Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945 [Unaltered reprint] 9783110968262, 9783598114281


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German Pages 2001 [2008] Year 1999

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Vorbemerkung zur dritten Auflage
Vorwort
Einleitung
KAPITEL I Die wirtschaftliche Ausgangsbasis des deutschen Imperialismus für den zweiten Weltkrieg. Die Kriegsziele der deutschen Monopole
1. Die Phase der unmittelbaren wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung 1936-1939
a) Die Vierjahresplanpolitik
b) „Breitenrüstung“ und „Tiefenrüstung“. Wirtschaftspotential und kriegswirtschaftliches Potential
c) Die Ergebnisse der wirtschaftlichen Aufrüstung
d) Krisenpunkte der staatsmonopolistischen Rüstungswirtschaft
e) Deutschland im internationalen Vergleich der wirtschaftlichen Rüstungen und Ressourcen
2. Kriegsziele und Kriegsplanung der deutschen Monopole
a) Vierjahresplan und Monopole
b) Das Kriegszielprogramm des deutschen Monopolkapitals
KAPITEL II Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn
1. Das Kriegsrecht in der Wirtschaft und die Lage der Werktätigen
a) Das „Paket“ der Kriegswirtschaftsgesetzgebung
b) Das System der Zwangsrationierung
c) Auswirkungen der Kriegswirtschaftsverordnung
d) Erste Vorstöße zum Arbeitszwang für Frauen
e) Anzeichen innerer Schwäche des Regimes
2. Die ausländischen Zwangsarbeiter in Deutschland
a) Grundzüge einer Definition der Zwangsarbeit
b) Die Entstehung des Zwangsarbeitssystems
KAPITEL III Kriegswirtschaftliche Schwierigkeiten und Ergebnisse 1939/40. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat
1. Schwierigkeiten und Fehlschläge der wirtschaftlichen Mobilmachung
2. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat
a) Das Ende des „Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft“ Das Reichsamt für Wirtschaftsausbau
b) Die staatsmonopolistische Grundkonzeption der Monopole
c) Die Bildung des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition
d) Die Gründung der Reichsvereinigung Kohle
KAPITEL IV Die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa
1. Wesenszüge der Expansion des deutschen Monopolkapitals
a) Der zweite Versuch der deutschen Monopole zur gewaltsamen Neuaufteilung der Welt
b) Exkurs: Die Hauptgruppierungen des Monopolkapitals und die Unterschiede in ihren Expansionsprogrammen
c) Charakter und Methoden der wirtschaftlichen Expansion und Ausplünderung
2. Die „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes“
a) Die Kriegsziele des deutschen Imperialismus in den „Neuordnungs“-Programmen der Monopole
b) Der Beutezug der Monopole durch Europa. Der Interessenkampf bei der Verteilung der Beute
3. Hauptformen der Übernahme fremder Unternehmen und Kapitalbeteiligungen
a) Das Institut der „Treuhandschaft“. Die „Arisierung“
b) Treuhandverwaltung und Eigentumsfrage
KAPITEL V Die wirtschaftliche Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion
1. Die Expansionsstrategie des deutschen Imperialismus gegenüber der UdSSR
a) Die Kriegsziele der Monopole
b) Der Beutefeldzug gegen die Sowjetunion als Bestandteil der wirtschaftlichen Blitzkriegskonzeption
2. Die Rüstungsumstellungen. Das Wirtschaftspotential des faschistisch beherrschten Blocks Mitte 1941
a) Die Umstellungen des Rüstungsprogramms seit Juni 1940
b) Möglichkeiten und Grenzen der Erschließung des europäischen Wirtschaftspotentials für die deutsche Kriegswirtschaft
3. Der staatsmonopolistische Apparat für den Beutefeldzug
a) Die Herausbildung des Apparats
b) Die Entwicklung des Programms
ANHANG Dokumente zur „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes“ (1940, 1941)
I. IG Farbenindustrie AG
II. Ruhr-Montankonzerne und Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie
III. Carl Zeiss Jena
IV. Fachgruppe Metallerzeugende Industrie
V. Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppen
VI. Reichswirtschaftsministerium
Bemerkungen zur Bibliographie
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
KAPITEL I Der Überfall des faschistischen deutschen Imperialismus auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen
1. Kriegszielvorstellungen und wirtschaftliche Ausgangsbasis für den Überfall auf die UdSSR
a) Die UdSSR im Kriegszielprogramm des deutschen Imperialismus
b) Der Stand der Rüstung beim Überfall auf die UdSSR
2. Die „Umrüstung“ vom Sommer 1941 und ihr Scheitern
a) Das „Göringprogramm“
b) Ansätze zur „Umrüstung“
c) Die Krise des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts
d) Die Legende von den verpaßten kriegswirtschaftlichen Möglichkeiten
KAPITEL II Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts. Konzentration der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt
1. Auswirkungen der Niederlage vor Moskau
2. Die Reorganisation des Systems staatsmonopolistischer Machtorgane in der Kriegswirtschaft (Zweite Phase)
a) Die Reorganisation des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition
b) Fritz Sauckels Ernennung zum „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“
c) Die Konstituierung der „Zentralen Planung“
d) Die Bildung der Reichsvereinigung Eisen
3. Der Ausbau der staatsmonopolistischen Position des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition. Rüstungskommissionen und Gauwirtschaftskammern
a) Erweiterung der „Mittelinstanz“ des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition
b) Verzögerte Bildung von Gauwirtschaftskammern
4. Veränderungen in Funktion und Struktur des Regulierungsmechanismus in der Kriegswirtschaft
a) Staatsmonopolistische Machtkonzentration und faschistische Partei
b) Das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition und die Reichsgruppe Industrie
KAPITEL III Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept des deutschen Imperialismus
1. Auswirkungen der Niederlagen des Winters 1942/43
a) Frontverluste und Rüstungsprogramme
b) Die kriegswirtschaftliche Konzeption im „Totalen Krieg“
2. Konzentration der Regulierungsgewalt im Sommer/Herbst 1943
a) Kriegswirtschaftliche Folgen des Zusammenbruchs der Defensivstrategie des deutschen Imperialismus
b) Reorganisation des staatsmonopolistischen Apparats in der Kriegswirtschaft (Dritte Phase)
3. Die Machtvollkommenheit des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion und ihre Grenzen
a) „Zentralstelle“ der Kriegswirtschaft
b) Der „Eiserne Pakt“. Auftritt in Posen
c) Politische Ambitionen
KAPITEL IV Die Arbeitskräftesituation. Zur Lage der deutschen Werktätigen und ausländischen Zwangsarbeiter
1. Arbeitskräfteprobleme 1941/42. Der „Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz“
a) Arbeitskräftepolitik im Sommer/Herbst 1941
b) Die Einrichtung des Zwangsarbeitsregimes für die Arbeitskräfte aus der UdSSR
c) Die Krise (Dezember 1941 - Februar/März 1942)
d) Programm und Politik des GBA 1942
e) Lebens- und Arbeitsbedingungen der sowjetischen Zwangsarbeiter
f) „Vernichtung durch Arbeit“
2. „Totaler Krieg“ - partielle Mobilisierung (1943)
a) Meldepflicht- und Stillegungsaktion
b) Die Mobilisierungskonzeption des Reichsministers für Bewaffnung und Munition
c) Stockender Zufluß ausländischer Zwangsarbeiter
d) Bilanz der Verschleppung und Ausbeutung
3. Probleme der Arbeits- und Lebensbedingungen deutscher Arbeitskräfte
a) Terror, Korrumpierung und Manipulierung
b) Arbeitsbedingungen und Arbeitsproduktivität im Kriege
4. Das Zwangsarbeitsregime 1943
a) Ausbeutung und Terror
b) „Sorgfältige Bewirtschaftung und Erhaltung der menschlichen Arbeitskraft“
c) Das Ideal imperialistischer Ausbeutung
Exkurs: Bemerkungen zur Geschichte des Widerstandes der Zwangsarbeiter
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KAPITEL V Rationalisierung und Kriegsproduktion
1. Rationalisierung in der Industrie
a) Das Rationalisierungsprogramm der Rüstungsmonopole und seine Voraussetzungen
b) Methoden der Rationalisierung
c) Zum Gesamtresultat der Rationalisierung
2. Die Entwicklung der Kriegsproduktion
a) Vorbemerkung zur Statistik
b) Waffen, Kriegsgerät, Kraftfahrzeuge
c) „Sonderfragen der chemischen Erzeugung“
d) Grund-und Rohstoffe
e) Maschinen, Bauten, Investitionen
f) Konsumgüter
g) Elektroenergie
KAPITEL VI Zur Kriegsziel- und Okkupationspolitik des deutschen Imperialismus
1. Das deutsche Finanzkapital und die Kriegszielplanungen nach dem 22. Juni 1941
a) Die „Neuordnungs“-Planung 1941/42
b) Der Eigentumsanspruch der Monopole und die sozialistischen Produktionsverhältnisse in der UdSSR
c) Pläne für die Amortisation der deutschen Kriegsschulden
d) 1943: Alte und neue Illusionen
Exkurs: Politische und ökonomische Hintergründe des „Generalplans Ost“
2. Studien zur Wirtschaftspolitik der Okkupanten in den besetzten Gebieten der UdSSR
a) Stahl und Kohle (Dnepr-Donec-Gebiet)
b) Erdöl (Kaukasus)
3. Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik
a) Grund- und Rohstoffe
b) Landwirtschaftliche Produkte
c) Waffen und Kriegsgerät
d) Clearingschulden und Besatzungskosten
KAPITEL VII Kapitalkonzentration und Kriegsprofit
1. Der Mechanismus der Profitmacherei
a) LSÖ und Festpreissystem
b) Abschreibungen
c) Milliardengeschenke aus der Staatskasse (Investitionskredite, Subventionen, Steuerpolitik)
d) Superprofite aus Zwangsarbeit
2. Konzentration von Kapital und Profit
a) Unternehmensstatistik
b) Die Dividendenabgabeverordnung vom 12. Juni 1941
c) Investitionen und „ursprüngliche Akkumulation“
d) Führende Rüstungskonzerne
3. Gesamtprofit: 100 Milliarden
KAPITEL VIII Die deutsche Landwirtschaft im Kriege
1. Die Kriegsvorbereitung
2. Die staatsmonopolistische Organisation der Kriegsernährungswirtschaft
a) Von August 1939 bis 1941/42
b) Von 1941/42 bis 1943
3. Die Produktionsbedingungen der Landwirtschaft und die Arbeitskräftesituation
a) Betriebsgrößenstruktur
b) Die landwirtschaftlichen Betriebe und ihre Produktionsmittel
c) Arbeitskräfte
4. Landwirtschaftliche Produktion
a) Pflanzenproduktion
b) Tierproduktion
ANHANG 1. Ausstoß-Übersicht 1940 – 1944: Waffen, Geräte und Munition
2. Ausschüsse und Ringe des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition [Beilage]
3. Aufgabenverteilung beim Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion und Generalbevollmächtigter für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan nach dem Erlaß über die Aufgabenverteilung in der Kriegswirtschaft vom 29. Oktober 1943 [Beilage]
4. Verzeichnis der Tabellen
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
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Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
KAPITEL I Das Krisenjahr 1944, Klimax und Verfall der kriegswirtschaftlichen Organisation
1. Kriegsaussichten und wirtschaftliche Situation
2. Rüstungsplanungen und Rüstungsorganisation an der Jahreswende 1943/44
a) Ausgangspositionen
b) Speers „Führervorlagen“
3. „Jägerstab“ und „Stab Geilenberg“
a) Die Bildung des „Jägerstabes“
b) Probleme der Industrieverlagerung
c) Der unentbehrliche Minister
d) Der Anfang vom Ende: Die alliierte Treibstoffoffensive und der „Stab Geilenberg“
4. Bilanz vor der Katastrophe. Der „Rüstungsstab“
a) Einvernehmen mit Hitler. Bürokratischer Ausbau der Rüstungsorganisation
b) Rüstungstagungen in Essen und Linz
c) Denkschriften zum „Totalen Krieg“. Die Bildung des Rüstungsstabes
5. Niedergang
a) Der „Minimal-Wirtschaftsraum“
b) Der Schatten der „Verbrannten Erde“
c) Die zweite „Schlacht um die Ruhr“. Der Ruhrstab unter Vögler
d) Beginnende Auflösung des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion
6. Rüstungsorganisation, SS und NSDAP
KAPITEL II Kriegsproduktion, Zahlen und Analysen
1. Höchstleistung und Endkrise
a) Faktoren der Höchstleistung
b) Faktoren der Krise
c) Der Begriff der „Endkrise“
2. Produktionsvergleiche und Selbstbetrug
3. Kriegswirtschaft in Zahlen
a) Kohle
b) Eisen und Stahl
c) Mineralöl
d) Buna. Kriegswichtige Chemikalien, Pulver und Strengstoff
e) Elektroenergie
f) Flugzeuge
g) Panzer
h) Kriegsschiffe
i) Waffen
j) Munition
k) „Wunderwaffen“
l) Giftgas
m) Konsumgüter
n) „Gesamtaufkommen“ 1943
KAPITEL III Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter (Studien)
1. Krise des „Arbeitseinsatzes“
a) Das Fiasko des GBA
b) Letzte Arbeitskraftreserven
c) Jüdische Deportierte aus Ungarn
2. Die „Krautaktion“. Ruhrindustrie, Ernährungswissenschaft und Zwangsarbeit
Anhang: „Richtlinien für die Durchführung der Ernährungsaktion bei russischen Kriegsgefangenen, italienischen Militärinternierten und Ostarbeitern“
3. Rüstungswirtschaft und Arbeiterleben in der Provinz Brandenburg. Eine regionalgeschichtliche Studie
a) Berlin „verlagert“ nach Brandenburg
b) Unterirdische Verlagerung
c) Das „Dilemma des Menschenmangels“
d) Arbeiterleben
e) Daimler-Benz Motoren GmbH, Genshagen
KAPITEL IV Zerfall des Okkupationssystems (Studien)
1. Wirtschaftskollaboration und „Ostgesellschaften“ in besetzten Ländern (1941-1944)
a) Zum Begriff der wirtschaftlichen Kollaboration
b) „Ostgesellschaften“ als Extremfall wirtschaftlicher und politischer Kollaboration
c) Das deutsche Interesse am ausländischen „Osteinsatz“
2. Das Ende der Rohstofflieferungen aus den besetzten Balkanländern (Sommer/Herbst 1944)
a) Der „Minimal-Wirtschaftsraum“ ohne „Südostraum“
b) Die Chromerzlieferungen vom Balkan und ihr Ende
3. Besatzungsalltag auf Kreta 1943–1944. Eine Dokumentation
a) Die deutsche Besatzungsherrschaft bis zur italienischen Kapitulation
b) Die Besatzungsmacht als Kontrollorgan
c) Protektion und Repression
d) Die „Kernfestung“
e) Dokumente
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KAPITEL V Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg
1. Zur Vorgeschichte und Begriffsbestimmung
a) Zur Vorgeschichte
b) Begriffsbestimmung
2. Vom September 1939 bis zum 2. Quartal 1940
a) Allgemeines
b) Italien
c) Spanien und Portugal
d) Nordeuropa und Baltikum
e) Südosteuropa und Türkei
f) Sowjetunion, Ferner und Mittlerer Osten
g) Schweiz, Niederlande, Belgien, Luxemburg
3. Vom 3. Quartal 1940 bis zum 2. Quartal 1941
a) Allgemeines
b) Italien
c) Spanien und Portugal
d) Nordeuropa
e) Südosteuropa und Türkei
f) Sowjetunion, Ferner und Mittlerer Osten
g) Vichy-Frankreich und seine überseeischen Besitzungen
h) Schweiz
4. Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943
a) Allgemeines
b) Italien
c) Spanien und Portugal
d) Nordeuropa
e) Südosteuropa und Türkei
f) Schweiz
g) Vichy-Frankreich und seine überseeischen Besitzungen
h) Ferner Osten
5. Vom Herbst 1943 bis zum Frühjahr 1945
a) Allgemeines
b) Spanien und Portugal
c) Nordeuropa
d) Südosteuropa und Türkei
e) Schweiz
f) Ferner Osten
KAPITEL VI Wirtschaftliche Vorbereitungen auf das Kriegsende und Nachkriegsplanungen
1. Die erste Etappe der Nachkriegsplanungen vom Spätsommer 1943 bis Juli 1944
a) Initiativen zur Modifikation der „Friedensplanungen“
b) Die „Europa“-Konzeption des Planungsamts im Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion
c) Das außenwirtschaftliche Nachkriegsprogramm
d) Erste Grundsatzdokumente der Reichsgruppe Industrie
2. Die zweite Planungsetappe vom August 1944 bis zum Jahreswechsel 1944/45
a) Die Verlagerung des Schwergewichts auf großindustrielle Außenwirtschaftspolitik und außenwirtschaftlich bestimmte Nachkriegsplanungen
b) Die Nachkriegsvorstellungen der strukturellen Verlierer (Handel, Konsumgüterindustrie)
c) Der „Stahl-Kreis“ der Reichsgruppe Industrie
3. Die Notstandsphase seit Januar 1945
a) Hinwendung zu einer von den USA beherrschten Nachkriegs-Weltwirtschaft
b) Überbetriebliche Aspekte der Notstandsplanung
c) Der Übergang der Großunternehmen in den Nachkrieg
KAPITEL VII Agonie und Katastrophe 1945
1. Das „Notprogramm“. Der Zusammenbruch von Verkehr und Produktion
a) Das „Notprogramm“
b) Verkehrschaos und Kohlennot
c) Hektische Organisation
2. Soziales Chaos
a) Flüchtlinge
b) „Starker Wandel der Arbeitseinsatzlage“
c) Elend der deutschen Arbeiter
d) Ausländische Zwangsarbeiter
e) „Soziales Sofortnotprogramm“
3. Die „Erhaltung der Substanz“
a) Sinneswandel vor der Katastrophe
b) Der „Nero-Befehl“
c) Industrielle Ausgangspositionen für die Nachkriegszeit
KAPITEL VIII Die Kriegsfinanzierung
1. Kriegsausgaben des Staates
a) Die Ausgabenseite des Reichshaushalts
b) Ausgaben der Wehrmacht
c) Familienunterhalt
d) Weitere, verdeckte und indirekte Kriegsausgaben
2. Ordentliche Haushaltseinnahmen
a) Das Steuersystem in Deutschland zu Beginn des Krieges
b) Die Kriegswirtschaftsverordnung (KWVO) vom 4. September 1939
c) Die Dividendenabgabeverordnung (DAV) vom 12. Juni 1941
d) Gewinnabführung nach Paragraph 22 KWVO und Gewinnabführungsverordnung (GAV)
e) Weitere steuerliche Maßnahmen im Kriege
f) Besteuerung ausländischer Zwangsarbeiter
3. Außerordentliche Haushaltseinnahmen
a) Die fundierte Reichsschuld
b) Die schwebende Reichsschuld
c) Quellen für die Schuldenaufnahme
4. Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen
a) Finanzierungsfragen bei der Judenverfolgung und der KZ-Verwaltung
b) Zur Rolle äußerer Finanzierungsquellen
c) Requisitionen und Besatzungskosten
d) Reichskreditkassenscheine als Besatzungsgeld
e) Clearingkreditnahme
5. Zur währungspolitischen Konzeption der Reichsbank
6. Anhang: Tabellen über die Steuereinnahmen des Deutschen Reiches, 1938/39 -1943/44 (in Mill. RM)
Anhang 1. Koautoren des Bandes
2. Verzeichnis der Tabellen
3. Quellen- und Literaturverzeichnis
a) Ungedruckte Quellen
b) Gedruckte Quellen und zeitgenössische Literatur
c) Darstellende Literatur
Register zur Gesamtausgabe
1. Filmkonkordanz
2. Personenverzeichnis
3. Ortsverzeichnis
4. Firmenverzeichnis
5. Verzeichnis der Behörden und Institutionen
6. Errata-Liste
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Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1945 [Unaltered reprint]
 9783110968262, 9783598114281

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Dietrich Eichholtz

Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945

Bandi: 1939-1941 Band II/1 und 2: 1941-1943 Band III/1 und 2: 1943-1945

Dietrich Eichholtz

Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945 Bandi: 1939-1941

K G - S ä u r München 1999

Die vorliegende Ausgabe ist ein Nachdruck des von 1969 bis 1996 im Akademie - Verlag, Berlin, erschienenen dreibändigen Werkes, ergänzt durch ein Vorwort, Kritische Randbemerkungen und ein Gesamtregister: Band I: 3., durchgesehene Auflage 1984, Band II: 1985, Band III: 1996.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939 - 1945 / Dietrich Eichholtz. - Durch ein Vorw. und ein Gesamtregister erg. Nachdruck des dreibändigen Werkes. Berlin, Akad.-Verl., 1969 bis 1996. - München : Säur ISBN 3-598-11428-1 Bd. 1. 1939 -1941. -(1999)

0 Gedruckt auf säurefreiem Papier © 1999 by K. G. Saur Verlag GmbH & Co. KG, München Part of Reed Elsevier Printed in the Federal Republic of Germany Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlags ist unzulässig Druck: Druckhaus Beltz, Hemsbach ISBN 3-598-11428-1 (5 Bände)

Übersicht zur Gesamtausgabe

BAND I Vorwort zur Gesamtausgabe 1999 Kritische Randbemerkungen (von Gustavo Corni) Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung zur dritten Auflage Vorwort Einleitung I Die wirtschaftliche Ausgangsbasis des deutschen Imperialismus für den zweiten Weltkrieg. Die Kriegsziele der deutschen Monopole II Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn III Kriegswirtschaftliche Schwierigkeiten und Ergebnisse 1939/40. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat IV Die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa V Die wirtschaftliche Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion Anhang Dokumente zur „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes" (1940, 1941) Bemerkungen zur Bibliographie Quellen- und Literaturverzeichnis B A N D II/l Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis I Der Überfall des faschistischen deutschen Imperialismus auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen II Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts. Konzentration der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt III Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept des deutschen Imperialismus IV Die Arbeitskräftesituation. Zur Lage der deutschen Werktätigen und ausländischen Zwangsarbeiter

VI

Übersicht zur Gesamtausgabe B A N D II/2

Inhaltsverzeichnis V Rationalisierung und Kriegsproduktion VI Zur Kriegsziel- und Okkupationspolitik des deutschen Imperialismus VII Kapitalkonzentration und Kriegsprofit VIII Die deutsche Landwirtschaft im Kriege (von Joachim Lehmann) Anhang 1. Ausstoß-Übersicht 1940-1944: Waffen, Geräte und Munition 2. Ausschüsse und Ringe des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition (Stand Mitte Juli 1943) [Beilage] 3. Aufgabenverteilung beim Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion und Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan nach dem Erlaß über die Aufgabenverteilung in der Kriegswirtschaft vom 29. Oktober 1943 [Beilage] 4. Verzeichnis der Tabellen 5. Quellen- und Literaturverzeichnis B A N D III/l Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis I Das Krisenjahr 1944. Klimax und Verfall der kriegswirtschaftlichen Organisation II Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen III Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter (Studien) IV Zerfall des Okkupationssystems (Studien) B A N D III/2 Inhaltsverzeichnis V Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg (von Berthold Puchert) VI Wirtschaftliche Vorbereitungen auf das Kriegsende und Nachkriegsplanungen (von Karl Heinz Roth) VII Agonie und Katastrophe 1945 VIII Die Kriegsfinanzierung (von Manfred Oertel) Anhang 1. Koautoren des Buches 2. Verzeichnis der Tabellen 3. Quellen- und Literaturverzeichnis Die von der Reichsschuldenverwaltung ausgewiesene Reichsschuld [?•eilage] Register zur Gesamtausgabe

Vorwort zur Gesamtausgabe 1999

Dem Leser liegt hiermit ein unveränderter, seitengetreuer Nachdruck der dreibändigen „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945" vor (gebunden in fünf Bänden). Die Neuausgabe dieses Werkes ist eine besondere verlegerische Tat Von 1969 bis 1996 erschienen, konnte es bisher infolge der Umstände zu keinem Zeitpunkt als Ganzes auf dem Markt angeboten werden und ist inzwischen vollständig vergriffen. Die unveränderte Neuauflage bietet die einzige Möglichkeit, es der interessierten Öffentlichkeit binnen kurzer Frist verfügbar zu machen. Band I erlebte drei Auflagen (1969; 1971; 1984). Band II erschien 1985; ein wohl nicht geringer Rest seiner Auflage verschwand in der „Wende"panik 1989/90 auf bis heute nicht restlos aufzuklärende Weise, zusammen mit Hunderttausenden anderer verlagsfrischer DDR-Bücher. Band III erschien im Herbst 1996 und ist seit Anfang 1998 vergriffen. Jeder Band galt bei seinem Erscheinen als wissenschaftliche Pionierleistung und stand schon auf Grund der Fülle an ganz überwiegend zum ersten Mal publiziertem Quellen- und Zahlenmaterial an der Spitze der internationalen Forschung. In der ausfuhrlichen Analyse dieses Materials wurden im Werk von Anfang an neue Wege beschritten, was internationale Beachtung fand. Auch in dieser Beziehimg galt und gilt es als ein Standardwerk zur Thematik. Einen Grundzug dieser Analyse erkannte schon bei Erscheinen des ersten Bandes der damalige Nestor der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichtsschreibung, Wilhelm Treue, allerdings mit größtem - aus der Schärfe der damaligen Auseinandersetzungen um die NS-Vergangenheit erklärbarem - Widerwillen: Die Begründung und Behauptimg einer Gegenposition gegen den herrschenden erzkonservativen Trend der weitgehenden Ausklammerung der Expansions- und Kriegszielpolitik des deutschen Großkapitals, seiner Beteiligung an Kriegsvorbereitung, „Neuordnungs"- und Raubpolitik und der Leugnung seiner maßgeblichen Mitverantwortung für die schon in den Nürnberger Prozessen aktenkundig gewordenen NS-Verbrechen. (Die Zeit, 9. 1. 1970, „DDR-Angriff gegen die .Monopole'") Ziel der Gesamtpublikation war es von Anfang an, das Thema in seiner ganzen Breite zu erfassen, so auch das vorhandene statistische Zahlenwerk aufzubereiten. Eine Reihe von ausgewiesenen Fachkollegen und Freunden hat zu bestimmten, von einem Autor allein in dieser Qualität gar nicht darzustellenden Themenbereichen wertvolle Beiträge geliefert und daran mitgewirkt, daß das Werk dem genannten Ziel zumindest sehr nahe kommt.

VIII

Vorwort zur Gesamtausgabe

Schwerpunkte und besondere Stärken des Ganzen liegen in folgenden Bereichen: 1) Imperialistischer Wirtschaftsexpansionismus: Der Wirtschaftsimperialismus des deutschen Großkapitals, eine stets zu wenig beachtete Kriegsursache, trat in den Kriegszielplanungen führender Konzerne und Großbanken und besonders in ihren ungeheuerlichen Plänen zur „Neuordnung" Europas und der Welt zutage. Expansionismus und Revanchismus waren Beweggrund dafür, daß maßgebliche Kreise der Wirtschaftselite sich schon in der Vorbereitung des Krieges eng mit der politischen und militärischen Führung des NS-Regimes verbanden; sie bauten das industrielle Fundament für den Krieg aus und zeichneten dem Regime die wirtschaftsstrategischen Grundlinien für kontinentale und schließlich weltweite Eroberungen vor. In der zweiten Kriegshälfte wandelten sich ihre „Neuordnungs"planungen in ausgedehnte Planungen und Vorbereitungen für die Nachkriegszeit. 2) Militärisch-industrieller Komplex (rüstungs- und kriegswirtschaftliche Führungsstrukturen, Produktionsregulierung): Nach chaotischer Konzeptionslosigkeit in der Wirtschaftsführung während der ersten (,JBlitzkriegs")Phase verdrängten das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition (später: für Rüstung und Kriegsproduktion) und die sich eng mit ihm verbindenden großen Rüstungskonzerne die traditionellen Rüstungsinstitutionen (Wehrmachts- und Ministerialbürokratie) weitgehend aus der Lenkung der Kriegswirtschaft. Seit 1941/42 übten die Rüstungsunternehmen in ihrer „Selbstverantwortungs"organisation mittels der vom Ministerium auf sie delegierten Machtfülle die beherrschende Regulierungsgewalt in der Kriegswirtschaft aus. Diese besondere Ausprägung des militärisch-industriellen Komplexes veränderte die Produktions- und Unternehmensstrukturen. Sie führte zu rasch wachsendem Produktionsausstoß und zugleich zu einem Investitionsboom in der Rüstungsindustrie von bis dahin unbekanntem Ausmaß und ermöglichte dieser darüber hinaus eine enorme, von der Öffentlichkeit sorgfaltig verborgene Profitmacherei. Diese Prozesse hatten gravierende Folgen für die Nachkriegsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland. 3) Plünderung, Ausbeutung und „Arisierung" in den besetzten Ländern: Während die Wehrmacht sich der Kriegsbeute - Waffen, Rüstungsgüter, Rohstoffe - bemächtigte und jahrelang aus den okkupierten Ländern lebte, gingen die deutschen Wirtschaftsbehörden, die Großindustrie unter Führung der Reichsgruppe Industrie und der Wirtschaftsgruppen und die Großbanken an die Realisierung einer auf Terror, Rassismus und Massenmord fundierten europäischen „Neuordnung". Ihr Interesse galt in erster Linie dem Eindringen in Wirtschaft und Kapitalverhältnisse der besetzten westeuropäischen Länder und der Aneignung der gewaltigen wirtschaftlichen Ressourcen der UdSSR. 4) Zwangsarbeit: Einem in seiner Unmenschlichkeit unübertroffenen Zwangsregime unterwarfen die deutschen Behörden und Unternehmen viele Millionen ausländische Zivilisten, Kriegsgefangene und Konzentrationslagerhäftlinge, zu denen noch ein erheblicher Teil der arbeitenden Bevölkerung in den besetzten Gebieten gezählt werden muß. Nach der willkürlichen Skala einer rassistischen „Ordnung" wurden Unfreiheit und Zwang, Arbeitsbedingungen, materielles Elend, Hunger, moralische Entwürdigimg vielfältig und bis ins kleinste abgestuft. Die Zwangsarbeit der KZ-Häftlinge stellte eine besondere Form des Massenmords und des Genozids dar („Vernichtung durch Arbeit"). Die Zwangsarbeit ganzer Völkerschaften war darüber hinaus ein Bestandteil der Kriegszielvorstellungen der NSFührung und der deutschen Eliten („Großraumwehrwirtschaft"; „Neuordnung" Europas; „Generalplan Ost").

Dietrich Eichholtz

IX

In diesen Themenbereichen liegen Hypotheken deutscher Geschichte, die sich auch nach 60 Jahren keineswegs erledigt haben, wie schon ein Blick auf die aktuellen Nachrichtenmeldungen zur „Wiedergutmachung" und Entschädigung von Holocaust-Opfern, KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern ausweist. Ein Werk, dessen Bände im Laufe von 30 Jahren entstanden, nimmt begründeterweise den Charakter einer historischen Ausgabe an, die durchaus der kritischen Reflexion bedarf; um so mehr, als hier einer der seltenen Fälle vorliegt, in denen ein Werk zu einem Teil als anerkannte Arbeit eines DDR-Historikers erschien, zum anderen Teil seinen erfolgreichen Abschluß nach dem Untergang der DDR im vereinigten Deutschland fand - ein Tatbestand, der selber von historischem Interesse für die heutige „DDR-Forschung" ist Der erste Band ist 30 Jahre nach seinem Erscheinen selbstredend überholungsbedürftig, besonders was die Einarbeitung des neuesten Wissensstandes, d. h. neuer und neu zugänglicher Quellen und einer sehr großen Zahl inzwischen erschienener Veröffentlichungen betrifft. Doch er enthält bereits den roten analytischen Faden des Gesamtwerks und bietet etwa im Dokumentenanhang, der mehr als ein Drittel des Bandtextes ausmacht - eine Fülle damals gänzlich unbekannten, geradezu sensationellen Quellenmaterials, das leider bis heute recht zögernd rezipiert wird. Kritikwürdig sind eher bestimmte andere Schwächen dieses Bandes, die in minderem Maße auch in Teilen des zweiten Bandes anzutreffen sind. Gustavo Corni (Università di Trento) hat sie in seiner Einführung deutlich angemerkt Diese Schwächen liegen nach meinem heutigen Urteil in der Art und Weise der Analyse und noch mehr in deijenigen der Darstellung. Nicht etwa in der - voll und ganz vertretbaren, ja notwendigen und zu fordernden - antifaschistischen „Parteilichkeit", sondern in einer passagenweise sehr spürbaren, aber unnötigen Ideologisierung und Politisierung, erklärbar aus der Atmosphäre des Kalten Krieges und den allen Zeitgenossen erinnerlichen ideologischen Auseinandersetzungen, in denen es auch unter Fachkollegen - zumal zwischen marxistischen und konservativen nicht immer loyal zuging. Ideologisierung findet zum Beispiel statt, wenn eine Kontinuität zwischen dem faschistischen (NS-) und dem bundesdeutschen Kapitalismus bloß plakativ herausgestrichen wird, ohne daß (wie im dritten Band) Zusammenhänge und Entwicklungslinien konkret analysiert werden; oder wenn es der für den Autor selbstverständlichen Parteinahme für den Sozialismus als Weltanschauung und anzustrebendes Gesellschaftssystem an dem notwendigen kritischen Verhältnis zum „real existierenden Sozialismus" mangelt. Störend wirkt schließlich die Hypertrophie der den Imperialismustheorien Lenins, Hilferdings und anderer entlehnten Begriffe (Monopole; Finanzkapital) und die Überstrapazierung von damals in heftiger Diskussion stehenden Begrifflichkeiten wie Monopolgruppen, staatsmonopolistische Gruppierungen, staatsmonopolistischer Regulierungsmechanismus u. ä., die allein durch ihre Häufung keineswegs überzeugen. Inhaltlich handelte und handelt es sich aber sehr wohl um für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wichtige, diskutierenswerte Begriffe und Thesen, mit denen die marxistische Forschung bei den maßgeblichen Historikern des Westens weithin auf eine Mauer der Unkenntnis, der harschen Ablehnung und des Verschweigens stieß, obwohl sie auf reichliches, neues Quellenmaterial gestützt waren. Im Gesamtwerk fmden sich eine Fülle von Ansatzpunkten für fruchtbare fachliche Diskussionen und Anregungen zu weiterführender Forschung, etwa solche, die sich näher mit

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Vorwort zur Gesamtausgabe

dem Verhältnis von Politik und Ökonomie, von Kriegführung und Kriegswirtschaft beschäftigen. Derartige Diskussionen waren bisher in aller Regel sehr ertragreich. Im Werk selbst sind die gedanklichen und Forschungsfortschritte in diesen und anderen Fragen deutlich genug auszumachen. Die Neuauflage ist ergänzt um die erwähnte kritische Einführung, die dankenswerterweise Gustavo Corni als ein mit der Materie bestens vertrauter Fachmann geschrieben hat, und dieses Vorwort Die Register der drei Bände sind am Ende des letzten Bandes zusammengefaßt, ein Ortsregister ist neu erarbeitet worden. Ferner ist eine Filmkonkordanz für alle drei Bände zusammengestellt worden. Für diese Arbeit danke ich herzlich Martina Dietrich, Helma Kaden und Heidemarie Kruschwitz. Juni 1999

Dietrich Eichholtz

Kritische Randbemerkungen Von Gustavo Comi (Università di Trento)

Zu den Folgen der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990 gehört die Auflösung des gesamten Apparats der Geschichtsforschung in der nunmehr verschwundenen Deutschen Demokratischen Republik. Unter der Beschuldigung, mit ihrer Tätigkeit in Forschung und Lehre das kommunistische Regime (die „zweite deutsche Diktatur") gestützt zu haben1, sind die meisten Historiker entlassen oder gezwungen worden, vorzeitig in Rente zu gehen. Die Forschungszentren, die - entsprechend dem sowjetischen Modell - der Akademie der Wissenschaften unterstanden, sind geschlossen worden.2 Mit einer vielleicht übermäßigen Eile wollte man so einer Disziplin den Totenschein ausstellen, die in mehr als 40 Jahren nicht wenige Zeichen ihrer Lebendigkeit gegeben hat.3 Bei diesem Kahlschlag, in den auf schmerzhafte Weise Hunderte von Menschen verwickelt wurden, ist recht wenig übriggeblieben. Die Pläne, einer gewissen, beschränkten Anzahl von Forschern der aufgelösten Republik Übergangslösungen zu bieten, reduzierten sich noch infolge der schwierigen Haushaltslage des heutigen Deutschlands. An den Fingern kann man an den (teilweise neuen) Universitäten auf dem Gebiet der neuen Bundesländer die Lehrenden zählen, die ihre wissenschaftliche Laufbahn im kommunistischen Deutschland durchmessen haben.

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Zur Rolle der DDR-Geschichtsschreibung bei der Legitimierung des kommunistischen Regimes hat alsbald eine intensive Publikationst&tigkeit eingesetzt, die mitunter die Grenzen der wissenschaftlichen Diskussion überschritten hat Um den Rahmen der Debatte abzustecken, nenne ich nur R. Eckert/W. Küttler/G. Seeber (Hrsg.), Krise — Umbruch — Neubeginn. Eine kritische und selbstkritische Dokumentation der DDR-Geschichtswissenschaft, Stuttgart 1992 (mit einem Aufsatz von Eichholtz); G. Comi (Hrsg.), I muri della storia. Storici e storiografia dalle dittature alle democrazie 1945-1990, Trieste 1996. Vgl. auch die Studie von I. S. Kowalczuk, Legitimation eines neuen Staates. Parteiarbeiter an der historischen Front, Berlin 1997. Vgl. die Beiträge von J. Kocka und E. Weinzieri in Sulla „Abwicklung" nell'exDDR. In: Quaderni storici, 27, 1992. FQr einen allgemeinen Überblick verweise ich auf meinen Essay La ricerca storica marxista-leninista nella DDR. In: P. Rossi (Hrsg.), La storiografia contemporanea. Indirizzi e probleme, Milano 1987.

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Kritische Randbemerkungen

In diesem trostlosen Panorama erscheint es deshalb überraschend, daß eine wichtige, mehrbändige Untersuchung wie die „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945" von Dietrich Eichholtz zu ihrem Abschluß gekommen ist. Der erste Band dieses Werks wurde 1969 veröffentlicht, in zweiter Auflage 1971 und in dritter 1984 gedruckt, anläßlich des Erscheinens des zweiten Bandes (1985). Der dritte Band ist 1996 herausgekommen, wie die anderen beim Akademie Verlag in Berlin, dem offiziellen Verlag der Akademie der Wissenschaften der DDR. Einige Zahlen, die das „Gewicht" dieses Werkes beleuchten, das eine vierzigjährige Forscherlaufbahn vervollständigt: Der erste Band umfaßte 408 Seiten, der zweite 713 und der dritte sogar 803. Während der ersten Band zur Gänze das Weik von Eichholtz war, enthielten die beiden folgenden Bände Beiträge anderer Wissenschaftler. Im zweiten Band findet sich ein umfangreiches Kapitel über „Die deutsche Landwirtschaft im Krieg" von dem Rostocker Historiker Joachim Lehmann, einem Spezialisten für Agrargeschichte. Im dritten Band sind vier Koautoren vertreten. Karl Heinz Roth (Bremen) hat ein bedeutendes Kapitel über „Wirtschaftliche Vorbereitungen auf das Kriegsende und Nachkriegsplanungen" geschrieben; Berthold Puchert (Potsdam) ist Autor des Kapitels - mehr oder weniger einer Monographie - „Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg"; Manfred Oertel (Stralsund) verdanken wir ein Kapitel über die Finanzierung des Kriegsaufwandes; Hagen Fleischer (Athen) trägt eine Dokumentation über den „Besatzimgsalltag auf Kreta 19431944" bei. Es ist evident, daß ein Werk von diesem Ausmaß, das den größten Teil eines Wissenschaftlerlebens ausgefüllt hat, mit Beiträgen von außen realisiert werden mußte, und es ist eine Stärke des Autors - nicht eine Schwäche, meine ich auf diese Art seine „Grenzen" anerkannt zu haben. Der Umfang der archivalischen und dokumentarischen Basis nahm von Band zu Band zu. Während im ersten Band die (doch sehr umfangreiche) Dokumentation ausschließlich aus Archiven der DDR, vor allem aus dem Zentralen Staatsarchiv, stammte, ist in den beiden folgenden Bänden die archivalische Basis beachtlich erweitert worden und umfaßt schließlich zahlreiche Bestände aus dem Bundesarchiv Koblenz, aus Archiven westlicher Unternehmen sowie aus ausländischen Archiven. Gänzlich fehlen hingegen Bezugnahmen auf sowjetische Archive. Zu den Verdiensten des Werkes zählt, daß Eichholtz die markantesten Daten seiner Untersuchungen in Form von Tabellen und Statistiken zusammengefaßt dargestellt hat: 206 im zweiten und 164 im dritten Band, beide Male durch einen Index leichter benutzbar gemacht Was den ersten Band betrifft, so scheint mir, daß der Autor eine Ausdrucksweise benutzt die für jenen - in der Minderheit befindlichen - Teil der marxistisch-orthodoxen Geschichtsforschung der DDR charakteristisch war, der mühsam neuen methodologischen und analytischen Ansätzen und Schlußfolgerungen Raum zu geben versuchte. Diese Historiker gestalteten das starre Korsett der Orthodoxie flexibler, das besonders für die Neueste Geschichte galt. So sind die einleitenden Seiten noch in der traditionellen Ausdrucksweise der Orthodoxie verfaßt, und die erste Fußnote nimmt wie obligat, Bezug auf eine Schrift von Walter Ulbricht Im Band aber sucht Eichholtz Wege zu einer flexibleren Lesart der herrschenden Theorie des sogenannten Stamokap („staatsmonopolistischer Kapitalismus"). Er hält an der Interessenidentität zwischen Finanzkapital und Staat fest und zollt der These über die nahe bevorstehende Krise des kapitalistischen Systems Tribut; aber er spricht von einer

Gustavo Corni

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„neuen Rolle der Staatsmacht" (I, 5) und von dialektischen Wechselbeziehungen zwischen politischer und ökonomischer Sphäre. Nach seiner Auffassung verwuchsen „bestimmte Monopole, Gruppen von Monopolen oder auch ganze Monopolgruppen (Kohle/Eisen/Stahl; Chemie/Elektroindustrie) mit bestimmten Teilen des Staatsapparates und Parteiapparats" (I, 9); diese Verflechtung bildete zugleich die Grundlage für „heftige Auseinandersetzungen" (I, 15) über die beste Strategie, den geplanten Krieg zu gewinnen, ohne die delikaten inneren, sozialen Gleichgewichte zu stören. So erklärt er, daß 1936 der Sieg Görings und seines „Vieijahresplans" als Strategie forcierter Kriegsvorbereitung nichts als ein Kompromiß zwischen „Breitenrüstung" und „Tiefenrüstung" war und daß die „Kanonen-statt-Butte^'-Politik nicht nur in ökonomischer, sondern auch in sozialer Hinsicht unüberwindbare Grenzen hatte. Seit Ende der 50er Jahre widmet sich Eichholtz - 1930 in Danzig geboren und als Student und junger Wissenschaftler einer der ersten Schüler von Jürgen Kuczynski, dem hervorragenden Wirtschaftshistoriker der DDR - der Wirtschaftsgeschichte der Hitlerschen Periode und - allgemeiner - der Problematik des Faschismus. Auch als ein Kenner der archivalischen Dokumentation hat er sich hervorgetan.6 Als einer der ersten hat er die umfassenden Pläne zur ökonomisch-demographischen Neustrukturierung des eroberten (oder zu erobernden) Osteuropa („Generalplan Ost") untersucht und mit bis dahin unveröffentlichten Dokumenten die erstrangige Rolle beleuchtet, die wichtige kapitalistische Konzerne und Gruppen bei der Ausbeutung der besetzten Gebiete und der Planung einer neuen wirtschaftlichen „Ordnung" ganz Europas nach dem (siegreichen) Ende des Krieges gespielt haben. Auf diesem Gebiet haben die Historiker der DDR - Eichholtz dabei in der ersten Reihe - einen Beitrag geleistet, der, mit heutigen Augen gesehen, als originell und nutzbringend eingeschätzt werden muß, mit der Maßgabe, daß man von der unvermeidlichen ideologischen Komponente absieht. In jener Zeit tendierten die westlichen Historiker dazu, diese Aspekte zu vernachlässigen und ihre Aufmerksamkeit auf Hitler und seine Ideologie zu konzentrieren. Gerade die erwähnten „Neuordnungs"pIäne, die von den großen monopolistischen Gruppen erarbeitet wurden, analysiert der Berliner Historiker sorgfaltig. Er nimmt eine Gliede*

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Es ist also korrekt, Eichholtz zu den Urhebern der sogenannten These von den „Monopolgruppen" zu zählen, die einen Schritt nach vorn im Vergleich zu den traditionellen kommunistischen Interpretationen darstellte; vgl. I. Kershaw, Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick, Reinbek 1994, S. 84. Außer der „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft" sind zu nennen: D. Eichholtz/K. Gossweiler, Noch einmal: Politik und Wirtschaft 1933-1945. In: Das Argument, 10 (1968). Generell zum Inhalt der seinerzeit stark beachteten Debatte der Autoren mit T. Mason, die weiterhin Aktualität besitzt, verweise ich auf meinen Essay „Tim Mason: l'impegno e il laboratorio deila storia sociale". In: Passato e Presente, 10 (1991), S. 107-129; Mitarbeit von Eichholtz im Herausgeber- und Autorenkollektiv von Deutschland im zweiten Weltkrieg, u.d.Leitung v. W. Schumann (6 Bände, Berlin 1974-1985); D. Eichholtz/K. Gossweiler (Hrsg,.), Faschismusforschung. Positionen, Probleme, Polemik, Berlin 1980; D. Eichholtz/K. Pätzold, Der Weg in den Krieg. Studien zur Geschichte der Vorkriegsjahre (1935/36 bis 1939), Berlin 1989; neuestens D. Eichholtz (Hrsg.), Krieg und Wirtschaft. Studien zur deutschen Wirtschaftsgeschichte 1939-1945, Berlin 1999. Siehe insbesondere D. Eichholtz/W. Schumann (Hrsg.), Anatomie des Krieges. Neue Dokumente zur Rolle des deutschen Monopolkapitals bei der Vorbereitung und Durchführung des zweiten Weltkrieges, Berlin 1969. Siehe auch den Dokumentenanhang im vorl. Band I.

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Kritische Randbemerkungen

rang der deutschen Wirtschaftselite in „Gruppierungen" vor, deren Ziele und Strategien teilweise divergiertea Auf jeden Fall waren ihnen allen mit den Nationalsozialisten zwei Ziele gemeinsam: die vom Versailler Friedensvertrag festgelegte Ordnung zu beseitigen und Europa unter Einschluß der Räume und Ressourcen des Ostens „neuzuordnen". Ein zweiter Schwerpunkt der Analyse des Autors im ersten Band betrifft „Die Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn" (Kapitel II). Auch bei diesem fiir die marxistische Orthodoxie fundamentalen Thema mangelt es seiner Position nicht an Nuancen. Das Regime war ihm zufolge stets bestrebt, die Arbeiterklasse, deren objektiv antagonistische Position es fürchtete, unter strengster Kontrolle zu haltea Terror allein reichte nicht hin, um den sozialen Frieden zu erhalten. Eichholtz analysiert die demagogischen Maßnahmen und die umfangreichen Zugeständnisse, die das Regime machen mußte, um sein Ziel zu erreichen. Im dritten Kapitel zeichnet Eichholtz die tiefgreifenden Umgestaltungen nach, die während der Anfangsphase des Krieges im Leitungssystem der Wirtschaft vorgenommen wurden. Auch hier hebt er hervor, wie einerseits wirtschaftliche und politische Interessen in Wechselbeziehung standen, andererseits scharfe Brüche und Gegensätze zum Austrag kam e a So beobachtet er, daß Göring, offiziell immer noch Leiter der gesamten Kriegswirtschaft, lange versucht hat, eine Politik des geringsten Widerstands zu betreiben, die darauf gerichtet war, die Gegensätze und Reibungen zu minimierea Im Mittelpunkt des Kapitels steht die Bildung des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition unter Fritz Todt, die bereits als Anzeichen für das Scheitern der Göringschen Konzeption gelten kana Das Thema der wirtschaftlichen Expansion der deutschen Industrieunternehmen und Banken, schon als Schwerpunkt des Gesamtwerks erwähnt, wird im Band im vierten Kapitel „Die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa" abgehandelt. Ausführlich werden die „Neuordnungs"projekte der großen Unternehmen dargestellt, wobei besonderes Gewicht auf den Chemiekoloß IG Farben gelegt wird. Eichholtz schält die folgende Kausalkette heraus: „ökonomische Strategie der finanzkapitalistischen Gruppierungen politische Strategie - militärische Strategie - rüstungswirtschaftliche Strategie und Planung"; er fügt hinzu, daß es sich nicht um eine lineare Kausalität handele, da „komplizierte Wechselwirkungen, mannigfache Übersetzungen und Rückkopplungen" sie durchziehen, und er schließt diese entscheidende - von Doppeldeutigkeiten gewiß nicht freie - Passage mit der These, daß in jedem Fall die Gruppen des Finanzkapitals „das letzten Endes entscheidende, bestimmende Glied" blieben (1,162). Das fünfte und letzte Kapitel ist der wirtschaftlichen Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion gewidmet. Es spiegelt sich darin einerseits das Gewicht der enormen sowjetischen Ressourcen in der Erwartung der deutschen Planer wider, andrerseits kann das Kapitel in manchen Passagen als ein weiterer Tribut an den orthodoxen Kanon verstanden werden. Auch hier hebt Eichholtz die Rolle der großen deutschen Unternehmen und die enge, auch personelle Verflechtung zwischen den wirtschaftlichen Einrichtungen des Regimes und den Zentren der wirtschaftlichen Macht hervor. Mit dem Angriff auf die UdSSR endet nach Meinung des Autors die Phase der auf den „Blitzkriegen" beruhenden Wirtschaft, da sie sich für die neue Etappe des Konflikts als unzureichend erwies. Der zweite Band erschien erst sechzehn Jahre nach dem ersten, weil, wie der Autor im Vorwort erwähnt, andere Forschungsverpflichtungen offiziell den Vorrang hatten. Zugleich unterstreicht er die Kontinuität zum ersten Band in thematischer und analytischer Hinsicht. Der Band setzt mit der „Umrüstung" vom Sommer 1941 und ihrem Scheitern ein und be-

Gustavo Comi

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handelt ausführlich die nach der Niederlage vor Moskau in der Kriegswirtschaft eingeführten tiefen organisatorischen Umgestaltungen von Ende 1941/Anfang 1942. Diese Umgestaltungen mündeten in die schrittweise Durchsetzung der Linie von Todt und später von Albert Speer gegenüber der Strategie von Göring, der in erster Linie für den bisherigen Kurs der nur oberflächlichen und punktuellen Ausnutzung des deutschen wirtschaftlichen Kriegspotentials verantwortlich war. Eichholtz meint, daß in dieser kritischen Phase die grundlegenden Entscheidungen weder einsam von Hitler getroffen wurden noch das hauptsächliche Werk Todts oder Speers waren, sondern von den „Spitzen des deutschen Finanzkapitals" initiiert wurden (II, 49). Es muß aber gesagt werden, daß der Autor hier den Quellenbeweis schuldig bleibt. Es stimmt, daß es Speer gelang, die Methode der „Selbstverantwortung der Industrie" durchzusetzen und den Industrieführem persönlich die Verwaltung der verschiedenen Rüstungssektoren zu übertragea Dennoch bringt ein so guter Kenner der archivalischen Quellen wie der Autor kein Dokument dafür bei, daß es die Exponenten des Großkapitals waren, die die Entscheidungsinputs gaben. Er muß sich darauf beschränken zu zeigen (was jedoch nicht wenig ist), wieviele erstrangige Exponenten der Industrie in die verschiedenen Planungs- und Leitungszentren der Kriegswirtschaft berufen wurden. Das vierte Kapitel befaßt sich mit der Lage der Arbeiter. Der Autor stellt in reicher Dokumentation die Formen der Ausbeutung der deutschen und ausländischen (besonders der sowjetischen) Arbeitskräfte dar. Die deutschen Arbeiter waren in jeder Beziehung vor den ausländischen bevorzugt, die einer intensiven Ausbeutung unterworfen waren. Hier zeigt Eichholtz, daß die Brutalität der Behandlung der Zwangsarbeiter keineswegs den realen Interessen der Industrie entsprach, die im Gegenteil daran interessiert war, die wertvolle Arbeitskraft zu erhalten und sie hinreichend effizient einzusetzen. Darin sehe ich eine nicht unbeträchtliche Diskrepanz zu der Grundthese des Buches, der zufolge es in letzter Instanz die Interessen der Wirtschaft waren, die überwogen. Mit besonderem Nachdruck vertritt der Autor die Auffassung, daß das von der SS in den Konzentrationslagern praktizierte System der wirtschaftlichen Ausbeutung nicht voll mit den Kriterien des kapitalistischen Profits harmonisierbar war, so daß die Ambitionen der SSWirtschaftler, insbesondere die Schaffung eines SS-Wirtschaftsimperiums, gerade durch die Opposition der Industrie blockiert wurden. Von Bedeutung scheint mir auch der Hinweis auf die „moralische Degradation" der deutschen Arbeiter durch die vom Regime gebotenen Anreize und Lockmittel und durch die Schlechterstellung der ausländischen Arbeiter zu sein. Das ergibt ein Bild, daß eindeutig im Gegensatz zu dem kanonischen einer stets reinen und antagonistischen Arbeiterklasse steht Die überaus harten Lebens- und Arbeitsbedingungen der ausländischen Arbeiter, zumeist Zwangsarbeiter, hatten eben auch eine wichtige innenpolitische Funktion: „das entwickelte proletarische Klassenbewußtsein zu zerstören bzw. niederzuhalten" (II, 280). Das fünfte Kapitel ist einer Analyse der Kriegsproduktion gewidmet. Bereich für Bereich stellt Eichholtz dar, wie Direktoren und Techniker der Unternehmen und Funktionäre des Regimes versuchten, mittels Rationalisierung die höchstmögliche Produktion zu organisieren: von Kohle und Stahl über Fahrzeuge und Maschinen bis zu den Hauptwaffen. Anschließend analysiert er die Ergebnisse der Kriegsproduktion einschließlich der Rohstoffe, der chemischen Syntheseproduktion, der Elektroenergie, des Bauwesens und der Entwicklung der „Wunderwaffen". Es liegt hiermit eine weit gespannte und detaillierte Untersu-

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Kritische Randbemerkungen

chung vor, bei der der Autor ausgiebig seine ausgezeichnete Sachkenntnis und seine außerordentliche Beherrschung der Quellen zeigen kann. Das sechste Kapitel ist der Untersuchung der Besatzungspolitik, besonders deijenigen in der Sowjetunion, gewidmet. Zunächst werden die Pläne und Erwartungen der politischen und wirtschaftlichen Machtzentren analysiert, danach die konkrete Praxis der Okkupanten untersucht Eine besondere Studie befaßt sich mit dem „Generalplan Ost", das heißt, mit jenem Komplex von Projekten für eine sowohl demographisch-rassische als auch wirtschaftlich-soziale „Neuordnung" des besetzten Osteuropas, der auf Anweisung von Himmler ausgearbeitet wurde. Auch hier unterstreicht Eichholtz die unentwirrbaren Verknüpfungen zwischen Ideologie und Plänen der Nationalsozialisten und langfristigen Interessen des deutschen Monopolkapitals. Er verweilt auch kurz (zu kurz, möchte ich meinen) bei der Politik der Judenvernichtung. Es findet sich kein Hinweis darauf, daß diese Politik ideologische Motivationen hatte; hierin der marxistischen Orthodoxie verbunden, meint er hingegen, sie sei ganz und gar imperialistische Politik (II, 448 ff.). Übrigens ist die Analyse hier nicht frei von Schwankungen: Der Autor neigt zu einer allgemeineren Beurteilung des „Generalplans Ost", nach der der Plan als Plan der Massenvernichtung im wesentlichen den „Sicherungs"interessen Hitlers und seines Regimes entsprach, und gerät so in einen „unlösbaren Widerspruch" (II, 457) zu den hauptsächlichen Wirtschaftsinteressen. Hieran sieht man, welch langen Weg Eichholtz zurückgelegt hat, sich von den Kanons der Orthodoxie zu lösen und dahin zu gelangen, sich einem „Primat der Politik" (Mason) anzunähern, den er Jahre zuvor noch brüsk abgelehnt hatte. Offensichtlich hat er aber in logischer und lexikalischer Hinsicht noch einige Schwierigkeiten, diese Loslösung klar auszudrücken. Das siebente Kapitel behandelt die Frage der Kriegsprofite. Der Autor stellt fest, daß das Regime den Erwartungen der Industrie in dieser Beziehung voll gerecht wurde. Bei dem Versuch, den gesamten von den deutschen Unternehmen erzielten „reinen Kriegsprofit" zu schätzen, kommt er auf die Zahl von 70 bis 80 Milliarden Reichsmark (II, 569); allein den Surplusprofit aus der Arbeit ausländischer Arbeitskräfte schätzt er auf 60 bis 70 Milliarden Mark (II, 530 f.). In einem zweiten Teil des Kapitels untersucht er das Phänomen der industriellen Konzentration, deren Rhythmus sich während des Krieges immer stärker beschleunigte. Bereits 1942 hielten kaum zwei Prozent aller Aktiengesellschaften die Hälfte des gesamten Aktienkapitals. Wenngleich unter den Bedingungen einer besonders konflikthaften Beziehung der Unternehmen zum politischen System gerade in diesem Punkt, galten Eichholtz zufolge auch während des Krieges die Grundelemente der kapitalistischen Logik und Ökonomik: Streben nach Profit, Optimierung der Ausbeutung der Ressourcen und der Arbeitskräfte, Expansionismus im internationalem Maßstab, aber auch unausweichliche Krisentendenzen. In einem ganz anderen gesellschaftlichen Umfeld erschien der dritte und abschließende Band, nämlich nach der Auflösung des kommunistischen Staates und seines Wissenschaftsapparats. Die ersten beiden Bände waren schon gleichsam Klassiker geworden, umfangreich zitiert und von den Fachleuten international sehr positiv beurteilt, wenn auch mitunter mit

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Distanzierung zur Interpretation.7 Im Vorwort zum dritten Band räumt Eichholtz ein, er habe weitere Überlegungen zur Methode angestellt, um den Gefahren eines zu rigiden Ökonomismus zu entgehen; dies habe um so näher gelegen, als in der Endperiode des Krieges „die Eingriffe politischer Institutionen ... in die wirtschaftlichen Abläufe von erheblicher Tragweite" waren (in, XI). Er meint, daß die Substanz seiner Arbeit hieraus Gewinn gezogen hat. Insgesamt sind diese kurzen selbstkritischen Bemerkungen ziemlich zurückhaltend Eichholtz räumt nur indirekt ein, selber zu streng ökonomistisch in der Analyse gewesen zu sein. Seine frühere Arbeit verleugnet er keineswegs, sondern legt den Akzent auf die Konsequenz und die Kontinuität der eigenen Forschersicht. Es ist nicht möglich, den Inhalt des dritten Bandes zu resümieren, der der umfangreichste ist und zudem eine Fülle von spezifischen Beiträgen enthält Deutlich sichtbar sind Veränderungen in der Gliederung. Die Ziele und Pläne der deutschen Wirtschaft treten verständlicherweise vollständig zurück; dafür untersucht Roth in einem umfangreichen Kapitel die immer problematischeren Projekte, die in Vorbereitung auf eine militärische Niederlage ausgearbeitet wurden. Das reichhaltigste Kapitel, geschrieben von Eichholtz selbst, ist dasjenige über die Kriegsproduktion. Hier zeigt er nochmals seine außerordentliche Meisterschaft in der Benutzung der Quellen. Danach folgen Kapitel über die „Lage der Arbeiter" und den Zerfall des Besatzungssystems, die im Titel den verkleinernden Zusatz „Studien" tragen. Der Autor ist sich letztlich der Unvollständigkeit seiner Arbeit angesichts der Vielschichtigkeit der hier behandelten Themen bewußt. Das ändert nichts daran, daß die Kapitel wie der ganze Band viele interessante und neue Denkanstöße enthalten. Interessante Bemerkungen macht der Autor in verschiedenen Kapiteln zu den agierenden Persönlichkeiten, insbesondere über den Wandel im Vertrauensverhältnis zwischen Hitler und dem eine Zeitlang schon als Hitlers Nachfolger gehandelten Rüstungsminister Speer. Dieses Anfang 1944 gestörte Verhältnis stabilisierte sich wieder auf Grund der Erfolge der Speerschen Rüstungsorganisation, was in der Einrichtung des Rüstungsstabes (August 1944) seinen Ausdruck fand, der die gesamte kriegswirtschaftliche Macht beim Rüstungsminister konzentrierte. Interessant und neu ist die Analyse des Leitungsapparats, den Speer in dieser Periode aufbaute; ihm schreibt Eichholtz es hauptsächlich zu, daß die Kriegswirtschaft trotz der von den Luftangriffen verursachten schweren Schäden so lange aufrechterhalten wurde. Gerade in diesen Teilen zeugt die Arbeit von der veränderten, erhöhten Aufmerksamkeit, die Eichholtz der Rolle der Persönlichkeit angedeihen läßt Eine derartige Konzentration auf die Persönlichkeit von Politikern, besonders von Hitler, Speer und Göring, wäre in den ersten beiden Bänden nicht denkbar gewesen. Frei von dogmatischen Behinderungen - freier und entschiedener als in den ersten Bänden - kann der Autor jetzt seine Gaben ins Feld fuhren. Tiefschürfend werden die sozialen und politischen Ursachen untersucht, die das Regime daran hinderten, möglichst alle Ressourcen auf die Kriegsproduktion zu konzentrieren. Die Konsumgüterindustrie konnte infolge der großen Zerstörungen an zivilen Wohnungen und Haushalten durch die Luftangriffe nicht so stark wie vorgesehen eingeschränkt werden und mußte ihre Produktion sogar erweitern. Dem offiziell kontrollierten Markt trat eine 7

Um nur einige wenige Beispiele zu nennen: G. Ränki, The Economics of the Second World War, Wien 1993; D. Rebentisch, Führerstaat und Verwaltung im Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1989; A. S. Milward, War, Economy, and Society 1939-1945, Berkeley/Los Angeles 1979.

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Kritische Randbemerkungen

Schwarzmarkt-Wirtschaft zur Seite, die von Regime geduldet werden mußte. Aus Gründen sozialer Stabilität schöpfte man die Möglichkeit, den Aibeitszwang für deutsche Frauen durchzusetzen, bis zum Ende nicht voll aus und versuchte statt dessen, die Ausbeutung der ausländischen Arbeitskräfte mit einer immer widersprüchlicheren Mischung von „Zuckerbrot" und „Peitsche" zu verstärken. Freilich wird das Thema der ausländischen Arbeitskräfte nicht so systematisch wie in den beiden ersten Bänden abgehandelt, sondern vor allem in der Form von regionalen und speziellen „Studien". Ähnlich wird die Besatzungspolitik bzw. -Wirtschaft behandelt Besonders interessant scheint mir die Studie, die Eichholtz der Kollaboration von dänischen, niederländischen, belgischen und französischen Unternehmen bei der Ausbeutung der Ressourcen des besetzten Osteuropa (1941-1944) widmet Hier bewegt sich der Autor auf einem neuen Gebiet wobei er nützliche Hinweise für weitere Untersuchungen gibt. Der dritte Band präsentiert sich also noch farbenreicher als die vorhergehenden: sowohl durch die Mitwirkung unterschiedlicher Wissenschaftler, westlicher und östlicher, mit spezifischen monographischen Studien, als auch dadurch, daß er einen offeneren Charakter hat nicht mehr belastet durch den heiklen „Slalom" zwischen Kategorien und Methoden, der mir aus den Bedingungen einer strengen Kontrolle der historiographischen Produktion erklärbar erscheint. Zu wünschen wäre gewesen, daß Eichholtz den Band mit dem Versuch einer Schlußbetrachtung abgeschlossen hätte; aber das ist bei einem Werk von rund 2 000 Seiten, geschrieben in einer Zeitspanne von dreißig Jahren, vielleicht zu viel verlangt. Die „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft" wird noch für viele Jahre ein unersetzliches Standardwerte sein. Zu hoffen ist zugleich, daß sie Anstoß für zahlreiche vertiefende Studien ist Und Lob gebührt dem Nachdruck dieses Werkes, das so einem größeren Publikum zugänglich gemacht wird.

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung zur dritten Auflage Vorwort Einleitung KAPITEL I

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis des deutschen Imperialismus für den zweiten Weltkrieg. Die Kriegsziele der deutschen Monopole 1. Die Phase der unmittelbaren wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung 1936-1939 a) Die Vieijahresplanpolitik b) „Breitenrüstung" und „Tiefenrüstung". Wirtschaftspotential und kriegswirtschaftliches Potential c) Die Ergebnisse der wirtschaftlichen Aufrüstung d) Krisenpunkte der staatsmonopolistischen Rüstungswirtschaft e) Deutschland im internationalen Vergleich der wirtschaftlichen Rüstungen und Ressourcen

KAPITEL II

KAPITEL III

XXI XXIII 1 13

13 17 21 26 31

2. Kriegsziele und Kriegsplanung der deutschen Monopole a) Vieijahresplan und Monopole b) Das Kriegszielprogramm des deutschen Monopolkapitals

36 53

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

64

1. Das Kriegsrecht in der Wirtschaft und die Lage der Werktätigen a) Das „Paket" der Kriegswirtschaftsgesetzgebung b) Das System der Zwangsrationierung c) Auswirkungen der Kriegswirtschaftsverordnung d) Erste Vorstöße zum Arbeitszwang für Frauen e) Anzeichen innerer Schwäche des Regimes

65 67 70 79 86

2. Die ausländischen Zwangsarbeiter in Deutschland a) Grundzüge einer Definition der Zwangsarbeit b) Die Entstehung des Zwangsarbeitssystems

88 92

Kriegswirtschaftliche Schwierigkeiten und Ergebnisse 1939/40. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat 1. Schwierigkeiten und Fehlschläge der wirtschaftlichen Mobilmachung . . .

103

2. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat a) Das Ende des „Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft". Das Reichsamt für Wirtschaftsausbau b) Die staatsmonopolistische Grundkonzeption der Monopole c) Die Bildung des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition . . d) Die Gründung der Reichsvereinigung Kohle

108 113 121 132

XX

Inhalt

KAPITEL IV Die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa 1. Wesenszüge der Expansion des deutschen Monopolkapitals a) Der zweite Versuch der deutschen Monopole zur gewaltsamen Neuaufteilung der Welt b) Exkurs: Die Hauptgruppierungen des Monopolkapitals und die Unterschiede in ihren Expansionsprogrammen c) Charakter und Methoden der wirtschaftlichen Expansion und Ausplünderung

KAPITEL V

144 147 158

2. Die „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes" a) Die Kriegsziele des deutschen Imperialismus in den „Neuordnungs"Programmen der Monopole Die Länderberichte der Reichsgruppe Industrie Die Kriegszielprogramme der führenden Konzerne Eine neue konzeptionelle Variante des Reichswirtschaftsministeriums b) Der Beutezug der Monopole durch Europa. Der Interessenkampf bei der Verteilung der Beute

184

3. Hauptformen der Übernahme fremder Unternehmen und Kapitalbeteiligungen a) Das Institut der „Treuhandschaft". Die „Arisierung" b) Treuhandverwaltung und Eigentumsfrage

192 193

162 163 164 168 178

Die wirtschaftliche Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion 1. Die Expansionsstrategie des deutschen Imperialismus gegenüber der UdSSR a) Die Kriegsziele der Monopole b) Der Beutefeldzug gegen die Sowjetunion als Bestandteil der wirtschaftlichen Blitzkriegskonzeption 2. Die Rüstungsumstellungen. Das Wirtschaftspotential des faschistisch beherrschten Blocks Mitte 1941 a) Die Umstellungen des Rüstungsprogramms seit Juni 1940 b) Möglichkeiten und Grenzen der Erschließung des europäischen Wirtschaftspotentials für die deutsche Kriegswirtschaft

ANHANG

144

197 199 206

212 221

3. Der staatsmonopolistische Apparat für den Beutefeldzug a) Die Herausbildung des Apparats b) Die Entwicklung des Programms

231 238

Dokumente zur „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes" (1940,1941)

247

I. IG Farbenindustrie AG II. Ruhr-Montankonzerne und Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie III. Carl Zeiss Jena IV. Fachgruppe Metallerzeugende Industrie V. Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppen VI. Reichswirtschaftsministerium

248 294 339 348 351 365

Bemerkungen zur Bibliographie

379

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Vorbemerkung zur dritten Auflage

Anläßlich des Erscheinens von B a n d 2 der ,.Gcschichte der deulschen Kriegswirtschaft 1939—1945" haben sich Autor und Verlag entschlossen, den ersten B a n d in neuer A u f l a g e 1 herauszubringen. D i e Forschung hat im Laufe der vergangenen J a h r e viel neues Tatsachenmaterial zutage gefördert. Auch theoretische Probleme des Faschismus, des staatsmonopolistischen Kapitalismus, der Kriegszielstrategie des deutschen Monopolkapitalismus usw. sind in zahlreichen neueren Publikationen erörtert worden. 2 Der vorliegende B a n d stand und steht im Mittelpunkt eines umfangreichen Meinungsaustausches. Was seine Grundsubstanz, sein theoretisches Fundament und nicht zuletzt sein politisch-ideologisches Anliegen betrifft, so hat er jedoch die Probe der Zeit bestanden. In der Arbeit am zweiten Band erwies sich — für den Leser überprüfbar — die Konzeption des Gesamtprojekts als richtig und tragfähig. Hierauf gründeten Autor und Verlag ihren Entschluß, den ersten Band, dessen frühere Auflagen seit langem vergriffen sind, zugunsten einer raschen Auslieferung unverändert nachzudrucken. 1 1. Aufl.: 1969; 2. Aufl.: 1971. 2 Siehe das ausführliche zusätzliche Literaturverzeichnis in Band 2.

Vorwort

Mit der ausführlichen Untersuchung der Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939—1945, deren erster Teil in diesem Band vorliegt, soll einem wissenschaftlichen Bedürfnis Rechnung getragen werden, das keiner näheren Begründung bedarf. Die besondere politische und ideologische Bedeutung des Vorhabens steht außer Zweifel in einer Zeit, da auf dem VII. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands als wichtigste Aufgaben der Geschichtswissenschaft in unserer Republik die Herausbildung eines wissenschaftlichen Geschichts- und Weltbildes des sozialistischen Menschen und die Entwicklung seiner bewußten klassenmäßigen Einstellung zum sozialistischen Aufbau eindringlich hervorgehoben wurden. Es geht bei unserem Thema um Grundfragen einer Etappe deutscher Geschichte, ja der ganzen Periode imperialistischer Herrschaft in Deutschland. Es geht zugleich um die Auseinandersetzung mit einem der wichtigsten, charakteristischen Abschnitte jener geschichtlichen Vergangenheit, die in Westdeutschland noch Gegenwart ist — eine den Frieden in Europa und in der Welt ständig gefährdende Gegenwart. Die Gesamtdarstellung einer Geschichte der deutschen Wirtschaft im zweiten Weltkrieg wie auch ihre Teile werfen zahlreiche konzeptionelle Probleme auf, die sowohl inhaltlicher als auch methodischer Natur sind. Das in Angriff genommene Werk ist ein erster grundlegender Versuch, diese Probleme zu bewältigen. Mit dem vorliegenden ersten von drei geplanten Bänden werden Konzeption und Entwurf des Aufbaus für das ganze Vorhaben zur Diskussion gestellt. An dieser Stelle sollen einige Bemerkungen zur Periodisierung und zur methodischen Problematik der Darstellung und der Aufteilung des Gesamtwerkes Platz finden. Die Periodisierung der Wirtschaftsgeschichte des Krieges ist von der seines politischen und vor allem militärischen Verlaufs nicht zu trennen — weit weniger noch als bei der Behandlung längerer Zeiträume von geringerer Bewegtheit. Es liegt zwar keine Identität oder flache Parallelität der Entwicklungslinien, wohl aber ein komplizierter Synchronismus vor, bei dem die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland mächtige, ja übermächtige Impulse in — historisch gesehen — raschester Folge durch den äußerst dynamischen Verlauf der militärischen Ereignisse erhielt. Die charakteristische — dialektische — Wechselbeziehung zwischen moderner strategischer Kriegführung und Ökonomie besteht darin, daß einerseits wohl

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Vorwort

„Entwicklung und Veränderung der strategischen Anschauungen völlig von den ökonomischen Bedingungen und dem jeweiligen Entwicklungsstand der Produktivkräfte abhängen", andererseits aber wiederum „die Entwicklungsrichtung der Ökonomie auch unter Berücksichtigung strategischer Erwägungen gewählt wird und sich während eines Krieges fast völlig aus den Erfordernissen der Strategie ergibt." 1 Die Impulse des Kriegsgeschehens wirkten in verschiedenem Grade auf die einzelnen Gebiete der wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen bzw. staatsmonopolistischen Aktivität. Verlauf und Tempo der Veränderungen auf diesen Gebieten konnten sich durchaus asynchron entwickeln. Die Kompliziertheit des Synchronismus der Veränderungen in Politik bzw. Kriegführung und Ökonomie im zweiten Weltkrieg blieb auf die Methode der Einteilung und Unterteilung des Gesamtvorhabens nicht ohne Auswirkungen. Die Darstellung in Band I umfaßt die Kriegswirtschaft in der Zeit der militärischen „Blitzkriege" bis zum Überfall auf die Sowjetunion. In Band II wird die Geschichte der deutschen Wirtschaft in den folgenden beiden Perioden des Kriegsverlaufs untersucht werden (1941/43). Es sollen der Zusammenbruch der Blitzkriegsstrategie auch auf wirtschaftlichem Gebiet und der anschließende Versuch des deutschen Imperialismus behandelt werden, eine „totale", d. h. vollständig regulierte, „geplante" Kriegswirtschaft einzurichten. Band I I I wird das so geschaffene System auf seinem Höhepunkt und zugleich in seinen letzten großen Anstrengungen (etwa seit Herbst 1943), seine sich schnell vertiefende Agonie und schließlich seine Katastrophe darstellen. Wird eine relativ kurze historische Phase unter einer weitgefaßten Thematik ausführlich untersucht, so muß bei der Einteilung und Gliederung des Stoffes das sachliche Prinzip neben dem chronologischen eine wichtige Rolle spielen und sich besonders eng mit diesem verbinden. Im vorliegenden Band und in der Gesamtdarstellung wird in dieser Hinsicht ein neuer Versuch zur Diskussion gestellt. Bestimmte Hauptprobleme, sachliche Schwerpunkte, werden in jeder Periode, in jedem der drei Bände, zusammenhängend und ausführlich behandelt, mitunter auch des öfteren, wenn die Unterperiodisierung es erfordert (Kriegsziele des deutschen Monopolkapitals, Entwicklung des staatsmonopolistischen Regulierungsmechanismus, Lage der Werktätigen einschließlich der ausländischen Zwangsarbeiter, Wirtschaftspolitik in den okkupierten Gebieten). Andere Schwerpunkte werden ausführlicher erst für einen größeren, statistisch ergiebigen Zeitraum untersucht (industrielle Produktionsentwicklung, Konzentration und Zentralisation der Produktion und des Kapitals, Entwicklung der Profite). Schließlich werden eine Reihe von Komplexen aus sachlichen oder chronologischen Gründen nur an einer oder an zwei Stellen des Gesamtwerks zusammenhängend behandelt (Landwirtschaft, Verkehr, Außenhandel, Kriegsfinanzierung, Potentialvergleiche, wirtschaftliche Auswirkungen der Luftangriffe). Die sachlichen Schwerpunkte werden so, innerhalb einer chronologischen Grunpstruktur, nach der Art selbständiger Studien untersucht und dargestellt. Jedoch 1 Militärstrategie, unt. d. Red. v. W. D. Sokolowski, Berlin 1966, S. 42f.

Vorwort

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bleibt nicht nur der chronologische, sondern auch der sachliche Zusammenhang des Ganzen gewahrt, indem konzeptionelle Grundfragen und theoretische Hauptprobleme wie die Kriegsplanung des deutschen Finanzkapitals, seine Expansionsziele und -richtungen, die Grundtendenzen der Entwicklung des staatsmonopolistischen Herrschaftsmechanismus und die spezifisch faschistischen Züge in der Kriegswirtschaft den roten Faden der Gesamtdarstellung bilden. Dieser rote Faden soll Band für Band, Etappe für Etappe wieder aufgegriffen und weiterverfolgt werden. Die Quellenbasis für Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte des Faschismus hat sich in der DDR in den letzten Jahren erheblich verbessert. Außer der Fülle des Materials früherer Konzernarchive, das — nach wie vor ungenügend genutzt — den Forschern in den Archiven der volkseigenen Betriebe zur Verfügung steht, haben die Staatliche Archivverwaltung der DDR und das Deutsche Zentralarchiv wertvolle Aktenbestände und zahlreiche Mikrofilme erworben und für die Forschung weitgehend erschlossen. Reiches archivalisches Material zur deutschen Geschichte der untersuchten Zeit und besonders zur Geschichte der faschistischen Okkupation enthalten die Archive befreundeter sozialistischer Länder. 2 Der Verfasser ist den Herren Professoren Jürgen Kuczynski und Wolfgang Schumann sowie den Mitarbeitern der Abteilung 1917—1945 des Akademieinstituts für Geschichte für guten Rat und freundschaftliche Kritik zu herzlichem Dank verpflichtet. Die Anfertigung der Register übernahm dankenswerterweise Herr Gerhard Haenel. 2 Eine kurze bibliographische Einleitung mit einer Würdigung und kritischen Wertung der Literatur zum Thema ist dem Quellen- und Literaturverzeichnis vorangestellt worden. Vorveröffentlichungen aus dem vorliegenden Band, die nur in besonderen Fällen zitiert werden, stellen ein Aufsatz in einem Sammelband und zwei Artikel im Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte dar. (Monopole und Staat in Deutschland 1917—1945, Berlin 1966, S. 3 3 - 5 9 , 1 9 3 - 1 9 9 ; Eichholtz, Dietrich, Zur Lage der deutschen Werktätigen im ersten Kriegsjahr 1939/40, in: J W G 1967, T. 1, S. 1 4 7 - 1 7 1 ; Czollek, Roswitha/ Eichholtz, Dietrich, Zur wirtschaftspolitischen Konzeption des deutschen Imperialismus beim Überfall auf die Sowjetunion, in: J W G 1968, T. 1, S. 141—181 [teilweise]).

Einleitung

Die Geschichte der deutschen Wirtschaft im zweiten Weltkrieg ist ein Stück Geschichte des deutschen Imperialismus. Zweimal in unserem Jahrhundert rüstete der deutsche Imperialismus zum Krieg, zweimal führte er ihn, führte ihn auch wirtschaftlich unter Aufbietung aller Kräfte, die er für die schlechteste Sache, f ü r sein größtes Verbrechen an der Nation mobilisieren konnte. Aus der Niederlage im ersten Weltkrieg zog er Lehren, deren Befolgung ihn zwanzig J a h r e später nur um so gefährlicher und barbarischer werden, ihn um so skrupelloser Habe, Leben und Schöpferkraft des eigenen Volkes wie anderer Völker verwüsten und vernichten ließ. Sein Ziel war wiederum eine Neuaufteilung der Welt und ihrer Reichtümer unter seiner Führung, waren Kapitalanlagesphären, Absatzmärkte, Rohstoffquellen und Arbeitskräfte für das Finanzkapital. Wie den ersten, so führte er auch den zweiten Krieg um die Weltherrschaft, d. h. um die absolute Vormachtstellung in der Welt. Gegen Ende der zwanziger Jahre war Deutschland wieder in die Reihe der entwickeltsten, wirtschaftlich führenden imperialistischen Mächte aufgerückt. Expansionskraft und Aggressionsdrang potenzierten sich bei ihm mit dem Anwachsen seiner ökonomischen Stärke. Der deutsche Imperialismus war ein Imperialismus, dem man die Kolonien genommen hatte, ein Imperialismus, dessen Entwicklung dazu gehemmt war durch die finanziellen Lasten aus dem Kriege her und durch die den Monopolen lästige Beschränkung und Kontrolle, die die Siegermächte in bezug auf Rüstung, Finanzen usw. ausübten. Dementsprechend waren für die Entwicklung der faschistischen Bewegung in Deutschland von Anfang extremer Nationalismus und Chauvinismus charakteristisch; erst einmal an der Macht, verfocht der Faschismus vom ersten Tage an — wenn auch lange Zeit nicht unverhohlen — eine übersteigerte, zielgerichtete imperialistische Aggressivität nach außen. Mit dem Faschismus war eine Herrschaftsform des staatsmonopolistischen Kapitalismus geschaffen worden, die die Krise des Kapitalismus mit Terror im Innern und durch die Neuaufteilung der Welt nach außen überwinden sollte. 1 1 s. Ulbricht, WaÜer, Die Bedeutung und die Lebenskraft der Lehren von Karl Marx für unsere Zeit. Rede auf der wissenschaftlichen Session zum 150. Geburtstag von Karl Marx, 2.-4. 5. 1968, in: Neues Deutschland, 4. 5. 1968, S. 6.

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Einleitung

Die Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939—1945 ist in erster Linie die Geschichte der Interessenpolarität und des Kampfes zwischen den herrschenden faschistisch-imperialistischen Kreisen als den Hauptkriegstreibern und dem deutschen Volk — die Geschichte des gräßlichen Triumphs, den die Profitinteressen des Finanzkapitals in dieser Zeit über die Lebensinteressen der Nation davontrugen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen einerseits die strategische und taktische kriegswirtschaftliche Konzeption des deutschen Monopolkapitals, seine Produktionsund Ausbeutungsmethoden, seine wirtschaftliche Expansion, seine Profitquellen und Profite, andererseits die wirtschaftliche Lage der werktätigen Massen, besonders der Arbeiterklasse, d. h. ihre materiellen Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen, ihre soziale und politische Stellung in dem „Militärzuchthaus" (Lenin) der staatsmonopolistischen Kriegswirtschaft, der Mißbrauch ihrer Produktivität und schöpferischen Aktivität in der Produktion für den imperialistischen Krieg, sowie nicht zuletzt der Einfluß des Kampfes der illegalen deutschen Arbeiterbewegung und der anderen antifaschistischen Kräfte auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Lage der Klassen in Deutschland. Diese Grundthematik schließt notwendigerweise strukturelle Untersuchungen, d. h. Forschungen über die Klassenstruktur und ganz allgemein die Beachtung soziologischer Aspekte, in sich ein. Weiterhin werden analysiert: das Funktionieren des staatsmonopolistischen Mechanismus in der Kriegswirtschaft und seine inneren Gesetze und schließlich das wirtschaftliche Kriegspotential des deutschen Imperialismus, Struktur und Proportionen der Kriegswirtschaft, die tatsächlichen Ergebnisse und am Ende das katastrophale Desaster der wirtschaftlichen Kriegsanstrengungen. Eine ausführliche wissenschaftliche Analyse des Charakters der deutschen Kriegswirtschaft von 1939 bis 1945 steht noch aus. 2 Eine solche Analyse kann nicht bei der Betrachtung der einzelnen kriegswirtschaftlichen Erscheinungen stehenbleiben. Die deutsche Kriegswirtschaft muß untersucht und begriffen werden als besondere Form des kapitalistischen Reproduktionsprozesses, als spezifisches Entwicklungsstadium des staatsmonopolistischen Kapitalismus und schließlich als die Kriegswirtschaft eines faschistischen Regimes. Der Zusammenhang der genannten drei konzeptionellen Gesichtspunkte untereinander und mit den — teilweise übermächtig wirksamen — Faktoren des militärischen und politischen Geschehens darf nicht vernachlässigt werden. Nur in diesem Zusammenhang ist die besondere historische Form der deutschen Wirtschaft während des Krieges begreifbar. Die deutsche Kriegswirtschaft war eine kapitalistische Kriegswirtschaft. Sie beruhte auf der Ausbeutung der werktätigen Massen durch die Eigentümer der 2 Als erste Beiträge zum Thema s. Kuczynski, Jürgen, Studien zur Geschichte des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland 1918 — 1945 ( = derselbe, Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus, Bd. 16) (im folgenden: Studien 1918—1945), Berlin 1963; Eichholtz, Dietrich, Probleme einer Wirtschaftsgeschichte des Faschismus in Deutschland, in: J W G 1963, T. 3, S. 97ff.; vgl. auch Schröter, Alfred, Krieg-Staat-Monopol 1914-1918, Berlin 1965.

Einleitung

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Produktionsmittel, besonders durch die Monopole und durch staatsmonopolistische Gruppierungen. Die grundlegenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten der (monopol-) kapitalistischen Ordnung wirkten im Kriege weiter, teilweise mit vervielfachter Energie. Insbesondere traf das auf das Gesetz des Monopolprofits und das Gesetz der Konzentration und Zentralisation der Produktion und des Kapitals zu. Selten in der Geschichte des deutschen Imperialismus profitierte das Monopolkapital so ungeheuerlich, selten schröpfte es die arbeitenden Massen so hemmungslos wie währenddes Krieges. Der Krieg wurde zum Profitparadies für die großen Monopole. Zur Ausbeutung des Volkes auf direktem Wege gesellte sich seine schrankenlose Ausplünderung durch die Staatskasse. Die Finanzierung des Krieges, die in diesem Zusammenhang erörtert werden muß, war die bisher umfassendste Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten einer Handvoll von Rüstungsmonopolen. Die Konzentration und Zentralisation der Produktion in riesigen Rüstungsbetrieben machte im Kriege sprunghafte Fortschritte. Gewaltig ballte sich die Kapitalmacht in den Händen der großen Monopole zusammen. Die Konzentration des Kapitals wurde durch beispiellose Kriegsprofite enorm verstärkt. Stillegungen und Schließungen vieler Tausender kleinerer und mittlerer Betriebe und Zehntausender von Handwerksbetrieben sowie der Zwang für die übrigen, den Rüstungsmonopolen zuzuliefern, führten zu einer noch rascheren Zentralisation des Kapitals; der Raub ausländischen Kapitaleigentums bedeutete eine zusätzliche Beschleunigung dieses Prozesses. Die ökonomischen Klassenziele des deutschen Finanzkapitals im Krieg waren kapitalistisch, imperialistisch. Den größten Profit erwarteten die Monopole erst als Frucht des Krieges: ihre Herrschaft über Europa und schließlich ihre Vorherrschaft in der Welt. Diese Kriegsziele waren die eigentliche Wurzel der faschistischen Aggression. Das System der ökonomischen Gesetze des Kapitalismus wies im Kriege wesentlich neue Züge auf. Der Reproduktionsprozeß des Kapitals, die Funktionen des kapitalistischen Wirtschaftsorganismus veränderten sich in erheblichem Maße.3 Binnen kurzem dominierte der Rüstungssektor eindeutig, absolut. Alle nicht „kriegswichtigen" Zweige der Produktion und Zirkulation gingen von nun an bis Kriegsende absolut zurück. Die Produktion von Waffen und Kriegsgerät stieg 1940 gegenüber 1939 stark an, auf etwa 180 Prozent. Dagegen sank die Erzeugung von Konsumgütern, die bisher insgesamt immer noch gestiegen war, um fünf Prozent, der Bau von Wohnungen um fast 50 Prozent. 4 Im Jahre 1940 waren durchschnittlich 50,2 3 vgl. die politökonomische Analyse der Kriegswirtschaft in den Vereinigten Staaten bei Wagner, Hans, Die zyklischen Überproduktionskrisen der Industrieproduktion in den U S A in den ersten beiden Etappen der allgemeinen Krise des Kapitalismus (1914 - 1958), i n : J W G 1964, T. 4, S. l l f f . , J W G 1965, T. 1, S. 27 ff., und besonders T . 2, S. 26 ff. 4 s. Wagenführ, Rolf, Die deutsche Industrie im Kriege 1939—1945, 2. Aufl. (im folgenden: Industrie), Berlin 1963, S. 191; The Effects of Strategie Bombing on the German War Economy, (hg. v. United States Strategie Bombing Survey. Overall Economic Effects Division. 31. Okt. 1945) (im folgenden: The Effects), Washington 1945, S. 231.

