e - g i v i n g , rather than a beautiful o r s y m m e t r i c a l order.« 17. E, 1, 1 7 : »inverse sublimity«, »essence is love«. C a r l y l e scheint sich a u f Jean Pauls Erörterung des H u m o r s in Vorschule der Ästhetik,

hrsg. v . W u s t m a n n , S. 173, zu

stützen. 18. GR,

2, 1 2 7 — 2 8 : »His m o v e m e n t is essentially s l o w and c u m b r o u s , f o r he advances

n o t w i t h o n e faculty, but w i t h the w h o l e m i n d ; w i t h intellect, and pathos, and w i t ,

BIBLIOGRAPHIEN

19. 20. 21.

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27. 28.

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35. 36. 37.

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ANMERKUNGEN

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and humour, and imagination, moving onwards like a mighty host, motley, ponderous, irregular, and irresistible.« E, 2, 100: »Philosophy and Poetry are not only reconciled, but blended together into a purer essence, into Religion.« Seite 123: »Christian greatness«. GR, 1, 261. Einige Hinweise auf die Gebrüder Schlegel z. B. in Schiller, 36, 169, oder Wilhelm Meister, 1, 7, in E, 1, 24, 77, 144, 351. In E, 1, 80, schreibt Carlyle fälschlich August Wilhelm eine Passage Friedrich Schlegels zu. Tatsächlich ist Friedrich Schlegels »Zeitgeist« der Störenfried der Ewigkeit, gleichbedeutend mit dem Satan. Siehe Werke (2. Aufl. 1846), 15, 88—92. GR, 1, 264. Brief vom 12. Juli 1843, in Froude, Life in London, 1, 258. Für eine ausführlichere Diskussion von Carlyles Beziehung zu Tieck (sie trafen sich im Jahre 1852) siehe E. Zeydel, Ludwig Tieck and England, Princeton, 1931. TN, S. 140: ».. .as an Anti-Mechanist — the most perfect of modern spirit seers.« Siehe C. F. Harrold, »Carlyle and Novalis«, Studies in Philology, 27 (1930), 47—63. E, 2, 43: »a degree of languor, not weakness, but sluggishness.« ».. .speaks in a lowvoiced, not unmelodious monotony.« Seite 52: »He sits, we might say, among the rich, fine combinations which his mind almost of itself presents h i m . . . « »Asiatic«. GR, 2, 19: »In fact, he elaborated nothing: above all, not himself.« Vgl. Dichtung und Wahrheit, in Werke, J.-A., 25, 60—61. E, 1, 366: »small vein of tenderness and grace«, »...harmless tragedy... without any discernible coherence.« Es wird jeden Leser des heftig für Habsburg Partei ergreifenden Ottokar erstaunen, von Carlyle zu hören, daß Grillparzer »seems to be an Austrian« (E, 1, 361). Siehe die Bücher von Hill Shine und Mrs. Young und meinen Aufsatz, »Carlyle and the Philosophy of History«, zitiert in der Bibliographie. Vgl. E, 2, 76: »Man is not the product of his circumstances but, in a far hihger degree, the circumstances are the product of the man.« und 1, 353. E, 1, 39: ».. .transposition into the authors' point of vision«; und 2, 50: ».. .manner of thought, till he sees the world with his eyes, feels as he felt and judges as he judged.« E, 3, 46: ».. .we partially and for the time become the very Painter and the very Singer.« 57: » . . . an open loving heart which is the beginning of all knowledge...«; Froude, Life in London, 1, 231: »a blazing radiant insight into the fact«; HH, 57: »To know; to get into the truth of anything, is ever a mystic act.« £ , 1 , 2 5 3 : » . . . what the poet's aim really and truly w a s . . . « » . . . no man can pronounce on the faults till he has seen the very last and highest beauty.« E, 1, 54: ».. .space for all true singers out of every age and every clime.« 2, 337: »free literary intercourse with other nations«, Seite 369: »...World Literature, instead of isolated, mutually repulsive National Literatures.« GR, 1, 4: »Germanhood I have all along regarded as a quality, not a fault...« » . . . every nation has its own form of character and life.« E, 1, 290: ».. .in water but in mould, and with the true racy virtues of the soil and the climate«. Seite 288: ».. .had nothing truly Scottish, nothing indigenous«. E, 2, 341—42: ».. .no theorem of Germany and its intellectual progress...« ».. .a portraiture of the national mind«. »The History of a nation's Poetry is the essence of

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ANMERKUNGEN

its History, political, economic, scientific, religious. W i t h all these the complete Historian of a national Poetry will be familiar; the national physiognomy, in its finest traits, and through its successive stages of growth will be clear to him; he will discern the grand spiritual Tendency of each period, what was the highest A i m and Enthousiasm of mankind in each, and how each epoch naturally evolved itself from the other. He has to record the highest A i m of a nation, in its successive directions and developments; for by this the Poetry of the nation modulates itself; this is the Poetry of the nation.« 38. HGL, S. 6—9: ».. .the truest emblem of the national spirit and manner of existence« »the essential life of the nation« » . . . decipher and portray the spiritual form of the nation at each successive period« ».. .hidden inward structure of that nation.« 39. E, 1, 351: »new epoch in classical studies«. 40. E, 1, 51—52: » . . . w i t h the qualities of diction, the coherence of metaphors, the fitness of sentiments, the general logical truth in a work of art.« ».. .the peculiar nature of the poet from his poetry« ».. .properly and ultimately with the essence and peculiar life of the poetry itself.« »Wherein lies that life; how have [the plays] attained that shape and individuality ? . . . Are these dramas of his [Shakespeare] not verisimilar only, but true; nay, truer than reality itself, since the essence of unmixed reality is bodied forth in them under more expressive symbols? What is this unity of theirs; and can our deeper inspection discern it to be indivisible, and existing by necessity?... What and how was the poem, and why was it a poem and not rhymed eloquence, creation and not figured passions?» 41. E, 1, 53. 42. E, 3, 178: »Poetry is nothing but higher Knowledge«; 1, 314: ».. .another form o f Wisdom.« 2, 377: ».. .whose eye has been gifted to discern the godlike Mystery o f God's Universe, and decipher some new lines of its celestial writing . . . for he sees into the greatest of secrets, 'the open secret'«. 43. E, 2, 437: »He does not look at a thing, but into it, through it; so he constructively comprehends it, can take it asunder, and put it together again; the thing melts, as it were, into light under his eye, and anew creates itself before h i m . . . For Goethe, as for Shakespeare, the world lies all translucent, all fusible w e might call it; the Natural in reality is the Supernatural... What are the Hamlets and Tempests, the Fausts und Mignons, but glimpses accorded us into this translucent, wonder-encircled world; revelations of the mystery o f all mysteries, Man's Life as it actually is? 44. E, 1, 255: »the essence of all science« ».. .at incorporating the everlasting Reason o f man in forms visible to his Sense.« 45. E, 3, 227—28: »living, real Encyclopaedia« » . . . t h e whole world lies imaged as a whole within him.« 46. E, 1, 245: »Philina and Clärchen, Mephistopheles and Mignon, are alike indifferent, or alike dear...« ».. .a Voice coming to us from the Land of Melody.« ».. .the Witness; we hear and believe, but do not behold h i m . . . « » . . .painted nothing else than himself, be his subject what it might.« 47. E, 3, 78: »The poet should inform the Finite with a certain Infinitude of significance.« Vgl. E, 1, 27, w o sich Carlyle beklagt, daß Franz Horn zu oft von »representing the Infinite in the Finite« spreche.

B I B L I O G R A P H I E N UND

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ANMERKUNGEN

48. E, 1, 2 7 7 — 7 8 , 208, 284: » . . .a real self-supporting W h o l e , w h i c h is the highest merit in a poem.« 49. E, 1, 2 5 3 : »no leaf, n o b o u g h superfluous.« 50. HH, S. 90: » . . . f o r b o d y and soul, w o r d and idea, g o strangely together.« Meister, 1, 26: »language is the express i m a g e o f t h o u g h t , o r rather it is the b o d y o f w h i c h t h o u g h t is the soul.« 51. E, 2, 3 7 7 : » . . .a m a g i c f o r m u l a , w h e r e b y m a n rules the w o r l d . « 5 1 : »a real n a m e w i t h meaning«. 52. B r i e f an J. Sterling, 9. Juni 1837, in Letters to Mill,

S. 203: »Those p o o r people seem

t o think a style can be p u t o f f o r p u t o n , n o t like a skin b u t like a coat.« 53. Sartor, S. 1 7 5 : » . . . c o n c e a l m e n t and y e t revelation . . . e m b o d i m e n t and y e t revelat i o n o f the Infinite; the Infinite is m a d e t o blend itself w i t h the Finite, to stand visible, and is as it w e r e , attainable there.« Seite 1 7 9 : »The Poet, Prometheus-like, shapes n e w symbols.« 54. E,

2 5 0 — 5 1 : »All H i s t o r y and all P o e s y is but a deciphering o f the B i b l e o f W o r l d

History o u t o f that m y s t i c heaven-written Sanscrit.« 55. HH, S. 9 7 : » . . . a n emblematic representation o f his B e l i e f about the Universe.« 56. HH,

S. 83: »music« »musical thought« » . . .a m e l o d y w h i c h leads us to the e d g e o f

the Infinite«; LHL, 57. E,

S. 10: »the essence o f art and science«; HH,

S. 90; LHL,

S. 22.

49: »Fiction partakes, m o r e than w e suspect, o f the nature o f lying.«

58. E, 3, 5 4 — 5 6 : » H o w impressive the smallest historical fact m a y b e c o m e , as contrasted w i t h the grandest fictitious event.« »No, n o m y girl, it w o n ' t do.« »Do but consider that it is true; that it did in v e r y deed occur!« 59. PP, S. 46: » . . .tredecim sterlingii, i f n o t h i n g m o r e , and did live and l o o k in o n e w a y o r the other, and a w h o l e w o r l d w a s l i v i n g and l o o k i n g a l o n g w i t h h i m . T h e r e , w e say, is the grand p e c u l i a r i t y ; the immeasurable o n e ; distinguishing, to a really infinite degree, the poorest historical Fact f r o m all Fiction whatsoever.« 60. Letters to Mill,

13. Juni 1833, S. 57: »This w e r e w h a t I should call the highest k i n d

o f w r i t i n g , far higher than any k i n d o f Fiction e v e n o f the Shakespeare sort. For m y o w n share I declare I n o w e n j o y n o other P o e m than the d i m , s h a d o w y as y e t o n l y possible P o e m , that hovers f o r m e in e v e r y seen Reality.« 6 1 . E, 3, 100: »Whatsoever has existed has its v a l u e : w i t h o u t s o m e truth and w o r t h l y i n g in it, the thing could n o t h a v e h u n g together, and been the o r g a n and sustenance, and m e t h o d o f action, f o r m e n that reasoned and w e r e alive.« Seite 56: »The Past is all h o l y to us; the D e a d are all h o l y , e v e n they that w e r e base and w i c k e d w h i l e alive.« 62. Sartor, S. 2 2 1 — 2 2 : »fashionable novels«; Latter-day Pamphlets,

S. 8 1 — 8 2 : »A n e w

astonishing P h a l l u s - W o r s h i p , w i t h universal B a l z a c - S a n d melodies and litanies in treble and in bass.« D a s Manuskript eines unvollendeten Aufsatzes, der

George

Sand angreift, ist i m Besitz v o n Professor Frederick W . Hilles der Y a l e U n i v e r s i t y . 63. Sir Charles G . D u f f y , Conversations

with Carlyle

(New York,

1892), S. 7 5 — 7 6 .

C a r l y l e s A b n e i g u n g g e g e n D i c k e n s ist hauptsächlich ideologisch b e g r ü n d e t : »His t h e o r y o f life w a s entirely w r o n g . H e t h o u g h t m e n o u g h t to be buttered up, and the w o r l d m a d e soft and a c c o m m o d a t i n g t o t h e m , and all sorts o f f e l l o w s h a v e t u r k e y f o r their Christmas dinner.« C a r l y l e b e v o r z u g t e T h a c k e r a y , denn »he has m o r e reality in h i m , and w o u l d cut u p into a dozen Dickenses.«

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BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

64. Latter-day, S. 322: »Fiction, even in the Fine Arts, is not permissible at all.« 65. Rat an beide Brownings, an Tennyson, Emerson usw. (Correspondence, 2, 152). Theorie wird verurteilt in LHL, S. 188. Carlyle argumentiert, daß es keine Theorie gebe außer der der Planeten. »All theory becomes more and more confessedly inadequate, untrue, unsatisfactory, almost a kind of mockery to me!« (Brief an Emerson vom 26. September 1840, in Correspondence, 1, 330). Vgl. einen Brief vom 28. August 1841: »It is many years since I ceased reading German or any other metaphysics and gradually came to discern that I had happily got done with that matter altogether... Metaphysics is but a kind of disease. We shall never know 'what we are'« (in Espinasse, Literary Recollections, 58—60). Vgl. »The study of metaphysics, I say, had only the result... at last, to deliver me altogether out of metaphysics« (LHL, S. 214). Carlyle äußerte schon früh eine Abneigung gegen Ästhetik. Siehe TN, S. 41, wo er sich beklagt über Schillers und Goethes »palabra about the nature of the fine arts. Did Shakespeare know ought of the aesthetic? did Homer?« Vgl. »Goethe-and-Schiller's Kunst has far more brotherhood with Pusey-and-Newman's Shovelhattery, and other the like deplorable phenomena, than it is in the least aware of«. An Emerson, 2. März 1847, Correspondence, 2, 153. 66. E, 5, 25: »disimprisoned soul of fact«; j, 79. 67. E, 5, 25: »nothing of a fiction«; LHL, S. 21—22; E, 3, 26; Latter-day, S. 322—26. 68. E, 4, 26. 69. Brief an Sterling, 21. November 1842, Letters to Mill, S. 263—64: »Wherever I go or stand, I find the inarticulate dust of Poets, (of Makers, Inventors, great struggling souls, who never higgled for Copyright in the R o w , and merely tended towards Heaven and God, and from Hell and the Devil); and I say to myself 'There have been millions and millions of Poets, and hundreds of them have been Shakespeares, perhaps thousands, or a higher ratio, since Adam first put on fig-breeches'.« 70. E, 4, 49: »The uttered part of a man's life bears to the ununttered unconscious part a small unknown proportion.« Vgl. auch E, 3, 10, 234: ».. .thin rind of the Conscious covers the deep fathomless domain of the Unconscious.« Seite 40: »From that mystic region, and from that alone, all wonders, all Poesies, and Religions, and Social Systems have proceeded.« 71. LHL, S. 52: »fatal consciousness«. 72. E, 75: »unconscious talent«. 73. E, 4, 40: »Perhaps our greatest poets are the mute Miltons.« 74. E, 1, 290—91: »Far more interesting than any of his written works are his acted ones.« 3, 45: »In the Art we can nowise forget the artist...« 2, 100: ».. .poem is equal to its poet.« 75. Sterling, S. 55: »om-m-mject« »sum-m-mject«, Seite 57: »a moaning singsong of theosophico-metaphysical monotony«; Journal, 26. Mai 1835, in Froude, Life in London, 1, 38: ».. .a helpless Psyche overspun with Church of England cobwebs; a weak, diffuse weltering, ineffectual man.« 76. Duffy, Conversations, S. 55: ».. .a man of immense head and great jaws like a crocodile's, cast in a mould designed for prodigious work.« Vgl. Rem, S. 2 5 1 ; Rem, S. 357: ».. .a rather dull, hard-tempered, unproductive and almost wearisome kind of man.« An Emerson, 13. Mai 1835, Correspondence, 1, 72: »Franker utterance of mere garrulities and even platitudes I never heard from any man.« Rem, S. 359:

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

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»a natural man« » . . .with a fine rustic simplicity and dignity about him.« V g l . Leiters to Mill,

S. 1 1 2 ; Letters 1826—36, S. 505. M a n achte, daß W o r d s w o r t h in einem

Sonnet »Portentous change, w h e n H i s t o r y . . . « (in Poetical Works, hrsg. v. D e Selincourt, 4, 130) auf Carlyle als »Power's blind Idolator« anspielte. 77. Rem, S. 65: » . . .the leanest o f mankind, with spindle l e g s . . . o f a J e w type rather, spoke with a stutter; in walking tottered and shuffled; emblem o f imbecility, bodily and spiritual (something o f real insanity I have understood) and yet something too o f humane, ingenuous, pathetic, sportfully much-enduring.« »Usually ill-mannered (to a degree), screwed into frosty artificialities, ghastly make-believe o f wit.« 78. A n Emerson, 1. April 1840, Correspondence, 1, 303—04: » . . .a tall, broad, burly man, with grey hair, and large, fierce-rolling eyes: o f the most restless, impetuous vivacity, not to be held in by the most perfect breeding — a wild man, w h o m n o extent o f culture had been able to tame.« Froude, Life in London, 2, 42: » . . .a proud, irascible, trenchant, yet generous, veracious, and dignified old man, quite ducal or royal in the temper o f him.« 79. A n Mill, 18. April 1833, Letters to Mill,

S. 48: » . . .one o f the prettiest talkers I ever

heard: o f great, indeed diseased acuteness, not without depth, o f a fine sense too, but no breadth, n o justness, weak, diffuse, supersensitive; on the whole, a perverted, ineffectual man.« »One o f the most irreclaimable Tories n o w extant; despising Poverty with complete contempt; and himself, alas, poorer than ever Job was w h o at worst never got gazetted.« 80. Rem, S. 358: ».. .divine reflections and unfathomabilities are stinted, scanted; palish and uncertain; — perhaps in part a feeble reflex (derived at second hand through Coleridge) o f the immense German fund o f such?« V g l . Journal, 26. M a i 1835, in Froude, Life in London, 1, 38, und Espinasse, 69—79. 81. E, 1, 313: »His morality is that o f a mere worldly man; enjoyment, in a finer or coarser shape, is the only thing he longs and strives for.« Seite 283: »We can look on but f e w o f theses pieces as, in strict critical language, deserving the name o f Poems; they are rhymed eloquence, rhymed pathos, rhymed sense; yet seldom essentially melodious, aerial, poetical.« 82. E, 1, 283—84: » . . . m e r e drunken phantasmagoria, a piece o f sparkling rhetoric.« 83. Ü b e r den geplanten Essay über Thomas Moores Life of Byron, siehe Selections front the Correspondence of Macvey Napier (London, 1879), S. 96. Wesentliche Passagen in »Wotton Reinfred«, Last Words of Thomas Carlyle (London, 1892), S. 95. In dem Essay über Goethe, 1 , 2 1 8 , über Burns, E, 1,269, 3 1 5 — 1 6 , über Scott 4, 53. Günstigere Ansichten in frühen Briefen. 84. E, 4, 59: » . . . f e e l i n g s w h i c h arise f r o m passion incapable o f being converted into action.« 85. Sartor, 153: »Close T h y B y r o n , open T h y Goethe.« 86. E, 1, 193 A n m . 87. E, 4, 38: » . . .robust, thoroughly healthy and withal very prosperous and victorious man.« 88. E, 4, 35: »His life was w o r l d l y ; his ambitions were worldly. There is nothing spiritual in h i m ; all is economical, material, o f the earth earthy.« Seite 72: » . . . m u s t kill himself that he may be a country gentleman, the founder o f a race o f Scottish lairds.« Seite 73: » . . .make L 15, 000 a-year, and buy upholstery with it.«

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BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

89. E, 4, 36: »The great Mystery o f Existence was not great to him.« »One sees not that he believed in anything.« Seite 55: »substantial, peaceable, terrestial man« Seite 54: ».. .no message whatever to deliver to the world.« 90. E, 4, 33: »theatrical scene-paintings«. Seite 75: »He fashions his characters f r o m the skin inwards, never getting near the heart o f them.« Seite 77: ».. .buff-belts and all manner o f jerkins and costumes are transitory; man alone is perennial.« 91. E, 3, 31: »Hear a Shelley filling the earth with inarticulate wail; like the infinite, inarticulate grief and weeping o f forsaken infants.« 92. Brief an Browning, 8. März 1853, Letters to Mill, 292: »Shelley always seemed to me an extremely weak creature, and lamentable more than admirable. W e a k in genius, weak in character (for these t w o always go together); a poor, thin, spasmodic, hectic, shrill and pallid b e i n g . . . his universe is all vacant azure, hung with a f e w frosty mournful if beautiful stars; the very voice of him (his style, etc.) shrill, shrieky, to m y ear has too much o f the ghost.« 93. E, 1, 277: » . . . w e a k - e y e d maudlin sensibility, and a certain vague random tunefulness o f nature...«. 94. Journal 1848, zitiert in D . A . W i l s o n , Carlyle at his Zenith (London, 1927), S. 15: »The kind o f man that Keats was gets ever more horrible to me. Force o f hunger for pleasure o f every kind, and want o f all other force — such a soul, it would once have been very evident, wasachosen 'vessel o f Hell'.« 95. LHL, S. 176, 179: ».. .for the immense love o f things around him.« 96. LHL, S. 177; E, 3, 134; LHL, S. 183: »a heroic, silent man«.« 97. LHL, S. 181: »one o f the greatest heroes«; HH, S. 178: »one o f our great English souls.« 98. HH, S. 182—83: »the indisputable traces o f a great intellect and a great heart« »a wondrous buckram style«. 99. E, 3, 70: »open loving heart« Seite 75: » . . .ingenuity, a figurativeness and fanciful sport, with glimpses o f insight far deeper than the c o m m o n . . . « Seite 69: »a gross liver, a vain, heedless babbler, a coxcomb« Seite 70: »sensuality, pretension, boisterous imbecility«. 100. E, 3, 120: »the Prophet of the English.« 101. HH, S. 184—86: »a morbid, excitable, spasmodic, mean, v a i n . . .«»a spark o f heavenly fire«. 102. E, 1, 405, 410: »keen sense o f rectitude.« Seite 4 1 1 : »a perfectly civilized man.« Seite 414: ».. .positively shallow. W e find no heroism o f character in him, f r o m first to last; nay, there is not, that w e k n o w of, one great thought in all his six-and-thirty quartos.« Seite 426: »He is no great Man, but only a great Persiüeur.« 103. E, 1, 446, 452, 461: »taste«. 104. E, 3, 185, 201: »the beastliest of all past, present or future dull novels.« Seite 244—45. Goethe fertigte eine teilweise, mit kritischen Anmerkungen durchsetzte Übersetzung des Essai sur la peinture (1795) an (siehe Werke, J.-A., 33, 205—61, 318). BIBLIOGRAPHIE: DE QUtNCEY Ich zitiere The Collected Writings, hrsg. v. D . Masson (14 Bände London, 1896), als M . Auch The Posthumous Works, hrsg. v. Alexander H.Japp (2 Bände London, 1891), als

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

Japp. E d w a r d Sackville W e s t , Thomas De Quincey, His Life and Work (Titel der englischeil A u s g a b e : A Flame in Sunlight) ( N e w H a v e n , 1936), enthält einen kurzen Ü b e r b l i c k über die Literaturkritik. S i g m u n d K . Proctor, Thomas De Quincey's

Theory of Literature (ann A r b o r , 1943), schätzt

D e Q u i n c e y s B e d e u t u n g übertrieben h o c h ein. J o h n E. Jordan, Thomas De Quincey, Literary Critic: His Method and Achievement

(Berkeley,

1952), ist die beste detaillierte Analyse. J o h n E. Jordan, De Quincey to Wordsworth: A Biography of a Relationship,

B e r k e l e y , Calif.,

1962. U n t e r den Essays siehe Leslie Stephens scharfe kritik in Hours in a Library, B a n d 1, L o n d o n , 1874; Saintsburys in Essays in English Literature (1780—1860), L o n d o n , 1890; die Broschüre v o n J. H . F o w l e r , De das Kapitel in A . E. P o w e l l ,

Quincey

as Literary Critic, English Association,

The Romantic

Theory

of Poetry,

1922;

L o n d o n , 1926; meinen

A u f s a t z »De Q u i n c e y ' s Status in the History o f Ideas«, Philological

Quarterly, 23 (1944),

2 4 8 — 7 2 , eine erweiterte Besprechung v o n Proctors B u c h , n e u a b g e d r u c k t in

Confronta-

tions, Princeton, 1965; J o h n E. Jordan, »De Q u i n c e y o n W o r d s w o r t h ' s T h e o r y o f Diction«, PMLA,

68 (1953), 7 6 4 — 7 8 . Hillis Miller, The Disappearance of God ( C a m b r i d g e , Mass.,

!963), enthält ein bemerkenswertes Kapitel über D e Q u i n c e y , S. 1 7 — 8 0 . A N M E R K U N G E N : DE QUINCEY 1. Stephen, Hours in a Library, L o n d o n , 1 8 9 9 . 1 , 2 6 0 : » . . .the adjective o f w h i c h C o l e r i d g e w a s the substantive.« 2. Japp, 2, 1 7 : »absolutely unrivalled o n earth«. 3. M , 2, 1 4 2 — 4 7 , 226—28. V g l . Japp, 2, 3 2 — 3 4 . 4. M , 13, 1 9 5 — 9 6 : » . . . t h e ancient mariner had slain the creature that, o n all the earth, l o v e d h i m best. In the darkness o f his cruel superstition he had done it, t o save his h u m a n brothers f r o m a fancied inconvenience.« Eine Stelle in »The Spanish M i l i t a r y Nun.« 5. Japp, 2, 210, 26. 6. M , 10, 48 A n m . : »For most o f the sound criticism o n p o e t r y , o r any subject connected w i t h it that I h a v e ever m e t w i t h , I must a c k n o w l e d g e m y obligations to m a n y years' conversation w i t h M r . W o r d s w o r t h . « 7. Japp, 2, 2 1 0 : » . . . b e y o n d all comparison the subtlest and (not excepting e v e n the best o f the G e r m a n essays) the most finished and masterly specimen o f reasoning w h i c h has in any age o r nation been called forth b y any o n e o f the fine arts.« 8. M , 11, 325: »misconceiving his o w n meaning.« Für eine ausführlichere Erörterung siehe Jordan, PMLA

(1953), o b e n in der B i b l i o g r a p h i e angegeben.

9. M , 11, 294 (1845): »In the sense o f absolute and philosophic criticism, w e h a v e little o r n o n e ; f o r , b e f o r e that can exist, w e must h a v e a g o o d p s y c h o l o g y , whereas, at present, w e h a v e n o n e at all.« 10. M , 11, 8 8 — 8 9 : » . . .as forests teach, as the sea teaches, — viz. b y deep impulse, b y h i e r o g l y p h i c suggestion

. . . t h r o u g h s y m b o l s and actions.«

1 1 . M , 10, 48 A n m . : »an impulse f r o m the vernal wood«. 12. H o w e , Hrsg., Complete Works, 18, 8. »Science depends o n the discursive o r extensive



art o n the intuitive and intensive p o w e r o f the m i n d . . . In fact, w e j u d g e o f science b y the n u m b e r o f effects p r o d u c e d — o f art b y the energy w h i c h produces t h e m . T h e

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BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

one is k n o w l e d g e — the other power.« Ein A u f s a t z in d e m Morning Chronicle, Zuerst hingewiesen hat darauf Elisabeth Schneider, The Aesthetics of William

1814. Hazlitt

(Philadelphia, 1933), S. 45 A n m . 13. Siehe M , 11, 1 5 6 — 2 2 1 , u n d 4, 380—94. Ü b e r Herders »Kraft« siehe diese »Geschichte«, 1, 192. 14. M , 10, 48: »I say, w h e n these inert and sleeping f o r m s are organized, w h e n these possibilities are actualized, is this conscious and l i v i n g possession o f m i n e power, or w h a t it is?« 15. M , 4, 308. 16. M , 11, 5 5 — 5 6 : »deep s y m p a t h y w i t h truth« »exercise and expansion t o y o u r o w n latent capacity o f s y m p a t h y w i t h the infinite.« » . . . t o the great moral capacities o f man.« »the understanding heart.« »peace« »repose«. V g l . 5, 106; 10, 45 A n m . 17. M , 10, 108—09 A n m . : »art o f rejoicing in its o w n energies«; 5, 2 3 1 — 3 2 . 18. M , 10, 227: »manner is confluent w i t h the matter«, 229, 230: »incarnation o f thoughts«. 19. M , 10, 260: » . . .an absolute v a l u e . . .

quite distinct f r o m the value o f the subject

about w h i c h it is e m p l o y e d . « 20. M , 10, 94: »rhetoric«, 100, 104. 2 1 . M , 11, 1 7 : »coarse inartificiality«. 22. M , 5, 2 3 1 : »No m a n can be eloquent w h o s e thoughts are abrupt, insulated, capricious, and (to b o r r o w an impressive w o r d f r o m C o l e r i d g e ) non-sequacious.« 23. M , 5, 2 3 4 — 3 5 : »The g y r a t i o n w i t h i n w h i c h his sentiment wheels, n o matter o f w h a t k i n d it m a y be, is always the shortest possible. It does n o t p r o l o n g itself — it does n o t repeat itself — it does not propagate itself.« » . . .110 sense o f the r h y t h m i c a l in prose composition.« 24. M , 10, 164: »rhythm« »impassioned« »style« »organology« »mechanology«. 25. Proctor, S. 2 6 1 : »the most original contribution to rhetorical theory since Aristotle.« 26. M , 10, 105. 27. P r o c t o r , S. 1 6 7 : » . . . p r o f o u n d grasp o f w h a t m a y be called the organic conception o f literature.« M e h r in m e i n e m Essay in Philological N e u a b g e d r u c k t in Confrontations,

Quarterly, 23, (1944), 2 4 8 — 7 2 .

Princeton, 1965.

