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German Pages 412 [416] Year 2003
Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte Band 115
Stefan Nienhaus
Geschichte der deutschen Tischgesellschaft
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2003
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-32115-6
ISSN 0083-4564
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2003 http://www. niemeyer. de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz und Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Industriebuchbinderei Nadele, Nehren
Inhalt
I.
Einleitung
ι
II.
Der Verein
7
ι. 2. 3.
Die Gründung und der Zeitraum des Bestehens . . Die Mitglieder Die deutsche Tischgesellschaft im Rahmen der Vereinsgeschichte
3.1. 3.2. 3.3.
Die Tradition der Aufklärungsgesellschaften . . . . Der Salon Schleiermachers >Versuch einer Theorie des geselligen Betragens< und die gesellige Praxis in der deutschen Tischgesellschaft Private Öffentlichkeit Der Versammlungsort der Tischgenossen Die »Stellvertretung der öffentlichen Meinung« . . Organisationsstruktur und Versammlungsablauf . Formen der Geselligkeit in der deutschen Tischgesellschaft Das Tischgespräch Die Tischrede
4. 4.1. 4.2. 5. 6. 6.1. 6.2.
7 14 25 25 33
36 44 44 j1 56 66 68 70
III. Die Texte der deutschen Tischgesellschaft ι. 2. 2.1. Exkurs:
75
Probleme der Forschungs-und Editionsgeschichte Zur Typologie der Tischreden Die Sprecherreden Die Beiträge Fichtes, Müllers, Schleiermachers und Arnims zum preußisch-deutschen Nationalismus vor Gründung der deutschen Tischgesellschaft . .
75 79 80
93 V
2.2.
»Sahn wir noch auf seinen Thron«: das politische Gedicht
109
2.3.
»Vaterländische Begebenheiten«: Schwanke und Anekdoten
138
2.4.
Kunst und Kleinkunst: Einleitungsvorträge
2.5. 2.6.
zu kulturellen Aufführungen Weimar in Berlin: Tischreden zu Goethe und Schiller »Wortspielerwitz«: Brentanos Satire >Der Philister
151 162
vor, in und nach der Geschichte
Ueber die Kennzeichen des Judenthums< Der Judenhaß und seine Folgen: Tischreden von Beuth, Beckedorff und Arnims Rechtfertigungsreferat zum Itzig-Skandal
216
237
Wirkungen und Nachwirkungen des Itzig-Skandals
260
Zeitgenössische Reaktionen auf die deutsche Tischgesellschaft
272
Die Bewertung der deutschen Tischgesellschaft in der Forschungsgeschichte
293
ι.
Reinhold Steigs Vorstellung der »christlich-deutschen Tischgesellschaft« Die Rezeption Steigs in der Forschung bis 1933 . . .
293 297
3.
Die deutsche Tischgesellschaft in der völkischen und nationalsozialistischen Literaturgeschichtsschreibung
309
4. 4. ι.
Neuansätze ab Ende der sechziger Jahre Die deutsche Tischgesellschaft in der Forschung zu
314
Vereinsgeschichte und Salonbewegung Neuere Untersuchungen zum Antisemitismus der deutschen Tischgesellschaft Zusammenfassung: Die Macht der einfachen Bilder
320
2.
4.2. 5.
VI
324 331
VI.
Die deutsche Tischgesellschaft: Eine Neubewertung
....
334
VII. Bio-bibliographisches Verzeichnis der Mitglieder
351
Bibliographie
375
Texte der deutschen Tischgesellschaft: Verzeichnis der zitierten Handschriften und Erstdrucke
375
Archive und Bibliotheken anderer ungedruckter Quellen
377
Gedruckte Quellen und Literatur
377
VII
I. Einleitung
Diese Monographie zur Geschichte der deutschen Tischgesellschaft sichtet das überlieferte Handschriftenmaterial, das erstmals vollständig berücksichtigt werden konnte.1 Sie unternimmt eine neue Gesamtdarstellung des historischen Ereignisses. Ausgangspunkt ist dabei die Stellung der Tischgesellschaft in der Vereinsgeschichte. In stetigem Rückgriff auf die zu einem großen Teil bisher unbekannten Quellen gibt Abschnitt II meiner Untersuchung ein Bild der Vereinsrealität. Die Mitgliederstruktur (Kap. II.2.) wird erläutert auf der Basis der insgesamt fünf überlieferten Namenslisten. Bisher in Zweifel gezogene Mitgliedschaften prominenter Zeitgenossen wie z.B. Friedrich Schleiermacher werden unzweideutig belegt. In den mit weiterführenden bibliographischen Hinweisen versehenen Kurzbiographien, die das Verzeichnis der Mitglieder (Kap. VII) enthält, wird jeder einzelne Tischgenosse charakterisiert. Fortsetzung und Bruch mit der Tradition der Aufklärungsgesellschaften des 18. Jahrhunderts und Kontrast zum Salon als romantischer Geselligkeitsform werden in den Kapiteln erörtert, die eine Einschätzung der Tischgesellschaft im Rahmen der Vereinsgeschichte unterneh1
Diese Monographie ist eine um den Editionsteil gekürzte, für die Drucklegung überarbeitete und ergänzte Fassung der von der Philosophischen Fakultät der Friedrich Schiller-Universität Jena als Habilitationsschrift anerkannten Forschungsarbeit. Die historisch-kritische Edition der Tischgesellschaftsdokumente liegt bisher im zweiten Band der Habilitationsschrift (Jena 2001, masch.) vor, die in der Universitätsbibliothek Jena vorhanden ist und eingesehen werden kann. Eine kommentierte Edition wird im Rahmen der Weimarer Ludwig-Achim-von-Arnim-Werkausgabe (Bd. 1 1 : >Texte der Tischgesellschaft) erscheinen. Alle Texte der deutschen Tischgesellschaft werden nach den Handschriften, bzw., falls keine Handschriften vorliegen, nach den Erstdrucken entsprechend der Textedition zitiert. Im laufenden Text der Untersuchung wird auf die entsprechende Nummer (Nr.) des in der Bibliographie aufgeführten Verzeichnisses verwiesen.
ι
men (Kap. II.3.)· Es zeigt sich, daß in den Texten zwar wiederholt auf Schleiermachers Geselligkeitsideal freier und zweckloser Konversation referiert wird, dafür in der Vereinsorganisation und in den Kommunikationsmöglichkeiten der Versammlungspraxis aber kein Raum bleiben konnte. Die neue Form von Öffentlichkeit, die sich als geschlossene Gesellschaft an einem öffentlich zugänglichen Ort präsentiert, wird unter dem Begriff der »privaten Öffentlichkeit« zu fassen gesucht (Kap. II.4.). Es soll deutlich gemacht werden, daß diese besondere Form des Versammlungsortes als bewußte Standortwahl mit politischen Implikationen zu verstehen ist. Die literarischen, politischen und kulturpolitischen Erzeugnisse der Tischgesellschaft werden von den Bedingungen ihres Ursprungs und ihrer Funktion her gedeutet. Alle überlieferten Texte kommen daher nicht primär unter dem Gesichtspunkt ihrer Literarizität in Betracht, sondern als rhetorische Produkte, die auf den situativen Kontext der Vereinigung und ihrer Wirkungsintention hin geschrieben und vorgetragen wurden, mit anderen Worten: alle überlieferten Texte werden unter dem Aspekt der Rede bei Tisch untersucht, deren allgemeine Bedingungen in einem Kapitel über die Formen der Geselligkeit in der Tischgesellschaft erörtert werden (Kap. 11.6.). Der umfangreichste Teil III meiner Arbeit widmet sich diesen Texten der Tischgesellschaft, die entsprechend der typologischen Ordnung nach dem jeweiligen Tischreden-Genre behandelt werden. Im Rahmen einer literarischen Typologie sind unter den Tischreden das politische Gedicht, Schwänke, Anekdoten und vor allem zwei große Satiren Brentanos und Arnims zu nennen, die mit zu ihren bedeutendsten Prosawerken zählen. Diese Texte werden einzeln dargestellt, auch als Gegenstände eines genauen Lesens, das sich allerdings nicht bloß auf den Einzeltext isolierende, hermeneutische Auslegungen beschränken darf. Heuristisch begründet ist aufgrund der großen Zahl an verschiedenartigen Tischreden eine Gliederung der Darstellung nach Texttypen; innerhalb des jeweiligen Texttyps folgen die Untersuchungen der sich aus der neuen Edition ergebenden Chronologie. Ohne die gemeinsame Funktion als Beitrag zur Kommunikation innerhalb der Versammlungsgeselligkeit aus dem Blick zu verlieren und ohne den historiographischen Aspekt der Darstellung zu verdrängen, wird eine systematische Textanalyse der Sprecherreden (Kap. III.2.1.), der politischen Gedichte (Kap. III.2.2.), der Schwänke und Anekdoten (Kap. III.2.3.), der Einlei2
tungsreden (Kap. III.2.4.), der Tischreden zu Goethe und Schiller (Kap. III.2.5.) und schließlich der satirischen Vorträge Brentanos und Arnims (Kap. III.2.6. und 2.7.), verschiedener Tischreden mit antisemitischer Tendenz (Kap. III.2.8.) sowie einer funktional eng mit den letzteren verbundenen Rechtfertigungsrede Arnims durchgeführt. Der verknüpfende Gesichtspunkt der kommunikativen Funktion im Rahmen der Geselligkeit und des Beitrags der Reden zur Klärung des Selbstverständnisses der Vereinigung macht die Einfügung von Exkursen notwendig, die den ideologischen Kontext des preußisch-deutschen Nationalismus und des parallel dazu sich entwickelnden Antijudaismus bzw. Antisemitismus als Vorgeschichte für das auf den Versammlungen der Tischgenossen Geäußerte verdeutlichen sollen. An ein Kapitel, das - von Arnims Rechtfertigungsrede ausgehend - den Wirkungen und Nachwirkungen des sog. Itzig-Skandals gewidmet ist (Kap. III.2.8.1.), schließt sich eine Darstellung der zeitgenössischen Reaktionen auf die Tischgesellschaft an (Kap. IV). Darunter verdient vor allem die Stimme des aufgeklärten Publizisten Saul Ascher Beachtung, der bereits nach den ersten Nachrichten über den erfolgreichen Verein vor den Gefahren der gesellschaftlichen Akzeptanz einer neuartigen, keineswegs mehr religiös, sondern politisch motivierten Judenfeindschaft gewarnt hat. Um den Blick auf den Gegenstand selbst nicht zu verstellen, wird die bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein überwiegend durch einseitige politische Parteilichkeiten bestimmte Forschungsgeschichte ans Ende der Untersuchung gestellt (Kap. V). Der Leser wird am Schluß hoffentlich gleich dem Verfasser davon überzeugt sein, daß die germanistische wie auch die allgemeinhistorische Forschung bisher mit wenigen Ausnahmen nur von einer deutsch-nationalistischen Erfindung mit dem Namen »Christlich-deutsche Tischgesellschaft« Kenntnis genommen hat, während Geschichte und Bedeutung der wirklichen deutschen Tischgesellschaft bisher weitgehend unbekannt geblieben sind und neu bewertet werden müssen (s. dazu Kap. VI). Die politische und die kulturpolitische Intention der deutschen Tischgesellschaft bedeuten einen Qualitätssprung in der Entwicklung der organisierten Geselligkeit im Sinne einer Vorstufe für das erst in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts sich ausbildende Parteiwesen. Vereinssoziologisch ist das Interesse an der Tischgesellschaft durch die Offenheit ihrer Mitgliederzusammensetzung für alle führenden Ber3
liner Schichten begründet. Nicht nur traf hier der Adelige den Bürger, sondern auch der Künstler den Offizier, der Staatsbeamte den H o f aristokraten. Literaturhistorisch wichtig sind die Texte der Tischgesellschaft allgemein als Ausprägungen der rhetorischen Diskursform der Tischrede, die sich in ihnen auf eine beispiellose Weise dokumentiert findet. Die Stellung der Tischgesellschaft im Kontext der deutschen Nationalbewegung kann nun neu bewertet werden, da der Blick weder von konservativen, nationalistischen, noch von der entgegengesetzten Parteilichkeit, die in der gesamten Nationalgeschichte bloß den Ursprung allen deutschen Übels sehen wollte, getrübt wird. In der Tischgesellschaft findet sich die besonders für die Anfänge der deutschen Nationalbewegung typische Mischung von konservativer und liberal-fortschrittlicher Ideologie. Evolutionäre Verfassungsgedanken, Forderungen nach demokratischer Diskussion der Reformpolitik, ein zwischen einzelstaatlicher und gesamtdeutscher Ausrichtung changierender Patriotismus verbinden sich mit Betonungen »altdeutscher« Gesinnung und mit einer antisemitischen Haltung, die den ideologischen Kern des parteipolitisch organisierten Antisemitismus antizipiert. Die Verknüpfung von Nationalismus und Antisemitismus ist ohne Zweifel das historisch am meisten auffällige und fatale Faktum in der Geschichte der deutschen Tischgesellschaft. Doch soll diese nun nicht wiederum auf eine neue falsche Eindeutigkeit reduziert, sondern in ihrer Widersprüchlichkeit dargestellt werden. Das Manko, damit dem alten Etikett von der »Junkerfronde« nur ein komplexes Bild und keine schlagende Ersatzformel entgegensetzen zu können, muß dabei in Kauf genommen werden. Die Rekonstruktion der Geselligkeit in der deutschen Tischgesellschaft erbringt schließlich einen wichtigen Beitrag zu einer Konkretisierung der bewußtseinssoziologischen These, daß es den romantischen Intellektuellen im Zusammenhang mit den antinapoleonischen Kriegen gelungen sei, aus ihrer gesellschaftlichen Isolation auszubrechen, indem ihre Idee einer kollektiven Identität der Deutschen als Nation unter dem Druck der Fremdherrschaft erstmals über ihre engeren Zirkel hinaus rezipiert wurde. 2 Das kulturpolitische Programm, das zumindest im Gründungsjahr in der Tischgesellschaft realisiert wurde, war dominiert 2
Vgl. Glessen (1993), S. 1 5 9 - 1 6 2 ; s. auch: Glessen (1991) u. Berding (1994).
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von den Vorstellungen Arnims und Brentanos von einer nationalen deutschen Volksliteratur. Mit ihren Tischreden erreichten sie ein Publikum, das sich mit seinen Vertretern aus allen führenden Schichten Berlins als Repräsentant des preußischen Widerstands, wenn nicht gar des Überlebenswillens der deutschen Nation empfand.
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Danksagungen Mein erster Dank gilt meinem verstorbenen Vater, der in der Anfangsphase dieses Forschungsprojekts bereits so viele wichtige Materialien herbeibrachte, daß sie mich gleich einem lieben Gruß bis an das Ende der Arbeit begleiteten. Für viele Jahre des Mitleidens und Mitfreuens danke ich meiner Frau, Valeria Bazzicalupo. Heinz Härtls Verdienst ist es, wenn meine Schrift wenigstens die wichtigsten Beiträge zur Romantikforschung berücksichtigt, und vor allem auch, wenn ihr Stil noch einigermaßen lesbar ausgefallen ist. Auskünfte und Hilfe stellte auch stets die von ihm geleitete Weimarer Arbeitsstelle bereit. Ohne ein großzügiges Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft wäre das Projekt nicht durchzuführen gewesen, und ihrem damaligen Präsidenten Wolfgang Frühwald sei hiermit gedankt für die herzliche Ermutigung bei der Antragsstellung. Ein Weimar-Stipendium der Stiftung Weimarer Klassik hat die Arbeit wesentlich gefördert. Lothar Ehrlich danke ich für viele freundschaftliche Gespräche. Mein Dank für begleitende kritische Hilfe und Aufmunterung im Laufe des Habilitationsverfahrens gilt Klaus Manger, gleichfalls für die Mühen einer kritisch-aufmerksamen Lektüre sei den beiden anderen Gutachtern der Universität Jena: Gerhard R. Kaiser und Wolfgang Hahn, sowie Gert Ueding von der Universität Tübingen gedankt. Im Laufe der Arbeit haben so viele Menschen freundliche Hilfe und nützlichen Rat geleistet, daß ich mich hiermit für die summarische Art meiner folgenden Danksagung in alphabetischer Reihenfolge entschuldigen muß: Otto Dann, Christian Deuling (für den Hinweis auf K. Fritsch), Ingo Erhart (mein besonderer Dank für wichtige genealogische Auskünfte), Erich Fuchs, Hans Geulen, Horst Häker, Jürgen Knaack, Renate Moering, Ulfert Ricklefs, Heinz Rölleke, Eberhart Siebert, Peter Stängle, Wolfgang Virmond, Hermann F. Weiss: Ihnen allen und allen, die ich vergessen haben sollte, sei herzlich gedankt! Ich widme diese Arbeit meinen beiden Söhnen Moritz und Francesco.
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II. D e r Verein
ι. Die Gründung und der Zeitraum des Bestehens Die deutsche Tischgesellschaft wurde am 18. Januar 1811 gegründet und bestand mindestens bis zum Jahr 1834. Während sich für die Jahre 1 8 1 1 bis 1816 zahlreiche Dokumente aus dem Vereinsleben selbst finden, gibt es für die folgenden Jahre nur zwei äußere Hinweise auf ein Weiterbestehen der Gesellschaft. In seinen >Blättern aus der preußischen Geschichte< verzeichnet Karl August von Varnhagen zum 2. August 1820 ein Mittagessen »im Tiergarten in der christlich-deutschen Gesellschaft«,1 und in einer Ende 1834 bei Reimer publizierten Schrift über >Ph. Buttmann und die Gesetzlosem heißt es unzweideutig über traditionsreiche Berliner Vereine: »Der 1748 von Schultheß, Ramler und Sulzer gestiftete Montagsclub, dem bald darauf auch G. E. Lessing angehörte, so wie die von Feßler gestiftete Humanitätsgesellschaft, bestehen und blühen noch immer, wenn auch ihre Pflege in ganz andre Hände seitdem übergegangen. Eben so die freilich später von L. Achim von Arnim und Clemens Brentano gegründete christlich-deutsche Gesellschaft.«2 Bestätigt wird das Bestehen der deutschen Tischgesellschaft in den dreissiger Jahren (und vielleicht sogar noch im darauffolgenden Jahrzehnt) durch eine Anmerkung Immanuel Hermann Fichtes zu den von seinem Vater für die Tischgesellschaft verfaßten Versen, die 1846 erstmals in Band 8 der >Sämmtlichen Werke< veröffentlicht wurden. Der
1
2
Varnhagen, Werke, Bd. j, S. 24. In demselben Eintrag verzeichnet Varnhagen die Äußerungen der einzelnen Versammelten, aus denen eine Fortführung der Diskussion über die nationale Einheit, über die Notwendigkeit einer preußischen Verfassung hervorgeht, sowie insgesamt das Fortbestehen einer offenen Erörterung der verschiedensten Meinungen bei Mischung von Scherz und Ernst (vgl. ebd. S. 24f.). [Klenze] (1834), S. 3.
7
Hinweis eines von Fichte nicht genannten Einsenders wird darin zitiert, daß der »Vortrag in Knittelversen« aus Anlaß der Übernahme des »Sprecher«-Amtes nicht nur »damals ungemein ansprach«, sondern »auch, wie ich bestimmt weiss, noch jetzt in Ehren gehalten wird«. 3 Varnhagens Bericht gibt immerhin noch einen Eindruck vom Ablauf der Versammlung, der Schrift über das Berliner Vereinsleben der dreissiger Jahre ist hingegen nurmehr die nackte Tatsache des Fortbestehens zu entnehmen. Der Abstand von wenig mehr als zwei Jahrzehnten vom Gründungszeitpunkt hat zudem schon die Erinnerung an die Stifter der Gesellschaft getrübt. 4 Treibende Kräfte bei der Gründung der deutschen Tischgesellschaft waren Achim von Arnim und Adam Müller. Zur Jahreswende 1 8 1 0 / 1 1 schreibt Arnim an Jacob und Wilhelm Grimm: Ich bin damit beschäftigt, eine deutsche Freßgesellschaft zum 18. Januar, welches der Krönungstag unsrer Monarchie ist, zu errichten, Ihr sollt Ehrenmitglieder werden, insofern sich Dein Appetit, Wilhelm, noch erhält; sie hat große Zwecke, Adam Müller ist Mitunternehmer, ich bin Gesetzgeber. Das weiseste der Gesetze bestimmt, daß lederne Philister ausgeschlossen; wer von Zehnen mit ihrer Namensunterschrift dafür erkannt ist, wird ausgeschlossen.5 Z u diesem Zeitpunkt hatte Arnim sein Gründungszirkular »Vorschlag zu einer deutschen Tischgesellschaft« (Nr. 2) mit dem Entwurf der Statuten des Vereins schon verfaßt. Es gab eine umfangreiche Liste mit Mitgliedervorschlägen (Nr. 1), zur Teilnahme aufgefordert wurde u.a. durch Briefe, wovon ein erhaltenes Schreiben Arnims an den Buchhändler Reimer und eine (negative) Antwort des Altertumsforschers Wolf zeugen. 6 3 4
5 6
Fichte, Sämmtliche Werke, Bd. 8, S. 468. Der anonyme Einsender der Tischrede Fichtes nennt immerhin Arnim als Gründer der deutschen Tischgesellschaft, deren ausführlicherer Name sich allerdings auch schon verloren hat: »A. v. Arnim hatte in Berlin eine christlich deutsche Gesellschaft errichtet, deren Vorsitz Fichte an jenem Tage übernahm.« (Fichte, Sämmtliche Werke, Bd. 8, S. 468, Anm.). Steig (1904), S. 95. Bei dem Schreiben Achim von Arnims an Georg Andreas Reimer (o. O. u. o. D.) [Berlin, Jahreswechsel 1 8 1 0 / 1 1 ] handelt es sich um kurzes Billet ohne Anrede: »Viel Glück zum neuen Jahre! [...] Schreiben Sie mir doch bitte, ob Sie Lust haben zu einer Eßgesellschaft, die [gestr.: in] der Art wie die beiden vom Sonnabend sich ernähren und versammeln [gestr.: soll] (alle vierzehn Tage Mittwochs), und den Namen der deutschen Gesellschaft füh8
Im Gründungszirkular wurden der Ort, die Regelmäßigkeit der Versammlungen, der Preis für das Mittagessen, erste Organisationsstrukturen und die Ausschlußbestimmungen über die Mitgliedschaft auf der ersten Versammlung zur Diskussion gestellt, im Anhang verzeichnete man die 46 Namen der Gründungsmitglieder. Im »Bericht« (Nr. 3) vom ersten Treffen wurde die definitive Fassung der Statuten protokolliert: » A m Krönungstage des 181 iten Jahres nach Christi Geburt (am 18. Januar) ist die deutsche Tischgesellschaft durch freye Uebereinkunft der versammelten Männer gestiftet und durch mündliche Verhandlung folgende Gesetze verabredet worden.« »Gesetze« gab es über »I A r t der Zusammenkunft und Form der Verhandlung«, »II Zahl der Mitglieder und Gäste im Allgemeinen und insbesondre an jenem Tage«, »III Vorläufige Bestimmungen über künftig aufzunehmende Mitglieder« und »IV Vom Austrit aus der Gesellschaft«. Die Statuten geben eine recht genaue Auskunft über die Organisationsstruktur des Vereins: Es wurde offensichtlich Wert darauf gelegt, daß die Bestimmungen in freier Meinungsbildung und nach demokratischer Diskussion getroffen worden sind. Eine Aufgabenverteilung für die Organisation des Versammlungsablaufs gab es zunächst nur bezüglich der Rolle ihres Leiters, des »Sprechers«, der auch das Protokoll zu führen hatte. Es waren Reden, aber auch schon ausdrücklich »Mitheiren soll; wenn Ihnen auch nicht alle Mitglieder befreundet sind, so werden doch manche ihnen angenehm seyn, wenn Sie Eichhorn dazu auffordern wollten, so würde es verbinden Ihren Achim Arnim [Darunter ergänzt in kleinerer Schrift:] Aus Ihrer Sonnabendsgesellschaft bin ich ausballotirt.« (Hs. F D H 13884; s. Sembner, 1977, S. 370 mit falscher Datierung u. Lesefehlern); Friedrich August Wolf an Arnim, Berlin am 27. Februar 1811: »Ew. Hochwohlgeboren muß ich angelegentlich für die gute Meinung danken, die Sie und andere Herren von mir als Tischgesellschafter haben faßen wollen. Einer unter diesen weiß indeßen, daß ich seit einer gewißen Zeit auch die ähnliche ältere Tischgenoßenschaft sehr selten besuche, und nach schon öffentlich angezeigter Einrichtung habe ich in kurzem die Nachmittage mit bestimmten Beschäftigungen zu besetzt, um zu anderen als spätem freundschaftlichen Gesellschaften Zeit und Neigung zu behalten. Doch werde ich, so oft es mir möglich, die von Ihnen mir so unerwartet gewordene Beehrung benutzen, wenn anders so seltene Gegenwart mit den Gesetzen dieser Gesellschaft besteht; worüber ich allenfalls Ihr Schweigen als Bestätigung ansehen möchte.« (Reiter, 1935, S. H9f.) Daß Wolf dann in der Folgezeit die Versammlungen auf jene von ihm angedeutete sporadische Art besucht hat, belegt sein Name auf einer der beiden Listen zur Subskription von Brentanos Philisterabhandlung (Nr. 11). 9
lungen an Kunstsachen, Büchern und Gesängen« vorgesehen. Das gemeinsame Mahl stand deutlich im Zentrum der Treffen, so hatten etwa »Verhandlungen über die Gesetze [...] nach der Suppe« zu geschehen. Mit dem »Wirthe des Casino« wurde das Gasthaus, ein öffentlicher Ort für die Versammlungen gewählt. Die Zulassungsbestimmungen waren einerseits sehr vage und andererseits entschieden restriktiv: »wer von zehn Mitgliedern als der Gesellschaft wohlanständig und angemessen eingeführt wird, ist dadurch ordentliches Mitglied. Die Gesellschaft versteht unter dieser Wohlanständigkeit, daß es ein Mann von Ehre und guten Sitten und in christlicher Religion geboren sey, unter dieser Angemessenheit, daß es kein Philister, als welche auf ewige Zeiten daraus verbannt sind«. Während das Bürgenprinzip den üblichen exklusiven Vereinsbestimmungen für den Zugang zur Mitgliedschaft entspricht, handelt sich bei dem Ausschluß der »Philister« und dem expliziten Anspruch auf eine christliche Herkunft um eine Besonderheit. In Arnims Zirkular hatte es ursprünglich nur geheißen: »christlicher Religion sey«, was durch Mehrheitsbeschluß als Ausschluß aller erst zum Christentum Konvertierten präzisiert wurde, d.h. es wurden nicht nur keine Juden akzeptiert, sondern auch alle getauften Juden von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Arnims weist darauf hin, daß seine Ansicht über die Zulassung von Konvertierten bei der Gründungssitzung »überstimmt und zurückgewiesen wurde, als noch die höchste Gewalt in meinen Händen war« (Nr. 37). In seinem »Vorschlag« hatte Arnim darüber hinaus noch ausdrücklich vermerkt: »Frauen können nicht zugelassen werden«; dieser Passus erscheint im »Bericht« nicht mehr, sondern wurde wohl als selbstverständlich weggelassen. Das »Sprecher«-Amt, dem bei den Versammlungen eine entscheidende Ordnungsfunktion zukam, war die Rolle von höchstem Prestige in der Vereinshierarchie,7 doch in der Anfangszeit lag die wahre Autorität bei der Person des Stifters. Noch im April 1 8 1 1 schreibt Brentano über eine heikle Situation bei einer der Versammlungen, als »in der Gesellschaft der verwirrte Skandal war«, daß Arnim »als Stifter der Gesellschaft« nur das Wort ergreifen und seine Ansicht hätte aussprechen müssen, »es wäre jedermann klar mit sich und den anderen geworden«.8 7 8
S. dazu Kap. II.j. Schultz (1998), Bd. 2, S. 601.
10
Bereits beim ersten Treffen zeichnete sich ein unerwartet großer Erfolg der Tischgesellschaft ab, denn die ursprüngliche Höchstzahl von fünfzig Mitgliedern mußte in Sechzig abgeändert werden. Dies ist erstaunlich angesichts der großen Zahl von in Berlin schon existierenden geselligen Vereinigungen9 und auch hinsichtlich der hohen Kosten, die eine Teilnahme an der Tischgesellschaft mit sich brachte: ein Reichstaler allein für das Essen, dazu noch ein Groschen für den Boten, acht Groschen Strafgeld für Verspätung usw. Ludolph Beckedorff erinnert in seiner Abschiedsrede vom Juni 1 8 1 1 (Nr. 20) an den Gründungstag des Vereins: »Gestiftet von Herrn L. A. v. Arnim versammelte sich diese Deutsche christliche Tischgesellschaft am Krönungstage dieses Jahres, dem 18. Januar, also gerade heute vor fünf Monaten, zum erstenmale in dem Locale des Wirths vom Casino. Wenige Gesetze, aber die nach mehreren lüstern machten, und ein schönes Stiftungslied waren die erste Mitgift derselben.« Es sind somit vor allem vier Punkte, die für Beckedorff die Gründungskonstellation bestimmen: das Datum, das den Bezug der deutschen Tischgesellschaft zum preußischen Königshaus herstellt; der Ort, das Casino-Local, ein einem Wirthaus angegliederter größerer Speiseraum oder ein unabhängig davon für Vereinsversammlungen zu mietender Saal mit Bewirtung; 10 die Statuten, die das anfängliche Organisationsgerüst des Vereins stellen; schließlich (im gleichen Atemzug erwähnt und damit in seiner grundlegenden Bedeutung für die Gründungsversammlung herausgestellt): »ein schönes Stiftungslied«. Clemens Brentano betont in seiner ersten Tischrede (Nr. 6), daß sich die einheitsstiftenden Elemente der Gesellschaft vor allem »in der Wahl 9
Arnim spricht in seinem Werbebrief an Reimer von allein zwei am Samstag sich versammelnden Gesellschaften (s. Anm. 6). Savigny berichtet am 2. April 1 8 1 1 aus Berlin an Johann Heinrich Christian Bang (Hs. Universitätsbibliothek Marburg; Hinw. v. Heinz Härtl) von der ausgeprägten Geselligkeit in der preußischen Hauptstadt: »Ausserdem lebt man ziemlich viel in Gesellschaften, die dann meist bis 12 oder ein Uhr in die Nacht dauern. Dazu kommen sehr viele fixe Speisegesellschaften blos von Männern, die alle 8 - 1 4 Tage, zum Theil in sehr zahlreicher Versammlung gehalten werden.« Vgl. dazu [Klenze] (1834) über die hohe Zahl an Vereinen im Berlin der dreissiger Jahre des 19. Jahrhunderts; zur Situation in der Aufklärungszeit vgl. den Bericht Friedrich Gedikes aus dem Jahr 1784 über »die Menge von geschlossenen Gesellschaften in Berlin« (Gedike, 1987, S. 4 6 - 5 0 ; Zitat S. 46). S. dazu Kap. II.4.1.
II
ihres ersten Versammlungstages, des Jahrestages der preußischen Krone, wie auch in der durch den verehrten Stifter in seinem Stiftungsliede trefflich ausgesprochenen Gesinnung« ausdrückten. Dieses >Stiftungslied der deutschen Tisch-Gesellschaft am Krönungstage dem i8ten Januar 1 8 1 1 vom Stifter L. A. v. Arnim< (Nr. 3) ist neben der »Philisterabhandlung« Brentanos der einzige Text der Tischgesellschaft, dessen Druck von ihr selbst verantwortet wurde. Am ersten Versammlungstag vorgelegt, darf er als eine Art anfänglicher Grundkonsens dieser Vereinigung betrachtet werden. Er fungiert als inhaltliche Ergänzung zu den in den Statuten festgelegten Regeln des Zusammenschlusses; als Ausdruck der einheitlichen Uberzeugungen der Mitglieder können von diesem >Stiftungslied< kaum extreme Positionen erwartet werden; für das, was man wohl als den kleinsten gemeinsamen ideologischen· Nenner der Tischgesellschaft ansehen kann, sind seine Aussagen freilich aufschlußreich. 11 Schon die Entscheidung für den Krönungstag der preußischen Monarchie sollte in den Zeiten höchster Bedrohung für die Fortexistenz des preußischen Staates an dessen glorreiche Anfänge erinnern. Auch im >Stiftungslied< kreisen alle fünf Strophen um den - wie Staegemann es in einem seiner >Krieges-Gesänge< kondensiert ausdrückte - einen »Wahlspruch« der Gesellschaft: »die preußische Krone«. 12 In Rückbindung an die Geschichte der Kolonialisierung des preußisch-deutschen Ostens wird den Attributen »christlich deutsch« eine doppelte Bedeutung zugewiesen: Einerseits weisen sie somit auf die als glorreiche Heidenbesiegung angesehene Gründung Preußens und die Stiftung seiner »Krone« zurück, die zugleich an die historische Landnahme durch den deutschen Ritterorden und mit diesem an die Ursprünge jenes preußischen »Adel[s]«erinnert, der in zwar in »Ergebenheit«, aber auch »in Freiheit« dient. Dieses unter Umständen als antihohenzollerisch zu lesende Gedenken wird durch das im Refrain wiederholte Hoch auf den »Glauben« abgemildert zugunsten der zum anderen angedeuteten Loskoppelung des christlichen Identifikationsgehalts von seiner eventuell nur protestantisch-lutheranischen Interpretation. Die Freiheitsrhetorik im Sinne einer Beschwörung der Reformation als einer Loslösung des deutschen Glaubens von römischer Vorherrschaft könnte zwar zur Unterstützung der patriotischen 11 11
Zum >Stiftungslied< als politisches Gedicht vgl. Kap. III.2.2. Staegemann (1816), S. 76. 12
Begeisterung nützlich sein; dem Stifter der Gesellschaft und Verfasser ihres Vereinsliedes, Arnim, konnte allerdings eine gegen den katholischen Glauben gerichtete Erinnerung an den Freiheitsgehalt des Luthertums nicht opportun erscheinen angesichts der Notwendigkeit, alle deutschen Staaten zum Kampf gegen Napoleon zu vereinen. Daher kommt nicht Luther als Stifterfigur für den preußischen Glauben vor, sondern als seine Repräsentanten werden jene mit dem Schwert bekehrenden Ritter ferner Gründungszeiten zitiert, die »Freiheit christlich deutscher Treue« lehren könnten, ohne daß vom deutschen Glaubenschisma gesprochen werden müßte. Gleichfalls verbunden mit einem als universell ausgegebenen christlichen Glauben wird in der zweiten Strophe des >Stiftungslieds< die Verweisung auf das Abschlußelement des preußischen Kronstiftungsmythos, der den Freiheitsakt der Selbstkrönung Friedrichs I. hervorhebt. So sind es die »beide[n] Kronen«, die des (deutschen) christlichen Glaubens und die des im preußischen Mut und Selbstbewußtsein gegründeten »alten Herrscherhause[s]«, welche die Bezugswerte für den Patriotismus der Tischgenossen bilden sollen. Unterfüttert wird dieser Basiswertekatalog durch die Heranziehung einer aktuellen Gestalt der preußischen Mythologie, der erst im Jahr zuvor verstorbenen Königin Luise. Nach dem Lebehoch auf den König ist es nun vor allem sie, durch deren »Geisterhand« die Treue zur preußischen Monarchie gestärkt werden soll. So wie Friedrich I. zum Zeichen der großen historischen Zukunft Preußens von Gott die »heil'ge Salbung« erhalten hatte, 13 so war auch sie »von Gott gesandt,/ Daß sich Glaub' und Liebe finde,/ Und in Hoffnung sich verkünde«. Ein ganz auf Preußen gerichteter und durchweg als christliche Haltung legitimierter Patriotismus wurde also der Tischgesellschaft als einheitsinnstiftende »Mitgift« am Tag ihrer Vereinigung mit auf den Weg gegeben: »Alle Preußen leben hoch!« lautet entsprechend der letzte gemeinsame Chorgesang des >Stiftungsliedesdeutsch< und >christlich< in dieser ersten Referenz auf einen den Tischgenossen gemeinsamen Wertekatalog vermieden wird, auf die deutsche Glaubensspaltung hinzudeuten, womit eine Ausweitung des preußischen auf einen national-deutschen Patrio-
13
In diesem Zusammenhang fehlt jegliche Andeutung auf das »eigenartige Schauspiel, daß ein reformierter König von einem ad hoc ernannten reformierten Hofbischof gesalbt wurde« (Schoeps, 1966/1995, S. 42).
13
tismus zwar noch nicht angedeutet, aber immerhin schon für einen Einschluß des katholischen Deutschland offengehalten wird.
2. Die Mitglieder Preußischer Patriotismus bei Betonung der Einheit von Christentum und Deutschheit, scherzhafte Elemente wie der Ausschluß von »Philistern« sowie Identität durch Abgrenzung von Fremden, sind die Identifikationsgehalte, die den Mitgliedern der Tischgesellschaft bei ihrer Gründungsversammlung angeboten werden. Über den anfänglichen Erfolg berichtet wiederum Beckedorff (Nr. 20): Von den unterschriebenen $ 5 Mitgliedern waren 3 5 gegenwärtig. Die achtbaren Namen dieser Mitglieder indessen, die heitere Gesinnung der Gesellschaft, die lebhaften und ergötzlichen Debatten in derselben und vor allen Dingen der halb scherz- halb ernsthafte Krieg, den sie den Philistern und Juden ankündigte, machten ihre folgenden Zusammenkünfte bald zahlreicher und verschaften ihr im Verlaufe weniger Wochen eine Menge neuer, sehr ehrenwerter Mitglieder.
Die Liste aller in den überlieferten Dokumenten genannten Mitglieder (s. Kap. VII) läßt die Bedeutung der deutschen Tischgesellschaft in den ersten Jahren nach ihrer Gründung (bis 1813) im gesellschaftlichen Leben Berlins erkennen. Eine systematische Erfassung von Herkunft und sozialem Rang, öffentlicher Rolle und beruflicher Zuordnung der einzelnen Tischgenossen gibt Auskunft über die Stellung der Tischgesellschaft im Berliner Gesellschaftsleben und vor allem auch über einen möglichen politischen Einfluß, den sie über die soziale Verankerung ihrer Mitglieder haben konnte. In den fünf von 1 8 1 1 bis 1813 erhaltenen Listen (Nr. 2; 1 1 ; 17; 35) finden sich 86 Namen. 14 14
Eigentlich handelt es sich um insgesamt sechs Listen, von denen allerdings die früheste (Nr. 1) nur Vorschläge für mögliche Mitglieder enthält. Einige der hier Genannten wurden niemals, andere (wie Schleiermacher und Iffland) erst später Mitglied der Tischgesellschaft. Die bisher in der Forschung vorliegenden Informationen über Zahl und Art der Mitglieder sind ungenau und falsch. So die pauschalen Angaben bei Steig (1901), S. 2 3 27; vgl. auch den auf falschen Mitgliederzahlen beruhenden Versuch einer Einteilung der Tischgesellschafts-Mitglieder in Adelige und Bürgerliche bei Schulze (1956), S. 110, Anm.
H
Diese Zahl gibt eine Vorstellung von der Gesamtmenge der Mitglieder der ersten Jahre, widerspiegelt allerdings nicht die Zahl der Teilnehmer bei der einzelnen Versammlungen. Das Gründungszirkular nennt 46 Mitglieder, doch vermehrte sich der Kreis in den Anfangsmonaten sehr rasch, denn das ursprüngliche Vereinslokal wurde bald zu klein. Einen Hinweis für die Teilnehmerzahl zum Zeitpunkt des größten Erfolgs der Gesellschaft gibt die nur für Mitglieder offene Subskription der Philisterabhandlung, die 72 Namen verzeichnet. Die Tischgenossen durften auch Gäste einladen: Fouqué erzählt in seinen Erinnerungen, wie ihn Fichte in den Verein einführte, 15 und wahrscheinlich war auf der Festversammlung vom 24. Januar 1815 E. T. A. Hoffmann in der Tischgesellschaft zu Gast. 16 In den sog. »Tagebüchern« Schleiermachers, die über weite Strecken eher als exakte private Kontobücher zu bezeichnen wären,' 7 finden sich für das Jahr 1 8 1 1 Einträge auf der Soll-Seite, die einen Anhaltspunkt für die Besuchsfrequenz jener nur auf der Philistersubskribenten-Liste Verzeichneten geben.' 8 Schleiermacher notiert für den 4. März genau einen Reichstaler und 12 Groschen als »Vorschlagsgeld in der deutschen Gesellschaft«, mit einem Reichstaler bezahlte man das Essen, 12 Groschen erhielt der Diener für die Anmeldung der Teilnahme, d.h. Schleiermacher wurde am 4. März Mitglied der Tischgesellschaft. Weitere Ausgaben-Notizen zum Eintrag »deutsche Gesellschaft« finden sich am 4. April, am 4. September und am 7. Dezember (an diesem Datum sind über zwei Taler mit einem ergänzenden Hinweis auf das »Interims Glas« vermerkt). Ein in der Tischgesellschaft nicht zentral engagiertes Mitglied wie Schleiermacher besuchte die Versammlungen also nicht alle vierzehn Tage, aber doch regelmäßig etwa alle ein bis zwei Monate. Die Tatsache, daß Schleiermacher immerhin einen Taler für das bei den Versammlungen benutzte Trinkglas auszugeben bereit war, spricht eindeutig für seinen Willen, auch in Zukunft regelmäßig bei den Treffen zu Gast zu sein. 15 16 17
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S. Fouqué (1840), S. 296. S. Hoffmann (1971), S. 261; Hinweis bei Kaiser (1989), S. 33. Vgl. Virmond (1995), S. 74: » 1 8 1 1 finden sich nur Einnahmen und Ausgaben sowie das sehr dürre Tagebuch der Reise nach Schlesien vom 14. September bis zum 6. Oktober«. Zitiert nach der im Schleiermacher-Nachlaß (440) im Archiv der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften aufbewahrten Handschrift.
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Schon im Frühjahr 1 8 1 1 finden sich auf dem Vorschlag Arnims für eine Verlegung der Tagungen in den Tiergarten nur 38 Unterschriften, in der letzten bekannten Liste von 1813 spricht Arnim von 52 Anwesenden (wobei nicht klar ist, ob er damit die tatsächlich zur Versammlung gekommenen oder nur die zu diesem Augenblick in Berlin anwesenden Mitglieder meint). Man kann insgesamt davon ausgehen, daß die Versammlungen der ersten Jahre vor den Befreiungskriegen durchschnittlich von etwa 35 bis 50 Tischgenossen besucht wurden. In einer Tischrede vom März 1811 (Nr. 10) machte Brentano auf die Gefahr aufmerksam, daß bei der zunehmenden Ausbreitung der Gesellschaft und ihrer Fraktionierung in verschiedene Sozial- und Interessengruppen eine Reduktion der Gruppenvielfalt durch einseitige Kooptation der dominanten Kreise zu befürchten sei: Es sind der Mitglieder bereits so viele, daß jedes Glied leicht von seiner Art einen ganzen Zirkel, ein eignes System finden könnte, das nach dem ewigen blinden Organisationstrieb in allem Lebendigen hingetrieben würde, einen eignen Staat im Staate zu bilden, gesezt wir haben zehn Beine in der Gesellschafft, so werden sie in aller Unschuld, ja aus innerlicher Vortrefflichkeit die Neigung haben, ihr 5 rh zum Einführen eines von ihnen verehrten Läufers, oder Tänzers zu bewerkstelligen, und so das ganze krankhaft überwiegen, eben so läuft das Ganze Gefahr eine zu Große Naße, ein zu großes Maul, eine krankhafte Herzgröße, oder einen zu schweren Kopf zu kriegen, wenn es zehn Freünden möglich ist, den elften hinein zu bringen.
Als Abwehrmittel gegen eine derartige Vereinseitigung der Mitgliedervielfalt schlug Brentano ironisch eine Aufgliederung in verschiedene »Stände« vor, die der Zuwahl eines neues Tischgenossen jeweils gemeinsam zustimmen müßten. Diese »Ständeordnung« Brentanos gibt aber über den Scherz hinaus eine erste Vorstellung der in der Tischgesellschaft tatsächlich vorhandenen Mitgliederzusammensetzung: der Mehrstand das heist, alle welche in der Gesellschaft ein A m t haben und die Gesellschaft gestiftet, sie ordnen und mehren in allem. der Ehrstand - das heist, der Adel, als Adel, ohne äußerliches Amt. der Lehrstand - das heist die Gelehrten und Künstler und Dichter. der Wehrstand - das heist die Militairischen Mitglieder. der Nehrstand - das heist, die Mitglieder die ein bürgerliches Amt Justiz oder Gewerb treiben.
Von den 86 bekannten Mitgliedern gehörten jeweils genau eine Hälfte dem Adelsstand und die andere dem Bürgertum an. Aufgegliedert nach 16
Berufen überwiegen deutlich die Beamten (37) und die Militärs (19), während die eigentlichen »Junker«, die Gutsherren, nur spärlich vertreten waren (3 mit A. v. Arnim). Mit Prinz Radzivill und Graf Ingenheim finden sich Mitglieder aus dem höchsten Hofadel, bei den Beamten hohe Staatsbeamte wie Staegemann. Stark vertreten waren auch die Gelehrten, allein 12 Mitglieder lehrten an der Berliner Universität, 7 sind Arzte (davon 3 frei praktizierend) 19 ; nur 4 Tischgenossen kann man dem handwerklich-kaufmännischen Bürgertum zurechnen, dabei waren z.B. der Bankier Schwink, der in Königsberg lebte, oder auch Zelter, der nur auf der Gründungsliste genannt wird, kaum regelmäßige Teilnehmer der Versammlungen. Unter den Beamten stellten die Professoren der 1810 gegründeten Berliner Universität die stärkste Gruppe dar. Die verschiedenen Lehrgebiete waren fast vollständig vertreten: mit Savigny, Karl Friedrich Eichhorn (sein Bruder Johann Albrecht war hingegen Syndicus der Universität) und ihrem Schüler Göschen sind die zukünftigen Begründer der »Historischen Rechtsschule« in der Tischgesellschaft; Fichte lehrte Philosophie, Solger Ästhetik, gleichfalls an der Philosophischen Fakultät; der medizinische Fachbereich war durch Wolfart repräsentiert, der in dem medizinischen Lehrer an der Militärakademie Grapengiesser einen Dozenten-Kollegen fand. Friedrich August Wolf war der wohl berühmteste Altphilologe seiner Zeit, Schleiermacher der bedeutendste Theologe Berlins, Naturwissenschaftler waren der Mineraloge Weiß, der Zoologe Lichtenstein und der Physiker Erman. Diese breite Präsenz der Universitätsprofessoren bedeutet viel mehr als nur einen hohen Gelehrtenanteil in der deutschen Tischgesellschaft. Mit dieser Bildungselite war ein Kernstück der preußischen Reformen in dieser Vereinigung präsent: die Bildungsreform. Die Gründung der neuen Berliner Hochschule, die nach dem Wegfall der Landesuniversität Halle (1807) notwendig geworden war, stellte den Höhepunkt bei der Umsetzung des von Wilhelm von Humboldt initiierten reformerischen Bildungskonzeptes dar. Die Universitätsbildung ist als ein Teil der gesamten patriotischen Bemühungen zu begreifen, dem Preußenstaat durch umfassende Modernisierung das Überleben zu sichern.20 Der Tischgenosse Fried"» V g l . Eichhorn (1970). V g l . N i p p e r d e y ( 1 9 9 3 ) , S. 64: » E s bleibt erstaunlich genug, daß der niedergeschlagene, halbierte, finanziell ausblutende Staat, für den es doch ums schiere Uberleben ging, nicht nur Finanzen, Militär und Staat, Agrarverfas-
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rich August Wolf war eine der Zentralfiguren jenes den Geist der Schulund Hochschulreform bestimmenden Bildungsgedankens, der sich an dem Ideal der vollendeten Humanität, das man in der griechischen Klassik verwirklicht sah, orientierte. Die Berliner Universität war der modernste Ausdruck des neuhumanistischen Konzepts allgemeiner und formaler Bildung, das konsequenterweise die Philosophische Fakultät, der zwei Drittel der in der Tischgesellschaft vertretenen Dozenten angehörten, ins Zentrum der Lehre rückte. In der Person Fichtes hatte nicht nur der bedeutendste Philosoph und die seit seinen >Reden an die deutsche Nation< in der Berliner Gesellschaft einflußreiche Identifikationsfigur des patriotischen Widerstands gegen Frankreich, sondern ab August 1 8 1 1 auch der Rektor eben dieser Friedrich-Wilhelm-Universität seinen Platz an der Tafelrunde. Der Umgang der Universitätsprofessoren in der Tischgesellschaft mit Vertretern des Hochadels, des Militärs und des leitenden Ministerialbeamtentums läßt sich als Indiz dafür interpretieren, daß die von der Bildungsidee intentionierte, neue meritokratische Bildungselite, die sich den anderen hohen Staatsbeamten aus dem Heeres- und Verwaltungsbereich an die Seite stellen sollte, sich bereits formiert hatte. War durch diese Hochschullehrer die Bildungsreform eindrucksvoll in der deutschen Tischgesellschaft vertreten, so galt das gleiche auch für den Bereich der Finanzreformen, die angesichts der dramatischen Kriegsschulden ja das Herzstück der Hardenbergschen Modernisierungsbestrebungen darstellten. Allein vier der hohen Staatsbeamten in der Tischgesellschaft waren direkt im Bereich der Finanzverwaltung bzw. deren Reformierung beschäftigt: An erster Stelle ist der Geheime Finanzrat Staegemann zu nennen, ein unmittelbarer Vertrauter Hardenbergs, dann der zunächst noch als Kriegsrat, später als Oberfinanzrat tätige von Zschock, der Staegemanns Untergebener war; sich durch eine Tischrede als aktives Mitglied auszeichnender Tischgenosse (Nr. 22) war der Geheime Obersteuerrat Beuth, der sich im Finanzministerium mit
sung und Städtewesen neu zu organisieren anfing, sondern gleichrangig eine neue Universität gründete. >Der Staat muß durch geistige Kraft ersetzen, was er an physischer verloren hateines der vorzüglichsten Mittel, durch welches Preußen die Aufmerksamkeit und Achtung Deutschlands für sich gewinnen«, die Führung in >wahrer Aufklärung« und >Geistesbildung< beanspruchen könne.« 18
der Steuerreform befaßte; August Friedrich Wilhelm von Bülow hingegen war im Finanzkollegium und direkt im Büro des Staatskanzlers, dem >inneren Motor< aller Reformen also, tätig. Unter den aus der Justizverwaltung bzw. dem Bereich der Rechtsprechung stammenden Beamten fanden sich allein vier Tischgenossen, die an dem wichtigsten preußischen Gerichtshof, dem Kammergericht, tätig waren. Hier war sicherlich der persönliche Kontakt der Brüder Arnim mit Josef Wilhelm Balan entscheidend, der sie bei ihren Erbschafts-Auseinandersetzungen mit dem Grafen Schlitz vertreten hatte.21 Carl Otto Friedrich von Voß arbeitete 1 8 1 1 noch als junger subalterner Referendar am Kammergericht, gehörte aber einem der bedeutendsten adeligen Häuser im preußischen Beamtendienst an.22 Die beiden einzigen nicht zum Kammergericht zählenden Juristen, Ernst Friedrich Eckardt und Friedrich Wollank, sind jeweils durch andere Zusammenhänge zur Tischgesellschaft gekommen: der Justizrath Eckardt war in seiner Nebenfunktion als Mitglied des Bergamtes ein Untergebener des Tischgenossens und Onkels von Clemens Brentano, Georg Carl von Laroche, der als Oberbergrat zweiter Direktor dieser Institution war. Der Justizkommissar Wollank hingegen war in Berlin als Komponist und Mitbegründer der »Liedertafel« bekannt. Mit den noch zu nennenden Beamten unter den Mitglieder der Tischgesellschaft wird der Kreis der preußischen Verwaltungsinstitutionen fast vollständig geschlossen: Leopold von Quast hatte den Rang eines Geheimen OberfinanzKriegs- und Domänenrats und gehörte ab 1 8 1 1 zum Staatsrat; Friedrich Wilhelm von Bärensprung hatte seine Beamtenkarriere in der Kriegsund Domänenkammer begonnen, wurde dann aber in der Berliner Lokaladministration tätig (1809 Bürgermeister, ab 1814 als Oberbürgermeister). Unter den in der Tischgesellschaft vertretenen Offizieren war Graf von Chasot der prominenteste; 1809 war er Kommandant von Berlin gewesen, hatte mit seinem Freund Reimer die »Schießende Gesellschaft« 23 gegründet. Seine Rolle im geselligen Leben der Hauptstadt und seine Fama als antifranzösischer Patriot waren offensichtlich so be21 22
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Vgl. Härtl (1982), S. 401. Carl Otto Friedrich von Voß machte in späteren Jahren Karriere als preußischer Staatsmann; das Ehepaar Arnim wohnte 1811 im Garten des Voßschen Palais (s. Kap. VII). S. dazu: Roller (1924), S. 9; Fouquet-Plümacher (1987), S. 7.
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deutend, daß Uneingeweihte ihn sogar für den Gründer der Tischgesellschaft hielten.14 Außer diesem beträchtlichen gesellschaftlichen Einfluß in Berlin sind aber Chasots freundschaftliche Kontakte zum Freiherrn vom Stein und vor allem zu Gneisenau 2 ' wichtig. Auch der zweite ältere Offizier in der Tischgesellschaft, Oberst von Hacke - zeitweise Geheimer Staatsrat und Interimschef im Kriegsdepartement - war ein Anhänger von Scharnhorst (und setzte nach dessen Tod 1813 die Reorganisation des preußischen Heeres fort, ab 1819 auch in der Nachfolge Boyens als Kriegsminister). Insgesamt zeigt sich in der Tischgesellschaft bei den Militärs ganz besonders die Präsenz von Mitgliedern, die positiv zu den preußischen Modernisierungsprozessen eingestellt waren. Vertreter der alten Offiziers garde, wie von Wartenburg oder von der Marwitz, die sich vehement gegen die Erneuerung des preußischen Kriegswesens wehrten, 26 sind auf den Teilnehmerlisten der Tischgesellschaft gerade nicht zu finden. Die überwiegende Zahl der in der Tischgesellschaft versammelten Offiziere war direkt an den Heeresreformbestrebungen beteiligt oder gehörte einer Generation an, die schon von den ersten Ergebnissen dieser Umwandlungen geprägt worden war. Bedeutendster Vertreter der Heeresreformer in der Tischgesellschaft war Carl von Clausewitz, der als wichtigster Schüler Scharnhorsts seit 1809 unter diesem im Kriegsministerium an dem Projekt der Gründung der Landwehr arbeitete. Clausewitz hatte durch seine Heirat mit der Gräfin von Brühl auch direkten Zugang zum Hof und war durch diese Verwandtschaft mit Arnim bekannt geworden. Durch Clausewitz gelangte ein Freun24
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So St. Marsan an Maret, Berlin, 1 8 . 8 . 1 8 1 1 : »Cet officier, ancien commandant de Berlin au temps de la désertation de Schill, passe pour le chef d'une réunion qui est une émanation des frères de la vertu sous le nom de société chrétienne« (Stem 1885, S. 333). Aus den Memoiren Fouqués geht hervor, daß zur Jahrhundertfeier von Friedrichs Geburtstag, also am 24. Januar 1813 (falsche Dat. bei Schulz, 1923, S. 245; fraglich ist damit auch die Dat. von Brief 632: Fouqué an Fichte, in: Schulz, 1925, Bd. 2, S. 576) auch Gneisenau selbst Gast in der Tischgesellschaft gewesen ist (s. Fouqué, 1840, S. 296). Vor allen Dingen die 1808 dekretierte Aufhebung des Adelsmonopols und die Öffnung der Offizierslaufbahn für Bürgerliche als eine Karriere nach dem Leistungsprinzip hatten die konservativen Militärs aufgebracht: »Das traditionsgeheiligte Vertrauensverhältnis zwischen dem König und seinen Offizieren werde brutal zerstört, >das viele Lernens argwöhnte v.d. Marwitz, >ertödtet den Charakter«. Haßerfüllt gab sich Yorck v. Wartenburg der Hoffnung hin, daß sich das >Natterngeschmeiß [...] in seinem eigenen Gift selbst auflösen« werde.« (Wehler, 1989, S. 467).
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deskreis junger Offiziere zur Tischgesellschaft, der es berechtigt erscheinen läßt, diese Vereinigung auch als einen Ort der Versammlung von führenden Vertretern des sich neugestaltenden preußischen Heeres zu bezeichnen. Der eng mit Clausewitz befreundete Hauptmann Adam Georg Friedrich von Horn war Mitglied des Tugendbundes gewesen und hatte schon seit Königsberger Tagen Kontakte mit Gneisenau, Scharnhorst, auch zum Freiherrn von Stein und dessen Vertrauten Gruner und E. M. Arndt. Wie Clausewitz und Chasot, kann wohl auch Horn kaum als einer der typisch engköpfigen Militärs angesehen werden, die sich für die kulturellen Aktivitäten wenig interessieren mochten; schon seine Freundschaft mit der Familie Staegemann, seine regelmäßigen Besuche des Salons Elisabeth von Staegemanns (deren Tochter, eine Freifrau von Korff, er 1815 heiratete) widerlegen die in der Forschung tradierte Behauptung, daß die Soldaten den in der Tischgesellschaft sich ausdrückenden >romantischen Exaltiertheiten« mit Mißtrauen begegnet seien.27 Weitere, jüngere Freunde von Clausewitz waren die Majors August von Hedemann, Johann Carl von Moellendorff und Karl Ludwig Tiedemann (sie gehörten den Jahrgängen 1785, '91 und '93 an), deren rasche Karriere eine Folge des ungeheuren Austausche des preußischen Offizierskorps nach 1806 war, bei dem über die Hälfte der Führungsleute ausgewechselt wurde. 28 Gleichfalls durch ihren Kontakt zu Clausewitz sind wohl die beiden Brüder von Röder (Hauptmann »vRöder I« und »vRöder II« heißt es auf den Listen) zur Tischgesellschaft gestoßen. Ein Hauptmann von Röder war Mitglied des »Gesetzgebenden Ausschusses der deutschen Tischgesellschaft« (s. Nr. 16), der als neues Leitungsorgan der Tischgesellschaft spätestens seit April 1 8 1 1 bestand und über die Zulässigkeit neuer Statutenvorschläge, sowie über die Organisation der einzelnen Versammlungen zu entscheiden hatte. Außer den beiden Stifterpersönlichkeiten Arnim und Müller gehörten diesem Ausschuß nur noch zwei weitere Mitglieder an: Arnims Schwager Friedrich Carl von Savigny und eben »Hauptmann von Röder I«. Diese Teilnahme eines der jungen Offiziere im obersten Leitungsgremium der Tischgesellschaft dürfte endgültig jeden Zweifel hinsichtlich einer aktiven Rolle der Militärs bei den Versammlungen beseitigen. 27 28
So zuerst Rothfels (1920), S. 1 3 1 . Dazu: Stübig (1971); Nitschke (1985); Quellen: Vaupel (1938).
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Allerdings endete diese starke Präsenz der Reformmilitärs schon vor den Befreiungskriegen von 1813/14, denn bereits 1812 verließen Clausewitz und Chasot wie auch Horn und Tiedemann aus Enttäuschung über das preußisch-französische Bündnis Berlin, um bei der rassisch-deutschen Legion in den Dienst zu treten. In den kommenden Kriegsjahren fielen Chasot, Tiedemann und auch zwei Brüder von Röder. Ob jemand von den überlebenden Offizieren später wieder Kontakt mit der Tischgesellschaft aufgenommen hat, läßt sich nur vermuten. Daß auf der Anwesenheitsliste von 1813 (Nr. 35) die Namen der Offiziere gänzlich fehlen (statt deren nun die Universitätslehrer dominieren, darunter neue Professoren wie Erman und Solger), versteht sich angesichts der Kriegssituation von selbst.29 Aber auch Varnhagen erwähnt in seinen Aufzeichnungen von 1820 keine Militärperson, sondern an der Spitze den Ministerialrat Staegemann, Prof. Benzenberg und andere >Zivilistenaltdeutschen< Vorfahren »auch die wichtigsten Dinge am Tische« überlegt - mit der »Gesellschaft der runden Tafel« als ihrer frühesten Ausdrucksform (und dann noch »zu Luthers Zeiten«, da freilich schon zum »Saufgelage« verkommen). Diese Idealisierung der Freimaurerei zum offenen Gespräch unter
" Hardtwig (1984), S. 12. Dülmen (1986), S. 57. 41 Lessing, Werke, Bd. 8, S. 484^ 40
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Freunden, die Rückbindung an die Tradition der »Tafelrunde« vermögen sicherlich ein erhellendes Licht auch auf einige zentrale Merkmale des Typus von Geselligkeit in der Tischgesellschaft zu werfen, dürften hingegen - und von Lessing selbst war ja auch keine historische Sicht der Freimaurerei, sondern der Hinweis auf deren Ursprünge als kritisches Gegenbild zur aktuellen Degeneration intendiert - kaum etwas über das wirkliche Verhältnis der freimauerischen Gruppierungen zur Organisationsform der Tischgesellschaft aussagen. So fehlte in der Versammlungsstruktur der Tischgesellschaft das Prinzip des arcanums, das »den indirekt politischen Charakter«42 von Freimaurerei und Geheimbünden ausmachte und deren »Freiheit vom Staat«43 als »ständeneutrale und ständeverschmelzende Gesellschaftsbildung«44 begründete. Spätestens seit dem Wilhelmsbader Konvent von 1782 und der dort zum Ausdruck gekommenen Krise war das Ansehen der traditionellen Freimaurerlogen - während sich freilich gleichzeitig neuere freimaurerische Vereinigungen wie der bayrische Illuminatenbund rasch über ganz Deutschland ausbreiteten - merklich gesunken, vertrackte »Hochgrad«-Hierarchisierungen wie in der sog. »Strikten Observanz« wurden spöttisch als bloße Heimlichtuerei, der es nur um eine inhaltslose Exklusivität gehe, abgetan.45 Der Hinweis auf das Geheimnis fungierte in der deutschen Tischgesellschaft nurmehr als ironisches Zitat: »Um nicht den Vorwurf auf mich zu laden, daß ich ähnliche Grausamkeiten [an den Juden; S. N.] veranlassen wollte, muß ich schließlich [...] alle werthen Mitglieder dieses christlichen Tisches bitten, die ihnen mitgetheilten Wahrheiten möglichst geheim zu halten, und sich den Genuß zu verschaffen, sie für den ersten Grad einer neuen Freymaurerey zu halten.« (Nr. 19) Zudem wurden arcanum und Exklusivitätsanspruch gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge der Revolutionsangst immer stärker als Bemäntelung umstürzlerischer Intentionen denunziert. Die Regierungsbehörden der deutschen Staaten waren seit dem Verbot des IlluminatenOrdens im Jahr 1786 nur zu geneigt, in jeder auch bloß entfernt einer 42
Koselleck (1973), S. 72. « Reinalter (1989), S. 53. 44 Hardtwig (1989), S. 65. 45 Z u dem Wilhelmsbader Konvent und den Versuchen, die Freimaurerlogen zu reformieren, vgl. Hammermeyer (1981); zum Illuminatenorden vgl. von Dülmen (1975); Weis (1989); Schüttler (1991). 28
Geheimverbindung ähnelnden Vereinigung ein Verschwörernest zu vermuten. In der Tischgesellschaft, die schon in ihrem Gründungsjahr dem Verdacht konspirativer Umtriebe ausgesetzt war (vgl. Nr. 37), bemühte sich Arnim darum, jeden Vorwurf einer Nähe zur Freimaurer-Bewegung auf scherzend-leichte Art ad absurdum zu führen: »Bey der schnellen Ausbreitung unsrer Gesellschaft, von der wie wir hören schon bey den Karaiben und Kannibalen, welche nach einigen Theologen von den Juden abstammen, die Nachricht erschollen ist, daß sie ein Illuminatenorden sey, weil im Stiftungsliede von Strahlen die Rede gewesen« (Nr. i 9 )." 6 Allerdings sah auch die Tischgesellschaft sich im Besitz eines Wahrheitsprivilegs, die politischen Passagen der Tischreden durchzieht als ein roter Faden die Uberzeugung, Konsequenzen aus falschen gesellschaftlichen Entwicklungen, aus Gefahren für den preußischen Staat und die deutsche Nation ziehen zu müssen. Nicht etwa handelte es sich um die Teilhabe an esoterischen Einsichten, die den »Augen des großen Haufens von jeher verborgen geblieben«,47 sondern es galt, dem noch unverfälschten patriotischen Sinn, der des »Volkes treue Herzen« (Nr. 4) erfüllte, als »Protestation gegen die ephemeren Neuerungen der Tageswelt« (Nr. 20) einen gesellschaftlich relevanten Ausdruck zu verschaffen. Die nicht allgemein durchsetzbaren Positionen der Tischgesellschaft waren jedoch nicht gegen ein staatliches bzw. gesellschaftliches System, sondern nur gegen einen bestimmten Teil der aktuellen Reformpolitik der Regierung gerichtet. Die Trennung wurde somit nicht zwischen öffentlicher Existenz in der bürgerlichen Gesellschaft und dem durch das arcanum gesicherten Sonderbereich notwendig, zur Herstellung einer Situation relativer Gleichheit zwischen den Mitgliedern bedurfte es ihrer nicht mehr, und gerade durch die Öffentlichkeit des in seiner Zusammensetzung exklusiven Vereins wurde dagegen die Distanz zur Regierungspolitik manifest (vgl. Kap. II.4.2.). Bei allen Differenzen hinsichtlich des Vereinszwecks und des Verhältnisses zur gesellschaftlichen Öffentlichkeit partizipiert die Tischgesellschaft an den seit dem Ende des 18. Jahrhunderts konsolidierten Errun46
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Im >Stiftungslied< (Nr. 4) heißt es in der letzten Strophe: »Was der Einzelne vermag,/ Soll er dienend Allen leihen,/ Viele Strahlen machen Tag.« So Wieland ironisch in >Das Geheimnis des Kosmopolitenordens< (Wieland, Sämmtliche Werke, Bd. jo, S. 402; vgl. Manger, 1996).
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genschaften des bürgerlichen Vereins wesens. Sowohl bei der Organisationsform, der Zusammensetzung der Mitglieder und als auch bei den Vereinsaktivitäten läßt sich in der Tischgesellschaft in bestimmten Punkten eine Kontinuitätsrelation zu den aufgeklärten Sozietätsbildungen feststellen: ι. Das Prinzip der internen, nicht mehr korporationsgebundenen Gleichheit,48 der Öffnung der Mitgliedschaft für Vertreter des gehobenen Bürgertums und des hohen und niederen Adels herrschte auch in der Tischgesellschaft, deren Gründer hervorhob, daß sich in ihr »Männer aus allen Gesellschaftskreisen zusammenfinden« (Nr. 19). Nach Außen bleibt es für die Tischgesellschaft bei einer Grenzziehung gegenüber den weniger vermögenden Schichten, geregelt durch die Höhe des für die Essen zu entrichtenden Beitrags sowie durch ein die übliche Ballotage ersetzendes Bürgenprinzip. Der »Bericht« (Nr. 3) vom ersten Versammlungstag hebt hervor, daß die Tischgesellschaft »durch freie Ubereinkunft der versammelten Männer gestiftet« worden sei, die Gleichheit der Mitglieder in Frage stellende Standesgrenzen werden an keiner Stelle angedeutet. Die Tischgesellschaft entspricht hierin dem emanzipatorischen Grundzug des bürgerlichen Vereinswesens als eines freien Zusammenschlusses zur Verfolgung gemeinsamer Interessen von Gleichgesinnten unabhängig von ihrer Standesherkunft. 2. Das bereits die bürgerlichen Assoziationsbildungen der vorrevolutionären Zeit auszeichnende demokratische Prinzip 49 findet sich im »Freystaat« der Tischgesellschaft wieder, der »die innere Freiheit der Gesellschaft« (Nr. 37) reklamierte und in dem Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip getroffen werden. Ein Beispiel dafür führte Arnim selbst an: »daß ein Gesetz, welches auch getaufte Juden von der Gesellschaft ausschließt, durch Stimmenmehrheit gegen meine Uberzeugung durchgeführt worden ist« (Nr. 37); weitere Hinweise geben schriftliche Abstimmungen in Zirkularen mit Vorschlägen zu Vereinsaktivitäten.50 Die Tischgesellschaft stellte auch in dieser Hinsicht keine 48
S. dazu Dann (1981), S. 14. Prüsener (1972), S. 40jf.; Dann (1981), S. 21. s ° Pro- und Contrazeichnungen finden sich unter dem Vorschlag zur Verlegung der Versammlungen in den Tiergarten (s. Nr. 17); abgestimmt wurde auch über das »Umlaufschreiben« vom 1 1 . 2 . 1 8 1 3 , die Ausrüstung eines Reiters betreffend (s. Nr. 35); vgl. auch Nr. 26.
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rückwärts gewandte Vereinigung konservativer Adeliger dar, sondern folgte bei ihrer Stiftung den spezifisch bürgerlichen Ideen von Gleichheit und Freiheit der Person. 3. Der schon in den Lesegesellschaften erreichte hohe Grad an gesellschaftlicher Organisation' 1 wirkte in der Gesetzgebung der Tischgesellschaft fort, über die als eine Art leitendes Gremium der »Gesetzgebende Ausschuß« wachte, während ein »Sprecher« und ein »Schreiber« weitere Funktionsrollen bei den Versammlungen erfüllten. Der »constitutionelle [...] und gesetzbegierige [...] C h a r a k t e r « d e s Vereins wurde von Arnim in einen expliziten Bezug zur Verfassungsdebatte in Preußen gestellt, d. h. die konstitutionelle Denkweise in der Tradition der Aufklärungsgesellschaft wurde bewußt als Verfassungsexperiment im Freiraum der Vereinstätigkeit begriffen. 53 4. So wie die Lesegesellschaften im absolutistischen Staat »als Ersatz dienten für eine offene politische Betätigung und Artikulation«,' 4 so läßt sich weiterhin für die Tischgesellschaft zu einem Zeitpunkt, an dem sich das Mißtrauen des preußischen Reformbeamtentums gegenüber einer Beteiligung der Öffentlichkeit an den Staatsangelegenheiten nach ersten schlechten Erfahrungen mit den Ständevertretungen verstärkte und darüber hinaus die Berliner Regierung auf die französischen Interessen peinlich Rücksicht nehmen mußte,55 eine vergleichbare Funktion 51
Vgl. Stützel-Prüsener (1993), S. 46: »Für die Mitglieder der Lesekabinette war es anscheinend zwingend, ihr Gesellschaftsleben genauestens zu regeln [...]. Es war immer die erste gemeinsame Arbeit einer neu zusammengetretenen Vereinigung, Statuten, Verfassungen oder Gesetze auszuarbeiten.« 52 So Beckedorff in Nr. 20. 53 Arnim in seiner Rede vom 24. Januar 1 8 1 5 (Nr. 37): »So wurde nun der erste Versuch am 18. Januar 1 8 1 0 [d.i. 1 8 1 1 ] gemacht, ob eine gemischte Gesellschaft aus vielen trefflichen, aber einander wenig bekannten Menschen zur gemeinsamen Beratung über Gesetze und zur gemeinsamen Lust führen könnte«. Dazu ausführlich: Knaack (1976), S. 3 5 - 3 9 . »·* Dann (1981), S. 22. 55 S. Hofmeister-Hunger (1994); vgl. ebd. die Schilderung der Anstrengungen der Regierung Hardenberg, ihr Reformvorhaben mittels einer staatlichen Öffentlichkeitsarbeit zu erläutern. Arnims Vorwurf der »Heimlichkeit« entspricht demnach nicht der historischen Tatsache, daß gerade in diesen Jahren die preußische Verwaltung um eine aktive Regierungspropaganda bemüht war; sie verweist dagegen auf die gleichfalls unbestreitbare Isolation der Reformer im Büro des Staatskanzlers, deren Dirigismus keine Beteiligung der außerhalb der Administration stehenden Patrioten zuließ.
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bemerken. Die Tischgesellschaft verstand sich in den Jahren der napoleonischen Bedrückung angesichts der Einschränkung der Pressefreiheit (»so fehlte auch diese Stellvertretung der öffentlichen Meinung« 56 ) und insgesamt der Vermeidung einer öffentlichen Diskussion über die Reformbestrebungen der Regierung als eine Art Ersatzöffentlichkeit, ein Ort »innere[r] Freiheit«, wo die Maßnahmen der preußischen Staatsbürokratie besprochen, wo die »Liebe« zur preußischen »Krone und zu Deutschland« sowie der Haß auf »alles Französische« unzensiert ausgedrückt werden konnten. 57 Unter den Versuchen, die Vereinstätigkeit über den Hauptzweck der geselligen Kommunikation hinaus zu erweitern, lassen sich auch solche feststellen, mit denen an die Aktivitäten der patriotischen und gelehrten Gesellschaften angeknüpft wird. Drei Initiativen dieser Art wurden vorgeschlagen:58 die Ausschreibung einer Preisfrage (»Historische Entwicklung und Hemmungen jeder Art von Bildung im Verhältnis zum Wohlstande, zur Rechtlichkeit der Einwohner und zu den Staatskräften und Staatsgewalten von der ältesten bis auf die gegenwärtige Zeit«), das Projekt einer »Geschichte der deutschen Mystik« und eine Sammlung »Berlinischer Redensarten«. Zumindest der letzte Vorschlag wurde auch in die Tat umgesetzt und »ein Berliner Idiotikon angelegt«. 59
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Dieses und die folgenden Zitate: Nr. 37. Vgl. dazu Kap. II.4.2. Klammerte man zunächst die entschieden breiteren Aktivitäten der Tischgesellschaft aus, so könnte die Bezeichnung als »Herrenklub« (Kreutzer, 1968, S. 212; Botzenhart, 1989, S. 138) tatsächlich ein wichtiges Element (allerdings nur eines unter mehreren) des Vereinigungszwecks treffen, versteht man unter »Klub« nicht etwa die nach englischem Vorbild gegründeten und in erster Linie dem geselligen Vergnügen sich widmenden Männerzirkel. In diesen Herrenklubs stand neben Lektüre und Unterhaltung vor allem das Karten- und Billardspiel im Zentrum des Interesses (vgl. Engelsing, 1974, S. 273^). Eher ist hier an den Club in seiner Pariser Variante zu denken: eine gleichzeitig stark politisierte Gruppenformation als eine Vorstufe zur modernen Parteienbildung. Die Tischgesellschaft könnte in diesem Sinne als preußisch-patriotisches Gegenstück zu den »Jakobinerklubs« des Jahrhundertendes interpretiert werden (s. Reinalter, 1993, S. 97ff.). Doch war ihr Aktivitätsrahmen deutlich weiter und ihr mehrere Geselligkeitsbereiche zugleich umfassender Vereinscharakter läßt sich nicht auf einen rein politischen Debattierzirkel zu beschränken. 58 Vgl. Nr. 33. '» Vgl. Nr. 37.
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Neben diese zahlreichen Anknüpfungen an die Tradition der Aufklärungsgesellschaften des 18. Jahrhunderts treten innovative Elemente einer neuartigen Vereinskultur. Arnims Hinweise auf das Frankfurter »Museum« sollten der Tischgesellschaft Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen, die schon in die Richtung der erst in den kommenden Jahren sich bildenden Kunstvereine60 gingen: Vorstellung alter und neuer Kunst im Rahmen der Gesellschaft und dann vor allem die Anmietung eines ständigen Vereinssaales, der zu Bilderausstellungen, Musikveranstaltungen und Vorträgen61 genutzt werden sollte (s. Kap. III.2.4.). Hauptambition war dabei, den Aufbau eines Museums im modernen Sinne als öffentliche Gemäldegalerie anzuregen und zu fördern. 62
3.2. Der Salon Der im offenen Widerspruch zur politischen Ausrichtung der Tischgesellschaft und gleichfalls zu ihrem hohen Grad an Organisierung wiederholt in den Texten reklamierte Anspruch auf eine freie, zwecklose Geselligkeit sowie die zentrale Rolle von Literaturproduktion und -aufführung drängen den Vergleich zu den Salons, der wichtigsten neuartigen Form der gesellschaftlichen Gruppenbildung in Berlin um 1800, auf. 63 Zwischen der Tischgesellschaft und bestimmten Berliner Salons (wie vor allem dem patriotischen Kreis um die Gräfin von Voß64 und 60 61
61
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S. dazu: Eberlein (1929). Arnims zusätzliche Idee, daß auch »manches Neue in der Literatur dort ausgelegt werden« könnte, (»denn so viel Gelehrte in Berlin leben [...], dennoch ists ein unliterarischer Ort und Bücher stets schwer zu bekommen«; Nr. 33), denkt darüber hinaus an die Nutzung eines Tischgesellschaft-Saals als Lesekabinett. Arnims Kritik am Berliner Buchhandel erscheint erstaunlich angesichts der von der Forschung rekonstruierten Situation, die so schlecht nicht war: Im Jahr 1 8 1 1 gab es allein in Berlin immerhin 27 Leihbibliotheken (Martino, 1977, S. 11). Zur romantischen Auffassung des Museums vgl.: Ziolkowski (1990), S. 309ff.; zur Geschichte der frühen deutschen Kunstmuseen s. Scherer (1913); Plagemann (1967). Vgl. Kap. II.3.3; zum Salon vgl. die umfassende Untersuchung von Wilhelmy (1989); auch den knappen, wichtigen Beitrag von Feilchenfeldt (1987). Soziologische Arbeiten zum Salon von Hertz (1979/1991; 1988a und 1988b); von der Heyden-Rynsch (1992); zum literarischen Salon: Seibert (1993a und 1993b). Vgl. Wilhelmy (1989), S. 8 7 7 - 8 8 2 .
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dem Salon Elisabeth von Staegemanns 6 ') besteht eine hohe personelle Kontinuität, der größte Teil des Mitgliederkreises rekrutiert sich aus dem gleichen Urbanen Umfeld Berlin, 6 6 dem auch die Salonbesucher entstammen. »Stadtraum und Stadtdenken« 6 7 bestimmen das Bewußtsein der sich in der Tischgesellschaft versammelnden Intelligenz gleich dem der gemischten Salongesellschaft. Auf den Gebieten der Literaturproduktion und -Verbreitung läßt sich eine deutliche Annäherung der Tischgesellschaft an die ästhetische Praxis des Literarischen Salons feststellen. Brentanos Vorschlag, »daß jeder der einen unbekannteren Zug oder einen guten ehrbaren Schwank wisse, solchen der Gesellschaft zu allgemeiner Ergötzung kürzlich mittheile«, 68 ist als Aufforderung zum mündlichen Erzählen aufzufassen. In den Akten der Tischgesellschaft finden sich nicht nur Beispiele von kurzen Schwankerzählungen Brentanos und Arnims, 6 9 sondern darüber hinaus auch Hinweise auf den Vortrag von Anekdoten, 7 0 der - neben dem Aphorismus - zentralen Erzählform des Salons. 7 1 Obgleich die Akten als Zeugnisse einer Verschriftlichung der Literaturproduktion in der Tischgesellschaft darauf schließen lassen, daß überwiegend bereits vor den Versammlungen schriftlich fixierte Texte vorgetragen wurden, 7 2 kann doch eine Praxis der Erzählimprovisation angenommen werden, die allerdings in der Tischgesellschaft keine so zentrale Rolle wie im Literarischen Salon spielte. Arnims Texte über Goethe und Schiller 73 bezeugen einen Versuch, die Tischgesellschaft als Ort der Vermittlung dieser beiden Autoren zu 6
' Vgl. Wilhelmy (1989), S. 848-860. Dazu Seibert (1993a), S. 1 3 4 - 1 6 1 . 67 Thalmann (1965), S. 7. 68 Steig (1901), S. 30. 69 Nr. 9; s. Kap. III.2.3. 70 Vgl. Nr. 37: »lustige Anekdoten gesammelt«; Nr. 13: Anekdote >Buchsenfest< (Hs. Brentanos). 71 Dazu: Seibert (1993 a), S. 269ff. 72 Von Berlin abwesende Mitglieder schickten auch Texte zum Vortrag in der Gesellschaft ein; s. z.B. Arnim an Savigny, Brief v. 2 5 . 1 0 . 1 8 1 1 : »Ich lege ein kleines Paket ein, was Du ihr mit Auswahl vorlesen könntest, wenn es Dir gefiele oder gieb es an Fichte.« (Härtl, 1982, S. 56). Zur »semi-oralen« Literaturvermittlung im Salon s. Seibert (1993a), S. 3éoff. 73 Nr. 5: >Tafelspruch an unserem Bundestages Reinschrift mit dem Titel. >Goethe und SchillerDie Glockentaufe< (Nr. 18) gehört in diesen Zusammenhang. 66
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nutzen74 und lassen sich damit als Fortsetzung des Beitrags interpretieren, den der Literarische Salon zur Erweiterung des Publikums und zur Schaffung eines besonderen Rezeptionsraumes für die Goethe-Verehrung leistete.75 Einige Ähnlichkeiten zwischen Salon und Tischgesellschaft sind also festzustellen, jedoch darf dabei nicht übersehen werden, daß auch Verwandtes im neuen Kontext des Vereins einen anderen Akzent erhält und darüber hinaus entscheidende grundsätzliche Differenzen bestehen. So bleibt Brentanos Erzählaufforderung im Zusammenhang eines kulturpolitischen Programms zu interpretieren, das den Rückgriff auf volksliterarische Traditionen als Beitrag zur Schaffung eines deutschen Nationalbewußtseins intendiert.7^ Im gleichen Sinne geht auch Arnims und Brentanos insistierendes Verweisen auf die Person Goethes eindeutiger als im Falle des Goethe-Kults der unpolitischen Salonbewegung bereits in die Richtung der Bildung des Weimarer Dichters zu einem deutschen Nationalmythos. 77 Ein offensichtlicher und entscheidender Unterschied zwischen den Formen organisierter Geselligkeit in den Salons und in der Tischgesellschaft besteht schließlich bezüglich der »Zentrierung auf eine Frau« im Salon bzw. des Salons als per definitionem »gleichgeschlechtlichefm] Geselligkeitstypus«,78 während die deutsche Tischgesellschaft ausschließlich Männern vorbehalten war: »Gesang ist willkommen, Frauen können nicht zugelassen werden«, heißt es ausdrücklich im Gründungsszirkular (Nr. 2). Daß Frauen derart strikt die Teilnahme an den Versammlungen verweigert wurde, ist ein Indiz für einen stark politisierten Charakter der Diskussionen in der Tischgesellschaft und entspricht der auch im frühen 19. Jahrhundert noch vorherrschenden Tendenz (von der eben nur im Bereich der Salongeselligkeit eine Ausnahme gemacht wurde), »den Zugang der Frauen zu bestimmten Themen und Informationen« 79 zu be7
" Vgl. Kap. III.2.J. Vgl. Seibert (1993a), S. 4 0 5 - 4 2 $ . 76 S. dazu Kap. III.2.4. 77 S. dazu Kap. III.2.5. 78 Seibert (1993a), S. 4. 79 Seibert (1993a), S. 4. Daran scheint sich im Rahmen der Befreiungskriege zumindest in dem Sinne partiell etwas geändert zu haben, als es nun zu einer Übernahme des Organisationsmodells des Vereins durch Frauen kommt: 1 8 1 3 / 1 4 wurden in Hamburg und auch in anderen Städten wie Elberfeld, Bremen und Köln patriotische Frauenvereine gegründet, die im 75
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schränken. Schon die Zeitgenossen sahen einen Zusammenhang zwischen der Emanzipation der Frauen und derjenigen der Juden, und der von Theodor Gottlieb Hippel 1793 für seine Abhandlung gewählte Titel: >Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber< steht in keiner ironischen, sondern in einer ernst gemeinten Beziehung zu Dohms folgenreicher Schrift über die Juden. 80 Den Ausschluß der Frauen aus der Tischgesellschaft in diesem Sinne mit demjenigen der Juden zusammenzusehen, liegt daher nahe. Bedenkt man zudem die bedeutende Rolle jüdischer Salondamen für die Entstehung des Literarischen Salons, so wird der Ausschluß auch getaufter Juden aus der Tischgesellschaft signifikant als Negation der Salonbewegung, in deren gesellschaftlichem Sonderbereich die Akkulturation verwirklicht worden war. 81 Auch die zentrale Rolle von Essen und Trinken bei den Versammlungen der Tischgenossen steht schließlich in einem fundamentalen Gegensatz zur bei den Salontreffen herrschenden Frugalität und schafft eine andere gesellige Atmosphäre, die zugleich neue Bedingungen für die Literaturproduktion herstellt.82
3.3. Schleiermachers >Versuch einer Theorie des geselligen Betragens< und die gesellige Praxis in der deutschen Tischgesellschaft Bei seinem Versuch, die Gründungsintention des Vereins zusammenzufassen, hob Arnim besonders das Fehlen jeglicher äußeren Wirkungsabsicht hervor: »Wir wollten einander selbst in einer gewissen Gesinnung etwas seyn, nicht scheinen nichts wirken, nur diese Gesellschaft in sich begründen und durch sich unterhalten, den Geist bey gutem leiblichen Genuß zu ehren und zu sammeln, und eine Geselligkeit aufrecht zu erhalten, die durch die Kriegsstörung allmälig unterzugehen drohte.« (Nr. 37) Das Fehlen eines bestimmten Zwecks wird betont und gleichzeitig hervorgehoben, daß es ausschließlich um die Begründung einer
80 81
82
Krieg in erster Linie Lazarettdienste leisteten und später in der Armen- und Krankenpflege tätig wurden (s. Reder, 1992; vgl. Dann, 1978, S. 122). Vgl. Carlebach (1979). Zum Salon als einer - neben Schule und Universität - der »Institutionen der Akkulturation« (Maurer, 1992, S. 40) s. Meixner (1982), S. 97Í.; Wilhelmy-Dollinger (1992), S. i2iff.; zum Begriff der »Akkulturation« s. Maurer (1992), S. i67ff. Dazu: Kiltz (1973), S. 12; s. auch die Kritik Seiberts an Kiltz: Seibert, (1993a), S. 81, Anm. 1 7 1 .
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»Gesellschaft in sich« gegangen sei, die in der Versammlung selbst ihren einzigen Sinn erhalten habe. Der vermeintliche Widerspruch zwischen der von Arnim und Beckedorff herausgestellten Zweck- und Absichtslosigkeit der Vereinigung und ihrer gleichzeitigen offensichtlichen Wirkungsintention konnte bereits durch den Hinweis darauf aufgelöst werden, daß letztere im Selbstverständnis der Tischgenossen von einer direkten politischen oder konspirativen Aktion, die einzig als »Zweck« oder »Wirken« zu bezeichnen wäre, abzugrenzen ist. Wenn Arnim in den gerade zitierten Sätzen aber unterstreicht, daß keineswegs etwas Neues geplant war, sondern es vor allem darum gegangen sei, eine von den Kriegswirren bedrohte Form von »Geselligkeit aufrecht zu erhalten«, so wird damit ein Kontinutätsanspruch gestellt, den es noch zu klären gilt. Die Verknüpfung von spirituellem mit physischem Wohlsein, von Geist und »gutem leiblichen Genuß« weist deutlich auf Kants Ausspruch, daß »eine gute Mahlzeit in guter [...] Gesellschaft« unter Tischgenossen, die »nicht blos gemeinschaftlich eine Mahlzeit, sondern einander selbst zu genießen die Absicht haben«, der Verwirklichung »wahre[r] Humanität« 83 noch am nächsten zu kommen scheine. Arnims Sätze zeigen aber vor allem starke Anklänge an die Theorie der Geselligkeit, die das Mitglied der Tischgesellschaft Friedrich Schleiermacher 1799, ein Jahr nach Kants >Anthropologies aufgestellt hatte. Der Anspruch, den »Geist« in der Tischgesellschaft »zu ehren und zu sammeln« erscheint wie eine Neufassung der berühmten Formulierung Schleiermachers vom »freien Umgang vernünftiger sich untereinander bildender Menschen«84 für die Versammlungen der Berliner Tafelrunde. Um Nähe und Distanz der Form von Geselligkeit in der Tischgesellschaft zu Schleiermachers Geselligkeitskonzept, das sich im Wesentlichen an der Berliner Salonwirklichkeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts orientierte, bestimmen zu können, soll dieses hier zunächst knapp umrissen werden. In der neueren Forschung ist auf den Bezug von Schleiermachers >Versuch einer Theorie des geselligen Betragens< zur Ethik Kants hingewiesen worden. 8 ' Schleiermachers Theorie erscheine gegenüber der
«3 Kant, Werke, Bd. /, S. 278. 84 Schleiermacher, Werke, Bd. 2, S. 4. 8 ' Vgl. Gotten (1988), S. 1 6 3 - 1 8 8 .