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Prozent aller in der deutschen Industrie Beschäftigten für die Wehrmacht tätig, d. h., sie produzierten für staatliche Rechnung. 5 Schon in dieser Phase der Kriegskonjunktur fiel also ein bedeutender Prozentsatz der gesellschaftlichen Produktion aus dem „normalen" Prozeß der kapitalistischen Reproduktion heraus, oder ging, exakter definiert 6 , als eine Form des gesellschaftlichen (parasitären) Konsums der herrschenden Klasse in die Abteilung B (Konsumtionsgüter) des gesellschaftlichen Gesamtprodukts ein. Ein derartig hoher Anteil der Produktion auf staatliche Bestellung mußte das Gefüge der gesamten Wirtschaft stark verändern und dementsprechend auch Wirkungsweise und Auswirkungen solcher ökonomischen Gesetze wie desjenigen der Konkurrenz und der Anarchie in der Produktion und der Krisengesetze wesentlich modifizieren. Ebenso affizierten andere charakteristische Merkmale der imperialistischen Kriegswirtschaft — wie die schwere Disproportionierung der Wirtschaft (Hypertrophie der Rüstungs- und weitgehend auch der Grundstoffindustrien, Unterproduktion der Konsumgüterindustrien und ihre Devastation durch Devestition), die Aufhebung der chronischen Agrarkrise und die erzwungene Unterkonsumtion der werktätigen Massen — die Durchsetzung dieser Gesetzmäßigkeiten, hemmten sie, schoben sie hinaus oder verhinderten sie ganz. Der „normale" Reproduktionszyklus war durch ein ökonomisches System von äußerster Labilität, ein System staatsmonopolistischen Charakters, ersetzt, dessen Schicksal von dem Verlauf des Eroberungskrieges abhing und das unvermeidlich in einer Katastrophe für die Nation endete. Die deutsche Kriegswirtschaft stellte einen Reproduktionsprozeßbesonderer Art dar, dessen Ablauf und äußere Form ganz überwiegend und, jelänger, desto ausschließlicher von militärisch-politischen Faktoren bestimmt, dessen innere Form und Verfassung aber durch extreme Formen des staatsmonopolistischen Kapitalismus gekennzeichnet wurden. Unter staatsmonopolistischem Kapitalismus verstehen wir die neuen Strukturen und Entwicklungsformen, die der Imperialismus in Ökonomie und Politik seit einem halben Jahrhundert zunehmend hervorgebracht hat. Lenin stellte bereits im ersten Weltkrieg wichtige Veränderungen im Herrschaftssystem der kriegführenden imperialistischen Staaten, besonders Deutschlands, fest. Er definierte diese Erscheinungen unter dem Begriff des staatsmonopolistischen Kapitalismus als das Verwachsen von Monopolen und Staat zu einem einzigen Mechanismus imperialistischer Herrschaftsausübung, als Verschmelzung der Potenzen beider. 7 Das Hinüberwachsen des monopolistischen in den staatsmonopolistischen Kapitalismus ist ein Wesensmerkmal der allgemeinen Krise des Kapitalismus und der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus. Dieser Prozeß stellt eine aggressive Aktion und Reaktion der herrschenden imperialistischen Kreise angesichts des Drucks der Entwicklung der modernen Produktivkräfte und ange5 The Effects, S. 213. 6 s. Wagner, Hans, a. a. 0 . , in: JWG 1964, T. 4, S. 39f., 79ff.;derselbe, Reproduktionsprozeß und Rüstung, in: Wirtschaftswissenschaft, H. 1/1962, S. 80ff. 7 s. Analyse und Begriffsbestimmungen in den Werken Lenins, besonders aus dem Jahre 1917; Lenin, W. I., Werke, Bd. 24 ff.

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sichts der Vertiefung aller Widersprüche des Kapitalismus dar; er spiegelt objektiv die Konfrontation und Auseinandersetzung des in seiner Herrschaft erschütterten Finanzkapitals mit den schweren ökonomischen und politischen Krisen, mit der Zuspitzung des Klassenkampfes und insbesondere mit dem Vormarsch des Sozialismus in der Welt wider. Diese neue Phase imperialistischer Entwicklung zeichnet sich durch eine qualitativ neue Rolle der Staatsmacht in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, besonders aber in der Gestaltung des kapitalistischen Reproduktionsprozesses aus. 8 Der imperialistische Staat wirkt mit umfassender Aktivität auf jene Bereiche ein; die Wirtschaft wird regulierenden Eingriffen von gesamtvolkswirtschaftlichen Ausmaßen und Auswirkungen unterworfen. Solche Eingriffe sollen die Erhaltung, Sicherung und Erweiterung der Profite der Finanzoligarchie und ihrer Macht überhaupt gewährleisten. Nach wie vor herrscht das Finanzkapital, herrschen die mächtigsten Monopolgruppen; sie vereinen ihre Macht mit den gewaltigen Potenzen des Staates zu einem einzigen Herrschaftsmechanismus. Die ihnen solcherart zuwachsenden staatsmonopolistischen Potenzen sichern ihnen zeitweise größere Manövrierfähigkeit. Sie erweitern ihnen vor allem den Spielraum für die Entwicklung der Produktivkräfte; aber sie ermöglichen ihnen auch die planmäßige, massenhafte Umwandlung von Produktivkräften in Destruktivkräfte, in Mittel der Zerstörung und Massenvernichtung. Diese Potenzen können in dem Maße vermehrt werden, in dem es der herrschenden Klasse gelingt, ihr staatsmonopolistisches Herrschaftssystem im Widerspruch zu den Lebensinteressen der arbeitenden Klassen auszubauen und zu vervollkommnen. Jener Mechanismus ist indessen keineswegs konfliktlos und einheitlich. Weder verändert der staatsmonopolistische Kapitalismus das Klassenwesen des Kapitalismus und Imperialismus, noch kann er dies System vor seinem schließlichen Untergang bewahren. Konkurrenz und Anarchie der Produktion und der gesellschaftlichen Verhältnisse überhaupt wirken auf höherer Ebene und in neuen Formen 8 s. besonders (auch für das Folgende) Ulbricht, Walter, Die Bedeutung des Werkes „Das Kapital" von Karl Marx für die Schaffung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der DDR und den Kampf gegen das staatsmonopolistische Herrschaftssystem in Westdeutschland. Referat auf der Internationalen wissenschaftlichen Session: 100 Jahre „Das Kapital", in: Neues Deutschland, 13.9.1967; Imperialismus heute. Der staatsmonopolistische Kapitalismus in Westdeutschland (Autorenkollektiv), Berlin 1965 (4. Überarb. u. erweit. Aufl. 1967); unter den Beiträgen zur Diskussion s. Hemberger, Horst, u. a. Sechs Feststellungen zum staatsmonopolistischen Kapitalismus in Westdeutschland, in: Einheit, H. 1/1967, S. 74Ö.; Gündel, Rudi, u. a., Zur Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, Berlin 1967; Klein, Dieter, Über den Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen im gegenwärtigen Imperialismus, in: Einheit, H. 7/1967, S. 890ff.; in den Begriffsbestimmungen abweichend und aus zu enger Sicht Kuczynski, Jürgen, Vorbemerkung zu: Baudis, Dieter, u.a., Aus den Geheimarchiven amerikanischer Monopole in Kuba: Die Planung bei Standard Oil (1957 - 1960), in: JWG 1966, T. 3, S. U f f . 2

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

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fort. Die Widersprüche des imperialistischen Systems reproduzieren sich auf größerer Stufenleiter und in neuen Dimensionen. Die faschistische Diktatur ist ein besonders exemplarischer Beleg für diese Thesen. Den reaktionärsten und aggressivsten Elementen des deutschen Finanzkapitals erschien es ausgangs der Weltwirtschaftskrise angeraten, ihre faschistische Herrs c h a f t über das deutsche Volk zu errichten, d. h. ihre Macht mit den Potenzen eines faschistischen Regimes zu verschmelzen. Nurmehr den Faschismus hielten sie für fähig, ihnen mittels offenen Terrors und mit Hilfe von Demagogie und Massenverführung den gordischen Knoten innerer und äußerer Schwierigkeiten und Widerstände zu durchhauen, die sie daran hinderten, die arbeitenden Klassen rücksichtslos auszuplündern, forciert aufzurüsten, ihre Großmachtstellung zu restaurieren und schließlich mit der Expansion in Europa und über Europa hinaus zu beginnen. Der staatsmonopolistische Kapitalismus faschistischer Prägung war hochgradig entwickelter Imperialismus. Der faschistische S t a a t war ein S t a a t der Monopole, seine Politik konzentrierter Ausdruck der ökonomischen Verhältnisse, d. h. der Bedingungen und Bedürfnisse der Monopolherrschaft. Der Krieg war nicht die Ausgeburt irgendwelcher „dämonischen" K r ä f t e in und um Hitler; es war ein K r i e g der Monopole um die Vorherrschaft in Europa und in der Welt. Das faschistische Regime war mit der Funktion betraut, einen solchen Krieg vorzubereiten und zu führen. Die Herrschaftsmethoden des Faschismus sollten jenen Kreisen das geeignete Mittel bieten, einerseits die arbeitenden Klassen, voran die Arbeiterklasse, der unumschränkten Ausbeutung durch die Monopole vollständig zu unterwerfen und sie als Schlachtvieh für den Krieg zu manipulieren, andererseits die Schwächen des deutschen Kriegspotentials durch angespannteste R ü s t u n g und umfassende staatsmonopolistische Regulierung und Kontrolle wettzumachen. Alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sollten in bisher nicht dagewesenem U m f a n g und einmaliger Intensität von dieser Regulierung und Militarisierung erfaßt und durchdrungen werden. Dies war objektiv der Versuch, zu einem vollständigen, „totalen" System s t a a t s monopolistischer Machtausübung zu gelangen; er führte schon vor 1939 zu weiterreichenden Resultaten, als man sie während des ersten Weltkrieges hatte erzielen können. In den Kriegsjahren 1939—1945 wurde er weitgehend verwirklicht — im Rahmen des „Großdeutschen Reiches" und des unmittelbar beherrschten Territoriums und in Formen, die den Kriegsverhältnissen entsprachen. 9 Die Rüstungs- und Kriegswirtschaft stellte das Kernstück dieses Systems dar. Vorzüglich auf wirtschaftliche Gebiet waren Monopole und faschistischer S t a a t bestrebt, frühzeitig und von vornherein eine, wie sie meinten, siegversprechende staatsmonopolistische Organisation der Rüstungs- und Kriegswirtschaft zu schaffen. 9 Die Behandlung der staatsmonopolistischen Entwicklung 1933—1945 in Imperialismus heute, a. a. 0 . , S. 64ff., wird der theoretischen und politischen Bedeutung, die die faschistische Zeil gerade unter diesem Aspekt hat, nicht gerecht.

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Das faschistische Regime erschien ihnen vor allem als die geeignetste Form eines „Militärzuchthauses für die Arbeiter" (Lenin). Sie vereinbarten mit Hitler schon vor 1933 ebenfalls den Aufbau einer staatlichen Zwangsorganisation der Wirtschaft u n t e r dem Kommando der Monopolgewaltigen selbst. 10 Sie drängten auf eine möglichst radikale Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten der imperialistischen Aufrüstung. Führende Konzerne bereiteten schon J a h r e vor dem Krieg gemeinsam mit der Naziclique die deutsche Wirtschaft nach dem Muster extremer staatsmonopolistischer Regulierung und Planung aus dem ersten Weltkrieg, nach dem — erweiterten — „Hindenburg-Programm", auf den neuen Krieg vor. 1 1 Im Krieg erreichte das staatsmonopolistische Zwangs- und Regulierungssystem seine bis dahin ausgeprägteste und vollkommenste Form. Es kulminierten in der W i r t s c h a f t der Kriegsjahre auch jene bedeutenden Veränderungen in der ökonomischen Basis, auf die bereits Lenin hinwies. Schon im Verlauf der Aufrüstungsphase traten S t a a t und Monopole in immer engere, direktere ökonomische Beziehungen zueinander. J e enger und umfassender diese Beziehungen, desto stärker entwickelte sich der staatsmonopolistische Apparat. Es wurden Regulierungsfunktionen immer umfassenderen und einschneidenderen Charakters von staatlichen auf Monopolvertreter und -institutionen übertragen und umgekehrt, bzw. es wurden zu diesem Zweck neue staatsmonopolistische Organe geschaffen, geleitet teils von behördlichen und Parteifunktionären, teils von führenden Monopolvertretern. Die Rüstungs- und Kriegsproduktion, jene „besondere Art der Volkswirtschaft", die „schon kein ,reiner' Kapitalismus mehr ist" 1 2 , war bereits im ersten Weltkrieg der wichtigste konstituierende F a k t o r für die höchst intensiven Formen des staatsmonopolistischen Kapitalismus, von denen Lenin bei seinen Hinweisen und Bemerkungen zum Wesen dieser Erscheinung ausging. Der zweite Weltkrieg brachte ein treibhausmäßiges Wachstum extremer, d. h. besonders intensiver und ausgedehnter Formen des Verwachsens von Monopolen und Staat, des Verschmelzens von staatlichen und monopolistischen Funktionen in Wirtschaft und Wirtschaftspolitik mit sich. Diese Formen entwickelten sich zu einem weitgehend vollständigen, umfassenden ökonomischen System des staatsmonopolistischen Kapitalismus, in dem Monopole, Militärs und faschistische Staats- und Parteiorgane über ein extrem ausgebildetes Instrumentarium für Regulierung und Kontrolle verfügten. F ü r kurze Zeit, bis zum Abbruch dieses „Experiments" durch das Kriegsende, war damit in Deutschland das Hinüberwachsen des monopolistischen in den staatsmonopolistischen Kapitalismus annähernd vollständig vollzogen. Der Krieg und seine außerordentlichen Anforderungen an die kapitalistische Wirtschaft — außerordentlich sowohl dem Ausmaß als auch der Qualität dieser Anforderungen, 10 s. Dok. NI-7990, Äff. Kurt v. Schröder, 2 1 . 7 . 1 9 4 7 , Fall VI, A D B 3, teilw. gedr. in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 4, S. 606f. I i s . Kapitel I. 12 Lenin, VT. / . , Den Sozialismus einführen oder aufdecken, wie die Staatskasse geplündert wird?, in: Werke, Bd. 25, Berlin 1960, S. 57. 2'

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nämlich dem Grad ihres gesellschaftlichen Charakters nach — schufen dafür entsprechende Bedingungen, denen im naturwissenschaftlichen Experiment etwa höchste Drücke und äußerste Grade von Reinheit entsprechen. Mit Krieg und Kriegsverlauf war unmittelbar und in akutester Weise das Schicksal der gesamten herrschenden Klasse verknüpft. Von seinem siegreichen Ausgang hing sowohl die Ausdehnung ihrer Herrschaft ab als auch deren Erhaltung; war der Sieg, so war auch ihre Herrschaft überhaupt in Frage gestellt. Der Krieg zwang die herrschende Klasse zur Anerkennung seines höchstgradig gesellschaftlichen Charakters auch in der Wirtschaft durch schärfste Formen staatsmonopolistischer Regulierung. Die Bemühungen von Monopolen und Staat um Regulierung und Planung der Volkswirtschaft im Kriege waren nichts anderes als der Versuch, um ihrer Kriegsziele und Rüstungsprofite willen das spontane, zerstörerische Wirken bestimmter wichtiger Produktions- und Marktgesetze zu hemmen und sogar ihre Auswirkungen gänzlich aufzuheben, der Versuch einer „Bändigung des kapitalistischen Milieus" 13 . Dazu bedurfte es eines übermächtigen gesellschaftlichen Hindernisses, wie Marx es in anderem, aber prinzipiell sehr wohl vergleichbarem Zusammenhang formulierte 14 , das sie selbst daran hinderte, die erwähnten Gesetzmäßigkeiten wie in Friedenszeiten in Gang zu setzen und in Gang zu halten. Es bedurfte eines „Staatsgesetzes", um bei der Marx'schen Formulierung zu bleiben, das sie zwang, in bestimmtem, durch sie selbst mehr oder weniger genau begrenztem Maß gewissermaßen wider die eigene Natur zu leben. Das Gelingen eines solchen Versuchs hing davon ab, inwieweit die herrschenden Kreise in der Lage waren, den Kampf der Volksmassen zeitweise zu paralysieren, die Widersprüche innerhalb der Kapitalistenklasse zu dämpfen und überhaupt den anarchischen Grundcharakter der kapitalistischen Ökonomik zu „regulieren". Die Gesetzmäßigkeiten und Widersprüche, die dem Funktionieren des staatsmonopolistischen Mechanismus in der Kriegswirtschaft zugrunde lagen, und der Wandel in den Formen dieses Mechanismus sind noch wenig erforscht. Einige allgemeine Gesetze staatsmonopolistischer Entwicklung lassen sich aber als Ergebnis der bisherigen marxistischen Untersuchungen deutlich herausschälen. Wird die Struktur des staatsmonopolistischen Kapitalismus als Verwachsen von Monopolen und Staat, als Verschmelzung der Potenzen beider, definiert, so sind als gesetzmäßige Elemente dieser Struktur Monopolgruppen und staatsmonopolistische Gruppierungen erkennbar. Während die von Kuczynski entdeckten Monopolgruppen 15 sich mit dem Imperialismus selbst herausbildeten, sind Entstehung, Entwicklung und Konkurrenz von staatsmonopolistischen Gruppierungen als ein spezifisches Strukturgesetz des staatsmonopolistischen Kapitalismus zu definieren. Diese Gruppierungen sind zu unterscheiden von den Monopolgruppen 13 Gündel, Rudi, u. a., a. a. 0., S. 130. 14 vgl. Marx, Karl, Das Kapital, Bd. 1, in: Marx/Engels, S. 320. 15 s. Kapitel IV (Exkurs).

Werke, Bd. 23, Berlin 1962,

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sowohl wie von den Finanzgruppen, die Lenin charakterisiert, wenn zwischen ihnen allen auch wichtige historische und theoretische Zusammenhänge bestehen. Unter einer staatsmonopolistischen Gruppierung ist ein Interessen- und Machtkomplex zu verstehen, in dem bestimmte Monopole, Gruppen von Monopolen oder auch ganze Monopolgruppen (Kohle/Eisen/Stahl, Chemie/Elektroindustrie) mit bestimmten Teilen des Staatsapparates und Parteiapparats verwachsen. Staatsmonopolistische Gruppierungen werden durch staatsmonopolistische Institutionen und Organisationen wie Behörden (Ministerien, Vierjahresplanorganisation), „Selbstverwaltungs"-Organe der Wirtschaft (Reichsgruppen, Wirtschaftsgruppen, Reichsvereinigungen), lobbyistische Gruppen des Monopolkapitals („Kleiner Kreis" der Ruhrmontankonzerne), „Wirtschaftsberater des Führers" und andere repräsentiert. Sie sind von mehr oder weniger dauerhafter Konsistenz und konkurrieren innerhalb des Herrschaftsmechanismus um den entscheidenden Einfluß auf die Wirtschaftspolitik ebenso wie auf die von der Wirtschaftspolitik nicht abtrennbaren innen- und außenpolitischen Grundentscheidungen. Politischen Kursänderungen liegt häufig ein Führungswechsel zwischen staatsmonopolistischen Gruppierungen zugrunde. Einschneidende politische und militärische Ereignisse können ihrerseits einen solchen Führungswechsel verursachen. Während hier ein vorwiegend strukturelles Gesetz, das Gesetz eines Strukturzusammenhangs, vorliegt, kann als vorwiegend genetisches Gesetz (Entwicklungsgesetz) die Konzentration und Zentralisation staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt bei den führenden Monopolen und Monopolgruppen formuliert werden. Das Wirken dieses Gesetzes ist während der ganzen Dauer des Krieges und auch in der Vorkriegszeit, in der Rüstungs- und Kriegswirtschaft ebenso wie in den anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens nachzuweisen. Zu den wichtigsten spezifischen Merkmalen der deutschen Kriegswirtschaft, die durch den faschistischen Charakter des politischen Regimes verursacht wurden, zählte vor allem der offene, offizielle Terror insofern, als er in die Ökonomik, in die Produktion, bis zum letzten Arbeitsplatz eindrang; er griff besonders auch auf die eroberten und besetzten Gebiete über. Der faschistische Terror gegen die Werktätigen brachte ökonomische Ergebnisse. Die Gewalt wurde hier zweifellos zu einer erheblichen ökonomischen Potenz. Doch der Terror konnte auch in genau entgegengesetzter Richtung wirken, und tatsächlich wirkte er sehr negativ auf das Kriegspotential des deutschen Imperialismus ein. Dies traf — je später, desto stärker — besonders für die besetzten Gebiete zu. Die Politik der Eroberung mußte in Widerspruch zur effektiven wirtschaftlichen Ausnutzung und Ausbeutung des Eroberten geraten und zwangsläufig „unmoderne" Züge aufweisen, Züge, die einer „modernen" monopolistischen Wirtschaft und Wirtschaftspolitik widersprachen. Aus Monopolkreisen und auch aus der obersten Naziclique waren während des ganzen Krieges Stimmen zu vernehmen, die es für Unverstand erklärten, im Krieg Arbeitskräfte, die man so dringend brauchte, verhungern zulassen, „auszusiedeln", „sonderzubehandeln"oderandersmassenweiseauszurotten. Es handelte sich dabei um ein für die deutschen Imperialisten letzten Endes unlösbares Problem. Wollten sie die Menschen der okkupierten Länder zu effektiven

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Arbeitskräften für die Kriegswirtschaft der Monopole machen, so mußten sie ihnen das Leben und dazu einige Freiheit lassen, mußten ihnen mehr zu essen geben usw. Dann aber hätte sich ihr Widerstand in Umfang und Wirksamkeit leicht potenziert. Das war es, wovor S t a a t und Monopole die größte Furcht hatten; denn es war der Grundwiderspruch zwischen der herrschenden faschistisch-imperialistischen Clique und den Völkern, der da aufbrach, hier in der Form des Widerspruchs zwischen den Weltherrschafts- und -ausbeutungsplänen und den politischen Möglichkeiten der deutschen Imperialisten. So wurden ökonomische Notwendigkeiten, wie sie selbst Vertreter der herrschenden Klasse in der Kriegswirtschaft teilweise sahen und erkannten, verletzt, weil sie letzten Endes verletzt werden mußten. Terror allein erwies sich auch als untauglich dazu, die deutschen Werktätigen kriegswillig und opferfreudig zu stimmen. Die faschistischen Machthaber waren darauf angewiesen, sich ihren Krieg auch auf wirtschaftlichem Gebiet von einem Volk führen zu lassen, auf dessen allgemeine Kriegsbegeisterung sie trotz verbreiteter Verhetztheit und Verwirrung nicht rechnen durften. Sie waren daher nahezu bis zum letzten Tag des Krieges darauf bedacht, ein System bestimmter Zugeständnisse und sozialer Palliativa einzurichten und aufrechtzuerhalten. Diese Zugeständnisse, vielfach ausdrücklich mit der Furcht vor der Antikriegsstimmung des Volkes und den revolutionären Massenaktionen der Jahre 1917/18 begründet, gingen auf Kosten der Totalität der wirtschaftlichen Kriegführung sowie auf Kosten der unterjochten Völker. Nichtsdestoweniger blieb der Terror auch innerpolitisch das wichtigste Herrschaftsinstrument. Er verschärfte sich sogar noch um vieles. Auch diese tiefe Widersprüchlichkeit, aus der sich das Regime nicht befreien konnte, war ein Ausdruck des genannten Grundwiderspruchs. Als etwas historisch Neues traten ferner die spezifisch faschistischen Methoden bei der Plünderung und Ausbeutung der wirtschaftlichen Ressourcen Europas, besonders Osteuropas, hinzu, bei der Aufteilung der europäischen Beute durch den gewaltigen staatsmonopolistischen Apparat, der zu großen Teilen neu dafür geschaffen wurde. Das Ausmaß und die verbrecherischen Methoden der Ausplünderung der meisten Völker Europas durch den deutschen Imperialismus waren geschichtlich ohne Beispiel. Die grausame Ausbeutung von Millionen ausländischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen stellte ein besonders schändliches Kapitel in der Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft dar. Das Profitieren von billigsten, zwangsweise beigetriebenen ausländischen Arbeitskräften war für Monopole und Junker kein kriegsbedingter Ausnahmezustand, sondern allgemeines Kriegsziel. Die Form der Ausbeutung der ausländischen Arbeitskräfte wurde von rein faschistischen Methoden bestimmt. Schließlich nahm die faschistische Partei — verstanden als Summe aller Naziorganisationen — ihren Platz im staatsmonopolistischen System der vereinigten Macht von Monopolen und S t a a t ein. 16 Das hatte unter anderem zur Folge, daß die 16 v g l . a u c h Kuczynski, Jürgen, D a r s t e l l u n g der L a g e d e r A r b e i t e r in D e u t s c h l a n d von 1933 bis 1945 ( = derselbe, Die G e s c h i c h t e der L a g e der A r b e i t e r unter d e m K a p i t a l i s m u s , B d . 6) (im f o l g e n d e n : L a g e der Arbeiter 1 9 3 3 - 1 9 4 5 ) , Berlin 1964, S. 3 9 f f .

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Struktur des staatsmonopolistischen Mechanismus und der Kampf der staatsmonopolistischen Gruppierungen untereinander komplizierter, unübersichtlicher und noch widersprüchlicher wurden. Die Gesetzmäßigkeit der Niederlage des deutschen Imperialismus 17 bedarf ausführlicher Detailuntersuchungen und entsprechender weiterer theoretischer Durchdringung. Es handelte sich bei ihr nicht um ein ökonomisches, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Gesetz, das sich aus der allgemeinen, grundlegenden Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung ableitete, derzufolge eine Gesellschaftsordnung (die sozialistisch-kommunistische,- die den gesellschaftlichen Fortschritt der Menschheit verkörpert) die andere (die niedergehende, kapitalistische) ablöst. Diese zuletzt genannte Gesetzmäßigkeit hat zahlreiche Ableitungen und Erscheinungsformen. Wie alle spezifisch historischen Gesetzmäßigkeiten 18 ist sie ein wesentlich tendenzielles Gesetz, d. h., sie setzt sich im Klassenkampf der progressiven Kräfte gegen die alte herrschende Klasse durch, in einem Kampf, der die erbittertsten Formen annehmen kann, in dem die in ihrer Existenz bedrohte Reaktion zu den verbrecherischsten, grauenvollsten Mitteln greift und der auch in eine zeitweilige Niederlage des Fortschritts münden — aber nicht darin enden — kann. In der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus haben die Ideen des Friedens, der Humanität, der Demokratie und des Sozialismus dank dem Kampf der revolutionären Arbeiterbewegung und anderer fortschrittlicher Kräfte in den Völkern aller Länder tiefe Wurzeln geschlagen. In dieser Epoche hat ein politisches System wie der Faschismus keine Perspektive. Es ist gegen alle geschichtliche Vernunft. Die Entfesselung des zweiten Weltkriegs durch den deutschen Faschismus war ein Versuch, die tiefen Widersprüche zwischen Monopolherrschaft und Demokratie, zwischen Kapitalismus und Sozialismus im Interesse der deutschen Monopole zu lösen und die ganze Welt ihrem Diktat zu unterwerfen. Damit nahmen die inneren Widersprüche aber nur übernationale, weltumspannende Ausmaße an, und der Faschismus mußte unvermeidlich seiner Katastrophe entgegeneilen. Dieses unmenschliche System einer Clique von Räubern, Mördern und modernen Sklavenhaltern machte sich die Völker der ganzen Welt zum Feind und rief ihren immer erbitterteren Widerstand hervor, an dem es schließlich notwendig scheiterte. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion, auf die fortschrittlichste gesellschaftliche Ordnung in der Welt, trat klar zutage, daß die deutschen Kommunisten in ihrer wissenschaftlichen Voraussage über den „hoffnungslosen Krieg" (Berner Resolution) recht behalten würden. Der deutsche Imperialismus ging der größten Niederlage 17 s. Ulbricht, Walter, Zur Eröffnung der ersten sozialistischen Militärakademie in der Geschichte Deutschlands, Berlin 1959, S. 8 ff.; Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 5, Berlin 1966, S. 409 ff. 18 Zu Wesen und Problematik der spezifisch historischen Gesetze s. Gurewitsch, A. J., Allgemeines Gesetz und konkrete Gesetzmäßigkeit in der Geschichte, in: Sowjetwissenschaft. Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge, H. 2/1966, S. 177ff.

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seiner Geschichte entgegen. Sein ökonomisches Potential stand wie sein militärisches und moralisches in unlösbarem Widerspruch zu seinen Kriegszielen. Die aus diesem Dilemma geborene „Blitzkriegs"-Strategie der deutschen Militaristen scheiterte am Widerstand des Sowjetvolkes und seiner Verbündeten. Im Jahre 1945, mit der großen sowjetischen Januaroffensive, begann die Vernichtung des faschistischen Raubtiers in seiner eigenen Höhle. Als am 8. Mai die Herrschaft des Faschismus über Deutschland endete, sah sich das deutsche Volk dem wirtschaftlichen Chaos, dem materiellen und geistigen Ruin gegenüber. Dem Widerspruch zwischen den Kriegszielen und den wirtschaftlichen Potenzen des deutschen Imperialismus — wiewohl praktisch von größter Bedeutung — kam im Zusammenhang mit der Gesetzmäßigkeit jener Niederlage nur sekundäre Bedeutung zu. Er hatte den Rang einer historischen Besonderheit, die sich aus Geschichte und ökonomisch-geographischer Lage des deutschen Imperialismus ergab und die erleichternd und beschleunigend auf die Durchsetzung des allgemeinen Gesetzes wirkte. Das Gesetz selbst galt und gilt auch unabhängig von solchen zweitrangigen historischen Phänomenen und besonderen Widersprüchen. Es gilt heutzutage zum Beispiel auch in bezug auf die Vereinigten Staaten und deren Aggression in Vietnam, ohne daß hier ein derartiger Widerspruch vorwaltet. Trotzdem war die besonders explosive Widersprüchlichkeit, in die sich die herrschende Klasse Deutschlands in ihrem Krieg angesichts ihrer maßlosen Kriegsziele und des unzulänglichen Wirtschaftspotentials verstrickte, keine historisch zufällige Besonderheit des deutschen Imperialismus. Seine Lage war Teil der Situation des Weltimperialismus, und es war die Wirkung der ungleichmäßigen politischen und ökonomischen Entwicklung der imperialistischen Länder, die die Widersprüche des Imperialismus in Deutschland zu einem besonders komplizierten, für die herrschende Klasse unauflösbaren Knoten sich schürzen ließ. Es bestätigte nur von neuem die Gültigkeit des von Lenin entdeckten Gesetzes der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung der kapitalistischen Länder, wenn in Deutschland eine Art schwächstes Kettenglied in der Reihe der imperialistischen Staaten entstanden war. Die Niederlage des deutschen Imperialismus ereilte dieses schwächste Glied. Im Zusammenhang damit setzte in Europa eine Reihe weltgeschichtlicher revolutionärer Veränderungen ein, unter denen die Entstehung des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden einen hervorragenden Platz einnahm.

KAPITEL I

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis des deutschen Imperialismus für den zweiten Weltkrieg. Die Kriegsziele der deutschen Monopole

Sieben Jahre angespannter Rüstung des deutschen Imperialismus bestätigten die warnende Voraussage der Kommunistischen Partei Deutschlands, daß der Faschismus Krieg bedeute. 1 Das außerordentliche Ausmaß der Kriegsvorbereitungen seit 1933 und die Rüstungsüberlegenheit des faschistischen Deutschlands bei Beginn des zweiten Weltkriegs legen Zeugnis davon ab, wie ernsthaft die deutschen Imperialisten und Militaristen ihre Niederlage von 1918 und den Schock der Novemberrevolution auf ihre Weise analysiert und wie gründlich sie ihre Lehren gezogen hatten. Zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten und latente soziale Konflikte im Innern, außenpolitische Klippen und Gefahren schränkten ihre Möglichkeiten ein. Trotzdem befand sich die deutsche Wirtschaft, gemessen an den Maßstäben des ersten Weltkrieges, schon vor Ausbruch des neuen Krieges in verschiedener Beziehung im Stadium einer Kriegswirtschaft. Vor allem galt dies für das „Militärzuchthaus" (Lenin), das Monopole und faschistische Machthaber für die Werktätigen eingerichtet hatten. Vielfältige Formen weitgehender Regulierung der Rüstungsproduktion, der Produktion und Verteilung von Rohstoffen und anderer Bereiche der wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung waren seit Jahren in Anlehnung an das Muster des ersten Weltkrieges („Hindenburg-Programm") erprobt und entwickelt worden. Die Mobilmachungspläne für die Umstellung der Wirtschaft auf den Krieg lagen bis ins Detail ausgearbeitet vor.

1. Die P h a s e der u n m i t t e l b a r e n wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung 1936-1939 a) Die

Vierjahresplanpolitik

Seit dem offenen Aufbau der faschistischen Luftwaffe (Erlaß vom 26. Februar 1935), dem Wehrpflichtgesetz vom 16. März und dem deutsch-britischen Flottenabkommen vom 18. J u n i 1935 beschleunigte der deutsche Imperialismus seine Kriegsvorbereitungen in hohem Grade. Die Bestimmungen des Versailler Vertrags, früher 1 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 4, Berlin 1966, S. 328.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

soweit wie möglich umgangen, wurden nun offen durchbrochen. Der hochschnelienden Zahl der Rekrutierten entsprechend, wuchs die Beanspruchung der Wirtschaft für Bewaffnung, Ausrüstung und Unterhalt der Militärmaschine. Besonders in schweren Waffen, in Kriegsgerät und militärischen B a u t e n , die bisher nur schwer vor den internationalen Überwachungsorganen zu verbergen waren, blühte j e t z t •die K o n j u n k t u r . In Schlachtschiffen und Unterseebooten, Flugzeugen und Flugplätzen, Panzern und schwerer Artillerie meldete das Militär größten Nachholbedarf an. Nachdem alle wesentlichen Schranken für eine offene und unbegrenzte Aufrüstung gefallen waren, erhob sich vor Monopolkapital, Naziclique und Generalität das Problem der zukünftigen Strategie in seiner ganzen Größe. E s mußten das Ziel künftiger Rüstungen, ihr Ausmaß und einzuschlagendes Tempo annähernd bestimmt werden. W i e zu erwarten, wurde von der bisher demagogisch geforderten „militärischen Gleichberechtigung" aus Kurs auf die militärische und Rüstungsüberlegenheit des deutschen Imperialismus genommen. Diesen Kurs unterstützten alle Monopolgruppen. Die staatlichen Rüstungsausgaben machten einen gewaltigen Sprung nach oben. Nach allen verläßlichen Schätzungen verdoppelten sich die deutschen Rüstungsausgaben bereits im Haushaltsjahr 1935. Ein ähnlicher Sprung erfolgte im nächsten J a h r . Die Zehnmilliardengrenze wurde erheblich überschritten. Von 1935 an stieg auch der Anteil der Rüstungsausgaben am Nationaleinkommen schnell an. E r betrug 1938 — ohne die staatlichen und privaten Industrieinvestitionen des Vierjahresplans — etwas über 2 0 Prozent. 2 Damit und von nun an überstiegen die Rüstungsausgaben die S u m m e der volkswirtschaftlichen Bruttoinvestitionen. 3 J e höher die Wogen der Rüstungskonjunktur schlugen, desto schärfer und unvermittelter m a c h t e n sich wirtschaftliche Schwierigkeiten bemerkbar. Die ersten ernsthaften Hemmnisse, die das beschleunigte Tempo der Kriegsrüstung in Frage stellten, tauchten im Außenhandel und in der Devisenwirtschaft auf. 4 S c h a c h t s Exportpolitik h a t t e zwar die qualitative S t r u k t u r des deutschen Außenhandels und seine geographische Richtung nicht unerheblich verändert, h a t t e ihn aber bei der 2 Die Schätzungen für 1938 (Hillmann, Stuebel, Kuczynski u. a.) bewegen sich zwischen 16,6 und 27 Prozent. Der angegebene Wert ist ein Mindestwert. Er erfaßt nicht alle für die Kriegsvorbereitung ausgegebenen Mittel, sondern nur die direkten Rüstungsausgaben; s. dazu die Aufstellung der deutschen Rüstungsausgaben auf S. 31, nach der sich der Anteil der Rüstungsausgaben am Nationaleinkommen folgendermaßen entwickelte (Kalenderjahr; in Prozent) : 1933 3 1936 17 1934 5 1937 19 1935 9 1938 20 3 s. Erbe, René, Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik 1933—1939 im Lichte der modernen Theorie (Basle Centre for Economic and Financial Research, Series B, Nr. 2), Zürich 1958, S. 109 . 4 s. Schweitzer, Arthur, Foreign Exchange Crisis of 1936, in: Zschr. f. d. gesamte Staatswisscnsch., Jg. 118 (1962) (im folgenden: Crisis), S. 243-277.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

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anhaltenden schweren Stagnation des Welthandels nicht wesentlich über das Krisenniveau hinaus steigern können. Die forcierte Rüstung verschlang indessen Devisen für immer größere und kostspieligere Importe; besonders Kautschuk, Treibstoffe, Eisenerz, Stahllegierungsmetalle, Kupfer, Baumwolle, Leder waren im allgemeinen nicht anders als gegen Devisen auf dem Weltmarkt zu erlangen. Das Devisendefizit, das überwiegend aus Rüstungsaufträgen resultierte, belief sich von 1936 an jährlich auf rund eine Milliarde Reichsmark. Unter Monopolen, Militärs und Naziclique wurden seit Frühjahr 1935 mehrere Wege zur Abhilfe diskutiert 5 : 1. Erhebliche Steigerung des Exports; 2. Aufbau und Ausbau der Erzeugung von synthetischen Ersatzstoffen für ausländische Rohstoffe; 3. Konsumtionsbeschränkung im Reich; 4. Verlangsamung des Tempos der Aufrüstung. Es gab mehrere, auch kombinierte „Lösungen", die jeweils bestimmte Gefahren für das faschistische Regime überhaupt oder für seine Aufrüstung in sich bargen. In der Diskussion traten bedeutende Meinungsverschiedenheiten zutage. Eine erhebliche Konsumtionsbeschränkung für die Massen erschien den herrschenden Kreisen politisch zu riskant. Die Lösung einer echten Rüstungseinschränkung schied gleichermaßen für Monopole, Naziclique und Generalität von vornherein aus. Nach Ansicht der Gruppe um Schacht, Thomas und führende Kreise der Montanindustrie (Thyssen, Poensgen und andere) sollte das Tempo der Rüstung zeitweilig zugunsten des Exports — von Waren wie von Kapital — beschränkt, d. h., es sollte nicht so stark forciert werden wie vorgesehen. Das lag insbesondere im Interesse verschiedener Montankonzerne, die die augenblicklich günstige Konjunktur auf dem Weltmarkt zu nutzen und ihre Positionen auf den Außenmärkten zu erweitern trachteten. Ihre Linie deckte sich mit den Vorstellungen bestimmter Wehrmachtkreise von einer längerfristigen Rüstung konventionellen Stils und Tempos, der sogenannten Tiefenrüstung. In dieser Situation hing die Wahl des einzuschlagenden Weges — ceteris paribus — vom Kräfteverhältnis innerhalb des staatsmonopolistischen Apparates ab; dieses wurde wiederum von den Zielen der verschiedenen Monopolgruppierungen und ihrer politischen Repräsentanten und von dem ökonomischen und politischen Ger wicht bestimmt, mit dem sie diese Ziele vertraten. Nach heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des staatsmonopolistischen Mechanismus wählte man die am meisten imperialistische, am meisten chauvinistische Variante. Die aggressivsten Gruppen des deutschen Finanzkapitals (IG-Farben,1 die Großbanken, Flick, Krupp, Röchling und andere) versuchten gemeinsam mit der Naziclique, die Schwierigkeiten unmittelbar durch Druck auf die Lebenshaltung des Volkes (erste Formen der Rationierung) und auf längere Sicht durch die Autarkiepolitik des Vierjahresplanes zu überwinden. 5 vgl. Schweitzer, Arthur, Big Business in the Third Reich (im folgenden: Big Business), Bloomington (Ind.) 1964, S. 538.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

Mit dem Vierjahresplan sollte, nach Hitler, erreicht werden, daß „auf all den Gebieten eine 1 0 0 % i g e Selbstversorgung eintritt, auf denen diese möglich i s t " , besonders in Treib- und Brennstoffen, Gummi, Eisen bzw. Eisenerz sowie in T e x t i l rohstoffen. 6 Die eingesparten Devisen sollten der E i n f u h r von Rohstoffen für die R ü s t u n g und, soweit unumgänglich, von Lebensmitteln vorbehalten sein. Das war der Plan einer umfassenden „wirtschaftlichen Mobilmachung" in kürzester F r i s t . In vier J a h r e n sollte die W i r t s c h a f t „kriegsfähig" sein. 7 Die Planungen sahen ein gewaltiges B a u - und Produktionsprogramm vor. ökonomisch bedeutete der Vierjahresplan eine Verlagerung bedeutender Ressourcen an Produktionsmitteln und Arbeitskräften aus dem S e k t o r der Friedensproduktion (teilweise aus den volkswirtschaftlichen Reserven) in den der Rüstungsproduktion. Neben den Rüstungsprogrammen der einzelnen Wehrmachtsteile rangierten j e t z t als gleichberechtigt in der Dringlichkeit bei Kontingentierung und Finanzierung die Vierjahresplanvorhaben, seit 1938 besonders die „ P r o g r a m m e " des G B Chemie („Gebechem"). 8 Diese Programme sahen eine rasche Steigerung der Produktion von Hydrierbenzin und B u n a , von Leichtmetallen, Pulver, Sprengstoffen und Giftgasen und deren Ausgangsstoffen vor und enthielten Planungen für den Aufbau umfangreicher neuer Kapazitäten, vieler neuer Anlagen und Werke. Die politische Zielsetzung des Vierjahresplanes war unmißverständlich aus der Denkschrift Hitlers zu ersehen. Als Plan der wirtschaftlichen Vorbereitung der Mobilmachung sollte er die materiellen Voraussetzungen und Ressourcen dafür schaffen, um die W e h r m a c h t in vier J a h r e n „einsatzfähig" zu machen. 9 Die Vierjahresplanpolitik war eine planmäßige autarkische Politik unmittelbarer wirtschaftlicher Vorbereitung auf einen Krieg sowohl gegen die Sowjetunion als auch gegen die Westmächte einschließlich der Vereinigten S t a a t e n . Ihr Ziel waren eine Erweiterung des rüstungswirtschaftlichen Potentials und eine Blockadefestigkeit, die für eine Reihe von „Blitzfeldzügen", für eine jeweils „rasche Kriegsentscheidung durch Vernichtungsschläge gleich zu Beginn der Feindseligkeiten" 1 0 ausreichten.

6 Treue, Wilhelm, Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936, in: VfZ, H. 2/1955, S. 204ff. (im folgenden: Hitlers Denkschrift). Zur Vierjahresplanpolitik, zu Organisation und Planung der Vierjahresplaninstitutionen s. ausführlich Petzina, Dieter, Autarkiepolitik im Dritten Reich, Stuttgart 1968 (im folgenden: Autarkiepolitik). 7 Treue, Wilhelm, Hitlers Denkschrift, S. 210. 8 Generalbevollmächtigter für Sonderfragen der chemischen Erzeugung: offizielle Bezeichnung für Carl Krauch, Mitglied des Vorstandes und des Zentralausschusses der IG Farbenindustrie AG und stellv. Leiter der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau (später: Reichsamt für Wirtschaftsausbau), die 1938 aus dem Vierjahresplanamt für deutsche Roh- und Werkstolle hervorging. 9 s. Treue, Wilhelm, Hitlers Denkschrift, S. 210. 10 Dok. EC-282, Fall VI, ADB 20, „Arbeitsbericht des Generalbevollmächtigten des Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring für Sonderfragen der chemischen Erzeugung Dr. C. Krauch vor dem Generalrat", Entwurf v. 20./21. 4. 1939, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 413 (auch Fall X I , ADB 119, DZA Potsdam, Nürnberger Prozesse, Fall X I , Nr. 408, Bl. 104).

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Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorljereitung

Sie stellte außenwirtschaftlich zugleich den Versuch des deutschen Imperialismus dar, sich mittels planmäßiger „friedlicher" Durchdringung und Expansion innerhalb und außerhalb Europas, besonders aber in den Ländern Südosteuropas, eine möglichst solide Ausgangsbasis für einen solchen „Blitzkrieg" zu verschaffen. 11 b) „Breitenrüstung" und „Tiefenrüstung". Wirtschaftspotential und kriegswirtschaftliches

Potential

Die Resultate der deutschen Kriegsvorbereitung, besonders der wirtschaftlichen, standen während des Krieges und danach, besonders aber wieder in jüngster Zeit, im Mittelpunkt des politischen und wissenschaftlichen Interesses. Nach dem Kriege sind der Forschung sowohl wichtiges Zahlenmaterial zu diesem Thema als auch Material über die Diskussionen und Auseinandersetzungen in der politischen und militärischen Spitze des faschistischen Regimes über „Breitenrüstung" und „Tiefenrüstung" bekanntgeworden. In der bürgerlichen Geschichtsschreibung ist die deutsche Kriegsvorbereitung seit langem ein Streitobjekt. Soweit sich die — kaum ernsth a f t zu bestreitende — Auffassung durchgesetzt hat, daß der deutsche Imperialismus für Kriege von begrenztem Ausmaß zwar wirtschaftlich vorbereitet und in der militärischen Rüstung seinen voraussichtlichen Gegnern einzeln überlegen war, aber in einem langen Krieg gegen eine starke Koalition militärisch wie wirtschaftlich mit größter Wahrscheinlichkeit unterliegen mußte, mangelt es durchweg an einer stichhaltigen Begründung hierfür. Die Verwunderung insbesondere angloamerikanischer Autoren nach dem Kriege darüber, daß Deutschland 1939 nicht auf einen Weltkrieg, sondern nur auf „Blitzkriege" vorbereitet war, erscheint um so echter, als selbst ihre Generalstäbe vorher die Lage ganz anders eingeschätzt hatten. Sie bieten eine Reihe mehr oder weniger plausibler, im ganzen oberflächlicher Erklärungen an 12 , ohne zum tieferen historischen Verständnis der Vorkriegssituation in Deutschland vorzustoßen. 13 Dieses Verständnis kann freilich nur gewinnen, wer das Gewirr der inneren und äußeren Widersprüche durchdringt und entflicht, in denen sich der deutsche Imperialismus bewegte und die ebenso seine Ziele und Absichten bestimmten wie seine Möglichkeiten begrenzten. 11 s. a. Abschnitt 2. 12 So z. B. Klein, Burton H., Germany's Economic Preparations for War, Cambridge (Mass.) 1959, S. 7811. (Harvard Economic Studies, Bd. 109); Milward, AlanS., Die deutsche Kriegswirtschaft 1939—1945, Stuttgart 1966, S. 15ff. 13 Unter diesen Umständen nehmen immer häufiger auftretende revanchistische und offen faschistische Kräfte Anlaß, über „verpaßte Chancen" durch ungenügende Kriegsvorbereitung zu klagen oder — zunächst — die forcierte Aufrüstung und die besondere, außerordentliche Aggressivität und Expansionsgier des deutschen Imperialismus zu leugnen; so Walendy, Udo, Wahrheit für Deutschland. Die Schuldfrage der Zweiten Weltkrieges, Vlotho/Weser 1965, der ungeniert A. J. P. Taylor und B. H. Klein als Kronzeugen dafür reklamiert, daß der deutsche Rüstungsstand 1939 friedensmäßig niedrig und durchaus harmlos gewesen sei (S. 231 ff.).

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

In dem Meinungsstreit um „Breitenrüstung" u n d „Tiefenrüstung", der in den Vorkriegsjahren weite Kreise zog und in internem Rahmen häufig und offen zur Sprache kam, ging es im Grunde um nichts anderes als um die Möglichkeiten und Grenzen des deutschen kriegswirtschaftlichen Potentials. Generalmajor Thomas, Chef des Wehrwirtschaftsstabes des OKW, definierte das Problem: „Unter Breite einer Rüstung verstehe ich Zahl und Stärke der Friedenswehrmacht und die Vorbereitungen, die zu ihrer Vergrößerung im Kriegsfalle getroffen werden. Die Tiefe der Rüstung umfaßt dagegen alle Maßnahmen in Sonderheit materieller und wirtschaftlicher Natur, die der Versorgung im Kriege, also der Stärkung der Durchhaltemöglichkeit dienen. Über die augenblickliche Überlegenheit der Breite und ersten Schlagkraft unserer Rüstung sind wir uns bereits klar geworden . . . so darf ich wohl feststellen, daß wir auf dem reinen militärischen Rüstungsgebiet wohl unseren Vorsprung noch eine gewisse Zeit werden halten können, daß aber auf dem erweiterten wirtschaftlichen Rüstungsgebiet der Vorsprung leider (gar) nicht vorhanden ist und daß in der Rüstungstiefe die Westmächte uns vorläufig (immer) überlegen sein werden." 1 4 Die Blitzkriegsstrategie als Ausweg aus dieser Situation betrachtete Thomas nicht ohne Skepsis: „Die militärpolitische Führung wird immer einen kurzen Krieg fordern. Ob er geführt werden kann, wird nicht nur von uns, sondern auch vom Gegner abhängen. . . . Glückt dies nicht und kommt es zu einem Abringen wie im Weltkriege, so entscheidet die Tiefe der wehrwirtschaftlichen Kraft, d. h. die Durchhaltemöglichkeit." 15 Thomas skizzierte dreierlei Mittel und Wege, um „hier einen gewissen Ausgleich zu schaffen". Erstens müsse für den Fall des Krieges „eine Ausnutzung der Hilfsquellen der nordischen Staaten möglich" sein und „uns der Balkan mit seinen Vorräten und Vorkommen zur Verfügung" stehen; zweitens seien der Aufbau von Kapazitäten für kriegswichtige Produkte im Rahmen des Vierjahresplans fortzuführen und das gesamte Transportwesen auszubauen; drittens schließlich drängte Thomas darauf, mittels gesteigerten Exports entsprechend reichliche Vorräte und Reserven an Devisen und Gold wie auch an Rohstoffen und Lebensmitteln anzulegen. 16 Es offenbarte sich aber die tiefe Kluft zwischen Zielen und Mitteln, wenn er im gleichen Atemzuge wegen „psychologischer Auswirkungen" auf das Volk vor einer noch stärkeren Einschränkung der Konsumgüterproduktion warnen mußte. 17 Das Wirtschaftspotential des imperialistischen Deutschlands — die Gesamtheit seiner volkswirtschaftlichen Kapazitäten und Ressourcen — mußte sich, so bedeutend es war, für den voraussehbaren europäischen und Weltkrieg als unzureichend erweisen. Die Machthaber des Regimes zogen aus der partiellen Erkenntnis dieser Tatsache ihre Schlüsse. Auf wirtschaftlichem Gebiet zeigte sich das in dem Bestreben, das kriegswirtschaftliche Potential schon vor Kriegsausbruch durchgreifend 14 Dok. EC-028, IMT, Bd. 36, S. 119, 125, Vortrag von Thomas vor Herren des Auswärtigen Amts, 24. 5. 1939. — Meine Hervorh. — D. Ii. Eingeklammerte Wörter sind im Original des Dokuments gestrichen und durch die voranstehenden ersetzt worden. 15 Ebenda, S. 131, 122. 16 s. ebenda, S. 125, 130. 17 s. ebenda, S. 130f.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

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zu vergrößern. Diesem Ziel diente, wie schon die Politik Schachts seit 1933/34, so in potenzierter Weise die Vierjahresplanpolitik. Das Problem für die herrschende Klasse bestand darin, die W i r t s c h a f t so früh und so weitgehend wie möglich zu militarisieren, d. h. das kriegswirtschaftliche Potential bereits im Frieden auf K o s t e n der Sektoren der Friedensproduktion m a x i m a l zu erweitern und in möglichst großem Umfang zu mobilisieren. Das kriegswirtschaftliche oder rüstungswirtschaftliche Potential eines Landes i s t eine komplexe Größe, die nicht in einer einzelnen Ziffer auszudrücken ist. Sie steht in einem bestimmten Verhältnis zum allgemeinen Wirtschaftspotential des betreffenden Landes und stellt, grob gesprochen, denjenigen Teil dieses Potentials dar, der für die Bedürfnisse der militärischen Macht und des Krieges unmittelbar zu mobilisieren ist. 1 8 Viele andere wichtige Kennziffern des allgemeinen W i r t s c h a f t s potentials fließen in differenzierter Weise in diejenige des kriegswirtschaftlichen Potentials ein, ohne mit ihm identisch zu sein: das Arbeitskräftepotential, die Arbeitsproduktivität in Industrie und Landwirtschaft, die Leistungsfähigkeit des Verkehrswesens, die Höhe der Industrieproduktion und der Pro-Kopf-Produktion der Industrie, die Akkumulationsquote, die Proportionalität in der Wirtschaft, b e sonders das Verhältnis zwischen der Produktion von Produktionsmitteln und von Konsumgütern, das Entwicklungsniveau von Wissenschaft und Technik, die w i r t schaftsstrategische Lage (Außenhandelsabhängigkeit, Verbindungswege), die eigenen Rohstoffressourcen, die verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche und die Bodenfruchtbarkeit. Das kriegswirtschaftliche Potential h a t in bezug auf die materielle Seite seine theoretische Grenze im Wirtschaftspotential selbst, abzüglich der für die Reproduktion erforderlichen Mittel. Unter kapitalistischen Verhältnissen sind einer Annäherung des kriegswirtschaftlichen Potentials an diese Grenze jedoch unüberwindliche Schranken gesetzt. Die Devisenkrise und inflationäre Erscheinungen waren in Deutschland schon in der Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung Anzeichen zunehmender Veränderungen und daraus resultierender ernsthafter Störungen im kapitalistischen Reproduktionsprozeß. 18 Die Beziehungen zwischen kriegswirtschaftlichem und Wirtschaftspotential formuliert Kaldor, wenn er auch diese Begriffe nicht klär definiert und unterscheidet und daher stark vergröbert (Kaldor, Nicholas, The German War Economy (Manchester Statistical Society. Paper, read 22nd May, 1946), Manchester (1946), S. 4): „. . . the war potential of any country must be determined by at least one of the following four factors: the capital equipment of its industry, its available man-power, its supply of raw materials, and finally, the ability and skill of its industrial organisers, engineers and technicians . . . the ultimate limits to a country's war potential are set simply by the quantity and skill of its man-power, and by the richness of ores and minerals of the areas under its control or with which it is capable of trading." Hierzu kritisch Gurow, A., Die kriegsökonomischen Theorien des westdeutschen Militarismus, Berlin 1961, S. 7511., der sich im einzelnen mit den bürgerlichen Auffassungen über die Faktoren des kriegswirtschaftlichen und des Wirtschaftspotentials und die Unterscheidung beider auseinandersetzt (ebenda, S. 84 ff.). Vgl. auch Lagowski, A. N., Strategie und Ökonomie, Berlin 1959,. S. 28 ff.; Krieg, Armee, Militärwissenschaft, Berlin 1963, S. 317 ff.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

Entscheidend aber hängen der Grad der Mobilisierung und Ausnutzung des kriegswirtschaftlichen Potentials und vor allem schon seine Größe im Vergleich zur gesamten Wirtschaftskraft eines Landes von dessen sozialer und staatlicher Ordnung und vom moralischen Faktor sowie vom Charakter des Krieges ab, den es führt. 1 9 Hier zeigte es sich nun, daß die schweren inneren und äußeren Widersprüche des faschistischen Regimes bedeutende Hindernisse für den Versuch des deutschen Imperialismus aufrichteten, das kriegswirtschaftliche Potential seinen Kriegszielen und -planen anzupassen. Die inneren Widersprüche entsprangen dem Charakter der Monopolherrschaft in ihrer faschistischen Form. Darunter sind vor allem die unüberbrückbar tiefen sozialen und politischen Gegensätze zwischen der herrschenden Klasse und dem Volk zu nennen. Was immer einer noch vertieften Rüstung, einer „Tiefenrüstung", dienlich gewesen wäre, es hätte die Massen des arbeitenden Volkes einschließlich der Mittelschichten treffen müssen: Zwangsrekrutierung und Zwangsumsetzung von Arbeitskräften, Kürzung und qualitative Verschlechterung des Konsums („Kanonen statt Butter"), Anziehen der Steuerschraube, Einschränkung der Dienstleistungen, des Wohnungsbaus und der Konsumgüterindustrien. Hierin war wahrlich schon einiges geschehen. Aber die faschistische Führung fühlte den geringen Spielraum, der ihr blieb. Sie hatte um die Massen der Mitläufer, ihre eigentliche Massenbasis, zu fürchten. Zahlreich und hinreichend zufrieden mußte sie sie hinter sich wissen, ehe sie die Nation in einen abenteuerlichen, blutigen Krieg stürzte. Daraus erklärte es sich, daß die führenden Repräsentanten des Regimes nahezu während des ganzen Krieges eine starke Zurückhaltung und vermittelnde Vorsicht an den Tag legten, wenn es galt, das eigene Volk materiell schwerer zu belasten und ihm größere Entbehrungen aufzuerlegen. Die extreme Brutalität des Regimes und in späteren Kriegsjahren die militärische und außenpolitische Entwicklung ließen den Widerspruch, der hierin lag, immer krasser hervortreten. Auch die Interessengegensätze und -kämpfe innerhalb der herrschenden Schichten und Gruppen boten bedeutende Hindernisse für eine einheitliche Konzeption in der Rüstungswirtschaft; sie verzögerten insbesondere auf Jahre hinaus ihren straffen, zentralisierten Aufbau. 20 Die äußeren Widersprüche ergaben sich aus dem internationalen Kräfteverhältnis, an dem der Versuch des deutschen Imperialismus, seine Herrschaft über Europa und die ganze Welt auszudehnen, mit historischer Notwendigkeit scheitern mußte. Zwar sahen die deutschen Imperialisten ihre gesetzmäßige Niederlage nicht etwa voraus; sie waren sich aber mehr oder weniger deutlich der Schwäche und Unzulänglichkeit ihres Wirtschafts- und Rüstungspotentials in einem Kampf gegen „fast die ganze übrige Welt" 2 1 bewußt. Dieses Potential „total" zu mobilisieren, erschien ihnen weder erfolgversprechend noch nötig und tunlich, vielmehr riskant, 19 s. Gurow, A., a. a. 0 . 20 s. Kapitel III. 21 s. Dok. EC-282, Fall XI, A D B 119, DZA Potsdam, Nürnberger Prozesse, Fall XI, Nr. 408, Bl. 118, Arbeitsbericht Carl Krauchs . . ., 20./21. 4. 1939 (s. Anm. 10).

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

21

weil notwendigerweise von großer sozialer Sprengkraft. Sie begnügten sich mit der „Breitenrüstung", der Anhäufung einsatzbereiter militärischer K r a f t . F ü r die nötige „Tiefe" in der Rüstung, d. h. für eine volle Ausschöpfung und eine den strategischen Zielen angemessene Ausdehnung des kriegswirtschaftlichen Potentials, sorgten sie nur im Rahmen der kurzfristigen, provisorischen Teillösungen, die der Vierjahresplan bot. Sie dachten, in der Blitzkriegsstrategie und deren wirtschaftlicher Komponente eine mögliche Lösung des — in Wirklichkeit unlösbaren — Widerspruchs zwischen Zielen und Möglichkeiten, zwischen ihren Weltherrschaftsplänen und dem begrenzten deutschen Rüstungspotential gefunden zu haben.

c) Die Ergebnisse der wirtschaftlichen

Aufrüstung

Die wirtschaftlichen Rüstungen des deutschen Imperialismus zum Kriege waren nichtsdestoweniger sehr beachtlich. Sie waren ungleich stärker und zielgerichteter als die aller anderen Staaten. Im folgenden sollen diese Rüstungen, besonders die Ergebnisse des Vierjahresplanes, auf ihre Stärken und Schwächen hin untersucht werden. Von 1937 an wuchsen die Investitionsziffern schneller als bisher 2 2 : Investitionen in der Industrie 1933-1939 Anlageinvestitionen Anteil d. Prod.(i. Md. RM) güterindustrien (in Prozent) 1928 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939

2,6 0,6 1,1 1,6 2,2 2,8 3,7 4,4

66 55 66 75 76 77 80 81

Bei der Bewertung dieses Investitions-„Booms" dürfen wichtige Gesichtspunkte und Ziffern nicht außer acht gelassen werden. Erst 1937 übertraf die Summe der Industrieinvestitionen diejenige von 1928. Die von 1933 bis 1939 in der Industrie vorgenommenen Investitionen reichten etwa gerade dazu aus, die Desinvestitionen 22 In den Grenzen von 1937. Nach : Statistisches Handbuch von Deutschland 1928—1944, hg. v. Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebiets (im folgenden: Statistisches Handbuch), München 1949, S. 605; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, hg. v. Statistischen Reichsamt (im folgenden: Statistisches Jahrbuch) 1941/42, S. 610, 612; 1939/40, S. 583f.; 1938, S. 565f. Siehe auch Wagenführ, Rolf, Industrie, S. 20 (ungenaue Quellenangabe) ; Erbe, René, a. a. 0., S. 111. 3

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

seit 1929 zu kompensieren und den Produktionsapparat einfach zu reproduzieren. ^ Die zwanzigprozentige Steigerung des Nationaleinkommens 1938 gegenüber 1929 ging vor allem auf eine wesentlich höhere Ausnutzung vorhandener Produktionskapazitäten zurück. 24 Es gab keine umfassende Neuanlage in der Industrie. Aber sie erfuhr, besonders in ihrem Maschinenpark, eine erhebliche Modernisierung und Rationalisierung. Die überwiegende Masse des investierten Kapitals konzentrierte sich in den Produktionsgüterindustrien. Den „Boom" bezahlten zu einem nicht unbedeutenden Teil bereits vor dem Krieg die Konsumgüterindustrien mit der Devastation ihres Produktionsapparats. Von einer Erfüllung der hochgespannten Autarkiepläne von Monopolen und Staat konnte bei Kriegsbeginn keine Rede sein. Allerdings waren die für die Kriegführung empfindlichsten Lücken notdürftig gestopft. Erhebliche Produktionserfolge waren vor allem bei Treibstoffen und Gummi aufzuweisen. Deutsche Treibstoff bilanz (1934,1936,1938,1939

1. Gesamtverbrauch an Mineralölerzeugnissen (in 1000 t) 2. davon aus inländischen Rohstoffen (in 1000 t) 3. Anteil von 2 an 1 (in Prozent) 4. Gesamtverbrauch an Treibstoffen (Benzin, Benzol, Diesel) (in 1000 t) 5. davon Erzeugung aus inländischen Rohstoffen (in 1000 t) 6. Anteil von 5 an 4 (in Prozent)

1934

1936

1938

1939

3295

4590

6150

ca. 7 0 0 0 - 7 2 0 0

1038

1545

2373

ca. 2 9 5 0 - 3 0 0 0

34

39

2390

3400

4575

ca. 5330

773

1267

1866

ca. 2280

32

37

41

31,5

ca.

ca.

42

43

23 s. Hiümann, H. C., Comparative Strength of the Great Powers, in : Survey of International Affairs 1939-1946. The World in March 1939, hg. v. A. Toynbee und F. T. Ashton-Gwatkin, London/New York/Toronto 1952, S. 437f. ; Faingar, I. M., Die Entwicklung des deutschen Monopolkapitals. Grundriß, Berlin 1959, S. 207 f.

24 s. Hiümann. H. C., a. a. O., S. 458. 25 Quelle: Birkenfeld, Wolfgang, Der synthetische Treibstoff 1933-1945, Göttingen/Berlin/ Frankfurt a. M. 1964, S. 218f., 225. Verschiedentlich abweichende Zahlen in The

Effects, S. 73 ff., u. Statistisches Handbuch, S. 310f. Über Ungepauigkeiten in den Zahlen s. The Effects, S. 73 Anm. 1.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung 1934 7. davon (von 4) Erzeugung der Hydrierwerke (Benzin, Diesel) 153 (in 1000 t) 8. Anteil von 7 an 4 6,4 (in Prozent)

23

1936

1938

1939

469

813

1012

14

18

ca. 19

Die Produktion von Treibstoffen auf einheimischer Rohstoffbasis stieg von 1934 bis 1939 auf das Dreifache. Ihr Anteil am Gesamttreibstoffverbrauch erhöhte sich im gleichen Zeitraum von rund 3 0 auf etwa 43 Prozent. Hieran war 1939 zur Hälfte die synthetische Produktion (Hydrier- und Synthesewerke) beteiligt, die fast auf das Achtfache gestiegen war. 2 6 B e i Kriegsbeginn arbeiteten 14 Hydrier- und FischerTropsch-Anlagen, sechs weitere waren im B a u . 2 7 Zugleich wurde die einheimische Erdölförderung von 1933 bis 1939 auf das Dreifache (knapp 7 5 0 0 0 0 t) gesteigert. Mit dem B a u des ersten Bunawerkes (Schkopau) des IG-Farben-Konzerns wurde 1936 begonnen. E i n J a h r später nahm das W e r k bereits die Produktion auf ( 3 5 0 0 t). Im J a h r e 1939 wurden rund 2 5 0 0 0 t B u n a erzeugt und etwa 2 0 Prozent des J a h r e s verbrauchs an Kautschuk m i t B u n a gedeckt. Das zweite W e r k (Hüls) begann 1940 m i t der Bunaerzeugung. Als dieses Werk 1941/42 auf vollen Touren lief, konnte der Kautschukbedarf — bei scharfer Kürzung des zivilen Verbrauchs knapp unter dem Friedensniveau liegend — vollständig aus der synthetischen Produktion gedeckt werden. In den ersten zwei Kriegsjahren aber machte die Kautschuklücke von anfangs mehr als 5 0 Prozent den deutschen Imperialisten schwer zu schaffen. 2 8 Die Steigerung der deutschen Eisenerzförderung von 1933 bis 1939 auf rund das Sechsfache (14,7 Mill. t) konnte die Auslandsabhängigkeit (60—65 Prozent) infolge entsprechend höheren Verbrauchs nicht herunterdrücken, zumal da der durchschnittliche Fe-Gehalt des in Deutschland geförderten Roherzes in der gleichen Zeit von 32 auf 27 Prozent zurückging. 2 9 Mittels schweren staatsmonopolistischen Druckes auf die Landwirtschaft versuchten die faschistischen Landwirtschaftspolitiker und -planer, die Abhängigkeit vom Ausland zu verringern, die in der Versorgung m i t Nahrungs- und Futtermitteln bestand und die sie als eine der größten Gefahren für die Führung des kommenden Krieges ansahen. Die allgemeine Quote der Einfuhrabhängigkeit bei Nahrungsmitteln, die sich vor der Weltwirtschaftskrise (1927/28) noch auf 32 Prozent belief, war zwar schon 1933/34 auf 20 Prozent abgesunken, konnte aber bis 1938/39 nicht tiefer als bis auf 17 Prozent gesenkt werden. Mit 4 5 Prozent war die Unterbilanz bei F e t t 26 Quellen s. unter Anm. 61. 27 Klein, Burton H., a. a. O., S. 32; Birkenfeld, Wolfgang, a. a. O., S. 138, gibt nur sieben bzw. fünf Hydrierwerke an. 28 s. Statistisches Handbuch. S. 312; The Effects, S. 83 f.; Treue, Wilhelm, Gummi in Deutschland, München (1955), S. 300. 29 s. Statistisches Handbuch, S. 281; Klein, Burton H., a. a. O., S. 50, 57, 116. 3*

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

am größten. Futtermittel mußten zu 30 Prozent importiert werden. 30 Der faschistische Staat konnte nicht umhin, große Vorrats- und Reservelager anzulegen, die zum Teil neu zu bauen und einzurichten waren. 31 Diese Vorratshaltung verschlang außerdem erhebliche Devisenmittel. In den letzten Vorkriegsjahren wurden recht umfangreiche Vorräte an kriegswichtigen Rohstoffen, Metallen und Treibstoffen angelegt. Reichlich sechs Monate konnte das faschistische Deutschland unter Blockade mit voller Kraft Krieg führen. Solche Vorräte existierten in Buntmetallen, Ferrolegierungsmetallen, Mineralöl, Naturkautschuk (für etwa zwei Monate), Eisenerz, industriellen Fetten. Die Ergebnisse der wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung während des Vierjahresplans waren, wie überhaupt die Vorbereitung des deutschen Imperialismus auf den Krieg, zwiespältig. Der Vierjahresplan selbst stellte zunächst gewissermaßen einen Kompromiß zwischen den Konzeptionen der „Breitenrüstung" und der „Tiefenrüstung" dar. Ursprünglich umfassender geplant, stießen die Autarkiebestrebungen ebenso wie die Vorratshaltung, die Ausbeutung der werktätigen Massen wie die „Kanonen-statt-Butter"-Politik als ganze schon vor dem Krieg auf Grenzen. Auch in ihren späteren, bescheideneren Fassungen wurden die Planungen der Vierjahresplanbehörden nicht erfüllt. Dennoch waren die Produktionssteigerungen und die übrigen wirtschaftlichen Anstrengungen für den Krieg in dieser Zeit sehr beachtlich. Das Kernstück der unmittelbaren wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung waren die kostspieligen, teils privat, teils staatlich finanzierten, in jedem Fall staatlich subventionierten bzw. preisgarantierten Vierjahresplanvorhaben der Konzerne, besonders der IG Farbenindustrie AG und der Reichswerke „Hermann Göring". Die Produktion der neu errichteten Werke war oft unverhältnismäßig teuer und von minderer Qualität (synthetischer Treibstoff, Buna, Eisenerz, Zellwolle). Der Bunapreis war beispielsweise zunächst bei geringerer Qualität des Gummis dreimal so hoch wie der Weltmarktpreis für Naturkautschuk. Zur Produktion jedes Liters synthetischen Benzins mußten über fünf Kilo Steinkohle aufgewandt werden (pro kg Fliegerbenzin = 6 kg Steinkohle); ein Kilo Buna fraß — hauptsächlich wegen des enormen Energieverbrauchs — 20,5 kg, ein Kilo Aluminium 17,7 kg Steinkohle. Allein die Planvorhaben für die Benzinerzeugung waren für einen Kohleverbrauch bei Aufnahme der Produktion (1942/43) von 62 Millionen t Braun- und 26 Millionen t Steinkohle veranschlagt; das waren ein Drittel der Braunkohlen- und etwa 15 Prozent der Steinkohlenproduktion des Vorkriegsjahres 1937 (1938 betrug der Verbrauch dagegen 13 bzw. 1,2 Prozent). 32 Ungeachtet dessen, daß die Entwicklung 30 vgl. Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 95. 31's. Melzer, Rolf, Studien zur Agrarpolitik der faschistischen deutschen Imperialisten in Deutschland im System der Kriegsplanung und Kriegsführung 1933 bis 1941, phil. Diss. Rostock 1966, S. 34 ff. 32 Berechnet nach: Dole. EC-282, Fall X I , ADB 119, Arbeitsbericht v. Carl Krauch vor dem Generalrat des Vierjahresplans, Entwurf v. 20./21. 4. 1939, DZA Potsdam, Nürnberger Prozesse, Fall X I , Nr. 408, Bl. 5ff. (dat. 28. 4. 1939); Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, 1939/40, S. 165.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

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der volkswirtschaftlichen A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t durch die großen Investitionen in diesen Produktionsbereichen ungünstig beeinflußt wurde, e n t s t a n d e n mit einem riesigen A u f w a n d an Mitteln u n d K r ä f t e n , der dem Volk wachsende E n t b e h r u n g e n auferlegte, eine Reihe gewaltiger P r o d u k t i o n s a n l a g e n . Obwohl das kriegswirtschaftliche P o t e n t i a l des deutschen Imperialismus auf volkswirtschaftlich so wenig effektive Weise mobilisiert u n d erweitert wurde, g e w a n n hierdurch die Blitzkriegskonzeption Hitlers u n d des Generalstabs eine d u r c h a u s tragfähige w i r t s c h a f t l i c h e Grundlage. U n t e r diesem Aspekt war der Vierjahresplan ein „relativer E r f o l g " 3 3 f ü r die deutschen Imperialisten. Zu dem R e s u l t a t trugen allerdings die imperialistischen Annexionen u n m i t t e l b a r vor dem Krieg nicht unwesentlich bei. I m März 1938 besetzten deutsche T r u p p e n Österreich, im Oktober 1938 Teile der Tschechoslowakei. Von n u n an standen dem deutschen Imperialismus die wirtschaftlichen Ressourcen und besonders das kriegswirtschaftliche Potential dieser Gebiete zur V e r f ü g u n g . I m J a h r e 1939 wurden d o r t beispielsweise an R o h s t a h l 3,7 Prozent der im Reich (Grenzen von 1937) produzierten Mengen erzeugt, a n Walzwerkfertigerzeugnissen 4,5 Prozent, an B r a u n k o h l e 10,2 Prozent, an Erdöl u n d Eisenerz (beides n u r Österreich) 19,4 beziehungsweise 20,5 Prozent, an G r a p h i t 108 Prozent, an Zellstoff 27,4 Prozent, a n Leder 15,6 P r o zent, an Elektroenergie (kWh) 8 Prozent. 3 4 N a c h der Besetzung der übrigen tschechischen Gebiete im März 1939 erhöhten sich diese Ziffern teilweise beträchtlich, so bei Eisenerz auf 25,7 Prozent, bei R o h s t a h l auf 10,7 Prozent, bei Walzwerkfertigerzeugnissen auf 11,8 P r o z e n t und bei Elektroenergie auf 11,6 Prozent. 3 5 Mit den Skodawerken geriet einer der f ü h r e n d e n europäischen Rüstungskonzerne, m i t der tschechischen I n d u s t r i e ü b e r h a u p t die sechststärkste Industrie in E u r o p a (ohne Sowjetunion) in die Verfügungsgewalt des deutschen Imperialismus. Über die B e u t e a n Waffen u n d Kriegsgerät notierte Generalquartiermeister W a g n e r im März 1939 „einfach e r s c h ü t t e r n d e Zahlen". 3 6 Das b e d e u t e n d e zusätzliche P o t e n t i a l kam freilich bis Kriegsbeginn noch n i c h t voll zur W i r k u n g . W a s die innere, strukturelle Vorbereitung der W i r t s c h a f t auf den Krieg betraf, so erlebten die „klassischen" Merkmale des staatsmonopolistischen Kapitalismus, die Lenin e n t d e c k t h a t — öffentliche Regulierung der P r o d u k t i o n u n d der Verteilung, Zwangsregime gegenüber den Arbeitern (allgemeine Arbeitsdienstpflicht) — bereits lange vor Kriegsausbruch eine v e r d e r b e n d r o h e n d e Renaissance u n t e r faschistischen Vorzeichen, d. h. u n t e r Bedingungen, die ihrer e x t r e m e n A u s p r ä g u n g besonders förderlich waren. Schon J a h r e vor dem Krieg w u r d e n R o h s t o f f m a r k t , A u ß e n h a n d e l , P r o d u k t i o n u n d M a r k t der L a n d w i r t s c h a f t u n d A r b e i t s m a r k t weitgehend m i t t e l s Zwangsverbänden u n d -Organisationen u n d d u r c h Gesetz öffentlich reguliert. In der Reichsgruppe Industrie, in der Reichstelle f ü r W i r t s c h a f t s a u s b a u u n d in der B e h ö r d e 33 34 35 36

Petzina, Dieler, Autarkiepolitik, S. 194. s. Statistisches Jahrbuch, 1941/42, S. 665 ff. s. ebenda, S. 64 ff. Der Generalquartiermeister, München/ Wien 1963, S. 87, Brief von General Eduard Wagner an seine Frau, 30. 3. 1939. — Es waren „vier Truppenübungsplätze dafür frei(zu)machen." (Ebenda). Siehe auch ebenda, S. 82f. (17. u. 18. 3. 1939).

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

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des G B Chemie, in den Wirtschaftsgruppen usw. griffen die großen Monopole, höchst aktiv an der Kriegsvorbereitung teilnehmend, durch leitende Konzernvertreter selbst unmittelbar führend ein. In engster Zusammenarbeit mit Behörden und Militärs bereiteten sie mit Hilfe von „Mobplänen" und Kriegsspielen den deutschen Wirtschaftsorganismus auf den Krieg vor. Besonders gründliche Arbeit wurde geleistet, um die Arbeiterklasse unter staatsmonopolistische Kontrolle zu bekommen. Im J a h r e 1934 wurden Metall- und L a n d arbeiter an Beruf und Betrieb gebunden, Anfang 1935 wurde das Arbeitsbuch eingeführt, im Herbst 1936 und Anfang 1937 erfolgten verschärfte Zwangsbeschränkungen gegenüber Metall- und Baufacharbeitern. Die erste „Verordnung zur Sicherstellung des Arbeitskräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer B e d e u t u n g " vom 22. J u n i 1938 schließlich führte mit der gesetzlichen Fixierung der faschistischen „Dienstverpflichtung", die gegen jeden deutschen Staatsbürger ausgesprochen werden konnte, einen allgemeinen Arbeitszwang ein. 3 7 Damit fand der beginnende Krieg eine für Friedenszeiten beispiellos entwickelte staatsmonopolistische Wirtschaftsregulierung und -Ordnung und ein Zwangsregime („Militärzuchth a u s " ) gegenüber den Werktätigen vor, das teilweise sogar den im ersten Weltkrieg erreichten S t a n d übertraf.

d) Krisenpunkte

der staatsmonopolistischen

Rüstungswirtschaft

Hillmann demonstriert in seiner materialreichen Arbeit die umfassenden wirtschaftlichen Kriegsvorbereitungen des deutschen Imperialismus und dessen Rüstungsvorsprung vor den übrigen Mächten. Abschließend formuliert er aber doch: " A l l the same, much more could h a v e been done in the way of economic mobilization for war, if German planners had relied less on blitzkrieg s t r a t e g y . " 3 8 Diese Auffassung ist, wie wir gezeigt haben, unhistorisch und deshalb falsch. Mit ihr gerät der zitierte Verfasser in die Nähe der fragwürdigen Thesen von Burton Klein und verschiedener reaktionärer, offenes politisches Engagement zeigender Veröffentlichungen. Natürlich sind die Rüstungsanstrengungen eines Landes, seine Rüstungsproduktion, seine Rüstungsausgaben und auch die Erweiterung seiner Rüstungskapazität nicht gleichbedeutend mit dieser K a p a z i t ä t selbst, mit seinem rüstungswirtschaftlichen Potential. In der „Realisierung" dieses Potentials schon in Friedenszeiten sind indessen jedem kapitalistischen S t a a t bestimmte Grenzen gesetzt, besonders durch den Widerstand der Volksmassen, aber auch durch ökonomische Krisenerscheinungen, die einer überhitzten Rüstungskonjunktur eigentümlich sind. Schließlich können auch taktische Gegensätze innerhalb der herrschenden imperialistischen Kreise und — meist damit im Zusammenhang stehend — relative Schwäche und 37 s. dazu Kuczynski, Jürgen, Lage der Arbeiter 1933—1945, S. 144ff., 21811.; derselbe, Studien 1918-1945, S. 147ff.; Mason, T. W., Labour in the Third Reich, 1933-1939, in: Past & Present, Nr. 33, Apr. 1966, S. 136. 38 Hillmann, H. C., a. a. 0., S. 490.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

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Uneinheitlichkeit des staatsmonopolistischen Apparats Ausmaß und Tempo jenes Prozesses negativ beeinflussen. Die genannten Faktoren werden ihrerseits viel eher zu Grundursachen von außenpolitischen und militärstrategischen Planungen und, im Falle des faschistischen Deutschlands, zum Demiurg der „Blitzkriegsstrategie", als umgekehrt eine derartige Strategie zur Ursache der wirtschafts- und rüstungspolitischen Grundlinie, wiewohl die Strategie, erst einmal ausgearbeitet, natürlich ihrerseits bedeutenden Einfluß auf Wirtschaftspolitik und Rüstungsplanung haben muß. Alle genannten Faktoren haben in der deutschen Rüstungswirtschaft vor dem Krieg eine bestimmte Rolle gespielt. Besonders wichtig sind in unserem Zusammenhang die ökonomischen Krisenerscheinungen, die die Wirtschaft in den letzten Jahren vor Kriegsausbruch immer stärker kennzeichneten. Schon geraume Zeit vor dem Krieg wurde die Überspannung der deutschen Wirtschaft durch die maßlosen Rüstungs- und Autarkiebestrebungen an verschiedenen kritischen Punkten offensichtlich. Die wichtigsten Krisenpunkte waren Arbeitskräfte- und Materialmangel und — damit zusammenhängend — das Lohn- und Preisproblem sowie die Bedrohung der Währung durch Inflationsgefahr. Bereits 1937 trat in wichtigen Zweigen der Industrie Arbeitskräftemangel auf. 39 Die „Vollbeschäftigung" im Frieden, zu einer Zeit, da die neuen Rüstungs- und Vierjahresplanziele noch nicht im entferntesten erreicht waren, stellte Monopole und Naziführung vor die weitreichendsten ökonomischen und politischen Probleme. Zwar vervollständigten sie umgehend den staatsmonopolistischen Zwangsapparat und versuchten insbesondere, die Freizügigkeitsbeschränkungen bis zu einer Art wahrer Leibeigenschaft fortzuführen 40 ; Überfluß an Aufträgen und „Vollbeschäftigung" verschlechterten aber die Bedingungen für die staatsmonopolistische Regulierung des Arbeitsmarktes ständig und erschwerten sie mehr und mehr. Sie brachten einen ökonomischen Mechanismus in Gang, der das ganze Regulierungssystem außer Funktion zu setzen drohte. 41 Besonders der gesetzlich vorgeschriebene Lohnstopp, eine der wichtigsten Waffen des Monopolkapitals gegen die Arbeiterklasse seit 1933, begann in seiner Wirkung ernsthaft nachzulassen. Den leistungssteigernden Antreibermethoden in der Industrie stand keine echte, allgemeine Lohnsteigerung gegenüber. Die Arbeiter, denen der staatlich organisierte Terror die Möglichkeit zu umfassendem, geschlossenem Kampf um höhere Löhne nahm, strebten in wachsender Zahl danach, bei besser zahlenden Unternehmungen Arbeit aufzunehmen. Die zunehmende Fluktuation wurde unter den Bedingungen der staatsmonopolistisch straff organisierten Rüstungswirtschaft zu einer besonders wichtigen Form des ökonomischen Klassenkampfes. In der Rüstungsindustrie setzten sich lohntreibende Tendenzen durch. Die Rüstungsbetriebe warben einander immer häufiger Arbeitskräfte ab. Trotz aller 39 s. Kuczynski, Jürgen, Lage der Arbeiter 1933—1945, S . 152. 40 E b e n d a , S. 2 1 8 0 . 41 Sehr aufschlußreiche Tatsachen hierüber in: Mason, T. W., Labour in the Third Reich, S . 12611.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegszicle

gesetzlichen Hindernisse, die dem freien Arbeitsplatzwechsel entgegenstanden, wuchs die Fluktuation der Arbeitskräfte in Industrie und Landwirtschaft. Der versteckte und offene Widerstand gegen die Beschränkung der Freizügigkeit, besonders gegen die Zwangsverpflichtungen („Dienstverpflichtungen"), nahm zu. Diese Form des ökonomischen Klassenkampfes nahm seit 1937 bedeutende Ausmaße an und wurde zur wichtigsten Form des wirtschaftlichen Kampfes der Arbeiterklasse gegen das Monopolkapital. Die Arbeiter wandten hiermit eine den außerordentlich schwierigen und komplizierten Bedingungen des Klassenkampfes adäquate Kampfform an. Die Fluktuation vollzog sich nicht vollständig spontan. Die Quellen zeugen im Gegenteil vielfach von solidarischem Handeln. „Die schon früher erwähnte Abwanderung der Gefolgschaften von geringer zahlenden Betrieben zu besser zahlenden hielt unvermindert an. Zu vermuten sei neuerdings ein stiller Nachrichtenaustausch über Lohnhöhen verschiedener Betriebe, wahrscheinlich durch Übersendung von Lohntüten. Von einzelnen Betriebsführern würde die Stimmung der Arbeiterschaft als miserabel bezeichnet. F a s t alle Facharbeiter hätten das Bestreben, von ihren Firmen weg und zur Großindustrie zu kommen." 4 2 Ein J a h r später berichteten die „Treuhänder der Arbeit" von zunehmenden Aktionen der Arbeiter im Lohnkampf; Lohnsteigerungen seien nur noch mit Zwangsmaßnahmen aufzuhalten. 4 3 Im Frühjahr 1938 nahm die Abwanderung auch aus rüstungswichtigen Betrieben, besonders aus dem Bergbau, offenbar massenhaften Umfang an. Konzerne wie Salzdetfurth/Mansfeld forderten „schleunige und wirkungsvolle Maßnahmen . . ., wenn der Verlust an Arbeitskräften nicht zu empfindlichen Rückgängen in unserer wichtigen Produktion führen soll." 4 4 Sie verlangten nach der gesetzlichen Verfügung einer einschneidenden Beschränkung der Freizügigkeit für Bergarbeiter. 4 5 Solche Forderungen wurden immer massiver auch von den zentralen Monopolorganisationen wie den Fachgruppen und Wirtschaftsgruppen (besonders von der Wirtschaftsgruppe Bergbau) vertreten. Die „Verordnung zur Sicherstellung des Arbeitskräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung" 4 6 vom 22. Juni 1938 entsprach schließlich weitgehend den Wünschen der Monopole; ihr zufolge konnte jeder Deutsche zu jeder beliebigen Arbeit zwangsweise herangezogen werden. Der Kampf um Freizügigkeit und um höhere Löhne fand damit keineswegs sein Ende. Während die herrschende Klasse noch stärkere Mittel staatsmonopolistischer Zwangsregulierung verlangte 4 7 , wuchs der Widerstand der Arbeiter gegen 42 DZA Potsdam, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 8947, Bl. 220f., Auszug aus den wirtschaftlichen Lageberichten der Regierungspräsidenten usw. v. Dez. 1936, J a n u a r 1937 (Sachsen, Thüringen, Westfalen). 43 DZA Potsdam, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 10293, Bl. 356ff., Auszug aus den Monatsberichten der Reichstreuhänder der Arbeit f. J a n . u. Feb. 1938. 44 B A Mansfeld, Nr. 480, B d . 2, Mansfeldscher Kupferschieferbergbau AG an Landesarbeitsamt Halle, 6. 5. 1938. 45 Ebenda. 46 RGBl. 1938 I S. 652. 47 s. Kuczynski, Jürgen, L a g e der Arbeiter 1933—1945, S. 219f. (Protokoll d. Bespr. zwischen Thomas, Poensgen u. a., 23. 9. 1938).