28. M , 2, 7 3 — 7 4 : » . . .has ascertained the t w o great and opposite l a w s under w h i c h the Grecian and the English t r a g e d y has each separately developed i t s e l f . . . « » . . .barely indicated the distinction o f Classical and R o m a n t i c « » . . .are n o t entitled to credit o f a n y discovery at all.« D e Q u i n c e y setzte h ä u f i g die G e b r ü d e r Schlegel herab: M , 4, 428; 8, 92; 10, 4 2 — 4 4 . 350; u , 5°. 227. 29. M , 11, 267, 270. 30. Lessing, » W i e die A l t e n den T o d gebildet« (1769); Herder, » W i e die A l t e n den T o d gebildet« (1786); Schillers Gedicht, »Die G ö t t e r Griechenlands« (1788) u s w . 31. M , 8, 210, 2 1 3 : »public nuisances«, »rattlesnakes«; 227, u s w . ; 6, 141. 32. M , 10, 302: » . . .uninventive Greece, f o r w e maintain l o u d l y that Greece, in her poets, was uninventive and sterile b e y o n d the e x a m p l e o f other nations.« 33. M , 10, 309, 313, 333; 8, 46: »by n o means remarkable f o r his opulence in ideas.« 34. M , 10, 359: » . . .represent life w i t h i n a life: a life sequestrated into s o m e f a r - o f f slumb e r i n g state, h a v i n g the severe tranquility o f Hades; a life s y m b o l i z e d b y the marble life o f sculpture; but utterly o u t o f all s y m m e t r y and p r o p o r t i o n to the realities o f that h u m a n life w h i c h w e m o d e r n s take u p as the basis o f our T r a g i c Drama.«

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

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35. M, 10, 194—95. Siehe diese Geschichte, 1, S. 223 ff und oben, S. 160 f. 36. M, 11, 143: »No section whatever of the French literature has ever availed to influence, or in the slightest degree to modify our own.« 37. M, 11, 61: ».. .that thing which they did they would have done though France had been at the back of China. The school to which they belonged was a school developed at a certain stage of progress in all nations alike... a school depending on the peculiar direction given to the sensibilities by the reflecting faculty and by the new phases of society.« 38. Aus »First Epistle of Second Book of Horace«, Vers 263—64: »We conquer'd France, but felt our captive's charms: Her Arts victorious triumph'd o'er our Arms.« De Quincey glaubt fälschlich, Pope beziehe sich auf den Sieg über die Franzosen durch Henry V. bei Agincourt im Jahre 1415 statt auf die Siege von Marlborough. M , 1 1 , 137 ff, vgl. 96—97. 39. M, 10, 342: »age of collapse«. 40. M, 11, 12ff., I 9 f f ; 4, 104—17; 1, 344; 4, 297; De Quincey and His Friends, hrsg. v. James Hogg (London, 1895), 1, 92, über Crabbe. 41. M, 11, 1 1 9 : »I admire him as a pyrotechnic artist for producing brilliant and evanescent effects out of elements which have hardly a moment's life within them.« 42. M, u, 34. 43. M, 11, 68—69, 83 : »a careless and indolent assenter« 84: ».. .he had drunk profoundly from the streams of Christian sentiment.« 44. M, 11, h i : »the license of a liar for the sake of some momentary and farcical effect«, 72: »incapable of a sincere thought or a sincere emotion«; 1 3 1 . 45. M, 11, 33: »by far his greatest work«, 95, 122: »a dream of drunken eclecticism«, 68. 46. Für neuere Auffassungen von Popes Kunst siehe z. B . Austin Warren, »Alexander Pope« in A Rage for Order (Chicago, 1948), S. 37—51; Maynard Mack, »Wit and Poetry and Pope«, in Pope and His Contemporaries: Essays Presented to George Sherburn (Oxford, 1949), S. 20—40; William K. Wimsatt, »Rhetoric and Poems: The Example of Pope« in English Institute Essays, 1948 (New York, 1949), S. 179—207. 47. M, 10, 274: »had studies nothing«; 5, 231: »had read nothing«; 8, 93: »never read a book in his life.« 48. Eine Sammlung von De Quinceys antifranzösischen Äußerungen gibt der Essay von Leslie Stephen, S. 254—65. Seit damals hat man einige späte Manuskriptnotizen für eine wohlwollendere Behandlung des französischen Dramas entdeckt: siehe »De Quincey on French Drama« in More Books, 14 (1939), 347—52. 49. M, a, 222—58, eine Besprechung von Carlyles Übersetzung in London Magazine (August, 1824). Der erste Teil, der Carlyles Übersetzung angreift und die übertriebensten Behauptungen über Goethes Unsittlichkeit und Stumpfheit usw. aufstellt, ist in M nicht neu abgedruckt. 50. M, 4, 418; 437. 51. M, 2, 225: »far inferior to Coleridge in power and compass of intellect...«».. .posterity will wonder at the subverted idol, whose basis, being hollow and unsound, will leave the worship of their fathers an enigma to their descendants.« 52. M, 11, 259—72 (1821). 53. Es ist daher unmöglich, mit Clarence D. Thorpe (Anhang zu Proctors Buch, S. 297) 19

Wellek, Literaturkritik 2

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BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

darin übereinzustimmen, daß De Quinceys Werk über die deutsche Literatur eine über die von Carlyle hinausgehende Bedeutung hat. M, 4, 54: »nuptial disappointments«. M, 10, 393—94: »The retiring of the human heart and the entrance of the fiendish heart was to be expressed and made sensible. Another world has stept i n . . . But how shall this be conveyed and made palpable? In order that a new world may step in, this world must for a time disappear. The murderers and the murder must be insulated — cut off by an immeasurable gulf from the ordinary tide and succession of human affairs — locked up and sequestered in some deep recess . . .time must be annihilated, relation to things without abolished . . .the knocking at the gate is heard, and it makes known audibly that the reaction has commenced; the human has made its reflux upon the fiendish; the pulses of life are beginning to beat again; and the reestablishment of the goings-on of the world in which we live first makes us profoundly sensible of the awful parenthesis that had suspended them.« »O mighty poet! Thy works are not as those of other men, simply and merely great works of art, but are also like the phenomena of nature, like the sun and the sea, the stars and the flowers, like frost and snow, rain and dew, hail-storm and thunder, which are to be studied with entire submission of our own faculties, and in the perfect faith that in them there can be no too much or too little, nothing useless or inert, but that, the father we press in our discoveries, the more shall we see proofs of design and selfsupporting arrangement where the careless eye had seen nothing but accident!« M, 11, 389: ».. .the very midsummer madness of affectation, of false vapoury sentiment, and of fantastic effeminacy« »vilest collections of waxwork filigree or gilt gingerbread.« Seite 392—93: »as if with the hoofs of a buffalo« Seite 389: ».. .the majesty, the austere beauty, and the simplicity of a Grecian temple enriched with Grecian sculpture.« M, 11, 459 (1847): »feeble«. M, 11, 374—76: »the admirable qualities of his moral nature« »partial lunacy« »holy hurricane« »religious sea« »denied and insulted Deity« »angelic nature of Beatrice« »the light shining in darkness«. »Even the murder, even the parricide, though proceeding from herself, do but deepen that background of darkness which throws into fuller revelation the glory of that suffering face immortalised by Guido.« M, 2, 236: »very piain« Seite 237: »a considerable obliquity of vision« Seite 238—39, 242: »certainly not ornamental legs« Seite 288: »the humilities and devotions of courtship.« M, 11, 306. M, 1 1 , 317—19: »learned eye« »frozen by distance«. »Their heads never raising; / There are forty feeding like one.« Das Zitat stammt aus »Written in March While Resting on the Bridge at the Foot of Brother's Water«, in Poetical Works (hrsg. v. Selincourt), 2, 220. M, 11, 301, 303, 315: »suddenly unveiling a connexion between objects hitherte regarded as irrelate and independent...« »sadness in the verx luxury of joy« Seo303: ».. .influx of the joyous into the sad, and of the sad into the joyous — this recii procal entanglement of darkness in light, and of light in darkness.« M, 10, 436: »the principle of antagonism«. Das Prinzip wird auch auf Lear (M, 10, 49) und Paradise Lost (M, 10, 403—04) angewendet.

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

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BIBLIOGRAPHIE: H U N T

Hunt muß nach den Ausgaben aus dem 19. Jahrhundert zitiert werden, da es außer Leigh Hunt's Dramatic Criticism 1808—1831, hrsg. v. L. H. und C. W. Houtchens, New York, 1949, und Leigh Hunt's Literary Criticism, hrsg. v. L. H. und C. W . Houtchens, New York, 1956, keine modernen Sammlungen gibt. Das letztere ist keine Anthologie, sondern eine Sammlung unbedeutender, nicht wieder abgedruckter Aufsätze, von denen einige nicht einmal Literaturkritik sind. Ich zitiere Imagination and Fancy (3. Aufl. London, 1846) als IF. Edmund Blunden, Leigh Hunt's »Examiner« Examined (London, 1928), druckt einige von Hunts frühen Kritikern neu ab. Edmund Blunden, Leigh Hunt and his Circle (London, 1930), ist die beste Lebensbeschreibung. Die riesige Monographie (2 Bände, 295 und 647 Seiten Oktav) von Louis Landre, Leigh Hunt (Paris, 1935—36), enthält eine vollständige Übersicht über Hunts Kritik und literarischen Meinungen, Freundschaften und Streitigkeiten. Siehe — außer Saintsbury, Abrams und Alba Warren — G. Saintsbury, »Leigh Hunt«, in Essays itt English Literature, 1780—1860 (London, 1890), S. 201—33. Erika Fischer, Leigh Hunt und die italienische Literatur, Diss., Freiburg im Breisgau; Quakenbrück, 1936. Eine Kompilation. Jeffrey Fleece, »Leigh Hunt's Shakespearean Criticism«, in Essays in Honor of Walter Clyde Curry (Nashville, Tennessee, 1954), S. 181—196. Clarence Dewitt Thorpe, »An Essay in Evaluation« in Leigh Hunt's Literary Criticism, S. 3—73. Voll übertriebenen Lobes. Carolyn W . und Lawrence H. Houtchens, »Leigh Hunt«, The English Romantic Poets and Essayists. A Review of Research and Criticism, hrsg. v. C. W . und L. H. Houtchens (New York, 1957), S. 262—98. Sehr brauchhar. ANMERKUNGEN: HUNT

1. The Book of the Sonnet (2 Bände, Boston, 1867), 1, 87 Anm.: » . . . the finest lecture on the art of poetry in the language.« 2. Examiner, 1819. Neu abgedruckt in Blunden. Leigh Hunt's »Examiner« Examined, S. 220: »masterly«. 3. Hunt schrieb drei Aufsätze über Hazlitts kritische Schriften: über »Characters of Shakespeare's Plays« (1817), neu abgedruckt in Leigh Hunt's Dramatic Criticism 1808 bis 1831, hrsg. v. L. H. und C. W. Houtchens (New York, 1949), S. 167—79 und Anmerkungen S. 317—21; »Lectures on the English Comic Poets«, in Examiner, 18. April 1819, und »Lectures on the Literature of the Age of Elizabeth«, in Examiner, 19. März 1820. Die komplizierte Beziehung zwischen Hunt und Hazlitt wird bei Landre, Leigh Hunt, nachgezeichnet. 4. IF, S. V : » . . .what sort of poetry is to be considered as poetry of the most poetical kind...« ».. .in its element, like an essence distilled...« Seite 277—95: »pure poetry«, Seite 29—30: ».. .perception of sympathies in the natures of things«, Seite 30: ».. .a sporting with their resemblance, real or supposed.« Seite 31—32: »without the other's weight of thought and feeling« Seite 2: ».. .a lighter play of imagination, or the feeling of analogy coming short of seriousness.« Seite 32: »poetical part of wit.« 19*

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BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

5. Wit and Humour ( L o n d o n , 1846), S. 9 : » . . . f a n c y in its most w i l f u l and strictly speaking, its least poetical state.« Seite 1 2 : » . . .in incongruities o f character and circumstance, as W i t does in those o f arbitrary ideas.« 6. IF, S. 3 2 — 3 3 : »imagery« »music«, Seite 62: »pure poetry«. 7. The Feast of the Poets (London, 1814), Z e i l e 18: »cuckoo song verses, h a l f up, h a l f down«. D a s ist eine Verssatire i m Stil der »Sessions o f the Poets« des 17. Jahrhunderts, die H u n t mehrere M a l e umarbeitete und m i t langen polemischen

Anmerkungen

versah. 8. The Book of the Sonnet, 1, 4 : »wholesome recreation« » . . . n e e d n o t interfere w i t h the ordinary business o f life, any m o r e than the meal o r the walk.« 9. »Lamia« II, Z e i l e 237: »unweaving o f the rainbow«. Blunden, Leigh Hunt's

»Examiner«

Examined, S. 1 4 7 : »There w i l l be the p o e t r y o f the heart, as l o n g as there are tears and smiles: there w i l l be a p o e t r y o f the imagination, as l o n g as the first causes o f things remain a m y s t e r y . A m a n w h o is n o poet m a y think he is none, as soon as h e finds o u t the physical cause o f the r a i n b o w ; b u t he need not alarm himself; he w a s n o n e before.« »An age o f poetry has g r o w n u p w i t h the progress o f experiment.« Es g i b t eine ähnliche Stelle in Men,

Women and Books ( L o n d o n , 1847), S. 4 — 5 .

10. Literary Criticism, hrsg. v . L. H . u n d C . W . Houtchens, S. 387: » . . . f o r the most part, a nuisance and an impertinence.« IF,

S. 3 1 6 :

»...often

an unsuccessful

author,

almost a l w a y s an inferior o n e t o a m a n o f genius.« 1 1 . B l u n d e n , »Examinen

Examined,

S. 210: »anti-critical« » . . . r e c o n c i l e us t o all that is

in the w o r l d . « 12. IF, S. 63: »Taste is the v e r y maker o f j u d g e m e n t . « 13. L o n d o n , 1849, 1, 8: »soothing, serene and affectionate feelings« Seite 1 2 : » . . .a universalist, in o n e h i g h bibliographical respect, is the o n l y true reader. For h e is the o n l y reader o n w h o m n o w r i t i n g is l o s t . . . the o n l y reader w h o can m a k e s o m e t h i n g out o f b o o k s f o r w h i c h he has n o predilection.« 14. Siehe besonders Lord Byron and Some of his Contemporaries, L o n d o n , 1828. D i e A b schnitte über B y r o n w e r d e n in der Autobiography Barnette Miller, Leigh Hunt's

Relations

with Byron,

(1850) benutzt, aber Shelley

gemildert.

and Keats ( N e w

York,

1910) ist v o n Landre v ö l l i g überholt w o r d e n . Vieles d a v o n g e h ö r t eher z u einer G e schichte der politischen P o l e m i k als der Literaturkritik. 15. Stories from the Italian Poets (2 Bände, L o n d o n , 1846), 1, X : »ferocious hatreds and bigotries« Seite 60: »the dream o f an h y p o c h o n d r i c a l savage.« V g l . The Book of the Sonnet, 1, 17. 16. IF, S. 237: » g l o o m y religious creed«. Seite 239: » . . . w a n t s the highest p i e t y o f an intelligible charity.« 17. Wit and Humour, S. 308—09: »morbidity and excessive coarseness«. Seite 330: »loveless misanthrope«. 18. The Feast of the Poets, S. 90: »the greatest poet o f the present age«; — B r i e f an J o h n Forster (1847) in Luther A . B r e w e r , My Leigh Hunt Library:

The Holograph

Letters

(Iowa C i t y , la., 1938), S. 24Ö: »the musical side o f a poet's nature, — the genial, the animal-spirited o r bird-like, the happily accordant«. 19. A Jar of Honey from Mount Hybla, L o n d o n , 1848; Stories from the Italian Poets, 2 B ä n d e L o n d o n , 1846; The Book of the Sonnet.

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

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20. IF, S. 74: »the greatest painter England has produced« »his versification is almost perpetual honey.« Seite 105, 103—35: »A Gallery of Pictures from Spenser«. Eine frühere Version (1833) in Literary Criticism, S. 420—45. »The greatest painter« ist auf S. 445. 21. Hunts frühe Besprechungen von Keats, angefangen mit dem Lob des Chapman Sonnetts, 1. Dezember 1816, in Blunden, S. 127—58. Siehe Hyder E. Rollins, The Keats Circle: Letters and Papers, 1816—1878, Cambridge, Mass., 1948, undj. R . McGillivray, »On the Development of Keats' Reputation« in Keats: A Bibliography and Reference Guide, Toronto, 1949. 22. Siehe Walter Graham, »Shelley's Debt to Leigh Hunt and the Examiner«, PMLA, 40 (1925), 185—92. Payson G. Gates, »Leigh Hunt's Review of Shelley's Posthumous Poems« in The Papers of the Bibliographical Society of America, 42 (1948), 1—40, druckt ein Manuskript, das für The Westminster Review' im Jahre 1825 bestimmt war, aber auf den Rat von T. L. Peacock hin zurückgewiesen wurde. 23. IF, S. 227: »Of pure poetry, strictly so called, that is to say, consisting of nothing but its essential self, without conventional and perishing helps, he was the greatest master of his time. If you could see it in a phial, like a distillation of roses (taking it, I mean, at its best) it would be found without a speck.« 24. Neu abgedruckt in Literary Criticism, S. 344—71, 509—27. 25. The Book of the Sonnet, 1, 88: »the greatest poetess that ever existed«. Ein Brief zitiert bei Landre, 2, 196. 26. Wit and Humour, S. 69: »religion of the heart« »the high and only final Christian gentleman« »the wisest man since the days of Shakespeare.« 27. Ebd., S. 260, 280—81; und siehe »Pope, in some lights in which he is not usually regarded« in Men, Women and Books, London, 1870 (ursprüngliche Ausgabe 1847), S. 203—14. 28. Preface to Beaumont: »to the exclusion of whatever is morally objectionable« (1855); IF, S. 220: »the greatest of the Shakespeare men«, 222. 29. Dramatic Criticism, S. 168: »fairy way of writing« »most beautiful and impartial spirit of humanity«. 30. Ebd., S. 15, 20, 78—83, 103, 201: ».. .in the desperate savageness of its revenge, in its half-exhausted reception of the real truth, and lastly in the final resumption of a kind of moral attitude and dignity, at the moment when it uses that fine deliberate artifice and sheathes the dagger in its breast.« Examiner, 25. September 1808; 5. April 1818. 31. True Sun, 9. August 1833, zitiert von Landre, 2, 165: »Not an old poet except in chronology: he is young, and sunny, and full of the bloom of life.« Siehe auch Literary Criticism, S. 585—604, das Vorwort zu Stories in Verse, London, 1855. 32. A Jar of Honey, S. 108: »impressionistic« »appreciative« ».. .a dog-rose, if you will; say rather, a rose in a cottage garden, dabbled with the morning dew, and plucked by an honest lover to give to his mistress.« 33. Vgl., z. B. IF, S. 286, über Coleridge's »Love«: »I can hardly say a word upon this poem for very admiration,« oder Jar of Honey, S. 114. 34. IF, S. 303, 334: »Madeline is asleep in her bed; but she is also asleep in accordance with the legends of the season; and therefore the bed becomes their lap as well as sleep's.« Über Strophe 15 von »St. Agnes' Eve.«

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BIBLIOGRAPHIEN UND

35. Essays in English Literature 1790—i860

ANMERKUNGEN ( L o n d o n , 1890), S. 222: » . . . o n a level w i t h

C o l e r i d g e , w i t h L a m b and w i t h H a z l i t t . . . « 36. Clarence D . T h o r p e , »An Essay in Evaluation« in Leigh Hunt's Literary Criticism, hrsg., v. L. H . u n d C . W . Houtchens, S. 1 4 : »above L a m b , D e Q u i n c e y and

Carlyle.«

BIBLIOGRAPHIE: MACAULAY Ich zitiere Critical and Historical Essays (6 B ä n d e Boston, 1900) als E, und Biographies and Poems, ebd., als B. B r i e f e und T a g e b ü c h e r w e r d e n nach d e m Standardwerk The Life and Letters of Lord Macaulay v o n seinem N e f f e n , G e o r g e O t t o T r e v e l y a n , 2 B ä n d e L o n d o n , 1876 zitiert. W e i t e r e A u s z ü g e aus d e m T a g e b u c h in R i c h m o n d C r o o m B e a t t y , Lord Macaulay, N o r m a n , O k l a h o m a , 1938. Es gibt drei brauchbare Aufsätze über die Literaturkritik: Stanley T . W i l l i a m s , »Macaulay's R e a d i n g and Literary Criticism«, Philological Quarterly, 3 (1924), 1 1 9 — 3 1 , ein V e r z e i c h n i s ; P . L . C a r v e r , »The sources o f Macaulay's Essay on Milton«, Review

of English Studies, 6

(1930), 4 9 — 6 2 , über Hazlitt; und Frederick L . J o n e s , »Macaulay's T h e o r y o f P o e t r y in Milton«, Modern Language Quarterly, 13 (1952), 3 5 6 — 6 2 , über P e a c o c k als Q u e l l e . ANMERKUNGEN: MACAULAY 1. Estetica (8. A u f . Bari, 1945), S. 4 1 1 . 2. T r e v e l y a n , 2, 7 — 8 : »I a m n o t successful in analysing the effect o f w o r k s o f genius. I h a v e written several things o n historical, political, and moral questions, o f w h i c h , o n the fullest reconsideration, I a m n o t ashamed, and b y w h i c h I should be w i l l i n g to b e estimated; but I have never w r i t t e n a p a g e o f criticism o n p o e t r y , o r the fine arts, w h i c h I w o u l d n o t burn i f I had the power.« 3. E, 4, 1 2 1 , n o : » . . .filled the w o r l d w i t h l o n g w o r d s and l o n g beards.« 89, 1 1 4 : »philosophy o f fruit« »philosophy o f thorns«. 4. E, 1, 1 9 1 — 9 2 : »One element must f o r e v e r elude the researches o f criticism; and that is the v e r y element b y w h i c h p o e t r y is poetry.« » W h a t the description o f a naturalist is to a real porcupine, the remarks o f criticism are to the images o f p o e t r y . W h a t it so imperfectly decomposes it cannot perfectly reconstruct.« 5. Siehe diese Geschichte 1, 380 ff, 463, 580. V g l . die Aufsätze v o n C a r v e r u n d Jones, die in der B i b l i o g r a p h i e o b e n a n g e g e b e n sind. 6. E, 1, 3 : »A rude society is that in w h i c h great original w o r k s are most frequently produced.« Seite 86: »As civilisation advances, p o e t r y almost necessarily declines.« 7. E, 1, 190: »The l a w s o n w h i c h depend the progress and decline o f p o e t r y , painting, and sculpture, operate w i t h little less certainty than those w h i c h regulate the periodical returns o f heat and cold, o f fertility and barrenness.« Seite 9 1 : »spirit o f the age« » . . . w e w i l l n o t say absolutely in vain, b u t w i t h dubious success and feeble applause.« 8. E, 1, 90: »He w h o , in an enlightened and literary society, aspires to be a great poet, must first b e c o m e a little child.« Seite 88: »a certain unsoundness o f mind« Seite 89: » . . . a n art to p r o d u c e an illusion o n the i m a g i n a t i o n . . . « »Those first suppositions [ o f p o e t r y ] require a degree o f credulity w h i c h almost amounts to a partial and t e m p o r a r y derangement o f the intellect.« 9. E, 1, 196: »Our j u d g e m e n t ripens, o u r imagination decays.« Seite 199: » . . .strongest in savages, children, m a d m e n and dreamers.« Seite 198: » . . . m e n reasoned better in

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the time of Elizabeth than in the time of Egbert, and they also wrote better poetry.« Seite 200: »The first works of the imagination a r e . . . poor and rude, not from the want of genius, but from the want of materials. Phidias could have done nothing with an old tree and a fish bone, or Homer with the language of N e w Holland.« E, l, 205—06: »the greatest poet that ever lived.« »But as soon as his critical powers come into play, he sinks to the level of C o w l e y ; or rather he does ill what Cowley did well. All that is bad in his works is bad elaborately, of malice aforethought.« Über Defoe vgl., 1, 3; und Trevelyan, 2, 454—55. E, 1, 105—06: » . . . a man of learning and of imagination.« »suggestive« »pictorial«. »His fiends, in particular, are wonderful creations. They are not wicked men. They are not ugly beasts. They have no horns, no tails.« E, 1, 149: »...beyond comparison the greatest work of imagination since Homer.« E, 1, 10: ».. .the Catholic religion the most poetical« Seite 13: »the vague sublimity« Seite 14, 19: »pagan fictions« Seite 15: ».. .harmonize with the air of strong reality.« E, 1, 101—02: »The narrative of Milton in this respect differs from that of Dante, as the adventures of Amadis differ from those of Gulliver.« »... the business of poetry is with images, and not with words. The poet uses words indeed; but they are merely the instruments of arts, not its objects. They are the material which he is to dispose in such a manner as to present a picture to the mental eye.« E, 1, 202: »arbitrary canons oftaste« 2, 354: »the worst critic that ever lived.« 6, 68: »as superficial as Dr. Blair's.« B, 79: »worthless« E, 2, 353—54: »wretched.«

16. Trevelyan, 1, 335 (Brief vom 21. Oktober, 1833). 17. E, 1, 214: »critical«, Seite 226: »imcomparable reasoner in verse«. Trevelyan, 1, 120. »a man of a creative mind« ».. .in the highest sense of the word, any originality.« 18. E, 5, 62: ».. .mouthpiece of the most deeply corrupted part of a corrupted society.« Seite 57: ».. .code actually received and obeyed by great numbers of people.« 19. E, 6, 130 ff., 139, 143, 145. 20. B, 44: ».. .is indeed one of the worst that ever was constructed«, Seite 45—46. 21. E, 6, 53—5422. E, 2, 331: »a man of the meanest and feeblest intellect«, Seite 334: »logic, eloquence, wit and taste.« Seite 333: »If he had not been a great fool, he would never have been a great writer.« 23. E, 2, 210, 211; 1, 203. 24. £ , 2 , 2 1 7 : » . . . the interpreter between Mr. Wordsworth and the multitude«».. .founded what may be called an exoteric Lake School.« 25. E, 2, 227: »the two great commandments were, to hate your neighbour and to love your neighbour's wife.« Seite 225: »The affectation reacted on his feelings. H o w far the character in which he exhibited himself was genuine, and how far theatrical, it would probably have puzzled himself to say.« 26. Trevelyan, 2, 9: »In politics, a bitter and unscrupulous partisan; profuse and ostentatious in expense... perpetually sacrificing the perfection o f this compositions and the durability of his fame to his eagerness for money: writing with the slovenly haste of Dryden.« 27. Trevelyan, 2, 150: »more nearly an universal genius than any man of our time.« 13. Dezember 1843. Über Jeffrey, siehe diese Geschichte, 1, 366 ff.