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Klarheit der formalen Bestimmungen Kants eher wie »ein Rückschritt«, er habe aber immerhin versucht, »den kantischen Begriff einer Moralität als Wirken der Freiheit nach Gesetzen der Vernunft in [...] konkrete Sittlichkeit zu übertragen«.86 Erstaunlicherweise weniger ernst genommen wurde bisher der zumindest in dieser frühen Abhandlung Schleiermachers viel deutlichere Bezug zur ästhetischen Begrifflichkeit. Sein Suchen nach den Bedingungen der Möglichkeit von Geselligkeit zielt keineswegs nur auf diejenigen des moralischen Handelns, sondern viel eher auf ein schickliches Verhalten, das seine Nähe zum Geschmacksurteil niemals verleugnet.87 Der Begriff des »Kunstwerks« wird für Schleiermacher zum Schlüssel für ein Denken in Kantischen Kategorien, das allerdings nicht denjenigen der Praktischen VernunftKritik der Urteilskraft verpflichtet ist. Den Anspruch subjektiver Allgemeingültigkeit, den Kant dem Urteil über das Schöne beilegt, findet man bei Schleiermacher »in Angelegenheiten der Geselligkeit« als allen gemeinsames »Gefühl« wieder, dessen »natürliche Regel« 88 es aufzudecken gelte. Spricht Kant von einem freien Spiel der Einbildungskraft und des Verstandes, das von der Wirkung des Kunstwerkes in Bewegung gesetzt werde, so heißt es analog dazu bei Schleiermacher von dem Ziel der Geselligkeit, daß sie »ein freies Spiel der Gedanken und Empfindungen«89 bei den Teilnehmenden erregen solle. Ganz wie bei Kant der Kunstproduzierende aus dem freien Spiel seiner Gestaltungskräfte schafft, indem er sich selbst die Regel gibt, erfüllt nach Schleiermacher die Geselligkeit ihren Bildungszweck, weil in ihr der Mensch »dem freien Spiel seiner Kräfte überlassen [...] und von keinem Gesetz beherrscht« ist, »als welches er sich selbst auflegt«.90 Das Gedankenspiel soll frei sein seiner inneren Ordnung nach, die jeder entsprechend seinen individuellen Fähigkeiten, nach seinem Charakter und Temperament bestimmt. Als Spiel der Gedanken bedarf es vor allem der Freiheit im Gesprächskontext, soll von keiner bestimmten Absicht 86 87
88 89 90
Göttert (1996), Sp. 9i2f. Nicht entgangen ist diese »weitgehende Kongruenz dessen, was die >freie Geselligkeit ausmacht, mit den Merkmalen der Kunst« (Altendorfer, 1979, S. 131) hingegen Norbert Altendorfer, der allerdings nicht auf die Nähe der Geselligkeitstheorie (und der >AsthetikVersuch< eingeflossen, die den Doppelcharakter der in ihr gelebten Geselligkeit unterstreichen: Die Tischgesellschaft folgt immer noch dem Geist einer im aufklärerischen Freiheits- und Wahrheitsdiskurs wurzelnden (früh-)romantischen Geselligkeit, den sie zugleich als bereits auf eine politische Parteibildung tendierender Verein aus ihren Versammlungen austreiben muß. 99
100
Berdrow (1900), S. 187. Auch Rahel Levin selbst lehnte sich in ihren Briefen an die Diktion Schleiermachers an: »Was wir eigentlich unter dem Worte Mensch verstehen, ist doch die Kreatur, welche mit ihresgleichen in vernünftiger Verbindung steht, in einem Verhältnisse mit Bewußtsein, an welchem wir selbst zu bilden vermögen, und auch genötigt sind, immerweg zu bilden.« (R-Varnhagen, Briefwechsel, Bd. 3, S. 282). In der Fortsetzung seines Berichts über den Salon der »Mademoiselle Levi« macht Brentano diesem allerdings den schlimmsten Vorwurf, der gegenüber einer geselligen Vereinigung erhoben werden kann, nämlich daß es dort »langweilig« sei; er wünsche sich »eine Gesellschaft [...], wo mit freier Würde so gesprochen wird, daß ich eine Wollust empfinde zu schweigen und zu hören, wenn alte würdige Männer reden, oder brave Bürger über Kunst, oder Gewerb, wenn fromme Menschen reden ohne Bisarrerie, dann langweile ich mich nicht« (Brentano, FBA, Bd. 31, S. 369).
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Dieses Janusköpfige der besonderen Form von Geselligkeit in der Tischgesellschaft zeigt sich am deutlichsten an jenem Passus der Statuten, in dem die Bedingungen für eine Mitgliedschaft festgelegt werden. Bei dieser wird neben dem Ausschluß der Philister, die als nicht »angemessen« bezeichnet werden, die Forderung nach »Wohlanständigkeit« erhoben. Damit werden traditionelle decorum-Kriterien
zitiert, die zur
Bestimmung eines Menschens von guten Sitten im Rahmen der Umgangstugenden gehörten. Selbstverständlich verlangte eine Vereinigung der »besseren Kreise« bei der Entscheidung über die Umgangsfähigkeit eines potentiellen Mitgliedes eine Garantie für dessen »Angemessenheit«, die sich durch ein schicklich-»anmutiges« Benehmen zu erkennen gab, welches gemeinhin durch die »wohlanständige« Herkunft aus dem entsprechenden Stand bzw. den bekannten Familien garantiert war. Das 18. Jahrhundert hatte eine »egalitär-diskursive« 101 Vorstellung von Geselligkeit durchzusetzen versucht, welche die decorumaptum-Forderung
oder
in allen ihren möglichen Geltungsbereichen 102 voll-
kommen neu definierte: in der Kunst durch die Bestimmung des Schönen als Schein des Guten und Wahren, in der Konversation durch die Fixierung des Ziels der Wahrheitssuche, für die gesellige Vereinigung mit der Beseitigung jeglicher Standesgrenze in den Aufklärungsgesellschaften. Die Statuten der Tischgesellschaft folgen diesem Prinzip aufklärerischer Gleichheit, indem sie für die Mitgliedschaft keine Standesbegrenzungen festsetzen. Dennoch weist die Tischgenossenschaft mit ihrem Rückgriff auf das decorum-Prinzip
zugleich das Egalitäre des auf-
klärerisch-humanitären Wahrheitsdiskurses zurück. Denn einerseits wird dessen Ernst durch die ironische Füllung der Angemessenheitsforderung (mit ihrer Verbannung des Philisters) unterlaufen, und andererseits beseitigt der polemische Ausschlußcharakter bei der Bestimmung des vir bonus als des durch (christliche) Geburt »wohlanständigen« die Offenheit der aufklärerischen Geselligkeit zwar nur partiell, allerdings durch den anti-emanzipatorischen Charakter der Ausgrenzung in einem entscheidenden Grundsatz. Der »Ton« der Geselligkeit in der Tischgesellschaft, wie er anhand der Darstellung der Texte im Folgenden deutlicher werden wird, bewegt sich in jenem von Schleiermacher gefor,CI 102
Mauser (1989), S. 3}. Zum decorum-Begriff in Rhetorik und Ästhetik vgl. den ausführlichen Artikel des Hist. Wörterbuchs der Rhetorik: Rutherford/Mildner (1994),
Sp· 423-451· 43
derten weiten Spektrum, das stofflich offen ist sowohl für die rein scherzhafte Rede wie für den ernsten politisch-patriotischen Diskurs. Insbesondere lassen sich aber große Teile der Philisterabhandlung Brentanos wie eine Anwendung des Lächerlichkeitskriteriums Schleiermachers auf die versammelte Tischgenossenschaft lesen: Wer sich entsprechend dem in der Tischrede entwickelten Erkennungsmuster als Philister gebärdet, macht sich in diesem Kreis lächerlich, und das Lachen soll ihn als den per definitionem Ungeselligen schon von vornherein aus der Gesellschaft fernhalten.
4.
Private Öffentlichkeit
4.1. Der Versammlungsort der Tischgenossen Die angeführten Unterschiede zwischen den Geselligkeitsformen Salon und Tischgesellschaft erfahren noch eine weitere, wichtige Ergänzung durch eine Reflexion über den Ort der Versammlungen. Im Falle des Salons war der übliche Ort das Haus der Salonnière, 103 wo man sich in einem oder mehreren Räumen aufhielt, je nach Zahl der Teilnehmer und der den Vermögensstand der Salonnière bzw. ihrer Familie widerspiegelnden Größe der Wohnung. 104 Der Salon kannte keine festgelegten Bestimmungen über die Salonfähigkeit einer Person, der Zugang zu den Treffen wurde durch die Möglichkeit der Besucher, neue Gäste mitzubringen, tendenziell für eine ständige Erneuerung offen gehalten; da man sich jedoch in dem privaten Haus der Salonnière versammelte, war die letzte Entscheidung ihrer Einladungspraxis vorbehalten. Die Salonforschung hat hervorgehoben, daß gerade diese »eigentümliche Stellung zwischen Öffentlichem und Privatem« 105 die Bedingung für die besonderen Wirkungsmöglichkeiten des Salons gewesen sei. Die partielle Öffentlichkeit der privaten Sphäre ermöglichte als temporäre Ausschaltung Vgl. Seibert (1993a), S. 4L Im Hause der Familie Herz versammelten sich im Zimmer von Marcus Herz die tabakrauchenden Gelehrten, während im angrenzenden Zimmer seiner Ehefrau Henriette sich der literarische Salon zum Tee traf (s. Wilhelmy, 1989, S. 5 of.); berühmt ist die »Dachstube« der noch unverheirateten Rahel Levin in ihrem Elternhaus in der Jägerstraße zur Zeit ihres ersten Salons bis 1806 (vgl. Wilhelmy, 1989, S. 73-76). IO ' Seibert (1993a), S. 5. 104
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der gesellschaftlichen Standesunterschiede eine gesellige Konversation zwischen Bürgern und Adeligen beiderlei Geschlechts. Der Salon konnte »von den für das Private eingeforderten Schutzvorrichtungen profitieren, ohne sich der öffentlichen Wirkung gänzlich zu begeben«.IOÄ Nur in einem nach außen sich öffnenden privaten Raum konnten Frauen um 1800 Geselligkeit gestalten, und nicht zufällig handelte es sich bei den Frauen, die einen Salon führten, oft um gesellschaftliche Außenseiterinnnen. 107 Bei den Eßgesellschaften verschiebt sich durch die Verlagerung des Versammlungsortes vom eigenen Haus in die Wirts- und Gasthäuser das Verhältnis >Privat-öffentlich< scheinbar in einer ähnlichen Weise, wie dies schon für die - im 18. Jahrhundert vor allem englische - Tradition der Kaffeehäuser festgestellt worden ist. Als eine neue Form nicht repräsentativer Öffentlichkeit haben diese »nicht nur einen zwangloseren Zugang zu den maßgeblichen Zirkeln« eröffnet, sondern »vor allem die breiteren Schichten des Mittelstandes« erfaßt. 108 Die Öffnung auch hinsichtlich ökonomischer und politischer Diskussionen hatte gleichfalls wie bei den nicht mehr im Kreis des Hauses sich vollziehenden Eßgesellschaften allerdings die Konsequenz, »daß zur Kaffeehausgesellschaft ausschließlich Männer zugelassen waren«. 1 " 9 Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Berlin einen weiten Bereich organisierter Geselligkeit, zu dem die weibliche Bevölkerung keinen Zutritt hatte. Über die »Männergesellschaften und die geringe Bedeutung der Frauen« für das gesellige Leben preußischen Hauptstadt berichtet 1784 Friedrich Gedike in seinen fiktiven Briefen in der berlinischen Monatsschrift«. 110 Es gebe eine »Menge von geschlossenen Gesellschaften in Berlin«: »Bald heißen sie Klubs, bald Ressourcen, bald Gesellschaften; sogar die Tabagien sind eine Art davon. [...] Es wird gesprochen, geschwatzt, gegessen, wohl auch vorgelesen, man findet Zeitungen, Journale, Schachspiel, Billard usw.« 1 1 1 106 107
108 109 110
Seibert (1993a), S. 5. Es handelte sich bei den Salonnièren in einer unverhältmäßig hohen Zahl eben um Jüdinnen bzw. auch um geschiedene Frauen, die gerade durch ihre Außenseiterposition dazu geeignet waren, »im Mittelpunkt unkonventioneller und freier literarischer Geselligkeit zu stehen« (Wilhelmy, 1989,
S.41). Habermas (1980), S. 49. Habermas (1980), S. 48. »Uber Berlin. Von einem Fremden. 10. Brief«; Gedike (1987), S. 46.
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Gedike stellt nicht bloß fest, daß Frauen von diesen Versammlungen ferngehalten werden, sondern begründet die Aussperrung der »Weiber« mit dem freien Ton und der Offenheit der Konversation in den geschlossenen Gesellschaften: Eine Gesellschaft von Männern, die sich selbst ihre Mitglieder wählt! Bedenken Sie nur das negative Gute, das in diesem Begriff liegt. Von Männern! Ich bitte alle hübschen Weiber und Mädchen um Vergebung; aber wahr ist's doch, sie genieren einen manchmal gewaltig. [...] Aber es gibt auch wieder Zeiten, w o Männer gegen Männer sich frei ausschwatzen wollen, w o man sich keine Art Zwang antun will, w o Materia und Form des Gesprächs einem gleichgültig ist, und w o man so wenig ein Mädchen von Stande wie eine Excellenz oder einen Großinquisitor gern um sich hat. Man muß über Politik, über Religion, über Gelehrsamkeit, selbst über Frauenzimmer, kurz über alles räsonnieren, und auf alle Art! Dann bedenkt man sich nicht lange, ob man ein lateinisches oder ein kraftvolles, vielleicht zu derbes deutsches Wort gebrauchen soll. Freimütigkeit und Freiheit begeistern das Gespräch. 1 1 2 Während alle gemischten Gesellschaften für Gedicke letztlich doch nur »fade, komplimentenreich und unmännlich« 1 1 3 sind, sieht er also in den geschlossenen Männergesellschaften Raum für ein aufklärerisches Räsonnieren in »Freimütigkeit und Freiheit«. Die zu Beginn des 18. Jahrhunderts aufgekommenen neuen Formen gemischter Geselligkeit wie die Salons scheinen dieser Tradition exklusiv männlicher Versammlungen keinen Abbruch getan zu haben. Im Jahre 1 8 1 1 waren - wie z.B. Savigny aus Berlin berichtet - die »alle 8 - 1 4 Tage« zusammenkommenden »blos von Männern« besuchten »fixen Speisegesellschaften« außerordentlich zahlreich;" 4 Varnhagen zeichnet auch noch für das Jahr 1820 ein äußerst positives Bild dieser A r t von Geselligkeit in Berlin: Die zahlreichen Tischgesellschaften und Klubs in Berlin unterhalten eine wohltätige Mischung der Stände und Bekanntschaft der Personen mit einander, auch manche politische Regung in den Köpfen. Dieser Gesellschaftsverkehr ist in Berlin auf's Höchste gestiegen; heute waren ζ. B. in der gesetzlosen Gesellschaft unter etwa neunzig bis hundert Gästen mehrere Generallieutenants, ein Gesandter, der Kammergerichtspräsident, der Geh.Rat
" " Gedike (1987), S. 112 Gedike (1987), S. Gedike (1987), S. 1,4 Savigny an Bang, 46
46L 47f. 48. 2. April 1 8 1 1 (s. Anm. 9).
Ladenberg, Generalprokurator Eichhorn, die Übrigen Geheime Räte von allen Zweigen, Offiziere, Professoren, Kaufleute usw. I I S Mit Ausnahme der Salons muß man in allen diesen Fällen organisierter Geselligkeit, nicht nur bei den ausdrücklichen Geheimgesellschaften, sondern gleichfalls bei den geselligen Vereinigungen, die keine expliziten Zugangsbeschränkungen formulierten, grundsätzlich von einer auf die männlichen Geschlechtsgenossen eingeschränkten Öffentlichkeit ausgehen. 1 ' 6 Die tendenzielle Ausgliederung wichtiger Teilbereiche von bürgerlicher Geselligkeit aus dem Privathaus 1 1 7 hat schon bei den Zeitgenossen um 1800 zu terminologischen Unsicherheiten geführt, die Kant in seiner 1798 erschienenen >Anthropologie in pragmatischer Hinsicht< durch eine Erinnerung an die rechtstheoretische Definition der Begriffe zu klären versuchte: Das gesellige Vergnügen der Konversation erfordere es selbstverständlich, daß in allen Tischgesellschaften, selbst denen an einer Wirthstafel das, was daselbst von einem indiskreten Tischgenossen zum Nachtheil eines Abwesenden öffentlich gesprochen wird, dennoch nicht zum Gebrauch außer dieser Gesellschaft gehöre und nachgeplaudert werden dürfe. [...] Daher würde ich, wenn von meinem besten Freunde in einer sogenannten öffentlichen Gesellschaft (denn eigentlich ist eine noch so große Tischgesellschaft immer nur Privatgesellschaft, und nur die staatsbürgerliche überhaupt in der Idee ist öffentlich) - ich würde, sage ich, wenn von ihm etwas Nachtheiliges gesprochen würde, ihn zwar vertheidigen [...], mich aber nicht zum Werkzeuge brauchen lassen, diese üble Nachrede zu verbreiten und an den Mann zu tragen, den sie angeht." 8 Die ausdrückliche Erwähnung der »Wirthstafel« und der Behelfsausdruck »sogenannte[...]
öffentliche^..] Gesellschaft« weisen auf das D i -
lemma, den besonderen Charakter von Öffentlichkeit einer Versammlung zu bestimmen, die sich an einem öffentlichen Ort zusammenfindet, 115 116 117
118
Varnhagen, Werke, Bd. 5, S. 21. Vgl. Mahrdt (1995). Es kam selbstverständlich auch weiterhin zur Gründung von Sozietäten, die sich in Privathäusern versammelten. Ein prominentes Beispiel ist der 1827 unter dem Namen »Berliner Sonntagsverein« gegründete, später in »Tunnel über der Spree« umbenannte gesellig-literarische Zirkel, der zunächst in der Wohnung seines Gründers Moritz Gottlieb Saphir zusammenkam und erst in der Folgezeit ins »Englische Haus« übersiedelte. Vgl. Berbig (1990a u. 1990b). Kant, Werke, Bd. 7, S. 279 (Hervorh. im Orig.). 47
die indes nur Geladene an ihren Tisch läßt, also nach außen abgeschlossen ist. Festzuhalten bleibt aber dennoch, daß die Tischgesellschaften durch die Publizität ihrer Versammlungsorte und ihres meist regelmäßigen Versammlungszeitpunkts sich von dem Arkanprinzip der Freimaurerei absetzten. Der paradoxe Ausdruck einer öffentlichen Privatgesellschaft entspricht dem Urteil, daß darin »öffentlich« Ausgesprochenes »nicht zum Gebrauch außer dieser Gesellschaft« gehöre, nach außen also an einem Geheimhaltungsprinzip festgehalten werden soll. Um eine entspannte und absichtslose Konversation zu gewährleisten, verlangt Kant von den Teilnehmern der Geselligkeit Stillschweigen gegenüber Fremden, eine Beschränkung auf eine interne Offenheit der Äußerungen, die nicht zu über die Versammlung hinausgehenden Interessen mißbraucht werden dürfe. Definiert man »Öffentlichkeit« mit Niklas Luhmann als »Freigabe des Zugangs für beliebige Personen, also Verzicht auf Kontrolle des Zugangs, also strukturelle Unbestimmtheit der räumlichen Integration«, 1 ' 9 so kann der Begriff die räumlich, zahlenmäßig und durch Auswahl der Mitglieder begrenzte Zugänglichkeit der deutschen Tischgesellschaft kaum erfassen. Der eingeschränkte Charakter der Öffentlichkeit der Vereinsversammlungen - von denen jeder wissen, deren Zwecke und Tendenz jeder erahnen konnte und durch Gerüchte in der Stadt verbreitet wurden, deren genaue Versammlungsgegenstände und -abläufe aber nur den Mitgliedern bekannt waren - läßt sich am ehesten noch durch das Oxymoron: »private Öffentlichkeit« wiedergeben. Die deutsche Tischgesellschaft hatte in ihren Statuten festgelegt, an einer »Wirthstafel«, d.h. also in dem nach Kant am weitesten vom Privatbereich entfernten Raum, sich zu versammeln: Zunächst traf man sich beim »Wirthe des Casino« (Nr. 3). Das »Casino« befand in der Behrenstraße, also in der Friedrichstadt, und war ein von einem Restaurateur bewirtschafteter Versammlungsraum. lz ° Dieser Raum wurde bald zu eng; die deutsche Tischgesellschaft war auf öffentliche Wirksamkeit " 9 Luhmann (1997), Bd. 1, S. 314. In bürgerlicher Adaption der Landhausmode des italienischen Adels entstand »vielfach im Ausland, z.B. in zahlreichen deutschen Städten, im 19. Jahrh. die Bezeichnung Kasinoverein für Geselligkeitsvereine« (Brockhaus, Bd. 9, Leipzig 1 9 3 1 , S. 772; Hervorhebung im Orig.). In Köln z.B. gibt es noch heute unter dem Namen »Kasinogesellschaft von 1809« bewirtschaftete Festsäale, die für Vereinstreffen und Veranstaltungen der verschiedensten A r t angemietet werden können.
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angelegt und ein zahlenmäßiges Wachsen war von vornherein eingeplant. Schon am Gründungstag sah man sich zur Ausweitung der Höchstzahl von Mitgliedern gezwungen, die ursprünglich nicht über »vierzig«, dann in der korrigierten Endfassung »in Hinsicht des Raumes nicht über sechzig steigen« (Nr. 3) durften. Zugleich setzte man jedoch in den Statuten im Widerspruch zu dieser Bestimmung fest, daß bei neu hinzukommenden Mitgliedern kein »Ballotieren« stattfinden solle. Unter dieser Ballotage verstand man eine geheime Abstimmung mit Kugeln, in welcher die Mitglieder des Vereins zwecks Bewahrung der Höchstzahl bei einem Neueintritt über das Ausscheiden eines bisherigen Mitglieds befinden mußten. 121 Indem die Tischgesellschaft ausdrücklich auf dieses Verfahren verzichtete, akzeptierte sie von vornherein ein tendenziell unbegrenztes Wachsen. Das Verlassen des ersten Versammlungslokals beweist, daß der Tischgesellschaft die Offenheit für neue Mitglieder wichtiger war als die noch in den Statuten festgelegte räumliche und quantitative Fixierung. Sie wechselte bald vom zu klein gewordenen »Casino« »in den Saal der Börsenhalle« (Nr. 20), 122 die vom Berliner >Straßen- und Wohnungsanzeiger< von 1812 unter der Rubrik »Ressourcen« 123 verzeichnet wird. Wie schon im Fall des »Casino« ist auch die »Börsenhalle« damit von den eigentlichen Gasthäusern unterschieden. Der Begriff »Ressource« als »geschlossene Gesellschaft« läßt deutlich werden, wie in solchen Räumlichkeiten Eßgesellschaften zusammenkamen, die zwar kein Geheimnis aus ihren Treffen machten, aber zugleich garantierten, daß die Mitglieder unter 121
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Der Hinweis in den Statuten, auf das Ballotieren verzichten zu wollen, »weil es die Ehre des Einzelnen bey einem Vergnügen aufs Spiel setzt« (Nr. 3), ist höchstwahrscheinlich durch die Kränkung veranlaßt, die Arnim kurz vor der Gründung der Tischgesellschaft erlitten hatte, als er aus Reimers »Sonnabendsgesellschaft« »ausballotirt« (Arnim an Reimer 1 8 1 0 / 1 1 ; s. Anm. 6) worden war. Wie eine gestrichene Variante des »Vorschlag«-Zirkulars (Nr. 2) zeigt, worin als Versammlungsort anstatt »beym Wirthe des Casino« noch »wahrscheinlich die Börsenhalle« genannt wird, hatte Arnim ursprunglich die Börsenhalle bereits in Erwägung gezogen. »Polizei-Revier Nr. ja: Kölln[:] Die Börsenhalle im Lustgarten, Fr. Bandemer.« Straßen- u. Wohnungs-Anzeiger, S. 94. Der Wirt der »Börsenhalle« hieß, wie aus einem Brief Brentanos an Susanna Schinkel vom Juli 1 8 1 1 hervorgeht, auch schon zur Zeit der Versammlungen der Tischgesellschaft Bandemer: »Meine gehorsamte Verbeugung an die einzige ungeheure Göttliche Bandemer, wenn wir gleich mit der deutschen Gesellschaft nicht mehr bei dem Restaurateur gleichen Namens essen« ( F B A , Bd. 32, S. 327).
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sich und Fremde ausgeschlossen blieben. Beckedorff berichtet, daß die Tischgesellschaft nicht lange in der »Börsenhalle« tagen konnte: Da ich selbst die Wahl dieses Versammlungs Ortes verursacht habe, so darf ich wohl sagen, daß in derselben sich eben keine große Weisheit geoffenbart hatte. In die Börsenhalle, so dicht an die Spree 124 sich zu wagen, jenseits welcher Juden und Philister schon einheimisch seyn dürfen, war ein gefährliches Unternehmen; auch bekams uns übel. Wir wurden von dort vertrieben, wie die traurige Geschichte davon Allen bekannt ist, und zogen nunmehr in's Englische Haus, als in die letzte Freystatt für uns bedrängte Deutsche christliche Tischgenossen, von w o nur der Frühling uns hier in den Thiergarten auf eine Weile gelockt hat und wohin Sie dereinst zurückzukehren gedenken. (Nr. 20) War der Wechsel vom »Casino« zur »Börsenhalle« somit insofern ein Zeichen des Erfolgs gewesen, als da die Gesellschaft rasch in weiteren Berliner Kreisen bekannt, zahlenmäßig angewachsen und für die Versammlungsräume des »Casinos« zu groß geworden war, so stellt sich der Ubergang ins »Englische Haus« eher als Niederlage dar. Was auch immer der wahre Grund gewesen sein mag, Tatsache ist, daß die Tischgenossen nicht aus eigener Entscheidung, sondern durch äußeren Druck die »Börsenhalle« räumen mußten. Durch den U m z u g ins »Englische Haus«, das in der Mohrenstraße lag, zog man sich wieder in die Friedrichstadt zurück. Damit waren die Tischgenossen in das Viertel zwischen Friedrichstraße und Wilhelmstraße zurückgekehrt, das zugleich für die meisten von ihnen auch der Wohnbezirk w a r . 1 2 ' Beckedorffs ironischer Ausdruck »Freystatt« - also ein geheiligter Ort, w o der Verfolgte Schutz und Frieden findet -
hat auch damit zu tun, daß die
Tischgenossen in der Friedrichstadt wieder in jener vertrauten Umgebung waren, w o der reiche Adel in seinen Palais und das Bürgertum
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Die »Börsenhalle« befand sich nicht in der Friedrichstadt, sondern im »Lustgarten«, d.h. auf der heutigen »Museumsinsel« in der Spree. Die Grafen Voß, Arnim, Bombelles und Fürst Radzivill wohnten in der vornehmen Wilhelmstraße, w o in einem Gartenhaus der Voßschen Villa auch Bettina und Achim von Arnim in ihren ersten Ehejahren bis 1813 lebten; vor seiner Hochzeit wohnte Arnim zusammen mit Brentano in der Mauerstr., w o sich auch Kleists Wohnung und gleichfalls die des Rendanten Vogel befanden; Brentanos Onkel La Roche wohnte in der Georgenstr.; Savigny hatte eine Wohnung in der Oberwallstr., sein Universitätskollege Lichtenstein in der parallelen Niederlagstr., Adam Müller in der Charlottenstr., A. F. W. von Bülow und Carl E. H . von Hermensdorff in der Leipzigerstraße (vgl. Kap. VII).
seit der Erweiterung des Wohngebietes Mitte des 18. Jahrhunderts in recht offener Mischung nebeneinander lebten. 126 Das »Englische Haus« hatte mehrere Zimmer und wurde von verschiedenen Vereinen zu unterschiedlichen Versammlungszwecken, u. a. auch für Konzertveranstaltungen, genutzt. Bei dem von Beckedorff erwähnten Lokal im Tiergarten handelt es sich um die Speisegaststätte des im »Polizei-Revier Nr. 10: Friedrichstadt« unter der Rubrik »Restaurateur« verzeichneten »Kämpfer, J., Tiergarten 46«. 127 Dort versammelten sich die Tischgenossen - wie Arnims Gedicht »Fort ins Freye, in die Luft« mit seiner Aufforderung zur »Verlegung der Gesellschaft nach dem Thiergarten, während der Sommerzeit« (Nr. 17) nahelegt - in der wärmeren Jahreszeit wahrscheinlich entweder in einem Raum, dessen Fenster sich öffnen ließen, oder sogar in einem Gastgarten. Damit aber hat man sich diese sommerlichen Treffen für nicht zu der Gesellschaft gehörende Gäste des Restaurants noch zugänglicher vorzustellen als diejenigen Versammlungen, die sich in einem Gastzimmer abspielten, dessen Türen immerhin geschlossen werden konnten.
4.2. Die »Stellvertretung der öffentlichen Meinung« Ungeachtet der Tatsache, daß die Tischgesellschaft als geschlossene Gesellschaft tagte, konnte durch den nicht geheimen Charakter ihrer Versammlungen das in ihnen Verhandelte ganz entgegen Kants Verhaltensregeln recht bald zu einem Skandal für einen Teil der Berliner Gesellschaft werden, wie Ludolph Beckedorff bissig anmerkte: Stadtgeträtsch und Judengeklatsch haben uns auf alle mögliche Weise zu verunglimpfen getrachtet. Man hat uns Gott weiß was für Dinge angedichtet, und uns zuletzt sogar in den Mund der Journale gebracht. (Nr. 20)
Daß Beckedorff die Berichte in den Zeitungen für eine Steigerung des »Judengeklatschfes]« hielt, hatte seinen Grund in der ausschließlich negativen Berichterstattung, die sich vor allem mit der gerüchteweise bekannt gewordenen und dann vom gedruckten Text der »Philister«-Satire bestätigten Judenfeindlichkeit des Vereins beschäftigte (vgl. Kap. IV). Auch Arnim sprach in diesem Zusammenhang bloß von den »jüdischen 126 127
Vgl. Demps (1996). In Fichtes Tagblatt (Nr. 29) ist von einer Versammlung »bei Kämpfer im Thiergarten« die Rede.
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Stimmen in öffentlichen Blättern«, die »zurückgewiesen« (Nr. 37) worden seien. Die Ausführungen Arnims, mit welchen er 1815 rückblickend die soziale und politische Bedeutung seiner Vereinsgründung zu umschreiben suchte (Nr. 37), zeigen, daß das in den Versammlungen Verhandelte keineswegs nur an die Teilnehmer allein gerichtet, sondern daß die Berliner bzw. preußische Gesellschaft als Adressat zumindest mitgedacht war. Arnim kritisierte in seiner Rekonstruktion des politischen Klimas in Preußen um 1 8 1 1 weniger die Reformen selbst als die »Heimlichkeit« ihrer Dekretierung von Seiten der Regierung. Dadurch habe sich die »Volksmeinung« immer mehr verwirrt. Auch in seinen im >Preußischen Correspondentes veröffentlichten Liedern waren diesem Aspekt der Regierungspolitik und der Klage über einen fehlenden Kontakt zwischen Reformern und Gesellschaft die kritischsten Verse gewidmet: Wo jetzt Volkes Stimme hören? Heimlich wird die Welt berathen Heimlich wie die Missethaten, Kommt Gesetz und kommen Lehren (Nr. 34)
Als einen Hauptgrund für diese »Heimlichkeit« machte Arnim die Unterdrückung der Pressefreiheit verantwortlich, denn damit habe »auch diese Stellvertretung der öffentlichen Meinung« (Nr. 37) gefehlt. Arnim identifizierte in seinen Tischreden also keineswegs die Presse mit der »öffentlichen Meinung«, sondern gebrauchte den Ausdruck als Synonym von »Volksmeinung« oder auch »Volkes Stimme«. Damit folgte er der zu seiner Zeit gültigen Bestimmung des Begriffs, der erst nach der Französischen Revolution durch Forster und Garve in die deutsche Sprache eingeführt 128 und 1798 von Wieland in einem seiner politischen Dialoge behandelt worden war. Darin versucht einer der Sprecher seinem Gesprächspartner, der die Existenz der »öffentlichen Meinung« beim Volke, das nur »blindlings hinter einem Anführer« hertrabe, bezweifelt hatte, durch eine genauere Definition des Begriffs zu antworten: Ich meines Orts verstehe darunter eine Meinung, die bei einem ganzen Volke, hauptsächlich unter denjenigen Classen, die, wenn sie in Masse wirken, das Uebergewicht machen, nach und nach Wurzel gefaßt, und derge128
Vgl. Hölscher (1980), Sp.
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ιοιγί.
stalt überhand genommen hat, daß man ihr allenthalben begegnet; eine Meinung, die sich unvermerkt der meisten Köpfe bemächtigt hat, und auch in Fällen, wo sie noch nicht laut zu werden wagt, doch, gleich einem Bienenstock der in kurzem schwärmen wird, sich durch ein dumpfes, immer stärker werdendes Gemurmel ankündigt; da sie dann nur durch einen kleinen Zufall Luft bekommen darf, um mit Gewalt hervorzubrechen, in kurzer Zeit die größten Reiche umzukehren, und ganzen Welttheilen eine neue Gestalt zu geben. 1 2 '
In der Mißachtung einer solchen allgemein im Volk verbreiteten Meinung durch die Herrschenden, sah Wieland den wahren Grund für den Ausbruch der Französischen Revolution. Arnim bezeichnete in einem ähnlichen Sinn die mangelnde Berücksichtigung der »Volksmeinung« als Grund für die Niederlage des preußischen Heeres bei Groß-Görschen und für die verpaßte rasche Neuordnung Deutschlands: »Es ist ein fester Glaube in mir, [...] daß Preussen bei Lützen gesiegt hätte und der ordnende Mittelpunkt von ganz Deutschland geworden wäre, daß es weder der müssigen Quälerei des Wiener Congresses noch der Ungewissheit über alle seine künftigen Verhältnisse unterworfen worden sey, wenn es in jener Zeit sich eine Verfassung durch öffentliche Verhandlung gebildet hätte« (dieses und die folg. Zitate: Nr. 37). Seiner Forderung nach »öffentliche[r] Verhandlung« widersprach nach Arnims Ansicht ein Regierungsstil, der zum einen geprägt war von herkömmlichem staatlichem Despotismus (»älterer Willkürlichkeit in Staatseinrichtungen«), d. h. einer hermetisch vom Volk abgeschlossenen Verwaltung, deren engerer Kreis allein die Reformgesetze berät und beschließt. Dazu kamen zum anderen »neuere Sonderbarkeiten«, die in einer laut Arnim bloß »sogenannte[n] Nationalrepräsentazion«, »von deren Arbeiten dem Volke« nichts bekannt geworden sei »als die Unterhaltungskosten«, und in der Einführung der »Amtsblätter« bestanden, die nur Gesetze publizierten, »ohne sie zu rechtfertigen und ihren Raum mit Steckbriefen, Schulmeisterpromotionen, mit Theeranstrich und dergl. füllen, die das Gehässige an sich tragen, gekauft werden zu müssen und deswegen von keiner Gemeinde gelesen werden«. Preußens Herrschaft über Sachsen und Schwedisch-Pommern sei daher als »neuerungssüchtig und willkührlich, als scheinständlich, scheinpressfrey« empfunden worden.
" » Wieland, Sämmtliche Werke, Bd. 32, S.
192Í
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In einer Situation, in der »Volkes Stimme« nicht zu hören gewesen sei, weil es keine wahre Nationalrepräsentation und keine wirklich freie Presse gegeben, also eine Stellvertretung der öffentlichen Meinung gänzlich gefehlt habe, wollte Arnim die Gründung der deutschen Tischgesellschaft als eine Art Ersatz dieser der preußischen Gesellschaft im Ganzen mangelnden Repräsention verstanden wissen. Daher betonte er den Charakter des Vereins als »gemischtefr] Gesellschaft« von »einander wenig bekannten Menschen« und auch die hohe Zahl der Mitglieder. Ziel sei u.a. gewesen, herauszufinden, ob so viele Teilnehmer zu einer »Berathung über Gesetze« in der Lage wären, 1 ' 0 »ob [...] wohl eine öffentliche Anerkenntniß des Christlichen und Deutschen unter so vielen« denkbar sei und »ob sich eben so allgemein die Verachtung gegen erstorbenen Mechanismus in der Welt gegen das Judenthum und gegen das Philisterthum« und die »Verehrung« gegenüber Tradition und Herkommen, d.h. vor allem für das preußische Königshaus, ausdrücken könne. Der Ausdruck »Berathung über Gesetze« meint in erster Linie die in den Vereinsstatuten festgelegten »Gesetze« der Versammlungen, mit denen der Geselligkeit eine strengere, bis in die Details geregelte Form sozialer Organisation verliehen wurde. Doch der Kontext von Arnims Tischrede legt bewußt ein weiteres Verständnis nahe, das auch Diskussionen über die staatliche Gesetzgebung einbegreift, wie sie in der Tischgesellschaft ja nachweislich stattgefunden haben. 131 Damit beanspruchte Arnim für den Verein den Charakter einer Art von Ersatzparlament. Als Stellvertretung der öffentlichen Meinung sollte die deutsche Tischgesellschaft darüber hinaus zeigen, ob in zentralen Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung eine öffentliche Meinung vorhanden wäre. Öffentliche Meinung ist in diesem Verständnis eine Meinung, die von einer gesellschaftlich dominanten Gruppe geteilt und für welche der Anspruch erhoben wird, allgemein zu sein; kann sie nicht mehr als bloße Privatmeinung oder als unbedeutende Ansicht einer Minderheit zurückgewiesen werden, so hat sie für sich schon das Attribut »öffentlich« durchgesetzt. Von einer Avantgarde formuliert und ursprünglich nur von dieser vertreten, kann der Meinungs-Funke zum entsprechenden historischen Zeitpunkt auf das Volk überspringen und damit die anfängliche Ansicht von Wenigen als öffentliche Meinung erweisen. 130 131
Dieser Aspekt der Absichten Arnims wird betont bei Knaack (1976). Vgl. außer Nr. 37 z.B. den Bericht Varnhagens, Werke, Bd. 5, S. 24L
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Gerade das nicht verborgene, sondern in einer großen Versammlung geäußerte Eintreten für das Christliche-Deutsche, für die preußische Krone, gegen Juden, Philister und gegen die Franzosen gehörte unabdingbar zum Gelingen des sozialen Experiments. Konkrete politische Manifestationen, etwa Aufrufe zum Widerstand gegen die Besatzungsmacht waren dagegen undenkbar, wenn das Ziel einer Prüfung der öffentlichen Meinung nicht aufgegeben werden sollte: »Politische Wirksamkeit muste wegen der Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden;« denn: »gegen Frankreich in einer Gesellschaft etwas Geheimes, wie es die Zeit forderte, wirken zu wollen, die jedem Gast und vielen Dienern zugänglich war, konnte nur thörigten Schwätzern und französischen Spionen einfallen, die darüber in unseren öffentlichen Blättern, sogar im Moniteur sich äusserten«. Für die notwendigerweise begrenzte Öffentlichkeit der deutschen Tischgesellschaft blieb der Anspruch auf Stellvertretung der öffentlichen Meinung erhalten, da die gesellschaftlichen Institutionen, denen Arnim eine derartige Funktion zugesprochen hätte, entweder (wie im Falle der Verfassung als einer tatsächlich repräsentativen Nationalversammlung) noch nicht existierten oder (wie im Falle der unter der Kuratel der Zensur stehenden »öffentlichen Blätter«) in den Zeiten einer obrigkeitsstaatlichen Unterdrückung ein falsches und einseitiges Bild, wenn nicht gar ausschließlich die Urteile der feindlichen Macht verbreiteten. Es war vor allem diese erzwungene Einseitigkeit des Massenmediums Presse, der Arnim eine stumme »Volksmeinung« entgegenstellte, der die deutsche Tischgesellschaft eine Stimme verleihen sollte. 132 Das in einigen Fällen als demonstrativ erscheinende Auftreten der Tischgenossen läßt sich in diesem Zusammenhang als bewußter Versuch verstehen, öffentliches Aufsehen zu erregen. Wer in Trinksprüchen und Tischreden, durch einen während der Versammlungen in der Mitte des Tisches ausgestellten Schinken, an einem ganz und gar nicht geheimen Ort wie einem Wirtssaal immer wieder den Ausschluß von Juden aus seinen Versammlungen verkündete, nahm eine öffentliche Reaktion 132
Bei diesem Rekurrieren auf die »Volksmeinung« handelt es sich also um eine Konsequenz aus der politischen Situation von Unterdrückung der Pressefreiheit und polizeistaatlicher Kontrolle und nicht etwa um eine bloß reaktionär-weltanschauliche Anknüpfung der »politischen Romantik« an »Rousseau'sche Elemente«, »um die öffentliche Meinung mit dem stummen Volksgeist zu identifizieren« (Habermas, 1980, S. 126).
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ohne Zweifel nicht nur in Kauf, sondern wollte sie bewußt provozieren. Es sollte bekannt werden, daß in der preußischen Hauptstadt eine Vereinigung prominenter Bürger sich offen gegen die dominante soziale Tendenz der Akkulturierung und die Politik der Emanzipationsgesetzgebung stellte. Daß man sogar in den »Mund der Journale« geriet, bestätigte, auch wenn Beckedorff und Arnim sich darüber empört zeigten, die öffentliche Wirkung des Vereins. Dies deutet darauf hin, daß das ambitiöse Ziel Arnims, mit der deutschen Tischgesellschaft eine neue Stellvertretung der öffentlichen Meinung zu schaffen, tatsächlich erreicht worden war. Das auf den Versammlungen öffentlich Geäußerte konnte offensichtlich nicht mehr wie irgendeine unbedeutende Privatmeinung ignoriert werden.
5. Organisationsstruktur und Versammlungsablauf Mit der raschen und oft geradezu pedantischen Festlegung verschiedener Funktionsrollen und deren Aufgaben entspricht die Tischgesellschaft ganz den Traditionen des bürgerlichen Vereinswesens. In vielen hier noch zu erläuternden - Punkten könnte die »Zeltersche Liedertafel«, der ja mehrere Mitglieder entstammten und in der auch Arnim und Brentano zu Gast waren, direkt als Modell gedient haben.133 Der »aus Mitgliedern der Faschischen Singakademie zusammengetretene [...] Männerverein« 134 hatte im Gegensatz zur Tischgesellschaft eine auf nicht unter fünfundzwanzig und nicht über dreissig festgelegte Zahl und in der Bestimmung, daß es sich um Sänger, Dichter oder Komponisten handeln sollte, zudem eine klarere Eingrenzung der Mitglieder. Man versammelte sich einmal im Monat, an einem Dienstagabend bei Wein und Essen zum »deutschen Liedergesang«; 135 jeden zweiten Monat ließ man Gäste und darunter auch Frauen zu. Der Verein hatte keine ausführlichen Gesetze, jedoch besaß die Liedertafel eine »Verfassung«, welche die verschiedenen Funktionen bei den Versammlungen in einer der Tischgesellschaft sehr ähnlichen Weise festschrieb: 133
In der Musikabt. der Staatsbibliothek, Berlin, befinden sich die Verhandlungen der Liedertafel·, genaue Protokolle der Versammlungen der Jahre ab 1809 bis c. 1 8 1 5 (Hinw. v. H. F. Weiss). I3 t Liedertafel (1818), S. III. " 3 ' Liedertafel (1818), S. III.
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U m den Gesang zu leiten, wird jährlich ein Meister gewählt, dem für den Fall seiner Abwesenheit ein Bei-Meister zugeordnet ist. Der Tafel-Meister besorgt die äußeren Verwaltungsgeschäfte, und verabredet mit dem (guten) Wirthe die Einrichtung der Tafel. Der Schlüssel-Meister hält die Noten im Verschluß [...] Der Schreiber endlich hat die Pflicht, die jedesmal gesungenen Lieder aufzuzeichnen, und ein Bild von dem ganzen Hergange in einem mit guter Laune gewürzten Aufsatze (Protokoll genannt) bei der nächsten Versammlung ohne Gäste, vor Augen zu stellen. 136
Besonders die regelmäßige Führung eines Protokolls der Versammlung, von dem eine humoristische Schilderung erwartet wurde, sowie die gleichfalls in den Akten der Liedertafel 137 erwähnte Institution des Zirkulars, mit welchem schriftlich über Entscheidungen des Vereins abgestimmt wurde, waren für die Versammlungsorganisation der Tischgesellschaft vorbildlich. Die Gründungsstatuten (Nr. 3) der Tischgesellschaft beschränkten sich noch auf die Festlegung des »Sprecher«-Amtes. Der Sprecher war eine Art Vereinsvorsitzender, dem die Aufgabe der Versammlungsleitung zufiel. Er hatte als erstes die Aufgabe, das »Tagblatt«, d. h. das Sitzungsprotokoll zu führen. Hierin waren neue, von der Versammlung beschlossene »Gesetze« (Statuten) einzutragen und ferner die eventuell gehaltenen Reden, »allgemeine Mitteilungen«, worunter man Hinweise auf Kunst, Bücher oder auch mögliche Liedgesänge verstand. Das Tagblatt verzeichnete neu aufgenommene Mitglieder und die tatsächlich anwesenden Mitglieder und Gäste. Von den Tagblättern der Tischgesellschaft haben sich außer dem Protokoll der Gründungssitzung (Nr. 3) zwei Entwürfe Fichtes (Nr. 29) für das Tagblatt zur Sitzung im Sommer 1 8 1 1 , auf welcher er das Amt des Sprechers übernommen hatte, erhalten.13® Der Sprecher hatte das Nichterscheinen von Mitgliedern, die sich angemeldet hatten, festzustellen und dafür, wie für das Zuspätkommen, die entsprechenden Strafgelder zu erteilen. Der Sprecher mußte zweitens mit dem Gastwirt verhandeln; er sprach aufgrund der Unterschriften auf dem sog. »Umlaufzettel zur Anmahnung der Gäste«, bzw. dem »cursierenden Einladungszettel« (Nr. 6)
136 137 138
Liedertafel (1818), S. IV. S. Anm. 133. Die Tagblätter Fichtes sind auf Blatt 2vs. von S P K A 48 im Fichte-Nachlaß überliefert; vgl. den Kommentar in: Fichte, Werke, II., Bd. 12, S. 385.
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die Zahl der Gedecke und die Größe der Tafel mit dem Wirt ab. Wahrscheinlich gehörte dazu auch die Bestimmung des Menus, auf das bei der Tischgesellschaft, die sich ja ausdrücklich als »Eßgesellschaft«' 39 verstand, besonderer Wert gelegt wurde. So stellte z.B. Arnim
1815
(Nr. 37) bei einem Besuch in der Tischgesellschaft nach einer längeren Abwesenheit fest: Selbst der irdische Genuß sinkt bey so kleiner Zahl immer tiefer, grosse seltsame Schüsseln sind dann schwer zu unternehmen und so wenig die Gesellschaft auf den Speisemeister Rücksicht zu nehmen hat, desto mehr Rücksicht verdient die Zufriedenheit der Mitglieder, von denen mancher durch eine schlechte Mahlzeit zurückgeschreckt der Treflichkeit aller folgenden w o grössere Zahl sich versammelt, absagtf.] U m dem vorzubeugen, würde er in der Gesellschaft einen wohlerfahrenen und bewährten Mund als Schmecker zu erwählen rathen, daß jede Gesellschaft durch ein besonders seltenes Gericht ausgezeichnet würde, das durch den Umlaufzettel zur Anmahnung der Gäste bekannt gemacht werde, wie das zum Erstenmal aufgeführt auf Komödienzetteln [...] Wie reichhaltig könnte nachher das Tageblat durch Beurtheilung dieser Schüsseln werden. Gleichfalls zentrale Bedeutung maß die Tischgesellschaft auch der Qualität des Weines zu; es wurde daher von Arnim zur Wiederbelebung der Vereinsgeselligkeit mit Nachdruck vorgeschlagen, Einen Gesundheitenwein, kein Gesundheitswein anzuschaffen, aber doch ein solcher, wobey allen gleich wohl wird auszukosten und auf gemeinsame Kosten anzuschaffen, vorläufig würde nur für die nächste Zusammenkunft verlangt, daß ein jeder auf geschriebenem Zettel mittheilte, was er am liebsten trinke, w o und zu welchem Preise der Wein zu bekommen, um den Geschmack der Gesellschaft daraus kennen zu lernenf.] Drittens hatte der Sprecher »alle öffentlichen Verhandlungen zu ordnen«; er sollte die Diskussionen leiten, die in der Anfangszeit vor allem Vorschläge zur Änderung der Statuten und die Entscheidung über neu aufzunehmende Mitglieder betrafen. Als Versammlungsleiter, der für Ruhe und Ordnung bei den Debatten zu sorgen hatte, bediente er sich einer Glocke und saß auf einem erhöhten Sitz, wie es Arnim bei einem
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Arnim an Reimer, Ende 1 8 1 0 (s. Anm. 6). Arnim spricht in einem Brief an Jacob und Wilhelm Grimm (Jahreswende 1 8 1 0 / 1 1 , D. in: Steig, 1904, S. 95) ironisch von einer »Freßgesellschaft«.
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der ersten Treffen vorgeschlagen hatte: »Dem Sprecher miiste ein hoher Stuhl geliefert werden, daß er ohne aufzustehen die Gesellschaft überschauen könnte; diese Einrichtung findet sich auch im brittischen Parlament.« (Nr. 15) Zum Aufgabenbereich des Sprechers gehörte auch das Ausgeben der Trinksprüche, die in konzentrierter Weise das Identifikationspotential der Gesellschaft - etwa in ständig wiederkehrenden Toasts auf die preußische Krone - freizusetzen hatten. 140 Vierte und letzte, in einem Verein keineswegs unwichtige Aufgabe des Sprechers war es, die Kasse zu führen und der Gesellschaft regelmäßig einen Kassenbericht zu erstatten. Das Amt des Sprechers, das selbstverständlich nur von Personen übernommen werden konnte, die Ansehen und Autorität unter den Mitgliedern genossen, wurde in den Anfangsmonaten bis zum 18. Juni 1 8 1 1 von Georg Philipp Ludolph Beckedorff ausgefüllt. Danach hatte interimsmäßig Arnim die Sprecher-Rolle übernommen, die er noch im Sommer 1 8 1 1 an Fichte abtrat. Die Amtsübergabe hat Fichte in seinem Tagblatt beschrieben: Im ersten Spr[e]chbanne hatte Herr v. Afrnim] die Güte, die Verlesung des alten Tagebuches zu übernehmen. Der neue Sprecher eröfnete darauf seine Laufbahn nach einem kurzen Zuspruch in eigentlichen Knittelversen. [...] Nach diesem Zuspruche wurden auf das Wohlbefinden der K[rone] mit sichtbarer Wärme die Gläser angestossen: [wor]auf Herr v. [Arnim die] Gesundheit des neuen Sprechers ausbrachte. Im [zweiten] Sprechbanne folgten dem abgegangnen Sprecher unter Gläserklfingen] die herzlichsten Wünsche, und die Herren dieser Gesellschaft [ließen ihn] hochleben. [Nr. 29]
Bald nach der Gründungssitzung, unter Umständen bereits auf der zweiten Sitzung, wurde das Leitungsgremium der Gesellschaft, der »Gesetzgebende Ausschuß« beschlossen 14 ' oder sogar schon gebildet. Dieser Ausschuß bestand aus vier Mitgliedern und hatte über die Organisation der Versammlungen sowie die Einhaltung der Statuten zu wachen, entsprach also einem Vereinsvorstand. Dem Gremium kam - wie Arnim in seinem Gedicht »Die Glockentaufe« (Nr. 18) andeutet - offensichtlich eine angesichts der immer zahlreicher besuchten Versammlungen notwendig gewordene Entlastungsfunktion zu, da Verfahrens140 141
Vgl. dazu Kap. III.2.1. Jedenfalls wird schon in Brentanos erster Tischrede vom 1. Februar 1 8 1 1 (Nr. 6) ein »Ausschuß« erwähnt.
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oder auch Terminfragen sich nur noch schwer in einem so großen Kreis entscheiden ließen: Ich höre von Gesetzen sprechen/ Noch eh der Braten abgenommen,/ A c h wollt ihr die Gesetze brechen,/ Noch eh wir satt sind ganz vollkommen./ Der Ausschuß kann Gesetze brechen/ Mit weiser Hand, zur rechten Zeit/ Doch wehe wenn in Flammenbächen/ Die Leidenschaft sich selbst befreyt,/ Und w o Parteien erst geboren,/ Da bricht bald an der Tag des Zoren.
Der Sprecher Beckedorff legte ganz in diesem Sinne seinen Vorschlag, den Versammlungstermin, der im April 1 8 1 1 auf einen Dienstag der österlichen Fastenzeit in der Karwoche gefallen wäre, auf den darauffolgenden Dienstag zu verschieben, nicht allen Tischgenossen, sondern nur dem Ausschuß vor (vgl. Nr. 16). Einem Vorschlag Brentanos folgend (Nr. 6), wurde nach der zweiten Sitzung das Amt des »Schreibers« eingeführt, dessen Aufgabe in der Führung des »großen Buch[s]« bestand. In dieses »Foliobuch mit grünem Schnitt« 142 sollte die jeweils »beste Geschichte« des Tages eingetragen werden. Zumindest vorgeschlagen wurde auch ein »Oekonom der Gesellschaft« (Nr. 7), der die von der Tischgesellschaft aufgegebenen technischen Arbeiten leiten sollte. Für diese Rolle wurde im Gründungsjahr der Postrat und dilettierende Physiker Pistor empfohlen. Eine Aufgabe zur Unterstützung des Sprechers bei erregten Debatten, die aus der Kontrolle zu geraten drohten, hatten die sog. »Besänftiger« zu übernehmen, die gleichfalls schon in den Anfangsmonaten von der Gesellschaft gewählt worden waren: »die Gesetzgebung schritt fort. Besänftiger wurden ernant zur Stillung grosser Unruhen«. (Nr. 37) Während dem Sprecher die grundsätzliche Moderation während der Diskussionen oblag, hatten die Besänftiger angesichts der großen Zahl der Teilnehmer die Aufgabe, vor allem eine akustische Eskalation zu verhindern, etwa in bei äußerst lebhaften Diskussionen, wie sie in Fichtes Tagblatt witzig beschrieben sind: Es ist eine schon vielmal gefühlte Unbequemlichkeit, daß beim Beratschlagen in Gesellschaft sehr viel Zeit dadurch verlohren geht, daß nur einer nach dem andern redet, u. so gegen alle Regel der Sparsamkeit die kostbare Zeit immer nur durch Eines Rede ausgefüllt wird. Man hatte den kühnen 142
Steig (1901), S. 30. Auf den offensichtlich aus diesem Schreibheft herausgerissenen Blättern, die sich in der Varnhagen-Sammlung erhalten haben, finden sich allerdings nur noch einige von Brentano und Arnim vorgetragene Schwanke (s. Nr. 9).
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Gedanken, das dadurch Zeit gewonnen, daß sehr viele zugleich redeten, und um sicher verstanden zu werden, mit aller Anstrengung ihrer Stimme. Es fand sich aber, daß auf diese Weise gar keiner verstanden wurde, welches, da es doch der Zweck des Redens ist, gehört zu werden, mit die Erörterung vereitelte. (Nr. 29)
Arnims Gedicht >Die Glockentaufe< (Nr. 18), das Schillers >Lied von der Glocke< parodiert und sich auf die Namensgebung für die Sprecherglocke bezieht, gibt ein ausführliches und verläßliches Bild des typischen Ablaufs der Versammlungen. Eröffnet wurde die Versammlung der Tafelrunde durch das Läuten der Glocke, mit dem der Sprecher das Auftragen der Suppe ankündigte. Erst nach dem Verzehr der Suppe durften allgemeine Debatten geführt werden, eine Bestimmung, die schon in den Gründungsstatuten ausdrücklich festgeschrieben worden war: »Alle Verhandlungen über die Gesetze geschehen nach der Suppe«. (Nr. 3) Nur der Sprecher durfte sich schon zu diesem Zeitpunkt an die ganze Versammlung wenden, indem er die Liste der Angemeldeten verlas, Verspätungen feststellte und die Strafgelder zuwies. Es darf nicht vergessen werden, daß allen Bestimmungen und Gesetzen der deutschen Tischgesellschaft tendenziell immer auch ein ironisch-unernster Akzent eignet, der derartige strenge Regeln unterläuft und der selbstverständlich bei diesen besorgten Hinweisen auf das ungestörte Verspeisen von »Suppe« und »Braten« mitschwingt. Dennoch ist der explizite Vermerk in den Statuten zugleich Indiz für den rituellen Kern einer Eßgesellschaft, die durch das »friedliche« gemeinsame Mahl, in der Form einer säkularisierten Kommunion, sich zu einer Gemeinschaft konstituiert. Durch die rituelle Wiederholung des zunächst noch ohne Debatten und Diskussionen in gleichsam andächtiger Stille sich vollziehenden Essenbeginns bestätigten sich die Versammelten ihre Einheit und ihren gemeinschaftlichen Zusammenhalt. Nach der Suppe wurde der Wein gereicht, die Diskussionen konnten beginnen, wie Arnim anmerkt, zunächst vor allem über die Qualität des Weins: Wenn erst der Gute ausgeleeret Und dann der saure kommt bescheeret, Da rufet der betrogne Freund: Ach hätt ich das von dir gemeint, Daß du den Guten mitgenossen Und mir jezt schlechten eingegossen!
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Klopfend mit dem Messerrücken Mahnt der Sprecher jezt zur Stille, Bald wird Glockenschall beglücken, Wenn uns tönt sein ernster Wille, [•··] Nur durch der Erde tiefsten erznen Mund Thut sich die Macht der Erde allen kund, Nur durch Besänftiger bezwingt die Liebe Der freyen Rede wilde Frühlingstriebe. Bevor zu neuen Vorträgen oder Tagesthemen übergegangen werden konnte, hatte der Sprecher zunächst das Tagblatt über den Verlauf der letzen Sitzung zu verlesen. Diese Amtshandlung verzeichnet auch Fichte ausdrücklich in seinem ersten Tagblatt-Entwurf nach Übernahme des Sprecheramtes: »Im ersten Sprechbanne hatte Herr v. Arnim die Güte, die Verlesung des alten Tagebuches zu übernehmen.« (Nr. 29 V i ) Nach Verlesung des Protokolls gab der Sprecher zunächst den Bericht über den Kassenstand. Darauf folgte dann der erste öffentliche Auftritt eines Mitglieds vor der Versammlung durch Vortrag eines Gedichts oder einer scherzhaften Tischrede, nach der das Hauptgericht aufgetragen wurde: Und der Vorleser mit frohem Blick Von der Stime breitem Giebel Ueberschaut sein blühend Glück, Zählet der klatschenden Hände Menge, Nimmt von des Fleisches saftgem Gedränge Rühmt sich mit vollem frohen Mund: Fest wie der Erde Grund Steht der Gesellschaft Pracht, Alles hat mitgelacht! Danach erst schritt man zur Diskussion über »Gesetze« fort; Änderungsvorschläge zu den Statuten oder zu anderen Aspekten des Versammlungsablaufs konnten auch in der Form von Zirkularen geschehen, die während der Versammlung zur schriftlichen Abstimmung herumliefen oder schon der Einladung beigefügt worden waren. 1 4 3 Die Debatten 143 Vgl. Nr. 6, Brentano: »Aus reiflicher Ueberlegung alles dessen nun legt ein Mitglied, der Gesellschaft oder dem Ausschusse folgende Vorschläge zur äußeren Verzierung und Ergötzlichkeit der Gesellschafft, welche nach seiner Meinung als deutsche, und christliche und also als keine Gesetzlose, auch als keine kunsdose erscheinen kann, wohlmeinend vor, und bittet den Herrn Sprecher selbige, sollte wegen zu naheliegendem Haubtzwecke des 62
waren anscheinend oftmals sehr erregt, besonders wohl wenn der Philisterscherz entsprechend den Ausschlußbestimmungen zur Sammlung von Unterschriften führte, mit denen ein Mitglied als Philister denunziert werden sollte: Ich sehe weisse Zettel reichen, Aus Hand in Hand, Seh einen zu dem andern schleichen Und blasen diesen heissen Brand, [···] Keiner höret, jeder schreiet [...] Gefährlich ists den Leu zu wecken, Gar grimmig sind des Tigers Zähne, Jedoch das schrecklichste der Schrecken Das sind die unterschriebnen Zehne, Die zum Philister kühn erklären Den andre in den Bund begehren; Da zünden sich des Streites Flammen, Sie leuchten nicht, sie können zünden, Ach möchten sie ihn schuldlos finden, Den zum Philister sie verdammen. Im Wechselspiel von »Ernst und Scherz« hatte der Trinkspruch auf die Krone die Funktion der innehaltenden Besinnung auf den patriotischen Vereinszweck: Heiige Ordnung, segensreiche Himmelstochter, die das Gleiche Frey und leicht und freudig bindet, Die Gesellschaft hat begründet Und das Theuerste der Bande Wob den Trieb zum Vaterlande, Ehrt den König und die Krone Schellet jezt mit höchstem Tone, Hoch und abermals hoch und immerdar hoch. (Allgemeines Anstossen.) Zu den Requisiten gehörten bei den Versammlungen der Tischgesellschaft neben der Sprecherglocke auch die persönlichen Trinkgläser, auf die - durch Vermittlung des »Ökonomen« Pistor - ein eigener »deutEssens heute in der Versammlung selbst keine öffentliche Meinung über die selbe zu Stande kommen können, bei dem nächstens cursirenden Einladungszettel versiegelt zur Bei oder Abstimmung umlaufen zu lassen.« 63
scher christlicher Kernspruch« (Nr. 6) eingeschliffen werden konnte. Dieser Spruch konnte bei passender Gelegenheit auch als Toast angebracht werden. Art und Gestalt derartiger Identifikationssymbole (und auch der Umgang mit diesen) sagen oft genau so viel über eine Gruppe aus wie die von ihr veröffentlichten Schriften. Auf derb-witzige Art wollten die Tischgenossen nach einem Vorschlag Beckedorffs die »Verbannung der Juden« von ihrem Tisch symbolisiert sehen:' 44 »Nein! kein Beschnittener nahet diesem Tische, und zum ewigen Schrecken für sie, uns aber zur Erinnerung unsrer Gesinnung stehe künftig immer auf diesem Tische ein großer Schinken, gleichviel ob frisch oder geräuchert, roh oder gekocht, in einer Pastete oder mit einem Guß, nur daß ich aus patriotischen Rücksichten einen ächten Pommerschen lieber sehen würde, als einen noch so fetten Westphälischen.« (Nr. 20) Es entspricht der zentralen Rolle des Trinkspruchs für eine Vereinigung, die sich zum gemeinsamen Essen versammelt, daß sich in den Dokumenten der Tischgesellschaft Spuren einer sich recht lang hinziehenden Auseinandersetzung über die Wahl eines Schankkruges finden. Wollte man nicht riskieren, das Glas leer zum Toast zu erheben, mußte ein Gefäß zum Nachschenken des Weins stets mit auf dem Tisch stehen. Brentano machte im Frühjahr 1 8 1 1 den Vorschlag zur Anschaffung eines »Prachtbechers« (Nr. 15), den er sich als »ein kunstreiches Trinkgeschirr altdeutscher Art von echtem Metall« vorstellte, das immer im Zentrum der Tafel stehen sollte »als ein ergötzliches Wahrzeichen und Angedenken ihrer wohlmeinenden Vereinigung« (Nr. 6). Für diesen Krug wurde gesammelt, doch zunächst begnügte man sich damit, »ein weites Interims Glas als Schankbecher vor jeder Gesundheit umher gehen zu lassen« (Nr. 15). Schließlich »verzögerte sich durch Uneinigkeit über die Gestaltung dieses Bechers der ganze Plan«, und man verzichtete auf den Erwerb dieses Requisits. Ein vergleichbares Identifikationssymbol verschaffte sich hingegen zwei Jahre später die Zeltersche Liedertafel mit dem zu Ehren des verstorbenen Mitglieds »Flemming« (der auch Mitglied der Tischgesellschaft war) getauften und von Schinkel entworfenen »Willkommenpokal«. 145 Der »Flemming« stand als ein mit
144
Vgl. auch Nr. 21 (Abschiedsgedicht an Beckedorff): »Ich verfluche/ Den Philister, der uns naht,/ Und die Juden, die verstecket,/ Hat der Schinken schon erschrecket,/ Der erscheint auf deinen Rath.« I4 » Kuhlo (1909), S. 4.
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Eichenlaub verzierter Prunkbecher 146 auch für die >altdeutsche< patriotische Gesinnung, 1 4 7 die sich schon im Gründungstag der Liedertafel, dem 24. Januar (also dem Geburtstag Friedrichs des Großen), sowie in ihren Statuten ausdrückte. 148 Daß die Liedertafel jedoch am Ende des ersten Befreiungskriegsjahres 149 sich für ein in erster Linie selbstbezügliches Gruppensymbol entschied, entsprach ihrem deutlicher auf private Geselligkeit ausgerichteten Vereinscharakter, der sich im »Schweigen über nationale und politische Ereignisse« 150 in den Protokollen der Jahre 1 8 1 3 - 1 5 widerspiegelt. A n dem ganz anderen Schicksal, das dagegen dem »Prachtbecher« der Tischgesellschaft beschieden ist, läßt sich der von den Tischgenossen vollzogene Übergang von privater Geselligkeit zu öffentlichem Wirken ablesen. In einem Umlaufschreiben vom I i . Februar 1 8 1 3 (Nr. 35) kommt Arnim auf die zur Anschaffung des Pokals gesammelten Gelder zurück und schlägt vor, damit die A u s rüstung eines Reiters für das Heer im Befreiungskampf zu bezahlen: War es in ruhigen Zeiten ein herrlicher Becher, der alle Geister der Nazion vereinigen sollte, so ist es gegenwärtig in kriegerischen Tagen das Heer tapferer Streiter, was alle Kräfte , allen Geist der Nazion sammelt und zu einem Zwecke verbindet, demnach wäre es kein Zufall, sondern eine ahndende Schickung, welche bisher die Ausführung des Bechers verhinderte und es ist die Erfüllung des ursprünglichen Planes, wenn dies Geld für das neu zu bildende Kriegsheer bestimmt wird. N o c h zwei Jahre darauf erschien Arnim die Realisierung dieses Vorschlags als eine der größten Leistungen der Tischgesellschaft überhaupt: Der Reiter kam mit Wunden und Ehre bedeckt nach dem Feldzuge heim und auch der von der Gesellschaft erkaufte Schimmel hatte alles Verderbli-
14,5 147
148
149
Abbildung in: Eichhorn (1970), S. 46. Zur Rolle der Sängervereine in der deutschen Nationalbewegung vgl. Düding (1984). Düding befaßt sich allerdings hauptsächlich mit der Turnbewegung, während die Sängerbünde von ihm erst für die Zeit nach 1824 ausführlicher behandelt werden. Im Satzungsentwurf von 1809 (zit. in: Kuhlo, 1909, S. 16) heißt es: »Gegenstände des Vaterlandes und allgemeinen Wohls in ihrem ganzen Umfange sind ihren Dichtern und Komponisten empfohlen [...]. Die Liedertafel sieht sich als eine Stiftung an, welche die ersehnte Zurückkunft des Kgl. Hauses feiert und verewigt, wie überhaupt das Lob des Königs zu den ersten Geschäften der Tafel gehört.« Flemming starb im Mai 1 8 1 3 , der Pokal wurde im Dezember desselben Jahres eingeweiht; dazu: Eichhorn (1970), S. 48. Kuhlo (1909), S. 55.
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che des Krieges glücklich überstanden, und freudig aus französischen Quellen seinen Durst gestillt. Hoch lebe der deutsche Ritter und sein treues Roß. Dies war ausser dem allgemeinen Triumphzuge über Frankreich eine der Freuden zu welchen die Gesellschaft als Gesellschaft noch aufgespart war[.] (Nr. 37)
6. Formen der Geselligkeit in der deutschen Tischgesellschaft Während die Texte der Tischgesellschaft umfassende Informationen über die Vereinsstatuten, den allgemeinen Versammlungsablauf und die gehaltenen Tischreden liefern, fehlen weitgehend Berichte über das tatsächliche Geschehen bei den einzelnen Eßgemeinschaften, ist man vor allem, was die bei Tisch geführten Gespräche betrifft, auf Vermutungen angewiesen. Kommentare wie derjenige des Altertumswissenschaftlers August Böckh, der seinem Freund Johann Georg Zimmer als eine Neuigkeit aus Berlin über die Tischgesellschaft berichtet, es gehe »recht Arnimisch darin z u « , 1 ' 1 dienten wohl mehr der Erinnerung an fröhliche Heidelberger Tage als einer Beschreibung der doch ambitionierteren Vereinigung in der preußischen Hauptstadt. 152 Eine genauere Beschreibung der verwirklichten und der vergeblich vorgeschlagenen Vereinsinitiativen versuchte Arnim in seinem Rückblick von 1815 (Nr. 37): Unser kleiner Freystaat hatte sich wohlgestaltet zu seinem Zwecke, zum Essen und Trinken, als es deutlich wurde, daß dieser Zweck allein in so karger Zeit, eine Gesellschaft nicht zusammenhalte, daß der mitgeborne Scherz über Philister und Juden seinen Kreislauf vollendet [...]. Politische Wirksamkeit muste wegen der Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden, es blieben also uns allgemeine deutsche Bestrebungen zur Wahl übrig, sey es für deutsche Geschichte, Kunst und Wissenschaft für Sprache oder andre 151
152
August Böckh an Johann Georg Zimmer, Berlin, 1. 5.1811, Zimmer (1888), S- 3°3. . . . Der Mittagstisch, der sich im Hause Zimmers versammelte, hat jedoch schon einiges mit der anspruchsvolleren späteren Vereinsgründung gemein: Auch in diesem Kreis, dem außer Böckh und Zimmer weitere junge Gelehrte wie der Theologe de Wette, der Philologe Creuzer und Görres angehörten, soll Arnim den Vorsitz geführt und sich besonders um die Einführung von Tischgesetzen bemüht haben. Es gab zudem z.B. eine Gemeinschaftskasse (den »Topf«), die sich vor allem durch Strafgelder für Zuspätkommen und für sonstige Verletzungen der spaßhaften Gesetze füllen sollte, deren Zweck aber, ganz akademisch-studentischem Ulk entsprechend, die Anschaffung eines Punschgetränks war (vgl. Becker, 1931; Knaack, 1976, S. 36). 66
allgemeine Bedürfnisse zu sammeln, zu wirken. Manches der Art wurde vergeblich in Vorschlag gebracht, insbesondre Gesang, andres wurde versucht, Kupferstiche aus älterer Art vorgezeigt, ältere seltsame Geschichten gelesen, lustige Anekdoten gesammelt, ein Berliner Idiotikon angelegt. Schon im letzten Satz des Gründungszirkulars (Nr. 2) wurde ausdrücklich auf den Gesang hingewiesen, und die Tatsache, daß dem >Stiftungslied< (Nr. 4) ein >Trinklied am Krönungstage< als Vorstufe zugrunde liegt, unterstreicht diese anfängliche Intention, den Chorgesang fest in der Geselligkeit der Tischgesellschaft zu verankern. In der zweiten Sitzung kam Brentano in seinen »Vorschlägen zur äußeren Verzierung« auf den Gesang zurück: 50. Wäre es sehr erwünscht, daß der in dem ersten Plane geäußerten Willkommenheit des Gesanges, welcher heutzutage nie recht von selbst kommen will, der Willen gebrochen, und das Kommen sehr nahe gelegt werde, denn Gesang ist die Seele des Mahls, und er zeichnet außer den Vögeln, den Menschen besonders aus. Die Gesellschaft umfaßt einige Musiker, und Sänger, und viele gesunde Stimmen und fröhliche Herzen, den ersten wäre das Vorsingen, den andern der Chor erfreulich, Poeten fehlen gar nicht, da kein einziger Philister nach den Statuten in der Gesellschaft sein kann, es fehlt daher nur ein engeres Einverständniß, um jedesmahl einen Rundgesang zu Stande zu bringen, nach neuer oder bekannter guter Weiße[.] Brentano wird die Meinung des Tischgenossen und Meisters der Liedertafel Zelter bekannt gewesen sein, daß vor allem der Gesang eine Eßgesellschaft vor der »Langeweile der Freßzirkel« bewahren könne, »wo nur der Nachbar käuend mit dem Nachbarn über Gewerbskrämerei, w o nicht vom Fräße selbst spricht«. 1 5 3 Angesichts der wohl stark schwankenden, anfänglich ziemlich hohen Zahl an Besuchern, war die Organisation eines der Liedertafel ähnlichen Chorgesangs kaum möglich. Immerhin versicherte Fichte in seiner Antrittsrede als neuer »Sprecher« der Gesellschaft im Sommer 1 8 1 1 : Zeigt gute Laune sich, oder Lieder Ton, Will ich, so gut ich kann mitsingen. (Nr. 28) Man hat sich offensichtlich also immerhin bemüht, ab und zu so etwas wie einen Rundgesang zustande zu bringen, insgesamt scheint man aber nicht über das sich bei Eßgemeinschaften, deren Fröhlichkeit von Alkoholgenuß unterstützt wird, in bestimmten Momenten leicht einstellende 153
Zelter an Goethe, Berlin, den 4. April 1810; Pfister (1987), S. 77.
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Gesangsbedürfnis hinausgegangen zu sein. Von seinem Lied >Dem 24Sten Januar i8i4< (Nr. 36), dem er die Melodie des Studentenliedes >Gaudeamus igitur< unterlegt hatte, berichtete Arnim freilich an die Brüder Grimm, daß er es in der Tischgesellschaft vorgelesen habe, es also nicht gesungen worden ist. 1 ' 4 Abgesehen von der zentralen Ausfüllung der geselligen Versammlung durch das gemeinsame Essen und Trinken war die Rolle der Tischgenossen diejenige des Publikums bei Aufführungen verschiedenster Art. Arnim erinnert im obenstehenden Zitat an die Vorstellung alter Kupferstiche, unter seinen Tischreden findet sich von dieser Vortragsart eine Erläuterung zweier während des Treffens ausgestellter Gemäldekopien (Nr. 33). Eine Einführung zu einem Spektakel mit dressierten Kanarienvögeln (Nr. 8) spricht für das weite Spektrum dieser Form von passiver Geselligkeit und beweist, daß die Gesellschaft offen war für ein rein scherzhaftes Unterhaltungsprogramm. Während derartige Darbietungen sicherlich eine willkommene Abwechslung bei den Versammlungen bedeuteten, so gehörte zur Geselligkeit der Eßgemeinschaft das Gespräch mit den Tischnachbarn und vor allem der sich an alle Versammelten richtende Vortrag der Tischrede.
é.i. Das Tischgespräch Freischweifende Konversation ist auf einer Versammlung, bei der das Essen eine feste Sitzordnung am Tisch vorschreibt, schon aufgrund der räumlichen Situation nur bedingt vorstellbar. Bei einer Besucherzahl von etwa fünfzig Teilnehmern war ein direktes Gespräch nur mit den unmittelbaren Tischpartnern möglich. Man kann wohl grundsätzlich davon ausgehen, daß im Zentrum der Unterhaltung der an die ganze Tischversammlung gerichtete Vortrag stand, der dann im engeren Zirkel der Tischnachbarn kommentiert wurde. Ein Beispiel gibt Varnhagens schon erwähnte Schilderung eines Besuchs der Tischgesellschaft am 2. August 1820: 155 Mit Herrn von Stägemann, Herr Prof. Benzenberg, Herrn Schulz, Herrn Dr. Erhard u.A. aß ich heute im Tiergarten in der christlich-deutschen Gesellschaft zu Mittag. Ich hörte den Auftritt vortragen, den es gegeben hatte,
154
Stiftung Preuß. Kulturbesitz Berlin, Nachlaß Grimm 647. ' » Varnhagen, Werke, Bd. 5, S. 2 4 L
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als Herr Oberpräsident von Heidebreck vor Kurzem die kurmärkische Landschaft endlich doch aufhob und die Kassen wegnahm. Die Sache wurde als lächerlich in ihren Einzelheiten geschildert, man lachte ungemein, allein im Ganzen schien mir der Vorgang ein trauriges Zeichen des Zustandes, in welchem der Staat sich befindet; ein Gewaltschritt mit gehässigem Hohn gegen das bisher gesetzlich Bestandene ausgeführt. Varnhagen kommentiert das im Vortrag Gehörte, indem er sich weniger über den Vorfall selbst, als über die Art und Weise des Vorgehens des Regierungspräsidenten gegenüber dem aufzulösenden Feudalinstitut empört. Darauf referiert er weiter: Herr von Stägemann sagte freilich, daß Herr von Heidebreck angewiesen gewesen, die sich als Bevollmächtigte der Landschaft darstellenden Personen anzunehmen und mit ihnen einzulassen, und daß derselbe nicht so habe verfahren sollen, wie er getan. Der Vortrag über ein politisches Ereignis, das scherzhaft geschildert wird und wobei das Lachen der Gesellschaft den Erfolg des Redners verbürgt, wird dann von einzelnen Tischgenossen besprochen, im Falle eines die Staatsangelegenheiten betreffenden Problems angesichts der Präsenz von wohlinformierten Regierungsvertretern wie Stägemann wohl auch durch genauere Informationen aus erster Quelle ergänzt. Varnhagens Bericht beschränkt sich aber nicht auf diesen Gegenstand, sondern erzählt von dem Fortgang der Tischgespräche: Herr von Staegemann findet den Kanzler nicht ganz so wohlauf [ . . . ; ] Herr Dr. Erhard spricht zum Lobe der Turner und behauptet, Preußen habe durch das Turnen ganz Deutschland gewinnen können [... ;] Man scherzt über die angeblichen Carbonari in Berlin [ . . . ; ] Herr Schulz versichert, alle Leute, selbst die gewöhnlichsten Philister, fingen nach und nach an, eine Konstitution zu wünschen [ . . . ; ] Herr Prof. Benzenberg, wenig gesprächig, äußerte sich mehrmals entschieden für die konstitutionellen Dinge [... ;] Herr von Winterfeld von der Witwenkasse soll unschuldig befunden sein [ . . . ; ] Herr Dr. Erhard ist auch der Meinung, daß die Freimaurerei sich auf indische Mysterien zurückführen lasse. Ungeachtet der auch bei einem so peniblen Chronisten wie Varnhagen vorauszusetzenden selektierenden Erinnerung, spricht die Breite der Gesprächsthemen doch schon für sich selbst: eine Mischung aus Klatsch über personelle Interna und Skandale, von politisch-ernsthafter Meinungsäußerung und Räsonieren über allgemeine gesellschaftlich-kulturelle Gegenstände, das Ganze gekennzeichnet von einem zwanglosen Übergang von Scherz zu Ernst. Im Kreis der Professoren und Verwal69
tungsbeamten verwundert das Übergewicht politischer Thematik nicht, Varnhagens Aufzählung vermittelt aber im übrigen nicht den Eindruck, als ob irgend ein anderes Thema allgemeineren Interesses von den Tischgesprächen hätte ausgeschlossen werden sollen. Man plauderte und scherzte über das, was gerade in Berlin aktuell war, gab Kommentare, die sich unter Umständen politisch weit vorwagten (so bei den erwähnten Äußerungen zur Verfassungsdiskussion). Im Kreis der Tischgenossen schien man sich dabei eines generellen Einverständnisses unter Gleichgesinnten sicher zu sein; rasch ging man allerdings auch von einem Thema z u m anderen über. Die Kommunikation in der Tischgesellschaft war nicht an einen bestimmten Z w e c k gebunden, sondern konnte im Grunde w o h l alles umfassen, was im weitesten Sinne zur Unterhaltung der Tischgenossen beitrüge. Dies rückt sie wieder in die N ä h e der Salonkonversation. D a ß jegliche Kunstthematik in Varnhagens Bericht fehlt, mag am Zufall der Unterhaltungen dieses Einzelfalls oder auch an der Zusammensetzung seiner unmittelbaren Tischpartner liegen; allerdings entsprach dies sicherlich eher der allgemeinen Inhaltstendenz für Tischgespräche in einem stärker politisch orientierten Verein, dem zu dieser Zeit die auf die Beschäftigung mit bildender Kunst und Literatur insistierenden Brentano und Arnim schon nicht mehr angehörten.
6.2. Die Tischrede Grundsätzlich war man sich in der Tischgesellschaft von Beginn an im Klaren darüber, daß gemeinsames Essen und Trinken und unausgesprochene gemeinsame Gesinnung auf die Dauer kaum als zusammenhaltendes Band ausreichen würden; vor allem Brentano forderte wiederholt die Tischgenossen auf, Geschichten und Schwänke vorzutragen, am besten aus dem Stegreif. »Durch eine solche allgemeine Mittheilung«, bemerkt Brentano, »wird eine Tischgesellschaft erst recht zu einer Tischgeselligkeit, und entgeht der Gefahr, nur eine Reihe nebeneinander essender Menschen vorzustellen.« 1 ' 6 (Nr. 9)
1,6
In diesem Zusamenhang zitiert der Katholik Brentano das protestantische Hausbuch: »Welch reiche Fundgrube des ernsten und fröhlichen Lebens thut sich uns nicht in Luthers Tischreden auf, sollten wir nicht aus dem Unsrigen auch ein[en] Schatz der Erinnerung unsrer Geselligkeit sammeln[J sey es der ernsten Weisheit, sey es der liebenswürdigen Thorheit« ? 7°
Die Texte der Tischgesellschaft bestehen aber keineswegs nur aus Schwankerzählungen u.ä., sondern umfassen darüber hinaus verschiedenste Textsorten wie Ansprachen im Ton wissenschaftlicher Abhandlungen, feierliche Hymnen, Lieder und schriftlich vorgelegte Beiträge verschiedenster Art über die Regelung des Vereinslebens, Vorschläge zu kulturellen Aktivitäten etc. Zur Ordnung dieses auf den ersten Blick recht disparaten Textmaterials bedarf es zunächst der Differenzierung zwischen den beiden Texttypen Tischrede einerseits und Zirkular oder Rundbrief andererseits. Der Rundbrief wurde den Mitgliedern bei den Versammlungen schriftlich vorgelegt und rief meist dazu auf, durch Pro- oder Contra-Unterschrift über bestimmte Handlungsentscheidungen der Gruppe abzustimmen. Diese Zirkulare sind durchweg kurz gehalten und beschränken sich auf die Darstellung der zu erörternden Sachverhalte ohne weitere poetische und bei meist begrenzter rhetorischer Ausschmückung. Sie wurden mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zusammen mit den Tagblättern aufbewahrt und sind gleich diesen nur in wenigen Fällen Beispiele erhalten geblieben (Nr. 16; Nr. 35). Alle übrigen Texte aber funktionierten als Tischreden, die uns in mehr oder weniger ausgearbeiteten Entwürfen oder nachträglichen Aufzeichnungen der Vortragsform überliefert sind. Ob diese Texte in die typologischen Zusammenhänge der lyrischen Poesie, des Kriegsgedichts, der Satire oder der politischen Rede gehören, ist erst nach ihrer gemeinsamen Einordnung in den Gattungsrahmen der Tischrede von Bedeutung. »Tischrede« 157 wird definiert als »Rede bei Tische« im Sinne der an eine am Tisch oder an Tischen versammelte Zuhörerschaft gehaltenen 157
Die folgenden Definitionsversuche wurden von mir z.T. auf dem vom Seminar für Rhetorik der Universität Tübingen veranstalteten interdisziplinären Kolloquium über >Topik und Rhetorik« in Blaubeuren vorgetragen (Nienhaus, 2000). Die berühmte Sammlung von Aurifaber: >Tischreden oder Colloquia Doc. Mart. Luthers, so er in vielen Jaren, gegen gelarten Leuten, auch frembden Gesten, und seinen Tischgesellen gefüret< aus dem Jahre 1566 hat den Begriff »Tischrede« wohl gestiftet. Aurifaber und seine Nachfolger hatten die Intention, den protestantischen Gläubigen ein nach Themen geordnetes Erbauungsbuch mit allgemein verständlichen, kernigen, meist sentenzhaften Aussprüchen des Reformators zu bieten. Bei diesen sogenannten Tischreden handelt es sich nicht um Reden im Sinne von A n sprachen, sondern um »Gespräche mit einem oder mehreren Partnern, auch wenn häufiger bloß Luthers Part, seine Aussprüche, festgehalten wurden« (Burger, 1973, S. 400). Die auf die Sammlung von Luthers Tischreden zurückgehende literarische Gattung umfaßt dementsprechend auch nur A u f zeichnungen vertraulicher Colloquia großer Zeitgenossen, wie etwa die Ge-
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Ansprache, d.h. ihre wesentliche Bestimmung erhält diese Gattung durch die Publikums- bzw. Aufführungssituation. Die üblichen Redetypologien helfen nur bedingt weiter. Grimms Wörterbuch weist auf die synonyme Verwendung von »Tischrede« mit »Festrede« und »Gelegenheitsrede« hin. 1 ' 8 Gelegenheitsreden, im epideiktischen Stil gehaltene Festreden jeder Art, kann man sich als Tischreden vorstellen. Ein Faszikel aus den Akten der Tischgesellschaft ist ausdrücklich mit dem Titel »Tisch-Reden der deutschen Tischgesellschaft vom i8ten Januar 1 8 1 1 bis« (Nr. 5) versehen. Darin ist ein sog. »Tafelspruch an unserem Bundestage« von Arnim enthalten, bei dem es sich um eine Lobrede in Form eines Trinkliedes auf die beiden »Dioskuren« Goethe und Schiller handelt. Dies macht schon deutlich, daß auch im Verständnis der Tischgesellschaft selbst die Tischrede verschiedenste Formen mündlichen Vortrags bezeichnen konnte: die eigentliche Gelegenheitsrede als Ansprache an die Versammlung, eine Erzählung, der Vortrag eines Schwanks oder auch eines Liedes. Einen besonderen Aspekt der Redekunst erfaßt man mit dem Terminus »Tischrede« allerdings erst dann, wenn man ihn von dem gesamten Komplex der Gelegenheitsrhetorik abrückt und sich dagegen eine Versammlungssituation vergegenwärtigt, die gerade nicht eindeutig - oder zumindest nicht ursprünglich - auf einen bestimmten äußeren Anlaß oder Zweck hin orientiert ist. Welchen Bedingungen - gilt es dann zu fragen - unterliegt nun die Rede bei Tisch, wenn man sie in erster Linie unter dem Gesichtspunkt betrachtet, daß sie sich an eine vor allem zum gemeinsamen Essen und Trinken vereinte Versammlung richtet? Ein wesentliches Merkmal für die Einbindung der Tischrede in den geselligen Hauptzweck besteht darin, daß sie um den Trinkspruch kreist, der als eine Art Ritual der versammelten Tafelrunde in den Reden leitmotivartig ausgesprochen wird. Der Sprecher Beckedorff erinnerte seine Tischgenossen ausdrücklich an dieses funktionelle Zentrum aller Reden (Nr. 20): »Heute zum letzten Male habe ich die Gesundheit der Krone in Ihrer Mitte ausgebracht.« Schon laut Vereinsstatuten (Nr. 3) gehörte es zu den wichtigsten Aufgaben des Sprechers, »die Gesundheiten auszubringen«. Die Berufung auf den obligatorischen Toast auf das
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spräche mit Friedrich dem Großen bei Catt und Lucchesini und Eckermanns >Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines LebensNeue Wege zu den Quellen des Wunderhorns. Die Originalbriefe und Steigs Publikation das Urteil, »daß Steigs Buch exakter wissenschaftlicher Forschung in keiner Weise dient«.4 In seinen Briefeditionen zitierte Steig meist nur bestimmte Abschnitte aus den Handschriften, während er andere kommentierend1 1 3 4
Schultz (1986), S. Ii. Steig (1894) sowie Steig (1904). Dazu: Kanzog (1979), Bd. 2, S. 217. Zit. nach Kanzog (1979), Bd. 1, S. 290, Anm. 53. 75
nacherzählend wiedergab; bewußt ließ er alle Passagen oder auch ganze Briefe aus, die nicht in sein Bild von A r n i m oder der Tischgesellschaft passten. 5 D a z u gehört z . B . ein Brief Brentanos an A r n i m v o m 3. Februar 1816, 6 worin v o m »Stiftungstag« der Tischgesellschaft die Rede ist, der »brilliant« gewesen sei und zu dem er (Brentano) zwei Lieder beigesteuert habe: Steig verschwieg diese Passagen, da sie nicht in seine Vorstellung von der A u f l ö s u n g der »Patriotengruppe« im Sommer 1811 (und damit in zeitlicher N ä h e zu Kleists Tod) paßten. Siebzig Jahre lang waren alle Untersuchungen zur Tischgesellschaft von Steigs unvollständiger und ideologisch bestimmter Edition der Quellen determiniert. Erst Heinz Härtl veröffentlichte 1971 einen großen Teil der bisher noch unbekannten Handschriften aus dem ArnimNachlaß, da es sich bei seiner Arbeit jedoch u m eine in Halle vorgelegte, maschinenschriftliche Dissertation handelte, bleib diese Erstedition w e sentlicher Dokumente zur Geschichte der Tischgesellschaft zunächst nahezu unbeachtet. 7 Eine weitere wichtige Rede aus dem Tischgesellschaft-Material wurde in der Hamburger Dissertation Jürgen Knaacks (1976) publiziert. 8 Korrekturen an den von Steig edierten Texten konnten erst mit der Ö f f n u n g der Krakauer Handschriftenbestände bei z w e i Zirkularen A r nims (Schultz, 1986) vorgenommen werden. Z w e i Tischreden Arnims, die sich mit dem Kulturprogramm der Tischgesellschaft befassen, w u r den v o m Verfasser 9 zugänglich gemacht. Die A k t e n der Tischgesellschaft sind aber viel umfangreicher als alles, was bisher seit Beginn des Jahrhunderts daraus veröffentlicht wurde. ' H. Schultz spricht im Vorwort seiner Neuausgabe des Briefwechsels (Schultz, 1998, Bd. ι, S. V - V I ) von einer »lückenhaften und tendenziösen Auswahlausgabe [...]. Steig versucht, mithilfe von kommentierten Briefzitaten und -montagen sein einseitiges, heroisch eingefärbtes Bild Achim von Arnims zu vermitteln. Im ersten Band des dreibändigen Werkes, das den umständlich-betulichen Obertitel Achim von Arnim und die ihm nahestanden erhielt, veröffentlichte er von den ihm zugänglichen Briefen nur sorgfältig ausgewählte Abschnitte. Alles, was seinem Arnim-Bild nicht entsprach und was - wie er meinte - die Leser langweilen oder irritieren könnte, ließ er weg, ohne seine Auslassungen auch nur zu kennzeichnen.« 6 Vgl. Schultz (1998), Bd. 2, S. 730-32. 7 Daher konnte 1992 die Wiederveröffentlichung der von Härtl bereits edierten Tischrede Arnims >Ueber die Kennzeichen des Judenthums< in Bd. 6 der Arnim-Werkausgabe wie eine kleine Sensation wirken; vgl. Kurzke (1992). 8 S. dazu Kap. V. 4. ' Nienhaus (1994a).