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„Leistungssteigerung", Arbeitshetze und Überarbeit, Lohnabzüge und Zwangsdienstverpflichtungen trotz des gesteigerten Naziterrors zu mehreren größeren organisierten Aktionen in den wichtigsten Industriegebieten und bei den Westwallbauten an. Diese Kampfaktionen endeten vielfach mit Teilerfolgen der Arbeiter. 48 Die Situation war für die Faschisten kompliziert und gefährlich. Sie konnten den Lohnstopp nicht durchsetzen, es sei denn mit dei-art gesteigertem Terror und staatsmonopolistischem Druck, daß die bedeutenden sozialen und politischen Schwierigkeiten, vor denen sie standen, sich vervielfachen mußten. Der Krieg stand vor der Tür, und „Leistungssteigerung" in der Rüstung war es, was sie brauchten. Gewalt und Terror erwiesen sich hier weitgehend als untauglich. Monopole und Faschisten suchten dringend nach Stimulantien, welche Arbeitsfreudigkeit und -leistung der schon jetzt hart ausgepreßten Arbeiter heben sollten. Allerdings mußten dabei selbstverständlich Methoden außer Betracht bleiben, die die Interessen des Finanzkapitals ernstlich hätten verletzen können. Die Montankonzerne zeigten schon großen Verdruß, als Göring, beunruhigt durch die Produktionsentwicklung und durch Fluktuation und Stimmung unter den Bergarbeitern, im Bergbau die bisher geltenden Prinzipien des Lohnstopps selbst durchbrach. Die Locklöhne und Zuschläge, die der Bergbau den Bergarbeitern nach der „Göringverordnung" 49 für Überarbeit und höhere Akkordleistungen zahlen sollte, zeitigten kaum Erfolge, sondern riefen den passiven Widerstand der schon bis aufs äußerste ausgebeuteten Arbeiter hervor. „Auf unseren Zechen", so berichtete Vorstandsmitglied Klingspor über die Kohlengruben des Salzdetfurth-Konzerns, „ist die Leistung ganz trostlos. Abgesehen von den vielen Ausfällen an Krankfeiernden, Urlaubern usw., ist ein starker Abfall pro Mann und Schicht zu verzeichnen." 50 Die Produktion in der Industrie stockte ferner wegen Materialmangels hier und da, mitunter sogar in der Rüstungsindustrie. Die Zufuhren an Importrohstoffen waren unzureichend und unregelmäßig. Die deutsche Grundstoffindustrie war an der Grenze ihrer Kapazität angelangt. Im Steinkohlenbergbau zeigte sich akuter, schwerer Mangel an Arbeitskräften. Die Eisen- und Stahlkonzerne waren mit Aufträgen überhäuft und setzten immer längere Lieferfristen. Die Klagen darüber häuften sich besonders im Frühjahr-Sommer 1939. In dieser Situation ließ sich auch der Preisstopp nur mit starkem staatsmonopolistischem Zwang aufrechterhalten — soweit von Preisstopp überhaupt die Rede sein konnte. Die Preisfestsetzung für Rüstungsgüter war und blieb im wesentlichen eine Domäne der Rüstungsmonopole. Dadurch stand der gesamte Rüstungsmarkt von vornherein außerhalb des Preisstopps und wirkte als selbständiger inflationärer 48 s. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 5, S. 231 f. 49 s. „Verordnung zur Erhöhung der Förderleistungen und des Leistungslohnes im Bergbau" (sog. Göringverordnung) vom 2. März 1939, RGBl'. 1939 I S. 482f. Siehe auch Jonas, Wolfgang, Das Leben der Mansfeld-Arbeiter 1924 bis 1945 (Gesch. d. Fabriken u. Werke, Bd. 1), Berlin 1957, S. 349 ff. 50 BA Alansfeld, Nr. 524, Walter Klingspor an Rudolf Stahl, Vorstandsvorsitzender des Konzerns, 13. 7. 1939.

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

30

Faktor. Das System des Preisstopps selbst war bereits an zahllosen anderen Stellen durchlöchert worden. Es richtete sich immer einseitiger gegen die kleinen Gewerbetreibenden, gegen die Bauern und gegen die Konsumgüterindustrien und schürte die soziale Unzufriedenheit dieser Kreise und Schichten. Die wirtschaftlichen Krisenerscheinungen liefen zusammen und kulminierten in den inflationistischen Tendenzen. Der Zuwachs an Produktion und Beschäftigung ging in den letzten Jahren v o r dem Krieg ganz überwiegend auf Rechnung der Rüstungsaufträge und -bauten sowie der Vierjahresplanbauten, was die Staatsfinanzen

in bisher unbekanntem Maße beanspruchte. Die Reichsschulden wuchsen

in raschem T e m p o . Mit hoher Geschwindigkeit arbeitete die Notenpresse.

Der

Umlauf von Banknoten (in den Grenzen von 1937) stieg v o n Anfang 1933 bis A n f a n g 1939 auf über das Doppelte a n ; rund 60 Prozent dieser Zunahme brachte allein das Jahr 1938. 51 Dem wachsenden Geldumlauf stand keine entsprechend

erweiterte

Reproduktion der Volkswirtschaft gegenüber; ein immer bedeutenderer Teil des Nationaleinkommens wurde v o n Unterhaltung, Bewaffnung und Ausrüstung der faschistischen Militärmaschinerie absorbiert. V o r den akuten inflationistischen Gefahren konnten die Spitzen des faschistischen Regimes ihre Augen

nicht verschließen. In

zahlreichen

Denkschriften,

Rund-

schreiben, Konferenzen und Besprechungen schlugen sich die Auseinandersetzungen um dieses Problem nieder. In dem Memorandum Schachts und des Reichsbankdirektoriums für Hitler v o m 7. Januar 193952 war v o n einem drohenden Zusammenbruch des Finanzsystems die Rede. Reichspreiskommissar Josef W a g n e r hatte sich, wie er erleichtert im September 1939, nach Erlaß der Kriegswirtschaftsverordnung, schrieb, „schon v o r Beginn der kriegerischen Verwicklungen entschlossen . . ., der sich f ü r die Preispolitik immer gefahrvoller gestaltenden Entwicklung der Verhältnisse in der deutschen W i r t s c h a f t durch einschneidende Maßnahmen entgegenzutreten." 5 3 Das Phänomen einer inflationären Rüstungskrise stellte das faschistische R e g i m e vor unlösbare Probleme. mußte

Das seit 1935 eingeschlagene T e m p o der

Aufrüstung

bei den begrenzten ökonomischen Ressourcen zu den skizzierten krisen-

haften Widersprüchen führen; diese Krise wiederum mußte sich verlangsamend auf das Rüstungstempo auswirken. Damit jedoch drohten die Kriegsziele, die sich der deutsche Imperialismus gesteckt hatte, in unerreichbare Ferne zu rücken. Dieser Mangel an sozialer

wirtschaftlicher Durchhaltefähigkeit, verbunden mit

innenpolitisch-

Unsicherheit des Regimes, gewann erheblichen Einfluß auf wirtschafts-

politische und auch auf außenpolitische und strategische Entschlüsse der Naziführer und Militärs. 51 Dok. EC-369, IMT, Bd. 36, S. 370f., Denkschrift des Reichsbankdirektoriums für Hitler, 7. 1. 1939. 52 Ebenda, S. 365ff.; vgl. auch Dok. EC-419, IMT, Bd.36, S.492ff., Reichsfinanzminister Schwerin v. Krosigk an Hitler, 1. 9. 1938. 53 Erlaß des Reichspreiskommissars an den Leiter der Reichswirtschafts kammer vom 9. Sept. 1939, in: Mitteilungsblatt des Reichskommissars für die Preisbildung, Jg. 1939, T . I, S. 392 (Nr. 38, 18. Sept. 1939).

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

31

Die Rüstungskrise war nichts anderes als der Eklat der Widersprüche einer staatsmonopolistischen Kriegsvorbereitung in dem von Monopolen und Naziclique betriebenen Ausmaß. In ihr fand der tiefere Widerspruch zwischen den Kriegszielen und dem ökonomischen Potential des deutschen Imperialismus augenfälligen Ausdruck; in ihr zeichnete sich schon die Gesetzmäßigkeit der Niederlage Hitlerdeutschlands im zweiten Weltkrieg ab. e) Deutschland im internationalen Vergleich der wirtschaftlichen Rüstungen und Ressourcen Ein internationaler Vergleich der wirtschaftlichen Rüstungen und Ressourcen für die Zeit vor Ausbruch des Krieges muß sowohl die Aufwendungen für die Rüstung selbst erfassen als auch das Rüstungs- bzw. Kriegspotential und schließlich die wirtschaftliche Stärke der betreffenden Länder überhaupt. An derartigen Vergleichen herrscht noch Mangel, was wohl vor allem der schwierigen Quellenlage zuzuschreiben ist. Soweit vorhanden, geben die oft sehr stark differierenden Angaben Anlaß zu höchster Vorsicht und zu genauester Prüfung. Schon die Angaben über die deutschen Rüstungsausgaben von 1933 bis 1939 schwanken zwischen etwa 50 und 90 Milliarden RM. 54 Es ist hier nicht der Platz, die Problematik dieser Berechnungen zu erörtern. 5 5 Unter Berücksichtigung der Quellen und Werte von Hillmann 5 6 , Stuebel 57 und Schweitzer 58 sowie nach Umrechnung der Fiskal- auf Kalenderjahre ergeben sich zunächst folgende grobe Zahlen: Rüstungsausgaben des Reiches 1933—1939 (in Md. RM) 1933 (Febr.-Dez.) 1934 1935 1936 1937 1938 1939 (Jan.-Aug.) Rüstungsausgaben der zivilen Ressorts

1,5 2,8 5,5 11,0 14,1 16,6 16,3

Zusammen

71,8

4,0

54 vgl. die Zusammen- und Gegenüberstellungen bei Mason, T. W., Some Origins of the Second World War, in: Past & Present, Nr. 29, Dezember 1964, S. 78f., und bei Kucxynski, Jürgen, Studien 1918—1945, S. 128 f. Neue Werte bei Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 330 ff. 55 vgl. Diskussion und Berechnungsmethodik bei Kuczynski, Jürgen, Studien 1918—1945, S. 128 ff. 56 Hillmann, H. C., a. a. 0., S. 452 ff., 492f. 57 Stuebel, Heinrich, Die Finanzierung der Aufrüstung im Dritten Reich, in: EuropaArchiv, H. 12/1951, S. 4128ff. 58 Schweitzer, Arthur, Big Business, a. a. 0.

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

32

Zu dieser S u m m e von r u n d 72 Md. RM sind die Ausgaben f ü r U n t e r h a l t , Ausr ü s t u n g u n d Ausbildung der paramilitärischen Gliederungen der N S D A P u n d ä h n licher Organisationen (SS, SA, N S F K , N S K K , Organisation T o d t usw.) hinzuzurechnen. 5 9 Kuczynski weist n a c h , d a ß auch die L ä n d e r u n d Gemeinden aus ihren Mitteln Ausgaben f ü r die R ü s t u n g t ä t i g t e n . 6 0 Rei vorsichtiger S c h ä t z u n g d ü r f t e sich d a m i t die S u m m e d e r d i r e k t e n R ü s t u n g s a u s g a b e n des deutschen Imperialismus von 1933 bis 1939 auf e t w a 78 Milliarden Mark belaufen. Dieser S u m m e müssen weitere b e d e u t e n d e Reträge sowohl f ü r d i r e k t e als a u c h f ü r indirekte R ü s t u n g s a u s g a b e n zugeschlagen werden. E r s t e n s sind die geheimen A u f r ü s t u n g s f o n d s der R e i c h s w e h r insbesondere aus g den J a h r e n 1933 u n d 1934 zu berücksichtigen, verschiedene „schwarze Kassen", deren Zahl u n d genauer U m f a n g immer noch im D u n k e l n liegen. Zweitens h a t K u c z y n s k i z u m i n d e s t f ü r das H a u s h a l t s j a h r 1936 nachgewiesen, d a ß die W e h r m a c h t sehr beträchtliche N a c h f o r d e r u n g e n ü b e r den R ü s t u n g s e t a t hinaus anmeldete, die wohl weitgehend befriedigt w u r d e n . 6 1 Vor allem a b e r sind in der g e n a n n t e n S u m m e die wichtigsten indirekten R ü s t u n g s a u s g a b e n n i c h t e n t h a l t e n , nämlich die staatlichen Zuschüsse, S u b v e n t i o n e n , Preisgarantien usw. f ü r die V i e r j a h r e s p l a n v o r h a b e n , deren G e s a m t investitionssumme allein f ü r 1937—1939 mit rund 9 Milliarden R M geplant w a r , desgleichen keine p r i v a t e n Investitionen in der Vierjahresplan- u n d ü b e r h a u p t in der Rüstungsindustrie. Es gibt also keinen Zweifel d a r a n , d a ß die R ü s t u n g s a u s g a b e n des deutschen I m perialismus von A n f a n g 1933 bis z u m 1. September 1939 den von K u c z y n s k i errechneten G e s a m t b e t r a g von 90 Milliarden RM erreicht u n d womöglich noch überschritten haben. Bei dem folgenden i n t e r n a t i o n a l e n Vergleich der R ü s t u n g s a u s g a b e n sind Angaben u n d U m r e c h n u n g e n z u g r u n d e gelegt, die, abgesehen von den zu niedrig berechneten W e r t e n f ü r Deutschland, einen relativ zuverlässigen E i n d r u c k m a c h e n . 6 2 Rüstungsausgaben der Großmächte (umgerechnet in Md. Dollar)

USA (Sowjetunion Großbritannien Frankreich

Summe 1935-1938

1938

4,3 12,5 4,8 3,7

1,1 4,5) 1,9 1,0

Deutschland Italien Japan

Summe 1935-1938

1938

15,9 3,8 5,5

5,7 0,8 2,5

59 s. Kuczynski, Jürgen, Studien 1918 — 1945, S. 131 f.; Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 332. 60 s. Kuczynski, Jürgen, Studien 1918—1945, S. 132. 61 s. ebenda, S. 133, 213ff. 62 s. Hillmann, H. C., a. a. O., S. 454. Die Zahlen für die Sowjetunion sind mit Vorsicht und Vorbehalt zu verwerten, entstammen aber relativ unverdächtigen Quellen (VölkerbuM(lst.'ilistik). Sehr zweifelhafte Vergleichszahlen über die „Rüstungsproduktion" druckt

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

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Nach diesen Zahlen rüstete der deutsche Imperialismus in clen Vorkriegsjahren fast doppelt so stark wie der englische und französische zusammengenommen. Den Rüstungen des faschistischen Dreierblocks konnten die vier Hauptmächte der späteren Antihitlerkoalition nur vereint, und auch dann noch denkbar knapp, Paroli bieten. Die internationale Bilanz der Rüstungsanstrengungen demonstrierte eine eindeutige Überlegenheit des faschistischen Deutschlands über seine westlichen und östlichen Nachbarn. Von wesentlicher, ja von entscheidender Bedeutung für den Verlauf des kommenden Krieges mußte die Dauerhaftigkeit dieser Rüstungsüberlegenheit oder, anders ausgedrückt, das Verhältnis des deutschen rüstungswirtschaftlichen Potentials zu dem der voraussichtlichen Kriegsgegner sein. Bei den zahlenmäßigen Vergleichen, die hier angestellt werden, kann freilich nur die materielle Seite des Problems, und auch diese nur stark vereinfacht, berücksichtigt werden. Die brauchbaren Berechnungen von Hillmann beziehen sich auf das Jahr 1937. Sie basieren auf dem Verhältnis zwischen der Produktion von Produktionsgütern (capital goods) als für die Erzeugung von Kriegsmaterial entscheidendem Produktionssektor und der gesamten Fabrikproduktion (manufacturing Output); dieses Verhältnis ist gewichtet mit der relativen industriellen Stärke der Länder 6 3 : Anteil der Großmächte am rüstungswirtschaftlichen in Prozent USA (Sowjetunion Großbritannien Frankreich Deutschland Italien Japan

41,7 14,0) 10,2 4,2 14,4 2,5 3,5

Zusammen

90,5

Potential der Welt

(1937)

Angesichts dieser Zahlen erscheint der deutsche Rüstungsvorsprung schon in anderem Lichte. Das Kräfteverhältnis war, was das rüstungswirtschaftliche Potential betraf, weit weniger günstig für die faschistische Seite, als es die Ziffern der Wagenführ ( W a g e n f ü h r , Rolf, Industrie, S. 23) von Sternberg bzw. von Goldsmith ab (Goldsmith, Raymond H'., The Power of Victory. Munition. Output in World War II. Military Affairs, 1946, S. 72 ff.). 63 s. Hillmann, H. C., a. a. 0 . , S. 446. Unter manufacturing output wird die Industrieproduktion mit Ausnahme von Bergbau, Bauindustrie und Stromerzeugung verstanden, unter capital goods industries Maschinenbau, Schiffbau, Fahrzeugbau, Metallwarenindustrie, Chemieindustrie, Optische und Feinmechanische Industrie und ein Teil der Montanindustrie (besonders Eisenmetallurgie); s. ebenda, S. 432, 444. Die Auslegung dieses Begriffes ist zweifellos zu eng. — Die Zahlen für die Sowjetunion sind hier mit nicht zweifelsfreien Methoden korrigierte Werte der Völkerbundstatistik (s. ebenda, S. 429, 432, 439); s. Anm. 62.

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

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Rüstungsproduktion bzw. der Rüstungsausgaben anzeigten. Das bedeutete zugleich, daß der Grad der Ausnutzung oder „Realisierung" des rüstungswirtschaftlichen Potentials — das Verhältnis des effektiven Standes der Rüstung zum rüstungswirtschaftlichen Potentials — in den faschistischen Staaten in den Vorkriegsjahren weitaus höher war als in den anderen Staaten. Der deutsche Imperialismus führte allerdings, neben den US A, mit weitem Vorsprung in der Produktion von Werkzeugmaschinen, diesem „Schlüssel zur Aufrüstung", und h a t t e dadurch vorzügliche Möglichkeiten, sowohl seine Rüstungskapazitfiten rasch zu erweitern als auch die gesamte Industrie in kurzer Frist den Kriegsbedingungen anzupassen und auf die Produktion von Kriegsmaterial umzustellen. Deutschland produzierte 1938—1939 doppelt so viel vergleichbare Werkzeugmaschinen wie Großbritannien. Der deutsche Bestand an Werkzeugmaschinen (1938 rd. 1,3 Mill. Stück) betrug ebenfalls das Doppelte des britischen, übertraf sogar den der USA und war etwa dreimal so hoch wie der der Sowjetunion. Schließlich war der Anteil der Mehrzweckmaschinentypen in Deutschland weit höher als in den anderen Ländern. Der deutsche Imperialismus war damals die in dieser Beziehung bestausgerüstete und bezüglich der Umstellung auf die Kriegsproduktion bestvorbereitete Macht der Welt. 64 Die allgemeinsten und auf die Dauer immer entscheidenden materiellen Faktoren im Kräfteverhältnis zwischen rüstenden bzw. kriegführenden Staaten sind die wirtschaftliche Gesamtstärke und das wirtschaftliche Gesamtpotential. Das rüstungswirtschaftliche bzw. kriegswirtschaftliche Potential ist, wenn auch in unserem Zusammenhang die wichtigste und komplexeste, doch nur eine von vielen Kennziffern der gesamten Produktivkraft eines jeden Landes oder einer Gruppe von Ländern. Von den anderen wichtigen Kennziffern können hier nur zwei untersucht werden. Ein Vergleich der Industrieproduktion der untersuchten Länder f ü h r t zu ähnlichen, nur noch deutlicheren Ergebnissen wie der ihres Rüstungspotentials®: Anteil der Großmächte an der Weltindustrieproduktion (manufacturing Output) in Prozent 1937

1938

USA (Sowjetunion Großbritannien Frankreich Deutschland Italien Japan

35,1 14,1 9,4 4,5 11,4 2,7 3,5

28,7 17,6) 9,2 4,5 13,2 2,9 3,8

Zusammen

80,7

79,9

64 s. HiUmann, H. C., a. a. 0., S. 452. 65 s. ebenda, S. 439. Bezüglich der Begriffsbestimmung (manufacturing output) und der Zahlen für die Sowjetunion s. Anm. 62 u. 63.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

35

Das Jahr 1938 war für die westlichen kapitalistischen Länder, besonders für die TJSA, ein Jahr der Krise. Trotzdem bleibt klar ersichtlich, daß alle aus dem Vergleich der rüstungswirtschaftlichen Potentiale zu ziehenden Schlüsse hier in verstärktem Maße zutreffen. Höchst aufschlußreich sind schließlich die ungefähren Vergleichszahlen für die Entwicklung der Arbeitsproduktivität 66 : Produktivität je Arbeitsstunde (Zuwachs gegenüber 1929; in Prozent) USA (Sowjetunion Großbritannien Frankreich Deutschland Italien Japan

1937

20 70) 20 33 9—10 9-10 21

Daß das faschistische Deutschland in der Entwicklung seiner Arbeitsproduktivität zurückblieb, muß — trotz verschiedener äußerer Einwirkungen auf diese Entwicklung67 — als ein typisches Zeichen der inneren, sozialen Schwäche des Regimes gewertet werden. 68 Der deutsche Imperialismus entfesselte den Krieg als hinter den USA und der Sowjetunion drittstärkste Industriemacht der Welt. Er hatte seit 1933 mit allen verfügbaren Mitteln gerüstet und seit spätestens 1935 im Tempo der Aufrüstung alle anderen Staaten übertroffen. Bei Kriegsbeginn war er ihnen auf dem Gebiet der Rüstungsproduktion überlegen. In den letzten Vorkriegsjahren hatte er seine Rüstungskapazitäten stärker erweitert. Den Roh- und Treibstoffmangel hatten Monopole und Staat erheblich verringert. Auf kürzere Kriege waren sie also wirtschaftlich durchaus vorbereitet. Der staatsmonopolistische Apparat zur öffentlichen Regulierung der Rüstungswirtschaft und zu deren Überleitung in die Kriegswirtschaft war seit Jahren, zu großen Teilen schon seit 1933/34, entwickelt und erprobt worden. Der deutsche Rüstungsvorsprung wurde aber mit wachsender innerer Labilität und Disproportionalität der Volkswirtschaft erkauft. Für eine überhitzte Rüstungs66 s. ebenda, S. 433. Nach Hillmanns Zahlen (ebenda, S. 439) lag die Sowjetunion im absoluten Stand der Arbeitsproduktivität zwar hinter den führenden U S A , hatte a b e r bereits 1937, soweit es die Produktivität j e beschäftigten Industriearbeiter betraf, sowohl Großbritannien als auch Deutschland eingeholt bzw. fiberholt. Das Produktivitätsniveau Großbritanniens als 100 gesetzt, ergaben sich nach Hillmann annähernd 108 für Deutschland, 116 für die Sowjetunion und 220 für die U S A . 61 vgl. ebenda, S. 437 f. 68 s. dazu auch Mason, T. W., Labour in the Third Reich, 1933-1939, a. a. O., S. 1 3 1 f f . ; Kuczynski, Jürgen, L a g e der Arbeiter 1933-1945, S . 177ff., 238f., 258f.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

konjunktur typische Krisenerscheinungen traten vehement auf und zeitigten unmittelbare Auswirkungen auf die politischen und militärischen Entschlüsse. Die ökonomischen Ressourcen des deutschen Imperialismus waren auf die Dauer sehr mangelhaft und unsicher, sein kriegswirtschaftliches Potential war begrenzt. Demgegenüber stand die Tatsache, daß seine Vorherrschaftsansprüche in Europa und seine Weltherrschaftspläne ihn in erbitterten Gegensatz sowohl zur Sowjetunion als auch zu den imperialistischen Weltmächten bringen mußten. In der allgemeinen wirtschaftlichen Stärke war er seinen voraussichtlichen Kontrahenten unterlegen; er konnte seine Position im wesentlichen nur durch rasche militärische Eroberungen großen Stils und entsprechende wirtschaftliche Expansion „verbessern". Diese Tatsachen ließen die Katastrophe für den deutschen Imperialismus am Ende eines langwierigen Krieges gegen die übrigen Weltmächte bereits im voraus erkennen.

2. Kriegsziele u n d Kriegsplanung der deutschen Monopole a) Vier jahresplan und Monopole Der Vierjahresplan, den Hitler im September 1936 auf dem Parteitag der faschistischen Partei in Nürnberg mit großem propagandistischem Aufwand verkündete, war nach den Verlautbarungen des Regimes aus Mangel und Bedrohung geboren und sollte angeblich der Verteidigung der Existenz und der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen des deutschen Volkes dienen. Nichtsdestoweniger schimmerte die aggressive expansionistische Grundlinie des Planes klar genug durch die wüsten antikommunistischen und antisowjetischen Tiraden der Rede Hitlers hindurch, als er seinen fanatisierten Anhängern voller Demagogie zurief: „Wenn der Ural mit seinen unermeßlichen Rohstoflschätzen, Sibirien mit seinen reichen Wäldern und die Ukraine mit ihren unermeßlichen Getreideflächen in Deutschland lägen, würde dieses unter nationalsozialistischer Führung im Überfluß schwimmen. Wir würden produzieren, jeder einzelne Deutsche würde mehr als genug zu leben haben." 6 9 Umfassenderen und deutlicheren Aufschluß über die eigentlichen Ziele der Vierjahresplanpolitik gab die geheime Denkschrift Hitlers vom 26. August 1936.70 Der Vierjahresplan war ein Instrument der aggressiven Politik der reaktionärsten, kriegslüsternen Kreise des deutschen Finanzkapitals. Wenn es Mangel war, der beim Vierjahresplan Pate stand, so war es der Mangel an Expansionsmöglichkeiten für die Monopole; und es waren die Mängel des kriegswirtschaftlichen Potentials des deutschen Imperialismus, die mit seiner Hilfe behoben werden sollten. Die Vierjahresplanpolitik war eine Politik unmittelbarer wirtschaftlicher Vorbereitung 69 Völkischer Beobachter, 14. 9. 1936. 70 s. Treue, Wilhelm, Hitlers Denkschrift, S. 20411.; s. a. Abschnitt 1. — Das Datum der Denkschrift wurde präzisiert nach Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 547.

Kriegsziele und Kriegsplanung

37

auf den imperialistischen Krieg. Erich Neumann, ständiger geschäftsführender Staatssekretär Görings in der Vierjahresplanorganisation, formulierte ihr Ziel fünf Jahre später ohne Umschweife: „So kam es denn darauf an, Deutschland militärisch und wirtschaftlich in einen Zustand zu bringen, in dem es mit Aussicht auf den größten Erfolg in die politische Auseinandersetzung über die Großraumlösung eintreten konnte. Diese mußte zweierlei Ergebnisse bringen, nämlich erstens die Wiederherstellung der durch den Vertrag von Versailles zerstörten eigenen Wirtschaftsgrundlagen des deutschen Volkes und sodann eine Ausdehnung des deutschen Einflußbereichs, die es gestattet, die eigenen Wirtschaftskräfte im notwendig bleibenden Umfange von außen her zu ergänzen, also auch durch Ausgestaltung des Wechselverkehrs mit benachbarten Gebieten Leben und Gedeihen des deutschen Volkes vollends und auf die Dauer sicherzustellen." 71 Der Plan und die Politik einer wirtschaftlichen „Selbstversorgung" oder Autarkie entsprachen nicht nur den unmittelbaren Profitwünschen der aktiv an der Vierjahrespolitik beteiligten Monopole, sondern ebenso auch ihren expansionsstrategischen Vorstellungen. Der Plan sollte die wirtschaftliche Basis für ihre weitgespannten imperialistischen Zielsetzungen bilden. Nicht „nur" um den unmittelbaren Profit aus den Vierjahresplaninvestitionen und aus den Rüstungsgeschäften überhaupt, um den Profit aus dem Schweiß der deutschen Werktätigen, war es ihnen zu tun; es ging ihnen vor allem um jenen gewaltigen Profit, der nur aus dem Blut ganzer Völkerschaften, ja Erdteile gemünzt werden konnte. Das massenhafte Blutvergießen war nur die Fortsetzung der Schweißauspressung mit anderen Mitteln, mittels Kriegs. Die These der bürgerlichen Geschichtsschreibung, daß Hitler und die faschistische Partei sich der großen Konzerne nur bedienten oder gar die „Wirtschaft" zwangen, ihren Zielen zu dienen, weil sie ihrer industriellen und wissenschaftlichen Kapazitäten nicht entraten konnten, entstellt den Sachverhalt vollständig. In Wirklichkeit war die Vierjahresplanpolitik der Weg des deutschen Finanzkapitals selbst zu seinem Krieg und zu seinen Kriegszielen, den es unter Zuhilfenahme der politischen und militärischen Potenzen der Hitlerclique und der Hitlerwehrmacht endlich und schleunigst durchmessen wollte. 72 Das Jahr 1935 leitete mit der Proklamation der allgemeinen Wehrpflicht eine neue Phase der militärischen Aufrüstung ein. Das Rüstungsgeschäft wuchs sprunghaft mit der hochschnellenden Zahl der Divisionen, Panzerkorps, Flugzeuggeschwader und Kriegsschiffe. Aber die wirtschaftlichen und politischen Machthaber sahen 71 Dok. NID-13844, Fall X I , A D B 120D, DZA Potsdam, Nürnberger Prozesse, Fall X I , Nr. 413, Bl. 251, Vortrag Neumanns vor der Verwaltungsakademie Berlin, 29. 4. 41. — Neumann war zur Zeit des Vortrags geschäftsführender Staatssekretär des Generalrats des Vierjahresplans. Im Jahre 1942 wählten ihn die Kalikonzerne zum Nachfolgei des verstorbenen Generaldirektors des Deutschen Kalisyndikats, August Diehn. 72 Petzina ist der einzige nichtmarxistische Autor, der sich auf diesem Gebiet, das für die bürgerliche Geschichtsschreibung allgemein mit einem Tabu belegt ist, immerhin an eine neue Fragestellung herantastet; s .Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 2711.; derselbe, IG-Farben und nationalsozialistische Autarkiepolitik, in: Tradition, H. 5/1968, S. 250ff. 4

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

38

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

weiter. Der nun in greifbare Nähe rückende Krieg forderte auf allen Gebieten Entscheidungen strategischer Natur. An diesen Entscheidungen beteiligten sich die Konzern- und Bankherren unmittelbar und führend in hohen staatsmonopolistischen Funktionen. Sie planten die Strategie der wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung, berechneten und beurteilten die weittragenden wirtschaftlichen Konsequenzen des nahenden Krieges. Die deutschen Monopole glaubten sich nun ihren alten Zielen — Liquidierung des Versailler Systems und seiner Folgen, Beherrschung Europas, Vorherrschaft in der Welt — um vieles näher. Das beflügelte ihre Aktivität und Initiative. Sie unterbreiteten den faschistischen Staats- und Parteibehörden dringende, mehr oder weniger weitblickende und umfassende Vorschläge, Pläne und Forderungen. Zugleich lagen sie untereinander in zunehmend erbittertem Kampf um für die neue Aufrüstungsphase günstige staatsmonopolistische Ausgangspositionen. Der Saarindustrielle Hermann Röchling, Beherrscher des Röchling-Konzerns, konferierte und korrespondierte seit Herbst 1935 mit Göring über Autarkiepläne. Sein erstes Ziel, die Einverleibung des Saargebiets in das faschistische Deutschland, war erreicht; schon bereitete er sich auf den Kampf um größere Ziele vor, nunmehr in Form einer „möglichen kriegerischen Auseinandersetzung". 73 Für diesen Fall war er davon überzeugt, „daß wir genug Eisenerze in Deutschland hätten, um unseren Bedarf zu decken." Er machte Göring nach dessen Ernennung zum „Beauftragten für den Vierjahresplan" eine plausible Rechnung auf: „Die große Aufgabe, Deutschland im Notfalle ganz mit eigenen Erzen zu versorgen, umfaßt m. E. mindestens die Herstellung von 14 Millionen Tonnen Roheisen im Jahr, so viel als wir in den Jahren 1916 und 1917 etwa zur Verfügung hatten. Unsere Gegner verfügten über eine vier- bis fünfmal so große Erzeugung und konnten aus ihr jede beliebige Eisenmenge für die Kriegsführung zur Verfügung stellen. Unsere Truppen waren nicht reichlich mit der nötigen Munition versorgt, auch nicht reichlich mit den sonstigen Erfordernissen. Dabei mußte die Eisenbahn einen unerhörten Raubbau an ihrem Material treiben . . . Es ergibt sich also die Folgerung, daß wir mindestens die Roheisenmenge des Krieges mit 14 Millionen Tonnen Eisen im Jahr zur Verfügung haben müssen, wenn wir einigermaßen unsere Bedürfnisse decken wollen. Sie werden vielleicht sagen, daß Sie das auch möchten, daß das aber nicht erreichbar sei. Ich würde Ihnen darauf erwidern: ,Da die Erzmengen vorhanden sind, wir auch immer noch Menschenreserven haben, so ist nicht einzusehen, warum dieses Ziel nicht erreicht werden kann'." 7 4 Auch Krupp und Flick setzten sich für den Plan ein, den deutschen Imperialismus von der im Kriegsfall gefährdeten Einfuhr an Eisenerz weitgehend unabhängig zu machen. Sie zählten zu den Stützen der staatsmonopolistischen Vierjahresplangruppierung, die sich um den Kern dieser Gruppierung, den Interessen- und Machtblock Göring/IG-Farben, sammelte. 73 Hermann Röchling an Göring, 2 7 . 3 . 1 9 3 7 , gedr. i n : Emessen, Schreibtisch. Ein Dokumentenfund, Berlin 1947, S . 73 ff. 74 E b e n d a , S . 74ff.

T. R.,

Aus Göring»

Kriegsziele und Kriegsplanung

39

Der IG-Farben-Konzern nahm im Vierjahresplan eine dominierende staatsmonopolistische Position ein. 7 5 Von Anfang an lagen Produktions- und Investitionsplanung im Vierjahresplan wie auch die Durchführung der Pläne weitgehend monopolisiert in den Händen der Vertreter des IG-Farben-Konzerns. Der Anteil der Chemieinvestitionen an den Gesamtinvestitionen betrug 91,5 Prozent. Im ersten J a h r 1936/37 entfielen dabei auf den Konzern 7 6 : V o n der Gesamtsumme der industriellen Investitionen Von den Investitionen auf dem chemischen S e k t o r einschließlich Mineralölproduktion ausschließlich Mineralölproduktion

66,5 Prozent 72,7 Prozent 85,7 Prozent

Die Rolle dieses größten deutschen Konzerns in Geschichte und Vorgeschichte des Vierjahresplans gibt unmittelbar Aufschluß über ein Schlüsselproblem aller Geschichte der Vorkriegs- und Kriegszeit: über die Haltung der deutschen Monopole zum Krieg und über die Kriegsziele, die sie konkret verfolgten. Die direkten Fäden zur Nazipartei, die Carl Duisberg und Carl Bosch schon geraume Zeit vor 1933 über ihre „jungen L e u t e " wie ligner, Gattineau und Bütefisch geknüpft hatten, wurden nach der Machtübertragung an die Hitlerclique zu einem festen Netz staatsmonopolistischen Einflusses ausgebaut. Bosch, der spätestens seit Mai/Juni 1933 wochenlang „in Berlin in unmittelbarer Verbindung mit der Regierung gewesen" und in dieser Zeit von Hitler „zu R a t e " gezogen worden w a r 7 7 , brachte dem Konzern als unmittelbare und vorläufige F r u c h t seiner höchst aktiven politischen und wirtschaftspolitischen Bemühungen das Feder-Bosch-Abkommen vom Dezember 1933 ein. 7 8 Zugleich h a t t e er noch im Sommer 1933 direkte Beziehungen zum Heer (Heereswaffenamt) und zur Luftwaffe (Reichsluftfahrtministerium) 75 Über den überragenden materiellen und personellen Einfluß des Konzerns auf die Vierjahresplanorganisations. Kuczynski, Jürgen, Studien 1918—1945, S. 17811.; Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 123f.; Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 539, 545. 76 s. Dok. N1-10035 u. NI-10036, Fall VI, ADB 32, Äff. Werner Hagert, 2 5 . 7 . 1 9 4 7 , DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 416. 77 Bericht von Crane u. Ewing (vom Dupont-Konzern) über ihre Deutschlandreise und ihre Besprechungen mit C. Bosch (Reise vom 9. bis 14. Juli 1933), vom 17. Juli 1933, Dok. NI-9784, Fall VI, ADB 3, DZA/FS, IG-Farben, Film Nr. 410: „. . . während der jüngsten Wochen zeigte er (Hitler — D. E.) seine Beharrlichkeit, indem er das radikalere Element der Partei in seine Schranken wies und indem er die Industrieführer sich zu Rate zog. Dr. Bosch war in Berlin in unmittelbarer Verbind ung mit der Regierung gewesen, und tatsächlich verbringt er praktisch seine ganze Zeit zwischen seiner Wohnung in Heidelberg und den Regierungsstellenin Berlin". — Zu den Auseinandersetzungen dieser Zeit innerhalb des staatsmonopolistischen Apparats, besonders zwischen den Monopolgruppierungen, s. Gossweiler, Kurt, Die Rolle des Monopolkapitals bei der Herbeiführung der Röhm-Affäre, phil. Diss. Berlin 1963 (im folgenden: Die Rolle des Monopolkapitals), S. 371fT.; vgl. auch Petzina, Dieter, Hauptprobleme der deutschen Wirtschaftspolitik 1932/33, in: VfZ, H. 1/1967, bsd. S. 45ff. 78 Zum Feder-Bosch-Abkommen s. Gossweiler, Kurt, Die Rolle des Monopolkapitals, S. 298 f.

40

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

geknüpft. 79 Anlaß für diese Vorstöße waren die voraussehbaren großen Rüstungsgeschäfte mit synthetischem Kautschuk und Treibstoff. Bei Staatssekretär Erhard Milch im Reichsluftfahrtministerium hatte für Bosch ein „guter Bekannter" sondiert, nämlich Albert Vogler, Konzernchef der Vereinigte Stahlwerke AG80, der anscheinend sogar Hitler selbst deswegen eingeschaltet hatte. 81 Diese wichtige Verbindung, die zu Göring führte, ließ Bosch durch Carl Krauch, einen der fähigsten und skrupellosesten jüngeren Konzerndirektoren, wahrnehmen. Es war der IG-Farben-Konzern, es war Krauch, der zum ersten Mal schon 1933 den Begriff „Vierjahresplan" für seine umfassenden staatsmonopolistischen Rüstungsprogramme und -Vorschläge verwendete. Krauch bezeichnete damit im Spätsommer 1933 ein von ihm vorgelegtes Produktionsprogramm für synthetische Treibstoffe ; dieses war Inhalt einer Denkschrift, die der Konzern am 14. September 1933 Staatssekretär Milch übersandte.82 Die erste „Vierjahresplandenkschrift" war also ihrem Ursprung nach sogar ein reines IG-Farben-Produkt. Und nicht nur ihrem Ursprung nach: „Ich hoffe, daß ich Ihnen mit dieser Abhandlung grundlegende Unterlagen für eine Ausweitung der deutschen Treibstoffwirtschaft gegeben habe", hieß es in Krauchs Begleitbrief83, und in der Denkschrift selber wurde bereits die Einsetzung eines Treibstoflkommissars gefordert.84 79 s. Dok. NI-306, Fall V I , A D B 6, „Besprechungen über B u n a " , IG-Aktenauszüge 1933-1938, gefertigt August 1945 v. Ernst Struss u. v. R o h d e m a n n , D Z A / F S , IGF a r b e n - P r o z e ß , Film Nr. 410. — Birkenfeld verschweigt alle wesentlichen A k t i v i t ä t e n des Konzerns ( B i r k e n f e l d , Wolfgang,a. a. 0.). Sein Buch ist ein Musterbeispiel d a f ü r , wie d u r c h konsequentes Schweigen ü b e r alle wesentlichen Z u s a m m e n h ä n g e faustdicke Monopolapologetik e n t s t e h t . 80 Dok. NI-5930, Fall V I , A D B 24, Vogler an K r a u c h , 10. 8. 1933, D Z A / F S , I G - F a r b e n Prozeß, Film Nr. 414; D o k . NI-6767, Fall V I , A D B 3, V e r n e h m u n g v. Carl K r a u c h , 16. 4. 1947, D Z A / F S , I G - F a r b e n - P r o z e ß , Film Nr. 410. 81 V e r m u t b a r nach Hitler, Adolf, Libres Propos sur la guerre et la p a i x recueillis sur l'ordre de Martin B o r m a n n (frz. F a s s u n g von François Genoud), Paris (1952), S. 250f. (Nr. 128, 27. J a n . 1942): „Vogler m ' a fait la proposition, en 1933, de nous fournir d e u x millions de tonnes d ' essence s y n t h é t i q u e en l'espace de trois ans, à la condition que nous nous engagions pour une durée de dix ans à acheter t o u t e sa production à un p r i x fixé d ' a v a n c e . . . . Il était prévu que la I. G. F a r b e n financerait la construction des usines." 82 Begleitschreiben vom K r a u c h a n Milch, 14. S e p t e m b e r 1933, Dok. NI-4718, Fall VI, A D B 6, D Z A / F S , I G - F a r b e n - P r o z e ß , Film Nr. 410: „ U m auf ein fest umrissenes Prod u k t i o n s p r o g r a m m zu k o m m e n , ist in der A b h a n d l u n g f ü r die Ausweitung der F a b r i k a tion ein 4 - J a h r e s p l a n z u g r u n d e gelegt." 83 E b e n d a . 84 „. . . it would be necessary t o a p p o i n t a commissàr for carrying o u t t h e necessary steps." (Zit. in : Schweitzer, Arthur, Business Power u n d e r t h e Nazi Regime, in : Ztschr. f. N a t . ökonomie, Bd. 20, J g . 1960, H . 3—4/1960, S. 432. Schweitzer stellt zu dem Z u s a m m e n h a n g zwischen diesem M e m o r a n d u m des Konzerns und d e m s p ä t e r e n faschistischen Vierjahresplan, wenn auch z u r ü c k h a l t e n d , so doch zutreffend f e s t : „ I G - F a r b e n can . . . claim credit for h a v i n g c o n t r i b u t e d t o t h e ideas t h a t culminated in t h e original F o u r Year P l a n . " (Ebenda). Birkenfeld (1964) k e n n t die aufschlußreiche D e n k s c h r i f t selbst nicht. ( B i r k e n f e l d , Wolfgang, a. a. 0 . , S. 62, A n m . 7).

Kriegsziele und Kriegsplanung

41

Krauch baute die staatsmonopolistischen Positionen des Konzerns in den folgenden Jahren aus. Als im Jahre 1935 die letzten politischen Schranken für die Aufrüstung, insbesondere der Luftwaffe, fielen, erreichte die staatsmonopolistische Aktivität des Konzerns neue Höhepunkte. Mit dem Übergang zum offenen Aufbau der Luftwaffe erhielt das RLM neue bedeutende Möglichkeiten, die Luftrüstung selbst — aus eigenem E t a t — und in potenziertem Umfang zu finanzieren; es war nicht mehr auf den Umweg über Schachts Dienststellen angewiesen. Damit witterten auch die Herren des IG-Farben-Konzerns Morgenluft. Sie entwickelten eine emsige Aktivität in neuen, ausgedehnten Verhandlungen wegen synthetischen Kautschuks und Treibstoffs und versuchten zugleich, sich feste staatsmonopolistische Positionen zu sichern. Allem Anschein nach schalteten sie sich auch maßgeblich in die strategischen Fragen der Luftrüstung ein und begannen, in immer engerer Verfilzung mit dem Göringschen Apparat ihre allgemeine politische Linie durchzusetzen. Mitte 1935 luden sie Staatssekretär Milch in die Versuchszentren der synthetischen Produktion ein. Milch schrieb nach seinem Besuch an Krauch: „Lieber Herr Krauch! Zunächst möchte ich Ihnen ganz besonders für die freundliche Aufnahme danken, die wir bei Ihnen in Oppau gefunden haben. Bei allen Teilnehmern haben die dortigen Vorführungen und Erklärungen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Ich persönlich habe auch sofort General Göring berichtet, der sich ebenfalls für gerade diese Fragen interessiert. Sobald sein Sommerurlaub vorbei ist, hat er vor, Sie in aller Ruhe nach Karinhall in der Schorfheide zu bitten und mit Ihnen die großen Gesichtspunkte auch seinerseits zu besprechen." 85 Auf Milchs Wunsch entsandte der Konzern sofort einen seiner Spezialisten als „Verbindungsoffizier" in das Amt C (Technisches Amt) des RLM. Krauch konnte es. seiner Antwort an Milch zufolge, kaum erwarten, von dem Termin jener angekündigten Einladung zu Göring benachrichtigt zu werden. 86 Ende August 1935 oder etwas später muß dann die höchst bedeutsame Aussprache zwischen Göring und Krauch stattgefunden haben, in der der neue staatsmonopolistische Machtblock Göring/IG-Farben aus der Taufe gehoben wurde. 87 Es wird kein Zufall sein, daß Hitler kurz nach diesen Ereignissen, auf dem Parteitag im September 1935, in seiner Proklamation zum ersten Mal die Grundgedanken des Vierjahresplanes in noch knappen, aber schon klaren Umrissen formulierte. Angesichts der Schwierigkeiten im Außenhandel, so hieß es dort, „haben wir uns entschlossen, durch die Produktion eigener Werkstoffe Deutschland vom Import unabhängig zu machen." Hitler zählte diese Werkstoffe auf: „Benzin aus Kohle . . . , deutsche Faserstoffe, künstlicher Gummi, Erschließung eigener Ölquellen, eigener 85 Dok. NI-4718, Fall VI, A D B 6, Milch an Krauch, 23. 7. 1935, DZA/FS, IG-FarbenProzeß, Film Nr. 410. 86 s. Dok. NI-4718, Krauch an Milch, 27. 7. 1935, a. a. O. 87 Krauch war 1947 vor dem US-Militärgerichtshof in Nürnberg offensichtlich bestrebt abzuleugnen, daß eine solche Besprechung stattgefunden habe, und gab unter Eid eine entsprechende Erklärung ab, die aber — sicherlich absichtlich — unklar und mehrdeutig gehalten war; s. Trials of War Criminals, Bd. 7, S. 612.

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

42

alter und neuer Erzlager". 8 8 Hier tauchten die „großen Gesichtspunkte"

wieder

auf, die zwischen Göring und Krauch besprochen worden w a r e n ! Der Verlauf der folgenden .Ereignisse läßt keinen Zweifel an der führenden Rolle des IG-Farben-Konzerns nunmehr „maßgeblicher

beim

Zustandekommen

des Vierjahresplans.

Berater v o n Göring" 8 9 , erzielte ganz

Erfolge bei der Stärkung der staatsmonopolistischen

Krauch,

außergewöhnliche

Position seines

Konzerns.

I m April 1936 wurde Göring Rohstoff- und Devisenkommissar. Seine Vollmachten griffen ganz wesentlich in die Kompetenzen des Reichswirtschaftsministers (Schacht) ein. Die Idee, sich zum Kommissar für die einheimische Treibstofferzeugung ernennen zu lassen, hatte Göring — sachlich in voller Übereinstimmung mit dem I G Farben-Konzern — schon im März geäußert. 90 Der spiritus rector des endgültigen Aufbaus des Rohstoff- und Devisenkommissariats und -stabes darf, allen vorangehenden und nachfolgenden

Ereignissen und Entwicklungen

zufolge, im

IG-

Farben-Konzern gesucht werden. Göring — nach Hitler die mächtigste politische F i g u r im Staate — zu dieser Idee zu inspirieren und gerade ihm zu diesem A m t zu verhelfen, der als absoluter Dilettant in ökonomischen Fragen eben völlig abhängig v o n R a t und Politik der „ F a c h l e u t e " und „ B e r a t e r " sein und bleiben mußte, war taktisch ein geschickter Zug. Taktiken dieser A r t waren den Monopolen sehr geläufig und waren typisch für die faschistische Zeit. Jedenfalls wurden sogleich nicht nur das Büro Keppler, sondern auch ein sich später ständig vergrößerndes IG-Fachleute-Team unter Carl Krauch in Görings Stab inkorporiert. Das „ A m t für deutsche Roh- und W e r k s t o f f e " des Vierjahresplans, in dem Krauchs Gruppe im Herbst 1936 aufging, stellte den Grundstock und den wichtigsten zentralen Teil der umfangreichen Vierjahresplanbehörden dar. Zunächst aber setzte in den Monaten Mai bis August 1936 ein fieberhaftes Treiben unter

allen

wirtschaftspolitisch

interessierten

staatsmonopolistischen

Gruppie-

rungen ein. Alle Parteien und Gruppierungen, die an den Auseinandersetzungen um den

einzuschlagenden

rüstungswirtschaftlichen

umfassendste staatsmonopolistische

Kurs beteiligt waren, forderten

Vollmachten.

Schacht

drängte

im

August

auf Entscheidungen zu seinen Gunsten. Göring hielt ihn hin. Er hatte am 15. A u gust von der Krauch-Gruppe („Forschung und E n t w i c k l u n g " ) einen mit größter Beschleunigung ausgearbeiteten Bericht zur Lage erhalten und war damit bei Hitler gewesen. 91 Hitler arbeitete ebenso prompt. Unter Verwendung des Krauchschen Berichts stellte er in wenigen Tagen

seine Vierjahresplan-Denkschrift zu-

sammen, die in dem staatsmonopolistischen Gruppenkampf endgültig den Ausschlag zugunsten der Gruppierung um Göring/IG-Farben gab. 88 Proklamation Hitlers an den Parteitag, verlesen 11. 9. 1935, Völkischer Beobachter, 12. 9. 1935, S. 3. 89 Dok. NI-8084, Fall V I , A D B 39, Äff. Lothar Mischke, 18. 4. 1947, DZA/FS, IG-FarbenProzeß, Film Nr. 416. 90 vgl. Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 538. 91 s. Anatomie des Krieges, Berlin 1969, Dok. 46; vgl. ferner Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 547; derselbe, Crisis, S. 156 ff.; vgl. auch Verhör Paul Körner, 12. März 1946. IMT, Bd. 9, S. 175.

Kriegsziele und Kriegsplanung

43

Arthur Schweitzer beschreibt treffend den Anteil, den der IG-Farben-Konzern unmittelbar an dieser Denkschrift h a t t e : „ K r a u c h ' s department not only provided the first proposals for producing Substitutes according to a predetermined plan but this plan also suggested to the Nazis the basic ideas t h a t led to the specific goals — save point seven — in Hitler's m e m o r a n d u m . " 9 2 Das bedeutet: Hitler brachte seine Vierjahresplan-Denkschrift, dieses Schlüsseldokument faschistisch-imperialistischer Aggressivität, in enger Zusammenarbeit mit dem IG-Farben-Konzern (über .Göring-Krauch) zustande. Der I G - F a r b e n Konzern setzte also gegen vorsichtigere und zurückhaltendere Stimmen auf die Blitzkriegsstrategie und auf einen Plan wirtschaftlicher „Selbstversorgung" und Autarkie. Der Vierjahresplan war nichts anderes als seine wirtschaftliche Blitzkriegskonzeption. Nach Anlage und Stoßrichtung der Planungen war jeder Zweifel daran ausgeschlossen, daß der Krieg, der hiermit wirtschaftlich vorbereitet wurde, sich nicht nur gegen die Sowjetunion, sondern auch gegen diejenigen imperialistischen S t a a t e n richten sollte, die eine Wirtschaftsblockade gegen den deutschen Imperialismus verhängen, ihm insbesondere die kriegswichtigen Rohstoffe Erdöl und Kautschuk sperren konnten. J e d e m Urteilsfähigen mußte das in die Augen springen. Der Plan war eine wirtschaftliche Kriegserklärung an die westlichen imperialistischen S t a a t e n , einschließlich der U S A , und legte so eine expansionistische Hauptstoßrichtung des deutschen Monopolkapitals bzw. der mit dem Vierjahresplan verbundenen Monopolgruppierung bloß. Die auf Krieg berechnete Linie des größten deutschen Konzerns zeigte sich unmittelbar und unübersehbar im J a h r e 1938, als sich Konzeption und Organisationsstruktur des Vierjahresplans auf Initiative und unter führender Mitwirkung dieses Konzerns änderten. „An die Stelle der ursprünglichen, auf Eigenversorgung gerichteten Planungen t r a t das Ziel direkter Vorbereitung der Mobilmachung, das einen Übergang von der relativ weitgefaßten Plankonzeption zur Konzentration auf nur wenige kriegswichtige Produkte bedeutete." 9 3 E s war Krauch mit seinen S t ä b e n in der Vierjahresplanbehörde und im Konzern selbst, der diese Änderungen förmlich mit Brachialgewalt durchsetzte. Göring h a t t e die offizielle Leitung des Amtes für deutsche Roh- und Werkstoffe, der zentralen Vierjahresplanbehörde, und einiger Abteilungen dieses Amtes erst Oberst Fritz L ö b und anderen Offizieren aus dem Generalstab der Luftwaffe übertragen, augenscheinlich um ein Gegengewicht gegen die Wirtschaftsbehörden des O K H und des O K W zu schaffen. Als Löb in seinem Planbericht über das erste J a h r des Vierjahresplanes (Herbst 1937) eine wenig erfolgreiche Bilanz vorweisen mußte, darüber hinaus die dominierende Stellung des IG-Farben-Konzerns ignorierte und durch Schaffung eines „Reichsrohstoffamtes" für sich unumschränkte Vollmachten verlangte 9 4 , wurde er im Laufe der folgenden Monate durch Krauch unter Assistenz von Paul 92 Schweitzer, Arthur, Crisis, S. 176. 93 Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 116. 94 Dok. NI-8590, Fall VI, ADB 5, Bericht Lobs vom 30. Okt. 1937, gedr. in: Jürgen, Studien 1918-1945, S. 222 ff., 171 f.

Kuczynski,

44

Die wirtschaftliche Ausgangskasis. Die Kriegsziele

Körner, Görings S t a a t s s e k r e t ä r und persönlichem Vertreter im Vierjahresplan, der Unfähigkeit ü b e r f ü h r t , überspielt und schließlich entfernt. Gritzbach sagte über die Ereignisse aus: „Dank seiner umfassenden Kenntnis der Materie setzte Krauch unschwer seinen Standpunkt in Sachaufgaben durch. Ebenso widersprach er auch irrigen Auffassungen und übersteigerten Forderungen, selbst wenn sie von höchster Stelle kamen. Unter anderem legte er klar, daß die Löbschen Planungen von Fehlschlüssen ausgingen. E r ersetzte sie durch einen eigenen, den sogenannten Krauchplan, der nach mehrfachen Besprechungen im Büro Körner dann in Karinhall mit Göring festgelegt und in die T a t umgesetzt wurde." 9 5 In jenen Monaten des Jahres 1938 wickelten sich die Ereignisse mit Blitzesschnelle ab. Der IG-Farben-Konzern bestimmte das Tempo. Anfang des Jahres brachte Krauch Oberst Löb zu Fall. Aus dem Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, das Löb geleitet hatte, entstand die Reichsstelle für Wirtschaftsausbau, eine höhere Reichsbehörde, deren faktischer Leiter Krauch wurde. Doch der Konzern wollte mehr. Er drängte auf eine rüstungswirtschaftliche Koordinationszentrale mit außerordentlichen Vollmachten. Im J u n i bestellte Krauch, vermutlich mit Wissen und Billigung Görings, ein offizielles Schreiben aus dem Konzern an sich selbst. IG-Direktor Otto Ambros, einer seiner Vertrauten, schrieb ihm diesen Brief am 27. Juni. E r enthielt das staatsmonopolistische Programm des IG-Farben-Konzerns 9 6 : „Es muß eine einzige verantwortliche Stelle, nach Art des englischen Verteidigungsministeriums, geschaffen werden, die alle Fragen der Forschung, der Planung, der Finanzierung und vertraglichen Regelung und der Überwachung der Ausführung entscheidet und als Stimme f ü r (vermutlich s t a t t : der — D. E.) Wehrmacht und aller zuständigen Reichsministerien Geltung hat. Als vorbereitendes Gremium sollte sich diese obige Stelle ein Kuratorium aus verantwortlichen Vertretern des Heeres, des Reichsfinanzmmisteriums, der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau und der Industrie bilden, das wie einst der V e r t e i digungsrat' im Weltkrieg die Vorschläge ausarbeitet und zur Entscheidung vorlegt. Dieser R a t lenkt die Vorsehung (muß heißen: Forschung — D. E.) und bestimmt die Planung, besonders die Reihenfolge der Projekte. Das Verteidigungsministerium veranlaßt dann die Finanzieiung und vertragliche Regelung durch das Wirlschaftsministerium und die Ausführung, Materialbeschaffung, den Arbeitseinsatz, die Regelung der Tariffragen etc. durch die Stelle des Vierjahresplanes, also durch die Reichsstelle für Wirtschaftsausbau. W a s wir brauchen, wenn die deutsche Aufrüstung in dem notwendigen Tempo und 95 Dok. NI-9767, Fall VI, A D B 25, Äff. Erich Gritzbach, 14. Aug. 1947, DZA/FS, IGFarben, Film Nr. 413. 96 Dok. NI-5687, Fall VI, A D B 20, Ambros an Krauch, 27. Juni 1938, DZA/FS, IG-FarbenProzeß, Film Nr. 413. Hervorhebungen nach dem Original bzw. nach der Prozeßkopie. — Zu dem Brief vgl. auch Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 118f. Für das Folgende s. a. Anatomie des Krieges, a. a. 0 .

Kriegsziele und Kriegsplanung

45

nach nationalen Grundsätzen durchgeführt werden soll, ist, daß nur eine verantwortliche Stelle uns gegenübersteht." Unschwer ist aus diesem Dokument der absolute Führungsanspruch des IG-FarbenKonzerns in der geforderten rüstungs- bzw. kriegswirtschaftlichen Organisation abzulesen. Er gedachte ihn vor allem durch die Reichsslellc für Wirtschaftsausbau wahrzunehmen, in dem erwähnten obersten Kuratorium oder Verteidigungsrat aber außerdem noch durch industrielle Vertreter, d. h. durch Abgesandte unmittelbar aus dem Konzern. Der Konzern setzte sein Programm nicht völlig durch. Aber auf dem Chemiegebiet gelang es ihm, seine Positionen im staatsmonopolistischen Apparat auf Kosten vor allem der Wehrmachtsstellen erheblich zu erweitern und zu stabilisieren. Am 30. Juni 1938 löste der „Krauchplan", nach seiner Bestätigung am 12. Juli auch „Karinhallplan" und offiziell „Wehrwirtschaftlicher neuer Erzeugungsplan" genannt, die umfangreichen Planungen des Amts für deutsche Roh- und Werkstoffe angesichts ihres offensichtlichen Scheiterns ab. 97 Der Krauchplan enthielt stark forcierte Programme nurmehr für den Ausbau der Produktion von Mineralöl, Buna und Leichtmetallen sowie — neuerdings — von Pulver, Sprengstoffen. Kampfstoffen (d. h. von Giftgasen, vor allem von Lost) und deren Vorprodukten. Er war auf vier Jahre angelegt (bis 1942/43), so daß der Vierjahresplan von 1936 sich de facto in einen sechsjährigen Plan verwandelt hatte. Doch die deutschen Imperialisten beabsichtigten nicht, ihre Expansions- und Kriegspläne dementsprechend hinauszuschieben. Bis zum 13. August 1938 arbeitete Krauch mit seiner Gruppe den sogenannten Schnellplan für Pulver, Spreng- und chemische Kampfstoffe einschließlich der Vorprodukte aus, der von nun an einen besonderen Teil innerhalb des Krauchplans bildete. Er sah eine zusätzliche Steigerung von Kapazitäten und Produktion vor, mit dem Ziel, die faschistische Wehrmacht bis zum Herbst 1939 maximal zu versorgen und zum Losschlagen vorzubereiten. „Mit dem Schnellplan", so hieß es in der Begründung des Dokuments, „ist nach Ansicht der beteiligten Stellen sowie der durchführenden Industrie die maximale Steigerungsmöglichkeit bis Herbst 1939 erschöpft. Der Schnellplan ist im einzelnen abgeglichen und volle Übereinstimmung erzielt zwischen OKW (Wstb) OKH (Wa A) Dr. K r a u c h . Der vorliegende Schnellplan ist ab jetzt die gemeinsame Grundlage des Vorgehens aller beteiligten Stellen. Bis Ende 1939 wird nach dem Schnellplan die Kapazität so weit erhöht, daß auf allen Gebieten praktisch die größte im Weltkrieg noch erzielte deutsche Erzeugungsmöglichkeit erreicht wird." 9 8 Hiermit war der Termin des frühestmöglichen Kriegsbeginns wahrlich schon äußerst präzise vorherbestimmt und vorausgeplant. 97 s. Dok. N1-8839, Fall VI, ADB 20, „Der beschleunigte Plan", 30. 6. 1938, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Xr. 413/600; Dok. NI-8800, Fall VI, ADB 20, „Wehrwirtschaftlicher neuer Erzeugungsplan", 12. 7. 1938, a. a. O. — Die angegebenen Nürnberger Dokumente enthalten jeweils nur die Begründungen der Pläne bzw. Auszüge aus ihnen. 98 Dok. NI-8797, Fall VI, A D B 20, „Schnellplan vom 13. 8. 1938", a. o. O.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

In der „Zusammenfassung" der ersten Fassung des Schnellplanes h a t t e Krauch, wie ähnlich schon im ursprünglichen Planentwurf vom 10. J u n i u n m i ß v e r s t ä n d l i c h die entsprechenden Vollmachten für sich gefordert: „Es muß ganz ausdrücklich bemerkt werden, daß der hier wiedergegebene beschleunigte Ausbauplan n u r dann verwirklicht werden kann, wenn eine grundsätzlich neue und straffe Zusammenfassung von Planung und Durchführung in einer einzigen Hand erfolgt." 1 0 0 In der endgültigen Fassung vom 13. August hieß es nochmals: „Die Durchführung des Schnellplanes ist nur möglich, wenn ganz besondere (kriegsmäßige) Vollmachten der f ü r die Durchführung verantwortlichen Stelle gegeben werden." 1 0 1 Diese Forderungen wurden alsbald mit Krauchs Ernennung zum GB Chemie weitgehend erfüllt. Göring ging dabei systematisch vor, um dem Widerstand besonders der Wehrmachtsstellen gegen Krauchs Bevollmächtigung zu begegnen. Am 16. Juli 1938 richtete er ein Rundschreiben an die Reichsminister, in dem er erklärte, er werde angesichts der politischen Lage, besonders aber infolge der „Notwendigkeit der beschleunigten Durchführung des Vierjahresplanes und der Mobbereitschaft" gezwungen sein, „über alle Bedenken hinweg auf besonders entscheidenden Gebieten sogenannte Generalbevollmächtigte zu ernennen", die berechtigt wären, „auf den ihnen zugewiesenen Sondergebieten alle Maßnahmen zu treffen und alle Behörden und Dienststellen mit den hierfür notwendigen Weisungen zu versehen. Diesen Weisungen ist unverzüglich Rechnung zu tragen, da dieselben in meinem Auftrage erteilt werden." Einsprüche h ä t t e n „keinerlei aufschiebende Wirkung". 1 0 2 Am 22. August 1938 ernannte Göring Krauch zu seinem Bevollmächtigten — kurze Zeit darauf zum Generalbevollmächtigten — „für die Erzeugung von Mineralöl, K a u t s c h u k und Leichtmetallen, von Schieß- und Sprengstoffen sowie für die Erzeugung von chemischen K a m p f m i t t e l n " . „Es ist Ihre Aufgabe", so hieß es weiter in der Bevollmächtigung Krauchs, „die Durchführung der Erzeugungsprogramme mit jedem möglichen Nachdruck zu fördern, hierzu die laufenden Arbeiten fortlaufend zu kontrollieren, ihnen entgegentretende Hindernisse schnellstens auszuräumen und f ü r ihre ordnungsgemäße Weiterführung alle notwendigen Voraussetzungen zu sichern." 1 0 3

99 Dok. NI-8799, Fall VI, A D B 20, „Zusammenfassung des Erzeugungsplanes für Pulver, Sprengstoffe, Chemische Kampfstoffe einschl. der Vorprodukte", Stand am 10. 6. 1938, a. a. O. 100 Dok. NI-8841, Fall VI, A D B 20, „Zusammenfassungeines beschleunigten Erzeugungsplanes für Pulver und Sprengstoffe und chemische Kampfstoffe einschl. der Vorprodukte", 3 0 . 6 . 1938, a . a . O . ; s . a . Fall VI, Protokoll, S. 848ff., 856, Archiv der Glöwna Koniis ja Badania Zbrodni Hitlerowskich w Polsce, Warschau (im folgenden: GK). 101 Dok.NI-8797, Fall VI, A D B 20, „Schnellplan vom 13. 8. 1938", a. a. O. 102 Dok. EC-278, Fall VI, A D B 24, Rundschreiben des Beauftragten für den Vierjahresplan an die Reichsminister u. den preuß. Finanzminister, 16. 7. 1938, DZA/FS, IG-FarbenProzeß, Film Nr. 414/601. 103 DZA Potsdam, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 18353, Bl. 54 (auch = Dok. NI13901). — Krauchs offizieller Titel war, einigermaßen vorsichtig formuliert, „Bevoll-

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Am gleichen Tage erließ Göring einen „Befehl zur Durchführung des wehrwirtschaftlichen neuen Erzeugungsplanes sowie des Schnellplanes". Darin wird die beherrschende Position sichtbar, die Krauch nunmehr einnahm und die einen tiefen Einbruch in die Kompetenzen der Wehrmachtsstellen und des Reichswirtschaftsministeriums darstellte. Der Befehl h a t t e folgenden Wortlaut 1 0 4 : „1) Die Gesamtleitung der Durchführung des für den Ausbau von Pulver-, Sprengstoff- und K-Stoffabriken sowie ihrer Vorprodukte befohlenen wehrwirtschaftlichen neuen Erzeugungsplanes sowie des Schnellplanes wird Herrn Dr. Krauch übertragen. E r trägt somit die volle Verantwortung für die zeitgerechte Durchführung des Programms und die Bereitstellung der hierfür erforderlichen Mittel (Geld, Stahl, Baustoffe, Arbeitskräfte usw.). 2) Die Durchführung des Erzeugungsplanes h a t in engstem Einvernehmen mit der W e h r m a c h t nach folgender Aufgaben Verteilung zu erfolgen: a) Programm und Planung: Dr. Krauch Bei Aufstellung des Programms und der Planungen sind die von der Wehrmacht zu vertretenden militärischen Gesichtspunkte zugrunde zu legen und die von dieser vertretenen chemisch-technischen Erfordernisse weitgehend zu berücksichtigen. b) Baudurchführung: O K H (Wa A) Bodenerwerb durch ,Montan', Auftragserteilung, Abrechnung, Vereinnahmung, Verwaltung und Verrechnung der von Dr. Krauch zugewiesenen Geldmittel. (Mit Ausnahme nichtmilitärischer Vorprodukte). ) Abstellung eines ständigen Vertreters des Dr. Krauch zu O K H (Wa A). c) Schaffung von Kontrollorganen (maßgebende Fachleute) durch Dr. Krauch, die auch O K H (Wa A) in Verbindung mit Dr. Krauch für Kon trollzwecke zur Verfügung stehen. 4) Die Durchführung des Erzeugungsplanes geschieht auf dem Gebiet der nichtmilitärischen Vorprodukte in entsprechender Weise mit O K W (WStb), die Abstellung der gegenseitigen Vertreter erfolgt vorerst von Fall zu Fall." Im Vollgefühl seiner neuen umfassenden Befugnisse berichtete Krauch an den Konzern. E r zitierte ausführlich seine Bevollmächtigung und f u h r f o r t : „Ich darf weiterhin mitteilen, daß gemäß Befehl des Herrn Generalfeldmarschalls die weitere Planung in engem Einvernehmen mit der Wehrmacht unter meiner Leitung erf o l g t . . .".105 mächtigter (bzw. Generalbevollmächtigter) des Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring für Sonderfragen der chemischen Erzeugung", genannt Gebechem oder GB Chemie. 104 Dok. NI-8917, Fall VI, A D B 20, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 413/600. 105 Dok. NI-7428, Fall VI, A D B 8, Krauch an die IG Farbcnindustric AG, 26. 8. 1938, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 411/598.

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele Dem enormen staatsmonopolistischen Machtzuwachs der I G - F a r b e n u n d i h r e r eindeutig dominierenden Rolle in der Vierjahresplangruppierung s t a n d e n Positionsverluste a n d e r e r Monopole und Gruppen von Monopolen gegenüber. D e r Ü b e r g a n g zur Vierjahresplanpolitik war mit heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des staatsmonopolistischen Mechanismus v e r b u n d e n . Doch es wäre ein Fehler, wollte m a n diese Kämpfe u n d Machtverschiebungen ü b e r schätzen. Nicht n u r an d e r R ü s t u n g s k o n j u n k t u r profitierten alle großen Monopole: auch die Vorbereitung der Aggression'und kriegerischen E x p a n s i o n wurde von allen wichtigen Gruppen des deutschen Monopolkapitals und von all seinen großen I n teressenverbänden u n d staatsmonopolistischen Organisationen getragen. Die eigentliche B e d e u t u n g der Auseinandersetzungen der u n m i t t e l b a r e n Vorkriegsjahre in d e r W i r t s c h a f t u n d a u c h auf anderen Gebieten lag darin, daß sich im Verlauf der Kriegsvorbereitungen die objektive Tendenz zu wachsender Konzentration u n d Zentralisation staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt stark b e m e r k b a r m a c h t e u n d sich, besonders in Gestalt des Vierjahresplanes, durchsetzte. Diese T e n d e n z aber k a n n n i c h t anders als im Kampf der großen K o n k u r r e n t e n u m wirtschaftliche und politische M a c h t zur Wirkung gelangen. Die Ü b e r s c h ä t z u n g d e r auseinanderstrebenden Konkurrenzinteressen und die U n t e r s c h ä t z u n g des allgemeinen und gemeinsamen imperialistischen Interesses aller Monopole an E x p a n s i o n , R ü s t u n g und Krieg liegen a u c h einer falschen G r u n d these der neueren bürgerlichen Geschichtsschreibung zugrunde. Diese These, die seit Schweitzers Arbeiten Schule m a c h t , besagt, d a ß m a n bis 1936 „die" Großindustrie als einheitlichen Machtblock ansehen könne, der gegenüber der faschistischen Politik und Partei selbständig — d a m i t im Grunde nicht voll beteiligt und v e r a n t wortlich — und deren staatlicher E x p o n e n t H j a l m a r S c h a c h t gewesen sei; d a ß die Großindustrie sich aber nach der Z u r ü c k d r ä n g u n g Schachts in eine A n h ä u f u n g einander widerstreitender Firmeninteressen und -egoismen aufgesplittert habe. D a m i t sei sie als M a c h t f a k t o r verschwunden und h a b e der faschistischen P a r t e i (Hitler, Göring, Ley) P l a t z g e m a c h t , die nun ihre volle H e r r s c h a f t auch über die W i r t s c h a f t angetreten habe. Verschiedentlich wird zugestanden, d a ß die Großchemie (IG-Farben) als Außenseiter mit der P a r t e i kollaboriert und ihren partiellen N u t z e n d a r a u s gezogen habe. 1 0 6 Die Quellen vermitteln ein völlig anderes Bild. W a s sich im J a h r e 1936 klar a b zeichnete, war ein Führungswechsel zwischen staatsmonopolistischen Gruppierungen, so wie er häufig politischen Kursänderungen z u g r u n d e liegt. In diesem J a h r wurde die A u f r ü s t u n g s k o n z e p t i o n der Gruppierung S c h a c h t / T h y s s e n / T h o m a s , die zugleich eine b e s t i m m t e außenpolitische und Kriegskonzeption war, durch die K o n zeption der G r u p p i e r u n g Göring/IG-Farben abgelöst, b e k a n n t u n t e r dem Begriff des Vierjahresplans, die Hitler durch sein Eingreifen u n t e r s t ü t z t e . Primäre Ursachen 106 vgl. Schweitzer, Arthur, Business Power under the Nazi Regime, a. a. 0 . ; derselbe, Big Business; Petzina, Dieter, Hitler und die deutsche Industrie, in: GWU, H. 8/1966; Mason, Tim, Der Primat der Politik — Politik und Wirtschaft im Nationalsozialismus, in: Das Argument, Nr. 41 (1966), S. 47311.

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für diese Machtverschiebung innerhalb der herrschenden Klasse bildeten auf längere Sicht Unterschiede in den ökonomischen Interessenlagen der Konzerngruppen, auf kürzere Sicht die Notwendigkeit für den deutschen Imperialismus, akute Alternativentscheidungen von größter politischer und ökonomischer Tragweite zu fällen. 1 0 7 Im Jahre 1938 erfolgte indessen nicht nur die Stabilisierung des Kurses der nunmehr dominierenden staatsmonopolistischen Gruppierung und die Konsolidierung dieser Gruppierung selbst. Es vervielfachte sich im Zuge der inneren Expansion (vor allem via „Arisierung") und der beginnenden äußeren Expansion (Österreich, Tschechoslowakische Republik) auch die Aktivität der zunächst von den vordersten Positionen abgedrängten Konzerngruppen; sie stellten noch vor Kriegsausbruch ihren staatsmonopolistischen Einfluß teilweise wieder her. Verändert blieben das innere Kräfteverhältnis im staatsmonopolistischen Mechanismus und vor allem seine innere Struktur, die jetzt stärker der unmittelbaren Kriegsvorbereitung angepaßt worden war. Schacht war als Reichsbankpräsident und — seit 1934 — als Reichswirtschaftsminister der Finanzier und Organisator der ersten Aufrüstungsphase 1933—1935. Sein Werk war die schwindelhafte Finanzierung der Aufrüstung (Mefo-Wechsel). In seiner Amtsperiode wurde die staatsmonopolistische Regulierung der deutschen Außen- und Devisenwirtschaft, bald bekannt als „Neuer Plan", aufgebaut. Seine Behörden bereiteten schon seit 1933/34 die Rationierung der Lebensmittel und Konsumgüter für die Bevölkerung und zahlreiche andere Notstandsgesetze für den „A-Fall" vor. Mit dieser Politik verband Schacht — damals einer der wichtigsten Repräsentanten des faschistischen Regimes — eine extrem imperialistisch-revanchistische Zielsetzung, die sich auf die Liquidierung des Versailler Systems und auf die Wiederkunft Deutschlands als europäischer Großmacht und als Kolonialmacht richtete. Diese Ziele gedachte er mit Unterstützung oder zumindest wohlwollender Duldung der herrschenden Kreise in den U S A und, unter Umständen, Großbritanniens zu erreichen. USA-Botschafter Dodd, mit Schacht jahrelang gut bekannt, äußerte im Dezember 1937 in seinem Tagebuch über ihn, wenn ihm auch Hitlers Diktatur mißfalle (Schacht war gerade erst von seinem Posten als Reichswirtschaftsministcr verdrängt worden!), „so wünscht er doch, wie die meisten anderen namhaften Deutschen, Annexionen — wenn möglich, ohne Krieg; aber auch mittels Krieg, falls die Vereinigten Staaten neutral bleiben." 1 0 8 Diese spezifische strategische Linie entsprang und entsprach Schachts jähre- und jahrzehntelangen Konnexionen zu einer bestimmten Gruppe des deutschen Konzernkapitals, nämlich zu dessen „amerikanischer Fraktion" (vor allem Danat-Bank bzw. Dresdner Bank/Thyssen; so benannt nach ihrer wirtschaftlichen und politischen Interessenlage). In den ersten Jahren der faschistischen Diktatur war Schacht darüber hinaus eine für die gesamte deutsche Finanzoligarchie unentbehrliche Spitzenfigur des Regimes, da er es dank seinem und seiner Gruppe Rück107 s. A b s c h n i t t 1; vgl. auch K a p i t e l I V . 108 Dodd, William E., Diplomat auf heißem Boden, Berlin 1961, S . 493.

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halt beim amerikanischen und britischen Finanzkapital vor der Drohung der d a mals noch überlegenen französischen Militärmacht und vor internationalen wirtschaftlichen Sanktionen abschirmte. 1 0 9 Die Unterschiede zwischen der politisch-strategischen und ökonomischen Konzeption der Schacht-Thyssen-Gruppierung und derjenigen um Göring/IG-Farben lassen sich auf folgende äußerst grobe, modellhaft konstruierte Formel bringen: Schacht!Thyssen: Die gesteckten Ziele sind nur zu erreichen, wenn wir uns der Unterstützung der USA, wenigstens der wirtschaftlichen, versichern. Ohne diese Unterstützung reicht unser Potential nicht aus, um einen Krieg gen Osten, gegen die Sowjetunion, und später auch gegen Westen zu führen. Dieser Krieg kann auf keinen Fall geführt werden, bevor wir uns nicht bei optimalem Tempo der Rüstung,, d. h., möglichst unter Vermeidung inflationärer oder sonstiger krisenhafter E r scheinungen, bis an die Zähne bewaffnet, alle notwendigen Vorräte angelegt und Reserven bereitgestellt haben. Göring/IG-Farben: Unsere Ziele werden uns unvermeidlich in Gegensatz zu allen am S t a t u s quo interessierten Großmächten bringen. Der Krieg läßt sich nicht auf den Kontinent (einschließlich Sowjetunion) beschränken, sondern Großbritannien und wahrscheinlich auch die Vereinigten Staaten werden im Krieg von Anfang an auf der Gegenseite stehen. Ihr Ziel ist es zunächst, Deutschland und die Sowjetunion sich im Kampf gegenseitig erschöpfen zu lassen. Das gegnerische Lager wird bald den deutschen Rüstungsvorsprung aufholen. Unser Potential reicht für einen längeren, großen Krieg nicht aus. Der einzige Ausweg liegt in einer maximal f o r cierten R ü s t u n g für eine Reihe von Blitzkriegen, mit denen man nicht mehr lange warten k a n n , und wirtschaftlich in einer — wenigstens zeitweilig aufrechtzuerhaltenden — Autarkie als Mittel gegen Blockadc. Anfang 1938 gelangte auf Schachts Platz im Reichswirtschaftsministerium als neuer Minister Waither Funk, ein von Göring stark abhängiger Mann. Zu der staatsmonopolistischen Vierjahresplangruppierung, deren Kern der Interessenblock Göring/IG-Farben bildete, gehörte nun die Mehrheit der großen deutschen K o n zerne: Deutsche Bank und Dresdner Bank, Flick, Krupp, Mannesmann, Röchling, Siemens, die Flugzeugkonzerne, Preußag und Viag, selbstverständlich die „Hermann-Göring-Werke", und sogar die synthetisches Benzin produzierende Gruppe (Knepper) aus dem Konzern der Vereinigten Stahlwerke. Die starke Minderheitsgruppierung u m Schacht, Thyssen und Poensgen m u ß t e eine Schwächung ihrer staatsmonopolistischen Positionen hinnehmen, in erster Linie durch die Ausmanövrierung des bisher allmächtigen Schacht. Doch weder die Vereinigten Stahlwerke, noch Klöckner und Hoesch trugen irgend erhebliche Einbußen ihrer ökonomischen Machtstellung d a v o n ; dieses F u n d a m e n t ihrer Herrs c h a f t verbreiterte und verfestigte sich nur in der mit dem Vierjahresplan einsetzenden zweiten, stärksten forcierten Phase der Aufrüstung. Die Vereinigten Stahlwerke, die Domäne Thyssens, Voglers und Poensgens, waren gerade Anfang 1936 vollständig reprivatisiert worden. Kapilalkraft und innere Stärke des neben d e r 109 s. Gossweiler, Kurt, Die Rolle des Monopolkapitals, passim.

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IG-Farben größten deutschen und europäischen Konzerns waren dadurch derart gewachsen, daß er auch einen längeren kräftezehrenden Kampf der Gruppierungen wohl ausgehalten hätte. Im Sommer 1937 kulminierte der Kampf aus Anlaß der Gründung der „Reichswerke Hermann Göring". Die Gruppe um Thyssen und Poensgen war diesem großen Konkurrenzprojekt gegenüber höchst skeptisch und um so mißtrauischer eingestellt, als die Profitrentabilität der Stahlkonzerne bei Verwendung der Salzgittererze nur mit Staatssubventionen gehalten werden konnte; und sie argwöhnten, sich solcher Subventionen bei der gegenwärtigen Machtkonstellation im staatsmonopolistischen Mechanismus nicht fest genug versichern zu können. Der IG-Farben-Konzern, hingegen förderte das Projekt, da er von staatlichen Eingriffen in die Montanindustrie nur eigenen Machtzuwachs und dazu wirtschaftliche Vorteile beim Rohstoilbezug erwarten konnte. Die Krise gipfelte Ende August 1937 in halb drohenden, halb beschwörenden, im Falle Krupps schmeichelnd-werbenden Telegrammen Görings an die führenden Montankonzerne mit der Bitte, sich nicht an der Gegendenkschrift der Vereinigten Stahlwerke zu beteiligen. 110 Doch schon im Oktober kam es zum — wie es die Konzerne selbst nannten — „Friedensschluß" zwischen den Hermann-Göring-Werken und den Ruhr-Montankonzernen. Auf Einladung des Vorstands der Deutschen Bank trafen sich am 21. Oktober 1937 bei Vorstandsmitglied Kimmich in der Zentrale der Großbank (Berlin, Mauerstraße 35) Paul Pleiger, Generaldirektor der Hermann-Göring-Werke, Peter Klöckner und Friedrich Flick als Repräsentanten der großen Montankonzerne. In ihrer schriftlich fixierten Übereinkunft hieß es, daß die sieben großen Konzerne, die Flick und Klöckner zu den Verhandlungen ermächtigt hatten (Vereinigte Stahlwerke, Krupp, Gutehoffnungshütte, Hoesch, Mannesmann, Klöckner und Flick), „gern bereit seien, an der Entwicklung des neuen Werks in vertrauensvoller Zusammenarbeit mitzuwirken." Sie boten Pleiger eine Kapitalbeteiligung an. Alle besprachen dann gemeinsam anhand eines fertigen Finanzierungsplanes der Deutschen Bank, welche Kapitalkonstruktion überhaupt für die Reichswerke ins Auge gefaßt werden sollte. „Die beiden Vertreter der industriellen Werke", so hieß es abschließend, „betonten mehrfach, daß die Bereitschaft der Beteiligung in der Hauptsache aus dem Grunde zum Ausdruck komme, um damit dem Herrn Generaloberst Göring zur Kenntnis zu bringen, daß ihrerseits zwischen den großen Werken der eisenschaffenden Industrie und den Hermann-Göring-Werken keine Differenzen bestehen und daß allseitig der Wunsch zu einer einmütigen Zusammenarbeit vorliege. Aus diesem Grunde haben die beiden Herren auch die Anregung gegeben, von dem Herrn Generaloberst empfangen zu werden, um auch in persönlichen Darlegungen ihre Einstellung zu der neuen Gründung auseinandersetzen zu können." 111 110 Gedr. in: Emessen, T. R., Aus Görings Schreibtisch, a. a. 0., S. 82f. 111 DWI, Nr. 4551, Bd. 1, Aktennotiz v. 21. 10. 1937, unterz. v. Karl Kimmich, Friedrich Flick und Peter Klöckner.

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Göring zeigte sich sehr erfreut über dieses Friedensangebot und ließ Flick und Klöckner alsbald wissen, daß er ihren Wunsch nach einer persönlichen Unterredung teile. 112 En passant demonstriert der ganze Vorgang auch die kardinale Funktion, die die Großbanken, voran die Deutsche Bank, im staatsmonopolistischen Mechanismus ausfüllten und die Bankier Kurt v. Schröder im Jahre 1945 deutlich beschrieb: „Sie hatten einen ganz gewaltigen Einfluß auf die Partei und auf die Regierung. De facto waren die Großbanken fast eine zweite Regierung." 113 Die Ruhr-Montankonzerne festigten ihre Positionen auf lange Sicht, als sie ihre wirtschaftlichen und politischen Absprachen im Kreis der sieben genannten Konzerne etwa zur gleichen Zeit institutionalisierten und den „Kleinen Kreis" oder „Siebenerkreis" bildeten. Dieser „Rat der Götter", den Ernst Poensgen leitete und dem je ein Vertreter der sieben Großkonzerne angehörte, trat in den folgenden Jahren regelmäßig und häufig, zeitweise wöchentlich, zusammen. Sein Geschäftsführer charakterisierte ihn als „Kommission ,sui generis', die sich neben wirtschaftlichen auch mit politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Fragen beschäftigen konnte." «« Der Druck des in diesem Gremium vertretenen Montanblocks hatte ohne Zweifel maßgeblichen Anteil an jenem bedeutsamen Wechsel in der Leitung der Reichsgruppe Industrie, der sich Ende 1938 vollzog. Am 20. Oktober 1938 bestellte Funk anstelle des noch von Schacht eingesetzten positionsschwachen Gottfried Dierig (Dierig-Textilkonzern) den Generaldirektor des — von der Deutschen Bank beherrschten — Mannesmann-Konzerns, Wilhelm Zangen, ein Mitglied des „Kleinen Kreises", zum Leiter der Reichsgruppe Industrie. Schon Zangens erster Vorschlag für jenen ausgesuchten Kreis führender Konzernvertreter, den er künftig als sogenannten engeren Beirat der Reichsgruppe (auch „Kleiner Beirat") konsultieren und zu wichtigen Entscheidungen heranziehen wollte, fiel so unsymmetrisch zugunsten der Montanindustrie, besonders der vom „Kleinen Kreis" vertretenen Gruppierung, aus, daß Flick taktische Bedenken anmeldete; es sei „zu befürchten, daß man Vorwürfe in der Richtung einer Cliquenwirtschaft erheben wird." 1 1 5 Zangen dirigierte die Geschicke der Reichsgruppe Industrie bis Kriegsende. Dierigs Ersetzung durch Zangen und die nachfolgende Reorganisation der Reichsgruppe bewiesen das gerade Gegenteil des „nachweisliche(n) Machtverfall(s) der wirtschaftlichen Interessenverbände", der sich nach Mason vollzogen haben soll. Es bleibt ferner gänzlich unklar, womit Mason seine These beweisen will, die Reichs-

112 Ebenda, Peter Klöckner an Krupp, Thyssen, Siemens, Bücher, Bosch, Poensgen, Reusch, Vogler und andere, 16. 11. 1937. 113 Vernehmung von Kurt v. Schröder, 24. 11. 1945, zit. nach: Mohrmann, Heinz, Zur staatsmonopolistischen Konkurrenz deutscher Großbanken unter dem Faschismus, in: JWG 1967, T. 4, S. 25. 114 Erklärung unter Eid von J. W. Reichert, Fall X (Krupp-Prozeß), zit. nach: Kuczynski, Jürgen, Studien 1918-1945, S. 146. 115 DWI, Nr. A 11, Bd. 8, Flick an Zangen, 21. 11. 1938.