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ANMERKUNGEN

28. Beatty, S. 331: »empty headed bombastic dunce.« 2. April 1850. Beatty, S. 332: ».. .philosophy is nonsense and the style gibberish. I have the profoundest contempt for him.« 30. September 1858. 29. Beatty, S. 339: »...trash — unredeemed trash —• bad philosophy, bad style, bad versification, gross and sometimes indecent imagery.« »absurd«. Ohne Datum. 30. Trevelyan, 2, 379: »...sullen socialism of Hard Times.« 12. August 1854. »Read Northanger Abbey: worth all Dickens and Pliny together.« 31. Beatty, S. 340: »cloud of gibberish« »hocus pocus«. 16. September 1859. 32. Trevelyan, 2, 279: ».. .a poorer Excursion. There are the old raptures about mountains and cataracts; the old flimsy philosophy about the effect of scenery on the mind; the old, crazy, mystical metaphysics; the endless wilderness of dull, flat, prosaic twaddle.« 33. Über die Vorliebe für Richardson, siehe Trevelyan, 1, 131, 377; über Jane Austen, 2 2 » 93> 379- Marginal Notes by Lord Macaulay, ausgewählt und zusammengestellt von Sir George Otto Trevelyan (London, 1907), enthält ziemlich alltägliche Marginalien zu Shakespeare, Piaton, Cicero, usw. Die erstaunliche Leseliste nahezu aller klassischen Autoren während seines Indienaufenthaltes siehe bei Trevelyan, 1, 371, 431, 436. 34. E, 6, 50: ».. .a king at arms versed in the laws of literary precedence, who must marshal [the author] to the exact seat to which [he] is entitled.« 35. E, 2, 209: »imitation« 1, 163: »the exhibition of human character.« 36. Beispiele für das Einstufen bei Trevelyan, 1, 371—72, 474; 2, 198, 205, 434, usw. 37. E, 2, 352: »He decided literary questions like a lawyer, not like a legislator. He never examined foundations.« BIBLIOGRAPHIE: MILL

Ich zitiere Dissertations and Discussions (2. Aufl. 3. Bände, London, 1867) als DD; Early Essays, hrsg. v. J. W . M. Gibbs (London, 1897), als EE. Auch Autobiography, hrsg. v. J.J. Coss, New York, 1924; und The Letters, hrsg. v. Hugh S. R . Elliot, 2 Bände, N e w York, 1910. Es gibt eine Bibliography of the Published Writings ofJohn Stuart Mill, hrsg. v. Ney Mac Minn, J. R . Hainds und J. M. McCrimmon, Evanston, Illinois, 1945. Zur Literaturkritik siehe Abrams, Alba Warren und den Essay von Wakter J. Ong, »J. S. Mill's Pariah Poet«, Philological Quarterly, 29 (1950), 333—44, der die Auffassung zu stark betont, daß in Mills Konzeption der Dichter ein Ausgestoßener, ein Paria ist und »absurd« bleibt. John M. Robson, »J. S. Mill's Theory of Poetry«, University of Toronto Quarterly, 29 (i960), 420—38. ANMERKUNGEN: MILL

1. The Works, hrsg. v . J . Bowring, 11 Bände, Edinburgh, 1843. Siehe Band 8, Tafel V: »anergastic« »aplopathoscopic«; 2, 2531: »The quantity of pleasure being equal, push-pin is as good as poetry« und Mills DD, 1, 389: »misrepresentation«. 2. Autobiography, S. 104: »a medicine for my state of mind« »a source of inward joy«. 3. Inaugural Address Delivered to the University of St. Andrews, l. Februar 1867 (London, 1867), S. 86: »the education of the feelings and the cultivation of the beautiful.« 4. DD, 1, 353: »deficiency of Imagination« »want of poetical culture« »the general incompleteness of his own mind as a representative of universal human nature.«

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ANMERKUNGEN

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5. DD, 1, 69—-70: »Descriptive poetry consists... in description o f things as they appear, not as they are.« »If a poet describes a lion, he does not describe him as a naturalist w o u l d , not even as a traveller w o u l d , w h o was intent on stating the truth, the w h o l e truth, and nothing but the truth.« ».. .state o f awe, w o n d e r or terror«. » N o w this is describing the lion professedly, but the state o f excitement o f the spectator really. T h e lion may be described falsely or w i t h exaggeration, and the poetry be all the better.« »If the human emotion be not painted with scrupulous truth, the poetry is bad poetry, i. e. not poetry at all, but a failure.« 6. DD, j , 75: »An epic poem, in so far as it is epic (i. e. narrative) is not poetry at a l l . . . « Seite 76: » . . .kind o f poetry to find a place in it.« Seite 68: »union o f poetry and incident« »To the many Shakespeare is great as a storyteller, to the f e w as a poet.« 7. D D , 1, 7 1 — 7 2 : »Eloquence is heard, poetry is overheard.« »Eloquence supposes an audience; the peculiarity o f poetry appears to us to lie in the poet's utter unconsciousness o f a listener.« » . . .all poetry is o f the nature o f soliloquy.« ».. .succeed in excluding f r o m his w o r k every vestige o f lookings-forth into the outward and every-day w o r l d . . . « » . . .express his emotions exactly as he felt them in solitude, or as he is conscious that he should feel them though they w e r e to remain for ever unuttered.« »When the expression o f his emotions is tinged b y a desire o f making an impression upon another mind, then it ceases to be poetry, and becomes eloquence.« »Poetry is feeling, confessing itself to itself in moments o f solitude.« 8. D D , 1, 85: » . . . l y r i c a l poetry is more eminently and peculiarly poetry than any other.« Seite 83: »Poetry is almost always the mere setting o f a thought.« Seite 84: »air o f calm deliberateness«; Seite 85: »The genius o f W o r d s w o r t h is essentially unlyrical.« Seite 93: »mere poet« »philosopher-poet« Seite 80: » . . .those w h o are so constituted, that emotions are the links o f association by w h i c h their ideas, both sensuous and spiritual, are connected together.« Mill faßte die beiden frühen Aufsätze unter einem neuen und bescheideneren Titel zusammen, »Thoughts on Poetry and Its Varieties«, als er sie 1859 in D D neu veröffentlichte. 9. Siehe den oben in der Bibliographie angegebenen Essay v o n O n g . xo. Brief an J. Sterling, 20.—22. O k t o b e r 1831. Letters, 1, 1 1 — 1 2 : » . . . h a s advanced [the theory o f poetry] beyond any other man, being probably the first person w h o ever combined, with such eminent success in the practice o f the art, such high powers o f generalization and habits o f meditation on its principles.« 11. Das m u ß gegen A l b a W a r r e n gesagt werden, der in seinem Kapitel aus M i l l einen Nachfolger Carlyles macht. 12. DD,

1, 326—27: »intrinsically beautiful« »beauty in the abstract« » . . .demands short

poems, it being impossible that a feeling so intense as to require a more rhythmical cadence than that o f eloquent prose, should sustain itself at its highest elevation for long together.« »A long p o e m will always be felt (though perhaps unconciously) to be something unnatural and hollow.« 13. D D , 1, 354: » . . .melodiously utters his o w n actual f e e l i n g s . . . « » . . .the p o w e r b y w h i c h one human being enters into the mind and circumstances o f another.« 14. In Westminster Review, 29 (1838), 313: »Properly speaking, it is only a man's w h o l e life w h i c h is sincere — that alone is the utterance o f the w h o l e man, contemplative and active taken together.«

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ANMERKUNGEN

15. A n C a r l y l e , 5. Juli 1833, Letters, 1, 5 4 — 5 5 : »conversant w i t h intuitive truths« » . . . t o declare and m a k e impressive.« »Poetry is higher than logic, and the u n i o n o f the t w o is philosophy.« Siehe auch den B r i e f v o m 17. Juli 1832, Letters, 1, 35. 16. EE, 2 7 9 : » . . .the essential element o f the poetic character — creative imagination w h i c h , f r o m a chaos o f scattered hints and confused testimonies can s u m m o n u p the t h i n g t o appear b e f o r e it as a c o m p l e t e d whole.« 17. EE, 315 u n d DD,

2, 129.

18. EE, 2 6 5 — 6 6 : »symbolical o f spiritual truths.« » . . .his t h e o r y o f life and the w o r l d be n o chimera o f the brain, b u t the w e l l - g r o u n d e d result o f solid and mature t h i n k i n g ; he must cultivate, and w i t h n o half-devotion, philosophy as w e l l as poetry.« 19. T a g e b u c h , 1 1 . A p r i l 1854, in Letters, 2, 3 8 5 — 8 6 : »artist is n o Seer« » . . .art in relation to T r u t h is b u t a Language.« BIBLIOGRAPHIE: RUSKIN Ich zitiere The Works v o n J o h n R u s k i n , Library Edition, hrsg. v. Sir E. T . C o o k u n d A . D . O . W e d d e r b u r n (39 Bände, L o n d o n , 1 9 0 2 — 1 2 ) , als W . D e r letzte B a n d enthält einen ausgezeichneten, gliedernden I n d e x v o n T h e m e n u n d B e g r i f f e n . Ruskin

as Literary Critic, hrsg. v . A . H . R . Ball, C a m b r i d g e , 1928; eine nützliche A u s -

wahl. Ü b e r R u s k i n siehe: R . W i l e n s k i , John Ruskin, The Darkening Glas: A Portrait of Ruskin's

L o n d o n , 1933; u n d J o h n D . R o s e n b e r g ,

Genius, N e w Y o r k , 1961. O b w o h l diese beiden

B ü c h e r die Schriften behandeln, beschäftigen sie sich d o c h hauptsächlich m i t der P e r sönlichkeit u n d ihrer Pathologie. Ü b e r die Ästhetik siehe: H e n r y L a d d , The Victorian Morality of Art: An Analysis of Ruskin' s Esthetic, N e w Y o r k , 1932; u n d Schwester M a r y D o r o t h e a G o e t z , A Study of

Ruskin's

Concept of the Imagination, W a s h i n g t o n D . C . , 1947; brauchbar. In G r a h a m H o u g h ,

The

Last Romantics, L o n d o n , 1947, findet sich ein gutes Kapitel. ANMERKUNGEN: RUSKIN 1. W , 3, 2 7 3 : » . . .the greatest literary m a n w h o m that age p r o d u c e d . . . « V g l . S. 265. 2. B r i e f an C . E. N o r t o n , 28. Januar 1866. W , 36, 501: »a D e m o n i a c youth«. 3. W , 34, 3 7 7 : » T h e Mill on the Floss is perhaps the most striking instance extant o f this study o f cutaneous disease. T o m is a clumsy and cruel lout w h i l e the rest o f the c h a racters are simply the sweepings o u t o f a Pentoville omnibus.« 4. W , 12, 373: » T w i c k e n h a m classicism«; 20, 7 6 : »the great master o f the absolute art o f language«, Seite 7 7 : »the most perfect representative w e have, since C h a u c e r , o f the true English mind«; 12, 122 A n m . : »in m a n y respects a greater m a n n e v e r lived.« 5. W , 11, 187: »central m a n o f all the world«; 5, 276. »great prophetic exponent«. 6. W , 3, 81 A n m . 7- W , lp, 588; 36, 193. 8. W , 7, 429—30. R u s k i n edierte u n d überarbeitete eine Ü b e r s e t z u n g v o n Ulric the Farm Servant, O r p i n g t o n , 1888. Siehe s3/4in V o r w o r t W , 32, 3 4 3 — 4 5 . 9. W , 1p, 584 u n d 18, 53 ff. 10. W , ig, 2 1 1 — 1 2 . 11. W, 18, 72: »explication« »blind mouths«.

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

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12. W , 5, 2 7 7 — 7 8 . 13. Fors Clavigera, B r i e f 79, Juli 1877. W , 2p, 160: » . . .never expected to hear a c o x c o m b ask t w o hundred guineas f o r flinging a p o t o f paint in the public's face.« 14. W , 4, 186: » . . .angels w h o feel an u n c o m p r e h e n d e d pain as they try and try again in vain, w h e t h e r t h e y m a y n o t w a r m hard hearts w i t h the b r o o d i n g o f their k i n d wings.« 1 5 . W , 7, X L — X L I (1858): »I d o n ' t understand i t . . . « »One w o u l d h a v e t h o u g h t that p u r i t y g a v e strength, b u t it doesn't. A good,' stout, s e l f - c o m m a n d i n g , magnificent animality is the m a k e f o r poets and artists.« 16. Fors Clavigera, B r i e f 76 (1877). W , 2p, 9 1 : »Religion . . . i n s t e a d o f w e a k e n i n g , had solemnised and d e v e l o p e d e v e r y faculty o f his heart and hand.« 17. V g l . W , 12, 507: »I o w e m o r e to C a r l y l e than to any other l i v i n g writer.« A u c h 28, 22; 35, 15, 77 ; 37, 15 u s w . 18. Siehe auch A n h a n g II zu B a n d 3 v o n Modem Painters, W , 5, 4 2 7 — 3 0 , und »Romanist M o d e r n Art«, W , p, 436—40, w o r i n er P u g i n angreift. V g l . H o u g h , The Last

Ro-

mantics, S. 86—90. 19. W , 5, 4 2 7 — 3 0 . 20. W . 4, 2 1 5 , V g l . ebd., S. 121 A n m . 2 1 . W , 5, 6 2 3 — 2 4 : »The Heavens p r o c l a i m the g l o r y o f the Lord.« » . . .should g o t o nature in all singleness o f heart h a v i n g n o other thoughts b u t h o w best t o penetrate her m e a n i n g , rejecting n o t h i n g , selecting n o t h i n g : believing all things to be

right

and g o o d , and rejoicing always in the truth.« 22. V g l . z. B . W , it, 2 0 1 — 0 2 ; 20, 1 6 5 ; 28, 4 4 6 — 4 7 . 23. W , 3, 488: » . . .a geologist c o u l d g i v e a lecture u p o n the w h o l e system o f aqueous erosion.« 24. W , 5, 466: »instances o f m o u n t a i n calumniation«. 25. W , 11, 48: »a truth o f aspect« » . . .exclusively w i t h things as they affect the h u m a n sense and the h u m a n soul.« A n m . z u 48: »To art facts are o f use o n l y as t h e y lead to phenomena.« 26. W , 3, 1 5 7 : »Both are commentators o n i n f i n i t y . . . « Seite 343: » . . . t h e r e is n o t a m o m e n t o f any d a y in o u r lives, w h e n nature is n o t p r o d u c i n g scene after scene, picture after picture, g l o r y after g l o r y , and w o r k i n g still u p o n such exquisite and constant principles o f the m o s t perfect beauty, that it is quite certain it is all d o n e f o r us, and intended f o r our perpetual pleasure.« 2 7 . W , 4, 4 7 — 4 8 : »the exulting, reverent and grateful perception o f beauty.« »It receives the pleasures o f the sense b u t w i t h thankfulness and reference t o G o d ' s glory.« 28. W , 4, 57: » . . .full perception o f their b e i n g a g i f t and manifestation o f God.« Seite 52: »Men h a v e n o right to think s o m e things beautiful, and n o right t o remain apathetic w i t h regard to others.« D i e erste Stelle w u r d e in allen A u s g a b e n nach der ersten fallengelassen. 29. W , 4, 190: » . . . t h e banishment o f the i m m e d i a t e signs o f sin u p o n the countenance and body.« 30. W , 4, 144: »The fact o f our deriving constant pleasure f r o m w h a t e v e r is a t y p e o r semblance o f D i v i n e a t t r i b u t e s . . . is the most glorious o f all that can b e demonstrated o f h u m a n nature.«

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ANMERKUNGEN

3 1 . W , 4, 288: »Fancy plays like a squirrel in its circular prison, and is happy; but Imagination is a pilgrim on the earth — and her home is in heaven.« 32. Siehe »On the Pleasures of Fancy« (1884), W , 33, 482—83. 33. W , 4, 228: »totally distinct« »penetration« »characteristic« »association«. 34. W , 5, 1 1 2 : »Prince Henry is opposed to Falstaff, Titania to B o t t o m . . . Imogen to Cloten.« 35. Graham Hough, The Last Romantics, S. 37: »the deteriorative power of conventional art« » . . .have preferred a God who got all his calculations a little wrong.« 36. W , 16, 276—77; W , 5, 140 ff. 37. W , 3, 509—10: »rational«. 38. W , 3, 268—69: »...magnificently impossible blue of the distant landscape...« » . . .the whole value and tone of the picture would be destroyed if this blue were altered.« 39. W , 3, 5 1 4 — 1 5 : » . . .had been a great painter.« ».. .his reflections wherever he chose, and to paint his sea sloping if he chose.« 40. W , 4, 269—71: »the shape of the head of a fish.« 4 1 . W , 4, 278: » . . .scorns all shackles and fetters of mere external fact that stand in the w a y of its suggestiveness.« 42. W , 5, 25: »snow-white battlements« »a thousand feet deep«. 4344. 45. 46. 47. 48.

W , 4, 295. W , 5, 1 3 3 ; 1 1 , 1 7 5 : »the most perfect instance of the terrible grotesque.« W , 4, 255. W , 5, 1 1 5 : » . . . actually trotted across Dante's brain, and he saw him do it.« W , 17, 258—60. W , ip, 300: »a trusted and companionable deity« » . . . t h e moral significance which is in all the great myths eternally and beneficently true.« 49. W , 18, 350: »idea of a personal being in the elemental power« »real and living angel«. 50. W , 18, 346: »living« »You may at least earnestly believe, that the presence of the spirit which culminates in your o w n life, shows itself in dawning, wherever the dust of the earth begins to assume any orderly and lovely state. Y o u will find it impossible to separate this idea of gradated manifestation from that of the vital power.« Seite 347: »The idea of gradation admits the idea of a life above us, in other creatures, as much nobler than ours, as ours is nobler than that of the dust.« Seite 352: »multitudinous ministry of living angels.« 51. W , 5, 204: ».. .very untrue. The crocus is not a spendthrift, but a hardy plant; its yellow is not gold, but saffron.« 52. W , 5, 204: »spendthrift« Seite 205: »The cruel, crawling foam/« » . . .the foam is not cruel, neither does it crawl.« »unhinged by grief«. Seite 206: »The one red leaf, the last of its clan, / That dances as often as dance it can« Seite 206—07: » . . .fancies a life in the leaf and will, which there are not; confuses its powerlessness with choice, its fading death with merriment, and the wind that shakes it with music.« Seite 206: » . . . f a l l i n g as dead leaves flutter from a bough« » . . .for an instant loses Dante's clear perception that these are souls, and those are leaves.« Eine Anspielung auf Inferno, 3, 112. S3- W , 5, 2 1 6 : »Where'er you walk, cool gales shall fan the glade, / Trees, where you sit, shall crowd into shade« Seite 2 1 7 : ».. .definite absurdity, rooted in affectation, and

BIBLIOGRAPHIEN

54. 55.

$6. 57. 58.

59.

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ANMERKUNGEN

301

coldly asserted in the teeth of nature and fact.« Seite 2 1 1 : ».. .no greater baseness in literature than the habit of using these metaphorical expressions in cool blood.« Siehe die Anmerkung zu der Stelle in A. Pope, Pastoral Poetry arid An Essay on Criticism, hrsg. v. E. Audra und Aubrey Williams (London, 1961), S. 77—78 Anm. W , 18, 124: »The floating clouds their state shall lend / To her; for her the willow bend...,« »exquisite Tightness.« Das Zitat ist aus Wordsworths »Three Years She Grew in Sun and Shower.« Pathetic Fallacy in the Nineteenth Century, Berkeley, 1942. W , 20, 46: »(1) enforcing the religion of men, (2) perfecting their ethical state, and (3) doing them material service.« Z. B. W , 13, 545; 19. 250; 20, 78, 83, 295, 298—99, oder 18, 173, 437, 439—4°; und g, 14; ig, 390; 24, 203—04. »the exponent of the mind of a nation« »the mirror and index of national character« »the most noteworthy national autobiography.« W, 10, 196: »It is not, truly speaking, the labour that is divided, but the men: Divided into mere segments of men — broken into small fragments and crumbs of life.«

6o- W, 5, 321. 61. W , 20, 212: »joy for all«. 62. Siehe seine Autobiography (New York, 1943), S. 33, 53 und Bemerkungen in John D. Rosenberg, The Darkening Glass, S. 71 if. 63. Marcel Proust, Pastiches et mélanges (Paris, 1933), S. 195: »L'Univers reçut tout d'un coup à mes yeux un prix infini.« A un ami (Paris, 1948), S. 149: »Cela n'empêche pas les ouvrages de Ruskin d'être souvent stupides, maniaques, crispants, faux, irritants, mais s'est toujours estimable et toujours grand.« Mehr über Proust und Ruskin bei Walter A. Straus, Proust and Literature (Cambridge, Mass., 1957), S. 177—86, und in der Bibliographie. 64. W, 15, 27 Anm. : »the innocence of the eye«.

BIBLIOGRAPHIE KAPITEL 5: AMERIKANISCHE LITERATURKRITIK Es gibt mehrere allgemeine Geschichten der amerikanischen Literaturkritik, von denen keine sehr befriedigend ist. Norman Foerster, American Criticism (Boston, 1928), enthält eine Reihe von eindringlichen Aufsätzen über Poe, Emerson, Lowell und Whitman mit einer letzlichen Bekräftigung des neuhumanistischen Standpunktes. George E. De Mille, Literary Criticism in America (New York, 1931), reicht von Poe bis zu Stuart Sherman; farblos. Bernard Smith, Forces in American Criticism (New York, 1939), nimmt einen marxistischen Standpunkt ein und kommt mitunter zu guten Ergebnissen. Floyd Stovall, Hrsg., The Development of American Literary Criticism (Chapel Hill, 1955), ist ein Sammelband mit Beiträgen von sehr unterschiedlichem Wert.

302

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

J o h n Paul Pritchard, Criticism in America ( N o r m a n , O k l a h o m a , 1956), ist eine schlechte, zusammengestoppelte K o m p i l a t i o n . Siehe auch sein früheres B u c h Return to the Fountains ( D u r h a m , N . C . , 1942), über klassische Q u e l l e n . R o b e r t E. Spiller u. a., Hrsg., Literary History of the United States (3 B ä n d e , N e w Y o r k , 1948) enthält Kapitel über die Literaturkritik u n d viel Information in B a n d 3, s o w i e eine Bibliographie. C l a r e n c e A r t h u r B r o w n , Hrsg., The Achievement

of A m e r i c a n Criticism ( N e w

York,

1954), ist eine ausgezeichnete historische A n t h o l o g i e m i t E i n f ü h r u n g e n u n d Bibliographien. Ü b e r die frühe Periode v o r d e m B ü r g e r k r i e g siehe W i l l i a m C h a r v a t , Origins of American Critical

Thought,

Philadelphia, 1936; B e n j a m i n T . Spencer, Quest for Nationality:

American Literary Campaign, Men of Gotham:

An

Syracuse, N . Y . , 1 9 5 7 ; u n d J. P. Pritchard, Literary

Criticism in New

York 1815—1860,

Wise

B a t o n R o u g e , La., 1963.

ANMERKUNGEN K A P I T E L 5: A M E R I K A N I S C H E

LITERATURKRITIK

1. Smith, Forces in American Criticism, S. 2 1 7 : » . . . a c o u n t r y w h e r e there is n o s h a d o w , n o antiquity, n o m y s t e r y , n o picturesque and g l o o m y w r o n g , n o r a n y t h i n g but a c o m m o n p l a c e prosperity, in b r o a d and simple daylight.« 2. Edinburgh Review,

Januar 1820. Eine B e s p r e c h u n g v o n Scyberts Annals of the

United

States: » . . .in the f o u r quarters o f the g l o b e reads an A m e r i c a n book.« 3. B r o w n , The Achievement

of American Criticism,

S. 1 4 3 — 4 4 : »our reading is confined

t o o m u c h t o English books« »cultivate intimacy«. 4. Ebd., S. X X I , aus Kavanagh: » . . .as the b l o o d o f all nations is m i n g l i n g w i t h o u r o w n , so w i l l their thoughts and feelings finally m i n g l e in o u r literature. W e shall d r a w f r o m the Germans, tenderness; f r o m the Spaniards, passion; f r o m the French, v i v a c i t y , to m i n g l e m o r e and m o r e w i t h o u r English solid sense. A n d w i l l g i v e us universality, so m u c h t o b e desired.« 5. V o r 1835 g a b es 31 amerikanische A u s g a b e n v o n K a m e s ' Elements of Criticism,

53

v o n Blairs Lectures u n d 9 v o n Alisons Essays on Taste. Siehe C h a r v a t , Origins of American Critical

Thought,

S. 3 0 — 3 1 .

6. In N e w Y o r k , 1826 gehalten, veröffentlicht erst 1884; siehe B r o w n , S. I i i A n m . 7. Ebd., S. 1 1 2 : »suggestive« Seite 1 1 5 : »great spring« Seite 1 1 6 : » . . .delivers direct lessons of wisdom...« 8. 1832; bei B r o w n , S. 2 1 9 ff. BIBLIOGRAPHIE: POE

Ich zitiere als W The Complete

Works, hrsg. v . James A . Harrison (17 B ä n d e , N e w Y o r k ,

1902), die sogenannte V i r g i n i a Edition u n d die weitaus vollständigste. The Letters w e r d e n nach der A u s g a b e v o n J o h n W a r d O s t r o m , 2 B ä n d e , C a m b r i d g e , Mass., 1948, zitiert. D i e Forschungsliteratur ist unübersehbar, die besten, kritischsten A r b e i t e n sind: N o r m a n Foerster, American Criticism (Boston, 1925), S. 1 — 5 1 ; u n d Y v o r W i n t e r s , In Defense

of

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

303

Reason (Denver, Colo., 1947), S. 234—61. Vorher in Maule's Curse, Norfolk, Conn., 1938. Weitere Literatur: Allen Tate, »The Angelic Imagination: Poe as God«, in The Forlorn Demon (Chicago, 1953)» S. 56—78. Auch in The Man of Letters in the Modern World (New York, 1955), S. 113—31Joseph Chiari, Symbolisme from Poe to Mallarmé (London, 1956), bes. S. 97—116. Charles Feidelson, Jr., Symbolism and American Literature (Chicago, 1953), S. 36—39, 248—49. Margaret Alterton und Hardin Craig, Vorwort zu E. A. Poe, Representative Selections (Cincinnati, 1935), ein Versuch, Poes Theorien auf ein rationales System zu reduzieren. N. Bryllion Fagin, The Histrionic Mr. Poe (Baltimore, 1949), hat ein Kapitel über Dramenkritik. Edward H. Davidson, Poe: A Critical Study (Cambridge, Mass., 1957), bes. S. 43—75. Vincent Buranelli, Edgar Allan Poe (New York, 1961), S. 54—63, 110—27. Sidney P. Moss, Poe's Literary Battles (Durham, N. C., 1963). Eine detaillierte, Poe verteidigende Studie. Zu Quellen: Margaret Alterton, The Origins of Poe's Critical Theory, Iowa City, 1925. Marvin Laser, »The Growth and Structure of Poe's Concept of Beauty«, ELH, is (1948), 69—84, deutet auf den Einfluß von Shelley's Defense of Poetry nach seinem Druck im Jahre 1840 hin. Floyd Stovall, »Poe's Debt to Coleridge«, University of Texas Studies in English, 10 (1930), 70—127. Albert J . Lubell, »Poe and A. W. Schlegel«, Journal of English and Germanic Philologie, 52 (1953), i—12. Henry A. Pochmann, German Culture in America (Madison, Wis., 1957), S. 405—08. Weitere Aufsätze: Nelson F. Adkins, »'Chapter on American Cribbage' : Poe and Plagiarism« in The Papers of the Bibliographical Society of America, 42, (1948), 169—210; und George Kelly, »Poe's Theory of Unity«, Philological Quarterly, 37 (1958), 34—44. ANMERKUNGEN: POE

1. Vgl. W , 10, 100, 196 oder 11, 158. 2. W, 12, 8: »This is emphatically the thinking age; — indeed, it may very well be questioned whether mankind ever substantially thought before.« 3. IV, 12, 4: »shallowness and uncouthness«. 4. W, 16, 120: »dramatic inability of the ancients«. 5. W, 12, 140. 6. IV, 11, 89: »for one Fouqué there are fifty Molières.« 7. Z. B . »The Germans lived during the whole of the middle ages in utter ignorance of the art of writing.« W, 16, 1 1 5 ; 14, 71. 8. W, 14, 289 : »the noblest poet that ever lived«. 9. W , 11, 266: ».. .in all that regards the loftiest and holiest attributes of the true Poetry.« 10. W, il, 177 und 10, 137: »ass«. 11. W, 15, 260: »mystic for mysticism's sake«.

304 12. 13. 14. 15. 16. 17.

18. 19. 20. 21. 22. 23.

24. 25. 26.

27. 28. 29.

30.

31.

32.

33.

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

W, 13, 1 7 1 : »no Southerner should ever touch a volume by this author.« Siehe Pochmanns Kommentar in German Culture in America, S. 383—86. IV, 11, 38—64. W, 12, 118, über Mrs. Mowatt's Fashion: »deficiency in verisimilitude«. Siehe die Kritik von Willis' Tortesa und Longfellows Spanish Student, W, 13, 33 fr. W, 11, 2: » . . . w e daily found ourselves in the paradoxical dilemma of liking or pretending to like a stupid book the better because (sure enough), its stupidity was of our own growth, and discussed our own affairs.« Z. B. W, 14, 282: 11, 41. Vgl. W, 14, 74 oder 11, 1—2. W, 11, 2: ».. .an art based immoveably in nature...« W, 14, 272 und 11, 70: »the heresy of the Didactic«. W, 14, 271—72: ».. .poem solely for the poem's sake.«; vgl. 11, 258. W, 14, 272 und Ii, 70: »...radical and chasmal differences between the truthful and the poetical modes of inculcation.« » . . . to reconcile the obstinate oils and waters of Poetry and Truth.« W, 13, 1 3 1 : »recollection in tranquillity« »chastened« ».. .poetry, in elevating, tranquilizes the soul. With the heart it has nothing to do.« W, 16, 164: »...the reproduction of what the senses perceive in nature through the veil of the soul.« W, 11, 148—49: »The poet in Arcady is, in Kamschatka, the poet still... nor can any social, or political, or moral, or physical conditions do more than momentarily repress the impulses which glow in our own bosoms as fervently as in those of our progenitors.« W, 11, 68: »the under-current of a poetical thesis.« JV, 11, 7 1 : ».. .is not forbidden to depict — but to reason and preach, of virtue.« W, 13, 1 1 2 — 1 3 : »The conveying of what is absurdly termed ,a moral'... should be left to the essayist and the preacher. It is not in the power of any fiction to inculcate any truth.« »The truthfulness, the indispensable truthfulness of the drama, has reference only to the fidelity with which it should depict nature... the drama, in a word, must be truthful without conveying the true.« W, 14, 273: ».. .intimate relations with either extreme... waging war upon Vice solely on the ground of her deformity — her disproportion — her animosity to the fitting, to the appropriate, to the harmonious — in a word, to Beauty.« W, 4, 203—04: »Taste alone — that faculty which, holding middle position between the pure intellect and the moral sense, could never safely have been disregarded — it was now that taste alone could have led us gently back to Beauty, to Nature and to Life.« (Deutsche Übersetzung zitiert nach E. A. Poe, Werke, hrsg. von K. Schumann und D. Müller, übers, von A. Schmidt und H. Wallschläger; Ölten und Freiburg 1967, Bd. II. S. 880.) Dieser Begriff hat Untertöne, die von seinem Gebrauch in der Phrenologie abgeleitet sind. Siehe Edward Hungerford, »Poe and Phrenology«, American Literature, 2 (1930), 209—31. W, 14, 273—74: »supernal« »ethereal« »mystic« »immortal instinct«; »It is the desire of the moth for the star. It is no mere appreciation of the Beauty before us — but a wild effort to reach the Beauty above. Inspired by an ecstatic prescience of the

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

305

glories b e y o n d the grave, w e struggle, by multiform combinations a m o n g the things and thoughts o f T i m e , to attain a portion o f that Loveliness whose very elements, perhaps, appertain to eternity alone. A n d thus w h e n b y Poetry — or w h e n by Music, the most entrancing o f the Poetic moods — w e find ourselves melted into tears — w e weep then — not as the Abbate Gravina supposes — through excess o f pleasure, but through a certain, petulant, impatient sorrow at our inability to grasp now, w h o l l y , here on earth, at once and for ever, those divine and rapturous j o y s , o f w h i c h through the poem, or through the music, w e attain to but brief and indeterminate glimpses.« 34. In Defense of Reason, S. 241: » . . . w o u l d rob us o f all subject matter, and w o u l d reduce poetry f r o m its traditional position as the act o f complete comprehension to a position o f triviality.« 35.

W,5,283.