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Die unvollständige, verfälschende und verstreute Publikation der Quellen hatte insgesamt für die Forschung zur Tischgesellschaft fatale Konsequenzen. Mit der erstmals alle Texte berücksichtigenden Publikation der bekannten und der noch unveröffentlichen Dokumente soll mit dieser Arbeit ein Forschungsfundament bereitgestellt werden, das die tendenziösen, gleichwohl bisher unverzichtbaren Werke Steigs endgültig in die Archive der Wissenschaftsgeschichte verbannt. Die Tischgesellschaft als übergreifender Rahmen für Entstehung und Rezeption begründen die Auffassung der überlieferten Texte als zusammengehörendes Textcorpus. Allerdings sollte diese Einheitsthese nicht mißverstanden werden als Konstruktion einer Art abgeschlossenen »Kollektivwerks«, worin die Einzelstücke eine unter sich gleichrangige und auf gleichem Niveau signifikante Teilexistenz führten. Die Unterscheidung zwischen in zeitgenössischen Drucken veröffentlichten Texten und nur handschriftlich vorliegenden betrifft im Falle der Texte der Tischgesellschaft nicht bloß die Uberlieferungsfrage, sondern bedingt eine notwendige Distinktion des Textstatus. So stellt etwa Brentanos »Philisterabhandlung« einen Sonderfall unter den Texten der Tischgesellschaft dar; zum einen, weil die uns überlieferte Fassung nicht der in der Tischgesellschaft gehaltenen Tischrede entspricht; 10 zum anderen, weil die Schrift in einer die Zahl der Mitglieder überschreitenden Auflage publiziert wurde und angesichts der Billigung dieses Vorgehens durch die Tischgenossen angenommen werden kann, daß vor allem dieser Text das Bild des Vereins in der zeitgenössischen Öffentlichkeit bestimmen sollte (und es auch tatsächlich geprägt hat). 11 Die Unvollständigkeit der Dokumente ergibt sich schon aus der langen Uberlieferungszeit dieser Texte, bei denen Verluste mit Sicherheit anzunehmen sind. Die Forschung hat sich auf bequeme Art die späte Klage Arnims über die mangelnde aktive Teilnahme der Tischgenossen zu eigen gemacht: »Aber zu bald bestätigte es sich, einestheils plenus venter non studet libenter, vor dem Essen war Hunger störend, nach
11
Vgl. Nr. i i : »Ich habe in der Hoffnung auf dieses Mittel, unsern gemeinsamen Scherz mit dem Wohl eines einsam Betrübten zu verbinden, meine Abhandlung schier um das Doppelte erweitert, und verdichtet, es ist nichts weggeblieben, sondern alle Magnete sind nur bewaffnet, alle Pfeile haben ein Ziel, alle Ziele ihren Pfeil erhalten, das ernsthafte ist ernsthafter, das Scherzhafte parodierender geworden.« Zum Problem der »Öffentlichkeit« vgl. Kap. II. 4.
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dem Essen die Füllung« (Nr. 37), dabei jedoch die vor diesem Satz von Arnim gegebene Liste von Produktionen der Tischgesellschaft nicht berücksichtigt und seine Äußerung kontextlos als Beleg für die Einschätzung der Tischgesellschaft als bloßen kulinarischen »Herrenclub«12 genommen, anstatt jene als Provokation vor dem Hintergrund von Arnims extrem hochgesteckten (kultur)politischen Ansprüchen zu lesen. Die Aufbewahrung eines großen Teils der Texte im Arnim-Nachlaß des Goethe-und Schiller-Archivs ist ein Glücksfall, der zugleich den Zweifel nährt, ob die dominante Präsenz von Schriften Arnims und Brentanos für die Tischgesellschaft nicht zumindest auch ein Ergebnis der Uberlieferungsgeschichte sein könnte. So fehlen z.B. die von Arnim in einem Rückblick (s. Nr. 37) erwähnte Sammlung »lustiger Anekdoten« wie auch diejenige der »Berliner Redensarten«. Bei den Tischgesell schafts-Texten der Varnhagen-Sammlung, deren Bestand zumindest seit der Erstpublikation durch Steig unverändert erhalten ist, regt sich der angesichts des höchst problematischen Verhältnisses Varnhagens zu Arnim und Brentano und seines daraus resultierenden »parteilichen« Umgangs mit den Archivalien nicht unbegründete Verdacht, ob hier nicht schon zum Zeitpunkt der ersten Sichtung Dokumente einem Zensurakt zum Opfer gefallen sein könnten; z.B. sind die Akten des Prozesses Arnim gegen Moritz Itzig, die Varnhagens Schwager Robert noch vorgelegen hatten, bis heute vermißt. Obgleich die Sammlung der Tischgesellschafts-Dokumente insgesamt unvollständig ist, so ist sie jedoch für die Zeit der ersten Monate ihres Bestehens keineswegs zufällig. Daß sie für diesen ersten Zeitraum entweder den tatsächlichen Schriftenbestand repräsentiert oder zumindest dem von der Tischgesellschaft als wertvoll und erinnernswert Eingeschätztem entspricht, läßt sich dem Rückblick Beckedorffs vom Juni 1811 (Nr. 20) entnehmen, worin nur Werke genannt werden, die auch bis heute erhalten geblieben sind. Für die spätere Zeit ist bei den Texten die fast ausschließliche Reduktion auf Arnim als Verfasser umso problematischer, als dieser vom Herbst 1811 bis Januar 1812 sich nicht in Berlin aufhielt und die Tischgesellschaft spätestens ab 1813 überhaupt nur noch sporadisch besuchte.13 12 13
Kreutzer (1968), S. 212. Eine Äußerung Arnims läßt freilich vermuten, daß die Uberlieferungsverluste möglicherweise nicht zu groß sind: In einem Brief an Brentano vom j . M ä r z 1 8 1 2 berichtet Arnim aus Berlin, daß er in der Tischgesellschaft
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2. Zur Typologie der Tischreden Die Funktion als Tischrede verleiht allen auf den Versammlungen der Tischgesellschaft vorgetragenen Texten eine höhere Einheit. Wenn die folgende Textdarstellung nicht dem chronologischen Prinzip folgt, sondern in thematische Abschnitte eingeteilt ist, so ist dies in der Bündelung phänomenologischer Ähnlichkeiten zum Zweck einer übersichtlicheren Ordnung des Materials begründet. Diese heuristische Entscheidung soll nicht etwa die übergeordnete Funktionsgattung Tischrede in alternative Textsorten ausdifferenzieren. Aufgrund inhaltlicher und formaler Kriterien können jedoch einige allgemeine typologische Gruppierungen unterschieden werden, die eine isolierte Darstellung des jeweiligen Tischredentyps sinnvoll erscheinen lassen. Dabei bleibt als leitender Gesichtspunkt die kommunikative Funktion im Rahmen der Geselligkeit zu beachten, die mitunter den traditionellen Gattungsdifferenzierungen widersprechende Einteilungen ergeben kann. Unter dem Texttyp »Sprecherreden« werden daher Reden Beckedorffs und Fichtes sowie ein Lied Arnims (Nr. 20, 21 u. 28) in einem Untersuchungsschritt vereint, deren Text in erster Linie durch den Versammlungsanlaß und die Funktionsrolle des Redners generiert wird: bei Beckedorff der Abschied von der Gesellschaft und der Rücktritt von seinem Sprecheramt, im Falle Fichtes der Amtsantritt und bei Arnim die Verabschiedung des scheidenden Sprechers. Der am zahlreichsten vertretene Texttyp ist das politische Gedicht (Nr. 14, 32, 34, 36 u. 38), das typologisch durch seinen Appellcharakter und seine auf ein erweitertes Publikum zielende Wirkungsintention definiert wird. 14 Diese zeigt sich bei der Mehrzahl von diesen Texten schon allein daran, daß sie zu den Ausnahmen unter den Tischreden gehört, die aus der exklusiven Öffentlichkeit des Vereins durch eine Publikation in Zeitungs- oder Buchform nach außen dringen. Einige Prosatexte werden als »Schwänke und Anekdoten« zusammengefaßt und entsprechen den herkömmlichen Definitionen dieser Kurzform, die in knapper und auf eine Pointe hin zugespitzter Weise eine lustige oder besonders charakteristische Begebenheit erzählt. Brentano hatte explizit
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»ein paarmal recht delikat und vergnügt gefressen habe, wo aber außer dem Meinigen nichts zur allgemeinen Unterhaltung beigetragen wurde« (Schultz, 1998, Bd. 2, S. 635). Vgl. von Wiese (1931), S. 9Í. 79
zum Vortrag eines »ehrbaren Schwank[s]« (Nr. 6) aufgefordert; immerhin vier derartiger Texte (Nr. 9) wurden in einem separaten Buch aufgeschrieben und damit bereits von den Tischgenossen aus den übrigen Reden herausgehoben. Wie im Falle der Sprecherreden ergibt sich eine weitere Textgruppe, von der allerdings nur zwei Reden Arnims (Nr. 8 u. 33) erhalten sind, durch den Funktionsanlaß in den Versammlungen der Tischgesellschaft. Es handelt sich um Vorträge, die als Einleitungen zu Veranstaltungen sehr unterschiedlicher Art dienten: der Aufführung einer Dressurnummer und der Ausstellung von Kopien, die Arnim nach Gemälden altdeutscher Meister hatte anfertigen lassen. Obgleich der konkrete Anlaß also recht verschieden ist, stellt die gemeinsame Funktion doch einen typologischen Zusammenhang her, der zugleich einen erhellenden Blick auf die Breite der kulturellen Aktivitäten in der Tischgesellschaft werfen läßt. Durch ihr gemeinsames Hauptthema sind hingegen einige Versreden Arnims (Nr. 5, 18, u. 30) verbunden, die Goethe und Schiller sowie deren Dichtungen thematisieren. Durch ihren Gegenstand, ihren Umfang, sowie der konsequenten satirischen Durchformung zeichnet sich Brentanos Abhandlung >Der Philister, vor, in und nach der Geschichte< (Nr. 12) aus. Als einzige längere Tischrede auf Veranlassung des Vereins gedruckt, stellt sie unter den übrigen Texten auch insofern eine Ausnahme dar, als der überlieferte Druck nicht der vor der Versammlung gehaltenen Rede, sondern einer erweiterten Fassung entspricht. Ein letzter und häufig vertretener Tischreden-Typ ergibt sich durch das offensichtlich zumindest im ersten Bestehensjahr dominante Thema des Judentums (Nr. 19, 19b, 22 u. 25). Bei diesen unter antisemitischem Vorzeichen vereinten Texten kommt Arnims Vortrag >Ueber die Kennzeichen des Judenthums< als Versuch, das Thema entsprechend Brentanos Modell der Philister-Satire in strengerer stilistischer Form zu behandeln, ein Sonderstatus zu. 2.1. Die Sprecherreden War der »gesetzgebende Ausschuß« der deutschen Tischgesellschaft eine Art Vereinsvorstand, so kamen Rang und Funktion des »Sprechers« denjenigen eines Vereinsvorsitzenden gleich. 15 Entsprechend der ' ' Vgl. Kap. II. 5. 80
zentralen Bedeutung dieses Amtes sind mehrere Tischreden überliefert, welche die Übernahme der Sprecherrolle oder das Ausscheiden aus ihr zum Gegenstand haben. Ludolph Beckedorff hatte das Sprecheramt in den ersten Monaten nach der Gründung inne, als der Verein seine größte Wirksamkeit entfaltete. Gegen Ende Juni 1 8 1 1 verließ er Berlin, um in Sachsen-Anhalt Erzieher des Erbprinzen von Anhalt-Bernburg zu Ballenstedt zu werden. Noch Jahre später erinnerte Arnim an den Verlust, den die Tischgesellschaft durch das Ausscheiden ihres engagierten Mitgliedes Beckedorff erlitten habe. 16 Auf der zwölften Versammlung am 18. Juni - also, wie im Text hervorgehoben wird, genau »fünf Monate [...]« nach der Gründungssitzung - hielt Beckedorff seine Abschiedsrede an die Tischgesellschaft (Nr. 20). 17 Nachdem er »zum letzten Male [...] die Gesundheit der Krone [...] ausgebracht« hatte, bat er die Versammelten, »einen anderen Sprecher zu erwählen«, dem er »die Tischkleinodien« (den Trinkbecher und die Sprecherglocke) »und den Tischschatz« (die Vereinskasse) übergeben könne. Beckedorffs Vortrag richtet sich streng nach den für derartige Gelegenheitsreden vorgegebenen rhetorischen Regeln: In der Einleitung folgt dem Bericht über den Anlaß der Trennung vom Verein der Bescheidenheitstopos, daß der Sprecher das Amt zwar mit großem »Eifer«, doch mit wenig »Geschick« und leider nur für kurze Zeit geleitet habe. Die Erinnerung an die Ziele der Tischgesellschaft und das von ihr be16
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In seiner Tischrede von 1 8 1 5 bemerkt Arnim: »auch wurden schon vor dem Kriege mehrere thätige Mitglieder durch andre Bestimmung und Reisen zerstreut, ich nenne insbesondre unsern treflichen Sprecher Beckendorf« (Nr. 37). Diese Rede wurde von Paul Hoffmann (vgl. G S A 03/262,14) Adam Müller zugeschrieben; die Forschung hat bisher diese Zuschreibung ungeprüft übernommen (vgl. z.B. noch Nienhaus, 1995, S. 22). Abgesehen davon, daß Müller unmöglich der Verfasser sein kann, da er Berlin bereits im Mai verlassen hatte (vgl. Baxa, 1966, Bd. 1, S. 661), ergibt sich aus der im Text stehenden Aufforderung an die Tischgenossen, die Tafel in Zukunft zur Bekräftigung der Verbannung der Juden mit einem Schinken zu schmücken, ein unzweideutiger Hinweis auf Beckedorff als Redner, da Arnims Abschiedslied (Nr. 21) an den scheidenden Sprecher das neue, von diesem vorgeschlagene Tischrequisit erwähnt. Handschriftenvergleiche bestätigen die Zuschreibung der Tischrede an Beckedorff, der somit aus seiner bisherigen »stummen« Rolle heraustritt und als eines der eloquentesten und für die Ideologie der Tischgesellschaft wichtigsten Mitglieder erscheint (Verf. dankt Heinz Härtl und Bettina Zschiedrich für Hinweise und Handschriftenvergleich).
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reits Erreichte mündet in den Schlußteil mit seinen obligatorischen »Wünsche[n] für ihren fortdauernden Flor« und der gleichfalls üblichen Versicherung für die Zukunft, daß das scheidende Mitglied hoffe, sich »auch entfernt immer noch zu den Tischgenossen zählen zu dürfen«. Ein Trinkspruch, der dem Verein eine lange und frohe Zukunft wünscht, beschließt die Rede. Wegen der detailierten Hinweise auf die Vereinsrealität, des Berichts über die ersten fünf Monate des Bestehens und nicht zuletzt bezüglich des Versuchs, die von der Gemeinschaft der Tischgenossen geteilten Uberzeugungen möglichst klar zu umreißen, ist die Tischrede Beckedorffs eine der wichtigsten Quellen für das Wirken und den ideologischen Zusammenhalt der Tischgesellschaft in ihrer Anfangszeit. Die Autorität des Sprecheramtes verbürgt darüber hinaus, daß der Text nicht nur die Privatmeinung eines einzelnen Mitgliedes, sondern insgesamt für den Verein Gültiges ausspricht. 18 Der Rückblick auf die ersten fünf Monate konzentriert sich auf vier Aspekte: die Gründung der Gesellschaft, ihren raschen Erfolg, die Angriffe auf den Verein, dessen literarische Produktionen. Die Rede führt den Stifter, den »Krönungstag« und den Versammlungsort als die Gründung bestimmende Koordinaten an. Besonders hingewiesen wird auf die »achtbaren Namen« der Mitglieder, die gemeinsam mit der »heitere[n] Gesinnung der Gesellschaft« und den in ihr ausgetragenen »lebhaften und ergötzlichen Debatten« - insbesondere mit dem »halb scherz= halb ernsthaftefn] Krieg, den sie den Philistern und Juden ankündigte« - eine rasche Ausbreitung des Vereins bewirkt hätten. Neben dem wiederholten Selbstlob hinsichtlich der exklusiven Mitgliederprovenienz - auch die in den ersten Monaten neu hinzugewonnenen Mitglieder erhalten ausdrücklich das Etikett »sehr ehrenwerth [...]« - hebt der Redner vor allem die verschiedenen Versammlungsorte hervor. Die Ortwechsel spiegeln einerseits durch die zunehmende Raumgröße die Erfolgsgeschichte der Gesellschaft.' 9 Die Erinnerung daran, daß die Tischgenossen die »Börsenhalle« aufgrund äußeren Zwangs hatte räu18
Beckedorff drückt dies mit der folgenden Bescheidenheitsformel aus: »wir haben [...] eine Gesinnung und eine Absicht, welche anjetzt vor Ihnen auszusprechen mir vergönnt seyn möge, nicht sowohl um Sie daran zu erinnern, als vielmehr Ihnen zu beweisen, daß mir, Ihrem bisherigen Sprecher, beide nicht fremd gewesen sind.«
" Vgl. Kap. II 4.1. 82
men müssen, enthält andererseits einen ersten Hinweis auf eine negative Wirkung der deutschen Tischgesellschaft. Beckedorff rechnet dazu vor allem die Gerüchte, die in der Öffentlichkeit über den Verein entstanden, sowie Berichte, die in den »Journalefn]« über ihn erschienen seien. 20 Den Versammlungsraum der Tischgenossenschaft bezeichnet er angesichts dieser »Verfolgung« als »letzte Freystatt« in einer offensichtlich als feindlich empfundenen Umgebung. Doch hätten diese Widerstände dazu geführt, daß sich die Gesellschaft »nur kräftiger und rüstiger entwickeln muste«. Als besondere Beweise ihres erfolgreichen Wirkens werden schließlich die literarischen Produktionen hervorgehoben: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!« ruft Beckedorff emphatisch aus und erwähnt daraufhin fünf Texte: Arnims >StiftungsliedUeber die Kennzeichen des Judentums< und die Parodie >Die GlockentaufeBei dem feierlichen Leichenbegängniß des Prinzen Ludwig Ferdinand von PreußenMiszellen für die Neueste Weltkunde< und im Journal d'Empire< negative Berichte erschienen, unmittelbar vor Beckedorffs Rede, am 15. Juni, veröffentliche Cottas >Morgenblatt für gebildete Stände< einen kritischen Beitrag von Friedrich Wilhelm Gubitz anläßlich der Verbreitung der Philisterabhandlung (vgl. Kap. IV).
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Geschichte, mehr Reputation und noch mehr Feinde, wir haben 108 rth. 8 gr. baares Vermögen [...], wir haben endlich - was in heutiger Zeit viel ist - eine Gesinnung und eine Absicht«. Hervorhebenswert erscheint Beckedorff - wie auch Jahre später noch Arnim 21 - vor allem die durch die gemeinsamen Uberzeugungen realisierte Geselligkeit von Mitgliedern heterogener Provenienz (»Männer, die das Leben mit seinen wunderbaren Krümmungen auseinander zu führen scheint«). In den Attributen »deutsch« und »christlich« drücke sich schon das Fundament der Gesinnung der Tischgenossen aus, die sich »mit freier, heiterer, offener, also Deutscher Stime, Brust und Zunge und mit wohlwollendem, liebevollem also christlichem Herzen« um die Tafel versammelten. Nicht vergessen darf man freilich bei derartigem Freiheitspathos, daß hier keineswegs an den demokratischen Bürger, sondern stets an den seinem Königshaus treu ergebenen Untertanen gedacht ist. Das offene Wort zwischen Herr und Gefolgsmann ist gemeint, und zwar nach dem in Arnims >Stiftungslied< benannten Vorbild des alten Adels, der »Freiheit christlich deutscher Treue« als »Freiheit in Ergebenheit« (Nr. 4) lehre. In seiner >Vorläufige[n] Friedenrede< vom Mai 1814 hat Beckedorff diesen feudalen Freiheitsbegriff knapp und präzise umrissen: Indem die Fürsten sich überzeugt haben, daß der lebendige Wall, welchen die treuen Herzen freier Unterthanen um ihren Thron bilden, das sicherste Bollwerk desselben sey, werden sie ins künftige doppelt sich bestreben, durch Liebe jene Treue zu verdienen, und durch Gerechtigkeit jene Freiheit zu befestigen; und indem die Völker gelernt haben, daß sie nirgends sicherer ruhen als in dem Schatten geborner Majestät und unter dem Schutze alterthümlicher Institutionen, wird auch jener Neuerungsgeist und das republikanische Streben nach Gleichheit oder vielmehr nach Hoheit, welches als das eigentliche Zeichen des nun überwundenen Zeitgeistes betrachtet werden muß, besänftigt werden[.] 22
Als Vertreter dieses »Zeitgeistes«, der infolge der Französischen Revolution geschehenen gesellschaftlichen Umwälzungen, klagt Beckedorff in seiner Tischrede vor allem die Juden an, die von ihm als die eigentlichen Feinde der Tischgenossen dargestellt werden. Der Harmonie im Innern der deutschen und christlichen Eßgemeinschaft entspreche eine aggressive, »streitbar[e]« Haltung nach außen, die königstreue Gesin" Vgl. Nr. 37. " Beckedorff (1814), S. 14. 84
nung verlange eine »gründliche Protestation gegen die ephemeren Neuerungen der Tageswelt«. Der Kampf für das »heilig Alte [.. .]«23 und gegen die »große Verwirrung und Vermischung Aller Dinge, Gesetze, Stände und Religionen« bzw. den als deren Ergebnis drohenden »allgemeinefn] plebejischefn] Zustand« finde seinen klarsten Ausdruck durch die »Verbannung der Juden, dieses Erbfeindes der Christenheit, dieses Wiedersachers aller Ordnung«, die man zwar nicht aus der preußischen Gesellschaft insgesamt, so doch wenigstens »vom Hufeisen dieses Tisches« fernhalten müsse.24 Den Krieg gegen das »Gezücht« der Juden habe man als einen »gründlichen, ernsthaften und aufrichtigen« zu verstehen, während der »Philister«, von dessem »Geschlecht« man nicht wissen könne, ob »es überhaupt existiert«, doch eher ein Phantomfeind ist, gegen den man nur »einen oberflächlichen, scherzhaften und ironischen« Angriff unternehme. Als nicht-koscheres Symbol für den Ausschluß der Juden von der deutsch-christlichen Tafelrunde fordert Beckedorff am Schluß des Hauptteils seiner Rede einen Schinken als neues Tischrequisit. Nachdem der Tischredner somit Uberzeugung und Ziele der Gesellschaft genügend deutlich gemacht hat, fügt er eine Beteuerung ihrer Absichtslosigkeit an, die offensichtlich ironisch ist. Mit ihr bekräftigt er freilich zugleich das Fehlen eines konkret politischen Zwecks (der eben als Einmischung in die unbedingt anerkannte exklusive obrigkeitsstaatliche Autorität der Regierung mißverstanden werden könnte) und die unbedingte Loyalität der Tischgenossen zur Krone und zum preußischen Vaterland. Der Redner schließt mit dem Wunsch, daß »unter dem Schutze und mit ächter Liebe der Preußischen Krone« auch in Zukunft »redseelige Sprecher, schreibseelige Schreiber, sanfte Besänftiger, und gerechte Gesetzgeber« die Geschicke der Gesellschaft leiten mögen. Bei dem zweiten der als Sprecherreden in Frage kommenden Texte handelt es sich um ein von Arnim verfaßtes Lied (Nr. 21), mit welchem er den scheidenden Sprecher Beckedorff verabschiedet und dessen Amt
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Beckedorff spricht von »einer Zeit, w o die Satzungen der Väter größtentheils umgestoßen werden, w o heilig Altes mit dem geistlos Veralteten in dieselbe Gruft begraben wird«; man lese dazu den Satz Heinrichs Zschokkes, mit welchem er 1820 auf die napoleonische Zeit zurückblickt: »Des guten Alten viel liegt zerschlagen, aber auch viel des alten Schlechten zertrümmert.« (Zschokke, 1820, S. 68).
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Dazu ausführlicher Kap. III. 2.8.
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übernimmt. Das Lied an den »Deutsche[n] Sprecher« ist in sechszeilige Vorsänger- und dreizeilige Chorstrophen gegliedert, wobei der Chor die letzten Verse der Solostimme entweder wörtlich oder mit leichten Varianten wiederholt. Abgesehen von der stilisierten Liedform und der für diese gebotenen Kürze unterscheidet sich der Text nicht von den üblichen Vereinsansprachen, wie sie bei derartigen Gelegenheiten gefordert waren. Es handelt sich einerseits um eine epideiktische Festrede, mit welcher der Scheidende gefeiert wird und in der das vertraute Ritual der Lobrede zugleich den sozialen Zusammenhalt der Gruppe fördert. Andererseits wird durch die Äusserung der Verse in der Eingangsstrophe der illokutionäre Akt vollzogen, durch den die Besetzung der Sprecherrolle wechselt. Denn das Ansagen der Trinksprüche gehörte zu den wichtigsten Aufgaben des Sprechers in der Tischgesellschaft, wenn der Vorsänger den Becher vom Sprecher verlangt und daraufhin auf ihn das »Lebehoch« ausbringt, so hat er in diesem Moment die Funktion des Vereinssprechers übernommen. Die Vertauschung der Rollen beim Ausbringen des Toasts gehörte zum Zeremoniell der Amtsübergabe, wie auch aus der Beschreibung der Versammlung hervorgeht, in welcher Fichte die Rolle des Sprechers von Arnim übernahm: Im ersten Spr[e]chbanne hatte Herr v. A[rnim] die Güte, die Verlesung des alten Tagebuches zu übernehmen. Der neue Sprecher eröfnete darauf seine Laufbahn nach einem kurzen Zuspruch in eigentlichen Knittelversen. [...] Nach diesem Zuspruche wurden auf das Wohlbefinden der Kfrone] mit sichtbarer Wärme die Gläser angestossen: [wor]auf Herr v. [Arnim die] Gesundheit des neuen Sprechers ausbrachte. Im [zweiten] Sprechbanne folgten dem abgegangnen Sprecher unter Gläserkl[ingen] die herzlichsten Wünsche, und die Herren dieser Gesellschaft [ließen ihn] hochleben. (Nr. 29)
In Arnims »Sprecher«-Lied ist gleichfalls ein zweites »Lebehoch« vorgesehen, das nach demjenigen auf den Gefeierten der »Krön« des preußischen Herrscherhauses gewidmet ist. Die Umkehr der Reihenfolge im Vergleich zur Versammlung anläßlich der Amtseinführung Fichtes entspricht der Tatsache, daß acht der insgesamt neun Strophen ganz auf den Gefeierten und die Vereinsrealität konzentriert sind. Persönliche Attribute des ausscheidenden Sprechers und der Versammlungskontext werden in einer internen Textsituation miteinander verknüpft, die generell die direkte Ich/Wir-Apostrophe an das Du einhält. Beckedorffs Ernennung zum Anhaltischen Hofrat und Prinzenerzieher wird in den ersten Doppelstrophen als Grund für die Ubergabe des Bechers ge86
nannt, das »Lebehoch« als Glückwunsch und Abschiedsgruß ausgebracht. Die »Glocke« als Sprecherglocke des Versammlungsleiters läutet in der dritten und vierten Strophe in Würdigung der Verdienste des scheidenden Mitglieds, dessen »Lehre« und »Ehre« den Vereinsgenossen unvergessen bleiben werden. Das dritte Strophenpaar hebt - nach Becher und Glocke - weitere Vereinsrequisiten hervor: als erstes das »Buch« der Gesellschaft, in welches die vortragenen Geschichten und die Tageblätter eingetragen wurden und bei dem - gleich einer Heiligen Schrift des Vereins - die Philister »verfluch[t]« werden. Als zweiter symbolischer Vereinsgegenstand wird danach der »Schinken« angeführt, der als ständige Erinnerung an den Ausschluß der Juden den Tisch ziert »auf deinen Rath«. In den Strophen sieben und acht wird die Liste des Vereinsbesitzes vervollständigt mit der Erwähnung der »Kasse«, die im Dasein der deutschen Tischgesellschaft (wie wohl der meisten Vereine) eine nicht unwichtige Rolle spielte. Der hohe Mitglieds- resp. Essensbeitrag, die Spenden beim Eintritt in die Gesellschaft sowie die Strafgelder für die Zuspätgekommenen führten zur raschen Anhäufung eines nicht unbedeutenden Vereinskapitals, und es ist sicher kein Zufall, daß diese finanzielle Basis in allen Sprecherreden angesprochen wird. Der Liedtext erinnert in diesem Zusammenhang an den auf Vorschlag Brentanos gefaßten Beschluß, das gesammelte Geld für die Anschaffung eines »kunstreiches Trinkgeschirr[s] altdeutscher Art« (Nr. 6), zu verwenden. Es war als Zentrum des Trinkspruch-Rituals vorgesehen und sollte Abbildungen der wichtigsten Vereinssymbole tragen. Daß »der Simson drauf zu sehn« sein sollte, wird zwar auch in Fichtes Tischrede erwähnt, gehörte aber vielleicht zu der »Uneinigkeit über die Gestaltung dieses Bechers« (Nr. 37), die schließlich den Erwerb verhinderte. 2 ' Mit der Wiederholung des Glückwunsches für die Zukunft (»Immer sey dein Becher voll«) wird der erste, längere Teil des Lieds kreisförmig geschlossen. Daran schließen sich Verse an, welche die Ubergabe eines BuchGeschenkes (»Nimm den Beckmann/ Auf den Weg an«) begleiten. Zwar sollte Beckedorff anhand des »Beckmann« sein »neues Land« kennenlernen, höchstwahrscheinlich handelte es sich aber gerade um die >Historische Beschreibung der Chur- und Mark-Brandenburg< von Johann Christoph Beckmann,2Ä mit welcher der Abreisende an das zu verlassende preußische Kernland erinnert werden sollte. Vgl. Kap. II. j.
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Die erneute Erinnerung an die dem scheidenden Vereinsmitglied bevorstehende Erziehungsaufgabe wird zu einer politischen Erweiterung genutzt. Die »alten Fürsten Schlachten« und der Hinweis auf das Berliner Denkmal für Leopold I. von Anhalt-Dessau, welcher »der Preußen Heer« zum Sieg führte, standen in einem evidenten Kontrast zur Situation des anhaltinischen Herrscherhauses im deutschen Rheinbund. 27 A n den Tischgenossen Beckedorff ist der Appell gerichtet, die ihm anvertrauten Prinzen wie »vorzeiten« an Preußens Seite zurückzuführen: Neue Thaten Kannst Du rathen, Wenn du einen Fürsten ziehstf.] Diese mahnende Aufforderung verleiht dem Eingangsvers der vorletzten Strophe einen Doppelsinn: »Treuer Sprecher« war Beckedorff in den Monaten seines Amts in der Tischgesellschaft; treu bleiben soll er allerdings auch dem preußischen Herrscherhaus, obgleich er nun den mit Napoleon verbündeten »neuen Fürsten« dient.28 Daher schließt das »Lebehoch der Krön« als zweiter Trinkspruch das Lied eigentlich ab.
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Johann Christoph Beckmann, Historische Beschreibung der Chur- und Mark-Brandenburg, hrsg. v. Bernhard L. Beckmann, 2 Bde. Berlin 1 7 5 1 53· Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676-1747) war preußischer Feldmarschall und Freund Friedrich Wilhelms I. Unter seiner Führung errang das preußische Heer am 1 5 . 1 2 . 1 7 4 5 in der Schlacht bei Kesselsdorf vor Dresden den entscheidenden Sieg über die sächsische Hauptmacht, womit Preußen den zweiten Schlesischen Krieg zu seinen Gunsten entschied. - Die Fürsten von Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau und Anhalt-Kothen nahmen 1806 den Herzogstitel von Napoleons Gnaden an und traten im Folgejahr dem Rheinbund bei. Vgl. Gebhardt, Bd. 10, S. 137. Der Schluß von Beckedorffs Schreiben an den Herzog Alexius Christian von Anhalt-Bernburg, mit dem er die Erzieherstelle annimmt und seine finanziellen und edukatorischen Erwartungen an den Posten ausspricht, scheint Arnims Worte positiv widerzuspiegeln: »Indem ich zu hoffen wage, daß diese hier vorgetragenen Bitten sich einer gnädigen Gewährung von Eurer Herzoglichen Durchlaucht erfreuen mögen, kann ich mich nicht erwehren, noch einen Wunsch hinzuzufügen, dessen Erhörung von der Vorsehung abhängt: daß es mir nämlich gelingen möge, den jungen Prinzen zur Freude Seiner Durchlauchtigsten Eltern, zum Heil und Segen dieses Landes, zum Frommen des gemeinschafdichen Deutschen Vaterlandes und zur Ehre Gottes, gesund und kräftig an Leib und Seele, und in ächt-christlicher und Alt-Deutsch-Fürstlicher Gesinnung auferziehen zu können [...].« Dat.: »Ballenstedt, den 30. Mai 1811.« (Landesarchiv Oranienbaum, Abt. Bernburg A», Nr. 146, fol. 5VS).
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Als Ausklang sind nur noch zwei nicht mehr direkt an den Scheidenden gerichtete Strophen angehängt, in denen auf eine für die lobende Abschiedsrede übliche Weise über den unvermeidlichen Wandel der Zeiten und den steten Zwang zum Abschiednehmen geklagt wird. Die dritte Sprecherrede ist kein Abschieds-, sondern ein Antrittsvortrag Johann Gottlieb Fichtes (Nr. 28), der das Amt von Arnim übernahm. Dies muß noch im Sommer 1 8 1 1 geschehen sein, da das in einer Abschrift überlieferte Tagblatt (Nr. 29, V2) zu dieser Versammlung die Gastwirtschaft »Kämpfer« im Tiergarten erwähnt, wo man sich nur in der warmen Jahreszeit zusammenfand, und das Ehepaar Arnim Berlin am 18. August verließ 19 und erst Anfang Februar 1812 zurückkehrte. 30 Als letzter Versammlungstag vor der Abreise und die Ubergabe der Amtsgeschäfte an Fichte kommt der 13. August in Frage. Fichte hielt seine Rede in klappernden Reimpaarversen, deren Wahl er im Text selbstironisch damit begründete, daß »eingefaßt von Rindfleisch und Braten« ein Vortrag in »Prosa zu vornehm geraten« würde. Seine Knittelverse (und auch der ausdrückliche Hinweis auf ihren Gebrauch) knüpfen an die Historie »Der neugierige Jude zu Frankfurt am Mayn« in Arnims Tischrede >Ueber die Kennzeichen des Judenthums< (Nr. 19 u. 19b V3) an und unterstützen in ähnlicher Weise die Bemühung um ein an altdeutsche Traditionen gemahnendes Sprechen im »deutsch[n] Sinn«. Der Redner dankt einleitend - »[w]ie es gebräuchlich aller Orten« - für die Übertragung eines solch ehrenvollen Amtes und versichert, daß er seine Aufgaben kenne und pflichtgemäß erfüllen werde. Er werde die »Geschäfte« des Vereins »immer führen mit Heiterkeit«, die Einnahmen »sorgfältig aufheben« und schützen, auf Einhaltung der »Gesetze« achten, sich bemühen, beim Gesang mitzutun, und nicht zuletzt werde er mit Fleiß »die Gesundheiten [...] ausbringen«. Fichte bemüht zum Schluß dieses Einleitungsteils den obligatorischen Bescheidenheitstopos mit Versen, die seine Zweifel darüber ausdrücken, ob er auch wirklich für das Amt geeignet sei: Im übrigen kann ich von meinem Sprechen Im Voraus eben nicht viel versprechen
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Vgl. Arnim an Jacob Grimm, 18. August 1 8 1 1 ; Steig (1904), S. 143. Vgl. Arnim an Clemens Brentano, 5. März 1 8 1 2 ; Schultz (1998), Bd. 2, S.633. 89
Bis hierhin folgt der »Zuspruch« an die Tischgesellschaft den bei derartigen Gelegenheiten geltenden rhetorischen Grundregeln. Die sich nun anschließende Erläuterung für seine vermeintlich fehlenden rednerischen Fähigkeiten sprengt allerdings durch ihre unverhältnismäßige Länge (52 von insgesamt 96 Versen) die Ausgewogenheit der Teile einer konventionellen Antrittsrede. Bereits daran wird ersichtlich, daß es Fichte keineswegs um ein bloßes »Beispiel« - wie er diesen Hauptteil benennt - geht. Wie zuvor Beckedorff mit seiner Abschiedsrede möchte Fichte mit seinen Bemerkungen über den »Witz« und seine »bisherigen Stoffe« in seinem Antrittsdiskurs ebenfalls einen Beitrag zu grundsätzlichen Überlegungen über Sinn und Zweck des Vereins leisten. Die ersten beiden Strophen reflektieren generell das Verletzende des »Witzfes]«, worunter Fichte nicht etwa Esprit versteht, sondern Spott und Satire. Er stellt die von Arnim für die Geselligkeit der Eßgemeinschaft als unverzichtbar angesehene Einheit von »Ernst und Scherz« (Nr. 19) in Frage. Das unkontrollierte »Spiel« des Witzes, das seinen Stoff in »tollefn] Streich* und Narrheiten« finde, schicke sich nicht für eine »ehrbare Gesellschaft«. Denn der Witz werde immer auf Kosten von jemandem gemacht, der sich zudem, wenn er nicht als Spielverderber erscheinen wolle, noch »hüten« müsse, »was übel zu nehmen«. Die Tischgenossen sollten daher in Zukunft »ohne Witz« auszukommen lernen. In den darauffolgenden Strophen räumt Fichte jeglichen Zweifel darüber aus, auf welchen Scherz und welche »bisherigen Stoffe« für das witzige Sprechen er sich bezieht: Nicht Jude, nicht Philister mehr taugt U m an ihnen zu finden ein Körngen Spas Das nicht schon einigemale da was
Fichte hält den »Spas« über Juden und Philister freilich nicht nur für überholt und ausgereizt, er macht auch - wohlgemerkt zunächst auf beide Fälle bezogen! - auf das Risiko aufmerksam, daß ein derartiger »Spott« unter Umständen auf einem »selbst sitzen bleibe[n]« könne. Die Warnung richtet sich insbesondere gegen Arnim und Brentano, die in ihren langen Tischreden Juden und Philister am schärfsten angegriffen hatten. Fichte ist sich allerdings vollkommen bewußt, daß der Spott auf die Juden keineswegs in gleicher Weise wie die Scherze über die Philister auf den Spötter zurückfallen kann. Im Gegensatz zur Satire auf den Philister wird der Spott auf die Juden (und damit zugleich Ar90
nims lange Tischrede >Ueber die Kennzeichen des JudenthumsPhilister, vor, in und nach der Geschichte< doch 31
Z u Fichtes Stellung zu den Juden s. Fuchs (1990) und jetzt ausführlicher Becker (2000).
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deutlich genug. 32 Fichte hält die gesamte Philister-Satire offensichtlich für problematisch und wenig scherzhaft, jedenfalls im Laufe der ersten Monate als »bisherigen Stoff [...] verbraucht«. Die den Hauptteil seiner Rede abschließenden Verse geben darüber hinaus unmißverständlich zu verstehen, daß es ihm grundsätzlich um eine Beendigung der satirischen Angriffe auf beide Gruppen, Juden wie Philister, geht. Satiren auf sie würden nur »schlimmen Ruhm« bringen: So bleibt vor mir wohl ungenekt So Juden- wie Philisterthum
Ob Fichte mit seiner Beobachtung recht hatte, daß die Späße über Juden und Philister abgenutzt und langweilig geworden waren, oder ob seine Autorität unter den Tischgenossen hinreichte, um den satirischen A k zent der Geselligkeit zu unterbinden, mag dahin gestellt bleiben. Arnim erinnert in seiner Rede von 1815 jedenfalls daran, daß der bei der Gründung der Gesellschaft »mitgeborne Scherz über Philister und Juden« nach einiger Zeit »seinen Kreislauf vollendet« hatte, »vollständig belacht und ausgesprochen worden« (Nr. 37) war. Arnims Vorstellung von Gemäldekopien und seine Hinweise auf die kulturellen Aktivitäten des Frankfurter »Museums«-Vereins33 im Februar 1812 sind ein Beleg für die Suche nach einer neuen »feste(n) Bestimmung« für die über das gemeinsame Mahl hinausgehenden Unterhaltungen der Tischgesellschaft. Fichte hatte dafür keine konkreten Pläne entworfen, sondern vor allem wohl die Beendigung jener satirischen Aggressivität intendiert, die ja dem Stifter Arnim bereits in ausreichendem Maß »schlimmen Ruhm« eingetragen hatte.34 Der Schlußteil der Antrittsrede des neuen Sprechers verstärkt die ihm vorschwebende Neuorientierung durch Überwindung der Juden- und Philister-Satire, indem die patriotische »Treue« zum Herrscherhaus und zu seiner Krone als eine positive Alternative zu jenen bisherigen Scherzen präsentiert wird. Die Tischgenossen werden
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Laut Köpke (1855/1970, T. 1, S. 2 5 1 ) soll Fichte bereits 1799/1800 in Jena Brentano nach dessen Vortrag über die >Naturgeschichte des Philisters« mit den einleitenden Worten: »Nun werde ich Euch aus dieser Geschichte beweisen, daß eben der Brentano hier der erste und ärgste unter allen Philistern ist«, auf eine ähnliche Weise angegriffen und den satirischen Spott indigniert zurückgewiesen haben. Vgl. dazu im folgenden Kap. III. 4. Z u dem Skandal, den die Prügelei Arnims mit Moritz Itzig im Juli 1 8 1 1 provozierte, s. Kap. III. 2.8. und 2.8.1.
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aufgefordert, das »niedrige [...]« des ruhmlosen Spottes hinter sich zu lassen und sich von nun an ganz dem »höhern« Ziel, das der abschließende Trinkspruch formuliert, zu widmen: der Feier der »Krone«, der Rückgewinnung ihrer »alten Pracht«, ihrer »alten Kraft« und »alten Treue«. Exkurs: Die Beiträge Fichtes, Müllers, Schleiermachers und Arnims zum preußisch-deutschen Nationalismus vor Gründung der deutschen Tischgesellschaft Wem die Schriften Fichtes aus den Jahren unmittelbar nach der preußischen Niederlage gegen Frankreich bekannt sind, den muß sein Ausbringen des Lebehochs zur Feier der preußischen Krone erstaunen. Um sich darüber klar zu werden, daß das politisch-ideologische Selbstverständnis der deutschen Tischgesellschaft keineswegs immer mit den vor und außerhalb des Vereins vertretenen Standpunkten der einzelnen Mitglieder übereinstimmen mußte, ist es sinnvoll, sich die Beiträge in Erinnerung zu rufen, die bedeutende Tischgenossen vor der Gründung des Vereins zur politisch-nationalen Debatte geleistet haben. In Preußen bildete sich bereits während der Regentschaft Friedrichs II. eine »patriotische Kultur« aus, »die Merkmale aufwies, die wir in der Regel mit dem Nationalismus des 19. Jahrhunderts assoziieren«.35 Zur Zeit der französischen Fremdherrschaft stand der deutschen Einheitsvision36 mit Preußen eine staatliche Ordnung entgegen, die trotz » Hellmuth (1998), S. 24. 36 In Anknüpfung an Smith (1983; 1991; vgl. Langewiesche 1995, S. 2 2 1 , Anm. 2jf.) hat jüngst Aleida Assmann (1998, S. 3 8 3 - 3 8 8 ) den sinnvollen Versuch unternommen, den nationalen Diskurs auf seine wichtigsten Toposfelder zu reduzieren: die Einheitsvision, die Geschichtsvision, das Befreiungspathos und die Entfremdungstherapie. Die Vision von der Versöhnung aktueller Feindschaften und Interessengegensätze, die zwischen Volksstämmen, Ständen oder auch zwischen Stadt und Land herrschen, in der Einheit der Nation gehört zum utopischen Grundbestand jeder Nationalbewegung. Die Schwäche des noch Getrennten wird, so lautet das Versprechen, in die Stärke des in einem höheren Ziel vereinten Ganzen verwandelt werden. Die Geschichtsvision konstruiert ein Dasein der Nation, das sich mittels der Schaffung von Entstehungslegenden und Mythen in der Vergangenheit historisch legitimiert und eine Sendung, einen historischen Auftrag formuliert, der die Nation in der Zukunft verankert. Das Befreiungspathos betont im nationalen Diskurs die Erfahrung einer Unterdrükkung des Eigenen durch ein Fremdes, wobei das Eigene auf einer höheren Aggregatstufe als der des partikularen Stammes und damit als einigendes
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der offensichtlichen militärischen Unterlegenheit und Schwäche der Herrschaft weiterhin für sich die Anbindung an einen Identitätsdiskurs beanspruchte. Selbst die Rumpfpreußen der Napoleonzeit sind in diesem Sinne wohl kaum als ein landsmannschaftlicher Verband, eine Ethnie, sondern mit größerem Recht als Nation zu bezeichnen. 37 Das Dilemma einer unentschiedenen Konkurrenzsituation zwischen partikulärer preußischer und universeller deutscher Nation war nicht nur -
37
Element erlebt werden soll. Die Nation verspricht eine Überwindung der Fremdherrschaft. Die kollektive nationale Identität, die nähere Unterscheidungen nicht mehr berücksichtigt, bietet als Ersatz die schärfere Abgrenzung des Inländers vom Ausländer an. Assmann schlägt über diese Formalisierungen hinaus Definitionen für die Adressaten bzw. den Wirkungsraum des nationalen Diskurses vor und unterscheidet zwischen Ethnien, Nation, Nationalstaat und Nationalismus. Unter Ethnien versteht sie »landsmannschaftliche Verbände, die Herkunft, Region, Sprache und Brauchtum miteinander teilen«. Nationen definiert sie als »Wir-Gruppen von ausgedehnterer Reichweite und abstrakterer Kohärenz«. Sie stellen einen »Integrationsverband für unterschiedliche Ethnien« dar, die nicht ausgelöscht, sondern in der »gemeinsamen Vision« - im Hegeischen Wortsinn aufgehoben werden. Der beides umfassende Begriff »Volk« soll somit durch Ethnie und Nation abgelöst werden: ein neuer Versuch also, die unscharfe Trennung im Gebrauch von »Volk« und »Nation« klarer zu fixieren. Als »Herrschaftsformen, die der Nation politische Selbstbestimmung zuerkennen«, lassen nach Assmann sich die Nationalstaaten auffassen. Sie seien daher als eine »Kombination von Organisationsform und Identitätsdiskurs« zu begreifen. Als Nationalismus sollte der Versuch verstanden werden, die politische Selbstbestimmung einer Ethnie bzw. »die Ethnisierung eines Nationalstaats« zu betreiben: »Der Nationalismus [...] kann als die pathologische Form der Nationsbildung gelten, bei der die Einheitsvision [...] durch eine Reinheitsvision ersetzt wird.« Solche Begriffsdefinitionen sind hilfreich für einen präziseren Wortgebrauch, und gerade dadurch Iäßt sich die Verwicklung der Verhältnisse klarer erkennen. Ob man für die deutsche Situation - insbesondere zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert - zu einer solch übersichtlichen Aufzählung von Ethnien wie Waliser, Schotten und Engländer für Britannien kommen kann, scheint zweifelhaft. Preußen, Sachsen, Württemberger, doch auch Alemannen? und alle Rheinländer sind eine Ethnie? Ist Ethnie nicht das gleiche wie Volksstamm? und wie viele deutsche Stämme gibt es? Fraglich ist zudem, ob es überhaupt je eine Nationalbewegung gab, die nicht von vornherein auch mit einem nationalistischen Akzent versehen war; in Deutschland erscheint eine Trennung zwischen >gesunder< und >pathologischer< Nationalbewegung zumindest für das 19. Jahrhundert wenig sinnvoll. Hellmuth (1998, S. 4of.) weist auf eine Akademierede Ewald Friedrich von Hertzbergs zur Feier von Friedrichs Geburtstag am 24. Januar 1782 hin, in welchem Hertzberg die Begriffe »Vaterland«, »Nation« und auch »Nationalcharakter« strikt auf Preußen anwendet.
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wie es oft scheinen mag - Ausfluß mangelnder begrifflicher Schärfe, sondern resultierte aus der schwankenden Uberzeugungskraft des Identifikationsangebots innerhalb des nationalen Diskurses selbst. Die deutsche Nationalbewegung erhielt eine zusätzliche Desorientierung durch die politisch zwar ausgelöschte, aus dem kollektiven Gedächtnis als mögliche Wir-Identität aber noch nicht gänzlich verschwundene Vergangenheit des Reichs. Dieses gehörte als rückwärtsgewandte Utopie immer noch mit zu den möglichen Konkretisierungsofferten für die im Wort von der deutschen Nation imaginierte historische Realität. Als Mythen- und Legendenreservoir für die notwendige historische Legitimation war die Reichsgeschichte meist unverzichtbar, doch blieb die Heranziehung der reichsgeschichtlichen Nationalmythen
problema-
tisch, weil sich kaum Beispiele finden ließen, denen nicht eine dynastische oder konfessionelle Partikularität eignete. 38 Z u fragen bleibt auch, welche Kreise überhaupt von der deutschen Nationalbewegung erfaßt wurden und bis zu welchem Zeitpunkt hingegen ein partikularistischer Nationalismus vorherrschend blieb. 39 Fichtes 38 59
Vgl. Wiedemann (1989). Nipperdey (1993, S. 303) sieht den Ursprung der deutschen Nationalbewegung in einer »intellektuellen Elite« (vgl. Düding, 1984, S. 44). Sozialpsychologisch orientierte Untersuchungen behaupten die Geburt der Idee der Nation aus dem Zwang romantischer Kompensation: vgl. dazu die Untersuchungen von Giesen/Junge (1991); Giesen (1993); Giesen/Junge/Kritschgau (1994); ähnlich auch die Argumentation bei Oesterle (1992). In einer Situation zwischen gesellschaftlicher Isolation und ohnmächtiger Opposition gegen einengende Lebens- und Arbeitsbedingungen habe sich die extreme Subjektivität der romantischen Intellektuellen in eine Vorstellung von kollektiver Identität gerettet, welche die Begrenzungen von konkret-politischem Staat und Gesellschaft in der höheren Einheit des Volkes zu beseitigen versprach. Eine unbefriedigende Realität, die den Romantikern in ihrer Substantialität zweifelhaft geworden und von der romantischen Ironie tendenziell aufgelöst worden war, sollte in der ungreifbaren und nur in der Idee existierenden deutschen Nation ihren Ersatz finden: »Die zersplitterte und ohnmächtige Situation der deutschen Staaten von der eigentlichen und überzeitlichen Identität der deutschen Nation zu trennen hieß gleichzeitig auch, die eigene Identität als Künstler vor der bedrückenden und beengten biographischen Lage zu retten« (Glessen, 1993, S. 146): »die Nation - eine Erfindung der Intellektuellen, um ihr unruhiges Selbst zu beruhigen.« (Giesen/Junge/Kritschgau, 1992, S. 356) Eine Art von schimärischer Größe, die auch über die Bescheidenheit des persönlichen Erfolgs hinweghelfen sollte. Wenn nun aber festgestellt wird, daß mit den Befreiungskriegen »die romantische Idee der Nation aus der Enklave der Intellektuellen« ausgebrochen und »zum Motiv der nationalen Gesinnung im Bildungsbürgertum« (Giesen/Junge/Kritschgau, 1992, S. 357) geworden sei, so wirft dies neue
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»Reden
an die deutsche Nation«
richteten
sich nicht an einen
Adressaten, der schon in der politischen Realität zu finden war, sondern an ein Publikum, das durch die im Diskurs mitgesetzten Parameter sich erst als einheitliches deutsches »Volk und Vaterland« begreifen sollte. Immerhin mußte auch für diese Bereitschaft, sich für ein neues, dem herkömmlichen gegenüber weiteres und damit abstrakteres Identifikationsangebot zu öffnen, der Boden bereitet sein. Abgesehen von der politisch-historischen Situation, in welcher die Uberlebensfähigkeit des isolierten Territorialstaats Preußen nach Jena und Auerstedt in Zweifel gestellt war, konnte Fichte positiv anknüpfen an die alternative Idee einer übergreifenden Einheit deutscher Kultur. 40 Bereits das berühmte Xenion »Deutschland? Aber w o liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden. Wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.« trennte zwar den Bildungsdiskurs vom staatspolitischen Nationbegriff. Gleichzeitig lieferte es jedoch gerade damit die knappste Formel für eine höchst politische Kritik an der historischen Wirklichkeit deutscher Kleinstaaterei: Wenn es die Einheit des gelehrten Deutschlands tatsächlich schon gab, warum und wie lange sollte dann die Zersplitterung des territorialen Fürstenegoismus noch ertragen werden? 41 Die Erfindung der deutschen
40
41
Fragen auf: Ab wann gab es ein Bildungsbürgertum, das verbreitet und selbstbewußt genug war, um einen nationalen Diskurs in den deutschen Staaten wirkungsmächtig zu vertreten (der Begriff »Bildungsbürgertum« taucht jedenfalls erst sehr spät, gegen Anfang des 20. Jahrhunderts auf; vgl. Engelhardt, 1986)? Reichte der Kampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft hin, um die Romantiker aus ihrer Enklave, ihrer gesellschaftlichen Abkapselung zu befreien und ihre Erfindung der deutschen Nation in das Zentrum politischen Denkens und Handelns zu rücken? Die These, daß die Nationalbewegung sich erst in den dreissiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts »vom Elite- zum Massenphänomen« gewandelt habe, vertritt Schulze (1985, S. 70). Langewiesche (199J, S. 224) verteidigt gegenüber Danns (1991) Bedenken hinsichtlich der deutsch-nationalistischen Implikationen die Unterscheidung zwischen »Kulturnation« und »Staatsnation«, die um 1900 von Friedrich Meinecke geprägt wurde, unter Hinweis auf Smith (1991) als historisch »etablierte Begriffe«. Vgl. zum Widerspruch »Kulturnation« vs. fehlende »Staatsnation« bis 1871: Langewiesche (1988, S. 174): »Deutsche Nation meinte zunächst Kulturnation, zusammengehalten durch die gemeinsame Sprache und gemeinsame historische Erfahrungen. In dem Maße, indem diese Idee der Kulturnation nach einem staatlichen Gehäuse verlangte, mußte die Ordnungsvorstellung Nation mit der bestehenden staatlichen Ordnung in Konflikt geraten. Denn wer in Deutschland bis zur Reichsgründung von 1871 nach einer einheitlichen deutschen Staatsnation verlangte, der sprach sich damit zugleich gegen 96
Nation war keineswegs eine Stiftungsleistung der Romantiker, sondern bloß eine - durch die Veränderung der äußeren politischen Situation begünstigte
-
weiterdenkende Aufnahme und Radikalisierung von
»Herders und Klopstocks Idee kultureller Nationbildung durch Sprache und Poesie«. 42 Goethes Wunsch, daß >Des Knaben Wunderhorn< zum »Hausbuch der Deutschen« werden solle, ist Indiz für das Fortwirken dieser Idee wie auch sein auf Anregung von Johann Friedrich Niethammer skizziertes Projekt eines deutschen »Nationalbuches«. 45 Goethe war die nationalliterarische Beschränkung und deren programmatische Begründung in Arnims »Voranzeige« im ersten Band des >WunderhornsNationalgeist< galt«: »Die L ö sungsangebote, die sich die Generation vorbehielt, Winckelmanns Griechenparadigma, Klopstocks Bardenglück und Herders Volksgeist, waren durchwegs kultureller und mythischer Natur und wiesen, einer Art typologischem Geschichtsbild (Verheissung - Erfüllung) folgend, den Weg in Richtung >Kulturnationdas eigendiche MenschheitsvolkWunderhornReden< rezensierte,58 machte er sich zwar über Fichtes Pläne einer »Nationalerziehung« auf eine fast höhnische Weise lustig,59 hielt aber die Besorgnis um den Erhalt der deutschen »Nationalität«, nämlich »jenes Gemeinsame der Sprache, Denkart und Gesinnung, welches die Nationen (nicht etwa die Staaten) eigentlich zu Nationen macht [...] und die Einzelnen zu einem Ganzen verbindet«,60 für sehr berechtigt. »Mangel an Einheitssinn und äußerem Aneinanderhalten«, der durch die »enervierende [...] Kraft der kalten Verstandesaufklärung« und die »Ener55
Fichte (1978), S. 84. ' 6 Fichte (1978), S. 134. 57 Hellmuth (1998), S. 46; vgl. ebd., S. 4 0 - 5 0 . 58 Rez.: »Fichte's Reden an die deutsche Nation.« Anonym erschienen in: Pallas, ι. Jg. (1808) ι Bd., 3. Stück, S. 3 1 8 - 3 4 2 . Zit. nach: Müller, Schriften, Bd. 2, S. 2 7 7 - 2 9 5 . 59 Fichtes Rezepte für die »geistige Wiedergeburt« (Müller, Schriften, Bd. 2, S. 281) Deutschlands seien als »moralische Universalmittel und Hallische Wunderessenzen« wenig glaubwürdig und schmeckten »etwas stark nach Fichtescher Philosophie« (ebd., S. 284). Insgesamt sei das Projekt »ohne Bekanntschaft und Berücksichtigung der wirklichen Welt auf der Studierstube für eine eingebildete Welt ersonnen« (ebd., S. 295). 60
Müller, Schriften, Bd. 2, S. 280.
100
gielosigkeit der Regierungen« 6 ' bedingt sei, habe zur politischen Vernichtung Deutschlands geführt. Doch gebe - wenn auch als einziges Beispiel der Geschichte und gerade von einem Volk, »das seinem innersten Wesen nach mit der Deutschheit in Widerspruch« stehe - das Judentum ein Vorbild dafür, daß ein »Bleiben der Nationalität« 62 auch angesichts der Zerstörung staatlicher Einheit möglich sei. Was ist aber das »Gemeinsame« der deutschen Nation? Müllers Text enthält zwei sehr unterschiedliche Antworten auf diese Frage nach dem, was die deutsche Einheitsvision überhaupt mit Inhalt erfüllen könnte. Zunächst wird die Frage selbst zu einem Tabu erklärt, denn was >deutsch< als Attribut bedeute, wüßten die »echten Deutschen« durch »das ganz eigne, erfreuliche, würdige und echtnationale Gefühl«, das eben dem Fremden »unbegreiflich und unnachfühlbar bleiben muß«. 63 Doch nach der endgültigen Zerstörung des Reichs durch die »siegreichen und kriegserfahrenen Nachbarn« 64 wurde die Suche nach einer nationalen Substanz unvermeidlich. Die Tautologie, >Deutscher ist, wer sich als Deutscher fühltdeutschen Nationalität im Sinne eines christlich-abendländischen Universalbegriffs nun als »Eigenart des Gemüts, die zunächst an Christlichkeit grenzt und in ihrer weitesten Ausdehnung jedem Sohne der Erde innewohnen kann«, 6 ' sich ganz ins Geistige zu verflüchtigen drohte. Bleibt das historisch Charakteristische der deutschen Nation bei Müller vollkommen unscharf und nebelhaft, so rekurrierte er bei der zweiten Antwort auf die Frage nach deutscher Eigenart, die eine Einheit der Nation begründen könnte, auf bekannte Stereotypen kollektiver Mentalität: »Der echte Deutsche ist treu, bescheiden, fromm und fleißig, der mutige Ver-
61
Müller, Müller, 63 Müller, 64 Müller, 6 ' Müller, 62
Schriften, Schriften, Schriften, Schriften, Schriften,
Bd. Bd. Bd. Bd. Bd.
2, 2, 2, 2, 2,
S. S. S. S. S.
280. 281. 279. 280. 280.
ΙΟΙ
teidiger des Vaterlandes und der guten Sache, der ruhige und rechtliche Bürger«.* 6 Bestand hatte für Müller nach dem »Verlust der äußeren Freiheit«* 7 die in solchen inneren Werten des deutschen Volkes konservierte Nationalität, die freilich nurmehr einer Minderzahl bewußt sei und daher durch den Prozeß einer - allerdings nicht den weltfremden Ideen von Fichtes Nationalerziehung folgenden -
nationalen Beeinflussung der
Öffentlichkeit »aufrecht erhalten, angefacht und lebendig gemacht« 68 werden müsse.* 9 66
67 68 69
Müller, Schriften, Bd. 2, S. 280. Mit ähnlichen Worten hatte schon 1806 Fichte in seinem allerdings erst aus dem Nachlaß veröffentlichten ersten Gespräch über den »Patriotismus« den Nationalcharakter des Deutschen, »der wohl sein natürlicher sein dürfte« (Fichte, 1918, S. 15), umschrieben: »Wenigstens haben unsre Vorältern merklich Ernst, Ausdauern, Suchen des redlichen Gewinnes, und Streben mehr nach dem Wesen, als dem Scheine, sich als ihren bezeichnenden Charakter zuzueignen gesucht.« (Fichte, 1918, S. 14). Müller, Schriften, Bd. 2, S. 281. Müller, Schriften, Bd. 2, S. 281. Die erfolgreichste patriotische Schrift dieser Jahre vor den Befreiungskriegen, Ernst Moritz Arndts »Geist der Zeit< (zur Aufl. der Schriften Arndts vgl. Schäfer, 1974, S. 2j6f.), dessen erster Band gleichfalls in dem für die Grundlegung der deutschen Nationalbewegung so wichtigen Jahr 1806 erschien, spricht dafür, daß die neuen antipartikularistischen und deudich nationalistischeren Tendenzen sich nicht auf den engeren Kreis romantischer Intellektueller beschränkten. Unterschiede zu Arnim, Fichte und Müller zeigen sich bei Arndt in der betont anti-preußischen Tendenz und hinsichtlich einer politischen Konkretisierung des nationalen Diskurses, die sich im wesentlichen durch die größere Unbedenklichkeit des nicht persönlich unter französischer Fremdherrschaft lebenden schwedischen Staatsbürgers erklärt (in der zweiten Auflage des zweiten Bandes von >Geist der Zeit< wird die Preußen-Kritik konsequent gestrichen; vgl. Steffens, in: Arndt, Werke, T. 7, S. 14). Das zunächst antinapoleonische Schweden wurde von Arndt als nordisch-verwandte Nation gesehen. Harald Schmidt (1994, S. 4i9ff.; Zitat: S. 43 j ) hat gezeigt, wie Arndt in seiner gleichfalls 1806 publizierten >Reise durch Schweden im Jahre 18o4< den degenerierten Deutschen im Bild der noch urwüchsig gebliebenen Schweden »eine der eigenen Vergangenheit entlehnte Zukunftsnorm« offerieren wollte. Der feindliche Ausländer, der zur Erlangung der deutschen Nationaleinheit auszutreibende Fremde, wurde bei Arndt offen als der Franzose identifiziert, und Fichtes zwar heftige, aber doch vage Kritik am fehlgeleiteten Partikularpatriotismus erhielt im >Geist der Zeit< ihre aggressiv-antidynastische Begründung: »Ich weiß die Zeit kaum in der deutschen Geschichte, w o deutsche Fürsten edel vaterländisch gefühlt, getan und gelitten haben. Schmutziger Ländergeiz, feige Furcht der Gegenwart, unpatriotische Gleichgültigkeit zeichnet sie seit Jahrhunderten aus, und deswegen ist Deutschland seit Jahrhunderten der
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Der Nachweis eines nationalen Diskurses, dessen Einheitsvision sich auf das ganze Deutschland erstreckt, darf nicht mißverstanden werden als Ersatz für den partikularistischen Patriotismus, den man im Falle Preußens gleichfalls besser als Nationalismus bezeichnen sollte, der parallel weiterexistierte und sich angesichts der Bedrohung für die Existenz des Territorialstaats gleichfalls verschärfen konnte. Obgleich Friedrich Schleiermachers ζ. B. schon früh großes Interesse für den deutschnationalen Arndt zeigte und ihn als patriotischen Schriftsteller schätzte, 70 geben seine patriotischen Predigten ein klares Zeugnis für eine vaterländische Begeisterung, die sich ganz auf Preußen-Brandenburg richtete. 71
70
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Tummelplatz aller Kriege und die Beute der Fremden gewesen.« (Arndt, Werke, T. 6, S. 166) Durch die Schuld der Fürsten habe die »Nation [...] ihr letztes Gefühl von Gemeinschaft verloren, der Deutsche erschlägt den Deutschen« (ebd.). Arndts deutsche Einheitsvision ist am deutlichsten dort offen anti-preußisch, w o er sich ausführlich Friedrich II. widmet. Der von Friedrich dem Großen geschaffene hohenzollernsche »Despotenstaat« wird als »allem, was deutsch heißt» (Arndt, Werke, T. 6, S. fremd und feindlich gesinnt, denunziert. Friedrich habe jeder Gedanke an die deutsche Nation vollkommen fern gelegen: »Es ist nichts lächerlicher als ihm patriotisch deutsche Ideen beilegen zu wollen.» (Arndt, Werke, T. 6, S. 147) Die Destruktion der zentralen Gestalt des preußischen Nationalmythos geht sogar so weit, den Monarchen in seiner antideutschen Gesinnung mit Richelieu und Bonaparte zu vergleichen (vgl. ebd.). Mit dieser Einschätzung stand Arndt im übrigen ganz in der Tradition des Reichspatriotismus Friedrich Carl von Mosers, der Friedrich den Großen »als Räuber und Rechtsbrecher ansah« (von Aretin, 1989, S. 28). Wenn somit auch die - laut Arndt dennoch - strahlendste Figur der deutschen Fürstengeschichte nur unpatriotische Partikularinteressen verfolgte, so mußte eine umso stärker positiv aufgeladene Geschichtsvision entdeckt werden, die überhaupt Deutschland als eine historische Zukunftskategorie denken ließe. Arndt fand sie in einem mythischen Volksbegriff, der demjenigen Arnims aus der Heidelberger Zeit sehr nahestand: Das Volk »zürnt« seinen von dynastischem Egoismus verblendeten Fürsten, denn in ihm habe sich der »deutsche Sinn« (Arndt, Werke, T. 6, S. 197) bewahrt und in ihm könnten die deutschen Fürsten ihre »Ehre und Würde« wiederfinden: »Ihr seid alles durch das Volk und seid ohne das Volk nichts.» (Arndt, Werke, T. 6, S. 196). Schleiermacher erkundigte sich z.B. im Dezember 1806 besorgt bei der gemeinsamen Freundin Charlotte von Kathen, ob man dem »braven Freund Moriz« nicht geraten habe, das unsichere Greifswald zu verlassen (Dilthey, 1860/63, S· 81): »Denn unter die Schriftsteller, die in Gnaden stehn bei dem Mächtigen, gehört er wohl nicht. Könnte man das von jedem Deutschen sagen, so wäre es leicht ihn zu Tode zu ärgern; denn eine freie Rede ist für ihn das schärfste Gift.« A m 20. Dezember 1806 lotete Schleiermacher bei seinem Verleger und Freund Reimer die Möglichkeiten für die Publikation einer preußisch-patriotischen Schrift aus (Dilthey, 1860/63, Bd. 2, S. 84): »Nächstdem liegt mir 103
A u c h in diesem Fall kann ein Text aus dem gleichen Zeitraum 1 8 0 5 07, in welchem Fichte und A r n d t mit ihrer deutsch-nationalistischen Position sich an die Offenlichkeit wandten, als Beispiel herangezogen werden. In seiner >Predigt bei Eröffnung des akademischen Gottesdienstes der Friedrich-Universität S. 105): »Nur den Vorsaz habe ich, meinem unmittelbaren Vaterlande Preußen so lange nachzugehen, als es besteht und dieses Vorsazes nicht ganz unwürdig wird. Sollte es dem Unglück ganz erliegen, so will ich, so lange ich kann, das deutsche Vaterland da suchen, wo ein Protestant leben kann und wo Deutsche regieren.« In seiner im Januar 1809 veröffentlichten Predigt »Ueber das Verhältnis des Christen zu seiner Obrigkeit« forderte Schleiermacher unbedingten Gehorsam gegenüber dem hohenzollerschen Herrscherhaus nicht aus Furcht, sondern »um des Gewissens willen«: »laßt unter uns, o es wird uns ja so leicht gemacht vor vielen! Frömmigkeit und Treue Hand in Hand gehen, und uns immer mehr bilden zu einem Volke, das da sei zugethan seinem Herrscher, einträchtig unter sich, sicher und stark in der Kraft jeder guten Gesinnung.« (Schleiermacher, Sämmtliche Werke, 2. Abt., Bd. 4, S. 4of.). In einem Brief an E. v. Willich v. 1. Dez. 1806 äußerte Schleiermacher erste Bedenken gegenüber dem bisherigen Preußenstaat, der nun nach Osten gedrängt und damit auf seinen Kern konzentriert sei (Rachold, 1995, S. 183^): »Die Verfassung von Deutschland war ein unhaltbares Ding; in der preußischen Monarchie war auch viel zusammengeflicktes unhaltbares Wesen; das ist verschwunden; ob und wie der Kern sich retten wird, das muß erst seine Güte entscheiden.« Schleiermacher an Friedrich von Raumer, Halle, den 12. Januar 1807 (Rachold. 1995, S. 18/f.): »Um ein neues Deutschland zu haben, muß wohl das alte noch viel weiter zertrümmert werden. Außerdem, daß ich ein Deutscher bin, habe ich wirklich aus vielen Gründen die Schwachheit ein Preuße zu sein, zu großem Ärger Ihres Bruders und Steffens! Aber freilich geht meine Leidenschaft auf eine Idee von Preußen, welche vielleicht in der Erscheinung die wenigsten erkennen. Ob sich diese nach der gegenwärtigen Krisis besser herausarbeiten wird, steht dahin; vieles Gute erscheint mir fast unvermeidlich.« S. Wülfing/Bruns/Parr (1991), S. 59 (allgemein zum Luisen-Mythos, vgl. ebd., S. 5 9 - m ) ; vgl. Wülfing (1984). 105
haus und Volk im Kampf um den Fortbestand des Vaterlandes verkörperte.78 Auch für die Erhöhung der preußischen Königin zur patriotischen Identifikationsfigur haben spätere Tischgenossen einen wichtigen Beitrag geleistet. Der Liedertäfler und erfolgreiche Arzt Karl Christian Wolfart, Autor u. a. eines >HermannAn ihre Majestät die Königin Louise von Preußen zur Feier ihres Geburtstages den io. März i8iopreußischen Madonna< nach ihrem Tod am 19. Juli und ihrem feierlichen Begräbnis am 27. Juli 1810 beteiligten sich Brentano, Arnim, Adam Müller, Schleiermacher und wiederum Wolfart. Luise stand als himmlische Schutzgöttin für das Band liebender Treue zwischen Hohenzollernherrschaft und preußischem Volk, das den passiven Untertanengeist zu überwinden hatte und für die patriotische Verteidigung seines von der Fremdherrschaft gedrückten Territorialstaates begeistert werden sollte. Schleiermacher hatte diesen neuen preußischen Nationalgeist schon 1806 eingefordert, als er im Krieg gegen Frankreich das Vorspiel für einen »allgemeine[n] Kampf« sehen wollte, »dessen Gegenstand unsre Gesinnung, unsre Religion, unsre Geistesbildung nicht weniger sein werden, als unsre äußere Freiheit und äußeren Güter«: »ein Kampf der gekämpft werden muß, den die Könige mit ihren gedungenen Heere[n] nicht kämpfen können, sondern den die Völker mit ihren Königen gemeinschaftlich kämpfen werden, der Volk und Fürsten auf eine schönere Weise, als es seit Jahrhunderten der Fall gewesen ist, vereinigen wird«. 80 78
Eine kritische Darstellung der Entwicklung des preußischen Patriotismus bei Kittler (1987), der »das auf >Liebe< basierende >VerbürgerlichungsReden an die deutsche Nation< propagiert, ist die Abschaffung des freien Willens. Ihre Methode das System des Pädagogen Pestalozzi, von dem sich auch Gneisenau so viel für die Bildung und Wehrertüchtigung der Bevölkerung versprach.« (Kitder, 1987, S. 171). 7 ' Vgl. Wülfing/Bruns/Parr (1991), S. 7 j f . 8 ° Schleiermacher, Brief an Charlotte von Kathen, Halle, den 20. Juni 1806; Rachold (1995), S. 174.
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In der Verehrung aber für die »Heilige« - so Wolfart in seinem eine Woche nach dem Tod Luises in der >Vossischen Zeitung< veröffentlichten Gedicht 81 - eint sich das »ganze Volk«. In Arnims Kantate 82 zur >Nachtfeier nach der Einholung der hohen Leiche Ihrer Majestät der Königinnverklärten< Königin Luise gleichfalls zum einigenden, sinnstiftenden Band für das von Napoleon gedemütigte, in Bedeutungslosigkeit
absinkende
Restpreußen.
Luise
spendet
als
»Schutzgeist« (bei Wolfart ähnlich als »sein [= des Volkes] Engel, nun an Gottes Throne« 84 bezeichnet) auch nach ihrem Tode Trost über den Verlust der Größe, der hier nicht mehr nur als >verlorene Bataille des Königs< begriffen werden soll: Du trauerst, treues Volk, Das Sie geliebt. Um Dich hat Sie so oft getrauert, Als Dich die Ubermacht umlagert, Ich sah die Thränen fließen, Du sähest nur Ihr trostreich Bild.8® Volk und König werden in einer Weise eins, daß auch der Herrscher (der Landes-»Vater«) Trost im Leid bei seinen Untertanen finden kann:
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Karl Christian Wolfart, Trauergesang auf den Tod Ihro Majestät der in Gott ruhenden höchstseligen Königin Luise, in: Königlich priviligierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, 89stes Stück v. 26. Juli 1810; Wülfing/Bruns/Parr (1991), S. 78f. Bezeichnend ist dagegen die kritische Distanz, mit der etwa in der Jenaer Allgemeinen Literaturzeitung< (Jg. 1 8 1 1 , Sp. 335f.) die Schrift >Vergötterung Luisens der Königin von Preussen< von Ernst Kratz vorgestellt wird: Der Rezensent lobt zwar, daß der Autor voll »deutschen Sinnes« sei, aber entlarvt durch die Zitatauswahl die unfreiwillige Komik des Ganzen, das vor allem »schlecht gebildet und gereimt« sei. Kaum vorstellbar, daß eine Berliner Zeitung über derartige patriotische Bekenntnisse, von welcher Unbeholfenheit auch immer, sich lustig gemacht hätte. Eine ausführliche Interpretation von Arnims Kantate als Gelegenheitsdichtung bei Stopp (1986). Zit. Wülfing (1984), S. 254. Wülfing/Bruns/Parr (1991), S. 79. Zit. wird nach dem in der Berliner Staatsbibl. aufbewahrten Exemplar: >Nachtfeier nach der Einholung der hohen Leiche Ihrer Majestät der Königinn. Eine Kantate von Ludwig Achim von Arnim in Musik gesetzt von Georg Abr. Schneider. Berlin 1810. Gedruckt zum Besten der Armen.< 107
König, sieh auf uns're Herzen, Komm in Deines Volkes Mitte, Das Dich liebte, für Dich stritte, Unser sind auch Deine Schmerzen.
Der König leidet nicht als unerreichbar ferner Herrscher, sondern als Mann um den Verlust der geliebten Frau, als jemand also, der fühlt, wie einer aus dem Volk mitfühlen könnte; die vertraute Nähe seines persönlichen Verlassenseins diente zur Metapher für das notwendige Zusammenrücken des Volks in der Situation nationaler Bedrohung und Not. Durch die Mythisierung Luises zur himmlischen »Herrscherin« wurde jene Tendenz zur Annäherung des Hofes an die preußische Gesellschaft verstärkt, die schon zuvor u. a. durch Notizen über das private Familienleben des Königs in den Jahrbüchern der Preußischen Monarchie« eingeleitet worden war. Dem preußischen Untertan wurde die Identifikation mit der Gemeinschaft des Staatsvolkes als bewußt akzeptierte Teilhabe am organischen Ganzen des preußischen Vaterlandes angeboten und nicht mehr bloß eine durch entmündigende Gewalt aufgezwungene Funktionsrolle in der absolutistischen Staatsmaschine. Arnim und Müller trugen in den Jahren vor der Gründung der Tischgesellschaft zur Stärkung eines auf ganz Deutschland gerichteten Nationalismus bei, stehen jedoch 1810 im Zentrum der Konstitution und Verbreitung des zu jenem Zeitpunkt noch rein preußischen Luisenmythos. Die beiden entgegengesetzten Extreme eines deutschen bzw. eines entschieden preußischen Nationalismus vertraten hingegen Fichte und Schleiermacher. Einig war man sich im Kampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft, von der es ganz Deutschland zu befreien galt. Der Verweis auf die deutsche Nation war für die allgemeine antinapoleonisch-patriotische Bewegung nicht unbedingt notwendig. Für Territorialstaaten wie Preußen (und z.B. auch Bayern), die auf eine eigene patriotische Tradition verweisen konnten, bedeutete der französische Vormarsch zunächst einmal eine Forcierung des partikularistischen Patriotismus. Besonders die Rivalität zwischen Preußen und Österreich konnte durch keinen Hinweis auf die Bedrohung des Fortbestands der deutschen Nation aufgehoben werden. Eine bezeichnende Anekdote wird dazu von Fichte erzählt, der in einer Berliner Abendgesellschaft erlebt haben soll, wie die Nachricht von der vernichtenden Niederlage der österreichischen Armee bei Austerlitz jubelnd begrüßt wurde, und der sich darauf empört gegen die Versammelten erhoben habe: »Es wird 108
kein Jahr vergehen, so wird man diese Niederlage höchlich bedauern!«86 Im Jahr 1 8 1 1 hatten wohl beide Seiten dazugelernt: Fichtes deutscher Nationalismus war offensichtlich eine Verbindung mit einer ganz auf Preußens Kraft vertrauenden Hoffnung eingegangen und den ursprünglich ausschließlich auf das Hohenzollernreich blickenden Tischgenossen sollte gleichfalls nach und nach klarwerden, daß ihrem Vaterland eine größere Ehre zuteil werden würde, wenn es sich als Retter ganz Deutschlands bewähren würde.