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gruppe Industrie unter Zangen habe „im Herrschaftssystem nur noch wenig Gewicht" gehabt. 1 1 6 Auch hier bezeugen die Tatsachen das Gegenteil. Die J a h r e 1938 und 1939 kennzeichnen den Höhepunkt der „Arisierung" in der deutschen Wirtschaft, an der die Montankonzerne und Großbanken an hervorragender Stelle partizipierten. Eine gründliche Geschichte der wahrhaft verbrecherischen Aktivität der deutschen Monopole bei der „Arisierung" steht noch aus. 1 1 7 Mit den ersten Annexionen des deutschen Imperialismus (Österreich, Tschechoslowakei) verschob sich freilich der Akzent von der Expansion mittels innerdeutscher „Arisierung" — deren materielles Substrat sich schnell erschöpfen mußte — mehr und mehr auf die Beutemacherei in fremden Ländern, bis der Expansionsdrang des deutschen Monopolkapitals, den Krieg entfesselnd und durch den Krieg entfesselt, in den Plänen zur „Neuordnung E u r o p a s " und der ganzen Welt und in den barbarischen Versuchen zu ihrer Verwirklichung gipfelte. Es kann also keine Rede davon sein, daß das Finanzkapital seit 1936 insgesamt an Macht und Einfluß im staatsmonopolistischen Herrschaftssystem des faschistischen Deutschlands verloren oder der Kapitalismus in Deutschland sich gar „aufgelöst" hätte, daß die bürgerlich-imperialistische Gesellschaft zu einer bloßen Anhäufung von sich kreuzenden Firmenegoismen atomisiert worden wäre. Damit veiliert die Konstruktion eines Machtvakuums ihren Boden, das durch einsame, abenteuerliche Entschlüsse Hitlers auszufüllen gewesen wäre. Bei Kriegsausbruch waren, nach einer Phase verschärften Kampfes der staatsmonopolistischen Gruppierungen, alle tragenden K r ä f t e und führenden Gruppen der deutschen Großindustrie und Hochfinanz fest etabliert. Die Wirtschaft und ihr staatsmonopolistischer Regulierungsmechanismus waren für den Krieg schlagkräftiger geworden. Der deutsche Imperialismus zeigte sich expansionslüsterner und aggressiver denn je.

b) Das Kriegszielprogramm

des deutschen

Monopolkapitals

Die reaktionärsten und aggressivsten Elemente des deutschen Monopolkapitals legten in den letzten Vorkriegsjahren eine fieberhafte Aktivität an den Tag und traten in eine Phase ausgesprochener, wenn auch vorerst noch friedlicher E x pansion ein. Da waren die „Arisierungen", da waren die Versuche, mittels planmäßiger „friedlicher" Durchdringung und Expansion innerhalb und außerhalb Europas, mit neuen internationalen Kartellabsprachen, durch Kolonialverhandlungen und Außenhandelsabmachungen — korrespondierend mit der intensiven Kriegsvorbereitung durch den Vierjahresplan — zunächst noch so viel Boden wie 116 s, Mason, Tim, Primat der Industrie? — Eine Erwiderung, in: Das Argument, Nr. 47 (1968), S. 199, 207. 117 Eine erste gründliche Teiluntersuchung liegt vor von Thieleke, Karl-Heinz, Die „Arisierungen" des Flick-Konzerns, in: Fall 5, Berlin 1965, S. 353ff.; ferner Genschel, Helmut, Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich, Göttingen/ Berlin/Frankfurt/Zürich 1966. 5 Eichholtz, Kriegswirtschaft I

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möglich zu gewinnen, sich eine möglichst solide ökonomische Ausgangsbasis zu schaffen, ehe m a n das letzte Mittel einsetzte, das Hauptmittel der imperialistischen Expansion und der Neuverteilung der Reichtümer der E r d e : den Krieg. All diese „friedlichen" Bemühungen entsprangen demselben sinistren Expansionsstreben, das in den Krieg mündete. Das expansionistische Programm der deutschen Monopole entstand nicht erst j e t z t oder etwa erst ad hoc durch die Kriegsereignisse. J e t z t schien n u r in den Bereich des politisch und militärisch Möglichen zu rücken, was seit dem ersten Weltkrieg, seit der Niederlage des deutschen Imperialismus, Leitlinie imperialistischer deutscher Politik gewesen war: Revanche und Weltherrschaft. Die Weltherrschaft, schon ihre Triebfeder im ersten Weltkrieg, war in den Anschauungen der führenden Vertreter des deutschen Monopolkapitals ein Ziel, das auch mehrere Kriege wert war, wenn es nicht in einem Anlauf erreicht werden konnte. W ä h r e n d des ersten Weltkrieges, als noch Siegespläne geschmiedet wurden, war in den Kriegszieldenkschriften der Stinnes, Rathenau, Kirdorf und K r u p p ausführlich die R e d e davon, wie man durch entsprechende Annexionen im Westen und Osten schon den „nächsten K r i e g " gegen England und Rußland am besten vorbereite. Gegen E n d e des Krieges wurde dieser Gesichtspunkt von den Ballin, Thyssen und R a t h e n a u wie von den Militärs nur um so eindringlicher vorgetragen. 118Die Niederlage warf den deutschen Imperialismus weit zurück. Seine Lage w a r kompliziert. Die ersten S c h r i t t e zu dem — niemals aufgegebenen — Ziel der Herrschaft über Europa und über die W e l t mußte nun die vollständige Revision de& Versailler Vertrags sein. Bereits dieses Teilziel war ohne Krieg offensichtlich nicht zu erreichen. Die Vereinigten Staaten, jetzt stärkster S t a a t der kapitalistischen Welt, waren zu einem, wenn auch weit entfernten, so doch schier übermächtigen Konkurrenten und Kontrahenten geworden. I m Osten aber wuchs und e r s t a r k t e die große Sowjetunion, Todfeind der imperialistischen Machthaber aller Länder. Der Faschismus war es, der den deutschen Monopolen die Waffen für ihren „nächsten K r i e g " schmieden half. Die reaktionärsten Kreise des Finanzkapitals brachten ihn zu diesem Zweck an die Macht, und von Anbeginn an bildete ihre Zielsetzung den Leitfaden für die faschistische Diktatur. 1 1 9 Die deutsche Intervention als erste Erprobung ihres und 1939 waren bereits Pläne, der faschistischen

in Spanien seit 1936 diente den deutschen Imperialisten militärischen Apparats. Ihre ersten Annexionen 1 9 3 8 Schritte zur Verwirklichung der „Großdeutschland"Variante der „Mitteleuropa"-Konzeption, als Vorstufe

118 s. Petzold, Joachim, Zu den Kriegszielen der deutschen Monopolkapitalisten im ersten Weltkrieg (Dokumentation), in: ZfG, H. 6/1960, S. 1396 ff.; Rüge, Wolf gang, Deutschland von 1917 bis 1933, Berlin 1967, S. 23; Eichholtz, Dietrich/Hass, Gerhart, Zu den Ursachen des zweiten Weltkrieges und den Kriegszielen des deutschen Imperialismus, in: ZfG, H. 7/1967, S. 1151 f. 119 Eine instruktive Zusammenstellung der Kriegsziele der führenden faschistischen Politiker und Ideologen bietet Barthel, R., Die Kriegsziele der deutschen Imperialistenim zweiten Weltkrieg, in: Militärwesen, H. 7/1961, S. 934ff., und derselbe, Das Weltherrschaftsprogramm der deutschen Imperialisten im zweiten Weltkrieg, in: Militärwesen, H. 10/1961, S. 1381 ff.

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zu den Programmen der „Großraumlösung" und der „europäischen Neuordnung". Die Initiative und annexionistische Aktivität der deutschen Monopole sind ein deutlicher Beweis für ihre inspirierende Rolle bei den ersten Eroberungen. Als im März 1938 die österreichische Republik annektiert wurde, hatten die Monopole dies schon seit J a h r und Tag vorbereitet. Die Vereinigte Stahlwerke AG hatte über den Alpine-Montan-Konzern die österreichischen Faschisten finanzieren lassen. 120 Krupp hatte ein früher beherrschtes, großes österreichisches Unternehmen (Berndorfer Metallwarenfabrik AG), das inzwischen in österreichische Hände übergegangen war, bei Hitler und Göring als billige Beute für seinen Konzern reklamiert und vornotieren lassen. Krupps Schwager, Tilo v. W'ilmowsky, hatte als Präsident des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages die wirtschaftliche und politische Wühlarbeit des deutschen Monopolkapitals in Österreich organisiert. Der IG-FarbenKonzern hatte 1937 vorsorglich seine Wiener Konzerngesellschaft Anilinchemie AG „arisiert", d. h., alle jüdischen Angestellten waren entlassen worden. Der Konzern hatte in seinen Berliner Zentralabteilungen den österreichischen Faschisten Hermann Neubacher als künftigen Spezialisten für Österreich und Südosteuropa ausbilden lassen. Flick hatte die Drohung des deutschen Einfalls in Österreich als Druckmittel bei der „Arisierung" des deutsch-tschechoslowakischen PetschekKonzerns benutzt. Nach der Annexion realisierten die Monopole ihre Beuteansprüche. Hermann Neubacher wurde am 15. März 1938 Bürgermeister von Wien. Das erste Glückwunschtelegramm erhielt er vom IG-Farben-Konzern. Dieser Konzern legte den Reichsbehörden und obersten Parteistellen einen fertigen Plan zur „Neuordnung der chemischen Großindustrie Österreichs" vor, dessen Forderungen Staatssekretär Wilhelm Keppler zu der eher hilflosen als sarkastischen Rückfrage veranlaßten, „ob die IG die ganze österreichische Chemieindustrie zu schlucken beabsichtige". 1 2 1 Die IG-Farben bestellte bzw. „übernahm" die beiden Reichskommissare, die für die „Neuordnung" und Einbeziehung der österreichischen Chemieindustrie in die deutsche Rüstungswirtschaft eingesetzt wurden. Sie benannte einen ihrer Leute als Nachfolger des Generaldirektors der Skodawerke-Wetzler AG, Isidor Pollak, der bei einer Haussuchung von der faschistischen Polizei „buchstäblich zertreten" worden war. 1 2 2 Gauleiter Fritz Sauckel beschwerte sich über die IG, als er bei Göring telegraphisch seinen Wunsch auf „Erwerbung" der Munitionsfabrik in Hirtenberg bei Wien für den thüringischen Staats- und Parteikonzern der GustlofT-Werke anmeldete: „Ich bin der Meinung, daß die IG Farben nicht alles haben müssen." 1 2 3 Die Reichsbank unter Schachts Leitung verleibte sich die österreichische Staats120 s. Dok. NG-3578, Fall X I , A D B 23, Josef Leopold, Landesleiter der N S D A P in Österreich, an Hitler, 22. 8. 1937, DZA Potsdam, Fall X I , Nr. 285. Die dokumentarischen Belege für das Folgende s. in: Anatomie des Krieges, a. a. 0 . 121 „. . . whether the I. G. was intending t o swallow the whole of the Austrian chemical industry." (GK, Fall VI, Protokoll, Beweisvortrag des Anklägers, S. 108). 122 Dok. NI-10997, Alf. Franz Rottenberg, Fall VI, A D B 52 (GK). 123 DZA Potsdam, Gustloff-Werke, Nr. 16, Bl. 3 f., Telegramm v. Sauckel an Göring, 24. 3. 1938. 5-

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bank ein. Die Deutsche Bank verschaffte sich den Majoritätseinfluß auf die österreichische Creditanstalt-Bankverein AG, die Dresdner Bank schluckte die Mercurbank AG. Den Filialen tschechoslowakischer Banken in Österreich wurde die weitere Existenz unmöglich gemacht. 124 Die deutschen Großbanken, besonders die Deutsche und die Dresdner Bank, begannen auf diese Weise, ihre Expansion in Richtung Südosteuropa und Osteuropa in großem Stil zu verwirklichen, die sie seit langem in verbissener Konkurrenz betrieben. In den gleichen Bahnen, jedoch mit immer größerer Aggressivität und Brutalität, vollzog sich die Annexion der tschechoslowakischen Grenzgebiete nach dem Münchner Abkommen. Die Monopole bereiteten sich sehr frühzeitig darauf vor. Flick ließ sich schon im März 1938 durch das Reichswirtschaftsministerium davon informieren, „daß man vielleicht in einem halben Jahre schon eine andere Lösung der Probleme, insbesondere auch in bezug auf das Petschek-Problem, sehen würde . . ., da man die Besitzer dann doch praktisch als Inländer zu behandeln hätte." 125 Seine Informiertheit spielte er wiederum mit äußerster Brutalität gegenüber den jüdischen Eigentümern des Petschek-Konzern aus. Im Frühjahr (März-April) 1938 verhandelte die Chemische Fabrik von Heyden AG mit der Wehrwirtschaftsinspektion IV (Dresden) über die Chemiebetriebe in Usti (Aussig), die zu dem Konzern des „Vereins für chemische und metallurgische Produktion" („Prager Verein") gehörten. Die streng geheimen Verhandlungen „hatten zum Ziel, daß, wenn Aussig und Falkenau militärisch besetzt werden sollten, einige Herren der Fa. von Heyden, die den Aussiger Betrieb genau kennen, im wirtschaftlichen Stab des Armeegruppen-Kommandos die Fortführung der Betriebe des Aussiger Vereins in die Hand nehmen sollten." 126 Anfang Mai legte die Firma ihre „Gesichtspunkte" in einer Denkschrift nieder, die auch dem OKW zugeleitet wurde. Ein Fachmann des Unternehmens wurde „Ende September unter Beförderung zum Leutnant ausersehen . . ., sofort mit der militärischen Besetzung nach Aussig einzurücken." 127 Bei dem IG-Farben-Konzern lag der Höhepunkt seiner emsigen und sorgfältigen Vorbereitungen in derZeit von Juli bis September 1938.128 Aber auch er sondierte das Terrain im einzelnen schon unmittelbar nach der Annexion Österreichs. Paul Haefliger, IG-Farben-Direktor und einer der Südostspczialisten des Konzerns, hatte am 2. April 1938 ein internes Gespräch mit Staatssekretär Wilhelm Keppler, 124 s. Dok. 11870, Fall X I , A D B 144 A, Protokoll einer Vernehmung von Jan Dvofäcek, Direktor der Zivno-Bank, Prag, 22. 11. 1946, DZA Potsdam, Nürnberger Prozesse, Fall XI, Nr. 431, Bl. 278ff. 125 Dok. NI-3238, Fall V, Aktennotiz von Konrad Kaletsch, Generalbevollmächtigtem des Flick-Konzerns, 24. 3. 1938, zit. in: Fall 5, a. a. 0 . , Berlin 1965, S. 415f.; s. a. ebenda, S. 413. 126 Dok. NI-9161, Fall VI, A D B 54, Aktennotiz von Direktor Strubberg (von Heyden) üb. Besprechg. i. RWM, 6. 10. 1938, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 418/605. 127 Ebenda; s. a. Dok. NI-10401, Aktennotiz üb. d. Bespr. zwischen IG-Farben und von Heyden, 13. 10. 1938, ebenda. 128 s. Die Hintergründe des Münchner Abkommens von 1938, Berlin 1959, bsd. S. 160ff., 170fT. (Beiträge von Hans Radandt u. Vaclav Kral).

Kriegsziele und Kriegsplanung

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dem Beauftragten des Auswärtigen Amts und der Nazipartei in Wien und berichtete ihm über die österreichischen Interessen des Konzerns. „Ich benutzte die Gelegenheit — auf ein mir von Herrn Keppler gegebenes Stichwort hin — um zu sondieren, wie sich die deutschen Behörden zu einer Einflußnahme auf Unternehmungen in der Sudeten-Tschechoslowakei stellen. Keppler meinte, daß eine solche durchaus erwünscht sei, sie dürfe n u r nicht viel Geld kosten. Wir dürften diese Angelegenheit nicht so sehr von der . . .* aus betrachten, denn er glaube, sagen zu können, daß für die Tschechoslowakei wirtschaftlich die Aussichten deshalb nicht günstig wären, weil man ihr den Südostraum ziemlich absperren könnte. Ich zielte natürlich auf Aussig hin . . . Ich legte ihm dar, daß Aussig im Südosten eine bedeutende Rolle spielte und daß es nicht damit getan wäre, Aussig von seinen Märkten abzuriegeln, weil er dann in unsere Märkte eindringen würde, was Kampf und damit für uns Ausfall von Devisen zu bedeuten hätte." 1 2 9 Als Antreiber und Einpeitscher der Aggression gegen die Tschechoslowakische Republik betätigte sich der größte deutsche Konzern auch im einzelnen. E r ging noch im F r ü h j a h r 1938 dazu über, Juden und „Nationaltschechen" aus seinen Vertretungen und Konzerngesellschaften in der gesamten Tschechoslowakei zu entfernen. E r unterstützte finanziell und propagandistisch die chauvinistische deutsche Irredenta und sichtete schon die eigenen Kräfte, die als Spezialisten f ü r die Übernahme der tschechischen chemischen Betriebe in Frage kämen. 1 3 0 Im Oktober 1938 standen sich die IG-Farben und die Chemische Fabrik von Heyden als Konkurrenten im Kampf um die Aussiger Beute gegenüber. Sie „einigten" sich, um dritte Bewerber — wie Wintershall und Rütgers — um so sicherer aus dem Felde zu schlagen. Der IG-Farben-Konzern ließ — unwillig — den kleineren Mitbewerber, dem Dresdner Bank und Reichswirtschaftsministerium den Nacken steiften, in angemessenem Umfang an der Beute partizipieren. Neuer Chef der Chemiebetriebe in Aussig und Falkenau wurde der als Reichskommissar fungierende IG-Direktor Kugler. 131 Als am 15. März 1939 die deutschen Truppen in Prag einmarschierten, zogen die Vertreter der Großbanken mit ihnen und belegten alsbald die großen tschechischen Banken mit Beschlag. „An dem Abend", so bezeugte J a n Dvoräcek, leitender Direktor der Prager Zivno-Bank, „als die deutsche Armee Prag besetzte, erschien ein deutscher Offizier in unserer Bank und wollte mich sprechen. Ich sah ihn und sah, daß es der Baron von Lüdinghausen von der Dresdner Bank war. E r war Offizier. Das war am 15. März 1939." 132 Die Prager Banken, seit dem Herbst 1938 129 Dok. NI-3981, Fall VI, A D B 54, Bericht von Paul Haefliger, stellv. Vorstandsmitglied der IG Farbenindustrie AG, 6. 4. 1938, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 418/605 (* = Wort unleserlich). 130 s. Dok. NI-6221, Fall VI, A D B 54, Protokoll der „Tschechoslowakei-Besprechung" der Leiter der Verkaufsgemeinschaften des IG-Farben-Konzerns, DZA/FS, IG-FarbenProzeß, Film Nr. 418/605. 131 s. Anm. 127; vgl. auch Kuczynski, Jürgen, Lage der Arbeiter 1933—1945, S. 41ff. 132 Dok. NID-11870, Fall X I , A D B 144 A, Protokoll der Vernehmung von Jan Dvoräcek, 22. 11. 1946, DZA Potsdam, Nürnberger Prozesse, Nr. 431, Bl. 284. - Lüdinghausen war Direktor der Dresdner Filiale der Dresdner Bank.

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

58 schon

ihrer Filialen

in

den wirtschaftlich

stark

entwickelten

Grenzgebieten

beraubt, gingen nun gänzlich in' die Verfügungsgewalt der deutschen Großbanken über. Das deutsche Finanzkapital hatte damit alle wichtigen

Schlüssel für die

weitere wirtschaftliche Expansion nach Südosteuropa in Händen. A m 21. März 1939 fand in Prag eine grundlegende Besprechung statt, auf deren Tagesordnung v o r allem „ d i e Interessenabgrenzung zwischen den beiden deutschen Großbanken", der Deutschen und der Dresdner Bank, stand. Unter dem Vorsitz eines Vertreters des R W M einigten sich nach längeren Auseinandersetzungen Karl Rasche (Dresdner Bank) und Oswald Rösler (Deutsche Bank) über den Beschluß, daß die Böhmische Union-Bank von der Deutschen Bank und die

Böhmische

Escompte-Bank von der Dresdner Bank „übernommen" werden sollte. 133 Seither ging als geflügeltes W o r t in allerlei Variationen um: „ W e r kommt gleich hinter dem ersten Tank? Das ist Direktor Rasche von der Dresdner B a n k ! " Für den Überfall auf Polen — als erste Etappe der Expansion nach Osten — entstanden im Sommer 1939, gewissermaßen als generalstabsmäßige Unterlagen, umfangreiche Ausarbeitungen in den Büros der Monopole und ihrer Interessenverbände. Das Datum v o m 28. Juli 1939 trug der umfangreiche Bericht der Volkswirtschaftlichen Abteilung der I G Farbenindustrie A G „ D i e wichtigsten Chemiefirmen in Polen". 1 3 4 E r stellte den wichtigsten Teil eines umfassenden Berichts über die polnische Volkswirtschaft, des „Wirtschaftsberichts Polen", dar, der den Konzernchefs A n f a n g August vorgelegt wurde. M i t diesem Bericht sorgten die Leiter der I G dafür, „daß ihr Trust im Augenblick des militärischen Überfalls auf Polen sofort imstande war, die ihm angenehmsten

Früchte der Aggression zu ernten." 1 3 5 I m Auftrag

des Stahlwerks-Verbandes wurde ferner Mitte 1939 eine Ausarbeitung über „Polens Eisen schaffende Industrie" fertiggestellt. 1 3 6 Die hervorstechenden Erfolge des IG-Farben-Konzerns bei den ersten Beutezügen des deutschen Imperialismus v o r dem eigentlichen Ausbruch des Krieges hingen ohne Zweifel mit seiner dominierenden Stellung im Vierjahresplan zusammen, auf dessen wirtschaftliche Zielsetzung er sich stets berufen konnte. Umgekehrt wiederum war das fühlbar rasche Herannahen des Krieges offensichtlich eine wesentliche Ursache dafür, daß der Konzern jene staatsmonopolistische Stellung zur gleichen Zeit, im Frühjahr und Sommer 1938, mit allen Mitteln auszubauen bestrebt war. 137 133 s. Dok. NID-13394, Fall X I , A D B 144 B, Aktennotiz v. Anton Kiesewetter, Direktor der Kreditanstalt der Deutschen, 21. 3. 1939, DZA Potsdam, Nürnberger Prozesse, Fall X I , Nr. 432, Bl. 80ff. 134 Dok. NI-9151, Fall V I , A D B 55 (nur Auszüge), DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 418/605 ( = Vowi-Bericht Nr. 3602). 135 Puchert, Berthold, Fragen der Wirtschaftspolitik des deutschen Faschismus im okkupierten Polen von 1939 bis 1945, mit besonderer Berücksichtigung der IG Farbenindustrie AG, Wirtsch.-wiss. Hab.-schrift, Berlin 1968, S. 184. 136 W A P Katowice, Stahlwerks-Verband, Verbindungsstelle Kattowitz, Nr. 47. 137 Carl Krauch betrieb die bereits beschriebenen Änderungen in Struktur und Organisation des Vierjahresplans zur gleichen Zeit, als Carl Bosch sich von Göring über die politische

Kriegsziele und Kriegsplanung

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Ganz allgemein stand die Stärke seiner staatsmonopolistischen Position und seine maßgebliche, unmittelbare Mitwirkung am Zustandekommen von Krieg und Kriegsplänen in direktem Verhältnis zueinander. Der Vorkriegsexpansion dieses Konzerns lagen eine besonders klare Kriegskonzeption und eine besonders weit vorausschauende und umfassende Kriegszielstrategie zugrunde. Am 28. April 1939 berichtete Carl Krauch vor dem Generalrat des Vierjahresplans über Stand und Aussichten seiner Arbeiten als GB Chemie. Sein Bericht 138 legt dokumentarisch Zeugnis darüber ab, wie maßgeblich und planmäßig sich der IGFarben-Konzern daran beteiligte, eine weitgespannte imperialistische Eroberungsstrategie zu erarbeiten. Krauch konfrontierte sein Publikum auf 80 Seiten eines eingehenden Planberichts voll detaillierter Angaben und Berechnungen eindeutig und ausdrücklich mit dem bevorstehenden Krieg und der sich daraus ergebenden rüstungswirtschaftlichen Situation. In einer strategischen Großzügigkeit, welche die der Generalstäbe weit in den Schatten stellte, faßte er seine Konzeption für diesen Krieg zusammen. „Heute wie 1914 erscheint die deutsche politische und wirtschaftliche Lage — eine von der Welt belagerte Festung — eine rasche Kriegsentscheidung durch Vernichtungsschläge gleich zu Beginn der Feindseligkeiten zu verlangen." So müsse beispielsweise die Munitionsbevorratung reichlich genug bemessen sein, um „zu Kriegsbeginn gegenüber der feindlichen die absolute und damit vielleicht kriegsentscheidende Überlegenheit zu sichern." In der kommenden Zeit müsse vor allem dem drohenden Treibstoffmangel begegnet werden; für den Kriegsfall „ist unser Wirtschaftsraum in Großdeutschland zu klein für eine volle Befriedigung der wehrwirtschaftlichen Mineralölansprüche." Notwendig sei eine „Großraumplanung", insbesondere die „Einbeziehung des südosteuropäischen Wirtschafts- und Rohstoffraumes" als „eines wehrmachtsmäßig zu sichernden Raumes". Als unmittelbares wirtschaftsstrategisches Ziel nannte Krauch: „Schaffung eines einheitlichen Großwirtschaftsblocks der vier europäischen Antikomintern-Partner, zu denen bald Jugoslawien und Bulgarien hinzutreten müssen. . . . Der Block muß seinen Einfluß ausdehnen auf Rumänien, Türkei und Iran." „Deutschland muß", so resümierte Krauch, „das eigene Kriegspotential und das seiner Verbündeten so stärken, daß die (faschistische — D. E.) Koalition den AnLage informieren ließ und die aus der wachsenden Kriegsgefahr zu ziehenden Folgerungen mit ihm besprach (s. Vernehmung von Carl Krauch, Dok. NI-6768, Fall VI, A D B 24, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 414, gleichfalls A D B 20, a. a. 0 . , Film Nr. 413). 138 „Arbeitsbericht des Generalbevollmächtigten des Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring für Sonderfragen der chemischen Erzeugung Dr. C. Krauch vor dem Generalrat", Entwurf v. 20./21. April 1939, Dok. EC-282, Fall X I , A D B 119, DZA Potsdam, Fall XI, Bd. 408, Bl. 311. Erstaunlich ist, daß dieses entlarvende Dokument bisher von der marxistischen Forschung unentdeckt blieb. Daher konnte es von der bürgerlichen Geschichtsschreibung totgeschwiegen werden; es wird auch von einem kundigen Autor wie Petzina kommentarlos übergangen. Ausführlicher Abdruck erfolgt in: Eichholtz, Dietrich, Zum Anteil des IG-Farben-Konzerns an der Vorbereitung des zweiten Weltkrieges, in: JWG 1969, T. 2.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

strengungen fast der ganzen übrigen Welt gewachsen ist." Er betonte „die zwingende Notwendigkeit, im Kriegsfalle die Ukraine wehrwirtschaftlich auszunutzen", und reihte auch die USA in die Schar der Gegner Deutschlands ein, zumal da die Vereinigten Staaten diese „vom ersten Mob-Tag ab oder vermutlich schon jetzt" mit Pulver, Sprengstoffen und Munition unterstützen würden. In der nächsten Zeit, so schloß er, müsse die deutsche Durchhaltefähigkeit für den gegen diese Welt von Feinden zu führenden Krieg „durch eine der Rohstoffbasis der Koalition entsprechende verbesserte, zunächst friedliche Ausweitung des Großwirtschaftsraumes auf den Balkan und Spanien" gestärkt werden. 139 Mit der hier angekündigten Linie des GB Chemie und faktischen Chefs der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau stimmte in höchst bemerkenswerterWeise die außenwirtschaftliche und außenpolitische Aktivität der Vierjahresplanorganisation in den folgenden Monaten überein, besonders die des Ministerialdirektors zur besonderen Verwendung Görings, Helmuth Wohlthat. Auf den ganzen Komplex der Londoner Verhandlungen Wohlthats im Juni und Juli 1939, die er bei einem früheren Londoner Aufenthalt im April 1939 vermutlich schon vorbereitet hatte, und auf ihren verwickelten außenpolitischen Hintergrund braucht in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen zu werden. 140 Der wirtschaftlich wichtigste Punkt in den inoffiziellen Londoner Gesprächen Wohlthats mit führenden Beamten des britischen Handelsministeriums (Hudson, Ashton-Gwatkin) und mit Horace Wilson, dem Staatssekretär des Schatzamtes, Chief Economic Adviser der britischen Regierung und engen Vertrauten Chamberlains, war die Anerkennung Südost- und Osteuropas als „Gebiete besonderen Interesses und wirtschaftlichen Einflusses", als „besondere(n) wirtschaftliche(n) Interessensphäre des Großdeutschen Reiches" 141 , also eine weitgehende Handlungsfreiheit für den deutschen Imperialismus im europäischen Südosten und Osten. Dies erklärte Wohlthat zur Grundvoraussetzung für seinen Plan deutsch-britischer Zusammenarbeit. 142 Wohlthats Vorschläge und Forderungen im Juni, auf die die englische Seite im Juli ausführlich und zunächst durchaus positiv einging, wurden, wie er sich in vor139 Ebenda, Bl. 68ff„ 103ff., 114ff. - Hervorheb. i. Original. 140 s. Teichovd, Alice, Die geheimen britisch-deutschen Ausgleichsversuche am Vorabend des zweiten Weltkrieges, in: ZfG, H. 4/1959, S. 755ff. Neuerdings ausführlicher speziell über die Wohlthat-Gespräche Metzmacher, Helmut, Deutsch-englische Ausgleichsbemühungen im Sommer 1939, in: VfZ, H. 4/1966, S. 367ff., eine im ganzen unkritische Apologie, die sich auch auf Wohlthat selbst erstreckt, der heute in Westdeutschland lebt. Vgl. auch die Dokumente Botschafter Dirksens in Dokumente und Materialien aus der Vorgeschichte des zweiten Weltkrieges, Bd. 2: Das Archiv Dirksens (1938-1939), Moskau 1949, passim. 141 Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918—1945. Aus dem Archiv des deutschen Auswärtigen Amtes (imfolgenden: AD AP), SerieD, Bd. 6, Baden-Baden 1956, Nr. 716, S. 826, 828, Bericht Wohlthats an Göring v. 24. Juli 1939; Teichovd, Alice, a. a. 0 . , S. 775. 142 Documents on British Foreign Policy 1919—1939 (im folgeftden: DBFP), Series 3, Bd. 5, London 1952, Nr. 741, S. 791f., Niederschrift Ashton-Gwatkins v. 7. Juni 1939.

Kriegsziele und Kriegsplanung

6i

sichtiger, vorbereiteter Formulierung ausdrückte, gebilligt und unterstützt „sicher vom Reichswirtschaftsministerium und der Reichsbank (beides in Personalunion geleitet von Funk — D. E.), möglicherweise von Feldmarschall Göring, möglicherweise von der Armee und sicher von deutschen Industriellen und Geschäftsleuten." 1 4 3 Zwischen seinen beiden Londoner Aufenthalten im Juni und im Juli 1939 aber weilte Wohlthat wochenlang zu Wirtschaftsverhandlungen in Spanien (!). 144 Erwähnenswert bleiben in unserem Zusammenhang auch die Beziehungen zwischen Wohlthat und Botschafter Dirksen während dieser Sommermonate. Dirksen, ein Vetter des IG-Farben-Direktors Georg v. Schnitzler, führte die deutsch-britischen Geheimbesprechungen später bis in den August hinein fort. 1 4 5 Wohlthat, der Sonderbeauftragte Görings, verfolgte also geflissentlich und peinlich genau die Spur, die Krauch vorgezeichnet hatte, nämlich die, wenn erreichbar, „zunächst friedliche Ausweitung des Großwirtschaftsraumes" in Richtung Südosten (Balkan), Osten (Ukraine via Polen) und Spanien — für den „eingeplanten" Weltkrieg. Kein anderer Konzern als der IG-Farben-Konzern konnte in dieser Weise den künftigen Weltkrieg in sein brutal-nüchternes, zugleich weltumgreifendes Kalkül ziehen. Seine staatsmonopolistische Position, sein Einfluß auf Ökonomie, Politik und Strategie standen damals auf einsamer Höhe. Kriegslüsternheit und Expansionsdrang erfüllten indessen alle führenden Monopole und Monopolgruppierungen. Allgemein anerkanntes und begehrtes Aggressionsund Eroberungsziel war die Sowjetunion. In einer Denkschrift für Hitler vom August 1936 gab Hermann Röchling eine ganze Reihe von Anregungen für die Innen- und Außenpolitik angesichts des, wie er betonte, vor allem mit der Sowjetunion notwendig bevorstehenden Krieges. 1 4 6 Röchling rechnete, seiner Denkschrift nach zu urteilen, ähnlich wie auch Schacht mit einem Kontinentalkrieg mit britischer Duldung, wenn nicht Unterstützung; die Vereinigten Staaten schienen noch ganz außerhalb seines Gesichtskreises zu liegen. Eine Hauptstoßrichtung der gesamten Vierjahresplanpolitik zielte gleichfalls gegen die Sowjetunion. Schon in den ersten Zeilen der Hitlerschen Vierjahresplandenkschrift war diese Richtung in den rabiatesten Tönen vernehmbar. Aber die Autarkieplanung und überhaupt die Politik des Blocks Göring/IG waren ebenso auch wirtschaftliches Kampfmittel gegen die imperialistischen Westmächte, besonders gegen Großbritannien und die USA. Beim Kern der Vierjahresplangruppierung handelte es sich also augenscheinlich um Kräfte mit noch weiter reichenden Expansionszielen und -programmen; diese Kräfte waren zugleich in bezug auf die notwendige Ausweitung des Krieges gewissermaßen rea-

143 Ebenda, S . 792 (certainly . . . probably). 144 DBFP, a. a. 0 . , S. 793; AD AP, a. a. 0 . , S. 823; s. a. AD AP, a. a. 0 . , B d . 3, BadenB a d e n 1951, Nr. 809, S . 785 ff., Bericht Wohlthats über seinen Spanienaufenthalt v. 12. 6. bis 5. 7. 1939, o. D. 145 Metzmacher, Helmut, a. a. 0 . , S. 397 ff.; Teichovd, Alice, a. a. 0 . , S. 779 ff. 146 Dok. NI-299, Fall X I , A D B 29 A, DZA Potsdam, Fall X I , Nr. 291, Bl. 152ff. Siehe auch Kapitel V.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

listischer, „weitblickender" als Schacht, Thyssen und auch Röchling, ihr Kriegsplan also noch abenteuerlicher. Etwa zur gleichen Zeit, als im Generalrat des Vierjahresplans über die wehrwirtschaftliche Ausnutzung der Ukraine im Kriegsfall gesprochen wurde, erklärte Wilhelm Keppler offiziell vor dem Zentralausschuß der Reichsbank, in dem die erste Garnitur der deutschen Finanzoligarchie saß, die Sowjetunion müsse bis zum Ural germanisiert werden. 147 Seit 1936 wurde Deutschland von der Welle eines inszenierten Kolonialismus erfaßt. Eben wieder „wehrhaft" und damit „gleichberechtigt" geworden, empfand es der deutsche Imperialismus als unerträglich, eines der wichtigsten Attribute eines imperialistischen Staates vermissen zu müssen. Die chauvinistische Kolonialpropaganda im In- und Ausland wurde ergänzt durch intensive Vorarbeiten in Konzernzentralen, Reichs- und Wirtschaftsgruppen, Behörden und Parteistellen für einen neuen, großen kolonialen Raubzug, besonders in Afrika. Das geford erte Kolonialreich sollte durch kombinierten politischen und wirtschaftlichen Druck und durch Erpressung mit militärischen Drohungen ausgehandelt oder aber, wenn notwendig, auf dem Wege zukünftiger kriegerischer Auseinandersetzungen erobert werden. Der führende Vertreter des offiziellen Kolonialismus war Hjalmar Schacht. Er verfocht im In- und Ausland in Wort und Schrift skrupellos die Kolonialinteressen des deutschen Imperialismus. Er setzte besonders die herrschende Klasse in den Vereinigten Staaten unter Druck mit der Forderung, die europäischen Kolonialmächte zu veranlassen, Deutschland Kolonien abzutreten bzw. zurückzugeben. 148 Carl Goerdeler unternahm nach seiner Ablösung als Reichspreiskommissar im Herbst 1935 jahrelang halboffizielle Reisen durch die kapitalistische Welt, die der Bosch- und der Krupp-Konzern finanzierten. Er durchforschte die Erdteile nach Möglichkeiten für den deutschen Imperialismus, unverzüglich wieder ins koloniale Geschäft einzusteigen. 149 In den Zentralen der Großbonken und Konzerne wurden die umfassendsten Kolonialplanungen entworfen. Konzernherren wie Max ligner (IG-Farben) und Bankdirektoren wie Kurt Weigelt (Deutsche Bank) waren nicht bloß unentbehrliche Berater der faschistischen Behörden und Kolonialorganisationen, sondern entwickelten selbst in wichtigen staatsmonopolistischen Positionen die Programmatik und Strategie 147 s. die mehrfache beifällige Zitierung und Erwähnung dieser Losung Kepplers bei Thyssen, Fritz, I Paid Hitler, London/New York 1941, passim; s. a. Kapitel V. 148 s. Schacht, Hjalmar, Deutschlands Kolonialproblem, Artikel aus „Foreign Aflairs", Januar 1937, Reichsbanknachdruck, in: DWI, Nr. 5960, Bd. 1; s. a. DocLd, William E„ Diplomat auf heißem Boden, S. 421ff. (Eintragg. üb. Gespräch mit Schacht am 29. 12. 1936). 149 vgl. Glasneck, Johannes, Carl Goerdeler — Apologet der faschistischen Nahostexpansion und Vorläufer des Bonner Neokolonialismus, in: ZfG, H. 8/1963, S. 1490ff.; s. a. die Denkschriften Goerdelers für die Hitlerregierung in: DZA Potsdam, Reichskanzlei, Nr. 3503; Ritter, Gerhard, Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung. 3. Aufl. Stuttgart 1956, S. 157 lf.

Kriegsziele und Kriegsplariung

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der deutschen Kolonialexpansion. Besonders Weigelt, Schlüssclfigur des deutschen Koloniniismus seit dem ersten Weltkrieg, vereinigte bei sich die entscheidenden kolonialpolitischen Funktionen in der Reichsleitung der faschistischen Partei und in der Reichswirtschaftskammer. 1 5 0 So belegen bereits die noch spärlichen Forschungsergebnisse für die unmittelbare Vorkriegszeit, daß das deutsche Monopolkapital ein großes, vielfältiges Kriegszielprogramm der Ausbreitung seiner Herrschaft über Europa und über die Welt verfolgte. Das Kernstück dieses Programms war die Zerschlagung der Sowjetunion. Zwei erklärte Hauptkriegs- und -expansionsziele vereinten die Hitlerclique und alle bedeutenden Monopole und Monopolgruppen von Anfang a n : die „Abschaffung von Versailles" und die „Eroberung neuen Lebensraumes im Osten". U n t e r der „Abschaffung von Versailles" verstanden die Monopole, wie sie es später offen formulierten, die „Wiedereroberung" aller verlorenen ökonomischen und politischen Positionen und die „Wiedergutmachung" aller Schädigungen an Profitquellen und Monopolstellungen, die das Versailler System ihnen beschert h a t t e . Als nächste Schritte planten sie, die Sowjetunion zu überrennen, zu liquidieren u n d sich ihre unermeßlichen Reichtümer anzueignen sowie einen europäischen „Großwirtschaftsr a u m " , möglichst in Verbindung mit einem riesigen afrikanischen Kolonialreich, zu errichten. Die Reihenfolge, in der sie die zuletzt genannten Ziele verfolgen wollten u n d später auch tatsächlich verfolgten, war kein unabänderliches Postulat ihrer Expansionsstrategie, zumal da sie ganz wesentlich von der jeweiligen außenpolitischen und militärischen Kräftekonstellation abhing. Es galt jedoch als feststehend, daß man zuerst eines der beiden Ziele erreichen müsse, damit jeweils der Kampf u m das andere wirtschaftlich durchgestanden werden könne. Schließlich waren die entwickeltsten, im W e l t m a ß s t a b besonders starken Monopole darauf vorbereitet, auch in die außereuropäischen „Großräume" vorzudringen. Sie rechneten schon mit künftigen, früher oder später notfalls kriegerischen Auseinandersetzungen größten Maßstabs mit denjenigen Mächten, welche die übrigen imperialistischen „Großwirtschaftsräume" beherrschten, vor allem mit den USAMonopolen, aber auch mit dem — damals offiziell verbündeten — italienischen und japanischen Imperialismus. Als die deutschen Imperialisten, voran die führenden Monopole, im J a h r e 1940 auf der Höhe ihrer militärischen Erfolge darangingen, in Bergen von „Neuordnungs"Plänen, „Wunschprogrammen" und „Friedensplanungen" ihre ungeheuerlichen Weltherrschaftspläne zu fixieren, waren es im Grunde nur ihre alten, mehr oder weniger klar formulierten, mehr oder weniger einheitlich vertretenen Kriegszielvorstellungen und -programme aus der Zeit vor dem Krieg, die sie n u n unter den neuen, wie es schien, günstigen militärisch-politischen Bedingungen bis ins Detail ausarbeiteten und weiterentwickelten. 1 5 1 150 s. Radandt, Hans, Zur Geschichte der kolonialistischen Bestrebungen deutscher Finanzgruppen gegenüber den Ländern Afrikas, in: JWG 1962, T. 4, S. 81; derselbe, Zu den Beziehungen . . a . a. 0 . , S. 28f.; s. a. Kapitel IV. 151 s. Kapitel IV und V.

K A P I T E L II

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

Das faschistische Deutschland besaß bei Kriegsbeginn eine in langen Jahren vorbereitete, vielfach bis ins Detail ausgebaute staatsmonopolistische Wirtschaftsordnung. Nichtsdestoweniger schuf der Krieg durchaus neue Bedingungen für das Funktionieren der Wirtschaft. Schon mit seinem Beginn waren verschiedene äußere Erscheinungen und Ereignisse verbunden, die bereits erkennen ließen, daß der Kriegsausbruch in der wirtschaftlichen Entwicklung — ähnlich wie in der militärischen und politischen — einen qualitativen Einschnitt von grundsätzlicher Bedeutung darstellte. Der Kriegsausbruch beeinflußte die Wirtschaft sogleich durch einen Abzug menschlicher Arbeitskraft aus der Produktion, der sich angesichts der schon vorher stark angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt nur noch einschneidender bemerkbar machte. Die Zahl der Beschäftigten ging durch Einberufungen zur Wehrmacht im ersten Kriegsjahr um etwa 10 Prozent zurück und erreichte den alten Stand auch nicht wieder, obwohl sofort nach den ersten Eroberungen Kriegsgefangene und Zivilisten aus den besetzten Gebieten zur Arbeit in der deutschen Wirtschaft gezwungen wurden. Mit einem Schlage wurde die bis ins einzelne vorbereitete Zwangsbewirtschaftung und Rationierung der Lebensmittel, Textilien , und anderer Konsumgüter für die Bevölkerung, die in Anfängen schon vorher eingesetzt hatte, auf alle wichtigeren Güter des täglichen Lebens ausgedehnt. Seitdem herrschte das umfassende System der faschistischen „Bewirtschaftung". Die deutschen Außenhandelsbeziehungen zu der gegnerischen Mächtegruppierung brachen abrupt ab. Der deutsche Überseehandel brach zusammen. Dies hatte erhebliche Auswirkungen nicht nur auf die Produktionsgüter- und auf die Rüstungsindustrie, sondern gerade auch auf die Konsumgüterindustrie, auf die LandwirtSchaft und allgemein auf das Angebot von Konsumgütern.

Das Kriegsrecht in der Wirtschaft

Ü5

1. Das Kriegsrecht in der Wirtschaft und die Lage der Werktätigen a) Das „Paket"

der

Kriegswirtschaftsgesetzgebung

Die einschneidendsten Veränderungen im Innern des Reiches betrafen die Lage der werktätigen Massen. Die Aufgabe, die Kriegswirtschaft in Gang zu setzen, bestand für die herrschende Klasse ökonomisch vor allem darin, das Nationaleinkommen den Erfordernissen des Krieges entsprechend radikal umzuverteilen in der Weise, daß die arbeitenden Massen zu den Kriegskosten maximal beisteuerten, da die Monopole nicht willens waren, auf die Kriegsprofite zu verzichten. Die Arbeitskräfte mußten zudem zur Mehrarbeit für den Krieg gezwungen und je nach den kriegswirtschaftlichen Notwendigkeiten auch zwangsweise „gelenkt" und eingesetzt werden können. Die deutschen Imperialisten hatten sich in den ihnen gesteckten Grenzen nachhaltig bemüht, aus ihrer Niederlage im ersten Weltkrieg Lehren zu ziehen. Gerade auf diese ihre ökonomische Hauptaufgabe waren sie genauestens vorbereitet. Wie exakt auf diesem Gebiet der Krieg geplant worden war, zeigt eine nähere Untersuchung der umfangreichen kriegswirtschaftlichen Gesetzgebung von Ende August/ Anfang September 1939. Wichtige Teile dieser Gesetzgebung waren die Kriegswirtschaftsverordnung (KWVO), die zahllosen Bewirtschaftungs- und Beschlagnahmeverordnungen sowie Verordnungen zum Abbau arbeitsrechtlicher Bestimmungen und zur Beseitigung der. Freizügigkeit der Werktätigen. Das jahrelang vorbereitete Gesetzeswerk, das sich bereits in den ersten zwölf Tagen (27. August bis 7. September) im Reichsgesetzblatt auf annähernd zweihundert Seiten erstreckte und seinesgleichen erst wieder in unseren Tagen in dem „Notstandspaket" der westdeutschen Bundesregierung hat, stellte vor allem anderen einen schweren und massierten Angriff auf die Lebensgrundlagen des Volkes dar. Die Bestimmungen der KWVO beispielsweise sahen hohe Kriegsbesteuerung vor, Aufhebung der gesetzlichen Arbeitszeitbeschränkung, Aufhebung des tariflichen Urlaubs und Abschaffung aller Mehrarbeits-, Nacht-, Sonn-und Feiertagszuschläge. Von der anscheinend schrankenlosen Freiheit gegenüber dem Volk, die das Kriegsrecht den Nazibehörden und den Monopolen gab, versuchten sie sogleich Gebrauch zu machen, indem sie mittels der KWVO und der anderen Notstands- und Kriegsrechtsverordnungen ein totales Zuchthausregime („Militärzuchthaus") für die Werktätigen zurechtzimmerten, sie in staatsmonopolistische Sklaverei von extremer Form brachten. Die faschistische Arbeitsgesetzgebung der letzten Jahre vor dem Krieg, besonders seit 1938, trug bereits Kriegscharakter. Gemessen an den Absichten der Gesetzgeber, hatte sie bisher aber nur unbefriedigende Ergebnisse gezeitigt, „their effects on the way of life of the working population were limited." 1 Die drakonischen Bestimmungen bezüglich Lohnstopps, Freizügigkeit, Dienstpflicht usw. zeigten vor allem deswegen 1 Mason, T. W., Labour in the Third Reich, a. a. 0 . , S. 137.

66

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

verhältnismäßig wenig Wirkung, weil sie unter den Bedingungen der Rüstungsk o n j u n k t u r nichts weniger als geeignet waren, das eigentliche soziale Problem der deutschen Imperialisten zu lösen : „. . . the stubborn, despairing refusai of the working classes to become the selfless servants of the régime." 2 J e t z t aber herrschten Krieg und Kriegsrecht, und geradezu erleichtert zogen die faschistischen Behörden das zu diesem Zweck vorbereitete Gesetzesbündel aus den Schubladen, in das ihre schärfsten Entwürfe eingeflossen waren. 3 Die auf das Kriegsrecht gestützten Maßnahmen waren sehr weitgehend, sehr radikal und zielten auf eine drastische Verschlechterung der Lage der Arbeiterklasse und der anderen arbeitenden Schichten ab. Allerdings, um es vorweg zu sagen, es gelang Monopolen und Naziclique selbst jetzt, unter Kriegsbedingungen, nur zu einem Teil, das Geplante und Verordnete durchzusetzen bzw. durchzuhalten. Zu verzeichnen waren freilich solche erheblichen „Fortschritte" im staatsmonopolistischen Aufbau der Kriegswirtschaft, in der Einrichtung des Zuchthausregimes f ü r die Werktätigen, wie die Kriegsbesteuerung, die dem System nach voll ausgebildete Konsumrestriktion und Regulierung der Verteilung, sowie die Ablieferungspflicht für alle wichtigen landwirtschaftlichen Produkte. Die schon bestehenden Bestimmungen (Lohnstopp, Freizügigkeitsbeschränkung, Dienstverpflichtung) wurden erweitert bzw. verschärft. Der Terror als Mittel, sie durchzusetzen, nahm unter dem Kriegsrecht an Ausmaß und Brutalit ä t noch zu. 4 Die Zwangsdienstpflicht („Dienstverpflichtung") nahm erst im Kriege ständigen und massenhaften Charakter an. Nicht minder aufschlußreich für die Entwicklung des Gegensatzes zwischen den Herrschenden und dem Volk im allgemeinen, für das Funktionieren, Reagieren und Lavieren des staatsmonopolistischen Apparats im besonderen waren aber auch diejenigen Gesetze, Verordnungen und Paragraphen, mit denen die Faschisten nicht durchkamen oder bei denen sie Zugeständnisse machen mußten. 2 Ebenda. 3 Ausführliche Entwürfe für eine umfassende Kriegsgesetzgebung, deren Kernstück ein Kriegsleistungsgesetz war, lagen schon 1933/34 dem Reichsverteidigungsrat vor. Siehe Dok. EC-177, Protokoll der 2. Sitzung des Arbeitsausschusses für die Reichsverteidigung, zugleich Gründungssitzung des Reichsverteidigungsrats, 22. Mai 1933, IMT, Bd. 36, S. 219 S. ; Dok. EC-404, Bericht über die 6. Sitzung des Arbeitsausschusses des Reichsverteidigungsrats, 23./24. Jan. 1934, a. a. 0., S. 381ff.; Dok. EC-128, Bericht des Reichswirtschaftsministers für den Reichsverteidigungsrat v. 30. Sept. 1934, a. a. 0., S. 158ff. 4 Hierzu s. Kuczynski, Jürgen, Lage der Arbeiter 1933—1945, S. 245ff.; Drobisch, Klaus, Dokumente zur direkten Zusammenarbeit zwischen Flick-Konzern und Gestapo bei der Unterdrückung der Arbeiter, in: JWG 1963, T. 3, S. 213ff.; EichhoUz, Dietrich, Gewalt und Ökonomie, in: JWG 1964, T. 2/3, S. 366ff.

Das Kriegsrecht in der Wirtschaft

b) Das System

der

67

Zwangsrationierung

Die „Verordnung zur vorläufigen Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs des deutschen Volkes" vom 27. August 1939 5 unterwarf die Bevölkerung einem schon seit Jahren vorbereiteten umfassenden Rationierungssystem. An diesem Tage, einem Sonntag, wurden die Rationierungsmaßnahmen wie aus heiterem Himmel, ohne jede Vorankündigung, durch Rundfunk bekanntgegeben. Damit setzte vom nächsten Tage an das dem Volk verhaßte Kriegssystem der Lebensmittelkarten und Bezugscheine ein. Für die ersten vier Wochen wurden zum Einkauf von Lebensmitteln Ausweiskarten ausgegeben, die 1937 in der Reichsdruckerei gedruckt worden waren. 6 In der folgenden Zeit wurden Lebensmittelkarten, unterschieden nach Warenart („Reichsbrotkarte", „Reichsfleischkarte", „Reichseierkarte" usw.) und nach Altersstufen, ausgegeben, für die Muster und Druckvorschrift schon 1938 als Geheime Reichssache ausgearbeitet worden waren. Es wurden sofort rationiert: Fleisch, Fett und Butter (Beschränkungen im Einkauf von Butter gab es bereits seit November 1936, eine allgemeine Eintragung in Kundenlisten für Butter seit März 1937), Käse, Vollmilch, Zucker, Marmelade, Grieß, Graupen und andere Nährmittel, Kailee (Ersatzmittel), Seife und andere fetthaltige Waschmittel. Sofortige Bezugscheinpflicht wurde für Textilien, Schuhe und SchuhWder verordnet. Hausbrandkohle wurde in örtlich festgesetzten Mengen zugeteilt. Am 11. September setzte die Kontingentierung von Fahrradbereifung ein; vom 25. September an wurden Brot und Eier rationiert. Am 1. November trat die „Reichskleiderkarte" in Kraft, die pro J a h r (später für je anderthalb Jahre) 100—150 sogenannte Punkte zum Einkauf von Textilien enthielt (ein Wintermantel wurde z. B . mit 120 Punkten angerechnet, ein Bettbezug mit 55, ein Schlafanzug mit 45, eine Bluse mit 20, ein Handtuch, ein Paar Strümpfe oder Handschuhe mit je S Punkten). 5 RGBl. 19391 S. 1498 C. (mit vier Durchführungsverordnungen vom gleichen Datum). 6 vgl. auch für das Folgende Schmitz, Hubert, Die Bewirtschaftung der Nahrungsmittel und Verbrauchsgüter 1939—1950. Dargestellt am Beispiel der S t a d t Essen, Essen 1956,. p a s s i m ; s. a. Sperling, Hans, Die Ernährung in Physiologie und Volkswirtschaft, Berlin (W) 1955, S. 2 7 2 3 . Der Druck von 70 Mill. Lebensmittelkarten („Bezugscheinen") für die ersten vier Wochen schlug bereits im Sept. 1934 der Vertreter Schachts im Reichsverteidigungsrat vor (Dok. EC-128, Bericht des Reichswirtschaftsministers „über den Stand der Arbeiten für eine wirtschaftliche Mobilmachung am 30. Sept. 1934 einschl. kurzer Begründung des beigefügten Verordnungswerks", I M T , B d . 36, S. 188). Im Sommer 1935 waren die Karten wegen Lagerungsschwierigkeiten (Geheimhaltung!) noch nicht gedruckt (Dok. EC-405, Bericht über die 10. Sitzung des Arbeitsausschusses des Reichsverteidigungsrats, 26. J u n i 1935, a. a. O., S. 4 2 i f . ) . Dem Zeugnis des RV-(Reichsverteidigungs-)Referenten im Reichsministeripm für Ernährung und Landwirtschaft zufolge ließ der Reichsverteidigungsrat sie jedtoch schon 1935 oder 1936 drucken (Dok. NID-12721, Äff. Kurt Dietrich, 22. Nov. 1947, Fall X I , A D B 102 A, DZA Potsdam, F a l l X I , Nr. 387, Bl. 197f.). Vgl. auch Melier, Rolf, a. a. O., S. 38ff.

68

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

Die Lebensmittelrationen 7 betrugen anfangs je Woche an Brot

2400g

Fleisch und Fleischwaren

700 g

Zucker (z. T. wahlweise, im

335 g

Verhältnis 2:1, Marmelade) Nährmittel Kaffee (Ersatz)

150 g 63 g

und täglich an Butter, anderen Fetten oder ö l

60 g

Milch

0,21

Schwer- und Schwerstarbeiter erhielten zusätzlich wöchentlich 490 g Fleisch und 350 g Fett (ausgenommen Butter). 8 Die allgemeinen Fleisch- und Fettrationen wurden indessen nach vier Wochen auf wöchentlich 500 g bzw. 270 g gesenkt. Vollmilch erhielten nurmehr Kinder im Alter bis zu 14 Jahren. Ein riesiger bürokratischer Verwaltungsapparat befaßte sich mit der Rationierung und Verteilung der Waren. Er schloß sich im Aufbau eng an die „Marktordnung" an, die 1933, dem Reichsnährstandsgesetz gemäß, entstanden war. Bereits dies Gesetz ließ, wie der westdeutsche „Bewirtschaftungs"-Experte Schmitz bestätigt, „als leitenden Gedanken die Befähigung der deutschen Landwirtschaft zur Versorgung der Bevölkerung in einem Kriege erkennen"; d . h . , die Eingeweihten waren sich über Sinn und Perspektive der „Marktordnung" von Anfang an im klaren. 9 Die Kosten dieses Apparats müssen in die Milliarden gegangen sein. Schon der Finanzbedarf eines einzigen Ernährungs- und Wirtschaftsamtes wie desjenigen der Stadt Essen belief sich während des Krieges auf rund 20 Millionen Mark. 10 Die Rationierung erfüllte dem Regime neben dem Hauptzweck, der einschneidenden Beschränkung des Verbrauchs, noch einen anderen Zweck. Der erzwungene Konsumverzicht der Masse der Bevölkerung vermehrte den Zufluß von Spargeldern in die Sparkassen und Banken. Dieses Geld aber wurde „geräuschlos" dem Staat zu Kriegszwecken zur Verfügung gestellt. Die Rationierung lief also auch auf eine simple, höchst effektive Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten der Kriegsrüstung und der Rüstungsmonopole hinaus, wie sie keine Steuer besser hätte besorgen können. Allerdings waren die Lebensmittelrationen anfangs und noch weit in den Krieg hinein relativ hoch, gerade auch bei Fleisch und Fett, sogar höher als die Mengen, 7 RGBl. 1939 I S. 1502, 1. DVO zur „Verordnung zur vorläufigen Sicherstellung . . .", vom 27. Aug. 1939. 8 s. Verordnungen vom 29. Aug. und 16. Sept. 1939, RGBl. 1939 I S. 1537 ff. und 1825 ff. 9 Schmitz, Hubert, a. a. O., S. 1, Anm. Vgl. auch Meinhold, W., Die deutsche Kriegsernährungswirtschaft, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik (im folgenden: JbbNSt), Bd. 150, H. 6, (Dezember 1939), S. 688f. 10 Schmitz, Hubert, a. a. O., S. 37.

Das Kriegsrecht in der Wirtschaft

69

die sich eine Arbeiter- oder Angestelltenfamilie bisher im Frieden durchschnittlich hatte leisten können. Die „Großzügigkeit", die die Faschisten hierbei walten ließen, um die Kriegsmoral des Volkes vor dem Absinken möglichst zu bewahren, entsprang ihrer Furcht vor Verschlechterung der Massenstimmung und bewies zugleich eine grobe Verkennung der Realitäten des Krieges, des wirklichen Kräfteverhältnisses, ebenso die Blitzkriegsstrategie als Ganzes, auf die sie schließlich auch bei der Festsetzung hoher Rationen bauten. Die Faschisten werteten die Rationierung von Anfang an als erstrangigen politischen Faktor, von dessen Entwicklung die Massenstimmung in hohem Grade abhing. 1 1 Erhebliche propagandistische Anstrengungen verwendeten sie während des ganzen Krieges darauf, der Bevölkerung die Einführung und später die Verschlechterung des Rationierungssystems möglichst geschickt beizubringen und sie über die wahre Lage so lange wie möglich zu täuschen. Goebbels selbst achtete peinlich darauf, daß bei der Behandlung von Fragen der Rationierung und überhaupt des Konsums von Lebensmitteln und Verbrauchsgütern größte Vorsicht und Delikatesse obwalteten. 1 2 Als „völlig unmöglich" griff er beispielsweise im Oktober 1939 eine in Aussicht genommene Mitteilung des Reichswirtschaftsministers an die Bevölkerung an, „daß sie mit dem jetzigen Schuhbestand bis Kriegsende auskommen müsse". 1 3 Einige Zeit später ordnete er an, es solle „nicht mehr in der Presse veröffentlicht werden, daß Luxuskleidung und -schuhe frei verkäuflich sind". 1 4 Es sollte auch „in Zukunft nichts mehr ausgestellt werden (in den Schaufenstern — D. E.), was nach menschlichem Ermessen für die Dauer des Krieges nicht mehr zu haben sein wird". 1 5 Man ergänzte diese taktischen Aushilfen durch ständige ablenkende Hinweise auf den angeblichen „sozialen Rückstand" der gegnerischen Staaten, besonders Englands. 1 6 In der heutigen westdeutschen Geschichts- und Memoirenliteratur kritisiert man häufig in apologetischem Übereifer und mit deutlichem aktuellen Bezug diese Vorsicht und Sorge um die Massenstimmung als überflüssig und jedenfalls als Hemmnis für die totale Mobilisierung. 16 * Doch es gibt viele Anzeichen dafür, daß eine solche Vorsicht, dem inneren Zustand des Regimes nach zu 11 s. Meldungen aus dem Reich. Auswahl aus den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der S S 1939—1944, hg. v. Heinz Boberach, Neuwied-Berlin 1965, passim. 12 vgl. DZA Potsdam, Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Nr. 1 a, 1 b, Protokolle der täglichen Abteilungsleiterkonferenzen des Ministers, gedr. in: Kriegspropaganda 1939—1941. Geheime Ministerkonferenzen im Reichspropagandaministerium, hg. v. Willi A. Boelcke, Stuttgart 1966. 13 DZA Potsdam, a. a. 0 . , Nr. 1 a, Bl. 4 (27. Okt. 1939); s. a. Bl. 2 (28. Okt. 1939). 14 E b e n d a , Bl. 28 (4. Dez. 1939). 15 DZA Potsdam, a. a. O., Nr. 1 b, Bl. 45 (27. Febr. 1940). 16 vgl. DZA Potsdam, a. a. 0 . , Nr. 1 a, Bl. 15 (13. 11. 1939). 16a So Riecke, Hans-Joachim, Ernährung und Landwirtschaft im Kriege, in: Bilanz des Zweiten Weltkrieges, a. a. 0 . , S. 3 3 6 f . ; ferner Schwerin c. Krosigk, Lutz Gf., Wie wurde der Zweite Weltkrieg finanziert?, i n : ebenda, S. 323 ff.; Wagenführ, Rolf, Industrie, S. 27 f. 6

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

70

urteilen, keineswegs unbegründet war. Obwohl es den Faschisten gelungen war, große Teile des Volkes chauvinistisch zu verhetzen, wurde es den herrschenden Kreisen vielfach schon vor Kriegsbeginn klar, daß trotz schärfsten Terrors und eines wahren Trommelfeuers an Propaganda mit keinerlei Kriegsbegeisterung bei der großen Mehrheit des Volkes zu rechnen war. „Wenn man nur das Gefühl h ä t t e " , so notierte General Eduard Wagner, Generalquartiermeister des Heeres, am 3. September in sein Tagebuch, „daß das Volk die Notwendigkeit des Krieges einsieht. Aber ich glaube und fürchte, daß niemand Verständnis hat." 1 7

c) Auswirkungen

der

Kriegswirtschaftsverordnung

Die Kriegswirtschaftsverordnung vom 4. September 1939 und der Rattenschwanz der ihr anhängenden Verordnungen und Durchführungsbestimmungen waren das Ergebnis langjähriger Vorbereitungen. Schon Schacht, der erste „Generalbevollmächtigte für die Kriegswirtschaft" (seit 1935), Seldte, Schwerin v. Krosigk und ihre Mobilmachungsexperten hatten diesen Generalangriff auf die letzten Errungenschaften der deutschen Werktätigen vorbereitet, die Erfahrungen aus dem ersten Weltkrieg pedantisch-sorgfältig auswertend. Aber die Attacke, geritten unter wirtschaftlichen und politischen Umständen, die denen des ersten Weltkrieges sehr wenig ähnlich waren, blieb bei vielen Angriffspunkten schon im ersten Anlauf stecken. Die Reaktion der Monopole auf die KWVO, in erster Linie auf ihre Preisbestimmungen, denen sie, allem Anschein nach noch immer auf der Höhe der Rüstungskonjunktur, in heftiger — und erfolgreicher — Opposition entgegentraten, war ziemlich frostig. Was aber den faschistischen Bürokraten ihren Schneid ganz abkaufte, war der Mangel an Begeisterung für den. Krieg im Volk, waren das passive Verhalten der Masse der Bevölkerung und besonders das verbreitete Auftreten von Formen passiven Widerstands gegen das faschistische Kriegsrecht. Das machte sie äußerst unsicher und zwang sie in den meisten wichtigen Positionen rasch zu Rückziehern, die ihnen freilich durch die anfänglichen „Blitzkriegs"-Erfolge sehr erleichtert wurden. Der HauptangriiTspunkt waren die Löhne und Gehälter der Werktätigen. Die KWVO bestimmte die Reichstreuhänder der Arbeit dazu, sie „nach näherer Weisung 17 Der Generalquartiermeister, a. a. 0., S. 122. — Die Militärs hatten das Ingangsetzen und die Wirkung der Rationierung ebenfalls aufmerksam beobachtet. „Wir haben beantragt",, so schrieb Wagner am 26. August (ebenda, S. 97 f.), „das Gesetz unter Firma Göringherauszugeben, um a) dessen Popularität auszunützen und b) den Soldaten nicht damit zu belasten." Am Tag nach der Kartenausgabe vermerkte er über die Stimmung in den Straßen Berlins (ebenda, S. 103, 29. August): „Im ganzen ernst, kein Auftrieb." Am selben Tagnoch sprach alles von der „Schockwirkung", die die Rationierung hervorgerufen habe, und von der „ungeheuren Mißstimmung über das Kartensystem". (Ebenda,. S. 105 f., 108).

Das Kriegsrecht in der Wirtschaft

71

des Reichsarbeitsministers" sofort den Kriegsverhältnissen „anzupassen" und sie „mit bindender Wirkung nach oben" durch Tarifordnung festzusetzen. 18 Wem bekannt war, wie weit in bedeutenden Bereichen der Wirtschaft die Löhne die alten, offiziell noch gültigen (Krisen-)Tarife tatsächlich überschritten hatten, der mußte mit um so gespannterer Erwartung jener „näheren Weisung" entgegensehen, von der die Anwendung der Lohnbestimmungen in der K W V O abhängen würde. Sie existierte indessen schon in Form eines vertraulichen Runderlasses vom gleichen Datum 1 9 , der hinsichtlich seines Inhalts eine wichtige, längere Vorgeschichte hatte. Ein geheimgehaltenes Gesetz von Sommer 1938 („Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes und der Arbeitsbedingungen in besonderen Fällen") enthielt bereits die Anweisung, „die Löhne und Gehälter im Mob.-Fall auf den Tariflohnstand zurückzuführen." 2 0 Entwürfe Seldtes und Schachts für diese Bestimmungen lagen schon 1935 dem Reichsverteidigungsrat vor. 21 Bis zum Kriegsausbruch gab es zwar noch einiges Schwanken. Der Reichsarbeitsminister versuchte, durch einen Runderlaß an die Treuhänder der Arbeit vom 23. August 1939 2 2 das Gesetz aus dem Vorjahr zu revidieren, nämlich von der Rückführung der Löhne und Gehälter auf die alten Tarife abzusehen und es bei einem verschärften Lohnstopp zu belassen. Ministerialdirektor Mansfeld äußerte nämlich Bedenken, eine solche Lohnkürzung „müßte eine starke Beunruhigung der Gefolgschaftsmitglieder nach sich ziehen. Abgesehen von den politischen Folgen würde dies zu einer allgemeinen Leistungsminderung führen." 2 3 In dem Erlaß an die Treuhänder vom 4. September 1939, der schließlich die Auslegung der KWVO-Lohnbestimmungen enthielt, erschien hingegen wieder die Forderung nach der „Zurückführung derjenigen Löhne und Gehälter, die in einer von allen Schichten des Volkes Opfer verlangenden Kriegswirtschaft als zu hoch anzusprechen sind", nach dem „Abbau all der durch die Konjunktur der letzten J a h r e stark erhöhten Löhne und Gehälter . . ., wenn auch unter Berücksichtigung der psychologischen Rückwirkungen", und nach der Herabsetzung der Akkordverdienste, „wenn im Betrieb der tarifliche Akkordrichtsatz der einzelnen Arbeitergruppen im Durchschnitt um mehr als 1 0 % überschritten wird." 2 4 Dabei herrschte Klarheit darüber, daß die betroffenen Gewerbe- und Industriezweige gerade diejenigen waren, „die innerhalb der Kriegswirtschaft eine wesentliche Rolle spielen"; trotzdem hieß es kategorisch: „in spätestens 14 Tagen muß diese Lohnordnung 18 RGBl. 1939 I S. 1609 (§ 18, Abs. 1). 19 Siehe DZA Potsdam, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 10401, Bl. 3 ff., Runderlaß des Reichsarbeitsministers, 4. September 1939 (vertraulich). 20 Ebenda, Bl. 62, Runderlaß des Reichsarbeitsministers, 23. August 1939 (Geheime Reichssache). 21 Dok. EC-405, Bericht über die 10. Sitzung des Arbeitsausschusses des Reichsverteidigungsrates, 26. Juni 1935, IMT, Bd. 36, S. 420. Vgl. auch DZA Potsdam, a . a . O . , Bl. 2, geh. Aktenvermerk aus dem Reichswirtschaftsministerium, 23. August 1939. 22 Ebenda, Bl. 62fF., Runderlaß, 23. Aug. 1939. 23 Ebenda, Bl. 2 v., Aktenvermerk, 23. Aug. 1939. 24 Ebenda, Bl. 3 u. 4, Runderlaß, 4. Sept. 1939. 6*

72

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

in den wichtigsten Gewerben durchgeführt sein." 25 Wahrscheinlich auch unter dem Einfluß der Inflationsfurcht hatten die obersten Reichsbehörden zunächst eine möglichst scharfe Variante gewählt. Es verging aber nur etwa ein Monat, bis sich die faschistischen Behörden darüber klar waren, daß man im Kriege nicht ohne gewaltigen Aufwand und vor allem nicht ohne Gefahr großer sozialer Erschütterungen ein neues, erheblich verschlechtertes Lohnsystem gegen die arbeitende Bevölkerung durchsetzen konnte. Reichsarbeitsminister Franz Seldte gehörte selbst zu denen, die sich im Hinblick auf die möglichen sozialen und politischen Folgen der neuen Lohnbestimmungen sehr unsicher fühlten, wenn er diese Bestimmungen den Treuhändern der Arbeit gegenüber auch selbst vertreten hatte. Am 11. September 1939, gerade erst eine Woche nach seinem Runderlaß, schrieb er dem Reichspreiskommissar von seinen Befürchtungen über die „ungünstigen psychologischen Auswirkungen der den Arbeitern durch die Kriegswirtschaftsverordnung auferlegten Lasten." 2 6 Seldte verfolgte in diesen Wochen augenscheinlich die Taktik, die Regionalbehörden seines Ministeriums in die Diskussion um die fälligen Durchführungsbestimmungen zur KWVO einzubeziehen. Er berief die Treuhänder zu diesem Zweck nach Berlin und versuchte, den auf diese Weise sogar bis hierher spürbaren Druck von unten für eine vorsichtigere politische Variante auszubeuten. 27 Die entscheidenden Durchführungsbestimmungen vom 12. Oktober 1939 enthielten dann das strikte Verbot sowohl jeglicher Erhöhung „der geltenden Lohn- oder Gehaltssätze" und jeglicher Akkordänderung „zwecks Erhöhung des Arbeitsverdienstes" — als auch jeder Verschlechterung dieser Sätze bzw. Akkorde. 28 Man ließ es also doch bei einer Art verschärften Lohnstopps bewenden. Nichts verlautete zukünftig davon, daß die Löhne auf die alten Tarife zurückgeführt bzw. daß neue. 25 Ebenda, Bl. 3 v., 4 v. 26 Wojewödzkie Archiwum Panstwowe we Wroclawiu (im folgenden: WAP Wroclaw), Regierung Breslau, Nr. 10149, vertrauliches Rundschreiben des Reichspreiskommissars Josef Wagner, 14. Oktober 1939. 27 So beleuchtet, erklären sich Seldtes Ratlosigkeit und Unsicherheit, über die sich — in affektierter, äußerst subjektiver Art — Schwerin v. Krosigk ausläßt, als Symptome der allgemeinen Situation (Schwerin c. Krosigk, Lutz Gf., Es geschah in Deutschland. Menschenbilder unseres Jahrhunderts, Tübingen und Stuttgart 1951, S. 181 f.: „So hatte das Ministerium unmittelbar nach dem Ausbruch des Krieges alle Treuhänder der Arbeit und die Präsidenten der Landesarbeitsämter zu einer großen Sitzung nach Berlin eingeladen, in der zu entscheiden war, ob der Lohnstopp auch während des Krieges beibehalten werden sollte. Der Minister war gebeten worden, die Sitzung mit richtungweisenden Ausführungen zu eröffnen. Seldte hielt eine schneidige ,Vaterlandsrede' über die Pflicht jedes Deutschen im Kriege, wünschte der Versammlung einen guten Verlauf und — war verschwunden. Die nächsten Mitarbeiter eilten ihrem Chef nach und erbaten eine Weisung. Aber Seldte sagte ihnen lächelnd, sie möchten die Frage eingehend durchsprechen und sehen, ob sie auf Grund der Erörterung zu einem Resultat kommen könnten. Er gebe ihnen ,plein pouvoir'."). 28 RGBl. 1939 I S. 2028, „Zweite Durchführungsbestimmungen zum Abschnitt III (Kriegslöhne) der Kriegswirtschaftsverordnung", vom 12. Okt. 1939. Meine Hervorh. — D. E.

Das Kriegsrecht in der Wirtschaft

73

entsprechend niedrige H ö c h s t t a r i f e („mit bindender W i r k u n g nach oben") festgesetzt werden sollten. Dieser P u n k t der K W V O h a t t e rasch seine Erledigung gefunden. E r w a r in der Versenkung verschwunden, aus der er während des ganzen Krieges nicht wieder a u f t a u c h t e . Indessen handelte es sich u m ein ganzes S y s t e m 2 9 schwerer Angriffe auf das Eink o m m e n der breiten Massen, m i t dem m a n den Krieg finanzieren wollte. Es gehörten auch der Kriegszuschlag zur E i n k o m m e n s s t e u e r u n d vor allem das Verbot dazu, für Ü b e r s t u n d e n u n d N a c h t a r b e i t , f ü r Sonntags- u n d Feiertagsarbeit fernerhin Zuschläge zu zahlen 3 0 , die stattdessen an die Staatskasse a b g e f ü h r t werden sollten. 3 1 An dem völligen Mißlingen des Versuchs, den Arbeitern m i t einem Federstrich die Zuschläge zu n e h m e n , lassen sich die Ursachen f ü r den R ü c k z u g besonders deutlich demonstrieren, den das Regime auf breiter F r o n t u n d h ö c h s t unfreiwillig a n t r a t . Die B e s t i m m u n g über die Zuschläge traf speziell die Arbeiterklasse u n d sollte auch gerade sie treffen. Ministerialdirektor Mansfeld (RAM) schrieb dazu u n v e r b l ü m t und in demagogischer R e c h t f e r t i g u n g des Fischzuges auf die niedrigsten Eink o m m e n : „ A n d e r e Schichten des Volkes h a b e n ihr den Lebensstandard stark erfassendes Opfer auf andere Weise, namentlich durch e r h ö h t e Steuerleistung, zu bringen. Von ihnen bleibt die Arbeiterschaft im wesentlichen befreit. Denn in der vom Kriegszuschlag freigestellten E i n k o m m e n s g r u p p e liegt ihre große Masse. Ihr Opfer f ü r die K r i e g s f ü h r u n g besteht in dem Verzicht auf die Zuschläge f ü r besondere A r b e i t s a r t e n . " 3 2 In der breiteren Öffentlichkeit vermieden es jedoch die Faschisten nach Möglichkeit, gerade diesen P u n k t zu erörtern. Der K o m m e n t a r beispielsweise, den das halboffizielle Kriegsmagazin „Deutschland im K a m p f " in seiner ersten N u m m e r zur K W V O veröffentlichte 3 3 , e n t h i e l t n i c h t einmal die bloße E r w ä h n u n g der B e s t i m m u n g e n über die Zuschläge. Die Beschlagnahme der Zuschläge h a t t e u m so einschneidendere Auswirkungen, als Zuschläge f ü r Ü b e r a r b e i t u n d N a c h t a r b e i t in vielen Industrien „einen sicherlich ins Gewicht fallenden Teil des E i n k o m m e n s der A r b e i t e r s c h a f t " 3 4 ausmachten. Besonders in der R ü s t u n g s i n d u s t r i e waren sie „schon seit längerem zur ständigen Gewohnheit geworden." 3 5 Die M a ß n a h m e richtete sich m i t besonderer Schärfe 29 Quellenangaben über das diesbezügliche Gesetzeswerk z. B. in: Die deutsche Arbeitspolitik in den letzten zehn Jahren, in: Wirtschaft und Statistik, 23. Jg., 1943, S. 53ff. Siehe auch Überblick und Einschätzung bis Ende 1939 bei Neumann, Franz, Behemoth. The Structure and Practice of National Socialism, Toronto/New York/London 1942, S. 345ff. 30 § 18 Abs. 3 KWVO. 31 s. Durchführungsverordnung vom 11. Okt. 1939, RGBl. 1939 I S. 2053. 32 Mansfeld, Werner, Kriegslöhne, in: Der Vierjahresplan, Nr. 18/1939 (2. Septemberheft), S. 1058; Lütge, Friedrich, Die Lohnpolitik in der Kriegszeit 1939, in: JbbNSt, Bd. 151, H. 2 (Febr. 1940), S. 212 ff. 33 Deutschland im Kampf, hg. v. A. J. Berndt u. v. Wedel, Berlin, Jg. 1939, 1. Sept.Lieferung, S. 68f. 34 Mansfeld, Werner, a. a. 0 . 35 Lütge, Friedrich, a. a. O., S. 214.

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

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wiederum gegen diejenigen Kräfte, die zum Funktionieren der Kriegswirtschaft am notwendigsten waren: gegen die Rüstungsarbeiter. Und die kaum entbehrlichen höherbezahlten (Fach-)Arbeiter, deren Einkommen über der Freigrenze von 234,— RM monatlich lag, hatten noch die Kriegssteuer ( 5 0 % der Einkommenssteuer) zu zahlen. 36 Bis November 1939 sanken die Löhne. Die Leunawerke beispielsweise wiesen folgende Zahlen für die durchschnittlichen Stundenlöhne auf 3 7 : August 1939 Chemiehilfsarbeiter Chemiearbeiter Chemiefacharbeiter

0,89-0,91 RM 0,94 RM 1,— RM

Oktober 1939 0,87 RM 0,88 RM 0,93 RM

Daß die Haltung der Arbeiter den Faschisten jedoch einen Strich durch die Rechnung machte, zeigte plastisch eine Besprechung im Reichswirtschaftsministerium am 10. November 1939, deren Protokoll ihrer Bedeutung wegen mit einer nur geringfügigen Auslassung zitiert werden soll 38 : Zuschläge für Überstunden, für Nachtarbeit und Sonntagsarbeit. Staatssekretär Posse Staatssekretär Neumann Staatssekretär Syrup mit MD. Mansfeld General Thomas MD. Hedding (Reichsfinanzministerium) Flottmann (Reichspreiskommissar) MR. Josten (RWM - IV Kred.) Dr. Rigler (RWM - I I I SYV) Staatssekretär Posse eröffnet die Sitzung mit der Erklärung, daß sich der Herr Reichswirtschaftsminister zur Prüfung der Wiedereinführung der Zuschläge für Überstunden, Nachtarbeit und Sonntagsarbeit veranlaßt sehe,

„Gegenstand: Teilnehmer

1) weil das Einkommen der Arbeiter nicht mehr ausreichte, um die nach der Bedarfsregelung zustehenden Lebensmittel zu kaufen, 2) weil festgestellt worden sei, daß das Verbot zu einer Verweigerung von Überstunden, der Nacht- und Sonntagsarbeit und zu förmlichen Sabotageerscheinungen geführt hat. 36 s. § 2 KWVO und § 1 der Durchführungsbestimmungen, vom 4. Sept. 1939, RGBl. 1939 I S. 1613. 37 s. Kämpfendes Leuna (1916—1945). Die Geschichte des Kampfes der Leuna-Arbeiter, T. 1, 2. Halbbd. (1933-1945) ( = Geschichte der Fabriken und Werke, Bd. 8), Berlin 1961, S. 739; s. a. Kuczynski, Jürgen, Lage der Arbeiter 1933—1945, S. 263f. 38 DZA Potsdam, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 10401, Bl. 85 ff., Niederschrift zur Ressortbesprechung beim GBW (Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft), geheim (im Text meine Hervorh. — D. E.); siehe auch Mason, T. W., Labour in the Tliird Reich, a. a. O. (in engl. Übers.).

Das Kriegsrecht in der Wirtschaft

75

S t a a t s s e k r e t ä r Posse m a c h t gleichzeitig darauf aufmerksam, daß mit einer eventuellen Aufhebung des Verbotes der Zuschläge erstmals offiziell von der Kriegswirtschaftsverordnung abgerückt werde. Gleichzeitig ergebe sich damit auch die Frage der Senkung der Freigrenze des Kriegszuschlages zur Einkommenssteuer. In der Debatte wurde über das Problem selbst im wesentlichen zusammenfassend folgendes gesagt: In den Rüstungsbetrieben seien die Arbeiter tatsächlich großenteils an Sonntagen weggeblieben; ähnlich sei ein Nachlassen bei den Nachtschichten festgestellt worden (Thomas). . . . Daß die Arbeiter nicht einmal alles kaufen könnten, was ihnen auf Grund der Lebensmittelkarten zusteht, könnte für den Durchschnitt nicht zutreffen. (Es könne aber zutreffen für die tatsächlich darunterliegenden Löhne.) E s stehe fest, daß einer großen Arbeiterfamilie teilweise mehr zustehe, als sie vorher j e gekauft hätte. Das beweise auch das Entstehen wilder Lebensmittelkartenbörsen. Die Schwerstarbeiter erhielten mehr Lebensmittel, als sie verbrauchen könnten. Das zeige auch die allerdings bestrittene Denkschrift Pohl (Arbeitswissenschaftliches Institut der D A F ) . Die notwendige Leistungssteigerung sei bisher durch Lohnerhöhungen versucht worden. Von der Wirtschaft werden solche Lohnerhöhungen augenblicklich wieder in großem Umfange verlangt. Dieses Zündungsmittel müsse jedoch heute versagen. Dem Arbeiter fehle nicht der gute Wille, sondern er könnte einfach nicht mehr. E r h ä t t e seit J a h r e n ein Übertempo durchhalten müssen. Das beweisen auch die Krankmeldungen, die teilweise ein Ausmaß bis zu 50 c. H. der Gefolgschaften angenommen hätten (Mansfeld). Andererseits seien aber auch Lohnkürzungen nicht in Erscheinung getreten, so daß der Arbeiter nach Aufhebung des Verbotes der- Zuschläge — des einzigen Opfers, das ihm bisher auferlegt worden sei — außerordentlich begünstigt wäre, j a am Kriege verdiene. Man könne Kriege nicht führen, wenn man eine Schicht der Bevölkerung, nämlich den Arbeiter, in W a t t e packe. Der Kaufkraftsumme stehe überdies heute keine entsprechende Produktion gegenüber, sie müsse also abgeschöpft werden, da wir sonst praktisch zur Inflation kämen (Josten). In diesem Zusammenhang wurde erwogen, sämtliche Zuschläge wiedereinzuführen und gleichzeitig den Kriegszuschlag zur Einkommensteuer unter Fortfall der bisherigen Freigrenze von 2400,— RM (234,— R M monatlich) bis zum Existenzminimum aufzuerlegen (Syrup). Dr. Ley werde dann allerdings die unvermeidlichen Härtefälle nachweisen, in denen beispielsweise an die Stelle des früher entgangenen Betrages für Zuschläge in Höhe von 3,— RM eine Mehrsteuer von 6,— RM treten könne. Bei einer solchen Regelung würden gleichzeitig der kleine Einzelhändler und der Kleinhandwerker schwer getroffen. Demnach könne eine Herabsetzung der Freigrenze von 234,— RM auf nur 150,— R M gebilligt werden. Von der Freigrenze aus ergäben sich auch hier allerdings unerwünschte Auswirkungen auf den Arbeitswillen, da kein Arbeiter geringfügig über diese Grenze werde arbeiten wollen. MD. Hedding erklärte, daß der Ausfall an S t e u ern bei Wiedergewährung der Sonntags- und Nachtarbeitszuschläge 100 bis 150

76

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

Millionen RM, einschließlich der Überstundenzuschläge 250 bis 300 Millionen RM betrage. Die Wiedereinführung der Zuschläge würde er bei gleichzeitiger Herabsetzung der Freigrenze von 2400,— RM auf 1800,— RM als Fiskalist begrüßen. Die Staatsautorität erleide durch die Wiedereinführung der Zuschläge zweifellos eine schwere Einbuße (Thomas), Man werde, um den Eindruck abzuschwächen, die Form der Aufwendungsentschädigung wählen können. Bei der Schaffung der Kriegswirtschaftsverordnung, die im übrigen ohne Mitwirkung der fachlichen Ressorts erfolgt wäre, sei man in der Frage der Zuschläge für Überarbeit nur von psychologischen, nicht auch von materiellen Erwägungen ausgegangen. Man hätte zweifellos besser s. Z. die Zuschläge belassen, dafür aber zeitlich günstiger schon damals auch dem Arbeiter den Kriegszuschlag zur Einkommensteuer auferlegt. Staatssekretär Posse wird dem Herrn Reichswirtschaftsminister als Ergebnis der Besprechung vorschlagen, im Wege einer Ministerratsverordnung: 1) die Zuschläge für die Sonntags- und Nachtarbeit wieder einzuführen, 2) die Freigrenze des Kriegszuschlages zur Einkommensteuer von 2400,— RM auf 1800,- RM herabzusetzen." Wenige Tage nach dieser Besprechung erschien mit einer lendenlahmen Begründung eine lakonisch kurz gehaltene Verordnung des Reichsarbeitsministers 39 , nach der die zugunsten des Staates eingezogenen Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge wieder auszuzahlen waren. Die Hitlerregierung fühlte sich 14 Tage später, als auch die Urlaubssperre aufgehoben war, bemüßigt, diesen raschen Wandel im Rundfunk rechtfertigend zu erläutern. 40 Als ein besonderes Problem blieb noch die Zahlung bzw. Nichtzahlung der Zuschläge für Überstunden offen. Was war „Mehrarbeit"? Diese Frage hing mit der Neufestsetzung der Arbeitszeitdauer zusammen, deren offizielle Erhöhung sich der Gesetzgeber in der KWVO vorbehalten hatte (§ 20). In der früher datierten, aber später veröffentlichten „Verordnung zur Abänderung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete des Arbeitsrechts" 4 1 ging man noch sehr forsch vor. Für männliche Arbeiter und Angestellte traten ihr zufolge sämtliche gesetzlichen Bestimmungen, „soweit in ihnen die Dauer der werktäglichen Arbeitszeit der Beschäftigten geregelt wird", bis auf weiteres außer Kraft (§ 4). Daraufhin herrschte länger als ein Vierteljahr ein Zustand, wie er seit hundert Jahren nicht mehr denkbar schien: Die Arbeitszeit blieb unbemessen, in bezug auf die Länge des Arbeitstages gab es keine gesetzliche Regelung, war die Arbeiterklasse auch arbeitsrechtlich völlig rechtlos. Am 11. September wurde zunächst für Jugendliche über 16 Jahren und für Frauen „in dringenden Fällen" der Zehnstundentag zugelassen (56 Stunden in der Woche), 39 „Verordnung zur Ergänzung des Abschnitts I I I der Kriegswirtschaftsverordnung (Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge)", v. 16. Nov. 1939, RGBl. 1939 I S . 2254. 40 s. Rede Seldtes im Sender Berlin über die „Lohnpolitik im Kriege", 28. Nov. 1939, gedr. i n : Deutschland im Kampf, S. 54ff. 41 Vom 1. Sept. 1939, RGBl. 1939 I S. 1683.

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Das Kriegsrecht in der Wirtschaft

desgleichen Nachtarbeit und die Einschränkung der Ruhepausen. 4 2 Der Text der wichtigen, allgemeingültigen „Verordnung über den Arbeitsschutz" vom 12. Dezember 1939 4 3 war dann aber relativ vorsichtig abgefaßt. In der verlogenen Präambel stand, daß nun, nachdem die „Umstellung auf die neuen Aufgaben" vollzogen sei, „dem Schutze der Arbeitskraft wieder die volle Sorge der Staatsführung" gelte. Der Zehnstundentag wurde nicht offiziell dekretiert, sondern es hieß, die tägliche Arbeitszeit dürfe zehn Stunden nicht überschreiten, außer wenn viel „Arbeitsbereitschaft" in diese Zeit fiele; in diesem Fall sei ein zwölfstündiger Arbeitstag zulässig. Zugleich aber definierte man in der Verordnung (§ 5) die über zehn Stunden hinausgehende Arbeit als zuschlagfähige Mehrarbeit. Zehnstundentag und Nachtarbeit für Frauen und Jugendliche wurden, allerdings geringfügig und in dehnbaren Formulierungen, wieder eingeschränkt. Der Reichsarbeitsminister erläuterte in einem langen Erlaß gleichen Datums 4 4 seine Verordnung ausführlich und empfahl sehr dringend eine möglichst zurückhaltende Anwendung der Möglichkeiten, die Arbeitszeit zu verlängern. Gerade bei dem wichtigen Punkt der Mehrarbeit, mit dem offiziell, wenn auch auf Umwegen, die Existenz des Zehnstundentages eingestanden wurde, setzte alsbald eine noch weitergehende Revision ein. Ein J a h r nach Kriegsausbruch, ein J a h r nach der KWVO, wurden die Mehrarbeitszuschläge allgemein wieder eingeführt und sogar auf den Vorkriegsstand, d. h. auf achtstündige Arbeitszeit, bezogen: „In Anerkennung der besonderen Leistungen, die von den Arbeitern und Angestellten unter Verzicht auf Teile des Mehrarbeitsverdienstes in den bisherigen Kriegsmonaten verlangt werden mußten, und zur Vereinfachung der Lohnabrechnung sollen die M e h r a r b e i t s z u s c h l ä g e in dem gleichen

Umfang,

wie sie vor Ausbruch

des

Krieges bestanden, wieder eingeführt werden." 4 5 Später bestätigte der Reichsarbeitsminister ausdrücklich noch einmal den Achtstundentag als gesetzlich gültige Arbeitszeitdauer. 46 Damit war ein außergewöhnlicher Zustand erreicht. E s existierte tatsächlich allgemein die zehnstündige Arbeitszeit, und vielfach wurde noch länger gearbeitet. Der Zehnstundentag war aber offiziell, gesetzlich, nur als kriegsbedingte Ausnahme zugestanden. Der demagogische Gehalt dieser raffinierten Taktik ist nicht zu übersehen. Aus Furcht vor der Arbeiterklasse geboren, zahlte sie sich immerhin für die Faschisten aus: Die Überarbeit behielt für Arbeiter und Angestellte ihren finanziellen Reiz. Sie wurde während des Krieges schließlich doch bezahlt. Der Gesamtlohn des Arbeiters und Angestellten stieg nicht unbedeutend, unbeschadet der 42 Erlaß des Reichsarbeitsministers, betr. Ausnahmen vom Arbeitsschutz, Reichsarbeitsblatt (im folgenden: RABl.) 1939 I I I S. 293f. 43 RGBl. 1939 I S. 2403. 44 Erlaß, betr. Verordnung über den Arbeitsschutz, vom 12. Dez. 1939, RABl. 1939 I I I S. 380. 45 „Verordnung über die Wiedereinführung der Mehrarbeitszuschläge", 3. Sept. 1940, RGBl. 1940 I S. 1205. - Meine Hervorh. - D. E . 46 s. Erlaß über die „Vereinheitlichung tariflicher Arbeitszeitbestimmungen", v. 12. S e p t . 1941, RABl. 1941 I I I S . 427.