36. W, 14, 274: »awful Loveliness«. » . . .the struggle to apprehend the supernal Loveliness has given to the w o r l d all that w h i c h it (the world) has ever been enabled at once to understand and to feel as poetic.« 37. W, 10, 159—60: »petulant, impatient sorrow«. 38. W, 14, 291: »all noble thoughts — all unworldly motives — all holy impulses — all chivalrous, generous, and self-sacrificing deeds.« »the harmony o f the rustling o f her r o b e s . . . « » . . . g e n t l e charities, her meek and devotional endurances, the faith, the purity, the strength, the altogether divine majesty o f her love.« 39. W, 14, 198: »Beauty o f whatever kind, in its supreme development, invariably excites the sensitive soul to tears.« 40. W, 14, 201: » . . .the death o f a beautiful w o m a n is, unquestionably, the most poetical subject in the world.« 41. Wahrscheinlich angeregt durch das reichliche L o b in A . W . Schlegel, Über dramatische Kunst und Litteratur (Heidelberg, 1817), 3, 344—45. 42. W, 10, 66: » . . .most especially The Sensitive Plant o f Shelley and the Undine o f D e La M o t t e Fouqui.« 43. W, 8, 299.

44. W, 14, 275: »music«, vgl. 11, 75. 45. A n J. R . L o w e l l , 2. Juli 1844; in Letters, hrsg. v. Ostrom, 1, 2 5 7 — 5 8 : »I am profoundly excited b y music, and by some poems, those o f Tennyson especially —

whom,

w i t h Keats, Shelley, Coleridge (occasionally) and a f e w others o f like thought and expression I regard as the sole poets. Music is the perfection o f the soul, or idea, o f Poetry. T h e vagueness o f exaltation aroused b y a sweet air (which should be strictly indefinite and never too strongly suggestive) is precisely what w e should aim at in poetry.« 46. W, 14, 275: » . . . t h e notes stricken f r o m an earthly harp w h i c h cannot have been unfamiliar to the angels.« V g l . 11, 75. 47. Es gibt jedoch eine vereinzelte Stelle in »Colloquy o f M o n o s and Una«, die sich a u f die »analogy« bezieht als in »proof-tones to imagination alone« sprechend, W, 4, 202. 48. Siehe W, 14, 187 oder 16, 197. 49. W, 14, 187: »supreme a m o n g the mental faculties« »to the very verge o f the great secrets«. 20

Wellek, Literaturkritik 2

306

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

50. Siehe Les Premiers Traits de l'érudition universelle, L e y d e n , 1767. Bielfeld g i b t V o l t a i r e A u f s a t z über die Einbildungskraft (1765) in der Encyclopédie w i e d e r und w i e d e r h o l t Batteux und Condillac. 51. W, 8, 283: » W h a t the D e i t y imagines, is, but was not before. W h a t m a n imagines, is, b u t was also. T h e m i n d o f m a n cannot imagine w h a t is not.« 52. W, 12, 3 8 — 3 9 : »The pure Imagination chooses, from either beauty or deformity, o n l y the most combinable things hitherto u n c o m b i n e d ; the c o m p o u n d as a general rule, partaking (in character) o f sublimity o r beauty, in the ratio o f the respective subl i m i t y or beauty o f the things c o m b i n e d — w h i c h are themselves still to b e considered as a t o m i c — that is to say, as previous combinations.« » . . . n o t h i n g o f the quality o f one o f t h e m o r e v e n n o t h i n g o f the qualities o f either.« 53. W, 12, 2 7 ; u n d 15, 1 3 — 1 4 : »

a distinction w i t h o u t a difference — w i t h o u t e v e n a

difference o f degree. T h e f a n c y as nearly creates as the imagination, and neither at all. N o v e l conceptions are merely unusual combinations.« 54. W, 8, 2 9 5 — 9 6 : »Fancy, the faculty o f comparison.« 55. W, 12, 3 9 — 4 0 : » . . . e v e n o u t o f deformities fabricates . . . that B e a u t y w h i c h is at once its sole object and its inevitable t e s t . . . « »incongrous o r antagonistical elements«. 56. Siehe Stovall über C o l e r i d g e u n d L u b e l l ; u n d P o c h m a n n über Schlegel. 57. W, 16, 3 1 3 : » . . . o n l y in the diffused M a t t e r and Spirit o f the Universe.« 58. Siehe A l t e r t o n - C r a i g , Einleitung, besonders S. X X X I , X X X I I I , X L V I I I , LII. 59. W, 4, 150: » . . . t r u l y imaginative are never otherwise than a n a l y t i c . . . « 60. W, 11, 148: » . . .that the calculating faculties are at w a r w i t h the ideal.« »The highest order o f the imaginative intellect is a l w a y s preeminently mathematical; a n d the c o n verse.« 61. W, 14, 7 3 : »There is n o greater mistake than the supposition that the true originality is a mere matter o f impulse or inspiration. T o originate is carefully, patiently, and understandingly t o combine.« 62. W, 14, 195: » . . . n o o n e point in its composition is r e f e r a b l e either t o accident o r intuition — that the w o r k proceeded, step b y step, t o its c o m p l e t i o n w i t h the precision and rigid consequence o f a mathematical problem.« 63. V o r w o r t z u »La Genèse d ' u n poème« (1859), einer Ü b e r s e t z u n g v o n Poes »Philosophy o f C o m p o s i t i o n « in OEuvres complètes, h r s g . v . J . C r é p e t (Paris, 1 9 2 2 — 5 3 ) , p, 1 5 3 — 5 4 : »S'est-il fait, par une vanité étrange et amusante, b e a u c o u p m o i n s inspiré, qu'il ne l'était naturellement? A - t - i l diminué la faculté gratuite qui était e n lui p o u r faire la part plus belle à la v o l o n t é ? Je serais assez porté à la c r o i r e . . . A p r è s t o u t , u n p e u de charlatanerie est toujours permis au génie, et m ê m e ne lui messied pas.« 64. W,

14, 1 9 4 — 9 5 : »Most writers —

poets in especial —

prefer h a v i n g understood

that they c o m p o s e b y a species o f fine f r e n z y — an ecstatic intuition — and w o u l d positively shudder at letting the public take a peep behind the scenes, at the elaborate and vacillating crudities o f t h o u g h t —

at the true purposes seized o n l y at the last

m o m e n t — at the innumerable glimpses o f idea that arrived n o t at the maturity o f full v i e w — at the fully matured fancies discarded in despair as u n m a n a g e a b l e — at the cautious selections and rejections —

at the painful erasures and interpolations

— in a w o r d , at the w h e e l s and pinions — the tackle f o r scene-shifting —

the step-

ladders and demon-traps — the cock's feathers, the red paint and the b l a c k patches,

BIBLIOGRAPHIEN

UND

307

ANMERKUNGEN

w h i c h , in ninety-nine cases o u t o f the hundred, constitute the properties o f the literary histrio.« 65. Siehe die überzeugenden Aufsätze v o n W . K . W i m s a t t , Jr., »Poe and the Chess Automaton«, American Literature, 11 (1939), 1 3 8 — 5 1 ; » W h a t P o e K n e w o f C r y p t o graphy«, PMLA,

55 (1943), 7 J 4 — 7 9 ; »Poe and the M y s t e r y o f M a r y Rogers«,

PMLA,

56 (1941), 230—48. D i e gegenteilige Auffassung vertritt Denis M a r i o n in La Méthode intellectuelle d'Edgar Poe, Paris, 1952. 66. Siehe A l d o u s H u x l e y , Vulgarity in Literature, L o n d o n , 1930. 67. W, 14, 266: »The value o f the p o e m is in the ratio o f this elevating excitement.« 68. W, 14, 266: »a l o n g p o e m does n o t exist«. 69. W, 14, 196: » . . . l o n g p o e m is, in fact, merely a succession o f brief ones.« »At least o n e half o f the ,Paradise Lost' is essentially prose.« 70. W, 14, 267: »But the d a y o f these artistic anomalies (epics) is over.« • 7 1 . W, 14, 196. 72. W, 13, 153 : »As the n o v e l cannot be read at o n e sitting, it cannot avail itself o f the immense benefit o f totality.« »During the h o u r o f perusal ( o f a short tale), the soul o f the reader is at the writer's control.« 73. W, 13, 1 5 3 : »Deliberately conceive a certain single effect to be w r o u g h t . « 13, 153 u n d 11, 108: » . . .invents such incidents — he then combines such events as m a y best aid h i m in establishing the preconceived effect.« 74. W, 11, 108: »In the w h o l e composition there should be n o w o r d written, o f w h i c h the tendency, direct or indirect, is not to the one pre-established design.« V g l . 14, 188. 75. Siehe diese Geschichte 2, 49. 76. Z . B . W, 16, 5 7 ; 10, 37. 77. W, 14, 193 : » . . .its indispensable air o f consequence, o r causation.« 78. W. 13, 45 u n d 14, 188 u n d 10, 1 1 7 : » . . . n o o n e o f its c o m p o n e n t parts shall be susceptible o f r e m o v a l w i t h o u t detriment t o the whole.« 79. W, 16, 10: » W e should a i m at so arranging the points, o r incidents, that w e cannot distinctly see, in respect t o any one o f t h e m , w h e t h e r that one depends f r o m any one another, or upholds it.« » . . . i n this sense, perfection o f p l o t is unattainable in fact, — because M a n is the constructor. T h e plots o f G o d are perfect. T h e Universe is a P l o t o f God.« 80. W, 11, 7 5 : »music«; 11, 24; 14, 2 7 5 : »the rhythmical creation o f beauty«. 81. Siehe W . L . W e r n e r , »Poe's Theories and Practice in Poetic Technique«, Literature, 2 (1930), 1 5 7 — 6 5 . H e r v e y A l l e n , Israfel (2 B ä n d e ,

American

N e w York,

1926),

2, 763, zitiert, was ein Z u h ö r e r v o n Poes Lesung a m 16. Juli 1848 in L o w e l l , Mass. über dessen B e t o n u n g des g l e i c h m ä ß i g e n Taktes sagt, »measuring the m o v e m e n t as i f he w e r e scanning it.« Siehe G a y W i l s o n A l l e n , American Prosody ( N e w Y o r k , 1935), S. 5 7 — 6 1 zur U n t e r s u c h u n g v o n »The R a t i o n a l e o f Verse.« BIBLIOGRAPHIE: EMERSON Ich zitiere: Complete

Works, die C e n t e n a r y Edition (12 Bände, B o s t o n , 1903) als

Journals, 1820—1872

(6 B ä n d e , N e w Y o r k , 1939), als L. 20*

W.

(10 B ä n d e , B o s t o n , 1909), als J. The Letters, hrsg. v. R a l p h L. R u s k

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BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

The Correspondence of Thomas Carlyle and Ralph Waldo Emerson, 1834—1872 (2 Bände, Boston, 1894), als Cor. Parnassus, hrsg. v. R . W. Emerson, Boston, 1875. The Uncollected Writings: Essays, Addresses, Poems, Reviews and Letters, hrsg. v. C. C. Biglow (Boston, 1912), als UW. James Elliot Cabot, A Memoir of R. W. Emerson, 2 Bände, Boston, 1887. Die umfangreiche Literatur wird gut analysiert bei F. I. Carpenter, Emerson Handbook, New York, 1953; und in Floyd Stovalls Kapitel von Eight American Authors. A Review of Research and Criticism, hrsg. v. F. Stovall (New York, 1956), S. 47—99. Dort sind die vielen hervorragenden, Emerson gewidmeten Essays aufgeführt: z. B. die von Matthew Arnold, Leslie Stephen, Henry James, George Santayana und W. C. Brownell. Es fehlt E. R . Curtius in Kritische Essays zur europäischen Literatur, Bern, 1950. Unter den neueren allgemeinen Untersuchungen ragen heraus, Sherman Paul, Emerson's Angle of Vision (Cambridge, Mass., 1952) und Stephen E. Whicher, Freedom and Fate: An Inner Life of R. W. Emerson (Philadelphia, 1953). Vivian Hopkins, Spires of Form: A Study of Emerson's Aesthetic Theory (Cambridge, Mass., 1951), ist das beste Buch über den Gegenstand. Emerson Grant Sutcliffe, Emerson's Theories of Literary Expression (Urbana, III., 1923) ist immer noch brauchbar. Das Kapitel in Norman Foersters American Criticism (Boston, 1928), hebt seine klassischen Sympathien hervor. Donald MacRae, »Emerson and the Arts«, Art Bulletin, 20 (1938), 78—95, enthält gute Beobachtungen zur Ästhetik. F. O. Matthiessen, American Renaissance (New York, 1941), enthält ein ausgezeichnetes, hauptsächlich Emersons Sprache behandelndes Kapitel. Charles Feidelson, Jr., Symbolism and American Literature (Chicago, 1953), widmet mehrere Seiten brillianten Reflexionen über Emersons Symbolismus. R . P. Adams, »Emerson and the Organic Metaphor«, PMLA, 69 (1954), 117—30, erörtert sachkundig einen wichtigen Punkt. Über Quellen siehe: mein Aufsatz »Emerson and German Philosophy«, New England Quarterly, 16 (1943), 41—62 (neu abgedruckt in Confrontations, Princeton, 1965) scheint in seinen Schlußfolgerungen immer noch gültig. Mehr in Henry A. Pochmann, German Culture in America, Madison, Wise., 1957; und in Stanley M. Vogel, German Literary Influences on the American Transcendentalists, New Haven, 1955. Kenneth W. Cameron, Emerson the Essayist: An Outline of His Philosophical Development through 1836 with Special Emphasis on the Sources and Interpretation of Nature, 2 Bände, Raleigh, N. C. 1945. John Smith Harrison, The Teachers of Emerson (New York, 1910), behandelt die Neuplatoniker. Vivian C. Hopkins, »The Influence of Goethe on Emerson's Aesthetic Theory«, Philological Quarterly, 27 (1948), 325—44; und vom selben Autor »Emerson and Cudworth: Plastic Nature and Transcendental Art«, American Literature, 23 (1951), 80—98.

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A N M E R K U N G E N : EMERSON

1. W, 3, 38: »America is a poem in our eyes; its ample geography dazzles the imagination, and it will not wait long for metres.« 2. 21. Juli 1855; siehe L, 4, 520: ».. .the most extraordinary piece of wit and wisdom that America has yet contributed.« Whitman veröffentlichte den Brief am 10. Oktober 1855 in der New York Daily Tribune. Emerson distanzierte sich später etwas von seiner ersten spontanen Begeisterung. Vgl. z. B. »Our wild Whitman, with real inspiration but choked by Titanic abdomen«, in L, 5, 87 (1857). 3. Essays in Literary Criticism, hrsg. v. I. Singer (New York, 1956), S. 224: »...had no doctrine at all.« 4. W, 2, 57: » . . . a foolish consistency is the hobgoblin of little minds.« 5. W, 12, 12: ».. .a little distrust ofthat completeness of system which metaphysicians are apt to affect.« 6. L, 2, 167 (8. Oktober 1838): »incapacity of methodical writing« ».. .what arguments mean in reference to any expression of a thought.« 7. Cor, 1, 161 (10. Mai 1838): »an infinitely repellent particle« und 1, 299: »a brick-kiln instead of a house.« 1, 325 (30. August 1840). 8. J, 8, 463 (1854): »If Minerva offered me a gift and an option, I would say: give me continuity. I am tired of scraps. The Asmodeanfeat be mine j To spin my sand heaps into twine.« 9. Austin Warren, New England Saints (Ann Arbor, Mich., 1956), S. 46: »a preacher to himself.« 10. Besonders gut beschrieben bei Whicher, Freedom and Fate. Der Versuch von Pochmann, German Culture, Emersons Neoplatonismus nur als ein vorübergehendes Stadium zwischen einer Kantischen und einer naturwissenschaftlichen Phase seines Denkens anzusehen, scheint mir keineswegs überzeugend. 11. W, 3, 196: »Nature is the incarnation of a thought, and turns to a thought again.« »The world is mind precipitated.« 12. W, 1, 24: »God is the all-fair. Truth, and goodness, and beauty, are but different faces of the same All.« Seite 23—24: ».. .the standard o f beauty is the entire circuit o f natural forms, — the totality of nature...« und 12, 217—18. Man beachte, daß das eine Übersetzung von K . P. Moritz ist, wie bei Goethe zitiert, Werke, J.-A., 33,61. 13. W, 6, 305: »points at identity«. 14. W, 8, 42: »organic« Seite 40: »a new work of Nature, as a man is.« Seite 43. 15. W, 7, 182: »Shakespeare made his Hamlet as a bird weaves its nest.«: »The Problem«, in W, p, 7, 8: »temples grew as grows the grass.« 16. W, 3, 9—10: »For it is not meters, but a meter-making argument that makes a poem, — a thought so passionate and alive that like the spirit of a plant or an animal it has an architecture o f its own, and adorns nature with a new thing.« 17. W, 1, 23: »an abstract or epitome of the world« Seite 24: »...concentrates this radiance of the world on one point« 2, 354: »...sequesters one object from the embarrassing variety.« 1, 24: »Thus Art is a nature passed through the alembic of man.« 18. »The Rhodora«, W, 9, 38: »Beauty is its own excuse for being«; 4, 56: ».. .thought (which) seeks to know unity in u n i t y . . . « »poetry (which seeks) to show it by variety; that is, always by an object or symbol.«

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19. Parnassus, V o r w o r t , S. L V : »the peril o f didactics t o kill poetry.« 20. W, 1, 55: » . . .the true philosopher and the true p o e t are one, and a beauty, w h i c h is truth, and a truth, w h i c h is beauty, is the a i m o f both.« 2 1 . W, 8, 2 1 : »The poet contemplates the central i d e n t i t y . . . « Seite 1 7 : » . . . t h e perpetual endeavor to express the spirit o f the t h i n g . . . « Seite 20: » . . . i f perfected, is the o n l y verity, is the speech o f m a n after the real, and n o t after the apparent.« 22. W, 8, 38: » . . . l i f t s the v e i l ; gives t h e m (mortal men) glimpses o f the l a w s o f the universe.« 23. W, 7, 52: »Raphael paints w i s d o m , H a n d e l sings it, Phidias carves it, Shakespeare writes it, W r e n builds it, C o l u m b u s sails it, Luther preaches it, W a s h i n g t o n arms it, W a t t mechanizes it. Painting w a s called .silent p o e t r y ' , and p o e t r y .speaking painting'. T h e l a w s o f each art are convertible into the laws o f e v e r y other.« V g l . J, 3. 3 9 5 — 9 6 (1834) u n d J , 7, 1 7 3 — 7 4 (1846). 24. W, 8, 23 : »the i m m e n s e s h a d o w o f man«. 35-

W, 3, 20: »symbols and inhabit symbols«.

26. W, 1, 32: »emblematic« » . . .the w h o l e w o r l d is a m e t a p h o r o f the h u m a n mind.« 27. W, 3, 20 : »in the core o f things« »accidency and f u g a c i t y o f the symbol« »The poet turns the w o r l d to g l a s s . . . he stands one step nearer to things, and sees the

flowing

or metamorphosis.« V g l . Plotinus, Select Works, übers, v . T h o m a s T a y l o r , L o n d o n , 1817. 28. IV, 3, 3 4 — 3 5 : » . . .the s y m b o l t o o stark and s o l i d . . . « » . . .nailing it to o n e s e n s e . . . « » . . . an accidental and individual s y m b o l f o r an universal one.« »fluxional«. 29. W, 3, 34; 4, 121 : »The central identity enables any one s y m b o l t o express successively all the qualities and shades o f real being. In the transmission o f the heavenly waters, e v e r y hose fits e v e r y hydrant.« 30. W, 12, 300—02: »low idealism« »two handles«. 31. W, 8, 1 5 : » . . .endless passing o f one element into n e w f o r m s . . . « »incessant metamorphosis.« 32. J, 6, 18 (1841): »The w o r l d is a D a n c e r ; it is a R o s a r y ; it is a T o r r e n t ; it is a B o a t ; a M i s t ; a Spider's Snare; it is w h a t y o u w i l l ; and the m e t a p h o r w i l l h o l d . . . S w i f t e r than light the w o r l d converts itself into that thing y o u n a m e . . . C a l l it a blossom, a rod, a w r e a t h o f parsley, a tamarisk-crown, a c o c k , a s p a r r o w , the ear instantly hears and the spirit leaps to the trope.« 33. W, 6, 304: » M y b o o t s and chair and candlestick are fairies in disguise, meteors and c o n s t e l l a t i o n s . . . E v e r y w o r d has a double, treble o r centuple use and m e a n i n g . . . C h a f f and dust b e g i n t o sparkle, and are clothed about w i t h immortality.« 34. W, 12, 1 2 9 : »Is a rail-road, or a shoe-factory, or an insurance office, b a n k or b a k e r y outside o f the system and connection o f things, o r further f r o m G o d than a sheeppasture o r a clam-bank?« 35. W, 12, 283: » . . .a w a r , an earthquake, r e v i v a l o f letters, the n e w dispensation o f Jesus, o r b y A n g e l s : H e a v e n , Hell, p o w e r , science, the Néant, exist to h i m as colors f o r his brush.« 36. W, 1, h i : »Give m e insight into t o - d a y , and y o u m a y h a v e the antique and future worlds.« 37. W, 8, 3 4 — 4 5 : » . . .the test o r measure o f poetic genius is the p o w e r t o read the p o e t r y o f affairs, — t o fuse the circumstance o f t o - d a y ; n o t t o use Scott's antique

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superstitions, or Shakespeare's, but to convert those of the nineteenth century and of the existing nations into universal symbols... to convert the vivid energies acting at this hour in New York and Chicago and San Francisco, into universal symbols.« Seite 37: »There is no subject that does not belong to (the poet) — politics, economy, manufactures and stock-brokerage, as much as sunsets and souls.« 38. W, 2, 82—83: »Why need we copy the Doric and the Gothic model? Beauty, convenience, grandeur of thought and quaint expression are as near to us as to any.« 39. W, 2, 356: »A dog, drawn by a master, or a litter of pigs, satisfies and is a reality not less than the frescoes of Angelo.« 40. W, 6, 255: »Art lives and thrills in new use and combining of contrasts, and mining into the dark evermore for blacker pits of night. What would a painter do, or what would poet or saint, but for crucifixions and hells? And evermore in the world is this marvelous balance of beauty and disgust, magnificence and rats.« 41. J , g, 207 (1859): »realism« »formalism« ».. .subject is absolutely indifferent.« 42. J , 5, 227 (1839): »wildest freedom« ».. .rhyme which builds out into Chaos and old night a splendid architecture to bridge the impassible, and call aloud on all the children of morning that the Creation is recommencing.« 43. W, 2, 358: ».. .in happy hours, nature appears to us one with art; art perfected.« 44. W, 12, 278: ».. .poetry... seeks to accommodate the shows of things to the desires of the mind, and to create an ideal world better than the world of experience.« Emerson zitiert Bacon falsch (Advancement of Learning, Buch 1 1 , IV, 2): »It doth raise and erect the mind, by submitting the shows of things to the desires of the mind; whereas reason doth buckle and bow the mind into the nature of things.« Da Emerson die zweite Hälfte ausläßt und den Satz über die ideale Welt hinzufügt, hört sich Bacon viel platonischer an, als der Text dazu Anlaß gibt. 45. IV, 8, 57: »words are things« J , 2, 401 (1831): ».. .there is always a right word, and every other than that is wrong.« 46. W, 7, 50: »Good poetry sounds as if copied out of some invisible tablet in the Eternal mind.« » . . . found the verse, not made it.« 47. W, 1, 29: »As we go back in history, language becomes more picturesque, until its infancy, when it is all poetry.« 48. W, 3, 21—22: »language is fossil poetry« ».. .is the Namer, or Language-maker.« 49. W, 1, 30: »Wise men pierce this rotten diction (of our time) and fasten words again to visible things.« 50. W, 12, 366: ».. .must be pictures, his verses must be spheres and cubes, to be seen and smelled and handled.« Wiederholt in Parnassus, S. LV. 51. W, 8, 1 3 : ».. .a sort of evidence that our thought is just.« 52. W, 2, 108: »voice of the fable«; vgl. W, 2, 352. 53. W, 7, 52—53: »spiritually organic« ».. .a necessity, in Nature for being... is now only discovered and executed by the artist, not arbitrarily composed by him.« Vgl. Goethe, Werke, J.-A., 27, 108; 33, 108, zitiert in dieser Geschichte, 1, 213. 54. W, 12, 303—04; »Classic art is the art of necessity: organic; modern or romantic bears the stamp of caprice or chance. The classic unfolds, the romanic adds. The classic should, the modern would. The classic is healthy, the romantic sick; auch J , 4, 90 (1836); J , 5, 434 (1840); und vgl .J, p, 24—25 (1856I, wo sich Emerson auf

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Sainte-Beuve bezieht. Der Aufsatz »Shakespeare und kein Ende« (Werke, J.-A., 37, 41—42) scheint die deutlichste Quelle zu sein. Siehe diese Geschichte, 1, 224. 55. J , 10, 267: ».. .regnant through the whole«, 278 (1868—69). 56. W, 3, 18—19: »The poet, who reattaches things to nature and the Whole... disposes very easily of the most disagreeable facts.« 57. W, 12, 410: »All sorrow dwells in a low region. It is superficial...« Seite 413: »All melanchoy, as all passion, belongs to the exterior life.« Seite 408: »immense whim«. 58. Henry James, Literary Remains (Boston, 1885), S. 293: »no conscience«; J. R . Lowell, Letters, hrsg. v. C. E. Norton (New York, 1894), 2, 175 (1876): ».. .when one meets him the Fall of Adam seems a false report.« 59. W, 12, 276: »...channels through which streams of thought flowed.« 60. W, 7, 48—49: »disindividualizes« »... one through whom the soul of all men circulates« ».. .organ through which the universal mind acts.« 61. W, 2, 133: ».. .our moral nature is vitiated by an interference of our will«; 12, 71: ».. .the poet works to an end above his will, and by means, too, which are out of his will.« 62. UWy 138—39: »private and house-hold poetry« ».. .that the writer was more man than artist, more earnest than vain; that the thought was too sweet or sacred to him, than that he should suffer his ears to hear or his eyes to see a superficial defect in the expression.« 63. W, 7, 38: »The more profound the thought, the more burdensome. Always in proportion to the depth of its sense does it knock importunately at the gates of the soul, to be spoken, to be done. What is in, will out.« 64. UIV, 21: »labial but a chest voice«; W, 8, 30—31: »real experience« »a necessary and autobiographic basis.« 65. W, 2, 17: ».. .Strasburg cathedral is a material counterpart of the soul of Erwin of Steinbach. The true poem is the poet's mind: the true ship is the ship-builder.« 66- J, 3. 309 (1834): ».. .the finest poems of the world have been expedients to get bread, or else expedients to keep the writer from the mad-house.« 67. J , 5, 487 (1840): »the effort of man to indemnify himself«;/, 5, 520—22, 520: ».. .able to cast off his sorrows into [his] writings.« Seite 521: ».. .there is no deeper dissembler than the sincerest man«; W, 8, 196: ».. .many men can write better under a mask than for themselves.« 68. J , 8, 541 (1855): »He should have lain awake all night to find the true rhyme for a verse.«; J , 6, 243 (1842): »this sudden crystallization«. 69. W, 8, 274 ff., 296. 70. W, 12, 72: »One master could so easily be conceived as writing all the books of the world. They are all alike.« W, 3, 232: »One person wrote all books.« ».. .plainly . the work of one all-seeing, all-hearing gentleman.«; auch J , 5, 102 (1838). 71. W, 2, 357—58: »If he can draw every thing, why draw any thing?« »Painting and sculpture are gymnastics of the eye« ».. .there is no statue like this living man, with his infinite advantage over all ideal sculpture, of perpetual variety.« »Away with your nonsense of oil and easels, of marble and chisels; except to open your eyes to the masteries of eternal art, they are hypocritical rubbish.« 72. J , 5,129—30 (1838): »If we felt that the universe was ours, that we dwelled in eternity, and advance into all wisdom, we should be less covetous of these sparks and cinders.

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Why should we covetously build a Saint Peter's, if we had the seeing Eye which beheld all the radiance of beauty and majesty in the matted grass and the overarching boughs? Why should a man spend years upon the carving an Apollo, who looked Apollos into the landscape with every glance he threw?« 73- J, 275 (1842): »a Raphael without hands« »With all progress... speech becomes less, and finally ceases in noble silence.« 74. W, 2, 356: »initial«, Seite 362; J , 5, 398 (1840): »ephemeral« »easily entertain the supposition of its entire disappearance.«; W, 2, 365: » . . . a true announcement of the law of creation, if a man were found worthy to declare it, would carry art up into the kingdom of nature, and destroy its separate and contrasted existence.« 75. W, 1, 35: ».. .every scripture is to be interpreted by the same spirit which gave it forth« ».. .the fundamental law of criticism...« 76. J, 5, 295 295 (1839): »the reader of Shakespeare is also a Shakespeare.« ».. .the ultimate identity of the artist and the spectator.« 77- J, 5. 283 (1839): »transcendental criticism« » . . . by absolute standards.« 78. W, 3, 25: »The legitimation of criticism [is] in the mind's faith that the poems are a corrupt version of some text in nature with which they ought to be made to tally.« ».. .the pairing of the birds is an idyl, not tedious as our idyls are: a tempest is a rough ode, without falsehood or rant; a summer, with its harvest sown, reaped and stored, is an epic song subordinating how many admirably executed parts.« 79. W, 8, 56: »a failed poet«. 80. W, 3, 47: »The history of literature — take the net result of Tiraboschi, Warton, or Schlegel — is a sum of very few ideas and of very few original tales.« 81. W, 3, 8: ».. .poetry was all written before time w a s . . . we hear those primal warblings and attempt to write them down, but we lose ever and anon a word or a verse and substitute something of our own, and thus miswrite the poem. The men of more delicate ear write down these cadences more faithfully, and these transcripts, though imperfect, become the songs of the nations.« 82. Siehe Nelson F. Adkins, »Emerson and the Bardic Tradition«, PMLA, 63 (1948), 662—77. 83. J , 5, 399 (1840): ».. .treat the entire extant product of human intellect as only one age, revisable, corrigible, reversible by him.« 84. Siehe z. B . J , 2, 233—34; W, 7, 193—94; W, 12, 341; J, 3, 112. Vgl. z. B. Vivian Hopkins, Spires of Form, S. 244, Anm. 95. 85. Hrsg. v. Chesley J. Mathews, in Harvard Library Bulletin, 11 (1957), 208—44, 346—62. 86. Siehe Charles Lowell Young, Emerson's Montaigne (New York, 1941), bes. S. 10 ff. Emerson interessierte sich für die Person und den Moralisten Montaigne, setzte sich aber kaum mit seinem Skeptizismus auseinander. Er bezieht sich nicht einmal auf die »Apologie de Raimond Sebond«. »The grand old sloven« in J , 3, 538 (1835). 87. Dabei handelt es sich um eine Anthologie, ein Verlagsunternehmen, das zum Teil Werk von Emersons Tochter Edith war und folglich eher als eine riesige Sammlung von Allgemeinplätzen mit vielen Konzessionen an den zeitgenössischen Geschmack beurteilt werden muß. Emersons Einleitung ist von Interesse. 88. Siehe W, 2, 245 ff. »Heroism« und S. 256. Ebenso das Epigraph zu »Self-Reliance« (W, 2, 43) und W, 8, 55, 328. Zu Emersons Lektüre von Beaumont und Fletcher siehe z. B. J , 5, 85 ff. (1839).