2.2. »Sahn wir noch auf seinen Thron«: Das politische Gedicht Der Typ des politischen Gedichts läßt sich nicht scharf aus den Texten der Tischgesellschaft ausgrenzen. Denn zunächst einmal bleibt festzuhalten, daß es kaum eine Tischrede gibt, die neben anderen nicht wenigstens auch politische Inhalte aufweist. Selbst die an puren unsinnigen Spaß grenzende Einführung des gelehrten Canarienvogels< (Nr. 8)87 enthält zumindest noch politische Anspielungen: Arnim erwähnt in dieser Rede nicht nur das »Continentalsystem«, sondern nutzt den scherzhaften Kontext auch zu einer nicht ungefährlichen Anspielung auf Zensur und französische Kontrolle im publizistischen Bereich. Während direkte Äusserungen und Manifestationen der politischpatriotischen Gesinnung bei den meisten Tischreden jedoch nur als ein in den übrigen Diskurs eingebettetes Motiv unter anderen erscheinen, werden sie in den politischen Gedichten zum Hauptthema. Politische Lyrik bedeutet somit gegenüber den übrigen Tischreden keinen Bruch, sondern eine graduelle Differenz, die sich an der ausschließlichen bzw. nahezu ausschließlichen Konzentration auf den politischen Themenbereich oder an dessen mehr oder weniger betonter Vermischung mit anderen Gegenständen zeigt. Diesem Typenverständnis entsprechend werden im folgenden die Lieder Arnims: >Stiftungslied< (Nr. 4), >Am Geburtstage des Königs 181 κ (Nr. 26), >Dem 24. Januar i8i3< (Nr. 34), >Dem 24sten Januar i8i4< (Nr. 36), Staegemanns >Beim feierlichen Leichenbegängniß des Prinzen Ludwig Ferdinand von Preußen< (Nr. 14) und >Zur Secularfeier des 24. Januars< (Nr. 32) sowie Brentanos Lied
86 87
Fichte (1918), S. IV. Ausführlich zu dieser Tischrede Kap. III. 2.4. 109
über Blücher »Grüß Dich Gott! Sieges Greis« (Nr. 38) als politische Gedichte behandelt. 88 Mit diesem Texttyp wurden vor der Versammlung der Tischgenossen die Überzeugungsgehalte, die sie ideologisch einten und zusammenhielten, unmittelbar und unverschlüsselt angesprochen. Ihm kam unter den Tischreden somit eine für das Selbstverständnis der Vereinigung zentrale Rolle zu. Das bei der Gründungssitzung vorgetragene >Stiftungslied< erhielt dabei - wie schon aus seinem Titel hervorgeht - die besondere Funktion einer Programmschrift. Wenn auch nur für die Mitglieder selbst bestimmt, kam ihm durch den von der Gesellschaft finanzierten Druck doch eine potentiell erweiterte Öffentlichkeit zu, zumindest eine, die sich nicht auf diejenige der Gründungsversammlung beschränkte. Während von allen übrigen Tischreden nur der >Philister< im Druck veröffentlicht wurde, hat Arnim seine Lieder auf Friedrichs II. Geburtstag in den Befreiungskriegen unmittelbar zur patriotischen Propaganda in dem 1 8 1 3 / 1 4 von ihm redigierten >Preußischen Correspondentes genutzt, und Staegemann nahm seine Gedichte auf das >Leichenbegängniß des Prinzen Ludwig Ferdinand von Preußen< von 1 8 1 1 und >Zur Secularfeier des 24. Januars« von 1 8 1 2 in die zweite Ausgabe seiner >KriegesGesänge< auf, welche allerdings erst nach Ende der Kriegswirren im Jahre 1 8 1 6 erschien. Hervorzuheben ist, daß beide Autoren ihre politischen Lieder auch in den Druckfassungen unter ausdrücklichem Hinweis auf die Tischgesellschaft als Entstehungskontext vorstellen. Staegemann in der Form einer Anmerkung, die auf die erste Aufführung des Liedes hinweist: Dieses Gedicht wurde in der teutschen Tischgesellschaft vorgelesen, deren Wahlspruch die preußische Krone! ist. 8 ' Arnim mit der Anspielung in der ersten Strophe:
88
89
Die von Jürgen Wilke vorgeschlagene Differenzierung (vgl. Wilke, 1974) zwischen einem politischen Gedicht im Sinne eines Gedichts mit einer politisch »progressiven« Aussage und einem »konservativen« Zeitgedicht kann beim hier behandelten Textkorpus nicht greifen, da sogenannte »progressive« oder »konservative« Positionen - in einer insgesamt für den modernen Nationalismus typischen Weise (vgl. Langewiesche, 199$) - in ein und demselben Text miteinander vermischt sind und ineinander übergehen. Entsprechend beim zweiten Gedicht: »Vorgelesen in der teutschen Tischgesellschaft am 24. Januar 1812.«
110
Wiederum zum hohen Fest Klingt des Tisches Glocke
[...] In diesen Versen scheint vorausgesetzt zu sein, daß die Tischgesellschaft dem Zeitungspublikum bekannt war;'° in der Prosaeinleitung, die A r nim der zwei Tage zuvor, am 24. Januar 1814 im >Preußischen Corres p o n d e n t e s unter dem Titel >Der deutsche Völkerbund< publizierten Fassung von >Dem 24 Januar 1813« vorangestellt hatte, heißt es weniger deutlich, daß das Lied »zur Feier jenes Geburtstages im vorigen Jahre unter dem Geräusche der rückziehenden Franzosen von einer zahlreichen Tischgesellschaft mit bestem Glauben redlicher Theilnahme, heissem Wunsche und freundlichem Danke geehrt wurde«. Die Tatsache, daß das Lied bereits im Januar 1813 in der Tischgesellschaft vorgetragen worden ist, soll »beglaubigen«, daß die H o f f n u n g auf »die Rettung von ganz Deutschland« tatsächlich schon damals »allgemein« gewesen sei. Damit beanspruchte A r n i m für sein politisches Gedicht poetische Repräsentativität und interpretierte zugleich die Versammlung der Tischgesellschaft als Ersatzöffentlichkeit. Diese wurde nun am Beginn der Freiheitskriege als »allgemein« angesehen, die in ihr herrschende patriotische Zuversicht sollte stellvertretend sein für diejenige der gesamten preußischen Gesellschaft. D a ß dazu Mut nötig war, der außerhalb der Tischgenossenschaft noch fehlen mochte, kann dem Hinweis auf die »Geräusche der rückziehenden Franzosen« entnommen werden. Bei Staegemanns >Krieges-Gesängen< war die verspätete Publikation der beiden für die Tischgesellschaft geschriebenen Lieder höchstwahrscheinlich durch die reale Gefährdung begründet, die nicht nur dem Autor, sondern der Vereinigung insgesamt gedroht hätte, wenn bei einer eventuellen Wandlung der Situation die N a m e n bekannt geworden wären. Im Frühjahr 1813 war die Kriegslage für die Alliierten zwar schon sehr günstig, aber der endgültige Sieg noch keineswegs gesichert. A l s Staegemann sich zu diesem Zeitpunkt entschloß, seine politischen Gedichte als >Krieges-Gesänge aus den Jahren i 8 o 6 - i 8 i 3 < z u sammeln, erhielt er
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Den in der Handschrift enthaltenen deutlicheren Hinweis auf den »Tag der deutschen Tischgenossen« hat Arnim in der Druckfassung vom 24. Januar 1814 im >Preußischen Correspondentes zugunsten des direkt auf Friedrich II. bezogenen Eingangs: »Denkt an Friedrichs hohe Ehre« weggelassen, während beim zweiten Lied die weniger explizite Anspielung im Text stehengeblieben ist. III
vom Zensor den Rat, diese anonym und ohne Ortsangabe zu veröffentlichen: Im Ernst sind diese Kriegsgesänge so beschaffen, daß, wenn N . uns einmal wieder auch nur auf ein paar Tage in seine Gewalt bekommt, Verfasser und Drucker und Zensor füsiliert werden müssen, und zwar ganz von Rechts wegen nach dem Ausspruch eines noch so unparteiischen Gerichtshofes. Denn hier ist nicht im allgemeinen oder mit leicht zu deutender Anspielung, sondern ganz bestimmt und namentlich, so hart und bitter und giftvoll von ihm gesprochen, einmal auch sehr hart von allen Fürsten des Rheinbundes, daß es über alle Gewohnheit hinausgeht, wie man wohl von oder zu regierenden Herren spricht, wenn man nicht etwa eine Armee bei sich hat. Darum bitte ich Sie, allerdings nur Deutschland auf den Titel zu setzen, 2. von meinem beiliegenden Imprimatur nur Gebrauch zu machen, w o es etwa nötig ist [...] überhaupt aber Verfasser und alle Namen etwas geheim zu haltenf.]' 1 Die Aussagen der politischen Lieder in der Tischgesellschaft vor 1 8 1 3 waren im noch von feindlichen Truppen besetzten Berlin dementsprechend nicht »bestimmt und namentlich«, sondern folgten notwendigerweise dem Prinzip, »im allgemeinen oder mit leicht zu deutender Anspielung« zum Kampf zur Befreiung von der Fremdherrschaft aufzurufen. Darüber, was mit den Zeilen des >StiftungsliedesLeichenbegängniß des Prinzen Ludwig Ferdinand von Preußen< im März 1 8 1 1 enthält die kaum verhohlene Warnung: Mit der Wiederkehr der frischen Aehren blitzt ein neu entsproßner Wald von Speeren, der das Blut der Feinde rächend tränket. Doch beschränken sich die agressiven Wendungen auf derartige allgemeine Droh- und Trotzgebärden, vor allem auf die wiederholte Beteuerung, daß man sich (so Arnim in seinem Lied >Am Geburtstage des Königs 1 8 1 κ ) »nie dem Fremden beugen« werde - was freilich in den 91
Zit. nach Mayr (1913), S. 20. 112
Ohren der französischen Besatzer des scheinbar gänzlich vernichteten Preußen eher realitätsfern, als gefährlich klingen mochte. Die Lieder eines Vereins, dessen Versammlungen nicht geheim waren, konnten nicht offen zu Haß und Rache gegen Frankreich aufrufen. 92 In der deutschen Tischgesellschaft verbanden sich die Bemühungen, im besiegten preußischen Staat nach der militärischen Auflösung einen patriotischen Widerstand aufzubauen, mit den wachsenden nationalistischen Tendenzen, die im Kampf für das Vaterland Preußen, das nur im Verbund mit den anderen deutschen Vaterländern auf Rettung hoffen dürfte, den Keim für die Bildung einer deutschen Nation erblickten. Die preußisch-partikularistischen Orientierungspunkte für diese politischen Wiederaufbaubestrebungen werden im >Stiftungslied< in konzentrierter Weise deutlich. Eine eigentliche Eröffnungsrede anläßlich der Gründungsversammlung der Tischgesellschaft ist nicht überliefert und hat es mit ziemlicher Sicherheit auch nicht gegeben." Die erste Versammlung war im Wesentlichen der Beratung und Abstimmung über die Statuten gewidmet. Kulturelle Erweiterung wurde dem ersten Treffen eben durch das >Stiftungslied< und eventuell noch durch weitere kürzere Tischreden zuteil, wobei Arnim dem politischen Gedicht schon auf diesem »Bundestage« den »Tafelsprach« über >Göthe und Schiller< (Nr. 5) an die Seite stellte und somit schon von Anfang an deutlich machte, daß seine Ambitionen hinsichtlich des Kulturprogramms der Tischgesellschaft die Belebung eines Interesses am Werk der beiden Weimarer Autoren miteinschlossen. Der Einblattdruck des >Stiftungslieds< unterstreicht dessen Ausnahmerolle; er läßt sich - abgesehen von der schon erwähnten Tendenz zu einer erweiterten Öffenlichkeit - in erster Linie als Ausdruck eines Fixierungswillens verstehen, der das auf der Gründungsversammlung gemeinsam gesungene Lied zum Programmtext der Vereinigung erklärt. 91
93
Vgl. dazu Arnim in seiner Tischrede von 1 8 1 5 (Nr. 37): »Daß wir aus Liebe zu dieser Krone und zu Deutschland alles Französische herzlich hassen [...] wollten versteht sich bey allen von selbst [...] aber gegen Frankreich in einer Gesellschaft etwas Geheimes, wie es die Zeit forderte, wirken zu wollen, die jedem Gast und vielen Dienern zugänglich war konnte nur thörigten Schwätzern und französischen Spionen einfallen«. Auch Beckedorff hätte wohl sonst in seiner Abschiedsrede an eine solche erinnert, er erwähnt dagegen bezüglich der Gründung nur: »Wenige Gesetze [...] und ein schönes Stiftungslied waren die erste Mitgift derselben.» (Nr. 20).
" 3
Bedenkt man die Inauguralfunktion des >Stiftungsliedeschristlich-deutschechristlich-deutsch< mit der freiwilligen Aufgabe der Freiheit zugunsten der Lehnstreue identisch gewesen sei; der zweite Orientierungspunkt: »Unsre Krone« konzentriert nun den historischen Blick auf die Kontinuität der preußischen Monarchie, deren Gründungsereignis durch die Selbstkrönung Friedrichs I., die von der Geschichte erst nachträglich gerechtfertigt wurde, als Hoffnungspotential interpretiert wird; der dritte Orientierungspunkt: »Unser König« unterstreicht die Legitimität der Herrschaft des Hauses Hohenzollern als des »alten Herrscherhauses]«; Punkt vier: »die Königin« zitiert den Volksmythos der im ' 4 Arnim wies rückblickend ausdrücklich darauf hin, daß »am ersten Stiftungstage [...] noch die höchste Gewalt in meinen Händen war« (Nr. 37).
114
Jahr zuvor verstorbenen Königin Luise zur Beglaubigung der (der eingangs benannten Adelstreue entsprechenden) patriotischen Treue des Volkes; der fünfte und letzte Legitimationsort wird schließlich bei der aktuellen Volksgemeinschaft der »Preußen« gefunden, die sich als in der Tischgesellschaft repräsentierte im »Lebehoch« des Chorgesanges selbst feiert. Dabei ist es wichtig, daß - bevor noch die Reihe der einzelnen Legitimationsinstanzen eröffnet wird - unmittelbar mit dem Eingangswort der ersten Strophe das Personenunabhängige des Vereinsnamens zugunsten einer Wir-Apostrophe durchbrochen wird. Ob possessivisch >unseruns< und später auch direkt: >wirStiftungsliedesex negativo< das empörte Urteil Heines über einige Lieder aus den Jahren 1 8 3 0 - 3 2 , die sich gegen die aufständischen Polen richteten: »Mag es ihm die Muse verzeihen, die einst, mit heiligem Kuß, zu besseren Liedern seine Lippen geweiht hat.« (Heine, Sämtliche Schriften, Bd. j, S. 97; vgl. Werner, 1969, S. 330). Vgl. in diesem Sinne Weber (1991), S. 204. R.Varnhagen, Werke, Bd. 6 (= Repr. d. Briefwechsels zwischen Varnhagen und Rahel, Bd. 5, Leipzig 187$), S. 282.
119
ßische Heerführer wird zum antiken »Heroen« erhoben, der sich in einer Konstellation verewigt findet. 103 Die Treue der Tischgenossen zur Krone Wir, die Krone feiernd, [···] Wir, vertrauend deines Stammes Penaten wird durch die frohe >Weissagung< an die »Freunde« belohnt: Und es tönt den Freunden, die dich rufen, aus dem dunklen Dom weissagend wieder mit welcher sich der »Geist« Louis Ferdinands als Augur für zukünftige Taten zu Wort meldet. Friedrich erscheint in dieser kriegerischen Herrschaftsallegorie gar als eine Art moderner Zeus-Wotan, zu dessen Olymp-Walhalla der Sonnenwagen Ludwig Ferdinands in einem neuen Kriege die auf dem Schlachtfeld gebliebenen Helden »empor [...] heben« wird. Staegemann versteigt sich dabei zu einem Revanche-Traum, worin der Tod des Prinzen selbst zum »Siegesgott« wird, der jene neuen ersehnten »Tode [...] für des Vaterlandes werthen Boden« nach dem Vorbild von »Friedrichs Thaten« in »Wogen des Triumfs« umwandelt. Um den Heldentod fürs Vaterland ging es auch in Staegemanns zweitem Gedicht für die Tischgesellschaft, das anläßlich des hundertjährigen Geburtstagsjubiläums Friedrichs des Großen geschrieben wurde. Friedrich wird darin im Vergleich zum Prinzen Louis mit noch größerer Selbstverständlichkeit zum »großen Göttersohne« erhoben, dessen »Sternenbild« den »späten Heldensöhnen« glänze. Im Falle Friedrichs konnte Staegemann bereits auf eine unmittelbar nach dem Tode des Königs mächtig einsetzende Mythisierung aufbauen, die als extremstes Huldigungsbeispiel - woran E. Hellmuth 104 erinnert hat - in der Akademie der Wissenschaften sogar zu einer Wiederholung antiker Heldenvergötterung geführt hatte: Der Hofastronom Bode setzte sich auf der Ge103
Zur Konstitution des preußischen Louis-Ferdinand-Mythos vgl. Kleßmann (1981); ein Beispiel für den Versuch, den Ferdinand-Mythos bis in die jüngste Zeit noch lebendig zu erhalten, ist die populäre, 1967 erstmals erschienene und zuletzt noch 1993 als Taschenbuch verlegte Biographie von Burkhard Nadolny über »den preußischen Alkibiades« (Nadolny, 1993, Motto). Vgl. Hellmuth (1998), S. yii. 120
denksitzung des 25. Januar 1787 mit seinem Vorschlag durch, Friedrich dem Großen ein Sternbild zu widmen. 76 Sterne, z.T. von Bode selbst neu entdeckt, wurden zu einer Konstellation zusammengestellt, die den Namen »Friedrichs Ehre« erhielt und die Form einer Königskrone, eines Schwerts, eines Lorbeerkranzes und einer von einem Ölzweig umwundenen Feder darstellen sollte. Staegemanns Lied nutzt allerdings die Panegyrik vor allem zum Transportmittel für den eigentlich im Vordergrund stehenden Aufruf zum Handeln, zur Aufnahme des - Anfang 1812 höchst unrealistisch erscheinenden - Kampfes für »Preußens Ehr' und Brandenburgs vor allen!« Dieser Landespatriotismus war nicht mehr ein bloß traditioneller Aufruf zur Untertanentreue und zur Verteidigung der legitimen dynastischen Herrschaft. Alle Preußen in allen gesellschaftlichen Bereichen und aus allen sozialen Schichten - Staegemanns Text nennt stellvertretend Priesterschaft, Bauern, Minenarbeiter, Seefahrer, Wissenschaftler, Dichter - wurden zum Kampf für das Vaterland aufgerufen. Eine totale Mobilisierung, der eine ebenso totale Säkularisierung des Heilsversprechens entspricht: Alle für des Vaterlandes Ehre Eine Wehr, Ein Sinn, Ein Herz voll Flammen, schlagt in Eine That geweiht zusammen; zwar geweiht dem Tode, doch dem schönen, doch mit Lorbeer um die Stirn gekränzet, doch unsterblich in des Liedes Tönen Hier wird eine die Standesgrenzen ignorierende Volkseinheit behauptet, die im Tod auf dem Schlachtfeld als dem »schönen« Tod das höchste Egalitätsversprechen erhält. 105 Das gesamte Volk wird militarisiert, allen steht der gewaltsame Tod bevor, doch allen leuchtet damit auch die Unsterblichkeit und der Ruhm des Heldentodes. Staegemanns Klassizismus war bestrebt, das »Spree-Athen« ins 19. Jahrhundert hinüber zu retten; er schuf den Mythos eines preußischen Heldenfirmaments, das die Patrioten in der Not und Auflösung des Vaterlandes stärken und leiten sollte. Trotz der Appell-Rhetorik seiner Verse, 105
Zur »Nationalisierung« des Kriegstodes in den modernen Staaten vgl. Mosse (1993); Koselleck/Jeismann (1994). 121
die solche Mahnung an die Größe der Vergangenheit stets mit dem Aufruf zu künftigen Taten verknüpfen, lag in jener Entrückung des »Sternenbilde[s] Friedrichs« doch auch eine tiefe Ambiguität. Wurde somit einerseits das Unverlierbare aus den Schätzen preußischer Geschichtsglorie in die zeitlose Ferne der mythischen Konstellation gerettet, so drückten Staegemanns Gedichte gerade in dieser Verklärung andererseits die deprimierende Distanz aus, welche das niedergedrückte Preußen von jenem Hohenzollernreich trennte, das sich erst ein halbes Jahrhundert zuvor als europäische Großmacht durchgesetzt hatte. Weder von Staegemann noch von anderen Tischgenossen haben sich aus dem späteren Zeitraum des Jahres 1812 politische Gedichte erhalten. Das Jahr 1812 bedeutete einen Niedergang für den preußischen Nationalismus, der sich durch das beim Rußlandfeldzug erzwungene Bündnis mit Frankreich in seinen patriotischen Grundlagen und in seinem Vertrauen zum Königshaus erschüttert zeigte. Nicht nur quittierten viele Offiziere (darunter der Stadthauptmann Chasot, Clausewitz sowie seine Freunde Horn und Tiedemann) nach dem Vertrag vom 24. Februar 1812 den Dienst im preußischen Heer und verließen Berlin, um beim Aufbau einer russisch-deutschen Legion mitzuwirken und damit sogar das Risiko in Kauf zu nehmen, gegen die eigenen Landsleute und Militärkameraden antreten zu müssen. Sogar Staegemann verstummte angesichts dieser für die preußischen Patrioten tristen Lage und bekannte seiner Frau am 7. August 1812: »Meine alte Gewohnheit, des Königs Geburtstag aus meiner eigenen Hand zu besingen, ist diesmal beiseite gesetzt. Was wäre auch viel zu besingen!« 106 Ein politisches Lied findet sich unter den Texten der Tischgesellschaft erst wieder zum Stiftungsfest des Jahres 1813, also nach der Nachricht von der Unterzeichnung der Konvention von Tauroggen am 30. Dezember 1812. Die eigenmächtige, aber vom König nicht widerrufene Unterzeichung des partiellen Waffenstillstands zwischen Yorcks preußischer Armeeeinheit und den russischen Truppen, die dem franzö106
Abeken (1908), Bd. 1, S. 161. Bestimmt nicht nur aus Angst vor einer möglichen Verletzung des Briefgeheimnisses heißt es in einem Schreiben Schleiermachers an Gustav von Brinckmann vom 4. Juli 1 8 1 2 (Rachold, 1995, S. 218): »Von den großen Verhältnissen schreibe ich nichts; es läßt sich darüber doch nur sprechen.« Ernst M. Arndt kommentierte den Vertrag in einem Empfehlungsschreiben für Gneisenau an Karl Nernst in Stockholm drastisch als »Schandpakt der elenden Regierung mit den Franzosen« (Breslau, 29. März 1812; Arndt, 1985, S. 369).
122
sischen Hauptheer nachsetzten, gab wieder Hoffnung auf einen Krieg gegen Napoleon. War die »Krone« auch der »Wahlspruch« der Tischgenossen, so kam in seiner historischen Ausfüllung dem Mythos Friedrichs II. eine konkurrenzlose identitätsstiftende Funktion zu. Dies wird u. a. dadurch deutlich, daß die Tischgesellschaft vielleicht schon ab dem zweiten, 1 0 7 mit Sicherheit aber ab dem dritten Jahr ihres Bestehens ihr Stiftungsfest nicht mehr am 18. Januar, dem Krönungstag der Preußenmonarchie, sondern eine Woche später, am 24., dem Geburtstag Friedrichs II., feierte. 108 So sind dann auch die beiden in der Zeit der Befreiungskriege von Arnim für die Tischgesellschaft geschriebenen politischen Lieder jeweils dem 24. Januar 1 8 1 3 bzw. 1 8 1 4 gewidmet; das erste zieht in den Versen der Eingangsstrophe die drei Anlässe »zu dreyfacher Feyer des Stiftungstages, des Preussischen
Krönungstages und des
Geburtstages
Friedrich des Grossen« 1 0 ' zusammen: Tag der Krone, Tag des Grossen Der sie glanzvoll hat erhoben, [...] Tag der deutschen Tischgenossen Das in Wechselgesänge von Solo- und Chorstimmen aufgegliederte Lied zum >24 Januar i8i3< ist ein signifikantes Dokument für jene A u f 107
Ic8
109
Arnims Bericht in einem Brief an Brentano (Berlin, den 5. März 1812; Schultz, 1998, Bd. 2, S. 635) bezieht sich mit ziemlicher Sicherheit auf das Gedicht Staegemanns >Zur Secularfeier des 24. Januars< (wie es überhaupt sehr unwahrscheinlich ist, daß sich die Tischgenossen in der kargen Zeit Anfang des Jahres 1 8 1 2 an gleich zwei aufeinanderfolgenden Wochen zu großer Feier versammelt haben sollten): »Der Stiftungstag soll sehr feyerlich gewesen seyn, die Trompeter und Pauker haben vierzehn Thaler gekostet und nach dem Prinz Ferdinand hat man Friedrichs Schimmel leben lassen, Stägemann hat tapfere Verse mit einer geringen Legirung alter Mythologie verfertigt.« Selbst Arnim scheint sich sogar schon 1814 in einem Brief an die Brüder Grimm (Berlin, 25. Januar 1814; Steig, 1904, S. 29of.) nicht mehr an das Datum des 18. Januar als des eigentlichen Stiftungstags der Gesellschaft zu erinnern: »Gestern war der 24ste und wieder, wie es nach dem allgemeinen Gesetze der Zeitrechnung erfolgen muste, fiel auch Frie[drich]s II. Geburtstag auf diesen Tag, Stiftungstag unsrer Gesellschaft, grosse Versammlung«. So in der ursprünglich für den Zeitungsdruck vorgesehenen Einleitung von H 2 zu Nr. 36, die dann jedoch nicht für den >Preußischen Correspondentes verwendet wurde.
123
bruchsstimmung, die im U m f e l d des sich erst ankündigenden Befreiungskrieges selbst in der königstreuen Tischgesellschaft über alle Legitimitätsschranken hinweg ganz v o m Insurrektionsgedanken bestimmt zu sein scheint. D a ß die versammelten Tischgenossen es wagten, zu diesem Zeitpunkt ein derartiges Lied in der Hauptstadt Preußens zu singen, erstaunt
allerdings
weniger
hinsichtlich
dieser weiten
Hofkreisen
äußerst suspekten Tendenz, sondern in erster Linie aufgrund seines unverblümten Aufrufs z u m Krieg gegen Napoleon. K a u m verhüllt ist schon der Bezug der Eingangsverse auf das >dies irae, dies illaAn mein VolkKurzem Katechismus für teutsche Soldaten< zu entsprechen, in welchem die Soldaten ihres Eids gegenüber den Napoleon verpflichteten Fürsten freigesprochen werden.123 Allerdings hätte eine derartige Auffassung noch im Jahr zuvor einen Treuebruch nicht nur gegenüber den Rheinbundfürsten, sondern auch gegenüber dem preußischen Königshaus selbst bedeutet, das sich zu einer Teilnahme an dem Zug der grande armée nach Rußland gezwungen sah. Bei aller Nähe zu den Positionen Steins (und seines Propagandisten Arndt) war selbst für diejenigen Mitglieder wie Clausewitz, die in dieser Situation um ihren Abschied baten,124 eine solche Entscheidung ein trauriger und wehmütiger Schritt.125 Anderen wäre eine Weigerung der Gefolgschaft ihrem König 121
122 123
124
125
Grundlegende Untersuchungen zur Position Arnims im Rahmen der preußischen Verfassungsdiskussion s. Knaack (1976) und (1990); zur historischen und politisch-rhetorischen Bedeutung des »Volks«-Begriffs allgem. vgl. Titzmann (1993). Werner (1969), S. 16. Arndt (1988), S. 12: »Das ist die teutsche Soldatenehre, daß der brave Krieger dem Könige oder Fürsten, der ihm zu gebieten wagt für die Franzosen und ihren Despoten den Degen zu ziehen und gegen die Freiheit und Ehre ihres Landes zu fechten, den Degen im Angesicht zerbreche«. Nach Rußland zu Stein und Gneisenau gingen außer Clausewitz mit Sicherheit Chasot, Hauptmann von Horn und der junge Major Tiedemann, ein Schüler Scharnhorsts. Vgl. Linnebach (1916), S. 281. 128
gegenüber bei allem Gefühl von Schande und Selbstentwürdigung niemals in den Sinn gekommen. 126 Man darf für die Gesinnungen dieser Mehrheit der ungebrochen Königstreuen wohl das Gedicht Staegemanns vom April 1812 >An das Preußische Heer, als es, mit den französischen Truppen gegen Rußland verbündet, ausmarschirteZerstörung des Eigensinns< als Beseitigung des Standesdünkels und positiv als Herausbildung eines patriotischen Volksgedankens zu verstehen gewesen sein mag, ist in diesen Liedern nur angedeutet. Immerhin mochte auch dem entschiedensten Gegner der autokratischen Regierungsweise des Staatskanzlerbüros nicht ganz entgangen sein, daß die Rolle der provisorischen Nationalversammlung als »eines hochkonservativen Bollwerks gegen Reform und Regierung« 136 zu jener Durchsetzung der Reformpolitik per Dekret zumindest nicht unwesentlich beigetragen hatte. Die Erhebung der »Volkesstimme« im Zusammenhang mit der antinapoleonischen Insurrektion nährte die Hoffnung, daß jetzt tatsächlich im Sinne eines »Ganzen« die verhärteten Fronten aufgeweicht werden könnten. Daß allein der preußische »Kriegsgeist« noch »ganz Deutschland retten« konnte, während »alle Deutsche« den Widerstand gegen das französische »Joch [...]« bereits aufgegeben hatten, wird in Arnims Lied -J« Vgl. Wehler (1989), Bd. 1, S. 4 4 8 f f . 135 Arnim klagte in einem Brief an Görres vom 2 3 . 1 . 1 8 1 6 die Nationalrepräsentation an, nur als »Dotation für die Berliner Restaurateurs« von Nutzen zu sein (zit. Knaack, 1976, S. 49). 136 Wehler (1989), Bd. 1, S. 449.
134
vom Januar 1814, also knapp zwei Monate vor dem Einzug der Verbündeten in Paris, nun stärker unterstrichen als die Erinnerung an deutsche Gemeinsamkeiten. Der Hinweis, daß »Preußen Hand« die deutschen Staaten von den napoleonischen »Ketten« befreite, bereitet das Terrain für den künftigen Führungsanspruch der Hohenzollernmonarchie. Das den Text bechließende Lebehoch gilt nicht Deutschland, sondern dem preußischen Volk und seinem großen König, der »es siegen lehrte«. Während für das Kongreßjahr 1 8 1 5 kein politisches Lied in den Texten der Tischgesellschaft überliefert ist, findet sich für 1 8 1 6 eine anläßlich des höchsten Vereinsfestes von Brentano verfaßte Begrüßunghymne auf den nach Berlin zurückkehrenden Feldmarschall Blücher. Zusammen mit einem nicht erhaltenen Kehrreim-Gesang, der anzüglich Siegesfreude und Zote verknüpft, hat es laut Brentanos Bericht an Arnim Wogen höchster patriotischer Begeisterung provoziert: Der Stiftungstag der d.Gesellschaft war sehr brillant, ich gieng nicht hin, aber ich habe Ihnen ein Blücherlied und ein Ecce quem bonum dazu geschrieben, welche Zerboni die Spossetti' 37 mit gröster Leidenschaft mit gebrüllt. Der Vers: hoch lebe der Merkurius, der von Franzosen heilet, wer alzusehr drauf schwitzen muß, der hat sich übereilet, ward dreimal wiederholt. 138 Wie schon Arnim in seiner Tischrede vom Vorjahr (Nr. 37) unterstreicht Brentano 1 8 1 6 mit dem Hinweis, daß die Texte »Ihnen [...] dazu geschrieben« worden seien, seine offensichtlich inzwischen recht große Distanz zur Tischgesellschaft. 139 Er betont zugleich den okkasionellen 137
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" 3S
Joseph Zerboni di Sposetti ( 1 7 6 0 - 1 8 3 1 ) , in der preußischen Verwaltung tätiger Jurist, ab 1815 Oberpräsident des Großherzogtums Posen (s. Schultz, 1998, Bd. 2, S. 941), Verfasser von Gedichten. Da für das Jahr 1816 keine Listen vorliegen, ist nicht zu entscheiden, ob Sposetti Mitglied oder nur Gast in der deutschen Tischgesellschaft war. Brentano an Arnim, den 3. Februar 1816, Schultz (1998), Bd. 2, S. 732. Brentano verkehrte seit seiner Rückkehr nach Berlin im September 1814 vor allem mit den bald im Zentrum der Berliner Erweckungsbewegung stehenden Brüdern Leopold, Ludwig und Wilhelm von Gerlach (vgl. Rupprich, 1929, S. 764). Es ist anzunehmen, daß die offene Mitgliederstruktur der Tischgesellschaft und ihre keineswegs grundsätzlich antireformerische Tendenz Brentano nicht mehr so stark anziehen konnte. Seit Dezember 1814 besuchte er einen nach dem Treffpunkt beim Gastwirt Mai »Maikäfer« genannten rein konservativ orientierten Klub, dem außer den Brüdern Gerlach u.a. noch ein Graf Stolberg, Karl von Rappard, Karl von Voß und Friedrich von Bülow angehörten (s. Wiegand, 1914; Schoeps, 1970).
135
Charakter der Verse, deren simple Bauform der groben Schlichtheit ihrer vaterländischen Gesinnung in nichts nachsteht. Blücher war unter den Generälen der Befreiungskriege ohne Zweifel der populärste; Arndt, Rückert, viele andere widmeten ihm Gesänge, und in einem Kriegslied Uhlands geht Blüchers Name ganz in dem zur mythischen Formel geronnenen Beinamen »Marschall Vorwärts« auf {»Vorwärts heißt ein Feldmarschall [.. .]« I4 °). Dieser wird von Brentano erstaunlicherweise nur an einer Stelle verwendet (»Vorwärts mit Reitermuth / Risst du der Streiter Wuth«), allerdings ist Blücher auch in seinem Lied ganz der Mann der Tat, dessen Aktion als das »Schwerd« Deutschlands den »Höllensohn« Napoleon nieder »zum Roth« getreten hat. In Brentanos Versen wird in der Gestalt Blüchers der »Deutsche Michel« von der Figur des verschlafenen, plumpen Tölpels wieder in den biblischen kampfgewaltigen Erzengel und Sieger über den Satan (Offenb., 12, 7ff.) zurückverwandelt und der General als Verteidiger der Nation zum Himmelswächter mythisch verklärt. 141 Leitmotivartig wird Blücher als Kämpfer für die »Wahrheit« gegen den »Lügenbann [...]« bezeichnet, ein den Zweifel und alle Unsicherheiten durch den klärenden Gewaltstreich beseitigendes Wahrheitspathos bestimmt insgesamt den Text. 142 Wie der Binnenreim: »Diplomaten [...] Tractaten [...] Ducaten [...] Lügensaaten« zeigt, bezieht sich die Rolle Blüchers als der, [...] der Wahrheit hegt, Lügner ins Anlitz schlägt, Schlangen mit Schwerdern fegt
keineswegs nur auf den äußeren Feind des Vaterlands. Es geht vor allem um das Kontrastbild des entschlossenen Militärs gegenüber der zaudernden und taktierenden Diplomatie; dabei ist wenig entscheidend, ob die hierin sich ausprechende Kritik nun auf das Drängen Blüchers nach 140
141 142
Schillemeit (1970), S. 198. Arnims fast schwärmerische Blücher-Verehrung äußert sich in einem Brief an Brentano aus Göttingen vom 6. Okt. 1806, w o er an die Soldaten des durchziehenden Blücherschen Korps seine Kriegslieder verteilt hatte: »ich hörte den General Blücher mitten im Platzregen auf dem Platze so wunderbar schön reden, daß er mir recht wie ein Kriegsheiliger vorkommt.« (Schultz, 1998, Bd. 1, S. 428). Vgl. Rohland (1977). Vgl. im gleichen Tonfall noch Treitschke (1879), S. 181: »die Helden des Schwertes verschwanden vom Schauplatze, mit ihnen die große Leidenschaft , die unerbittliche Wahrhaftigkeit des Krieges«. 136
dem Sieg in der Völkerschlacht zur Fortsetzung des Krieges bis zur endgültigen Beseitigung des Feindes zu beziehen ist oder ob an die allgemeine Enttäuschung der deutschen und vor allem der preußischen Patrioten über die Ergebnisse der Wiener Verhandlungen gedacht werden muß (wofür allerdings schon allein die Tatsache spricht, daß Brentano zum 24. Januar 1 8 1 6 , rund ein halbes Jahr nach der Unterzeichnung des Wiener Schlußprotokolls,
für die Tischgenossen
gerade
Blücher zum Thema des Festliedes wählt): Es spricht vom Schlachtgefild Bis, w o sie selten gilt, Wahrheit dein Schwerd. Daß Brentano trotz der auch in seinem Lied vorkommenden Apostrophen an »Volkesmund« und »Volksgesang« keineswegs mehr an einen egalisierenden Volksbegriff dachte, wird in einer in den Entwürfen enthaltenen, nicht in die Reinschrift übernommenen Strophe 1 4 3 deutlich: Wenn uns der Herr erhört, Hoch jeder Preuße schwört, Für seinen Stand, Und fortan ungestört Weis w o er hingehört, Jeder, und nährt und wehrt, Das Vaterland.
143
Hs. F D H 10170; dieser Strophenentwurf ist nicht in die Variantendarstellung von F B A , Bd. 3,1, S. zozH. aufgenommen. Im Kommentar von F B A wird die These vertreten, daß die frühere Entwurfsfassung des Liedes (Hs. F D H 8074 a) »politisch stärker« akzentuiert gewesen sei, und »Redefreiheit und Ständerecht eingefordert« habe (ebd., S. 200); es sei daher sogar denkbar, daß diese frühere Fassung mit dem Titel >Willkommen Friedensheld< der Zensur zum Opfer gefallen sei. Dieser Spekulation widerspricht die angeführte Strophe, wie insgesamt die Tatsache, daß sich die Fassung »Willkommen Friedensheld« auf demselben Doppelblatt wie die Entwürfe zu »Grüß dich Gott! Sieges Greis« befinden, eine sehr viel frühere Entstehung der ersten Liedfassung wenig wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Behauptungen H . H. Houbens (1924, S. 135) über eine Zensurmaßnahme gegen Brentanos Lied sind doch recht ungenau, lassen jedenfalls keineswegs eine Zensur aufgrund irgendwelcher politischer Forderungen vermuten (und weder ein recht vorsichtiges Ansprechen der Ständeordnung, noch ein Hinweis auf die Verfassung wären der Hardenbergregierung als scharf zu verfolgende Provokationen erschienen). Houbens Hinweise mögen sich, auch wenn er vom Jahr 1 8 1 5 spricht, doch wohl auf das einzige in Reinschrift überlieferte Lied »Grüß dich Gott Sieges Greis« beziehen.
137
Diese Verse waren von der Anrufung der >vox populi< bei Arnim zwei Jahre zuvor weit entfernt, vor allem aber hatte das sieggeschwollener Brust entweichende >Brüllen< des »Blücher«-Lieds nicht viel von den elegisch-freudigen >Gaudeamus-igiturDie teutschen Volksbücher< die Aufwertung der Volkspoesie als der eigentlichen Quelle einer nationalen Dichtung. Nicht mehr handele es sich darum, gegenüber dem bescheidenen Produkt der Volkskultur eine »tolerante Gesinnung der Gebildeten gegen die Ungebildeten« zu erbitten; die Volksbücher stünden uns nun »vielmehr als Objecte unse1,1
Zit. Brentano, F B A , Bd. 6, S. 427. Vgl. ebd., S. 408: »Neues muste dem Neuen folgen, nicht weil die Neuen so viel Neues geben konnten, sondern weil so viel verlangt wurde: so war einmal einer leichtfertigen Art von Liedern zum Volke Bahn gemacht, die nie Volkslieder werden konnten.« Brentano, F B A , Bd. 6, S. 430. 1,3 Vgl. Schulte-Sasse (1985), S. 126: »Hinter der Veröffentlichung von Volksliedern und Volksliteratur im Zeichen der Moderne stand die Hoffnung, diese Literatur möge die in ihr ausgedrückte Einheit wiederherstellen«, "'•t Brentano, F B A , Bd. 6, S. 441.
141
rer höchsten Verehrung und unserer wahrhaftigen Hochachtung« gegenüber, »als ehrwürdige Alterthümer, die durch das läuternde Feuer so vieler Zeiten und Geister unversehrt durchgegangen« 155 seien. Die Volksbücher sind Zeugnisse eines »durch das Ungeschick der Führer« inzwischen gedemütigten Volkscharakters, den es durch die Rückkehr zum »Wesen der Nation«, »zu dem was ihr Eigenstes und Würdigstes ist«1 sö neu zu entdecken gelte: »So erkennen wir endlich auch den ächten innern Geist des teutschen Volkes, wie die älteren Mahler seiner besseren Zeit ihn uns gebildet, einfach, ruhig, still, in sich geschlossen, ehrbar, von sinnlicher Tiefe weniger in sich tragend, aber dafür um so mehr für die höheren Motive aufgeschlossen.« 157 Weniger enthusiatisch, aber weiterhin von dem Beitrag der Wiederentdeckung der Volkspoesie für eine Stärkung des deutschen Nationalgeistes überzeugt, verfolgten Arnim und Brentano in den Folgejahren ihr kulturpolitisches Projekt. Arnim realisierte Anfang 1808 in Heidelberg, wo er die Drucklegung des zweiten und dritten Bandes des >Wunderhorns< beaufsichtigte, die von Brentano zuerst entwickelte Idee zu einer Zeitschrift, »ganz als sei sie aus der Zeit des Mittelalters, oder vielmehr einer imaginären literarischen Zeit [...] voller Kleinodien unserer alten poetischen und historischen Kunst«. 158 Für die >Zeitung für Einsiedler^ 59 wünschte sich Arnim »Lieder«, vor allem aber eine kritische Anzeige von Schelmufkys Reise um die Welt mit interessanten Bruchstücken, Du kannst zulügen daß die Balken brechen, die Zoten must Du wie in der Erzählung durch einen Flor sehen lassen, das Auge der Menschen ist zu schwach für diese strahlende Wahrheit [...] ein paar schöne kurze altdeutsche Einsiedlerhistorien [...] Mach eine Ankündigung vom Goldfaden. Schreib insbesondere recht wunderliche Anekdoten [...] Such nach recht schönen alten Prosastücken[.] l6 °
Die Erwähnung von Reuters und Wickrams Romanen unterstreicht die Verlagerung des Interesses von den Volksliedern aufs narrative Terrain (wobei auch hier keine Epoche der Vergangenheit deutlich bevorzugt,
155
Kozielek (1977), S. 116. " 5 i Kozielek (1977), S. H J . 157 Kozielek (1977), S. 114Í. 158 Brentano an Johann Georg Zimmer, 28. Nov. 1807, Zimmer (1888), S. i/8f. Vgl. Kozielek (1988). 160 Arnim an Brentano, Heidelberg, den 18. Februar 1808, Schultz (1998), Bd. 2, S. $02
142
zwischen späthumanistischen oder barocken Werken nicht unterschieden wird). Arnims von den Erfordernissen der Zeitschrift bedingte Bitte um K ü r z e führte zu einer verstärkten Suche nach Anekdoten und Schwankliteratur. Allerdings war das Ergebnis in der >Zeitung für Einsiedler recht dürftig: nur eine der Chronik von Froissart nacherzählte Geschichte >Von dem Leben und Sterben des Grafen Gaston Phöbus von Foix< l6 ' und eine Einsiedlerhistorie v o n Jacob G r i m m (>Frontalbo und die beyden OrbellenGeschichte v o m Ursprung des ersten BärnhäutersBärnhäuter< geschieht dies durch die Integration der Traditionsbruchstücke in den Kontext der modernen Satire. A l s »sei sie aus der Zeit des Mittelalters« präsentierte sich die >Zeitung für Einsiedler< auch durch ihre von L u d w i g G r i m m verfertigten Kupferstiche. Schon die erste N u m m e r brachte auf der letzten Seite zur »Bewillkommung ein frommes altdeutsches Ehepaar« 1 6 6 nach einem Bild von Hans Leonard Schäuffelein, einem Schüler Dürers, und die Illustrationen z u m >Bärnhäuter< stellen konsequenterweise das Portrait des »erste[n] Bärnhäuter[s]«' 67 nach der Vorlage eines Landsknechtes von 1588 161
>Von dem Leben und Sterben des Grafen Gaston Phöbus von Foix und von dem traurigen Tode seines Kindes GastonUeber die Kennzeichen des Judenthums< und ihrer Nutzung des Eulenspiegel-Volksbuches und von Johannes Paulis >Schimpf und Ernst< ein Beispiel für den Versuch, es dem Vorbild von Brentanos Verarbeitung der Schwankliteratur im >Bärnhäuter< nachzutun. Im Kreis der Tischgenossen hielten es Brentano und Arnim aber in erster Linie für einen Versuch wert, kurze altdeutsche Prosastücke, Schwänke und Anekdoten, die schon allein wegen ihrer Kürze dem Vortrag beim Essen angemessen erschienen, ohne weitere Einkleidung zu erzählen. Brentanos Aufforderung an die Tischgenossen, Altes oder Neues zu erzählen, »es sei die Geschichte aus eigner Erfahrung, oder Mittheilung der reichen Zeit« (Nr. 9) wiederholte seine mit Arnim dann durch das >Wunderhorn< realisierte Idee zum »Volksliederbuch«, in dem »die bessern Volkslieder drinne befestigt,
,6e
Zeitung für Einsiedler, Nr. 25, nach Sp. 200. 144
und neue hinzugedichtet werden« 169 könnten. Der Bund der »Liederbrüder« setzte also sein Projekt fort und suchte nun - wie Brentano »einem altdeutschen Schreiber« nachsprach - die Besucher der Tafelrunde als Beiträger von »Gute[n] Geschichten und kurzweiligefn] Schwänke[n]« zu gewinnen, um »die Gesellschaft durch ihre Erzählung zu erfreuen«. Schriftlich überliefert sind von den Geschichten dieser Art, die auf den Versammlungen der Tischgesellschaft vorgetragen worden sind, insgesamt nur fünf, d.h. außer den bereits genannten, die sich in dem »Buch« der Gesellschaft erhalten haben (Nr. 9), nur noch eine weitere in der Handschrift Brentanos mit dem Titel >Buchsenfest< und »Hr ν Bodmann« als Verfasserangabe (Nr. 13), wobei es sich vielleicht um den der Familie Brentano bekannten Landgerichtsrat Bodmann aus Hanau handelt. 170 Diese erotisch gefärbte Fazetie zeigt, wie in der - vielleicht schon durch die ersten publizistischen Angriffe aufgeregten - Atmosphäre der Tischgenossenschaft ein noch so >unschuldiger< Scherz etwas von seiner Harmlosigkeit einbüßte. Denn im letzten Satz des Textes: »Einige Zeit darauf, ward der Präsident der kurfürstlichen Keuschheitspolizei selbst in flagranti ertappt [...]« fügt das über der Zeile nach »Keuschheitspolizei« eingesetzte: »ein Jude« der Pointe selbst nichts hinzu und verleiht dem einfältigen Text bloß jene antijüdische Tendenz, die generell die Satire in den Tischgesellschafts-Texten auszeichnet. Die vier Geschichten des Tischgesellschafts-Buches sind in zwei jeweils mit »Ernst« und »Scherz« überschriebene Kapitel eingeteilt, bei welchen schon die Uberschriften einen grundsätzlichen Abstand der alten von den modernen Historien suggerieren sollen, als ob »Ernst«, ernsthafte Haltung und Würde nur den altdeutschen Geschichten aus der Vergangenheit zugeschrieben werden könnten, während sie den aktualisierenden Varianten der Gegenwart von vornherein mangelten. 171 169 170 171
Brief an Arnim, Heidelberg, 15. Febr. 1805; Schultz (1998), Bd. 1, S. 263. Vgl. Härtl (1982), S. 249, Anm. 6. Zur Gegenüberstellung von Scherz und Ernst vgl. auch die Schlußstrophe in Brentanos Lied >Der Jäger an den Hirtenc »Gieb die Pfeile, nimm den Bogen,/ Mir ists Ernst und dir ists Scherz,/ Hab die Senne ich gezogen/ D u gezielt, so trifts ins Herz«. Das Gedicht wurde von Arnim in der Z e i t schrift für Einsiedler< (Nr. 5 v. 15. April 1808) veröffentlicht, Brentano hatte es ihm Jahre zuvor in zwei Briefen im August und Oktober 1803 (Brentano F B A , Bd. 3 1 , S. 1 4 5 - 1 4 7 ; 2 3 8 - 2 4 1 ) geschickt. Schwinn (1997, S. 145) interpretiert Ernst = Leben = Brentano und Scherz = Kunst = Arnim und deutet das Gedicht insgesamt als Thematisierung der »Wesensergänzung«
145
Die Absicht der Zusammenstellungen wird im Zwischentext erläutert, der von der ersten Schwankerzählung: Bürgermeister Jochim Appelmann zu Stargart läßt seinen ungehorsamen Sohn köpfen im Jahr ι zur zweiten, zeitgenössischen Geschichte: >Der Professor Ν. N. in Gießen läßt seinen ungehorsamen Sohn nicht köpfen< überleitet. Brentano nannte die »auf Antrag Herrn L. A. von Arnim's des Stifters von Herrn Hofrath Beckedorff, dem Sprecher« aus Friedeborns >Stettinischen Geschichten von 1613 vorgelesene Sage eine »rührende vaterländische Begebenheit« bzw. einen »herrliche[n] vaterländische[n] Gegenstand«, zu dem sich eine ähnliche Geschichte »aus neuerer Zeit« »ganz parodirend« verhalte. Die Rührung, die ernste Nachdenklichkeit über die entschlossene Tat des mittelalterlichen Bürgermeisters, der seinen eigenen liederlichen Sohn der Gerechtigkeit und dem Frieden der Stadt opfert, u.U. auch das ehrliche Entsetzen über die darin liegende Brutalität, werden aufgelöst ins Lächerliche der modernen Variante. In dieser unterläuft der »etwas freche Scherz«, mit dem der Sohn dem Vater im »fidelen« Universitätsmilieu den ironischen Spiegel vorhält, die ohnehin im Vergleich zur Vergangenheit schon äußerst harmlose Strafe. War es in Brentanos Philister- und in Arnims Juden-Abhandlung der satirische Kontext, der die Texte der Vergangenheit der modernen Geselligkeit akzeptabel machte, so diente in diesem Fall die Aufeinanderfolge von altertümlicher Historie und aktueller Parodie demselben Zweck. Brentano dachte offensichtlich an eine Art Shakespearscher Persiflage: Sollte »dieser herrliche vaterländische Gegenstand jemahls für die Bühne bearbeitet« werden, so könnte die scherzhafte Variante »etwa einer lustigen Person aus des Sohnes Gesellen zugelegt werden«. Arnim bezeichnete seine dramatische Bearbeitung des Stoffes in der >Schaubühne< von 1813 als »Puppenspiel« 172 und gab damit gleichfalls zu erkennen, daß er den altdeutschen Stoff nur in distanzschaffender Verfremdung (und Verkleinerung) aufs Theater bringen möchte. »Ernst« und »Scherz« stehen in einem Bedingungsverhältnis zueinander. Der »ehrbare Schwank«, die
172
(ebd.). Die Ernst-Scherz-Aufteilung bei der Sammlung der Schwankerzählungen für die Tischgesellschaft spielt wohl auch auf diesen Aspekt des Bundes der »Liederbrüder« an. Brentano hielt Arnims Gattungswahls für eine Verlegenheitslösung, die bei dem seiner Meinung nach »lebendigsten fleischernen Stück« durch das von Arnim hinzuerfundene, mittels einer »Kopfanleimung« (Schultz, 1998, Bd. 2, S. 680) versöhnlich gehaltene Ende notwendig wurde.
146
ernste Anekdote von »vaterländischer Treue und Tapferkeit« erfährt durch die Parodie eine Erleichterung und Aufheiterung, wie sie dem Anlaß heiterer Geselligkeit in einer Eßgemeinschaft angemessen erscheint; die scherzhafte Geschichte wäre dagegen ihrerseits als gar zu leicht befunden, richtete sie sich nicht ganz auf das zu persiflierende hohe Vorbild. Der zweite altdeutsche Schwank weist von seiner erzählten Zeit her noch weiter ins Mittelalter zurück als der vorige, seine Quelle ist allerdings gleichfalls eine Sammlung aus dem 17. Jahrhundert: >E. G. Happeln Grosseste Denkwürdigkeiten der Welt Oder so genandte Relationes Curiosae< von 1689. 173 Heinz Rölleke hat darauf hingewiesen, daß Brentanos Textbearbeitung für den Vortrag in der Tischgesellschaft den Text der Happelius-Quelle nahezu wörtlich wiedergibt. Die Ergänzungen stellen gegenüber der Vorlage den Aspekt der Treue besonders heraus, »angefangen bei der Formulierung des Titels über die Bekräftigung des Versprechens und die Begründung des Wunders (>aus kräftigem treuen Willen aufgesprungenWunder der Treue< bis hin zur ausführlich dargestellten Reaktion der treuen und für die Treue ihres Herrn lebenslänglich dankbaren Knechte«. 174 Brentano läßt somit die alte Geschichte in Stil und mirakulösem Erzählkern unberührt, der gleich der >AppelmännerWunderhorn< vorgesehenen Versballade 175 besonders beeindruckt: »die schöne Freie Willenskraft des Ritters«. 17 * Mit seinen Ergänzungen betont Brentano darüber hinaus allerdings vor allem die gleichfalls schon im Original angelegte, von seinem modernen Bearbeiter jedoch ins Extrem gesteigerte, unbedingte Treue, die für Herrn und Gefolge bis zum Tode und über den Tod hinaus gültig ist. Daß es sich dabei um Themen 173
174 175
176
Bd. 4,2, S. 424. Rölleke (1995), S. 224. Im Exemplar der Arnim-Bibliothek in Weimar ist die Seite mit der »Schauenburg«-Geschichte markiert (Rölleke, 199$. S. 226). Rölleke (1995), S. 233 (unter Auslassung der Zeilenangaben). Diese Ballade Arnims: >Ritter Dietz von Schauenburg< mit Lesarten jetzt in: Rölleke (1995), S. ι ι γ ί . Brentano an Arnim, [kurz nach dem 2$.Januar 1808], Schultz (1998), Bd. 2, S. 484.
147
handelte, »die in der Zeit vor den Befreiungskriegen aktuell zu sein schienen«, 177 wird durch Brentanos Zusatz am Ende der Geschichte deutlicher: Die Knechte aber haben das Blut des Dietzen nicht von ihren Wämsern gewaschen, sondern es getragen bis in ihren Tod, den sie als brave Landsknechte endlich auf grünen Felde gefunden; und ich sage nur noch: Wo ist ein solcher Herr, daß ich ihm diene, außer Gott! Das war kein Philister, der hätte höchstens sich noch eine Pfeife Taback nachher ausgebeten.
Nicht nur findet sich hierin die patriotische Aussicht auf den Tod fürs Vaterland angedeutet, auch wird die direkte Einmischung des Vortragenden zu einer den Text vollends aktualisierenden Klage über den führungslosen Zustand des deutschen Vaterlandes, dem »ein solcher Herr« als Identifikationsfigur und Anti-Philister im Jahre 1 8 1 1 zu fehlen schien. Derartigen Höhenflügen patriotischer Begeisterung folgte, dem fröhlichen Wechsel von Scherz und Ernst entsprechend, der nun in Arnims Handschrift überlieferte Kontrast in der Form einer Anekdote, deren Handlung in der zeitgenössischen Revolutions-Gegenwart angesiedelt ist. Indem Arnim scheinbar analoge Phänomene aus der Naturkunde anführt, die die unerhörte Tat des Schauenburg vorgeblich wahrscheinlich machen sollen, macht er sich über die Wundergeschichte lustig. Die Kette der Vergleiche führt vom kopflosen Weiterlaufen nach dem Tode bis zum hirnlosen Wurm, der, zerteilt, seine eigenen Exkremente frißt und dessen »Klugheit« dabei noch ausdrücklich gerühmt wird. Hühner, Würmer dienen zum parodistischen Gegenbild in einer Satire, der Mensch, Tier oder Sache gleich gelten, insofern nur eine witzige Zusammenstellung erreicht wird. Vom Bericht über ein Experiment mit einem »Räucherkerzchen«, das nach dem Verbrennen seine ursprüngliche Form bewahren kann, der Geruch ist freilich verloren, aber das ist sehr klug von ihm, denn des Geruches wegen hat es sterben und verderben müssen
wird übergeleitet zu einer Anekdote aus der Französischen Revolution: Aehnlich dieser Gesinnung des Räucherkerzchens und für die Theorie des Bewußtseyns und der Unsterblichkeit nicht minder wichtig, war der bekannte Entschluß eines in der Revolutionszeit zur Guillotine verdammten Antirevolutionärs [.]
177
Rölleke (1995), S. 234. 148
Nicht zur Fortsetzung der Parodie (und keineswegs als Material zur »Theorie des Bewußtseyns und der Unsterblichkeit«) dient nun die A n ekdote, sondern im Gegenteil soll sie als in der Gegenwart angesiedelte Beispielerzählung dafür einstehen, daß eine der des Ritters vergleichbare heroische Tat immer noch möglich sei. Arnim hatte das Motiv schon in seiner Versbearbeitung des Schauenburg-Stoffes genutzt, worin es allerdings der Handlung nichts hinzufügt und zudem noch der historischen Unwahrscheinlichkeit des eisernen Richterstabes bedarf: Der eiserne Stab ist gebrochen E r nimmt ein Stücklein rund, Und hat es eingestochen In seinen eigenen Schlund. Des Meisters Schwerdt ist klungen, Es sprang das rothe Blut, A m eisern Stücklein gut. 178 Dieses Handlungselement war Brentano in der - wie er sie treffend nannte -
»grell geschehenen Handlung des 1200« keineswegs als
Fremdkörper erschienen, als er Arnims Kontaminationen des mittelalterlichen Schwanks mit moderneren Stoffen kritisierte. Arnim wies ihn darauf hin, daß gerade dieser Teil der Ballade einer zeitgenössischen Anekdote entspreche: Wenn du ferner die Handlung des Dietz von Schaumburg für so ganz und gar i200mässig ansiehest, so wirds dich verwundem, daß in der Revoluzion ein Kerl während er sich unter die Guillotine legte ein Messer verschluckte, das er sich heimlich [?] beygesteckt, nachdem er es seinen Kameraden erzählt um das Guillotine Eisen stumpf zu machen, was ihm auch gelang, er war geköpft, aber ein Stück aus dem Eisen gebrochen. Gelt, das schmackt doch etwas nach 1199/1. 1 7 9 178 179
Zit. nach Rölleke (1995), S. 228f. Arnim an Brentano, Heidelberg, 6. Febr. 1808; Schultz (1998), Bd. 2, S. 491. Da Brentano nur die seiner Meinung nach auf ein jesuitisches Bußlied des 17. Jahrhunderts verweisende erste Strophe, nicht aber jene vorletzte kritisiert hatte, erscheint Arnims Hinweis auf die aktuelle Quelle für eine von Brentano akzeptierte Hinzufügung gegenüber Happelius doch als eine recht schlüssige Widerlegung und nicht als »Mißverständnis der Brentanoschen Kritik« (Rölleke, 1995, S. 231). Brentanos Kritik zielte allerdings sicherlich auch auf den fühlbaren Stilbruch zwischen Bußlied und Schwank: »Wenn wir alte Lieder der Zeit näher rücken«, schrieb Brentano im Januar 1808 an Arnim, »müßen wir es ganz gleichmäßig, sonst fallen sie um, wie Mauern die aus der senkrechten Linie kommen.« (Schultz, 1998, Bd. 2, S. 485) Arnim setzte dem entgegen, daß Goethe in der Rezension des ersten »Wunder149
In der Fassung der Anekdote für die Tischgesellschaft wird sie als zeitgenössische Entsprechung zu der altdeutschen Sage geboten, wobei erst so die Erzählung von der scheinbar Unmögliches erreichenden Willenskraft ihres Mirakel-Charakters beraubt und in ein zwar unerhörtes, gleichwohl aber realistisch-wahrscheinliches Ereignis verwandelt wird. Das Wechselspiel von Scherz und Ernst macht die Fremdartigkeit des Vergangenen
akzeptabel,
der parodistische
Spiegel
benimmt
den
Schwänken etwas von ihrer steifen Grativität. Doch ging es Arnim und Brentano keineswegs um einen Exotismus des Antiquierten, sondern das »i200mässig[e]« Mittelalterliche sollte als volkspoetisches Zeugnis des - mit Görres' Worten - »ächten innern Geist[s] des teutschen Volkes« verstanden werden. Indem es Arnim gelang, zu dem altdeutschmittelalterlichen Motiv eine zeitgenössische Entsprechung zu finden, bewies er die unveränderte Gültigkeit des erzählten Ereignisses (und der durch es repräsentierten ethisch-moralischen Haltung) und gab darüber hinaus zugleich ein Exempel für eine gelungene Wiederbelebung der horn«-Bandes seine Position unterstütze: »die grellsten Verkettungen von Altem und Neuem sind ihm die liebsten, denn nur in diesen bewährt sich ihm recht die Lebenskraft des Alten« (Brief v. 6. Februar 1808, in: Schultz, 1998, Bd. 2, S. 490). Arnim und Brentano hielten so oder so eine Erneuerung des Alten bei der Verwendung altdeutschen Materials jedenfalls für notwendig und sich als Herausgeber zu derartigen Kontaminationen für berechtigt. Bei den Bearbeitungen der Lieder für die >WunderhornBerliner Abendblättern vom 1. Dezember 1 8 1 0 eine »vermischte Nachricht«: Ein bewundernswürdiger Meister im Abrichten der Thiere reiset in diesem Augenblicke in Deutschland umher. Derselbe zeigt drei Kanarienvögel welche durch ihre Gelehrsamkeit die Welt in Erstaunen setzen: in Dresden, wo er sich jetzt aufhält, wurden zwei Alphabete großer auf Pappdeckel geklebter Buchstaben vor einem der jungen Gelehrten ausgebreitet, woraus er zur Freude und Genugthuung aller Anwesenden jedes geforderte Wort deutscher oder französischer Sprache zusammensetzte [...]. Was am meisten die Anwesenden erfreute und das günstigste Licht auf die Methode seines Brodherrn warf, war das gesunde Ansehn des Scholaren und das acht kindliche Betragen desselben außer den Studierstunden, wo er trotz dem ordinairsten und unkultivirtesten Canarienvogel an Hanfkörnern und Zuckerstückchen knusperte oder daran den Schnabel wetzte. Es ist Hoffnung, daß der Meister in Kurzem auch nach Berlin kommen, und dem Publiko die Resultate seiner naturhistorischen Bemühungen vorlegen werde.' 8 ' Deutlich wird die Nähe der >AbendblätterAbendblätterAbendblätterEinführung< entschieden vielschichtiger. Die Rede stellt zunächst einleitend die Verbindung her zum Scherz über Philister und Juden, wobei der derbe Hinweis: da ihm nichts als die Flügel beschnitten, so ist er auch von Verdacht des Judenthums frey
sowohl einen Vorgeschmack gibt auf Arnims eigene zotenreiche Behandlung des Themas 186 als auch Fichtes barsch-kurzes Wegwischen des Judenverdachts (»Den Juden zwar schiebt man sich wohl vom Leibe,[/] Man ist nicht beschnitten, - ergo ist man keiner.«; Nr. 28) antizipiert. Die offenkundige Harmlosigkeit des anzukündigenden Dressurspaßes wird genutzt, um nicht ungefährliche zeitpolitische Anspielungen anzubringen: auf das »Continentalsystem« (also die von Napoleon aufgezwungene Kontinentalsperre), vor allem aber auf die auch kulturellen Hegemonialbestrebungen und die Zensur der französischen Besatzungsmacht: Wie würde sich unsere Literatur, die aus Westen immer mehr zusammengedrängt wird und aus Furcht vor der Douane sich nicht mehr über den Rhein setzen last, während wir alles von jenseit dem Rhein offiziell übersetzen müssen, wie würde sie sich durch die Zugvögel verbreitenf.] 186
Nr. 28; s. Kap. III. 2.1.
153
Der Hauptteil der Rede, der sich der Vorstellung des abgerichteten Kanarienvogels widmet, ist als Parodie einer streng logischen Erörterung im Rahmen einer Gerichtsverhandlung angelegt. Vorab wird an den allgemeinen Rechtsgrundsatz: quidlibet praesumitur bonus, usque dum probetur contrarium187 erinnert, und »in ernsthaften Beobachtungen« werden danach in der Abfolge von »Gegengrund« und »Widerlegung« mögliche Einwände gegen die Fähigkeiten des Vogels zurückgewiesen. Den Höhepunkt der >Verteidigung< der eigenständigen Intelligenzleistung des dressierten Tieres bildet der Vergleich mit Gottlieb Hiller, aus dessen Autobiographie188 eine Anekdote angeführt wird, weil gegen ihn gerade wie gegen unsern jungen gelehrten buchstabierenden Luftfahrer immerfort der Zweifel obwaltete, ob er seine Gedichte wirklich selbst erfinde, oder von andern machen lasse[.]
Unter dem Etikett »Naturdichter« hatte sich Hiller einen Namen gemacht, 18 ' wobei gerade seine konstante künstliche Manier ihm ermöglichte, je nach Bedarf und zu beliebig gestellten Themen - wie er sich in der von Arnim treu wiedergegebenen Anekdote selbst rühmt - für sein überwiegend höfisches Publikum Gedichte zu verfertigen. Da seine Autobiographie mit Gedichten im selben Jahr wie das >Wunderhorn< erschien, wurde die Differenz zwischen derartigen Kunstliedern und dem von den Romantikern intendierten Volksliedton besonders augenscheinlich. Goethe, der wie zum >Wunderhorn< ursprünglich auch über Hillers Buch eine Rezension beabsichtigt dann jedoch nicht publiziert hatte, brachte den Kontrast auf folgende pointierte Formulierung, die allerdings auch gegenüber Arnim und Brentanos Sammlung eine etwas deutlichere Distanz als im öffentlich geäußerten Urteil verrät: Indem wir uns an den Gedichten des »Wunderhorns« eines entschieden mannigfachen Charakters ohne ausgebildetes Talent erfreuten, so finden wir hier im umgekehrten Sinne ein Talent auf einer hohen Stufe der Ausbildung, aber leider ohne Charakter. 190
Wie die von Arnim ausgewählte Anekdote zeigt, richtete sich seine Kritik an Hiller generell gegen die Tradition des Gelegenheitsgedichts, das als gekünstelt, unecht und opportunistisch diskreditiert wurde. Hiller 187 188 189 190
S. Nienhaus (1994a), S. 1 3 3 , Anm. 47. Gottlieb Hiller, Gedichte und Selbstbiographie, Cöthen 1805. Vgl. zum Folgenden: Nienhaus (1994a), S. 123. Goethe, B A , Bd. 17, S. 425.
154
war nur das Beispiel eines erfolgreichen Casualpoeten, das Metier existierte auf niedrigerem Niveau auch im Berlin des Jahres 1 8 1 1 , wie z.B. aus einer Anzeige in der >Vossischen Zeitung< hervorgeht, worin der Poet Moessory' 9 ' Kundenwerbung betreibt: Schriftliche Arbeiten, Gelegenheitsgedichte u. dgl. werden von mir angefertigt, wer mir sein Vertrauen schenkt und mich gehörig instruirt, der darf darauf rechnen, daß ich seinem Verlangen möglichst genügen werde f...]. 1 ' 2
Schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts prangerte man vor allem Käuflichkeit des Gelegenheitsgedichts an, die dem neuen Wahrheitsanspruch (zu dem später noch das Verlangen nach einem Erlebnishintergrund für das Dichten hinzukam) entgegenstand.193 Arnims abschließende Apologetik der Künste des Kanarienvogels wird, wenn man sie auf Hiller bezieht, zur Spitze des satirischen Angriffs: »[...] steckt aber ein Betrug dahinter, so ist er nicht minder kunstreich durchgeführt als die Wahrheit.« Die Jahrmarktsgaukelei wird zum Anlaß scheinbar ernsthafter Erörterungen, »Scherz« und »Ernst« werden in Arnims »Einführung des gelehrten Canarienvogels< auf eine Weise miteinander verwoben, daß auch der Ulk nicht zur bloßen Blödelei gerät, sondern als »liebenswürdige Thorheit« (Nr. 9) unterhalten soll. Ein schärferer Kontrast zu den ernsthaften Diskussionen über Organisationsfragen oder den Debatten über die politische Lage, wie sie mit Sicherheit den Vereinsalltag bestimmt haben, läßt sich wohl kaum vorstellen. Der von Arnim und Brentano intendierte Wechsel zwischen Scherz und Ernst im Kulturprogramm der Gesellschaft bedürfte wohl derartiger krasser Mittel wie eine solche Dressurnummer. Im Spiegel des dressierten Tieres konnten die Tischgenossen nach Absicht der Romantiker die Gefahr der eigenen Lächerlichkeit erkennen. Brentano wünschte sich sogar den Aufbau einer regelrechten Sammlung von Lächerlichkeiten: 191
Moessory hatte sich in der »Königlich privilegierten Berlinischen Zeitung< (3ites Stück, 12. März 1 8 1 1 ) schon mit einem Gedicht aus Anlaß des Jahrestages des Todes der Königin empfohlen: »Das Brennenvolk am ioten März 1 8 1 1 . Eine vaterländische Ballade«. Als Kostprobe die Schlußverse dieser patriotischen Dichtung: »und wenn in's Trauerharfenspiel/ vom A u g ' die Schwermuthsthräne fiel/ rief her vom Paradiese/ das Echo sanft: - Luise! «
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Kgl. priv. Beri. Zeitung, öostes Stück, 18. Mai 1 8 1 1 . Vgl. Drux (1996).
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Jeder, der irgend einen komischen Brief, ein lächerliches Aktenstück, eine sehr lächerliche Zeitungsannonce besitzt, worin auch Briefe von Wahnsinnigen u.d.g. gehören, theile ihn dem Schreiber der Gesellschaft, zur Anlage eines scherzhaften Archivs mit, das der Gesellschaft in Zukunft viel Freude machen kann. (Nr. 7) Eine etwa ein Jahr nach der Einführung des gelehrten CanarienvogelsMarientodes< von Joos van Cleve dargestellt ist, 196 anfertigen lassen und eine weitere nach einem Selbstbildnis Dürers (höchstwahrscheinlich nach dem Frontalportrait aus der Königlichen Pinakothek in München)' 9 7 angekauft. Während seiner Reise hatte sich Arnim darum bemüht, den Einfluß auf das kulturelle Leben in der Tischgesellschaft nicht gänzlich zu verlieren. Mindestens drei Sendungen mit Texten, die auf den Versammlun-
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A m 4. Februar 1 8 1 2 waren Arnims nach Berlin zurückgekehrt, am 5. März berichtet Arnim an Brentano Neues aus der Tischgesellschaft (vgl. Schultz, 1998, Bd. 2, S. 634Í.). Epp starb am i j . 1 . 1 8 1 3 , »etwa 27 Jahre alt«, wie Sulpiz Boisserée in seinem Tagebuch vermerkt. Keineswegs war Epp nur auf »altdeutsche« Malerei spezialisiert: Boisserée kaufte dem schon hoffnungslos auf dem Krankenbett liegenden z.B. noch eine »schöne Kopie der Maria von Raphael« ab (Weitz, 1978, S. 98). Heute in der Alten Pinakothek, München; s. Nienhaus (1994a), S. 140, Anm. 67. Dieses Selbstprotrait Dürers wurde i 8 o j von der Churpfalz-bairischen Gemäldesammlung erworben; dafür, daß es sich um dieses Bild handelt, spricht Arnims Bezeichnung für den Aufbewahrungsort als eine der »liberalen Sammlungen«, die den Bildern »Oeffentlichkeit« verliehen hätten: Die »Hofgartengalerie« in München war schon seit 1781 dem Publikum zugänglich. Vgl. Alte Pinakothek München, hrsg. v. den Bairischen Kunstsammlungen, 2. Aufl München 1986, S. 25 u. 167. 156
gen vorgelesen werden sollten, gingen allein von Ende Oktober bis Anfang Dezember nach Berlin ab.' 98 Darauf beziehen sich die einleitenden Worte, die im Übrigen mit ihrem scherzhaften Schellmuffsky-Ton an Brentanos und an Arnims eigene Tischreden aus dem ersten Gründungshalbjahr anknüpfen: Das Wohlwollen, mit welchem einige Curiosa, die ich aus der Ferne gesendet, von diesem Kreise aufgenommen sind, 1 ' 9 hat mich veranlasst [...] unter den Merkwürdigkeiten von meiner Reise um die Welt, welche ich zur nächsten Ostermesse in sieben verschiednen Prachtausgaben der Welt auszustellen denke, heute noch eine kleine Vorwahl zu veranstalten und diese der Gesellschaft vorzulegen.
Die Hochstimmung jener Anfangszeit und deren Produktivität waren in der Zeit der Abwesenheit des Stifters und durch den Verlust aktiver Gründungsmitglieder wie Beckedorff, Müller und nicht zuletzt Brentano wohl eher der kulturellen Anspruchslosigkeit anderer exklusiver Eßzirkel gewichen, wie aus einem Schreiben Arnims an Brentano vom 5. März 1812 hervorgeht: »Bey den Papieren fällt mir ein, daß ich mit grosser Rührung in deinem Witwensitze die Tischreden gefunden und sie der deutschen Gesellschaft überantwortet habe, in der ich ein paarmal recht delikat und vergnügt gefressen habe, wo aber ausser dem Meinigen gar nichts zur allgemeinen Unterhaltung beygetragen wurde.« 200 Immerhin habe die Tischgesellschaft zum 24. Januar, an welchem man Friedrichs Geburtstag und zugleich das Gründungsdatum des Vereins feierte, ein festliches Treffen organisiert: »Der Stiftungstag soll sehr feyerlich gewesen seyn, die Trompeter und Pauker haben vierzehn Thaler gekostet und nach dem Prinz Ferdinand hat man Friedrichs Schimmel leben lassen, Staegemann hat tapfere Verse mit einer geringen Legirung alter Mythologie verfertigt.« 201 1,8
A m 25. Oktober 1 8 1 1 schreibt Arnim an Savigny (Härtl, 1982, S. $6): »Was macht die deutsche Gesellschaft? Ich lege ein kleines Paket ein, was Du ihr mit Auswahl vorlesen könntest, wenn es Dir gefiele oder gieb es Fichte«. A m 24. November legte Arnim einem Brief an seinen Bruder Carl Otto eine Sendung nach Berlin bei (Härtl, 1983, S. 283): »Die einliegende Anzeige [...] zur weiteren Beförderung in die deutsche Gesellschaft]«. A m 4. Dezember heißt es wieder an Savigny (Härtl, ebd., S. 59): »Einliegend für die deutsche Gesellschaft«. 199 Vgl. Savigny an Arnim, 26. November 1 8 1 1 (Härtl, 1982, S. 189): »Die gedruckte Sachen haben in der deutschen Gesellschaft große Freude erregt«. 200 Schultz (1998), Bd. 2, S. 635. 201 Schultz (1998), Bd. 2, S. 635.
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Arnim wollte der offensichtlichen Bereitschaft der Tischgesellschaft zu nicht unbeträchtlichen Ausgaben eine weniger auf derartigen rein repräsentativen Pomp und mehr auf bleibende kulturelle Aktivitäten zielende Ausrichtung geben. Die Vorstellung eines altdeutschen Dürerbildes und eines Gemäldes aus jener »durch die Bilderstürmerey am meisten vernichteten Malerschulen der Niederlande«, knüpfte an die Bestrebungen des Vorjahres an, auch die kulturellen Aktivitäten der Tischgesellschaft als einen Teil der patriotischen Nationalerziehung der Deutschen zu begreifen. Dürers Selbstportrait bedurfte dabei wohl keiner weiteren einleitenden und die Wahl rechtfertigenden Worte mehr; den literarisch interessierten Tischgenossen wird das »Ehrengedächtnis unsers ehrwürdigen Ahnherrn Albrecht Dürers« aus den >Herzensergießungen< Wackenroders noch in Erinnerung gewesen sein, worin die Begeisterung des Klosterbruders in dem Ausspruch gipfelt, daß es Albrecht Dürer ist, »um dessentwillen es mir lieb ist, daß ich ein Deutscher bin«. 202 Die Vorstellung eines Flügels des Altarbildes aus der Kölner Stiftskirche St. Maria im Kapitol setzte hingegen die Hinweise auf den bedeutenden Beitrag der Rheinlande zur deutschen Kultur fort, die - mit Arnim Worten aus der Arnim Selbstanzeige des >Wunderhorns< vom Dezember 1805 im >Gothaischen Reichsanzeiger< - »eben jetzt, wo der Rhein einen schönen Teil unsres alten Landes loslöst vom alten Stamme«,203 besonders geboten schienen. Die Veränderungen gegenüber der Vorlage, die Arnim vom Kopisten Epp bei diesem Auftrag verlangte, drücken auf eine fast provozierend radikale Weise seine Auffassung von der möglichen und als notwendig angesehenen »Erneuerung des Alten« 204 aus. Denn zum einen stellte er die herausragende Fähigkeit des Kopisten heraus, die Geheimnisse der alten Meister bis in die Feinheiten der Maltechnik und des Materials hinein erforscht und damit eine höchste »Annäherung an ältere deutsche Kunstwerke« erlangt zu haben. Zum anderen wies er die Tischgenossen mit der größten Unbefangenheit auf die grundsätzlichen Transformationen hin, die er beim abgebildeten Gegenstand hatte vornehmen lassen. Weil ihm »in dem Namen viel Glück zutheil geworden ist«, erschien ihm die Ver-
202
Wackenroder, Dichtung, S. 183. Brentano, F B A , Bd. 6. 2 °t R. Burwick (1989), S. 86. 203
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Wandlung der Christine in die heilige Elisabeth »durchaus thunlich«, denn die beiden Heiligen hätten »kein herkömmlich geheiligtes Ansehen«, d. h. es reicht eine Ersetzung der Attribute zur Umbenennung der Gestalt. Arnim hatte Kontaminationen von verschiedenen Stoffen und Darstellungselementen vorgenommen. Als Ergebnis entstand in einer Art Collage das Neue aus dem Alten: 2 0 ' Der ans Martyrium gemahnende Mühlstein der Christine wurde zum friedlichen Rosenkorb der Elisabeth, »darunter« mußte Epp, wie Arnim an Bettina schreibt, »statt des alten Weibes, das ich nicht leiden kann, den herrlichen alten Ritter von der andern Türe« 206 setzen. Wohl in Anspielung auf Bettinas Schwangerschaft hätte er an Stelle der alten Stifterfigur auch ein Kind hineinmalen lassen, »aber ein neuerfundenes würde zu grell gegen die Schönheit der Christine abgestanden haben«. 207 Der Respekt gilt also der ästhetischen Qualität und Stilhöhe des Alten, Stoff und Detail sind dagegen fast nach Belieben misch- und veränderbar, sofern es einer Ö f f nung des Werks für eine neue Rezeption dienlich ist. Das Prinzip ist also bei dieser Vorstellung von Werken der bildenden Kunst das gleiche wie bei der Wiederbelebung altdeutscher Literatur, der Volkslieder im >WunderhornGoethe und Schiller. Tafelspruch am Bundestages >Die Glockentaufe< und die Stanzen: >Meine Rückkehr nach Weimar den 25 August nachdem ich im Winter vor drey Jahren davon Abschied genommen hatte.< (Nr. 5; 18; 30). Besonders mit dieser Rezeption der beiden Weimarer Autoren scheint die Tischgesellschaft auf auffällige Weise einen wichtigen Aspekt der Salonkultur fortzusetzen, denn diese hatte ja in den Jahren um 1800 ganz wesentlich beigetragen zur Uberwindung »der Entfremdung Schillers und Goethes vom zeitgenössischen Publikum, wie sie für das Jahrzehnt der Weimarer Zusammenarbeit bezeichnend war«. 218 Die Salons als Orte von Literaturvermittlung hatten vor allem Goethes Werk eine privilegierte Resonanz verschafft, die seinem (mit der einen Ausnahme des >WertherPhilister< eines der Venezianischen Epigramme^ 35 als Motto, zitierte Goethe nochmals ausdrücklich im Text 236 und stellte ihn (hierin ganz den alten Sturm-und Drang Polemiken folgend) als Autor mit Shakespeare und Klopstock den aufklärerisch-philiströsen Voltaire, Wieland, Ramler und Voß, seinen >Faust< aber den »Fäustchen« von Soden, Schink und Schreiber entgegen. Vor allen Dingen aber präsentierte er in seiner Tischrede Goethes »ideelle Erscheinung« als das einzige Vorbild eines »Nichtphilisters« im Sinne eines »in seiner Individualität vollendeten« Menschen. Damit folgte er zum einen der von Raheis Salon angeführten Tendenz des Berliner Goethe-Kults und formulierte zum anderen ein Persönlichkeitsideal, wie es den Bildungsgedanken der Humboldtschen Reform bestimmte: »So entstand im Angesicht einer sich funktional ausdifferenzierenden und fortschreitend arbeitsteiligen Gesellschaft das Gegenbild einer totalisierenden Instanz, die Norm des integralen Menschen. Den einen galt diese Norm 233 234
235 236
Kuhlo (1909), S. 16. Mit Goethe direkt befreundet waren abgesehen von Zelter auch Bury und Reichardt. Es handelt sich um das 73. In der »Erklärung der Kupfertafel« führt Brentano überdies in Nachfolge Schlegels an, daß »in Goethe Gottes Güte [...] uns erquickt«; eine derartige Anspielung auf den Schlegelschen Ausspruch findet sich auch am Ende des Goethe-Gedichts in Arnims »Erinnerung an die Freudentage in Weimar«: »Das preis ich still, es ist der alten Götter Gabe/ Die all in dir [= Goethe] vereint entstiegen dem Kunstgrabe.«
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als Utopie, auf die der geschichtliche Prozeß gerichtet oder gegebenenfalls zu richten war; den anderen galt sie als ein in der Gegenwelt der Innerlichkeit fundiertes Ideal.« 237 Goethe schien für Rahel wie für Brentano oder Arnim als einziger ein solches Gegenbild vollendeter Individualität, das der gesellschaftlichen Entwicklung zu Entindividualisierung und industrieller Vermassung widersteht, schon in der historischen Gegenwart zu verkörpern. Arnims »Tafelspruch« (Nr. 5), der die »erneute [...] Tafelrund« als »Bund« im Zeichen Goethes und Schillers vereinen möchte, war wahrscheinlich für die Gründungsversammlung selbst, auf jeden Fall aber für eine der ersten Sitzungen der Tischgesellschaft bestimmt.238 Den preußisch-patriotischen Heroen Friedrich und Louis Ferdinand sowie der Marien-Gestalt Luises wird in Arnims Versen der Stern des Weimarer Freundschaftsbundes hinzugefügt. Das darstellerische Problem, daß Schiller mit seinem Tod die Unsterblichkeit schon erlangt hatte, Goethe aber noch als »der größte Mensch« auf Erden weiterlebte, löste Arnim durch den Hinweis auf die Dioskuren-Legende der abwechselnden Unsterblichkeit. Goethes Leben erscheint darüber hinaus als ohnehin schon zum »Gleichniß« dafür verwandeltes, daß »dies Leben mehr als Traum«. Was aber eigentlich zählt, ist nicht das Leben, sondern die Dichtung: »Beider Wort noch zu uns spricht.« Im Kontext des Berliner Goethe-Kults ist es auffällig, daß vor das Dichterlob ausdrücklich die Mahnung gestellt wird, »ihn nicht mit Namen«, sondern mit »der Werke Lebenstufen« anzurufen. Tatsächlich ist das Dichterlob gebunden an eine - recht unscharfe und nicht immer leicht zu identifizierende - Aufzählung berühmter Werke: im Fall Goethes angefangen von Anspielungen auf den >Werther< über der »Bildung Lehrgedicht« und >Tasso< bis hin »zur Fahrt mit Fausten« während von Schiller explizit nur >Wallenstein< und die >Horen< genannt werden. Für Schiller gilt, daß »Helden schafft, wer selbst auch einer«; aber der »Meister« ist auch in der Tischrede (wie schon in der Zeitschrift für Einsiedler«)239 Goethe.
237
Assmann (1993), S. 33. Für diese Datierung spricht nicht nur die Aufschrift auf dem Umschlag, in dem sich die Blätter des »Tafelspruchs« befinden (»Tisch-Reden der deutschen Tischgesellschaft vom 18ten Januar 1811 bis«), sondern auch der Hinweis im Text: »Wollt Ihr Fremdheit leicht besiegen/ Sei kein Einfall heut verschwiegen«. 2 39 Vgl. Nr. 4, 12. April 1808. 238
168
Das wenige Monate später, im Frühjahr 1 8 1 1 vorgetragene Versgedicht >Die Glockentaufe< (Nr. 18) setzte bei den Tischgenossen eine genaue Kenntnis von Schillers über zehn Jahre zuvor im Musenalmanach für 1800 erschienenem >Lied von GlockeLied von der Glocke< dargestellten Lebenssituationen von Geburt, Heranwachsen, Freuden und Leiden der ersten Jünglingsliebe bei Arnim die Suppe am Anfang der Speisenfolge und die Leiden des zu spät gekommenen und daher an einen entfernten, einsamen Platz verbannten Tischgenossen entsprechen, die sich in die Freuden der »Achtgroschenliebe« (acht Groschen mußte der Zuspätgekommene in die Vereinskasse entrichten) auflösen, wenn sich ein Tischkamerad in einem gleichfalls verspäteten gefunden hat. Lob und Gefährdungen des Bürgerfleißes werden in der >Glockentaufe< zum Risiko und schließlich glücklichen Erfolg des Tischredners: Der Mann muß hinaus Ins freundliche Lesen [...] Muß wetten und wagen Den Beyfall erjagen [...] 245
Wohl um seinem Gedicht eine nicht zu ernsthafte Tendenz durch die Betonung der Judenfeindschaft zu geben, hat Arnim nach diesem Vers vier ursprünglich darauf folgende gestrichen: »Sie wollten alle Christen morden,/ Doch diese treu zu einem Bund/ Sind durch die Noth vereinet worden/ Vertrieben jene noch beyzeiten«. 171
Fest wie der Erde Grund Steht der Gesellschaft Pracht, Alles hat mitgelacht! A u c h A r n i m läßt dann das w o h l bekannteste und meistparodierte Wort der »Glocke« v o m »schrecklichsten der Schrecken« nicht aus: Gefährlich ists den Leu zu wecken Gar grimmig sind des Tigers Zähne, Jedoch das schrecklichste der Schrecken Das sind die unterschriebnen Zehne Die zum Philister kühn erklären Den andre in den Bund begehren. So wird Schillers Verdammung des Revolutionsterrors reduziert auf eine tischgesellschaftliche »Palastrevolte«, die sich auf einen Paragraphen in den Statuten berufen konnte: »Die Erklärung von zehn Mitgliedern mit ihres Names Unterschrift, daß eins der Mitglieder z u m Philister herabgesunken, bestimmt dessen Trennung von der Gesellschaft.« (Nr. 3) Offensichtlich war dies so häufig der Fall oder doch die Angst davor, von der Gesellschaft z u m Philister erklärt zu werden, so groß, daß die notwendige Zahl der Anzeigenden nachträglich auf zwanzig verdoppelt wurde. N a c h dieser noch durch einen rein Arnimschen lyrischen Exkurs in Form eines Naturgedichts ausgedehnten Entfernung von der Schillerschen Vorlage nähert sich der Schluß der >Glockentaufe< wieder der Ballade an, scheint sogar ganz deren moralisch-didaktischen Ernst zu übernehmen. D e n n
nun wird
die Sprecherglocke
»nach einem
altem
würdgen Brauch« getauft »in Schillers N a m e n Concordia«: Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine Versammle sie die christliche Gemeine D o c h sogleich werden wieder Schillers Worte in ihr Gegenteil verkehrt: Nur scherzhaften, nicht ernsten Dingen Ist ihr metallner Mund geweiht Die letzte Strophe der >Glocke< erscheint bei A r n i m als vorletzte und wird bis auf die Ersetzung von »dieser Stadt« durch »diesem Bund« in der siebten Zeile unverändert zitiert:
[...] Freude diesem Bund bedeuthe, Friede sey ihr erst Geläute.
172
Keineswegs sollte es jedoch bei diesem abschließenden FriedensWunsch bleiben. Die Sprecherglocke der Tischgesellschaft hatte eine die Gruppenidentität erinnernde Funktion, die schon in den ersten Strophen erläutert, in der letzten Strophe noch einmal in aller Deutlichkeit wiederholt wird: Alle Lebende zu wecken Soll sie Scheinlebendge schrecken, Alle Christen zu entflammen Soll sie Juden laut verdammen!
Der »Friede« des Schillerschen Schlußverses ist in >Schrecken< und >Verdammnis< für die Feinde des Bundes verwandelt worden. Sicherlich steckte hinter der Parodie des >Lieds von der Glocke< auch eine Huldigung an dessen Autor. Es fragt sich aber doch, wieviel vom Geist Weimars bei dieser vollkommenen Umkehrung des Lobs von Bürgertugend, -fleiß und gesellschaftlichem Frieden in die witzige Feier des Vereinslebens (mit den gegenüber den Ausgeschlossenen auch aggressiven Tugenden seiner Mitglieder) eingeführt werden konnte und sollte. An einigen Stellen der Gedicht-Collage scheint bei der Verknüpfung von »Ernst und Scherz« der Part des Scherzes ganz den Schiller-Zitaten zuzufallen, die als Exempel unfreiwilliger Komik erscheinen. Die Seite des Ernstes liegt dagegen auf den Versen, die dem politisch-sozialen Selbstverständnis der Tischgesellschaft gewidmet sind. War schon das Schiller-Lob im »Tafelspruch« der Auszeichnung Goethes gegenüber kühler gehalten, so entspricht die >Glockentaufe< eher noch dem zwiespältigen Urteil Brentanos, nach welchem der - ohne Zweifel auch im >Philister< als Trauerspieldichter gegenüber seinen Nachahmern hochgeschätzte - »herrliche Schiller« wie alle anderen genannten Dichter ein »mehr oder weniger ein übertriebenes Einatmen und fatales Ausdünsten« habe. Einzig Goethe wird von dieser Pauschalkritik ausgenommen. Schillers »fatales Ausdünsten« aber bestand laut Brentano darin, daß er »häufig kalte philosophische Schweiße« habe, wobei anzunehmen ist, daß Brentanos witzige Invektive noch aus Jenaer Zeiten stammt, also noch aus dem frühromantischen »Krieg, den man Schiller machte«.246 Damals war man - wie Caroline Schlegel 1799 aus Jena an ihre Tochter Auguste Böhmer berichtete - beim Vorlesen der >Glocke
Erinnerung an Freudentage in Weimar< begründet sein. Für das erste Gedicht wies Ar247
248 249
250
Caroline Schlegel an Auguste Böhmer, Jena, den 21. Oktober 1799, Wieneke, 1914, S. 139. Arnim, Werke, Bd. 6, S. 354. Handschriftenbeschreibung und biographischer Hintergrund s. Moering
(1996). Johann Heinrich Gentz (bzw. Genz) war - woran Arnim in seinem Vortrag erinnerte - als Architekt von 1801 bis 1803 an den Weimarer Schloßbauten beteiligt. Vgl. Biedrzynski (1993), S. 103. J
74
nim selbst aber darauf hin, daß die zwei getilgten Strophen, die sich mit der Schwangerschaft Bettinas befaßten, zu privat seien, beim Gedicht über die »Deutung des Kometen« mag die den Text bestimmende, fehlgeschlagene Prophezeiung der Geburt eines männlichen Thronfolgers ausschlaggebend für das Weglassen von fünf der sechs Strophen gewesen sein. 2 ' 1 Als Hauptgrund für sein Auslassen des Gedichts auf den Geburtstag des Herzogs und der ersten Strophen auf Wielands Feier und Mißgeschick gibt Arnim seine Befürchtung an, daß die Tischgenossen dadurch »vielleicht kein neues Wort« erführen, d.h. daß ihnen die Mitteilungen über aktuelles Geschehen in diesen beiden Teilen schon bekannt geworden seien. Können schon die ersten Annahmen nicht überzeugen, so sind auch diese Hinweise auf die Gründe für die Tilgungen nicht schlüssig. Denn im Fall der Verse auf Wieland ergänzt der Prosabericht gerade die Neuigkeiten über das Unglück, die man sehr wohl in Berlin bereits erfahren haben konnte. 2 ' 2 Diese Mitteilungen verleihen zusammen mit den kurzen Anmerkungen zum Abschluß des Schloßbaus den Prosapassagen den Notizcharakter eines Reiseberichts, den der Gedichttext durch die künstlerische Formgebung der Stanzen überwindet. 2JI
2,2
Moering (1996, S. 269) sieht hierin sogar einen möglichen Grund für die Unterlassung der Veröffentlichung der >Erinnerung an Freudentage in Weimar« durch Arnim selbst und später auch seitens seiner Nachlaßverwalter Bettina und Varnhagen. Ich denke, daß eher der doch für nicht Eingeweihte recht dunkle Inhalt vieler Verse der Grund dafür gewesen sein mag. Arnims Stanzen waren wohl von vornherein nur für das über die Fakten informierte Weimarer Publikum, für Goethe, Wieland und die Fürstenfamilie und für die »Freunde« - wie es in der vorletzten Zeile des Einleitungsgedichts heißt - bestimmt; in der hier interessierenden Fassung für die Tischgesellschaft ließ er fast alle privaten Anspielungen weg bzw. lieferte im Prosakontext die zu ihrem Verständnis notwendigen Erläuterungen. Schon die Veränderung des ersten Gedichttitels gehört zu diesen hinzugefügten Informationen; aus >Ankunft in Weimar den 25 August< wird in barocker Ausführlichkeit: >Meine Rückkehr nach Weimar den 25 August nachdem ich im Winter vor drey Jahren davon Abschied genommen hatteAllgemeine Zeitung«, Augsburg, am 7. Oktober 1 8 1 1 (Nr. 280, S. 1120) von Geburtstag und Unfall Wielands.