78

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

Tatsache, daß das Monopolkapital nach wie vor um Mittel und Wege nicht verlegen war, die Lohnsteigerungen in Schranken zu halten, um keinerlei Schmälerung ihrer Kriegsprofitkonjunktur zuzulassen. 47 Die Gefahr aufgeblähter K a u f k r a f t nahmen die Faschisten in Kauf. Diesem Problem gingen sie durch verschärfte staatsmonopolistische Regulierung zu Leibe, angefangen von der Rationierung bis zur Überwachung durch den gesamten Terrorapparat. W e n n der genannte finanzielle Anreiz auch immer weniger einen echten materiellen Anreiz darstellte, weil die Möglichkeiten schnell schrumpften, etwas Vernünftiges, Solides d a f ü r zu kaufen, so erschien es den Werktätigen doch, als brauchten sie nicht ganz umsonst f ü r die faschistische Kriegsmaschine zu schuften. Die Höhe ihres Lohnes blieb in ihrer subjektiven Anschauung etwas Wichtiges, Eindrucksvolles; objektiv verlor sie dagegen immer mehr an Bedeutung. Ja. in der Form von Spargeldern floß ihr schwer erarbeitetes Geld „geräuschlos", ohne Aufsehen und auf Nimmerwiedersehen, in die bodenlose Kriegskasse. Was schließlich die Urlaubssperre betraf (§ 19 KW'VO), so wurde sie ebenfalls durch Anordnung vom 17. November 1939 48 wieder aufgehoben. Im J a h r e 1939 entgangener Urlaub konnte vom 15. J a n u a r 1940 an nachgeholt werden. Anders als bei den Zuschlägen, setzten sich die Monopole gegen die Wiedereinführung des Urlaubs verschiedentlich heftig zur Wehr, weil es hierbei u m ihren höchsteigenen Profit, und zwar um sehr erhebliche Summen, ging. Die Leiter des Mansfeldkonzerns beispielsweise zeterten, „daß die normale Urlaubsgewährung in 1940 einer Verminderung der Bergbaubelegschaft um rund 220 Mann gleichkomme. Hinzu kämen die aus 1939 nachzugewährenden Urlaubsschichten, die einen Verlust von weiteren 100 Mann bedeuteten." 4 9 Sie hatten schon im Oktober versucht, die Anordnung zu verhindern, und drängten nun auf den „freiwilligen Verzicht auf den Urlaub 1940 bei voller Abgeltung" 5 ®, obwohl dies laut Gesetz n u r zulässig war, wenn „ausnahmsweise infolge des Kriegszustandes eine Gewährung von Freizeit nicht möglich" wäre. Die überwiegende Mehrzahl der Bergarbeiter bestand aber auf ihrem Urlaub in n a t u r a . Daß die untersuchten Bestimmungen der Kriegswirtschaftsverordnung nach wenigen Monaten zum großen Teil suspendiert oder sta|*k abgeschwächt, einige 47 Walter Klingspor, Vorstandsmitglied des Salzdetfurth-Konzerns, berichtete Generaldirektor Rudolf Stahl (Schreiben vi 20. 6. 1941, BA Mansfeld, Nr. 524): „Wir hätten im April und Mai schon ohne Verlust gearbeitet (betr. eine Kohlenzeche des. Konzerns — D. E.), wenn das Ergebnis nicht durch zu bezahlende Feiertage belastet worden wäre. Es liegen keine Gründe vor, die gegen das Anhalten dieser Besserung sprechen. Die übersteigerten Löhne haben wir mit Gewalt ermäßigt. Selbstverständlich geht dies nicht ohne gewisse Schwierigkeiten." — Meine Hervorh. — D. E. 48 „Anordnung über die Wiedereinführung von Urlaub", Deutscher Reichsanzeiger, Nr. 275, v. 23. Nov. 1939; s. a. RABl. 1939 I S. 545. 49 Jonas, Wolfgang, Das Leben der Mansfeld-Arbeiter 1924 bis 1945, a. a. O., S. 391. Es handelte sich um einen Jahresurlaub von durchschnittlich nur einer Woche für den Bergarbeiter. 50 Ebenda.

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Das Kriegsrecht in der Wirtschaft

von ihnen bis Kriegsende nicht wieder aufgegriffen wurden, war zweifellos vor allem anderen ein Erfolg des passiven, teilweise organisierten Widerstands der deutschen Arbeiter. Dieser Widerstand trug objektiv dazu bei, das deutsche kriegswirtschaftliche Potential zu beeinträchtigen, die Möglichkeiten zur Kriegsfinanzierung zu verringern und den militärischen Gewaltapparat selbst zu schwächen. Sämtliche Zuschläge, die den Arbeitern und Angestellten gemäß KWVO vorenthalten worden waren und nunmehr wieder ausgezahlt wurden, machten schätzungsweise 2—3 Milliarden Mark jährlich aus. Dieser enormen Summe, um die die Werktätigen zunächst direkt geprellt werden sollten, stand die gleiche Summe (rund 2.5 Mrd. RM) an jährlichem Ertrag der Kriegssteuer gegenüber. 5 1 Der geschilderte Erfolg braucht aber in wirtschaftlicher Hinsicht nicht überschätzt zu werden. Wären die suspendierten Bestimmungen beibehalten worden, so hätten sich Arbeitskraft und Arbeitsbereitschaft der deutschen Arbeiter binnen kurzem aus rein physischen Gründen erschöpfen müssen; Arbeitsproduktivität und -intensität waren dann schnell zurückgegangen. Mit solch einem Raubbau an der Arbeitskraft hätten Monopole und Nazibehörden auf die Dauer gegen eigene kriegswirtschaftliche Interessen verstoßen und wären, obwohl sonst nicht eben peinlich in dieser Hinsicht, bei Gefahr ihres Untergangs über kurz oder lang zu Änderungen des Kurses gezwungen worden. Der Ausgang dieser Art von Kräftemessen zwischen dem faschistischen Regime und der Arbeiterklasse war dennoch symptomatisch für die Zugeständnisse an die Stimmung unter der Bevölkerung, zu denen das Regime während des Krieges in zahlreichen Fällen gezwungen war. Der ungerechte, verbrecherische Charakter des Krieges, den es führte, versperrte ihm die Möglichkeit, auf einen echten Patriotismus und Opferwillen des Volkes zu setzen. Seine Zugeständnisse waren Zeichen einer höllischen Angst der Nazis und der Monopole vor Umschlägen in der Massenslimmung und vor sozialen Spannungen, die ¡tu solchcn Umschlägen, zur Massenunzufriedenheit führen konnten. Dies bestätigte sich auch kurze Zeit später, im F r ü h j a h r J940, in der Auseinandersetzung um eine andere f ü r die Kriegswirtschaft wesentliche Frage.

d) Erste

Vorstöße

zum Arbeitszwang

für

Frauen

Das Projekt der Einführung einer allgemeinen Arbeitspflicht f ü r Frauen beschäftigte die faschistischen Reichsbehörden gegen Ausgang des Winters 1939/40 und während des F r ü h j a h r s 1940. Mitte J u n i 1940, als die französische Kapitulation und damit die französische Wirtschaftsbeule einschließlich Arbeitskräften nahegerückt waren, ließen sie den Plan fallen und griffen ihn ernsthaft erst drei J a h r e später wieder auf. Trotzdem sind die langen Verhandlungen über dieses Projekt und die zahlreichen Entwürfe zu entsprechenden Verordnungen und Erlassen höchst aufschlußreich für die ökonomische und politische Situation des deutschen Imperialismus im 51 vgl. Darbarino,

Otto, Steuerpolitik im Kriege, in: JbbNSt, Bd. 150, 1939, S. 671.

80

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

F r ü h j a h r 1940, besonders unmittelbar vor der Aggression im Westen, und gewähren tiefe Einblicke in den Mechanismus der staatsmonopolistischen Kriegswirtschaft im allgemeinen und in einige seiner schwächsten P u n k t e im besonderen. Ungefähr in der zweiten Hälfte des Jahres 1937, angesichts des wachsenden Arbeitskräftemangels, hatten die faschistischen Meinungsmacher damit begonnen, die Berufsarbeit der Frauen allgemein wieder hoffähig zu machen und zu propagieren. Im November 1937 waren gesetzliche Bestimmungen aus dem J a h r e 1933 aufgehoben worden, die die Berufsarbeit verheirateter Frauen diskrimiert hatten. 5 2 Am 8. J u l i 1938 h a t t e Göring es vor den Monopolherren der Flugzeugindustrie schon deutlich ausgesprochen, daß im Kriegsfall Frauen zwangsweise in der Rüstung eingesetzt würden. 5 3 Auf der spektakulär besetzten Sitzung des Reichsverteidigungsrates am 23. J u n i 1939, auf der vorwiegend die Arbeitskräftesituation im Kriegsfall besprochen wurde, h a t t e Göring, der den Vorsitz führte, die „weibliche Arbeitspflicht im K r i e g e " als eine dringende Angelegenheit „von entscheidender Bedeutung" bezeichnet. Staatssekretär Syrup h a t t e vorgerechnet, daß zusätzlich zu den augenblicklich berufstätigen 13,8 Millionen Frauen weitere „3,5 Millionen noch unbeschäftigte Frauen zum Einsatz gebracht werden" könnten. 5 4 Ende April 1940, zwei Wochen vor Beginn der Offensive im Westen, legte der Reiclisarbeitsminister dem Ministerrat für die Reichsverteidigung den Entwurf einer „Verordnung über den verstärkten Einsatz von Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung" 5 5 vor. E r beabsichtigte, auf Grund dieser Rahmenverordnung „vorzuschreiben, daß weibliche Personen deutscher Staatsangehörigkeit im Alter vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 40. Lebensjahr, die im Reichsgebiet wohnen, sich zur Prüfung ihrer Einsatzfähigkeit beim Arbeitsamt zu melden h a b e n " 5 6 . Die erste Meldung war zum 20. Mai geplant. Sie sollte noch nicht Frauen mit Familie und Schülerinnen betreffen. Die geplanten Maßnahmen provozierten in den Spitzen der faschistischen Behörden eine ausführliche und grundsätzliche Erörterung der Lohn- und Arbeitsbedingungen für Frauen im Kriege. Bezeichnenderweise brachte keiner der Beteiligten, von Goebbels bis zum beliebigen Regierungspräsidenten, irgendein ernsthaftes prinzipielles Bedenken vor. Ideologische Beweggründe wurden nicht als Hemmnis angesehen; sie spielten anscheinend in dieser Frage keine Rolle mehr. Uber den Abbau der seit 1933 gezüchteten Ressentiments gegen die Frauenarbeit machte man sich keine Gedanken, rechnete jedenfalls nicht mehr ausdrücklich mit ihnen. Indessen lagyi gewichtige Anzeichen für ihr Fortbestehen vor, besonders ein merklicher Rückgang der Beschäftigung von Frauen in den ersten Kriegsmonaten. Das 52 vgl. Kuczynski, Jürgen, Lage der Arbeiter 1933—1945, S. 152. 53 Dok. R-140, IMT, Bd. 38, S. 395, Protokoll der Zusammenkunft Görings mit den Flugzengindustriellen am 8. 7. 1938. 54 Dok. PS-3787, Bericht des OKW über die 2. Sitzung des Reichsverteidigungsrats am 23. Juni 1939, vom 10. Juli 1939, IMT, Bd. 33, S. 151, 153. 55 DZA Potsdam, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 10347, Bl. 132. 56 Ebenda, Bl. 131, Reichsarbcitsminister Seldte an Ministerrat für die Reichsverteidigung, 27. April 1940.

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Das Kiiegsrecht in der Wirtschaft

einzige ernsthafte, grundsätzliche Bedenken bezog sich auf das öffentliche Echo einer Zwangsverpflichtung von Frauen zur Arbeit, auf die Reaktion im Volk gegenüber einer solchen Zwangsmaßnahme. Aus dem Reichsministerium des Innern kamen schwerwiegende Argumente: „Die zwangsweise Heranziehung von Frauen zur Arbeit, die der Entwurf bezweckt, ist im besonderen Maße geeignet, die Stimmung der Bevölkerung zu beeinflussen. . . . Bei der Heranziehung der Frauen muß . . . besonders behutsam vorgegangen werden. Auf diesem Gebiet erfolgende Mißgriffe können sich sowohl auf die Stimmung in der Heimat wie auf die an der Front gefährlich auswirken." 57 Trotz solcher politischen Bedenken sahen alle beteiligten Ressorts des faschistischen Staatsapparats die Zwangsmobilisierung der weiblichen Arbeitskräfte als notwendig an. Ein ökonomischerZwang zur Arbeitsaufnahme bestand bei den nichtbeschäftigten Frauen, deren Männer eingezogen wurden, angesichts der relativ hohen Familienunterstützung nicht, und viele bisher arbeitende Frauen gaben im Hinblick auf die Unterstützungsgelder ihre Beschäftigung auf bzw. hatten sie bereits aufgegeben. Nun aber stießen die Behörden unausweichlich auf ein neues, bedeutendes volkswirtschaftliches Problem, das sich schließlich als unlösbar erwies. Die Schwierigkeit für Nazibehörden und Monopole ergab sich aus dem herrschenden sozialökonomischen und politischen System und bestand in folgendem: Es war kriegswirtschaftlich notwendig geworden, in großem Umfang Frauen anstelle von Männern in der Rüstungsindustrie, d. h. vorwiegend an Arbeitsplätzen und in Industriezweigen zur Arbeit zu bringen, die bisher Männern vorbehalten waren. Wie sollten aber diese Frauen für ihre Arbeit bezahlt werden? Was bisher eine ökonomische Selbstverständlichkeit zu sein schien — die Unterbezahlung der Frauenarbeit bei gleicher Leistung —, das wurde in der Kriegswirtschaft mit einem Schlage zu einem tiefgreifenden sozialen Problem, das die ganze Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur des faschistischen Deutschlands bis in ihre Wurzeln hinein berührte. Die Tarife für Frauenarbeit in ausgewählten Industrien betrugen im Reich (in Prozent der Männertarife) 58 : Metallverarbeitende Industrie Textilindustrie (Hilfskräfte) Textilindustrie (Fachkräfte) Schuhindustrie Papiererzeugende Industrie Süß-, Back- und Teigwarenindustrie Bekleidungsgewerbe Braugewerbe Papierverarbeitende Industrie Feinkeramische Industrie Buchdruckgewerbe

75 74,4 80 75,6 67,3 67,3 64,6 63,9 62,3 61,3 61,2

57 Ebenda, Bl. 89, Staatssekretär Stuckart an Ministerrat für die Reichsverteidigung, 9. Mai 1940. 58 s. ebenda, Bl. 95, Besprechungsunterlage für Unterstaatssekretär v. Hanneken (Reichswirtschaftsministerium), 8. Mai 1940.

82

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

F r e i e r Verkauf der A r b e i t s k r a f t ohne s t a a t s m o n o p o l i s t i s c h e B e s c h r ä n k u n g e n h ä t t e bei der bestehenden S i t u a t i o n a u f d e m A r b e i t s m a r k t zur schnellen Angleichung der F r a u e n - a n die Männerlöhne g e f ü h r t . Diese L ö s u n g w a r f ü r Monopole und faschis t i s c h e B e h ö r d e n völlig u n d i s k u t a b e l . Sie h ä t t e sie nach B e r e c h n u n g des Reichsw i r t s c h a f t s m i n i s t e r i u m s jährlich drei bis vier Milliarden M a r k g e k o s t e t 5 9 — Überp r o f i t , den die Monopole jährlich a u s der A u s b e u t u n g der weiblichen W e r k t ä t i g e n als Frauen z o g e n ! Die d e m R e g i m e a m n ä c h s t e n liegende L ö s u n g war, die F r a u e n a r b e i t auch in der R ü s t u n g s i n d u s t r i e bzw. a n Männerplätzen entsprechend niedriger zu entlohnen. 6 0 D o c h dieser W e g w a r m i t großen Gefahren f ü r die M a c h t h a b e r v e r b u n d e n . D e r W i d e r s t a n d der F r a u e n , b e s o n d e r s derjenigen, die bisher m i t der F a m i l i e n u n t e r s t ü t z u n g a u s g e k o m m e n w a r e n , gegen dies S y s t e m , d a s sie so offensichtlich benachteiligte, w ä r e gefährlich angewachsen. Die F r a u e n h ä t t e n d a n a c h g e t r a c h t e t , ihre Arbeitsleistungen entsprechend h e r a b z u m i n d e r n , oder m a n h ä t t e sie ü b e r h a u p t nicht f ü r die A u f n a h m e der befohlenen Arbeit gewinnen können. E i n e K o m p r o m i ß l ö s u n g , bei der die traditionellen F r a u e n l ö h n e die alten bleiben, die „ n e u e n " F r a u e n b e r u f e a b e r n a c h Männertarifen entlohnt werden sollten, b a r g w i e d e r u m die G e f a h r sozialer S p a n n u n g e n zwischen traditionellen und neuen F r a u e n b e r u f e n sowie e n t s p r e c h e n d e r L o h n f o r d e r u n g e n bzw. einer A b w a n d e r u n g v o n F r a u e n a u s ihren traditionellen B e r u f e n und Industriezweigen in sich. Schließlich einigte m a n sich d a r a u f , n u r in b e s t i m m t e n Industriezweigen — es sollten s o g a r , unter Mitwirkung des O K W , „ k a t a l o g a r t i g die einzelnen B e t r i e b e a u f g e z ä h l t w e r d e n " 6 1 — und bei Ü b e r n a h m e ausschließlich von A k k o r d a r b e i t e n , „ d i e bis K r i e g s b e g i n n üblicherweise von Männern geleistet worden sind, . . . bei gleicher L e i s t u n g u n t e r gleichen A r b e i t s b e d i n g u n g e n (keine Erleichterungen maschineller Art, keine größeren P a u s e n , keine H i l f s k r ä f t e ) eine gleiche E n t l o h n u n g " 6 2 zuzulassen. V o n allen a n d e r e n Arbeiten sollten A b s c h l ä g e v o m Männerlohn, in der Regel 2 0 % , v o r g e n o m m e n werden. D i e s e R e g e l u n g fand schließlich ihren Niederschlag in einem offiziellen R u n d e r l a ß des R e i c h s a r b e i t s m i n i s t e r s an die „ R e i c h s t r e u h ä n d e r der A r b e i t " v o m 15. J u n i 1940.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirlschaftsraumes"

3. Pharmazeutische Produkte, Dental-Produkte, Schädlingsbekämpfungsmittel und vet. m e d . P r o d u k t e „ B A Y E R " . S e r a u n d I m p f s t o f f e BEHRINGWERKE

Auf Grund der unter 1/3 geschilderten erheblichen Schädigungen des pharmazeutischen Geschäftes der IG sowie ferner auf Grund der Tatsache, daß die deutsche pharmazeutische Industrie und hier vor allem „Bayer" durch die Nachkriegsentwicklung ihre wissenschaftliche und wirtschaftliche Qualifikation erbracht haben, halten wir die Verwirklichung folgender Forderungen nicht nur für gerechtfertigt, sondern insbesondere auch zur Erreichung eines planvollen Neuaufbaues in Europa für notwendig. A. Es wäre zu fordern die Rückgabe sämtlicher beschlagnahmten Warenzeichen auf pharmazeutischem Gebiet. Alle Warenzeichen, die im Weltkrieg beschlagnahmt und nach dem Kriege mangels Möglichkeit der prozessualen Sicherung als Freizeichen gehandhabt wurden und uns daher verlorengingen, müssen den Besitzern zurückgegeben und als Warenzeichen mit rückwirkender Kraft eingetragen und gesichert werden. B. Der französische Markt muß den Firmen der deutschen pharmazeutischen Industrie zur freien Konkurrenz geöffnet werden. In einzelnen wichtigen pharmazeutischen Produkten ist diese freie Konkurrenz durch Konventionsabsprachen zu steuern. Die Verwirklichung dieses Wunsches erscheint durch die unter II. vorgetragenen Wünsche als hinreichend gesichert. Von der Seite der pharmazeutischen Industrie ist hierzu im einzelnen folgendes noch zu bemerken: zu I 1) Als Maximalzollbelastung für pharmazeutische Spezialitäten kommt höchstens eine Belastung von 10 bis 15% auf den Freigrenzewert in Frage, zu III A c) Bei der Ermittlung des Ertrages vom Umsatz erscheint uns für das pharmazeutische Geschäft ein Prozentsatz von 5 % vom Umsatz für angemessen. C. Daneben sind verschiedene in Frankreich bestehende Verwaltungsvorschriften für das pharmazeutische Geschäft im Hinblick auf deren hemmende Wirkung zu beseitigen bzw. abzuändern : a) Die Gleichstellung der deutschen mit den einheimischen pharmazeutischen Erzeugnissen bei Ausschreibungen und sonstigen Auftragsvergebungen der französischen Behörden und öffentlichen Einrichtungen ist sicherzustellen. b) Die zum Schutze der einheimischen Serum-Industrie erlassenen Bestimmungen müssen fallen, so daß die ungehinderte Einfuhr von deutschen Sera und Impfstoffen gewährleistet ist. c) Es muß verhindert werden, daß die an sich vorhandene chauvinistische Einstellung vor allem der Ärzte und Apothekerkreise in Frankreich von amtlichen Stellen dadurch zum Nachteil der deutschen pharmazeutischen Industrie gefördert wird, daß die Verwendung einheimischer Heilmittel empfohlen, gefördert oder gar vorgeschrieben wird. Es muß dafür Sorge getragen werden, daß solche Praktiken auch nicht auf verwaltungsprotektionistischem Wege eingeführt werden. Zustände, wie sie beispielsweise beim Verband der französischen Tierärzte bestehen, müssen beseitigt, zumindest müssen die deutschen Firmen als gleichberechtigte Lieferanten zugelassen werden. d) Auf dem Gebiet der Pflanzenschädlingsbekämpfung muß die dem heutigen wissenschaftlichen Stand nicht mehr Rechnung tragende Bestimmung des Anwendungs-

J. IG Farbenindustrie AG

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Verbotes von Quecksilbersaatbeizmitteln fallen, damit insbesondere im Interesse der französischen Landwirtschaft die moderne Schädlingsbekämpfung und Saatgutbeizung zu breitester Anwendung gelangen kann. D. Es ist im Interesse der im allgemeinen Teil ausgeführten Notwendigkeit, die gesamte pharmazeutische Industrie im Europäischen Großraum unter Führung der deutschen pharmazeutischen Industrie organisch und zielstrebig auf die Zukunftsaufgaben auszurichten, erforderlich, der französischen pharmazeutischen Industrie den ihr zukommenden Platz anzuweisen. Hauptsächlich sollte die französische pharmazeutische Industrie ihr Augenmerk auf den Inlandsmarkt richten. Der Export sollte nur unter gleichzeitigen Preisabsprachen und marktregelnden Vereinbarungen mit den deutschen Firmen der pharmazeutischen Industrie erfolgen. Dies trifft insbesondere zu für die wichtigsten pharmazeutischen Chemikalien, wo sie einen Teil der Gesamtabsprachen für die ganze Welt darstellen. Es bleibt vorbehalten, die in diesem Zusammenhang vorzubringenden Vorschläge der deutschen pharmazeutischen Industrie noch gesondert vorzulegen. Zur Sicherung eines solchen Zusammengehens auf den Exportmärkten sollte entweder die Form finanzieller Beteiligung oder der Anschluß an deutsche Exportorganisationen im Ausland ins Auge gefaßt werden. Diese geplante Zusammenarbeit macht es auch erforderlich, die internationalen Verflechtungen der französischen pharmazeutischen Industrie festzustellen und zu prüfen, um sie gegebenenfalls den neuen Verhältnissen anzupassen und auf diese Weise zu verhindern, daß deutsches Gedankengut an außerkontinentale Firmen gelangt. Insbesondere wird auf die Gefahr hingewiesen, die darin besteht, daß zur Zeit in Frankreich tätige Chemiker in Zukunft in dritte Länder auswandern und dort unter Verwertung der ihnen zur Kenntnis gelangten französischen und evtl. deutschen Herstellungsverfahren einheimische nationale Industrien ins Leben rufen, die sich wiederum auf den deutschen Export nachteilig auswirken. Im Zuge der Vereinbarungen müßte auch noch festgelegt werden, daß die zwischen uns und den französischen Firmen Société Parisienne d'Expansion Chimique (Specia), Paris, Les Laboratoires Français de Chimio-Thérapie (Chimio), Paris, Société des Usines Chimiques Rhône-Poulenc, Paris unter dem Druck der damaligen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgeschlossenen Lizenzabkommen über wichtige pharmazeutische Spezialitäten außer Kraft treten. Soweit dabei den französischen Firmen eine tatsächliche Leistung bei den einzelnen Produkten zukommt, könnten neue Lizenz-Verträge auf einer gesunden Basis abgeschlossen werden, die den französischen Partnern die Vorteile gewähren, die ihnen auf Grund ihres tatsächlichen Anteils an der Entdeckung des Präparates zukommen. Bezüglich des Serumgcschäftes sollen wirtschaftliche Absprachen über den Absatz der französischen Sera und Impfstoffe, insbesondere des Instituts Pasteur, getroffen werden, und zwar ähnlich wie bei der pharmazeutischen Industrie in der Weise, daß der französische Inlandsmarkt dem freien Wettbewerb geöffnet wird, während für den Export die französischen Serumhersteller, ähnlich wie für das pharmazeutische Gebiet vorgeschlagen, gehalten sein sollen, sich mit der deutschen Industrie über Preisfragen und Marktregelungen zu verständigen. Dadurch soll der Tatsache Rechnung getragen werden, daß die Ent-

286

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

deckung der antitoxischen Blut-Immunität und die darauf beruhende Begründung der Serumtherapie eine deutsche Schöpfung ist. Eine besondere Regelung ist auch erforderlich f ü r das Dentalgeschäft in Frankreich, das •durch besonders komplizierte internationale Verflechtungen gekennzeichnet ist. Die Versorgung des französischen Marktes mit Dental-Produkten erfolgt zum groBen Teil durch -die Firma de Trey (USA, England, Schweiz), die sich durch finanzielle Beteiligung an den -wichtigsten französischen Dentaldepots ihre Marktstellung stark gesichert hat. Im Interesse der deutschen Industrie von Dentalprodukten ist anzustreben, daß deutsche Dentalprodukte auch auf dem französischen Markt zum Zuge kommen, wobei dieses evtl. durch •entsprechende Vereinbarungen mit der führenden Firma de Trey erreicht werden sollte. Hier wäre zu verlangen, daß die bisher überwiegend aus England und USA getätigten Bezüge in Zukunft auf Deutschland umgelagert werden. Auf dem Carpule-Gebiet sollte die Firma Rhöne-Poulenc angehalten werden, mit uns zu einer Vereinbarung zu kommen, da ihre Scurocain-Zylinder-Ampulle eine Nachahmung unserer gesetzlich geschützten Carpule darstellt. Eine solche Neuregelung der Beziehungen müßte schließlich französischerseits noch durch «in Errichtungsverbot für Betriebe der pharmazeutischen Industrie ergänzt werden; darüber hinaus wären eine Reihe von kleinen und kleinsten Laboratorien, die zumeist nur örtliche Bedeutung haben, zu schließen.

4. Photographika Für die zukünftige Gestaltung und den Neuaufbau der Ausfuhr deutscher photographischer Produkte nach Frankreich wäre es erwünscht, wenn der weitere Ausbau der französischen photographischen Industrie, soweit er sich auf Produkte erstreckt, die durch deutsche Kapazitäten abgedeckt werden könnten, verhindert würde. Um das weitere Bestehen der französischen photographischen Industrie sicherzustellen, wird ein Zollschutz von 5 % für die photographischen Produkte, einschließlich Kino-Rohfilm, der französischen Industrie als ausreichend angesehen. Hierbei sollte dieser Zoll Deutschland als Präferenzzoll eingeräumt werden, während für die photographische Industrie des übrigen Auslandes (also die amerikanischen und englischen Photoprodukte) ein Zoll von 25% für die Einfuhr nach Frankreich vorgesehen werden sollte. Kontingente halten wir unter diesen Umständen für überflüssig. Sie sollten daher aufgehoben werden. Um auch an der Versorgung der französischen Kolonien teilnehmen zu können, wäre die Gleichstellung in der Zollbehandlung der deutschen photographischen Produkte mit den französischen Produkten zweckmäßig. Die französische Photoindustrie sollte sich in ihrem Absatz auf Frankreich und die französischen Kolonien beschränken. Exporte in dritte Länder sollten nur nach Abstimmung mit den Notwendigkeiten des deutschen Exportes vorgenommen werden.

5. Riechstoffe Für die zukünftige Gestaltung der Ausfuhr synthetischer Riechstoffe nach Frankreich wird es notwendig sein, die bestehenden Einfuhrhemmnisse zu beseitigen, insbesondere den Zoll von 20 plus 5% auf 10% einschließlich aller Nebenspesen herabzusetzen. Hierbei sollte

1. IG Farbenindustrie A G

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berücksichtigt werden, d a ß der Zoll nicht nur auf synthetische Riechstoffe, sondern auch a u f Riechstoff-Kompositionen A n w e n d u n g findet; wobei unter Kompositionen Mischungen von ö l e n , H a r z e n und synthetischen Riechstoffen zu verstehen sind.

6. K u n s t s p i n n f a s e r n Die Wünsche f ü r die z u k ü n f t i g e G e s t a l t u n g des A u f b a u e s und der Entwicklung der deutschen Ausfuhr nach Frankreich werden hinsichtlich der Zellwolle (Vistra, C u p r a m a , L a n u s a , A c e t a - F a s e r ) durch die F a c h g r u p p e Chemische Herstellung v o n F a s e r n bzw. die Wirts c h a f t s g r u p p e Chemie f ü r die g e s a m t e deutsche Zellwoll-Industrie an d a s Reichswirtschaftsministerium eingereicht. Hinsichtlich der Kunstseide w ä r e es erwünscht, wenn zur Vermeidung weiterer Schäden, die der deutschen Kunstseide-Industrie durch die V e r k a u f s p o l i t i k der französischen K o n kurrenz auf den verschiedenen A u s l a n d s m ä r k t e n e n t s t a n d e n sind, eine Regelung durch ähnliche Richtlinien v o r g e n o m m e n wird wie diese f ü r die deutschen F a b r i k a n t e n innerhalb der Vereinigung deutscher K u n s t s e i d e - E r z e u g e r besteht. I m einzelnen werden die Wünsche für die g e s a m t e deutsche Kunstseide-Industrie durch die Vereinigung deutscher KunstseideE r z e u g e r über die W i r t s c h a f t s g r u p p e Chemie präzisiert.

7. S t i c k s t o ß und S t i c k s t o f f p r o d u k t e Auf d e m Stickstoff gebiet A n r e g u n g e n f ü r die zukünftige G e s t a l t u n g der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich zu geben, ist i m Zuge dieser A u s a r b e i t u n g nicht ohne wesentliche Einschränkungen möglich. Einerseits ist die französische Produktion, wie schon im R a h m e n der europäischen Stickstoffkonvention (CIA) v o r d e m jetzigen Kriege, so erst recht in Zukunft nicht von der g e s a m t e n europäischen Stickstoffproduktion zu trennen u n d dementsprechend abgesondert zu betrachten. Die G e s t a l t u n g der deutsch-französischen Beziehungen auf d e m Stickstoffgebiet ist vielmehr in die K o n s t r u k t i o n einzupassen, die nach e n d g ü l t i g e m Abschluß dieses K r i e g e s im großdetttschen W i r t s c h a f t s r a u m P l a t z greifen wird. Andererseits: Diese K o n s t r u k t i o n zu bestimmen, ist nicht die A u f g a b e der I G allein, sondern des S t i c k s t o f f - S y n d i k a t s , in d e m die Interessen sämtlicher deutscher Stickstofferzeuger gewahrt werden. D e m g e m ä ß sollen ins einzelne gehende Vorschläge für die zukünftige G e s t a l t u n g der Beziehungen der europäischen Stickstoff-Industrien untereinander d e m S t i c k s t o f f - S y n d i k a t überlassen bleiben. A n dieser Stelle seien daher nur in groben Umrissen die d a b e i bedeutungsvollen P r o b l e m e angedeutet. Um die S t i c k s t o f f w i r t s c h a f t innerhalb des europäischen W i r t s c h a f t s r a u m e s zu ordnen und ihr Verhältnis z u der übrigen Welt festzulegen, sind drei H a u p t p r o b l e m e einerseits in sich zu lösen und andererseits miteinander in E i n k l a n g zu bringen: 1. D i e E n t w i c k l u n g der L a n d w i r t s c h a f t im europäischen R a u m und ihre Beziehungen zu d e n A g r a r m ä r k t e n der W e l t ; 2. die Ordnung der europäischen S t i c k s t o f f m ä r k t e unter Berücksichtigung eines handelspolitisch gebotenen Chilesalpeterimports sowie die Regelung des Stiekstoffexports aus d e m europäischen W i r t s c h a f t s r a u m auf die S t i c k s t o f f m ä r k t e der Welt und 3. die S t e u e r u n g der Stickstoff-Industrialisierung in den Grenzen des großdeutschen Wirts c h a f t s r a u m e s und die Einflußnahme auf die E n t w i c k l u n g der übrigen Stickstoffk a p a z i t ä t e n der Welt.

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A n h a n g : „ N e u o r d n u n g des europäischen Großwirtschaftsraumes"

D i e s e P r o b l e m e sind in vielfacher H i n s i c h t eng m i t e i n a n d e r verflochten, so d a ß sie im Z u g e einer N e u o r d n u n g der S t i c k s t o f l w i r t s c h a f t sämtlich in ihrer W e c h s e l w i r k u n g z u e i n a n d e r B e r ü c k s i c h t i g u n g finden m ü s s e n . U n t e r diesen großen G e s i c h t s p u n k t e n e r g i b t sich f ü r die S t i c k s t o f f - S i t u a t i o n in F r a n k r e i c h u n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g der T a t s a c h e , d a ß die S t i c k s t o f f e r z e u g u n g F r a n k r e i c h s bis z u m Ausb r u c h des K r i e g e s nicht a u s r e i c h t e , u m den eigenen B e d a r f dieses L a n d e s zu decken, u n d b e a c h t l i c h e Mengen e i n g e f ü h r t w e r d e n m u ß t e n (schwefelsaures A m m o n i a k , N a t r o n s a l p e t e r u s w . f ü r D ü n g e z w e c k e sowie S a l m i a k u n d Harnstoff f ü r technische Zwecke), folgende N o t wendigkeit : E i n e B e t e i l i g u n g der f r a n z ö s i s c h e n Industrie a m E x p o r t sollte a u c h in Z u k u n f t unterbleiben. D i e s e F o r d e r u n g b e g r ü n d e t sich z u n ä c h s t mit der v o r s t e h e n d geschilderten bisherigen S i t u a t i o n ; s o d a n n wird d a r a u f a u f m e r k s a m g e m a c h t , d a ß der G e s a m t v e r b r a u c h F r a n k reichs a n S t i c k s t o f f d ü n g e m i t t e l n in 1938/39 rund 1 8 0 0 0 0 t N b e t r u g . Vergleicht m a n diese Ziffer m i t einem V e r b r a u c h w ä h r e n d derselben Zeit in D e u t s c h l a n d (einschließlich O s t m a r k ) v o n 7 4 5 0 0 0 t N, so ergibt sich, d a ß eine s t a r k e A u s w e i t u n g des V e r b r a u c h s a n stickstoffh a l t i g e n D ü n g e m i t t e l n im L a n d e selbst möglich ist. D e r S t i c k s t o f f a u f w a n d b e t r u g in F r a n k reich im Mittel rund 5 k g R e i n s t i c k s t o f f f ü r ha l a n d w i r t s c h a f t l i c h e N u t z u n g s f l ä c h e gegenü b e r beispielsweise 32,6 k g in B e l g i e n u n d 21,4 k g in D e u t s c h l a n d . S o d a n n m u ß d a r a u f hingewiesen werden, daß F r a n k r e i c h sich die in j a h r e l a n g e n F o r s c h u n gen a u s g e a r b e i t e t e n V e r f a h r e n der I G angeeignet h a t und durch eine W e r k s p i o n a g e anläßlich der B e s e t z u n g v o n O p p a u den A u s b a u seiner eigenen s y n t h e t i s c h e n S t i c k s t o f f I n d u s t r i e wesentlich beschleunigen k o n n t e . I m D e z e m b e r 1931 h a t d a s S t i c k s t o f f - S y n d i k a t mit d e m C o m p t o i r F r a n ç a i s de l ' A z o t e , P a r i s , einen V e r t r a g geschlossen, der d e m S t i c k s t o f f - S y n d i k a t die P r ä f e r e n z f ü r die D e c k u n g des Z u s a t z b e d a r f e s F r a n k r e i c h s a n N a t r o n s a l p e t e r e i n r ä u m t . Dieser V e r t r a g w u r d e durch einen Notenwechsel der beiderseitigen Regierungen b e s t ä t i g t . E s erfolgte alljährlich eine V e r s t ä n d i g u n g über die v o n D e u t s c h l a n d zu liefernden Mengen, wobei Lieferwünsche a n derer P r o d u z e n t e n (Norwegen, Chile, U S A ) im R a h m e n der K a r t e l l a b m a c h u n g e n jeweils B e r ü c k s i c h t i g u n g f a n d e n . D e r V e r t r a g i s t nicht g e k ü n d i g t . F ü r die Z u k u n f t ist e r w ü n s c h t , d a ß D e u t s c h l a n d — in ähnlicher Weise wie f ü r a n d e r e M ä r k t e v o r g e s c h l a g e n — eine Präferenz für den gesamten Zuschußbedarf an Stickstoff jeder Art e r h ä l t . Mit dieser M a ß n a h m e soll insbesondere die n o r d a m e r i k a n i s c h e E i n f u h r sowie die C h i l e s a l p e t e r - E i n f u h r a u s g e s c h l o s s e n b z w . kontrolliert werden. D e r Chilesalpeter k a n n e r s e t z t werden durch a n d e r e s y n t h e t i s c h e S t i c k s t o f f p r o d u k t e , wie dies auch in D e u t s c h l a n d geschehen ist. F ü r die Sicherstellung dos d e u t s c h e n E x p o r t e s nach F r a n k r e i c h sind sowohl f ü r die d e u t s c h e W a r e als a u c h f ü r f r e m d e W a r e — sofern sie durch V e r m i t t l u n g v o n D e u t s c h l a n d e x p o r t i e r t wird — folgende b e s i e h e n d e n E x p o r t b e h i n d e r u n g e n nach F r a n k r e i c h zu klären b z w . zu beseitigen : Lizenzsystem Chaisse de P é r é q u a t i o n A b g a b e v o n 4—5 P f g . k g N ( z u g u n s t e n der französischen S t i c k s t o f f - I n d u s t r i e u n d L a n d wirtschaft) P r o h i b i t i v e r Zoll auf technische S l i c k s t o f f p r o d u k t e . E n t s p r e c h e n d der politischen E n t w i c k l u n g wird wahrscheinlich m i t einer K o n t r o l l e der R ü s t u n g s i n d u s t r i e in den L ä n d e r n , die sich mit D e u t s c h l a n d i m K r i e g s z u s t a n d b e f a n d e n bzw. noch befinden, zu rechnen sein. E s w ä r e d a r a u f a u f m e r k s a m zu m a c h e n , d a ß a u s wehr-

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I. IG Farbenindustrie AG

wirtschaftlichen Gründen auf dem Gebiet des technischen Stickstoffes eine derartige Kontrolle zweckmäßigerweise schon mit den Rohmaterialien, z. B. mit Salpetersäure und Ammonsalpeter, beginnen sollte. Diese Kontrolle wäre u. a. eine Aufgabe f ü r eine nach den Plänen des Stickstoff-Syndikates neu zu schaffende „Zentralstelle" beim Stickstoff-Syndikat, Berlin, die in einer Konvention alle stickstoffhaltigen Düngemittel — also auch Kalkstickstoff, der von dem einstigen Kartell nicht berücksichtigt worden war — und stickstoffhaltigen P r o d u k t e f ü r technische Zwecke erfassen würde. Schließlich erscheint es in diesem Zusammenhang wichtig, auf die Tatsache hinzuweisen, daß bei der in Norwegen domizilierten Norsk Hydro Aktiengesellschaft, zu der die IG enge technische und kaufmännische Beziehungen unterhält, französisches Kapital interessiert ist. Dieser Besitz ist aber sehr stark verteilt und wird stimmenmäßig größtenteils durch französische Banken vertreten. Einzelaktionäre sind die IG und ihre Schweizer Freunde, die IG Chemie in Basel.

8. E i n f u h r Zur Frage der Einfuhr ist zu erwähnen, daß die IG aus Frankreich, bzw. seinen Kolonien und Mandatsgebieten, in den letzten J a h r e n durchschnittlich pro J a h r f ü r rd. HM 1.100.000,und zwar insbesondere Chromerz, Phosphat, Bauxit, Riechstoffe, Antimon etc. eingeführt h a t . Die IG ist selbstverständlich in hohem Maße daran interessiert, d a ß die Einfuhr dieser Produkte auch in Zukunft gesichert bleibt. Wir nehmen aber davon Abstand, an dieser Stelle konkrete Vorschläge oder Anträge zu formulieren, da die I m p o r t e dieser Produkte f ü r die IG, gemessen an den Importbedürfnissen des Reiches, relativ klein sind und wir im übrigen annehmen, d a ß die durch die zuständigen Reichsstellen zu treffende Regelung der E i n f u h r aus Frankreich auch die Wünsche der IG berücksichtigen wird. Es darf vorbehalten bleiben, die in dieser Zusammenstellung genannten Anregungen und Vorschläge gegebenenfalls zu ergänzen sowie auf weijere Probleme, die sich im Zuge der Verhandlungen ergeben sollten, noch im einzelnen einzugehen.

3) Aktennotiz von Jost Terhaar, leitendem Mitarbeiter der Wirtschafts vom 7. August 1940

politischen

Abteilung

des

IG-Farben-Konzerns,

Als Ergebnis einer Rücksprache zwischen Herrn von Schnitzlcr und H e r r n Frank-Fahle ist der Unterzeichnete b e a u f t r a g t worden, n u n m e h r gemäß dem Wunsch von Herrn von Schnitzler die bisher vorliegenden Unterlagen über die Friedensplanung, nämlich

290

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

1. den Brief 2. den allgemeinen Teil 3. das Frankreich-Material an die vorgesehenen amtlichen Stellen zu übergeben. Die Übermittlung an MD Schlotterer vollzog sich im Rahmen einer zweistündigen Unterhaltung über die zugrunde liegenden Probleme und — soweit es wegen des umfassenden Materials möglich war — auch über grundsätzliche und wichtige Einzelfragen des IG-Materials. Die prinzipielle Reaktion von MD Schlotterer auf das ihm von uns vorgetrageen Material war, sowohl was das methodische Vorgehen als auch die grundsätzliche Auffassung und die von der IG aus vorgenommene Bewertung der Einzelfragen angeht, durchaus positiv. Mit dieser günstigen Reaktion ist demgemäß das von K. A. geplante Vorgehen der länderweisen Darstellung der in dieser Aufzeichnung gewählten Reihenfolge ebenso gedeckt wie die innere Organisation unseres Materials, d. h. der Aufbau unseres Materials, wie er in dem Brief an MD Schlotterer vorgesehen ist. Es ist wichtig zu betonen, daß MD Schlotterer nicht nur die zweckmäßige, innere klare Formulierung unserer spezifischen Wünsche für notwendig hielt, sondern auch die grundsätzliche und breitere Darlegung des allgemeinen Teiles, der historischen Entwicklung und die von uns vorgesehene Formulierung der allgemeinen Wünsche. Ebenso hielt MD Schlotterer es für richtig, den allgemeinen Teil so aufzubauen, wie er aufgebaut ist, und stimmte der diesem allgemeinen Teil zugrunde hegenden Beweisführung (Führung der deutschen Chemie 1914; nachfolgende Relativierung durch Versailles; Notwendigkeit der Wiederherstellung dieser Führung im Rahmen der Neuordnung) vollauf zu. Die Aussprache über die einzelnen Punkte war im wesentlichen auf die Besprechung des Farben-Teils konzentriert, der bekanntlich den gravierendsten Wunsch der IG enthält. MD Schlotterer war der Auffassung, daß die von uns gewählte Formulierung keineswegs ein übermäßiges Petitum darstelle, sondern sich nach seiner Auffassung wahrscheinlich organisch in die Entwicklung der Friedensplanung eingliedere. Zu dem im Zusammenhang hiermit besprochenen Wunsch der Franzosen über eine baldige Aussprache mit der deutschen Farbstoffindustrie verwies er auf die Zweckmäßigkeit, diese Dinge im engsten Einvernehmen mit Ges. Hemmen zu bearbeiten, sich aber vor dieser Verhandlung mit den Franzosen mit Dr. Ungewitter grundsätzlich abzustimmen, damit die von uns privatwirtschaftlich für zweckmäßig gehaltene Beteiligung nicht den allgemeinen volkswirtschaftlichen Aspekten widerspreche, die von Dr. Ungewitter zu betrauen sind. Sollte die Abstimmung mit Dr. Ungewitter Schwierigkeiten ergeben, so ist MD Schlotterer bereit, über derartige Divergenzen mit uns noch einmal ausführlich zu sprechen. Zu den auf diesem Wege grundsätzlich gebilligten Verhandlungen mit den Franzosen in Wiesbaden betonte MD Schlotterer die Notwendigkeit, die Verhandlungen erst dann materiell aufzunehmen, wenn in der ersten Verhandlung ausreichend geklärt ist, daß die Franzosen nicht kommen, um durch Vorwegnahme von Verhandlungen einen günstigen Besitzstand auszuhandeln, sondern offensichtlich erkennen lassen, daß sie aus echter Notwendigkeit bereit sind, den Primat der deutschen Farbstoffindustrie anzuerkennen. Als weiterer Beispiedfall wurde die Angelegenheit Kodak besprochen. MD Schlotterer teilt eindeutig unsere Auffassung, daß es notwendig ist, die Amerikaner mit allen nur verfügbaren Mitteln aus der französischen Produktion zu entfernen. Die Entschiedenheit, mit der MD Schlotterer diese These vertritt, läßt keinen Zweifel darüber, daß man in der Auswahl dieser Mittel keineswegs wählerisch zu sein braucht. Die gleiche Billigung fand die Chemikalien-These der Bildung von langfristigen Syndikaten.

1. IG Farbenindustrie AG

291

Die vorgebrachten Formal-Wünsche betr. Präferenzzölle, Kontingente, Errichtungsverbote, Genehmigungspflicht wurden von MD Schlotterer insgesamt als mögliche Mittel der Regulierung des deutsch-französischen Wirtschaftsverhältnisses bezeichnet. Er unterstrich hierbei insbesondere, daß er es begrüße, in welchem Maße sich die IG an der Überlegung derartiger Fragen der handelspolitischen Technik beteiligt. MD Schlotterer wird uns, nachdem er Muße genug gehabt hat, das Dokument eingehend zu lesen, sowohl seine endgültige Auffassung mitteilen, als auch Hinweise geben, die möglicherweise bei der Bearbeitung kommenden Materials zu verwerten sind. Die von MD Bergemann angeregte Unterhaltung mit MR. Imhof ergab die gleiche grundsätzliche Zustimmung wie bei MD Schlotterer. MR Imhof begrüßte insbesondere die Ausführungen der IG über eine besondere Art der europäischen bzw. deutschen Präferenzierung, die er bei der Konkretisierung der von ihm geplanten Europa-Klausel verwerten zu können glaubt. Interessant ist im einzelnen folgendes: 1. Daß es in der Tat selbstverständlich ist, aus der machtpolitischen Überlegenheit Deutschlands jetzt endgültig eine von Deutschland klar gesteuerte wirtschaftspolitische Überlegenheit über Frankreich zu konstruieren. Dabei denkt MR Imhof keineswegs an eine -Verkrüppelung Frankreichs, sondern an eine gesunde Retablierung der französischen Wirtschaft, die aber eindeutig in jedem Falle den deutschen Interessen einzuordnen wäre. 2. Die von der IG geplante Methode wurde von ihm, sowohl was die Beteiligung, die Zölle,, die Kontingente, die Errichtungsverbote, die Genehmigungspflicht usw. angeht, gutgeheißen. Interessant war dabei im einzelnen, daß er die bloß 50%ige Beteiligung der IG für „sehr honorig" hielt; außerdem glaubt er, daß die Möglichkeiten privatwirtschaftlicher Verständigung in diesem Sinne maximal ausgeschöpft werden sollten, aber nicht in einem Kompromiß, das zu Lasten Deutschlands geht. 3. MR Imhof erklärte sich mit den allgemeinen Wünschen der IG betr.. Niederlassungsrecht und Steuerpolitik vorbehaltlich näherer Prüfung einverstanden und hielt die von uns gewählte Formulierung für zwar schwer erreichbar, aber grundsätzlich so wichtig, daß er sie auch in seine Planung aufnehmen will. Zur Reihenfolge der weiteren Bearbeitung betonte MR Imhof, daß es zweckmäßig sei, nach Holland und Belgien, Dänemark beschleunigt zu bearbeiten. Die auf Wunsch von MD Bergemann geführte Unterhaltung mit MR Schultze-Schlutius ergab ohne jede Einschränkung das gleiche Bild mit gleicher Zustimmung. MR SchultzeSchlutius empfahl zusätzlich lediglich, das Material auch dem neuen Frankreich-Referenten, Oberregierungsrat Klesper im RWM und O F R Jahnke zuzuleiten, was mittlerweile erfolgt ist. Dagegen hielt er die Zuleitung an Herrn Sagert 1 (Kapitalbeteiligungs-Referat) unterallen Umständen nicht jetzt für erforderlich. Wir schlagen vor, zu diesem Punkt die Rückkehr von MD Bergemann abzuwarten. Die Übergabe an die Wirtschaftsgruppe konnte nicht gegenüber Dr. Ungewitter erfolgen,, der sich auf einer längeren Dienstreise befindet, sondern ist nach Rücksprache mit Herrn Dietrich der zuständigen Prüfungsstelle (Herrn Born) gegenüber erfolgt. Wir halten diese Vorschaltung von Herrn Born, der tatsächlich der in jeder Weise zuständige Sachbearbeiter für den ganzen Fragenkomplex ist, für außerordentlich glücklich, da das übergebene Material das berechtigte Interesse von Herrn Born in einem so hohen Maße befriedigt hat, daß wir annehmen können, in ihm einen zuverlässigen Anwalt unserer Methode gegenüber Herrn Ungewitter gewonnen zu haben. Dieser Umstand wiegt um so schwerer, als. 1 Muß Saager heißen - D. E.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

die von Herrn Ungewitter bevorzugte Methode nicht mit unserer Methode im Einklang steht. Letzterer Umstand trat bei der Übergabe unseres Materials an Herrn Born in gewissem Umfange in Erscheinung. Die Vorgehensweise der Wirtschaftsgruppe zielt nach den Ausführungen von Herrn Born darauf ab : 1. Eine Reihe von wirtschaftspolitischen Prinzipien auszuarbeiten, die für die Gestaltung im europäischen Chemiesektor maßgebend sein sollen. Diese Vorwegnahme von Gestaltungsprinzipien für die Chemie zielt darauf ab, im RWM gewissermaßen ein Passepartout für die chemische Industrie zu erwirken, damit sie im Rahmen der vom RWM gebilligten Prinzipien selbständig das organisiert, was ihr zweckmäßig erscheint. Das grundlegende Gestaltungsprinzip der Wirtschaftsgruppe ist, wie wir nach Einsichtnahme in den schon ausgearbeiteten Entwurf feststellen konnten, eindeutig das Kartellprinzip. In derartigen geplanten Kartellen freiwilligen Zusammenschlusses soll jeweilig die gesamte europäische Industrie organisiert werden, um in dieser Organisation Produktion und Absatz unter deutscher Führung und gemäß den deutschen Interessen zu regulieren. Die Außenverbindung dieser Kartelle gegenüber außereuropäischen Ländern soll in der Form von besonderen, den Kartellen angeschlossenen Syndikaten geregelt werden. 2. Herr Ungewitter beabsichtigt, eine formale Gesamtregelung dieser Art MD Schlotterer vorzuschlagen, diesem Vorschlag einige praktische Beispiele beizugeben — z. B. Kartellregelung für Teerfarben, Stickstoff und ähnliche, ins Gewicht fallende Standardprodukte —, um aus der Billigung dieser Vorgehensweise durch Herrn Schlotterer dann die Berechtigung zu erhalten, gemäß einer solchen Modellregelung es der deutschen Industrie zu überlassen, wie sie ihre unter staatlicher Aufsicht funktionierenden Kartelle organisiert und verwaltet. 3. Herr Born erklärte spontan, daß diese Vorgehensweise hauptsächlich deswegen von der Wirtschaftsgruppe gewählt wurde, um eine Überbürokratisierung in der Behandlung der Friedensprobleme zu vermeiden. Er erklärte, die Selbstauflösung der Bürokratie der Wirtschaftsgruppe usw. sei eigentlich auch ein Teil der an MD Schlotterer zu machenden Vorschläge — er unterließ aber, darauf hinzuweisen, daß die Bürokraten zwar in der Wirtschaftsgruppe verschwinden, dafür aber um so lebendiger in der Geschäftsführung, in der Kontrolle und der Steuerung der Kartelle und Syndikate wieder auftauchen. Jedenfalls läßt diese interessante Argumentation der Wirtschaftsgruppe, soweit sie bisher überblickt werden kann, nicht erkennen, daß seitens des Herrn Ungewitter keine Neigung besteht, auch in Zukunft sich lebhaft um die Gestaltung der deutschen chemischen Industrie, so wie er sie sieht, zu kümmern. Es mag sein, daß sich die Gesichtspunkte des Herrn Ungewitter durchaus mit unseren Notwendigkeiten decken. Da diese Konkurrenz aber keineswegs verbürgt ist und für die Zukunft sichergestellt werden kann, bleibt es notwendig, die Politik Ungewitters um Erlangung des oben erwähnten Passepartouts genau zu verfolgen, vorläufig skeptisch zu beurteilen und evtl. zu versuchen, auf die Gestaltung dieser von ihm geplanten formalen Generalregelung einen gewissen Einfluß zu gewinnen. Letzteres sollte aber erst dann energischer versucht werden, wenn sich aus einer noch mit MD Schlotterer und MD Bergemann zu führenden Unterhaltung ergibt, daß eine solche Generalregelung im RWM für praktisch und sinnvoll gehalten wird. Es ist zur Feststellung der Reaktion der Wirtschaftsgruppe wichtig, zu unterstreichen, daß Herr Born uns schon jetzt gebeten hat, uns auch über die Generalregelung Gedanken zu machen, da dies eine gute Ergänzung der wertvollen Arbeit sei, die wir jetzt über Frankreich vorlegten. Wir haben Herrn Born hierzu erklärt, daß wir Frankreich überhaupt als Modell nicht nur für die jetzt nachfolgenden, vom RWM erbetenen Länderdarstellungen betrachten,

I. IG Farbenindustrie AG

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sondern darüber hinaus als ein Schulbeispiel für die gesamte sachliche Überlegung erachten die zur Frage der Großraumgestaltung notwendig ist. Herr Born begrüßte diese Synthese beider Auffassungen sehr und glaubt, daß in dieser Zusammenarbeit programmatischer Art der Wirtschaftsgruppe und empirischer Art der IG die richtige Synthese für eine glückliche Erledigung der Friedensplanung gegeben sei. Wir haben anschließend in fast zweistündiger Unterhaltung das gesamte Programm der IG mit Herrn Born behandelt. Herr Born hat in dieser Unterhaltung sowohl die unserer Ausarbeitung zugrunde liegende Tendenz, als auch die Ausarbeitung der einzelnen Abschnitte unserer Arbeit sowie die formulierten Wünsche grundsätzlich für sehr gut gehalten. Er war zur Tendenz unserer Anträge lediglich der Auffassung, daß die von uns vorgebrachten Petita wohl nur minimale Forderungen seien, die wir bei einer Verschärfung des Kurses gegenüber Frankreich von uns aus sicherlich noch schärfer formulieren könnten, ohne daß unsererseits privatwirtschaftliche Interessen gefährdet würden. Wir haben dieser allgemeinen Formel zugestimmt. Zu den Einzelwünschen unserer Denkschrift hatte Herr Born keine Ergänzungen vorzubringen. Falls bei einer sorgfältigen Lesung seinerseits noch Bemerkungen zu machen sind, wird er uns sofort verständigen. Interessant waren nebenher noch folgende Einzelheiten: 1. Es erscheint Herrn Born außerordentlich schwierig, das Problem Kodak/Europa zu lösen, da ganz gegen den Wunsch der Wirtschaftsgruppe die deutsche Kodak anscheinend die Absicht hat, das Erbe der europäischen Kodak anzutreten. 2. Es war aus den Ausführungen des Herrn Born eindeutig zu erkennen, daß sich die Reichswerke Hermann Göring für den belgischen Solvay-Komplex interessieren, was um so bemerkenswerter ist, als die deutsche Solvay-Gesellschaft wegen Kapitalmangel kaum in der Lage sein dürfte, dieses Problem zu lösen. 3. Herr Born war der Auffassung, daß das AKU-Problem/Holland bereits als geregelt angesehen werden kann. 4. Herr Born glaubt, daß wir auch untersuchen sollten, ob die IG ein irgendwie geartetes Interesse an der Unilever hat. 5. Herr Born erklärte ferner, daß er auf lange Sicht gesehen die Zollfrage nicht f ü r besonders vordringlich hält bzw. daß die Wirtschaftsgruppe zur Zeit damit beschäftigt ist, einen neuen Tarif auszuarbeiten. 6. Herr Born glaubt zu wissen, daß die zur Zeit noch bestehende Zollgrenze Reich/Protektorat zum 1. Oktober d. J . aufgehoben wird.

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Eichholtz, Kriegswirtschaft I

II. Ruhr-Montankonzerne und Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie 1 1) Aus dem Protokoll von Erich Tgahrt2 über die Besprechung im „Kleinen Kreis" com 7. Juni

19403

Kleiner Kreis, Düsseldorf, 7. 6. 40, nachmittags. Anwesend die Herren: Poensgen Vogler Klöckner Lübsen Flick Loser Zangen (zeitweilig) Winkhaus Tgahrt i) Zangen berichtet: Funk sagt: Steuerfragen gelten als erledigt. Funk verlangt, daß Wirtschaft Zurückhaltung übt, z. B. in der Besitzfrage in Lothringen, ferner in bezug auf Dividenden. Erhöhungen seien während des Krieges nicht angebracht. . . . 4) Besetzte Gebiete: RWM und OKH haben Steinbrinck zum Generalbevollmächtigten für Erz- und Eisenindustrie in Luxemburg und Belgien eingesetzt. Holland: Frage, ob Hochofenwerk I jmuiden arbeiten soll, oder ob Erze und Roheisen nach Deutschland zu bringen sind. WigTU4 hat sich für Stillegung ausgesprochen. Belgien: Falkenhausen, Raeder, Posse. Steinbrinck hat Kommission eingesetzt, Bulle (GHH) und Wesemann und kleiner Stab zur Besichtigung der Werke. Eisenreferent soll Herr Schwede werden. Der Kleine Kreis ist der Ansicht, daß die belgischen Werke erhalten bleiben sollen. 1 Die Dokumente slammen — mit Ausnahme von l\r. 1,2 und 11 — sämtlich aus einem Aklcnband (Archiv des Deutschen Wirtschaftsinstituts, Berlin, Deutsche Bank, Nr. 4374, Bd. 19, Fotokopie des Originals). Der Band mit dem Titel „Industrielle Interessen im besetzten Gebiet und Protektorat" enthält Berichte, Aktenabschriften usw. der Hoesch AG für Karl Kimmich, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, der Aufsichtsratsvorsitzer der Hoesch AG war. Ergänzend zu den hier erstmals gedruckten Dokumenten s. Fall 5. Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des Flick-Prozesses, hsg. v. Karl-Heinz Tliieleke, Berlin 1965 (im folgenden: Fall 5). 2 Vorstandsvorsitzer der Hoesch AG. 3 Archiv des Deutschen Wirtschaftsinstituts, Berlin, Deutsche Bank, Nr. 4374, Bd. 16, Fotokopie des Originals. — Über dieselbe Sitzung existiert ein weiteres Protokoll von Ernst Poensgen, der gewöhnlich die Sitzungen des „Kleinen Kreises" einberief und leitete (gedr. in: Fall 5, S. 21511.). 4 Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie (Leiter: Ernst Poensgen).

I I . Die Ruhr-Montankonzerne

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L u x e m b u r g : Franzosen haben bei Belvalhütte und Differdingen Zerstörungen an Gas- und Elektr.-Zentrale vorgenommen und Arbeiter und Ingenieure verschleppt. Herr Steinbrinck hat Chaumet (Alois Mayer ist in Paris) vor die Frage gestellt, ob Arbed in eigener Verantwortung arbeiten will, was b e j a h t wurde. Leitung Hadir (Lemaire) h a t sich zunächst zur Untersuchung der Inbetriebnahmemöglichkeit und ggf. Instandsetzung bereit erklärt, zur Frage der Inbetriebsetzung keine Stellung genommen. Deutsche Überwacher: Berve f ü r Arbed, f ü r Differdingen Meier-Dortmund und FaustLübeck. Bezahlung der von den Werken zur Verfügung gestellten Beamten von den Werken selbst. Zunächst Untersuchung der Werke, ob sie technisch bald in Gang gesetzt werden können, was v e r m u t e t wird. Vor einer Vorverlegung der F r o n t um mindestens 10 km sei aber a n Inbetriebnahme nicht zu denken. (Das soll auch f ü r die Saar gelten!). Mit einer baldigen Erklärung Luxemburgs zum Reichsgebiet wird gerechnet. Vorräte bei den Luxemburger Werken: Stoßtrupps zur Feststellung, einige h u n d e r t t Walzerzeugnisse sollen schon planlos nach Deutschland verschickt worden sein. Frühere Besitzverhältnisse und neue Regelung: Es scheint nur Röchling vorgestoßen zu sein. Vereinigte Stahlwerke haben erklärt, daß sie während des Krieges nichts unternehmen. Sie haben nur gewünscht, daß auf ihre früheren Werke Beobachter aus ihrem Stab gesetzt werden. Dieser S t a n d p u n k t wird gebilligt. Alle Werke erheben aber f ü r später Anspruch auf ihren früheren Besitz. Flick m a c h t Vorbehalte, weil im Osten ganz anders verfahren worden sei. Hierzu wird von Poensgen bemerkt, d a ß Röchling in der L a u r a h ü t t e schon ein H a a r gefunden habe, d a ß die Saar auch keinen Wert m e h r auf den Ausbau von Donaueschingen lege. K r u p p erklärt, daß das Reich an K. herangetreten sei, damit dort gewisse Erzeugnisse („im östlichen Luftschutzkeller") hergestellt werden. F ü r freie Erzgruben (nicht früherer Besitz) wird gemeinsame Bewirtschaftung durch die deutschen Werke in Aussicht genommen. Über den etwaigen Erwerb von H ü t t e n aus französischem Besitz wurde nicht gesprochen. Verteilung der Minette: Zunächst Saar — sobald es so weit ist — versorgen, ggf. Luxemburg, soweit in Betrieb gesetzt, alsdann rheinisch-westfälische Werke nach Erzschlüssel. Finanzierung der Erzgruben bei Inbetriebsetzung: nach dem Erzschlüssel, Verteilung der Erze ebenso. Dies alles als Übergang. . . .

2) Aktennotiz über den Vortrag von Jakob Wilhelm Reichert, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende vor den Chefs der Marinerüstung am 14. Juni 19401

Industrie,

B e t r i f f t : Eisen und Kohle im neuen deutschen Machtbereich, die Grundlage für die zukünftige deutsche Eisenindustrie Aktenvermerk Auf Grund eines Vortrages, den der H a u p t g e s c h ä f t s f ü h r e r der Wirtschaftsgruppe „Eisen schaffende Industrie", Dr. J . W. Reichert, am 14. 6. 40 im kleineren Kreise gehalten hat, wird nachstehend eine kurze Zusammenfassung des Vortrages übermittelt. 1 Bundesarchiv Koblenz, W i r t s c h a f t s g r u p p e Eisen schaffende Industrie, R 13 I, Nr. 1004. — Die Aktennotiz einschl. Vortragsniederschrift s t a m m t aus dem Oberkommando der Kriegsmarine (M W a Wi) und t r ä g t d a s D a t u m vom 27. J u n i 1940. 20"

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Ferner werden als Anlagen beigefügt: 1.) Abdruck einer im Dezember 1917 vom Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller und Verein deutscher Eisenhüttenleute an die Reichs- und Oberste Heeresleitung gerichteten Denkschrift: „Zur Einverleibung der französisch-lothringischen Eisenerzbecken in das deutsche Reichsgebiet", 2.) „Die Kräftebilanz der kriegführenden Mächte in Kohle und Eisen von 1929—1938". 1.) Lage 1938: a) Kohle Aus den Angaben der zum Vortrag vorgelegten „ Kräftebilanz der kriegführenden Mächte in Kohle und Eisen von 1929—1938" wurde vom Vortragenden die ungleiche Verteilung der Kohle vorkommen auf die kriegführenden Staaten und die Überlegenheit der Kohlewirtschaft Deutschlands klargelegt. Der durch die operativen Erfolge Deutschlands verursachte Ausfall der Produktion der nordfranzösischen Gruben für Frankreich und die als Folge der Besetzung der Kanalhäfen eingetretene Behinderung der englischen Zufuhr verschieben das Bild weiter zu deutschen Gunsten. b) Eisenerz Dem Kohlereichtum steht die ausgesprochene Mangellage Deutschlands an Eisenerzen gegenüber, wohingegen Frankreich über ausgedehnte Erzvorkommen, unter ihnen das bedeutendste Europas, das lothringische Minettebecken, verfügt, dessen Erzgehalt entgegen früheren deutschen Schätzungen von französischen Sachverständigen neuerdings mit 11 Milliarden t Gesamtvorkommen angegeben wird, wovon nach den gegenwärtigen wirtschaftlichen Betrachtungen mindestens 7 Milliarden t Roherz als abbauwürdig angesehen werden können. 2.) Die deutsche Eisenwirtschaft der Zukunft Die Grundlagen der Eisen- und Stahlindustrie sind Erz, Schrott, Kohle. Die wirtschaftliche Ausnutzung der vorhandenen Rohstoffvorkommen und Hüttenwerke zum Aufbau einer Eisenindustrie, die den höchsten wehrwirtschaftlichen Ansprüchen gewachsen ist, erfordert die Vereinigung der Bergbau- und Hüttenbezirke über die bisherigen Staatsgrenzen hinaus sowie die betriebswirtschaftliche Zusammenfassung von Gruben und Hütten. Die Erzversorgungsbasis muß innerhalb der deutschen Staatsgrenzen liegen, um von der Notwendigkeit der Einfuhr über See — Schweden — im Ernstfalle freizukommen. Schon vor dein Weltkrieg«' ging die Wirtschaftsstrategie der westdeutschen Konzerne dahin, ihre Unternehmen nicht einseitig auf einer der beiden Grundlagen (Kohle und Erz) aufzubauen. In dieser Weise haben mehrere Stahlgesellschaften der Ruhr und der Saar in Lothringen und Luxemburg eigene Gruben und Hütten betrieben. Die zukünftige Rohstahl-Jahreserzeugung Großdeutschlands kann nach Anschluß der holländischen, belgischen, luxemburgischen und lothringischen H ü t t e n — bei Annahme der Aufrechterhaltung einer Jahresproduktion an Rohstahl in den bisherigen Reichsgrenzen von rd. 25 Mill. Jato — mit im Kriegsfall 35 Mill. J a t o angenommen werden. In Friedenszeiten kann mit Hilfe eingeführter ausländischer Erze (Schweden, Afrika, Rußland) die Rohstahlgewinnung auf 40 und mehr Millionen J a t o gesteigert werden. Die organische Zusammenfassung und Einordnung der Gruben und H ü t t e n im neuen Westraum erfordert:

II. Die Rulir-Montankonzerne

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a) Ausbau der Transportwege zu Wasser und zu Lande, b) sinnvolle Produktions- und Marktordnung für die gesamte Eisen- und Stahlindustrie Großdeutschlands, c) Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, insbesondere auf dem Weltmarkt, mittels einer weitblickenden Preis- und Lohnpolitik. Zu a): Zur Verhüttung der lothringischen Erze reicht die Saarkohle weder qualitativ noch quantitativ aus. Infolgedessen sind Schienen- und Wasserstraßen auszubauen, u. a. das alte Projekt der Kanalisierung von Mosel und Saar wieder aufzunehmen. Zu b): Die Herstellung der verschiedenen Stahlsorten ist innerhalb Großdeutschlands unter Berücksichtigung wehrwirtschaftlicher und wirtschaftlicher Erfordernisse, aber auch unter Berücksichtigung der Standorte der Gruben (Transportfrage!) und der Werkseinrichtungen der verschiedenen Hüttenbezirke zu verteilen. Zu c): Da die Ausfuhr von Erz und Schrott grundsätzlich zu stoppen und nur Halb- und Fertigerzeugnisse auszuführen sind, spielen die Gestehungskosten die ausschlaggebende Rolle, um gegenüber dem Stahlblock der USA konkurrenzfähig zu sein. Im Sinne der zukünftigen Gestaltung ist die Zerstörung oder Verschrottung der Eisen- und Stahlwerke im neuen Westraum zu verhindern. Infolgedessen sind: die heutigen Bestände zu ermitteln, entstandene Schäden zu beseitigen und Inbetriebnahmen vorzubereiten und durchzuführen. Diese Gedankengänge entsprechen durchaus der Auffassung des deutschen Generalbeauftragten f ü r die belgisch-luxemburgische Eisen schaffende Industrie, K. Kapt. a. D. Steinbruck. 3.) Die zukünftige Versorgung Englands und Restfrankreichs a) England England h a t im Vertrauen auf seine Seeherrschaft wirtschaftliche Vorteile wehrwirtschaftlichen Erfordernissen vorangestellt und so aus rein händlerischen Überlegungen heraus sich auch für den jetzigen Kriegszustand nur mangelhaft gerüstet. Eine Eindeckung in Erz und Schrott zwecks Schaffung von Kriegsreserven erfolgte nicht; die Kapazitäten der englischen Hüttenanlagen werden mangels ausreichender Eisenrohstoffe nicht voll ausgenutzt. b) Frankreich Die Rohstahlkapazität Restfrankreichs ist mit 2i/ 2 bis 3 Mill. J a t o anzunehmen. 4.) Zusammenfassung Wäre zur Zeit des Frankfurter Friedens 1871 schon die große Bedeutung der Fortsetzung der im Moseltal zutage tretenden Erzbecken bis weit über die Stadt Briey hinaus erkannt worden, dann ist anzunehmen, daß damals schon die ganzen Minette-Erzvorkommen Lothringens von Deutschland übernommen und damit der französische Revanchekrieg erschwert worden wäre. Frankreich empfand seinerseits nach dem Versailler Diktat, also nach Wiedergewinnung des gesamten Lothringer Erzbeckens, noch mehr als früher den Zwang zur Sicherung ausreichender Kohlenversorgung und strebte im Ruhrkampf die Vereinigung einer großen Kohlenbasis mit seinen Erzschätzen an. Auf diesem Wege hätte sich Frankreich die Hegemonie über Europa gesichert und Deutschland die Aufrüstung unmöglich gemacht. Nunmehr kann Deutschland durch Vereinigung der Erz- und Kohlenbecken den Frieden sichern, ferner Frankreich an der Wiederaufrüstung hindern. Wirtschaftlich kann Deutsch-

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

l a n d seine Weltstellung d a d u r c h k r ä f t i g e n , d a ß es n e b e n der Kohle auch das Eisen i n großen Mengen f r e m d e n Völkern liefern k a n n . Politisch müssen sich infolgedessen die europäischen S t a a t e n m i t dieser N e u o r d n u n g a b finden.

3) Aus dem Schreiben von Ernst Poensgen1 an die Mitglieder des „Kleinen Kreises" vom 27. Juni 1940, mit dem als Anlage beigefügten Schreiben von Poensgen an Reichswirtschaftsminister Waither Funk vom 24. Juni 19402 S e h r geehrte Herren, a m 24. d. M. h a b e ich eine U n t e r r e d u n g m i t H e r r n v o n H a n n e k e n 3 g e h a b t u n d i h m hierbei den v e r a b r e d e t e n Brief in d e r in Abschrift beiliegenden endgültigen F a s s u n g übergeben. I m übrigen sind folgende P u n k t e b e s p r o c h e n w o r d e n : 1) Treuhänderische V e r w a l t u n g in L o t h r i n g e n H e r r Steinbrinck h a t t e v o n H e r r n T e r b o v e n gehört, i h m solle neben L u x e m b u r g und Belgien a u c h Lothringen ü b e r t r a g e n werden. H e r r v o n H a n n e k e n teilte m i t , d a ß dieser W u n s c h des H e r r n Terboven nicht erfüllt werde, er habe seinerseits f ü r die V e r w a l t u n g der Lothringer H ü t t e n H e r r n H e r m a n n Röchling vorgeschlagen. D a n e b e n wolle er einen Generalbevollmächtigten f ü r alle Minetteerzgruben vorschlagen, also f ü r die Lothringer u n d L u x e m b u r g e r Minette gemeinsam. Man h a b e ursprünglich a n H e r r n W i t t k e gedacht, w a h r scheinlich werde aber H e r r R a a b e v o n den Reichswerken m i t dieser Aufgabe b e t r a u t werden, wobei H e r r v o n H a n n e k e n H e r r n R a a b e darauf verpflichten werde, d a ß er n u r o b j e k t i v i m g e s a m t d e u t s c h e n Interesse zu a r b e i t e n h a b e und nicht e t w a f ü r die Reichsw e r k e ; er solle Erze schaffen, nicht aber über die z u k ü n f t i g e n Verteilungspläne Vorschläge machen. 2) Minetteabsatz H e r r von H a n n e k e n sagte, die d r i n g e n d s t e G e g e n w a r t s a u f g a b e sei die, die S a a r m i t Minette zu beliefern, d a m i t sie wieder in G a n g k o m m e . D a ß dies auch der S t a n d p u n k t der R u h r w e r k e ist, geht aus Absatz 2) unseres Briefes hervor. H e r r v o n H a n n e k e n h a t t e B e d e n k e n wegen des P u n k t 2) des Schreibens a n den H e r r n Reichswirtschaftsminister, in dem die R u h r w e r k e etwa überschüssiges E r z verlangen, er meinte, das s t ä n d e ganz Deutschland zu. E r h a t sich d a n n aber m i t dieser F a s s u n g e i n v e r s t a n d e n e r k l ä r t . Inzwischen ist die Erzlieferung aus Differdinger B e s t ä n d e n a n die S a a r bereits aufgen o m m e n worden. Lieferungen nach Belgien o d e r zur R u h r k o m m e n aus Verkehrsgründen zunächst nicht in Frage. Die Möglichkeit, die L u x e m b u r g e r und nordfranzösischen G r u b e n 1 Vorstandsvorsitzender der Vereinigte Stahlwerke AG u n d Leiter der W i r t s c h a f t s g r u p p e Eisen schaffende Industrie. 2 D a s Schreiben a n F u n k w u r d e in erster Fassung auf der Sitzung des „Kleinen Kreises" am 7. J u n i 1940 beschlossen (s. D o k u m e n t Nr. 1). Diese F a s s u n g s. gedr. i n : Fall 5, S. 218 f. 3 U n t e r s t a a t s s e k r e t ä r im Reichswirtschaftsministerium u n d Generalbevollmächtigter f ü r die Eisen- und S t a h l b e w i r t s c h a f t u n g .

II. Die Ruhr-Montankonzerne

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wieder in Betrieb zu setzen, wird von Herrn Bornitz von Zollhaus-Blumberg zur Zeit untersucht. Es liegen hier Minensperrungen der Franzosen vor. 3) Die künftigen Eigentumsverhältnisse an den Lothringer Gruben Hierzu unser Brief, der die Gerüchte ausräumen soll, als ob die Ruhrwerke oder einzelne von ihnen Annexionsgelüste hätten. Herr von Hanneken bestätigt, daß solche Meinungen bei den Behörden bestanden und verweist auf die Denkschrift Schoen aus dem Jahre 1934, womit die sogenannte Interessengemeinschaft schon Ansprüche angemeldet habe. Es wird ihm erläutert, daß diese Denkschrift nicht zum Zwecke der Erwirkung neuer Annexionsansprüche gemacht worden sei, sondern als Abschluß der 15 Jahre dauernden Verhandlungen um die Liquidation der früheren deutsch-lothringischen Gruben und Hütten. Ob man diese Interessengemeinschaft später bei Geltendmachung von Ansprüchen als Organ benutzen wolle oder nicht, werde noch geprüft werden. Ich habe betont, daß juristische Ansprüche der alten Besitzer an den Gruben und Hütten nicht bestanden, wohl aber moralische, da die Entschädigungen zwischen 6 bis max. 10% der nachgewiesenen Vermögenswerte schwankten, die deutschen Besitzer daher zu 90—95% ausgefallen seien. Herr von Hanneken führte aus, der Standpunkt des Herrn Generalfeldmarschall und seines Ministers sei der, gegenwärtig keinerlei Interessenkämpfe der Beteiligten zuzulassen. Wer jedoch früher dort einen Besitz gehabt habe, der solle wieder zu dem Besitz kommen. Wie dies stattfinden solle, darüber sei noch nichts besprochen worden. Der Standpunkt des Herrn Generalfeldmarschalls sei: wer schlecht abgefunden worden sei, müsse in irgendeiner Form am Besitz wieder beteiligt werden. Aber während des Krieges solle nichts entschieden werden. Er (von Hanneken) besitze ein Schreiben des Herrn Generalfeldmarschalls, wonach er seine Willensmeinung dem Herrn Generalfeldmarschall mitzuteilen habe, der sich die letzte Entscheidung vorbehalte. Nun müsse er betonen, daß, je zeitiger man die Probleme anfasse und absolut neutral vorbereite, um für die Zukunft die Dinge klarsetzen zu können, um so leichter werde er seine Vorschläge formulieren und dem Herrn Generalfeldmarschall vorlegen können.' Er bitte mich, ihm die Unterlagen hierfür zu beschaffen, wie es 1914 gestanden habe, wie die damalige Besitzverteilung war, wie hoch die Abfindungen oder Entschädigungen, welche die einzelnen Besitzer bekamen, und welchen Standpunkt die Wirtschaftsgruppe hinsichtlich der zweckmäßigen Neuverteilung einnimmt. Herr von Hanneken bittet, hierbei nicht allein vom Besitzstand des Jahres 1918 auszugehen, sondern auch die neuesten Forschungen zu berücksichtigen. Nun erhalte man die Verfügung auch über das ganze französische Erzgebiet. Es sei daher zu prüfen, ob eine Abrundung der Besitze möglich sei, damit einheitliche Felder zwecks einheitlicher Betriebsführung geschaffen werden könnten. Ich habe der Aufforderung des Herrn von Hanneken entsprechend Herrn Dr. Reichert mit einer diesbezüglichen Aufstellung beauftragt, die ich nach Fertigstellung in unserem Kreise vorlegen werde. Herr von Hanneken hat seinerseits Herrn Dr. Kiegel beauftragt, sich mit den gleichen Fragen zu befassen. Er werde vielleicht noch weitere Persönlichkeiten zu Vorschlägen heranziehen, wie z. B. Herr Röchling dem Gauleiter Bürckel Vorschläge gemacht habe, die sehr loyal gehalten seien, auch gegenüber den Ruhrwerken. Auf den de Wendel'schen Besitz würden wohl die Hermann-Göring-Werke reflektieren. 4) Besitzverhältnisse in Oberschlesien Auf meinen Hinweis, daß man in Oberschlesien schon vor Friedensschluß entgegen früher gemachten Zusagen Besitzverteilungen vorgenommen habe, ohne die früheren Haupt-

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beteiligten (Vereinigte Stahlwerke u n d Mitteldeutsche Stahlwerke) ü b e r h a u p t zu fragen, verweist H e r r v o n H a n n e k e n auf den Wunsch des Führers, K r u p p ein Ausweichwerk zu schaffen. I m übrigen sei eine endgültige Übertragung weder bei K r u p p noch bei Röchling v o r g e n o m m e n worden, welch letzterer sicher heute froh sein würde, w e n n er seine Interessen im Westen wieder ü b e r n e h m e n könne. 5) Friedensvertragswünsche (Rdsch. Tgb. Nr. 9642 R / W der W i r t s c h a f t s g r u p p e Eisen schaffende I n d u s t r i e v o m 26. 6. 40 4 ) Von der Reichsgruppe sind die W i r t s c h a f t s g r u p p e n gebeten worden, etwaige W ü n s c h e zur K e n n t n i s zu bringen. Die Frage wird kurz b e r ü h r t und hingewiesen auf den f r ü h e r e n deutschen Besitz in der N o r m a n d i e , im französischen Kolonialbesitz (Konzession Gebr. Mannesm a n n Marokko) u n d a n d e r e n . 6) Badischer Doggererzbergbau Die a m Doggererzbezug interessierten H e r r e n der Saar b e d r ü c k t e eine gewisse Sorge, weil ich e r k l ä r t h a b e n sollte, der A u s b a u des Werks in Zollhaus-Blumberg k ä m e nicht m e h r in F r a g e . Ich h a b e H e r r n v o n H a n n e k e n erwidert, ich müsse wohl einen speziellen F r e u n d h a b e n , der ihm immer wieder angebliche Äußerungen meinerseits h i n t e r b r ä c h t e . I c h wisse, d a ß er, H e r r von H a n n e k e n , a n dem Dogger-Ausbau festhalte, das k ö n n t e den W e r k e n an d e r R u h r gleichgültig sein, da sie ja uninteressiert seien. Die Saarwerke m ü ß t e n selbst wissen, wo ihre Z u k u n f t liege, ich wolle mich hier nicht einmischen. . . . H e r r Steinbrinck wird in nächster Woche voraussichtlich einen oder zwei Tage in Düsseldorf sein und h a t den W u n s c h , unserem Kreis über seine bisherigen Arbeiten zu berichten. E s k a n n daher sein, d a ß ich Sie ganz plötzlich, ohne vorher den Termin a b s t i m m e n zu können, einladen m u ß , ggf. b i t t e ich, im Verhinderungsfall einen Vertreter zu senden. [Anlage] Gelegentlich einer Besprechung m i t H e r r n Generaldirektor Zangen ist Ihrerseits die F r a g e a n g e s c h n i t t e n worden, d a ß die deutschen Eisenwerke nicht h e u t e schon Ansprüche erh e b e n m ö c h t e n , um in den Besitz etwa dauernd in den Machtbereich des deutschen Reiches fallender G r u b e n und H ü t t e n im Minette-Bezirk zu k o m m e n . Ich g e s t a t t e mir, I h n e n mitzuteilen, d a ß diese Angelegenheit im Kreise der folgend a u f g e f ü h r t e n W e r k e dieser Tage eingehend besprochen worden ist, nämlich G u t e h o f f n u n g s h ü t t e O b e r h a u s e n AG, Oberhausen/Rhld., Hoesch-Aktiengesellschaft, D o r t m u n d , Klöckner-Werke AG, Duisburg, F r i e d . K r u p p AG, Essen, M a n n e s m a n n r ö h r e n - W e r k e , Düsseldorf, Vereinigte Stahlwerke AG, Düsseldorf. Ich darf I h n e n die einmütige Auffassung der oben genannten W e r k e in dieser Frage wie folgt präzisieren: 1) Solange der Krieg d a u e r t , also bis zum Friedensschluß, sehen die obigen Werke volls t ä n d i g d a v o n ab, auf G r u n d f r ü h e r e r R e c h t e irgendwelche Ansprüche auf Ü b e r t r a g u n g v o n E i g e n t u m s - oder Bezugsrechten a n Minette-Gruben im Minette-Bezirk oder an H ü t t e n w e r k e n in L u x e m b u r g bzw. L o t h r i n g e n zu erheben, wobei sie unterstellen, d a ß auch v o n keiner anderen Seite e t w a angemeldete Ansprüche ihnen in Z u k u n f t entgegengehalten wenden und v o r den ihrigen bevorzugt werden. 4 D a s bezeichnete R u n d s c h r e i b e n der W i r t s c h a f t s g r u p p e s. gedr. i n : Fall 5, S . 2 2 0 f f .

II. Die Ruhr-Montankonzerne

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2) Wenn noch während des Krieges Erze (Minette) aus dem Kriegsgebiet oder aus Luxemburg aus Vorräten geliefert oder aus Neuförderungen bezogen werden können, so erkennen die Werke das unbedingte Vorrecht der etwa in Betrieb zu setzenden Werke im besetzten Gebiet oder der Saarhütten auf diese Mengen an. Sollte über den Bedarf dieser Werke hinaus weitere Minette verfügbar sein, so erheben die oben genannten Werke Anspruch darauf, daß ihnen das Bezugsrecht hierfür zusteht. 3) Die oben genannten Werke behalten sich vor, nach Ausgang des Krieges ihre Ansprüche anzumelden, die darauf hinausgehen, daß sie die Möglichkeit haben, ihre verloren gegangenen Bezugsrechte wieder aufleben zu lassen, oder diejenigen Gruben und Hütten in einer noch zu vereinbarenden Weise zurückzuerhalten, welche vor dem Weltkriege ihr ganzes oder teilweises Eigentum waren und von ihnen betrieben worden sind. Außer den oben genannten Werken haben auch andere deutsche Gesellschaften in ElsaßLothringen vor dem Weltkriege Beteiligungen und Besitz gehabt; die oben genannten Werke sind selbstverständlich der Meinung, daß dieser Vorbehalt in gleicher Weise für die anderen deutschen Gesellschaften zutrifft. 4) Über den früheren Besitz der oben genannten Werke hinaus sind in Lothringen weitere bedeutende Erzvorkommen vorhanden. Es erscheint verfrüht, heute schon über die etwaige Betriebsweise dieser Gruben Erwägungen anzustellen. Die Werke sind der Meinung, daß diese Frage zunächst offen bleiben muß. Vielleicht könnte es zweckmäßig erscheinen, wenn aus diesen Erzgruben zunächst ein Gemeinschaftsbetrieb der gesamten deutschen Eisen schaffenden Industrie gemacht würde.