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UND

ANMERKUNGEN

89- J, 7, 163 (1846): »no poet«; J, 5, 347 (1839): »What has Lord Byron at the bottom of his poetry but, 'I am Byron, the noble poet, w h o am very clever, but not popular in London.'?« »...revenges himself on society for its supposed distrust to him.« Parnassus, S. L V . 90. L, 6, 19 (1868): ».. .a man of aspiration, heroic character.« W, 12, 319: »uniformly imitative«. 91. W, 5, 298: ».. .the high-water mark which the intellect has reached in this age.« 8, 66: ».. .the agents of a reform in philosophy, the bringing poetry back to Nature, — to the marrying of Nature and mind, undoing the old divorce in which poetry had been famished and false, and Nature had been suspected and pagan.« ».. .hard and sterile in his poetry...«; J, 2, 107—09 (1826), Parnassus, S. VIII; vgl. J. B. Moore, »Emerson and Wordsworth«, PMLA, 41 (1926), 179—92. 92. J, 9, 336—37 (1861): ».. .vulgar in tone, sterile in artistic invention, imprisoned in the wretched conventions of English society, without genius, wit, or knowledge of the world. Never was life so pinched and narrow.« 93. J, 4, 436 (1838): »the poor Pickwick stuff«; 5, 261 (1839). 94. J, 8, 462 (1854): »What a notable green-grocer was spoiled to make Macaulay;« Eine maßvollere Stelle: J, 8, 29—30 (1849). 95. Siehe z . B . L, 1, 264 (1829); J, 2, 253—54 (1828), 415—16 (1831); J, 5, 5 (1838). Siehe auch Cabot, Memoir, 2, 751, und die Auswahl in Parnassus, S. IV, VI. 96. W, 4, 217: »master of the revels to mankind« Seite 218: ».. .the best poet led an obscure and profane life, using his genius for the public amusement.« W, 11, 448: »the first poet of the world« » . . . all criticism is only a making of rules out of his beauties.« 97. W, 11, 451; W, 4, 191, 197, 212—13, 215: »no man can be a poet«;J, 10, 27 (1864): » . . . the mraicle of mythologizing every fact of the common life.« 98. W, 8, 69: »Faust abounds in the disagreeable. The vice is prurient, learned, Parisian. In the presence of Jove, Priapus may be allowed as an offset, but here he is an equal hero.« 12, 325: »vicious subjectiveness« Seite 326: ».. .total want of frankness«; 4, 284: »artistic, but no artist«, ebenso 287. 99. W, 3, 242: ».. .an Indian of the wilderness, a piece of pure nature like an apple or an oak, large as morning or night, and virtuous as a brier-rose.«; 4, 274: »He has defined art, its scope and laws.« Vgl. Frederick B. Wahr, Emerson and Goethe (Ann Arbor, 1915) für weitere Einzelheiten. 100. Vgl. den in der Bibliographie oben angeführten Aufsatz von Vivian Hopkins, »The Influence of Goethe«. 101. Ausführlicher diskutiere ich die Quellenfrage in meinem Aufsatz »Emerson and German Philosophy«. Emerson war etwas mit Schellings Ästhetik vertraut, denn er kannte Coleridges Paraphrase seiner Münchner Akademierede (siehe diese Geschichte, 1, 331, 408), und im Jahre 1845 las er Cabots Übersetzung von Schellings »Vom Wesen der menschlichen Freiheit« oder versuchte wenigstens sie zu lesen (siehe L, 3, 293. 298—99, 303—04, 343). BIBLIOGRAPHIE: DIE A N D E R E N T R A N S Z E N D E N T A L S T E N

Thoreau wird zitiert nach Writings, Riverside Edition, 10 Bände, Cambridge, Mass., 1894) als W, und nach dem Journal, 14 Bände, Boston, 1906.

BIBLIOGRAPHIEN

UND

315

ANMERKUNGEN

Jones V e r y s Essays and Poems (Boston, 1839) habe ich benutzt. Margaret Fuller w i r d zitiert nach

The

Writings,

Mason W a d e ( N e w Y o r k , 1941), als TW,

ausgewählt u n d herausgegeben

von

m i t einer B i b l i o g r a p h i e der Aufsätze. W e n n

diese A u s g a b e nicht g e n ü g t , zitiere ich die A u s w a h l b ä n d e : Art, Literature and the Drama und Life Without and Life Within (Boston, 1874), hrsg. v. A r t h u r B . Fuller (auch genannt B a n d 5 u n d 6 der

Works).

Über Thoreau: Siehe Matthiessen u n d Feidelson, und Fred W . Lorch, »Thoreau and the O r g a n i c T h e o r y o f Poetry«, PMLA,

53 (1938), 286—302.

Ü b e r Jones V e r y : Siehe W i l l i a m I Bartlett, Jones V e r y : Emerson's 'Brave Saint', Ü b e r M a r g a r e t Fuller siehe P o c h m a n n u n d

Frederick

A.

Durham, N . C.,

Braun,

Margaret

1942.

Fuller

and

Goethe, N e w Y o r k , 1910. Helen N . M c Master, »Margaret Fuller as a Literary Critic« University of Buffalo Studies, 7, (1928), N r . 3. A r t h u r R . Schultz, »Margaret Fuller: Transcendentalist Interpreter o f A m e r i c a n Literature« in Monatshefte für deutschen Unterricht, 34 (1942), 169—82. F. O . Matthiessen, »Margaret Fuller as Critic« in The Responsibilities

of the Critic

(New

Y o r k , 1952), S. 1 4 5 — 4 7 ANMERKUNGEN: DIE ANDEREN T R A N S Z E N D E N T A L S T E N 1. Journal, J, 94: »a natural fruit« »As naturally as the o a k bears the acorn, m a n bears a poem.« 2. Ebd., p, 99: »I w o u l d so state facts, that they shall be significant, shall b e m y t h s or mythologic.« 3. Ebd., 15, 56: » . . . w h o s e life is most nearly related to it, w h o has k n o w n it longest and best.« 4. Ebd., 7, 3 8 6 — 8 7 : » . . . t h e present languages, and all that t h e y express, w i l l be f o r gotten.« 5. Ebd., 8, 4 4 1 : »Expression is the act o f the w h o l e m a n . . . « » . . .the divinest p o e m is the life o f a great man.« u n d 1, 329. 6. Miscellanies,

W, 10, Seite 100: » . . . to discriminate b e t w e e n Carlyle's works« Seite h i :

» . . . as o n e w o r k , as is the m a n himself.« Seite h i : » . . . r u g g e d , unwearied, and rich s i n c e r i t y . . . « Seite 1 1 3 : » . . .seer, but a brave l o o k e r o n and reviewer...«

Seite 1 2 4 :

» . . . j u s t appreciation o f any, e v e n inferior talent.« 7. Journal, p, 86: » . . .in w h i c h the matter is all in all and the manner n o t h i n g at all.« 8. W, 2, 164: » . . .still older and m o r e than classic b u t e v e n less k n o w n Scriptures o f the n a t i o n s . . . « » . . . b y such a pile w e m a y h o p e to scale h e a v e n at least.« 9. A Week on the Concord and Merrimack Rivers,

W, 1, 453: »The true p o e m is n o t that

w h i c h the public read. T h e r e is a l w a y s a p o e m n o t printed o n paper, coincident w i t h the p r o d u c t i o n o f this, stereotyped in the poet's life. It is what he has become through his work. N o t h o w the idea is expressed in stone, o r o n canvas o r paper, is the question, b u t h o w far it has obtained f r o m and expression in the life o f the artist.« » M y life has been the p o e m I w o u l d h a v e w r i t / B u t could n o t b o t h live and utter it.«

316

BIBLIOGRAPHIEN UND

10. Y v o r W i n t e r s in Maule's

ANMERKUNGEN

Curse ( N o r f o l k , C o n n . , 1938), später a u f g e n o m m e n in

In Defense of Reason (Denver, C o l o . , 1947), S. 262 ff. W i n t e r s L o b der Essays, S. 269. Ebenso Abrains, The Minor

and the Lamp ( N e w Y o r k , 1953), S. 2 4 7 — 4 8 .

1 1 . Siehe Poems, hrsg. v. W . P. A n d r e w s (Boston, 1883), S. 20: » . . . y o u hear n o t m i n e w o r d s b u t the teachings o f the H o l y Ghost.« 12. Essays and Poems, S. 37: »The inability o f the h u m a n m i n d , at the present d a y . . . « 13. Ebd., Seite 4 1 : » W i t h the ever-surprised m i n d o f a child, he was always transformed into the object h e saw.« Seite 10: » . . .continually hearing the poet himself speaking o u t t h r o u g h the w o r d s o f Hamlet.« Seite 60: » W i t h h i m the n e x t w o r l d b y the intense action o f his thoughts, has b e c o m e as real as the present.« Seite 9 1 : » . . . t o o w e a k to contend w i t h his o w n unaided strength against the destroyer o f our o w n race, unable t o f i n d the w a y , the truth, and the light.« 14. Zitiert in P e r r y Miller,

The

Transcendentalists

(New York,

1950), S. 339:

»...so

m u c h strength has been wasted on abstractions w h i c h o n l y came because I g r e w not in the right soil.« 15. Ebd., » . . .swell o f her soul as deep as t h i n e . . . « 16. TW,

S. 225: »subjective« »apprehensive« »comprehensive«.

17. Art, Literature and the Drama, S. 2 3 — 2 4 : » . . .perfectly natural state in w h i c h the o n l y criticism shall b e tacit r e j e c t i o n . . . « »Protestantism« »No« » . . . m u s t e x a m i n e , c o m p a r e , sift, and w i n n o w . « »I cannot pass o n till I k n o w w h a t I feel and w h y . . . « 18. TW,

S. 360: » . . .present at the gathering-in o f this harvest.«

19. Ebd., Seite 363: »the harbinger o f the better day« Seite 390: »a father o f the country« Seite 400: » . . .raised himself t o o early to the perpendicular and did not lie a l o n g the g r o u n d l o n g e n o u g h to hear the secret whispers o f o u r parent life.« 20. B r i e f in T . W . H i g g i n s o n , Margaret Fuller Ossoli (Boston, 1884), S. 90: »pray« »oratory«; u n d Emersons Briefe, bes. L, 2, 3 5 2 — 5 3 (24. O k t o b e r 1840). 21. TW,

S. 374: » . . .the best writer o f the day.«

22. Ebd., S. 397: »intellect o f strong fiber« Seite 400: »well-chosen aim«. Siehe P o e ,

Works,

V i r g i n i a Edition, 15, 7 9 ; 17, 290, 333. P o e nannte sie ein »ill-tempered« »detestable old maid.« 23. TW,

S. 383: »a d a n d y Pindar« Seite 366: » . . .absolutely w a n t i n g in the true spirit

and tone o f poesy.« 24. Life

Without

and Life

Within,

S. 1 5 3 — 5 7 , 1 2 7 — 4 0 ; Art, Literature, and the

Drama,

198: » . . . a b o v e any female writer the w o r l d has y e t k n o w n . « 25. Ebd., S. 2 0 7 — 2 1 . 26. TW,

S. 3 1 2 — 4 6 , bes. S. 3 3 7 — 3 8 : »expansive and fervent piety« Seite

332—33:

»tearful depth o f expression.« 27. Ebd., S. 3 0 1 — 1 1 , bes. S. 303: » g l o w o f her heart« Seite 310: »heartless surgeon« »a Mephistopheles.« 28. Ebd., S. 3 5 1 — 5 2 , Life

Without and Life

Within,

S. 1 3 1 — 3 3 .

29. Ü b e r G o e t h e siehe besonders das V o r w o r t z u E c k e r m a n n , TW, die A r b e i t in The Dial (1841), TW,

S. 232 (1839); u n d

S. 242. Vollständiges Verzeichnis in P o c h m a n n ,

S. 764, A n m . 307. 30. »Menzel's V i e w o f Goethe« (1841) in Life Without and Life Within, S. 1 3 — 2 2 .

BIBLIOGRAPHIEN

31. 32. 33. 34.

UND

ANMERKUNGEN

317

TW, S. 246—47, 262—64, 264 ff. Ebd., S. 252: »loophole redemption«. Ebd., S. 244, 248, 259. ».. .point to a tale got up with such an eye to effect.« Ebd., S. 242: »sacred secret« Seite 238: »As a critic on art and literature, not to be surpassed in independence, fairness, powers of sympathy, and largeness of v i e w . . . «

BIBLIOGRAPHIE KAPITEL 6: D E U T S C H E L I T E R A T U R K R I T I K Band 4 von Bruno Markwardt, Geschichte der deutschen Poetik (4 Bände, Berlin, 1959), ist die vollständigste Darstellung. Obwohl sehr gelehrt, leidet sie unter schematischer Kategorisierung und völliger Provinzialität. Es gibt einen oberflächlichen Abriß von S. Lempicki, »Literarische Kritik« in Merker-Stammler, Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte (4 Bände, Berlin, 1925—31), 2, 145—58. Als Beispiel für eine Anthologie mit marxistischer Tendenz siehe Meisterwerke deutscher Literaturkritik, hrsg. v. Hans Mayer, Band 2, Von Heine bis Mehring, Berlin, 1956. Es existiert ein zweckdienlicher Neudruck der Angriffe auf Goethe in Michael Holzmann, Aus dem Lager der Goethegegner, Berlin, 1904. Ein Nachdruck früher Besprechungen und eine vollständige Bibliographie der Goethekritik bis 1832 findet sich in Oscar Fambach, Goethe und seine Kritiker, Düsseldorf, 1955. Lehrreich sind folgende, geistige Zusammenhänge darstellende Bücher: Erich Rothacker, Einleitung in die Geisteswissenschaften, 2. Aufl. Tübingen, 1930; und Karl Löwith, Von Hegel bis Nietzsche, Zürich, 1941. Grillparzer: Ich zitiere Sämtliche Werke, hrsg. v. Moritz Necker (16 Bände, Leipzig, 1903), als SW. Literatur zu Grillparzer: Fritz Strich, Franz Grillparzers Ästhetik (Berlin, 1905), ist immer noch am besten. Josef Nadler, Franz Grillparzer (Vaduz, Lichtenstein, 1948), enthält eine Übersicht über seine Anschauungen. Arturo Farinelli, Grillparzer und Lope de Vega (Berlin, 1894), ist weitgehend eine Quellenstudie. Werner Milch, »Grillparzers literarische Kritik« in Kleine Schriften (Heidelberg, 1957), S. 38—46. Uhland : Ich zitiere Gesammelte Werke, hrsg. v. Hermann Fischer (6 Bände, Stuttgart, 1892), als GW. Über Uhland siehe Hermann Schneider, Uhland, Leben, Dichtung, Forschung, Berlin, 1920. Eichendorff: Ich zitiere Geschichte der poetischen Literatur Deutschlands, hrsg. v. W . Kosch, Kempten, 1906. Literatur zu Eichendorff: R . Schindler, Eichendorff als Literaturhistoriker, Dissertation Zürich, 1926. Otto Keller, Eichendorffs Kritik der Romantik, Zürich, 1954.

318

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

H. E. Hass, »Eichendorff als Literaturhistoriker« in Jahrbuch für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, hrsg. v. H. Lützeler, 2, (1954), 103—77. Carus: Ich zitiere C. G. Carus, Goethe, hrsg. v. Ernst Merian-Genast, Zürich, 1948; gute Einleitung des Herausgebers. Menzel: E. Jenal, Menzel als Dichter, Literaturhistoriker und Kritiker (Berlin, 1937), versucht eine Rehabilitation. Börne: Ich zitiere Gesammelte Schriften (12 Bände, Hamburg, 1862), als GS.

ANMERKUNGEN KAPITEL 6: D E U T S C H E L I T E R A T U R K R I T I K 1. Siehe Saintsbury, History of Criticism, 3, 569—73, der ihn in seinem deutschen Kapitel als eine »Überraschung« einführt. 2. Siehe Farinelli und SW, 13, 10—11, 20. 3. SW, 14, 38. 4. SW, 14, 42. 5. SW, 14, 45. 6. SW, 14, 40. 7. SW, 14, 41. 8. SW, 16, 109; 15, 189—90. 9. SW, 15, 135, 1 3 1 . Strich, S. 8, zitiert einen Ausspruch von 1859 über Bouterwek: »der beste Ästhetiker und einzig verläßliche Führer im Reiche der Theorie.« Vieles mehr über Quellen bei Strich. 10. SW, 15, 127, 129, 136, 156, 159. 1 1 . SW, 15, 176, 179 ff, 181, 185: »Personifikation der Naturnotwendigkeit... Ein Welttropus.« Vgl. auch den Entwurf des Vorwortes zu Die Ahnfrau (1817) und weitere Aufzeichnungen in SW, 3, 14—20. 12. SW, 15, 175. 12, 95, 66, I i i : »Die Inkongruenzen der Natur zur Geltung und Wirklichkeit zu bringen.« Vgl. 15, 186. SW, 12, 135: »Durch seine bloße Existenz Glauben erzwingt.« Zur Gestik siehe Strich, S. 98 ff. 13. SW, 13, 50; 15, 178. Über Ottokar, siehe SW, 12, 93—95, 102. 14. SW, 15, 150; auch 12, 89. 15, 151. Vgl. 14, 64. 15. SW, 14, 10, 18, 32, 40, 80 usw. Über Corneille 14, 189—90. 16. SW, 14, 81 ff. Über Werner, 14, 87. 17. SW, 14, 94—95, 1 1 8 ; 12, 140. 18. Eine Unterhaltung mit Otto Prechtler, in Nadler, S. 371. 19. SW, 14, 136. 20. GW, 4, 41 Ursprünglich in Fouques Musen, 1812. 21. GW, 6, 13. 22. GW, 4, 135—3723. GW, 4, 137, 147.

BIBLIOGRAPHIEN 24. GW,

UND

319

ANMERKUNGEN

1, 448. Siehe den B r i e f an C . L a c h m a n n v o m 20. Juli 1827, zitiert bei M a r y

T h o r p , The Study of the Nibelungenlied

( O x f o r d , 1940), S. 35.

25. D i e Diskussion der R o m a n t i k e r entspricht der früheren Fassung in Über die ethische und religiöse Bedeutung der neueren romantischen Poesie in Deutschland, 26. Geschichte, 27. Zur

Leipzig, 1847.

S. 364.

Geschichte des Dramas, (Leipzig, 1854), S. 5 7 — 5 8 .

28. Geschichte, S. 56, 297. 29. Zur Geschichte des Dramas, S. 6 7 — 6 8 . 30. Ü b e r die Goethekritik siehe meine oben angeführte Bibliographie. Schubarth schrieb Zur Beurtheilung Goethes, Breslau, 1818, und das erweiterte Zur Beurtheilung in Beziehung

Goethes

auf verwandte Literatur und Kunst, 2 B ä n d e , Breslau, 1820. Er besuchte

G o e t h e u n d korrespondierte mit i h m . Z u Schubarth v g l . Hans T i t z e , unten S. 000 zitiert. 31. C a r u s Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte

der Seele (Pforzheim, 1846) erregte D o s t o -

j e w s k i s g r o ß e B e w u n d e r u n g , der seine theoretische K o n z e p t i o n des U n b e w u ß t e n v o n C a r u s abgeleitet z u haben scheint. Siehe G . Gibian, »C. G . Carus' Psyche and D o s t o jevsky«, American Slavic Review,

14 (1955), 3 7 1 — 8 2 .

32. Goethe, S. 176. 33. Ebd., S. 221, 229, 231, 245. 34. Johann Friedrich W i l h e l m Pustkuchens gefälschte Fortsetzung v o n Wilhelm

Meisters

Wanderjahre (1821) g a b offenbar das Signal f ü r die K a m p a g n e . 35. Die deutsche Literatur (2 Bände, Stuttgart, 1828), 1, 22. 36. Ebd., 2, 214. M a n beachte, daß der Abschnitt über G o e t h e einen früheren A u f s a t z in den Europäischen Blättern (1824) w i e d e r h o l t und d a ß die neue A u s g a b e der Deutschen Literatur (1836) sogar n o c h boshafter ist. 37. Siehe unten, S. 392. 38. GS, 4, 6. V o r w o r t z u Dramaturgische Blätter, 1829. 39- GS,

4, 8.

40. GS, 5, 1 1 6 ; 4, 316. 4 1 . GS, 1, 313, 320. 42. Siehe H o l z m a n n u n d GS, 6, 2 0 9 — 3 1 . BIBLIOGRAPHIE: HEINE Ich zitiere Sämtliche Werke, hrsg. v. O s k a r W a l z e l (10 Bände, Leipzig, 1 9 1 2 — 1 5 , mit einem zusätzlichen Registerband) als W. Ebenfalls: Briefe, Erste Gesamtausgabe, hrsg. v . Friedrich Hirth, 6 B ä n d e , M a i n z , 1 9 5 0 — 5 1 . Das beste allgemeine B u c h ist O t o k a r Fischer, Heine (2 Bände, P r a g , 1923—24), in tschechischer Sprache und leider nie übersetzt. Z u r Literaturkritik siehe A r n e N o v ä k , Menzel,

Börne, Heine a pocdtkove

mladonemecki

kritiky (Menzel, B ö r n e , H e i n e u n d die A n f ä n g e der jungdeutschen Kritik), P r a g , 1906, auch in tschechischer Sprache, m i t d e m A k z e n t a u f Heines P o l e m i k . W a l t e r Leich, »Heines Kunstphilosophie«, Zeitschrift für

Ästhetik,

17 (1924),

411—15;

über die Kunstkritik. A l f r e d M a y e r h o f e r , Heinrich stellung.

Heines

Literaturkritik,

München,

1929; eine

Zusammen-

320

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

Z u einzelnen T h e m e n : G e o r g M ü c k e , Heinrich Heines Beziehungen

zum deutschen Mittelalter,

Berlin, 1908. Heine

w i r d als fauler Student der Germanistik kritisiert. Fritz Friedlaender, Heine und Goethe, Berlin 1932. Friedrich Hirth, Heinrich

Heine

und seine französischen

Freunde,

M a i n z , 1949.

Äußerst

unsicher in seinem Urteil. G e o r g Lukâcs, »Heinrich H e i n e als nationaler Dichter«, in Deutsche Realisten des 19. Jahrhunderts (Bern, 1951), S. 8 9 — 1 4 6 ; K u r t W e i n b e r g , Henri Heine:

marxistisch.

»Romantique défroqué«, héraut du symbolisme français, N e w

H ä v e n , 1954. D i e Titelthese scheint zu h o c h zu greifen. ANMERKUNGEN: HEINE 1. W, 10, 166. V g l . das V o r w o r t zu der französischen A u s g a b e v o n Lutezia (1855, zitiert nach Luthe,

Paris, 1892, S. XII), Heines letzter Schrift: »Iis [die K o m m u n i s t e n ] dé-

truiront mes bois des lauriers et y planteront des p o m m e s de t e r r e . . . le prolétariat vainquer menace mes vers, qui périrent avec tout l'ancien m o n d e romantique.« A b e r H e i n e sympathisiert m i t ihren Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit u n d ihrem H a ß a u f die Deutschtümelei. 2. W, 10, 147. 3. Ebd. 4. W, 9, 481. 5. W, 9, 33. Es scheint m i t keinen w i e auch i m m e r gearteten B e w e i s f ü r eine A f f ä r e zwischen H e i n e u n d G e o r g e Sand zu geben, w i e das Hirth überzeugt behauptet, S. 85, 185 ff. Heines B r i e f (17. A u g u s t 1838), in d e m er sich über seine sklavische E r g e b e n heit g e g e n ü b e r M a t h i l d e beklagt, u n d G e o r g e Sands mitfühlende, aber zurückhaltende E r w i d e r u n g w i d e r l e g e n Hirth. Siehe Briefe, 2, 2 7 2 — 7 3 u n d 5, 259. 6. W, 10, 4 4 : »Der g r ö ß t e ihrer j e t z t lebenden Dichter in Versen (jedenfalls der g r ö ß t e nach Béranger)«, Ein Wintermärchen, K a p u t V . Z u den K o m ö d i e n , W, 8, 2 9 3 — 9 4 . 7. W, 9, 38. Balzac w i d m e t e H e i n e eine Erzählung, »Un Prince de la B o h è m e « (1840). 8. W, 9, 350. 9. W, 8, 290, 10. W, 10, 301. 11.

W, 9, 45 ff-, 272. V g l . W, 8, 288 ff.

12. W, 8, 8 1 : »'Seht da den B ü f f e l , den A b k ö m m l i n g eines Büffels, den Stier der Stiere, alle andre sind O c h s e n , nur dieser ist der rechte B ü f f e l ; ' so lief einst S t . - B e u v e jedesm a l v o r V i c t o r H u g o einher, w e n n dieser m i t e i n e m neuen W e r k e vors P u b l i k u m trat, u n d stieß in die Posaune u n d lobhudelte den B ü f f e l der Poesie.« Diese Stelle allein erklärt Sainte-Beuves spätere A b n e i g u n g g e g e n Heine. W i r besitzen flüchtige

zwei

K r i t i k e n v o n Sainte-Beuve (in Premiers Lundis, 2, 2 4 8 — 5 8 [1833] u n d in der

Revue des Deux

Mondes [ i . J u n i 1834], 6 2 1 — 2 3 , einige Anspielungen, einen B r i e f an

Charles B e r t h o u d (6. Januar 1867, n e u a b g e d r u c k t in Premiers Lundis, 2, 258—59), w o sich über seine »Epigramme« u n d heftigen Ä u ß e r u n g e n beklagt, v o n denen die B r ü d e r G o n c o u r t berichten (Journal, 23. Februar 1863 u n d 20. Juni 1864, 9 Bände, Paris, 1888, 2, 95, 210). 13. W, 10, 265. 14. W, 10, 1 3 — 1 4 -

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

321

15. Für Parallelen siehe Kenneth Haynes, »Heine, Hazlitt, und Mrs. Jameson« in Modern Language Review, 17 (1922), 42—49. Zu Heines Lob Hazlitts in IV, 8, 170, vergleiche Courier und Börne, ebd., S. 468. Guizot wird zitiert in W, 8, 294—98. 16. W, 10, 256; 8, 80. Siehe auch den Brief an Gutzkow vom 23. August 1838 (Briefe, 2, 278): »Kunst ist Zweck der Kunst.« 17. W, 7, 46 und Anmerkung auf S. 447. 18. W, 7, 140. 1920. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28.

W, 5, 3 1 7 ; 7, 1 5 ; 4, 225. W, 8, 110. W, 6, 57—58W, 10, 250. W, 6, 25, 23. W, (5, 297—98. W, 6, 22. PF, 4, 395W, 10, 58; vgl. S. 76. W, 7, 358 über Jakob Grimm. Mücke betont sehr stark Heines Abhängigkeit von Rosenkranz, Geschichte der deutschen Poesie im Mittelalter, Halle, 1830. 29. Gute Bemerkungen dazu bei Barker Fairley, Heinrich Heine: An Interpretation, O x ford, 1830. 30. W, 8, 352: »Die künstlerische Form hielt er für Gemütslosigkeit.« 31. W,8,

167.