175
Der wahre Grund für die umfangreichen Streichungen liegt eher in der damit erzielten Bauform der neuen Vortragsstrophen. Bei dem ursprünglichen Gedichtzyklus ist ein symmetrischer Aufbau erkennbar, 253 in dessen Zentrum das achtstrophige Herrscherlob auf den Herzog steht. U m dieses herum sind die anderen Teile angeordnet, und damit ergibt sich als eine mögliche Konnotation die Grundbedingung der Weimarer Geselligkeit: das gesellschaftliche Leben in einer Residenzstadt unter dem Aspekt seines steten Bezogenseins auf den, seiner Nähe oder Ferne zu dem Hof. Wenn auch damit noch keineswegs eine hierarchische Ordnung für den Gedichtzyklus als Abbildung der sozialen behauptet werden soll - denn es gibt in dem Geburtenthema des Anfangsund des Endgedichts sicherlich auch starke zentrifugale Kräfte - , so wird das lange Gedicht auf den Herzog, das zugleich das am stärksten auf Weimar als Lokalität bezogene ist, durch seine Stellung in der Gedichtabfolge doch deutlich hervorgehoben. Auch der neue Text für die Tischgesellschaft zeigt eine symmetrische Anordnung. Als einziger Teil blieben die Stanzen auf den Geburtstag Goethes von den Tilgungen verschont: Diese acht Strophen bilden nun den Mittelpunkt, der von nurmehr vier aus den anderen Gedichten übriggebliebenen umrahmt wird. Damit hat Arnim für den Vortrag in Berlin Aufbau und Bedeutung des Zyklus vollkommen verändert. Der um das Herrscherlob kreisende und z.T. stark vom persönlichen Erleben bestimmte Text der »Erinnerung an Freudentage« ist nun konzentriert auf die Feier des »Meisters« 2 ' 4 Goethe. Der Tritt »auf Goethe's Schwelle« eröffnet jetzt nicht mehr den Blick auf das gesellschaftliche Leben Weimars insgesamt, sondern wird wieder beschränkt auf die verehrende Annäherung an den »hohe[n] Geist«. Ist es in der Erstfassung noch deutlich das private »Glück«, welches das Tal im besonderen Glanz der Fruchtbarkeit erscheinen läßt, so bleibt davon im Tischgesellschafts-Text vor allem die Betonung, daß eben dieses Glück kein Zurückziehen von der Welt bedeute, sondern im Gegenteil Weimar als Impuls einer eigenen (poetischen) Produktivität weiter wirksam bleibe. In Weimar wurde diese erstmals geweckt, von Goethe ermuntert. Dieser wird nicht direkt genannt, sondern mit einer 253 2 4
'
Vgl. Moering (1996), S. 270. So im ersten Vers der vorletzten Strophe: »Unübersetzlicher, der Sprache Meister«.
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Metapher (»Sonne«) eingeführt, die auf das Sonnenzeichen im Lehrgedicht an die Jugend* 2 " rückverweist und dessen vergötternde Verklärung wiederholt. Goethes Name erscheint dann zwar im Titel des Zentralgedichts und in der Prosaeinleitung, in den Versen selbst jedoch wird er bis zum Ende der zweiten Strophe konsequent durch Proformen ersetzt. Dazu gehört der schon erwähnte »hohe Geist«, anschließend sind es Pronomina, die eine kataphorische Fokussierung auf den Texteintritt des Wortes »Goethe« herstellen. Wie wichtig Arnim die rhetorische Steigerung der Erwartungsspannung war, zeigt sich auch daran, daß in beiden Handschriften in diesen Zeilen das Personalpronomen in barokkisierender Majuskel erscheint: Hoheit, Gottheit bedarf des Großbuchstabens! Daß dies hier eindeutig als Hinweis für den Vorlesenden zu verstehen ist, die entsprechenden Wörter durch Hebung der Stimme besonders zu betonen, und nur dem Zweck dient, der Namensnennung eine besondere Spannung zu verleihen, beweist die Gegenprobe. Nach dem Zielvers der Kataphora: »Am hohen Feyertag, der Göthe hat geboren.«, dessen Punkt eine immerhin über sieben Zeilen sich erstreckende Satzperiode und zugleich die zweite Strophe abschließt, fällt in den folgenden Versen die Großschreibung sogleich fort. Sie taucht an späterer Stelle nochmals auf, jedoch ohne jede Regelhaftigkeit. Unter den übrigen Texten der Tischgesellschaft wird nur der Königin Luise eine derartige rhetorische Ehrung zuteil. Der Königin entspricht der »Dichterkönig«. Der >hohen Seele< des >StiftungsliedesPhilister< gibt es kaum; vgl. außer Morgan jetzt: Sackett (1995), den bisher einzigen Versuch einer ausführlichen Interpretation des Textes unternimmt Oesterle (1992). Z u den politischen Implikationen des Totalitätsbegriffs bei Adam Müller (aus marxistischer Sicht): Hanisch (1978), S. I32ff. 183
Brentanos Philistersatire ist eine Parodie wissenschaftlicher Abhandlungen, 270 insofern sie vorgibt, den Gegenstand »Philister« einem chrono270
Als Parodie der Hypothesen eines gelehrten Traktats sind dem diskursiven Text der Satire die »Sätze, die verteidigt werden können« vorangestellt. Sie geben selbstverständlich keine thesenhafte Zusammenfassung des im Folgenden Ausgeführten, präludieren aber auf nur einer Druckseite fast vollständig dessen satirische Stoßrichtung. Sie sind zu >verteidigenWie die Alten den Tod gebildet (1769) gelernt hat, gibt Brentano deutlich zu verstehen, indem er von einem jungen Philister behauptet, daß dieser »seine Pfeife sogar wie ein traurender Todesengel die Fackel auszulöschen« scheine.
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Ganz in diesem Sinne ist auch die Rückbindung an den Sturm und Drang-Gegensatz >Genie vs. Philister< zu verstehen, welche zugleich durch das einleitende Naturbild realisiert wird. Der Hinweis auf Goethe gibt mit seinem Lobpreis zugleich die nur noch bedingte Gültigkeit des Sturm und Drang-Genies zu erkennen, indem er dieses »den in seiner Individualität vollendeten Studenten« nennt, »den Gesunden, Natürlichen, den Gebildeten [...], dessen Haut (um es ledern herauszusagen) in gleichem Maße einatmet und« - eben nicht ausatmet, sondern
-
»ausdünstet«. Im explizit auf Goethe sich beziehenden Satz verknüpfen sich Anerkennung und gleichzeitige Reserve: Goethe scheint mir bis jetzt unter den Bekannten der zu sein, dessen ideelle Erscheinung ich am ersten eine solche nennen möchte. So äußert sich das satirische L o b stets nur unter Vorbehalt, so wie umgekehrt die Kritik am »herrlichefn] Schiller, der »häufig kalte philosophische Schweiße« habe, durch den scherzhaften Ton abgemildert wird. Die nie ganz ausgeschlossene Öffnung für das Entgegengesetzte läßt die Basisopposition dieses Einleitungsteils: >Lebendig< vs. >totSchriftproben von Peter Hammer< und in Arnims Zeitschrift für Einsiedler< von der jüngeren Romantik geführten Auseinandersetzungen und literarischen Fehden, sowie zumindest partiell auch zu einer Verbreitung ihres seit Arnims Aufsatz >Von Volksliedern deutlicher gewordenen kulturpolitischen Programms. Dieses scheint an den Stellen durch, an denen Brentano »Volksfeste und Sagen, und was an einsamer Stelle, vor moderner Frechtheit gesichert, im Alter ergraut ist«, vor den Philistern verteidigt, die die Welt »in ein rein gewürfeltes Damenbrett« zu verwandeln trachten. In gleichem Maße, wie der Philister darauf abzielt, die »Individualität der Genialen« zu zerstören, geht es ihm bei seiner Nivellierung und Enttraditionalisierung auch um die Vernichtung der Volkskultur; »alte Sitten und Herkömmlichkeiten«, die sich als nationale Eigenheiten erhalten, sind aber die Basis für einen historisch gegründeten Begriff von »Vaterland und Patriotismus«, der im Rahmen der vernünftigen Rationalisierung aller Lebensbereiche im internationalen Philistertum durch ein »Partout comme chez nous« ersetzt werden soll. Höhepunkt dieser kulturpolitischen Zitate aus der >WunderhornEinsiedler< ist die auf Hölderlin sich berufende Anklage: »Arm wollen sie des Volkes Mund machen.«280 Auch bei den satirischen Attacken gegen die Feinde der Romantiker nahm Brentano im Wesentlichen die Polemiken der Heidelberger Zeit wieder auf. Bereits in der ersten Abteilung findet sich eine nur notdürf-
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garten< zuvorkam. Zur Barockrezeption der Romantik s. jetzt: Martin (2000), zum >SchellmuffskyDie Herbstfeier< (zuerst erschienen im >Musenalmanach für das Jahr i8o7Schwergereimten Ode. An Reimbold< von Voß in den Mund gelegt: ich sprach heute zu ihr die Worte Vossens: »Zeug aus den Flausrock deiner Drangsal, und putze dich und eile flugs, dorthin, w o bald den hellen Klangsal durchströmet Erz und Darm und Bux«. 2 8 2
Unter die »Philistersymptone« zählt, Voltaire, Wieland und Ramler lieber zu haben als Shakespeare, Goethe oder Klopstock, Voß ist den Philistern aber »der allerliebste«. Voß gehöre als Ubersetzer zu denjenigen, die »in solche Hoffart« geraten, »daß sie sich ihrem Homer oder dergleichen gleichstellen«. In den Dichtersatiren des Abschnitts über den »Philister nach der Geschichte« wird nur Goethe ausgespart, während Brentano allen anderen zeitgenössischen Poeten »mehr oder weniger ein übertriebenes Einathmen und ein fatales Ausdünsten« bescheinigt. Daß Kotzebues »Violen«-Duft dabei als Parfümierung seines Kots, die er durch TerpentinFressen erreiche, bezeichnet wird, und es an späteren Stelle heißt, daß sein Name »sich selbst bedeutet«, mag kaum überraschen. Auch nicht erstaunlich ist der zwiespältige Umgang mit Friedrich Schlegels >LucindeDes Dichters Krönung< (Zeitung für Einsiedler, Nr. 37 v. 30. August 1808, Beil., Sp. 35). Zum Skandal um den >LucindeSigurd, der Schlangentöter< ist überdeutlich, und die Reaktionen des Verlegers, der vielleicht auch die in unmittelbaren Kontext stehenden Invektiven gegen »das Gift der Judenblatter« auf sich bezog, 2 8 ' sowie Fouqués selbst fielen dementsprechend beleidigt aus. 284 Auch wenn es sich dabei mehr um persönliche Seitenhiebe handelt, so erhalten diese doch durch den in ihnen freigesetzten Wortwitz eine über den konkret-satirischen Angriff hinausgehende Bedeutung im Kontext der die Abhandlung dominierenden Darstellungsperspektive. Der überwältigende Erfolg seiner Tischrede mag Brentano allerdings dazu veranlaßt haben, bei der Ausarbeitung noch zusätzliche Textversatzstücke einzubauen, die im Ganzen der Satire eher störende Fremdkörper bleiben. 287 Das auffälligste Beispiel dafür sind die an die übrigen »Philistersymptone« angehängten Bemerkungen über den »Zustand des Theaters in Deutschland«, eine ausführliche Klage über den Verfall des
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287
Vgl. dazu Fouqué (1840), S. 296. So jedenfalls Dorsch (1994), S. 219. Hitzig drohte Brentano Prügel an: »Die Züchtigung par verba si non per verbera verdient der Kerl aber um so mehr öffentlich, als unsere Schöngeister u Vornehmen mit offenem Maule dagesessen und seine Vorlesung angehört haben.« (Hitzig an Fouqué, 15. April 1811; Dorsch, 1994, S. 219). Fouqué vertraute darauf, daß Fichte Brentano zurechtweisen könnte: »Was den welschen Teufel betrifft, so meine ich, wenn etwas geschehen soll gegen ihn, müßte es gleich so sein, daß es ihm die Lust zum Widerkläffen nähme, sonst wäre stillschweigende Verachtung des Possenreissers besser. Zu jenen Mitteln würde nun freilich ein ernstes Wort von Fichte vorzüglich gehören.« (Fouqué an Hitzig, 23. April 1811, gedruckt in: Dorsch, 1994, S. 220; vgl. Rogge, 1923). Hierin liegt u. U. auch der Grund für die in der Forschung ausgesprochene Kritik an der »überkomplexefn] Philistersatire« (Stopp, 1980, S. 367).
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Schauspielerwesens, die im Original nicht weniger als drei Druckseiten umfaßt. Diese Erörterung hat kaum satirischen, sondern durchweg noch den Charakter eines jugendlichen »Glaubensbekenntnis[ses] über das Theater«, unter welchem Titel das Meiste davon in Bettina von Arnims >Clemens Brentanos Frühlingskranz< veröffentlicht ist. Von der Forschung wird das »Glaubensbekenntnis« auf einen Brief vom September 1803, wenn nicht gar auf einen in die Zeit der Jenenser »Naturgeschichte des Philisters< - für deren Existenz es freilich keinen stichhaltigen Beleg gibt - zurückverweisenden Einzelaufsatz datiert.288 Daß sich Brentano in der Philisterabhandlung ganz wie im >FrühlingskranzWilhelm Meistert 8 ? verpflichteten Reflexionen liegt es, sich nur mit der Figur des Schauspielers zu beschäftigen, da an sie die Idee eines ganzheitlichen Ausdrucks vollendeter Individualität geknüpft wird. In der Schauspielkunst soll sich die harmonische Verbindung des inneren mit dem öffentlichen Menschen zeigen, in ihr ist »der Mensch mit seinem ganzen Dasein ein Künstler«; sie ist die »eine und einzige Kunstausübung [...], die das Leben selbst dem Leben hinstellen soll«. Es sind also nicht die mißratenen Stücke, nicht die schlechten Bedingungen der Bühne und nicht die eingeschränkten Ideen der Regisseure, die für Brentano als Hauptursachen für den miserablen Zustand des Theaters in Frage kommen, sondern ausschließlich der Verfall der Schauspielkunst. Ein einziger Theaterleiter, nämlich Goethe (dessen Bemühungen um das Lauchstädter Theater Brentano 1803 sehr bewundert
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Vgl Widmann (1915), S. 5 6 - 6 6 ; B. v. Arnim, Werke, Bd. 2, S. 7 7 4 - 7 6 8 . Da es weder von der »Naturgeschichte des Philisters< (1799/1800), noch von dem bei Widmann als Quelle vermuteten Einzelaufsatz von 1801/02 und ebensowenig von dem vermutlichen Originalschreiben von Sept. 1803, das dem >FrühlingskranzMeisterKalathikos< anonym erschienene »Fragment eines Briefs über Wilhelm Meisters Lehrjahre< (Brentano, Werke, Bd. 2, S. 1 2 1 6 - 1 2 1 8 ) , bei welchem vom Herausgeber F. Kemp die Verfasserschaft Brentanos angenommen wird (vgl. Brentano, Werke, Bd. 2, S. 1216).
I9Í
hatte), wird als positives Beispiel dafür genannt, daß durch eine sorgfältige und ausdauernde Schulung der Schauspieler wenigstens ein minimales handwerkliches Niveau von Darstellung geschaffen werden könnte. Direkte Kritik an der Berliner H o f b ü h n e und deren früher so häufig von den Romantikern attackiertem Leiter Iffland unterbleibt noch aus einem weiteren Grund. Vollkommen unbelastet - und dies ist ein weiterer Beleg für den geringen Einfluß von Kleist auf die Tischgesellschaft v o n der peinlichen Auseinandersetzung Ifflands mit Kleist anläßlich der Ablehnung des >Käthchens v o n Heilbronn< bemühten sich A r n i m und andere Tischgenossen schon seit Ende 1810 um eine Annäherung an den einflußreichen königlichen Theaterdirektor und um seine Integration in ihren Kreis. 290 Einen Beitritt zur Tischgesellschaft hatte dieser w o h l zunächst abgelehnt, als die Mitglieder zur Subskription des >Philisters< aufgerufen wurden, fand sich allerdings »Direktor Iffland« schon als »Praenumerant« mit auf der Liste derjenigen, die um die Reservierung eines Exemplars baten: 291 Iffland war also zu diesem Zeitpunkt Tischgenosse und konnte daher ja schon qua Statut kein Philister sein. 2 ' 2 A n keiner anderen Stelle der Abhandlung wird so offensiv der Primat der Kunst vertreten und ihre Rolle als Indikator des allgemeingesellschaftlichen Zustandes behauptet. Während die v o m Individuum
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Am 6. Dez. 1810 schrieb Arnim einen äußerst versöhnlichen Brief an Iffland, in welchem er nach dem Urteil des Erstherausgebers Erich Schmidt (1907, S. 106) »der Anerkennung eines von der älteren wie von der jüngeren Romantik so unmäßig befehdeten Mannes keinen werbenden, sondern zurückhaltenden Ausdruck« gab, »der durchaus wahrhaft wirken mußte.« Ende Februar 1811 bemühten sich die Prinzen Lichnowsky und Radzivill um einen Beitritt Ifflands zur Tischgesellschaft. Vgl. Nr. Ii. Für den Wiener dramaturgischen Beobachter (Bl. 14, 2. Febr. 1814) schreibt Brentano wenige Jahre später freilich einen vernichtenden Verriß des Ifflandschen Lustspiels >Der Hagestolze< und erklärt den Verfasser ganz im Stil der scherzhaften Abhandlung zum Philister: »Sollte je eine, auf der Exspektanz verspätete, fromme jungfräuliche Seele durch dieses Schauspiel endlich unter einem ehelichen Betthimmel unter die Haube der Wirklichkeit gekommen sein, oder eine grasende Margarethe Gelegenheit erhalten haben, einen Titularhofrat und wirklichen Junggesellen [...] aus dem Reiche der Scheinlebendigen ins wirkliche volle eheliche Leben aufzuweichen, so hat der Dichter verdient, daß Margarethe ihm eine ganze Butterration von Heublumen zu einem Kranze mit den fliegenden Fäden des alten WeiberSommers zusammenbände, und ihm denselben auf dem bürgerlichen Sorgenstuhle, den ein Poet im papiernen Gänsehimmel der Literatur verdienen kann, auf die hügellose Stime setze.« (Brentano, Werke, Bd. 2, S. io^if.). 196
produzierten Künste, »von einsamer Begeisterung« geschaffen, auch in einer Situation gesellschaftlichen Verfalls und angesichts der Reduktion des Kunstwerkes auf eine Ware unter anderen »aus dem Getümmel des Marktes selbst« heraus hervorstechen können, wird für Brentano die Schauspielkunst als »gesellige« zum gesellschaftlichen Spiegel für die »Geschichte der Menschen« und den »Zustand [...] eines Staats«. 293 Dieser engagiert-kritische Diskurs der Theaterreflexionen stellt im Kontext der Satire einen Ausnahmefall dar, der feste urteilssichere Standpunkt steht quer zu dem ansonsten vorherrschenden Schwanken zwischen entgegengesetzten Positionen. Bei diesen kaum mehr satirischen und im Vergleich zum sonstigen Sprach-Rhythmus des >Philisters< langatmigen Bemerkungen geht der Witz verloren, sei es auch, daß sie anfänglich einen komischen Akzent erhalten, indem sie die Erwartung des Publikums auf eine Fortsetzung des Scherzhaften derart abrupt durch ihren ungebrochenen Ernst enttäuschen. A m Schluß der theatralischen Erörterungen wird jedenfalls ein besonders krasser Vergleich benutzt, um das Publikum wieder auf den satirischen Ton zurückzustimmen: Ein Schauspieler aber, der noch Geld dazu kriegt, daß er gar keiner seyn kann, und doch einer ist, (freilich ein großes Kunststück), ist ein größerer Beweis unserer Tollheit, als eine häßliche Buhlerinn, die nicht verhungert. Absage an die Herrschaft logischen Denkens, Verknüpfung des Entferntesten qua fragiler Analogie bedeutet zunächst einmal nach dem großen Vorbild Jean Pauls intellektuelles Spiel witziger Kombinatorik. 294 Es 293
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Ein ähnliches Urteil findet sich in >Von VolksliedernBOGS< (Stopp, 1980) zur Kennzeichnung des satirischen Stils von Görres und Brentano in Anlehnung an eine Formulierung des letzteren von der »Kunstform der Tollheit« gesprochen: »Tollheit als Kunstform steht eigenberechtigt wie ein eigener Kosmos da, ein Kosmos, w o Dinge und folgerichtige Beziehungen durch Worte und die Art und Weise ihres Gebrauchs ersetzt werden. Was gesagt wird, ist also weniger wichtig als das, wie es gesagt wird, und die Bedeutung liegt in der Gesamtatmosphäre, in der Struktur, in Anlaß und Hintergrund.« Vgl. Brentano an Arnim, dat.: »Kassel, um den 29. Febr. 1808«, worin Brentano die >Schriftproben von Peter Hammer< von Görres als Beweis dafür anführt, daß »die Tollheit, als Naturform auch eine Kunstform hat« (Schultz, 1998,
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gibt nichts, was grundsätzlich nicht Gegenstand der Satire werden könnte. Niemand kann daher auch jemals sicher sein, nicht selbst unter das Philister-Verdikt zu fallen. Konsequenterweise kann auch der Autor selbst sich davon nicht ausschließen. Die Philisterabhandlung enthält - abgesehen davon, daß sich dies schon durch die gesamte Perspektive der Darstellung von selbst verstehen läßt - auch explizite Hinweise darauf, daß es überhaupt keine geschützte, sichere Position mehr gibt, von der der Satiriker seine Pfeile abschießt. In dem Spiegel, den er der Welt vorhält, muß er auch sein eigenes Abbild erblicken, denn tendenziell kann nichts mehr von der Satire ungeschoren bleiben. A m deutlichsten wird dies an einer Textstelle, an der das von
der Frühromantik formulierte
spekulative
Kunstprogramm in den vernichtenden Strudel des grotesk-grobianischen Bildes gezogen wird: Wie manche schöne Guirlande philistrischer Anhänger großer Dichter oder Denker ist nur wie eine Heerde Enten an einen Faden eingefädelt, woran ein Stückchen Speck gebunden, den eine hinter der andern verschluckt, und der nächsten wieder hinten von sich giebt, und wäre eine solche unendliche Entlichkeit eine schöne Arabeske zur Verzierung mancher Propyläen. Ach, Bd. 2, S. 505). Ver-rückt im Sinne einer Distanzierung von den normalen Ordnungsgesetzen der Realität zwecks Neuschaffung einer literarischen Wirklichkeit, die »nur im Kopf der Autoren« existiert: so verstanden, erscheint die »Tollheit« als Definition für jene romantisch-experimentelle Kunst der Moderne, die sich vom mimetischen Zwang zu befreien sucht. Das Umschlagen des Geistreichen ins Skurrile findet sich z.B. in Jean Pauls >Dr. KatzenbergerBOGS< und der Philisterabhandlung erschien (s. Schweikert, 1970, S. 62). Denn in dieser Erzählung fehlen das idyllisch-häusliche und das sentimentale Element, die durch ihre Beschränktheit einen Gegenpol zum Uferlosen der witzigen Illuminationen bilden, und in der Figur des Dichters Nieß wird gerade die von Jean Paul in seinen früheren Werken stets integrierte empfindsame Dichtung als (Selbst-) Parodie zum Opfer der nun nichts mehr aussparenden Satire, die von manchem Kritiker nurmehr als Zynismus empfunden wurde (vgl. Schweikert, 1970, S. 55Í. u. Hermand, 1961). Im >BOGS< ist das Philisterhafte noch ein Teil der janusköpfigen Natur des Titelhelden. Das scheinbar Unbegrenzte wird durch das Begrenzte relativiert, stets wird - wie es im Text der Satire selbst heißt - »eine Erhöhung am einen durch eine Vertiefung am anderen wieder vernichtet; Hochsinn, Tiefsinn [...] annullierten sich immer wechselseitig durcheinander [...,] und auf dem Rücken ironisierten sie immerfort einander« (Brentano, Werke, Bd. 2, S. 900). Diese Verwirrung »über die eigendiche Natur und Beschaffenheit des Subjects« (ebd.) wird in der totalen satirischen Darstellungsperspektive der Philisterabhandlung bereits vorausgesetzt. 198
wer ist sicher, daß er nicht selbst bereits aufgereiht ist, und daß, wenn einst der Teufel die Schnur anzieht, er nicht mit andern Philistern wie eine Reihe Zwiebeln um den Hals von des Satans Großmutter gehängt wird.
In der der Abhandlung als Beilage mitgegebenen »Kupfertafel« finden sich auch die durch die Speckschnur verbundenen Enten abgebildet. Brentano bezeichnet sie in seiner »Erklärung« als »die Parodie der sogenannten philosophischen und ästhetischen Cliquen aller Zeiten« und wiederholt dabei das Wort von der »unendlichen Entlichkeit«. Es ist wohl kaum ein Zufall, daß gerade diese Textstellen Brentanos sich das Lob Jean Pauls erwarben, der sie in der 1813 erscheinenden 2. Auflage seiner »Vorschule der Ästhetik< als Beispiel für die Potenz des »Wortspielerwitzes« anführte, »bei allen Anstößen gegen den Geschmack« dennoch »durch vielseitiges Farbenspiel Gehalt« erringen zu könnend 95 Die Arabeske wird reduziert zum bloßen Ornament, die infinite Offenheit des romantischen Kunstwerks dem Verdacht epigonalen Wiederkäuens ausgeliefert. Nach der Demontage des Genies als der letzten, sich selbst setzenden Transzendenz gibt es für den Dichter in einer Zeit, die »an freier Kunst unfruchtbar geworden«, keine Institution mehr, die ihm Originalität und Wert seines Schaffens verbürgen könnte. Doch auch dieses vernichtende Urteil gilt nur partiell und wird bald wieder von einem scheinbar entgegengesetzten Standpunkt revidiert. Da die zur Autonomie befreite Kunst sich nur am eigenen Schöpf aus dem Sumpf des mittelmäßig Epigonalen ziehen kann, müssen nun doch wieder Meisterschaft und Schöpfertum (die längst fragwürdig gewordene »Individualität der Genialen«) als Legitimationen beschworen werden. 295
Jean Paul, Werke, Bd. 5, S. 195. In der Anm. (ebd.) heißt es zum >PhilisterZeitung für Einsiedler< veröffentlichte »Geschichte und Ursprung des ersten Bärnhäuters< hatte Jean Paul sehr gefallen; sie sei für ihn, schrieb er in einem Brief an J . G. Zimmer, »ein Meisterstück und Meisteressen und Leckerbissen; - denn dem Scherze vergeh' ich [alle, S. N.] Anspielungen« (Jean Paul, SW, Abt.III, Bd. 6, S. 6). Von der Verehrung Brentanos für Jean Paul zeugen die Anspielungen im »Philister« (z.B. die Nennung Roquairols und Kuhschnappels). Im Oktober 1 8 1 2 schrieb Arnim an Brentano: »Er [Adam N e berich] hat mir erzählt, daß Jean Paul an Deiner Philister Abhandlung grosse Freude gehabt und sie in seinen aesthetischen Vorlesungen aufführe. Das wird die Juden ärgern.« (Schultz, 1988, Bd. 2, S. 666)
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Niemand aber darf sich von einer Position aus, die außerhalb des Ästhetischen liegt, anmaßen, über die Kunstwerke zu urteilen, deren Bewertung nur von den Instanzen der Kennerschaft und des Reiches der Phantasie erfolgen kann: denn die Kunst treibt keine Ablaßkrämerei, die Kunst hat kein Fegefeuer, und keine läßliche Sünde, zwischen Hölle und Himmel sitzet ihr Richter, sie ist frei, und göttlichen Ausflusses, keiner ist zu ihr gezwungen, so aber Krämer ihren Kram in den Tempel aufschlagen, wird sie der Herr hinaus werfen[.]
Möglich wird diese Errichtung des Tempels der Kunstreligion, diese pathetische Selbsterhöhung dem Künstler freilich nurmehr, wenn sie als intellektueller Drahtseilakt das Lächerliche des Falls in tiefste Banalität stets miteinbezieht. Den Freunden Brentano, Görres (und sicher mit gleichem Recht auch Arnim) »kann man aber zutrauen, daß sie sich herzlich lustig machen konnten über die eigene Tendenz, sich als Miniaturgottheiten anzusehen«. 296 Jean Pauls Rede vom »Wortspielerwitz« kennzeichnet nicht nur das von ihm angeführte Beispiel, sondern ließe sich auf die gesamte Abhandlung anwenden, deren »Witz« (im Sinne von Esprit) insgesamt aus dem Spiel mit Wörtern resultiert. So sind es die Verknappung des mystischen Diskurses und dadurch noch betonte stilistische Eigentümlichkeiten, wie der Stabreim: »das Wallen des Wollens« (des göttlichen), die im ersten Kapitel der Abhandlung einen Böhme-Extrakt produzieren, der (trotz oder eher gerade wegen seines >allertiefsinnigsten< Gehalts) dem Spott anheimfällt. Die Forderung, nicht »von Verstände«, sondern »von Herzen« zu lachen, appelliert an ein Mitleidsverhalten aufgrund der Einsicht in allgemeinmenschliche Beschränktheit, wodurch die »Ehrfurcht« gegenüber dem »Allertiefsinnigsten« weiter unterminiert wird. Die in sechs Punkten entwickelten Beispiele für die notwendige Unzulänglichkeit des philosophierenden Bemühens gehorchen dem Prinzip einer sich Schritt für Schritt verselbständigenden Rhetorik der Steigerung, die vom harmlosen Bild des Sonnenblicks durchs enge Guckloch schließlich beim skatologischen Exempel des Storches endet, der sich den Leckerbissen der kleinen Schlange immer wieder vom eigenen Afterloch aufs Neue in die Schlund führt. Die philosophische Spekulation wird brüsk zur Materie 196
Stopp (1980), S. 369.
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des grotesken Leibes herabgeholt: Zum Menschen, »um zu philosophieren«, »gehört [...] hauptsächlich ein kurzes Gedärm, offener Leib und schlüpfrichte Gedanken«. A u c h die Satire der »philosophischen und ästhetischen Cliquen« als »unendlicher Entlichkeit« ist nichts anderes als die Pluralisierung dieses grotesken »offenen Leibes«. Dabei zeigt sich das Lachen von Herzen als vorrangige Verteidigung des derb-sinnlichen Spaßes, der Groteske als »Degradierung, d.h. die Übersetzung alles Hohen, Geistigen, Idealen und Abstrakten auf die materiell-leibliche Ebene, in die Sphäre der untrennbaren Einheit von Körper und Erde«. 2 9 7
Eben dahin gehören auch die Spuren
der
»Schröpfköpfe« an den nackten Armen des Papstes, der die Hostie, das Allerheiligste, vor der Gemeinde hochhält. Da der Groteske, die in sich keine Grenze kennt und alles in ihr Spottbild ziehen kann, keine gesellschaftlichen Schranken mehr gesetzt sind, sondern diese einzig noch von der Entscheidung des schöpferischen Subjekts bestimmt werden können, garantiert nichts mehr das Uberleben der von ihren Podesten herabgezogenen Autoritäten des »Allerheiligsten« oder »Allertiefsinnigsten«. Brentanos »scherzhafte Abhandlung« zeigt auch dort, w o sie moralisch zu werten scheint, kein Interesse an diesem Urteil selbst, sondern demonstriert die durchgängige Praevalenz der »Verantwortung beim Schreiben« 2 ' 8 dem Schreiben selbst gegenüber. Ziel der Scherzrede ist 297 298
Bachtin (1987), S. 70. Oesterle (1992), S. 63. Zu fragen ist, ob von einer generellen »Artistik der Intellektuellen« (Oesterle, ebd.) und ihrer Verantwortungsunabhängigkeit gegenüber gesellschaftlich-ethischen Forderungen nur im Sinne eines Verluste gesprochen werden kann, oder ob in diesem Zusammenhang nicht positiv von der Idee der Kunstautonomie und eines für den Dichter von nun an vorrangig geltenden ästhetischen Urteils auszugehen wäre; einer gesellschaftlich aufgezwungenen Wirklichkeitsferne mag die »Errungenschaft« eines ästhetisch definierten Wirklichkeitsbegriffs und einer »ästhetischen Subjektivität« (Bohrer, 1987/1989) gegenübergestellt werden. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an die religiös motivierten kritischen Bemerkungen in Eichendorffs >Geschichte der poetischen Literature »ihre [d.i.: der Romantik, S. N . ] Aufgabe war eine ethische, die romantischen Poeten aber nahmen sie bloß ästhetisch. Indem sie mit jener ironischen Vornehmheit sich über den Inhalt hinausstellten, ging ihnen dieser allmählich und unvermerkt in der bloßen Form auf. [...] Ja, der scharfe Akzent, den sie hernach einseitig auf die bloße Form legten, und die darin erlangte Meisterschaft mußte, weil hier das Talent willkürlich zu schaffen schien, ihrerseits wiederum zu einer aristokratischen Selbstvergötterung, zu dem Genie-Kultus führen, der in manchen romantischen Dichtungen fast ausschließlich gefeiert wird.« (Eichendorff, Werke, Bd. 3, S. 909).
201
das herzhafte Lachen, das Redematerial folgt ausschließlich dem Gesetz der beabsichtigten Wirkung, manchmal vielleicht, wie im Falle der M y stik Böhmes, mit etwas schlechtem Gewissen, dessen vorgeblich der E x culpierung dienende Beteuerungen den komischen Effekt des Böhmeschen Stilzitats freilich nur steigern können. Der ältere Brentano kommt - lange nach der Generalbeichte und seiner Wandlung zum katholischen Erbauungsschriftsteller - anläßlich einer Nachfrage, einen möglichen Neudruck des >Philisters< betreffend, in seinem letzten Brief an Arnim auf gerade diesen Aspekt seiner Satire zurück: Was den Philister angeht, so kann ich für seinen Wiederabdruck in Berlin meine Einwilligung nicht geben [...] weil ich selbst mein Gewissen dadurch neuerdings durch meine Beistimmung würde belastet fühlen, indem er in geselliger Vertraulichkeit ausgelassen, manches allgemeine und speziell einzelnen Heilige mit einer schwächeren Gemüther verletzenden Ironie behandelt[.] 2 " Brentano wählt einen treffenden Ausdruck, wenn er daran erinnert, daß die >PhilisterBeiträgen zur Berichtigung der Urtheile des Publikums über die französische Revolution benutzte Fichte das Wort vom »Staat im Staate«, um damit die besondere Gefahr zu unterstreichen, die der durch einen neuen Gesellschaftsvertrag gestifteten Staatsordnung von Innen heraus drohe, wenn sie in sich eine Sondergruppe dulde, die durch eine eigene nationale Tradition und Religion nicht zu einem wahren Beitritt fähig sei. Die Verleihung des Bürgerrechts an die Juden, würde diesen, da sie sich allen anderen Völkern überlegen und keiner Obrigkeit zu ehrlichem Gehorsam verpflichtet sehen, nur eine ungeheure Macht zur Unterdrükkung des Wirtsvolkes in die Hand geben. 3 ' 7 Nach Fichtes Abhandlung findet sich kaum mehr eine antijüdische Schrift, die ohne diese Warnung vor dem »Staat im Staate« auskommt. Auch die Emanzipationsbefürworter leugneten gerade nicht die oft mißlichen, eingeschränkten Lebensumstände und die daraus entstehenden Folgeprobleme wie durchschnittlich niedriger Bildungsstand, berufliche Beschränkung etc., sahen darin jedoch eben das Produkt der gesellschaftlichen Diskriminierung, mit deren Abschaffung diese Sekundärphänomene gleichfalls verschwinden müßten. Die Gegner der Emanzipation faßten die Mißstände in der Situation der Mehrzahl der jüdischen Bevölkerung dagegen als Ergebnis eines durch jahrtausendalte Tradition unwandelbar gewordenen negativen Volkscharakters auf. 3 ' 8
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Sendschreiben an Herrn Probst Teller zu Berlin von einigen Hausväter jüdischer Religion und die darauf erfolgte Tellersche Antwort, Berlin 1799. Vgl. Katz (1972), S. 4 7 - 7 6 . Z u Fichtes Stellung zum Judentum s. Fuchs (1990) und jetzt ausführlicher Becker (2000). Dohm hatte auch diesen Grundgedanken seiner Gegner mit ironischer Klarheit schon zuende gedacht (und dabei die Vernichtungsphantasien der Judenfeinde seiner Tage auf erschreckende Weise radikalisiert): »Wenn diese
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Die unbezweifelbare Tatsache des kultivierten, reichen Judens in den Städten wurde mit dem Hinweis auf die mögliche positive Ausnahme Einzelner abgetan. 3 ' 9 Parallel zum fortschreitenden Emanzipationsprozeß entwickelte sich nun eine antijüdische Publizistik, die sich von den Denkschriften und Abhandlungen durch die sich volkstümlich gerierende Grobheit ihres aggressiven Pamphletstils absetzte. Dieser wurde von dem gelernten Juristen Grattenauer in seiner Kampfschrift von 1803: >Wider die Juden< verknüpft mit rechtlichen und philosophischen Erörterungen, die zum einen sich für ihre anti-emanzipatorische Argumentation die jüngste Kritik der frühromantischen Intellektuellen an der Aufklärung zu nutze machten, 320 darüber hinaus aber auch indirekt zu verstehen gaben, daß der eigentlich solide akademisch gebildete Verfasser sich des ungeschlachten Tons nur zur Unterstreichung des Maßes an Verachtung gegenüber den Zielobjekten seiner satirischen Angriffe bediene. 321 Grat-
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Männer Recht haben, so muß man die Juden von der Erde vertilgen, damit sie nicht länger, ein redender Einwurf, der weisen Güte Dessen widersprechen, der sie gemacht und bisher geduldet hat. Eine Versperrung dieser unglücklichen Abart des Menschengeschlechts (...) auf eine wüste Insel ist vielleicht schon eine Verletzung der Selbsterhaltung, welche der grössere Theil des menschlichen Geschlechts sich schuldig ist.« (Dohm, 1781/82, Bd. 2, S. 22). Für die judenfeindliche Argumentation typisch ist die Ignorierung der de facto existierenden Aufspaltung der Judenschaft mindestens seit Mitte des 17. Jahrhunderts in »die vermögende Schicht von Hofjuden und fürstlichen Agenten«, städtische Bankiers, Ärzten im 18. Jahrhundert einerseits und ein rechtloses »proletarisches Betteljudentum«, zu denen vor allem auch die Trödler und Kleinhändler der ehemaligen Ghettos zählten, andererseits. Dazu: Battenberg (1990), S. 7. Grattenauer wendet sich zwar gegen Schellings »zu tiefsinnige Arbeiten«, betont jedoch zugleich, daß er den Kampf gegen »die spekulativen Systematiker« »mit tiefer Verabscheuung des Nikolaischen Eklektizismus« verbinde (C. W. F. Grattenauer, 1803b, S. 13). Im späteren Nachtrag zu seiner Schrift (Grattenauer, 1803b, S. 16) verteidigt Grattenauer seinen Stil ausdrücklich in diesem Sinne: »Litterarische Satyre, Persiflage, Spott, und Sarkasmen, sind nach den hier einzig gültigen Grundsätzen des Schriftstellerrechts, unbedingt erlaubt, sehr oft, und besonders wider die Juden, dringend nothwendig und nützlich.« Hannah Arendt (1991, S. 1 2 1 ) sieht in Grattenauers Schrift den Beginn des modernen Antisemitismus: »Der moderne gesellschaftliche Antisemitismus, seine Sprache und seine Argumente sind ebenso alt wie die Assimilation. In Grattenauers Schrift Wider die Juden [...] steht eigentlich schon alles, was dann in einer ungeheuren Broschürenliteratur durch mehr als 100 Jahre weiter produziert wurde. Sie war witzig geschrieben und nicht dazu bestimmt, auf die Regie210
tenauer Schloß im grundsätzlichen Teil seiner Warnung vor der jüdischen Weltverschwörung von der Behauptung, »daß die Revolution nicht den geringsten Einfluß auf die moralische Bildung, und das bürgerliche Leben der Masse des Judenvolks gehabt« habe, auf die Vergeblichkeit jeder »Hoffnung, daß sich der verderbliche, der bürgerlichen Gesellschaft höchst gefährliche, allen Völkern feindselige Geist des Judenthums je ändern« 322 werde. Aufgrund seines Erwähltheitsdünkels sei das jüdische Volk als »eine geheime, zu feindseeligen, auf Wiederherstellung der von Gott ihnen anvertrauten, aber bisher vorenthaltenen Weltregierung gerichteten Zwekken verbundene Gesellschaft zu betrachten, die weit furchtbarer und gefährlicher« sei, »als die zum Theil ganz unschuldig vertriebenen Tempelherrn, Jesuiten, Illuminaten und Jakobiner«. 323 Diese Bestimmung des gesamten jüdischen Volkes zum unversöhnlichen inneren Feind aller Nationen wird unterstrichen durch die Ausgrenzung der Juden als einer »ganz besondere(n) MenschenRace«. 324 Sogar Lessings >Nathan< wird jetzt zur Gewährsschrift für die unabänderliche Fremdheit und Verachtungswürdigkeit der Juden: So ist es denn ewig wahr, was jener Tempelritter zu dem superklugen Nathan sagte, und unser brave Mattausch mit dem treffensten Tone der gerechtesten Indignation auspricht: >der Jude bleibt doch ein Jude.Der mißverstandene Lessing< in der Zeitschrift >Sulamith< aus dem Jahre 1806 hin, die von ähnlichen Reaktionen bei einer Aufführung von Lessings frühem Aufklärungsstück >Die Juden< erzählt: »Mit einem Male setzt der Voigt, welcher in dem Stücke vorkommt, das Zwerchfell in wohltätige Erschütterung. E r spielt seine Rolle mit Kraft und Wahrheit. Viele der anwesenden christlichen Zuschauer, die nicht wußten, daß der verewigte Lessing die rüden Ausdrücke, in welchen der Voigt gegen die Juden zu Felde zieht, einem gefährlichen Bösewicht in den Mund legt, diese guten Leute lachten recht herzlich und äußerten laut ihren innigsten Beifall.« Grattenauer (1803a), S. 54. Vgl. Oesterle (1992), S. 73. Vgl. Maurer (1992), S. 40. Bruer (1991), S. 224. Hertz (1991). Vgl. dazu (kritisch) Maurer (1992), S. 4of.
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geselligen Versammlungen die gesellschaftliche Integration - zumindest in diesem außerhalb der Grenzen der Ständegesellschaft liegenden Freiraum - als weitgehend gelungen angesehen werden. Gerade die jüdischen Salonnièren als herausragendes Beispiel vermeintlich vollkommen geglückter Akkulturation wurden für Grattenauer sozusagen zum Prüfstein seiner These von der unabänderlichen Verdorbenheit der Juden. Er rettete sich angesichts des unbezweifelbaren Erfolgs der jüdischen Gastgeberinnen mit der (in der Zukunft als Kampfmittel gegen das immer weniger zu ignorierende Faktum der Akkulturation wirkungsmächtigen) Behauptung einer bloß scheinhaften, äußerlichen Anpassung, deren nur Angelerntes, das den eigentlichen Mangel an Persönlichkeit verdecken solle, stets leicht auszumachen sei: So geht es denn auch den Jüdinnen mit dem feinen Takte der großen Welt. Den treffen sie nun einmal nie, sie mögen es machen, wie sie wollen; den lernen sie weder in Paris, noch in Berlin, noch in Wien, noch sonst irgendwo. [...] Sie können alles erlangen, alles erlernen, alles erkaufen, diesen Takt nicht. [...] Die erlauchten Gäste, die ihn besitzen, nehmen ihn wieder mit, wenn sie von der Tafel aufstehen; die Jüdinnen behalten den leeren Tisch, und die Mahlzeit ist nur für den gesegnet, der sie zu genießen, und sich bei dem Genüsse auf Unkosten der Wirthinnen zu amüsieren verstanden hat. 332
Ein Rezept dafür, wie man sich auf Kosten der Juden amüsieren könnte, lieferte Grattenauer in den satirischen Passagen eines betont groben Scherzes, der die Juden entsprechend der Hierarchie der »Lohnhuren«, »gutwilligen Mädchen« und der »schmiegsamen Jungfrauen« in die Klassen der »Lohnjuden«, »gutwilligen Ebräer« und der »schmiegsamen Kinder Israels« einteilt. 333 Dabei wird bezeichnenderweise gerade die »Apostrophe an die aufgeklärte Zeit, (in der man alles dulden muß)« zum Indikator jüdischer Scheinbildung, die den wahren Kleinkrämergeist nur notdürftig und auf kurze Zeit verstecken könne. Grattenauers Haß sollte vor allem die »Juden-Eleganz-Prätendenten« treffen, die »über Göthe, Schiller und Schlegel mit einer Art von Geistesverrükkung« sprechen, um dann doch unvermittelt wieder in ihre »höhere Juden-Natur« zurückzufallen, für die höhnisch-karikierende Dialoge in Jiddisch angeführt werden.
332 333
Grattenauer (1803b), S. 52. Folgende Zitate s. Grattenauer (1803b), S. 6 1 - 7 2 .
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»Den Juden wird abverlangt, ihrer Andersartigkeit aufzugeben. Tun sie das, wird ihnen unterstellt, sie wollten sich einschleichen - das Hauptargument des modernen Antisemitismus.« 334 Wie weit diese antijüdische Einstellung in Preußen zu Beginn des neuen Jahrhunderts sich verbreitet hatte, zeigt der ungeheure Erfolg von Grattenauers Schrift, die in ihrem Erscheinungsjahr sechs Auflagen erlebte. Schon allein an dieser Popularität Grattenauers läßt sich erkennen, daß die preußische Judenemanzipation eine »von oben verordnete« war, und damit zwar »der traditionellen Paria-Existenz der Juden ein Ende setzte« aber »ihre soziale Eingliederung mit einer schweren Hypothek belastet«335 blieb, denn mit den Bemühungen um eine Gesetzesreform war die »von Dohm geforderte Erziehungsarbeit der christlichen Bevölkerung zum Abbau von Vorurteilen« 336 nicht einhergegangen. »Die Vorurteile gegenüber den Juden blieben trotz der Aufklärung bestehen, wurden aber jetzt mit neuem Inhalt aufgefüllt.« 337 Die preußische Regierung reagierte auf die antijüdische Propaganda mit obrigkeitsstaatlichen Maßnahmen und unterdrückte auf Weisung Hardenbergs ab Ende September 1803 die Veröffentlichung weiterer Polemiken. 338 Zusammenfassend lassen sich fünf Grundthesen festhalten, die in den drei Wellen antijüdischer Publizistik von 1781/83, 1799 und 1803 zur Sprache kommen: ι. Die Behauptung einer unveränderlich verdorbenen Natur des jüdischen Volkes, dem bestimmte negative Stereotypen als unverbesserliche Charaktereigenschaften zugeschrieben werden: Geschäftssinn mit der Intention der Ubervorteilung, Schmutzigkeit, Unehrlichkeit, Uberlegenheitsdünkel den anderen Völkern gegenüber usw. Mit der Argumentation von der spezifischen Judennatur verbindet sich dann der Begriff der besonderen (minderwertigen) Rasse. 2. Aufgrund ihrer starken religiös-politischen Identität bilden die Juden einen Staat im Staate, der versucht, über den jeweiligen Gaststaat die Herrschaft zu gewinnen. Die Juden sind daher der unversöhnliche innere Feind der Deutschen. 334 335 336 337 338
Stamm (1985), S. 29. Grab (1991), S. 21. Battenberg (1991), S. 108. Battenberg (1991), S. 21. Vgl. Geiger (1871), Bd. 2, S. 3 0 1 E
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3· Das Verschwörungstheorem: die Juden bilden demnach eine international organisierte geheime Gesellschaft, die wie jene anderen Verschwörerbünde: die Illuminaten, die Jakobiner etc. auf einen Umsturz der herrschenden Ordnung abzielt. 4. Die Anpassung an bürgerlich-christliche Lebensformen, gesellige Integration ist nur Verstellung, die die Juden umso gefährlicher macht (Unterwanderungstheorem). 5. Daher müssen die Juden von der christlich-bürgerlichen Gesellschaft streng abgetrennt, polizeilich kontrolliert und, wenn möglich, von dieser ausgetrieben werden. Die Debatte ging in den folgenden Jahren nurmehr regierungsintern weiter in den Gutachten und Stellungnahmen zum nun endlich in die Realisierungsphase übergehenden Emanzipationsdekret. 339 Gegner und Befürworter brachten nochmals die alten Argumente vor, jedoch war der grundsätzliche Entschluß der Hardenbergschen Reformer in Richtung auf eine - wenn auch nicht komplette - rechtliche Gleichstellung der Juden gefaßt. Da der Unmut über die nicht mehr aufzuhaltende Legislation nicht mehr in der publizistischen Öffentlichkeit geäußert werden durfte, trat er um so demonstrativer im geschlossenen Kreis Gleichgesinnter auf. Während somit im Jahre 1 8 1 1 die Emanzipation der Juden in Preußen an der Schwelle zu ihrer auch staatsbürgerrechtlichen Verwirklichung stand, in Berlin der Bankier Salomon Veit Mitglied der Stadtverordnetenversammlung war und David Friedländer sogar dem Magistrat angehörte, 340 die Salonbewegung auf dem Gebiet der Geselligkeit ein Klima der Toleranz und Gleichberechtigung verbreitet hatte, 341 stellte sich die ìì9 Vgl. Stern (1885), S. 2 2 8 - 2 6 2 ; Freund (1912), Bd. 2. Zum mitunter recht rüden Ton der Gegner der Judenemanzipation unter den Regierungsbeamten vgl. z.B. das Gutachten des Geheimen Staatsrates von Schuckmann (des späteren Kultusminsters, an den sich Saul Ascher in einem Zeitungsartikel um Beistand gegen die intolerante Tischgesellschaft wandte; vgl.u. Kap. IV) vom 20. April 1 8 1 1 : »Wer weiß, wie schwer es bis jetzt schon oft hielt, der jüdischen Intrigue die krummen Wege zu den Geschäften zu verschließen, der wird gewiß vor den Folgen erschrecken, wenn diese Sippschaft, wie sie jetzt noch ist, bald ihre Angehörigen als Agenten in den Behörden selbst erhalten sollte.« (Freund, Bd. 2, S. 354). 340 341
S. Bruer (1991), S. 267. S. Kap. II.3.2; vgl. das Fazit in: Wilhelmy-Dollinger (1992), S. 133.
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deutsche Tischgesellschaft mit dem Ausschlußparagraphen ihrer Statuten demonstrativ dieser Tendenz entgegen. Ihr privat-öffentlicher Charakter und die gleichfalls die Öffentlichkeit zumindest in Kauf nehmende Drucklegung der Philisterabhandlung legten es von vornherein darauf an, Aufsehen zu erregen. Daß man auch in Dresden aus dem Munde einer der wichtigsten Berliner Salonnièren - wie aus einem Brief Christian Gottfried Körners an seinen Sohn Theodor hervorgeht - von dem christlichen und antijüdischen Charakter der Vereinigung erfuhr, kann kaum überraschen: Die Herz ist hier und hat uns von einer altchristlichen Gesellschaft in Berlin erzählt, worin keine Juden geduldet werden.342
2.7. Zote und Groteske: Arnims Tischrede >Ueber die Kennzeichen des Judenthums< In noch stärkerem Maße als Brentanos Philisterabhandlung hat Arnims Tischrede >Ueber die Kennzeichen des Judenthums< (Nr. 19) in der neueren Forschung die Frage »nach dem Charakter einer Witz- und Lachkultur« aufgeworfen, »die aus dem Einverständnis über das Nichtige in Tilgungs- und Ausmerzungsphantasien ein Vernichten macht und unerkannt in blanken Zynismus übergeht«.343 Auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen der den Philister und der die Juden betreffenden Ausschlußbegründung in den Statuten der Tischgesellschaft ist bereits hingewiesen worden. Daß der Philister ein in der eigenen Person zu bekämpfendes »Ebenbild« sei und er daher in der Tischgesellschaft durch ein auf »Selbstreinigung« zielendes »Lachprogramm« exorziert werden sollte, ist ein Interpretationsergebnis, das im Bezug auf die Philisterabhandlung überzeugt, jedoch keineswegs auf die Darstellung des Juden in Arnims Vortrag zu übertragen ist.344 Die 342
Chr.G. Körner an Th. Körner, Dresden, den 18. Mai 1811; Körner Werke, T. 4, S. 196. Bezeichnend dafür, wie ungenau die umlaufenden Gerüchte waren, ist der sich an das Zitierte anschließende und die Informationen über die Tischgesellschaft abschließende Satz, der offenbart, daß auch eine weiterhin im Zentrum des geselligen Lebens Berlins stehende Salonnière wie Henriette Herz noch Monate nach der Gründung des Vereins nicht wußte (oder ihrem Dresdner Gastgeber nicht mitteilen wollte), wer diesen gestiftet hatte und - wer abgesehen von Arnim - auch von ihren Salongästen wohl Mitglied darin war: »Arnim soll ein Mitglied sein.« (ebd.). 343 Oesterle (1992), S. 6z. 344 Vgl. dagegen Oesterle (1992); zit.: ebd., S. 84.
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einzige Stelle in Arnims Text, an welcher er einen Selbstbezug seiner satirischen Schilderungen nicht auszuschließen scheint, erhält weder weitere Bestätigungen im Kontext der Tischrede, noch läßt die Berücksichtigung von Anlaß und Rezeptionssituation eine derartige Auslegung zu. Seine scherzhafte Intention, durch die Verifikation der Kennzeichen, »heimliche Juden oder solche, die zum Judenthum übergetreten«, in der Tischgesellschaft zu entlarven und von ihr auszusondern, verbirgt den Beitrag zu der ambitionierteren des Vereins, durch die realisierte Diskriminierung im sozialen Bereich der Geselligkeit einen Protest gegen die politische Emanzipation und die soziale Akkulturation der Juden zu vollziehen. Der Philister wird definiert durch eine bestimmte Bündelung von Negativeigenschaften; werden bei jemandem solche Verhaltensweisen und Einstellungen festgestellt, kann er als Philister bezeichnet und ausgegrenzt werden. Die stereotypen Vorurteile gegenüber den Juden machen insgesamt einen ähnlichen Kanon von Ausgrenzungsmerkmalen aus; allerdings stellte die Anwendung dieser gegenüber dem Kollektiv feststehenden Ablehnungskriterien vor das Problem, daß zwar normalerweise bekannt war, wer Jude war und wer nicht, angesichts des beschleunigten A k k u s a t i o n s p r o z e s s e s eine Identifikation der Vorurteilsindikatoren bei den einzelnen Personen jedoch immer unmöglicher zu werden schien. Die konzentrierte Zusammenstellung der antijüdischen Stereotypen in Arnims Tischrede folgte nicht der Intention, einen komplizierten Realitätskomplex durchsichtiger zu machen; ihr Ziel war es vielmehr, eine Blende zu errichten, welche die Andersheit des Juden vor jeder Erfahrung festschreibt. Dadurch sollte eine drohende Korrektur des Vorurteils verhindert werden, wie sie sich aus dem gefürchteten Kontrast mit der Wirklichkeit eines längst nicht mehr zu unterscheidenden jüdischen Mitbürgers ergeben mußte. Allein die Tatsache, daß in der Abhandlung die gegen konkrete Einzelpersonen gerichtete Satire und persönliche Invektiven, mit denen Brentanos Text gespickt ist, vollkommen fehlen, sollte ein Hinweis darauf sein, daß die Verspottung in diesem Falle von vornherein einen Bezug auf die eigenen Kreise ausschloß. Bestimmte als jüdisch beschriebene Eigenschaften und Verhaltensweisen werden in Arnims Tischrede als symptomatisch für den gesellschaftlichen Verfall angesehen, wobei allerdings die deutschchristliche Nation auf eine Änderung sich besinnen könnte und sollte, während für die Juden der zweite Grund-»Satz« aus dem >Philister< gelte:
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Was hier als jüdisch aufgeführt wird, ist nur, was jeder Jude um alles in der Welt gern los würde, außer ums GeldfJ d. h., die jüdische Natur lasse eine Befreiung von diesen Eigenschaften nicht zu. Arnims Satire eignet daher eine stärkere Fixierung im Sinne eines beschränkteren Gegenstands, der das unter Umständen leicht beschämte, aber auch versöhnliche Lachen über sich selbst nicht erlaubt. Über die Aufnahme seiner Rede durch die Tischgenossen ist nichts bekannt. Man kann nur vermuten, daß ihr Erfolg geringer war als derjenige von Brentanos >PhiIisterUeber die Kennzeichen des Judenthums< befindet sich nicht nur hinsichtlich des Darstellungsobjekts, sondern auch im Bezug auf ihr Verfahren gegenüber der Philistersatire in einem höchst ambitionierten Konkurrenz- und Übertreffungsverhältnis. 345 Als Korrelat zu Brentanos biblisch-religiösem, historiographischem und aktuellem Philister-Panorama unternimmt Arnims Satire eine ähnliche Zusammenstellung verschiedenster Diskursebenen, die von der Überarbeitung mittelalterlicher Legenden und Anekdoten bis zur Heranziehung modernster Wissenschaftssprache reichen. Der Ausschlußparagraph der Vereinsstatuten als ernsthafter Hintergrund für die Rede bedeutet keineswegs, daß die Satire gegen die Juden »nur scheinbar scherzhaft« 346 sei. Es erschreckt eher, mit welcher artistischen Souveränität ein ethisch ungebremster Scherz getrieben wird, und der Text wirkt noch bedenklicher, »gerade auf Grund der heiter-ausgelassenen Unbefangenheit, mit der er unter Berufung auf Aristophanes und Eulenspiegel vorgetragen und wohl auch aufgenommen wurde«. 347
345
346 347
Um diese enge Verknüpfung der beiden Tischreden zu unterstreichen, scheint es mir berechtigt, Arnims Tischrede dem in der Forschung üblichen Ausdruck »Philisterabhandlung« entsprechend als »Judenabhandlung« zu bezeichnen. Frühwald (1989), S. 78. Härtl (1987), S. 1162; vgl auch Oesterle (1992), S. 59: »Tatsächlich ist das heutzutage immer noch Provozierendste und Irritierendste die witzige, burleske, ja groteske Form des romantischen Antisemitismus.« 218
Auf Aristophanes und Eulenspiegel wird von Arnim in ähnlicher Weise hingewiesen wie in der Philisterabhandlung auf Schellmuffsky: Wer noch nie mit Schweineschmalz Einen Judenbart gerieben, Kennt noch nicht das attsche Salz, Kann noch nicht die Alten lieben Aristophanes und Eulenspiegel Sind verschlossen ihm mit sieben Siegel. Eulenspiegel lebe hoch, Der die Neugier der Rabbinen Mit Prophetenbeer betrog, Lorbeer soll dein Grab umgrünen, Aristophanes und Eulenspiegel Sprenget auf die ernsten Grabeshügel. Lasst die Lust aus eurer Haft Lasst sie zu der Erde dringen Und mit neuer Segenskraft Tausend Narrenkappen schwingen, Aristophanes und Eulenspiegel Lachend schwingt ihr luftge Götterflügel Lebet hoch, drey mal hoch! Die Verspottung der Juden wird in diesen Versen gar zum Kriterium des Bildungszugangs erklärt. Nur wer sich zu ihr fähig zeigt, kann ein wirkliches Verhältnis zum Kulturbesitz der Vergangenheit entwickeln. Die Harmlosigkeit des kulturellen Vergnügens wird verbürgt, nur heiter-beschwingtes Lachen ist das Ziel der Entwürdigung des Juden. Während Aristophanes allgemein als antiker Ahnherr der Satire zitiert wird, ist die Schreiblizenz, die durch den Hinweis auf die Tradition der volkstümlichen Eulenspiegel-Literatur reklamiert wird, spezifischer. Der genannte Schwank ist die einzige der fast hundert Historien des Ulenspiegel Volksbuches, in welcher der Schalk die Juden hereinlegt; sie enthält in nuce die Grundmotive, die auch Arnims Judensatire bestimmen: die Neugierde der Juden, die Eulenspiegel den Betrug überhaupt erst ermöglicht; ihr Reichtum und die Verhöhnung ihres Glaubens als purer Aberglauben. Darüber hinaus gehört die Historie zu denjenigen des Volksbuches, die ihren groben Scherz ganz der Skatologie verdanken.348 Altdeutsche Knit348 v g i. die yy Historie des Eulenspiegel-Volksbuches (Knust, 1884, S. 53): >wie Ulenspiegel die juden zu Franckford an dem Mein betrog umb tusent gulden, er verkoufft in seins trecks für prophetenbeerPhilister< und noch weniger im Bezug auf Arnims Judensatire kann davon die Rede sein, daß »die drastische und obszöne Thematisierung frühneuzeitlicher Körperlichkeit« abgemildert werde und die »skatologischen Motive« oder das Sexuelle einer »zivilisatorischen Zensur« 351 zum Opfer falle. Dies trifft auf die Bearbeitung des >Schellmuffsky< durch Arnim zu, der für die Veröffentlichung im >Wintergarten< eine Abmilderung des Textes notwendig erachtete. 3 ' 2 Für den Vortrag im »verstehenden und fröhlichen« Kreis der Tischgenossen gilt ment des romantischen Intertexts, indem Arnim hiermit seine Tischrede mit Brentanos >Geschichte des ersten Bärnhäuters< verknüpft, worin schon derselbe Schwank angeführt und gleichfalls vorausgesetzt wird, daß sein Inhalt bekannt sei. 349 Zur Auffassung, daß sich Knittelverse als weniger »vornehm« (Fichte in Nr. 28) besonders für satirisch-scherzhafte Texte eignen, vgl. z.B. Lichtenbergs (Werke, Bd. 3, S. 8; Hervorh. im Original) Vergleich mit den Hogarthschen Karikaturen: »Es läßt sich in Knittel-Versen sehr viel Gutes sagen; es lassen sich der Untugend und der Torheit damit Hiebe erteilen, die bis ins Blut gehen, eben weil es Knittel-Verse sind. Aber beten muß man nicht wollen - in Knittel-Versen. Das wäre ein Spott über das Gebet, und also etwas sehr Unsinniges.« 35 ° Vgl. Wingertszahn (1990), S. i6off.; Oesterle (1992) S. 59f. 351 Kremer (1997), S. 34. 352 Vgl. dazu die Dokumentation im Komm. v. R. Moering in: Arnim Werke, Bd. 3, S. ιο6γί.
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dies hingegen nicht. Bei seiner >SchellmuffskyAllgemeine Zeitungs Nr. 99 v. 9. April 1 8 1 1 , S. 316: »Nachdem Hornemann, welcher vor zehn Jahren eine Reise ins Innere von Afrika unternommen, höchst wahrscheinlich verunglückt ist, [...] steht jetzt ein anderer junger Deutscher, Röntgen, ein Schüler Blumenthals in Göttingen in Begrif, unterstützt von reichen englichen Privadeuten, ins westliche Innere Afrika's einzudringen. [...] Er ertrug noch in Göttingen eine schmerzhafte Operation, um desto sicherer als Bekenner des Koran und Arzt zu Nationen zu gelangen, wo der Name eines Christen hinreicht, um in Sclaverei und zum Tode geschleppt zu werden.« Zu dem »bekannten Reisenden Röntgen« s. Varnhagen, Werke, Bd. 2, S. 238. 356 Wingertszahn (1990), S. 161, meint gar: »Sämtliche Texte Arnims inszenieren unablässig sexuellen Doppelsinn und erotische Ambiguitäten; erstaunlich oft wird in seinen Texten über >Zoten< räsoniert.« 3 7 > Arnim, Werke, Bd. 1, S. 242. Arnim, Werke, Bd. 1, S. 243. 222
den, ohne eine Ungerechtigkeit gegen die edle Unterhaltung zu begehen«. 359 Folgt man diesen Hinweisen auf einen erweiterten Gebrauch des Begriffs, so läßt sich Arnims Tischrede auch als eine Aneinanderreihung von Zoten über das in ihrem Einleitungsteil angegebene ernsthafte Thema interpretieren. Gedrängt von den »ausserorderntliche[n] Verhandlungen in Religionsangelegenheiten«, d.h. von der Endphase der Hardenbergschen Emanzipationsgesetzgebung, wird für die Tischgesellschaft die Kommunikation über das, was ihr u. a. »am deutlichsten und wichtigsten unter allem« ist, zu einem wiederholten Anlaß eines außerhalb ihres Zirkels unakzeptablen, unanständigen Scherzens: Staat und Gesellschaft. Die Zote über die »heimlichen Juden«, die sich in die Gesellschaft »einzuschleichen« versuchen, ist mit ihrem anstößig brutalen Witz nur dem »Grund und Boden« der Tischgesellschaft »leibeigen«, die Aufforderung an die Tischgenossen, sie nicht über diesen hinaus »in die Welt« dringen zu lassen, steht ausdrücklich am Schluß von Arnims Rede: U m nicht den Vorwurf auf mich zu laden, daß ich ähnliche Grausamkeiten veranlassen wollte, muß ich schließlich [...] alle werthen Mitglieder dieses christlichen Tisches bitten, die ihnen mitgetheilten Wahrheiten möglichst geheim zu halten, und sich den Genuß zu verschaffen, sie für den ersten Grad einer neuen Freymaurerey zu halten.
Zur Zote wird nach diesem Verständnis der Text gerade deshalb, weil es sich um ein Scherzen über die Angelegenheiten des Staates und seiner Gesetze handelt, die sexuelle Ambiguität erhielte demnach eine marginale Ornatus-Funktion. Dem obszönen Witz der oben zitierten Zote wird allerdings durch den Doppelsinn des »Man verfahre dann nach Belieben« ein semantisches Potential sexueller Machtphantasie verliehen, das ihn aus der Reihe der den gesamten Text durchziehenden sexuellen Motive hervorhebt. Während es sich in den anderen Fällen um anzügliche Hinweise auf das Stereotyp der jüdischen Unkeuschheit und unsittlichen Geilheit handelt, wird hier die Perspektive auf den christlichen Tischgenossen als agierenden verschoben und der Text damit im Rahmen seiner verschiedenen Vernichtungsphantasien für solche der sexuellen Aggression geöffnet. Auch dies wird »herzlich belacht« worden sein, gleich einer verbalen Evokation im Kreis der städtisch-gesitteten
3 " Arnim, Werke, Bd. i, S. 243.
Tischgenossen von mittelalterlichen Karnevalsriten, die im Extremfall dörflicher Abgeschiedenheit auch die Notzucht legitimierten. Eine nur zu einem geringen Teil für die Redefassung verwendete Variante (Nr. 19 V4) enthält die Erzählung von der Disputation des Ritters Andreas Rauber mit dem gelehrten Rabbi, die mit dem Motiv vom »klugen Rätsellöser«, das auch in den Eulenspiegel-Historien vorkommt, 360 allgemein auf die spätmittelalterlich- frühneuzeitliche Schwanküberlieferung verweist. In der 32. Historie von Johannes Paulis >Schimpf und Ernst«, 36 ' die von der Befragung eines römischen Narren durch einen Gelehrten aus Athen erzählt, ist die Durchführung des Disputs zwischem dem unbedarften christlichen Ritter und dem klügsten Vertreter der Judengemeinde mittels Finger- und Gebärdensprache vorgezeichnet.362 Arnim kannte auch das Streitgespräch in >Gargantua et Pantagruel· zwischen Thaumast, einem Schüler von Duns Scotus, dem »doctor subtilis« der Scholastik, und Panurge, dem gewitzten, aber ungelehrten Wegbegleiter Pantagruels. Rabelais wurde von Pistor schon 1799 in den Hallischen Studentenzirkel der »Freunde freyer Untersuchung« eingeführt; 363 eine Ausgabe der >Œuvres de M. Francois Rabelais< aus dem Jahre 1691 findet sich heute in der Weimarer »ArnimBibliothek«. In der Rabelaischen Disputation bleibt Panurge auf keine der durch Fingerzeichen gegebenen scholastischen Fragen die Antwort schuldig; der Witz entsteht dabei durch die vollkommene Unsinnigkeit des Dialogs, dessen angestrengte Wahrheitssuche und Gelehrsamkeit in offensichtlichem Kontrast dazu wiederholt betont wird. Der Höhepunkt ist einmal mehr dem offenen grotesk-komischem Leib überlassen, dessen grob-unschickliche Körperlichkeit die Offenbarung des »großen Geheimnisses« durch Panurge ankündigt:364 360
361 362
363 364
S. die Historia Nr. 28 (Kunst, 1884, S. 4 2 - 4 4 ; Vorbild im >Pfaffen Amis< des Strickers, vgl. Heiland, 1912), die eine Verspottung der Disputationen auf der mittelalterlich-scholastischen Akademie bietet; vgl. Kadlec (1916/1973), S. 23ff.; zur Wiederentdeckung und Neubewertung des >Eulenspiegel< als nationale Volkspoesie in Görres' >Die teutschen Volksbücher« s. Bollenbeck (1985), S. 2 - 6 . In der Arnim-Bibliothek findet sich eine 1542 in Bern erschienene Ausgabe. Vgl. Johannes Pauli, Schimpf und Ernst, hrsg. v. Hermann Osterley, Stuttgart 1866, S. 33Í. Vgl. Komm. v. H. Härtl in: Arnim, W A A , Bd. 30, S. 220. Die Diskussion zwischen Panurge und Thaumast findet sich in: Rabelais, Ouevres, Tome I, Livre II, Chap. 19; zit. nach: Rabelais, 1986, Bd. 1, S. 43of.).
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Da erhob sich Thaumast in großer Pein, doch beim Aufstehen ließ er einen gewaltigen Bäckerfurz fahren, denn das Dicke kam hintennach, und pißte einen dicken Strahl Essig, und er stank wie sämtliche Teufel der Hölle. Die Zuschauer aber hielten sich die Nase zu, denn er schiß sich vor Angst die Hosen voll. [...] Da rief Thaumast: »Ha, ihr Herren, das große Geheimnis!« Genau einen so gearteten Sieg in dem Streitgespräch hatte aber Panurge seinem Herrn Pantagruel versprochen: »Gibt's denn einen Menschen, der gelehrter ist als die Teufel?« »Nein, wahrlich nicht«, sagte Pantagruel, »ohne besondere göttliche Gnade.« »Und doch hab' ich mich oft mit ihnen herumgestritten und sie kleingekriegt und auf den Arsch gesetzt. Drum verlaßt Euch drauf: den ruhmredigen Engländer werde ich morgen vor aller Welt Essig scheißen lassen.« 36 ' Der überlegene Geist zeigt sich im unflätigen Witz durch kindliche Akrobatiken des Schelms, während der in der gelehrten Diskussion U n terlegene gerade diese Gewalt über seine Körperfunktionen verliert; mit der Bewahrheitung der Metapher Panurges, daß er seinen Gegner »chier vinaigre« lassen werde, wird nicht nur dieser »vor aller Welt« blamiert, sondern vor allem der Höhepunkt der grotesken Bloßstellung der gelehrt-akademischen Spitzfindigkeiten erreicht, deren »Geheimnisse« auf die letzten Wahrheiten des Körpers herabgesetzt werden sollen. 366 Während bei Rabelais auch noch die göttliche Gnade durch Panurges Hinweis auf seine Kämpfe mit den Teufeln in den Spott hineingezogen wird, liefert bei Arnims »Ritter Andreas Rauber« ein »boshafter« Hofjude, der den Ritter herausfordert, die notwendige, für die Disputation mit dem Rabbi wappnende Erfahrung: E r heisse Ritter Andreas Rauber, nun habe er einmal mit einem Juden als er zuerst an des Herzogs Hof gekommen, der sich viel auf seine Stärke eingebildet, einen Streit gehabt worin ihm jener vorgeworfen, die Christen handelten nicht nach der Vorschrift ihres Erlösers, so dir einer einen Streich giebt auf deine rechte Backe, dem biethe den linken auch dar. Ich, sagte der
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Rabelais, 1986, Bd. 1, S. 422. Eulenspiegels Bloßstellung der Prager Universitätsgelehrten gelingt nach dem Motiv des klugen Rätsellösers zum einen durch die Anwendung des einfachen Denkens des sog. gesunden Menschenverstandes, zum anderen aber durch die Konfrontation der scholastisch-spitzfindigen Fragen mit dem - bereits als allgemein anerkannt vorausgesetzten - mathematischen Grundprinzip des modernen wissenschaftlichen Denkens: Eulenspiegels dreist-unverfrorene Antworten müssen von den Akademikern akzeptiert werden, weil niemand ihre Behauptungen durch Messungen wiederlegen kann.
Ritter, schwor ihm, daß ich auch dazu bereit sey und der boshafte Jude gab mir einen Schlag auf die rechte Backe, daß ich mich kaum halten konnte, dennoch gab ich ihm die linke frey und er schlug darauf, daß ich niederstürzte. Dennoch raffte ich mich auf und sagte ihm, daß ich so treu, wie ich diesem Gesetz der Biebel Folge geleistet habe, auch dem andern mich unterwerfen müsse, da stünde aber geschrieben: Mit dem Maaße, wie du missest, soll dir wieder gemessen werden. Ein voll gerüttelt und geschüttelt Maaß wird man in euren Schooß geben! Nach diesen Worten wickelte ich seinen Bart um meine Faust und drückte ihm trotz seiner Stärke den gut zusammengerüttelten Kopf in seinen Schooß, daß er das Genick gebrochen.
Den Schwank fand Arnim in den Jüdischen Merckwürdigkeiten< Schudts. 367 Gegenüber seiner Vorlage nahm Arnim allerdings einige entscheidende Veränderungen an der Geschichte vor. Bezeichnenderweise handelt es sich nun nicht mehr um einen getauften, sondern um einen »boshaften« Juden, auch dessen Spott auf die Christen sowie die übrigen Anspielungen auf die Bibel sind Hinzufügungen Arnims. Erst dadurch aber erhält der Zweikampf den Charakter eines Streits zwischen Gut und Böse, zwischem jüdischem Unglauben und christlichem Glauben, während bei Schudt die Historie noch den Charakter eines Duells in »Gegenwart des Ertz-Hertzogen und seiner Hoffstat« hat. Die Tatsache, daß Arnim anstatt einer ursprünglich milderen Variante am Ende dieser Textpassage, worin noch von »fast das Genick gebrochen« die Rede war, die brutale Eindeutigkeit bevorzugte, unterstreicht den derben Grobianismus dieses in seiner Grundanlage (das Wörtlichnehmen der Metapher) so ganz spätmittelalterlichen Schwankes.368 Der Ritter antwortet auf die gleiche »tüchtige Art« - wie es in Brentanos Philisterabhandlung heißt - , mit der Simson »dreißig Stück Philister« totschlägt. Gleich Panurge ist der christliche Ritter dem jüdischen Herausforderer an Gelehrsamkeit weit unterlegen; in ähnlicher Weise wie jener ist er durch die Erfahrung des Streits mit dem »Teufel« gewarnt, durch seinen früheren Sieg in seinem Gottvertrauen gestärkt, und gleich dem Rabelaischen Schelm braucht er daher auch keine besonderen Vorberei& 368
Schudt (1714), Teil ι, Buch VI, S. 3 2 1 . Der Schluß erscheint bei Schudt nicht weniger brutal: »Herr Rauber ergriff dann den gewesenen Juden bey seinem Bart [...],/ wickelte ihn zweymahl um seine lincke Hand/ daß er unbeweglich still halten muste/ und gab ihm mit der rechten Hand so einen harten Schlag/ daß nicht allein der Bart/ sondern auch deß gewesenen Judens Unter-Kinbacken dem Herrn Rauber in der Hand verblieb/ worüber der arme Tropff bald sein Leben enden müssen«.
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tungen auf den Kampf: Panurge verbringt die Nacht vor der akademischen Disputation beim Kartenspielen und ebenso »frühstückte« Ritter Rauber am Morgen der Fehde »noch dort recht derb nach Landessitte und pfiff lustig vor sich hin«. Während aber Rabelais für die Auslegung des Streitgesprächs, das den Zuschauern letztendlich nur »eine arg häßliche Fratze« 3 6 ' schien, den blinden Verweis auf »ein dickes Buch« gibt, das der scholastische Gelehrte darüber »verfaßt und in London hat drucken lassen, in welchem er alles klarstellt, ohne etwas zu übergehen«, 370 ist es in Arnims Erzählung gerade die »Auslegung dieser wichtigen Fragen«, die »den verfänglichen Vorschlag« der Juden erst recht als fehlgeschlagene böse List erscheinen läßt. Genauso entsprang des Thaumasts Vorschlag, seine Fragen in Zeichensprache zu stellen, der »hoffährtigen und ehrsüchtigen« 3 7 ' Intention, Pantagruel durch ihre Nichtbeantwortbarkeit bloßzustellen. Die Unmöglichkeit, die drei durch Zeichen vorgelegten Fragen zu begreifen, hätte die Christen doppelt beschämen müssen, denn auch dieses Publikum assistiert dem Streitgespräch, ohne den geringsten Sinn in Fragen und Antworten erkennen zu können. Der der vieldeutigen Geste Eindeutigkeit verleihenden Ratio wird auf christlicher Seite eine naiv-gläubige Sicherheit entgegengestellt, die sich »lachend« über jegliches religiös-spirituelle Signifikat der Zeichen hinwegsetzend und »ganz auf Christus vertrauend« der Eingebung des Moments folgt (»der Fremde bedachte sich nicht lange«). Durch die groteske Reduktion des Geistigen auf das Körperliche wird die sophistische Verkomplizierung einfacher Wahrheiten lächerlich gemacht; im Falle des christlichen »Pilger«-Ritters mündet jedoch die »höhere Lenkung eines dummen Verstandes« in die Lehre, daß die Auseinandersetzung mit den Juden dann erfolgreich ist, wenn sie deren grundsätzlich feindlichen Charakter als Konstante annimmt und jedes nicht offensichtlich bedrohende jüdische Auftreten als Verstellung erkennt. Bei Rabelais ergibt sich die Diskreditierung der Gelehrtenkaste auch aus der Tatsache, daß von beiden Parteien des Streitgesprächs, »tant Thaumaste, que Pantagruel«, nur die Vernichtung des Gegners aus eigennützigen und ruhmsüchtigen Motiven beabsichtigt ist; zwischen Juden und Christen hingegen schließt sich
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Rabelais (1968), S. 4 3 1 . Rabelais (1968), S . 4 3 5 . Rabelais (1968), S . 4 2 1 .
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jede Identität von vornherein aus, und jenes Detail, daß der Fremde »das schwere Geschäft«, die Fragen des Rabbi zu beantworten, ohne jegliches Eigeninteresse übernimmt, verschiebt noch zusätzlich das moralische Ungleichgewicht. Die höhere Lenkung seines dummen Verstandes besteht gerade darin, daß für ihn die einmalige Erfahrung mit dem tückischen Hofjuden zur allgemeinen Lehre für den Umgang mit den Juden generalisiert wird. Er schlägt den Juden ein Schnippchen, weil er ihnen mit dem Vorurteil eines ihnen als unveränderlich zugeschriebenen Volkscharakters begegnet. Der Schwank wird den Zuhörern als belehrende Parabel präsentiert, die »eine sinnreiche Art«, auf die unveränderlich hinterlistige Natur der Juden zu reagieren, erzählt. Die Behauptung der Judennatur als überhistorischer Konstante macht es möglich, das Geschehen einer fernen Vergangenheit im Kontext der Tischrede zu aktualisieren und performativ zum »Vorsatz« aufzuladen, die Juden wie schon aus der Tischgesellschaft, so auch aus der Stadt der Tischgenossen zu vertreiben: Der Jubel über diese höhere Lenkung eines dummen Verstandes zum Besten der Stadt schallte ihm von allen Seiten, trinken wir die Gesundheit dessen, der unsre Stadt mit gleichem Glück von diesen Wuchergästen befreyt, er lebe hoch!
Der groteske Triumph Panurges über die Gelehrsamkeit des Scholastikers wird bei Arnim zum lachenden Sieg des christlichen Toren über die Klugheit des Rabbi. Daß es sich bei den Fragen, die von diesem gestellt werden, um Kernpunkte der christlichen Dogmatik handelt, liest sich in der aktualisierenden Interpretation Arnims als nicht mißzuverstehender Hinweis auf die äußerlich gelungene Akkulturation, der es mit um so schärferer Zurückweisung jeglichen Dialogs zu begegnen gilt. Im Lob des Derben und Groben wird dem problematisierenden Verstand der positive Barbar als einfache Lösung entgegengestellt. Dem akkulturierten Juden und seiner gefürchteten Scharfsinnigkeit antwortet der historische Rückgriff auf den »dummen« Volks-»Verstand« einer christlich-mittelalterlichen Glaubensgewißheit, deren naiv-ursprüngliches Gottvertrauen die Hilfe Gottes im Kampf gegen die Ungläubigen verheißt. Wo die moderne Staatsgewalt das »tüchtige« Dreinschlagen des Progroms verhindert, wird die Schwankerzählung zur Beschwörung jener besseren Zeiten, als »Christen tapfre Ritter waren«. Das Lachen der Rabelaischen Groteske, die Komik der verwirrenden pantomimischen Gesten Panurges und das tragisch-komische Explodieren des 228
Körpers von Thaumast wird von Arnim zum Lachen über die Sophisterei der jüdischen Fragesteller und zum Belächeln der dumm-dreisten Antworten des christlichen Pilgers abgemildert: dem unterlegenen Part bleibt in der Disputation die Würde gewahrt und der groteske Scherz geht in diesem Fall nicht bis zur körperlichen Aggression, sondern wird im Kontext als die Erzählung einer milderen Alternative gegenüber den Grausamkeiten der Judenmorde der Vergangenheit eingeführt. Die Austreibung als Folge der Niederlage im gelehrten »Gespräch« ist allerdings ebenfalls konkret und gewaltsam. Arnims Tischrede wechselt von Scherz zu Ernst und verknüpft in gleich raschem Umschwung das Einst mit dem Jetzt: grotesk-witzige, derbe und offen brutale Anekdoten und Erzählungen werden durch die Patina des historisch Vergangenen präsentabel, doch wird ihnen zugleich stets der Charakter des unverändert Gültigen verliehen. Es handelt sich um ein suggestives Spiel mit dem »Doppelcharakter der Vergegenwärtigung des Vergangenen«,372 wobei zunächst der Scherz durch das Aberwitzige der Legenden und der abergläubischen Verdächtigungen gegenüber den Juden entsteht und er anschließend durch die Einbindung in einen aktualisierenden Kontext wieder zugunsten einer überhistorischen Gültigkeit in Ernst verwandelt werden kann. Bei diesen Kontextualisierungen nutzt Arnim auf eine geschickte Weise die Offenlegung seiner Quellen, um durch ihre Autorität entweder die Glaubwürdigkeit der übermittelten Fakten oder ihres behaupteten Lehrgehaltes zu untermauern. Für einige besonders phantastischexotische Mythen verweist er ausdrücklich auf das »Entdeckte Judenthum« des im Heidelberg des 17. Jahrhunderts lehrenden Orientalisten Johann Andreas Eisenmenger, das vor allem durch die Streitigkeiten um seine Publikation berühmt geworden war. Aufgrund kaiserlichen Verbots wurde es erst nach dem Tode Eisenmengers 1 7 1 1 auf Kosten des preußischen Staates in Königsberg gedruckt. Dieses Buch besteht aus einer umfangreichen Sammlung Mythen- und Legendenerzählungen, die eine jüdische Verschwörung gegen die Christen anhand dieser vorgeblich nur aus eigener jüdischer Tradition stammenden Texte >entdekken< lassen sollen. Bei der Präsentation dieser Legenden wird in Arnims Rede augenzwinkernd Distanz markiert zu den Unwahrscheinlichkeiten der erzählten Greuelgeschichten, gleichzeitig aber das denunziatori372
Oesterle (1992), S. 60.
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sehe Grundkonzept Eisenmengers, nach welchem die Gültigkeit der absurdesten Anschuldigungen gerade durch die Herkunft aus der vermeintlich jüdischen Uberlieferung garantiert sein soll, keineswegs ganz aufgegeben. Arnim benutzte jedoch Eisenmenger nur an wenigen Stellen seiner Rede, die sich häufiger auf Johann Jacob Schudts schon erwähnte >Jüdische Merckwürdigkeiten< von 1714 stützt und einiges auch der zeitgenössischen historische Untersuchung zur >Geschichte der Stadt Frankfurt am Main< ( 1 8 0 7 - 1 0 ) von Anton Kirchner entnimmt. In extenso führte Arnim das in Schudts >Merckwürdigkeiten< gedruckte Schreiben des preußischen Königs an den Kaiser 373 an, mit welchem jener für die Aufhebung des Zensuredikts gegen Eisenmenger eintrat.374 Der königliche Brief über »dieses zur Vertheidigung der Wahrheit und zur Widerlegung ihrer [der Juden; S. N.] Irrthümer verfertigte Buch« erhält durch seine altertümlich gestelzte Kanzleidiktion eine komische Wirkung, die im patriotischen Kreis der Tischgenossen nur im Sinne der satirischen Freiheit für das Scherzen über das Allerhöchste möglich war. Die davon unangetastete Autorität des »grossen Monarchen« wird durch den aktualisierenden Einleitungspassus, daß es sich bei dem zitierten Schreiben um eine »vortheilhafte Recension von König Friedrichs des ersten eigener Hand, mit der er sich seine allgemeine Literaturzeitung selbst zu schreiben pflegte«, handele, auf das kompilierende Verfahren der Tischrede selbst übertragen. Deren »Recension« war gleichfalls nur dem Kreis der Tischgenossen überlassen, von denen einzig abhing, welche Inhalte in ihr als zulässig anerkannt werden und welche nicht. Für eine seiner längsten Binnenerzählungen verweist Arnim ausdrücklich auf die aktuelle historische Darstellung Kirchners als Quelle, die in ihrem den Frankfurter Juden gewidmeten Kapitel aus aufklärerischem Geist nur mit Grauen von jenen mittelalterlichen Geschichten der »Verfolgungswuth« 375 fanatisierter Christen berichtet. Arnim erzählt daraus die schwankhafte Historie vom reichen Juden Katz, der bei einem nur christlichen Zuschauern zugänglichen Ritterturnier entdeckt wird und durch Zwangstaufe der Hinrichtung entgeht. Bestraft wird er damit, daß er durch die Bezahlung von einem Heller pro eingelieferten
373 374 375
Gedruckt bei Schudt (1714), Teil 3, S. if. Zur Verbotsgeschichte des Entdeckten Judenthums< s. Wolf (1869). Kirchner (1807/10), Viertes Buch, S. 195.