4) Aktennotiz

von Fritz vom Brückl vom 7. Juli

1940

Besprechung der Herren Generaldirektor Tgahrt und Direktor Dr. vom Bruck mit Herrn Dr. Reichert 2 am 4. 7. 40 Aus der Unterredung ist folgendes festzuhalten: 1) Herr Röchling sei von Gauleiter Bürckel offiziell als Sonderbevollmächtigter für die Gruben und Hütten für Lothringen ernannt worden. Die Bestätigung durch Generalfeldmarschall Göring stehe noch aus, sei aber zu erwarten. Der Geltungsbereich von Herrn Steinbrinck als Sonderbevollmächtigter für die Eisen schaffende Industrie beschränke sich nicht nur auf Belgien und Luxemburg, sondern daneben auch auf den Bezirk Longwy. 2) Gauleiter Bürckel habe Anspruch erhoben, über die zukünftige Gestaltung der Gruben und Hütten souverän zu entscheiden, insbesondere auch über die zukünftigen Besitzverhandlungen. Diese Auffassung würde in Widerspruch stehen zu den Mitteilungen von Herrn von Hanneken, wonach Göring die Entscheidung nach Anhören von v. Hanneken treffen würde. 3) Herr Röchling habe Herrn Bürckel bereits einen Bericht über die Gruben und Hüttenindustrie Lothringens vorgelegt. Der Bericht sei der Wirtschaftsgruppe nicht zugänglich gemacht worden, obwohl man darum gebeten habe. Röchling habe erklärt, daß er seinen 1 Direktor der Hoesch AG und Leiter der Berliner Geschäftsstelle des Hoesch-Konzerns. 2 Jakob Wilhelm Reichert, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Eisen schallende Industrie.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Bericht auf ausdrückliche A n o r d n u n g v o n Bürckel angefertigt h a b e , der i h n b e r u f e n h a b e und dem gegenüber er sich infolgedessen allein verantwortlich f ü h l e . E r h a b e a b e r H e r r n Dr. Reichert einen Auszug a u s seinem Bericht z u k o m m e n lassen. Aus dem Bericht ginge hervor, d a ß a) d e r gesamte französische Besitz restlos abgelöst werden solle; es solle also den Franzosen auch keine Minderheitsbeteiligung verbleiben. b) D e n H ü t t e n solle ein ausreichender Grubenbesitz gesichert sein. E i n e s t a r r e F e s t h a l t u n g a n dem f r ü h e r e n Besitz in dieser Hinsicht sei nicht e r w ü n s c h t ; m a n könne einen zweckentsprechenden Austausch vornehmen. c) Die E r z e sollen in erster Linie zur Bedarfsdeckung f ü r die Saar, f ü r Deutsch- u n d F r a n zösisch-Lothringen und L u x e m b u r g dienen. Belgien war in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht g e n a n n t . — Der überschreitende B e t r a g solle der R u h r zur V e r f ü g u n g gestellt werden. Nach Ansicht v o n H e r r n Dr. Reichert wird die Roheisenerzeugung in den besagten Gebieten 10—12 Mill. t b e t r a g e n ; es werden also m i n d e s t e n s 36 Mill. t Erze benötigt. D a s entspricht e t w a der F ö r d e r u n g der letzten J a h r e . H e r r T g a h r t erwiderte, d a ß d a n a c h f ü r die R u h r ja nicht viel übrig bliebe. H e r r Dr. Reichert bezweifelt dies; er wies darauf hin, daß in einem J a h r e schon einmal eine F ö r d e r u n g v o n 53 Mill. t erreicht worden sei, u n d daß diese Zahl f ü r die Z u k u n f t mindestens ohne Schwierigkeit a u f r e c h t erhalten werden könne. d) Auf unsere Frage, ob bereits ins Auge gefaßt sei, eine Kommission aus allen Interessenten nach L o t h r i n g e n zu entsenden, u m sich von dem Z u s t a n d der W e r k e und G r u b e n zu überzeugen, erwiderte H e r r Reichert, daß eine solche Besichtigung auf Veranlassung v o n Röchling bereits s t a t t g e f u n d e n habe. 4) Als Ergebnis erfolgte eine längere U n t e r h a l t u n g über die F r a g e der Besitzansprüche. H e r r Reichert stellte auf G r u n d des ihm überreichten Auszuges des Berichtes v o n Röchling fest, daß bezüglich der W e r k e Deutsch-Lothringens wohl im großen und ganzen d u r c h die A n s p r ü c h e der f r ü h e r e n Besitzer v e r f ü g t wäre. F ü r diejenigen Werke, die f r ü h e r keine H ü t t e n besessen h ä t t e n , k ä m e n aber die zahlreichen W e r k e in Französisch-Lothringen in Frage. N a c h Auffassung v o n H e r r n Dr. Reichert müsse jeder berechtigte Interessent ohne Schwierigkeiten zum Zuge k o m m e n können. I m Gegensatz zu f r ü h e r e n Ä u ß e r u n g e n v o n H e r r n Reichert u n d a n d e r e n H e r r e n der Wirts c h a f t s g r u p p e scheint er j e t z t v o n dem S t a n d p u n k t etwas a b g e r ü c k t zu sein, die f r ü h e r e n Besitzverhältnisse bei der z u k ü n f t i g e n Besitzverteilung s t a r k in den V o r d e r g r u n d zu stellen. — Auf meinen Hinweis, d a ß die Verquickung f r ü h e r e r Besitzverhältnisse m i t der G e l t e n d m a c h u n g neuer Besitzansprüche nicht sehr glücklich gewesen sei und gerade in dieser A u f m a c h u n g überall sehr viel S t a u b aufgewirbelt habe, erwiderte H e r r Reichert, d a ß er gern wissen möchte, wer diese Version in Umlauf g e b r a c h t h a b e . (Nach meiner Kenntnis m u ß allerdings die W i r t s c h a f t s g r u p p e bei der H e r a u s s t e l l u n g der Interessengemeinschaft als auch der f ü r die z u k ü n f t i g e n Verhandlungen vorgeseheneu Organisation u n b e d i n g t mitgewirkt haben.) H e r r Dr. Reichert betonte, d a ß n a c h seiner Auffassung alle W e r k e einen A n s p r u c h h ä t t e n , u n d daß dieser Anspruch in A n b e t r a c h t der Fülle der O b j e k t e doch sicherlich auch befriedigend gelöst werden könne. E r jedenfalls würde seine B e m ü h u n g e n auf dieser Basis und nach dieser R i c h t u n g abstellen. D a ß das Reichswirtschaftsministerium nicht d a r a n denke, n u r f r ü h e r e Besitzer zum Zuge k o m m e n zu lassen, ginge aus einer B e m e r k u n g v o n Ministerialrat S c h m i t t bezüglich eines v o n M a n n e s m a n n gestellten Anspruches hervor, d e r erklärt habe, d a ß auch dieser Anspruch berücksichtigt werden müsse.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

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5) Herr Tgahrt stellte unsere Stellungnahme zur Besitzfrage nochmals klar heraus. Er erhob in aller Form unseren Anspruch auf die Möglichkeit des Erwerbs eines guten und großen Hüttenwerks, nebst Gruben. Zur Begründung dieses Anspruchs führte er etwa folgendes aus: a) Die Verquickung früherer Besitzverhältnisse mit neuen Besitzansprüchen sei schon deswegen unzweckmäßig, weil hierdurch in der Öffentlichkeit der Gedanke aufkommen könne, als wolle die Schwerindustrie aus der neuen politischen Lage Sondervorteile für sich ziehen. Dieser Eindruck müsse unter allen Umständen vermieden werden. b) Nicht die früheren Besitzer hätten die Gebiete zurückerobert, sondern das gesamte deutsche Volk durch seine Armee. Es sei daher abwegig und unratsam, Ansprüche auf Grund des früheren Besitzes zu erheben. Man könne vielmehr nur an den Staat herantreten mit der Bitte, bezüglich der notwendigen Neuverteilung allen sachlich berufenen Interessenten gleiche Chance zu geben, unbeschadet eines Prioritätsanspruches der früheren Besitzer. Alle berechtigten Interessenten müßten einen gleichen Start haben; das sei die einzig mögliche logische Folge der politischen Situation. c) Der Prioritätsanspruch der früheren Besitzer dürfe aber nicht durch verschiedene Preisgestaltung zu einem offenbaren wirtschaftlichen Nachteil der früher Nichtbeteiligten führen. Es müsse insbesondere berücksichtigt werden, daß die früheren Besitzer teils direkt, teils indirekt, in verschiedenen Formen entschädigt worden waren, und daß darüber hinaus die etwa verbliebenen Verluste durch Abschreibungen gedeckt seien. Zudem sei in einigen Fällen die Rechtsnachfolge zum mindesten zweifelhaft. d) Wenn wir nicht zum Zuge kämen, so bestände für uns die schwere Gefahr, in unserer Wettbewerbsfähigkeit ernsthaft gefährdet zu werden, da die auf der guten Gestehungsgrundlage arbeitenden lothringischen Hütten möglicherweise eine ganz andere Preispolitik treiben könnten. e) Gegenüber den anderen früher nichtbeteiligten Werken, wie Mannesmann, Krupp, GHH und Flick, sei Hoesch noch durch besondere personelle Verhältnisse benachteiligt. 6) Herr Tgahrt fragte Herrn Dr. Reichert, ob er ihm bezüglich der Wahl eines Werkes Ratschläge erteilen könne. Herr Reichert gab hierauf keine klare Antwort und verwies in diesem Zusammenhang auf belgische Werke; er nannte insbesondere Ougree-Marihaye und Providence. Herr Tgahrt wies darauf hin, daß die gute Ertragslage der belgischen Werke im wesentlichen auf den günstigen Lohnverhältnissen beruht habe; diese seien für die Zukunft zweifelhaft, da die Lohnverhältnisse sicherlich eine grundlegende Änderung erfahren würden. Die Frage, ob das den belgischen Gesellschaften zur Verfügung stehende französische Kapital ebenfalls durch deutsches abgelöst werden würde, konnte Herr Reichert nicht beantworten. Diese Frage sei bisher noch nicht erörtert worden. Er persönlich könne sich die Lösung so vorstellen, daß man hier ähnlich verfahre wie seinerzeit Frankreich an der Saar, d. h., daß sich Deutschland bei den maßgeblichen belgischen Werken, zum mindesten soweit französischer Besitz vorhanden gewesen sei, 60% des Kapitals sichere. 7) Bezüglich der „Arbed" konnte uns Herr Reichert auch nichts Konkretes mitteilen. Er hält es aber für möglich, daß die Arbed in einzelne Teile zerschlagen wird. 8) Das gleiche scheint Röchling bezüglich de Wendel zu planen. 9) Auch bezüglich der Hadir konnte uns Herr Dr. Reichert nichts berichten. 10) Herr Dr. Reichert versicherte, daß die Vereinigten Stahlwerke keinen Anspruch auf Hagendingen erhöben. Hagendingen sei früher bei Thyssen gewesen, und der Thyssen-Besitz sei an das Reich übergegangen.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Herr Dr. Reichert versichert nochmals, daß er sich als Treuhänder für die ganze Eisen schaffende Industrie betrachte und in diesem Sinne auf eine gerechte Lösung der Fragen hinwirken werde. Herr Tgahrt bat Herrn Dr. Reichert, Herrn Poensgen von dem Verlauf der Unterredung Kenntnis zu geben und ihm insbesondere Mitteilung zu machen, daß wir Ansprüche auf ein geeignetes Hüttenwerk mit Grube erheben. — Herr Tgahrt wird .sich auch noch persönlich mit Herrn Poensgen ins Benehmen setzen. Herr Dr. Reichert hält es für zweckmäßig, bei dem vorgesehenen Besuch bei Herrn von Hanneken die Besitzfrage nicht anzuschneiden, es sei denn, daß der General von sich aus auf die Angelegenheit zu sprechen käme. — Herr Tgahrt pflichtet dieser Auffassung bei.

5) Ergänzung von Erich Tgahrt vom 8. Juli 1940 zur Aktennotiz von Fritz vom Bruck vom 7. Juli 19401 Vorbemerkung: Am 5. 7. war ich, gemeinsam mit Herrn vom Bruck, mit den Herren Herbert Göring 2 , Ministerialdirektor Gramsch 3 und Professor Paschke zusammen. Aus der Unterhaltung mit diesen Herren ist folgendes festzuhalten: Zu 1) Nach Herbert Göring ist der Auftrag an Herrn Röchling ausschließlich von Herrn Bürckel erteilt. Er hat die Aufgabe, den Zustand der Hütten und die Möglichkeiten ihrer Inbetriebsetzung festzustellen. Ein gleicher Auftrag soll Herrn Wittke von Dillingen erteilt worden sein für die Gruben. Mit Ausführung dieses Auftrages soll die Aufgabe der beiden Herren als erloschen anzusehen sein. Über die von Herrn Dr. Ernst Poensgen gemeldete Betrauung des Herrn Raabe mit der Ingangsetzung der Minettegruben ist nichts bekannt geworden. Zu 4) Es hat den Anschein, als ob Herr Steinbrinck sich bemühe, daß bei der Arbed als Treuhänder die Vereinigten Stahlwerke eingesetzt würden. Röchling wünsche die Betreuung der Carlshütte (früher Besitz von Röchling) und von Hagendingen. Herr Herbert Göring betonte, daß als oberster Grundsatz ganz klar ausgesprochen wäre, daß die Ansprüche aus alter Zeit nicht aufleben und niemand sich unter Berufung darauf einen Sondervorteil verschaffen könne. Zu 10) Aus Anlaß meines Besuches bei Herrn von Hanneken habe ich Herrn vom Bruck bei dem Genannten eingeführt. Ich habe außer meinem persönlichen Glückwunsch zur Ernennung zum Generalleutnant lediglich die Lieferung von Salzgittererzen der Reichswerke an die Ruhrhütten besprochen und dabei das gewünschte Ergebnis, d. h. sehr starke Herabsetzung der Lieferungen, erzielt. Herr von Hanneken hat von sich aus über die besetzten Gebiete nichts gesagt. Ich habe aber mit Herrn vom Bruck gesprochen, daß er gelegentlich Herrn Ministerialrat Schmitt aufsucht und zwanglos diese Frage nach folgender Richtung hin bespricht: Wir sind selbstverständlich damit einverstanden, vor Beendigung des Krieges keinerlei Wünsche zu äußern, vorausgesetzt, daß dies auch von anderer Seite nicht geschieht, bzw. daß etwaige Wünsche unbeachtet bleiben. Grundsätzlich haben wir allerdings den Wunsch, anerkannt zu sehen, daß Hoesch — ebenso wie die übrigen großen Werke des rheinisch-westfälischen 1 s. Dokument ! i. 2 Vetter Hermann Görings; Leiter der Verwaltung Berlin der Vereinigte Stahlwerke AG ; Vertrauensmann des Flick-Konzerns und der Vereinigten Stahlwerke. 3 Friedrich Gramsch, Ministerialdirektor beim Beauftragten für den Vierjahresplan.

I I . Die Ruhr-Montankonzerne

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Bezirks — das Anrecht darauf habe, eine Hütte mit ausreichendem Grubenbesitz zu erwerben, falls irgendeinem der deutschen Werke ein solches Zugeständnis gemacht würde. Da man sich indes bemüht, die Werke wieder in Gang zu bringen, wird für die Betreuung jedes einzelnen Werks ein deutscher Leiter eingesetzt werden müssen. Es besteht naturgemäß die Vermutung, daß der bei einem Lothringer, Luxemburger oder belgischen Werk eingesetzte deutsche Treuhänder, falls er von einem der großen Hüttenkonzerne Deutschlands kommt, seine Aufgabe darin sieht, die Übernahme des betreffenden Werks durch seinen Konzern vorzubereiten, und daß auch die Betreuung selbst einen Fingerzeig und ein gewisses Anrecht nach dieser Richtung hin gibt. Ist das aber der Fall, so liegt auf der Hand, daß die Frage der etwaigen Besitzverteilung in Lothringen von den amtlichen Stellen vor Kriegsschluß angefaßt werden muß, und sogar vor Einsetzung irgendeines Treuhänders für ein besonderes Werk. Durchbrochen ist dieser m. E . notwendige Grundsatz bereits bei den Luxemburger Werken durch die Einsetzung des Herrn Berve bei der Arbed und von Herrn Meier bei Hadir. Es muß deshalb klargestellt werden, welche Absichten in dieser Hinsicht die amtlichen Stellen haben. Das gleiche gilt für den Grubenbesitz. Auch hier soll weder über alte vermeintliche Ansprüche, noch über neue Wünsche gesprochen werden. Es wurde aber in Berlin bekannt, daß Bergassessor Dr. Willing (Vereinigte Stahlwerke), der Leiter der Gruppe Erzbergbau, vom RWM den Auftrag erhalten hat, auf Grund seiner inzwischen erfolgten Besichtigung innerhalb von 3 Tagen Vorschläge über die Verteilung der Erzgruben in Lothringen zu machen. Auch das ist schlechterdings unmöglich, wenn obiger Grundsatz aufrechterhalten werden wird.

6) Schreiben von Fritz vom Bruck an Erich Tgahrt vom 8. Juli 1940 B e t r . : Lothringische Hütten. Rücksprache mit Herrn Ministerialrat Schmitt am 8. 7. 40. Sehr verehrter Herr Tgahrt! Ich habe eingangs betont, daß ich vertraulich den Rat des Herrn Schmitt in der obigen Angelegenheit einholen wollte. Zunächst habe ich unseren Standpunkt noch einmal in kurzen Worten dargelegt, wie er auch bereits in der Rücksprache mit Herrn Dr. Reichert zum Ausdruck gekommen ist. Ich habe betont, daß wir volles Verständnis dafür haben, daß 1) der Staat, dessen Armeen den Raum erobert haben, in erster Linie seinen Anspruch geltend machen kann, 2) kein Rechtsanspruch auf Besitzerwerb von irgendeiner Seite besteht, 3) alle aus diesem Grunde einen gleichen Start haben, 4) diese Frage während des Krieges nicht entschieden werden kann, 5) der Staat in wohlverstandenem Eigeninteresse einer späteren Besitzerwerbung durch die Werke der Saar und Ruhr sicher sympathisch gegenüberstehen würde. Es erschiene mir aber zweckmäßig, einmal vertraulich mit ihm diese Dinge zu besprechen, damit nicht der Eindruck entstände, als ob wir grundsätzlich uninteressiert seien, und weil wir auf der anderen Seite der Ansicht wären, daß, da j a doch später einmal die Frage des Besitzerwerbs akut werden würde, diese Dinge einer gewissen Vorbereitung bedürften. 1) Herr Schmitt wies zunächst auf die Vereinbarung hin, die mit der Eisen schaffenden Industrie getroffen sei dahingehend, daß diese Frage während des Krieges nicht ange-

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s c h n i t t e n werden solle. E r b e t o n t e gleich, daß er meine R ü c k s p r a c h e selbstverständlich n i c h t als in irgendeiner Weise gegen diese Vereinbarung verstoßend b e t r a c h t e , da sie vertraulich g e f ü h r t sei u n d ich v o n ihm lediglich eine A u s k u n f t ü b e r den S t a n d der Dinge erwarte. Zwei Werke h a b e n sich offenbar an diese Vereinbarung nicht gehalten u n d h a b e n sich schriftlich a n das Reichswirtschaftsministerium gewandt. D a r a u f h i n h a t H e r r v o n H a n n e k e n H e r r n Poensgen noch einmal auf diese Vereinbarung hingewiesen. 2) Der Sonderbevollmächtigte f ü r die Erzgruben ist nicht W i t t k e , s o n d e r n R a a b e v o n d e n Reichswerken. 3) Auf meinen Hinweis, daß v o n den Sonderbevollmächtigten f ü r die Leitung der einzelnen G r u b e n u n d H ü t t e n Persönlichkeiten aus der Eisen schaffenden I n d u s t r i e herangezogen w ü r d e n , u n d d a ß i m Hinblick auf die Vorbereitung des s p ä t e r e n Besitzerwerbs doch sicherlich auch Persönlichkeiten v o n W e r k e n ausgewählt würden, die s p ä t e r Ansprüche auf diese besonderen W e r k e hin geltend m a c h e n würden, erwiderte H e r r S c h m i t t , d a ß dem nicht so sei. Die Persönlichkeiten w ü r d e n gewissermaßen eine militärische E i n b e r u f u n g e r h a l t e n u n d h ä t t e n ihre Tätigkeit t r e u h ä n d e r i s c h und auf ihre Person abgestellt auszuüben, ohne d a m i t irgendeinen Anspruch des Werkes zu b e g r ü n d e n , dem sie angehören. Der S t a a t behielte sich v o l l k o m m e n freie H a n d , u n d die Tatsache, d a ß ein Angehöriger eines Werkes die t r e u h ä n d e r i s c h e V e r w a l t u n g einer lothringischen H ü t t e ü b e r n ä h m e , gäbe dem W e r k n i c h t den allergeringsten Anspruch auf spätere Berücksichtigung. E r stellte anheim, sich m i t den H e r r e n Steinbrinck, Röchling oder Raabe in V e r b i n d u n g zu setzen, w e n n wir den W u n s c h h ä t t e n , geeignete Persönlichkeiten zur V e r f ü g u n g zu stellen, u n d wies darauf hin, d a ß es zweckmäßig sei, die erste G a r n i t u r zu wählen, da es sich ja u m schwierige A u f g a b e n h a n d l e . E i n e militärische R a n g s t e l l u n g sei bei der Auswahl zu empfehlen. 4) Auf meine B e m e r k u n g , d a ß bezüglich der Besitzverhältnisse a n den G r u b e n Vorschläge kurzfristig u n t e r b r e i t e t werden sollen, erwiderte H e r r S c h m i t t , d a ß H e r r Poensgen t r e u händerisch den A u f t r a g erhalten habe, einmal die Besitzverhältnisse im J a h r e 1919 klarzulegen, ohne d a m i t jedoch den S t a a t bei seinen z u k ü n f t i g e n E n t s c h e i d u n g e n in irgendeiner Weise zu b i n d e n und ohne auch j e t z t schon Besitzansprüche zu f o r m u l i e r e n . E r b e t o n t e i m m e r wieder, d a ß A n s p r ü c h e ü b e r h a u p t nicht b e s t ä n d e n , u n d wies darauf hin, d a ß auch diejenigen Werke, die f r ü h e r Besitz gehabt h ä t t e n , doch entschädigt und a b g e f u n d e n w o r d e n seien. Das schließe nicht aus, d a ß m a n diesen W e r k e n bei dem E r w e r b einen Priorit ä t s a n s p r u c h einräume. E s müsse allerdings dabei nach organischen Gesichtspunkten verf a h r e n w e r d e n ; m a n w ü r d e sich in keinem Falle s t a r r an den f r ü h e r e n Besitzstand halten. 5) Ich wies darauf hin, d a ß wir f r ü h e r n u r an einigen G r u b e n beteiligt waren, eine H ü t t e a b e r nicht besessen h ä t t e n , d a ß wir aber den Anspruch erhöben, gegebenenfalls a u c h eine n a m h a f t e H ü t t e erwerben zu können. — Herr S c h m i t t ließ durchblicken, d a ß eine solche Möglichkeit ja doch in dem f r ü h e r e n Französisch-Lothringen, u n t e r der Voraussetzung, d a ß dies deutsch werden würde, sicher gegeben wäre. Aus den A u s f ü h r u n g e n des H e r r n S c h m i t t ist z u s a m m e n f a s s e n d festzustellen: 1) Es h a t n i e m a n d einen Anspruch. 2) Alle h a b e n den gleichen S t a r t . 3) Die f r ü h e r e n Besitzer h a b e n bezüglich ihres Besitzes gegebenenfalls eine A r t Vorkaufsrecht. 4) Es besteht die Möglichkeit auch f ü r diejenigen Werke, die f r ü h e r keine H ü t t e besessen h a b e n , eine solche zu erwerben, und zwar in erster Linie in FranzösischLothringen.

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II. Die Ruhr-Montankonzeme

5) Die zur kommissarischen Verwaltung der Werke herangezogenen Persönlichkeiten werden militärisch eingezogen und üben ihre Tätigkeit auf eigene Verantwortung aus, ohne spätere Ansprüche der Werke zu begründen, denen sie angehören. Wie Sie sehen, kann man mit den aufgestellten Grundsätzen zufrieden sein, sofern sie wirklich durchgeführt werden. — Ich bin mit verbindlichen Grüßen und Heil Hitler! Ihr sehr ergebener

7) Aktennotiz

von Erich Tgahrt com 9. Juli

1940

Bei meinem gestrigen Besuch bei Herrn Dr. Ernst Poensgen erfuhr ich folgendes: Poensgen bestätigt, daß der Bericht Röchling bei Herrn Bürckel vorliegt, daß Röchling sich aber geweigert hat, den Bericht der Wirtschaftsgruppe zu geben. Er hat aber in einem Schreiben an Dr. Reichert die wichtigsten Punkte seines Berichtes bekanntgegeben. Es sind die folgenden: Röchling empfiehlt eine vollkommen neue Aufteilung des Erzbesitzes, so daß jedes Hüttenwerk an der Saar in Ostfrankreich und Luxemburg auf der Grundlage seiner jetzigen Erzeugungsmöglichkeit auf 100 Jahre Erz-Reserven hat. Er empfiehlt ferner die Zusammenfassung von mehreren Hüttenwerken zu je einer Einheit von 1 Million t Rohstahl. Schließlich will er für die politische und wirtschaftliche Führung — und demnach den Besitz der großen Werke — neben den Ostfranzosen und Luxemburgern in erster Linie die Saarländer betreuen, weil sie die Mentalität der Ostfranzosen am besten verstünden. (Diese Empfehlung bedeutet naturgemäß im wesentlichen die Überlassung der ganzen ostfranzösischen Hüttenwerke an die Saarländer und bestenfalls noch einiger Werke an die Vorbesitzer und die Reichswerke.) Schließlich bringt Röchling zum Ausdruck, daß die Minette zu 60% kalkig und zu 40% kieselig, gegebenenfalls sogar 50 : 50, abgebaut werden sollte, damit nicht ein Raubbau mit kalkiger Minette getrieben wird. (Nach meiner Kenntnis ist der Vorrat an kalkiger Minette wesentlich größer als der an kieseliger Minette. Das wird man aber wahrscheinlich aus Gutachten feststellen können.) Röchling ist der Meinung, daß über die oben dargelegte Versorgung hinaus auch eine gewisse Ausfuhr nach Belgien, und zwar etwa 2 Millionen t jährlich, und vor allem nach Rheinland/Westfalen zugelassen werden sollte. Poensgen ist von Schmitt aufgefordert worden, seinerseits Vorschläge zu machen. Poensgen versucht, mit Röchling gemeinsame Linie zu finden, und hat für heute eine Besprechung mit Röchling in Berlin verabredet. Er hat gemeinsam mit Vogler Richtlinien aufgestellt, die im wesentlichen folgendes besagen: Feststellung, daß 7 Milliarden t Erz in Ostfrankreich und in Luxemburg anstehen mit rund 2y 4 Milliarden t Fe. Erfordernisse: 1) Felderbereinigung 2) Nach vollkommen neuer Planung Versorgung der Hütten in Ost-Frankreich, Saar und Lothringen für 75 Jahre 3) Zusammenlegung von Hüttenwerken benachbarter Lage auf solche von 600000 t Jahresleistung 4) Die unter 2) nicht gebrauchten Erze sollen zur Verfügung der großdeutschen Eisenindustrie gehalten werden. Verteilung nach der Roheisen-Kapazität. Bewirtschaftung nach übergeordneten Gesichtspunkten. Deutsche Erze sollen als Reserve bestehen bleiben und nur insoweit abgebaut werden, als es die Erhaltung des Grubenzustandes und die Wirtschaftlichkeit der Hüttenwerke zuläßt.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

5) Neben diesen Gesichtspunkten treten Privatansprüche zurück. Es soll aber den früheren Besitzern ein gewisses Vorrecht eingeräumt werden, falls man diesem Gedanken überhaupt zuneigt; deshalb Feststellung der Besitzlage vor 1914. Ich habe Herrn Poensgen gebeten, bei seinen Vorschlägen keinesfalls über die 600000 t Jahresleistung der Stahlwerke hinauszugehen, weil sonst zu wenig zur Verfügung stünden, um die zu erwartenden Ansprüche zu befriedigen, zumal in den Vorschlägen von Poensgen auch angedeutet ist, daß auch die Verteilung der Stahlwerke unter Umständen nach der jetzigen Rohstahl-Kapazität erfolgen soll. E r hat mir das zugesagt mit dem Hinzufügen (unter strengster Vertraulichkeit), daß er mit Herrn Vogler darüber einig sei, daß die Vereinigten Stahlwerke nur den Wunsch hätten, Differdingen zu erhalten. Von Klöckner liege naturgemäß der Anspruch auf Kneuttingen vor, die Reichswerke möchten de Wendel und Hagendingen haben, und was die Saarwerke beanspruchten, wäre noch nicht klar. Es wäre auch die Frage, ob bei der Übernahme der Hüttenwerke in deutsche Verwaltung nicht die alten französischen und belgischen Vorbesitzer berücksichtigt werden sollten, damit man für den Absatz Unterstützung hat und auch sonst eine vertrauensvolle Zusammenarbeit herbeiführen kann. Wie mit der Arbed verfahren werde, sei unbestimmt. Er persönlich wäre für eine Erhaltung dieses gewachsenen Gebildes und ggf. Überführung der französischen Mehrheit in deutschen Besitz. Krupp habe in letzter Zeit in aller Form den Anspruch erhoben, Hüttenwerke in Lothringen zu erwerben. Das habe in Berlin sehr verschnupft. Röchling hat die Firma Otto Wolff mit der Treuhänderschaft für die Hütten und Gruben im Gebiet von Nancy betraut. General Bührmann ist zum Inspekteur für RohstoffFragen im ganzen Gebiet ernannt worden. Raabe ist jetzt bestellt für alle Minettegruben. einschließlich Luxemburg, mit der Aufgabe, die Gruben in Betrieb zu setzen. Ich habe Poensgen noch gebeten, Herrn Reichert zu veranlassen, mich dauernd unterrichtet zu halten, was er mir zusagte.

8) Schreiben von Fritz vom Bruck an Erich Tgahrt vom 10. Juli 1940 B e t r . : Lothringen — Hütten und Gruben Sehr verehrter Herr Tgahrt! Herrn Dr. Reichert habe ich in der obigen Angelegenheit heute aufgesucht und ihn zunächst kurz ins Bild gesetzt über die Ausführungen, die Ministerialrat Schmitt bei meinem Besuch vom 8. ds. Mts. gemacht hat. Herr Reichert berichtete dann kurz über die gestern stattgefundene Unterredung zwischen Herrn Poensgen und Herrn Röchling, die im wesentlichen sehr harmonisch verlaufen sei. Insbesondere habe sich Röchling ohne weiteres dem Vorschlage von Herrn Poensgen angeschlossen, die Betriebseinheiten auf einer Basis von etwa 600000 t Kapazität zusammenzuschließen anstatt von 1 Million t, wie Röchling ursprünglich vorgesehen hatte. Herr Reichert hatte eine Notiz über die Besprechung in Form eines Briefes an Herrn Poensgen angefertigt, die er mir zu lesen gab. Eine Abschrift des Briefes, um die ich zur Überlassung und Weitersendung an Sie bat, wollte er nicht herausgeben; er wollte auch nicht, daß von mir Notizen gemacht wurden. Herr Reichert meinte, daß die in der Besprechung erwogenen Planungen noch gänzlich unverbindlich seien und daß er es daher nicht wünsche, daß über die Einzelheiten Diskussionen stattfänden. Herr Poensgen würde sich die Fragen

II. Die Ruhr-Montankonzerne

309

sowieso noch sicherlich 8 Tage lang durch den Kopf gehenlassen, und es stände uns natürlich frei, uns mit Herrn Poensgen erneut in Verbindung zu setzen. — Da ich in das Schreiben nur kurz Einblick nehmen konnte, kann ich den Inhalt im folgenden nur unverbindlich und in großen Zügen und ohne Gewähr für die Richtigkeit wiedergeben. Danach sieht das Bild etwa so aus, daß man den Raum von Deutsch- und FranzösischLothringen einschließlich des Gebietes von Nancy und einschließlich Luxemburg und des belgischen Werkes Athus zugrunde gelegt hat. Innerhalb dieses Gebietes befinden sich nach der Aufstellung, die der Besprechung zugrunde lag, 30 Werke. Diese Aufstellung wird Herr Reichert uns überlassen. Herr Tosse wollte eine Abschrift anfertigen lassen; ich erwarte noch heute die Übersendung derselben und werde sie dann an Sie weiterleiten. Die Aufteilung sieht, soweit ich sie im Gedächtnis habe, und ohne die in dem Brief vor gesehene Reihenfolge einzuhalten, etwa folgendermaßen aus: Longwy dazu Gorcy II. Gruppe La Chiers | R6hon / III. Gruppe Senelle Sauines Hussigny. Godbrange IV. Gruppe Micheville V. Gruppe Homecourt \ Auboue f VI. Gruppe Hagendingen VII. Gruppe Kneuttingen VIII. Gruppe Diedenhofen I X . Gruppe Rombach Maizieres X./XI. Gruppe de Wendel Hayingen | Moyeuvre : Joeuf I X I I . Gruppe Pont-ä-Mousson X I I I . Gruppe Pompey | Neuves Maisons'

Kapazität 600000 t 50000 t

I. Gruppe

640000 t 825000 t etwa

480000 t 600000 t reichlich

über etwa

1 Million t 1 Million t 500000 t (?) 625000 t 300000 t

über

1,2 Millionen t

etwa

200000 t 650000 t

XIV. Gruppe Differdingen Wie Sie sehen, ist der luxemburgische und belgische Raum in dieser Gruppeneinteilung mit Ausnahme von Differdingen nicht erfaßt. Es wäre also möglich, aus den hier befindlichen Kapazitäten sicherlich noch zwei Gruppen in der vorgesehenen Größenordnung zusammenzustellen. Diese Gruppierung ist, wie Herr Reichert ausdrücklich betonte, völlig unverbindlich. Man wisse ja auch noch nicht, wie groß die Zahl der Interessenten sei. Sollten sich noch mehr Interessenten herausstellen, so könnte man ja die Anzahl der Gruppen erhöhen, indem man für die einzelne Gruppe eine geringere Kapazität vorsähe. Es können auch, wenn es Ihnen zweckmäßig erscheint, noch andere Gegenvorschläge gemacht werden. 21 Eichholtz, Kriegswirtschaft I

310

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

In jedem Falle aber erscheint es mir unbedingt notwendig, die Fühlung mit Herrn Poensgen aufzunehmen und sich schnellstens darüber klar zu werden, welche Ansprüche wir konkret zu stellen gedenken. Bezüglich der Gruben soll eine Felderbereinigung stattfinden, ebenso wie auch die H ü t t e n werke nach organischen Gesichtspunkten zusammengefaßt werden sollen, wie das in den Vorschlägen auch bereits berücksichtigt sei. Was mit den Gruben geschehen solle, die nicht zu einem der aufgeführten 30 Werke gehören, sei noch offen. An einen Gemeinschaftsbesitz denke m a n nicht. Bezüglich der Gruben hat eine Aufstellung zugrunde gelegen, die Herr Schoen gemacht h a t . Bei flüchtiger Durchsicht mußte ich feststellen, daß Hoesch nur bezüglich seiner Beteiligung an der Grube Reichsland erwähnt, aber die Grube J a r n y nicht aufgezählt war. Dabei stellte es sich heraus, daß Herr Schoen die gesamten Gruben in Französisch-Lothringen vergessen hatte. Interessant war an dem Bericht des Herrn Reichert, daß f ü r einzelne Gruppen offenbar schon über Interessenten gesprochen worden ist, so z. B. bezüglich: a) Micheville: Hier hatte man an G H H gedacht. — Auf meine Frage, ob die G H H etwa einen diesbezüglichen Wunsch geäußert habe, erklärte Herr Reichert, dem sei nicht so, doch habe die G H H früher einmal die Absicht gehabt, unmittelbar neben Micheville ein Werk zu errichten. — Hieraus möchten wir ersehen, daß alle solche Erwägungen noch sehr abstrakter Natur gewesen seien und noch keineswegs irgendwie feste Konturen angenommen hätten. b) Homecourt-Auboue: Hier ist ollenbar an Neunkirchen gedacht worden. c) Pont-ä-Mousson: Hier hat m a n an Halberger H ü t t e gedacht. d) de Wendel: Hier hat m a n die Reichswerke als Interessent vorgemerkt. e) Rombach: Concordia, unter Hinweis auf den Spaeter'schen Vorbesitz. f) Diedenhofen: für Röchling. g) Hagendingen: beansprucht ebenfalls Röchling als Entschädigung für die Maxhütte. h) Kneuttingen: für Klöckner. i) Differdingen: wird von den Vereinigten Stahlwerken beansprucht. Den Arbed-Komplex hat m a n offenbar zunächst ganz herausgelassen. Der Name „Hoesch" sei auch ganz allgemein genannt worden, doch nicht im Zusammenhang mit irgendeiner Hütte, da m a n diesbezügliche Wünsche unsererseits bisher nicht vorgetragen habe. Grundsätzlich ist gegen die Aufteilung der Hütten aus sachlichen Gesichtspunkten heraus, im allgemeinen wohl nicht viel einzuwenden. Man sollte meinen, daß die Zahl der Interessenten nicht größer ist, als sie in dem Plan der Wirtschaftsgruppe durch die Gruppeneinteilung vorgesehen ist. Es müßte sich also auf dieser Basis doch eigentlich eine Einigung erzielen lassen. Frei sind nach der Rücksprache zum mindesten die Gruppen Longwy, Chiers und Pompey. Da wir auf die letztere ja wohl keinen Wert legen, würden in erster Linie also die beiden. Gruppen Longwy und Chiers in Frage kommen. Selbstverständlich ist aber über Micheville und Homecourt oder Senelle das letzte Wort nicht gesprochen. Gerade Homecourt wurde mir sowohl von Herrn Spannagel als auch von anderer Seite als sehr gutes Werk geschildert. Die belgischen Hütten sind zunächst einmal aus diesem Komplex herausgelassen, wenn man. von Chiers und Rehon absieht, die Ougree und Providence gehören. Es würde also nicht ausgeschlossen sein, unbeschadet der Vormerkung für eine der Gruppen später noch Ansprüche auf belgische H ü t t e n bzw. die Arbed oder Teile der Arbed geltend zu machen.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

31i

Im Zusammenhang mit französischen Beteiligungen an belgischem Besitz, von denen man heute noch nicht weiß, in welcher Form sie abgelöst werden sollen, möchte ich noch aus eigener Initiative, ohne Zusammenhang mit der Reichert'schen Unterhaltung, auf einige interessante Bergwerke im Campine-Bezirk hinweisen. Es handelt sich um folgende drei Gesellschaften : a) Société des Charbonnages de Limburg/Meuse Sitz Brüssel Förderung 1937: 1263 000 t Konzessionen: 4910 ha b) Société Anonyme des Charbonnages Coursel-lez-Beeringen Förderung 1937: 1146000 t Konzessionen: 4950 ha c) Société des Charbonnages, Winterslag Sitz Brüssel Förderung 1937: 872 000 t Konzessionen: 3963 ha Bei allen drei Kohlengesellschaften ist französisches Kapital beteiligt. — Das CampineGebiet ist, soweit ich höre, noch sehr aussichtsreich. — Auf Hinweise im südlichen Kohlenbezirk Belgiens habe ich verzichtet, weil m a n von hier nicht übersehen kann, in welchem Umfange die Werke bereits abgebaut sind. — Anschließend wies Herr Reichert darauf hin, daß Herr Poensgen die von dem Reichswirtschaftsministerium gewünschte Aufstellung über die Besitzverhältnisse des Jahres 1918 eingereicht habe. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich Ihre Stellungnahme möglichst bald erfahren könnte. Auch eine etwaige Beteiligung unsererseits bei Rombach braucht meiner Ansicht nach bei der Aufteilung der Gruppen zunächst nicht berücksichtigt zu werden, da es sich gegebenenfalls ja um eine interne Vereinbarung mit dem vorgesehenen Vorbesitzer handeln würde. — Ich bin mit verbindlichen Grüßen und Heil Hitler! Ihr sehr ergebener

9)

Aktennotiz

von Erich Tgahrt vom 12. Juli

1940

Betr. Lothringische Hütten und Gruben Herr vom Bruck hatte die Frage gestellt, ob es nicht angebracht wäre, nachdem in der Besprechung zwischen den Herren Poensgen und Röchling bereits Namen als Interessenten für die eine oder andere Stahlwerksgruppe in Ostfrankreich genannt worden sind, unsererseits auch mit bestimmten Wünschen hervorzutreten. Ich habe Herrn vom Bruck dahin beschieden, daß es m. E. verfrüht sei, bestimmte Wünsche zu äußern in einer Zeit, in der noch nicht einmal die grundsätzlichen Wünsche von einzelnen Werken vorgetragen würden. Wenn es ihm aber in einer Unterhaltung mit Dr. Reichert angebracht erscheine, Andeutungen zu machen, so möge er nach der Beurteilung meiner Vorstandskollegen und vor mir folgende Wertigkeit zur Kenntnis nehmen. Ausgeschieden sind bei dieser Beurteilung de Wendel, Hagendingen, Kneuttingen, Rombach und die Arbed, weil sie wohl kaum für einen in Frage kommen, der nicht alte Rechte vorweisen kann, oder die Hermann-GöringWerke. Bei der Beurteilung der nachstehenden Reihenfolge ist ferner der vorhandene Erzbesitz in Rücksicht gezogen, obgleich es fraglich ist, daß das in Zukunft bei der Neuauf21*

312

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

teilung der Erze eine wesentliche Rolle spielen wird. Unberücksichtigt sind gelassen die reinen Hochofenwerke, die früheren Besitzungen der Saar und diejenigen Gruppen, die noch weniger erwünscht sind, als No. 4 der nachfolgenden Aufstellung: 1) Homécourt, sehr guter Erzbesitz im Briey-Becken, günstige Frachtlage für Erze und wahrscheinlich auch leidlich gut ausgebautes Werk. 2) Aciéries de Longwy, befriedigende Erzgrundlage, darunter auch etwas im Briey-Becken, technisch wahrscheinlich im Verhältnis zu den anderen Hütten recht gut in Stand. Nachteil: Entfernung von der Briey-Erzgrundlage, während die Erze im Longwy-Becken natürlich sehr nahe sind und wahrscheinlich für die Fertigerzeugnisse geringere Fracht besteht. 3) Micheville: Einheitliches Werk mit guter Erzgrundlage im Longwybecken, abertechniscli wahrscheinlich weniger gut als Aciéries de Longwy. 4) Réhon & La Chiers : im Longwy-Becken, z. Zt. keine gute Erzgrundlage, 2 getrennte Werke. Ich habe heute Herrn Poensgen angerufen und ihn gefragt, wie die Dinge weiter laufen werden. Er sagte mir, daß er von General von Hanneken gebeten worden sei, am Donnerstag nächster Woche seine Vorschläge zu machen. Auf meine Frage erklärte Poensgen, daß diese Vorschläge natürlich nur grundsätzlicher Art wären und daß er sich davor hüten werde, irgendeinen Namen für die Verteilung der Gruppen auf die deutschen Interessenten anzugeben. Im Anschluß an Berlin wird er dann einige Tage nach Süddeutschland und der Schweiz fahren. E r hat die Absicht, den Kleinen Kreis für Ende der übernächsten Woche zu einer Besprechung einzuladen.

10) Aktennotiz von Alfred Brüninghaus1

vom, 17. Juli 1940

Besprechung mit Ernst Poensgen am 16. Juli 1940 Ich erwähnte eingangs, daß wir den Eindruck hätten, daß bereits manche Gesellschaften bestimmte Wünsche hinsichtlich des Erwerbs Luxemburger und Lothringer Werke vorbrächten, daß wir es infolgedessen nunmehr für angebracht hielten, dies auch zu tun. Poensgen bestätigte die Richtigkeit dieser Ansicht. Es wäre jetzt Zeit, die Fragen zur Klärung zu bringen, und er würde am Donnerstag mit von Hanneken darüber sprechen. Zu diesem Zweck hätte er eine Aufstellung von 14 Werksgruppen gemacht und darin für von Hanneken diejenigen rot unterstrichen, die früher in deutschem Besitz waren. Es seien also genügend Objekte vorhanden, um alle Interessenten zu befriedigen. Von Seiten der Reichswerke würde bereits kräftig vorgearbeitet. Sie erhöben Anspruch auf de Wendel, Hagendingen, Homecourt und Arbed. Die Vereinigten Stahlwerke würden, um den Reichswerken den Wind aus den Segeln zu nehmen, nur Differdingen beanspruchen. Dazu solle Athus kommen. Auf meinen Einwand, daß dieses letztere doch nur ein unbedeutendes reines Hochofenwerk sei, erwiderte er, das stimme. Man wolle aber diesen Teil von Belgien zu Luxemburg schlagen. Auf meine Frage, welche Reflektanten in Betracht kämen, meinte er, vor allem die Saarwerke, außer den rheinisch-westfälischen Werken dann wohl nur noch Flick, daneben Schering, die Stumm G. m. b. H., vielleicht auch die Familie Später-Oswald, als Vorbesitzer. 1 Vorstandsmitglied der Hoesch AG.

II. Die Rulir-Montankonzerne

313

Wegen der Bewertung der Werke habe er sich gerade die verschiedenen Bilanzen — darunter auch die Hoesch-Bilanz — vorgenommen und festgestellt, daß je t Jahreserzeugung Rohstahl RM 40,— bis RM 45,— Anlagewerte zu Buch ständen. Hier sei die Verfeinerung abzuziehen, so daß man mit RM 35,— zu rechnen hätte. Man könne auch den Kurs der Pariser Börse zu einem bestimmten Termin zugrunde legen. Er gedächte, von Hanneken vorzuschlagen, den Kaufpreis der Gruben abzudecken durch eine Förderabgabe f ü r 10 Jahre. Ein ähnliches Verfahren wäre auch bei den Stahlwerken möglich. Wir kamen dann auf die Besichtigung der Werke zu sprechen. Ich versuchte zu erfahren, wer dort Besichtigungen vornähme. Genannt wurden die Herren von den Reichswerken, von Röchling und Herr Faust vom Hochofenwerk Lübeck. Ich brachte darauf unsere Wünsche vor: 1.) Majorität der Arbed, falls wir nicht mit den Reichswerken kollidieren würden, 2.) Rombach, 3.) Longwy, 4.) Homecourt. Poensgen meint, die Frage der Verteilung müßte demnächst im kleinen Kreis besprochen werden. Bei der Arbed würden wir mit den Interessen der Vereinigten Stahlwerke kollidieren, die wegen der Adolf-Emil-Hütte besonderes Interesse an der Arbed hätten. Er hätte an die Möglichkeit des Erwerbes der Arbed-Aktien durch ein Konsortium der Stahlwerke gedacht. Es müßte nicht gerade die Majorität sein. Bemerkung: M. E. spielt bei der Bewertung der Werke auch die Arbeiterfrage eine große Rolle. In Luxemburg und dem alten Deutsch-Lothringen liegt sie am günstigsten, wenn auch in diesen Gebieten voraussichtlich großer Mangel an Arbeitskräften besteht. Schon vor dem Weltkrieg wurden in Luxemburg sehr viel Italiener auf den H ü t t e n beschäftigt. Die Werke in Französisch-Lothringen und im Bassin von Longwy haben rein französische Arbeiterschaft. Ich sprach mit Herrn Overdiek, früher Stahlwerkschef bei Harkort-Eicken, z. Zt. Pensionär von uns, der noch vor 2 J a h r e n in Rombach gewesen war. Sein Vater war technischer Leiter während des Baues und lange J a h r e des Betriebes von Rombach. Overdiek hatte den Eindruck, daß jetzt mehr deutsch in Rombach gesprochen wurde als vor dem Weltkrieg. Andererseits wäre dort ein buntes Völkergemisch gewesen, u. a. von Tongkinesen, Anamiten 2 usw., ein Beweis dafür also, daß es an Arbeitskräften fehlt. Während zur Zeit der Inbetriebsetzung der Luxemburger und Lothringer Werke ein starker Zuzug von der Saar und von Rheinland und Westfalen vorhanden war, kann damit heute natürlich nicht mehr gerechnet werden. Wenn nicht eine weitgehende Rationalisierung unter Programmvereinfachung durchgeführt werden kann, m u ß dauernd mit fremdländischen Arbeitskräften gerechnet werden, ganz abgesehen von den rein französischen Sprachgebieten. 2 Gemeint sind Arbeiter aus Tonking und Annam (heute = Vietnam) — D. E.

314

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

11) Aktennotiz vom 19. Juli 1940 mit den Vorschlägen Ernst Poensgens zur „Neuordnung" der Eisenindustrie in Frankreich und Luxemburg1 Zur Lage in den Westgebieten Entwurf eines Vorschlages der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie für eine Verteilung der Hüttenwerke Lothringens, Luxemburgs und Süd-Belgiens Die Wirtschaflsgruppe Eisen schaffende Industrie hat einen Vorschlag für eine Verteilung der Hüttenwerke in Lothringen, Luxemburg und Süd-Belgien entworfen. In diesem Vorschlag ist der Wunsch der „Vereinigten Stahlwerke", auf den Kohlenbesitz in LothringenLuxemburg hinzuweisen, berücksichtigt. Ebenfalls ist wunschgemäß der Verteilungsgedanke nach einzelnen deutschen Hüttengesellschaften fallen gelassen. Dagegen ist der Vorschlag der „Vereinigten Stahlwerke", der sich mit den Inlandspreisen und der Inlandsförderung beschäftigt, nicht aufgeführt, da Großdeutschland aller Voraussicht nach auch späterhin eine Politik stetiger Preise und Löhne betreiben wird. Der Entwurf hat folgenden Wortlaut: „Die Bedeutung des lothringisch-luxemburgischen Wirtschaftsgebiets einschließlich des sogenannten Briey-Beckens beruht auf seinem bedeutenden Minette-Vorkommen, Die neuesten Feststellungen französischer Bergbausachverständiger haben ergeben, daß in dem gesamten Becken rd. 7 Milliarden to Roherz mit etwa 2,2 Milliarden to Fe-Gehalt liegen sollen. Für die mir gestellte Aufgabe, diese Eisenerzvorräte in den großdeutschen Wirtschaftsraum einzugliedern, stelle ich die nachfolgenden Gesichtspunkte in den Vordergrund: 1) Zur zweckmäßigen Bewirtschaftung des ganzen Erzvorkommens wird eine Felderbereinigung eingeleitet, und zwar mit dem Ziele, die Erzvorräte nach Lage, Menge sowie kalkiger und kieseliger Beschaffenheit zu ordnen. Mit der Frage der Felderbereinigung beschäftigt sich bereits im Auftrage der Wirtschaftsgruppe Bergbau Herr Bergassessor a. D. Willing. E r dürfte noch einige Zeit für seine Angaben benötigen, wenn er über die Erzreserven einzelner Gruben ein genaues Bild gewinnen will. 2) Gemäß der Planung nach Ziffer 1 werden den Saarhütten, den Luxemburger und Lothringer Hüttenwerken so umfangreiche Erzvorräte übereignet bzw. zum Erwerb angeboten, daß den jetzt vorhandenen Hochöfen entsprechend ihrer Durchschnittsleistung eine etwa 75-jährige Lebensdauer gewährleistet ist. 3) Soweit die nach Ziffer 1 und 2 durchgeführte Felder- und Grubenzuteilung noch freie Erzmengen ergibt, werden diese der sonstigen großdeutschen Eisenindustrie zur Verfügung gestellt. Soweit hieran z. B. die Ruhrhütten beteiligt werden, kann als Beteiligungsquote gleichfalls die vorhandene Roheisenkapazität zugrunde gelegt werden. Die Bewirtschaftung der freien Erzmengen muß nach übergeordneten nationalwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen. Stellt man sich auf den Standpunkt, daß die inländischen Erzvorkommen zwecks Verlängerung ihrer Lebensdauer zu schonen sind, dann ergibt sich von selbst die Notwendigkeit, möglichst große Erzmengen einzuführen. Man wird also insoweit die Erzförderung im großdeutschen Wirtschaftsraum in Anspruch nehmen, als es die Aufrechterhaltung der Betriebe einerseits, die wirtschaftlichen Erfordernisse andererseits vorschreiben. 1 Bundesarchiv Koblenz, Reichswirtschaftsministerium, R 7 I X , Nr. 153, BI. 36—46. — Die Aktennotiz stammt aus dem Reichswirtschaftsministerium.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

315

4) In diesem Zusammenhang ist auch auf die BrennstoiTfrage und damit auf die Transporterfordernisse hinzuweisen. Es erscheint zweckmäßig, z. B. Erzsendungen zur Ruhr mit entsprechenden Kohlen- und Koksmengen zu den Erzgebieten zu verkoppeln. Es darf übrigens nicht übersehen werden, daß ein Teil der deutschen Altbesitzer Kohlengruben in Lothringen-Luxemburg gehabt hat. Wenn diese Frage auch nicht die Wirtschaftsgruppe Eisen schaßende Industrie näher angeht, so sollte sie doch nicht in diesem Zusammenhange vergessen werden. 5) Was den sonstigen Minette-Absatz anbelangt, so sind etwa 6 Millionen to Lothringer und Luxemburger Erze jährlich nach Belgien gegangen. Man könnte für die belgischen Hüttenwerke im Rahmen ihrer bisherigen Bezüge weiterhin Minette in den Plan einstellen. Diese Minette-Lieferungen nach Belgien über das bisherige Maß zu steigern, würde jedoch nicht den nationalwirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechen. 6) Nächst der Felderbereinigung der Erzvorkommen werden die im Gebiete der lothringischluxemburgischen Erzvorkommen gelegenen Hüttenwerke zweckmäßigerweise nach den Gesichtspunkten ihrer örtlichen Lage, ihrer Größe und ihrer Eigenart in neue Werksgruppen zusammengefaßt. Dabei soll mit Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit eine Größenordnung von mindestens 600000 to jährlicher Kapazität der Hochofen- bzw. Stahlwerke den Regelfall bilden. Sollte jedoch mit Rücksicht auf die noch nicht zu übersehende Zahl der Bewerber die vorgesehene Größenordnung nicht passen, könnte man von der untenstehend (Ziffer 12) vorgesehenen Zusammenlegung absehen und eine andere Verteilung ins Auge fassen. Kurz, es erscheint richtig, von einem starren Zusammenlegungs- und Verteilungsplan abzusehen. 7) Hinter die nationalwirtschaftlichen Gesichtspunkte treten die Besitzfragen zurück. Es erscheint mir aber selbstverständlich, daß den früheren deutschen Altbesitzern ein Vorkaufsrecht zusteht, wenn und sobald die Überführung des jetzigen Fremdbesitzes in deutschen Privatbesitz durchgeführt wird. Aus diesem Grunde ist für das Gesamtgebiet der Besitzbestand vom Herbst 1918 genau festzustellen, um danach etwaige Angebote an die Altbesitzer zu machen. Die Frage, inwieweit auch die etw^ vor 1914 schon von fremden Besitzern bewirtschafteten Werke deutschem Besitz zugeführt werden müssen, betrachte ich nicht als zu meiner Aufgabe gehörig. Sollten diese Werke in deutschen Besitz überführt werden, dann erscheint es mir gerecht, die Erwerbsmöglichkeiten nach der Leistungsfähigkeit der Bewerber zu staffeln. Nur wirtschaftlich gesehen könnte es zweckmäßig erscheinen, die französischen, belgischen und luxemburgischen Vorbesitzer unterbeteiligt zu lassen, um zu den (wohl richtig: ihnen — D. E.) Beziehungen aufrechtzuerhalten. Ob und inwieweit aber politische Gesichtspunkte hiergegen sprechen, sollte meines Erachtens von Fall zu Fall geprüft werden. 8) Man wird im Zuge der Beteiligung neuer Werke den „Hermann-Göring-Werken" eine entsprechende Vorzugsstellung einräumen müssen. 9) Zum Schluß der grundsätzlichen Vorschläge sei noch darauf hingewiesen, daß dem französischen Wirtschaftsraum — von sonstigen Vorkommen abgesehen — in Nordwestfrankreich, nämlich in der Normandie und der Bretagne, in unmittelbarer Nähe der atlantischen Küste gelegen, ein zweites großes Erzgebiet zur Verfügung steht. Der dortige Vorrat ist auf 4 bis 5 Milliarden bei einem Fe-Gehalt von durchschnittlich 45 Prozent zu schätzen. Es handelt sich hier in der Hauptsache um Eisencarbonate. Dieses Erzbecken kann infolge seiner günstigen Lage zum Kohlengebiet des Pas de Calais noch stark an Bedeutung gewinnen. Die dortige Förderung, die zum großen Teil aus koksfähiger Kohle besteht, belief sich vor Kriegsausbruch auf 35 Millionen to jährlich. Das genannte nordwestfranzösische Erzgebiet ist vor dem Weltkrieg von deutschen Werken erschlossen worden. Auch das

316

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

erste normannische Hochofenwerk bei Caen ist von einem Deutschen (August Thyssen) errichtet worden. Ferner waren es die deutschen Httttengesellschatten „Deutsch-Lux", „Gutehoffnungshütte", „Hoesch" und „Phönix", welche außer „Thyssen" die normannischen Erzfelder erschlossen haben. Die frühere Erzförderung belief sich dort auf etwa 2 Millionen to, die Roheisenerzeugung auf 300000 to. Während der französischen Bewirtschaftung in den letzten 25 Jahren haben sich diese Zahlen nicht wesentlich geändert. 10) Soweit Mitglieder unserer Wirtschaftsgruppe in Lothringen und Luxemburg zu den Altbesitzern (Ziffer 6) gehörten, sind folgende Gesellschaften zu nennen, die als Anlage 2 beigefügt werden. 11) Was die im Räume Lothringen und Luxemburg liegenden Hüttenwerke betrifft, die zu einer Neuverteilung kommen können, so handelt es sich um folgende 30 Betriebe: Hüttenwerke in Lothringen, Luxemburg und Süd-Belgien 1. Lothringen Name und Standort

1. S. A. Métallurgique d'Aubrives et Villerupt, Aubrives (Ard.), (Hochofenwerk und Gießerei) 2. Cie. des Forges de Châtillon, Commentry et Neuves-Maisons, Gruppe Ost: Neuves-Maisons, Champigneulles b/Nancy (Gemischtes Werk) 3. S. A. des Hauts-fourneaux de la Chiers, Longwy-bas (Gemischtes WTerk) 4. Soc. Métallurgiques de Gorcy, Gorcy b/Longwy (Gemischtes Werk) 5. Soc. Métallurgiques de Knutange, Nilvange (Gemischtes Werk) 6. S. A. d'Aciéries de Longwy, Mont St. Martin (Gemischtes Werk) 7. Soc. Lorraine Minière et Métallurgique, Thionville (Gemischtes Werk) 8. Cie. des Forges et Aciéries de Ia Marine et d'Homécourt, Homécourt (Gemischtes Werk) 2 Nicht aufgefunden — D. E.

Zahl der Hochöfen

Jährl. Kapazität (geschätzt) t

2

100000

7

450000

5

450000

2

50000

10

1000000

9

600000

4

585000

7

475000

II. Die Ruhr-Montankonzerne Name und Standort

9. Société des Forges, Hautsfourneaux et de Mines de fer de Maxéville, Maxéville (Hochofen und Gießerei) 10. S. A. de Aciéries de Micheville, Micheville-Villerupt (Gemischtes Werk) 11. S. A. des Forges et Aciéries du Nord et de l'Est, Valenciennes (Werk Jarville, stillgelegt seit 1923) 12. Soc. des Hauts-fourneaux et Laminoirs, Werk Frouard b/Nancy (Gemischtes Werk) 13. Forges et Aciéries du Nord et Lorraine, Ückingen 14. S. A. des Hauts-fourneaux et Aciéries de Pompey, Pompey (Gemischtes Werk) 15. S. A. des Hauts-fourneaux et fonderies de Pont-à-Mousson, Pont-à-Mousson (Hochofen und Gießerei) Werk Auboué (westl. Metz) 16. S. A. des Hauts-fourneaux de Sauines Jean Raty et Cie., Saulues (Hochofen und Gießerei) Werk in Hussigny-Godbrange b/Longwy 17. Soc. des Mines et Usines de Redange-Dilling (stillgelegt) 18. Soc. Lorraine des Aciéries de Rombas, Werk Rombach (Gemischtes Werk) 19. Soc. Métallurgiques de Senelle-Maubeuge, Senebelle b/Longwy (Gemischtes Werk) 20. Soc. Minière des Terres Rouges, Audun-le-Tiche (Deutsch-Oth) (Hochofenwerk) 21. „Werk" Werk in Maizières (stillgelegt) 22. De Wendel et Cife., Joeuf (Gemischtes Werk)

317 Zahl der Hochöfen

Jährl. Kapazität (geschätzt)

90000 460000

200000 200000 400000 200000

200000 165000 225000 100000 90000 625000

500000 4 6

250000 1000000 75000 550000

318

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Name und Standort

23. Les Petits [Fils] de F. de Wendel, Hayange und Moyeuvre (Gemischtes Werk) 24. Hadir Werk Ottange (Reines Hochofenwerk) 25. S. A. des Laminoirs, Hauts-fourneaux, forges, fonderies et Usines de la Providence, Werk Réhon b/Longwy (Gemischtes Werk)

Zahl der Hochöfen

Jährl. Kapazität (geschätzt) t

18

1200000 135000

225000

II. Luxemburg 1. Arbed, Werk Düddingen (Gemischtes Werk) Arbed, Emilhütte in Belval (Gemischtes Werk) Arbed, Hütte in Esch 2. Hadir, Werk Differdingen Werk Rümelingen (stillgelegt) 3. Steinfort, Steinfort (stillgelegt) 4. Ougree-Marihaye, Werk Rodingen (Gemischtes Werk)

6

5 10

2800000 600000

3 3

200000

III. Süd-Belgien 1. Hochofenwerk in Athus 12) E s wird vorgeschlagen, die in Ziffer 11) genannten Hüttenwerke in bestimmte Werksgruppen zusammenzufassen. Hierbei gehe ich von dem Gedanken aus, daß man örtlich benachbarte Werke verschmelzen könnte und daß man dabei, wie in Ziffer 6) bemerkt, aus wirtschaftlichen Gründen eine Leistungsfähigkeit in Höhe von 600000 to jährl. Erzeugung an Roheisen oder Rohstahl einhalten könnte. 13) Es wird vorgeschlagen, unter Hinweis auf Ziffer 6) die in Ziffer 11) genannten Hüttenwerke wie folgt zusammenzufassen: Gruppe I: Chiers in Longwy-bas (Ziffer 3) mit 5 Hochöfen zu 450000 to mit dem Werk Rehon b/ Longwy der Providence (Ziffer 2) „ 5 „ „ 225000 to zusammen

mit 10

675000 to

II. Die Ruhr-Montankonzerne Gruppe I I : Aciéries de Longwy in Mont St. Martin mit Gorcy b/Longwy

319

(Ziffer 6) (Ziffer 4)

mit 9 Hochöfen zu »» 2 » »

zusammen Gruppe I I I : Senelle b/Longwy mit Sauines Hussigny-Godbrange

(Ziffer 19) (Ziffer 16) (Ziffer 16)

11 mit »» «

zusammen Gruppe IV : Rombach mit Maizières

(Ziffer 18) (Ziffer 18)

(Ziffer 2) (Ziffer 12) (Ziffer 14) zusammen

5 Hochöfen zu 5 >> » 2 „ 12



650000 to 500000 to 225000 to 100000 to 825000 to

mit 8 Hochöfen zu 625000 to 300000 to 11 4* »» »

zusammen Gruppe V : Neuves-Maisons, Champigneulles b/Nancy mit Frouard b/Nancy Pompey



600000 to 50000 to

12



925000 to

7 Hochöfen zu 450000 4 200000 H H »> 200000 >1 ^ 41 »» „ 850000 15 » »

mit

to to to to

Gruppe V I : Kneuttingen

(Ziffer 5)

mit 10 Hochöfen zu 1000000 to

Gruppe VII : Ückingen

(Ziffer 13)

mit 4 Hochöfen zu

400000 to

Gruppe V I I I : Diedenhofen

(Ziffer 7)

mit 4 Hochöfen zu

585000 to

Gruppe I X : Homécourt mit Auboué

(Ziffer 8) (Ziffer 15)

mit

7 Hochöfen zu 3 ii »i

475000 to 165000 to

zusammen

10 Hochöfen zu

640000 to

Gruppe X : Micheville

(Ziffer 10)

mit 6 Hochöfen zu

460000 to

Gruppe X I : Pont-à-Mousson mit Villerupt

(Ziffer 15) (Ziffer 1)

mit 5 Hochöfen zu « 2 ii ii

200000 to 100000 to

Gruppe X I I : „Werk" mit stillgelegtem Werk in Maizières

zusammen

7 Hochöfen zu 300000 to

(Ziffer 21) (Ziffer 21)

mit 6 Hochöfen zu 1000000 to „ 75000 to 3 ii ii

zusammen

9 Hochöfcn zu 1075000 to

320

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Gruppe X I I I und X I V : Die De Wendel gehörigen Betriebe in Hayange, Moyeuvre und De Wendel [Joeuf] (Ziffer 23 u. 22)

mit 26 Hochöfen zu 1750000 to

Roheisenkapazität sollte in 2 Gruppen zerlegt werden, und zwar in eine Gruppe MoyeuvreJoeuf und in eine weitere Gruppe Hayange. Gruppe X V : Differdingen Rümelingen Ottange

(Ziffer 2 Luxemb.) (Ziffer 2 „ } (Ziffer 24)

mit 10 Hochöfen zu 600000 to „ 3 „ „ (stillgelegt) „ 3 „ „ 135000 to

zusammen

16 Hochöfen zu

735000 to

5 Hochöfen zu

200000 to

Gruppe X V I : Rodingen

(Ziffer 4 Luxemb.)

mit

Gruppe X V I I : Arbed

(Ziffer 1 Luxemb.)

mit 16 Hochöfen zu 2000000 to

Gruppe X V I I I : die stilliegenden Werke a) Max&ville

(Ziffer 9)

b) Jarville

(Ziffer 11)

mit 3 Hochöfen zu mit 4 Hochöfen zu

c) Redange-Dilling

(Ziffer 17)

mit 3 Hochöfen zu

(Ziff. 3 Luxemb.) d) Steinfort bleiben am besten weiter stillgelegt."

mit 3 Hochöfen zu

90000 to 200000 to 90000 to 0

12) Schreiben von Fritz vom Bruck an Paul Körner1 vom 2. August 1940 Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Im folgenden erlaube ich mir unter Bezugnahme auf unsere heutige Unterredung, Ihnen weisungsgemäß nochmals auf diesem Wege unsere Wünsche vorzutragen. Ich darf mir versagen, nochmals die allgemeinen Gesichtspunkte herauszustellen, die ich Ihnen vorzutragen Gelegenheit hatte und die Ihre Billigung fanden. Unter der Voraussetzung, daß das Reich aus Gründen der Zweckmäßigkeit und aus allgemeinen volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu der Entscheidung kommen sollte, den Werken der deutschen Eisen schaffenden Industrie Gelegenheit zum Erwerb lothringischer bzw. luxemburgischer Gruben und Hütten zu geben, würde auch die Hoesch AG den Wunsch haben, einen geeigneten Anteil zu erwerben. Wir gehen dabei von der Erwägung aus, daß unsere Anlagen in Dortmund zum Teil dringend erneuerungsbedürftig sind. Es würde sich für uns in der nächsten Zeit aus diesen Gründen die Notwendigkeit ergeben, größere Investitionen vornehmen zu müssen. Wenn nun die gesamtdeutsche 1 Staatssekretär, Stellvertreter Hermann Görings als Beauftragten für den Vierjahresplan, Aufsichtsratsvorsitzer der Reichswerke „Hermann Göring".

II. Die Ruhr-Montankonzerne

321

Kapazität um die der lothringisch-luxemburgischen Hütten vermehrt wird, so würden solche Investitionen eine Gesamtkapazitätsausweitung bedeuten, für die unter den eben genannten Umständen ein volkswirtschaftlicher Bedarf nicht vorliegen würde. Andererseits würde unsere Wettbewerbsfähigkeit Einbuße erleiden, «renn uns die Möglichkeit eines Ausgleichs versagt bliebe. Es wäre also unseren Interessen und damit auch den Gesamtinteressen besser gedient, wenn wir geeignete Anlagen in Lothringen bzw. Luxemburg erwerben könnten. Es sind also rein produktionstechnische Gesichtspunkte, die uns den Erwerb wünschenswert erscheinen lassen würden. Unter Zugrundelegung dieser produktionstechnischen Erwägungen würde die Arbed uns am geeignetsten erscheinen, die in unserem Fertigungsprogramm bestehenden Lücken auszufüllen bzw. Neuinvestitionen zu ersparen. Sollten die Reichswerke AG für Erzbergbau u. Eisenhütten „Hermann Göring" sich indessen ebenfalls für den Erwerb der Arbed interessieren, so würden wir unsere diesbezüglichen Wünsche zurückstellen. In diesem Falle würden wir gegebenenfalls Wert darauf legen, die Gruppe Longwy, d. h. die Aciéries de Longwy und eines der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Werke (Réhon oder La Chiers) zu erwerben. Diese Gruppe würde ebenfalls in unser Erzeugungsprogramm passen, und es wäre uns die Möglichkeit gegeben, von Neuinvestitionen Abstand nehmen zu können. Ich hoffe, daß diese kurzen Angaben für eine gegebenenfalls ins Auge gefaßte Unterrichtung des Herrn Reichsmarschall genügen ; selbstverständlich stehe ich Ihnen jederzeit mit weiteren Unterlagen zur Verfügung. Ich bin mit ausgezeichneter Hochachtung und Ileil Hitler! Ihr sehr ergebener

13) Schreiben con Fritz com Bruck an Erich Tgahrt com 2. August 1940 Betr.: Erwerb einer lothringischen Hütte. Rücksprache mit Herren Reichert, Kimmich. Gramsch, Schlotterer Sehr verehrter Herr Tgahrt! 1) Herr Dr. Reichert hatte in der lothringischen Frage nichts Wesentliches zu berichten. Seit 10 Tagen etwa wären keine Wünsche mehr an ihn herangetragen worden. — Man sei zur Zeit dabei, die Unterlagen für die Überprüfung der Kapazitäten anzufertigen und nach Feststellung der wirklichen Leistungsfähigkeit der Werke einen erneuten Vorschlag über die Aufteilung der Gruben und Hütten zu machen. — Herr Reichert hat davon Kenntnis genommen, daß wir auf die Gruppe Longwy Wert legen. Er erwähnte noch, daß als Sachbearbeiter für die lothringische Frage im Reichswirtschaftsministerium Herr Dr. Küttner von der Fachgruppe Edelstahl (Ihnen bekannt) bestellt worden sei. Herr Küttner habe ihn aber bisher noch nicht aufgesucht. Ich halte diese Bestellung für unerheblich. Sicherlich wird Herr Dr. Küttner keinerlei Einfluß auf die Gestaltung der Dinge nehmen. Das schließt.nicht aus, daß ich ihn nach Rückkehr von meinem Urlaub gelegentlich einmal in anderer Angelegenheit aufsuche und bei der Gelegenheit auch gesprächsweise und unverbindlich die lothringische Frage streife.

322

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

2) Herr Dr. Kimmich* berichtete über den Vertrag, den Otto Wolfï mit Ougrée-Marihaye bezüglich einer gemeinsamen Exportvertretung abgeschlossen habe. Dieser Vertrag habe trotz großer Empörung der Konkurrenz die Billigung von Herrn von Hanneken gefunden. Damit habe sich Otto Wolff in geschickter Weise eine Hypothek auf das Gesamtunternehmen gesichert, so daß für andere bezüglich Ougrée-Marihaye nach seiner Auffassung nichts mehr zu machen sei. Dies gilt nach der Ansicht von Herrn Kimmich auch für La Chiers, das wir im Zusammenhang mit Longwy evtl. erwerben wollen. Herr Kimmich empfiehlt, daß wir schnellstens handeln, wenn wir irgendwelche Wünsche bezüglich belgischer Werke haben sollten. Ich habe in diesem Zusammenhang auf die Providence verwiesen. Herr Kimmich stellte die Hilfsstellung der Deutschen Bank gegebenenfalls in Aussicht, da die Deutsche Bank gute Beziehungen zur Société Générale habe. Wie Sie wissen, gehört die Providence zu den Werken, die von der Société Générale kontrolliert werden. E r erwähnte, daß 5 oder 6 Konzerne bereits mit konkret ausgearbeiteten Vorschlägen an ihn herangetreten seien. Ich habe Herrn Kimmich über meine Unterredung mit den Herren Gramsch und Körner unterrichtet. 3) Herr Gramsch, der Sie grüßen läßt, hat immer noch nichts mit der lothringischen Frage zu tun. E r meinte, daß sich Staatssekretär Körner diesen Komplex zur persönlichen Bearbeitung vorbehalten habe. Sein persönlicher R a t geht, nachdem ich ihn auf den Fall Wolff-Ougrée hingewiesen hatte, dahin, ein fait accompli zu schaffen, was in diesen bewegten Zeiten sicherlich das Richtige wäre. Ich würde empfehlen, die Verbindung mit der Providence in der geeigneten Form möglichst bald aufzunehmen. Hierfür wären Herr Jaissle zusammen mit Herrn Gockel ja wohl geeignet. Es wäre zu überlegen, wie man taktisch am klügsten in dieser Angelegenheit vorgeht. Es wird den Belgiern ja ohne weiteres klar sein, daß der französische Anteil an ihren Werken nicht aufrechterhalten werden kann, und ich könnte mir vorstellen, daß es ihnen sehr willkommen sein würde, mit einem guten deutschen Konzern rechtzeitig Fühlung aufzunehmen, um eine reibungslose Abwicklung des französischen Besitzes sicherzustellen und gleichzeitig ein möglichst störungsfreies Weiterarbeiten ihrer Werke unter Aufrechterhaltung ihres Besitzanteils zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang erinnere ich auch nochmals an die Campine-Gruben. 4) Herr Dr. Schlotterer vertrat die Auffassung, daß die Vereinigten Stahlwerke durch die Art ihres bisherigen Vorgehens im Reichswirtschaftsministerium sehr viel Boden verloren hätten. Das gälte auch für einige andere Unternehmen. Das Reichswirtschaftsministerium würde sich durch die Tatsache, daß es den Vereinigten Stahlwerken und anderen Werken gelungen sei, Treuhänder in eine Reihe von Werken zu entsenden, nicht veranlaßt sehen, sich bei der zukünftigen Besitzaufteilung hierdurch irgendwie beeinflussen zu lassen. Man halte daran fest, eine Lösung zu finden, die allen berechtigten Interessen dienen könne. — Ich bin mit verbindlichen Grüßen und Heil Hitler! Ihr sehr ergebener 1 Karl Kimmich, Hoesch AG.

Vorstandsmitglied der Deutschen Bank,

Aufsichtsratsvorsitzer der

II. Die Ruhr-Montankonzerne

323

14) Schreiben von Karl Kimmich an Erich Tgahrt vom 6. August 1940 Sehr geehrter Herr Tgahrt, Ich sprach heute in anderem Zusammenhang mit Herrn Röchling über die verschiedenen schwerindustriellen Werke im Westen. Dabei kamen wir auch auf Aciéries de Longwy. Er sagte, daß er dieses Werk kürzlich besichtigt habe und einen recht guten Eindruck von ihm gewonnen hätte. Das Thomaswerk wäre allerdings nicht so gebaut, wie er es sich dächte, aber alles in allem liege hier eins der auch technisch guten Objekte vor. Herr Röchling selbst scheint sich neben der Karlshütte für Hagendingen und Diedenhofen zu interessieren. Er sei erst dafür gewesen, Einheiten von 1 Million t zu bilden, stimme aber nunmehr dem Plan Ernst Poensgens zu, daß man auf 600000 t herabgehen solle. Es würden sich dann genügend gute Objekte ergeben, so daß jeder Interessent Aussicht auf eines hätte. Dieser Tage wurde ich ferner von einem Industriellen mit abfälligen Bemerkungen darauf angesprochen, daß Hoesch nicht weniger als vier Objekte, und zwar erst Arbed, dann Homécourt, dann Rombach und schließlich Longwy angemeldet habe. Es scheint auch — obwohl ich dessen nicht sicher bin —, daß diese Wünsche an amtliche Stellen weitergegeben worden sind. Ich habe sofort erklärt, daß dies die erste Überlegung bei Hoesch gewesen sei und daß ich es unschön fände, aus solchen Sachen Kapital zu schlagen. Sie sehen aber daraus, wie gut es war, daß Sie meiner Anregung sogleich gefolgt sind, nicht eine Reihe von Objekten zu nennen, sondern nur eines, dessen Erwerb man auch produktionstechnisch entsprechend vertreten kann. Wegen Rombach glauben weder Flick noch Röchling, daß trotz der juristischen Konstruktionen des Herrn Dr. Dechamps Herr Berckemeyer als sogenannter Rechtsnachfolger qua Concordia Aussicht auf Erfolg hat. Ich hörte auch von sehr eingeweihter Seite, daß Herr Berckemeyer seine Position als sehr schwach ansieht. Wegen der Arbed schweben Überlegungen unter den Industriellen, entweder eine Realteilung oder aber einen Verkauf der Aktien an das Publikum vorzunehmen, wobei allerdings fraglich ist, wieweit man dabei kommt, weil man die Luxemburger nicht enteignen will. Mit freundlichen-Grüßen Ihr sehr ergebener

15)

Aktennotiz

von Fritz vom Bruck vom 20. August

1940

Besprechung der Herren Generaldirektor Tgahrt und Dr. vom Bruck mit Herrn Dr. Reichert am 20. 8. 40. Aus der Besprechung mit Herrn Dr. Reichert ist bezüglich der lothringischen Frage folgendes festzuhalten: 1.) Die Feststellungen über die Kapazität der Hütten können als abgeschlossen gelten. Die Vorschläge sind von den hierzu Beauftragten Herrn von Hanneken überreicht worden. Es hat den Anschein, als ob Herr von Hanneken sich im wesentlichen den Vorschlägen der Wirtschaftsgruppe, die ihm durch Herrn Poensgen überreicht worden sind, anschließen wird.

324

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Die Vorschläge der Reichsstelle Eisen und Stahl 1 , die im übrigen Herrn Reichert nicht bekannt sind, haben offenbar nicht angesprochen. Herr Küttner, der, wie ich bereits berichtete, vom RWM zur Mitarbeit in den lothringischen Fragen herangezogen wurde, wird sich demnächst an Ort und Stelle begeben, die Werke besichtigen und alsdann auch seinerseits einen Vorschlag ausarbeiten. 2.) Die Tatsache, daß die Zollgrenzen entsprechend der alten Reichsgrenze vor 1914 verschoben worden sind, ist kein Hinweis auf die spätere endgültige Grenzziehung. Man ist überzeugt, daß die endgültige Grenze obere Maas—Aisne—Oise— Kanal sein wird. Danach wären also auch Gebiete wie Maubeuge, Valenciennes und Lille mit eingeschlossen. Teilweise ist man allerdings der Ansicht, daß Pas de Calais und Artois zu Belgien kommen sollen. Das zusammenhängende Erzgebiet wird man sicherlich nicht trennen. 3.) Den belgischen bzw. luxemburgischen Besitz dürfte man aller Voraussicht nach nicht antasten. Bezüglich des französischen Besitzes gehen die Meinungen auseinander. Während Röchling völlige Ablösung des französischen Besitzes empfiehlt, ist Poensgen der Ansicht, daß man von Fall zu Fall auch französische Minderheitsbeteiligungen belassen könne. 4.) Arbed Man neigt zu der Auffassung, daß dieses Unternehmen in seiner Totalität erhalten werden soll. Die luxemburgische Minorität soll nicht angetastet werden. Wer die Mehrheit erwerben wird bzw. kann, steht noch dahin. Vielleicht kommen auch mehrere Werke in Frage. Von einem Anspruch der Firma Krupp auf die Arbed war Herrn Reichert nichts bekannt. 5.) Erzgruben Herr Reichert glaubt nicht, daß die Erzgruben einheitlich in staatliche Verwaltung genommen werden, ist vielmehr der Auffassung, daß sie an private Interessenten entsprechend dem zukünftigen Hüttenbesitz aufgeteilt werden, allerdings unter zweckmäßiger Neugestaltung der Besitzverhältnisse. Die Berechnungen von Bichelonne hält man für zu optimistisch, weil die Raubbaumethoden der französischen Gewinnung nicht gebührend berücksichtigt sind. Diese Methoden müssen auf alle Fälle abgestellt werden. Herr Raabe sei der Auffassung, daß man bei der Erzgewinnung auch auf Erze unter 28% heruntergehen könne. Auf diese Weise würden die Vorräte gestreckt und würden mengen- und zeitmäßig dann an die Berechnung von Bichelonne herankommen. 6.) Hermann-Göring-Werke Der Vorschlag der Reichsstelle sieht scheinbar vor, daß die Roheisenkapazität der Reichswerke einschließlich der bereits vorhandenen bzw. im Ausbau begriffenen Werke insgesamt 6 Millionen t jährlich umfassen soll. Nach Ansicht von Herrn Reichert ergeben die bisherigen Werke einschließlich Protektorat und Ostmark bei Belassung auf Ausbaustufe I von Salzgitter und Linz mindestens 3 Millionen, so daß nach diesem Vorschlage äußerst 3 Millionen der lothringischen Kapazität für die Reichswerke abgezweigt würden, evtl. aber auch nur 2 Millionen. Hanneken soll dieser Vorschlag zu weitgehend sein. 7.) Auf die Frage von Herrn Tgahrt, ob ihm zu Ohren gekommen sei, daß man unsere lothringischen Forderungen als sehr umfangreich und unmäßig bezeichnet habe, erwiderte Herr Reichert, daß man ihm allerdings gesagt habe, wir verlangten entweder die Arbed oder die de Wendel-Gruppe. Wir wiesen demgegenüber darauf hin, daß zwar der Besitz der Arbed bei uns erwogen worden sei, daß aber bezüglich de Wendel weder Erwägungen angestellt, noch Wünsche in irgendeiner Form geäußert worden wären. Wir hätten, wie ich 1 Auszugsweise gedr. in: Fall 5, S. 222ff.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

325

ihm ja auch bereits vor einigen Wochen mitgeteilt hatte, unsere Wünsche auf die Gruppe Longwy beschränkt. 8.) Auf die Frage von Herrn Tgahrt, ob noch ein anderer Interessent für Longwy aufgetaucht sei, erwiderte Herr Reichert, daß dem in der Tat so wäre. Es würde von gewisser Seite der Gedanke propagiert, nicht nur die bestehenden Hüttenwerke von Ruhr und Saar zum Zuge kommen zu lassen, sondern auch dem sogenannten Nachwuchs Gelegenheit zum Erwerb zu geben. Er deutete an, daB nach dieser Richtung hin persönliche Wünsche von Steinbrinck laut geworden seien und daB er dabei wohl Longwy im Auge habe. 9.) Herrn Reichert war nicht bekannt, ob außer Otto Wolff — Ougrie noch andere Bestrebungen ähnlicher Art von Seiten unserer deutschen Konzerne im Gange seien.