32. W, 7, 13 ff.; vgl. 5, 174—7533- W, 8, 400. 34. W, 7, 48—49; 4, 100; 5, 167, 362—63. 35. W, 7, 448. 36. Brief vom 12. Oktober 1825, in Briefe, 1, 232—33. 37. W, 4, 8 7 - 8 8 . 38. Siehe Briefe, 1, 232; W, 7, 83—84; W, 8, 184; W, 7, 92 fr.; W, 8, 129—53; W, 7, 81 f., 221, 143—44, 105—06, 125—26, 142 ff., 23, 64—68. 39- W, 8, 503. 40. 10. Juni 1823, in Briefe, 1, 85. 41. W, 9, 374. Wiederholt in W, 10, 266. 42. W, 7, 243. 43. W, 4, 333. Der Ausdruck »Zerrissenheit« kam durch eine nach dieser Stelle in den Bädern von Lucca (1830) geschriebenen Erzählung von Alexander v. Ungern-Sternberg, Die Zerrissenen (1832) in Mode. 44. W, 6, 23. 45. W, 7, 2346. W, 7, 7147. W, 7, 68. 48. Besprechungen von »Tassos Tod, Trauerspiel von W . Smets« und »Michael Beers Struensee« datieren von 1821 beziehungsweise 1828. Siehe IV, 5, 177 fr., 32$ ff. 49. W, 7, 88—89. 21

Wellek, Literaturkritik 2

322

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

50. W, 7, 58—59. 51. Vgl. Karl Kraus, Heine und die Folgen (1910, neu abgedruckt in Untergang der Welt durch schwarze Magie, Wien, 1922), zu Heine als Ahnherr der Schmockerei. BIBLIOGRAPHIE: DAS JUNGE DEUTSCHLAND

Ich habe keine der sehr unvollständigen Sammelausgaben von Gutzkow und Laube benutzt. Literatur z. B. in Georg Brandes, Hauptströmungen der Literatur des ig. Jahrhunderts (siehe diese Geschichte Band 4, 351—69). Johannes Prölss, Das junge Deutschland (Stuttgart, 1892) und H. H. Houben, Jungdeutscher Sturm und Drang (Leipzig, 1911) sind ausführliche Werke, die sich aber selten auf die Literaturkritik konzentrieren. Walter Dietze, Junges Deutschland und die deutsche Klassik. Zur Ästhetik und Literaturtheorie des Vormärz (Berlin, 1957), ist trotz seiner marxistischen Tendenz höchst instruktiv. Über Wienbarg siehe Viktor Schweizer, Ludolf Wienbarg. Beiträge zu einer jungdeutschen Ästhetik, Leipzig, 1897. Über Gutzkow, Harry Iben, Karl Gutzkow als literarischer Kritiker. Die jungdeutsche Periode, Greifswald, 1928; dürftig. Ebenfalls, Klemens Freiburg-Rüter, Der literarische Kritiker Karl Gutzkow, Leipzig, 1930; gut. Über Laube: Erich Ziemann, Heinrich Laube als Theaterkritiker, Emstetten, 1934. Über Mündt: Walter Prinz, Theodor Mündt als Literarhistoriker, Halle, 1912; oberflächlich. ANMERKUNGEN: DAS JUNGE DEUTSCHLAND

1. Ausführliche Erörterung bei Johannes Prölss, S. 611 ff. und bei H. H. Houben, S61 ff. 2. Siehe Schweizer und Werner Storch, Die ästhetischen Theorien des jungdeutschen Sturm und Drangs (Bonn, 1927), der zeigt, daß Wienbarg unter anderem sehr eng an Schellings Rede von 1807 anschloß (siehe diese Geschichte, 1, 331). 3. Aesthetische Feldzüge (Hamburg, 1834), S. 67, 88, 134, 280. 4. Ebd., S. 274, 268. 5. Ebd., S. 285, 288. Seite 306: »Einen dunklen Anflug von Gemüth.« 6. Zur neuesten Literatur (2. Aufl. Hamburg, 1838), S. 147. 7. Siehe Zur Philosophie der Geschichte (Hamburg, 1836), später unter anderem Titel: Philosophie der Tat und des Ereignisses. In Gesammelte Werke (Frankfurt, 1845), 4, 28—29. Zur Lyrik: in »Vergangenheit und Gegenwart«, Jahrbuch der Literatur (Hamburg, 1839), S. 46. fF. »Mit der Lyrik allein ist dem Jahrhundert nicht geholfen... Die Lyrik scheint mir interimistisch, unfruchtbar, zukunftlos.« 8. Vorwort zu Die Ritter vom Geiste (3. Aufl. Leipzig, 1854), S. IX. Das ist eine alte Ideee Gutzkows, die er zuerst in Briefe eines Narren an eine Närrin (Hamburg, 1832), S. 182, vorgebracht hat. 9. Über Büchner siehe Beiträge zur Geschichte der neuesten Literatur (Stuttgart, 1836), 1, 181—89; und Götter, Helden, Don Quixote (Hamburg, 1838), S. 19—50. 10. Börnes Leben (Hamburg, 1840), S. 17, 22. 11. Über Goethe (Berlin, 1836), S. 182, 187, 38, 91. 12. Ebd., S. 230, 232. 13. Ebd., S. 241. 14. Ebd., S. 253—54, 256.

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

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15. Eine Auswahl der Theaterkritik: Theaterkritiken und dramaturgische Aufsätze, hrsg. v. Alexander Weilen, 2 Bände, Berlin, 1906. 16. Ursprünglich veröffentlicht als der zweite Teil von Friedrich von Schlegel, Geschichte der alten und neuen Literatur. Bis auf die neueste Zeit fortgeführt von Theodor Mündt, Berlin, 1842. 17. Ebd., S. 2: »Der Begriff der Literatur als einer zusammenhängenden, nationalen Wissenschaft, . . . als eines concreten Bestandtheils der wahren Wirklichkeit des Volksgeistes.« 18. Ebd., S. 30—-31, 36, 71. Seite 2: »Die Revolution ist der Mythus der neuen Zeit.« 19. Ebd., S. 432. 20. Ebd., S. 75. 21. Ebd., S. 89. 22. Ebd., S. 96, 156. 23. Ebd., S. 273—300, 191 ff. BIBLIOGRAPHIE: GERVINUS

Max Rychner, Georg Gottfried Gervinns. Ein Kapitel über Literaturgeschichte, Bern, 1922; gut. Rudolf Unger, »Gervinus und die Anfänge der politischen Literaturgeschichtsschreibung in Deutschland«, Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttignen, Philologisch-historische Klasse, Fachgruppe IV, Neue Folge, Band I, No. 5 (Berlin, 1935), S. 71—94Siehe die Bemerkungen in Vittorio Santoli, »Deutsche Literaturgeschichte und Literaturkritik im 19. Jahrhundert«, in Fra Germania e Italia (Florenz, 1962), S. 252—63. A N M E R K U N G E N : GERVINUS

1. »Über Börnes Briefe aus Paris« in Deutsche Jahrbücher (1835), n e u abgedruckt in Gesammelte kleine historische Schriften (Karlsruhe, 1838), S. 383—410. Über Börne und Heine siehe auch den Abschnitt »Die romantische Dichtung und ihre inneren Veränderungen in ihrer Ausbreitung über Europa« in Geschichte des neuzehnten Jahrhunderts (Leipzig, 1866), 8, 180—87. 2. Geschichte (Leipzig, 1835—42)> 5. 732- Gervinus spielt an auf Goethes »Literarischen Sansculottismus« (1795), den ich in dieser Geschichte 1, 223 behandelt habe. 3. Geschichte, 5, 735. 4. Die fünfte Auflage wurde wieder Geschichte der deutschen Dichtung (Leipzig, 1871—74) betitelt; 1, VII. 5. Geschichte, 1, 11. 6. Ebd., 3. 7. Ebd., 5, 108, 110: »Ein Symbol dieser Zeit.« 8. Ebd., 5, 118. 9. Ebd. 10. Ebd., 5, 120. 11. Ebd., 5, 487, 488. Dieses letzte Wort wird in der 5. Auflage in »zurechtwiesen« umgeändert. 12. Ebd., 5, 489. 21*

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BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

13. Ebd., 4, VIII. Aus Henry IV, III. 1. 128—29. Gervinus fügt hinzu 1 1 . 1. 261—62 und Ii- 3- 93—9414. Ich zitiere immer die erste Auflage, deren Text in diesen Stellen durch alle Auflagen hindurch unverändert blieb. Die 5. Auflage (1871—74) weicht am meisten ab, weil Karl Bartsch sie auf den gegenwärtigen Stand der Forschung brachte. Doch blieben die kritisch interessanten Stellen im wesentlichen unangetastet. 15. Geschichte, 5, 657, 674 ff., 684—85. 16. Siehe die interessante Autobiographie, G. G. Gervinus Leben. Von ihm selbst (1. Aufl. 1860; Leipzig, 1893), S. 71 ff. 17. Geschichte (5. Aufl.), 5, 678. Nicht in der 1. und 2. Auflage. 18. Geschichte (1. Aufl.), 5, 614. 19. Ebd., 1, 2: »Statt einem forschendem Werke der Gelehrsamkeit ein darstellendes Kunstwerk.« Vgl. 1, 15. 20. Ebd., 5, 609, 6 1 1 , 614, 621 ff. 21. Ebd., 1, 11. 22. Ebd., 1, 289, 322. Modifiziert in der zweiten (1840) und in den folgenden Auflagen. 1, 3 1 1 , 314, 316 oder 5. Aufl. 1, 483, 486, 488. 23. Ebd., 1, 271—11. 24. Ebd., 4, 406, 413. 2 $ . Über Forster in Band 7 von Georg Forsters sämtliche Schriften, 9 Bände, Leipzig, 1843. Wieder abgedruckt in Hans Mayer, Hrsg., Meisterwerke, 2, 283—360. Über Voss, Geschichte, 5, 56—57. 26. Ebd., 4, 505, 506, 508. 27. Ebd., 5, 78. 28. Ebd., 5, 471—72. 29. Ebd., 5, 496, 498, 704. 30. Ebd., 4, 575, 396—97. 709. 31. Ebd., 5, 399. 32. Ebd., 5, 106. 33. Ebd., 5, 718, 714, 720. 34. Ebd., 5, 722, 724. 35. Ebd., 5, 102, 467, 98. 36. Ebd., 5, 369, 492, 495, J02, 506—07, 512. 37. Ebd., 5, 511 ff., 442. 38. Ebd., 5, 146. 39. Ebd., 5, 486. 40. Ebd., 5, 475—76. 41. Ebd., 5, 493 ff. 42. Ebd., 5, 700. 43. Ebd., 5. Aufl., 5, 717. Nicht in der ersten und zweiten Auflage. 44. Ebd., 1. Aufl., 5, 650: »Die Fäden, die der Dichter behaglich von dem Rocken der Zeit und die, die er angestrengt wir die Spinne aus seinem Innern herausspinnt.« 45. Ebd., 4, 356. 46. Ebd., 1, 10. 47. Shakespeare (4 Bände, Leipzig, 1849—50), 4, 315. 48. Ebd., 4, 396.

BIBLIOGRAPHIEN

49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 5758. 59.

Ebd., 2, Ebd., 4, Ebd., 3, Ebd., 1, Ebd., 2, Ebd., z. Ebd., 3, Ebd., 3, Ebd., 3, Ebd., 3, Ebd., 3,

UND

ANMERKUNGEN

325

410—11, 230, 219. 84, 105. 413, 464. 30, 54; 2, 1 9 1 ; 4, 271 ff., 297. 60; 3, 454. B. 4, 363. 250; 4, 151. 260, 356. 316. 398—99, 237; 1, 43; 3, 297—98. 286 ff.; 4, 421; 1, 4; 4, 418.

BIBLIOGRAPHIE: DIE HEGELIANER

Ich weiß von keiner allgemeinen Untersuchung; siehe aber Hans Titze, Die philosophische Periode der deutschen Faustforschung (1817—183g), Greifswald, 1916; und Hans Jürg Lüthi, Das deutsche Hamletbild seit Goethe, Bern, 1951. Über Rötscher: Robert Klein, Heinrich Theodor Rutschers Leben und Werke, Berlin, 1919; und Walter Schnyder, unten unter Hebbel angeführt. Über Rosenkranz finden sich gute Bemerkungen in B. Bosanquet's A History of Aesthetic (London, 1892), S. 401—09. Eugen Japtok, Karl Rosenkranz als Literaturkritiker (Freiburg im Breisgau, 1964), behandelt die frühe Kritik. Über Vischer: O. Hesnard, F. T. Vischer, Paris, 1921; behandelt das frühe Leben und gibt eine Darstellung der Aesthetik; unbedeutend. Hermann Glockner, F. T. Vischer und das neunzehnte Jahrhundert, Berlin, 1931; ausgezeichnet, sympathetisch. Ewald Volhard, Zwischen Hegel und Nietzsche. Der Ästhetiker F. T. Vischer, Frankfurt a. M., 1934; kritisch. Hannalene Kipper, Die Literaturkritik F. T. Vischers, Gießen, 1941; oberflächlich. Benedetto Croce, »Ricordo di un vecchio critico tedesco: F. T. Vischer« in Goethe (4. Aufl. 2 Bände, Bari, 1946), 2, 132—47; ausgezeichnet über Vischers Fawii-Kritik. Georg Lukäcs, »Karl Marx und F. T. Vischer« in Beiträge zur Geschichte der Ästhetik (Berlin, 1954), S. 217—85; marxistisch, sehr interessant. Fritz Schlawe, F. T. Vischer als Literaturhistoriker, Diss., Tübingen, 1953. Ebenfalls Schlawe, F. T. Vischer, Stuttgart, 1959; eine gute Biographie. Willi Oelmüller, F. T. Vischer und das Problem der nachhegelschen Ästhetik, Stuttgart, 1959Über Danzel: die den Gesammelten Aufsätzen, Leipzig, 1855, vorangestellte Lebensbeschreibung von Otto Jahn. Croce, Estetica, S. 377, zitiert Danzel zustimmend und bezieht sich häufig auf ihn. Hans Mayer, Hrsg., Meisterwerke deutscher Literaturkritik (Berlin, 1956), 2, 361—407; druckt zwei Aufsätze wieder ab.

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BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

A N M E R K U N G E N : DIE HEGELIANER

1. Leipzig, 1824, 1, 142. 2. Halle, 1825, Siehe Erich Seemann, Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte von Goethes Faust II: Goethe und Hinrichs, Hannover, 1938. Yale Diss. 3. Ebd., S. 233. 4. »Der Hamlet des Ducis und der des Shakespeare« in Vermischte Schriften (Berlin, 1834), 2, 269—98. 5. Siehe Über Princip und Methode der Hegeischen Philosophie (Halle, 1841), Das Grundprincip der Philosophie (2 Bände, Leipzig, 1845—46), und viele spätere Schriften. 6. Berlin, 1835, 1, 23. Titel des Kapitels: »Entwickelung der verschiedenen Zweige der Kunst in ihrer nothwendigen Idee.« Die beiden Bände erörtern nur das Epische und das Lyrische. 7. Geschichte der hellenischen Dichtkunst, Halle, 1839, S. 162. 8. Ebd., S. 187, 197, 205, 219, 227, 233, 186, 236. 9. Ebd., S. 194, 200, 2 1 1 , 237. 10. Siehe oben S. 355. 1 1 . Siehe Die Kunst der dramatischen Darstellung, 3 Bände, Berlin, 1841—46; Dramaturgische und ästhetische Abhandlungen, Leipzig, 1864. Eine Liste mit Auszügen aus Theaterkritiken bei Klein, S. 98—221. 12. Berlin, 1837—42, 1, 3—72. 13. Ebd., 1, IV, VII, 22. 14. Ebd., 4, 124, 117. 15. Ebd., 4, 42. 16. Ebd., 1, 131—32. 17. Ebd., 1, 88. 18. Halle, 1830, S. VII, 7, 276, 434, 497, 508 usw. 19. Siehe diese Geschichte, Band 4. 20. Königsberg, 1847, S. 1 1 1 . 21. Andeutungen finden sich bei Jean Paul und Solger, aber Christian Hermann Weisse (1801—66) in seinem Buch System der Aesthetik als Wissenschaft von der Idee des Schönen (Leipzig, 1830) und Arnold Rüge, Neue Vorschule der Aesthetik (Halle, 1837) diskutierten den Begriff ausführlich. 22. Königsberg, 1853, S. IV. 23. Ebd., S. XIII—IV: »Formlosigkeit, die Amorphie, die Asymmetrie, die Disharmonie, die Incorrectheit, die Defiguration oder die Verbildung, das Gemeine, das Kleinliche, das Schwächliche, das Niedrige, das Widrige, das Plumpe, das Todte und Leere, das Scheußliche, das Abgeschmackte, das Ekelhafte, das Böse, das Verbrecherische, das Gespenstische, das Diabolische, das Dämonische, das Hexenhafte, das Satanische«. 24. Ebd., S. 217, 220. Siehe auch S. 286 ff. 25. Ebd., S. 94, 42. 26. Siehe Kritische Gänge, 2 Bände, Tübingen, 1844; Neue Folge, 6 Bände, Stuttgart, 1861—73; Altes und Neues, 3 Bände, Stuttgart, 1881—82; Neue Folge, Stuttgart, 1889; Goethes Faust, 3. Aufl. Stuttgart, 1921; Shakespeare-Vorträge, 6 Bände, Stuttgart, 1899.

BIBLIOGRAPHIEN

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ANMERKUNGEN

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27. Goethes Faust, S. 55. 28. Kritische Gänge, Neue Folge, 3, 137. 29. Siehe dazu Kritische Gänge, Neue Folge, Band 2 und Shakespeare-Vorträge, von seinem Sohn Robert Vischer nach studentischen Mitschriften herausgegebene Vorlesungen aus den siebziger und achtziger Jahren. Der ganze erste Band wird von einer HamletÜbersetzung und einem Szene für Szene vorgehenden Kommentar eingenommen. 30. Kritische Gänge, Neue Folge, 2, 65—156, bes. S. 90, 1 2 1 , 129, 1 3 1 , 115. 31. »Shakespeare in seinem Verhältnis zur deutschen Poesie, insbesondere zur politischen« (1844), neu abgedruckt in Kritische Gänge, Neue Folge, 2, 1—62. Das Vorwort von 1860 erklärt einige Vorbehalte gegen die frühe Konzeption. Zur Aussöhnung von Schiller und Shakespeare siehe Aesthetik, 5, 1416—19. 32. Aesthetik, 6 Bände, Reutlingen—Stuttgart, 1846—57. Vischer stellte einen »Plan zu einer neuen Gliederung der Aesthetik« (1843) vor, neu abgedruckt in Kritische Gänge (Tübingen, 1844), 2, 343—96. 33. Aesthetik, 1 94. Vgl. Kritische Gänge, 2, 376. 34. Aesthetik, 1, 141, 334, 400. 35. Ebd., 5, 1 2 1 1 — 1 5 . 36. Ebd., 5, 1216, 1243, 1166. 37. Ebd., 5, 1260. 38. Ebd., 5, 1330, 1342. 39. Ebd., 5, 1406 ff., 1423, 1429; und die Diskussion der verschiedenen Arten des Tragischen in 1, 300 ff. Über Frauencharaktere, siehe Kritische Gänge, Neue Folge, 2, XI, 1, 14 ff., 20. Über Ophelia siehe auch Shakespeare-Vorträge, 1, 471—72. 40. Aesthetik, 5, 1443—44, 144541. Kritische Gänge, 2, 315. Kritiken Herweghs, ebd., 282 ff., 316 ff. Auch in Kritische Gänge, Neue Folge, 4, 166. 42. Siehe »Zum neueren Drama. Hebbel«, in Altes und Neues (Stuttgart, 1889), S. 1—26, bes. 16 ff. 43. »Kritik meiner Aesthetik«, in Kritische Gänge, Neue Folge, 5, 1—156 und 6, 1—132, bes. 6, 1 1 0 und 5, 6. 44. Zürich, 1858. Nur in einem Nachdruck der Kritischen Gänge, hrsg., v. Robert Vischer (Berlin, 1920), 4, 198—221, zugänglich. 45. Kritische Gänge, Neue Folge, 5, 85, 86: »Die Form hat wesentlich Ausdruck«; 6, 21, 15, 16. 46. Vgl. das Vorwort zu Kritische Gänge, Neue Folge, 2, IV, VI, wo Vischer auf seine Analyse des Aufbaus von Lear in der Aesthetik, 3, 44—49, aufmerksam macht. 47. Altes und Neues. Neue Folge, 1889, S. 296, 297, 299, 304, 307, 310, 320: »Zuempfindung, Nachempfindung, Einempfindung.« Seite 336, 337, 341. Aus Das System der Sittenlehre (1798), in J . G. Fichte, Sämtliche Werke (8 Bände, Berlin, 1845—46), 4, 353. Vischer zitiert ungenau. Fichte schreibt: »Gesichtspunkt zu dem gemeinen.« 48. Hamburg, 1844, S. 22, 42, 52, 62. 49. »Shakespeare und noch immer kein Ende« in Gesammelte Aufsätze, hrsg. v. Otto Jahn (Leipzig, 1855), S. 203—26 (ebenfalls bei Hans Mayer, Hrsg., Meisterwerke deutscher Literaturkritik 2, 370—407 wieder abgedruckt). S. 216, 218, 219. 50. Ebd., S. 225, 226.

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BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

51. »Über die Behandlung der Geschichte der neueren deutschen Literatur«, in Gesammelte Aufsätze, S. 197—202. Neu abgedruckt in H. Mayer, Hrsg., Meisterwerke, 2, 361—69, 202. 52. Ebd., S. 197, 200, 202. 53. Ebd., S. 1—84; S. 85—98: »Moses Mendelssohn«. Seite 118—45: »Goethe und die Weimarschen Kunstfreunde in ihrem Verhältnis zu Winckelmann.« Seite 227—44: »Schillers Briefwechsel mit Körner.« 54. Gottsched und seine Zeit. Auszüge aus seinem Briefwechsel, Leipzig, 1848. — Gotthold Ephraim Lessing. Sein Leben und seine Werke, Leipzig, 1850. Der Band reicht bis zum Jahre 1774. Ein zweiter, letzter Band von G. E. Guhrauer wurde im Jahre 1854 veröffentlicht. 55. Gesammelte Aufsätze, S. 226: »Der Winckelmann der Geschichte der Poesie wird noch erwartet.« BIBLIOGRAPHIE: HEBBEL

Ich zitiere Friedrich Hebbel, Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe, hrsg. v. R . M, Werner, 24 Bände, Berlin, 1901—07. Von diesen: Werke, 12 Bände, als W; Tagebücherh 4 Bände, als T; und Briefe, 8 Bände, als B. Unter den Werken über seine Theorie siehe: Arno Scheunert, Der Pantragismus als System der Weltanschauung und Ästhetik Friedric. Hebbels, Hamburg, 1903, 2. Aufl. 1930. Arthur Kutscher, Friedrich Hebbel als Kritiker des Dramas, Berlin, 1907. Benno von Wiese, Die deutsche Tragödie von Lessing bis Hebbel (Hamburg, 1948, 4. Aufl. 1958), enthält drei wichtige Kapitel über Hebbel. Joachim Müller, Das Weltbild Friedrich Hebbels (Halle, 1955), enthält ein gutes Kapitel, »Die Kunst und das Drama«. Z u Quellen siehe: Hermann Glockner, »Hebbel und Hegel«, Preußische Jahrbücher, 188 (1922), 63—86. Ludwig Marcuse, »Der Hegelianer Hebbel — gegen Hegel«, Monatshefte, 59 (1947), 506 bis 14Walter Schnyder, Hebbel und Rötscher unter besonderer Berücksichtigung der beider seifigen Beziehungen zu Hegel, Berlin, 1923. Edna Purdie, Friedrich Hebbel, A Study of his Life and Work (Oxford, 1932), widmet einer »Conception of Tragedy« (S. 255—69) ein paar oberflächliche Bemerkungen sin englischer Sprache). ANMERKUNGEN: HEBBEL

1. Über Hegel siehe z. B., W, 11, 406; B, 2, 143 (4. Dezember 1842); B, 2, 278 (2. Juli 1843); B, 4, 153 (6. März 1849); B, 4, 282 (19. April 1851); B, 5, 45 (15. September 1852); B, 6, 2 (8. Januar 1857); B, 6, 1 1 5 (22. Februar 1858). 2. T, 2, 388 (25. März 1844). 3. Das wird überzeugend bei Schnyder gezeigt; siehe oben stehende Bibliographie. 4. Über Vischer, T, 3, 241—42 (6. Juni 1847) und B, 6, 139 (1. Juni 1958). Vischer schrieb 1847 einen Aufsatz »Zum neueren Drama — Hebbel«, neu abgedruckt in Kritische Gänge, Band 6, München, 1922.

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

329

5. B, 5, 327 (23. Juli 1856). Siehe auch B, 6, 139 (1. Juni 1858) und T, 1, 215 (2. März 1838). 6. T, 2, 63 (3. September 1840). 7. B, 5, 164 (13. Juni 1854); B, 5, 203 (12. Dezember 1854); T, 3, 311 (22. August 1848); T, 3,241 (3. Juni 1847). 8. T, 4, 295 (1. Mai 1863). Auch B, 7, 341—43; B, 6, 348 (16. Oktober 1860). 9. W, 11, 406, 47; T, 3, 311 (22. August 1848); B, 7, 302 (23. Februar 1863). 10. T, 2, 96 (2. Februar 1841). 11. Brief vom 30 Juli 1862, in Neue Hebbel-Dokumente, hrsg. v. Kralik und Lemmermayer (Berlin, 1913), S. 161. W, 11, 29, 56, 38. Vgl. T, 2, 201 (7. Oktober 1842). 12. T, 2, j i (Juni 1840); T, 2, 9 j (2. Februar 1841); T, 2, 106 (25. März 1841). 13. W, 11, 70, 72. 14. W, 11, 29. 15. W, 11, 31: »Ein bürgerliches, in sich selbst unhaltbares, und nur der Form nach die Idee des Staats repräsentierendes Gesetz.« 16. W, 11, 52. 17. T, 2, 57 (13. August 1840). 18. T, 1, 267 (12. August 1838). T, 3, 269 (18. September 1847). Auch B, 4, 102—03 (1. Mai 1848). 19. T, 3, 412 (21. Dezember 1851): »Die sogenannte Freiheit des Menschen läuft darauf hinaus, daß er seine Abhängigkeit von den allgemeinen Gesetzen nicht kemit.« Vgl. T, 2, 155 (2. März 1842). 20. B, 4, 129 (14. August 1848). 21. T, 2, 269 (29. August 1843). 22. T, 2, 286 (6. November 1843). Vgl. T, 2, 311 (21. November 1843). 23. T, 2, 415 (25. Juni 1844): »Die Versöhnung fällt immer über den Kreis des speziellen Dramas hinaus.« Rötscher, in Hebbel, Briefwechsel, hrsg. v. Felix Bamberg (Berlin, 1890—92), 2, 300, schlägt den Ausdruck »die an sich seinde Versöhnung« vor. 24. T, 2, 239 (6. März 1843): »Im Interesse der Gesammtheit, nicht in dem des Einzelnen, des Helden, und es ist gar nicht nöthig, obgleich besser, daß er sich selbst ihrer bewußt w i r d . . . « 25. W, 11, 31: »Er läßt daher nicht die Schuld unaufgehoben, wohl aber d e n . . . « 26. T, 2, 239 (6. März 1843); T, 2, 378; T, 1, 377 (8. Oktober 1839); T, 1, 391 (28. Oktober 1839). 27. T, 2, 67 (25. September 1840). 28. Benno von Wiese (siehe oben stehende Bibliographie) versucht, diese mystischen Vorstellungen zum Zentrum von Hebbels Theorie zu machen. 29. W, 11, 5. Ebenfalls W, 11, 58. 30. T, 2, 26—27 (3. April 1840); W, 8, 418. 31. W, 11, 60—61. 32. W, 11, 62. 33. T, 3, 186 (30. Januar 1847). 34. W, 1, 432. 35. W, 11, 48. 36. W, 11, 15; T, 1, 260 (22. Juni 1838).

330

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

37. T, 2, 152 (20. Februar 1842). 38. T, 1, 224 (10. März 1838). 39. T, 2, 254 (12. Juli 1843). Siehe die Distichen in W, 6, 448: »An den Tragiker.« BIBLIOGRAPHIE: R Ü G E

Rüge wird zitiert nach Gesammelte Schriften (10 Bände, Mannheim, 1846—48), als GS. Besonders Band 1, »Unsere Classiker und Romantiker seit Lessing, Geschichte der neuesten Poesie und Philosophie«; und Band 2: »Über die gegenwärtige Poesie, Kunst und Literatur«. Vgl. Briefwechsel und Tagebuchblätter, hrsg. v. P. Nerrlich, 2 Bände, Berlin, 1886. Über Rüge: Douglas A. Joyce, Arnold Rüge as a Literary Critic, unveröffentlichte Dissertation an der Harvard University (1952), die ich kurz durchsah. Sie sollte gedruckt werden. Siehe auch die Bemerkungen in Löwith, Von Hegel bis Nietzsche, Zürich, 1941. ANMERKUNGEN: RÜGE

1. 2. 34.

GS, 3, 219; GS, 5, 387. GS, 2, 270, 362, 364. GS, 1, 9. Schiller an F. H.Jacobi (25. Januar 1795), Briefe, hrsg. v.Jonas, 4, 1 1 0 — 1 1 . GS, 1, 44-

5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

GS, GS, GS, GS, GS, GS, GS, GS, GS, GS,

1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 2, 1, 3,

176, 90. 121. 301. 324. 326. 388 über Arnim-Brentano oder 441 über »dumme Naturklänge«. 272. 15, 34, 52. 430—31405. BIBLIOGRAPHIE: MARX-ENGELS

Es existiert eine für unsere Zwecke nützliche Zusammenstellung, hier als UKL zitiert, Karl Marx-Friedrich Engels, Über Kunst und Literatur: Eine Sammlung aus ihren Schriften (hrsg. v. Michail Lipschitz, Berlin, 1948), die auf einer russischen Sammlung basiert (1933), die auch in einer französischen Übersetzung vorliegt: Sur la littérature et l'art (mit zusätzlichen Texten von Lenin und Stalin), hrsg. v. Jean Fréville, Paris, 1937. Die englische Sammlung, Karl Marx-Friedrich Engels, Literature and Art: Selectionsfromtheir Writings (New York, 1947), bietet nur eine kleine Auswahl. Weitere Übersetzungen in Karl Marx-Friedrich Engels, Selected Works, hrsg. v. V. V. Adoratsky, 2 Bände, New York, 1935. Die Literatur dazu ist unübersehbar. Peter Demetz, Marx, Engels und die Dichter (Stuttgart, 1959), ist die beste Untersuchung der Texte. Ursprünglich eine Dissertation an der Yale University. 1956. Bibliographie.