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Rattenschwanz für die Beseitigung der Frankfurter Rattenplage aufkommen soll. Durch die Fassung in klappernden Knittelversen werden Witz und Akzeptanz dieser derb-brutalen Geschichte gesteigert, ihre Fremdheit und historische Ferne noch betont, was ihre positive Umwertung in Sinne des von Brentano geforderten »ehrbaren Schwanke« mit einem »Zug Vaterländischer Treue und Tapferkeit« erst ermöglicht. Dabei wird einerseits das Gegenbild der vergangenen besseren Zeiten als Kritik des Heute betont, andererseits die unveränderte Gültigkeit des Judenbildes unterstrichen, das sich nicht ändern könne, da es einer jüdischen Natur entspreche: Ein Jude ist, wie jeder weiß Vor allen Dingen naseweiß, Doch die zu Frankfurt sind zu mal Behaftet mit der Weisheitqual; Seht nur die Judengasse an, Da stehn sie listig Mann für Mann Da seht ihr sie am Fenster sitzen Still lauernd mit den spitzen Mützen, Da schauen sie mit Schabbesbrillen Und drehen in den Händen Pillen, So sind sie und so waren sie, Aus der Geschichte es ersieh, Die sich ereignete vor Jahren Als Christen tapfre Ritter waren, Jezt sind die Christen schlimmre Juden Und schachern auch in Wechselbuden, Sonst durften sie nicht Zinsen nehmen, Jezt bleibt es nicht bey zweymal zehnen Jezt muß man sich besonders rüsten Vor diesen argen Wechselkristen Die deutsche Tischgenossenschaft Bewahrt sich drum mit gleicher Kraft Vor den Philistern und vor Juden, Damit sie wächst in allem Guten.
Unter dem Titel >Der neugierige Jude zu Frankfurt am Mayn< gibt es von dieser Geschichte eine vollständige Vorstufe (Nr. 19, V3). Sie enthält gegenüber dem in die Tischrede eingegangenen Text zwei deutlich versöhnlichere Varianten für den Schluß. In der ersten (gestrichenen) wird der getaufte Jude Katz auf seiner Pilgerfahrt sogar vom Papst empfangen und erhält von diesem die Absolution, die ihn dann auch von der Rattenplage befreit. In der zweiten, kürzeren Variante ist es die ma231
gische Kraft des aus Rattenschwänzen geflochtenen Pilgerkleides, welche die Ratten aus Frankfurt vertreibt: Da ist die Strafe aus fürwahr, E r ging nun fröhlich in die Welt, Als Rattenfänger um das Geld, Und wurde reicher als vor Zeiten
In der Fassung der Tischrede heißt es dagegen am Ende lapidar: Da fällt ihm ein in seinem Harm, Daß er ein Gift Arsenik nahm, [...] Davon sind alle bald verstorben, Sonst war der Judenchrist verdorben. Z u Ehre des Herrn Falkenstein Trink ich den vollen Becher Wein [...]
Nicht nur diese unterdrückten Varianten, auch andere aus dem endgültigen Text der Tischrede ausgeschlossene Vorstufen zeigen die Endfassung als Produkt eines Verschärfungsprozesses, mit welchem versöhnlichere und nicht auf eine unveränderbare Judennatur fixierte Tendenzen ausgeschlossen worden sind. Ein Gedicht (»Herr, die Stunde ist gekommen«, s. Nr. 19 V j ) über eine »Nonne, die durch eines Juden Gnade lebte«, erzählt z.B. vom barmherzigen Verhalten eines reichen Juden, das als Kritik am moralischen Verfall der Christenheit angeführt wird. Hätten diese nachdenklicheren und weniger eindeutigen Varianten ihren Platz in der Abhandlung gefunden, wäre die literarisch realisierte Zusammenstellung des Unvergleichbaren: eines moderen akkulturierten Berliner Judentums mit den spitze Mützen und Schabbesbrillen tragenden »listigen« Juden des Ghettos, schwieriger zu akzeptieren gewesen. Wirkliche oder vermeintliche historische Fakten wie die Information, daß es Juden gewesen seien, die »1696 den ersten Tabak in der Mark pflanzten«, gehen unmittelbar in Legendenerzählungen über: 376 wohl möchte man, beym Uberblick aller Verderbniß, die dieses grausame Kraut angerichtet hat und wenn man im Herbste die hohen abgeblätterten Stengel über dem ausgepoverten Lande wie Galgen stehen sieht an die alte Jüdische Mythe glauben, daß Christus durch seine Macht alles andre Holz beschworen habe, daß es ihn nicht tragen möchte, also es gleich zusammengebrochen, bis ein Jude solchen Krautstengel von ungeheurer Höhe aus des Teufels Sommergarten gebracht, woran er gekreuzigt worden. 376
Quelle: Eisenmenger, Entdecktes Judenthum, Bd. 1, S. 179.
In einem erst nachträglich zwischen den Zeilen eingefügten Kommentar wird anschließend das Unwahrscheinliche der Fabel zurückgenommen: Ich glaube nicht an diese Judenerzählung, es war nur beyläufig, daß ich sie anführtet·]
Arnim geht es selbstverständlich nicht um die Rehabilitierung des Inhalts derartigen Legendenmaterials, für dessen skurril-abstruse Phantasie die jüdische Tradition selbst verantwortlich gemacht wird. Weshalb führt er aber diese »Judenerzählung« an, wenn er sich sofort wieder davon distanziert? Deutlicher noch als im Falle des Schwankes vom Ritter Rauber, dessen lehrhafte Pointe dem grotesken Dialog nachträglich den Charakter einer Beispielerzählung verleiht, geht es um die bloße Präsentation eines absonderlichen und verzerrten Bildes, das in kein System christlicher Ikonologie paßt und als groteske Vorstellung des an einem Tabakstengel gekreuzigten Christus die Grenze zur Blasphemie überschreitet. Demgegenüber erscheint der vermeintliche Sinn der »alten jüdischen Mythe« - der Sieg des verbissenen Judenhasses über Christi »Macht«, die wiederholte Erinnerung an die Juden als Christusmörder - als nur sekundär. An solchen Stellen der Rede verselbständigen sich die Bilder und erhalten eine groteske Eigenmacht, die den antijüdischen Zweck ihrer Anführung verblassen läßt. Die Legende vom Rabbi Chanina und dem Frosch, 377 die unmittelbar auf die Apostrophe an die satirischen Götter Aristophanes und Eulenspiegel folgt, wird ζ. B. eingeführt als lehrreiche Geschichte darüber, wie die »Wißbegierde« der Juden, »doch selbst mit Lust dabey etwas zu gewinnen verbunden sey«. Die Erzählung dreht sich dann jedoch vor allem um das Motiv des Monströsen. Sie berichtet von einem Frosch, der - unnütz, nur »fröhlig mit Tantzen und Springen« und vom Rabbi bloß aus Barmherzigkeit gefüttert - sich in ungeheure Dimensionen auswächst (ein Gargantua oder Pantagruel des Tierreichs), bis er zuletzt ein eigenes Zimmer benötigt und den ganzen Vorrat des Rabbi vertilgt hat. Die Erzählung hat bis zur Bitte des Rabbi an den Frosch, ihm »das ganze Gesetz« zu lehren, keinerlei antijüdische Stoßrichtung. Der letzte Satz des als Zitat herausgehobenen Fabeltextes erwähnt die materielle Entlohnung, die dem Rabbi freilich ohne sein 377
Quelle sind die in den Arnim-Bibliothek vorhandenen Jüdischen Legenden und Historien von Christopherus Helvicus, o . O . u. o.J. ( G l e s s e n i é i i ) , S. 6 8 - 7 1 .
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Verlangen für seine uneigennützigen Dienste gegeben wird. Erst an dieser Stelle tritt durch die Nachsätze jene umdeutende Aktualisierung in Kraft, die sich nur äußerst schwach als Auslegung der Legende behauptet und eher wie eine gewaltsame Rückführung zum Hauptthema der Abhandlung erscheint: Unser Buch behauptet hier dieser Frosch wäre ein Kind Adams mit der Teufelin Lilith gewesen, das sich in alle Gestalten verwandeln konnte, ich sage aber, es war ein Voyageur, der für ein gutes Mittagessen seines Handelshauses Interesse und Spekulationen dem Juden verrathen muste [...]
Durch die Gegenüberstellung mit der religiös-mythologischen Auslegung wird das Unangemessene der aktualisierenden nur umso offensichtlicher. Die Einführung des Fremden der Vergangenheit ins Gegenwärtige hat zunächst ihren die Burleske und den grotesken Spaß intendierenden Zweck in sich. Bei der aktualisierenden Umdeutung, die das Lachen in ein Verlachen verwandeln soll, müssen die Geschichten fast ohne Beachtung ihres Inhalts zum Anlaß für Invektiven gegen die Juden im zeitgenössischen Berlin herhalten. Von anderer Art sind jene Passagen von Arnims Rede, die dem allgemeinen Konsens der Forschung zufolge 378 ihren makabren Höhepunkt markieren. Sie führen zurück zu den oben gemachten Bemerkungen über die zentrale Bedeutung der Zote für Arnims Tischrede. Dies zum einen deshalb, weil gerade am Anfang des Berichts über die galvanischen und chemischen »Experimente«, denen der als Jude Verdächtigte unterzogen wird, sich die bereits zitierte obszöne »Wünschelruten«-Zote befindet. Zum andern aber hinsichtlich des allgemeineren, von Arnim vorgeschlagenen Wortgebrauchs, nach welchem der grobe Scherz über das Wichtigste eine Zote genannt wird. Denn in diesem Text dient der wissenschaftliche Diskurs zu einer extremen, brutal-sadistischen Groteske, damit aber wird die sowohl Arnim selbst als auch zahlreichen weiteren Tischgenossen vertraute und wichtige naturwissenschaftliche Forschung in den Strudel zotigen Sprechens gerissen. Der Kontrast zwischen burleskem Witz und seiner Einbettung in die Gesamttendenz der Abhandlung entspricht hier nicht mehr demjenigen zwischen der Wiederbelebung eines historisch fernen Textes und modernem Sprechen, sondern dieses wird mit einem naturwissenschaft378 Vgl. Henckmann (1986), S. 62; Härtl (1987), S. 1162; Och (1992), S. 87; Och (1995), S. 286.
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lichen Diskurs konfrontiert, der mit den Begriffen des »Experiments« und der chemischen »Analyse« auf den neuesten Stand der damaligen Physik und Chemie verweist. 379 Die Groteske erreicht mit der scherzhaften Adaption des Rededuktus aus dem elitären Bereich der avanciertesten empirisch-experimentiellen Forschung ihren Höhepunkt in einer Orgie von Grausamkeiten, für deren extreme Brutalität eine neutrale Akzeptanz reklamiert wird, indem hier das Motiv der Scheinlebendigkeit des Juden aufgeht in der vorgeblichen Distanz wissenschaftlicher Beobachtung und ihrer notwendigen Kälte gegenüber den Gegenständen ihres Experiments. Das Objekt der »Analyse«, der als Jude Verdächtigte, wird zerstossen, »im Feuersteinmösel« zerrieben, »mit Aetzlauge im Platinatiegel, allmälig bis zum Durchglühen« erhitzt, bis er in seine einzelnen Bestandteile zerlegt ist, die als Resultat in streng mathematischer Division aufgelistet werden. Der Witz entsteht dabei zudem durch ein kalkuliertes Aus-derRolle-Fallen, d.h. Verlassen der anspruchsvollen scheinwissenschaftlichen Rede zugunsten direkter Aggression und derb-grobianischen Ausdrucks sowie durch den Kontrast zwischen den quantitativen Angaben nach dem Muster eines wissenschaftlichen Forschungsergebnisses und ihrer qualitativen Ausfüllung, die ein Kondensat der antijüdischen Stereotypen bietet. So bilden etwa »ein Paar simple Fußtritte« den Anfang des »galvanischen Versuch[s]«; »50 Theile« der »100 Summa Summarum« sind schlicht »böse Lust aller Art«, die letzten aber bestehen aus: 4 Theile Christenbluth heimlich durch sündliche Vermischung gewonnen. 3 Theile Gewürm und Wurmspieß Ά Theile Seele
Im Vergleich zu Brentanos Philistersatire tendiert Arnims Tischrede noch stärker zum burlesken Spaß, der als Zote oder auch als derb-alberne Anekdote und fast immer in der Weise sexuell-ambiguen Sprechens auftritt, wie etwa folgendem mittelalterlich-groben Jahrmarktklamauk:
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Z u Arnims früher naturwissenschaftlicher Ausbildung und der Bedeutung naturwissenschaftlichen Denkens für sein literarisches Werk vgl. Darmstaedter (1931); Liedke (1966), S. 3 2 - 5 3 ; R. Burwick (1985); R. Burwick (1989), S. 3 0 - 6 1 ; F. Burwick (1986); Nienhaus (1994/5).
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wie ich einen [Juden; S. N.] selbst für einen halben Gulden mit einem Blasebalg von hinten habe zu ungeheurer Dicke aufblasen sehen[.] Als Satiren »gegen den erstorbenen Mechanismus in der Welt gegen das Judenthum und gegen das Philisterthum« (Nr. 37) sind die Tischreden Arnims und Brentanos zweifellos nicht von gleichem Gewicht. Brentanos anspruchsvolles Philister-Panorama hatte als im Druck verbreitete Publikation eine über den Rahmen des Vortrags im Kreis der »verstehenden« Tischgenossen hinaustretende Funktion als eine A r t veröffentlichter Programmschrift. 380 Bedenkt man die sozialen Konsequenzen des Ausschlußparagraphen in den Statuten, berücksichtigt man die allein schon durch das Gerücht erzeugte Reaktion in der Öffentlichkeit, 381 so ist die Bedeutung der Rede Arnims >Ueber die Kennzeichen des Judenthums< für das Selbstverständnis und auch die Wirkung der Tischgesellschaft als ungleich größer einzuschätzen. Die scherzhafte Vernichtung des nurmehr »moraliter« existierenden Philisters annihilierte eben bloß ein ideologisches Feindbild, die Lachorgie über die Auslöschung des Judenkörpers konfrontierte den Tischgenossen indessen unmittelbar nach Verlassen der Versammlung mit dem Problem des künftigen U m -
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Brentano hatte ursprünglich vor, die Philisterabhandlung nur handschriftlich kopieren zu lassen, »weil aller Druck von den Philistern ausgeht« (Nr. 11). Der Text sollte ursprünglich nicht »zum Besten einer armen Familie abgedruckt«, sondern vom Vater dieser Familie abgeschrieben werden, der dafür pro Exemplar einen Taler erhalten sollte. Der Kopist litt allerdings an einem Augenleiden und konnte wohl überhaupt die große Nachfrage nicht befriedigen (Steig, 1902c, S. 350, hat den »auf zwei Taler monatliches Wartegeld gesetzte[n] preußische[n] Accisebeamtefn] Cuno« als Schreiber identifiziert). Brentanos ursprüngliche Intention kann insofern als eine Fortsetzung der ästhetischen Praxis des Literarischen Salons interpretiert werden, als sie dem Versuch von »Abkoppelung vom Literatursystem« (Seibert, 1993, S. 266), der Negation einer Aufgliederung in Autor und anonymes Lese- und Kaufpublikum entspricht. Allerdings verweist schon allein die letztendliche Entscheidung zur Drucklegung und buchhändlerischen Kommissionierung der Philisterabhandlung auf die längst unmögliche A b dichtung einer romantischen Gruppenpraxis gegenüber dem bürgerlich-industriellen Geist der modernen Warenwelt. Damit war auch der Beschluß, den Text nur den Mitgliedern und Gästen der Tischgesellschaft zugänglich zu machen, hinfällig geworden, vgl. Brentano (Nr. 11): »alle jene, welche noch jezt irgend ein Exemplar mehr begehren, bitte ich dasselbe in der Wittichischen Kunsthandlung [...] gegen ein rth. abholen zu lassen, w o ich Sie auch gütigst alle, welche den Wunsch haben, sich über die Philister zu orientieren zu verweisen bitte.« Vgl. dazu Kap. IV. 236
gangs mit den ihm »civiliter« in nahezu jedem anderen öffentlichen Bereich der preußischen Hauptstadt begegnenden jüdischen Mitbürgern.
2.8. Der Judenhaß und seine Folgen: Tischreden von Beuth, Beckedorff und Arnims Rechtfertigungsreferat zum »Itzig-Skandal« Der Paragraph in den Statuten der deutschen Tischgesellschaft, der Juden nicht aufgrund ihrer Religions-, sondern im Sinne einer Volkszugehörigkeit ausgrenzt, war Ausdruck des Mehrheitswillens der Gruppe. Es handelte sich - wie Arnim einige Monate nach der Gründung hervorhob - um »die allgemeine Stimme der Gesellschaft, welche auch die getauften Juden verbandte« (Nr. 25). Die Radikalisierung des Ausschlußparagraphen war nicht das Ergebnis einzelner, etwa besonders judenfeindlicher Mitglieder, sondern Resultat eines demokratischen Mehrheitsbeschlusses. In ihm äußerte sich der Wille der Vereinigung, sich selbst über die gemeinsam geteilten Gruppeninhalte hinaus auch durch eine klare Abgrenzung nach Außen zu definieren. Die deutsche Tischgesellschaft identifizierte erneut wie einst Michaelis »deutsch« und »christlich« und verlieh sich darüber hinaus dadurch, daß sie die Konversion grundsätzlich negierte, einen Auserwähltheitsstatus qua Geburtsprivileg. Der Kampf gegen die soziale Integration der Juden und der Versuch, die deutliche Erfolgstendenz der jüdischen Akkulturation in Berlin umzukehren, waren offen erklärtes Ziel des Vereins. Arnims spätere apologetische Versuche, alles zum bloßen fröhlichen »Scherz« (Nr. 37) erklären zu wollen, bestätigten eher nur die mangelnde Reflexion des Stifters der Tischgesellschaft über die fundamentalen Konsequenzen des Gruppenbeschlusses, die eigene Geselligkeit negativ durch den irreversiblen Ausschluß der Juden zu definieren. Mit der folgenschweren Entscheidung, die schon auf der Gründungssitzung gefällt worden war, hatte der Verein bereits einen wesentlichen Zweck erfüllt, indem seine Versammlungen bewiesen, daß eine Geselligkeit weiter und prominenter Berliner Kreise möglich war, welche die jüdische Bevölkerung ohne Ausnahme ausschloß. Das Fernhalten der Juden von der Versammlung der Tischgenossen war im Gründungsjahr nicht nur in Brentanos Philisterabhandlung am Rande mitbehandelt und daraufhin in Arnims brutaler Judensatire zum Hauptthema gewählt worden. Als Ludolph Beckedorff in seiner Abschiedsrede vom Juni 1 8 1 1 (Nr. 20) den Versuch unternahm, den Ver-
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einszweck pointiert in Erinnerung zu rufen, ließ er keinen Zweifel daran, daß es der Ausschluß der Juden von den Versammlungen der deutschen Tischgesellschaft sei, durch den ihre Geselligkeit einen besonderen Sinn erhalte. Seine Rede erreicht ihren rhetorischen Höhepunkt, indem sie die deutsche Tischgenossenschaft als ein Bündnis zum Kampf gegen äußere Feinde darstellt. Die Tatsache, daß der Redner mit den im Folgenden zitierten Sätzen für sich beansprucht, bloß die »Gesinnung« der Vereinsgenossen, nicht aber den »Zweck« der Gesellschaft zu benennen, bezieht sich auf die Unmöglichkeit, direkt agierend auf die politische Situation zu wirken. Was aber deutsch und christlich seyn will, das muß auch streitbar seyn, nennt doch die Kirche selbst sich eine streitbare /ecclesia militami und darum sind auch wir es. Wir führen Krieg und zwar einen doppelten, einen oberflächlichen, scherzhaften und ironischen gegen die Philister, gegen ein Geschlecht, welches, wenn es überhaupt existirt, wohl ebenso schwer zu vertilgen oder nur abzuhalten seyn möchte, [...] und einen andren gründlichen, ernsthaften und aufrichtigen gegen die Juden, gegen ein Gezücht, welches mit wunderbarer Frechheit, ohne Beruf, ohne Talent, mit wenig Muth und noch weniger Ehre, mit bebendem Herzen und unruhigen Fußsohlen, wie Moses ihnen prophezeit hat, [...] sich in den Staat, in die Wissenschaft, in die Kunst, in die Gesellschaft und letzdich sogar in die ritterlichen Schranken des Zweikampfes einzuschleichen, einzudrängen und einzuzwängen bemüht ist. Vom Staat, von der Wissenschaft und der Kunst es zurückzuweisen, stehet nicht in unserer Macht; aber vom Hufeisen dieses Tisches es zu verbannen, das steht nicht blos in unsrer Gewalt, sondern halten wir für unsre Pflicht. In einer Zeit, wo die Satzungen der Väter größtentheils umgestoßen werden, wo heilig Altes mit dem geistlos Veralteten in dieselbe Gruft begraben wird, wo eine große Verwirrung und Vermischung Aller Dinge, Gesetze, Stände und Religionen, kurz, ein allgemeiner plebejischer Zustand herbey geführt werden soll, in solcher Zeit kann eine Tischgesellschaft ihre gründliche Protestation gegen die ephemeren Neuerungen der Tageswelt nicht besser zu erkennen geben, als durch Verbannung der Juden, dieses Erbfeindes der Christenheit, dieses Wiedersachers aller Ordnung, dieses neugierigen und neuerungssüchtigen Volkes, welches noch immer den weltlichen Messias in seiner Mitte erwartet, da wir den geistlichen doch schon seit 1800 Jahren gläubig anbeten. Das romantische »Ungenügen an der Realität«, 382 die gegen das aufklärerische Verstandesprinzip (und die als sein Resultat aufgefaßte Französische Revolution) gerichtete »Verachtung gegen den erstorbenen Me-
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So der Titel des immer noch gültigen Buches von Lothar Pikulik (1979)· 238
chanismus in der Welt gegen das Judenthum und gegen das Philisterthum« und zugleich die »Verehrung gegen das Bewährte in der Geschichte« (Nr. 37) werden in Beckedorffs Worten zum Muster einer konservativen Kulturkritik. Auffällig ist allerdings, daß selbst Beckedorff im Kreis der deutschen Tischgenossen die Notwendigkeit von Reformen keineswegs ausschließt und das Phänomen des »geistlos Veralteten« immerhin konzediert. Doch ungleich stärker ist der Protest gegen die »ephemeren Neuerungen«, den »plebeyischen Zustand«, der als Chaos die überkommene Ordnung der christlich-feudalen Ständegesellschaft abzulösen droht. Die Verursacher dieser Entwicklung werden in den Juden ausgemacht. Beckedorff spitzt die Verfallskritik auf die Juden zu und streicht die Philisterkritik, die bei Brentano und Arnim stets noch als gleichberechtigtes Spiegelbild erhalten bleibt, vollkommen aus.3®3 Er sieht die Gefahr nicht in einer qua geheuchelter Akkulturation drohenden Unterwanderung, vielmehr habe Preußens Verwandlung in einen »neumodischen Judenstaat«3®4 - wie die berühmte Formulierung Friedrich August Ludwigs von der Marwitz lautete - ihre Ursache in dem Werteverlust der christlichen Ordnung. Der soziale Aufstieg der Juden ist für Beckedorff das Symptom der verfehlten gesellschaftlichen Entwicklung. Während die Philister nur ein eingebildeter Studentenspaß sind, finden sich die Juden als konkrete Feinde inzwischen in allen öffentlichen Bereichen. Die Gesellschaft, die auf ihre hergebrachten Ordnungen verzichtet und deren Basis sich durch den Prozeß der Entchristlichung (nicht zuletzt in Wissenschaft und Kunst) auflöst, öffnet sich damit laut Beckedorff dem Volk der Juden, das nun auf einmal von seiner bisher unwiderruflich scheinenden Randposition ins Zentrum der Gesellschaft dringen könne. 385 Es sind 383
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Die Parallelen zum organisierten Antisemitismus der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts sind evident: Die »Identifikation von Modernität und Judentum« (Nipperdey/Rürup, 1972, S. 136), mit welcher gerade auch die akkulturierten Juden für Traditionsauflösung und Kulturverfall verantwortlich gemacht werden, findet sich schon bei Beckedorff wie in Brentanos und Arnims Philister- bzw. Judensatire. Marwitz (1989), S. 324 (= Lebuser Denkschrift vom 9. Mai 1 8 1 1 , an deren Abfassung das Tischgesellschaftsmitglied Adam Müller mitgearbeitet hatte): »Er (Hardenberg) will aus dem ehrlichen brandenburgischen Preußen einen neumodischen Judenstaat machen.« Man vergleiche damit einen wenige Jahre nach Beckedorffs Tischrede veröffentlichten Aufsatz Müllers, worin dieser gleich Beckedorff die Position vertritt, daß die eigentliche Kapitulation der christlichen Gesellschaftsor-
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nicht etwa die Juden, die sich immer geschickter anzupassen vermöchten: Die ihr christliches Fundament verleugnende Nation implantiert sich selbstzerstörerisch den feindlichen Geist. Daß es einem feigen und ehrlosen Volk »ohne Talent« - zu diesen Stereotypen kommt noch die Beschimpfung als tierisches »Gezücht« - schon weitgehend gelingen konnte, »sich in den Staat, in die Wissenschaft, in die Kunst, in die Gesellschaft [...] einzuschleichen, einzudrängen und einzuzwängen«, ist für Beckedorff der wahre Beweis für die Dekadenz, die es zu bekämpfen gilt. Die Juden sind nicht nur Nutznießer der »große[n] Verwirrung und Vermischung Aller Dinge«, sondern als »neugierigefs] und neuerungssüchtige[s]« Volk, »Wiedersacher« und »Erbfeind« die antichristlichen, teuflischen Verursacher dieses Zustands. Die »Verbannung der Juden« aus der christlich-deutschen Geselligkeit wird als »Protestation« zum Zeichen für eine mögliche Umkehr der gesellschaftlichen Entwicklung gedeutet. Nicht die deutsche Tischgesellschaft ist nach Beckedorff Aggressor der Juden, sondern sie wird selbst Opfer einer Verfolgung von Seiten des Berliner Judentums, von »Stadtgeträtsch und Judenge-
klatsch«, die sie »auf alle mögliche Weise zu verunglimpfen getrachtet« hätten. Bezeichnenderweise steht bei Beckedorff dem stolzem »kleinen Freystaat« Arnims eine ironische »letzte Freystatt« gegenüber: Der Angreifer gibt sich selbst bedroht und rechtfertigt mit der Reaktion seiner Aggressionsopfer nachträglich die eigene Tat.
dung vor den Juden in der sich bereits ankündigenden Umformung aller sozialen Verhältnisse in reine »Geldverhältnisse« bestehe: »Dehnt sich das System unserer Geldsklaverei über Grund und Boden und Feldbau aus, wohlan! So werden sie auch unseren Feldbau beherrschen: sie werden die einzigen wenigstens im Geldbetracht, zuverlässigen Eigentümer des Landes sein; dem rechtschaffenen christlichen Hausvater wird kein Ausweg, als sie zu vernichten oder ihr Sklave zu werden. Das ganze unerfreuliche Gewebe unsers Verkehrs und Handels wird sich, um zu bestehen, auf jüdische Weise umformen müssen. Man will die Juden reformieren, und schafft die persönlichen Dienste ab, und verwandelt alle Beziehungen der Menschen in Geldverhältnisse, und richtet alle Dinge so ein, auf daß es baldigst nur dahin kommen wird, daß sie uns reformieren.« (Deutsche Staatsanzeigen, Bd. i, Leipzig 1816, S. 297) Beckedorff war mit Müller seit 1810 befreundet, arbeitete wie dieser an Kleists >Abendblättern< mit und war auch Beiträger zu Müllers Zeitschrift >StaatsanzeigenNovellensammlung von 1 8 1 2 c >Die Versöhnung in der Sommerfrische^ vgl. Arnim, Werke, Bd. 3, (Komm.) S. i 2 j o f f . Arnim an Brentano, 17. o. 18. Juli 1 8 1 1 ; Schultz (1998), Bd. 2, S. Mit nahezu identischen Worten, jedoch wesentlich knapper erstattete Arnim am 18. August, dem Tag seiner Abreise nach Weimar, Bericht an Jakob Grimm: »Meine Judenhistorie hat noch eine Katastrophe gehabt, wovon ich Dir meines Wissens noch nichts geschrieben; Judas hat mich lesend und sitzend im Badehaus erschlagen wollen, mein Stock hat aber ausparirt und ihn blutig zurückgewiesen, worauf ich ihn den Gerichten übergeben.« (Steig, 1904, S. I43Í.) Brentano kommentiert in seinem Antwortbrief aus Buckowan vom 3. September 1 8 1 1 den Vorfall auf scherzende Weise: »Daß der Jude das Kind mitsammt dem Bade ausschütten wollte, ist mir sehr rührend, du hast vortreflich nachgehauen, die Moritze sind uns nicht günstig, dir Itzig mir Bethmann«. (FBA, Bd. 32, S. 336).
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exemplarischer Bekenner einer »aus Grundsätzen hervorgegangenen]« Haltung. 39 * Sonst hätte er seinen Zuhörern wohl auch kaum eine derartig lange Tischrede von über 34 Manuskriptseiten zugemutet, die den ganzen Vorfall noch einmal ausführlich erzählt, dabei alle Schreiben als Belegdokumente zitiert und - ohne seinem Publikum auch nur einen Augenblick der Erleichterung durch einen noch so kurzen Scherz zu gönnen - von Anfang bis Ende einen ernsthaften Ton beibehält. In seiner Tischrede kommt Arnim keineswegs direkt zur Sache, sondern umgibt den Bericht über den skandalösen Vorfall mit einem auf die Vereinsrealität bezogenen Rahmen, einer Einführung in die Ereignisse in Gedichtform und einer abschließenden Vorstellung von allgemeineren Ideen zur Judenbekehrung, die als eine tiefere Lehre aus dem Geschehenen präsentiert werden. Schon die Rahmenerzählung soll die milde, aggressionsfreie Haltung der Tischgesellschaft generell und des Mitglieds Arnim im Besonderen suggerieren: Zum Zeitpunkt des Attentats ist das Opfer von tiefen Gedanken über die auf der »letzten Versammlung« im Verein erörterte Frage erfüllt, ob im Kreis der Tischgenossen zu Spenden für milde Zwecke aufgerufen werden solle oder ob dies bei den in mannigfaltigen öffentlichen Verhältnissen stehenden Mitgliedern nicht im Normalfall schon anderwärts geschehen sei. Am Schluß der Rede kommt Arnim »in Ruhe und Ordnung auf den Gegenstand zurück«, indem er zu dem genannten Problem ein Zirkular zur Abstimmung herumgehen läßt: Der Bericht vom skandalösen Vorfall (und damit natürlich dieser selbst) wird in den ruhigen Gang des geselligen Vereinslebens eingebettet und soll als eine Art lästige Ablenkung davon erscheinen (obgleich angesichts der Länge des Geschehensrapports der Eindruck einer Digression kaum aufrecht erhalten werden kann). Der Redner bemüht sich durchweg um einen gelassenen, unaufgeregten Ton, der dem Täter gegenüber die Haltung des überlegenen Mitleids bewahrt, auch wenn ihm dies nicht immer gelingen will und er ärgerliche Ausdrücke wie »das Geschmiere des Judenjungen« nicht unterdrücken kann. Die »feierlichere« Einführung des Vorfalls in einem fünfstrophigen Gedicht überhöht diesen ins Exemplarische und gestaltet ihn zu einem Stück Erbauungsliteratur, worin der private Skandal in die fundamentale Auseinandersetzung zwischen dem christlichem miles und dem jüdi196
Eine andere Meinung findet sich bei Miller (1982), S. 31.
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sehen Diener Satans verwandelt wird. Dem in der Rahmenerzählung über das Gemeinschaftsleben der Tischgenossen Reflektierenden entspricht in diesen Versen der friedlich von des Tages Mühen Ausruhende, der »unverhofft« aus christlicher Ehr- und Selbstverteidigung zur Gewalt gezwungen wird. Zwei Motive bestimmen den Text: >Stab< und >BlutUeber die Kennzeichen des Judenthums< wird der heimtückische Angriff (»mit einem Stocke«) des nach Christenblut dürstenden Juden dank der »Gnadenkraft« abgewehrt, und der Pilgerstab wandelt sich zum strafenden Organ Gottes: Der Herr hat meinen Stab geführt Ich könnt es nicht bedenken, Er hat den Streich mir ausparirt Der meine Ehr sollt kränken. [...] Und ich schlug dem jüdschen Held Eine blutge Quelle
Scheint der Sprecher mit dem ironischen Wort vom »jüdschen Held« für einen Moment aus seiner Rolle des ruhigen christlichen Ritters zu fallen, so wird mit der erneuten Akzentverschiebung beim Blutmotiv diese Abweichung rasch wieder korrigiert. Handelte es sich zunächst um das christliche Pilgerblut, nach dem es dem teuflischen Juden gelüstete, so war es dann »Christi Blut«, dessen durch Sakrament dem Gläubigen verliehene Gnadenkraft dem Angriff des Satans widerstehen läßt. Nun aber wird dem friedliebenden Christen das Bluten des Juden, das ja durch den von Gottes Hand gelenkten Schlag verursacht wurde, zu einer Einkehr und Reue provozierenden Offenbarung: Der Jude taumelte von Schmerz Ich sah sein Blut erscheinen Der Herr gab mir ein starkes Herz Doch hätt ich mögen weinen.
Das vergossene Blut befreit den Juden von seinem ihm bisher zugeschriebenen teuflischen Charakter und läßt ihn wieder als Mensch erscheinen. Vom christlichen Dulder, der durch seine Abwehr selbst zum Täter geworden ist, wird jetzt eine Sühnehandlung verlangt. Der ganze 247
Vorgang erscheint damit abgerundet zur erbaulichen Beispielerzählung, worin noch die gräßlichste irdische Erfahrung zum belehrenden und glaubensstärkenden Gleichnis werden kann. Die Frage, ob »tatsächlich diffamierend auf die alten BlutschuldVorwürfe angespielt wird«, 397 muß nicht in dem Sinne entschieden werden, daß Arnim den modernen Berliner Juden ernsthaft antike Gelüste nach Christenblut unterstellen wollte. Das Motiv selbst ist im Text in der gleichen Weise legitimiert wie in der Judenabhandlung, indem auch hier das Zitieren der abstrusen antijüdischen Vorwürfe hinter dem Flor des altertümlichen Ausdrucks möglich wird. In der schlichten Form des religiösen Volksliedes wird nicht in erster Linie das Vergangene aktualisiert, sondern im Gegenteil das Gleichnishafte und Ewiggültige des heutigen Geschehens behauptet. Während in diesen Versen nur der dramatische Höhepunkt des Attentats dargestellt wird, folgen darauf etwa 20 Manuskriptseiten, die dem Bericht von der Vorgeschichte des Uberfalls und nochmals der (nun in Prosa gehaltenen) Schilderung desselben gewidmet sind. Den Kern der ausführlichen Darstellung der Ereignisse bildet der Briefwechsel mit Moritz Itzig, der von Arnim für die Tischgenossen minutiös kopiert wurde. Die Antworten seiner adeligen Standesgenossen auf seine Anfrage, ob er sich mit einem Juden schlagen dürfe, gibt Arnim hingegen erstaunlicherweise nur summarisch wieder: Die Meinungen des H . Grafen von Chasot, Major von Arnim, ν Barnekow, ν Bardeleben, ν Möllendorf, ν Röder, von Hedemann fielen nun dahin aus, daß dem Juden keine andre Genugthuung als durch körperliche Züchtigung zukomme, welches auch meine innerste Ueberzeugung ist, wollen sie auf der einen Seite den Vortheil des höheren Zinsfusses haben, so muß ihre Ehre auf der andern Seite so viel niedriger stehen.
Gerade diese überheblichen Antworten, die Arnim mit einem scheinbar beschwichtigenden Kommentar in sein letztes Schreiben an Itzig einschloß, haben zusätzlich zu dem Faktum der Duellverweigerung selbst wohl nicht wenig zu der katastrophalen Entwicklung der Affäre beigetragen.398 w 3,8
Och (1992), S. 89. Wie wichtig Arnim die für Itzig so beschämenden Antworten nahm, läßt sich auch daran erkennen, daß er dieses Motiv in >Isabella von Agypten< literarisch verwendet hat. Die unwürdige Figur, die Itzig in diesen Urteilen zugedacht ist, soll offensichtlich noch gesteigert werden, indem in der N o velle der sich durch seine Geldgier auszeichnende Wurzeldämon den Meinungen darüber ausgesetzt wird, »ob er ein Mensch wirklich sei« (Arnim, 248
Für die persönliche Motivation von Arnims Judenhaß ist die Verknüpfung von >Ehrlosigkeit< mit dem »Vortheil des höheren Zinsfusses«, also dem Vorwurf des Geldwuchers, von zentraler Bedeutung. Schon in seiner Judenabhandlung hatte Arnim mit der Ballade vom abgestraften Wucherer Katz den Zusammenhang zwischen Duellfähigkeit und Wucher dargestellt, den er nun in der Itzig-Rede in diskursiver Form wiederholt: Wenn alle Juden erklären, daß sie ihre Ehrensachen mit den Waffen ausmachen wollen, so glaube ich können wir Christen damit sehr zufrieden seyn, es würde sich dann mancher unehrliche Gewinn zurückerkämpfen lassen, bis dahin kann aber auch dem besseren Einzelnen keine Ausnahme gegönnt werdenf.] Arnim insistiert aber zugleich auf dem Wucher als persönlichem Grund für seinen Haß auf die Juden, indem er sich u.a. auch in einem der Briefe an Moritz Itzig als Opfer jüdischer Finanzschwindler darstellt; 399
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Werke, Bd. 3, S. 710); an einer anderen Stelle des Textes soll der Alraun nochmals das Unmögliche belegen, »ob er ein Mensch, um ihm ritterlichen Zweikampf einzuräumen, ferner ob er ebenbürtig und christlicher Religion sei« (Arnim, Werke, Bd. 3, S. 727). Letzteres klingt den Aufnahmebedingungen der Tischgesellschaft für neue Mitglieder doch sehr ähnlich. In der fragmentarischen, ursprünglich als Rahmenerzählung für die Novellensammlung von 1 8 1 2 vorgesehenen >Versöhnung in der Sommerfrische< wird der Jude Rabuni von dem Grafen, den er zum Duell fordern wollte, mit der Antwort bedacht: »Ob ich etwa ein Abkömmling des Schilock wäre, der solch Lüsten nach Christenblut bezeigte, ihm für sein Teil wär Judenblut keine Delikatesse, Juden gebe er acht Prozent, aber keine Genugtuung.« (Arnim, Werke, Bd. 3, S. 564; vgl. dazu Och, 1992, S. 89). Durch mißglückte Finanzspekulationen, bei denen er Pfandbriefe an verschiedene Geldverleiher verpfändete, hatte Carl Otto von Arnim die Landgüter aus dem Besitz der Großmutter Caroline von Labes stark verschuldet. »Die Wechsel waren zumindest teilweise auf die den Brüdern A. gehörenden uckermärkischen Gütern [...] ausgestellt. A m 12. März 1 8 1 2 wurde ein Vergleich zwischen den Brüdern A. [...] über insgesamt 22408 rth ausgefertigt.« (Härtl 1982, S. 270) Alle vier Berliner Kaufleute, bei denen die Arnims verschuldet waren, kamen aus jüdischen Familien, zwei von ihnen trugen den Namen Itzig. Sich von einer derartig großen Schuldenlast zu befreien, war ohne Güterverkauf kaum denkbar. In den nächsten Jahren kommt Arnim immer wieder auf diesen Schuldenalb zurück, so schreibt er im Oktober 1 8 1 2 an den Bruder: »Die alte Judensache mit den verpfändeten Papieren meldet sich wieder.« (Härtl 1982, S. 270), und im Sommer des darauffolgenden Jahres klagt er Savigny: »von den Juden gedrängt, die ihre ganze Forderungen einklagen mit Executionen gedroht, lauf ich oft meilenweit, um mich wieder mit der freien Luft abzugleichen« (Härtl, 1982, S. 66). 249
diese Briefstelle, mit welcher Arnim sein erstes Schreiben abschließt, zeichnet sich noch durch eine auffällige Höflichkeit vor allem Sarah Levy gegenüber aus: ich schliesse den Briefwechsel mit Ihnen, indem ich Ihnen im Vertrauen eröffne, daß ich nur darum zuweilen Ihrer Glaubensgenossen gespottet habe, weil sie mich betrogen haben und weil ich lange genug in ihren Klauen steckte, aus denen mich alle ritterliche Mannheit nicht frey gemacht hätte, selbst wenn ich mich mit einem grossen Ehrenkampfe hätte lächerlich machen wollen. Ich habe weder mit Ihnen, noch mit Mad. Lewi dergleichen Geschäfte gemacht, vielmehr danke ich der letzteren manche gesellige Freundschaft.
Es ist kaum anzunehmen, daß Arnim Änderungen in den Abschriften gegenüber den Originalen vorgenommen hat, z.B. um den Kontrast zwischen seiner Höflichkeit und der unversöhnlichen Reaktion Itzigs zu verschärfen. In der Versammlung der Tischgesellschaft saßen ja auch die meisten von denjenigen Standesgenossen, denen er knapp zwei Monate zuvor die Briefe zu lesen gegeben hatte. Der grundsätzliche Charakter des Konflikts scheint den meisten Zeitgenossen klar gewesen zu sein, und schon vor dem Uberfall war die Auseinandersetzung zwischen Itzig und Arnim über den engeren Kreis der unmittelbar Beteiligten hinaus zu einem öffentlichen Thema geworden. Dies geht aus dem bereits zitierten Brief Arnims an Wilhelm Grimm von 25. Juni 1 8 1 1 hervor, worin nicht zufällig die beleidigenden Antworten der befragten Aristokraten besonders herausgestellt werden. Arnim hatte in seinem Circular seinen adeligen Standesgenossen die Frage auf eine Weise formuliert, welche die soziale Distanz zwischen ihm und seinem Kontrahenten deutlich genug benannte: Ich fordere Sie auf meine Herren, weil der Fall eines Duells zwischen einem landsässigen Edelmann und einem Juden sich noch nicht ereignet hat, mir Ihren Rath zu ertheilen, als Männer von Ehre und als Freunde meiner Ehre, ob ich den Itzig ausfordern soll oder seine Ausforderung, insofern er sie an mich ergehen läst, annehmen kann, so wie ich denn auch so frey seyn werde mir in diesen Fällen zur Unterhandlung einen von Ihnen zu erbitten. (Nr. 23)
Wie man auf die Idee verfallen kann, daß Arnim ernsthaft an die Möglichkeit eines Duells gedacht haben könnte, 400 ist angesichts des Kon-
Vgl. Henckmann (1986), S. 66. 250
textes zur Fragestellung, worin Moritz Itzig von Arnim als quasi noch Halbwüchsiger und vor allem wiederholt als Jude bezeichnet wird, rätselhaft. Die insgesamt zehn Antworten 4 0 1 bewegten sich exakt in den von Arnim vorgegebenen Bahnen; Itzigs Bild wurde in den Urteilen der Offiziere ganz auf dasjenige des unreifen Judenjungen reduziert, so z.B. bei Chasot und bei Möllendorf: Nach meiner vollen Überzeugung kann der Herr Achim von Arnim einem so naseweisen und unverschämten Buben als der mir unbekannte Verfaßer der verschiednen Briefe N ° I und N ° III. nicht anders als mit dem Stocke die verdiente Antwort ertheilen. vChasot. [..·] Ich bewundere die Höflichkeit und Nachsicht des H: von Arnim dem jüdischen Mann, genannt Moritz Itzig auf seinen erlassenen Brief geantwortet zu haben. Mir ist wahrscheinlich, das die Hitze auf das jüdische Gehirn gewirkt hat, da aus heiler Haut kann nicht dergleichen Brief entstehen. Daher rate ich zur Wiedergenesung des Bengels schleunigen Mitteln zu ergreifen u. ihm einige hundert Eimer Wasser übers Haupt zu machen. Sollte dies aber noch nicht helfen so würde ich alsdem auch anraten die heilsamen Arzeney Mittel des Gr:Chasot Myr. vBarnekow u Hauptmann vBardeleben in Anwendung zu bringen, die so dann schon bey dergleichen Ungethumen Juden Bürschen einen unvergleichlichen efect hervorgebracht haben. VMöllendorff Hauptmann von Bardeleben bringt den allgemeinen Tenor der Stellungnahmen auf den Punkt, wenn er versichert, »daß ein Mann von Ehre, 401
Weder von Steig, dem noch der ganze Foliobogen mit allen Anworten vorlag (vgl. Steig, 1901, S. 636), noch in der neueren Forschung z.B. von Henckmann (1992, S. 65f.), die immerhin in die erste Seite mit den Stellungnahmen von Chasot, Graf Arnim, Quast, Barnekow, Rothenburg und Bardeleben Einsicht nehmen konnte, wurden die Meinungen der adeligen Offiziere veröffendicht; nur Härtl (1971, S. 304) zitiert in seiner Dissertation von den in Weimar aufbewahrten Stellungsnahmen diejenigen Chasots, Barnekows und Bardelebens. Die in den oben angeführten Zitaten enthaltene antijüdische Grobheit war z.B. dem deutschnational gesinnten Steig sicherlich nicht genehm, der insgesamt in seiner Darstellung den Antisemitismus der deutschen Tischgesellschaft keineswegs besonders herausstellte (vgl. Kap. V. ι.); für Henckmann - die sich sogar darüber verwundert, »was die Zeitgenossen, besonders die jüdischen Kreise, die ja doch gegen viel schlimmere Anfeindungen zu kämpfen hatten, an dieser belanglosen und zudem korrekt beigelegten Angelegenheit so sehr erhitzt hat« (1992, S. 67) - war es angesichts ihrer apologetischen Intention (vgl. Kap. V. 4.2.) noch weniger opportun, derartige brutal-judenfeindliche Äußerungen zu publizieren. 2J1
wie der Herr von Arnim, so einen lausigen Judenjungen nicht verächtlich genug behandeln kann, um denselben seine ganze Jämmerlichkeit anschaulich zu machen.« Die schroffe Arroganz der Zurückweisung mag erklären, wieso die Angelegenheit schon »viel Redens« machte, noch bevor sie sich zu einem eklatanten Skandal dramatisiert hatte. Wie sehr es gerade diese geschlossene Phalanx der adeligen Offiziere war, die durch die Prinzipienfrage des Duells eine soziale Barriere bestätigte und deshalb den jüdischen Teil der Berliner Öffentlichkeit erregte, zeigt sich z.B. in den Bemühungen Rahel Levins, den zu ihrem Bekanntenkreis gehörenden Barnekow zu einer Rücknahme seiner Äußerung zu bewegen. 402 Dem Ehrenmann allein kam das Recht zu, sich im rituell reglementierten Zweikampf zu schlagen, dem Rest gebührte allein Prügel. Im 18. Jahrhundert war der Adel bemüht, das gesamte Bürgertum als nicht satisfaktionsfähig auszugrenzen;403 zu Anfang des 19. Jahrhunderts richtet zwar Arnim seine Anfrage in der Ehrensache ausschließlich an Standesgenossen (was er im Brief an Grimm bezeichnenderweise hinter dem Ausdruck »verschiedenartigste Personen« verschweigt), doch zurückgewiesen werden sollte Itzig explizit als Jude. In diesem Fall ging es nicht mehr um die Markierung des Standesunterschieds zwischen Adel und Bürgertum; der Fall Itzig diente beiden Seiten als Präzedenzfall: Entweder bekräftigte die Duellverweigerung die gesellschaftliche Ächtung der Juden unabhängig von ihrer ökonomischen oder rechtlichen Gleichstellung - oder es käme tatsächlich zu dem unerhörten »Fall eines Duells zwischen einem landsässigen Edelmann und einem Juden«, dann würde dies beweisen, daß auch auf dem Gebiet der gesellschaftlichen Integration die antisemitischen Reaktionen Arnims und der Tischgesellschaft in hoffnungsloser Minorität wären. Die Duellverweigerung oder die Zulassung zum Zweikampf als sozialer Prüfstein war beiden Parteien vollkommen bewußt. Nicht zufällig wirft Itzig Arnim bereits in seinem ersten Brief vor, gegen seine »Glaubensgenossen« mit »unritterlichen Waffen« gekämpft zu haben - was sich höchstwahrscheinlich auf das Mißverständnis bezieht, in Arnim den Verfasser der Philisterab-
402
403
Der Hinweis, daß Barnekow und »noch mehrere jener Unterzeichner auf dieselbe Weise« widerrufen hätten, findet sich in der Darstellung Varnhagens (Zit.: Varnhagen, Werke, Bd. 4, S. 678), deren Wahrheitsgehalt allerdings zweifelhaft ist (vgl. Kap. III. 2.8.1). Zur Sozialgeschichte des Duells s. den knappen Überblick bei Guttandin (1992); vgl. Frevert (1991).
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handlung sehen zu wollen, und als immerhin gerecht in der Ungerechtigkeit betrachtet werden mag, wenn man bedenkt, daß die viel ausführlichere und brutalere Judensatire Arnims gar nicht über den Verein hinaus bekannt geworden war. Die Entwicklung zum schließlich sogar in die Zeitungsnotiz gelangenden Skandal404 war mithin nicht die überzogene Reaktion eines heißblütigen Jünglings, sondern Itzig versuchte auf die Schmach der Duellverweigerung genau auf die Weise zu antworten, die von Arnims Adelsgenossen für ihn als die ihm einzig gebührende angegeben worden war. Doch abgesehen davon, daß Itzig bei dem Uberfall als feiger Attentäter erscheint, wird ihm darüber hinaus selbst bei der Prügelei keine Gleichrangigkeit zugestanden. In der Beschreibung des Uberfalls, bei dem schließlich bloß Stock gegen Stock steht, unterscheidet Arnim fein zwischen dem Stock, mit dem der anonyme Angreifer »bewaffnet« war, und seinem eigenen, den er durch »eine glückliche Fügung« (Nr. 24) nicht beiseite gelegt hatte. Das Besondere verleiht Arnim seinem »Pilgerstab« auf einer zweiten Bedeutungsebene mit dem Hinweis, daß er ihn »schon seit Jahren« trage. Während der »fremde Jude« sich mit irgendeinem Prügelstock versieht, hat der Adelige seinen Stock wie einen Teil seiner Kleidung als äußerliches Kennzeichen stets bei sich. Bei den preußischen Offizieren war es neben dem noch im 18. Jahrhundert stets mitgeführten Degen der Rohrstock, der ja auch in den Antworten auf Arnims Anfrage erwähnt wird. Damit prügelte man in Friedenszeiten nicht satisfaktionsfähige Bürger, und in der Schlacht trieb man damit die einfachen Soldaten voran. 4 " 5 In der deutschen Tischgesellschaft war über die Angelegenheit der Duellforderung anscheinend ausführlich gesprochen worden. Arnim 404 405
Vgl. das folgende Kap. III. 2.8.1. Vgl. Guttandin (1992), S. 130, Anm. 9. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Stocktragen für Studenten (man denke an den Ziegenhainer der Jenenser Studenten) und auch für den flanierenden Bürger üblich. Die Interpretation, daß Arnim in seiner Tischrede den Offiziersstock weiterhin als Standesund Ehrenzeichen (und zugleich als Ausdruck der steten Wehrhafigkeit) aufgefaßt sehen will, wird durch eine Textstelle der >Versöhnung in der Sommerfrische< gestützt, worin im unmittelbaren Kontext des Motivs der Duellverweigerung ausdrücklich der Hinweis darauf gegeben wird, daß gerade derjenige Offizier, der Rabuni im Gegensatz zum Grafen als »liebenswürdig« erscheint, »ohne Stock« aus dem Zimmer der Geliebten tritt: Eine Formel, die zusammen mit den »verstörten Haaren« (Arnim, Werke, Bd. 3, S. 564) des Militärs für die verworrene Situation steht.
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weist darauf hin, daß er nach dem letzten Brief fast zwei Monate lang nichts mehr von Itzig gehört habe, d.h. die Korrespondenz ging auf Mai zurück. Die Bemerkung Beckedorffs in seiner Rede vom Juni, daß die Juden sich »letztlich sogar in die ritterlichen Schranken des Zweikampfes einzuschleichen« (Nr. 20) versuchten, ist daher mit ziemlicher Sicherheit auf den Fall Itzig zu beziehen. Für Arnim und seine Tischgenossen war der >ritterliche Zweikampf< neben der Vereinsgeselligkeit selbst ein weiterer Bereich, wo »dem zerstörenden Strome, dem Andränge der Juden« (Nr. 25) entgegengetreten werden sollte. Da ihre gesetzliche Einbürgerung nicht verhindert werden konnte, wurde wenigstens auf diese Art zu verstehen gegeben, daß man ihnen Wohlanständigkeit und Ehre absprach. Arnim war dieser Zusammenhang klar, und gerade dem höchst erregten Itzig gegenüber formulierte er ihn besonders pointiert: kein Christ hätte es als eine Beleidigung seines Glaubens und seines Volkes betrachtet, w e n n eine jüdische Tischgesellschaft alle Christen von sich ausgeschlossen hätte. D e r entgegengesetzte Fall in einer Gesellschaft, die ich stiftete, hat alle jüdischen Schriftsteller gegen uns in Bewegung gesetzt.
Arnims bedauernder Tonfall im letzten Brief an Itzig, in welchem er das Duell abschlägt, offenbart seinen ganzen Sarkasmus an den Stellen, wo er herausstellt, daß es sich bei seinen Ratgebern um »Männer von Ehre« gehandelt habe und eben der Streit zwischen ihm und Itzig »keine Ehrensache« werden könne. Es entspricht in diesem Zusammenhang der genau kalkulierten semantischen Balance der Tischrede, daß Arnim berichtet, nach abgewehrtem Attentat nicht nur Itzig mit dem Satz »Er hätte als ein echter Jude gehandelt« abgefertigt, sondern auch nach dem Ereignis »durchaus kein andres Gefühl« empfunden zu haben, als da er »vor ein Paar Monaten beym Eintritt in ein Zimmer von einem Hunde angefallen wurde«. Arnims Text bleibt aber nicht bei der typischen Reduktion des Feindes aufs Tier stehen, sondern verknüpft diese mit einem herablassenden Mitleid, wodurch er seine Verachtung nur noch steigert: »mir ward der Hund widerlich aber es freute mich doch, daß ihn die Eigenthümer lieb hatten, daß er doch nicht allen Leuten so widerlich sey.« Angewendet auf Moritz Itzig, sind die »Leute« seine Familie, die er »schon oft in grosse Noth gesetzt« habe; der Familie - zumindest der Tante - will Arnim nicht jede Achtung verweigern; nicht bei Frau Levy, sondern »unter dem andern Judenvolke« habe sich die absurde Idee von der Beleidigung gebildet. Der Ausdruck »unter
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dem andern Judenvolke« soll dabei als Korrektur der kurz darauf zitierten Briefbemerkung Itzigs genommen werden, daß Arnim der ganze Umfang seiner Beleidigung und seines »Unrechts« in der »zwischen nahmhaften Personen vorgefallenen Unterhandlung«, zu der es wohl im Anschluß an den Salon gekommen war, »durchaus klar bewust« geworden sein müsse. Arnim betont demgegenüber, er habe vielmehr Frau Levy besucht, »um eine Höflichkeit zu vollbringen.« Genau an dieser Stelle zeigt das Manuskript, wie dünn das Eis des Anstands gegenüber der wegen ihres kultivierten Musikgeschmacks in der Berliner Gesellschaft hochangesehenen Salonnière war. Ursprünglich stand an der gleichen Stelle die dann gestrichene Variante: »mich unter Mücken und Juden, so gut ich konnte, zu amüsiren.« Das durfte Arnim nicht so stehen lassen, denn die ganze Rechtfertigungsrede ist ja darauf gerichtet, ihn im Verhältnis zur jüdischen Salondame als höflich-korrekten, ihrem hysterischen Neffen gegenüber als geduldig-gelassenen Ehrenmann zu zeigen. Seine »Judengeschichte« gibt Arnim den Tischgenossen als Exempel dafür aus, wie verkehrt die von manchen »aus Gutmüthigkeit« vertretene Ansicht sei, »daß den Juden, insofern man ihnen nur gleiches geselliges Verhältnis gestatte, schon geholfen sey«; denn eben das »Judengeklatsch« aus dem Kreis der Salonbesucher habe den »hypochondrischen Herren Moritz Itzig ergriffen«, der durch seine krankhafte Veranlagung im Grunde nur ausführendes Organ für »die innerliche und ursprüngliche Verkehrtheit dieses Volkes« geworden sei. Die Akkulturation wird von Arnim als bloße Fassade und Verstellung diffamiert. Die gemischte Gesellschaft im künstlerischen Salon mit ihrer scheinbar gelungenen Integration der Juden wird ihm zum Ort schlimmster Heuchelei, denn es komme gerade darauf an, daß man »sich weder durch die wohlthätige, gutmüdthige, noch durch die literarische witzige Aussenseite der geselligen Judenschaft täuschen« lasse. Das Attentat wird als Beleg dafür angeführt, daß die anfänglich nur »aus bewußtloser Eingebung« vorgeschlagene »Verbannung der Juden« sich nun als notwendiger Ausschluß aus christlicher Geselligkeit herausstelle: Sind ihnen nicht manche Rechte eingeräumt z.B. Güterbesitz. Eben darum muß der Christ strenger als je gegen sie auf der Wacht seyn, ja das Wesentliche des Grundsatzes ist in keiner Zeit so in die Augen springend, als eben jezt, wo einzelne derselben unter Christen das Aeussere derselben nachzuahmen suchen, innerlich aber die Verächter unseres Glaubens, unsrer Sitten 2
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und unsrer Anhänglichkeit an ein bestimmtes Vaterland bleiben, wo viele mit den Reichthümern, die sie der Noth der Länder erwucherten auf mannigfaltige Art über Christen zu herrschen vermögen, wogegen endlich nur die laute Verachtung etwas vermag[.] Immer wieder betont Arnim die Existenz eines jüdischen Volkscharakters, dessen Hauptinhalt neben der Gier nach Bereicherung der Haß auf die Christen ausmacht. Die Juden, die »durch einen ganz verschiedenen Volkssinn oder auch Glaubenssinn unter sich verbunden« sind, blieben in allen europäischen Ländern ohne Vaterland, und die Erfahrung habe gezeigt, »daß sie in Kriegen mit überraschender Leichtigkeit zu jedem Sieger übergingen«. 40 ® Arnims unterstreicht in diesen Passagen seiner Tischrede, die das Exemplarische des Vorfalles erläutern sollen, die Gültigkeit des Fichte-Worts vom »Staat im Staate« und gibt in der Situation der Fremdherrschaft dem Unterwanderungs- und Verschwörungstheorem die zusätzliche Variante des Verrats. Die Juden, denen ein preußischer Volkssinn und die Treue zum bestimmten Vaterland niemals zukommen könne, seien potentiell stets auf der Seite des Siegers und des Stärkeren, d. h. sie müßten in der aktuellen Lage Deutschlands notwendigerweise offene oder heimliche Verbündete Frankreichs sein. Beckedorffs Empörung darüber, daß das Volk der Juden »mit wenig Muth und noch weniger Ehre« sich dennoch »sogar in die ritterlichen Schranken des Zweikampfes [...] einzudrängen« bestrebt sei, ist unter diesem Aspekt zu verknüpfen mit der Definition von »Ehre«, die Adam Müller in seinen von Januar bis März 1 8 1 0 gehaltenen Vorlesungen >Ueber K ö nig Friedrich und die Natur, Würde und Bestimmung der preussischen Monarchie< gegeben hatte: Was ist die Basis unsrer Ehrengesetze? - Der Gedanke einer ewigen Bereitschaft, sein Leben an etwas Höheres zu setzen. - An etwas Höheres? Ist dies Etwas ein unbekanntes und unbestimmtes? - Nein, das zunächst Höhere ist die National-Existenz, ihre Verteidigung der höchste Prüfstein der Ehre, den wir kennen, also der Glaube an das Vaterland eine Ehrensache.407 406
Grundlage der etwa sieben Manuskriptseiten, die sich nochmals ausführlich mit den vermeintlichen Gefahren und fatalen Konsequenzen einer gesetzlichen Einbürgerung der Juden befassen, ist ein - worauf Arnim in seiner Rede hinweist - »früherefr] Aufsatz«. Der in der >Versöhnung< unter dem Titel >Gespräch über die Einbürgerung der Juden< enthaltene Textteil geht zum größten Teil wörtlich auf diese Passagen der Tischrede zurück (vgl. Arnim, Werke, Bd. 3, S. 554-561). 4 °7 Müller (1810), S. 6. 256
Ehrenlosigkeit und Vaterlandslosigkeit, fremde National-Existenz und Satisfaktionsunfähigkeit sind in diesen Gedankengängen eins. Arnim sieht jedoch die »innere [...] Nationalität des Volkes« der Juden immerhin nicht in den natürlichen Eigenschaften einer besonderen Menschenrasse begründet, sondern in den Traditionen der jüdischen Religion. Er ist zwar jetzt ebenfalls wie die Mehrheit seiner Tischgenossen davon überzeugt, daß der Ausschluß sogar von konvertierten Juden gerechtfertigt ist, denn »nach vielen Jahren erst« könne der christliche Glaube die im Innern jedes Juden verankerte Falschheit »bezwingen«. Unterwerfung und Auslöschung des jüdischen Charakters hält er freilich für möglich - was natürlich nur eine gemilderte Form von Antisemitismus bedeutet - und glaubt diese durch die Gründung einer »Gesellschaft zur Judenbekehrung« fördern zu müssen. Damit knüpft Arnims Tischrede wieder an ihrem Anfang an und schließt ihren dem Fall Itzig gewidmeten Kreislauf; denn dieser Aufruf zur Judenbekehrung ist die Sühne-Tat, um deren Eingebung der christliche Pilger des Eingangsgedichts zum Herrn gefleht hatte. Die Rückübertragung des religiösen Liedes in die moderne Situation stellt eine Verknüpfung mit dem Bereich historischer Mythen her, die einmal mehr deren Sakralisierung deutlich werden läßt. Denn nun ist nicht mehr von Gott dem Herrn die Rede, der Arnim die Befreiung aus seiner Herzensnot verschafft hatte, sondern aus der melancholischen Stimmung (»eine Art todten Widerwillen gegen alle Ereignisse dieses Lebens«) wird er eben »am Todestage der verehrten Königin« 408 erlöst, als sich ihm ein Gedanke wie der Lichtstrahl einer Sonne, die erst jetzt am Himmel sichtbar geworden, [...] nahte, diese Ekelhaftigkeiten des Lebens, welche aller Arten durch Juden ausgebrütet worden, Hessen sich durch ihre Bekehrung wieder vernichten.
Die typisch moderne Gemütskrankheit der Melancholie des isolierten Subjekts wird geheilt durch den Sprung in die kollektive Identität der missionarischen Gesellschaft. Der Geist der himmlischen Königin Luise garantiert die Einheit zwischen patriotischer und religiöser Gesinnung, das nationale Erinnerungsdatum wird zur Bedingung für die persönli-
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Der Todestag der preußischen Königin jährte sich zum ersten Mal am 19. Juli 1 8 1 1 , der erleuchtende »Gedanke« wird von Arnim also auf drei Tage nach dem Attentat vom 16. Juli datiert.
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che Erlösung in einer Tat, die ihrerseits das Vaterland von den jüdischen Verrätern befreien sollte. Was Arnim am Ende seiner Rede als Lösung der Judenfrage vorschwebt, ist im Kern nichts anderes als die Übertragung des literarischen Ahasverus-Motivs aus der antijüdischen Legendentradition auf die historische Realität. Ahasver, der den kreuztragenden Christus an seiner Türschwelle verspottet hatte, muß solange durch die Welt wandern, bis der Heiland wieder zu seinem Haus zurückkehrt. Ahasver leistet so ewige Buße und legt bis zum jüngsten Tag Zeugnis ab für das Leiden Christi. 409 Gleich diesem zur ruhelosen Wanderschaft verdammten Juden sollen nach Arnims Plan die bekehrten Israeliten »in alle Welt ziehen und alle Heiden lehren«. Die Juden »müssen endlich ihre Bestimmung einsehen durch ihre Richtung zum Handel eine unendliche Missionsanstalt des Christenthums durch die ganze Welt zu werden.« 4 1 0 Sie wären dann zwar nicht mehr die gefährlichen »Fremdlinge«, die »die Nationalität der christlichen Völker [...] in widersprechender Religion, Gesetzen und Sinnesart, indem sie sich dem gesellschaftlichen Leben anzueignen scheinen, untergraben«. Dennoch kann nicht ihr Seßhaftwerden
das
Ziel
sein,
sondern
als
ein
neuer
internationaler
»Mönchsorden« wird ihnen von Arnim das Schicksal einer ewigen missionarischen Migration zugedacht. Damit erhält der Ausschluß-Para409
410
Diese Erzählvariante ist zumindest die seit dem Volksbuch von 1602 am weitesten verbreitete und Arnim entweder unmittelbar durch dieses (das sich in mehrern Ausgaben in Brentanos Bibliothek befand; s. Gajek, 1974, S. j ; 24; 32) oder auch durch die entsprechenden Seiten in Schudt und Eisenmenger bekannt, in denen die Ahasver-Sagen ausführlich behandelt werden, vgl. Neubaur (1912); Körte/ Sockhammer (1995). Gelesen hatte Arnim mit Sicherheit auch Schubarts lyrische Rhapsodie (1786 im zweiten Band seiner Gedichte mit der Ahasver-Gestalt als Titelkupfer; vgl. Zirus, 1928, S. 36) mit ihrer Verfluchung des ewigen Juden durch den Todesengel: »Die Ruh hast du dem Menschensohn versagt,/ Auch dir sei sie, Unmenschlicher, versagt/ Bis das er kommt.« In August Wilhelm Schlegels Romanze >Die Warnung< findet sich die Deutung Arnims vorgeprägt, nach welcher Ahasver als »ernster Mahner zur Frömmigkeit« (Zirus, 1928, S. 49) auftritt. In >Halle und Jerusalem« wird Ahasvérus durch konsequente Beseitigung seines Judentums und durch seine wiederholten Äußerungen von schärfster Judenkritik - darin Rabuni verwandt - schließlich vom Fluch der ewigen Wanderschaft erlöst (vgl. Arnim, Sämmtliche Werke, Bd. 16). Härtl (1987, S. 1164) interpretiert das Motiv der »unendlichefn] Missionsanstalt« als »sukzessiv zu realisierende Utopie im Sinne der frühromantischen Utopieauffassung [...], sich dem ins Unendliche gesetzten Ideal anzunähern«. Hervorhebung im Original unterstrichen. 258
graph der Statuten der deutschen Tischgesellschaft eine erstaunliche Ausdeutung, die ihn mit Arnims gegenüber den zum Christentum übergetretenen Juden scheinbar offeneren Haltung auf überraschende Weise vermittelt: Die Juden sollen erst zum Christentum konvertieren und müssen Deutschland (wie alle christlichen Länder) danach dennoch verlassen (um ihr büßendes Missionswerk zu beginnen)! Was nach endlich vollendetem Bekehrungswerk mit den Juden geschehen soll, ob man sich gar eine Rückkehr des Ahasvérus in seine deutsche Heimat vorstellen darf, läßt Arnim freilich offen. Mit dem Itzig-Skandal und seinen für Arnim peinlichen, für die Zuhörer seiner ermüdenden Rede eher langweiligen Konsequenzen war der Höhepunkt des Scherzes über die Juden wohl bereits überschritten. Fichte ließ, als er im Sommer 1 8 1 1 das Sprecheramt übernahm, keinen Zweifel daran, daß es mit diesen Späßen über Philister und Juden, bei denen man ohnehin nur »schlimmen Ruhm« (Nr. 28) ernten könne, ein Ende haben müsse (vgl. dazu Kap. III. 2.1.). Seiner Meinung nach hatte sich also gerade das ständige aggressive Witzeln und satirische Treiben gegen jene, denen die in den Vereinsstatuten geforderten Eigenschaften Wohlanständigkeit und Ehre mangeln sollten, als auf die Dauer für die »ehrbare Gesellschaft« untragbar erwiesen. Fichte scheint sich mit seiner Ansicht bei den Tischgenossen durchgesetzt zu haben, jedenfalls erinnert Arnim einige Jahre später daran (vgl. Nr. 37), daß man nach diesen stark vom Juden- oder Philisterthema ausgefüllten Anfangsmonaten das Bedürfnis empfunden habe, sich nach neuen Aktivitätsbereichen für den Verein umzusehen. Ab der zweiten Jahreshälfte 1 8 1 1 sind keine weiteren Tischreden über die Juden überliefert. Das Bild, das sich die Zeitgenossen von der deutschen Tischgesellschaft gemacht hatten, war allerdings in erster Linie auf jenen Auschluß der Juden und den satirischen Krieg gegen diese beschränkt. Arnim hatte bei seinem ersten Bericht über die Gründung seiner »Freßgesellschaft« 411 den Brüdern Grimm gegenüber noch ausschließlich das Gesetz über die Verbannung der Philister mitgeteilt. Im März 1 8 1 1 hielt Friedrich August Staegemann in einem Schreiben an Johann Georg Scheffner für besonders hervorhebenswert, daß die Gesellschaft sogar die zum Christentum konvertierten Juden ausschloß: Steig (1904), S. 95.
259
Mit der nächsten Gelegenheit werde ich Ihnen einige Arbeiten unserer deutschen christlichen Tischgesellschaft zusenden, namentlich eine A b handlung über die Philister. Diese Gesellschaft ist vor einigen Monaten von Arnim gestiftet und schliesst alle Juden (selbst die getauften) und Philister aus, ist aber von den letzteren doch nicht ganz rein. 4 ' 2
2.8.1. Wirkungen und Nachwirkungen des Itzig-Skandals Arnim sollte mit seiner Vorhersage, daß seine »Judengeschichte« bald in die »öffentlichen Blätter« kommen werde, recht behalten. Allerdings geschah dies erst anderthalb Monate nach der »Katastrophe«, 413 und die Bewertung des skandalösen Vorfalls ging keineswegs zu seinen Gunsten aus. Erst am 3 1 . August 1 8 1 1 druckte Cottas >Morgenblatt< folgenden Korrespondenzbericht aus der preußischen Hauptstadt: Bey dem neugierigen und neuigkeitssüchtigen Theile von Berlin macht jetzt ein Vorfall zwischen zwey jungen Männern, einem Adelichen und einem Mitgliede der jüdischen Kolonie, einiges Aufsehen. Der erstere hatte die Tante des letzteren beleidigt, und da diese ohne weitern Schutz war, warf sich der Neffe auf, foderte von dem Adelichen, daß er sich entschuldigen oder ihm Genugthuung geben möchte, was jener, mit einigem Rechte für eine Herausforderung nahm; weßwegen er seinem Gegner in dem weitern Briefwechsel Bescheinigungen beybrachte von andern Adelichen darüber, daß er sich mit ihm nicht schlagen könne noch dürfe. Diese Bescheinigungen waren zum Theil nicht im anständigen, ja oft im empörenden Ton gefaßt, und der junge wahrhaft beleidigte Israelit nahm seine Rache so, daß die Sache zur Entscheidung des Kammergerichts gebracht werden mußte, dessen Urtheil nun erwartet wird. 4 1 4 Datiert ist der Artikel auf den 1. August, entweder war die Verspätung der Nachricht Folge der langsamen Post, oder Cotta hatte es nicht eilig, die Skandalhistorie zu publizieren. Im hochsommerlichen Berlin, dessen reichere Bewohner längst in die Badeorte geflüchtet waren (auch Arnim war mit seiner Frau Bettina Richtung Süden gereist und befand sich Ende August in Weimar), mochte die Erinnerung an das Vorgefallene freilich noch frisch genug sein. Der Korrespondent des >Morgenblattes< steht eindeutig auf der Seite des »Mitgliedefs] der jüdischen Kolonie«, das auf die Beleidigung seiner schutzlosen Tante reagieren mußte. Worin 412
413 414
Staegemann an Scheffner, Berlin, den 19. März 1 8 1 1 ; Rühl, 1904, Bd. 4, S. 1 6 1 . Arnim an Brentano, 17. o. 18. Juli 1 8 1 1 , Schultz (1998), Bd. 2, S. 604. Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 209 v. 31. August 1 8 1 1 , S. 836.
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die Beleidigung eigentlich bestanden hatte, wird nicht mehr erwähnt. Die soziale Deklassierung, die Itzig durch die Negation der Satisfaktionsfähigkeit zugedacht war, wird gegen die »Adelichen« selbst gekehrt, die sich durch ihren »nicht [...] anständigen, ja oft [...] empörenden Ton« außerhalb des gesellschaftlich Korrekten stellten. Sie werden als die wahren Verantwortlichen für den Skandal angeklagt, denn es wird deutlich zu verstehen gegeben, daß der nach ihren abweisenden »Bescheinigungen« nun »wahrhaft beleidigte Israelit« keine andere Wahl mehr gehabt habe, als auf die geschehene Weise »seine Rache« zu nehmen. Das Fehlen jeglicher Kontextinformationen mag darin begründet sein, daß für die Eingeweihten ohnehin die Andeutungen genügten, um den Vorfall wieder aufleben zu lassen. Daß weder von der Tischgesellschaft noch von Arnims judenfeindlichen Äußerungen überhaupt die Rede ist, gibt dem Skandalbericht allerdings eine andere Tendenz: Was zählt, ist das positive Beispiel im Verhalten des »Mitgliedes der jüdischen Kolonie«, die damit bewiesen hat, daß ihr Anspruch auf Ehre und Würde sich nicht mehr bestreiten läßt. Auf diesen Artikel folgten keine weiteren, Arnim publizierte auch keine Entgegnung. Es finden sich allerdings einige Indizien dafür, daß die Affäre auch in den folgenden Monaten weiterhin für Gesprächsstoff sorgte. Rahel Levin ζ. Β. sprach ihre Bekannten noch im Herbst auf den Vorfall an, 4 ' 5 und Beckedorff schrieb im Oktober 1 8 1 1 aus Ballenstedt, daß er »dem Morgenblatte zum Trotz, hier viel von unserm christlichen Vereine gesprochen« habe, und gab Arnim einen Rat, der nur zu deutlich zeigt, daß dieser auf die Solidarität seines ehemaligen Tischgenossen bauen konnte: »Halten Sie sich nur brav und streitbar, vor allen Dingen aber lassen Sie sich ja nicht in gedruckte Wortwechsel mit dem Judenvolke ein. Das Zeug muß anfort das Maul halten, wenn man nicht auf seinen lächerlichen Groll Achtung giebt.« 4 ' 6 Unter der Leitung Fichtes hatte die Tischgesellschaft inzwischen begonnen, sich von ihrer Fixierung auf das Judenthema zu verabschieden, 4 ' 7 und als Arnim im Februar 1812 wieder in die Berliner Gesell415
S. Brief an Varnhagen, 23. September 1 8 1 1 : »Er [Marwitz] giebt Achim von Arnim in dessen Geschichte mit Moritz Itzig Unrecht.« (R.Varnhagen, Werke, Bd. 4, S. 151). 4,6 Beckedorff an Arnim, 9. Oktober 1 8 1 1 ; Weiss (1986), S. 228f. 4 '7 Vgl. Kap. III. 2.1.
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schaft zurückkehrte, wird von den Vorfällen wohl kaum mehr die Rede gewesen sein; der bevorstehende Rußlandkrieg und das am 5. März mit Frankreich geschlossene Bündnis machten zudem wieder die Politik zum zentralen Thema der Konversation. 4 * 8 Der Korrespondentenbericht hatte den Skandal ganz auf die Frage der Ehre zugespitzt 4 ' 9 und dabei dem »Israelit[en]« im Gegensatz zu 418
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Arnims erster Brief an Brentano seit seiner Rückkehr nach Berlin beginnt mit folgenden Sätzen: »Heute den 5ten März hat sich endlich durch öffentliche Bekanntmachung die Allianz mit Frankreich kund gemacht; es gab ein Paar Stunden, wo sich der König an der Spitze seines Heers stellen wollte, um ihnen entgegenzugehen, da kamen gnädige Botschaften von Napoleon. Viele Offiziere haben den Abschied genommen! So weit Politick.« (5. März 1812; Schultz, 1998, Bd. 2, S. 633). Vollkommen auf die Frage der Satifaktionsfähigkeit reduziert wird der Vorfall im Trauerspiel >Die Macht der Verhältnisses das von Ludwig Robert, einem Bruder Rahel Varnhagens, im Sommer 1 8 1 1 verfaßt, allerdings erst im N o vember 1815 uraufgeführt wurde. In dramatischer Zuspitzung sieht ein bürgerlicher Dichter, dem das Duell verweigert wurde, vor dem Hintergrund eines übersteigerten Ehrbegriffs keinen anderen Ausweg, seine Ehre zu retten, als seinem Gegner aufzulauern und ihn zu ermorden. Der tragische Höhepunkt der Handlung wird erreicht, als der Held erfährt, daß der von ihm Ermordete sein Halbbruder war; seine Verzweiflung gipfelt in dem Ausruf: »So bin ich ein Märtyrer der Ehre, der Ehre, die eine Klasse von Menschen der anderen nehmen will.« (Robert, 1819, S. 116; vgl. Sambursky, 1976,8. 12; Lea, 1978, S. 20-22). Robert hat in einem Brief an Rahel geleugnet, sein Stück aufgrund der Berliner Ereignisse geschrieben zu haben: »Auch hat man hier in der Gesellschaft und in der Stadt gesagt, ich hätte die Arnimsche Geschichte als Stoff zu diesem Stücke benutzt, aber die Gräfin Goltz hat mich verteidigt und gesagt, dass ich ihr schon früher den Plan mitgeteilt hätte, ehe sich diese Geschichte begeben hatte. - Als sie mir dies sagte, erwiderte ich: Aus einer so schmutzigen Geschichte liesse sich keine Tragödie machen; ich hätte das Stück im Sommer 1 8 1 1 gerade beendigt gehabt, als ich in Breslau den Vorfall ganz oberflächlich erzählen hörte [...]« (Ludwig Robert an Rahel Varnhagen, Berlin, 27. Januar 1816; Sambursky, 1976, S. 25). Ob Robert eine weitere Bearbeitung des Stoffes versucht hat, ist nicht bekannt. Wie aus dem bereits zitierten Brief an Rahel hervorgeht, war dies zumindest seine Absicht, nachdem man ihm Einsicht in die Prozeßakten verschafft hatte (u. U. durch seinen Verwandten Julius Eduard Hitzig, dem ehemaligen Verleger und Freund Fouqués, der seit 1815 Rat am Kammergericht war): »Jetzt aber, mein Kind (es ist ein Geheimnis, denn es darf nicht sein) habe ich die Akten jener allerniederträchtigsten Arnimschen Geschichte - Denke Dir den Teufel als Schinderknecht, so hast Du ein schwaches Abbild von der Figur, die Arnim in diesem Prozesse macht. [...] Aber ich exzerpiere jetzt die Akten, und will diese Geschichte in der Wahrheit mit allen ihren Dokumenten aufschreiben, denn sie soll gedruckt werden, mit allen Namen und Titeln. Das ist meines Amtes, und da lasse ich den Fürwitz nicht !!« (Sambursky, 1976, S. 26, Hervorhebungen im Original unterstrichen).
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dem bzw. den »Adelichen« den Part des wahrhaft Ritterlichen zugesprochen: Er verteidigt seine schutzlose Tante, indem er für sie Genugtuung verlangt und den Beleidiger zum Duell herausfordert. Daß am Ende eine Tat erfolgte, die unter die Kompetenz der Gerichte fiel, erscheint aus dieser Perspektive als ein keinesfalls dem tapferen Neffen anzulastender Unfall. Zwei Jahre später wurde eine derartige Sicht der Dinge noch dadurch unterstützt und verschärft, daß Moritz Itzig als Freiwilliger in der Schlacht bei Lützen verwundet wurde und am 13. Mai 1813 seinen Verletzungen erlag. Auf den Helden der Befreiungskriege verfaßte Friedrich August Staegemann ein Gedicht, das polemisch an den vergangenen Ehrenhandel erinnerte: Der Jude fordert den Edelmann. Der Edelmann fragt Seinesgleichen: ob er dem Juden möcht' ausweichen? Die edle Jury also begann: »Dem Juden giebt der Edelmann mit Kugeln nicht Bescheid, allein mit Peitschenhieben. So stehts von Bersaba bis Van, von Potsdam bis Berlin geschrieben.« Trotz diesem Spruch der edeln Sieben sind alle Beide doch geblieben. »Wie geht das zu?« Das höret an. Die Kriegstrompete scholl nach hüben und nach drüben. Z u Hause blieb der Edelmann; Der Jud' ist in der Schlacht geblieben. 420
Von der Prügelei ist nicht mehr die Rede, und auch der Anlaß ist nunmehr vollkommen ausgeblendet; nicht, ob Arnim Frau Levi wirklich beleidigt hatte oder nicht, ist die Frage, sondern nur, wer sich ehrenhaft und mutig und wer hingegen sich feige und schmachvoll verhalten habe. Arnim wird von Staegemann als Feigling in zweifacher Hinsicht satirisch attackiert: Ihm wird unterstellt, daß er nur deshalb seine Standesgenossen um Rat gefragt habe, um einen Vorwand zu finden, dem ritterlichen Zweikampf mit Itzig »ausweichen« zu können; als eine Art nachträglicher Bestätigung dieser einstigen Feigheit wird darüber hinaus angeführt, daß Arnim lediglich beim Berliner Landsturm war und der nicht zum Kampf gegen die Franzosen eingesetzt wurde, 421 während
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Lessing (1915), S. 291. Vgl. Staegemann an Scheffner, Berlin, 26. Oktober 1 8 1 3 (Rühl, 1904, S. 260):
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Itzig auf dem Schlachtfeld gefallen ist. Die »Kriegstrompete« des Vaterlandes habe also nur der »Jude« gehört, der »Edelmann« sei dagegen feige » Z u Hause« geblieben. 422 Staegemann schenkte seine Verse David Friedländer, der ein Schwager von Itzig und als Stadtrat einer der einflußreichsten Vertreter der Berliner Judenschaft war, und unterstrich damit seine Achtung für M o ritz Itzig sowie seine klare Parteinahme gegen Arnim. 4 2 3 Unter den mit der Familie Itzig verbundenen Zeitgenossen wurde diese extrem Arnimfeindliche Darstellung des Skandals noch lange erinnert. 424
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»Es wundert mich sehr, dass dieser sonst so ritterliche Mensch nicht mit in den Krieg gezogen.« Eine Vorstellung davon, wie wichtig als eine Art Einlösung und Bekräftigung der Gleichstellung in staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten der jüdischen Bevölkerung die Erinnerung an die fürs preußische Vaterland gefallenen jüdischen Soldaten war, vermag ein »Schreiben aus Berlin (vom 3. Julius.« in >Sulamith< (4. Jg., 2. Bd., Dessau, o.J. [= 1815]) zu geben: »Aus der Preuß. Gesammtliste aller in der Schlacht bei la belle Alliance gefallenen Krieger geht hervor, daß allein von der jüdischen Confession 5 5 Landwehroffiziere ihr Leben für König und Vaterland geopfert haben.« 1816 plante die Berliner Universität, ein Denkmal für ihre in den Befreiungskriegen gefallenen Mitglieder zu errichten. Wie aus einem meines Wissens bisher unbekannten Schreiben Schleiermachers, der damals Rektor war, an den Vater Moritz Itzigs, dem zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Königlichen Hofbaurat Itzig vom 10. August 1816 (Nachlaß Cauer) hervorgeht, sollte auch des gefallenen Philosophiestudenten Moritz Itzig in Ehren gedacht werden: »Die hiesige Universität beabsichtigt, ihren ehemaligen akademischen Mitbürgern, welche dem Aufrufe, für die Befreiung des Vaterlandes zu fechten gefolgt, und in einem der Feldzüge, es sei in offener Schlacht, oder an den Folgen erlittener Wunden und Strapatzen ein Opfer des Todes geworden sind, ein Denkmal errichten zu lassen. Da es nun nun erlautet, daß auch der ehemalige Studiosus philosophiae Moritz Itzig zu denen auf diese Weise Verstorbenen gehört, so ersuchen wir Euer Wohlgebohren hierdurch ergebenst, uns hierüber bald gefälligst eine nähere Auskunft mit Angabe des Tages und des Jahres der Geburt so wie des Todes und der Art desselben zukommen zu lassen.« Uber Staegemanns »für damals freimüthige Auffassung vom Judenthum« s. von Petersdorff (1893), S. 85. Die Biographie des Tischgesellschaftsmitgliedes Paul Erman, die 1927 von Wilhelm Erman auf der Grundlage der nachgelassenen Aufzeichungen und Dokumente Paul Ermans erstellt wurde, ist mit ihrer Erwähnung des Ereignisses ein Beispiel dafür, daß es in den meisten Aufzeichnungen vor allem darum geht, die positive Rolle Itzigs herauszustellen. Paul Erman war mit einer Cousine Moritz Itzigs verheiratet. Moritz Itzig sei, faßt der späte Nachfahre knapp zusammen, »in Berlin allbekannt« gewesen »durch den scharfen, für ihn sehr ehrenvoll verlaufenen Konflikt«, den er mit Arnim gehabt habe (Erman, 1927, S. 1 j 1). 264
Von Staegemanns Urteil ist auch die ausführliche Erzählung bestimmt, die Karl August Varnhagen von Ense über die »greuelhafte G e schichte« verfaßt hat. Varnhagen schrieb seinen Text erst 1836, also ein Viertel)ahrhundert nach den Ereignissen und hat ihn zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht. 42 ' Wieviel er vom Hörensagen, von Berichten selbst Beteiligter erfahren hatte, wieviel an seiner Geschichte die Frucht reiner Phantasie ist, läßt sich nicht entscheiden. Sein Text zeichnet sich jedenfalls durch eine Fülle nur darin erwähnter Details aus, die ihm den Charakter einer realistischen Erzählung verleihen und die Varnhagen nicht aus eigener Anschauung kennen konnte, da er sich zur entspre-
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>Ludwig Achim von Arnim und Moritz Itzigs Hss. H 1 und H 2 VS 8, BJ, Krakow. Im folgenden ohne einzelne Stellenbelege nach der Handschrift (H 1 ) zitiert. Während die erste Niederschrift Varnhagens (H*) verloren zu sein scheint, werden in Krakow zwei reinschriftliche Abschriften (H 1 u. H 2 ) des Textes aufbewahrt. Die Abschrift H 1 des Originals, die als die frühere anzusehen ist, stammt nicht von Varnhagens Hand. Sie trägt auf der letzten Seite die durch Schlängellinie vom Erzähltext abgesetzte Nachschrift »Anfangs April 1836 im Bette geschrieben. Soll aber erst nach meinem Tode veröffentlicht werden. Varnhagen von Ense.«, danach folgt, wiederum von einem Querstrich abgetrennt, der unterstrichene Nachsatz: »Aus Holland erhalten.« Varnhagen hatte also den Text im April 1836 noch in Berlin geschrieben, dann auf seine Reise nach Holland im Juli (s. Werke, Bd. 5, S. 246) mitgenommen und von dort aus nach Berlin geschickt. Da er sich in der Varnhagen-Sammlung und weder im Cauerschen Archiv, Kirn, noch im Hitzig-Nachlaß, Berlin, erhalten hat, ist er vermutlich nicht an ein Mitglied der Familie Itzig, sondern an Freunde oder Verwandte Varnhagens geschickt worden. In Berlin wurde der Text von fremder Hand abgeschrieben. Die zweite, von Varnhagens eigener Hand stammende Abschrift H 2 enthält einige Abschreibfehler (auf der letzten Seite wird z.B. »Vorurtheil« zu »Vortheil«; Zitat s.u.); es fehlt zudem der Zusatz, in welchem die postume Publikation vorfügt wird, und der Hinweis auf die Herkunft des Textes aus Holland. Der Erstdruck erfolgte erst 1875 in den »Ausgewählten Schriften« (Bd. 18, S. 1 1 2 - 1 7 ) , gibt H 2 wieder und bringt dementsprechend nur noch den Datierungs-Zusatz. Die neue Werkausgabe (Werke, Bd. 4, S. 674-680, Komm.: S. 1088-1093) folgt dem Erstdruck. Steig (1901, S. 632), der die Handschrift selbst und nicht nur den Druck in den Ausgewählten Schriften« eingesehen hat, sieht den Grund für die postume Veröffentlichung in der parteilich-verfälschenden Darstellungstendenz Varnhagens, der »nicht wagte, sie selbst zu veröffentlichen, aber Vorsorge zum Druck nach seinem Tode traf«. Steigs Rekonstruktion des Vorfalls ist ausschließlich von dem Interesse bestimmt, »Varnhagen's Verfahren aufzudekken« (Steig, 1901, S. 633). Staegemanns Verse waren ihm entweder nicht bekannt oder wurden von ihm verschwiegen, da sie nicht zu dem Bild der Verschwörung gegen Kleist und Arnim paßten, die nur von außerhalb des Kreises der Tischgenossen ausgegangen sein durfte. 265
chenden Zeit nicht in Berlin aufgehalten hatte, wohin er erst Ende August 1812 zurückgekehrt war. 426 An einigen, allerdings für die Beurteilung des Skandals entscheidenden Stellen dienen die Einzelheiten der Stützung von Behauptungen, die von anderen Dokumenten nicht bestätigt und von Arnim selbst bestritten werden. Varnhagen gibt keinen Hinweis mehr auf den Zusammenhang des Vorgefallenen mit der Tischgesellschaft und der Philisterabhandlung, sondern bezieht sich nur noch auf den »Judenhaß«, den sich Arnim »gern angeeignet«427 und »nach seiner Weise mit wunderlichen Spaßen und in oft plumpem Mutwillen« ausgesprochen habe. Frau Levy und deren Gäste habe er als nicht Eingeladener schon allein durch seine unpassende Kleidung provoziert, durch die sogenannten »Pumphosen«, die gerade in Mode gekommen waren, aber bei einer Abendgesellschaft noch als »Ungezogenheit« galten: Die Wirtin, die ihn gar nicht erwartete, betroffen und verlegen, nimmt sich bestens zusammen, Arnim aber tut ganz bequem, läßt kein Wort der Entschuldigung, oder auch nur der Artigkeit hören, im Gegenteil, er macht mißfällige Späße, verletzt durch seine Laune die Anwesenden, und verursacht eine peinliche Störung für den ganzen Abend.