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

331

Georg Lukâcs, Karl Marx und Friedrich Engels als Literaturhistoriker (Berlin, 1948) und Beiträge zur Geschichte der Ästhetik (Berlin, 1954) enthalten mehrere Arbeiten, die den Versuch machen, die Texte als ein kohärentes System marxistischer Ästhetik zu interpretieren. Ludwig Marcuse, »Die marxistische Auslegung des Tragischen«, Monatshefte, 46 (1954), 241—48. A N M E R K U N G E N : M A R X U N D ENGELS

1. UKL, 301 ff., 316, 34»2. UKL, 471. 3. Siehe Gustav Mayer, Friedrich Engels in seiner Frühzeit, 1820—1835, Berlin, 1920; und Friedrich Engels, Haag, 1934. 4. In »Die Lage Englands« in Deutsch-französische Jahrbücher (1844). Demetz zeigt, daß Marx und Engels im Kommunistischen Manifest einiges von der Ausdrucksweise Carlyles übernommen haben müssen. Marx-Engels besprachen Latter Day Pamphlets (1850) höchst ungünstig (UKL, 201—09). 5. UKL, 216—29. Seite 218—19. 6. UKL, 365. Engels Brief an Marx vom 21. Dezember 1866. Außer Demetz vgl. Ludwig Marcuse, »Heinrich Heine und Marx«, Germanic Review, 30 (1955), 110—24. UKL, 4. 8. UKL, 90, 173. 7.

910. 11. 12.

UKL, 13. V o n Karl Kautsky in Die Neue Zeit, 21 (1903), 710—18, 741—45, 772—81. UKL, 21—22. UKL, 3.

13. UKL, 110—13; Brief vom 19. April 1859. Seite 112, m . 14. UKL, 113—16; Brief vom 18. Mai 1859. 15. UKL, 116—46. 140. 16. UKL, 102. 17. UKL, 103—04: » . . . i t is not quite realistic enough. Reality, to my mind, implie., besides truth to the detail, the truthful reproduction of typical circumstances.« »The more the opinions of the author remain hidden, the better for the work o f art.« ».. .a far greater master of realism than all the Zolas passés, présents et à venir.« »His great work is a constant elegy on the irretrievable decay of good society; his sympathies are all with the class doomed to extinction. But for all that, his satire is never keener, his irony is never bitterer than when he sets in motion the very men and women with whom he sympathizes most deeply — the nobles. . . .compelled to go against his own class sympathies and political prejudices... he saw the real men of the future where for the time being, they alone were to be found — that I consider one of the great triumphs of Realism, and one of the grandest features in old Balzac.« Siehe Demetz (S. 226 ff.) zu Balzacs Erzählungen. 18. Siehe diese Geschichte, Band 4. 19. UKL, 6. 20. Nicht in UKL. Aus Dokumente des Sozialismus, hrsg. v. Eduard Bernstein (Berlin, 1903), 2, 7 3 — 7 5 -

332

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

BIBLIOGRAPHIE K A P I T E L 7: D I E R U S S I S C H E

LITERATURKRITIK

Es gibt mehrere Geschichten der russischen Literaturkritik, die entweder überholt oder aber doktrinär marxistisch sind: A . L . Volynskij, Russkie kritiki. Literaturnye ocerki, St. Petersburg, 1896. I.I. Ivanov, Istorija russkoj kritiki, ursprünglich in Teilen in Mir Bozij,

1897—1900.

A . Lunacarskij und V . Poljanskij, Hrsg., Ohrki po istorii russkoj kritiki, 2 Bände, M o s k a u und Leningrad, 1929—31. B. P. Gorodeckij, A . Lavreckij und B . S. Mejlach, Hrsg., Istorija usskoj kritiki, 2 Bände, Moskau und Leningrad, 1958. Eine allgemeine Geschichte der Ästhetik enthält einige russische Kapitel: M.F. Ovsjannik o v und Z . V . Smirnova, Olerki istorii esteticeskich utenij, Moskau, 1963. Eine Anthologie in italienischer Sprache ist nützlich: Ettore L o Gatto. Hrsg., L'Estetica e la poetica in Russia, Florenz, 1947. Puäkins literarische Meinungen liegen gesammelt vor in N . V . Bogoslovskij,

Hrsg.,

Puskin 0 literature, Moskau, 1934.

ANMERKUNGEN K A P I T E L 7: DIE R U S S I S C H E L I T E R A T U R K R I T I K 1. A . D . Kantemir, Solitienija, pis'ma i izbrannye perevody (St. Petersburg, 1867), 1, 167. 2. M W . Lomonosov, Polnoe sobranie solinenij (Moskau und Leningrad, 1953), 7, 588 bis 589. 3. Opyt istoriceskogo slovarja 0 rossijskich pisateljach (1772), analysiert bei Gorodeckij u.a., Istorija russkoj kritiki, 1, 9 1 — 4 . 4. Vestnik Evropy, 6, (1802), 228—29: pyccKHX

KHHr,

to mm

»Mto npHHaAAe»HT ao kphthkh hobbix ee hcthhhoio n o T p e Ö H o c T b i o H a m e n

H e CMHTaeM

AHTepaTYpw.« 5. Karamzin, Solinenija (St. Petersburg, 1848), 5, 645—46; 2, 122, zitiert bei Gorodeckij, 1, 112, 114, 115. 6. ¿ u k o v s k i j , »O kritike«, Vestnik Evropy, 48 (1809), 36. Zitiert bei Gorodeckij, 1, 167. 7. V o r w o r t zu Puäkin, »Bachcisarajskij fontan« (1824), zitiert bei Gorodeckij, 1, 208; und Damskij zurnal. Band 6, N o . 8, S. 77, zitiert ebd., 1, 231. 8. B r i e f an A . A . Bestuzev (Mai—Juni 1825), in Puikin

ho kphthkh v

Hac

h

HeAOCTaeT. M u He HMeeM

0 literature, S. 7 5 : » H m c h -

hh

eAHHoro

KOMMeHTapna,

HH e A H H O H K p H T H i e C K O H K H H r H . «

V g l . The Letters of Alexander Pushkin, übers, v. J. T . Shaw (3 Bände, B l o o m i n g t o n und Philadelphia, 1963), 1, 222.

BIBLIOGRAPHIEN

UND

333

ANMERKUNGEN

9. V g l . »Iz Pindemonte«, »HHKOMV OTMeTa He AASATB,« usw.

Pufkin

0 literature,

S. 242 A n m . (1836, »Mnenie M . E. L o b a n o v a . . . « ) : »Ca-

MHH HHMTO>KHJbIH n p e A M e T MOJKCT ÖLITb H 3 6 p a H CTHXOTBOpijeM.« Ebd., S. 377 (geplantes V o r w o r t zu Gesang VIII und I X v o n Eugen Onegin,

1830):

»IIoHyBCTBOBaAH, HTo xjeAb x y A O » c e c T B a e c T b HAeaA, a He H p a B o y n e H n e . « 10. B r i e f an V . A . ¿ u k o v s k i j

(Mai—Juni

1825), Pufkin

0 literature,

S. 74:

»U[eAb

n o 3 3 H H — n o 3 3 H a . « V g l . Letters, 1, 219. 1 1 . Polnoe sobranie solinenij

(Moskau,

Tbi AAS CBOHX n e c e H ;

1949), 4, 2 5 1 : »IIOST c a M H 3 6 H p a e T n p e A M e -

TOAna He HMeeT n p a ß a

yiipaBAHTb

ero BAOXHO-

BeHHeM.« 12. V g l .

das

Gedicht

(1833),

das

anfängt

»paHuy3CKHx pH(J)MaqeH c y p o B b i ö

CYAHH . . . « , in d e m er sich selbst »ÜOKAOHHHK B e p H b i ö TBOH« (Ihr aufrichtiger B e w u n d e r e r ) nennt. 13. Ü b e r B y r o n , siehe G o r o d e c k i j , 1, 293, der die A k a d e m i e a u s g a b e zitiert, 7, 170: »C y M a CXOAHA.« Puskin o literature, S. 1 1 5 — 1 6 , u s w . Ü b e r Shakespeare, siehe den E n t w u r f zu d e m V o r w o r t zu Boris Godunov, ebd., S. 1 1 7 . Ü b e r Scott, ebd., S. 1 1 4 — 1 5 . 14. Ein B r i e f an E. M . C h i t r o v o (Mai 1831): »in Ekstase« (B BOCTOpre) über Rouge et noir. Puïkin

0 literature, S. 290. V g l . Letters, 2, 488. Ü b e r S a i n t e - B e u v e , siehe die lange

B e s p r e c h u n g (1831) v o n Vie, poésies et pensées de Joseph Dehme,

in Puskin 0 literature,

S. 2 5 8 — 6 8 . 15. » O t r y v k i « (1827) in PuSkin

0 literature, S. 105:

» B HYBCTBE C0PA3MEPH0CRH H

COC>6pa3HOCTH.«

16. »Aleksandr

Radiäcev«

(1836).

PuSkin o literature, S. 365:

IIocpeACTBeHHoe...

B a p B a p c K H Ü CAor.« » H e B e x œ c T B e H H o e n p e 3 p e H H e KO B c e M y n p o m e A i u e M y ; c A a ô o y M H o e H3yMAeHHe n e p e A CBOHM BCKOM, c A e n o e n p H C T p a c T H e K HOBH3He; MacTHbie, n0BepxH0CTHH,e CBeAeHHfl.« Es scheint u n m ö g l i c h , die allgemeine sowjetische Auffassung z u akzeptieren, d a ß PuSkin R a d i ä c e v l o b e n w o l l t e . 17. »Pis'mo k izdatelju« 623. A p r i l 1836). PuSkin 0 literature, S. 4 2 5 : »ECAH 6 H C He3 a B e c H M o c T H i o MHCHHH H o c T p o y M H e M CBOHM coeAHHAA OH ß o A e e

yie-

HOCTH, S o A e e HaqHTaHHOCTH, ß o A e e yBa>KEHHH K n p e A a m a o , ß o A e e OCMOTpHTeAbHOCTH, —

CAOBOM, ÖOAee 3peAOCTH,

TO MbI 6 b l

HMeAH B HCM

KpHTHKa B e c b M a 3 a M e q a T e A b H o r o . « BIBLIOGRAPHIE: BELINSKIJ Ich zitiere nach Sobranie solinenij, hrsg. v. F . M . G o l o v e n c e n k o (3 B ä n d e , M o s k a u , 1948), als G . W e n n das nicht ausreicht, nach Polnoe sobranie solinenij,

hrsg. v . S . A . V e n g e r o v ,

1 1 B ä n d e , Petersburg, 1 9 0 0 — 1 7 . D i e B r i e f e nach Izbrannye pis'ma, hrsg. v . N . I . M o r d o v c e n k o u n d M . J a . P o l j a k o v , 2 B ä n d e , M o s k a u , 1955. S o w e i t es g i n g , habe ich die a n o n y m e englische Ü b e r s e t z u n g benutzt, Selected

Philosophi-

cal Works, M o s k a u , 1948. Sie enthält Literary Reviews u n d die Essays der letzten Periode, aber nichts aus der mittleren.

334

BIBLIOGRAPHIEN

UND

ANMERKUNGEN

Es existiert eine nicht sehr umfangreiche deutsche A n t h o l o g i e (142 Seiten), W.

Belinskij,

der Begründer der modernen Literaturkritik, hrsg. v . R u d o l f Dietrich, Berlin, 1948; u n d eine deutsche Ü b e r s e t z u n g (von A . K l o e c k n e r ) v o n Hamlet: Deutung und Darstellung,

Berlin,

1952. A u s der ungeheuren Fülle der Forschungsliteratur in russischer Sprache habe ich die folgenden W e r k e als die brauchbarsten a u s g e w ä h l t : A . N . P y p i n , Belinskij:

ego zizn'

i perepiska, 2 B ä n d e , Petersburg, 1876.

A . L . V o l y n s k i j ( A k i m Flekser), Russkie

kritiki (Petersburg, 1896), bes. S. 8iff.

Iv. I v a n o v , Istorija russkoj kritiki (Petersburg, 1900), bes. T e i l III, S. 3 9 — 3 3 3 . Jurij A j c h e n v a l ' d , Silu'ety russkich pisatelej (3. A u f l . , M o s k a u , 1917), III, 1 — 1 4 . G . W . P l e c h a n o v , V.G. Belinskij.

Sbomik statej, M o s k a u , 1923.

A . Lavreckij, Belinskij,

ÖernySevskij,

u n d Èstetika Belinskogo,

M o s k a u , 1959.

Dobroljubov

P.I. Lebedev-Poljanskij,

V.G. Belinskij.

v bor'be za

Literaturnokritileskaja

realizm,

Moskau,

dejatel'nost',

1941 ;

Moskau

und

Leningrad, 1945. In englischer Sprache: Herbert E. B o w m a n , Vissarion Belinski, 1811—1848; Origtns of Social Criticism

in Russia,

A Study in the

C a m b r i d g e , Mass., 1954; i n f o r m a t i v .

In italienischer Sprache: Ignazio A m b r o g i o , Belinskij e la teoria del realismo, R o m , 1963; ausgezeichnet. W e r t v o l l e Aufsätze, n o c h nicht erfaßte Schriften, B i b l i o g r a p h i e n u n d ein Verzeichnis v o n Belinskijs B ü c h e r n sind in den drei B ä n d e n (55, ¡6, 57) v o n Literatumoe

Nasledstvo,

M o s k a u , 1 9 4 8 — 5 2 a b g e d r u c k t . D e r B a n d m i t vermischten Aufsätzen, hrsg. v o n N . B r o d skij, Belinskij:

istorik i teoretik literatury ( M o s k a u , 1949), ist entschieden schwächer.

Ü b e r Belinskij u n d H e g e l siehe: J. V . Laziczius, »Fr. Hegels Einfluß a u f V . Belinskij«, Zeitschrift für slavische Philologie, (1928), 3 3 9 — 5 5 . D . T s c h i z e w s k i j , »Hegel in Rußland«, in Hegel bei den Slaven

5

(Reichen-

b e r g , 1934), bes. S. 2 0 7 — 2 9 . Boris J a k o w e n k o , Ein Beitrag zur Geschichte des Hegelianismus in Rußland

(Prag, 1934), S. 4 6 — 6 2 . A . K o y r é , »Hegel en Russie«, in Etudes sur l'histoire

de la pensée philosophique

en Russie (Paris, 1950), bes. S. 1 4 5 — 6 3 .

D e r marxistische Standpunkt w i r d v o n G e o r g Lukäcs stark betont, »Die internationale B e d e u t u n g der russischen demokratischen Literaturkritik«, in Der russische Realismus der Weltliteratur

in

(Berlin, 1949), S. 1 3 — 3 5 .

ANMERKUNGEN: BELINSKIJ i . Czevskijs weiterer B e w e i s Slaven,

von

Belinskijs schlechtem

Urteil

(in Hegel

bei den

S. 207, w i e d e r h o l t v o n K o y r é , Etudes, 147) stört m i c h w e n i g e r . Belinskij

lehnte den z w e i t e n T e i l des Faust u n d die Göttliche

Komödie

als »tote, schlechte

Allegorien« ( » M e p T B a a , n o r n v a a c h m b o a h c t h k e « ) ab. Er w i e d e r h o l t einfach die M e i n u n g Fr. T . Vischers, den er in Hallische Jahrbücher las. Offensichtlich fehlten Belinskij die sprachlichen Voraussetzungen, sich m i t Faust II oder der Komödie

ernsthaft zu beschäftigen.

Seine

heftige

Ablehnung

der

Göttlichen

französischen

K o m ö d i e u n d Molières ist störender, aber das ist eine A r t v o n polemischer U n g e rechtigkeit, die m a n bei den g r ö ß t e n Kritikern antrifft. B r i e f an 1 . 1 . Panaev (19. A u g u s t 1839). Izbrannye

Pis'ma, 1, 2 3 5 — 3 6 .

BIBLIOGRAPHIEN

UND

335

ANMERKUNGEN

2. D i e S a m m l u n g v o n W e r k e n Goethes w i r d in Literatumoe

Nasledstvo,

55 (1948),

S. 554, näher beschrieben. V g l . den B r i e f an B o t k i n (12. A u g u s t 1838),

Izbrannye

Pis'ma, 1, 142. 3. Eine Darstellung findet sich in Literatumoe Nasledstvo,

55 (1948), S. 5 1 2 — 1 3 .

Die

meisten späteren H i n w e i s e a u f die Gebrüder Schlegel sind w e g e n ihrer konservativen V o r l i e b e fürs Mittelalter u n d ihres Katholizismus geringschätzig, o b w o h l er ihre B e d e u t u n g anerkennt. V g l . bes. G , 2, 660; 5, 32, 1 5 9 — 6 0 . 4. Gottlieb

Ludwig

Ernst

Bachmann,

Vseob&ee

naiertanie

teorii

iskusstva

(1832),

übers, v . M . V . C i s t j a k o v . Siehe G , 1, 454 u n d A n m 784. S e v y r e v übersetzte A s t in Moskovskij

telegraf (1828), N r . 4. Belinskij v e r w e i s t a u f Ast, G , 1, 519. Siehe

A n m e r k u n g , G , 1, 787. R ö t s c h e r s A u f s a t z »Das Verhältnis der Philosophie der K u n s t u n d der K r i t i k z u m einzelnen Kunstwerk«, aus den Abhandlungen der Kunst (1837) w u r d e v o n M . H . K a t k o v in Moskovskij

zur

Philosophie

nabljudatel' (1838), N r . 17,

übersetzt. Belinskij referiert ihn ausführlich, G , 1, 409-—17. Anläßlich jenes Teils v o n Faust II, der den G a n g z u den M ü t t e r n schildert, zitiert er R ö t s c h e r , G , 2, 8 1 — 8 2 . Hinweise a u f R ö t s c h e r Izbrannye pis'ma, 1, 2 1 6 u n d 2, 125. Später allerdings w u r d e R ö t s c h e r v o n Belinskij als ein Philister v e r d a m m t : Izbrannye

pis'ma,

2, 1 4 4 — 4 5

( M ä r z 1841). 5. S . A . V e n g e r o v

betont Belinskijs frühe A b h ä n g i g k e i t

u n d veröffentlicht Nadezdins Kritik, Polnoe

von

N a d e z d i n sehr

sobranie, 1, 4 5 3 — 5 4 2 . Z u

stark

Katkovs

Interesse an H e g e l siehe Izbrannye pis'ma, 1, 86, 245. 6. V g l . einige der vielen Darstellungen, bes. v o n C i z e v s k i j und K o y r e . 7. N u r der T e i l »Die Einteilung der D i c h t u n g in Gattungen« w u r d e 1841 veröffentlicht. »Die Idee der Kunst«, »Die allgemeine B e d e u t u n g des W o r t e s 'Literatur'« u n d »Eine allgemeine Übersicht über die Volkspoesie« erst i m Jahre 1862. 8. Siehe oben, A n m . 4. 9. D a s P r o b l e m v o n Belinskijs Ham/ef-Interpretation ist v e r w i r r e n d . Sie stimmt i n allen wesentlichen M e r k m a l e n (Selbstzerstörung usw.) m i t der R ö t s c h e r s in Kunst

der dramatischen Darstellung

Die

(Berlin, 1844), B a n d 2, überein. A b e r Belinskijs

Essay datiert v o n 1838, u n d es ist m i r u n m ö g l i c h , eine frühere V e r ö f f e n t l i c h u n g v o n R ö t s c h e r s Interpretation ausfindig z u machen. Eine frühere, in h o h e m G r a d e hegelianische Interpretation ist die v o n Eduard Gans, in Vermischte Schriften, Berlin, 1834. Siehe Hans J. Lüthi, Das deutsche Hamletbild seit Goethe, B e r n , 1951. » 10. G , 1, 16, 2 2 — 2 3 . 1 1 . V g l . Sämmtliche

Werke (2. A u f l . , W i e n , 1846), 1, 1 1 : Literatur, »der Inbegriff aller

intellectuellen Fähigkeiten u n d H e r v o r b r i n g u n g e n einer Nation.« Ebenfalls 1, 195. D e r A u s d r u c k »Physiognomie« einer N a t i o n ist ein gebräuchlicher T e r m i n u s Herders, Werke,

hrsg. v . Suphan, 13, 365; ig,

148.

12. G , 1, 7 3 : » A H T e p a T y p y He cc>3AaiOT; OHa C03AaeTCfl Taic, K a K co3AaK)TCH, 6 e 3 b o a h h BeAOMa H a p o A a , « 3 h k h o 6 b n i a n . « 13. Belinskij besprach die wichtigsten S a m m l u n g e n v o n V o l k s d i c h t u n g : die v o n S u c h a n o v , Sacharov u n d KirSa D a n i l o v in vier Aufsätzen (alle in B a n d 6 v o n V e n g e r o v ) .

336

B I B L I O G R A P H I E N UND Eine

ausführliche

Erörterung,

ANMERKUNGEN

M . Azadovskij,

poèzija«, in Literaturnoe Nasledstvo, ¡5,

»Belinskij i russkaja narodnaja

117—50.

14. G , 2, 136; vgl. 1, 667. 15. V g l . diese Geschichte, 2, S. 23. z. B . F. Schlegel, Werke, 2, 54. 16. G , 1, 79: » H a m a HapoAHoerb noicyAa c o c t o h t b BepHOCTH H3o6paxceHHti KapTHH pyCCKOH JKH3HH.« 17. G, 1, 54: »Bo3BpameHHe K ecTecTBeHHOcra.« 18. G , 1, 103. 19. G , 1, 107—08: »Ulejccnnp HaBcerAa ü o m h p h a h coqeTaA e e c AeöcTBHTeAbHOK» JKH3HHK) . . . B a A b T e p ClCOTT . . . ÖHA BTOptlM IIIeKCnHpOM, KOTOpHH AOKOHHHA COeAHHeHHe HCKyCCTBa C >KH3HHK>.« 20. G, 1, 141—42. 21. G , 1, 107, I i i . Man beachte, daß Hazlitt Shakespeare einen »Proteus o f the Human intellect« nennt, Works, hrsg. v. H o w e , 8, 42. Schiller und Coleridge betonten Shakespeares Objektivität. Siehe auch M . H. Abrams, The Mirror and the Lamp ( N e w Y o r k , 1953). 244 ff 22. G , 1, I I 7 : »rAaBHMH OTAHHHTeAbHblH npH3HaK

TBOpMÊCTBa COCTOHT B

TaHHCTBCHHOM HCHOBHACHHH, B nOSTHieCKOM COMHaÖyAe,« S. 12Ç. 23. G , 1, 135:

»YraAaHO ^YBCTBOM B MHHyTy n o s T H n e c K o r o OTKPOBCHHH!«

24. G , 1, 136

37: »ThII H3 THnOB . . . MHCTHHeCKHH MH(J).«

25. V g l . Diese Geschichte, 2, 77 (in der Originalausgabe). Nodiers »Des types en littérature«, in Rêveries littéraires morales et fantastiques (Brüssel, 1832), S. 41—58. 26. G , 1 , 4 3 1 :

» H e TaKOBa HCTHHHaa n o 3 3 n a : e e coAepacaHHe He B o n p o c b i

A h h , a B o n p o c b i BeKOB, He HHTepecbi CTpaHbi, a HHTepecu MHpa, He y n a c T b n a p r a f t , a c y A b ß b i HeAOBeHecTBa.« 27. G, 1, 430—31: » E c a h xoTHTe, o h o h cAyjKHT o ß m e c T B y , Bbipa^Kaa e r o ace coßcTBeHHoe c o 3 H a H H e . . . h o o h o c a y ^ k h t o ß m e c T B y He KaK mo-Hn6yAt> A a h Hero c y m e c T B y i o m e e , a KaK H e n o c y m e c T B y m e e n o ceQe h

aah

c e ß a , b caMOM c e ö e HMeiomee cbok» u e A b h c b o i o npHMHHy.« 28. G , 1, 437. 29. G , 1, 439: » H t o xyAOJKecTBeHHO, t o y x e h HpaBCTBeHHO.« 30. G , 1, 456:

»HcTHHa OTKpbiAacb HeAOBeHecTBy B n e p B t i e —

KOTopoe ecTb uctuhü

e co3ept^anuu,

b ucKyccree,

t o ecTb He b OTBAeieHHOH Mbi-

CAH . . . Ü03T MHCAHT o6pa3aMH,« S. 464. 31. G , 1, 469:

»^eAOBeK nbeT, ecT, OAeBaeTCJi — s t o mhp npuapaicoe,

. . . ne-

AOBeK MyBCTByeT, m h c a h t , co3HaeT c e 6 a opraHOM, cocyAOM A y x a , k o HeMHOK) MacTHHHOCTbK) o G m e r o h GecKOHewHoro — TeAbHOCTU.«

32. G, 1, 466. 33- G , 1, 495-

3 t o mhp

deücreu-

,

BIBLIOGRAPHIEN

UND

337

ANMERKUNGEN

34. G, 1, 508: » A H U O peBH3opa ecTh HCTOMHHK, H3 KOToporo Bcé B03BpamaercH.« Man beachte, daß »Totalität« in deutsch zitiert wird, G, 1, 501. 35. G, 1, 492: »3TO 6oAbine H e a t e A H . . . 3epicaAo AeHCTBHTeAbHocTH, HO SoAee noxoAHT Ha AeücTBHTeAbHOCTb, h o k c a h AeflcTBHTeAbnocTb noxoAHT caMa HA ceSfl, H6O Bce STO — xYAO^cecTBeHHaa AeäcTBHTeAbHOCTb.« 30. G, 1, 475. 37. G, 1, 512: »3TO r o p e , — TOAbKO He OT yMa, a TO yMHunaHbsi,« S. 5 1 6 .

38. 39. 40. 41. 42.

G, G, G, G, G,

1, 1, 1, 1, 1,

559. 560. Über Pflanzenanalogie findet sich viel bei Abrams, bes. S. 168 ff., 202 ff. 631. 641. 643: » M O > K H O oqeHb H a T y p a A b H o H3o6pa3HTb nbiTKy, K a 3 H b , H e c -

nacTHyio HMy, —

CMepn. leAOBeKa,

ynaBiuero

B HeTpe3BOM

BHAe B

IIOMOHHYIO

H O B C e 3 T H H 3 0 ß p a > K e H H H Ö y A Y T B 0 3 M y T H T e A b H b I AAH A Y U I H , H e -

H3HIUHM H 6e3MbICAeHHbI, HÖO B HHKaKOH p & 3 y M H O H u e A H . «

HHX

He ÖyAeT

HHKaKOH

pa3yMHOH Mbl-

CAH,

43- G, 1, 643, 644, 649. 44. G, 1, 649—50. 45. G, 1, 557: »Y HCKyccTBa BCHKoro HapoAa ecTb CBoe HCTopiraecKoe paaBHTHe, BCAeACTBHe KOToporo onpeAeAaeTCH xapaKTep H poA AeflTeAtHOCTH nOSTa.« 46. G, 1, 653: »^e.M Bbiine no3T, TeM ßoAbrne npHHaAAe>KHT OH o6mecTBy, cpeAH KOToporo P O A H A C H , TCM TecHee CBHsaHO pa3BHTHe, HanpaBAeHHe H Aa»ce xapaKTep e r o TaAaHTa C HCTOPHMGCKHM pa3BHTHeM oßmecTBa.« 47. Man beachte, daß die meisten Ausgaben die Lesart »tumannaja« (dunkel) statt »gumannaja« (human) bringen. 48. G, 1, 671. 49- G, 1, 673, 667. 50. G, 2, 12. Vgl. Jean Pauls Vorschule der Ästhetik, § 72. Der Ausdruck stammt aus Friedrich Schlegels Athenaeum, Fragment Nr. 247. 51. G, 2, 28. 52. G, 2, 40. 53. G, 2, 4954. G, 2, J3. 55. G, 2, 51, 58. 56. G, 2, 33: »BbICKa3aA BCIO CymHOCTb n033HH, C03HaTeAbH0* pa3BHTyio repMaHCKHM MbimAeHHeM.« 57. G, 2, 67: »HcKyccTBO e e r b . . . MbiuiAeHHe B o6pa3ax.« Vgl. A. W . Schlegel im Jahre 1798: die Poesie ist »bildlich anschauender Gedankenausdruck.« Vorlesungen über philosophische Kunstlehre, hrsg. v. A. Wünsche (Leipzig, 1911), S. 35. 22

Wellek,

Literaturkritik 2

338

B I B L I O G R A P H I E N UND

ANMERKUNGEN

K . F. E. Trahndorff, Aesthetik (Berlin, 1827), S. 85: »Die P o e s i e . . . denkt Bilder.« Siehe auch S. 86. 58. G , 2, 9559. G, 2, 100. 60. G , 2, 113. 61. G, 2, 121. 62. G , 2, 287. 63. G , 2, 313. 64. G , 2, 291, 300: » H h k t o He MO>KeT 6bm» Bbime Beica h CTpanu.« 65. G, 2, 288—89. 66. G , 2, 313. 67. G, 2, 354:

»PeuiHTeAbHO OTpmjaeT h c k y c c t b o a a h HcicyccTBa.«

68. G , 2 , 356—57. 69. G , 2, 357. 70. G , 2, 361. 71. G , 2, 363. 72. G , 2, 422. 73. G , 2, 481. 74. G , 2, 457:

»^iHCTaa, GecnpHMecHaa n p o 3 a . . . Mbi nOA 'np030K>' pa3yMeeM

ßoraTCTBO BHyTpeHHero n o a T H i e c K o r o c o A e p j K a H n a , MyiKecTBeHHyio 3peAOCTb H KpenOCTb MbICAH . . .« 75. G , 2, 460:

»OaKT AeHCTBHTeAbHOCTH . . . npoBeAeHHbrä nepe3 4>aHTa3Hio

n o a T a , 03apeHHbift c b c t o m oßmero 3HaweHM, eo3eedeHHbiü 3danusi,

e nepA

co-

h noTOMy ßoAee noxo»cHii Ha c a M o r o ceßa, 6 o A e e BepHbift ca-

momy ceße, h o k c a h caMaa pa6cKaa k o i i h h c AeHCTBHTeAbHOCTH BepHa CBoeMy opHrHHaAy. T a K , Ha n o p T p e T e , CAeAaHHOM b c a h k h m

^khboiihc-

ueM, HeAOBeK öoAee noxoJK Ha c a M o r o ceöa, mcm Aaace Ha CBoe oTpa>Kehhc b AareppoTHne...« 76. G, 3, 174:

»HcTopHnecKoro ABH>KeHHH o ß m e c T B a . «

77. G , 3, 178:

»Mokay

TeM BpeMfl i i i a o BnepeA, a c hhm uiAa BnepeA

h

5KH3Hb, nopo»CAafl H3 c e ß f l HOBbie aBAeHHa, A a i o m n e co3HaHHio h o b h c 4>aKTbi h n o A B K r a i o m n e ZOTOeblM 78. G,

e r o Ha n y m

p a 3 B H T H a . . . Mbi He 3aBHAye\i

HQMypciM...«

3,190—91.