Nach Arnims Weggang habe sich der allgemeine »Unwillen« der Anwesenden gegen ihn ausgesprochen, besonders die besagten »ärgerlichen Pumphosen« seinen vermerkt worden, »Mad. Levy schien in ihrem eignen Hause beschimpft und verhöhnt worden zu sein. Gegen solche Ungebühr hielt ihr Neffe Moritz Itzig es für Pflicht sie zu vertreten.« Entsprechend dem Muster des >Morgenblattgermanischen< Chauvenismus umschlug«. Ihm sei es darum gegangen, »die progressiven Entwicklungen, die von der Französischen Revolution ausgegangen waren [...], nach dem Ende der napoleonischen Ära neu zu beleben und für Deutschland wirksam zu machen.« Varnhagen suggeriert, daß Arnim seinen Judenhaß erst von Bettine übernommen habe, die »als Frankfurterin im Judenhaß aufgewachsen« sei und auch »in Berlin mit keinem Juden umgehen wollte«. Zur Unrichtigkeit dieser Behauptung vgl. Hirsch (1987b).
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Skandal zu verhindern, jedoch »anstatt durch eine Entschuldigung alles beizulegen«, »das Ansinnen mit höhnischer Verspottung« abgewiesen. Der »gerechte[n] Empörung« steht das »stolze [...] Lächeln« desjenigen gegenüber, der sich auf die »Gemeinheit des Vorurteils« und den »Dünkel des bevorrechtigten Standes« beruft. Varnhagen beschränkt sich freilich nicht darauf, Itzigs Form der Rache als vollkommen berechtigt, ja angesichts des überheblichen Gegners unvermeidlich darzustellen, sondern er gibt darüber hinaus eine szenische Schilderung, die den Uberfall als mutige Tat und Arnims Verhalten als durch und durch feige erscheinen läßt: »Der riesengroße, starke Arnim schrie um Hülfe, und erst nachdem die Herbeigeeilten sich des Angreifers bemächtigt hatten, entwand er sich der Züchtigung.« Die Anzeige beim Kammergericht wird als zusätzliche Feigheit des »angeblichen Edelmann[s]« ausgelegt; die Tatsache, daß Arnim »die empfangenen Prügel« nicht selbst rächte, habe den »Übermut« der »hoffärtigen Adelsgesellen« sehr gedrückt, »von allen Seiten« habe man »die stärkste Mißbilligung« geäußert, Arnim sei nun als ein »Feigling« betrachtet worden, der sich »mit seiner Schande auf sein Landgut« zurückgezogen, während sich Itzig »überall in Berlin ganz unbefangen und keck« gezeigt habe. Sein Eifer gegen den Judenhaß Arnims und für die Sache des Moritz Itzig führte Varnhagen zur bewußten Fälschung der Fakten: Weder hatten sich die Standesgenossen beschämt von Arnim zurückgezogen, noch war dieser auf sein Landgut geflüchtet (sondern hatte bloß eine ausgedehnte, verspätete Hochzeitsreise nach Weimar und Frankfurt unternommen). Varnhagens Darstellung ist durchweg tendenziös, oftmals eindeutig falsch. In einigen Fällen fällt es schwer, zwischem Glaubhaftem oder Unglaubhaftem zu unterscheiden. Der Hinweis z. B., daß Barnekow sein Gutachten gegenüber Rahel bedauert und widerrufen habe, findet sich nur hier, wenn es auch gut vorstellbar erscheint, daß der junge Aristokrat bei ruhiger Überlegung vor den eigenen brutalen Worten erschrecken konnte. Varnhagen bezieht sich auf Staegemanns Gedicht von 1813, konzentriert es jedoch auf das »beißende Epigramm«: »Itzig und Arnim seien beide geblieben, jener bei Lützen, dieser hinter dem Ofen.« Es geht um eine solche Zuspitzung auf die Pointe, der Skandal dient zur Toleranz predigenden Beispielerzählung, zu einem Schwarz-Weiß-Bild vom dünkelhaftem Adel, der sich durch unnütze Feigheit und Judenhaß auszeichnet, einerseits, und von der würdig-bestimmten Haltung des Juden, der sich als wahrer Patriot 267
gezeigt hat, andererseits. Varnhagen interpretierte die Affäre ähnlich wie Arnim in seiner Tischrede, freilich mit umgekehrtem Vorzeichen, als »Geschichte, wie auch der Einzelne sie als ein Weltgeschick erfahren muß«. Das skandalöse Scheitern des engstirnigen »angeblichen Edelmannes« sollte ex negativo den gesellschaftlichen Fortschritt und die gelungene Emanzipation bestätigen. Denn die »Bitterkeit des Judenhasses« sei fortan - so möchte Varnhagens Erzählung suggerieren - Arnims privates Problem gewesen, das nur noch »ihn selbst peinigte« und er »in hundert Fällen zu verleugnen gezwungen war«. Eine besondere Rache nahm Varnhagen dadurch, daß er am Schluß seines Textes in denselben gönnerhaft-überheblichen Ton verfiel, der einst die Schreiben Arnims an Moritz Itzig ausgezeichnet hatte: »Arnim war in seinem Innern gewiß nicht unedel; aber die Versäumnis wacher Prüfung, das faule Hinnehmen überlieferten Vorurtheils,428 und der Dünkel seiner Genialität, die er doch sehr überschätzte, wenn er sie auch nicht durchaus entbehrte, dies alles blendete und verwirrte ihn. [...] Ich habe ihn oft bedauert, und ihm öfters aufzuhelfen versucht.« Die Befürchtungen, daß mit der Zeit der Bonus Itzigs als Held der Befreiungskriege in Vergessenheit geraten und damit das Urteil eher zugunsten des »begabten Dichterfs]« und »liebenswürdigen Menschen, wie Arnim es war«, ausfallen könnte, brachten einen Schwager Moritz Itzigs, den Färbermeister Carl Nobiling, dazu, im Jahr 1861 unter dem Titel >Moritz Itzig contra Achim von Arnim< ein ausführliches »Seitenstück zu Varnhagen's Erzählung zum Theil vermehrt und berichtigt« niederzuschreiben.429 Nobiling ging es vor allem darum nachzuweisen, daß Moritz Itzig als Mitglied einer »schon seit zwei Generationen« in Preußen naturalisierten jüdischen Familie »dem Baron in Erziehung und Bildung, in seiner äußeren Lebensstellung vollständig ebenbürtig war, wenigstens in den Augen der Vernünftigen«. Er hatte seinen Text, den er nicht mehr vollenden konnte, »für den engeren Familienkreis« bestimmt, worauf die Rezeption bis heute beschränkt blieb. 430 Der erste 428 429
430
Varnhagen, Werke, Bd. 4, S. 679: »Vorteils«. Zweiter Untertitel: >Eine Skizze für den engeren Familienkreise Die Handschrift ist fragmentarisch überliefert im von Emil Cauer verwalteten Nachlaß Itzig-Cauer, der im Stadtarchiv Kirn aufbewahrt wird. Titelzitat und die folgenden Anführungen ohne einzelne Belegangaben nach der Hs. (mit freundlicher Genehmigung des Nachlaßverwalters Emil Cauer). Verf. dankt H. F. Weiss für den Hinweis. Staegemanns Spottgedicht wurde hingegen 1843 in der Zeitschrift >Orient< 268
Untertitel ist ein Beleg dafür, daß hingegen Varnhagens Erzählung schon vor ihrem Erstdruck zumindest bei der Familie Itzig bekannt geworden war und wohl als Abschrift zirkulierte. Für Nobiling war Varnhagens Version Quellentext vor allem für die Prügelszenen, ergänzen konnte er ihn durch den Originalbriefwechsel, der im Besitz der Familie Itzig geblieben war. 431 Doch er fügte der Erzählung noch weitere Details hinzu. So weiß Nobiling etwa von dem betreffenden Abend bei Sarah Levy zu berichten, »die Gesellschaft« sei damals »so zahlreich« gewesen, daß das unangemessene Betragen Achim von Arnim's von Moritz Itzig gar nicht bemerkt war, und von ihm der Ingrimm der Damen über die Pluderhosen sogar etwas spöttisch behandelt wurde. Die Spitzen der heute grade sehr vornehmen, und [...] specifisch christlichen Gesellschaft waren anderer Meinung, Arnim wurde zu einer Rechtfertigung aufgefordert, und erst, als die desfallsigen Verhandlungen ohne Erfolg blieben, ward Moritz Itzig als nächster Vertreter des fehlenden Hausherrn von der Sache unterrichtet. Damit wird Itzigs Rolle als Verteidiger seiner Tante eine zusätzliche, stärkere Legitimation verliehen. Wie Arnim in seiner Tischrede (Nr. 25) zitiert auch Nobeling den Briefwechsel und weist darüber hinaus
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Varnhagen korrigierend - darauf hin, daß Arnim auf Drängen Bettinas »ein Entschuldigungsschreiben an Mad. Levy« geschrieben habe, 432
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der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein Leserbrief an die »Frankfurter ZeitungFür Euch meine KinderVossischen Zeitung< vom 9. März 1 8 1 1 2 über die Gründung des »Deutschen Bundes«, einer »geheimefn] Gesellschaft«, welche sich die »Beförderung des Wohlseyns und der Ehre unserer Nation, durch die Erweckung des Gemeingeistes, Wiederherstellung ihres alten Ruhms« zum Ziel gesetzt habe, eine scharfe Reaktion von selten der staatlichen Behörden. Sogar die vorsichtige Praxis, derartige Meldungen grundsätzlich aus auswärtigen Organen zu zitieren (in diesem Fall aus der Gothaer >NationalzeitungVossische Zeitung< auf der ersten Seite einen offiziellen Verweis abdrucken, worin vermerkt wird, daß man »mit großem Befremden« den Bericht über die »neue [...] Verbindung gelesen« habe, »welche ihrem Zwecke und Ursprünge nach bisher eben so unbesonnen war, als sie den beifälligen Zusatz des Redakteurs wenig verdienen dürfte«; denn die patriotischen Intentionen der Vereinigung seien ohnehin jedem » gutgesinnte [n] Bürger« 3 Preußens selbstverständlich und bedürften keiner Geheimgesellschaft. Der Redakteur hatte allerdings seiner Notiz in Klammern einen äußerst begeisterten Kommentar hinzugefügt, der immerhin ein Beleg dafür ist, wie sehr auch im Umfeld eines derartigen - von der Regierung in ihrem Verweis selbst ausdrücklich so bezeichneten - »halb-offizielle[n] Blatt[es]« der Boden für eine gesamtdeutsche antinapoleonische Insurrektion bereitet war: »(Wie oft hat der Redakteur der Vossischen Zeitung diesen Wunsch theils insgeheim gehegt, theils laut werden lassen! Wie oft sind seine Vorschläge belächelt, wie oft sind sie belacht worden! Wie gern würde er, mit ganzer Seele, in diesen einzig seligmachenden Bund treten!)« Der Redakteur wurde für diese Worte zur Strafe »auf eine Zeitlang suspendiert und der Expedition eine nachdrückliche Rüge ertheilt«,4 eine Maßnahme, die über die Grenzen Preußens hinaus Aufsehen erregte.5 Eine noch härtere Strafe traf aber den Zensor, »welcher solche 2
Königlich-Privilegierte Berlinische Zeitung, 29. Stück v. 9. März 1 8 1 1 ; vgl. Geiger (1895), Bd. 2, S. 3iof. (dort S. 3 1 0 irrtümlich als >Haude-SpenerscheMiszellenMorgenblatt< nahm, der Haltung seines Verlegers entsprechend, der trotz seiner patriotischen Überzeugungen seine Bewunderung für die Persönlichkeit Napoleons niemals ganz ablegte,20 eine eher neutrale Position ein, die sich gelegentliche patriotische Ausrutscher leistete. Unversöhnlich war hingegen in den ersten Jahren die Einstellung gegenüber den jüngeren R o mantikern, gegen die Cottas Redakteure Grüneisen, Haug und Reinbeck »einen heftigen Kampf« 2 1 führten. Artikel erst am 21. Mai veröffentlicht wurde, war Zeit genug für eine Ubersetzung aus den >MiszellenAllgemeinen Zeitung< vor allem deshalb, weil 1805 ein Verbot für den Import in die französischen rheinbündischen Provinzen erst nach langwierigen Verhandlungen und nur unter der Annahme der Bedingung, ausschließlich Artikel im Sinne der französischen Politik zu drucken, abgeschafft werden konnte. Der leitende Redakteur der allgemeinen ZeitungGermanomanie< auf der Wartburg verbrannt wurde, sah er seine schlimmsten Befürchtungen be-
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handlung von Friedrich Rühs >Ueber die Ansprüche der Juden auf das deutsche Bürgerrecht befaßt, stellt einen ähnlichen Zusammenhang zwischen Fichte, Tugendbund, Tischgesellschaft und antipartikularistischem Nationalismus her: »Außerdem daß des Herrn Rühs vorhin erwähnter Aufsatz, ganz von dem Geiste eines echten Germanomanen oder Anhängers des politisch kranken Fichte, eines Mitgliedes des deutschen Tugendhundes und der deutschen christlichen Gesellschaft durchdrungen ist, zeigt schon die Ueberschrift desselben die ganze Tendenz des Verfassers: Ueher die Ansprüche der Juden auf das deutsche Bürgerrecht. Deutsches Bürgerrecht! Was will der Verfasser mit diesem Epitheton? Bei ihm ist wohl das deutsche Bürgerrecht etwas vorzüglicheres als das preußische oder englische?« (Ascher, 1 8 1 5 , S. 49). Ascher, 1 8 1 5 , S. 38. Gunda Savigny an Bettina Brentano, Berlin, 5. Dezember 1815; Schellberg/ Fuchs 1942; S. 208.
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stätigt.59 In seiner 1818 veröffentlichten Broschüre >Die WartburgsFeier< erinnerte er nochmals daran, daß er schon seit Jahren vor der politischen Verschwörung gewarnt habe, die von den geheimen Verbindungen betrieben worden sei. Nach außen habe man sich hinter christlich-religiöser Fassade versteckt, »im Verborgenen« aber »den Grund zu jenen politischen Vereinen« gelegt, io die als deutschnationale Bewegung nun offen aufträten.
" Auf Initiative des Jahn-Anhängers Hans Ferdinand Massmann wurde Saul Aschers >Germanomanie< unter den insgesamt 28 Büchern mit den Worten: »Wehe, über die Juden, so da festhalten an dem Judenthume und wollen unser Volksthum und Deutschthum spotten und schmähen.« ins Feuer geworfen. Zitat: Massmann (1817), S. 26; vgl. Luys (1992), S. 23off. 6 ° Die Wartburgs-Feier. Mit Hinsicht auf Deutschlands religiöse und politische Stimmung, Leipzig 1818, S. 15.
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V. Die Bewertung der deutschen Tischgesellschaft in der Forschungsgeschichte
ι. Reinhold Steigs Vorstellung der »christlich-deutschen Tischgesellschaft« Die Beschäftigung der Germanistik mit der Tischgesellschaft setzt erst um die Wende zum 19. Jahrhundert im Rahmen der Kleist-Forschung ein. Reinhold Steig kommt das Verdienst zu, als erster eine umfassende Darstellung von Geschichte und Bedeutung des Vereins anhand des damaligen Handschriftenbestands der Preußischen Staatsbibliothek, Berlin unternommen zu haben. Die Grundthese, die ihn bei seiner Arbeit leitete, hatte er schon 1894 im Zusammenhang seiner kommentierenden Uberleitungen zum auszugsweise publizierten Briefwechsel zwischen Achim von Arnim und Clemens Brentano geäußert: Die Berliner Abendblätter waren das Organ einer Vereinigung, die sich aus dem höheren Beamtenthum, dem grundbesitzenden Adel und den Offizieren der Garnison zusammensetzte. Vierzehntägig fand ein gemeinsames Essen Statt. Die Acten dieser »deutschen Tischgesellschaft« sind zu einem Theil erhalten, Juden und »Philister« waren ausgeschlossen. Als eine scharfe Satire gegen Juden und Philister schrieb Brentano 1 8 1 1 seine Abhandlung über den »Philister vor, in und nach der Geschichte«. 1
Schon hier wird der Zusammenhang zwischen den von Heinrich von Kleist 1 8 1 0 / 1 1
herausgegebenen >Berliner Abendblättern< und der
Tischgesellschaft behauptet. Wie dieser genauer zu verstehen sei, erläuterte Steig wenige Jahre später in seinem 1901 veröffentlichten Buch >Kleist's Berliner Kämpfec Es habe in Berlin ab 1 8 1 0 eine »Kleistische Gruppe«, zu deren engerem Kern Adam Müller, Clemens Brentano und Achim von Arnim zählten, gegeben: »Bald konnte sie sich sogar stark genug fühlen, mit der Gründung einer eigenen Gesellschaft hervorzu1
Steig (1894), S. 288. 293
treten«. 2 Die Rolle der deutschen Tischgesellschaft im Berliner Gesellschaftswesen, ihre patriotisch-altständische Gesinnung gehen laut Steig aus den Vereinsdokumenten selbst hervor, doch würde man »Wesen und politische Bedeutung der zur christlich-deutschen Tischgesellschaft zusammengefaßten Patriotengruppe nicht recht verstehen können, wenn uns das journalistische Organ, das sie sich schuf, nicht Aufschluß gäbe«. 3 Da auch Steig zugeben mußte, daß die Dokumente vor allem auf ein Wirken Arnims und Brentanos in der Tischgesellschaft hinweisen, während Kleists Name nur in zwei Mitgliederlisten erscheint, war eine Anbindung des Vereins an die >Abendblätter< schon für die Stützung der These von Kleists Führerrolle notwendig. Doch darüber hinaus erbrachte für Steig die Interpretation der entsprechenden Artikel in den >Berliner Abendblättern überhaupt erst das vollständige Bild der politischen Ausrichtung der Tischgesellschaft: Es handelt sich dabei in erster Linie um Beiträge Adam Müllers gegen den liberalistischen deutschen Smith-Divulgator Christian Jacob Kraus, worin den preußischen Finanzreformern vorgehalten wird, »die »Satzungen der VorfahrenAbendblätter< als vermeintliches propagandistisches Organ der Tischgesellschaft vermochte er diese selbst schließlich als Vereinigung der altständischen Junkerfronde, die sich preußisch-patriotisch nicht nur gegen die Franzosen, sondern vor allem auch gegen die Reformregierung Hardenbergs richtete, zu präsentieren. Zu Steigs Konstruktion von Kleists »und seiner Freunde Weltanschauung« 5 gehörte auch eine antisemitische Haltung, die als eine Art natürlicher Anteil ihrer patriotischen Gesinnung vorgestellt wurde. Doch stellte er den Antisemitismus der Tischgesellschaft weniger heraus, als daß es ihm darum ging, den tragischen Selbstmord Kleists als das Ergebnis der mißachtenden Behandlung durch die Hardenbergsche 2 3 4 s
Steig (1901), S. 21. Steig (1901), S. 40. Wichmann (1988), S. 192. Steig (1901), S. 696. 294
Administration und nicht zuletzt der publizistischen Hetzkampagne einer von Berliner Juden angeführten Presse erscheinen zu lassen. Daher geht dem Kapitel, das Kleists Tod behandelt, eines voraus, in welchem Steig die Kritik an der Tischgesellschaft und besonders ausführlich auch den sogenannten »Itzig-Skandal« 6 Arnims behandelt. In beiden Fällen wird kein direkter Zusammenhang mit der Einstellung der >Abendblätter< hergestellt. Die im Folgekapitel re-konstruierte kompakte Reaktion der Freunde Kleists gegen Anschuldigungen und üble Nachrede nach dessen Selbstmord suggeriert allerdings, in den Gegnern aus der Reformregierung und in einer jüdischen Publizistik die wahren Verantwortlichen für die »Auflösung der Patriotengruppe und Kleists Tod« 7 zu entlarven. Die Bemühungen der Tischgesellschafts-Mitglieder Beckedorff, Arnim und vor allem Adam Müller um eine Anstellung im preußischen Staatsdienst seien durch den Staatskanzler persönlich verhindert worden: »Heinrich von Kleist theilte mit seinen Freunden das gleiche Loos.« 8 Da die am besten informierten Angriffe auf die Tischgesellschaft in der zeitgenössischen Publizistik von dem prominentesten Vertreter jüdischer Aufklärung in Berlin, Saul Ascher, durchgeführt wurden, macht Steig in ihm auch den Verfasser eines Schmähartikels auf Kleist aus.9 Die antijüdisch eingestellten Berliner Patrioten seien also Opfer einer jüdisch-liberalen Verfolgung gewesen, deren »vernichtungswütige[r] Haß« 10 ihren Anführer Kleist schließlich in den Tod getrieben habe. Obwohl allein schon die von Steig selbst erstmals publizierte Mitgliederliste ein viel differenzierteres Bild der Zusammensetzung des Vereins gibt, u.a. auch auf die Mitgliedschaft hoher Staatsbeamte aus der nächsten Umgebung Hardenbergs hinweist, 11 setzte sich seine poin6 7 s 9
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Vgl. dazu Kap. III. 2.8. Steig (1901), S. 649. Steig (1901), S. 651. Vgl. Steig (1901), S. 6jz{. D e r Artikel in Cottas >Morgenblatt für gebildete Standes Nr. 310 v. 27. Dez.1811 ist mit »_s_« gezeichnet; auf die A u t o r schaft von Friedrich Christoph Weißer ( 1 7 6 1 - 1 8 3 6 ) , dem Chefredakteur des >MorgenblattsKäthchen von Heilbronn< verrissen hatte (Nr. 22 v. 18.12.1810; vgl. Siebert, 1977, S. 62) hatte schon Zolling (188$), S. V I I I hingewiesen, vgl. u. z u H o u b e n (1912). Steig (1901), S. 674. Entsprechend seiner »Edition mit >TendenzDie deutschen Gesellschaften und der Hoffmannsche Bunds der sich mit den in den Befreiungskriegen auf Anregung Ε. M. Arndts gegründeten patriotischen Vereine befaßt, mit keinem Wort erwähnt. In >Weltbürgertum und Nationalstaat« (1. Aufl. 1908) weist Meinecke hingegen schon auf die Tischgesellschaft als ein wichtiges Ereignis im Berliner gesellschaftlichen Leben hin (vgl. Meinecke, 1962, S. 203), nachdem er bereits in seinem Aufsatz über »Bismarcks Eintritt in den christlichgermanischen Kreis< (Historische Zeitschrift, 90, 1903) Steigs Hauptthese übernommen hatte: »So tritt in diesem Kreise [der Tischgesellschaft] und in den Kleistschen Abendblättern, die man als ihr Organ betrachten darf, auch schon ein gewisser christlicher Zug hervor, ein Bedürfnis nach religiöser 296
damit jedoch eine bewußt einseitige und tendenziöse Bewertung der historischen Rolle dieses Vereins begründet, die sich auf fatale Weise bis in die jüngste Zeit erhalten sollte.
2. Die Rezeption Steigs in der Forschung bis 1933 Bedenken gegenüber Steigs Sichtweise der letzten Lebensjahre Kleists sind schon ausgesprochen worden, bevor jener seine Thesen überhaupt erst ausführlicher vorgestellt hatte. So liest sich Ludwig Geigers Verdikt über Kleist als Autor von politischen Aufsätzen in den >Abendblättern< wie eine vorweggenommene Zurückweisung von Steigs Kleist-Buch: »Der Schriftsteller, der solches schrieb, wurde aber seinen Zeit- und Stadtgenossen kein Führer im Kampfe.« 16 Geiger schrieb dies 1895, also ein Jahr nach Steigs erster Äußerung über den Zusammenhang zwischen Tischgesellschaft und den >Abendblättern< als deren publizistisches Propagandamittel. Geiger hebt selbst aus nationalpatriotischer Sicht den Rang etwa des >Katechismus der Deutschem als »politische Weisheitsbibliothek«, die »von der Zertrümmerung des Vaterlandes, vom Erzfeind, von Wiederherstellung Deutschlands« spreche, rühmend hervor, sieht aber abgesehen von derartigen Veröffentlichungen Kleists keinen weiteren Einfluß und schon gar keine Führerrolle desselben in der deutschen Nationalbewegung. Schon der Titel von Steigs Buch, der die »Berliner Kämpfe« Kleists herausstreicht, klingt wie ein polemisches Echo auf die skeptisch-zurückhaltende Äußerung Geigers. Gleichfalls im Jahr nach der ersten Erwähnung der Tischgesellschaft durch Steig (und mit ausdrücklichem Hinweis auf diese) publiziert Geiger den Briefwechsel Arnims mit Moritz Itzig und weist in seiner Einleitung auf die von Arnim »gegründete Gesellschaft« hin, »auf deren Programm die Auschliessung der Juden stand«. 17 Geigers Veröffentlichung der in Abschriften eines Schwagers von Itzig erhalten gebliebenen Schreiben wird von Steig in seinem Itzig-Kapitel vollkommen ignoriert und dagegen gerade das Fehlen der Briefe in den Nachlässen Varnhagens und Arnims als Hinweis darauf interpretiert, »daß Varnha-
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Erbauung, der allerdings noch einen starken ästhetischen Zug hat« (zit. nach Kanzog, 1979, Bd. 2, S. 241). Geiger (1895a), S. 326. Geiger (1895b).
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gen die Papiere absichtlich beseitigt« 18 habe, um den unverschämten Ton der Briefe Itzigs zu verheimlichen. Steig wirft somit Varnhagen die Vernichtung von Handschriften, Verfälschung und Verheimlichung von Fakten genau in einem Fall vor, bei welchem er selbst die Existenz von Dokumenten, die seine Ansicht der Sache zumindest in ihrer einseitigen Tendenz hätten schwächen können, verschweigt. 19 Eine briefliche Auskunft Steigs vom 25. Juli 1902 an einen ArnimNachfahren, der ihn über die Person Geigers befragt hatte, spricht eine deutliche Sprache über das Verhältnis der beiden Forscher zueinander:20 Hochgeehrter Herr Baron, der Geiger ist ein Jude, und zwar einer der >betriebsamsten< widerwärtigsten Literaturjuden, die es geben kann. Er hat der Reihe nach literarisch Ihre Vorfahren verunglimpft, Ihren Großvater Achim (zu Gunsten der Juden, gegen die er in der Hardenbergischen Zeit sich gewandt hatte), Ihre Großmutter Bettina, deren Bruder Clemens und so fort. Obgleich Steigs Werk zunächst überwiegend positiv aufgenommen wurde, gab es gegenüber seiner Kernthese doch bald auch Vorbehalte von Vertretern der germanistischen Zunft, die er nicht auf jene diffamierende Art zurückweisen konnte. Daß der greise Herman Grimm das Buch in der einflußreichen konservativen >Deutschen Rundschau< enthusiastisch begrüßte, überrascht nicht. Namentlich die Darlegung des politischen »Programm[s]« Kleists »auch im Namen seiner Partei« 18 19
zc
Steig (i90i), S. 635. Bereits in seiner Rezension des ersten Bandes von >Achim von Arnim und die ihm nahestanden< (Geiger, 1894) hatte Geiger nicht nur notiert, daß es sich hier keineswegs um eine »Briefsammlung«, sondern eher um eine Art »Biographie« handele. Er monierte darüber hinaus, daß Steig in der »Ueberschätzung seiner Helden« zu weit gehe, vor allem aber wissenschaftlich unredlich verfahre: »Während er seine eigenen Arbeiten bis auf den kleinsten Journalartikel citirt, unterläßt er es, Anderer Arbeiten zu erwähnen an Stellen, wo dieses Verschweigen seltsam erscheint.« Meyer-Hepner (1954), S. 603. Zum Anlaß berichtet Meyer-Hepner (ebd.): »Wie eifersüchtig Steig darauf bedacht war, keinem anderen Wissenschaftler Einblick in die Handschriften [aus dem Arnim-Nachlaß. S. N.] zu gönnen, und welche niedrigen Mittel er dabei anwendete, geht aus seiner Stellungnahme gegenüber Professor Ludwig Geiger hervor, als dieser sich wegen Überlassung der im Familienbesitz befindlichen Briefe Bettinas und Friedrich Wilhelms IV. an den Baron Annois von Arnim, Bettinas Enkel, in Wiepersdorf wandte. Geiger erbat diese unbekannten Briefe zur Vervollständigung seines Buches, das er nach der ihm vom königlichen Hausarchiv übergebenen Korrespondenz herauszugeben im Begriff war.« 298
scheint Grimm von hohem »historischem Werthe«. 21 Wie es Grimm beeindruckt, hier endlich einen Kleist gezeigt zu bekommen, der »unmenschliche Anstrengungen machte, einen Umschwung zum Besseren hervorzurufen« 12 und der als titanischer Anführer einer unglücklich unterliegenden Partei untergehen mußte, so begrüßt es auch Erich Schmidt, der Herausgeber der ersten umfassenden Edition der Werke Kleists, in seiner Rezension, bei Steig endlich »statt der vielen Krankheitsbilder hier gesunder, zielbewußter, vielseitiger Arbeit zuzuschauen«.23 Steigs Grundidee wird nicht in Frage gestellt, vorsichtig gibt Schmidt nur zu bedenken, daß »St. für die Müller, die v. d. Marwitz und Genossen doch einseitig ins Zeug« gehe, »niemals aber leichtfertig«. 24 Neben den philologischen Erkenntnissen zu den >Abendblättern< hebt Schmidt besonders zwei die Geschichte der Tischgesellschaft betreffende Ergebnisse Steigs anerkennend hervor: die Darstellung der Angriffe auf die Tischgesellschaft mit ihrem negativen Bild des »fatalen Saul Ascher« 25 und die Genese von Brentanos Philisterabhandlung aus der antisemitischen Tendenz der Vereinigung. In diesem Fall findet sich bei Schmidt nur eine neutrale Würdigung »objektiver« Forschungsergebnisse, die Bedenken gegenüber einer vielleicht zu stark durch den politischen (antisemitischen) Standpunkt bestimmten Optik des Interpreten werden nicht wiederholt. Einzig beim Itzig-Skandal nimmt Schmidt in Distanz zu Steigs Wertung gegen seinen »Liebling Achim«, der im hierbei doch zu »junkerlich brutal« erscheint, Stellung, schwächt seine Kritik an Steig aber gleichzeitig ab durch den Ausdruck seines Verständnisses für den »Ingrimm gegen den glattzüngigen Klätscher und Brunnenvergifter Varnhagen«, dessen teilweise die Tatsachen verdrehende Darstellung bis zu diesem Zeitpunkt ja die einzige Quelle für
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Grimm (1901), S. 152. Vgl. dazu Goldammer (1990). Es ist wissenschaftshistorisch interessant, daß Grimms Artikel durchgängig durch jenen stammesgeschichtlichen Diskurs bestimmt ist, der später dann von Josef Nadler ( 1 9 2 1 ) als Vorläufer einer nationalsozialistischen Literaturgeschichtsschreibung vertreten werden wird; Grimms Lob für Steig gipfelt dementsprechend in dem Satz (ebd., S. 153): »Professor Steig hat als deutscher Literaturhistoriker für sein Buch dagegen den besonderen Vortheil noch, Märker zu sein und für Kleist als Märker (Provincia Magdeburgensis) einzutreten.« Grimm (1901), S. 1 j if. Schmidt (1901), Sp. 3051. Schmidt (1901), Sp. 3050. Dieses und die folg. Zitate: Schmidt ( 1901 ), Sp. 3051.
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den Streit zwischen Arnim und Moritz Itzig dargestellt habe.26 Der insgesamt zustimmende und lobende Ton der Besprechung mag u. a. wohl auch durch taktische Erwägungen bestimmt gewesen sein, denn es konnte den Herausgebern der Werke Kleists keinesfalls opportun erscheinen, sich mit dem Besitzer des einzigen vollständigen Exemplars der >Abendblätter< und dem Verwalter des Arnim-Nachlasses zu zerstreiten.27 Doch während Schmidts Kritik an den Briefeditionen Steigs in dem Wort vom »sekretierende[n] und retouchierende[n] Haus- und Hofhistoriograph[en]« 28 gipfelt, zeigte er sich von der Darstellung des Kleist-Buches doch ehrlich beeindruckt: »Das große Buch über Kleist imponiert mir aber.«29 Mit Schmidts Rezension und einer flankierenden positiven Besprechung durch seinen Mitarbeiter Georg Minde-Pouet 3 ° wurde Steigs Buch die Anerkennung der akademischen Kleistforschung zuteil, seine deutschnational und antisemitisch gefärbte, die Tischgesellschaft an das Schicksal Kleists bindende Darstellung wurde damit zur Grundlage für die kommende Forschung. Eine ausführliche, erst drei Jahre später erschienene, jedoch schon 1902 verfaßte 31 Auseinandersetzung Oskar Walzeis mit Steig stimmt gleichfalls grundsätzlich mit dessen Korrektur des pathologischen Bildes von Kleists Ende überein. Steigs anhand neuer Quellen erarbeitete Darstellung zeige nun »den energischen, zielbewußten, zähen kämpf eines mannes [...], der als Vertreter und Sprecher einer mächtigen, enggeschlossenen partei der regierung Schlacht auf Schlacht liefert, um schließlich allerdings dem stärkeren gegner zu erliegen«.32 Allerdings melden sich bei Walzel Zweifel gegen Steigs »combination und hypothese«,33 da sie nicht auf historische Dokumente gestützt seien: 26
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Daß es aber zum Itzig-Skandal nicht nur diesen »neuen, aus Urkunden geschöpften Bericht«(Schmidt, 1901, Sp. 3051) Steigs, sondern auch den schon Jahre zuvor von Geiger veröffentlichten Briefwechsel gab, wird auch von Schmidt verschwiegen. S. dazu Kanzog (1979, Bd. 1, S. 288ff.). Erich Schmidt an Gustav Roethe, Brief v. 1 5 . 1 0 . 1 9 0 1 , zit. nach Kanzog (1979), Bd. 2, S. 217. Erich Schmidt an Gustav Roethe, Brief v. 1 5 . 1 0 . 1 9 0 1 , zit. nach Kanzog (1979). Bd. 2, S. 217. In: Das literarische Echo 5(1902), Sp. 3 8 5 - 3 9 0 (vgl. Kanzog, 1979, Bd. 1, S. 290, Anm. 54). Vgl. Walzel (1904), S. 131. Walzel (1904), S. 105.
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denn wünschenswert wären weitere starke und unzweideutige Zeugnisse über den Zusammenhang von tischgesellschaft und Abendblättern, auffallend bleibt bei der von St. angenommenen art des Zusammenhangs die tatsache, dass die tischgesellschaft erst im januar 1811 gegründet ward, da die Abendblätter schon im zweiten quartal und längst auf abschüssiger bahn waren. 3 4
Dennoch scheint Steigs Argumentation, daß die >Abendblätter< ein Organ der Junker gegen Hardenberg gewesen seien, diese Junker aber und vor allem auch ihr Ideologe Adam Müller der Tischgesellschaft angehörten hätten, und damit der Zusammenhang gegeben sei, Walzel zunächst zu überzeugen. Seine Kritik an der Tatsache, daß Steig die zahlreichen bisher unbekannten Quellen doch zu sehr seiner eigenen politischen Sichtweise, nämlich derjenigen der konservativen, aktuellen Junkerpartei unterordne, erregt in Walzel freilich Bedenken, die, wenn sie deutlicher ausgesprochen worden wären, auch die Forschungsperspektive auf die Tischgesellschaft hätten korrigieren können: »es ligt [sie!] mir natürlich fern, trotz allem materiale, das St. vorlegt, Kleist zu der junkerpartei in gegensatz zu bringen, allein ich frage, ob St. aus allzugrosser sympathie für Marwitz und seine genossen nicht fast unwillkürlich Kleist, dann aber auch einige seiner romantischen freunde zu sehr ins extremjunkerhafte gezeichnet hat.« 35 Ohne weiter auf die Darstellung der Tischgesellschaft einzugehen, weist Walzel an einigen Artikeln der >Abendblätter< nach, daß diese keineswegs als für die Junkerpartei Stellung nehmen, wie Steig dies suggeriert, sondern vielmehr eine regierungsfreundliche Einstellung zeigen. Die Beteuerungen, daß die »nicht einwandfreie deutung« nicht den Kern von Steigs Forschungsleistung schmälere bzw. »dieser einwand nicht das hauptresultat des buches« 3 6 treffe, klingen wenig überzeugend, denn wenn man sich Walzels Kritik angeschlossen hätte, so wäre von Steigs Werk letztlich nur die zweifelsohne beeindruckende Materialdokumentation geblieben, während man seiner Interpretation nicht mehr hätte zustimmen können. 37 33
Walzel (1904), S. 108. Walzel (1904), S. io8f. 3 * Walzel (1904), S. 112. 36 Walzel (1904), S. 1 1 5 . 37 Nur zehn Jahre nach seiner Rez. zitiert Walzel hingegen die Steigsche Grundformel mit ungeteilter Zustimmung: »Durch Reinhold Steigs Forschungen [...] ist heute klargestellt, daß die »Abendblätter« nach Tendenz, 34
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Dies ist allerdings vor allem hinsichtlich des Bildes von der Tischgesellschaft nicht geschehen. Im Gegenteil: außerhalb der Kleist-Forschung hat man nicht nur Steigs Materialsammlung für lange Zeit nichts Wesentliches mehr hinzugefügt, sondern sich auch weitgehend kritiklos auf seine Auslegung der Dokumente gestützt. N u r innerhalb der KleistForschung regten sich bald ernsthaftere Zweifel an Steigs Behauptung eines organischen Zusammenhangs zwischen den >Abendblättern< und der Tischgesellschaft. In seiner Kleist-Monographie von 1909 stellt Sigismund Rahmer zwar noch nicht die Grundthese insgesamt, aber immerhin doch einen nicht unwichtigen Baustein zu ihr in Frage, indem er sich darüber verwundert, daß der Verlag der >Abendblätter< als des Organs der so entschieden antisemitischen Vereinigung nicht etwa dem Tischgesellschafts-Mitglied Reimer, sondern dem Verleger jüdischer Herkunft Hitzig (mit dem Kleist persönlich eng befreundet war) überlassen worden sei. Für Rahmer ist dies zumindest ein Beweis dafür, »daß wenigstens für Kleist die Satzungen der Gesellschaft nicht für das Leben galten und nicht propagandistische Gewalt hatten«.3® Wichtig sind auch Rahmers Korrekturen bezüglich der Angriffe Saul Aschers, der sich zwar in seinem Kampf gegen den Antisemitismus notwendigerweise scharf gegen die Tischgesellschaft gewandt habe, mit Kleist aber niemals Auseinandersetzungen gehabt, vor allem auch - wie in der Forschung längst bekannt war - den gehässigen >MorgenblattSaul Ascher [...] an den Prof. Dr. Reinhold Steig in Berlin< hin. Darin nennt Houben zum ersten Mal offen den Antisemitismus Steigs als Grund für die Forcierung jenes Aspekts in der Darstellung von Kleists Untergang, die diesen unbedingt zumindest auch
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Inhalt und Form das Organ der preußischen Junker in ihrem Kampfe gegen den Staatskanzler Graf Hardenberg darstellten« (Walzel, 1912,8. 102). Rahmer (1909), S. 118; zu Rahmer: Häker (1995). Vgl. Rahmer, (1909), S. i^eff. Gerade diese Vorführung Aschers als >MorgenblattHeinrich von Kleist, der als Schriftsteller einen den Deutschen ewig heiligen Namen mit grosser Unehre führt< [...]. das ist zu köstlich!« 302
als das Ergebnis einer von Ascher gesteuerten jüdischen Hetzkampagne erklären möchte: »Jawohl, derselbe Mann [Weißer. S. N.], aus dessen Artikeln Sie >nach Stil und Denkart< den Juden nachweisen, ist der begeisterste Christ und fanatischste Antisemit, den es jemals gegeben hat. Ich gönne in der Tat meiner Nachwelt das herzerhebende Schauspiel, wie der eine Antisemit in seinem Gesinnungsgenossen den - Juden wittert.«40 Diese Detailkritik und die ersten vorsichtigen Bedenken gegenüber der Kleist unterstellten Rolle werden weiter ausgeführt und ergänzt in einem schon von seinem Titel her polemisch gegen Steig gerichteten Aufsatz von Helmut Rogge über >Heinrich von Kleists letzte Leidens der 1923 im >Jahrbuch der Kleist-Gesellschaft iyzzAbendblätter< also Ausdruck einer in dieser Gruppierung vereinigten altständischen regierungskritischen Tendenz, sondern nur einige Freunde, Arnim und »in erster Linie Adam Müller«, seien es gewesen, »die die Abendblätter zu einem [...] unkleistischen, innerpolitischen Kampfblatt gemacht haben, zu einem Sprachrohr ihrer zum großen Teil höchst persönlichen und >bizarren< Ansichten«.46 Mit Rogges Aufsatz setzten sich zwei grundlegende Korrekturen an Steigs Darstellung in der Kleist-Forschung - allerdings eben nur in dieser - durch: i. Kleist war kein aktives Mitglied der Tischgesellschaft, geschweige denn der Anführer dieser Gruppe, die >Abendblätter< können demzufolge auch nicht als deren publizistisches Organ betrachtet werden; 2. Die Tischgesellschaft selbst war keine »kompakte« Organisation der altständischen Opposition gegen Hardenberg, sondern eher eine gesellige Vereinigung mit unklarer politischer Tendenz.47 Eine kritische Neubewertung der Darstellung Steigs unter dem Aspekt des Antisemitismus der Tischgesellschaft im Allgemeinen und ihres Gründers Arnim im Besonderen nimmt Josef Körner in einem kurzen 44 45 46 47
Rogge (1923), S. 36. Rogge (1923). S. 36· Rogge (1923), S. 38. Rogges Ergebnisse werden in der Folgezeit in der 1930 erschienenen Hamburger Dissertation von Heinrich Böx über >Kleist politische Anschauung e n (vgl. dort S. 4 5 - 4 8 ) und dann in einem erneut im Kleist-Jahrbuch veröffentlichten Aufsatz von Heinrich Meyer-Benfey (1932, S. 28, Anm. 9) wiederholt (in beiden Fällen ohne Hinweis auf Rogge). In seinen Untersuchungen zu den »Berliner Abendblättern« betont Helmut Sembdner (Sembdner, 1939) nochmals (in diesem Fall unter ausdrücklicher Berufung auf Rogge), daß Steigs Hauptthese von den >Abendblättern< als dem Organ einer Patriotengruppe »unhaltbar« sei: »Es ist notwendig, diese Tatsache eindeutig festzustellen, zumal Steigs unrichtige Darstellung bis in die neueste Literatur fortwirkt.« (Sembdner, 1939, S. γί.).
3°4
Beitrag vor, in dem erstmals Arnims >Gespräch über die Einbürgerung der Juden< aus dem Novellenfragment >Die Versöhnung in der Sommerfrische< veröffentlicht ist. Körner weist auf die politische Motivation eines Judenhasses hin, welcher die Juden »als Deutschlands inneren Feind ansah und bekämpfte«.48 Zweck der Tischgesellschaft sei es vor allem gewesen, »in Öffentlichkeit der fortschreitenden Judenemanzipation entgegenzuwirken«,49 der traditionelle, religiös motivierte Judenhaß sei einem »funkelnagelneuen Rassenhass romantischer Faktur« 50 gewichen. Körner erörtert darüber hinaus als erster die persönlichen Gründe für Arnims »blindwütigen Semitenhass«, der nicht zuletzt aus seiner hohen Verschuldung bei »jüdische[n] Geldleihern« 51 zu erklären sei. Wenn sich auch »Arnims brutale Gesinnung in der Judenfrage« im »Gespräch« bestätige, so seien doch seine darin vorgebrachten Argumente gegen die Judenemanzipation z.T. »wohlbedacht [...]«, insofern »seine Ablehnung gar nicht den echten und rechten Juden gilt, sondern jenen halbschlächtigen Gesellen, die gute Deutsche zu werden meinen, wenn sie nur schlechte Juden sind«. 52 Mit Körners an entlegener Stelle veröffentlichtem Aufsatz schließt sich die Reihe wesentlicher Korrekturen an Steigs Darstellung der Tischgesellschaft aus der Zeit vor dem II. Weltkrieg. Uber den engeren Kreis der Kleist-Forschung hinaus blieben sie ohne jeglichen Einfluß auf die Wirkung von >Kleist's Berliner KämpfeBerliner Romantik< mit erstaunlich lakonischer Kürze. 6 ' Die Erörterungen der »politischen Anschauungen der christlich-deutschen Tischgesellschaft«, im Untertitel als »Untersuchungen zum Nationalgefühl Achim von Arnims, Baron de la Motte-Fouqués, Heinrich von Kleists und Adam Müllers« spezifiziert, basieren bezüglich der Dokumente zur Tischgesellschaft ausschließlich auf dem schon von Steig veröffentlichten Material. Es handelt sich um eine nicht von einem literaturgeschichtlichen, sondern von einem allgemein-historischen Erkenntnisinteresse bestimmte Auswertung, die insofern über Steig hinausgeht, als sie auch ausführlich Aussagen des (im Untertitel überraschenderweise nicht erwähnten) von der Marwitz mitheranzieht, obwohl dieser - wie auch Fouqué - der Tischgesellschaft bekanntermaßen nicht angehörte. Daß Eberhard selbst auf diesen Umstand hinweist, 70 zeigt, daß es ihm von vornherein noch weniger als Steig um eine historisch-korrekte Rekonstruktion der Geschichte der Tischgesellschaft geht, er vielmehr auf eine allgemeine Beschreibung des politisch-konservativen Denkens im Preußen der napoleonischen Zeit abzielt. Ausgangspunkt ist dabei die schon von Steig suggerierte Grundthese, daß der Kreis um die Tischgesellschaft vor allem als eine Begegnung der preußisch-altständischen Junker mit den romantischen Künstlern und Intellektuellen historisch bedeutend sei. Eberhard versucht, die sich daraus ergebende politische, nach ihm keineswegs ausschließlich konservative Mentalität 71 der preußischen Pa69
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N u r in der »Zusammenfassung« werden Philister und Juden als »zwei Menschengruppen« erwähnt, die von der Tischgesellschaft ausgeschlossen worden seien, da ihnen die für das politische Wirken geforderte »neue Frömmigkeit« (Eberhard, S. 8γ{.) fehle. Vgl. Eberhard (1937), S. 4, Anm. 7. Man möge die Anwendung dieses ab den 70er Jahren in die deutsche Sozialgeschichtsschreibung eingeführten Begriffs (vgl. vor allem: Sprandel, 1972) auf eine Forschungsarbeit aus der Zeit des frühen Nationalsozialismus nicht etwa als Behauptung einer politischen Nähe mißverstehen; Rolf Sprandels Definition von »Mentalität« scheint mir allerdings recht gut auf einen Forschungsansatz wie denjenigen der Arbeit Eberhards anwendbar und als Begründung derartiger verallgemeinender Rekonstruktionen methodologisch gleichermaßen interessant wie problematisch: »Unter Mentalität ist die Gesamtheit geistiger Regungen zu verstehen, die sich im Schreiben, Reden und Handeln der Menschen niederschlagen und die von wirtschaftlichen, verfassungsrechtlichen Tatbeständen, von Kommunikationsstrukturen und biographischen sowie kollektiven Ereignissen ebenso beeinflußt wurden wie
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trioten genauer zu erfassen. Selbst bei von der Marwitz weist er im Falle des Staatsbegriffs auf Brüche im vermeintlich durchweg reaktionären Denken hin, vor allem aber im Hinblick auf Arnim korrigiert er Steigs Bild der einheitlich antireformerischen Gesinnung und erinnert an die Nähe von Arnims Position zu den Reformbestrebungen Steins/ 2 Eberhard interpretiert daher die Kritik an der Hardenberg-Regierung nicht mehr als Verteidigungshaltung der reaktionär-ständischen Opposition, sondern als eine vor allem politisch in der Überzeugung von der Notwendigkeit einer Volkserhebung und einer - in erster Linie von Arnim geforderten - Beteiligung des Volkes am Staatswesen gegründeten Ablehnung eines weiterhin absolutistisch agierenden Beamtenstaates.73 Da Eberhard in einem synchronen Schnitt die Jahre von 1806 bis c. 1814/15 synthetisiert, zieht sich für ihn bei den jeweiligen Fragestellungen verschiedenartiges Material (wie z.B. Arnims >Kriegslieder< von 1806 und seine Texte für den >Preußischen Correspondentes von 1813/14) zusammen zu einer einheitlichen Positionsbestimmung, die sich notwendigerweise in undifferenzierten Pauschalurteilen ausdrükken muß. Im Falle des für den antifranzösischen Patriotismus zentralen Problems des Verhältnisses Preußen-Deutschland stellt er wiederum bei Marwitz und Arnim (»die den schärfsten Blick für politische Realitäten beweisen«74) gemeinsame Überzeugungen fest: »Preußen dachte man die Aufgabe zu, Streiter für Deutschland zu sein im Kampf um dessen Freiheit und Wiedererstehen.«75 Eberhard unternimmt keine Untersuchung zur Geschichte der Tischgesellschaft, sondern verwendet deren in der historiographischen Forschung inzwischen zum geläufigen Bestand gehörenden Namen als Metapher für sein spekulatives Panorama der von ihm als »Frucht des Zusammenwirkens preußischer Erziehung und romantischen Geistes« beschriebenen »politischen Haltung« 7 ® einiger Protagonisten des preußischen Patriotismus der napoleonischen Herrschaftszeit.
72 73 74 75 76
von literarischen Traditionen.« (Sprandel, 1982, S. 22; vgl. dazu die Rez. v. Hans-Joachim Behr, in: Arbitrium 1984, S. 2 4 3 - 2 4 6 ) . Vgl. Eberhard (1937), S. 40. Vgl. Eberhard (1937), S. 3 9 - 5 0 . Eberhard (1937), S. 61. Eberhard (1937), S. 61. Eberhard (1937), S. 91.
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Ausschließlich unter dem Aspekt des Antisemitismus behandelt Hans Karl Krüger die Tischgesellschaft in seiner 1939 veröffentlichten Bonner Dissertation über >Berliner Romantik und Berliner JudentumKulturfahrplan< weiß für das Jahr 1810 (sie!) in der Rubrik »Religion. Philosophie. Erziehung« zu berichten: »A. v. Arnim grdt. mit Kleist, Adam Müller u.a. in Berlin >christl.-dt. Tischgesellschaft* (mit romantisch-nationalen Bestrebungen)«. Die deutsche Tischgesellschaft ist als historisches Ereignis in der kollektiven Erinnerung auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs präsent, wird aber in den Fünfziger und bis Ende der Sechziger Jahre nicht mehr zum
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Dann (1976), S. 213. Fritz Martinis Literaturgeschichte (1978, S. 340) datiert die Gründung der Tischgesellschaft auf das Jahr 1808, Gero von Wilperts >Sachwörterbuch der Literatur< (Wilpert, 1969, S. 136) gibt unter dem entsprechenden Stichwort die Auskunft: »von A. v. Arnim 1810 in Berlin gegr. Dichterkreis, an dem Kleist, Eichendorff, Chamisso, Fouqué [...] Ν. ν. Gneisenau u. a. teilhatten, zentriert um Kleists Berliner Abendblätter.« usw. mit einer erstaunlichen Anhäufung von falschen Informationen. Bemerkenswert ist auch, daß sich Wilperts Literaturhinweise auf Nadler (dies mit Datum »1912« statt recte: 1921) und Eberhard (1937) beschränken. 84 Vgl. Huber (1960), S. 328; Braubach (1974), S. 100; Bergeron (1969), S. 160; Thielen (1967), S. 261; Faber (1981), S. 264; Bruer (1991), S. 3i2f. 8 ' Mann (1971), S. 88. 83
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Gegenstand neuer literatur- oder allgemein-historischer Untersuchungen. In der DDR-Forschung waren die Berührungsängste etwas geringer. Doch selbst eine 1956 erschienene Potsdamer Dissertation über die Auseinandersetzungen zwischen Johann Heinrich Voß und den Romantikern stützt sich in ihrem der Tischgesellschaft gewidmeten Kapitel ganz auf Steig und fügt nur einen ersten (im Bezug auf die Zahl der Teilnehmer allerdings fehlerhaften) Versuch einer sozialen Klassifizierung der Mitglieder hinzu.86 Die ausführlichste Beschäftigung mit der Tischgesellschaft im Rahmen ostdeutscher Forschung bis 1970 findet sich im Bereich der Medizingeschichte in einer von Isolde Eichhorn vorgelegten Leipziger Dissertation über >Die Arzte der ChristlichDeutschen Tischgesellschaft*. Die Arbeit liefert aufschlußreiche Informationen zur Geschichte der romantischen Medizin und über die Rolle, welche die fünf in der Tischgesellschaft vertretenen Arzte in der Forschung jener Zeit spielten. Die Darstellung der Geschichte des Vereins hält sich ganz an Steig, diejenige der politischen Anschauungen überraschenderweise an Eberhard, wobei die antijüdische Haltung der Tischgesellschaft verschwiegen,87 während der antifranzösische Patriotismus besonders herausgestellt wird. 88 Einige widersprüchliche Urteile enthält der >RomantikErläuterungen zur deutschen LiteraturDas literarische Leben i8oo-i8jo< in Berlin, der Ende der sechziger Jahre erstmals wieder als ein Beitrag westdeutscher germanistischer Forschung recht ausführlich über die Tischgesellschaft unterrichtete. Böschenstein weist auf diese als Symptom der »Veränderung des Berliner Geistes« gegenüber der Salonkultur um 1800 hin, auf den Ausschluß von Frauen und Juden, womit sich in den ansonsten »fröhlich-unbefangenen Ton des Programms der noch unklare Rassengedanke« eingeschlichen habe.91 Die Tischgesellschaft habe einen »literarischefn] Charakter« mit »nationale[r] Tönung« besessen,92 entsprechend ihrem zur Tat drängenden, patriotisch-antifranzösischen Ideal habe sie sich zu Beginn des Krieges aufgelöst, »indem sie« - und hier erkennt man, daß Böschenstein-Schäfer bei anderer Bewertung dennoch der Konstruktion Steigs folgt - »aus dem Bestand ihrer Kasse einen Reiter equipierte«.93 Neue Impulse erhielt die Forschung zur Tischgesellschaft gegen Ende der Sechziger Jahre durch eine Sammelbesprechung der Kleist-Dokumentationsbände Helmut Sembdners (dessen >Lebensspuren< u. a. Materialien zur Tischgesellschaft enthalten)94 von Hans-Joachim Kreutzer, der nicht nur eine kritische Neubewertung des Steigschen Bildes vorlegte, sondern seine Kurzcharakteristik der Tischgesellschaft erstmals wieder auf eine eigene Einsicht in die handschriftlichen Dokumente aus dem Arnim-Nachlaß des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar stützte.95 Kreutzer war von der großen Bedeutung der »Weimarer Pa-
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Erläuterungen (1977), S. 265. Erläuterungen (1977), S. 265. Böschenstein-Schäfer (1968), S. 679. Böschenstein-Schäfer (1968), S. 697. Böschenstein-Schäfer (1968), S. 683. Vgl. Semdbner (1977). Kreutzer (1968), S. 2 1 0 - 2 1 3 ; die Uberprüfung der Handschriften bestätigt 316
piere« überzeugt: »Eine vollständige und kommentierte Edition der gesamten Papiere der Tischgesellschaft würde gewiß manches in unserem Bild der Berliner Romantik zurechtrücken, wenn das Bild auch dadurch nicht verschönert würde.« 9 6 Denn der bestimmende ideologische Grundzug der Materialien sei »ein ganz krasser Antisemitismus«. 97 Eine »leicht oppositionelle Haltung« könne im Fehlen von Ministern und Angehörigen des Hofs unter den Mitgliedern entdeckt werden, doch halte er die Tischgesellschaft letztlich eher für »einen politisch wenig konturierten, überwiegend konservativ eingestellten Herrenclub«, der in »Monarchismus, Verteidigung des Erbadels, ständischen Vorstellungen und vornehmlich im Antisemitismus einen ideologischen Konsens«' 8 gefunden habe. Zumindest bezüglich des Antisemitismus erscheint Kreutzers Frage, ob dieser Konsens »nicht im allgemeinen zu den Uberzeugungen der gesellschaftlich führenden Schichten des damaligen Berlin gehörte«, 99 problematisch und entspricht wenigstens nicht der den Materialien zu entnehmenden Selbsteinschätzung der Tischgesellschaft. Zu fragen ist auch, ob die Betonung des ständisch-konservativen Elements nicht doch noch der Darstellung Steigs verpflichtet bleibt. Die Steigs Gesamturteil über Rang und Bedeutung der Gesellschaft hingegen negierende Einschätzung der Tischgesellschaft als »Herrenclub« mit geringer politischer Konturierung erscheint als ins gegenteilige Extrem umschlagende Konsequenz von Kreutzers Forderung nach einer »politische[n] Plattform«, 100 die einer derartigen geselligen Vereinigung gegenüber unangemessen ist. Eine solche »Plattform« setzte eine Parteibildung im Sinne moderner politischer Organisation voraus, wie sie im damaligen historischen Kontext noch nicht existieren konnte und sich nur in den spekulativen Konstruktionen Steigs ergab. Wichtige Ergebnisse der Neusichtung des Materials durch Kreutzer waren vor allem seine Hinweise auf die Tatsache, daß die Zahl der Mitglieder, wie sich aus den verschiedenen Listen ergibt, weitaus größer gewesen sein muß, als bisher angenommen, und darauf, daß sich unter den Akten minde-
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99 100
u.a. laut Kreutzer endgültig die Aussage, daß »Kleist an dieser Vereinigung doch gar keinen Anteil genommen.« (S. 212). Kreutzer (1968), S. 2 1 1 . Kreutzer (1968), S. 2 1 1 . Kreutzer (1968), S. 212; an dieses Urteil Kreutzers schließt sich Botzenhart (1989), S. ι j8f. an. Kreutzer (1968), S. 212. Kreutzer (1968), S. 212.
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stens ein Schriftstück befindet, das ein Fortbestehen der Tischgesellschaft in der Zeit nach den Befreiungskriegen beweist. Nach Kreutzers wichtigen, wiederum aus der Kleist-Forschung kommenden Revisionen der Darstellung Steigs erbrachten zwei kurz darauf erscheinende Untersuchungen zum Werk Achim von Arnims grundlegend neue Erkenntnisse zur Geschichte der Tischgesellschaft: die 1971 in Halle vorgelegte Dissertation Heinz Härtls über >Arnim und Goethe< und die zwei Jahre später fertiggestellte Hamburger Doktorarbeit von Jürgen Knaack mit dem programmatischen Titel >Achim von Arnim Nicht nur PoetWunderhorn< und >Tröst Einsamkeit zugrunde« 102 gelegt habe. Die Gründung der Tischgesellschaft habe sich an dem Vorbild der Zelterschen Liedertafel (und der in dieser schon vorgegebenen Verbreitung Goethescher Dichtung) orientiert, deren inhaltliche und zahlenmäßige Begrenzung jedoch »durch Ausweitung auf Literatur und bildende Kunst« und einer Einbeziehung weiterer Gesellschaftskreise überwunden, wobei »zugleich mit der Verstärkung der kulturpolitischen die national-patriotische Propaganda intensiviert werden« 103 sollte. Doch seien Arnims Versuche, »auch etwas vom Geist der Weimarer Klassik in die ungeistige Atmosphäre der Tischgesellschaft zu integrieren«,104 von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Um der »Subjektivität eines kompilierenden Verfahrens« bei Steig die »Ob-
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Härtl (1971), S. 305. Härtl (1971), S. 306. J °5 Härtl (1971), S. 286. 104 Härtl (1971), S. 305. A n diese Untersuchung Härtls knüpfen zwei spätere Aufsätze d. Verf. an: 1. Eine Interpretation des von Arnim für die Tischgesellschaft verfaßten Gedichts >Die Glockentaufe< (Nienhaus, 1991), das in der Form eines Parodie des Textes von Schiller im Wechsel von Scherz und Emst den Tagungsablauf der Versammlungen und die patriotisch-antifranzösische Gesinnung der Tischgesellschaft darzustellen versucht; 2. Die Edition und Kommentierung zweier Tischreden Arnims von Ende 1 8 1 1 bzw. Anfang 1 8 1 2 (Nienhaus, 1994a), die eine Vorstellung vom intendierten und z.T. auch realisierten Kulturprogramm der Tischgesellschaft geben. Arnim wollte sie im zweiten Jahr ihres Bestehens zu einem Kunst- und GelehrtenVerein gestalten, der nach dem Vorbild des Frankfurter »Museums« verschiedenste kulturelle Aktivitäten umfassen sollte. 101
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jektivität der Fakten« 10 ' entgegenzustellen, machte Härtl einen großen Teil der Weimarer Dokumente erstmals zugänglich. Verschiedene Texte Arnims und nicht zuletzt eine in extenso publizierte Abschiedsrede des Vereinssprechers am 18. Juni 1 8 1 1 (die von Härtl in der Nachfolge Hoffmanns Adam Müller zugeschrieben wird und den er daher für den »Chefideologe[n] der Gesellschaft« 106 hält) geben einen Eindruck von der regen literarisch-kulturellen Aktivität der Tischgesellschaft in ihrem Gründungsjahr. Durch die Veröffentlichung von Arnims Abhandlung >Ueber die Kennzeichen des Judenthums< wurde der Antisemitismus der Tischgesellschaft in Härtls Arbeit erstmals ausführlich dokumentiert. Knaack geht im Gegensatz zu Härtl von einer entschieden politischen Intention Arnims bei der Gründung der Tischgesellschaft aus. Arnim, dem der Eintritt in den Staatsdienst verwehrt worden sei, habe sich mit der Stiftung dieses Vereins ein anderes Feld öffentlichen Wirkens schaffen wollen. Die Einschätzung der Tischgesellschaft beruht bei Knaack in erster Linie auf der Interpretation einer bisher unveröffentlichten Tischrede Arnims, in welcher dieser nach den Befreiungskriegen auf die Anfänge und die Intentionen der Vereinigung zurückblickt. In der neuen Auslegung Knaacks erscheinen Absicht und Wirken der Tischgesellschaft der Darstellung Steigs diametral entgegengesetzt. Nicht um die Versammlung der antihardenbergschen Adelsfronde habe es sich gehandelt, sondern im Gegenteil um ein demokratisches Experiment Arnims als Beitrag zur Verfassungsbewegung, ob »Menschen verschiedenster Herkunft und Gesinnung zu Beratung und Beschlußfassung von Gesetzen zu einem freiwilligen Zusammenschluß fähig sind«. 107 Die Verwirklichung der freien Konstitutionsgebung im Kleinen des Vereins sei als konstruktive Kritik Arnims an der »Heimlichkeit« bei der Durchführung der Reformgesetze zu verstehen. Weder die Haltung Arnims selbst habe also etwas mit der altständischen Opposition zu tun, noch sei die Tischgesellschaft allgemein als gegen die Hardenberg-Regierung gerichtete Vereinigung zu interpretieren. Dies verbiete sich allein schon nach einem Blick auf die Mitgliederliste, die außer Repräsentanten der altständischen Positionen wie z.B. Adam Müller oder Ludwig von Gerlach die Namen von »Regierungsvertretern wie '°> Härtl (1971), S. 305. 106 Härtl (1971), S. 289. Diese Tischrede stammt hingegen von Ludolph von Beckedorff (vgl. Kap. III.2.1.). 107 Knaack (1976), S. 38.
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v. Bärensprung, ν. Dewitz, Beuth, ν. D o h n a u. a. und näheren Bekannten oder Verwandten Hardenbergs« 1 0 8 sowie von entschieden Liberalen enthalte: »Es gehört sehr viel Phantasie und schlechter Wille dazu, diese verschiedenen Mitglieder der >Tischgesellschaft< einer einzigen politischen Richtung zuzuordnen.« 1 0 9 »Ins Gerede« gekommen sei die Tischgesellschaft also keineswegs aufgrund junkerlicher Opposition, sondern wegen ihrer »intoleranten Haltung gegenüber den Juden« und durch die Angst der Regierung, daß der Patriotismus der Gesellschaft die Franzosen »zu Maßnahmen gegen Regierungsmitglieder veranlassen könnte«. 1 1 0 Knaack erhebt nicht den Anspruch auf eine Gesamtdarstellung der Tischgesellschaft, sondern verweist ausdrücklich darauf, daß sich seine Untersuchung mit den politischen Anschauungen Arnims befasse und »nur am Rande auf die Wirkung in der Öffentlichkeit« eingehen könne. Die Interpretation der späten Tischrede Arnims gibt daher auch vor allem A u s k u n f t über eine mögliche Intention Arnims »als Gründer der Gesellschaft« 1 1 1 und nur ansatzweise über die Versammlungsrealität bzw. die übrigen Texte der Vereinigung. 1 1 2
4.1. Die Tischgesellschaft im Kontext der Forschung zu Vereinsgeschichte und Salonbewegung Erwähnung findet die Tischgesellschaft in Untersuchungen zur Vereinsgeschichte und vor allem in Forschungen zur Salonbewegung u m 1800. 108 IO ' 110 111 112
Knaack (1976), S. 37. Knaack (1976), S. 37. Knaack (1976), S. 38. Knaack (1976), S. 36. Auch in den neueren literaturhistorischen Handbüchern werden die Erkenntnisse Härtls und Knaacks nur zum Teil berücksichtigt. Am aufmerksamsten folgt ihnen Schulz in seinem Band der De Boor/Newald-Literaturgeschichte (Schulz, 1989, S. 88): »Ein reaktionären, gegen die preußischen Reformen gerichteter Bund war die Tischgesellschaft ihrer Intention nach nicht; Arnim hat bei der Gründung sogar Vorstellungen vom Ausprobieren konstitutioneller Formen gehabt, war doch die Gesellschaft in ihrer Versammlungsordnung streng reglementiert.« Das vor wenigen Jahren erschienene »Romantik-Handbuch« parallelisiert dagegen wieder Adam Müllers und Arnims Aktivität als (vermeintliche) »journalistische Wortführer einer konservativen Opposition« und die Gründung der Tischgesellschaft, der zudem wieder fälschlicherweise Chamisso, Eichendorff und Fouqué als Mitglieder zugeschlagen werden (vgl. Schanze, 1994, S. 6if.). 320
Seit dem ersten Hinweis im 1965 erschienenen Buch von Ingeborg Drewitz über >Berliner Salons< erscheint die Tischgesellschaft in diesem Zusammenhang unter dem Aspekt des »Anti-Salons«." 3 Otto Dann schätzt Ende der Siebziger Jahre die Tischgesellschaft als »nicht typisch für die romantische Gruppenbildung« 1 1 4 ein, insofern sie Frauen, Franzosen und Juden ausgeschlossen habe. Als »Diskussionsrunde« dem Sieveking-Kreis in Hamburg oder dem Wyttenbachschen Kreis in Trier vergleichbar, gehöre die Tischgesellschaft zum »Anfang eines organisierten politischen Engagements«. 1 1 ' Gemeinsam ist allen Arbeiten zur Tischgesellschaft im Rahmen der Vereinsgeschichtsschreibung, daß sie auf eigene Quellenforschungen verzichten und sich im Wesentlichen auf das von Steig (1901) vermittelte Bild der Tischgesellschaft stützen. Dementsprechend urteilt auch Norbert Miller in einem Vortrag über das >Literarische Leben Berlins< über Kleists Rolle in der Tischgesellschaft: »So aber wurde er, während seine Zeitung verstummte, zu einem Exponenten der Vaterländischen und ihrer teils unverhohlen reaktionären Forderungen nach Wiederherstellung des status quo.«"6
Die Tischgesellschaft sei ein Symptom der Tendenzwende nach
1806, bis zu welchem Zeitpunkt die literarische Kultur Berlins »fast ausschließlich [...] vom jüdischen Teil unter den Gebildeten einerseits, von den Frauen zum anderen« getragen worden sei. 1 ' 7 Die Tischgesellschaft habe »die Restauration zum eigentlichen Fortschritt« und »Liberalität und die allgemeine Toleranz« hingegen »zum Verfall erklärt«. 118 Als »counter-salon«" 9 bezeichnet Deborah Hertz die Tischgesellschaft, die zwar eine ähnliche gesellige Funktion wie die Salons gehabt habe, in Stil und Wertorientierung ihrer Mitglieder sich aber substantiell von jenen unterscheide: »One of the main aims of its founders was to organize a boycott of the few Jewish salons that hat survived the chaotic five years since the French first entered Berlin in October 1806.« 1 2 0 113
Drewitz (1979; Erstdruck: 1965), S. γ8{. Dann (1978), S. 122. "» Dann (1976), S. 214. 116 Miller (1982), S. 30; noch stärker Steig verplichtet, spricht auch Hertz (1988, S. 272) von den >Abendblättern< als dem »>mass newspaper< der Tischgesellschaft und folgt auch Steig bezüglich der Uberlebensdauer der Vereinigung (»lasted only until 1813«, Hertz, 1988, S. 271). " 7 Miller (1982), S. 30. 118 Miller (1982), S. 30. Vgl. das gleiche Urteil bei Feilchenfeldt (1987), S. 161. " » Hertz (1988), S. 271. 120 Hertz (1988), S. 271. Auch Heyden-Rynsch (1992, S. 147) weist in ihrem 114
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Der offene Angriff, den die Tischgesellschaft auf die Salons unternommen habe, beweise vor allem, daß dem akkulturierten Berliner J u dentum die Integration im Bereich gebildeter Geselligkeit damals gelungen war. 1 2 1 Die Tischgesellschaft habe als eine Art patriotischer Ersatz der Salons »some of the same social and intellectual functions as the salons had«, 1 1 2 zu erfüllen versucht, u.a. durch das Vortragen von eigenen Texten, die sich der Kritik des Kreises stellten, vor allem aber auch durch die gemischte Mitgliederstruktur: »The mix of noble and commoner men at the club's meetings facilitated the same kind of social mobility achieved in the intellectual clubs and in the salons.« 1 2 3 Ein differenziertes Bild der Verflechtungen zwischen Salons und Tischgesellschaft gibt die 1987 vorgelegte Münsteraner Dissertation von Petra Wilhelmy. 1 2 4 Wilhelmy, die genaue Listen der Mitglieder der einzelnen Berliner Salons (und damit unverzichtbares neues Quellenmaterial für jede Untersuchung zur Berliner Geselligkeit um und nach 1800) liefert, weist auf die Nähe zum Salon der Gräfin Voß hin. Seine Besucher habe insgesamt ausgezeichnet, »daß sie zum großen Teil sowohl den preußischen Reformerkreisen nahestanden, als auch fast alle leidenschaftliche Patrioten waren.« 1 2 5 Bei ansonsten identischer »politische[r] Akzentsetzung«, I 2 é die auch für den Salon der Fürstin Luise Radzivill und den stärker Musik und Literatur einbeziehenden Elisabeth Staegemanns gelte, habe sich die Tischgesellschaft jedoch von diesen patriotischen Kreisen durch das Fehlen der »Elemente freier Salongeselligkeit« 1 2 7 unterschieden. Überblick über Europäische Salons< auf das Datum 1806 hin, nach welchem jüdische Salons »plötzlich gemieden« worden seien, während wenig später die »von Clemens Brentano und Heinrich von Kleist« (!) gegründete Tischgesellschaft nicht nur die Juden nicht zugelassen habe, sondern sogar »kein Nachkomme eines getauften Juden« aufgenommen worden sei. 121 Vgl. Hertz (1988), S. 271-276. 122 Hertz (1988), S. 275. 123 Hertz (1988), S. 275. Die Auffassung der Tischgesellschaft als »Gegentypus zum Salon« wird von Möller (1989, S. 472f., Zitat: S. 472) übernommen. Möller gibt ein knappes, aber differenziertes Bild des Vereins, der auf entscheidende Prinzipien der Aufklärungsgesellschaften und der Salons wie Kosmopolitismus und religiöse Toleranz verzichtet habe, da seine ständeüberschreitende Absicht von religiösen und nationalen Tendenzen überlagert worden sei. 124 Wilhelmy (1989); vgl. auch Wilhelmy-Dollinger (1992). ,2 ' Wilhelmy (1989), S. 106. 126 Wilhelmy (1989), S. 107. 322
An Dann (1976) anknüpfend versucht Lothar Dittmer (1992) im Rahmen seiner umfassenden Untersuchungen zum >Beamtenkonservatismus< die Stellung der deutschen Tischgesellschaft im historischen Prozeß der Parteienbildung zu bestimmen. Obgleich Steigs Grundthese zu Recht zurückgewiesen worden sei, müßten doch die zahlreichen Verbindungen der Tischgesellschaft zu den >Abendblättern< berücksichtigt werden. Die Unterdrückung der Zeitung, die von Dittmer weiterhin als Oppositionsblatt gesehen wird, habe »das Bedürfnis in beamtenkonservativen Kreisen noch verstärkt [...], sich zu organisieren und nach Wegen der öffentlichen Einflußnahme zu suchen«. 128 Steigs These sei umzukehren: »Es war nicht die Tischgesellschaft, die die Abendblätter gewissermaßen in Auftrag gab, sondern es waren die Erfahrungen der Kleistschen Zeitung mit dem Zensurapparat, die Experimente mit neuen Organisations- und Vertretungsformen nahelegten.« 12 ' Dittmers Behauptung, die Tischgesellschaft sei als »parteiähnliche Gruppierung« ein »Agglomerationskern« 130 für konservative Beamte und Bildungsbürger gewesen, wird durch keine Dokumentation gestützt.' 31 Die Annahme, daß sich in den Salons des Adels und hoher Beamter ein institutioneller Gegenpol zum Organisationszentrum der Reformpartei im Kanzleramt gebildet habe, und Frauen und Juden für das neue Salonwesen keine Rolle mehr gespielt hätten, 131 widerspricht den Forschungsergebnissen der Salonforschung, die z.B. die bedeutendsten Salons der Grafin von Voß und Elisabeth Staegemanns weiterhin von einflußreichen Frauen (allerdings nicht jüdischer Herkunft) geleitet und die Zusammensetzung der Salonbesucher keineswegs konservativ geprägt sieht. 133
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Wilhelmy (1989), S. 106. Dittmer (1992), S. 331. Dittmer (1992), S. 3 3 1 ; vgl Scheuner (1980), S. 4 1 , worin der Tischgesellschaft die Beamten abhanden gekommen sind und sie ganz »als Vereinigung von konservativen Romantikern und Militärs« gesehen wird. Dittmer (1992), S. 324. So folgt auf die Feststellung, daß etwa ein Drittel der Mitglieder »sich aus Räten und anderen Angehörigen der Ministerialbürokratie« zusammensetzten, die Behauptung, daß in der Tischgesellschaft »die konservative preußische Bürokratie dominierte« (Dittmer (1992), S. 328f.), doch wird dies an keiner Stelle durch eine Untersuchung der Biographien dieser aus dem Beamtenstand stammenden Mitglieder belegt. Vgl. Dittmer (1992), S. 326. Vgl. Wilhelmy (1989), S. 106. Dittmer übersieht zudem die Differenz zwischen Salon und Tischgesellschaft als Verein bezüglich ihrer Organisations-
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Erst in jüngster Zeit ist die Rolle der Tischgesellschaft im Rahmen der deutschen Nationalbewegung wieder in den Blick der Forschung gerückt. In einer ersten Untersuchung zum nationalen Selbstverständnis der Tischgesellschaft (Nienhaus, 1994b) versuchte der Verf., in den Texten der Tischgesellschaft eine - mit der sich rasch wandelnden historischen Situation in engem Konditionsverhältnis stehende - Diskussion über einen preußischen, und dann im Verlauf der Befreiungskriege immer entschiedener gesamt-deutschen Vaterlandsbegriff zu rekonstruieren. Die deutsche Tischgesellschaft habe keineswegs grundsätzlich in Opposition zur Regierung Hardenberg gestanden, nur deren zunächst vorsichtiger Aussenpolitik habe sie eine radikal antifranzösische Haltung entgegengestellt und im Falle der Judenemanzipation eine antisemitische Einstellung vertreten, die in ihrem Kern nicht mehr traditionell religiös, sondern deutlich politisch motiviert gewesen sei. 134 Die ältere Forschung habe oft deshalb keine klare Orientierung der Tischgesellschaft ausmachen können, weil sie die Texte stets aus dem Blickwinkel der Forschung zum Werk eines einzelnen Autors (Kleist oder Arnim) interpretierte. Gerade im Falle Arnims lasse sich aber erkennen, daß seine Äußerungen im Kreis der Tischgenossen in einigen Fällen sich scharf von anderen unterscheiden, die er außerhalb dieses Kontextes in für das allgemeine Publikum bestimmten Publikationen, aber auch in vertraulichen Mitteilungen an Freunde machte. Generell verleihe die eingeschränkte Öffentlichkeit der Versammlungen der Tischgesellschaft den Dokumenten aus der Geschichte dieses Vereins den Charakter eines zusammenhängenden Textcorpus.
4.2. Neuere Untersuchungen zum Antisemitismus der Tischgesellschaft Das Hauptinteresse der neueren Forschung zur Tischgesellschaft gilt deren antijüdischer Haltung. Noch vor der Veröffentlichung der als maschinenschriftliche Dissertation an einer ostdeutschen Universität allerdings nicht leicht zugänglichen, umfangreichen neuen Quellendokumentation Härtls erscheint 1969 ein Aufsatz von Eckart Kleßmann, der
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struktur, wenn er sie als gemeinsames Phänomen neuartiger konservativer »Zusammenschlüsse« (Dittmer, 1992, S. 327) betrachten möchte. Vgl. dazu Nienhaus (1995); Moßmann (1996).
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unter dem Titel >Romantik und Antisemitismus< das bisher publizierte Material zur Tischgesellschaft in einer pointierten Darstellung ihres Antisemitismus zusammenfaßt. In seinem Urteil über die Tischgesellschaft folgt Kleßmann - mit anderem Vorzeichen freilich - dem Steigschen Bild, indem er sie als eine Vereinigung »der politischen Reaktionäre« 135 vorstellt, der »45 Mitglieder [...] vor allem Mitglieder des märkischen Adels« 1 3 6 angehört hätten. Im Übrigen entspricht Kleßmanns Darstellung der These Körners 137 vom politisch motivierten Fremdenhaß, bleibt allerdings hinter dessen differenzierteren Anschauungen (bezüglich der persönlichen Motivation von Arnims Antisemitismus und seiner Bedenken gegenüber der jüdischen Assimilation) zurück. Von einer apologetischen Intention bestimmt ist der Aufsatz von Gisela Henckmann über >Das Problem des >Antisemitismus< bei Achim von ArnimScherze< entbehren für Arnim wie für seine Zuhörer jeder Realisierungsmöglichkeit«. 140 Mit diesem erstaunlichen Hinweis auf die fehlende Anwendung werden von Henckmann die brutalen Vernichtungsphantasien in Arnims Tischrede zu Äußerungen von »Abneigung, Arger, vielleicht auch Haß gegenüber den Juden« verharmlost, die ausschließlich den Zweck des »>Aussprechen[s]Belachen[s]Rezeption judenfeindlicher Blutschuld-Mythen durch die Romantiken, 1 5 7 die sich u.a. mit der Tischrede Arnims >Ueber die Kennzeichen des Judenthums< befaßt, das »sozialpsychologische [...] Motiv« für deren »aggressive[s] Potential«: »die Angst vor einer sozialen Gruppe, deren allmähliche kulturelle und rechtliche Angleichung als Bedrohung für den eigenen sozialen Status empfunden wird«. 1 5 8 Es handele sich daher um einen »durchaus ernst gemeintefn] Versuch der Abgrenzung und Distanzierung«, wobei gerade der versöhnliche Schluß der Rede keinesfalls ernst zu nehmen, sondern im Kontext der gesamten Tischrede gleichfalls nur als »satirisch« 159 aufzufassen sei.IÄ° Günter Oesterle IÄI stellt hingegen die antijüdische Haltung der Tischgesellschaft wieder in den Zusammenhang ihrer politischen Position: »Der hier geäußerte moderne Antisemitismus ist eine Antwort auf die gesetzlich inaugurierte Judenemanzipation. « ' 6 2 Gegen eine Verharmlosung des antisemitischen Charakters der Tischreden unter Hinweis auf ihren satirischen Stil wirft Oesterle »die Frage nach dem Charakter einer Witz- und Lachkultur auf, die aus dem Einverständnis über das Nichtige in Tilgungs- und Ausmerzungsphantasien ein Vernichten macht und unerkannt in blanken Zynismus übergeht.« 163 Der romantisch-arabeske Darstellungsstil erreiche durch seine Durchbrechung eines vernünftig-geordneten Weltbilds mittels Groteskem, Widersinnigem die Aktivierung kollektiver, mentaler Vorurteile, indem er »in Fiktionspartikeln die angeblich >alte Natur durchschimmern^ 1 6 4 lasse. Der Ausschluß der Juden aus der Tischgesellschaft habe angesichts der Tendenz zur rechtlichen Gleichstellung die Aufgabe, so156 157 158 160 161 162
164
Frühwald (1989), S. 90. Och (1992); vgl. Och (1995), S. 273-292. Och (1992), S. 87. Och (1992), S. 87. Vgl. auch Riedl (1994), S. 90-93. Oesterle (1992). Oesterle (1992), S. 67. Oesterle (1992), S. 62. Oesterle (1992), S. 64. 328
ziale Distinktion und Ausgrenzung nun im Bereich der Geselligkeit öffentlich zu manifestieren; gleichzeitig richte er sich gegen die von Frauen geprägte Salonkultur, die nun »von einer von Männern getragenen Wirthausgeselligkeit, die antijüdischen Vorurteilen Raum gibt«, 165 abgelöst werde. Allerdings sieht Oesterle in der dem sozial deklassierten Judentum verwandten prekären Situation der mit der Romantik erstmals erscheinenden Figur des »freischwebenden Intellektuellen« ein weiteres mögliches Motiv für den Antisemitismus der Tischgesellschaft (und vor allem Brentanos) verborgen: Sei der Antisemitismus der Berliner Romantiker womöglich gerade deshalb so aggressiv gewesen, weil »sie versuchten von ihrem skandalisierten, ihnen anrüchigen Ebenbild Abstand zu gewinnen?«' 66 Im Spannungsfeld zwischen Akkulturationsbestrebungen und Emanzipations-gesetzgebung einerseits, traditionellem Judenhaß, sozialer Konkurrenzangst sowie Ausgrenzung des Fremden bei der Suche nach nationaler Identität andererseits habe ich in einem 1995 veröffentlichten Aufsatz versucht, den Antisemitismus der Tischgesellschaft zu bestimmen. Eine zentrale Rolle spiele eine neue Begründung des Judenhasses im Rahmen der entstehenden deutschen Nationalbewegung, die Denunzierung der Juden als »Feinde im eigenen Lande«, die im patriotischen Kampf gegen das übermächtige napoleonische Frankreich eine Stellvertreterposition des Fremden im Innern übernehmen. Durch den rassistischen Ausschluß auch getaufter Juden sei in der »Realität der Versammlungen der Tischgesellschaft [...] die radikalste Lösung des Judenproblems erreicht«:' 67 Dieser Antijudaismus enthält auch deshalb bereits alle Elemente eines modernen Antisemitismus, weil er sich nicht als propagandistische Begleitung des herkömmlichen Progroms als Ventil der unteren Stände präsentiert, sondern einen ideologischen Betrag zur sozialen Organisation der führenden Gesellschaftsschicht Berlins darstellt.' 68
Unabhängig von meiner Untersuchung kommt Susanna Moßmann in ihrem Aufsatz zum Verhältnis von Antisemitismus und Nationalbe-
Ié
' Oesterle (1992), S. 78. Oesterle (1992), S. 80. 167 Nienhaus (1995), S. 24. 168 Nienhaus (1995), S. 27. 166
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wußtseinAntisemitismus< zu etikettieren, vermehrt [...] die Gefahr seiner Wiedergeburt.« 177 In den Forschungsarbeiten zur Tischgesellschaft überwiegt deutlich die Verwendung des Antisemitismus-Begriffs. Die Tatsache, daß Untersuchungen, die im Übrigen konsequent den Antijudaismus-Terminus benutzen, in jenem Fall gleichwohl um das Attribut »antisemitisch« nicht herumkommen, 178 bestätigt die auch in der allgemeinen Antisemitismus-Forschung dominante Position, »daß auf der Ebene der Motive und Ziele die Entstehungszeit des modernen Antisemitismus auf die Emanzipationszeit vorzudatieren« 179 ist.
5. Zusammenfassung: D i e Macht der einfachen Bilder Seit etwa einem Jahrhundert ist Reinhold Steigs »christlich-deutsche Tischgesellschaft« in den literaturgeschichtlichen und historiographischen Handbüchern präsent. 180 Von der zu Anfang des 19. Jahrhunderts tatsächlich von Ludwig Achim von Arnim als »deutsche Tischgesellschaft« gegründeten Vereinigung unterscheidet sie sich durch ihre politische und soziologische Eindeutigkeit, die sich auf die griffige Formel von der »antihardenbergschen Junkerfronde« reduzieren läßt. Die historische Tradierung bedarf prägnanter Bilder, welche in überschaubaren Toposräumen des kollektiven Gedächtnisses dem Geschichtsschreiber verfügbar sind. Der Zwang zur Reduktion von Komplexität ist so groß, daß Korrekturen an der einmal in die Handbücher gelangten Darstellung eines Ereignisses nur schwer durchgesetzt werden können, wenn sie nicht die eine Formel durch eine neue, andere austauschen, sondern die klar gezogenen Konturen des Bildes zu verwischen drohen. Gerade in der Geschichtsschreibung herrscht eine das Quellenmaterial in auswertender Selektion reduzierende Erinnerungsökonomie, und kri177 178 179 180
Hirsch (1994), S. 159. Vgl. Frühwald (1989), S. 78. Erb/Bergmann (1989), S. 13. Beispiele aus jüngster Zeit: Schanze (1994), S. 62f.; Meid (1999), S. 95.