79. G , 3, 210. 80. G , 3, 266. 81. G,3,

335.

82. G , 3,335, 337:

»HeAb3H cAeAaTbca BeAHKHM SKHBonHCLieM, HMea K a K o ö 6bi

TO HH ßblAO BeAHKHH TaAaHT, eCAH B TOAbl H3yMeHHa HCKyCCTBa HeT x o p o n i H x HaTypmHKOB . . . I I y i i i k h h h b h a c h h m c h h o b t o BpeMH, K o r A a

BIBLIOGRAPHIEN

UND

339

ANMERKUNGEN

TOAbKO HTO CAeAaAOCb B03M05KHHM HBAeHHe Ha PyCH II033HH, KaK HCKyCCTBa.« 83- G , 5 , 3 6 3 : » C b c t a o k ) , s c h o i o h O T p a A H O K ) r p y e r b i o . . . «

84. G, 3, 378, 380. 8j. G, 3, 403. 86. G, 3, 410. 87. G, 3, 405. 88. G, 3, 402. 89. G, 3,410:

» B p e M H c w i e p e A H A O no33HK> I l y m K H H a

h SoAbuiyio wacTt

ero

npoH3BeAeHHH a h i h h a o Toro »CHBOTpenemymero HHTepeca, KOTopbift B03M0»eH TOAbKO KaK YAOBAeTBOpHTeAbHHH OTBeT Ha TpeBOJKHble, 60Ae3HeHHbie Bonpocbi HacToamero.« 90. G, 3, 412. 91. G, 3, 4J7—58. 92. G, 3, 467, 472—73, 476. 93- G, 3, 511: »Pa3Be BHHa nosTa, h t o b Pocch Bce ABH»teTCH TaK Ö n c r p o ? . . . E c a h 6 b 'OHenme' h h h t o He Ka3aAocb Tenepb ycTapeBiiiHM h a h OTCTaahm

ot

H a i u e r o BpeMeHH, —

sto

6hao

6bi h b h b i m npH3HaKOM, KeH0 He AeÖCTBHTeAbHO cymecTBOBaBiiiee, a BOoSpaacaeMoe oömecTBo; b TaKOM CAynae >k 6 h s t o ÖBiAa 3a nosMa h c t o h a o 6 h roßopHTb o Heft?« 94. G, 3, 516: »reHHÜ HHKorAa He ynpe>KAaeT CBoero BpeMeHH, h o BcerAa t o a b k o yraAHBaeT ero He a a h Bcex bhahmoc coAep»caHHe h cmhca.« 95- G, 5,562, 552: »HpaBCTBeHHoro 3M6pHOHa! . . . TaTbflHa, KaK ahmhocti., HBAaeTCH... noAOÖHOK» ermieTCKoft CTaTye, H e n o A s n > K H o f t , TaaceAoft H CBH3aHHOH.« 96. G, 3, 564. 97- G, 3, 567, 587—88. 98. G, 3, 568—69. 99- G, 3, 583—84. 100. G, 3, 594101. G, 3, 44:

»PyccKüft BeAHKHÄ nosT, ö y A y i H OAapeH o t npupoAH h paB-

h h m BeAHKOMy e B p o n e f t c K O M y n o s T y t 3 A 3 h t o m . . . m o j k c t

conepHHieTBO-

BaTb C HHM TOAbKO B (fjOpMe, HO He B COdepOKUHUU n033HH.« 102. Vengerov, 12, 224 (tatsächlich hrsg. von V. S. Spiridonov, Moskau, 1926). 103. G, 3, 56—57. 104. G, 3, 67:

»H3 Bcex KpHTHKOB CaMblft BeAHKHÖ, CaMblH reHHaAbHblH,

celmhh HenorpeiuHTeAbHbift — BpeMH.« 105. G, 3, 649: »TaK HasbiBaeMyio HaTypcuibHyio uiicony.«. Vgl. S. 774 und S. 902 Anm., die sich auf Bulgarins Gebrauch des Ausdruckes in Severnaja Ptela (1.846), Nr. 22, bezieht. 106. G, 3, 649. 22*

340

BIBLIOGRAPHIEN UND

107. G, 3, 674:

ANMERKUNGEN

» O a H T a c T H M e c K o e b H a r n e b p c m h MO»ceT HMeTb MecTO t o a b k o

b A O M a x Y M a A H i u e H H H x , a He b A H T e p a T y p e , h H a x o A H T b c a b

3aBeAbi-

BaHHH B p a n e f l , a He i i o s t o b . « 108. G, 3, 783 :

»BAH3Koe c x o a c t b o H3o6pa>icaeMLix e i o a h u c h x

o6pa3uaMH

B AeHCTBHTeAbHOCTH . . .« 109. G , 3, 781. 110. G , 3, 7 8 8 — 8 9 :

»B

3TOM OTHOineHHH

AiiTepaTYpa

cAeAaAa

eABa

ah

He

S o A b i i i e : OHa c K o p e e c n o c o ö c T B O B a A a B03Öy:>KAeHHK> b o ö m e c T B e T a K o r o HanpaBAeHHfl, h o k c a h

t o a m c o O T p a 3 H A a ero b c e 6 e , C K o p e e

ynpeAHAa

e r o , ne>KeAH t o a b k o He OTCTaAa o t H e r o . « n i . G , 3, 797. 112. G , 3, 801. 113. G, 3, 6 7 7 : » B n e p e A h t t h m o ä h o , Ha3aA — HeAb3a . . . « 114. G , 3, 6 8 — 8 6 (über Die armen Leute), S. 6 7 3 — 7 5 (Der Doppelgänger charcin), S. 8 3 6 — 3 7 (Die

und Herr Pro-

Wirtin). A u c h der B r i e f an A n n e n k o v (15. Februar 1848),

Izbrannye Pis'ma, 2, 388. 1 1 5 . G , 3, 809. 116. Ü b e r G e o r g e Sand siehe z. B . G , 3, 24, »ohne Z w e i f e l das erste Talent in der ganzen

3aHA,

schreibenden W e l t unserer Zeit«. (»5Kop>K

6 e c c n o p H O , nepBbrä TaAaHT

b o B c e M r m m y m e M MHpe H a r n e r o BpeMeHH« ). Ü b e r Sue v g l . die Besprechung v o n Mystères de Paris, G, 2, 628—46, die z u m T e i l höchst unfreundlich ausfällt. D e n n o c h hielt Belinskij Sue f ü r talentierter als Balzac, D u m a s , Janin, Soulié u s w . ( G , 3, 22). 1 1 7 . Z u G o e t h e beachte m a n die K r i t i k der russischen U b e r s e t z u n g der Römischen in V e n g e r o v , 6, 2 4 1 — 7 2 , u n d drei nicht gesammelt erschienene in Literaturnoe Nasledstvo,

Elegien,

Besprechungen

(1948), 342, 344, 361. D o r t eine ausführliche A n m e r k u n g

v o n V . ¿ i r m u n s k i j , S. 345—50. 118. G , 3, 7 9 1 :

»npH3HaBaa,

wto

HCKyccTBO,

npeacAe

Bcero

aoajkho

6biTb

HCKyccTBOM, Mbi TeM He MeHee A y M a e M , • m t o M b i c A b o KaKOM-TO h h c t o m , OTpeuieHHOM HMeromeft

HOKyccTBe,

raroero

jKHBymeM

b

cBoefi

coöctbchhoh

c4>epe,

He

o ö m e r o c A P Y r H M I i c T o p o H a M H 5KH3HH, e c T B M b i c A b

OTBAe^eHHaa, MeHTaTeAbHasi. T a K o r o

HcicyccTBa

HHKorAa

h

unrAe

He

ÖBIBaAO.« 119. G, 3, 7 9 7 :

»OTHHMaTb y H C K y c c T B a n p a B O CAy>KHTb o ö m e c T B e H H b i M

TepecaM —

3HaiHT

He B 0 3 B b i m a T b , a

3HaMHT AHiiiaTb e r o c a M o f t ü c h b o h

yHH>KaTb e r o , i i o t o m y

chah,

to

ito

ecTb m h c a h , AeAaTb

npeAMeTOM K a K 0 r 0 - T 0 CHÖapHTCKoro H a c A a j K A e H H f l , H r p y i i i K o i o

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HblX A e H H B U e B . «

120. G , 3, 789:

»KaKHMH 6 b i n p e K p a c H b i M H

CTHXOTBOpeHHe,

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B o n p o c a M H , h o e c A H b HeM HeT no33HH, —

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n p e i c p a c H b i x M b i c A e f t h HHKaKHx B o n p o c o B . . . « 121. G , 3, 798.

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BIBLIOGRAPHIEN

122. G , 3, 790: CBOK)

UND

341

ANMERKUNGEN

» H a A o 6 H O y M e T b ABACHHA AeftcTBHTeAbHOCTH n p o B e c T H

4>aHTa3HK),

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eAHHoro,

n o A H o r o , u e A o r o , 3 a M K H y T o r o B caMOM c e 6 e . « 123. G , 5 , 7 9 2 :

»CnocoßHocTb

H3o6pa»taTb

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AeficTBHTeAbHocm

6e3

BCflKoro oTHomenHa K caMOMy ce6e — ecTb onsfTL-TaicH BbipameHHe HaTypbi no3Ta.« 124. G , 3, 809. 125. G , 3, 813. 126. G, 3, 6 7 3 — 7 4 :

»B 'AßOHHHKe' aBTop oÖHapyjKHA orpoMHyio c u A y TBop-

MecTBa, xapaKTep repoji NPNHAAAE>KIIT K WHCAY caMbix rAyßoKux, CMeAHX H HCTHHHblX KOHqemjHH • • •« 127. Dostoevskijs Erinnerungen i n Tagebuch

eines Schriftstellers, Januar 1877, K a p . 2,

A b s c h n . 3. D i e Ernüchterung w i r d a m stärksten in einem B r i e f an

Annenkov

(15. Februar 1848) ausgedrückt: »Jedes einzelne seiner neuen W e r k e ist ein neuer M i ß e r f o l g . . . W i r w a r e n stolz a u f das Genie D o s t o e v s k i j . Ich, der erste K r i t i k e r , machte m i c h selbst z u m dreifachen Esel«. (»Ka>KAoe e r o H o ß o e

npoH3BeAeHHe

H o ß o e n a A e H H e . . . H a A Y A H C b »ce BH, A P y r MOH, C AOCTOCBCKHM — HHCM!

...

nepBbift KPHTHK, pa3birpaA

TYT

ocAa

B

re-

KBaApaTe«).

Izbrannye Pis'ma, 2, 388. Belinskij spielt a u f Tempest an, V . 1. 295. C a l i b a n sagt: » W h a t a thrice - d o u b l e ass / W a s I, t o take this drunkard f o r a g o d , / A n d w o r s h i p this dull fool!« 128. G , 3, 684:

» ' M e p T B H e AYNIN' CTOHT B b i m e B c e r o , HTO 6HAO H e c T b B p y c -

CKOH A H T e p a T y p e . . . « 129. G , J, 147. 130. G , 3, 7 1 3 — 1 4 :

»He 6 y A b Ha B a i u e f i KHHre BbicTaBAeHO Barnero HMCHH, h

6 y A b H3 Hee B b i K A i o i e H b i T e MecTa, rAe B%I r o B o p m e o c e 6 e K a K rracaTeAb, KTO 6 M n o A Y M a A , «rro 3 T a H a A Y T a a H H e o n p a r a a a

i u y M H x a CAOB

H 4>pa3 — n p o H 3 B e A e H H e a B T o p a ' P e B H 3 o p a ' h ' M e p T B b i x A y m ' ? « 131. G , 3, 709:

»IIponoBeAHHK KHyTa, anocTOA HeBemecTBa, no6opHHK oöcicy-

paHTH3Ma H M p a K o ß e c H H . . . « 132. Siehe K a r l L ö w i t h , Von Hegel bis Nietzsche

(Zürich, 1941), bes. S. 97 ff.

ZEITTAFEL DER WERKE FRANKREICH 1809

de Barante:

De la littérature française au XVIIIe

1813

Sismondi:

De la littérature du Midi

M a d a m e de Staël:

De

1823

Claude Fauriel:

Chants populaires de la Grèce moderne

Stendhal:

Racine et Shakespeare

1827

Hugo:

V o r w o r t zu Cromwell

1828

Philarète Chasles:

l'Allemagne

Tableau de la marche et des progrès de la littérature française au XVIe

Sainte-Beuve : 1828—29 Villemain: 1830 J.-J. A m p è r e : Villemain :

siècle

de l'Europe

siècle

Tableau de la poésie française au XVIe

siècle

Tableau de la littérature française au XVIIIe

siècle

Discours sur l'histoire de la poésie Tableau de la littérature au moyen âge en France, en Espagne et en Angleterre

1831

Leroux:

»Aux Philosophes. D e la poésie de notre époque,«

1833

Désiré Nisard:

Contre la littérature facile

1834

Gautier:

V o r w o r t zu Mademoiselle de Maupin

Désiré Nisard:

Etudes de moeurs et de critique sur les poètes latin de la

Gustave Planche:

Portraits littéraires

Victor Cousin: Sainte-Beuve:

Du Vrai, du Beau et du Bien Critiques et portraits littéraires, 3 Bände.

Magnin :

Les Origines du théâtre moderne

in Revue encyclopédique

décadence 1836

1838

1839—40 J.-J. A m p è r e : Sainte-Beuve: 1841 1842

Ampère:

Histoire littéraire de la France avant le douzième siècle Port Royal, Band 1.

Sainte-Beuve:

Histoire de la littérature française au moyen âge Port Royal, Band 2.

Charles M a g n i n :

Causeries et méditations

1843

Saint-Marc Girardin:

Cours de littérature dramatique Band 1 (5 Bände bis

1844

Désiré Nisard:

Histoire de littérature française Band 1 und 2

Gautier:

Les Grotesques

Sainte-Beuve:

Portraits de femmes

1868)

Portraits littéraires, 2 Bände.

Z E I T T A F E L DER WERKE 1846

1847 1848

1849 i8si 1852 1853

1854 1856 1857 1858 1859 i860

Fauriel: Philarète Chasles: Sainte-Beuve: Chasles: Alexandre Vinet: Sainte-Beuve: Alexandre Vinet: Nisard: Sainte-Beuve: Sainte-Beuve: Sainte-Beuve: Fauriel: Chasles: Sainte-Beuve: Sainte-Beuve: Sainte-Beuve: Nisard: Sainte-Beuve: Sainte-Beuve:

1870

Sainte-Beuve: Sainte-Beuve : Sainte-Beuve: Sainte-Beuve: Sainte-Beuve: Sainte-Beuve: Sainte-Beuve: Sainte-Beuve:

1872

Gautier:

1861 1862 1863 1865 1866 1867 1868

343

Histoire de la poésie provençale Etudes sur le XVIIle siècle en Angleterre Portraits contemporains, 3 Bände. Etudes sur l'Antiquité Etudes sur Pascal Port Royal, Band 3. Etudes sur la littératurefrançaiseau XIXe siècle, 3 Bände. Histoire de la littératurefrançaise,Band 3. Causeries du Lundi, Band 1, 2, 3. Causeries du Lundi, Band 4, 5. Derniers Portraits littéraires Causeries du Lundi, Band 6, 7, 8. Dante, 2 Bände. Etudes sur l'Allemagne, 2 Bände. Causeries du Lundi, Band 9, 10. Causeries du Lundi, Band 11. Causeries du Lundi, Band 12, 13. Etudes sur Virgile Etudes de Critiques littéraires Port Royal, Band 4, 5. Chateaubriand et son groupe littéraire sous l'Empire, 2 Bände. Causeries du Lundi, Band 14. Causeries du Lundi, Band 15. Nouveaux Lundis, Band 1, 2. Nouveaux Lundis, Band 3, 4. Nouveaux Lundis, Band 5, 6. Nouveaux Lundis, Band 7, 8, 9. Nouveaux Lundis, Band 10, 11. Nouveaux Lundis, Band 12, 13. Premier Lundis, 3 Bände. Histoire du romantisme

ITALIEN 1829 1831 1832 1836 1837 1838 1840 1841 1843

1845

Mazzini: Sealvini: Mazzini : Mazzini: Mazzini: Mazzini: Tommaseo: Gioberti: Gioberti: Mazzini: Tommaseo: Emiliani Guidici:

»D'una letteratura europea« Dei promessi sposi »Pensieri. Ai poeti de secolo XIX« »Della fatalità considerata come demente dramatico« »Italian literature since 1830« »The Present State of French Literature« Dizionario estetico Del Bello Del Primato morale e civile degli Italiani »On the Works of Thomas Carlyle« Studi critici Storia delle belle lettere in Italia

344

ZEITTAFEL

DER W E R K E

Tenca: Tenca: Tommaseo : 1858 Scalvini : I860 Mazzini : I86I 1 8 6 6 — 7 2 Settembrini: 1870—71 De Sanctis:

1846 1852

»Delle condizioni dell'odierna letteratura in Italia« »A proposito di una storia della letteratura Italiana« Inspirazione ed Arte Scritti. Hrsg. v. Tommaseo Scritti letterari, 2 Bände. Lezioni di letteratura italiana, 2 Bände. Storia della letteratura italiana, 2 Bände.

ENGLAND U N D SCHOTTLAND 1820—26

1823 1824

De Quincey: Richard Price:

1827

Carly le: Macaulay: Carlyle:

1828

Carlyle:

1829

De Quincey: Carlyle:

1825

1831

1832

Carlyle: Macaulay: Collier: Carlyle:

Carlyle: Mill: 1 8 3 3 - -34 Carlyle: 1834--35 De Quincey: 1836 Robert Chambers: 1 8 3 7 - -39 Henry Hallam: Mill: 1837 1838 Carlyle: Mill: Carlyle: 1839 De Quincey: 1840 De Quincey:

1833

Leigh H u n t :

1841

Mill: Carlyle:

Retrospective Review, erste Folge, hrsg. v. Southren »On the Knocking at the Gate in Macbeth« Vorwort zur 2. Auflage von Thomas Wartons History of English Poetry Life of Schiller »Milton« German Romance »Jean Paul Friedrich Richter« »State of German Literature« »Bums« »Goethe« »Rhetoric« »Novalis« »Voltaire« »William Taylor's Historie Survey of German Poetry« »Boswell« History of English Dramatic Poetry, 3 Bände. »Goethe's Works« Boswell's »Life ofJohnson« »Diderot« »What is Poetry?«, »The T w o Kinds of Poetry« »Sartor Resartus« (in Frazer's Magazine) »Samuel Taylor Coleridge« History of English Language and Literature Literature of Europe Besprechung von Carlyles French Revolution »Sir Walter Scott« »Alfred de Vigny« Critical and Miscellaneous Essays »William Wordsworth« »Theory of Greek Tragedy« »Style« Vorwort zu Dramatic Works of Wycherley, Congreve, Vanbrugh, Farqhuar, and Sheridan Essay über Coleridge On Heroes, Hero-worship and the Heroic in History

ZEITTAFEL

1843 1844 1845 1846 1848 1851

Macaulay: Ruskin: Leigh Hunt: De Quincey: Leigh Hunt: Ruskin: De Quincey: De Quincey:

DER

WERKE

345

Critical and Historical Essays Modern Painters, Band 1. Imagination and Fancy »On Wordsworth's Poetry« Wit and Humour Modern Painters, Band 2. »The Poetry of Pope« »Lord Carlisle on Pope«

VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA 1830 1836 1839 1841 1842 1844 1845 1846 1847 1850 1856

William Ellery Charming: Emerson: Jones Very: Emerson: Poe: Emerson : Margaret Fuller: Margaret Fuller: Poe: Thoreau: Poe: Emerson: Emerson:

»The Importance and Means of a National Nature Essays and Poems Essays »Hawthorne's Tales« Besprechung von Dickens' Barnaby Rudge Essays, Second Series Woman in the Nineteenth Century Papers on Literature and Art »The Philosophy of Composition« »Thomas Carlyle and his Works« »The Poetic Principle« Representative Men English Traits

DEUTSCHLAND 1822 1828 1830 1832

Uhland: Menzel : Rosenkranz: Börne: Rosenkranz :

1833

Heine : Wienbarg: Gutzkow :

1834 1836

1837—42 Rötscher: 1835—42 Gervinus: 1839: 1840 1842 1843

Ulrici: Heine: Mündt: Carus:

Walther von der Vogelweide Die deutsche Literatur, 2 Bände. Geschichte der deutschen Poesie im Mittelalter Briefe aus Paris Handbuch einer allgemeinen Geschichte der Poesie, 3 Bände. Die romantische Schule Ästhetische Feldzüge Götter, Helden, Don Quixote. Über Goethe am Wendepunkte zweier Jahrhunderte Abhandlungen zur Philosophie der Kunst Geschichte der poetischen Nationallitteratur der Deutschen, 5 Bände. Über Shakespeaes dramatische Kunst Über Ludwig Börne Geschichte der Literatur der Gegenwart Goethe, zu dessen näheren Verständnis

346

Z E I T T A F E L DER

WERKE

Vischer:

Kritische

Hebbel:

V o r w o r t z u Maria

Danzel:

Über die Ästhetik der Hegeischen

1846—57

Vischer:

Ästhetik,

1846

Ruge:

Gesammelte Schriften, 10 B ä n d e .

1847

Rosenkranz:

Göthe und seine

1849

Gervinus:

Shakespeare, 4 B ä n d e .

1850

Danzel:

Lessing, »Shakespeare u n d n o c h i m m e r kein Ende«

1853

Rosenkranz:

Ästhetik des

1854

Heine:

Lutezia

1844

Gänge, B a n d 1. Magdalena Philosophie

5 Bände. Werke

Häßlichen

1857

Eichendorff:

Geschichte

1859

Lassalle:

Franz von Sickingen

1866

Rosenkranz:

Diderot, 2 B ä n d e .

1886

Vischer:

»Das S y m b o l «

der poetischen Literatur

Deutschlands

RUSSLAND 1823

Vjazemskij:

Vorwort

zu

(Kavkazskij 1825

Puäkin:

»Uber

Puäkins

Der

Gefangene

im

Kaukasus

plennik)

klassische

und

romantische

Dichtung«

(»O

poézii klassiceskoj i romanticeskoj«) 1834

Belinskij:

»Literarische

Träumereien«

(»Literaturnye

mecta-

nija«) 1835

Belinskij:

»Über die russische Erzählung u n d die Erzählungen des H e r r n G o g o l ' « (»O russkoj povesti i povestjach g . Gogolja«)

1836

Puäkin:

»Aleksandr R a d i l c e v «

1838

Belinskij:

»Hamlet«

1840

Belinskij:

»Menzel als Kritiker Goethes« (»Menzel, kritik Gete«) »Verstand schafft Leiden« (»Gore o t uma«) »Ein H e l d unserer Zeit« (»Geroj naSego

vremeni«)

1841

Belinskij:

»M. L e r m o n t o v s Gedichte« (»Stichotvorenija M . L e r -

1842

Belinskij:

»Die Einteilung der D i c h t u n g in Gattungen« (»Raz-

montova«) delenie poézii na r o d y i vidy«) »Die Idee der Kunst« (»Ideja iskusstva«, g e d r u c k t

im

Jahre

die

1862)

»Allgemeine

Betrachtungen

über

Volksdichtung« (»Obäcij v z g l j a d na narodnuju p o é ziju«, g e d r u c k t i m Jahre 1862) »Über die russische Literatur i m Jahre 1841« (»Russkaja literatura v 1841 godu«) 1842

Belinskij:

»Cicikovs A b e n t e u e r oder die T o t e n Seelen« (»Pochozdenija C i c i k o v a , ili M e r t v y e Duäi«) »Eine R e d e über die Kritik« (»Re£' o kritike«)

1843

Belinskij:

»Über die russische Literatur i m Jahre 1842« (»Russkaja literatura v 1842 godu«)

ZEITTAFEL

1843—46 Belinskij: 1844

Belinskij:

1845

Belinskij:

1846

Belinskij:

1847

Belinskij:

1848

Belinskij:

DER

WERKE

347

»Die Werke Aleksandr Puäkins« (»Socinenija Aleksandra Puäkina«), I i Artikel »Über die russische Literatur im Jahre 1843« (»Russkaja literatura v 1843 godu«) rtÜber die russische Literatur im Jahre 1844« (»Russkaja literatura v 1844 godu«) »Uber die russische Literatur im Jahre 1845« (»Russkaja literatura v 1845 godu«) »Gedanken und Bemerkungen über die russische Literatur« (»Mysli i zametki o russkoj literature«) »Petersburger Miszellen« (»Peterburgskij sbornik«) »Betrachtungen über die russische Literatur des Jahres 1846« (»Vzgljad na russkuju literatura 1846 goda«) »Ausgewählte Stellen aus dem Briefwechsel mit Freunden von Nikolaj Gogol'« (»Vybrannye mesta iz perepiski s druz'jami Nikolaja Gogolja«) Brief an Gogol (»Pis'mo k Gogolju«, gedruckt im Jahre 1855) »Betrachtungen über die russische Literatur Jahres 1847« (»Vzgljad na russkuju literatura 1847 goda«)

des

NAMENREGISTER

Addison, Joseph 12, 107, 119, 120

Balzac, Honore de 14, 32, 48, 59, 60, 61,

Äschylos 68, 75, 134, 146

65, 125, 168, 181, 221, 222

Alfieri, Vittorio 4, 70, 75, 120, 168

Bamberg, Felix 209

Alison, Archibald 141

Banville, Theodore de 30, 58

Amadis de Gaul 1 1 9

Barante, Prosper de 1 — 3

Ampère, Jean-Jacques X I V , 5, 8 — 1 1 , 12,

Baratynskij, Evgenij 237 Barbier, Auguste 17

23, 38, 53, 60, 193 A m y o t , Jacques 10

Barrault, Emile 25

Andrés, Juan 4

Baudelaire, Charles X V I , 18, 30, 31, 32, 59, 62, 63, 64, 141, 149, 184, 186

Angelico, Fra 129, 132 Apollinarius, Sidonius 10

Baumgarten, Alexander Gottlieb 172

Apollonius v o n R h o d o s 52

Bayle, Pierre 13, 44

Archimedes 41

Beaumont, Francis 82, 114, 162, 172

Ariosto, L o d o v i c o 4, 68, 70, 171, 196

Beethoven, L u d w i g van 167, 168

Aristophanes 185

Belinskij, Vissarion XIII, X V I , 78,200,224,

Aristoteles X V I I , 5, 105, 151, 186, 194, 196

227—247; seine Literaturtheorie 228; B e -

A r n i m , A c h i m v o n 175, 176, 180, 184

ziehung zu deutschen Kritikern 229; über

Arnim, Bettina v o n (geb. Brentano) 168,

Nationalismus und Volksdichtung 230; über »reale« Dichtung 231; sein M y s t i -

169 Arnold, M a t t h e w XIII, X I V , X V , 122

zismus der Zeit 232; »in Bildern denken«

Ast, Friedrich 229

232; über Totalität 233; Kunstwerk als

Auerbach, Erich VIII

Organismus 233; über Naturalismus 234;

Augustinus 71

über Gattungen 234; sein Literaturbegriff

Ausonius, Decimus Magnus 10

236; T y p e n der Literaturkritik 237; über

Austen, Jane 120, 121, 162

Prosa 237; über Fortschritt, Entwicklung

Austin, Sara 85

und Zeitgeist 238; über Puskin 239; die französische Literatur 242; die »Naturale

Babbitt, Irving 20

Schule« 242; Realismus 244; über G o g o l '

Bachmann, Carl Friedrich 229

245; seine W i r k u n g 247.

Bacon, Francis, Lord Verulam 35, 120, 157 Bailey, Philip James 168 Bakunin, Michail 229 Balzac, G u e z de 41

116,

Bentham, Jeremy 122, 123, 125, 126 Beowulf&i Beranger, Pierre-Jean de 17, 26, 57, 179, 181, 228 Bergerac, C y r a n o de 29, 30

NAMENREGISTER

Bernardin de Saint Pierre, Jacques-Henri 36, 45 Biefeld, Jakob Friedrich Freiherr von 147 Blair, Hugh 119, 141 Bloch, Joseph 222 Boccaccio, Giovanni 77 Böhme, Jacob 155, 164 Börne, Ludwig 87, 178—179, 180, 184, 189, 191, 218 Boileau Despréaux, Nicolas 29, 33, 35, 43, 47. 54» 55, 64, 225, 227 Bolingbroke, Henry St. John, Viscount 12 Borei, Joseph-Pétrus 30 Bossuet, Jacques-Bénigne 20 Boswell, James, 96, 100, i o i , 119, 120 Bouterwek, Friedrich 3, 4, 5, 172 Bowring, Sir John 76 Bradley, A. C . 197 Brandes, Georg XIII, X I V Brentano, Clemens 175, 176, 180 Brown, Thomas 124 Browne, Sir Thomas 82, 104, 165 Browning, Elizabeth Barrett 114, 126, 142, 168 Browning, Robert 99, 126, 168 Brunetière, Ferdinand XIV, X V , 11, 20 Bryant, William Cullen 141 Büchner, Georg 189, 213 Bürger, Gottfried August 58, 186, 225 Buffon, Georges Louis Ledere, Comte de 20, 42, 185 Bulwer-Lytton, Edward George 17, 95, 142 Bunyan, John 118, 119 Burke, Edmund 12, 104 Burney, Fanny 119, 120 Burns, Robert 57, 90, 94, 97, 98, 100, 118, I