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tische Zweifel gegenüber einer stereotypen Ansicht werden oft für lange Zeit nur im Kreis der Fachspezialisten zur Kenntnis genommen, gelangen aber bloß schwer in die Uberblicksdarstellungen von historischen Prozessen. Wie der Forschungsbericht zeigt, ist es Steig bei seiner Konstruktion des historischen Ereignisses »christlich-deutsche Tischgesellschaft« gelungen, die Grenze zwischen Quelle und Kommentar so zu verwischen, daß ausschließlich auf dem eigenen politischen Standpunkt gegründete Urteile scheinbar von der Autorität der Dokumente mitgetragen wurden. Der Position des besten Fachkenners des Gesamtphänomens »Tischgesellschaft« konnte eine Detailkritik genausowenig etwas anhaben, wie in jüngeren Zeit fundierte und grundsätzliche, aber in Dissertationen versteckte Revisionen sich nicht durchzusetzen vermochten gegenüber der Steigschen Handbuchformel, die zu einer solchen geworden war, als die germanistische und die allgemeinhistorische Historiographie noch kaum als getrennte Fachdisziplinen wahrgenommen wurden. Seit Meineckes >Weltbürgertum und Nationalstaat (1908) galt Steig für die Historiker als Quellenschrift. Daß ihm Spezialisten aus der Kleist- und der Brentano-, Arnim-Forschung bald nicht nur einseitige und spekulative Auslegungen, sondern auch eine tendenziöse und das Gesamtbild der deutschen Tischgesellschaft bewußt verfälschende Darbietung bzw. Auswahl der Dokumente nachwiesen, konnte die Dominanz der Steigschen Formel nicht brechen. Ob im kritischen oder im affirmativen Gebrauch wurde damit bis heute eine deutsch-nationalistische Sicht auf die wichtigste, mit der sogenannten »Politischen Romantik« identifizierte, Gruppenbildung der napoleonischen Zeit perpetuiert. Die Tischgesellschaft wurde gefeiert (oder verdammt) als Kern der deutschen Nationalbewegung, Kleist mit seinen >Abendblätter< als Stratege der publizistischen Aktion wurde im Verein mit den Tischgenossen gesehen als Held (oder als Missetäter) eines damals zwar gescheiterten, aber vom Bismarck-Reich endlich eingelösten Kampfes um die Einheit Deutschlands. Doch widersprechen nicht nur der Texte der Tischgesellschaft diesem Kurzschluß zwischen der politischen Tendenz des Vereins und dem späten Resultat des zweiten deutschen Kaisertums (der freilich, wenn man nun einmal einen Gedanken auf derartige Spekulationen verschwenden will, was den Führungsanspruch Preußens betrifft, im Kreis der Tischgenossen wohl kaum auf Widerspruch gestoßen wäre); darüber hinaus waren auch insgesamt die Positionen der wichtigsten
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Vertreter des Patriotismus und des Nationalismus in Preußen nach Jena/ Auerstedt keineswegs einheitlich eingeschworen auf einen deutsch-nationalen Nationalismus; weder läßt sich eine derartige Uniformität der Ansichten unter den prominentesten Vertretern des patriotischen Diskurses in Preußen vor 1810, noch für die Zeit ab 1 8 1 1 unter den Tischgenossen ausmachen.
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VI. Die deutsche Tischgesellschaft. Eine Neubewertung
Der geheime Obersteuerrat Peter Christian Wilhelm Beuth, in der Geschichte Preußens zu Recht als einer der Reformer erinnert, gab an der Wirtstafel im Kreis der Tischgenossen makabre antisemitische Plattheiten von sich. Achim von Arnim, kein Freund der Hardenbergregierung, aber gleichfalls fest davon überzeugt, daß die vom Freiherrn vom Stein eingeleiteten politisch-gesellschaftlichen Erneuerungen unumgänglich sind, hielt in der deutschen Tischgesellschaft seinen satirischen Vortrag >Ueber die Kennzeichen des JudenthumsStiftungslied< Arnims propagandierte eine patriotische, selbstverständlich indirekt antifranzösische, damit aber noch lange nicht deutsch-nationalistische Haltung. Die Tischgesellschaft, die sich das Attribut »deutsche« erwählt hatte, zeigte sich in ihrem ersten Grundsatztext deutlich preußisch-partikularistisch orientiert. Arnim vertrat persönlich einen Begriff von Nation, der - wie unscharf auch immer - auf eine deutsche Einheit qua deutscher Sprache und Kultur abzielte; im >Stiftungslied< jedoch waren mit Nation in erster Linie der preußisch-brandenburgische Hohenzollernstaat und seine Untertanen gemeint.1 Dem »deutschen Stamm«, dem »Volk« der Preußen obliege es, sich gegen die »Fremden« zu wehren und seine »Krone« d.h. seine Herrschaftsform und seinen Staat, zu erhalten. Mit der offensichtlichen Anspielung auf Novalis (»Daß sich Glaub> und Liebe finde«) stellte Arnim eine Verbindung zu den frühromantischen Anfängen des Luisen-Kultes her, und die Nähe der Verse des >Stiftungslieds< Unsres Volkes treue Herzen Bindet eine Geisterhand
zur am 5. August 1810 gehaltenen Predigt Schleiermachers2 anläßlich der >Gedächtnisfeier der hochseligen Königin Majestät< ist an der Stelle evident, an welcher dieser seine Forderung nach der Einheit von Herrscher und Volk in der Trauer um die verklärte Luise verwirklicht sieht: »[...] nicht überall, das Zeugnis dürfen wir uns geben, verbindet ein so inniges und festes Band der Liebe das Volk mit seinen Fürsten, als dieses treue Volk mit dem erhabenen und gesegneten Hause, welches über uns
1
2
Für Arnim erhielt Preußen als das »engere Vaterland« (Nr. 33) seine Identität erst durch die Einbindung in das >weitere< Vaterland Deutschland (vgl. Nienhaus, 1994 b). In einem entsprechenden Sinne empfiehlt Beckedorff im Herbst 1 8 1 1 einen gewissen Leutnant von Steinaecker der Tischgesellschaft als Gast, indem er ausdrücklich hervorhebt, daß dieser »ein guter Preuße und Deutscher« sei (an Arnim, 9. Oktober 1 8 1 1 , Weiss, 1986, S. 228). Wülfing/Bruns/Parr (1991, S. 89) weisen - ohne Nennung Schleiermachers - darauf hin, daß nach dem Tode Luises »protestantische Geistliche und mit ihnen die preußische Staatskirche mehr und mehr die Trägerschaft des Mythos« übernehmen.
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herrscht.«3 Die Trauer um die Königin war der Probierstein für die Treue des preußischen Volkes zu seiner gefährdeten Monarchie und eben kein Identifikationsangebot auf deutscher nationaler Ebene. 4 N o c h deutlicher wird dieser preußisch-nationalistische Konsens der deutschen Tischgesellschaft an den Wandlungen Fichtes. Wenige Jahre zuvor hatte dieser für den partikularistischen Patriotismus nur blanken Hohn übrig, doch als er im Sommer 1 8 1 1 das Amt des Vorsitzenden der Tischgesellschaft übernahm, prostete er den Mitgliedern zu: Es lebe die Krone, Sie steig' auf in der alten Pracht, Ausgerüstet mit der alten Kraft, Umgeben von der alten Treue. Die im >Stiftungslied< entworfene Geschichtsvision war mit der Berufung auf die deutschen Ordensritter, die Selbstkrönung Friedrichs I. und nicht zuletzt die zeitgenössische Königin Luise rein preußisch. Friedrich August Staegemann verfaßte für die Versammlungen zwei Lieder, 3 4
Schleiermacher, Sämmtliche Werke, 2. Abt., Bd. 4, S. 55. Genau in die Gründungszeit der Tischgesellschaft fällt eine über Bettina übermittelte Bitte Brentanos an Beethoven um die Vertonung seiner LuisenKantate (in einem nicht erhaltenen Brief vom 10. Januar 1811). Beethoven lehnt in einem Schreiben an Bettina vom 10. Februar 1 8 1 1 mit folgender bezeichnender Begründung ab: »Wegen Clemens Vielen Dank für sein entgegenkommen, was die Kantate, [sie!] so ist der Gegenstand für unß hier nicht Wichtig genug, ein anderes ist's in Berlin [...]« (Beethoven, Briefwechsel, Bd. 2, S. 178). Theodor Körner unternimmt 1813 in seinen Kriegsliedern den Versuch, Luise von ihren rein preußischen Attributen zu entkleiden und damit der deutschen Nationalbewegung insgesamt als mythische Gestalt anzubieten. Heißt es in dem Lied >An die Königin Luise< in der ersten Strophe noch »Verklärter Engel! Länger weine nicht!/ Denn Preußens Adler soll zum Kampfe wehen«, so wird daraus in den Schlußversen der dritten: »Luise sei der Schutzgeist deutscher Sache,/ Luise sei das Losungswort der Rache!« (Werke, S. 19Í.). Die Tilgung der preußischen Attribute zugunsten einer Umdeutung Luises zur »deutschen Frau« in dem späteren berühmten Gedicht >Vor Rauchs Büste der Königin Luise< mit den Versen »Kommt dann der Tag der Freiheit und der Rache,/ Dann ruft Dein Volk; dann, deutsche Fraul erwache« (Werke, S. 4) entspricht der in den Befreiungskriegen zumindest für einen gewissen Zeitraum dominierenden, überwiegend antipartikularistischen, auf die Erhebung ganz Deutschlands gegen das napoleonische Frankreich abzielenden nationalistischen Tendenz. Die Heranziehung eines der Hohenzollerndynastie entstammenden Mythos spiegelt die Hoffnungen wider, welche die deutsche Nationalbewegung insgesamt in das militärische und auch in das politisch-diplomatische Potential des Preußenstaates setzte. Vgl. Wülfing/Bruns/Parr (1991), S. 9of. 337
in denen das Firmament preußischer Nationalmythen noch durch die Hinzufügung Friedrichs II. und Prinz Louis Ferdinands komplettiert wurde. Die deutsche Tischgesellschaft vertrat vor den Befreiungskriegen einen preußischen Nationalismus, ihr sollte durch die Tischreden das Selbstbewußtsein eines sich dem Verfall des Hohenzollernstaates entgegenstemmenden Bollwerks, einer das treue Volk repräsentierenden Ersatzöffentlichkeit vermittelt werden. Während allgemein das Vertrauen in Fortbestand und Regenerationsfähigkeit des Preußenreiches schwand, sahen die Tischgenossen voller Zuversicht - wie es in einem politischen Lied Arnims heißt - »noch auf seinen [Friedrichs] Thron« und feierten unbeirrt den Tod fürs Vaterland, welcher der preußischen Nation weiterhin eine Zukunft (und dem für sie Gefallenen in der kollektiven Erinnerung Unsterblichkeit) versprechen sollte.5 Die meisten Texte der deutschen Tischgesellschaft sind immer auch als Beiträge zu einer ideologischen Wiederaufrüstung Preußens für einen Revanchekrieg gegen Frankreich zu lesen. In diesen Zusammenhang gehört die antisemitische Tendenz des Vereins. Die demonstrative Haltung der deutschen Tischgesellschaft gegen eine soziale Integration der jüdischen Bevölkerung wurde in der zeitgenössischen Öffentlichkeit bemerkt und stand überwiegend im Zentrum der Zeitungsnachrichten. Die Treue zum Herrscherhaus, das Vertrauen in die Kraft der preußischen Tradition bedürfte, um als ideologisches Band der Tischgesellschaft zu wirken, der Abgrenzung nach außen. Selbstverständlich mußte man »alles Französische herzlich hassen«, konnte aber diesen Haß auf den überlegenen äußeren Fremden nur indirekt aussprechen. Der halb scherz-, halb ernsthafte »Krieg« gegen Phili5
Die Nähe der Vereinigung zum preußischen Herrscherhaus geht aus den Notizen Fichtes für das Tageblatt einer Versammlung im Sommer 1811 hervor, worin von einer Diskussion »über des Herrn v. Arnim Vorschlag, auf Aufforderung Sr.Kgl. Hoheit pp 100 Rthr. aus der Kasse für die allgemeine KriegsLage herzugeben,« berichtet wird. Nicht die Frage, ob, sondern nur, wie man die beträchtliche Summe aufbringen wollte, stand zur Debatte; in einer politisch heiklen Situation, in der die Spannungen zwischen dem Zarenreich und Frankreich auf den baldigen Ausbruch eines Krieges deuteten, bei welchem Preußen sich zwischen den beiden Parteien zu entscheiden haben würde, war für die Tischgenossen ein konkreter materieller Beitrag zur militärischen Rüstung selbstverständlich. Am Hof und in der Regierung zählte man die Gesellschaft offensichtlich zu den patriotischen Vereinen, die man in einer Notsituation direkt um Zuschüsse zur Staatskasse ansprechen konnte.
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ster- und Judentum dürfte sich dagegen in den Tischreden unzensiert austoben. Dies geschah in der traditionellen Schelte auf den »erstorbenen Mechanismus in der Welt«, die rationalistische und geldwirtschaftliche Nivellierung des Lebens, für die der phantasielose Philisterbürger und der - wie in der Nachfolge Grattenauers Brentanos >Philister< wie auch die anderen Tischreden des Frühjahrs 1 8 1 1 immer wieder betonten - nur oberflächlich akkulturierte, in Wahrheit aber dem christlich-deutschen Wesen ewig fremd bleibende Jude gleichermaßen verantwortlich gemacht wurden. Die Glocke des Versammlungsleiters verkündigte mit ihrem Namen »concordia« die Eintracht, die »Freundschaft« der Tischgenossen und ihr »Geläute« sollte »Scheinlebendige schrecken« und die »Juden laut verdammen«. Die Juden standen aber nicht nur für das menschlich Verfehlte, das Mechanische und Scheinlebendige, dessen Entlarvung Lächerliches bloßlegt, Komik erzeugt und im gemeinsamen Auslachen dem Einzelnen seine Gruppenzugehörigkeit bestätigt. Arnim verwies in zwei Tischreden zudem auf die - gleichfalls zu den Stereotypen der Judenfeindschaft gehörende - Vaterlandslosigkeit der Juden. Die Juden seien »an kein Vaterland gebunden« und schöpften daher »jedes Landes Vortheile« ab, und die Erfahrung habe »gezeigt, daß sie in Kriegen mit überraschender Leichtigkeit zu jedem Sieger übergingen, oder auch wo Vortheil durch Not zu hoffen, überall wurden sie als Spione gebraucht«. Sich über die >Kennzeichen< der Juden klarzuwerden, hieß somit, potentielle Verräter von der Tafelrunde fernzuhalten. Die Juden wurden nicht nur wie die Philister als die Langweiligen, Freudlosen und daher einer fröhlichen Tischgenossenschaft nicht Angemessenen betrachtet, sondern darüber hinaus als der feindliche Fremde. Wer sie bekämpfte, leistete nach dieser antisemitischen Sicht etwas zur Verteidigung des Vaterlandes gegen die Gefahr, die ihm von Innen drohte. So wie der äußere Feind Frankreich der deutschen Nation keinen Raum für eine eigene Geschichte mehr lassen wollte, so sah man sich im Innern von den Juden bedrängt.* Arnims Auseinandersetzung mit Moritz Itzig 6
So schreibt Wilhelm Grimm Ende 1809 aus Berlin an Louise Reichardt: »Diesem fatalen Volk kann man gar nicht ausweichen, und es will ordentlich für gleich geachtet sein, sie würden sich längst alle in Berlin haben taufen lassen, wenn sie nicht hofften, es solle in Zukunft wohlfeiler geschehen; wer dann ein braver Christ ist, muß ein Jude werden, um nicht unter sie zu gerathen.« (Steig, 1904, S. 78; Hinw. bei Härtl, 1993, S. 190). Verblüffend ist wiederum die Nähe zu vergleichbaren Auslassungen über die Franzosen in Arndts >Geist der Zeitc »Von jeher habe ich nicht gern viel mit
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eskalierte deshalb zu einem Skandal, weil beiden Seiten das Prinzipielle daran vollkommen bewußt war. Arnim und seinen Tischgenossen ging es darum, Itzig als Juden unbedingt vom - wie Beckedorff es nannte »ritterlichen Zweikampf« fernzuhalten; Itzig mußte diese Aberkennung seiner Satisfaktionsfähigkeit als Bürger und Jude doppelt schmählich erscheinen. Allen Beteiligten war klar, daß hier die Emanzipation, deren rechtliche Verwirklichung in Preußen unmittelbar bevorstand, auf sozialem Terrain schon vorab widerrufen werden sollte. Die Verknüpfung des Hasses auf die Franzosen mit demjenigen auf die Juden 7 ging einher mit einem Austausch zwischen den jeweiligen Stereotypen, die zur Begründung der Aversion herangezogen wurden. Es ist erstaunlich, wie sehr z.B. in den Schriften Grattenauers und Arndts die dem Nachbarvolk zugeschriebenen negativen Eigenschaften denjenigen, die man für stabile Fehler des jüdischen Nationalcharakters hielt, glichen: Deutscher Ursprünglichkeit und Schlichtheit, Treue und Aufrichtigkeit, Reinheit, Tugendhaftigkeit und deutschem Mut stehen bei Juden wie bei Franzosen Oberflächlichkeit und Künstlichkeit, Verrat, List und Verstellung, Schmutzigkeit, Wollust und Feigheit gegenüber.8 Es handelte sich dabei um Völkerstereotypen, wie sie sich in der langen Tradition des Judenhasses seit dem Mittelalter immer wieder finden lassen. Wichtig und neu war für die Zeit der Franzosenkriege und unter den Tischreden vor allem in denjenigen Brentanos, Arnims und Beckedorffs - der entschiedene Rückgriff auf diese Eigenschaftsbil-
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ihnen zu tun gehabt, und nun besetzen sie alle Zugänge und Wege der Geschichte so breit und übermütig, daß man nicht einen Schritt tun kann, ohne auf sie zu stossen.« (Werke, T. 6, S. i y y). Die Verknüpfung des Franzosen- mit dem Judenhaß findet sich explizit bei Arndt: »[...] die Franzosen, die man schlechte verfeinerte Juden nennen kann, eine Vergleichung, wobei man den armen Juden noch himmelschreiendes Unrecht thut.« (Brief an seine Schwester Dorothea, 20. April 1814, Dühr, 1972/73, Bd. 1, S. 365). In einer Schrift aus der gleichen Zeit bezeichnet Arndt die Juden als »verdorbenes und entartetes Volk« (Arndt, 1814, S. 193). Hierzu paßt Heines an Börne anschließende ironische Bemerkung über den »Franzosenfresser« Menzel, der in seiner Zeitschrift »täglich ein halb Dutzend Franzosen abschlachtete und mit Haut und Haar auffraß; wenn er seine sechs Franzosen verzehrt hatte, pflegte er manchmal noch obendrein einen Juden zu fressen, um im Munde einen guten Geschmack zu behalten, pour se faire la bonne bouche.« (Heine, Sämtliche Schriften, Bd. H , S. 455; s. Kaiser, 1989, S. 37). Vgl. Jeismann (1992), S. 81; Grattenauer, (1803b), S. 2off.; Richter (1909), S. 39ff. 340
der und ihre Bündelung im komplementären Feindbild von Juden wie Franzosen. Jeder Assimilationsversuch der deutschen Juden durch Taufe und Annahme der Sitten wurde angesichts der durch die »Nationalerziehung« wiederzuerlangenden Reinheit des »Urvolks« und der natürlichen, unwandelbaren Fremdheit des jüdischen Volkscharakters nur als Schein und Verstellung ausgelegt. Die Bemühungen der preußischen Regierung um eine rechtliche Gleichstellung der Juden hielt man für etwas nur von der französischen Besatzungsmacht Aufgezwungenes. Ein politischer Kommentar, wie ihn beispielsweise die Augsburger >Allgemeine Zeitung< am 20. April 1 8 1 1 aus einem »Hamburger Blatt« zitierte, war kaum geeignet, die Sympathien der preußischen Nationalisten für die Judenemanzipation zu stärken: »Napoleon, durch sein Beispiel allein, hat den Juden ihre Menschenrechte wiedergegeben.« Der Schritt von einer solchen N o t i z zu der Aussage, daß die Juden stets auf der Seite der Franzosen und gegen das Vaterland stehen würden, war zweifellos gering. Spätestens im Zusammenhang mit den E r fahrungen der Befreiungskriege dürfte das Vorurteil vom Juden als vaterlandslosen Gesellen ins Wanken geraten sein.9 Die Tischreden aus den Jahren 1 8 1 3 - 1 5 zeugen von einer Öffnung des preußischen Nationalismus der Tischgesellschaft auf ganz Deutsch9
Bezeichnend für den - später u. a. von Staegemann mit dem Hinweis auf den Heldentod Moritz Itzigs bestätigten - Anteil der akkulturierten Berliner jüdischen Bürgerschaft am preußischen Patriotismus ist der Beitrag zum Kult um Luise mit dem von L. M. Büschenthal verfaßten achtstrophigen Gedicht >Ueber den Tod ihrer Majestät der Königin von Preußens das in der von David Fränkel herausgegebenen >Sulamith. Zeitschrift zur Beförderung der Kultur und Humanität unter den Israelites, gedruckt wurde (3. Jg., ι. Bd., 1810, S. 385-388). Fränkels in Kassel erschienene Zeitschrift vertrat die Positionen einer jüdischen Aufklärung, der es um die Reinigung der Religion von abergläubischen Zusätzen und um die bürgerliche Gleichstellung der Juden ging. Zur Betonung der Tatsache, daß das Judentum nur eine Religionszugehörigkeit bezeichne, hatte die Zeitschrift ihren Untertitel »unter der jüdischen Nation« 1 8 1 0 in »unter den Israeliten« geändert. Vgl. Stein (1937). Laut Staegemann war unter den jüdischen Salonnieren Wiens in der Anfangszeit des Kongresses eine starke patriotische Begeisterung für Preußen verbreitet: »Man sagt oft, die Juden hätten kein Vaterland. Aber Frau v. Eskeles bekommt Krämpfe, wenn gegen Preußen gesprochen wird, und Frau v. Arnstein sagt den Leuten Grobheiten und ist außer sich. Sie kompromittiert einen durch ihren ungestümen Patriotismus, sagt Humboldt.« (Brief an seine Frau vom 16. Nov. 1814; Abeken,iClemens Brentancx.
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chentagen in den Gasthäusern trafen. Der große Erfolg der deutschen Tischgesellschaft läßt sich nur dadurch erklären, daß man bei solchen Versammlungen, auf denen witzige Attacken gegen Philister und Juden brillant vorgetragen wurden, nicht fehlen wollte. Vor allem der Eindruck von Brentanos >PhilisterVolksliederEinsiedlerzeitung< weiter verfolgt worden war. Die Besinnung auf Traditionen altdeutscher, christlicher Kunst und Versuche zu deren Wiederbelebung, die Fortsetzung und Wiederaufnahme des frühromantischen Goethe-Kults, dem Arnim Schiller zur Komplettierung des »Dioskuren«-Paares (der Begriff wird meines Wissens von ihm zuerst auf die Weimarer Autoren gemünzt) hinzufügte, stellten Kernstücke des Kulturprogramms der Tischgesellschaft dar. Brentano pries Goethe in seiner >PhilisterTafelspruch< über >Goethe und Schillers trug eine Parodie des >Lieds von der Glocke< vor und schickte von seiner WeimarReise hymnische Stanzen über Goethes Geburtstagsfeier. Die Romantiker rezitierten vor den versammelten Tischgenossen »vaterländische« »Geschichten und kurzweilige Schwänke«, die in einem Buch als »Schatz der Erinnerung unsrer Geselligkeit« aufgeschrieben wurden. Man versuchte auch nach dem Vorbild der Liedertafel, von deren Musikern mit Zelter, Wolfart, Grell und Flemming immerhin vier zu den Mitgliedern zählten, den Chorgesang von Volksliedern. Altdeutsche Kupferstiche wurden vorgezeigt, und Arnim hielt eine Tischrede, in der er Kopien altdeutscher Tafelbilder vorstellte und den Aufbau einer regelrechten Kunstsammlung nach der Weise der erst später sich bilden11
Hitzig an Fouqué, 15. April 1811; Dorsch (1994), S. 219. 344
den Kunstvereine anregte. Alles in allem belegen die Zeugnisse aus den ersten beiden Jahren der deutschen Tischgesellschaft ein buntes und lebendiges Kulturprogramm, dessen leitendes Prinzip sich als Politisierung der Ästhetik umschreiben läßt. Während die direkt politischen Tischreden der Zeit um 1811/12 den rein preußischen Nationalismus der Berliner Tischgenossen ausdrückten, waren in die übrigen Diskurse die von A r n i m und Brentano vertretenen Positionen einer deutschen Nationalkultur integriert. Entsprechend dem für die deutsche Tischgesellschaft signifikanten Widerspruch zwischen unromantischer Vereinsgeselligkeit und romantischem Kulturprogramm, läßt sich inhaltlich ein Unterschied ausmachen zwischen preußisch-partikularistischer Orientierung der politischen Gedichte vor 1813 oder z . B . der offiziellen Tischreden der »Sprecher«, der Vorsitzenden, bei
Amtsübernahme
bzw. -abgabe einerseits und den scheinbar unpolitischen Vorträgen über Kleinkunst oder hohe Kunst andererseits, die eine Erweiterung des N a tionbegriffs im Sinne einer gemeinsamen deutschen Kulturnation vertraten. Durch dieses Nebeneinander von romantischem Kulturprogramm und politisch-programmatischen, preußisch-nationalistischen Tischreden wurde der Keim gelegt für die Verknüpfung von preußischem und deutschem Nationalismus, die auf den festlichen Sitzungen aus Anlaß des Vereinsstiftungstages 1 8 1 3 - 1 5 in den politischen Liedern Arnims und in seiner Tischrede v o m Januar 1815 verkündigt wurde. A u c h in diesen Texten wurde auf die wichtigste Figur der preußischen Nationalmythen, auf Friedrich II., nicht verzichtet, doch wurde ihm nun eine auf ganz Deutschland bezogene Deutung verliehen. Er stand nun für die H o f f n u n g auf eine Führungsrolle Preußens im »heiligen Krieg« 1 2 gegen das napoleonische Frankreich. Friedrich lehrt in sieben Jahren Ueber alle Welt im Siege, Daß ein Stamm der Deutschen gnüge, Völkerfreiheit zu bewahren. heißt in einem Lied Arnims zu Friedrichs Geburtstag >Dem 24 Januar I8IJDer deutsche Völkerbund
Am 28sten März i8i3< (Sämmdiche Werke, 2. Abt., Bd. 4, S. 70). 345
im von ihm geleiteten >Preußischen Correspondentes veröffentlichte. 13 Und seine Rede von Anfang 1 8 1 5 schloß er mit gleichfalls mit einem Hoch auf Friedrich, in dem die Gründung der preußischen Monarchie zur Stiftungsleistung einer nationalen Identität erklärt wird,' 4 an deren Vorbild sich Deutschlands Rettung und Einigung orientieren müsse: »Hoch lebe in aller Herzen [...] Friedrich, der in dem willenlosen allem Fremden und Ausländischen hingegebenen Deutschlande Preussen begründete, daß Deutschland daraus hervorgehe, gerüstet wie Minerva aus dem Haupte Jupiters. H o c h lebe Friedrich und Preussens Krone!« Ganz Deutschland, hoffte der Redner für die Zukunft, müsse »zur ruhigen Verbindung gelangen« und »seine Einigung« erhalten, und seine »Erwählten« versammeln, dann erst habe die deutsche Tischgesellschaft ihren Zweck erfüllt und sei der Blutzoll, den ihre »für Deutschland Verstorbenen« bezahlt haben, nicht vergebens gewesen. Weder hatte
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Die Instruktionen des preußischen Außenministers von der Goltz für die propagandistische Publizistik zur Zeit der Befreiungskriege liefen mit ihrer Forderung nach »Erregung und Beförderung patriotischer preußischer, echt deutscher Gesinnungen« (Czygan, 1909/11, Bd. 2, S. 120; vgl. Piereth, 1994, S. z6{.) auf eine den Arnimschen Vorstellungen schon recht nahe kommende Verknüpfung des partikularistischen mit dem deutschen Nationalismus hinaus. Selbst Schleiermacher gab in der nationalen Begeisterung der Befreiungskriege in seinem berühmten »politischefn] Glaubensbekenntnis« im Brief an Friedrich Schlegel vom 12. Juni 1813 zwar noch zu bedenken, daß er »nicht so ganz dagegen, daß es Sachsen, Brandenburger, Österreicher und Bayern geben soll«, aber diese »Stammesverschiedenheiten« sollten doch nicht mehr »über die größere Nationaleinheit dominieren« und sie »an den Rand des Abgrundes« bringen dürfen: »Darum ist nach der Befreiung mein höchster Wunsch auf Ein wahres deutsches Kaisertum, kräftig und nach außen hin allein das ganze deutsche Volk und Land repräsentierend, das aber wieder den einzelnen Ländern und ihren Fürsten recht viele Freiheiten läßt, sich nach ihrer Eigentümlichkeit auszubilden und zu regieren.« Die Führung konnte er sich weiterhin nur in Österreichs Hand vorstellen; doch schloß er skeptisch mit dem Zweifel daran, ob dieses »liberal genug wäre, um ein solches Kaisertum zu gründen wie wir es in der gegenwärtigen Zeit brauchen« (Rachold, 1995, S. 224^). In einer politischen Predigt aus dem gleichen Jahr >Am zwei und zwanzigstem Oktober i8i$Entwurf einer teutschen Gesellschaft war Anfang 1814 erschienen und hatte sofort zur Gründung zahlreicher Vereine dieser Art, vor allem im hessischen Raum, geführt. Vgl. Meinecke (1891); Luys (1992); Nienhaus (1994), S. i49f. Die Entstehung der »deutschen Gesellschaften« war eng zeithistorisch an die Befreiungskriege gebunden: »Sie waren ein Sammelbecken für national gesonnene Bürger, die zunächst im Arndtschen Sinn tätig sein wollten. Die Auseinandersetzunge mit nationaler Geschichte, Liedern und Vorträgen führte sie teilweise über den erzieherischen Rahmen hinaus in politische Bereiche« (Luys 1992, S. 44f.). Die meisten dieser Gesellschaften existierten »nur wenige Monate« (Luys (1992), S. 44f.) und repräsentierten das patriotische Bürgertum kleinerer Provinzstädte wie Idstein, Kreuznach, Langenschwalbach, Butzbach, Wiesbaden und auch Heidelberg, wo die »deutsche Lesegesellschaft« zur Keimzelle der Burschenschaft wurde. Kleinster gemeinsamer ideologischer Nenner war der allen diesen Gesellschaften von Arndt vorgegebene Auftrag zur »Belebung einer deutschen, der französischen entgegengesetzten Gesinnung« (Ludwig Snell, Promemoria an das nassauische Staatsministerium vom 7-/9. September 1814; Luys, 1992, S. 5 jf.). Die Regierung des nassauischen Großherzogtums verbot noch im Sommer 1814 die Wiesbadener, im Februar 1815 auch die Idsteiner Gesellschaft wegen politischer Tendenzen und Einmischung in die Regierungskompetenz bezüglich der »großen, gesamten Angelegenheiten des gemeinsamen deutschen Vaterlandes« (so die Formulierung der großherzoglichen »Resolutio Serenissimi« vom November 1814; Luys, 1992, S. 56). Die »deutschen Gesellschaften« waren hinsichtlich ihrer Mitgliederprovenienz, ihrer kulturellen Aktivitäten und ihrer sozialen und politischen Wirkung nur sehr bedingt mit der deutschen Tischgesellschaft vergleichbar. Wenn Arnim in seiner Tischrede seinerseits einen Bezug zu diesen Vereinsgründungen herstellte, so ging es ihm gegenüber Arndt um die Reklamation der Ursprungsidee für die Gründung derartiger Organisationen.
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wähnt; kein Zweifel bestand daran, wer im künftigen nationalen Himmel den Thorn Jupiters für sich beanspruchen konnte. Da für die spätere Zeit bis 1834 außer einem Jubellied Brentanos auf Blücher von 1816 und einem Bericht Varnhagens von dem Besuch einer Versammlung im Jahr 1822 keine weiteren Textzeugnisse vorliegen, sind Vermutungen über die Reaktionen der Tischgenossen auf die für die deutsche Nationalbewegung enttäuschenden Ergebnisse des Wiener Kongresses und der Folgejahre müßig. Mit Arnims Rede von 1815 wurde jedenfalls ein Endpunkt im politischen Selbstverständnis der deutschen Tischgesellschaft erreicht. In dieser letzten politischen Stellungsnahme auf einer Versammlung des Vereins wurde klar und deutlich die Führungsrolle Preußens bei der Bildung der deutschen Nation propagiert, die preußische Geschichtsvision ging in der deutschen Einheitsvision auf. - Makabre Späße über die Juden waren schon lange keine mehr gemacht worden. Arnims Tischrede zum Itzig-Skandal im Juli 1 8 1 1 blieb wohl nicht zufällig die letzte, die sich mit dem Juden-Thema beschäftigte. Bereits im Sommer 1 8 1 1 hatte Fichte bei der Übernahme des Sprecheramtes klargemacht, daß derartige Witzeleien sich für eine »ehrbare Gesellschaft« nicht schickten; das bringe nur »schlimmen Ruhm« und stattdessen solle man sich nun ganz dem »höhern« Ziel widmen, nämlich der Feier der »Krone«, der Wiedergewinnung ihrer »alten Pracht«, »Kraft« und »Treue«.
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Abb.: Karin Fritsch, Tischgesellschaft
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VII. Bio-bibliographisches Verzeichnis der Mitglieder
Die folgende Liste der Mitglieder basiert auf den fünf Handschriften, die Mitglieder der Tischgesellschaft verzeichnen, während ein Manuskript mit Mitgliedervorschlägen (Nr. i) nicht berücksichtigt wurde. ι. Vorschlag zu einer deutschen Tischgesellschaft (Gründungszirkular; GSA 03/262,7, S. 3; Nr. 2). Sigle: Gründ.-Z. 2. Erste Subskription der Philisterabhandlung (GSA 03/262,11, S. 2 - 4 ; Nr. 11). Sigle: Ph I 3. Zweite Subskrition der Philisterabhandlung (GSA 03/262,11, S. 5-6; Nr. 11). Sigle: Ph II 4. Aufforderung zur Verlegung der Versammlungen (Tiergarten-Liste; Varnhagen-Slg. 8, BJ, S. 2; Nr. 17). Sigle: Tierg.-L. 5. Umlaufschreiben an die Mitglieder der deutschen Tischgesellschaft (GSA 03/262,8; S. 2; Nr. 35). Sigle: L.V.1813
Die Mitglieder Alberti, Karl (1763-1829) Beamter Gründ.-Z.; Ph I, Ph II; Tierg.-L. Staatsrat, Freund Arnims noch aus der Studienzeit; Gatte Mine Henslers, einer Stieftochter Reichardts. Als Staatsrat zur Zeit der Tischgesellschaft im Finanzministerium tätig, wo er mit dem Aufbau der Seehandlung beschäftigt war. Regelmäßiger Gast in Elisabeth Staegemanns Salon. Wohnte in Berlin, Acherstr. 8. - Straßen- und Wohnungsanzeiger, S. 168; Neuer Nekrolog, 1829 (1831); Abeken (1908) Bd. 1, S. 128; Wilhelmy (1989) S. 851.
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Arnim, Carl Otto Ludwig von (1779-1861) Diplomat Grund.-Z.; Ph I; Ph II; Tierg.-L. Alterer Bruder Achim von Arnims, mit diesem 1798 auf der Universität Halle, seit 1800 Göttingen; 1 8 0 1 - 0 2 mit dem Bruder auf Kavalierstour durch die Schweiz nach Oberitalien. 1812 an der preußischen Gesandtschaft in Stockholm tätig. Anfang Februar 1813 wird »Pitt von Arnim« (wegen seiner Ähnlichkeit mit dem englischen Minister so genannt) vom Chef der Oberregierungskommission, von der Goltz, im Verein mit Staegemann ausdrücklich als einer der »wilden Agenten« erwähnt, die sich den Maßnahmen der Kommission widersetzten und zum Volksaufstand gegen Napoleon aufriefen. Ab Ende März 1813 angestellt bei der Gesandschaft in London. Carl Otto von Arnim war auch schriftstellerisch tätig und verfaßte u.a.: Napoleon conduct towards Prussia, London 1814 (aus dem Deutschen übersetzt); German National Melodies, mit einer englischen Vorrede und mit deutschem und englischem Text, London 1816, mit z.T. eigenen Kompositionen, später auch mehrere Reiseberichte von seinen diplomatischen Missionen. Seit 1812 Kammerherr, später Obermundschenk des Königs; auch als Theaterintendant berufen. - Koner (1846), S. jf.; A D B ; Answaldt/Devrient (1914-23); Mieck (1987), S. 463. Arnim, Friedrich Ahraham Wilhelm Graf von (1767-1812) Gutsherr Ph I; Ph II F. Abraham W. von Arnim auf Boitzenburg war Schwager und Anhänger des Freiherrn vom Stein. Arndt schreibt in seinen >ErinnerungenAn die deutsche Jugend. Ueber der Leiche Kotzebues< (Hannover 1819) als Hofrat ins preußische Unterrichtsministerium berufen, das er 1827 wegen Konversion zum Katholizismus wieder verlassen mußte. - Brunnengräber (1929); Hamberger/Meusel (1829); Rochow (1908), S. 34f.; Wetzer's und Weite's Kirchenlexikon (1883), Bd. 2, S. 619; ADB, Koehler (1980), S. 130.
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Bernhardt, August Ferdinand ( 1769 -1820) Lehrer, Künstler Phil Philologe (Universität Halle), ab 1808 Direktor des Friedrichswerderschen Gymnasiums und ab 1811 auch Privatdozent; schriftstellerisch tätig (z.B. Schillers Totenfeier, zus. mit Fr. v. Fouqué, Berlin 1806); Freund Fouqués, Neumanns und Varnhagens, Schwager Tiecks. In Ph II: »Professor Bernhardi«; als »Dir. B.« wohnhaft in Berlin, Oberwasserstr. 10. - Straßen- u. Wohnungs- Anzeiger, S. 168; Brümmer (1884); ADB. Beuth, Peter Christian Wilhelm (1782-1853) Beamter Phil Ab 1809 Regierungsrat in Potsdam; gehörte zum »Lichtenberger Kreis«, den Hardenberg bereits vor seiner Ernennung zum Staatskanzler als private Finanzkommission um sich gebildet hatte: »Daß sich unter diesen Ratgebern auch Beamte des Finanzministeriums wie Beuth und Labaye befanden, die ohne Wissen ihres vorgesetzten Ministers, des Freiherrn von Altenstein, Hardenberg Finanzakten mitteilten, hatte ja Niebuhr so in Harnisch gebracht und zu wenig schmeichelhaften Bemerkungen veranlaßt über jene, die allzu rasch bereit waren, sich die Gunst des kommenden Mannes mit solchen unredlichen Mitteln zu sichern« (Klein, 1965, S. 256). 1 8 1 1 - 1 8 1 3 Geheimer Obersteuerrat im Finanzministerium, Mitarbeit in der Kommission für die Steuerreform, tätig im »Departement für die Staatseinkünfte im Ministero der Finanzen, Sektion für die direkten und indirekten Abgaben«; ab 1814 Geheimer Oberfinanzrat im Finanzministerium; 1813 beim Lützowschen Freicorps; Freund Schinkels; wohnte in Berlin, im Tiergarten. - Straßen- u. Wohnungs- Anzeiger, S. 353; ADB; NDB; Klein (196$), S. 256; Härtl (1990), S. 191. Bombelles, Ludwig Graf von (1780-1843) Diplomat Ph II Seit 1804 im diplomatischem Dienst; Legationssekretär bei der österreichischen Gesandtschaft unter Fürst Metternich und K.u.K.Kammerherr; alter französischer Adel, der Vater, Marquis von B. war bei Ausbruch der Revolution franz. Botschafter in Venedig, zuletzt erster Almosineur des Herzogs von Berry. Wohnte in Berlin, Wilhelmstr. 70. - Straßen- u. Wohnungs- Anzeiger, S. 408; Neuer Nekrolog 1843 (1845); NDB. Brentano, Clemens Wenzeslaus Maria (1778-1842) Künstler Gründ.-Z.; Ph I; Ph II; Tierg.-L. War bis zum Sommer 1811 Schreiber der Tischgesellschaft, verließ dann Berlin und ging nach Böhmen. Blieb der Tischgesellschaft allerdings bis mind, zum 354
Jahr 1816, in dem er ein >BlücherWinckelmann und sein Jahrhundert< lobend erwähnt. Besucher des Salons Elisabeth Staegemanns. - Justi (1831); Abeken (1908), Bd. 1, S. 135; ADB; Schulze (1994).
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Chasot, Ludwig August Fr. Α. Graf von (1763-1813) Militär Ph I; Ph II; Tierg.-L. Major; 1809 Kommandant von Berlin; Freund Reimers, mit dem er die »Schießende Gesellschaft« gründete; Vertrauter des Feldmarschalls von Gneisenau, gehörte zum Freundeskreis des Freiherrn vom Stein; 1812 nach Rußland, gemeinsame Wohnung in Wilna mit Clausewitz u. Gneisenau. 1813 gefallen. - ADB; Pertz (1865), S. 6off.; Schramm (1976). Clausewitz, Carl von (1780-1831) Militär Gründ.-Z.; Ph II; Tierg.-L. Seit 1809 unter Scharnhorst im Kriegsministerium tätig. In den Jahren ί δ ι ο ι 2 in Berlin Lehrer an der Kriegsschule; erteilte dem 15jährigen Kronprinzen Unterricht in Militärwissenschaft; seit 1810 mit der Gräfin Marie von Brühl vermählt, wurde durch diese mit Achim von Arnim bekannt gemacht; ab 1812 in Rußland bei der Deutschen Legion. - Carl und Marie von Clausewitz (1916); ADB; Rothfels (1920), S. 131; Paret (1976), S. 212; Schramm 1976. Dalwigk, Ludwig Georg Fr. Freiherr von (1762-1832) Militär Gründ.-Z.; Ph I; Ph II Aus altem Soldatengeschlecht aus Kurhessen stammend, hatte sich Dalwigk bereits in den Kriegen von 1792 und 1806/7 ausgezeichnet. Ab 1808 als Generalmajor und Remonte-Inspektor in der Provinz Preußen tätig. Erhielt 1816 den roten Adlerorden. - Neuer Nekrolog 1832 (1834). Dewitz, Karl Günther Theodor von (1759-1817) Militär, Beamter Phil Die von Dewitz waren ein altes mecklenburgisches Adelgeschlecht, das dem preußischen Staat viele Beamte und Offiziere lieferte; das TischgesellschaftsMitglied war wahrscheinlich der dem Haus Weitenhagen des Wussowschen Familienzweiges vorstehende Karl G. Th. v. Dewitz, Major und Landrat, als »Landrat und Rentier« in Berlin, Taubstr. 7, wohnhaft. - Straßen- u. Wohnungs- Anzeiger; Gotha 1900. Dohna, Friedrich Ferdinand Alexander Graf zu (1771-1831) Beamter Ph II; Tierg.-L. Hoher preußischer Beamter, von 1808-1810 Innenminister; Gegner Hardenbergs, Freund Humboldts und v. Gentz; besuchte den Salon von Rahel Lewin; seit seiner Jugend mit Schleiermacher befreundet, der von 1790 bis 1793 Hauslehrer auf dem Stammgut in Schlobitten gewesen war. Enger Kontakt zu den
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Brüdern Gerlach, vgl. Brief v. Schleiermacher an seine Frau v. 24.6.1813: »Gestern Abend war Alexander wieder bei mir. [...] Er ist viel mit den Gerlachs, die sämtlich hier sind. Leopold kann freilich nicht vortheilhaft auf ihn wirken.« (Meisner, 1922/23, Bd. 2, S. ι^δί.). - ADB; Krollmann (1969-74), Bd. 1, S. 141. Eckardt, Ernst Friedrich (1783-1830) Beamter Ph I; Ph II Justizrat. Königl.-Preußischer Kriminalrichter, zugleich Mitglied des Brandenburgisch-Preußischen Bergamtes. Eckardts Berliner Adresse, Mühlendamm 30, ist auf der Philister-Subskribenten-Liste verzeichnet. - Straßen- u. Wohnungs- Anzeiger, S. 48, 138; Neuer Nekrolog 1830 (1832). Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich (1779-1856) Beamter L. v. 1813 Vetter von K. F. Eichhorn. Johann Albrecht Friedrich Eichhorn war höchstwahrscheinlich im Gründungsjahr 1811 noch kein Mitglied der Tischgesellschaft, 1813 erscheint seine Unterschrift jedoch auf der einzigen aus diesem Jahr überlieferten Liste. Jurist; ab 1810 Kammergerichtsrat, ab 1811 Syndicus der Universität; 1813 Generalquartiermeister im Blücherschen Hauptquartier, Beiträge für den >Preussischen Correspondentes; Politiker, ab 1840 Kultusminister. - Autographen-Sammlung Karl Friedrich Eichhorn der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn; ADB. Eichhorn, Karl Friedrich (1781 — 1854) Beamter, Universität Gründ.-Z.; Ph I; Ph II; Tierg.-L.; Karl Friedrich, Professor für deutsches Recht an der Universität; Vetter von Johann A. F. Eichhorn. Mitglied des Tugendbundes, Schloß sich im April 1809 Schills Unternehmen an, 1813 als Freiwilliger beim Bülowschen Korps; Freund und Vertrauter Savignys, Begründer der historischen Schule im deutschen Recht; gehörte zu den Besuchern des Salons von Elisabeth von Staegemann. Die eigenhändigen Unterschriften auf der »Tiergarten-Liste« und auf der »Liste von 1813« unterscheiden sich auf eine charakteristische Weise; ein Unterschriftenvergleich ergibt, daß es sich bei dem Tischgesellschafts-Mitglied von : 8 n um Karl Friedrich Eichhorn handelt, während 1813 Johann Albrecht Friedrich die Tischgesellschaft frequentierte. - Autograph: Nachlaß Savigny der Universitätsbibliothek Marburg; ADB; Pertz (1865), Bd. 2; Abeken (1908) Bd. 1, S. 358, 394; Wilhelmy (1989), S. 853.
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Erman, Paul (1764-1851) Beamter, Universität L. v. 1813 Erman war Professor an der Philosophischen Fakultät, lehrte an der Kriegsschule und war Sekretär der Physikalischen Klasse der Akademie der Wissenschaften; wohnhaft in Berlin, Burgstr. 19. - Erman (1927); ADB; Straßen- und Wohnungs-Anzeiger; Adreß-Kalender 1818; Neuer Nekrolog 1851 (1853). Fichte, Jobann Gottlieb (1762-1814) Beamter, Universität Gründ.-Z.; Ph II Zur Zeit der Tischgesellschafts-Mitgliedschaft Professor an der Berliner Universität, ab Herbst 1811 deren Rektor; Fichte war offensichtlich eines der aktiven Mitglieder der Tischgesellschaft und wurde im Sommer 1811 zu deren Sprecher gewählt. Er sorgte für ein Ende der Angriffe auf die Juden (vgl. seine Tischrede Nr. 28) und lud den von Brentano im >Philister< attackierten Fouqué als Gast in die Tischgesellschaft ein (Fouqué an Fichte, 18.3.1812; 20.2.1812). - Fichte, Briefe; Schellberg/ Fuchs (1942), S. 461; Fichte im Gespräch, Bd. 6, T. 2, S. 715; Fouqué (1840), S. 296; Medicus (1914), S. 173; Härtl (1982), S. 56. Fink, Johann P. D. (1773-1837) Buchhändler Ph I; Ph II Fink war Vorsteher der Buchhandlung des Halleschen Waisenhauses in Berlin; er erzählte in der Tischgesellschaft eine nicht ermittelte Geschichte »von Jonas und der Funkenburg« (Savigny an Arnim, 26.11.1811; Härtl, 1982, S. 189; vgl. dazu Brentano an Wilhelm Grimm, Seebaß 1951, Bd. 2, S. 136). 1816 gab es Verhandlungen zwischen Arnim, Brentano und Fink, über eine Veröffentlichungsreihe, die dann aber nicht zustandekam; s. Brentano an Arnim, 3.2.1816 (Schultz, 1998, Bd. 2, S. 732) »Vergiß den schon mit Finck kontrahirten Plan der Monatlichen Erzählungen nicht. Du hast mehr Vorrath als ich, schicke vor Allem eine Erzählung und entwerfe zugleich eine einfache Vorrede zum Ganzen.« Der Kontakt mit Fink wird von Brentano auch als Druckmittel in Verhandlungen mit Reimer genutzt (vgl. Brentano an Reimer, 26.2.1816; Seebaß, 1951, Bd. 2, S. 169). - Neuer Nekrolog 1837 (1839). Flemming, Friedrich Ferdinand Dr. (1778-1813) Arzt, Künstler Ph I; Ph II Bekannter Berliner Arzt, hielt seit SS 1811 als Privatdozent Vorlesungen an der Universität über Augenheilkunde; seit 1803 Mitglied der Singakademie, Mitglied der Zelterschen Liedertafel seit deren Gründung 1809, komponierte für diese zahlreiche Lieder; 1812 Mitglied der medizinisch-chirurgischen Gesell-
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schaft zusammen mit Grapengießer, Meyer und Wolfart, starb 1813 im Befreiungskrieg als Arzt eines Militärlazaretts; Schinkel entwarf für die Liedertafel einen Prunkbecher aus Bronze, der »Flemming« getauft wurde. - Ledebur (1861), Eichhorn (1970), S. 44ÍÍ. Genelli, Janus (1761-1813) Künstler Gründ.-Z.; Ph II Landschaftsmaler; hatte 1785 Rom besucht, Lehrer Graf von Ingenheims und anderer Mitglieder der Hofgesellschaft; Freund Burys, für den er in einigen der Historiengemälde die Landschaftsszenen malte. - Nagler (1837); Ebert (1979), S. 110. Gen(t)z, Johann Heinrich (1766-1811) Architekt Arnim: Tischrede Nr. 30 Gentz ist auf keiner der Mitgliederlisten vertreten, wird jedoch ausdrücklich in einer von Arnim in seiner für die Tischgesellschaft überarbeiteten Fassung der >Erinnerung an die Freudentage in Weimar< (GSA 03/4) als gerade verstorbenes Tischgesellschafts-Mitglied gewürdigt. Bruder des politischen Publizisten und seit 1802 in österreichischen Diensten stehenden Diplomaten Friedrich von Gentz (1764-1832), des Freundes und Gönners von Adam Müller. Heinrich Gentz war 1795 nach jahrelangem Studienaufenthalt in Italien nach Berlin gekommen, lehrte dort an der Bauakademie; zwischen 1801 und 1803 in Weimar tätig dann wieder in Berlin, 1810 Bau des Denkmals für die Königin Luise. - Doebber (1916); Biedrzynski (1993), S. 103. Gen{t)z, Ludwig von (1768-1827) Beamter L. v. 1813 Berliner Kriegsrat, Bruder von Heinrich Gentz und Friedrich von Gentz. - N D B ; Neuer Nekrolog 1827 (1829); Doebber (1916). Gerlach, Ludwig Friedr. Leopold von (1791-1861) Militär Gründ.-Z.; Tierg.-L.; Ph II Sohn des Oberbürgermeisters von Berlin, Karl Friedrich Leopold von G. ( 1 7 5 7 - 1 8 1 3 ) , und A. von Raumer. Militärkarriere, später General der Infanterie und Generaladjutant des Königs; mit seinem Bruder als Freund Brentanos bei Elisabeth von Staegemann eingeführt; Umgang in den Tischgesellschafts-Jahren vor allem mit Schleiermacher und mit Graf Dohna, Freund von Clausewitz. - A D B ; N D B ; Gotha 1925; Meisner (1922/23); Staegemann (1846),S. 276^; Keyserling (1913).
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Göschen, Johann Friedrich Ludwig (1778 - 1 8 3 7 ) Beamter, Universität Gründ.-Z.; Ph II Jurist, Freund Savignys und Schüler Niebuhrs, Studium in Göttingen 1796-98 in Göttingen, 1811 Promotion und im gleichen Jahr schon als außerordentlicher Professor an der Universität, ab 1813 ordentlicher Prof.; ab 1815 gemeinsam mit Savigny und K. F. Eichhorn Herausgeber der Zeitschrift für geschichtliche Rechts wissenschaftDiegoJulianus Apostatas Berlin 1812. Ubertritt zur katholischen Kirche. - Hamberger/Meusel (1829); Kehrein (1868). 362
Kleist Gründ. ierg.-L. Für denxßichter Heinrich von Kleist als Tischgesellschafts-Mitglied sprechen seine nahe Freundschaft mit Adam Müller, seine Kontakte zu Arnim, Brentano, Raumer und auch zur Familie Staegemann; bei der großen Zahl von Trägern dieses Namens kann freilich auch ein anderes Mitglied der Familie vermutet werden (so Hermann F. Weiss u. Horst Häker brieflich); in Frage kämen außer Heinrich v. K. vor allem: i. Friedrich Ludwig (»Louis«) Heinrich v. K. ( 1 7 7 1 1838), Offizier; 2. Friedrich Wilhelm Christian v. K. (1764-1820), Major, Gatte Marie v. K.; (Hinweise auf diese beiden von H. Häker, briefl.); 3. Wilhelm Bogislav (Graf) Kleist von (vom) Loß (1792-1860), dessen (allerdings nur von 1831 überliefert; VS, BJ, Kraków) Unterschrift sehr ähnlich ist, Offizier, ab 1813 Major (er wäre der jüngste Tischgenosse nach Gerlach und Moellendorff, die dem Jahrgang 1791 angehören). Sembdner (1991) weist auf eine Vielzahl von »Doppelgängern« Heinrich von Kleists hin; Wichman (1988) hält eine dauernde Mitgliedschaft Heinrich v. K. aufgrund des hohen Beitrags für das Mittagessen für ausgeschlossen. Daß die zwei in Tischgesellschafts-Akten überlieferten Unterschriften Kleists nicht mit seiner üblichen übereinstimmen, spricht, da diese hier wie fast alle übrigen lateinisch geschrieben, nicht unbedingt gegen Heinrich von Kleist. Koenen, Ludwig Ernst von (1770-1853) Arzt Ph II Seit 1797 Professor am Collegium Medico-Chirurgicum (Kollege von Grapengiesser); 1810 Polizei-Physikus; 1816 Regierungs-Medizinalrat; seit 1810 auch Mitglied der »Gesetzlosen Gesellschaft«); Verfasser zahlreicher Abhandlungen, darunter 1817: >Leben und Turnen, Turnen und LebenStraßen- und Wohnungsanzeiger< von 1812 als »von Kohlrausch [...] im Charitéhause« angegeben. - Rothermund (1923), Bd. 2; Eichhorn (1970), S. 60-68. Laroche (La Roche), Georg Carl von (1766-1839) Beamter Gründ.-Z.; Ph I; Ph II Eigentlicher Name war G. C. von Franck, der nur nach seiner Mutter, Sophie von Laroche, Laroche genannt wurde und der Onkel Clemens Brentanos war.
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Oberbergrat, zweiter Direktor des Brandenburgisch-Preußischen Oberbergamtes, Mitglied der Sektion für das Salz-Berg-Hüttenwesen des Departements für den Handel; Freund Humboldts; wohnte in Berlin, Georgenstr. 19. - Abeken (1908) Bd. 1, S. 327; Bestattungsbuch der Jerusalem-Kirchengemeinde, Berlin. Lichnowsky, Eduard Maria (1789-1845) Privatgelehrter Gründ.-Z.; Ph I; Ph II; Tierg.-L. Die Familie Lichnowsky hatte sich seit Anfang 1800 stark nach Österreich orientiert; in Berlin lebte um 1810/11 Prinz Eduard Maria von L., der auch Adressat eines Briefes von Heinrich von Kleist v. 23. Okt. 1810 ist. Studierte in Göttingen und Leipzig und interessierte sich in erster Linie für Geschichtsforschung. Nach dem Tode des Vaters 1814 hielt sich Lichnowsky überwiegend auf dem Familiengut in Osterreich auf. 1817-22 erschienen 4 Hefte eines unvollendet gebliebenen Werks über >Denkmahle der Baukunst und Bildnerey des Mittelalters im österreichischen KaiserthumeReisen im südlichen Afrika< (über seine Zeit am Cap 1804-06); 1811 Professor für Zoologie, Miglied der Akademie der Wissenschaften; wohnhaft in Berlin, Niedlagstr. 4. - ADB; Hitzig (1826); Straßen- und Wohnungsanzeiger, S. 229. Meyer, Johann Carl Heinrich (1767-1828) Arzt Gründ.-Z.; Ph II; Tierg.-L.; L. v. 1813 Gebürtig aus Stettin, ab 1798 als Arzt in Berlin tätig; hielt ab 1801 auch Privatvorlesungen; Hausarzt bei Savignys; gute Bekanntschaft mit Fichte, Arzt und Hausfreund bei Schleiermacher, Hegel, befreundet auch mit dem Dekan der medizinischen Fakultät, Ober-Bergrat Reil. Meyer gehörte wie Flemming, Grapengiesser und Wolfart zur medizinisch-chirurgischen Gesellschaft. Als Meyer am 5. August 1828 starb, hielt Schleiermacher die Grabrede. - Eichhorn (1970), S. 69-75.
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Moellendorff, Johann Karl Wolff Dietrich von ( 1791 -1860) Militär Gründ.-Z.; Ph I; Ph II Nahm bereits als Fähnrich an der Schlacht von Auerstädt teil, gehörte ab 1810 als Sekondeleutenant zum Garderegiment in Potsdam; 1815 zum Kapitän und Kompagniechef, 1824 zum Major ernannt. Freund von Clausewitz. - ADB; Priesdorff. Müller, Adam Heinrich (1779-1829) Schriftsteller Gründ.-Z.; Ph I; Ph II; Tierg.-L. »Mitunterzeichner« bei der Gründung der deutschen Tischgesellschaft. Freier Schriftsteller, Staats-und Sozialtheoretiker, mit von der Marwitz befreundet. Mit Kleist Herausgeber der >Berliner Abendblätter^ ging im Mai 1811 nach Wien, wo er durch die Vermittlung seines Freundes und Gönners Gentz endlich eine Staatsstelle erhalten sollte. Wohnte in der Friedrichstadt, Charlottenstr. 31, im Haus des Architekten Langhans, das direkt neben der Buchhandlung von Julius Eduard Hitzig stand. - ADB; Schmitt (1919); Baxa (1966); Köhler (1980); Ricklefs in: Killy (1990); Häker (1990). Nesselrode, Johann Wilhelm Carl Franz Graf von (1778-1822) Militär Tierg.-L. Geboren im Herzogtum Berg, zunächst beim österreichischen Heer, ab 1806 als Oberst in Bergischen Diensten; war in Spanien und in Rußland, dort in Gefangenschaft; ab Frühjahr 1815 Kgl. preußischer Oberst und Kommandeur des ι. preußisch-rheinischen Ludwig-Ulanen-Kavallerieregiments, später Kommandeur der Landwehr; 1821 zum Generalmajor befördert. - Zedlitz-Neukirch (183 j); Slg. E. v. Oidtman, bearb. v. H. M. Schleicher, Bd. Ii, S. 282. Otto, Carl Ludwig Heinrich {* 1771) Beamter Gründ.-Z.; Ph I; Ph II; Tierg.-L. Im >Straßen- und Wohnungsanzeiger< von 1812 wird ein »Geheimer expedierender Secretair und Kanzlei-Direktor im General-Postamt« O., »Ehrenmitglied der naturforschenden Freunde« als in Berlin, Spandauerstr. 54 gemeldet; wird 1818 als »Registrator« bezeichnet; in Briefen Brentanos an Pistor erwähnt; Steig (1901) vermutet den Kriminalrat A. Otto. - Straßen- und Wohnungsanzeiger, S. 350; Adreß-Kalender 1818, S. 129; Härtl (1978), S. 3of.
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Perlitz, von Militär Ph I, Ph II Hauptmann; gehörte zum Hofstaat des Prinzen August; 1811 wohnhaft in Berlin, Mohrenstr. 3 (so die Adressenangabe für die Philistersubskription). - Straßen- und Wohnungs-Anzeiger, S. 25. Pfuel, Ernst von o. Friedrich von Pf Militär Gründ.-Z.; Tierg.-L. Naheliegt, daß es sich hier um Ernst Heinrich Adolf von Pfuel (1779-1866), den Freund Heinrich von Kleists handelt; eine allerdings aus späterere Zeit stammende Unterschrift in einem Brief an Christian Georg Körner weist deutliche Ähnlichkeiten mit der Namensschreibung auf der »Tiergarten-Liste« auf. Emst von Pfuel war freilich wohl nur für eine begrenzte Zeit in Berlin, da er seit September 1810 beim österreichischen Infanterieregiment Erzherzog Rainer war; Brentano schreibt am 10. Dez. 1811 aus Prag an Arnim über seine Begegnung mit Ernst von Pfuel, den er vom Tode Kleists unterrichtete. Trat 1812 in russische Dienste. Gersdorff (S. 45) vermutet (ohne Beleg), daß es sich bei dem Tischgesellschafts-Mitglied doch eher um den jüngeren Bruders Friedrichs, den Major Friedrich v. Pfuel (1781-1846), gehandelt haben müsse, da dieser »eher konservativ gestimmt« gewesen sei, während Ernst »beim liberalkosmopolitischen Kreis der Rahel« geblieben sei. - ADB; Abeken (1908), Bd. 2, S. 107 et pass.; Gersdorff (1981); Brief an Chr. G. Körner, 12.3.1824, Universitäts- u. Landesbibliothek Bonn. Pistor, Karl Philipp Heinrich ( 1778 -1847) Beamter Gründ.-Z.; Ph I; Ph II Geheimer Postrat. Studienfreund Brentanos und Arnims seit Halle 1798; beschäftigte sich als naturwiss. Dilletant mit Astronomie und Technik; wohnhaft in Berlin, Mauerstr. 34, d.h. in derselben Straße wie Kleist, in seinem Haus wohnten von Sept. 1809 bis 1811 Arnim und Brentano als Untermieter; in der verwickelten Angelegenheit der >Berliner Abendblätter bat der von Hardenberg mit der Klärung beauftragte Raumer Pistor um Vermittlung bei Kleist. - ADB; Sembner (1977); Härtl (1978). Quast, Leopold von (1765-1842) Beamter Ph I; Ph II Geh. Oberfinanz-, Kriegs- u. Domänenrat, gehörte ab 1811 zum Staatsrat; wurde 1812 zum Mitglied der General-Commission zur Liquidation und Regulierung des Provinzial-, kommunal-, Kriegsschuldenwesens und zum Mitglied der Nationalrepräsentation ernannt; bekannt mit von der Marwitz und mit Rahel Levin; Briefwechsel (1812-1830) mit dem Minister von Voß; wohnhaft 1812 in Berlin, 366
in der Wilhelmstr. 59, bis mindestens 1822 in Berlin, in den Dreissiger Jahren zurückgezogen auf seinem Gut in Garz (Neuruppin) lebend. - Brandenburgisches Staatsarchiv Potsdam, Nachlaß von Quast; Straßen- und Wohnungsanzeiger, S. 115; Rahel Varnhagen, Briefwechsel, Bd. 4, S. 146. Radzivill, Anton Heinrich Fürst von (1775-1833) Hofadel, Künstler Ph I; Ph II; Tierg.-L. Durch seine Verheiratung (1796) mit Prinzessin Louise von Preußen, der Tochter des Prinzen Ferdinand, mit dem preußischen Königshaus verwandt; Komponist (sah in der Faust-Vertonung sein künstlerisches Lebenswerk); seit dem Königsberger Aufenthalt des preußischen Hofes mit Arnim, Staegemann und Reichardt bekannt, die er im Hause des Kommerzienrates Schwink traf. Mitglied der Zelterschen Liedertafel. - ADB; Abeken (1908), Bd. 1, S. 34^; Dorow (1838), 3. T., S. 9f.; Fouqué (1840); Schellberg/Fuchs (1942), S. 422. Rappard (Rabbard), Wilhelm von (1783-1827) Militär Phil Seit 1801 im preußischen Militärdienst; ab 1807 als Sekondeleutenant Kapitän beim schlesischen Schützenbatallion; 1813 zum Kapitän befördert; ab 1815 im Kriegsministerium tätig; nach 1820 Batallionskommandant; der Adreßkalender Berlin von 1818 verzeichnet einen Herrn von Rabbard, Capitain der Armee, wohnhaft in der Mohrenstr. 61. - Adreßkalender 1818, S. 33; Neuer Nekrolog 1827 (1829). Raumer, Carl Georg Ludwig von (1783-1865) Beamter Phil Die Angabe auf der Subskriptionsliste »v. Raumer der jüngere« unterscheidet Carl von Raumer von seinem älteren Bruder Friedrich, der ein enger Vertrauter Hardenbergs war und wie Arnim 1793 das Joachimsthaler Gymnasium besucht hatte, im November 1811 nach Breslau als Professor für Staatswissenschaften ging. Carl von Raumer war Geologe, Geograph und Pädagoge, ging wie sein Bruder im Verlauf des Jahres 1811 als Universitätsprofessor nach Breslau, wo er Bergrat im Oberbergamt wurde. 1823 schied er aus dem preußischen Staatsdienst aus und gründete 1824 in Nürnberg eine Lehranstalt für verwahrloste Kinder nach dem Vorbild Pestalozzis; seit 1801 verheiratet mit Friederike, geb. Reichardt, einer Tochter J. F. Reichardts aus dessen zweiter Ehe. - ADB; Hitzig (1826); Stoll (1929), S. 78.
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Reck, Eberhard Friedrich Christoph Baron von der (1744-1816) Beamter Phil Der Freiherr von der Reck (e) war von 1784 bis 1807 Justizminister und wurde noch 1813 Civilgouverneur des Königsreichs von Sachsen. - Hengst (1901). (17*2-1814) Reichardt, Johann Friedrich Künstler Gründ.-Z.; Ph I; Ph II; Tierg.-L. Der Komponist Reichardt war wohl nur vorübergehend in Berlin und hielt sich nach einem mißglückten Versuch, am Wiener Hof eine Stellung zu finden, meist auf Giebichenstein bei Halle auf. Seine Kontakte zur preußischen Hauptstadt waren allerdings eng, neben den alten Freunden Arnim und Brentano, kannte er auch Radzivill und Staegemann schon aus den Begegnungen beim Kommerzienrat Schwink in der Zeit des Königsberger Exils des Hofs 1807. - ADB; Abeken (1908), Bd. 1, S. 34^; Krollmann (1969-74), Bd. 2, S. 544; Biedrzynski (1993), S. 319^ Reimer, Georg Andreas ( 1776 -1842) Buchhändler Gründ.-Z.; Ph II; Tierg.-L.; L. v. 1813 Der Buchhändler und Verleger Reimer war eine zentrale Figur der preußischen Nationalbewegung, gehörte dem Tugendbund an und hatte mit Chasot die sog. »schießende Gesellschaft«, die Mittwochsgesellschaft gegründet, verlegte 1 8 1 3 - 1 4 den >Preußischen Correspondentes; war mit fast allen Mitgliedern der Tischgesellschaft bekannt, eng befreundet u.a. mit Staegemann. Seine »Realschulbuchhandlung« befand sich in der Kochstr. 16, Ecke Friedrichstr. - ADB; Roller (1924); Fouquet-Plümacher (1987). Roeder, Wilhelm von (1781-1813) Militär Gründ.-Z.; Ph I; Ph II Die Subskriptionsliste der Philisterabhandlung unterscheidet zwischen »vRöder I« und »vRöder II«; ein »Hauptmann von Röder I«, war Mitglied des »gesetzgebenden Ausschusses« der Tischgesellschaft. Es gab fünf Brüder von Röder, alle Offiziere; im Jahr 1811 hielten sich vier von ihnen, Wilhelm, Eugen, Karl und Ferdinand in Berlin auf (Schultze, 1912, S. 56). Wilhelm von Roeder war über seine Freundschaft mit der Familie Laroche mit Arnim und Savigny bekannt (Härtl, 1982, S. 427^). Er war Schüler von Scharnhorst, gehörte 1809 zum engeren Kreis um den Freiherrn vom Stein sowie zum Patriotenkreis um die Gräfin von Voß und stand im Kontakt mit Fichte, Niebuhr und Schleiermacher. Stabskapitän im Garde-Regiment. Fiel 1813 in der Schlacht bei Culm. Kontakte zu Mitgliedern der Tischgesellschaft hatte unter den übrigen Brüdern besonders Karl von Roeder, der gleich Wilhelm 1811 an der Universität Vorle368
sungen Fichtes und Savignys besuchte, dessen Mitgliedschaft aufgrund seiner Erinnerungen (vgl. Steig, 1901, S. 6j6f.) allerdings ausgeschlossen werden kann. Es bleibt somit die Wahl zwischen Ferdinand von Röder, Offizier im GardeJäger-Batallion und 1813 in der Schlacht bei Dresden gefallen, und Eugen von Roeder, der 1811 Stabskapitän im demselben Regiment wie Wilhelm war (gestorben 1844 in Dresden). - Schultze (1912); Rochow (1908), S. 3$f. Roeder, Ferdinand oder Eugen von Militär Gründ.-Z.; Ph I; Ph II Savigny, Friedrich Karl von (1779-1861) Beamter, Universität Gründ.-Z.; Ph I; Ph II; L. v. 1813 Jurist (1842-1848 preußischer Justizminister); Professor an der Berliner Universität, mit Eichhorn Begründer der historischen Rechtschule; Schwager Brentanos (heiratete Gunda Brentano) und enger Freund Arnims. Im »gesetzgebenden Ausschuß« der Tischgesellschaft. 1813 Organisator des Berliner Landsturms. - ADB; Stoll (1929); Härtl (1982). Schinkel, Karl Friedrich (1781-1841) Architekt, Künstler Ph I; Ph II; L. v. 1813 Architekt und Kunstmaler; Mitglied der Akademie der Künste; durch Vermittlung Wilhelm von Humboldts Geh. Ober-Bau-Assessor für »öffentliche Prachtgebäude«; Hofbauten in Berlin und Umgebung; 1810 Entwurf der Begräbniskapelle für die Königin Luise in Charlottenburg; 1811 des Luisendenkmals in Gransee; Sommer 1811 als Gast Brentanos in Buckowan; 1813 beim Berliner Landsturm; wohnte 1812 Contrescarpe als »Geh.-Ober-Bau-Assessor, für den gesamten Prachtbau und die Angelegenheiten und Revisionen der Hofbauten«. - Straßen- und Wohnungs-Anzeiger, S. 139; Mackowsky (1922); Schinkel-Kat. (1982); Büchel (1994). Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst (1768-1834) Hofprediger; Beamter, Universität Ph I; Ph II Professor Schleiermacher war Prediger an der Hofkirche; Theologe der Berliner Universität; im Frühjahr 1813 (als Vorgänger Arnims) Interimsherausgeber des >Preussischen Correspondentes. Schleiermacher war Mitglied nicht nur der Tischgesellschaft, sondern zahlreicher anderer Gesellschaften wie der »Mittwochsgesellschaft«, der »Graeca«, eines Vereins zur Lektüre griechischer Klassiker, der »Spanischen Gesellschaft« und war in der Nachfolge Philipp Buttmanns »Zwingherr« der »Gesetzlosen Gesellschaft«. 369
- Meisner (1922/23); >Tagebuch ι8ιι< im Archiv der Brandenb. Akademie d. Wiss.; Dilthey (1870); Kantzenbach (1967); Scholz (1996). Schönburg, Otto Hermann Fürst von (1791-1846) Gutsherr Ph Auf der Liste der Philister-Subscribenten als »Prinz Schönburg«; neuntes Kind des ersten Fürsten von Schönburg (seit 1790) Otto Karl Friedrich (1758-1800); war Besitzer der eine halbe Stunde vor Berlin liegenden Herrschaft Tempelhof. - Neuer Nekrolog 1846 (1848); Schwennicke (1981). Schulz, Johann Kaspar Friedrich (1769-1845) Dramaturg Gründ.-Z.; Ph I; Ph II; Tierg.-L.; L. v. 1813 Begann eine Beamtenkarriere als Kammergerichtsreferendar und dann Justizrat, war aber nur für einen begrenzten Zeitraum (nach 1806) im Staatsdienst tätig, lebte dann als Theaterrezensent, Dramaturg (daher der Beiname: »TheaterSchulz«) und freier Journalist. Enge Freundschaft mit Staegemann, wurde oft auch vom Staatskanzler vor allem in der Zeit unmittelbar vor den Befreiungskriegen zur Abfassung von Schriften herangezogen; war von 1 8 1 9 - 2 1 Mitarbeiter der von Staegemann geleiteten Preußischen Staatszeitung. Gab von 1806-1812 anonym politische Flugschriften heraus. Schwager des von den französischen Besatzern ermordeten Buchhändlers Palm. - Abeken (1908), Bd. 1, S. 37, Neuer Nekrolog 1845 (1847). Schwink, Georg Gotthilf (geb. 1763) Bankier Griind.-Z. Königsberger Kaufmann und Bankier; Kommerzienrat; Schwager Staegemanns. - Abeken (1908), Bd. 1, S. 34f. u. S. 337. Solger, Karl Wilhelm Ferdinand (1780-1819) Beamter, Universität L. v. 1813 Professor für Ästhetik an der Universität, Philosophische Fakultät; Direktor der wiss. Prüfungskommission; bekannt mit Tieck seit 1808, nach gemeinsamem Kuraufenthalt im schlesischen Bad Warmbrunn enge Freundschaft mit diesem; wohnhaft in Berlin, Französischestr. 27 (1818: Behrenstr. 20). - Straßen- u. Wohnungs-Anzeiger, S. 230; Adreß-Kalender 1818; Matenko (1933)· Staegemann, Friedrich August (1763-1840) Beamter, dillet. Künstler Gründ.-Z.; Ph I; Ph II; Tierg.-L. Geheimer Finanzrat, enger Vertrauter Hardenbergs; seine Gattin Elisabeth Staegemann hielt einen der gesuchtesten Salons von Berlin (Gäste waren u.a.
37°
Reichardt, Brentano und Kleist), Staegemann selbst war häufiger Gast in den Salons, vor allem dem patriotischen Salon der Gräfin und einflußreichen Hofdame Luise von Voß; war mit Kleist und Arnim seit dem Königsberger Aufenthalt 1807/8 bekannt. Elisabeth war Kleists Vertraute bis zu dessen Tod; das Ehepaar Staegemann stand seit August 1809 mit Adam Müller, der »mit seinem Plan zur Gründung des Regierungsblattes in engere Beziehungen« (Baxa, 1959, S. 96) zum Finanzrat getreten war, in einem regelmäßigem Verkehr. Wurde 1816 geadelt; Verfasser patriotischer Gedichte, die 1816 gesammelt als >Krieges-Gesänge< erschienen. - ADB; Abeken (1908), Bd. 1; R.Varnhagen, Werke, Bd. 10; Mayr (1913); Wilhelmy (1989), S. 288; Baxa (1959); Häker (1990); Bruer (1991), S. 287. 7riest, A. F. Beamter Ph II; Tierg.-L.Regierungsrat und Baudirektor bei der Militär- u. MinisterialBau-Kommission - Adreß-Kalender 1820. Tiedemann, Karl Ludwig Heinrich (1793-1812) Militär Ph I; Ph II; Tierg.-L. Major; Freund von Clausewitz, mit diesem Schüler von Scharnhorst. Lehrer an der Berliner Kriegsschule. 1812 mit Clausewitz nach Rußland; Tod in der Schlacht bei Dalenkirchen am 22.8.1812. - ADB; Linnebach (1916), S. 299. Vogel, Friedrich Ludwig (1773-1842) Beamter Gründ.-Z.; Ph I, Ph II; Rendant; Schul- und Jugendfreund Adam Müllers; Otto Friedrich von Voß war sein oberster Vorgesetzter und als sein Taufpate auch privat eng mit ihm verbunden. - Häker (1990). Voß, Carl Otto Friedrich von (1786-1840) Beamter Gründ.-Z.; Ph I; Ph II; Aus altem märkisch-pommerschen Adelsgeschlecht; befreundet mit Brentano (1816 auch als Mitglied von dessen »Maikäferclub« genannt); war 1810 Referendar, wurde 1818 Kammergerichtsrat und machte dann eine bedeutende Karriere als preußischer Staatsmann (zunächst Hauptritterschaftsdirektor der Kurmark, dann Leiter der Abt. für Inneres im Staatsrat). Als Sohn des Otto Karl Friedrich von Voß (1755-1823), des früheren Ministers - der 1807 von seinen Ämtern aus Protest gegen die von Stein eingeleiteten Reformen zurücktrat und als entschiedenster Gegner Hardenbergs galt, von 1808-1813 allerdings vom König wieder zum Verhandlungsführer der preußischen Regierung bei den französi-
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sehen Behörden in Berlin bestimmt wurde - vertrat Carl Otto Friedrich wie sein Vater eine äußerst konservative politische Gesinnung. Die Familie Voß wohnte wie Prinz Radzivill, Minister von Kircheisen und Graf von Arnim in der Berliner Wilhelmstraße (Nr. 78). In den ersten Ehejahren wohnten Bettina und Achim von Arnim im Voßschen Palais; der Mietvertrag wurde von Carl Otto Friedrich unterschrieben. - Straßen- und Wohnungs-Anzeiger, S. 163; Neuer Nekrolog 1823 (1824); Härtl (1982), S. 253; Wiegand (1914), S. 280; Schoeps (1970), S. 281. Weiß, Christian Samuel (1780-1856) Beamter, Universität Gründ.-Z.; Ph II; Tierg.-L. Professor der Mineralogie an der Berliner Universität; Mitglied der Münchner und der Berliner Akademie; seit Leipziger Studienzeit 1801 Duzfreund Arnims. - ADB; Weiss (1986), S. 1 3 5 - 1 3 7 ; Härtl (1990), S. 178. Wißmann, Friedrich Ludwig August (1770-1856) Beamter Gründ.-Z.; Ph I; Ph II 1810 Regierungspräsident in Marienwerder, ab 1811 dann in Frankfurt/O.; durch Heirat mit Auguste Schwink (die in Königsberg von Arnim umworben wurde) Schwager des Königsberger Kommerzienrats Schwink; Freund Staegemanns; nur dann und wann in Berlin; wurde 1816 geadelt. - Krollmann (1969-74), Bd. 2, S. 817; Abeken (1908), Bd. 1, S. 106. Wolf, Friedrich August (1759-1824) Beamter, Universität Phil Da die Subskriptionsliste deutlich »Gh R Wolf« notiert, handelt es sich nicht um den Liedertäfler Friedrich Wolff, sondern um den berühmten Philologen, Professor an der Berliner Universität und Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Königlich preußischen Geheimen Rat Friedrich August Wolf, wohnhaft in Berlin, Behrenstr. 60. - Adreß-Kalender von 1818; Neuer Nekrolog 1824 (1825). Wolfart, Karl Christian (1778-1832) Arzt, Beamter, Universität Ph I; Ph II; Tierg.-L. Gebürtig aus Hanau in Hessen, kam Wolfart 1810 als praktischer Arzt nach Berlin und war zunächst als Privatdozent, ab 1812 als ordentlicher Professor für Pathologie und Therapie an der Berliner Universität; Mitglied der Zelterschen Liedertafel für die er zwei Lieder verfaßte, auch schriftstellerisch tatig (u.a. ein Festspiel zur Feier der Rückkehr der königlichen Familie nach Berlin, zwei Dramen: >Die Katakomben« und >HermannDer Alpenhirt< uraufgeführt. - ADB; Neuer Nekrolog 1831 (1832). Zelter, Karl Friedrich (1758-1832) Baumeister, Künstler Gründ.-Z. Leiter der Singakademie seit 1807; Leiter der Liedertafel von 1808; enger Freund Goethes; als »Mauermeister und Professor der Musik« wohnhaft in Berlin, Münzstr. 1. Da Zelter nicht mehr auf den Listen zur Subskription der Philisterabhandlung steht, ist zu fragen, ob er wirklich auf längere Zeit der Tischgesellschaft angehörte. - Straßen- u. Wohnungs- Anzeiger, S. 206; Hitzig (1826); ADB. Zschock, Albert Peter Heinrich von (1768-1845) Beamter Gründ.-Z.; Ph II Die Subskriptionsliste verzeichnet ausdrücklich »v. Zschock«, es handelt sich also um den Kriegsrat, dann Geheimer Oberfinanzrat, der mit Friederike Philippine von Zschock, geb. Pistor vermählt; Freund von Christian Samuel Weiß. Staegemann schreibt an seine Frau Elisabeth, daß »unser Freund Herr von Zschock« sich an übertriebenen Spekulationen mit Finanzpapieren beteiligt habe; 1812 war Zschock als Kriegsrat im Bereich »Geheime Expedition im Departement für den Handel und die Gewerbe im Ministero des Innern« tätig und wohnte wie viele prominente Berliner (Voß, Radzivill, Kircheisen u. a.) in der Wilhelmstraße (Nr. 69). - Straßen- und Wohnungs-Anzeiger, S. 131; Gotha 1907; Abeken (1908), Bd. 1, S. 327; Härtl (1990), S. 178.
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Bibliographie
ι. Texte der deutschen Tischgesellschaft: Verzeichnis der zitierten Handschriften und Erstdrucke Alle Texte der deutschen Tischgesellschaft werden nach den Handschriften, bzw., falls keine Handschriften vorliegen, nach den Erstdrucken auf der Basis der Arbeiten für Band 11: >Texte der deutschen Tischgesellschaft der historisch-kritischen Weimarer Ludwig-Achim-von-Arnim-Werkausgabe zitiert. Im laufenden Text wird auf die entsprechende Nummer (Nr.) des folgenden Verzeichnisses verwiesen: Nr. / Verfasser und
Kurztitel
[Mitgliedervorschläge] Arnim: Vorschlag zu e. dts. Tischgesellschaft Arnim: Bericht. Erstes Tagblatt. 3 Arnim: Stiftungslied 4 Arnim: Goethe und Schiller. 5 6 Brentano: Vorschläge zur äußeren Verzierung Brentano: Vorschläge. 7 8 Arnim: Einführung des gelehrten Canarienvogels Brentano/Arnim: [Schwanke] 9 10 Brentano: [Vorschi, zur Einteilung in Stände] II Brentano: [Subskription der Philisterabhandlung] 12 Brentano: Der Philister [...] [Entwurf für die Kupfertafel] Bodmann: Buchsenfest 13 Staegemann: Bei dem [...] Lei14 chenbegängnis^ ..] Arnim: [Vorschläge] 15 16 Beckedorff: Pro Memoria. Arnim: [Auff. Zur Verlegung der 17 Versammlungen] 18 Arnim: Die Glockentaufe I
Hs. -Sigle und
Aufbewahrungsort
G S A 03/1 (BI.141);
2
BJ VS GSA
8
03/262,1
BJ: Erstdruck Berlin 1811 GSA
03/262,2
GSA
03/262,11
GSA
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F D H
BJ VS
7715,4 36
GSA
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Erstdruck Berlin 1811 BJ VS 8 GSA
03/262,11
Erstdr.: Halle u. Berlin 1816, S. 7,f. GSA
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BJ VS GSA
8 03/262,6
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Nr. / Verfasser und Kurztitel 19 19b 20 21 22 23 M 25 26 17 28 9 30
z
31 32 33 34 35 36 37 37b 38
Arnim: Ueber die Kennzeichen des Judenthums V1-V5 [Fragmentarische Vorstufen und Varianten] Beckedorff: [Tischrede] Arnim: Deutscher Sprecher / Gieb den Becher Beuth: [Tischrede] Arnim. [Rundschreiben zum Itzig-Skandal] Arnim: [Rundbrief zum ItzigSkandal] Arnim: [Tischrede zum ItzigSkandal] Arnim: Am Geburtstage des Königs 1811[ ] Arnim. [Vorschläge] Fichte: [Tischrede in Knittelversen] Fichte: [Tagblatt] Arnim: Meine Rückkehr nach Weimar [...] Arnim: [Briefentwurf] Staegemann: Zur Secularfeier des 24. Januars. Arnim: [Tischrede] Arnim: Dem 24 Januar 1813. Arnim: [Rundbrief] Arnim: [Dem 24sten Januar 1814] Arnim: [Tischrede 1815] Vi,V2 [Erste Notizen und Entwürfe] Brentano: [Blücher],
Hs. -Sigle und
Aufbewahrungsort
GSA 03/262,5 GSA 03/262,9 u. 262,5 GSA 03/262,13 FDH 18333 BJ VS 29 GSA 03/262,4 (= S. ι -4); BJ VS 8 (= S. 5) BJ VS 8 GSA 03/262,9 GSA 03/262,10 GSA 03/148 SPK A 48 SPK A 48 GSA 03/4 GSA 03/262,9 UB Marburg, NL Savigny, Ms 979 GSA 03/262,9 GSA 03/27 GSA 03/262,8 PC Nr. 14 v. 26sten Januar 1814 GSA 03/262,7 GSA 03/69 u. 03/262,9 FDH 10170 u. FDH 8074 a, b, c
Siglen und Abkürzungen GSA BJ VS FDH SPK PC
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Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar. 03 = Arnim-Nachlass Biblioteka Jagiellonska, Varnhagen-Sammlung in der Universitätsbibliothek Krakow Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt a. M. Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin Preussischer Correspondent
2. Archive und Bibliotheken anderer ungedruckter Quellen In folgenden Archiven und Bibliotheken werden Handschriften aufbewahrt, die in der Untersuchung zitiert werden bzw. für Autographenvergleiche eingesehen wurden. Anna Amalia-Bibliothek, Weimar (Arnim-Bibliothek) Bayrische Staatsbibliothek, München (Solger-Autograph) Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Schleiermacher-Nachlaß Biblioteka Jagiellonska, Krakow (= BJ): Sammlung Varnhagen (= VS) Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam, Nachlaß L. V. Quast Deutsches Literaturarchiv - Schiller-Nationalmuseum, Marbach, Cotta-Archiv Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt a. M. (= FDH) Geheimes Staatsarchiv, Preußischer Kulturbesitz, Berlin Goethe- und Schiller-Archiv, Stiftung Weimarer Klassik, Weimar (= GSA) Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Archiv Autographen Böttiger (Briefe Brühls an B.) Landesarchiv Oranienbaum, Abt. Bernburg, Nachlaß L. v. Beckedorff Landesbibliothek Gotha Niedersächsisches Staatsarchiv in Wolfenbüttel, Nachlaß M. H. K. v. Lichtenstein Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin Stadtarchiv Kirn, Nachlaß Cauer Universitätsbibliothek Heidelberg (Brief v. Leopold von Gerlach) Universitätsbibliothek Marburg, Nachlaß Savigny Universitäts- u. Landesbibliothek Bonn (Briefe v. K. Fr. Eichhorn u. v. Ernst v. Pfuel) Universitäts- u. Landesbibliothek Münster (Nesselrode-Autograph) (Verf. dankt den betr. Archiven und Bibliotheken für die Überlassung von Fotokopien und für Veröffentlichungsgenehmigungen.) Für die Mitgliederforschung wurden die in der Berliner Zentralstelle der Evangelischen Kirchengemeinden aufbewahrten Kirchenbücher eingesehen.
3. Gedruckte Quellen und Literatur Abeken, Hedwig (Hg.): Hedwig v. Olfers. geb. v. Staegemann 1799-1891. Ein Lebenslauf, 2 Bde., Berlin 1908. Adam, Günter: Die vaterländische Lyrik zur Zeit der Befreiungskriege. Studie zur Tendenzdichtung (Diss.masch.), Marburg 1962. Adler, A. G.: Die Juden in Deutschland, München i960. 377
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