16)

Aktennotiz von Fritz vom Bruck vom 22. August

1940

Eingehende Rücksprache der Herren Generaldirektor Tgahrt und Dr. vom Bruck mit Herrn General von Hanneken am 22. 8.40 Als besonders wichtig ist aus der Unterredung folgendes festzuhalten: I. Lothringische Fragen: 1.) Körner-Brief Als Herr Tgahrt diese Frage anschnitt, erklärte Herr von Hanneken, daß er diese Erörterung erwartet habe und sie von sich aus angeschnitten hätte, wenn es von uns aus nicht geschehen wäre. Unsere Wünsche bezüglich Lothringens seien ihm aus der Denkschrift bekannt, die wir Herrn Staatssekretär Körner überreicht hätten. Herr Tgahrt stellte richtig, daß es sich hierbei nicht um eine Denkschrift gehandelt habe, sondern um ein privates kurzes Schreiben des Unterzeichneten, das auf Grund einer mündlichen Unterhaltung zwischen Herrn Körner und dem Unterzeichneten auf Veranlassung des ersteren abgefaßt worden sei. v. H. meinte, daß es doch zweckmäßiger gewesen wäre, sich an ihn zu wenden, denn von ihm müßten ja doch die Vorschläge an den Reichsmarschall weitergeleitet werden, und er stände sich mit Staatssekretär Körner so gut, daB er über alle Vorgänge stets sofort unterrichtet würde. Er hätte sich überlegt, ob er in unserem Vorgehen einen Verstoß gegen seine diesbezügliche Verordnung erblicken sollte, hätte aber von irgendwelchen Maßnahmen Abstand genommen, da wir uns — wie er sagte — diesbezüglich in sehr guter Gesellschaft befänden. Am Ende der Erörterungen, die sich in durchaus freundschaftlicher Weise abspielten, bat Herr v. H. darum, sich in Zukunft doch immer direkt an ihn wenden zu wollen; er stände uns für alle Fragen jederzeit zur Verfügung. Tg. erklärte, daß wir in der ganzen Situation etwas im Dunkeln getappt wären, da wir uns über die ganze Lage keine befriedigende Übersicht hätten verschaffen können. Für uns wäre der Erwerb einer lothringischen Hütte eine lebenswichtige Frage, in Rücksicht auf die sonst eintretenden Wettbewerbsverschiebungen gegenüber denjenigen Firmen, die Besitz in Lothringen erwerben würden, v. H. entgegnete darauf, daß diese Sorge an sich verständlich, aber unbegründet sei, denn es stände ja nirgendwo geschrieben, daß Hoesch bezüglich seiner Wünsche nicht berücksichtigt werden solle. 2.) Herr Poensgen habe den Auftrag erhalten, a) einen geeigneten Vorschlag über eine nach organischen Gesichtspunkten aufgeteilte Gliederung des fraglichen Hüttenbesitzes und der Erzgruben auszuarbeiten und 22

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

326

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"'

b) mit den einzelnen Werken Fühlung zu nehmen, um die jeweiligen Wünsche festzustellen und zu klären und sie möglichst in Einklang miteinander zu bringen. E r habe Herrn Poensgen gewissermaßen als „Teesieb" eingebaut, um auf diese Weise in die Vorstadien der Verhandlungen nicht eingreifen zu müssen. 3.) Man würde in erster Linie die früheren Besitzverhältnisse bei der Neuverteilung berücksichtigen. Tg. erwiderte, daß wir ja früher keine Hütten in Lothringen besessen h ä t t e n und wir dann ja gerade benachteiligt wären, was wir unter allen Umständen vermeiden wollten, v. H. erwiderte, daß ja etwa 14 Gruben vorgesehen seien und daß daher auch für uns noch eine Grube übrig bleiben würde. Bezüglich der Abgeltung scheine m a n allerdings geneigt zu sein, den früheren Besitzern für evtl. entstandenen Schaden bei der Entschädigung einen günstigeren Preis einzuräumen. 4.) Die Arbed käme weder f ü r uns noch für ein anderes einzelnes Werk in Frage. Sie soll als selbständiges Unternehmen schon im Hinblick auf ihre ausgezeichnete Export-Organisation erhalten bleiben. Der französische Besitz müsse selbstverständlich in den deutschen übergehen, wobei m a n an eine Gemeinschaftsübernahme denke. 5.) Wir nahmen von diesen Ausführungen Kenntnis und erklärten v. H., daß der Vorschlag Arbed ein privater Vorschlag des Unterzeichneten gewesen sei, daß unser offizieller Wunsch vielmehr in Richtung auf Gruppe Longwy ginge, wie wir ja auch alternativ bereits in dem Schreiben an Körner und auch in den Erklärungen gegenüber Herrn Reichert angegeben hätten. 6.) Es müsse die Frage geprüft werden, ob es nicht evtl. zweckmäßig wäre, den Franzosen einen Minderheitsbesitz von etwa 25% zu belassen. Einmal würde hierdurch der Erwerb für die deutschen Werke billiger sein, und zum anderen könnte man die Franzosen auf diese Weise vielleicht veranlassen, von einem Neuaufbau der Hüttenindustrie in der Normandie Abstand zu nehmen. 7.) Der Otto-WoIlT-Vertrag, auf den Tg. hinwies, sei von ihm ohne Bedenken gebilligt worden, da er erst nach Beendigung der Kriegshandlungen in Kraft trete. Tg. wies darauf hin, daß damit also der Weg für ähnliche Vorgehen in Belgien freigegeben sei, wogegen v. H. keinen Einspruch erhob. II. Oberschlesien 1.) Herr v. H. berührte sodann die oberschlesische Frage. Er wunderte sich, daß man von Seiten der Ruhr dem Osten so wenig Interesse entgegenbrächte. Die einzige Firma, die sich entschlossen habe, ihre Interessen in großzügiger Weise im Osten auszubauen, sei Krupp. Krupp werde 100 Mill. in Oberschlesien investieren. Flick dagegen zöge sich nunmehr aus Oberschlesien zurück, nachdem sein Anspruch auf die Bismarckhütte mit Hinweis auf die Priorität von Krupp zurückgewiesen sei. Tg. verwies auf die schlechte Beschaffenheit der oberschlesischen Werke, von denen die Bismarckhütte ja doch immer noch die relativ beste sei, und auf die dementsprechend erforderlichen gewaltigen Investitionen. 2.) Der Unterzeichnete schnitt darauf die Frage Trzyniec an. Die Frage des Unterzeichneten, ob Trzyniec endgültig den Reichswerken zugedacht sei, verneinte v. H. entgegen allen bisherigen Gerüchten. Die Reichswerke würden Trzyniec nicht erhalten. Bezüglich Trzyniec seien keinerlei Zusicherungen oder Abmachungen nach einer anderen Seite getroffen. Unsere Frage, ob denn Trzyniec evtl. von uns erworben werden könne, bejahte v. H . durchaus. Er würde uns bei diesen Bestrebungen auf der ganzen Linie unterstützen. Tg. erklärte, daß wir für diese Frage ein ernstes Interesse hätten und daß wir ihr sofort nähertreten würden. Zu diesem Zwecke müsse natürlich zunächst die Möglichkeit einer Besichtigung bestehen, v. H. bat, sich dieserhalb mit Oberbürgermeister a. D. Winkler,

I I . Die Ruhr-Montankonzerne

327

dem Leiter der Treuhand-Hauptstelle Ost, Berlin, in Verbindung setzen zu wollen, unter Berufung auf unsere Unterredung. Den Einwand von Tg., daß wir einen Erwerb von Trzyniec nur ins Auge fassen könnten, wenn uns dadurch der Weg zu einem Erwerb einer lothringischen Hütte, auf die wir keineswegs verzichten würden, nicht verbaut würde, begegnete v. H. mit der ausdrücklichen Zusicherung, daß dem nicht so sei, daß vielmehr, sofern unsere Finanzkraft es ertrage, dem Erwerb einer lothringischen Hütte neben Trzyniec nichts im Wege stünde. Wir sind so verblieben, daß die Besichtigung schnellstens durchgeführt werden soll und wir alsdann mit konkreten Vorschlägen an v. H. herantreten werden. 3.) In diesem Zusammenhang ließ v. H. durchblicken, daß er die Möglichkeit eines E r werbes von Hütten für einige Werke aus finanziellen Gründen bezweifeln müsse. So würde doch Krupp bei der starken Interessenahme im Osten wohl kaum noch Finanzkraft genug besitzen, um auch im Westen eine Hütte zu erwerben. I I I . Erz Verteilung 1.) Tg. trug v. H. in kurzen Worten den Tatbestand vor. v. H. erklärte, daß er mit uns insofern völlig einer Meinung sei, als die Zuteilung armer deutscher Erze unbedingt genau dem Prozentsatz der Gesamtzuteilung entsprechen müsse und daß keine Sonderstellung für Spezial-Eisenfertiger eingeräumt werden dürfe. E r bedauerte, daß solche Fragen nicht im Kreise der Werke selbst in anständiger Weise geregelt werden könnten, und empfahl den nochmaligen Versuch einer Verständigung. Tg. sagte dies zu, verwies aber vorsorglich darauf, daß für den Fall, daß eine solche Verständigung nicht zu erzielen sei, er sich an ihn wenden würde, mit dem Ersuchen, eine Vermittlung zu übernehmen, v. H. erklärte sich hierzu bereit. 2.) Tg. verwies darauf, daß die Frage der Verteilung armer deutscher Erze ihre ganze Bedeutung erst erhalte, wenn man sie mit der Schrott-Zuteilung verbinde. Durch vermehrte Verhüttung armer deutscher Erze und geringere Stahlzuteilung vermehre sich der wirtschaftliche Nachteil gegenüber den Bessergestellten entsprechend, v. H. erkannte das Unbefriedigende eines solchen Zustandes durchaus an. E r meinte, es sei zu überlegen, ob man nicht eine Ausgleichskasse für sämtliche Werke einschließlich der Reichswerke schaffte, die in diesem Sinne einmal bereits an ihn herangetreten seien. Tg. stimmte dem Gedanken einer Ausgleichskasse durchaus zu, hält aber die Beschränkung auf die Ruhr für zweckmäßiger. 3.) v. H. beklagte sich in diesem Zusammenhang über mangelnde Initiative und bedauerliche Einseitigkeit der Herren Poensgen und Reichert. E r verwies darauf, daß aus diesem Grunde Fragen an das Ministerium zur Entscheidung herangetragen würden, die eigentlich im Rahmen der Industrie selbst getroffen werden müßten. Wenn das Ministerium dann solche Entscheidungen träfe, so beschwere man sich nachher über die fortschreitende Bürokratisierung. Die Schuld liierfür läge in erster Linie an dem kurzsichtigen Verhalten der Unternehmer selbst. Dem Ministerium liege nichts ferner als eine unnütze Reglementierung. I V . Künftige Eisenlage 1.) Der angekündigte Bedarf der Wehrmacht für die Friedenszeit sei noch größer als die derzeitigen Kriegsanforderungen. Daneben würden für ein gewaltiges Bauprogramm sehr große Eisenmengen benötigt. E s wäre daher für absehbare Zeit mit einer Knappheit an Eisen und Stahl zu rechnen. 2.) Aus diesem Grunde sei an einen Abbau der Bewirtschaftung von Eisen und Stahl gar nicht zu denken. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die belgisch-luxemburgisch-lothringischen Hütten zukünftig zur Verfügung ständen, denn es bestände die Verpflichtung, den Eisenbedarf ganz Europas zu decken. 22'

328

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

17) Rundschreibender Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende an die Mitglieder des Beirats der Wirtschaftsgruppe vom 7. September 1940

Industrie

Im Auftrage unseres Herrn Wirtschaftsgruppenleiters teilen wir Ihnen mit: „Im Verfolg des Rundschreibens vom 26. Juli 1940 hat der Leiter unserer Wirtschaftsgruppe, Herr Generaldirektor Dr. Ernst Poensgen, am 5. September 1940 Herrn Generalleutnant von Hanneken seinen Vorschlag über die Felderbereinigung in Lothringen und die Schaffung von neuen Werksgruppen vorgelegt. Dieses Gutachten 1 wird zur Zeit vervielfältigt und wird Ihnen alsdann zugeleitet werden. Herr Generalleutnant von Hanneken hat sich damit einverstanden erklärt, daß nunmehr Interessenten für Erzgruben und Hüttenwerke sich bei Herrn Poensgen melden. Er hat Herrn Poensgen gebeten, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Erwerbungen nur (jegen eine angemessene Bezahlung gemacht werden können, und weiter darauf hinzuweisen, daß nach den derzeitigen Erfahrungen die Gestehungskosten sowohl für Minette wie für Roheisen, Rohstahl und Stahlprodukte gegenüber denjenigen vor diesem Kriege erheblich steigen werden. Da Herr Poensgen dieser Tage seinen Urlaub antritt, wird die Zusendung der Gutachten an Sie durch Herrn Bergassessor a. D. Willing, Dortmund, erfolgen. Wir bitten Sie, diesem auch Ihre etwaigen Wünsche bis zur Rückkehr von Herrn Poensgen zu übermitteln."

18)

Aktennotiz von Fritz vom Bruck vom 22. Oktober 1940

Aus der Unterredung der Herren Tgahrt, Lipp, vom Bruck mit Herrn Dr. Küttner am 21. 10. 1940 ist folgendes festzuhalten: Der Auftrag des Herrn Dr. Küttner beschränkt sich räumlich auf das gesamte Minettegebiet, umfaßt also nicht die sonstigen nordfranzösischen Industriebezirke. I. Gruben Bei einer Beschränkung auf 2 8 % bei kalkigen und 3 0 % Fe bei kieseligen Erzen kommt man nach Dr. Küttner zu einer Gesamtmenge von etwa 6 Milliarden t. Dabei ist man ausgegangen von einer Abbauwürdigkeit der Flöze, die zwischen 1,3 und 1,5 m schwankt. Von diesen Erzvorräten sind etwa 3,4 Millionen t für die Hütten des Minettegebiets vorgesehen. Weitere 670 Millionen t Vorräte sollen für die Saarhütten reserviert werden. Bezüglicli weiterer 770 Millionen t ist an Gemeinschaftsbesitz gedacht worden. Bisher hat Dr. Küttner aber bei allen Werken für einen solchen Gemeinschaftsbesitz keine Gegenliebe gefunden. Das letzte Wort über die Aufteilung ist noch nicht gesprochen. Weitere etwa 470 Millionen t sind als Reserve gedacht und sollen eventuell für Erweiterungen bestehender Hütten, bzw. Anlage neuer Werke, bzw. dort zur Verfügung gestellt werden, wo sich später herausstellen sollte, daß die Aufteilung den Erzeugungsverhältnissen nicht gerecht geworden ist. Es würden dann noch etwa 650 Millionen t verbleiben. Hier handelt es sich um bisher noch nicht verliehenen Besitz. Aus dem Gemeinschaftsbesitz sollen die Ruhrwerke versorgt werden, ferner Belgien und ein Teil von Nordfrankreich. Nicht dagegen sind zu be1 Das „Gutachten" konnte bisher nicht aufgefunden werden; es ist vermutlich weitgehend identisch mit Poensgens Entwurf vom 19. Juli 1940 (s. Dokument 11).

I I . Die R u h r - M o n t a n k o n z e r n e

329

teiligen Ilsede, Flick und die Reichswerke. A u ß e r d e m sollen die H ü t t e n des Minettebezirks aus ihrem eigenen ihnen zuzuteilenden E r z v o r r a t ihre Besitzerwerke an der R u h r gegebenenfalls noch m i t Überschußerzen versehen. Das Verhältnis v o n kieseliger zu kalkiger Minette ist ziemlich genau 50 : 50. Am W e s t r a n d e des Nancy-Beckens h a t m a n neuerlich g u t e kalkige Erze festgestellt. I n diesem Gebiete werden auch vorwiegend die f ü r die Saar b e s t i m m t e n G r u b e n liegen, da von hier aus zur Saar gute W a s s e r f r a c h t besteht. II. H ü t t e n 1) L o n g w y (Mont St. Martin) H e r r T g a h r t u n t e r r i c h t e t H e r r n Dr. K ü t t n e r über den I n h a l t eines Ferngesprächs m i t H e r r n Poensgen von E n d e voriger Woche. H e r r Poensgen h a b e ihn nochmals gefragt, ob er denn nicht bei Longwy und Chiers f ü r Hoesch bleiben wolle. E r h a b e aus den Aufstellungen ersehen, d a ß m a n entgegen unserem W u n s c h e uns f ü r R6hon u n d Senelle vorgesehen h a b e . H e r r K ü t t n e r erklärte hierzu, es müsse sich hier u m einen I r r t u m von H e r r n Poensgen handeln. E r , Poensgen, h a b e v o n sich aus Hoesch f ü r die G r u p p e 1, d. h. f ü r Chiers -)- R e h o n -f Senelle vorgeschlagen. F ü r die G r u p p e 2, die Longwy einschließlich Gorcy e n t h ä l t , h a b e er M a n n e s m a n n in Vorschlag gebracht. D a r ü b e r bestände f ü r H e r r n Dr. K ü t t n e r nicht der geringste Zweifel. E s müsse sich also H e r r Poensgen geirrt haben. In diesem Z u s a m m e n h a n g k o n n t e n auch noch verschiedene Auffassungen bezüglich der Beschaffenheit der Hochöfen bei Longwy festgestellt werden. W ä h r e n d H e r r Poensgen H e r r n T g a h r t gegenüber diese Beschaffenheit als besonders g u t bezeichnete, h ä l t sie H e r r K ü t t n e r f ü r besonders schlecht. Das Bemerkenswerte an Longwy ist nach D r . K ü t t n e r das sehr umfangreiche Walzprog r a m m u n d die durchweg m o d e r n e E i n r i c h t u n g der Walzwerke. Aus diesem Grunde h a t Gauleiter Simon den P l a n gefasst, Longwy -f Chiers keinem der großen Konzerne zu geben, sondern hier möglichst eine selbständige Gesellschaft zu schaffen, sei es als Gemeinschaftsbesitz, sei es in H a n d eines B a n k e n k o n s o r t i u m s . Es k a n n als sicher angenommen werden, d a ß H e r r Poensgen E n d e voriger Woche bereits über dahingehende Pläne des Gauleiters u n t e r r i c h t e t gewesen ist. Wir h a b e n unseren Anspruch auf Longwy zuzüglich Chiers nicht aufgegeben. Bei Gorcy handelt es sich u m ein kleines Hochofenwerk m i t einer Jahresleistung von e t w a 50 000 t. 2) R e h o n und Senelle Die R o h s t a h l - K a p a z i t ä t v o n R e h o n b e r e c h n e t H e r r K ü t t n e r auf etwa 415000 t jährlich, die v o n Senelle auf etwa 360000 t . Die R o h s t a h l - K a p a z i t ä t beider Werke liegt also n i c h t unwesentlich ü b e r der von Longwy. Die Beschaffenheit der Hochöfen ist durchschnittlich im ganzen etwas besser als bei Longwy. Die Stahlwerke sind bei beiden W e r k e n leidlich. Bei Senelle k o m m t noch ein Martinwerk mit 2 Öfen v o n je 50 t h i n z u ; Erweiterungsmöglichkeit v o r h a n d e n . Das Walzprogramm beider Werke ist nicht sehr umfangreich. Bei Rehon ist hervorzuheben eine ausgezeichnete und sehr leistungsfähige Blockstraße. Man k ö n n t e ins Auge fassen, einen Teil der StahlK a p a z i t ä t von Senelle in R e h o n abzuwälzen, sofern eine billige Verbindung zwischen den W e r k e n hergestellt werden k a n n . H e r r K ü t t n e r wollte sich dieserhalb erkundigen. Beachtlich ist ferner bei R e h o n eine moderne Schienenhärterei und ferner zwei moderne B a n d s t r a ß e n bis 450 m m Breite. Über die Walzwerksanlagen von Senelle konnte H e r r K ü t t n e r nichts Bemerkenswertes angeben.

330

A n h a n g : „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Es wurde v e r e i n b a r t , d a ß H e r r Dr. K ü t t n e r a m Sonnabend dieser Woche nochmals bei H e r r n T g a h r t vorspricht, um i h m über seine Unterlagen, die er bei der Besprechung nicht zur H a n d h a t t e , noch einige A n g a b e n zu machen. 3) Reichs werke Von Seiten v. H a n n e k e n ist auf seinen Vorschlag hin f ü r die Reichswerke vorgesehen Hagendingen u n d Moevern. O b sich die Reichswerke hiermit zufriedengeben, s t e h t nicht fest. H e r r R a a b e m a c h t weitere Ansprüche geltend u n t e r B e r u f u n g auf den z u k ü n f t i g e n Anteil d e r Reichswerke an d e r G e s a m t e r z e u g u n g von e t w a 2 5 % . Die beiden oben g e n a n n t e n W e r k e h a b e n eine K a p a z i t ä t v o n etwa 1,3 Millionen t . 4) Röchling F ü r Röchling ist außer der K a r l s h ü t t e Hayingen vorgesehen. Gauleiter Bürckel legt entscheidenden W e r t d a r a u f , d a ß d e r de Wendel-Besitz zerschlagen wird und nicht in einer H a n d bleibt. Deswegen h a t m a n Hagendingen u n d H a y i n g e n ausgetauscht. Das dritte W e r k v o n de Wendel, J o e u f , ist völlig v e r a l t e t u n d soll verschwinden. Die Blockstraße u n d die D r a h t s t r a ß e v o n Joeuf sind f ü r H o m e c o u r t vorgesehen. 5) N a c h d e m der P l a n v o n Gauleiter Simon bezüglich Longwy b e k a n n t wurde, h a t m a n M a n n e s m a n n auf H o m e c o u r t verwiesen. 6) F ü r R o m b a c h h a t Flick seine Ansprüche angemeldet, u n d zwar h u n d e r t p r o z e n t i g . Eine Beteiligung der Familie S p a e t e r oder der K o n k o r d i a k ä m e f ü r Flick nicht in Frage. H e r r Flick h a t H e r r n Dr. K ü t t n e r a m Donnerstag voriger Woche diesbezüglich e r k l ä r t , d a ß er auf das ganze R o m b a c h A n s p r u c h erhebe, da er im Osten keinerlei Ansprüche m e h r geltend m a c h e . Ich k o m m e hierauf später zurück. A u ß e r d e m e r h e b t nach wie v o r Konkordia bzw. die Familie Spaeter, und zwar ebenfalls selbständig, f ü r sich allein Anspruch auf R o m b a c h . Wir h a b e n H e r r n Dr. K ü t t n e r mitgeteilt, d a ß wir ursprünglich auch einmal an R o m b a c h g e d a c h t h a b e n . Zu R o m b a c h h i n z u k o m m e n soll noch Auboue, das räumlich m i t der R o m b a c h e r H ü t t e markscheidet und eine gute E r g ä n z u n g zu Rombach darstellt. 7) Die G u t e h o f f n u n g s h ü t t e e r h e b t A n s p r u c h auf Micheville und b e g r ü n d e t diesen Ansprucli m i t dem schweren P r o g r a m m dieser H ü t t e , das ihr g e s t a t t e n würde, das eigene A u s b a u p r o g r a m m einzuschränken. Dr. K ü t t n e r betont, d a ß der Anspruch der G H H ebenso wenig a n e r k a n n t sei wie die a n d e r e n bisher geltend g e m a c h t e n Ansprüche, u n d d a ß daher auch Hoesch einen Anspruch auf Micheville geltend m a c h e n könne. H e r r K ü t t n e r hob nochmals hervor, d a ß Micheville d u r c h w e g über sehr g u t e Anlagen verfüge. 8) F ü r Klöckner ist u n b e s t r i t t e n K n e u t t i n g e n vorgesehen, 9) desgleichen u n b e s t r i t t e n Ückingen f ü r Neunkirchen. 10) F ü r O t t o W o l d soll P o m p e y und Neuves Maisons vorgesehen werden. 11) Pont-ä-Mousson soll zur H a l b e r g e r h ü t t e k o m m e n , entsprechend seinem Erzeugungsprogramm. 12) E n t g e g e n den bisherigen P l ä n e n scheint man im R W M n u n doch m i t der Absicht umzugehen, Burbach v o n der Arbed a b z u t r e n n e n und es m i t Dillingen und St. I n g b e r t zu vereinigen. Dagegen ist Gauleiter Simon, der die Arbed u n v e r ä n d e r t beieinander lassen m ö c h t e . 13) Differdingen ist bekanntlicli f ü r die Vereinigten Stahlwerke vorgesehen. 14) F ü r den jüngeren N a c h w u c h s sind, wie bereits mitgeteilt, die W e r k e Athus, Rodingen, R a t y mit Sauines u n d Hussigny u n d Villerupt in Aussicht genommen. H e r r Steinbrinck h a t Ansprüche bezüglich Athus geltend g e m a c h t , die H e r r e n F a u s t und H a h l f ü r Rodingen. Sauines + Hussigny haben eine Roheisenerzeugung v o n etwa 1 8 0 0 0 0 1 jährlich. Die Hochofenanlage und auch die Gießereien sollen g u t sein.

II. Die Ruhr-Montankonzeme

331

15) Ob und welches Werk Krupp zugeteilt werden soll, ist noch offen. Im RWM steht man auf dem Standpunkt, daß Krupp im Westen keine Interessen geltend machen könne, da er sich sehr stark im Osten ausbreiten werde. Krupp selbst dagegen macht entschieden Ansprüche im Westen geltend. Bisher ist für Krupp keine Hütte ins Auge gefaßt. Sollte Krupps Anspruch anerkannt werden, bzw. die Reichswerke größeren Anspruch geltend machen können, so würde das natürlich eine völlige NeugTuppierung bedingen. Ganz allgemein betonte Herr Küttner nochmals, daß endgültige Festlegungen noch nicht erfolgt seien, vielmehr erst auf Entscheidung des Reichsmarschalls hin erfolgen würden. Gr erwarte, daß der Plan vom Reichsmarschall bald verabschiedet und den Werken die diesbezüglichen Vorschläge zugeleitet werden können. Alsdann soll auch Besichtigungsmöglichkeit bestehen. Er betonte nochmals, daß seine Vorschläge auf Geheiß von v. Hanneken sehr stark nach den Wünschen der beiden Gauleiter ausgerichtet worden seien. III. Was die Arbeiterverhältnisse in Französisch-Lothringen anbetrifft, so gab Küttner zu, daß sie als schwierig zu bezeichnen sind. E r wollte aber diesbezüglich einen Unterschied zwischen Longwy, Briey und Nancy nicht gelten lassen. Eine weiterverarbeitende Industrie soll im Minettegebiet nach den Planungen des RWM nicht aufgebaut werden. IV. Berg und Hütten Wie oben bereits mitgeteilt, habe Herr Flick erklärt, daß er im Osten keine Ansprüche mehr geltend machen wolle. Er habe als Mitaktionär von Königs- und Laurahütte auf dieses Werk Anspruch erhoben unter der Bedingung, daß ein gewisser Kohlenbesitz bei den Werken verbleibt. Sollten die Reichswerke entgegen der derzeitigen Planung doch noch auf die in Frage kommenden 2—3 Kohlengruben verzichten, so würde Herr Flick seine Ansprüche auf Königs- und Laurahütte geltend machen. In diesem Falle würden Ansprüche von Flick bezüglich Trzynietz nicht erhoben werden. Trzynietz habe er nur als Ersatz für Laurahütte in Erwägung gezogen. Die Frage des Herrn Dr. Küttner, ob Hoesch, wenn er Berg und Hütten erhielte, darüber hinaus auch im Westen Anspruch erhöbe, wurde von Herrn Tgahrt ausdrücklich bejaht. Herr Tgahrt wies darauf hin, daß General von Hanneken uns seinerzeit für Trzynietz interessiert und dabei ausdrücklich bemerkt habe, daß diejenigen Werke, die sich im Osten interessierten, im Westen eine ganz besonders bevorzugte Berücksichtigung erfahren sollten. Diese Auffassung wurde uns auch später nochmals von Oberst John bestätigt. Herr Küttner schien hierüber etwas erstaunt zu sein, nahm aber diese Mitteilung zur Kenntnis.

19) Schreiben von Ernst Poensgen an Erich Tgahrt vom 23. Oktober 1940 mit der als Anlage beigefügten Liste der Zuteilungsvorschläge von Poensgen Und Küttner vom 18. Oktober 1940 Sehr geehrter Herr Tgahrt, es gibt in Longwy zwei Werke, die so nebeneinander liegen, wie früher die Phönix und die Rheinischen Stahlwerke. Wenn eine 30 m lange Rohrleitung für das Gas hergestellt ist, können sie wie ein Werk zusammenarbeiten. Diese sind: 1) Société Anonyme des Hauts-Fourneaux de la Chiers in Longwy-Bas 2) Société Anonyme des Aciéries de Longwy in Mont St. Martin.

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

332

In dem Begleitschreiben, das ich meinem Gutachten an Herrn von Hanneken mitgegeben habe, habe ich ausgeführt, daß technisch diese beiden Werke eigentlich zusammengenommen werden müßten, was ich empfehlen würde, daß ich aber vorläufig davon Abstand nähme, um bei der unbekannten Anzahl von Reflektanten die Anzahl der Objekte nicht zu vermindern. Ich habe nun von Herrn Dr. Reichert unter dem 5. 8. die Mitteilung erhalten, daß Herr Dr. Bruck mitgeteilt habe, falls die Arbed für Hoesch nicht erreichbar sein solle, interessiere sich Ihre Gesellschaft für die S. A. des Aciéries de Longwyin Mont St. Martin und für das Nachbarwerk von S. A. des Hauts Fourneaux de la Chiers in Longwy-Bas, also nach meiner Meinung für die beiden oben genannten Werke. In meinem ersten Vorschlag an Herrn von Hanneken hatte ich, wie oben gesagt, die Zusammenlegung nicht vorgenommen und hatte eine Gruppe I gebildet, bestehend aus: Chiers, Réhon und Senelle-Maubeuge mit zusammen 1 Mio t Kapazität, und diese Gruppe I war für Ihre Gesellschaft vorgesehen. Nachdem ich aber dann von Herrn Dr. Küttner gehört hatte, daß er seinerseits für die Zusammenlegung dieser beiden Werke für eine Gruppe einträte, habe ich ihm gesagt, dann wäre dies doch ein geeignetes Objekt für Hoesch. Ich habe dann für die Besprechung mit Herrn Dr. Küttner eine Liste aufgestellt, in welcher die Vorschläge für die Zuteilung einmal nach Vorschlag Poensgen und einmal nach Vorschlag Küttner aufgeführt waren. Von dieser am 18. d. M. aufgestellten Liste finde ich noch ein Exemplar, das ich als Anlage beifüge. Wie Sie sehen, habe ich hier für Sie Chiers und Mt. St. Martin vorgesehen, während Herr Dr. Küttner für Sie aus meinem ersten Vorschlag Senelle-Maubeuge und Réhon herausgegriffen hatte, und zwar habe ich während dieser Besprechung mit Herrn Dr. Küttner noch mit Ihnen telefoniert und habe Sie dahin verstanden, daß Ihre Wünsche auf diese kombinierte Gruppe gingen, während Sie mir heute sagten, daß Sie nur auf die S. A. des Aciéries de Longwy in Mont St. Martin reflektierten, bei deren Zusammenfassung mit Gorcy die Roheisenerzeugung nur etwa 550000 t beträgt. Herrn Dr. Küttner habe ich Durchdruck dieses Schreibens gegeben. Mit freundlichen Grüßen Ihr sehr ergebener

[Anlage] Vorschläge der Zuteilung der Werke der Eisen schaffenden Industrie in Lothringen, Luxemburg und Süd-Belgien Bewerber

Vorschlag Poensgen

Vorschlag Küttner

1 2

Krupp Flick

3

Mannesmann

? Rombach Auboué Homécourt (Joeuf)

4

Hoesch

Hagendingen Rombach Homécourt a) Mont-Saint-Martin Gorcy b) Homécourt Joeuf beantragt Chiers Mont-Saint-Martin

Lfd.

Senelle Réhon

II. Die Ruhr-Montankonzeme

333

Bewerber

Vorschlag Poensgen

Vorschlag Küttner

5 6 7 8

Gutehoffnungshütte Klöckner Concordia Ver. Stahlwerke

Micheville Kneutingen

9 10 11

August-Thyssen-H. Gewerkschaft Rheinstahl Otto Wolff

Micheville Kneutingen Rombach Differdingen einschl. Rümelingen und Oettingen Hagendingen

12 13

Dillingen Röchling

14

Burbach

15

Halberger Hütte

16

Reichswerke

17 18

Arbed Faust/Hahl

19

Steinbrinck

Lfd.

Grubenfelder Ückingen ?

Differdingen

Pompey-Ückingen Neuves Maisons ?

Karlshütte

Karlshütte Hayingen ?

Pont-Ä-Mousson Auboue de Wendel

Pont-à-Mousson

selbständig Rodingen (oder Athus) Rodingen (oder Athus)

Mövern Hagendingen selbständig Rodingen Athus

20) Schreiben (Schnellbrief) des Reichswirtschaftsministers an den Leiter der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, Ernst Poensgen, vom 21. Februar 19411 Betrifft: Eisenhüttenwerke in Lothringen und Luxemburg Der Herr Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches hat auf Grund der Vorschläge des Herrn Generalbevollmächtigten für die Eisen- und Stahlbewirtschaftung angeordnet, daß die Eisenhüttenwerke in Lothringen und Luxemburg nunmehr in verantwortliche Hände überführt und durch einzelne Persönlichkeiten oder zur Betriebführung geeignete Unternehmungen der Eisen schaffenden Industrie im Auftrage des Reichs betreut, geleitet und auf eigene Rechnung betrieben werden sollen. Diesen Treuhändern soll nach Eintritt friedensmäßiger Wirtschaftsverhältnisse Gelegenheit gegeben werden, das von ihnen betriebene Werk käuflich zu erwerben, soweit nicht durch entsprechende Umstände eine Änderung der Verhältnisse eintritt. Die Unternehmer müssen sich verpflichten, bei einer 1 Dieser Erlaß über die endgültige Verteilung der lothringischen und luxemburgischen Hüttenwerke stimmt im Kontext nicht vollständig mit der ursprünglichen Fassung vom 31. Januar 1941 überein (gedr. in: FaU.5, S. 245ff.).

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

334

Erwerbung den von ihnen übernommenen Besitz weder ganz noch teilweise ohne Zustim' mung des Reiches an Dritte unmittelbar oder mittelbar zu verkaufen. Als Treuhänder sind bestimmt: für Lothringen: Werk

Vorbesitzer

Treuhänder

1)

Karlshütte

Hauts Fourneaux et Aciéries de Thionville

2)

Kneuttingen

3)

Ückingen

Société Métallurgique de Knutange Forges et Aciéries de Nord et Lorraine

4) 5)

Rombach Machern

Société Lorraine des Aciéries de Rombas

6) 7)

Hayingen Mövern-Rosslingen

Les Petits-Fils de F. de Wendel et Cie.

Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke GmbH Völklingen/Saar Klöcknerwerke AG Duisburg Neunkircher Eisenwerk AG vorm. Gebr. Stumm Neunkirchen (Saar) Fried. Flick KG Berlin W 9 Bellevuestr. 12 a Reichswerke Hermann Göring unter Bildung einer bes. Abt. Lothringen

8) 9)

Hagendingen Safe

Union Consommateurs de Produits Métallurgiques et Industriels (U. P. M. J.)

für Luxemburg: 1)

Rodingen

2) 3)

Differdingen Oettingen

4) 5)

Rümelingen Walzwerk St. Ingbert

6) 7) 8) 9) 10) 11)

Esch-Schifflingen Belval Rote Erde Düdelingen Deutsch-Oth Dommeldingen

12)

Burbach

Société Anonyme d'Ougrée- Die Herren Dr. Faust und Hahl in Gemeinschaft Marihaye „Hadir" Société des Hauts Vereinigte Stahlwerke AG, Düsseldorf Fourneaux et Aciéries de Differdange-St. IngbertRumelange AG der Dillinger Hüttenwerke Dillingen (Saar) Die Gesellschaft bleibt „Arbed" Aciéries als selbst. Gesellsch. Réunies de Burbachmit dem Sitz in LuxemEich-Dudelange burg unter Beibehaltung der Bezeichnung „Arbed", aber unter Einführung eines deutschen Firmennamens erhalten Die Burbacherhütte wird selbständige Tochterges. mit dem Sitz in Saarbrücken-Burbach. »J

335

II. Die Ruhr-Montankonzerne

Ich habe die Chefs der Zivilverwaltungen in Lothringen und Luxemburg gebeten, für ihren Bereich sofort die obengenannten Treuhänder zu berufen, damit die aus einer klaren Abgrenzung der Verantwortlichkeit zu erwartenden günstigen Folgen für die Erzeugung so rasch wie möglich eintreten. Der Entwurf der von mir zu genehmigenden Betriebsverträge und die spätere Bewertung der Werke sollen durch eine Kommission von Sachverständigen unter Beteiligung der in Frage kommenden Behörden vorgenommen werden. Als Vorsitzer der genannten Kommission habe ich einen bewährten und anerkannten Fachmann der Eisen schaffenden Industrie, den Hüttendirektor Dr. ing. E. h. Hugo Klein, Vorstandsmitglied der Hüttenwerke Siegerland AG in Siegen, Hindenburgstr. 5—7, bestimmt, der bereits Kommissionen der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie zur Beurteilung von Hüttenwerken in der Ostmark und in Oberschlesien geführt hat. Ich bitte um umgehende Benennung eines Vertreters Ihrer Gruppe für diese Kommission. Ich lege Wert darauf, daß ein Vertreter genannt wird, der hauptamtlich bei Ihnen tätig ist.

21) Schreiben von Erich Tgahrt an Alfred Kurzmeyer1 vom 8. Mai

1941

mit der als Anlage beigefügten Aktennotiz von Tgahrt vom 8. Mai

1941

Sehr geehrter Herr Kurzmeyer, zu Ihrer vertraulichen Unterrichtung sende ich Ihnen anbei mein Diktat über meine Unterhaltung mit Herrn von Hanneken vom 2. 5. 41. Da ich mit Herrn von Hanneken und Herrn vom Bruck zu Abend gegessen habe, war die ganze Unterhaltung privater Natur. Sie bewegte sich naturgemäß auch noch auf vielen anderen Gebieten. So habe ich beispielsweise die Frage angeschnitten, ob man denn durch den Erwerb von Aktien eines Unternehmens seine Wünsche dem RWM gegenüber untermauern könne. Auch hierzu hat Herr von Hanneken eine ausweichende Stellung eingenommen. Ich muß vermuten, daß die Entscheidungen über die Zuteilung von Hüttenwerken der Einflußnahme von Herrn von Hanneken weitgehend entzogen sind, so daß ersieh nicht in der Lage sieht, etwas zuzusagen oder auch nur in wirkliche Aussicht zu stellen. Auch der Hinweis, daß wir, wenn auch nicht durch alten Besitz eines Hüttenwerks, so doch immerhin durch anteiligen Grubenbesitz in Lothringen und der Normandie berechtigte Ansprüche auf Berücksichtigung erheben könnten, weil die Wiederherstellung des Grubenbesitzes infolge der in Aussicht genommenen Neuregelung ja nicht möglich wäre, konnte Herrn von Hanneken aus seiner Zurückhaltung nicht hervorbringen. Dabei glaube ich, mit Recht die Überzeugung haben zu dürfen, daß der Genannte weder gegen Hoesch, noch gegen seine Verwaltung in irgendeiner Weise eingestellt ist. Die Unterlagen von Herrn Moise über Delfoye-Matthieu sind inzwischen bei mir eingegangen. Obgleich es sich nach der Beschreibung höchstwahrscheinlich um recht alte Werke handeln dürfte, die nur mit großem Aufwand instandgesetzt werden können und bei denen auch die Rohstoffgrundlage fehlt, habe ich Herrn Moise heute telegraphiert, daß wir bereit wären, zwei Sachverständige zur Besichtigung und Erstattung eines Gutachtens hinzuschicken. Das Gutachten würden wir dann natürlich auch Herrn Moise geben. Wenn der Erwerb der Mehrheit für uns kein Interesse haben sollte, so werden wir Herrn Moise un1 Direktor der Deutschen Bank.

336

A n h a n g : „ N e u o r d n u n g des europäischen G r o ß w i r t s c h a f t s r a u m e s "

verzüglich drahtlich u n t e r r i c h t e n , d a m i t er noch Gelegenheit n e h m e n k a n n , sich in der i h m nach anderer Seite vorschwebenden R i c h t u n g zu b e m ü h e n . Der Militärbefehlshaber h a t etwa 20 f ü h r e n d e H e r r e n der I n d u s t r i e f ü r den 10. 5. zu Vort r ä g e n und zum Abendessen nach Brüssel eingeladen. Ich f a h r e z u s a m m e n m i t H e r r n E r n s t Poensgen am S o n n a b e n d v o r m i t t a g im A u t o nach Brüssel, und wahrscheinlich schon a m S o n n t a g wieder zurück. Ich hoffe, Sie vorher noch am Fernsprecher zu erreichen. Mit freundlichen G r ü ß e n I h r sehr ergebener

[Anlage] B e t r . : U n t e r h a l t u n g m i t H e r r n General v o n Hanneken, gemeinsam m i t H e r r n vom Bruck, am Freitag, den 2. 5. 1941 Ich sagte H e r r n v o n H a n n e k e n , d a ß zwei Tatsachen mich v e r a n l a ß t h ä t t e n , i h n kurzfristig u m diese Besprechung zu b i t t e n . I n dem kürzlich erschienenen Geschäftsbericht der Mannesm a n n r ö h r e n - W e r k e werde darauf hingewiesen, d a ß zur Versorgung der eigenen Walzbetriebe die Rohstahlerzeugung der Mannesmannbetriebe nicht ausreiche u n d daß d e s h a l b zusätzliche Leistungsmöglichkeiten v o n mehreren h u n d e r t t a u s e n d T o n n e n R o h s t a h l geschaffen werden müssen. Dieser geschickte Hinweis deute darauf hin, d a ß M a n n e s m a n n die Absicht habe, Ansprüche im Westen ganz besonders m i t dieser Notwendigkeit der E r w e i t e r u n g der Rohstahlleistungsfähigkeit zu begründen. Zu gleicher Zeit h ä t t e ich erfahren, d a ß M a n n e s m a n n bei H o m e c o u r t bereits einen technischen u n d einen k a u f m ä n nischen H e r r n aus seinem Mitarbeiterstabe zur Verwaltung dieses Werks sitzen habe. Das wieder deute darauf hin, d a ß m a n im Ministerium geneigt sein k ö n n t e , auf die W ü n s c h e v o n M a n n e s m a n n einzugehen. W e n n durch die spätere Grenzziehung m i t Frankreich die Möglichkeit gegeben wäre, d a ß wir unseren W ü n s c h e n entsprechend ein W e r k f ü r uns selbst b e k ä m e n , und entsprechend unseren Anregungen bevorzugt R e h o n m i t Ausbaufähigkeit auf 600000 t Rohstahl, so k ö n n t e ich mir nichts Besseres wünschen, als d a ß auch M a n n e s m a n n befriedigt werde. D a aber i m m e r h i n doch G r u n d zu der A n n a h m e bestünde, d a ß die Grenzziehung so erfolge, d a ß R e h o n nicht in unseren Besitz k o m m e n könnte, erneuerte ich die schon m e h r f a c h vorgetragenen Wünsche dahin, d a ß in diesem Falle uns eine 50%ige Beteiligung an Micheville, und falls auch Micheville nicht zum Reich k o m m e n sollte, eine 50%ige Beteiligung an H o m e c o u r t , zugestanden werde. D a ß dieses Werk und Joeuf, w e n n auch a u ß e r h a l b der alten Reichsgrenze liegend, in den deutschen Grenzraum eingeschlossen würden, sei ja wohl m i t größter Wahrscheinlichkeit a n z u n e h m e n . Bei dieser Gelegenheit f r a g t e ich, ob Joeuf noch frei wäre. Ursprünglich h ä t t e m a n d a r ü b e r gesprochen, d a ß Joeuf in so schlechter Verfassung sei, d a ß es nicht lohne, es als W e r k weiter bestehen zu lassen. Mittlerweile h ä t t e ich v o n Dr. Vosgerau, der mehrere Monate den Stahlwerks-Verband in Metz v e r t r e t e n habe, gehört, d a ß Joeuf d u r c h a u s nicht in so betrübensw e r t e m Z u s t a n d e wäre, d a ß es nicht m i t einigermaßen normalen Mitteln in O r d n u n g zu bringen wäre. Ich h ä t t e a u ß e r d e m gehört, daß auf Joeuf neuerdings Röchling Anspruch erhebe. H e r r v o n H a n n e k e n erklärte hierzu, daß Joeuf zu dem Gesamtbesitz v o n de Wendel gehört habe und d e m g e m ä ß j e t z t auch in den Gesamtbesitz der Reichswerke H e r m a n n Göring, Abteilung W e s t m a r k , falle. Zu dem ersten vorgetragenen W'unsch bemerkte H e r r von H a n n e k e n ausweichend, d a ß es doch allemal besser wäre, eine hundertprozentige Beteiligung als eine fünfzigprozentige

I I . Die Ruhr-Montankonzerne

337

zu haben. E r sei persönlich der Auffassung, daß die Verhältnisse sich so entwickeln würden, d a ß wir ein eigenes Werk für uns bekämen. Im übrigen, meinte er, bestünde ja auch noch die Möglichkeit, den Versuch zu machen, im Wege freier Verhandlung mit den Franzosen oder Belgiern ein Werk zu erwerben. Wenn auch Herr Galopin mit den ihm unterstehenden Werken f ü r solche Verhandlungen wohl nicht zu haben wäre, so wäre Baron de Launois von Ougrée-Marihaye ja bekanntlich auf diesem Gebiete zugänglicher. Ich erklärte H e r r n von Hanneken, daß wir zu Letzterem keine Beziehungen h ä t t e n . Abgesehen davon wäre die S t i m m u n g bei diesem H e r r n wohl durch die Wegnahme von Rodingen f ü r die Herren F a u s t und Hahl f ü r neuerliche Verhandlungen auf diesem Gebiete sicher nicht sehr günstig. Und schließlich bestünden auch ältere Beziehungen zwischen Otto Wölfl und der OugréeMarihaye-Gruppe. Wenn wir ein eigenes Werk bekämen, so würden wir das bestimmt auch vorziehen. Die 50%ige Beteiligung an Micheville oder Homécourt wäre nur eine Notmaßnahme f ü r uns bei Ausfall eines hundertprozentigen Erwerbs, d a n n aber auch von größter Wichtigkeit. Entscheidend bleibe immer, welche Werke innerhalb der deutschen Reichsgrenze liegen würden. Nach der sehr zurückhaltenden Einstellung des Herrn von Hanneken besteht die Gefahr, d a ß wir leer ausgehen, falls nur Micheville und Homécourt, oder gar nur Homécourt, zum Reich kommen sollten. Unter diesen Umständen erscheint es mir richtig, unsere Wünsche nach einer 50%igen Beteiligung bei einem dieser Werke im Falle der Unmöglichkeit des hundertprozentigen Erwerbs einer H ü t t e im Westen dem RWM schriftlich zu unterbreiten u u d zu prüfen, welche anderen Wege noch gangbar sind, um unsere Ansprüche zu untermauern.

22)

Schreiben der Hoesch

AG

an das Reichswirtschaftsministerium

vom 16. Mai

1941

Betr. Erwerb bzw. Beteiligung an einer H ü t t e im Westen Wir nehmen Bezug auf unsere verschiedenen mündlichen Besprechungen und erlauben uns, dem von uns vorgetragenen Wunsche noch einmal in aller Form schriftlich Ausdruck zu geben. Die Möglichkeit der Zuteilung von H ü t t e n an Gesellschaften der Schwerindustrie, die bisher noch nicht bedacht worden sind, hängt von der politischen Grenzziehung zwischen Deutschland und Frankreich ab. Die Entscheidung des Führers und die Vereinbarung mit Frankreich über diese Frage stehen noch aus. Falls diese Grenzziehung es gestatten sollte, haben wilden Wunsch, das Werk Réhon ganz f ü r uns zu erwerben mit dem Recht des Ausbaues auf 600000 t Rohstahl jährlich. Falls Réhon nicht in die deutsche Grenze einbezogen werden sollte, dagegen das Werk Micheville oder das Werk Homécourt zu Deutschland kommen sollte, haben wir den Wunsch, eine 50°/ 0 ige Beteiligung entweder an dem Werk Micheville oder an dem Werk Homécourt zu erhalten. Zur Begründung dürfen wir wiederholt darauf hinweisen, daß der E r w e r b einer H ü t t e im Westen mit dem zugeteilten Erzbesitz durch uns von lebenswichtiger Bedeutung f ü r unsere Z u k u n f t ist, weil ohne einen solchen E r w e r b eine starke Beeinträchtigung unserer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den glücklicheren Unternehmungen des engeren Ruhrbezirks die Folge sein würde. In diesem Zusammenhang möchten wir bemerken, d a ß wir bis zum E n d e des Weltkrieges a n den Gruben J a r n y und Reichsland in Lothringen und Saint André, Bully und Maltot

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Anhang: „Neuordnung cles europäischen Großwirtschaftsraumes"

in der Normandie beteiligt gewesen sind. Da infolge der beabsichtigten Neuordnung des Grubenbesitzes im ostfranzösischen Becken offenbar nicht damit zu rechnen ist, daß wir wieder in den Genuß unseres früheren Eigentums kommen können, glauben wir, hieraus den Wunsch herleiten zu dürfen, hinsichtlich des Erwerbs einer Hütte oder einer hälftigen Beteiligung an einem Werk bevorzugt behandelt zu werden. Wir rechnen zuversichtlich auf Ihr Verständnis für unseren Antrag und die Erfüllung unserer Bitte, falls überhaupt eine Möglichkeit dazu bestehen sollte. Heil Hitler!

III. Carl Zeiss Jena Memorandum

von Karl

Hauptgeschäftsführer

Albrecht,

der Wirtschaftsgruppe

Feinmechanik

und Optik, vom Juli

19401

Entwicklungsmöglichkeiten der optischen und feinmechanischen Industrie in Europa und Übersee 1. Allgemeine Erörterung der künftigen Entwicklungsmöglichkeiten Die deutsche optische und feinmechanische Industrie ist führend in der ganzen Welt und verfügt über den bei weitem größten Anteil an der Weltausfuhr in optischen und feinmechanischen Erzeugnissen. Hinzu kommt die Tatsache, daß sie wahrscheinlich den größten Binnenabsatz aller optischen und feinmechanischen Industrien aufweist 2 , demzufolge also bei weitem die größte Kapazität besitzt. 3 Ihre überlegene Stellung gewann sie auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschungsund Entwicklungsarbeiten, verbunden mit technischer Präzisionsarbeit und exakter Fabrikationskontrolle. Einen wesentlichen Einfluß auf ihre Entwicklung gewann auch die Tatsache der Herstellung optischen Glases in Deutschland, welche bei ihrer Entstehung staatlicherseits, und zwar nicht zuletzt aus wehrpolitischen Erwägungen, gefördert wurde. 4 Außer Deutschland gelten die folgenden Länder als Produktionsländer der Optik und Feinmechanik: Frankreich, Großbritannien, Italien, USA, Japan. Von diesen Industrien hat sich diejenige in Frankreich, Großbritannien und USA im allgemeinen auf natürliche Weise entwickelt, während — und dies gilt in erster Linie für die optische Industrie in engerem Sinne — bei Italien und Japan — soweit optische Erzeugungsstätten auch in anderen Ländern bestehen auch für diese — meist politische bzw. wehrpolitische Erwägungen die Grundlage der Entwicklung abgaben. Die Erfahrungen des 1 Betriebsarchiv des VEB Carl Zeiss Jena, Nr. W 54. — Die Denkschrift wurde in der Leitung der Wirtschaftsgruppe Feinmechanik und Optik angefertigt, die völlig vom Zeiss-Konzern beherrscht war. Sie entsprach dem „Allgemeinen Teil" des vom IG-FarbenKonzern ausgearbeiteten „Neuordnungs"-Programms (s. Anhang I) und wurde ebenfalls gleichzeitig mit gesonderten „Berichten" über die einzelnen Länder verfaßt. Die Marginalia auf dem Original der Denkschrift stammen von Paul Henrichs, Leiter der Wirtschaftsgruppe und Geschäftsleiter des Zeiss-Konzerns, und sind im Text bzw. in den Anmerkungen berücksichtigt. 2 Marginale: z. Zt. I 3 Marginale: USA 4 Marginale: ungenügende Glasarten?

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

großen Krieges von 1914—1918 haben in vielen Ländern ein Streben nach möglichst weitgehender Autarkie in der Rüstungsoptik ausgelöst. Es wird für die zukünftige Gestaltung der Dinge entscheidend sein, wieweit in Europa außerhalb Deutschlands die Herstellung von Rüstungsoptik als politisch erwünscht oder unerwünscht zu bezeichnen ist. Soweit deutscherseits ein solches wehrpolitisches Interesse anderer Länder nicht als berechtigt anerkannt werden kann bzw. aus wehrpolitischen Gründen Deutschland die Weiterführung, Neugründung oder Weiterentwicklung optischer Rüstungsbetriebe in anderen Ländern ausschließen will, ergeben sich aufgrund der deutschen Erfahrungen seit 1918 gewisse Richtlinien zu wirkungsvoller Einflußnahme. Bekanntlich enthielten die Versailler Bestimmungen für die deutsche optische Industrie das Verbot der Herstellung von Militäroptik für eigenen oder fremden Bedarf. Ausschließlich der Firma Carl Zeiss wurde gestattet, Militäroptik im geringen Umfange des Bedarfs des 100000-Mann-Heeres zu fertigen. Wenn damals nicht die Nederlandsche Instrumenten Companie (Nedinsco) in Venlo gegründet worden wäre, die nach Lizenzen der Firma Carl Zeiss arbeiten konnte und die Möglichkeit hatte, die verschiedenen Staaten der Welt zu beliefern, wäre es auch der Firma Carl Zeiss nicht möglich gewesen, auf militäroptischem Gebiet, einschließlich dem Gebiet der Flugabwehrgeräte, die Entwicklungsarbeiten zu betreiben, welche nunmehr wiederum zur Überlegenheit der deutschen Militäroptik geführt haben. Wenn weiterhin der deutschen optischen Industrie in ihrer Zivilfertigung nicht die Möglichkeit unbeschränkter Entwicklung für den Absatz im In- und Auslande geblieben wäre, dann würde keine Produktionskapazität von auch nur einigermaßen zureichendem Ausmaße für die deutsche Aufrüstung auf optischem und feinmechanischem Gebiet bestanden haben. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich die Notwendigkeit, überall dort, wo aus politischen Gründen künftighin optischen Rüstungsbetrieben die Existenzberechtigung zu versagen ist, Maßnahmen zu treffen, daß eine Abwanderung in andere Länder sowie eine Umstellung auf Zivilfertigung ausgeschlossen wird. Geeignete Maßnahmen hierzu werden im weiteren Verlauf dieser Ausführungen gegeben. Eine besonders wichtige Steuerungsmöglichkeit für die Entwicklung der optischen Industrien in den verschiedenen Ländern besteht in der Verfügungsmöglichkeit über das optische Glas. 5 Es wird daher in folgendem auch auf die optischen Glashütten des In- und Auslandes kurz einzugehen sein. Bei der Notwendigkeit, auch nach Schaffung eines europäischen Wirtschaftsgroßraumes deutscherseits Überseeexport zu betreiben, wird die deutsche optische und feinmechanische Industrie in erster Linie dazu berufen sein, sich dieser Überseeausfuhr zumindest in gleichem Ausmaße wie vor Ausbruch des derzeitigen Krieges zu widmen. Sie wird außerhalb Europas mit der japanischen optischen und feinmechanischen Industrie im wesentlichen nur im japanischen Machtbereich zu rechnen haben. Sie wird in der Welt als ernste Konkurrenz die amerikanische optische und feinmechanische Industrie antreffen. 6 Es wird also darauf ankommen, sie hierfür konkurrenzfähig zu halten. Bei ihrer qualitativen Überlegenheit wird es im europäischen Raum nur des Grundsatzes bedürfen, daß der deutschen Optik und Feinmechanik in allen Ländern des europäischen Raumes gleiche Startbedingungen mit der bodenständigen Industrie der einzelnen Länder geboten werden, um ihr ohne staatliche Unterstützung oder Bevorzugung einen solchen Marktanteil in diesem Raum zu sichern, daß sie die Produktionsmöglichkeiten amerikanischen Aus5 Marginale: ? 6 Marginale: Frankreich in einzelnen Sparten. England in englischen Kolonien, abgesehen von einzelnen Spezialitäten

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m a ß e s auch hinsichtlich der m e n g e n m ä ß i g e n Fertigung h a b e n resp. 7 übertreffen wird, so daß u n t e r der Voraussetzung der Angleichung der wichtigsten Fertigungskosten, d. h. der Lohnhöhe, und der Verhinderung künstlicher V e r ä n d e r u n g d e r Kostengrundlage durch Währungsmanipulationen, eine natürliche Überlegenheit in der Welt gegeben s^in wird. Die weiteien A u s f ü h r u n g e n werden Vorschläge zur E r r e i c h u n g und Sicherung gleicher S t a r t b e d i n g u n g e n f ü r die optische u n d feinmechanische I n d u s t r i e im europäischen R a u m enthalten. W e n n durch eine solche Überlegenheit der optischen u n d feinmechanischen I n d u s t r i e Deutschlands im europäischen R a u m eine R ü c k b i l d u n g der übrigen optischen und feinmechanischen I n d u s t r i e n eintritt, so liegt eine solche E n t w i c k l u n g durchaus in der Richt u n g einer wünschenswerten Arbeitsteilung in der europäischen Industriewirtschaft. Die deutsche optische u n d feinmechanische Industrie ist, k a p a z i t ä t s m ä ß i g gesehen, nicht zuletzt d a n k der im Zuge der A u f r ü s t u n g und der Kriegswirtschaft d u r c h g e f ü h r t e n Betriebserweiterungen, in der Lage, den europäischen Bedarf zu decken und zugleich 8 n a m h a f t e n Überseeexport zu betreiben. Diejenigen S t a a t e n , die im wesentlichen aus wehrpolitischen G r ü n d e n eine optische und feinmechanische I n d u s t r i e geschaffen haben, waren zumeist genötigt, derartige Betriebe finanziell zu u n t e r s t ü t z e n u n d d a f ü b e r hinaus Zölle, K o n t i n g e n t e u n d ähnliche Einfuhrerschwerungen zu schaffen, u m der eigenen I n d u s t r i e ein „ h a n d i c a p " zu gewähren. Die A u f h e b u n g dieser Zölle in den einzelnen L ä n d e r n sowie die Beseitigung sonstiger E i n f u h r h e m m n i s s e gegenüber deutschen P r o d u k t e n 9 würde im Falle der deutscherseits zu fordernden Beschränkung oder Beseitigung d e r Rüstungsfertigung verhindern, d a ß die in diesen L ä n d e r n ansässigen Betriebe sich auf Zivilfertigung umstellen. Ein solches Ziel ist zu erreichen, ohne d a ß die Frage einer Zoll- u n d W ä h r u n g s union im europäischen R a u m erörtert werden m ü ß t e , weil die deutsche optische u n d feinmechanische I n d u s t r i e auf der Grundlage der Gegenseitigkeit bereit ist, ihrerseits f ü r den europäischen R a u m auf j e d e n Zollschutz oder jedes sonstige E i n f u h r h e m m n i s zu v e r zichten. Sie will d a m i t u n t e r Beweis stellen, d a ß es ihr m i t dem Grundsatz, keinerlei Bevorzugung zu fordern und jede Subvention abzulehnen, ernst ist, u n d sie will d a r ü b e r hinaus d a m i t der deutschen Regierung ein Mittel in die H a n d geben, ohne vorzeitige E r ö r t e r u n g grundsätzlicher Fragen der Währungs- und Zollunion M a ß n a h m e n durchzusetzen, die aus wehrpolitischen G r ü n d e n zweckmäßig sein d ü r f t e n .

2. Maßnahmen zur Behandlung der optischen Rüstungsbetriebe in den unter deutschen Einfluß gelangenden Ländern Grundsätzlich sollten alle optischen Rüstungsbetriebe so behandelt werden wie die R ü stungsbetriebe der Waffenindustrie. Falls dies b e d e u t e t , d a ß sie stillzulegen bzw. aufzulösen sind, erscheinen zur S i c h e r u n g dieser M a ß n a h m e n folgende Gesichtspunkte wichtig: 1.) Die bisher beschäftigten Facharbeiter, Techniker u n d Wissenschaftler dürfen nicht in andere L ä n d e r a u s w a n d e r n . 2.) Die bisher b e n u t z t e n Spezialmaschinen und Kontrollinstrumente d ü r f e n nicht in andere L ä n d e r ausgeliefert werden (hierher gehören insbesondere Flächenschleifmaschinen, Kreis- und Längenteilmaschinen, optische Kontrollinstrumente). 7 Marginaleinfügung: h a b e n resp. 8 Marginaleinfügung: zugleich 9 Marginaleinfügung: gegenüber deutschen P r o d u k t e n 23

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

3.) Eine Beteiligung an gleichartigen oder ähnlichen Betrieben anderer Länder muß unmöglich gemacht werden, ebenso die Neuerrichtung von Betrieben in anderen Ländern. 4.) Eine Umstellung auf Zivilfertigung muß verhindert werden. Ebenso sind bestehende Betriebe mit Zivilfertigung im einzelnen darauf zu überprüfen, wieweit sie in einem Ernstfall auf Rüstungsfertigung umzustellen sind. 5.) Etwaige wirtschaftlich wertvolle Patente sowie etwaige Geheim verfahren1", die sich auf Rüstungsgebiete beziehen, sind zu enteignen. Falls eine Entscheidung dahin getroffen wird, daß die optischen Rüstungsbetriebe in den einzelnen Ländern nicht beseitigt werden sollen, wären Maßnahmen zu treifen, die sicherstellen, daß diese Firmen nur Rüstungsgerät zur Befriedigung des Bedarfs des eigenen Landes herstellen. 11 Ihre völlige Ausschaltung auf dritten Märkten ist zu fordern. Da sich hieraus die Notwendigkeit einer Verringerung der Betriebskapazität ergibt, sind hierauf sinngemäß die gleichen Maßnahmen 1—5 anzuwenden, die für den Fall der Beseitigung solcher Betriebe in Vorschlag gebracht wurden. 3. Die optischen Glashütten Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß die große Entwicklung, die die deutsche optische Industrie seit Jahrzehnten genommen hat, ohne die Herstellung geeignete)) optischen Glases nicht möglich gewesen wäre. Aufgrund der Erfahrungen des Krieges 1870/71 wurde aus wehrpolitischen Gründen vom damaligen Preußischen Staat die Entstehung des optischen Glaswerkes Schott & Gen. im thüringischen Jena finanziell gefördert. Um eine optische Glashütte auf die Dauer rentabel arbeiten zu lassen, muß sie eine Kapazität besitzen, die praktisch so groß ist, daß sie den Bedarf an optischem Glas der ganzen Welt zu decken in der Lage ist. 12 Es ist charakteristisch, daß die Herstellung optischen Glases mit der Erschmelzung anderer technischer Gläser betrieblich verbunden ist. Nur eine auf breitester Grundlage arbeitende optische Glashütte kann im übrigen die Vielzahl von Glasarten herstellen, welche die höchstentwickelte optische Industrie benötigt und kann darüber hinaus selbst weitere Entwicklung und Forschung betreiben. Die Zusammenfassung der Herstellung hochwertigen optischen Glases in einer Hand in Deutschland hat sich bewährt, sie ist nicht zufällig. Vorübergehende Versuche, in völliger Selbständigkeit nebenher andere Hütten zu schaffen und weiterzuführen, sind zuletzt doch wieder in einer Vereinigung in einer Hand geeendet. Soweit im Auslande optische Glashütten vorhanden sind, ist im wesentlichen die gleiche Entwicklung festzustellen. Wehrpolitische Gesichtspunkte haben in Deutschland dazu geführt, daß in geographisch auseinanderliegenden Bereichen optisches Glas erschmolzen wird. Den wissenschaftlich-technischen und den betrieblich-wirtschaftlichen Erfordernissen konnte dadurch entsprochen werden, daß die räumliche Trennung durch einheitliche Betriebsführung überwunden wurde. Eine Gefahr monopolistischer Tendenzen dürfte im nationalsozialistischen Staat nicht bestehen. Für die künftige Entwicklung der Optik und Feinmechanik in Europa dürfte aus wehrpolitischen und aus ausfuhrwirtschaftlichen Gründen eine Kontrolle der Lieferungen optischen Glases in das Ausland notwendig sein, mit der ein Verbot der Belieferung einzelner Länder zu verbinden wäre. 13 10 11 12 13

Korrigiert aus: Patente, insbesondere Geheimverfahren Korrigiert aus: nur für den Bedarf des eigenen Landes Rüstungsgerät herstellen Marginale: ? muß ihr eine angemessene Produktion und Absatz gewährleistet sein Der Satz ist im Original nachträglich gestrichen worden.

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Außerhalb Deutschlands bestehen folgende Glashütten:

1.)

Fraiikreich

Société Anonyme des Etablissements Parra-Mantois et Cie., Le Vesinet Diese H ü t t e hat sich in früheren J a h r e n bemüht, nicht nur den französischen Bedarf zu decken, sondern auch nach Italien, der Schweiz, Polen und Ungarn zu exportieren. Sie wurde aus diesen Ländern durch deutsches optisches Glas verdrängt. Sie ist die wichtigste ausländische optische Glashütte. Ihre Qualität ist gut, erreicht jedoch nicht das Jenaer Glas. Bei Kriegsausbruch hatte die französische Regierung ein Ausfuhrverbot für optisches Glas erlassen.

2.) England. a) Chance Brothers and Company, Ltd. Glass Works, Smethwick/Birmingham Die Hütte deckte den Bedarf der optischen Industrie Großbritanniens. Exportlieferungen sind im allgemeinen nicht erfolgt. Sie gilt als zweitwichtigste ausländische Glashütte. b) Barr & Stroud Ltd., Glasgow Die Firma ist eine der bedeutendsten englischen optischen Präzisionswerkstätten. Sie hat auch versucht, für den eigenen Bedarf optisches Glas herzustellen. Der größte Teil ihres Bedarfs wird jedoch wieder von der Firma Chance Brothers and Company bezogen.

3.)

USA

a) Bausch & Lomb Optical Co., Rochester, N. Y. Dieses wichtigste amerikanische optische Werk bezog vor dem Weltkriege das benötigte Glas von Schott & Gen., Jena, und ging während des Krieges zur Selbstherstellung über. Die Glashütte wurde ausgebaut. Sie beliefert nicht nur das eigene Werk, sondern auch die anderen amerikanischen optischen Werke. Ihre Qualität gilt als gut. b) Bureau of Standards, Washington D. C. Hier handelt es sich um ein Regierucgslaboratorium, in dem einige Glastypen für die amerikanische Regierung geschmolzen werden. Es ist im wesentlichen eine Versuchsstation, die während des Weltkrieges geschaffen und nunmehr aufrechterhalten wird, damit USA vom Auslande unabhängig ist. 23*

344 4.)

A n h a n g : „ N e u o r d n u n g des europäischen Großwirtschaftsraumes" Japan

Der japanische Bedarf an optischem Glas wurde bis e t w a 7 0 % bis zum J a h r e 1939 aus D e u t s c h l a n d gedeckt. Die restlichen 3 0 % wurden in J a p a n selbst hergestellt. 5.)

Italien

a) I s t i t u t o Sperimentale per lo Studio e 1' Applicazione del Boro e del Silicio, Florenz Diese H ü t t e stellt etwa 20 verschiedene Typen optischen Glases her. Die Q u a l i t ä t h a t F o r t s c h r i t t e gemacht, bleibt aber noch hinter derjenigen französischer und englischer Gläser zurück, v o n der deutschen Q u a l i t ä t nicht zu reden. b) L a b o r a t o r i o di Precisione, R o m Hier h a n d e l t es sich um ein aus militärischen G r ü n d e n geschaffenes Regierungslaborator i u m . Die Glasbeschaffenheit soll gering sein. Beide H ü t t e n sind nicht in der Lage, den italienischen Bedarf a n optischem Glas zu decken. An d i e Stelle der französischen Lieferungen t r a t seit J a h r e n deutsches Glas. 6.)

Rußland

a) Lenzos, Leningrad b) Izos, I s j u m Die Leningrader H ü t t e arbeitet f ü r den Bedarf der russischen Armee. Die H ü t t e in I s j u m f ü r d e n Bedarf der russischen Marine. Die H ü t t e n sind in der Lage, den g e s a m t e n russischen Bedarf zu decken. Es scheint aus w e l t p o l i t i s c h e n G r ü n d e n , aber auch aus wirtschaftlichen G r ü n d e n , erstreb e n s w e r t , zumindest m i t den europäischen H ü t t e n eine Marktregelung d a h i n herbeizuf ü h r e n , d a ß diese lediglich f ü r den eigenen Bedarf des Landes schmelzen. E s d ü r f t e zweckm ä ß i g sein, deren K a p a z i t ä t hierbei entsprechend zu begrenzen. D a m i t w ü r d e erreicht, d a ß eine A u s f u h r von optischem Glas im europäischen R a u m nur seitens der deutschen H ü t t e möglich bleibt. Diese A u s f u h r wäre entsprechend der P l a n u n g f ü r die E n t w i c k l u n g der optischen und feinmechanischen I n d u s t r i e in E u r o p a zu steuern. 1 4

4. Wirtschaftliche Maßnahmen zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen optischen und feinmechanischen Industrie in Europa und Übersee Wie bereits im ersten Teil a u s g e f ü h r t , hält die deutsche optische und feinmechanische I n d u s t r i e die Herstellung gleicher S t a r t b e d i n g u n g e n f ü r deutsche u n d f ü r bodenständige Erzeugnisse in jedem europäischen L a n d e f ü r notwendig, d. h., daß die deutsche Industrie 14 Marginale zum ganzen A b s a t z : g u t !

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ihrerseits keine Bevorzugung u n d keine S u b v e n t i o n b e a n s p r u c h t . Sie verlangt völlige Zollfreiheit im europäischen R a u m u n d ist bereit, diese den etwa verbleibenden 1 5 optischen und feinmechanischen I n d u s t r i e n des europäischen R a u m e s auch ihrerseits zuzugestehen. Sie verlangt die A u f h e b u n g aller E i n f u h r b e s c h r ä n k u n g e n , die zugunsten v o n eigenen I n d u s t r i e n bestehen, wie Kontingente, Markierungsvorschriften, E i n f u h r v e r b o t e . Sie verzichtet auch ihrerseits auf derartige Methoden zur A b w e h r f r e m d e r europäischer Konkurrenzen. Sie verlangt die Beseitigung jeder S u b v e n t i o n oder Bevorzugung der b o d e n s t ä n digen Industrie, sei es bei Ausschreibungen oder bei sonstigen Gelegenheiten, d. h., d a ß alle Vorschriften der einzelnen Länder, es seien zur Deckung des eigenen Bedarfs ausschließlich oder bevorzugt sogenannte nationale Erzeugnisse zu verwenden, zu beseitigen sind, ebenso wie staatliche U n t e r s t ü t z u n g e n der bodenständigen I n d u s t r i e nicht zufließen dürfen. D i e deutsche optische und feinmechanische I n d u s t r i e verzichtet auch ihrerseits auf irgendwelche gleich oder ähnlich g e a r t e t e n deutschen R e g i e r u n g s m a ß n a h m e n . Die deutsche optische und feinmechanische I n d u s t r i e fordert weiterhin, d a ß alle übrigen europäischen L ä n d e r v o n jeder wie auch i m m e r g e a r t e t e n A u s f u h r f ö r d e r u n g f ü r die bodenständige optische und feinmechanische I n d u s t r i e A b s t a n d nehmen. Sie verzichtet auch ihrerseits auf jede preisbeeinflussende A u s f u h r f ö r d e r u n g . Da die günstige E n t w i c k l u n g der A u s f u h r deutscher optischer und feinmechanischer Industrieerzeugnisse u. a. sehr wesentlich von dem E i n s a t z fachlich geschulter Vertreter im Auslande a b h ä n g t , f o r d e r t die deutsche optische und feinmechanische Industrie f ü r die Angehörigen bzw. V e r t r e t e r ihrer W e r k e in den europäischen L ä n d e r n ein unbeschränktes Niederlassungsrecht sowie u n b e s c h r ä n k t e A u f e n t h a l t s - und Arbeitsgenehmigung. Sic fordert schließlich die Ermöglichung eines u n b e s c h r ä n k t e n R e p a r a t u r v e r k e h r s derart, d a ß die A b n e h m e r in den einzelnen L ä n d e r n u n b e h i n d e r t etwaige R e p a r a t u r e n bei den deutschen Herstellerwerken a u s f ü h r e n lassen können. Mit der E r f ü l l u n g vorstehender Anregungen w ü r d e grundsätzlich das Ziel der Schaffung gleicher S t a r t b e d i n g u n g e n erreicht sein. Um nicht auf anderem Wege dieses Ziel wiederum zu gefährden, m u ß zusätzlich sichergestellt werden, d a ß nicht durch W ä h r u n g s m a n i p u l a tionen die deutscherseits geforderten S t a r t b e d i n g u n g e n zugunsten der einzelnen L ä n d e r verschoben werden. D a r ü b e r hinaus wird gefordert, d a ß eine Angleichung des wichtigsten P r o d u k t i o n s k o s t e n f a k t o r s , nämlich der Lohnhöhe, d e r a r t erfolgt, d a ß f ü r annähernd gleiche Leistungen auch gleiche L o h n a u f w e n d u n g e n erforderlich werden. Die Schaffung gleicher S t a r t b e d i n g u n g e n soll die Grundlage f ü r die anzustrebende E n t wicklung bieten. Um diese E n t w i c k l u n g zu sichern, bedarf es auch k ü n f t i g einer entsprechenden wirtschaftlichen Lenkung. Zu diesem Zweck werden weiterhin die folgenden M a ß n a h m e n f ü r erforderlich e r a c h t e t : 1.) I n n e r h a l b Deutschlands ¡t) A u f r e c h t e r h a l t u n g des Verbotes der A b w a n d e r u n g v o n Facharbeitern, Technikern u n d Wissenschaftlern. b) Grundsätzliches Verbot der A u s f u h r wichtiger H a l b f a b r i k a t e , z. B. loser Optik, geschlagener Teile zu medizinischen I n s t r u m e n t e n , K a m e r a g e h ä u s e ohne Optik usw., u n d v o n Spezialmaschinen und Kontrollgeräten, z. B. optische Flächenschleifmaschinen, Kreis- und Längenteilmaschinen, optische Kontrollgeräte usw. Etwaige A u s n a h m e n v o n den M a ß n a h m e n zu a) und b) d ü r f e n n u r mit Z u s t i m m u n g der W i r t s c h a f t s g r u p p e erfolgen. 15 Marginaleinfügung: etwa verbleibenden

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

2.) Lenkung der Entwicklung in den übrigen europäischen Ländern a) Grundsätzliche Beteiligung der Wirtschaftsgruppen an ähnlich gearteten Wirtschaftsorganisationen anderer Länder; gegebenenfalls Bildung solcher Organisationen als Steuerungsorgan. b) Finanzielle Beteiligung deutscher Firmen an leistungsfähigen Werken fremder Länder. c) Errichtungs- und Erweiterungsverbot für die optische und feinmechanische Industrie in den einzelnen europäischen Ländern. Ausnahmen hiervon nur mit deutscher Zustimmung. d) Wettbewerbsabreden mit den einschlägigen Industrien der europäischen Länder für deren eigenen Markt sowie für dritte Märkte, Bildung internationaler Kartelle, Vereinbarung über Quoten, Aufteilung der Märkte usw. 3.) Maßnahmen im Protektorat Böhmen und Mähren Zur Sicherung der angestrebten Entwicklung erscheint die Aufrechterhaltung einer Selbstverwaltung der optischen und feinmechanischen Industrie in Böhmen und Mähren unmöglich. Die derzeitige Form der Zusammenarbeit zwischen den Organisationen des Reiches und des Protektorates sichert keine einheitliche Lenkung. Hinsichtlich der beiden wichtigsten und größten Protektoratsfirmen in der optischen Industrie, Srb & Styss, Prag [und] Opticotecna, Prerau, wäre zu überprüfen, wieweit die erstere für die deutsche Wehrmacht künftighin noch von Interesse ist; sie wäre ausschließlich zur Deckung des Bedarfs der deutschen Wehrmacht einzusetzen oder aufzulösen. Die zweite Firma, welche von jeher ausschließlich auf dem Gebiet der Rüstungsoptik tätig ist, wäre auf dieses Gebiet zu beschränken und, soweit dieser Firma die Belieferung ausländischer Regierungen weiterhin gestattet werden sollte, unmittelbar der AGIO 6 Berlin, Meldestelle 5 a—c, zu unterstellen. 5. Die optischen und feinmechanischen Industrien der einzelnen europäischen Länder Es wird auf die Sonderdarstellungen verwiesen, welche für die einzelnen europäischen Länder angefertigt wurden. Die in den vorstehenden allgemeinen Ausführungen enthaltenen Wünsche und Anregungen gelten grundsätzlich für jedes einzelne der dargestellten Länder. Es werden deshalb bei den einzelnen Länderdarstellungen lediglich noch diejenigen Wünsche und Anregungen gegeben, die sich aus der besonderen Lage der jeweiligen einzelnen Industrie des betreffenden Landes ergeben.

6. Zusammenfassung Die vorstehende Darstellung und die Berichte über die einzelnen Länder haben zum Ziel: a) einen Überblick über die einzelnen Industrien zu geben und dabei die Bedeutung der deutschen optischen und feinmechanischen Industrie erkennen zu lassen, b) die entscheidende wehrpolitische Bedeutung der optischen und feinmechanischen Industrie für Deutschland und die einzelnen Länder hervortreten zu lassen und aufgrund deutscher Erfahrungen Maßnahmen anzuregen, welche der deutschen politischen Führung auf wehrwirtschaftlichem Gebiet eine wirkungsvolle Einflußnahme auf die Entwicklung der optischen Rüstungsbetriebe der einzelnen Länder gestatten, 16 AGK = Ausfuhrgemeinschaft für Kriegsgerät (bei der Reichsgruppe Industrie); Ausfuhrkartell der deutschen Rüstungskonzerne.

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c) solche Maßnahmen anzuregen, welche die deutsche optische und feinmechanische Industrie in den Stand setzen, aus eigener Kraft ihre volle Leistungsfähigkeit sowohl im Rüstungssektor als auch im übrigen Sektor zu entfalten und damit nicht nur im europäischen Raum, sondern auch auf dem gesamten Weltmarkt ihre Überlegenheit auf die Dauer zu sichern. Dabei wird davon ausgegangen, daß einerseits eine intensive Ausfuhrbetätigung der deutschen optischen und feinmechanischen Industrie diese in den Stand setzt, im Ernstfalle der deutschen Wehrmacht ausreichende Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, und daß andererseits die ständige und intensive Betätigung zur Deckung des Bedarfs der deutschen Wehrmacht und des etwaigen Rüstungsbedarfs anderer Länder auch die Exportfähigkeit der deutschen optischen und feinmechanischen Industrie steigert. Dabei erscheint besonders wertvoll, daß die zur Erreichung der wehrpolitischen und wirtschaftspolitischen Ziele angeregten Maßnahmen sich ergänzen und in ihrer Wirkung sich steigern. Es ergibt sich daraus die Überzeugung, daß die Durchführung der angeregten Maßnahmen eine grundlegende und endgültige Sicherung der angestrebten Entwicklung bedeutet.

IV. Fachgruppe Metallerzeugende Industrie

Aus dem Geschäftsbericht der Fachgruppe Metallerzeugende der Wirtschaftsgruppe Metallindustrie vom Februar 19421

Industrie

Großraumwirtschaft а) Großeuropäischer Wirtschaftsraum Nach der Besetzung Norwegens, vor allem nach der Besiegung Frankreichs trat die Frage des zukünftigen „Großeuropäischen Wirtschaftsraumes" in den Vordergrund der Betrachtung, wobei hierunter die Gesamtwirtschaft in „Europa (ohne England und Rußland) einschließlich Afrika" verstanden wurde. Von den beiden Fachgruppen Metallerzbergbau und Metallerzeugende Industrie wurden rasch nacheinander über folgende Länder bzw. Erzvorkommen ausführliche Arbeiten herausgegeben und den amtlichen Stellen sowie einer Reihe von Mitgliedswerken zugeleitet: 1) 2) 3) 4) 5) б) 7) 8) 9)

Norwegen Holland Belgien Frankreich Kupfererzvorkommen Bor Blei- und Zinkerzvorkommen .Trepca Kupfererzbergbau in Nordrhodesien Blei-Zink-Vanadium-Erzvorkommen in Bröken Hill, Afrika Schweden

Eine besondere Arbeit, die die beiden Fachgruppen über die Metallversorgungslage im europäischen Großraum anfertigten (s. Bearbeitung vom 20. August 1940) und die ebenfalls den amtlichen Stellen unterbreitet wurde, gab Anlaß zu eingehenden Besprechungen zwischen unserer Fachgruppe und den folgenden Stellen: 1) 2) 3) 4) 5) 6)

Rei chswirtschaftsministerium Reichsstelle für Metalle Reichsstelle für Bodenforschung Reichsamt für Wirtschaftsausbau Wirtschaftsgruppe Metallindustrie Metallgesellschaft AG, Frankfurt a. M.

1 Betriebsarchiv des V E B Mansfeld-Kombinat „Wilhelm Pieck", Eisleben, Nr. 1155.

IV. Fachgruppe Metallerzeugende Industrie

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Metallkreise Der Leiter der Wirtschaftsgruppe Metallindustrie, Herr Bergassessor a. D. Fitzner, regte im August 1940 zum Zwecke einer großzügigen Planung auf dem Gebiet der Metallgewinnung im neu sich bildenden „Großeuropäischen Wirtschaftsraum" eine enge Zusammenarbeit leistungsfähiger Gesellschaften an. Vorgeschlagen wurde die Bildung von Metallkreisen unter der Führung anerkannter Firmen bzw. Fachkräfte. In einer Arbeitstagung am 25. September 1940 wurden folgende Metallkreise gebildet: Metallkreis

Führende Firmen

Führer der Arbeitskreise

Aluminium

Vereinigte Aluminiumwerke IG Bitterfeld IG Bitterfeld Mansfeld

Dr. Westrick — Berlin

Giesche Stolberg Preußag Metallgesellschaft Sächsischer Staat Berzelius IG Farben Krupp Gesellschaft für Elektrometallurgie IG Farben Metallgesellschaft IG Farben Sachtleben

Dr. Schulte — Breslau

Magnesium Kupfer Blei und Zink Zink: Blei: Zinn Nickel Stahl veredler

Schwefelkies

Dr. Moschel — Bitterfeld Bergassessor Klingspor — Berlin

Bergrat Hast — Goslar Dr. Eisentraut — Altenberg Dr. Haefliger — Berlin Dithmer — Berlin

Dr. Kissel

Wenn bei dem losen Zusammenschluß der Metallkreise auch kein von einer zentralen Stelle geleiteter Einsatz möglich war und wenn dadurch auch in verschiedenen Fällen Meinungsverschiedenheiten auftraten, so konnten durch die Bildung der Metallkreise doch gewisse Abgrenzungen gleichgerichteter Interessen unter den konkurrierenden Firmen erreicht werden.

b) Rußland Durch die Ausdehnung des Krieges nach Südosten, insbesondere aber nach Osten, erfuhr die Planung zunächst eine grundsätzliche Wandlung. Der Wirtschaftsraum Rußland t r a t in den Vordergrund, Afrika t r a t zurück. Um den den Metallkreisen angeschlossenen Unternehmen einen Überblick über die Metallwirtschaft Sowjetrußlands zu geben, fertigten wir auch für diesen Wirtschaftsraum eine übersichtliche Arbeit über Rußlands Metallversorgung, seine Metallerzvorkommen, Gruben und H ü t t e n an. Die nachstehend zusammengefaßte Übersicht ermöglicht einen Einblick in die Ausbaupläne der Sowjetregierung und gibt die Leistung der Metallerzgruben und Metallhütten im J a h r e 1938 wieder.

350

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Metalle im europäischen in 1000 Tonnen

Rußland

1) Erzvorräte Schätzung 1937 2) Hüttenkapazitäten 1938 3) Hüttenerzeugung (= Bergwerkserzeugung) 1938 4) Ausbaupläne bis 1942 und später Metalle im asiatischen in 1000 Tonnen

Cu

Pb

4000 121

820 1950 290 14 68 34

82 217

Zn

55 68

9 14

Ni

8 43

Sn — -

-

Rußland

1) Erzvorräte Schätzung 2) Hüttenkapazitäten 3) Hüttenerzeugung (= Bergwerkserzeugung) 4) Ausbaupläne bis 1942 und später

Cu

Pb

Zn

Ni

1937 1938

13000 70

4100 100

7350 26

90 -

1938

13 160

60 216

15 232

?

Sn ? -

0,2? ?

Die obige Übersicht zeigt, daß die Kupfergewinnung auch bei Betrachtung nur des europäischen Teils von Rußland nach der Verwirklichung der Ausbaupläne auf rund 200.000 t auch für den „Großeuropäischen Wirtschaftsraum" von Bedeutung werden kann. Bei den Metallen Blei und Zink bedeutet die Steigerung der Erzeugung von 9.000 jato 2 auf 14.000 jato Pb und von 55.000 jato auf 68.000 jato Zn keine besondere Wandlung. Dasselbe gilt für Zinn, das im europäischen Rußland bisher nicht aufgefunden wurde. Bei Nickel liegen die Verhältnisse günstiger. Hier könnte die Erhöhung der Erzeugung von 8.000 jato auf rund 40.000 jato zur Verbesserung der Versorgungslage des Großeuropäischen Wirtschaftsraumes wesentlich beitragen. Aufgaben der Zukunft Zur Bearbeitung der im großeuropäischen Wirtschaftsraum entstandenen Aufgaben auf dem Gebiete der Erz- und Metallgewinnung stellten unsere Mitgliedsgesellschaften eine größere Anzahl von Fachleuten zur Verfügung. Mit der Erweiterung des Raumes nach Osten sind noch weitere bedeutende Aufgaben zu lösen, die zu einer weitgesteckten Planung nötigen und bei denen zunächst Privatinteressen werden in den Hintergrund treten müssen. Die russische Wirtschaft ist augenblicklich eine reine Staatswirtschaft. Bei einer evt. Überleitung in eine organisch aufgebaute Privatwirtschaft, insbesondere bei einer Mobilisierung der Metallwirtschaft auch für den Großeuropäischen Wirtschaftsräum, werden grundsätzlich neue Wege beschritten werden müssen. Bewährte Organisatoren und Fachkräfte auf dem Gebiet der Metallwirtschaft zu erfassen, Konzentrierung der großdeutschen Metallgewinnung auf die leistungsfähigsten Betriebe und damit Freistellung bester Kräfte für die Aufgaben der erweiterten Metallgewinnung und Erzeugung in wesentlich vergrößerten Wirtschaftsräumen sind Aufgaben, denen sich die zuständigen Wirtschafts- und Fachgruppen in weitestem Maße werden widmen müssen. . . . 2 jato = Tonnen pro Jahr.

V. Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppen

1) Aus dem Rundschreiben der Reichsgruppe an die Wirtschaftsgruppen com 4. Juli 19401

Industrie

Betrifft: Außenhandelsplanung Mit Rücksicht auf die großen Schwierigkeiten, die sich bei der Anfertigung der Industrieanalyse durch die Wirtschaftsgruppen ergeben, haben wir das Reichswirtschaftsministerium noch einmal um eine Besprechung gebeten und folgende Vereinbarungen getroffen: 1. Die Industrieanalyse kann zunächst auf folgende Länder beschränkt werden: Dänemark, Schweden, Norwegen, Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich. 2. Es ist noch einmal ausdrücklich festgestellt worden, daß die Grundlage für die Arbeiten der Wirtschaftsgruppen die Berichte über die industriellen Verhältnisse in den einzelnen Ländern bilden müssen. Genau so notwendig ist aber eine scharfe Herausstellung der Interessenwünsche der Industrie. Es ist nicht erforderlich, daß bei der Vorbringung dieser Wünsche irgendwelche Rücksicht genommen wird auf die politische Entwicklung, möglicherweise eintretende Grenzverschiebungen usw. Es genügt, wenn die bisherige Lage als Ausgangspunkt genommen und angegeben wird, in welcher Beziehung Änderungen angestrebt werden müssen. Bedeutungsvoller als die Schilderung des Status selbst sind also die Schlußfolgerungen, die die Wirtschaftsgruppen ziehen und die die jeweiligen Wünsche deutlich erkennen lassen. Die wichtigsten Punkte in der Industrieanalyse werden daher die Bewertung der ausländischen Industrie und die Konkurrenzverhältnisse sein (Punkt 3 und 10 des Schemas), aus denen in erster Linie die Wünsche der deutschen Industrie abzuleiten sein werden. 3. Mit Rücksicht auf die besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit kann vorläufig auf die Erhebungen über Kapitalbeteiligungen (Punkt 6 des Schemas) und Löhne und Lebenshaltung (Punkt 11 des Schemas) verzichtet werden. Soweit Unterlagen hierfür schon vorliegen, ist jedoch eine Verarbeitung erwünscht. Im übrigen werden wir einzelnen Wirtschaftsgruppen Unterlagen zu diesen Punkten zur Verfügung stellen können. 4. Soweit es im Augenblick noch nicht möglich ist, die vorgebrachten Wünsche ganz konkret zu äußern und zu begründen, genügt es, daß uns die Wünsche zunächst als Voranmeldungen unterbreitet werden und wir sie als solche dem Reichswirtschaftsministerium übermitteln. Das Reichswirtschaftsministerium kann später von sich aus direkt oder über die Reichsgruppe Industrie an die Wirtschaftsgruppen herantreten und die Wünsche gegebenenfalls im einzelnen überprüfen. 1 Betriebsarchiv des VEB Carl Zeiss Jena, Nr. W 54.

352

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

5. Neuer Termin für die Ablieferung der Industrieanalysen nebst ausdrücklichen Interessentenwünschen, die noch eine spätere Berichtigung bzw. Ergänzung erfahren können, an die Reichsgruppe Industrie: 20. Juli 1940. Wir bitten, mit den Arbeiten für die Länder Ungarn, Schweiz, Finnland und England fortzufahren, damit die Ausarbeitungen zu einem späteren Termin ohne längere Anlaufszeit vorgelegt werden können. . . .

2) Aus dem „Frankreich-Bericht der Reichsgruppe Industrie" vom März 19411

B. Wirtschaftspolitische Anregungen I. Allgemeine Wünsche Die Form der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Frankreich ist von der Gestaltung des Friedensvertrages abhängig und daher noch unbekannt. Selbstverständlich wird ein für Deutschland siegreiches Kriegsende zugrunde gelegt. Im übrigen wird bei den folgenden Anregungen von dem erstrebenswerten Optimum ausgegangen. Es wird dabei als feststehend betrachtet, daß Kontinental-Europa einen wirtschaftlichen Großraum bilden soll, in dem die Produktion nach dem Grundsatz einer organischen Arbeitsteilung mit dem Ziel der größtmöglichen Unabhängigkeit von anderen Wirtschaftsräumen gestaltet wird. Dieser Grundsatz läßt weiten Raum für die Sonderinteressen der angeschlossenen Gebiete. Ergebnisse von Verhandlungen einzelner Wirtschaftszweige, die seit dem Waffenstillstand stattgefunden haben, bleiben im folgenden außer Betracht. Sie stehen unter Kriegsnotwendigkeiten (Auftragsverlagerung!). Der vorliegenden Analyse sind Friedensverhältnisse zugrunde gelegt. Wenn man von den obigen Voraussetzungen ausgeht, finden viele Wünsche, die von den Wirtschaftsgruppen geäußert worden sind, ihre selbstverständliche Erledigung. In einem Wirtschaftsraum, in dem eine planmäßige Arbeitsteilung stattfindet, sollten z. B . Zollgrenzen, Lieferkontingente und andere Hemmnisse eines großzügigen Warenverkehrs überflüssig und sollte die Erfüllung der meisten untenstehenden Anregungen selbstverständlich sein. Wenn solche Wünsche von der Industrie geäußert werden, sind sie allerdings nicht immer von dieser Erwägung bestimmt, sondern auf bessere Konkurrenzverhältnisse gerichtet. Folgende Wünsche und Gruppen von Wünschen sind hervorzuheben: 1 Die Länderberichte der Reichsgruppe Industrie bestanden in der Regel aus den Teilen A (Daten und Statistiken über die Industrie des betreffenden Landes und über ihre Stellung in der gesamten nationalen Wirtschaft), B („Wirtschaftspolitische Anregungen") und C (Einzelberichte über die Industriezweige, meist von den Wirtschaftsgruppen zusammengestellt). Es folgten umfangreiche Anlagen mit Übersichten über die wichtigeren Industriebetriebe und über die internationalen Kartelle, die den Markt des Landes bzw. seine Industrie betrafen.

V. Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppen

353

1.) Einfuhrhemmnisse Auf diesem Gebiet sind die Klagen und Wünsche der Wirtschaftsgruppen am stärksten. E s sind dabei verschiedene Schwierigkeiten zu unterscheiden: a) E i n f u h r z ö l l e F a s t jede Wirtschaftsgruppe wünscht eine Streichung oder Ermäßigung von französischen Einfuhrzöllen. In den meisten Fällen sind die Zölle eingeführt, um dem betreffenden französischen Industriezweig einen S c h u t z vor der ausländischen Industrie zu gewähren. Teils waren die französischen Industriegruppen nicht konkurrenzfähig, weil sie qualitätsmäßig oder aus organisatorischen Gründen nicht mitkommen, teils sollte erst eine französische Industrie unter dem Schutze eines neuen Zolles ins Leben gerufen werden. I n diesen Fällen hat der Wunsch der deutschen Industrie auf Beseitigung oder Minderung der französischen Zölle das Ziel, die deutsche Ausfuhr zu steigern. E s sind aber auch noch andere Erwägungen maßgebend. E i n e Wirtschaftsgruppe wünscht durch Beseitigung der Zölle der saarländischen Industrie ihr natürliches französisches Absatzgebiet wiederzugewinnen. Eine andere möchte den französischen Markt für neue deutsche Werkstoffe, die zollpolitisch besonders ungünstig behandelt werden, erschließen. Besonders gerechtfertigt erscheint der Wegfall von Zöllen dann, wenn diese trotz bestehender französischer Unterproduktion bisher noch in Geltung geblieben sind. b) E i n f u h r k o n t i n g e n t i e r u n g Auch die Beseitigung der französischen Einfuhrkontingentierung ist Gegenstand von Anregungen zahlreicher Wirtschaftsgruppen. Diese Maßnahme diente ebenfalls in erster Linie dem Schutze der betreffenden französischen Industrie. Eine Wirtschaftsgruppe weist aber darauf hin, daß auf ihrem Gebiet die Kontingentierung auf den Stand der politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich zurückzuführen war, ein Gesichtspunkt, der in Zukunft keinesfalls mehr gelten kann. c) U r s p r u n g s b e z e i c h n u n g s z w a n g Gegen den Zwang, deutsche Erzeugnisse bei ihrer Ausfuhr nach Frankreich mit einer Ursprungsbezeichnung zu versehen, richten sich besonders heftige Angriffe der Wirtschaftsgruppen. Diese Maßnahme, die ebenfalls dem Schutze der betreffenden französischen Industrie dienen soll, hat Gelegenheit zu schikanösem Vorgehen der französischen Zollbeamten geboten. Sie hat häufig aus politischen Gründen zur Folge gehabt, daß die deutsche Ausfuhr unmöglich wurde. Dies ist besonders auf dem Schuhgebiet nachzuweisen. Die gleiche Wirkung wurde erzielt bei Geschmacksgütern, die naturgemäß, wenn sie mit den verlangten auffälligen Markierungen versehen wurden, nicht abgesetzt werden konnten. Die komplizierten und schikanösen französischen Bestimmungen haben die deutschen Firmen in manchen Fällen zu umgehen versucht. Bei E n t d e c k u n g wurden dann von französischer Seite schwere Strafen verhängt. d) S t e u e r n Auch die Erhebung besonderer Steuern wird beanstandet. So richtet sich der Maschinenbau gegen Pauschal-Umsatzsteuer und Leistungssteuer. Bemerkenswert ist, daß für deutsche Feuerzeuge eine viermal höhere Steuer erhoben wurde als für französische Erzeugnisse. e) S u b v e n t i o n s v e r b o t e Prohibitiv für die deutsche Einfuhr wirkte häufig auch die staatliche Subvention bestimmter französischer Industriezweige, wenn auch diese Maßnahme sich hauptsächlich in einer Stützung der französischen Ausfuhr durch Steuerbegünstigungen, billige Kredite und dergleichen bemerkbar machte (Feinmechanik und Optik, Fahrzeugindustrie, Keramische Industrie, D r u c k , Lebensmittelindustrie).

354

A n h a n g : „ N e u o r d n u n g des europäischen G r o ß w i r t s c h a f t s r a u m e s "

f) E i n k a u f s b e s c h r ä n k u n g e n Als weiterer wichtiger G e s i c h t s p u n k t in diesem Z u s a m m e n h a n g ist zu betonen, d a ß die ausländische K o n k u r r e n z gegenüber der französischen I n d u s t r i e i n s o f e r n benachteiligt w u r d e , als bei Ausschreibungen u n d öffentlichen Bestellungen ausschließlich französische Erzeugnisse in F r a g e k a m e n oder jedenfalls den Vorzug h a b e n sollten (Elektroindustrie, Feinm e c h a n i k u n d Optik). g) M a t e r i a l v e r w e r t u n g s V o r s c h r i f t e n Als letzter P u n k t ist in diesem Z u s a m m e n h a n g h e r v o r z u h e b e n , d a ß die französische I n d u s t r i e den gleichen Materialverwertungsvorschriften unterliegen m u ß wie die gleiche d e u t sche und etwaige sonstige P r o d u k t i o n des Großwirtschaftsraumes. 2.) E r r i c h t u n g s - u n d E r w e i t e r u n g s v e r b o t e sowie Stillegungen W e n n auch eine Anzahl v o n W i r t s c h a f t s g r u p p e n Errichtungs- u n d Erweiterungsverbote sowie Stillegungen in F r a n k r e i c h b e f ü r w o r t e t , u m die K o n k u r r e n z aus dem Wege zu r ä u m e n , so liegen doch in zahlreichen Fällen Gründe vor, die auch i m Hinblick auf die ers t r e b e n s w e r t e organische Arbeitsteilung in Europa E i n s c h r ä n k u n g e n der französischen I n d u s t r i e e r w ü n s c h t erscheinen lassen. Auf einer Reihe v o n Gebieten sind die französischen K a p a z i t ä t e n nicht voll a u s g e n u t z t worden, sei es, d a ß der französische M a r k t Sättigungserscheinungen zeigte, sei es, d a ß Betriebsrationalisierungen s t a t t g e f u n d e n h a t t e n oder sonst eine Übersetzung d e r P r o d u k t i o n vorlag. Vielfach sind die französischen Betriebe ü b e r a l t e r t o d e r genügen nicht den A n f o r d e r u n g e n nach einer auch n u r durchschnittlichen Q u a l i t ä t . I n einem Falle (Steine und E r d e n ) w a r e n f ü r die E r r i c h t u n g einer F a b r i k , die das in Deutschl a n d in ausreichender Menge v o r h a n d e n e Magnesit künstlich erzeugen soll, w e h r w i r t s c h a f t liche G r ü n d e m a ß g e b e n d . E i n besonders günstiger A n s a t z p u n k t f ü r Stillegungswünsche bietet sich, w e n n die bet r e f f e n d e n I n d u s t r i e n durch den Krieg betroffen worden sind. Die notwendige landwirtschaftliche I n t e n s i v i e r u n g Frankreichs wird viele der e t w a freiwerdenden industriellen A r b e i t s k r ä f t e e r f o r d e r n u n d ihnen Beschäftigung bringen. I m übrigen n e h m e n wir zur Frage der Betriebserrichtung u n d -erweiterung sowie Stillegung französischer U n t e r n e h m e n auf das entsprechend Bezug, was auf Seite 29ff. unseres Holl a n d - B e r i c h t e s f ü r niederländische U n t e r n e h m u n g e n gesagt worden ist. 3.) Schaffung einheitlicher Maße, Gewichte, Normen, T y p e n und Gütezeichen E i n e Vereinheitlichung auf diesem Gebiet erscheint dringend e r w ü n s c h t . D a ß Vorschriften ü b e r Maße, w o r ü b e r die W i r t s c h a f t s g r u p p e Metallwaren klagt, dazu m i ß b r a u c h t werden, d e u t s c h e Lieferungen auszuschalten, ist vollends u n t r a g b a r . (Außerdem E l e k t r o i n d u s t r i e , L e d e r w i r t s c h a f t , Fahrzeugindustrie.) 4.) P a t e n t b e r e i t s t e l l u n g E i n e Reihe v o n W i r t s c h a f t s g r u p p e n (Glasindustrie, Zuckerindustrie, Spiritusindustrie) h a t W ü n s c h e auf Überlassung französischer P a t e n t e geäußert. Auch die Erfüllung dieser W ü n s c h e erscheint aus dem G e s i c h t s p u n k t der bestmöglichen Versorgung des Großwirts c h a f t s r a u m e s gerechtfertigt, wobei allerdings wohl eine angemessene E n t s c h ä d i g u n g und Gegenseitigkeit gewährt werden m u ß . 5.) Bereitstellung v o n Rohstoffen F r a n k r e i c h ist als L i e f e r a n t verschiedener Rohstoffe f ü r die deutsche Industrie u n e n t b e h r lich. Neben E r z e n sei dabei auf französische und Kolonialhölzer, schwere H ä u t e , Rohstoffe

V. Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppen

355

für die Glasindustrie, die Textilindustrie und die Industrie der Steine und Erden sowie die Lebensmittel- und die Spiritusindustrie (Einfuhr von Wein für Schaumwein und Weinbrand) besonders hingewiesen. 6.) Zölle in dritten Ländern Die französische Ausfuhr war bisher insbesondere in den französischen Kolonien, aber auch in dritten Ländern, häufig besser gestellt als die deutsche Ausfuhr in diese Länder. Diese Besserstellung, die außer auf wirtschaftlichen auch auf politischen Umständen beruhte, muß beseitigt werden. Auch in dritten Ländern müssen die Marktbedingungen ebenso wie in Frankreich für die deutsche und die französische Industrie gleich sein. 7.) Wiedergutmachung Es handelt sich hier um Schäden durch den Versailler Vertrag (siehe unter Sonderwünsche). 8.) Betriebsführer in französischen Betrieben Es wird angeregt, die Bestimmung zu beseitigen, daß in Frankreich nur Franzosen Betriebsführer sein können. 9.) Industrieverschleppung Aus wehrpolitischen Gründen — in Betracht kommt aber auch der Gesichtspunkt der Industrieverschleppung — schlagen verschiedene Wirtschaftsgruppen vor, daß die Abwanderung von Ingenieuren und sonstigen Fachkräften, die Ausfuhr bestimmter Geräte und Rohwaren und ähnliches in Frankreich verboten werden müsse (Elektroindustrie, Feinmechanik und Optik, Druck). Zu beachten sind dabei z. B. auch Erwägungen der Wirtschaftsgruppen Druck und Papierverarbeitung, daß wegen Gefährdung der Ausfuhr von Druckerzeugnissen keine verbilligten Druckmaschinen und kein ausfuhrverbilligtes Papier ausgeführt werden sollten. 10.) Zur Preisfrage behalten wir uns unsere Stellungnahme vor. Die Dinge sind hier allzu sehr im Fluß. Während sehr viele Wirtschaftsgruppen über die früheren, vor allem währungsmäßig bedingten niedrigen Preise der französischen Konkurrenz Klage geführt haben, zeigt sich heute bereits, insbesondere im Zusammenhang mit der Auftragsverlagerung, daß die französischen Preise über das deutsche Preisniveau hinausgehen. 11.) Der Grundsatz der organischen Arbeitsteilung darf einen Wettbewerb innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige nicht ausschließen. Wettbewerb erscheint zur Erzielung von Höchstleistungen und zur Vermeidung von Stagnationen unumgänglich notwendig. Er kann auch deshalb gar nicht ganz beseitigt werden, weil einzelne Industrien trotz sonst ausreichender oder günstigerer Produktionsmöglichkeiten auf dem betreffenden Gebiete aus den verschiedensten Gründen nicht stillgelegt werden können. In diesem Falle kommen für die Wettbewerber marktregelnde Vereinbarungen für das In- und Ausland in Betracht, die in vielen Fällen gewünscht werden. Eine Übersicht der bestehenden internationalen Kartellvereinbarungen mit deutscher und französischer Beteiligung ist als Anlage 1 beigefügt, ferner als Anlage 2 eine Übersicht über internationale Kartellvereinbarungen mit deutscher, aber ohne französische Beteiligung, die den französischen Markt betreffen, und schließlich als Anlage 3 eine Zusammenstellung

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

der deutschen Exportkartelle, die eine Marktregelung für die deutsche Ausfuhr nach Frankreich bezwecken. Einen eingehenden Bericht über die Fragen und Möglichkeiten internationaler Marktordnungen und Kartelle im Rahmen der neuen Ordnung Europas behalten wir uns vor. 12.) Die Mitarbeit der einzelnen Gebiete kann entweder freiwillig sein oder erzwungen werden. Die erste Lösung ist naturgemäß erstrebenswerter. Ein verhältnismäßig unauffälliger Zwang kann auf dem Wege von Kapitalverflechtungen ausgeübt werden, die in möglichst vielen Fällen angestrebt werden sollten. Auch die Berichte der Wirtschaftsgruppen über Frankreich lassen wieder erkennen, daß in dieser Hinsicht große Möglichkeiten gegeben sind, die bei geschickter Ausnutzung die Verwirklichung des Großwirtschaftsraumes in hervorragendem Maße fördern können. Der Kapitalverflechtung ist in bezug auf nichtarische Betriebe und englische Beteiligung (Metallwarenindustrie, Holzverarbeitende Industrie, Druck, Glasindustrie u. a.) ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. 13.) Industrieorganisation Daß das Bild des Großwirtschaftsraumes mit Einschluß von Frankreich dort eine straffe Industrieorganisation erfordert, ist nicht zweifelhaft. Es wird angeregt, den Einfluß und die Beteiligungsmöglichkeiten für die deutsche Industrie dabei sicherzustellen. II. Sonderwünsche einzelner Wirtschaftsgruppen (Stichwortartige Auszüge aus den Berichten dieser Gruppen) 1.) Wirtschaftsgruppe Bergbau Graphit. Es muß verhindert werden, daß die französischen Graphitausführer (Ursprungsland des Graphits Madagaskar) sich im Auslande gegenseitig unterbieten und damit den Absatz des deutschen Graphits außerordentlich erschweren. Schwerspat. Wegfall der verhältnismäßig hohen Einfuhrzölle und der billigen Frachtsätze für französisches Material im Gegensatz zu ausländischem. Fluß-Spat. Verständigung zur Beseitigung der rücksichtslosen französischen Konkurrenz, namentlich in den USA. Chlormagnesium und Bittersalz. Die französische Konkurrenz übt trotz geringer Absatzmengen einen fühlbaren Preisdruck aus, der beseitigt werden muß. Salz. Das französische Seesalz konkurriert besonders in Belgien. Der Absatz dort muß den gleichen Bedingungen unterliegen. 2.) Wirtschaftsgruppe Metallindustrie Bauxitlieferungen nach Deutschland unter Wegfall von Ausfuhrbeschränkungen. Metallhalbzeug. Einfuhr nach Frankreich ohne Kontingentierung. Beschränkung der Produktion auf den französischen Eigenbedarf und den Bedarf der verbleibenden französischen Kolonien. Gegebenenfalls Verständigung über Ausfuhr nach dritten Ländern. 3.) Wirtschaftsgruppe Gießerei-Industrie Druckrohre und -formstücke. Bis zum Kriegsausbruch bestand zwischen einer deutschen und einer französischen Gruppe eine Verständigung über die Ausfuhr nach allen Ländern der Erde, ausgenommen Nordamerika und die französischen Kolonien, unter dem Namen OSTEF. Einbezogen waren noch Belgien und die belgischen Kolonien. Eine entsprechende Abmachung nach Beendigung des Krieges ist erwünscht. Abflußrohre und -formstücke. Auch hier bestand eine Absatzverständigung, an die angeknüpft werden sollte.

V. Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppen

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Radiatoren, Badewannen, Stahlsand. Beseitigung der hohen französischen Schutzzölle. Für Badewannen außerdem Wiederaufnahme der Beziehungen des Gußemaille-Syndikats zu dem entsprechenden französischen Kartell. 4.) Wirtschaftsgruppe Kraftstoffindustrie Ermöglichung der Ausfuhr deutscher Weißöle. 5.) Wirtschaftsgruppe Stahl- und Eisenbau Stahlbau. Klärung und Abstimmung der Wettbewerbsverhältnisse gegenüber den leistungsfähigen französischen Firmen. In Betracht kommen dabei zollpolitische Maßnahmen und Absatzregelungen. Erwünscht wäre eine Beschränkung der französischen Produktion auf die eigene Bedarfsdeckung, so daß dritte Märkte durch die deutsche Industrie beliefert werden könnten. Dampfkessel-, Behälter- und Rohrleitungsbau. Auch hier ist eine zwischenstaatliche Absatzregelung erwünscht, die die Belieferung dritter Märkte der deutschen Industrie vorbehält. (Für Feld- und Industriebahnmaterial können konkrete Wünsche zur Zeit noch nicht geäußert werden.) 6.) Wirtschaftsgruppe Maschinenbau Einfuhr nach Frankreich ohne Kontingentierung. Aufhebung des Ursprungsbezeichnungszwanges. Vereinfachung des französischen Zolltarifs, der eine große Zahl teilweise wieder stark unterteilter Positionen aufweist. Herabsetzung der überhöhten Zölle. Wegfall der Pauschalumsatzsteuer und der Leistungssteuer. Für Armaturen muß neben Beseitigung des ungewöhnlich hohen Einfuhrzolles eine Überprüfung sämtlicher französischen Armaturenfabriken auf rationelle Produktion durchgeführt werden. Vermutlich wird sich dann ein Errichtungs- und Erweiterungsverbot als notwendig erweisen, vielleicht sogar die Stillegung von Betrieben. Die Fabrikation ist auf deutsche Industrienormen umzustellen. 7.) Wirtschaftsgruppe Fahrzeugindustrie Angleichung der französischen an die deutschen Preise. Beseitigung der hohen Einfuhrzölle und sonstigen Einfuhrbeschränkungen. Typenbereinigung für Motorräder. Wegfall der Ausfuhrprämien für Personenkraftwagen. Deutsche Kapitalbeteiligung auf dem Gebiet der Vergaser- und Kolbenfabrikation. Der französische Markt zeigte vor dem Kriege Sättigungserscheinungen für Kraftfahrzeuge. Die Kapazität wurde nur zu einem Teil ausgenutzt. Vermutlich sind hierin durch den Krieg erhebliche Änderungen eingetreten, andernfalls wären Produktionsbeschränkungen zu erwägen. 8.) Wirtschaftsgruppe Luftfahrtindustrie Die Planung für die Luftfahrtindustrie liegt ausschließlich beim Reichsluftfahrtministerium. Störend war die französische Preiskonkurrenz auf dem Flugmotorengebiet. 9.) Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie Allgemeine Wünsche Wiedergutmachung der Schäden aus dem Versailler Vertrage, insbesondere auf dem Gebiet der Starkstromanlagen, der Telephonie und Telegraphie ohne und über Draht, der 24

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes' 1

Glühlampen (Rückübereignung der Firma La Lampe Osram mit Konstruktionen etc.) und der Zähler. Wegfall von Kontingentsbeschränkungen für die deutsche Einfuhr. Revision der französischen Gütevorschriften. Gleichsetzung des deutschen VDE-Zeichens und des französischen USE-Zeichens. Ausdehnung der deutschen Normen und Typenanweisungen auf die französische Industrie. Erweiterungs- und Errichtungsverbot. Anwendung von deutschen Produktionsbeschränkungen und Materialverwendungsvorschriften auf die französische Elektroindustrie. Bereinigung der französischen Ausschreibungsbedingungen von Vorschriften, die die deutsche Industrie benachteiligen. Wegfall der Bestimmung, daß in Frankreich nur französische Staatsangehörige Betriebsleiter sein können. Wegfall des Ursprungsbezeichnungszwanges, insbesondere für elektrische Glühlampen,. Schaltapparate geringeren Gewichts, Gegenstände der Röntgenologie und Elektrotherapie,. Heizgeräte, Akkumulatoren, Kältemaschinen, Trockenelemente, geformte Gegenständeaus plastischen Stoffen. Wegfall der französischen Einfuhrzölle, besonders dringlich bei bestimmten Gegenständen.. Sonderwünsche Starkstromanlagen. Überprüfung des „gros-materiel-Vertrages", der den Firmen Siemens, und AEG einen bestimmten, bisher nicht erreichten Anteil an der Belieferung des französischen Marktes sichern sollte. Rundfunkindustrie. Bereinigung des französischen Marktes von der großen Zahl zweitund drittklassiger Firmen. Neuregelung der Röhrenbestückungsfrage mit Philips. Marktregelnde Vereinbarungen, mit der französischen Industrie. Telephonie und Telegraphie ohne Draht. Stärkung des deutschen Einflusses auf die derI. T. T. gehörenden Firmen. Marktregelnde Vereinbarungen Telephonie und Telegraphie über Draht. Beschränkung auf die bisherige französischeProduktion. Leitungsdraht. Marktregelnde Vereinbarungen. Glühlampen. Neuregelung des Phoebus-Vertrages mit dem Ziel der Herabsetzung des. Lieferanteils von Philips und Tungsram. Zähler. Wegfall des sogenannten O : O-Abkommens im Rahmen des Pariser Abkommens. Überführung der Tochtergesellschaften der CDC außerhalb Frankreichs in deutsches Eigentum. Akkumulatoren. Ausdehnung des Abkommens zwischen der AFA Berlin und der CGE Paris auf die S.A.F.T. Kohlen und Kohlenbürsten. Verbot für die Firma Le Carbone, die europäischen Märktemit Platten zu beliefern, und Schließung der französischen Plattcnschneidereien. 10.) Wirtschaftsgruppe Feinmechanik und Optik Handelspolitische Wünsche (Die deutsche Industrie ist bereit, volle Gegenseitigkeit zu gewähren.) Schaffung gleicher Marktbedingungen für die deutsche und die französische Industrie, insbesondere durch Aufhebung von Zöllen und sonstigen Einfuhrabgaben, Aufhebung von Einfuhrverboten, Einfuhrkontingenten, Markierungsvorschriften. Verbot der Bevorzugung französischer Erzeugnisse vor deutschen bei Ausschreibungen.

V. Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppen

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Subventionsverbot für die französische Industrie, Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht für die deutsche Industrie. Maßnahmen zur Lenkung der französischen Industrie Errichtungs- und Erweiterungsverbot. Marktregelnde Vereinbarungen, insbesondere für Wasserzähler. Deutsche Kapitalbeteiligung, insbesondere bei der Firma André Débrie, Paris (Kinogerät). Stillegung der Betriebe für Brillenfassungen in Morez mit Rücksicht auf ihre Überalterung. Beschränkung der Brillenglasschleifereien in Götzenbruck und Dreibrunnen auf die Herstellung von Uhrgläsern ebenfalls mit Rücksicht auf ihre Überalterung. Maßnahmen betreffend Heeresgerät Die Herstellung von Heeresgerät müßte völlig verboten oder auf die Deckung des französischen Eigenbedarfs beschränkt werden. F ü r den einen oder anderen Fall werden bestimmte Maßnahmen angeregt, wie Verbot der Auswanderung von Facharbeitern etc., Verbot der Ausfuhr von Maschinen und Kontrollgeräten, Verbot der Ausfuhr von Heeresgerät, Enteignung von Patenten und Geheimverfahren, die sich auf das Rüstungsgebiet beziehen und dergl. 11.) Wirtschaftsgruppe Werkstoffverfeinerung Wegfall der Präferenzzölle. Deutsche Einfuhr nach Frankreich ohne Kontingentierung. Gleichstellung der deutschen Einfuhr in die französischen Kolonien. Marktregelnde Vereinbarungen. 12.) Wirtschaftsgruppe Metallwaren und verw. Industriezweige Ermäßigung der französischen Hochschutzzölle. Aufhebung des Markierungszwanges. Erwerb der bisherigen englischen Beteiligungen besonders in der Groß-Uhren-Industrie durch Deutschland. Angleichung des französischen Maß- und Gewichtswesens an das deutsche. Erleichterung der Errichtung deutscher Zweigfabriken. Erweiterung der bestehenden niarktregelnden Vereinbarungen. Fortfall der Steuerstaffelung für Feuerzeuge. 13.) Wirtschaftsgruppe Steine und Erden Feuerfeste Industrie Abbau der kürzlich erhöhten Einfuhrzölle und Vereinfachung des Zolltarifs. Aufhebung des Ursprungsbezeichnungszwanges. Beschränkung der französischen Industrie auf die Herstellung von Schamotte- und SilikaErzeugnissen. Glas- und Quarzsand Marktregelnde Vereinbarungen. Form- und Klebsand (im wesentlichen in Elsaß-Lothringen gelegen) Verbot der Einfuhr nach Deutschland. Beseitigung des französischen Einfuhrzolls. Steinzeugindustrie Herabsetzung der hohen Einfuhrzölle und Vereinfachung des Zolltarifs, ferner Fortfall der Einfuhrsteuer. Beseitigung des Markierungszwanges. 24*

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Talkum Angleichung der französischen Produktionskosten an die deutschen. Beteiligung der deutschen Talkumindustrie an dem fahrenden französischen Unternehmen. Kieselgur Wegfall des französischen Einfuhrzolls. Asphaltgestein Übernahme der Lobsanner Lagers im Elsaß. Bimserzeugnisse Zollsenkung. Kaolin Belieferung Frankreichs mit keramischem Kaolin anstelle der bisherigen englischen Lieferungen. Kreide Einfuhr französischer Chainpagne-Kreide nach Deutschland. Marktabreden. Schiefer Herabsetzung des Einfuhrzolls für Schiefertafeln. Wegfall des Ursprungsbezeichnungszwanges für Schiefertafeln und Schiefergriffel. Torf Zollfreiheit für Torfstreu und Torfmull. Gips Umleitung der Einfuhr von Spezialgipsen auf Deutschland. Unterbindung der Autarkiebestrebungen auf diesem Gebiet. Marktregelnde Vereinbarungen betreffend Holland. 14.) Bauindustrie Beseitigung der französischen preisdrückenden Konkurrenz. Ungültigkeitserklärung und Erneuerung der zwischen deutschen und französischen Firmen geschlossenen Lizenzverträge (betr. u. a. die Firmen Didier, Koppers in Essen und Silamit in Krefeld). Beschränkung des französischen Koksofenbaues auf den französischen Markt. 15.) Holzverarbeitende Industrie Möbelindustrie Verminderung der Überproduktion. Stillegung jüdischer Betriebe. Verlagerung der Produktion auf Qualitätsware. Holzgehäuseindustrie Zollsenkung. Musikinstrumentenindustrie Zollsenkung. Bauzubehörindustrie Errichtungs- und Erweiterungsverbot in der Rolladenindustrie. Marktordnung und Zollsenkung. Holzwolle- und Holzmehlindustrie Preis- und Marktordnung. Büro- u. Zeichengeräte, Holzdrehwaren, Holzkoffer Preis- und Marktordnung, Kartellierung der Holzperlenerzeugung.

V. Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppen

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Stock-, Schirmgriff- und Peitschenindustrie Zollsenkung, Aufhebung des Markierungszwanges, Preiserhöhung, Marktordnung, Errichtungs- und Erweiterungsverbot. Korbwaren-, Korbmöbel- u. Spankorbindustrie Übernahme des jüdischen Spankorbbetriebes in deutschen Besitz Korkindustrie Markt- und Preisordnung. Schnitz- und Formerstoffe verarbeitende Industrie Errichtungs- und Erweiterungsverbot. Ausschaltung drittländischer Lieferungen an Vorprodukten und Fertigwaren. Marktordnung und Produktionsregelung. Faßindustrie Preis- und Marktordnung. Stillegung der Schwerfaßindustrie in Reinfelden. Sperrholz- und Holzfaserplattenindustrie Beschränkung auf den Landesbedarf, ausreichende Abgabe von Kolonialhölzern an Deutschland. Holzstanzwaren- und Spanindustrie Preiserhöhung, Marktordnung, Zollsenkung. Haushalts- und Schuhbedarf Preis- und Marktordnung, Zollsenkung. Spulen- sowie Stiel- u. Rundstabindustrie Milderung der Einfuhrbestimmungen. Leisten-, Rahmen- u. Bilderindustrie Preisaufbesserung, Marktordnung, Zollsenkung. Holzwaren verschiedener Art Preiserhöhung, Marktordnung, Zollsenkung. Bürsten- u. Pinselindustrie Stillegung der jüdischen Betriebe. Preis- und Marktordnung, Zollsenkung. Holzwerkzeugindustrie Stillegung der jüdischen Betriebe. Preiserhöhung. 16.) Glasindustrie Hohlglas Errichtungs- und Erweiterungsverbot wegen dauernder Unterbeschäftigung. Berücksichtigung der deutschen Industrie im Hinblick auf die früheren großen TschechenLieferungen. Flachglas Errichtungs- und Erweiterungsverbot. Vereinbarungen über deutsche Lieferungen von Fenster- und Brillenrohglas. Lieferung von französischen Rohstoffen, vornehmlich Sand, Ton und Kalk für die deutschen Flachglashütten im Westen. Anerkennung der Wiedergutmachungsansprüche der deutschen Tafelglasindustrie im Zusammenhang mit dem sogenannten Fourcault-Verfahren. Erwerb des französ. kontinuierlichen Gußglasverfahrens. Glas verarbeitende und veredelnde Industrie Wegfall der Beschränkungen für die Einfuhr von Fieber-Thermometern nach Frankreich.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Aufhebung der Prohibitivzölle für Isolierflaschen. Produktionsbeschränkungen auf dem Gebiet der Glasfasergewinnung. Erwerb von Patenten der französischen Sicherheitsglaserzeugung. Schadensersatz für Verletzung der deutschen Ambeg-Patente betr. vollautomatische Maschinen zur Herstellung von Ampullen. 17.) Keramische Industrié Aufhebung aller französischen Importbeschränkungen. Gleichstellung der deutschen Einfuhr auch in den französischen Kolonien. Ermäßigung der französischen Gewichtszölle. Marktvereinbarung für Steingut, Platten und Schleifmittel. 18.) Sägeindustrie Wirtschaftsplanung für die französische Forst- und Holzindustrie. Produktionsbeschränkungen der Holzimprägnierindustrie. Lieferung von französischen Eichen-, Pappel- und Nußbaumhölzern sowie französischen Kolonialhölzern nach Deutschland. 19.) Papier-, Pappen-, Zellstoff- u. Holzstoff-Erzeugung Deutsche Liefermöglichkeiten für Sulfitzellstoff, Zeitungsdruckpapier, holzfreie Schreibund Spezialpapiere und Pergamyn. Industrievereinbarungen der beiderseitigen Zigarettenpapierhersteller. 20.) Druck Aufhebung des Ursprungsbezeichnungszwanges. Wegfall der Einfuhrzölle für Bilder- und Malbücher. Marktregelnde Vereinbarungen. Verbot, deutsche Maschinen und Geräte sowie Werk- und Hilfsstoffe für die Herstellung graphischer Erzeugnisse zu billigeren Preisen nach Frankreich zu liefern als sie das deutsche Druckgewerbe bezahlen muß. Anpassung des französischen Spielkartenwesens an die deutsche Ordnung. Arisierung der maßgebenden Druckfarbenfabrik und Erwerb einer deutschen Beteiligung daran. Kapitalverflechtung auf dem Gebiete der Diagramm- und Millimeterpapierherstellung. Einflußnahme auf die französischen Musiknotendrucke. Stillegung von Staats- und Kommunaldruckereien auf graphischem Gebiet. 21.) Papierverarbeitung Beseitigung der französischen Einfuhrkontingentierung. Wegfall des Ursprungsbezeichnungszwanges. Preisvereinbarungen auf dem Filtrierpapiergebiet. Gleicher Preis des deutschen Papiers für die französische Industrie (keine Ausfuhrförderung). 22.) Lederindustrie Französische Lieferungen an schweren Häuten und Kalbfellen. Einheitliche Maße. Vereinfachung des Zoll- und Kontingentwesens.

V. Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppen

363

Errichtungs- und Erweiterungsverbot für die französische Leder- und Schuhindustrie. Aufhebung des Ursprungsbezeichnungszwanges für Schuhe. Steuerung der deutschen Lederausfuhr zwecks Steuerung der französischen Schuhproduktion. 23.) Textilindustrie Beseitigung der Einfuhrzölle vor allem für zellwollhaltige Ware. Beseitigung aller Einfuhrhemmnisse wie KontingentierungsmaSnahmen, Handelspässe, Musterverzollung, langsame Zollabfertigung und dergl. Musterschutz für deutsche Erzeugnisse. Beseitigung der französischen Überkapazitfit. Lieferung von Lumpen nach Deutschland. Aufhebung der Einfuhrverbote für Reißwolle. 24.) Bekleidungsindustrie Beseitigung der preisdrückenden französischen Konkurrenz auf verschiedenen Gebieten. Die Konkurrenz beruht auf billigerer, überwiegend heimischer Rohstoffversorgung und niedrigen Löhnen, nicht aber rationelleren Methoden. 25.) Lebensmittelindustrie Fleischwarenindustrie Verbot der Einfuhr nach Deutschland. Milchindustrie Produktions- und Ausfuhrbeschränkungen für Schmelzkäse. Stärkeindustrie Wegfall der Einfuhrzölle. S chaumweinindustrie Aufrechterhaltung der Schutzzölle bei der Einfuhr französischer Schaumweine nach Deutschland. Zollbegünstigte Einfuhr französischer Weine aus der Champagne und Touraine zur Schaumweinbereitung nach Deutschland. Zollgleichheit in dritten Ländern. Mineralwasserindustrie Subventionsverbote für die französische Industrie. 26.) Brauerei und Mälzerei Lieferung deutschen Hopfens nach Frankreich. Lieferungen von deutschem Bier nach Paris anstelle der bisherigen elsässischen Lieferungen bzw. — bei Eingliederung des Elsaß — Aufrechterhaltung dieser Lieferungen. 27.) Zuckerindustrie Einbeziehung Frankreichs in ein allgemeines Zuckerabkommen mit dem Ziele, den Weltmarktpreis aufzubessern und die starke englische Position zu schwächen. Ermöglichung eines Veredlungsverkehrs. Erwerb französischer Patente. 28.) Spiritusindustrie Gleich hohe Belastung der französischen Erzeugung und der deutschen Lieferungen. Wiedergutmachung von Patententziehungen. Abgabe der Patente für Spiritus- und Hefeerzeugung und Entwässerung von Spiritus.

364

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Weinbrand Zollbegünstigte Weineinfuhr aus Cognac für die deutsche Weinbranderzeugung unter Aufrechterhaltung der deutschen Schutzzölle für französischen Cognac. Gleichstellung bei Cognac-Lieferungen an dritte Länder. Edelbranntwein Beseitigung oder Minderung der französischen Einfuhrzölle. Unterbindung des Mißbrauchs mit der Bezeichnung „Schwarzwälder Kirsch". Sonstiger Branntwein Verbot der Niederlassung französ. Firmen in Deutschland. Lieferung v. Limousinholz u. getrockn. Pflaumen nach Deutschland. Hefe Beseitigung der französischen Einfuhrzölle. Erlaß eines Errichtungsverbotes. Melasse Zollfreie Einfuhr von Melasse aus Frankreich. Zollfreie und frachtverbilligte Einfuhr von Dickschlempe nach Frankreich.

VI. Reichswirtschaftsministerium

1) Aktennotiz

von Ministerialdirigent

vom 16. September

Gustaf

Schlotlerer

1940 i

Vermerk über die am 6. und 11. September 1940 unter Vorsitz von Ministerialdirigent Dr. Schlotterer 2 stattgefundenen Besprechungen über wirtschaftliche Beziehungen zu den besetzten Gebieten Anwesend waren am 6. September Vertreter der Hauptabteilungen II und V und der Abt. S und VO, am 11. September 1940 außerdem die Vertreter der Reichswirtschaftskammer, Reichsgruppe Industrie, Reichsgruppe Handel und von 30 Wirtschaftsgruppen. Der von Ministerialdirigent Dr. Schlotterer am 6. September 1940 ausschließlich vor Vertretern des Hauses abgegebene Bericht über seine Fühlungnahme mit den holländischen und belgischen Wirtschaftsbehörden und den deutschen Besatzungsbehörden wurde iif^seinen wesentlichen Gedankengängen am 11. September 1940 vor Vertretern der Wirtschaft wiederholt, die zugleich bei dieser Gelegenheit mit den sich aus der geschilderten Sachlage ergebenden Beschlüssen des Reichswirtschaftsministers bekannt gemacht wurden. Ministerialdirigent Dr. Schlotterer erwähnte eingangs die zur Zeit ungünstige Wirkung der bisherigen Fühlungnahme zwischen den deutschen Wirtschaftskreisen einerseits und den holländischen und belgischen Wirtschaftskreisen andererseits. Eine möglichst enge gegenseitige kapitalmäßige Durchdringung der beiderseitigen Volkswirtschaften entspreche zwar den amtlichen Absichten. Allein im Interesse eines geordneten Zusammenlebens in einer Großraumwirtschaft unter deutscher Führung sei es unerläßlich, daß man bei den diesbezüglichen Verhandlungen die notwendigen psychologischen Voraussetzungen einhielte. Die Verhandlungen seien daher in Zukunft im engsten Einvernehmen mit den zuständigen Referaten des Reichswirtschaftsministeriums (Fachreferate, Länderreferate und Sonderreferate) durchzuführen. Die allgemeine politische Linie sei zwar noch nicht endgültig bekannt, doch in den letzten Reden des Herrn Reichswirtschaftsministers seien einige Hinweise vorhanden, aus denen man sich ein ungefähres Bild der kommenden Neugestaltung der europäischen Wirtschaftsbeziehungen machen könnte. Für die künftigen Verhandlungen zwischen den deutschen, holländischen und belgischen Wirtschaftskreisen gebe es im wesentlichen drei Möglichkeiten: 1. Zusammenarbeit der Organisation der gewerblichen Wirtschaft bzw. des Reichsnährstandes mit den korrespondierenden holländischen und belgischen Wirtschaftsverbänden. Es sei manchmal der Eindruck entstanden, man wolle die Wirtschaft der besetzten Gebiete vergewaltigen. Um diesen Eindruck zu beseitigen, sei es erwünscht, daß die für die einzelnen 1 Bundesarchiv Koblenz, Reichswirtschaftsministerium, R 7 IX, Nr. 153, Bl. 4—5. 2 Gustav Schlotterer war stellvertretender Leiter der Hauptabteilung V (Außenwirtschaft) und Leiter der Sonderabteilung „Vorbereitung und Ordnung" (VO) des Reichswirtschaftsministeriums.

366

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Wirtschaftszweige verantwortlichen Stellen, deren Auskünften und Handlungen ein weit größeres Gewicht zukäme als denen einzelner Unternehmungen, die Fühlung mit den ihnen entsprechenden Stellen in Holland und Belgien aufnähmen. Hierfür seien in Holland bereits gewisse Möglichkeiten vorhanden. In Belgien sei eine entsprechende Organisation im Aufbau begriffen. Die Verhandlungen dieser Organisationen könnten sich in engster Zusammenarbeit mit dem Keichswirtschaftsministerium z. B. erstrecken auf 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Herauslegung von Aufträgen, Abstimmung der Produktion, Gegenseitige Kapitalverflechtung, Gemeinsame Preispolitik, Verbände, Kartelle, Zölle.

2. Zusammenarbeit der Kartelle Es sei im Augenblick zwar schwer, endgültige Absprachen für längere Zeit zu treffen. Immerhin beständen jetzt schon gewisse Möglichkeiten. Die Dinge müßten jedenfalls vorbereitet werden. 3. Gegenseitige Kapitalbeteiligung Hier seien bereits Verhandlungen zwischen einzelnen Unternehmungen durchgeführt worden, die zum Teil die einfachsten wirtschaftlichen Anstdndsregelungen außer acht gelassen hätten. Man habe versucht, auf die Firmen einen Druck auszuüben, etwa mit der Ankündigung einer kommenden Enteignung durch das Reichswirtschaftsministerium, der man durch schnellen Verkauf aus dem Wege gehen könne. Selbstverständlich bestünden keine derartigen Absichten. Die Verhandlungen seien auf kommerzieller Basis zu führen, d. h., es dürfe von privater deutscher Seite kein politisch begründeter Druck auf den Verhandlungspartner ausgeübt werden. Sowohl Holland als auch Belgien lebten überwiegend von der Industrie. Deutsche Kapitalbeteiligung in Holland und Belgien sei auch auf dem Wege der Neuerrichtung von Betrieben unter deutscher Führung möglich. Besonders für eine Reihe von Vierjahresplanunternehmungen seien günstige Voraussetzungen vorhanden (Zellwolle). Zur Abwendung des Beschäftigungsrückganges in der holländischen und belgischen Wirtschaft seien bereits Rüstungs- und Exportaufträge nach dorthin gelegt worden. Diese Auftragserteilung sei in Zukunft möglichst mit Kapitalbeteiligungen zu verbinden. An einer Ausschaltung der belgischen und holländischen Kapitalbeteiligungen in der deutschen Wirtschaft bestehe kein Interesse. Ihr Ausbau sei sogar erwünscht. Dem widerspreche nicht, daß man bei Gelegenheit ausgesprochene Schlüsselpositionen, welche die Holländer und Belgier in Deutschland besäßen, in deutsche Hände überleite. Unternehmen mit Übersee-Besitz seien besonders vorsichtig zu behandeln. Sie unter Druck setzen, hieße auf den ihnen bisher noch gehörenden Übersee-Besitz zu verzichten, was nicht im deutschen Interesse läge. Die gegebenen Richtlinien hätten entsprechende Bedeutung auch für den Handel und die Banken. Es sei beabsichtigt, den deutschen Transithandel soweit wie nur möglich auszubauen. Es bestünde die Möglichkeit, daß auch in den besetzten Gebieten in absehbarer Zeit die Judenfrage gelöst werde. Dabei käme es darauf an, die guten jüdischen Positionen möglichst ungeschmälert zu übernehmen. Auch für die wichtigen mitteleuropäischen Kapitalposi-

VI. Reichswirlschaftsministerium

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tionen der Franzosen und der Engländer sei die Übernahme in deutsche Hände erwünscht. Vorläufig hätten sich aber alle Kapitalbeteiligungsverhandlungen im Rahmen der vorhandenen kommerziellen Möglichkeiten zu bewegen. Ministerialdirigent Dr. Schlotterer gab am 11. September den in der Besprechung am 6. September getroffenen Beschluß bekannt, durch den in Zukunft die Reisen ungeeigneter Wirtschaftsvertreter in das besetzte Gebiet verhindert werden sollen. Es sei vorgesehen, daß das Reisereferat im Reichswirtschaftsministerium sich in Zukunft vor der Genehmigung von Reiseanträgen mit den zuständigen Fach- und Länderreferaten ins Benehmen setze und mit ihnen zusammen kläre, ob die Gewähr für eine den deutschen Interessen nicht widersprechende Verhandlungspraxis gegeben sei. Außerdem hätten sich die Unterhändler in Holland mit dem Generalkommissar für die Wirtschaft und in Belgien mit dem Militärbefehlshaber Belgien, Wirtschaftsabteilung, in Verbindung zu setzen. Da f ü r Holland, soweit es sich um Beteiligungen bis zu 100 000,— RM handele, die Befürwortung diesbezüglicher Reiseanträge bei den Industrie- und Handelskammern liege, seien die Industrie- und Handelskammern von der Reichswirtschaftskammer auf eine sachgemäße Prüfung der Reisevorhaben hinzuweisen und eventuell auch eine Beauftragung der Banken mit dem Erwerb von Beteiligungen zu empfehlen. Die in der darauf folgenden Diskussion am 11. September angeschnittene Frage nach der Behandlung von Unternehmungen in Elsaß-Lothringen, Luxemburg und Eupen-Malmedy wurde dahin beantwortet, daß diese Gebiete wie deutsches Inland zu behandeln seien. Zum Schluß der Besprechung am 11. September kündigte Ministerialdirigent Dr. Schlotterer an, d a ß die hier gegebenen Richtlinien in Kürze den beteiligten Stellen, insbesondere der Reichsgruppe Industrie und den Wirtschaftsgruppen, auch schriftlich zugehen würden.

2) Aus dem Protokoll der Sitzung des Großen Beirats der Reichsgruppe am 3. Oktober 19401

Industrie

Herr Ministerialdirigent Dr. Schlotterer: . . . Herr Reichswirtschaftsminister Funk hat in seinen Reden darauf hingewiesen, daß man mit den Begriffen Zoll- und Währungsunion das Problem in Europa nicht lösen kann. Wir machen nun einen bewußten Unterschied zwischen den Ländern des Nordens und Westens in Europa und den Agrarländern des Südostens. Die Länder des Nordens und Westens, die ja von uns überwiegend besetzt sind, stellen Wirtschaftsgebilde dar, die mit dem unseren eng verwandt sind. Zum Teil ist die Kaufkraft der Bevölkerung dort ungefähr so wie bei uns, teils ist sie noch etwas besser. Im großen und ganzen haben sie ungefähr die gleiche soziale und wirtschaftliche Struktur. Sie sind uns auch kulturell, zivilisatorisch und rassisch verwandt, d. h. also, zwischen Deutschland und diesen Ländern des Nordens und des Westens ist die Grundlage für einen einheitlichen Markt, für ein einheitliches Preis-, Einkommens- und Lohnniveau gegeben. Zwischen diesen Ländern und uns ist also an sich eine Zoll- und Währungsunion möglich, ja, vom wirtschaftlichen Standpunkte aus sogar erwünscht. Das entscheidende Wort wird allerdings die Politik sprechen. Wir haben uns n u r mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten zu befassen. 1 Betriebsarchiv des VEB Filmfabrik Wolfen, Werkleitung Gajewski, Nr. 111, Bl. 54-67. Hervorh. i. Orig. — Es handelt sich um eine im IG- Farben-Konzern angefertigte Abschrift des Vortrages von Gustav Schlotterer, der [offenbar über die Reichsgruppe Industrie den Teilnehmern der Sitzung zugänglich gemacht worden war.

368

A n h a n g : „ N e u o r d n u n g des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Wie I h n e n vielleicht b e k a n n t ist, h a t der Reichskommissar f ü r die besetzten Gebiete in Holland dem niederländischen Finanzminister die E r m ä c h t i g u n g gegeben, Einfuhrzölle in Holland herabzusetzen oder gar zu beseitigen, w e n n das im dringenden wirtschaftlichen Interesse ist. Es h a n d e l t sich hier in erster Linie d a r u m , d a ß die deutschen I n d u s t r i e w a r e n , die wir im großen und ganzen zum Inlandspreis in Holland v e r k a u f e n , auch tatsächlich zum d e u t s c h e n Inlandspreis auf den M a r k t gebracht werden können und n i c h t noch zusätzlich m i t einem Zoll belastet w e r d e n . U n d u m g e k e h r t h a n d e l t es sich d a r u m , d a ß holländische W a r e n , die nach D e u t s c h l a n d k o m m e n , nicht noch einer unnötigen Zollbelastung unterliegen. Wir stellen also zur Zeit keine Zollunion zwischen uns u n d d e n besetzten Gebieten her, wir versuchen aber, die Zollgesetzgebung und Zollpolitik in der P r a x i s so einzustellen, d a ß die Zölle möglichst kein Hindernis f ü r einen intensiven W a r e n v e r k e h r und f ü r die gegenseitige W i r t s c h a f t s v e r f l e c h t u n g darstellen. Wie weit m a n im einzelnen in der n ä c h s t e n Zeit gehen wird, l ä ß t sich n a t ü r l i c h noch nicht übersehen. Die Tendenz m u ß aber die sein, auf dem Gebiete des Z a h l u n g s v e r k e h r s und vor allem der Zölle, soweit die besetzten Gebiete in B e t r a c h t k o m m e n , möglichst freie B a h n zu schaffen und möglichst d a f ü r zu sorgen, d a ß v o n der Seite der Devisenbewirts c h a f t u n g und der Zollpolitik her keine Schwierigkeiten entstehen. Bei den L ä n d e r n des Südostens liegen die Dinge n u n wesentlich anders als bei den L ä n d e r n des Nordens und Nordwestens. Hier h a n d e l t es sich um Agrargebiete, u m Gebiete m i t einem niedrigen Lebensniveau, K o s t e n n i v e a u , E i n k o m m e n s n i v e a u . Die Agrarpreise d o r t u n t e n bewegen sich noch u n t e r den d e u t s c h e n Erzeugungskosten, u n t e r den deutschen Agrarpreisen; wir h a b e n keinen G r u n d , diese Preise dort künstlich in die H ö h e zu d r ü c k e n . Das ist auch f ü r die Volkswirtschaften dort u n t e n wichtig, d e n n w e n n d o r t plötzlich die Preise steigen — leider sind sie ja in der letzten Zeit sehr s t a r k gestiegen —, e n t s t e h e n innere Schwierigkeiten. Man m u ß also im Südosten bei der B e s t i m m u n g des handelspolitischen Verhältnisses zu D e u t s c h l a n d m i t a n d e r e n Mitteln a r b e i t e n als gegenüber den L ä n d e r n des Nordens und Nordwestens. D a m i t wird ü b e r h a u p t die F r a g e gestellt, wie wir unser Verhältnis zu den europäischen S t a a t e n sehen. Man k a n n sich das so vorstellen, d a ß wir in E u r o p a wirtschaftlich einfach diktieren, was zu geschehen h a t , d. h., d a ß wir die Dinge lediglich u n t e r dem G e s i c h t s p u n k t eines einseitigen deutschen Interesses sehen. Dieser M a ß s t a b wird auch m a n c h m a l v o n p r i v a t e n Kreisen angelegt, w e n n sie sich auf ihrem ureigenen Gebiete m i t der F r a g e des z u k ü n f t i g e n Aufbaues der europäischen W i r t s c h a f t befassen. Eine solche A u f f a s s u n g wäre aber falsch, denn schließlich leben wir nicht allein in E u r o p a , und schließlich k ö n n e n wir n i c h t W i r t s c h a f t treiben m i t u n t e r j o c h t e n Völkern. Die m a ß g e b e n d e n S t e l l e n i n D e u t s c h l a n d l e h n e n es ausdrücklich ab, die z u k ü n f t i g e europäische G r o ß r a u m w i r t s c h a f t in zwei Klassen einzuteilen, nämlich in die Klasse der Sieger und in die Klasse der Besiegten. Soweit gewisse Völker m i t uns im K a m p f g e s t a n d e n haben, werden die d a r a u s resultierenden F r a g e n im Friedensvertrag bereinigt. D a m i t h a t es aber sein Bewenden. Der A u f b a u der europäischen G r o ß r a u m w i r t s c h a f t m u ß u n t e r der deutschen F ü h r u n g so geschehen, d a ß den a n d e r e n Völkern in diesem R a u m ein P l a t z e i n g e r ä u m t wird, in dem sie leben können, in dem sie sich entwickeln können, in dem sie sich wohlfühlen und in dem auch ihre eigenen Interessen zu W o r t e k o m m e n . E s ist also ganz klar, d a ß wir uns hier vor zwei E x t r e m e n h ü t e n müssen, auf der einen Seite, d a ß wir n u n alles schlucken und den a n d e r e n alles wegnehmen, und auf der a n d e r e n Seite, d a ß wir sagen: wir sind ja gar nicht so, wir wollen ü b e r h a u p t nichts. Selbstverständlich

VI. Reichswirtschaftsministerium

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wollen wir etwas, selbstverständlich m ü s s e n wir etwas wollen, denn w e n n wir schließlich die F ü h r u n g in E u r o p a haben, d a n n müssen wir auch Einfluß h a b e n ; und das setzt eben voraus, d a ß wir uns diejenigen Positionen in E u r o p a verschaffen, die wir brauchen, uin unsere f ü h r e n d e Rolle spielen zu können. Aber wir müssen bei unserer Arbeit d a n n gerade an die Interessen der a n d e r e n a n k n ü p f e n . Zwischen unserem Wunsch, unseren Einfluß a u s z u d e h n e n , uns zusätzliche Positionen in E u r o p a zu verschaffen, u n d der Forderung, d a ß dabei auch die Interessen der a n d e r e n zu W o r t e k o m m e n , gibt es im Grunde keinen Gegensatz. Ich m ö c h t e I h n e n hier n u r ein Beispiel a n f ü h r e n : die rumänische Mineralölindustrie. Die rumänische Mineralölindustrie war in der H a n d v o n amerikanischen, englischen, französischen Gesellschaften. Diese Gesellschaften haben in R u m ä n i e n so gearbeitet, d a ß die Mineralölproduktion v o n einem J a h r zum a n d e r e n immer m e h r zurückgegangen ist u n d d a ß schließlich die rumänische Volkswirtschaft d a v o n nicht diejenigen Vorteile g e h a b t h a t , die sie h ä t t e h a b e n können, wenn m a n die Dinge dort energisch in die H a n d genommen hätte. W e n n wir also den S t a n d p u n k t v e r t r e t e n , d a ß wir die rumänische Mineralölwirtschaft in die H a n d b e k o m m e n müssen, so h a n d e l t es sich hier zunächst einmal d a r u m , d a ß wir eine wichtige Rohstoffquelle in E u r o p a h a b e n m ö c h t e n , um Mineralölpolitik in Europa bet r e i b e n zu können. D a d u r c h , d a ß aber die F ü h r u n g in der r u m ä n i s c h e n Mineralölwirtschaft an D e u t s c h l a n d übergeht, werden in keiner Weise rumänische Interessen verletzt, sondern im Gegenteil, sie werden g e f ö r d e r t ; d e n n wir werden die r u m ä n i s c h e Mineralölindustrie nicht v e r s c h l a m p e n lassen, s o n d e r n wieder a u f b a u e n . Es werden d a n n zusätzliche P r o d u k t i o n e n entstehen, größere volkswirtschaftliche Umsätze, m e h r Menschen können dabei b e s c h ä f t i g t werden, und der S t a a t und die Volkswirtschaft in R u m ä n i e n h a b e n ihren Vorteil d a v o n . Sie sehen also, wie hier das r u m ä n i s c h e Interesse und das deutsche Interesse m i t e i n a n d e r verschmelzen. Und so gibt es eine U n m e n g e von Gebieten in E u r o p a , wo durch geschicktes Vorgehen die Möglichkeit besteht, d a ß das deutsche u n d das europäische Interesse bzw. das spezielle Interesse der europäischen L ä n d e r miteinander verschmelzen. Hier müssen wir anpacken, und hier müssen wir auch bereit sein, Schwierigkeiten zu überw i n d e n und W i d e r s t ä n d e zu brechen, w e n n es nicht anders geht. Alan h a t o f t versucht, die Dinge auf die Formel zu bringen, d a ß wir in Deutschland mit politischen D r u c k m i t t e l n die a n d e r e n zu wirtschaftlichen Lösungen zwingen wollen. Ich glaube, m a n m u ß es vielmehr auf eine andere Formel b r i n g e n : in den letzten J a h r e n h a t m a n in E u r o p a v e r n ü n f t i g e wirtschaftliche Lösungen, die durch eine Z u s a m m e n a r b e i t m i t Deutschland h ä t t e n g e f u n d e n w e r d e n können, m i t politischen Mitteln verhindert. Wir h a t t e n den W u n s c h , uns s t ä r k s t e n s in Norwegen zu betätigen, wir h a t t e n m i t R u m ä n i e n einen V e r t r a g ü b e r wirtschaftliche Z u s a m m e n a r b e i t abgeschlossen, wir h a t t e n einer ganzen Anzahl v o n europäischen S t a a t e n interessante wirtschaftliche P r o j e k t e vorgelegt, die beiden Teilen z u m N u t z e n geworden wären. Man h a t diese P l ä n e n i c h t akzeptiert, weil E n g l a n d oder F r a n k r e i c h protestierten. E s waren in den letzten J a h r e n in E u r o p a unsachliche politische W i d e r s t ä n d e am Werke, die eine v e r n ü n f t i g e Z u s a m m e n a r b e i t der europäischen Länder mit Deutschland v e r h i n d e r t e n . Diese politischen W i d e r s t ä n d e müssen in E u r o p a gebrochen werden. Ich glaube, daß n u n gerade der Versailler V e r t r a g gelehrt h a t , wie m a n es nicht machen soll. Man k a n n , wenn m a n m i t einem S t a a t e im Kriege ist, eine G e n e r a l a b r e c h n u n g v o r n e h m e n . D a s ist eine Sache. D a n n aber 20 bis 30 J a h r e lang a u ß e r d e m noch die gesamte Weltw i r t s c h a f t und den ganzen H a n d e l b e u n r u h i g e n und einen A u f b a u v e r h i n d e r n , das ist eine zweite Sache, und die m ö c h t e n wir in E u r o p a nicht h a b e n .

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Wir sind nicht in der Lage, nun jeden Herzenswunsch, den der eine oder andere Unternehmer bezüglich Kapitalbeteiligung hat, zu erfüllen. Der eine möchte eine Brauerei kaufen, der andere eine Textilfabrik, der dritte eine Villa, der vierte an einem Bergbauunternehmen sich beteiligen, und oft soll noch der Militärbefehlshaber in Anspruch genommen werden. Das können wir nicht, und wir haben es auch gar nicht nötig. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die deutschen Behörden hinter Ihnen stehen, wenn sie sich im deutschen Interesse draußen betätigen. Der Erwerb von Kapitalbeteiligungen wird von uns dringend gewünscht. Es ist aber für uns nicht möglich, daß wir in dem Augenblick, in dem die Firma X in Belgien auftaucht und sich mit 50% an der belgischen Firma Y beteiligen möchte, der belgischen Firma einfach den Befehl geben. Wenn dann die Dinge nun eben nicht gleich in einem Monat alle so sind, wie wir das gern haben möchten, dann müssen wir uns eben etwas Zeit nehmen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß unsere wirtschaftliche Position in Europa im allgemeinen und die wirtschaftliche Position der einzelnen deutschen Wirtschaftsgruppen und der einzelnen deutschen Wirtschaftsunternehmungen so stark sind, daß sie in den nächsten Monaten und Jahren, wenn die europäische Großraumwirtschaft sich stärker herauskristallisiert, in geschickter Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden, durchaus Mittel und Wege finden werden, um ihren Willen durchzusetzen. Ich möchte Ihnen ein kleines Beispiel sagen: man kann selbstverständlich durch den politischen Druck die ganze belgische Eisen- und Stahlindustrie in die Hand bekommen; es genügt eine Anordnung des militärischen Befehlshabers, daß etwa 60% des Aktienkapitals der verschiedenen Unternehmungen zu einem bestimmten Preis an noch zu bestimmende deutsche Unternehmungen zu verkaufen sind. Daß wir das nicht können und nicht wollen, habe ich bereits gesagt. Auf der anderen Seite ist aber doch ganz klar, d a ß in einer kommenden europäischen Wirtschaft die belgische Eisen- und Stahlindustrie nicht existieren kann, wenn sie nicht mit uns zusammenarbeitet und wenn sie nicht mit uns eine richtige Formel der Zusammenarbeit findet. Schließlich werden sie ja ihre Eisenerze aus Lothringen beziehen müssen, und schließlich werden sie bei ihrem Absatz auf Deutschland und den europäischen Markt angewiesen sein. Mit anderen Worten also: der deutschen Wirtschaft stehen genügend wirtschaftliche Möglichkeiten und Druckmittel zur Verfügung, um ihren Willen durchzusetzen und die richtigen Lösungen in Europa zu erreichen. Daß wir uns darüber hinaus selbstverständlich bemühen werden, in den kommenden Friedensverträgen uns diejenigen großen und wichtigen Dinge zu sichern, die wir brauchen, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber ich möchte noch einmal betonen: wir wünschen,, daß die deutschen Firmen von sich aus mit den richtigen Druckmitteln und mit den richtigen Möglichkeiten an die Dinge herangehen. Worauf es uns ankommt, das ist eine gesunde Mischung zwischen den deutschen Interessen und den verschiedenen nationalen und ländermäßigen Interessen in Europa. Diese Länder sind auf eine Zusammenarbeit mit uns angewiesen, und das wird sie uns zutreiben, und das wird sie zwingen, mit uns zusammenzugehen. In diesem Zusammenhang ist die Frage einer Industriepolitik sehr wichtig. Ganz zweifellos ist Deutschland das führende Industrieland Europas. Und ganz allgemein kann man sagen, daß unsere deutsche Industrie auf vielen Gebieten den übrigen europäischen Industrien technisch, kaufmännisch und organisatorisch überlegen ist. Es ist auch zweifellos so, daß, wenn wir der Industrie die Aufgabe zuweisen, den europäischen Bedarf und den Exportbedarf zu decken, dann sehr oft die von Deutschland aufgebauten und gebotenen Kapazitäten durchaus ausreichen. Das legt mit Recht nahe, sich zu sagen: wenn wir schon in Deutschland genügend Kapazitäten haben und wenn wir über die bestaufgebaute und am besten

VI. Reichswirtschaftsministerium

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arbeitende Industrie verfügen, wozu sollen dann die anderen auch noch Industrie treiben? Das ist auf einzelnen Gebieten richtig und muß auch auf einzelnen Gebieten durchgeführt werden. Im großen und ganzen wäre es aber verhängnisvoll und falsch, wenn die deutsche Industrie nun einfach diktierte, was in Europa geschehen soll. Wir dürfen eines nicht übersehen: die Bedeutung von Industrien für die einzelnen Länder ist durchaus verschieden. Es gibt Länder, bei denen die Industrie keine große Rolle spielt -T wenn hier die Industrie verschwindet, dann wird zwar etwas Privatkapital vernichtet, und es fliegen ein paar Arbeiter auf die Straße, aber die Volkswirtschaft als solche bleibt unberührt und geht daran nicht zugrunde. Es gibt aber Länder, die mit einer Industrie leben und sterben. Denken Sie etwa an Belgien, Holland und Norwegen. Und selbst wenn die Industrie eines bestimmten Landes, statistisch berechnet, in ihrer Bedeutung sehr klein erscheint, so ist sie doch oft arbeitsmarktmäßig und umsatzmäßig von einer gewissen Bedeutung. Wir dürfen unsere Aufgabe also auf dem Gebiete der Industriepolitik nicht so auffassen, daß wir nun die anderen europäischen Industrien unterdrücken oder gar zugrunde richten. Wir müssen vielmehr versuchen, zu einer vernünftigen industriellen Zusammenarbeit und Arbeitsteilung in Europa zu kommen. Nicht Vernichtung der außerdeutschen europäischen Industrie, sondern Umbau ist das Richtige. Der zukünftigen europäischen Industriepolitik unter deutscher Führung kommt deshalb die allergrößte Bedeutung zu. Auf der einen Seite können wir die außerhalb unserer Grenzen, liegende Industrie nicht einfach vernichten. Wir dürfen das insbesondere dann nicht tun, wenn diese Industrie, was zu einem Teil zutrifft, gut und gesund ist, und wenn sie auf vernünftigen Rentabilitätsgrundlagen ruht. Selbstverständlich wären aber unsere ganzen neuen Bestrebungen zu einem Mißerfolg verurteilt, wenn man die Dinge einfach so ließe, wie sie sind, denn warum machen wir ja schließlich einen europäischen Großraum? Nämlich deshalb, weil wir eine vernünftige Arbeitsteilung auf dem agrarischen und industriellen Gebiete in Europa herbeiführen, weil wir im europäischen Großraum möglichst billig produzieren wollen, das heißt, daß wir Produktionen stillegen, die nichts taugen, die nur unter dem Schutz einer Devisenoder Zoll- oder Kontingentspolitik emporgeschossen sind. Ich möchte Sie also bitten, daß Sie gerade in der Reichsgruppe Industrie diesem Gedanken einer vernünftigen europäischen Industriepolitik die allergrößte Aufmerksamkeit schenken und dabei daran denken, daß wir den anderen Ländern, die bereits Industrien haben, nicht nur etwas nehmen können an industrieller Kapazität, sondern gleichzeitig auch etwasgeben müssen. Es muß ein Geben und Nehmen sein. Und für den Anfang ist es sogar taktisch richtig, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und zu sagen: das und das ist unrentabel, das muß stillgelegt werden. Es ist viel besser, man spricht zunächst über diese Dinge nicht und fängt mit einem positiven Beitrag zur Mitarbeit an, indem man Aufträge dort hinlegt und allgemein zusammenarbeitet. Und im übrigen — das ist auch das Bestreben, das wir im Reichswirtschaftsministerium haben, wenn wir die Dinge lenken —: was bereits, im Absterben ist, soll man ruhig absterben lassen und soll das dann nicht erst noch aufkaufen, um es stillzulegen. Wir müssen äußerst vorsichtig sein und sowohl die positive Seite wie die negative Seite einer europäischen Industriepolitik im Auge behalten. Es wird für Sie alle, die Sie in der praktischen Wirtschaft stehen, die Sie Industriebetriebe leiten, sehr oft nicht gerade angenehm sein, wenn Sie sich damit abfinden müssen, daß Industrien, gegenüber denen Sie in der Vergangenheit einen schweren Stand gehabt haben, nun weiterleben, ja, gewissermaßen, wenn diese Industrien nun noch einen bestimmten!

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A n h a n g : „ N e u o r d n u n g des europäischen Großwirtschaftsraumes"

A u f t r i e b b e k o m m e n d a d u r c h , d a ß m a n sie jetzt nicht m e h r als ausländische I n d u s t r i e n , s o n d e r n als europäische Industriebetriebe behandelt, die zu uns gehören. Man wird sich n u n d a r a n gewöhnen müssen, auch wirtschafllich europäisch zu denken. Wir steuern allmählich einem Z u s t a n d entgegen, wo krasse Unterscheidungen in deutsch und europäisch allmählich verschwinden müssen. W e n n wir uns schon auf den S t a n d p u n k t stellen, d a ß die verschiedenen n a t i o n a l e n Volkswirtschaften Europas eine Gemeinschaft, einen G r o ß r a u m u n t e r deutscher F ü h r u n g darstellen, d a n n müssen wir auch daraus die Konsequenzen ziehen und bereit sein, diese n a t i o n a l e n Volkswirtschaften im R a h m e n unserer Interessen u n d auf der Basis unserer F ü h r u n g richtig zu behandeln u n d nicht m e h r einen kleinen deutschen Maßstab, sondern einen großen europäischen Maßstab anzulegen. Es ist n u n nicht so, d a ß wir etwa unsere eigene K o n k u r r e n z d r a u ß e n entfesseln wollen. Uns k a n n es nicht gleichgültig sein, was m a n d r a u ß e n m a c h t . Wir k ö n n e n nicht zulassen, d a ß m a n disziplinlos n u n auf unseren M ä r k t e n losarbeitet. Oeshalb m u ß das Problem der wirtschaftlichen Z u s a m m e n a r b e i t in E u r o p a gerade auf dem industriellen Gebiet aus der W i r t s c h a f t selbst heraus und m i t wirtschaftlichen Mitteln, m i t wirtschaftlichen Einr i c h t u n g e n gelöst werden. D a stehen uns im G r u n d e drei Mittel zur V e r f ü g u n g : E r s t e n s die gegenseitige K a p i t a l v e r f l e c h t u n g , insbesondere die Kapitalbeteiligung an den U n t e r n e h m u n g e n des Auslandes, a n den U n t e r n e h m u n g e n der europäischen L ä n d e r . W e n n m a n also schon eine u n a n g e n e h m e K o n k u r r e n z d r a u ß e n h a t , d a n n f r a g t es sich, ob m a n n i c h t auf diese K o n k u r r e n z d a d u r c h Einfluß b e k o m m t , d a ß m a n sich eine Kapitalbeteiligung geben l ä ß t , m i t eigenen L e u t e n hineingeht und sich d a d u r c h die Möglichkeit schafft, die L e i t u n g des Betriebes zu kontrollieren oder mindestens zu beeinflussen. Es ist der W u n s c h der höchsten Stellen, d a ß gerade die Methode der Kapitalbeteiligung v o n der d e u t s c h e n I n d u s t r i e auf das s t ä r k s t e gepflegt wird. Ich bin mir d u r c h a u s im klaren d a r ü b e r , d a ß das nicht i m m e r einfach ist und d a ß m a n das nicht v o n h e u t e auf morgen erreichen k a n n . Aber als Ziel f ü r die n ä c h s t e n J a h r e sollten wir uns setzen, d a ß wir auf allen Gebieten k a p i t a l m ä ß i g möglichst tief in die Betriebe E u r o p a s , insbesondere Industriebetriebe, eindringen, d a m i t wir die Dinge von dort aus steuern können. D a n n wird s t a t t einer K o n k u r r e n z , einer wilden, ungeregelten Konkurrenz, mindestens ein geregelter W e t t b e w e r b oder aber eine Z u s a m m e n a r b e i t entstehen. Es wird I h n e n b e k a n n t sein, meine H e r r e n , daß wir f ü r Kapitalbeteiligungen in Holland. Belgien, F r a n k r e i c h u n d a u c h in Norwegen, in den nordischen L ä n d e r n und im Südosten die notwendigen Devisen bereitstellen. Sie können jeden B e t r a g haben. (Vorsitzender: H ö r t , hört!). — J a w o h l , dazu stehe ich, Sie können sich darauf verlassen. Wichtig ist f ü r uns, d a ß Sie eindringen und daß wir auf diese Weise unseren Einfluß in den betreffenden L ä n d e r n geltend m a c h e n können. Die zweite Methode b e s t e h t darin, meine Herren, daß m a n die I n d u s t r i e n dieser L ä n d e r in unsere Marktregelungen einbezieht. Die d r a u ß e n sollen also nicht wild h e r u m l a u f e n . Das eine m ö c h t e ich ü b e r h a u p t b e t o n e n : es k o m m t natürlich in E u r o p a in Z u k u n f t nicht in Frage, d a ß wir uns in unserem W i r t s c h a f t s a u f b a u und in unseren W i r t s c h a f t s b e s t r e b u n g e n in E u r o p a oder in Übersee e t w a v o n einem holländischen oder Schweizer Untern e h m e n stören lassen. Selbstverständlich sollen die Leute arbeiten u n d leben k ö n n e n bei uns, selbstverständlich sollen die belgischen Waggonfabriken auch weiter Waggons fabrizieren u n d Waggons exportieren k ö n n e n . Was aber nicht möglich sein wird in der Z u k u n f t , ist, d a ß sie uns die Preise h e r u n t e r d r ü c k e n m i t billigen Offerten. Sie h a b e n sich d a n n eben mit uns über den Verkauf v o n Waggons zu verständigen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Und hier e r h e b t sich d a n n die Frage, ob nicht die E i n r i c h t u n g der Kartelle, V e r b ä n d e und S y n d i k a t e auch eine europäische Rolle spielen k a n n .

V I . Reichswirtschaftsministerium

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Unsere Einstellung im Reichswirtschaftsministerium — und wir wissen uns darin auch mit der Reichsgruppe Industrie einig — ist die, daß da, wo das Kartell oder das Syndikat oder irgendein anderer Verband eine zweckmäßige Einrichtung zur Marktregelung darstellt, man nicht zögern soll, sie zu einer europäischen Einrichtung zu machen. Das heißt nun aber nicht, daß jetzt eine Kartellblüte entstehen soll und daß man Kartelle und Verbände lediglich deshalb schaffen soll, weil wir nun einmal Freude an der Organisation haben. W i r müssen genau so, wie das j e t z t in der deutschen Industrie der Fall ist, auch im zukünftigen Europa eine gesunde Mischung haben. Wir müssen auch einen Wettbewerb haben. Und die Dinge, die sich nun einmal nicht für Kartelle und Verbände eignen, soll man draußen lassen; und man soll ruhig da eine gewisse Konkurrenz in Kauf nehmen. Die dritte Methode: Wo Kartelle oder Verbände nicht zu bilden sind — die Dinge werden auf den verschiedenen Gebieten eben verschieden liegen — da erhebt sich dann die Frage, ob man nicht mit allgemeinen Marktabsprachen, Gebietsschutzabkommen usw. im R a h m e n der Organisation der gewerblichen Wirtschaft arbeiten kann. Voraussetzung ist dafür, daß außerhalb Deutschlands ebenfalls Organisationen der Wirtschaft nach deutschem Muster entstehen. Die Resonanz für diesen Gedanken ist im Auslande sehr groß, manchmal vielleicht schon zu groß und zu stürmisch. Jedenfalls wird zur Zeit in Holland daran gearbeitet, eine solche Organisation ins Leben zu rufen. I n Relgien sind ähnliche Bestrebungen im Gange, auch im Südosten rührt es sich. Hier wird also eine sehr große Aufgabe der Organisation der gewerblichen Wirtschaft und auf dem Gebiete der Industrie der Reichsgruppe Industrie bevorstehen. Die Reichsgruppe Industrie muß ihre ausländischen, europäischen Partner suchen, m u ß mit ihnen in K o n t a k t kommen, im Anfang auch helfen und unterstützen beim Aufbau und den Wirtschaften dieser Länder die nötigen Anregungen und Hinweise geben. Meine Herren! Aus den Ausführungen, die ich über dieses Problem gemacht habe, mögen Sie ersehen, daß wir uns die europäische Großraumwirtschaft im wesentlichen als ein Ergebnis der Initiative der Wirtschaft selber vorstellen. Wir können als S t a a t selbstverständlich Wirtschaftsabkommen machen. Wir können da und dort eine Zoll- und Währungsunion schließen oder ein Transferabkommen durchführen. Das alles kann aber nur auf eine allgemeine Regelung hinauslaufen und muß in der Luft hängen, wenn es nicht unterbaut wird durch die Wirtschaft selber. Daß wir Ihnen dabei an die Hand gehen und daß wir die Dinge lenken müssen, ist selbstverständlich. Aber ich möchte hier mit besonderem Nachdruck vertreten, daß diese europäische Großraumwirtschaft eine Angelegenheit der Wirtschaft selber und eine Selbstverwaltung der Wirtschaft darstellen sollte. Diese Probleme der Großraumwirtschaft müssen gelöst werden 1. in der Ebene der privaten Firmen, die sich möglichst eng verflechten, personell und kapitalmäßig verbinden sollen, 2. in der Ebene der Kartelle, Verbände usw., wo sich solche Zusammenschlüsse eignen, 3. in der Ebene der Selbstverwaltung der Wirtschaft, der Organisation der Wirtschaft als solcher. Wir haben den Wunsch, daß wir so wenig wie möglich mit den Einzelheiten behelligt werden und daß wir uns lediglich auf die großen Dinge konzentrieren müssen. In diesem Zusammenhang: über die Bürokratie wird viel geschimpft. Die Bürokratie hat ihre Vorteile, sie hat ihre Nachteile. Damit, daß man dann die Behördenbürokratie aus den Dingen heraushält und sagt: das machen wir j e t z t selber, ist das Problem noch nicht gelöst. Sie müssen dann dafür sorgen, daß nicht anstelle der Behördenbürokratie nun eine neue Bürokratie entsteht (sehr richtig!), die vielleicht den Nachteil hat, daß sie in den Dingen noch nicht so steckt, wie wir z. B . immerhin auf Grund unserer jahrelangen Arbeit darinstecken. (Sehr richtig!) 25

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Die anderen draußen sind empfindlich. Und bei aller Anerkennung eines festen Auftretens, das wir haben müssen — wir müssen wissen, was wir tun wollen —, ist es auch so, daß wir als Führungsmacht eine Verantwortung tragen, daß wir schließlich die Treuhänder für die anderen sind und daß wir nicht einfach diktieren können. Es ist ein großer Unterschied zwischen Diktat und Führung in der Wirtschaft. Diktieren ist einfach, aber richtig führen ist schwer. Im letzteren Fall muß man sich immerhin mit den Interessen der anderen auseinandersetzen, muß darüber Rechenschaft ablegen, daß ja die Leute draußen nicht durch die Schule und durch die Erfahrungen hindurchgegangen sind, wie wir sie haben, und daß man nicht alles bei ihnen voraussetzen kann, was bei uns nun einmal gegeben ist. Hier liegt also schon eine Aufgabe vor Ihnen, die mit viel Takt gelöst werden muß und bei der mit Takt auch viel erreicht werden kann. . . .

3) Bericht des Reichswirtschaftsministeriums vom September 19411

für den interministeriellen

Ausschuß

Zusammengefaßter Bericht Über die Kapitalverflechtung mit Holland und Belgien seit der Besetzung im Mai 1940 I. Allgemeines zur Kapitalverflechtung mit Holland und Belgien Nach Erteilung des Befehls des Herrn Reichsmarschalls über die Verwirklichung einer baldigen Kapitalverflechtung mit Holland und Belgien galt es zunächst, die allgemeinen Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Durch die Devisenbewirtschaftung war der deutsche Kaufmann nicht mehr gewohnt, Wirtschaftsräume wie Holland und Belgien als Betätigungsfeld für eigene Industrie- und Handelsplanung zu sehen; die Abschnürung Deutschlands durch die Devisengrenze hatte die kaufmännische Initiative in dieser Hinsicht zwangsläufig gelähmt. Es galt daher zunächst, die allgemeine Atmosphäre zu lockern, was durch die Erlasse an die Reichs- und Wirtschaftsgruppen sowie öffentliche Äußerungen führender Persönlichkeiten geschah. Organisatorisch wurden zur Bearbeitung der aufgetretenen Fragen im Haag und in Brüssel und in dem mit der Federführung beauftragten Reichswirtschaftsministerium Zentralstellen gebildet. Wichtig war es sodann, den Zahlungsverkehr mit den besetzten Gebieten zu erleichtern, um von der Kapitalseite her die erforderlichen Transfermöglichkeiten für Investitionen zu 1 Dok. NG-3693, Anlage zum Protokoll der Sitzung des interministeriellen Ausschusses vom 23. September 1941 „über Fragen der Kapitalbeteiligung", Deutsches Institut für Zeitgeschichte, Nürnberger Prozesse, Krupp-Prozeß, Bd. 2, Bl. 114 ff. Nach dem Verfasser auch Saager-Bericht genannt. Gerhard Saager war Leiter des Referats „ Kapitalverflechtung" der Sonderabteilung „Vorbereitung und Ordnung" unter Gustav Schlotterer. Der Bericht wurde mit dem Protokoll dem Auswärtigen Amt, dem Vierjahresplan, dem Reichsfinanzministerium, dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, der Reichsbank, der Parteikanzlei und der Auslandsorganisation der N S D A P und den zentralen deutschen Behörden in den Niederlanden und in Belgien übersandt.

VI. Reichswirtschaftsministerium

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schaffen. So erfolgte der Abschluß neuer Transferabkommen mit den Niederlanden und mit Belgien, denen für die Niederlande die vollständige Aufhebung der Devisengrenze folgte. Die Lenkung der Kapitalverflechtung geschah in Einzelfällen auf Grund im voraus aufgestellter Planung, so z. B. bei dem Versuch einer Verflechtung der holländischen und belgischen Kautschukindustrie mit der deutschen Gummiindustrie nach Plänen des Fachreferats des Reichswirtschaftsministeriums. Im wesentlichen wurde aber versucht, die Initiative des Unternehmers zu wecken und zu wahren und nur insofern zu lenken, als durch Einführung von Genehmigungspflichten, die, soweit die Devisengrenze noch bestand, an sich schon gegeben waren, ein Einfluß auf die Auswahl des deutschen Interessenten ausgeübt und der Wert der ausländischen Unternehmung für eine deutsche Kapitalverflechtung geprüft wurde. Andererseits wurden als wertvoll befundene Fälle der Kapitalverflechtung auch mit allen zur Verfügung stehenden staatlichen Mitteln gefördert.

II. Die Kapitalverflechtung mit Holland Nach dem Befehl des Reichsmarschalls hatte sich die Kapitalverflechtung auf breiter Basis zu vollziehen. Trotzdem standen naturgemäß im Mittelpunkt des Interesses, insbesondere der beteiligten Ressorts, die vier Weltkonzerne Hollands, nämlich der ShellKonzern, Philips, Unilever und die Algemeene Kunstzijde Unie (AKU). Bei Shell, Philips und Unilever wurde zunächst durch die Einsetzung von Kommissaren sichergestellt, daß diese Unternehmungen für die deutsche Kriegswirtschaft voll zum Einsatz kamen. Wegen der Größe der Kapitalien, ihrer Streuung im Markte und der Ungeklärtheit der Verhältnisse, insbesondere hinsichtlich der Auslandsbeziehungen, konnten bei Philips und Unilever Erfolge hinsichtlich der Übernahme von Kapitalbeteiligungen nicht erreicht werden. Bei dem Shell-Konzern ist insofern ein bescheidener Erfolg zu verzeichnen, als zwischen der Tochtergesellschaft Astra Romana und der Kontinentale ö l AG gewisse Abreden getroffen wurden, die den vollen Einsatz der Astra Romana für die ölproduktion gewährleisten. Bei der A K U dagegen gelang es, unter Ausnutzung einer Kapitalerhöhung aus Anlaß des Baues einer Zellwollefabrik und durch systematische Zukäufe am offenen Markt die Majorität des Stammkapitals in deutschen Besitz zu bringen, eine Tatsache, die wegen des Auslandsbesitzes der A K U streng geheim gehalten werden muß. Für die erworbenen Aktien, die bei einer deutschen Großbank hinterlegt worden sind, wurden erstmals in Deutschland Zertifikate ausgegeben, die im breiten Publikum plaziert sind. Da die Zertifikate für die nächsten Jahre stimmrechtslos sind, ist auf diese Weise der Einfluß des Reiches bei der A K U für geplante spätere Transaktionen gesichert. Zur Durchdringung des holländischen Wirtschaftsraumes mit deutschem Unternehmertum erschien es wichtig, die deutschen Banken zur Errichtung von Bankenstützpunkten in den Niederlanden in verstärktem Umfange zu veranlassen. Es sind von der Dresdner Bank, der Commerzbank und der Bank der Deutschen Arbeit neue Affiliationen mit je 1—3 Mill. Gulden Kapital errichtet worden. Die Deutsche Bank besaß seit jeher einen Stützpunkt in der Albert de Bary & Co., Amsterdam (Kapital 15 Mio. hfl. bei 7 Mio. offenen Reserven). Bei einer Reihe von mittleren, für die holländische Wirtschaft jedoch sehr bedeutenden Unternehmen gelang es, deutschen Einfluß in mehr oder minder großem Umfang durchzusetzen. So beteiligten sich die Vereinigten Stahlwerke mit 40% an Hollands einzigem 25*

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Hochofen- und Stahlwerk, der Koninklijke Neederlandsche Hoogovens en Staalfabrieken N. V., Ijmuiden. Sodann gewann im Zuge der freiwilligen Arisierung des Konzerns des J u d e n van Leer die deutsche Industrie wichtige Positionen durch Übernahme einer Reihe von Faßfabriken und einer bekannten Eisengroßhandlung. Ein zu diesem Komplex gehörendes Walzwerk ging im Zusammenhang mit der Kapitalverflechtung mit den Vereinigten Stahlwerken an Hoogovens. Der Konzern W. N. H. Mueller, der seit Jahren die deutschen Behörden beschäftigt hatte, wurde einer Neuordnung unterzogen. Der Sektor SchiffahrtsVertretungen innerhalb des Konzerns wurde ausgegliedert und in eine Deutsch-Holländische Gesellschaft, an der ein deutscher Reeder mit 50% beteiligt ist, eingebracht. Diese Gesellschaft vertritt u. a. die großen deutschen Überseelinien. An dem Erzbesitz der Firma, insbesondere in Spanien, werden deutsche Firmen mit bis zu 75% beteiligt werden. Die größte holländische Maschinenfabrik, die N. V. Werkspoor, wurde in Verbindung zur Rheinmetall-Borsig AG gebracht, die an dieser Gesellschaft 30% des Kapitals nach fest getroffenen Abreden erwerben wird. Der größte holländische Rüstungsbetrieb, die Staatlichen Artillerie-Inrichtingen, wurde auf deutschen Wunsch hin privatisiert. Auch hier erfolgt bereits jetzt eine Zusammenarbeit mit Rheinmetall-Borsig, die nach getroffenen Abreden kapitalmäßig vertieft werden wird. Einem Beauftragten des Reichsluftfahrtministeriums gelang es, durch Verhandlungen die Majorität der bekannten Flugzeugwerke Fokker in deutschen Besitz zu bringen. Die Aktien sind durch die Bank der deutschen Luftfahrt für das Reichsluftfahrtministerium durch Zwischenschaltung weiterer Treuhänder übernommen worden. Schließlich werden die vier größten Einzelhandelsunternehmungen, die großen Kaufhäuser Bijenkorf, Gebr. Gerzon, N. V. Hirsch & Co., sowie Maison de Bonneterie — allerdings im Wege der Zwangsentjudung — in deutschen Besitz überführt werden. Außer diesen namentlich genannten Fällen laufen etwa 130 weitere Vorhaben, die zum Teil zu Erfolgen geführt haben. Daneben wird in Holland die Arisierung aller jüdischen Betriebe durchgeführt, die auf breiterer Grundlage zur Durchdringung der holländischen Wirtschaft mit deutschem Kapital führen wird. Im Zuge freier privatwirtschaftlicher Verhandlungen, wenn auch mit teilweise starker Unterstützung der amtlichen Stellen, konnten seit der Besetzung in Holland Beteiligungen im Werte von je 50 Mill. Gulden, das sind über 65 Mill. R M , erworben werden. Dieser Betrag erhöht sich um die Kapitalinvestitionen auf Grund der Arisierung, über die zu gegebener Zeit gesondert zu berichten sein wird. Stellt man diese Zahlen den englischen und französischen Beteiligungen gegenüber, so handelt es sich zunächst zwar nur um einen Bruchteil der investierten feindlichen Kapitalien. Diese betragen nach den genannten Feststellungen der mit der Verwaltung des feindlichen Vermögens in Holland befaßten Stellen 213 Mill. Gulden, wovon auf Industriebeteiligungen etwa 172 Mill. Gulden entfallen. Hierbei muß jedoch berücksichtigt werden, daß in den Industriebeteiligungen allein die •englische Beteiligung am Shell-Konzern mit 120 Mill. Gulden enthalten ist. Auf der anderen Seite kann auch nicht übersehen werden, daß schon vor den eingeleiteten Aktionen des Frühjahrs 1940 erhebliche deutsche Kapitalien in Holland investiert waren. So sei z. B. darauf hingewiesen, daß von dem holländischen Binnenschiffsraum in Höhe von rund 1,2 Mill. B R T sich rund 450-500000 BRT in deutschem Besitz (hauptsächlich Ruhrindustrie und Fendel-Konzern) und von dem Besitz der Steenkohlen-Handelsvereeniging mit rund 340000 BRT sich etwa die Hälfte in deutschem Besitz befinden. Werden als

V I . Reichswirtschaftsministerium

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d e u t s c h e r Besitz etwa 600000 B R T z u g r u n d e gelegt, so e n t s p r i c h t dies allein einem W e r t v o n weiteren 50—60 Mill. Gulden deutschen Kapitals in Holland. Über die Beteiligung des deutschen K a p i t a l s auf anderen Gebieten, abgesehen vom Bankensektor, stehen a n n ä h e r n d genaue Zahlen zur Zeit nicht zur Verfügung.

I I I . Die Kapitalverflechtung mit Belgien Die allgemeinen Voraussetzungen einer D u r c h d r i n g u n g der belgischen W i r t s c h a f t m i t deutschem K a p i t a l w u r d e n in gleicher Weise wie bei Holland eingeleitet. W e n n nach ungefähr J a h r e s f r i s t f ü r Belgien ein a n n ä h e r n d gleiches Ergebnis wie f ü r Holland nicht vorgelegt werden k a n n , so ist dies insbesondere darauf z u r ü c k z u f ü h r e n , d a ß die interessanten U n t e r n e h m u n g e n Belgiens zum großen Teil v o n den beiden belgischen Großbanken, der Société Générale de Belgique u n d d e r B a n q u e de Bruxelles, über deren Holdinggesells c h a f t e n beherrscht wird. Allein die Société Générale besitzt, soweit festgestellt werden k o n n t e , e t w a 800 U n t e r n e h m u n g e n in Belgien, die m i t ihren Tochtergesellschaften vielleicht 30—40% der gesamten W i r t s c h a f t Belgiens beherrschen. Da die politische Lage in Belgien besondere Vorsicht gebot, h a t sich der H e r r Militärbefehlshaber erst durch eine V e r o r d n u n g vom 8. Mai 1941 entschlossen, die Rechtsgrundlage f ü r eine P r ü f u n g des Konzerns der Société Générale zu schaffen. Diese P r ü f u n g läuft gegenw ä r t i g . Sie wird als Ergebnis ein einzigartiges Material ü b e r die W i r t s c h a f t s s t r u k t u r Belgiens bringen. Vor ihrem Abschluß werden wesentliche Erfolge in der D u r c h d r i n g u n g des belgischen W i r t s c h a f t s l e b e n s k a u m zu erzielen sein. An belgischen Industriebeteiligungen w u r d e n bisher W e r t e in H ö h e v o n etwa 13—15 Mill. RM erworben. Als wichtigster Fall des Versuchs der Ü b e r n a h m e belgischer Kapitalbeteiligungen sind die V e r h a n d l u n g e n zwischen der Deutschen B a n k und der Société Générale einerseits sowie der Dresdner B a n k und der B a n q u e de Bruxelles andererseits über den E r w e r b v o n Arbed-Aktien zu n e n n e n . Wegen politischer Vorgänge um den Gouverneur der Société Générale, Galopin, m u ß t e n jedoch die Verhandlungen der Deutschen Bank unterb u n d e n werden. Die V e r h a n d l u n g e n der Dresdner B a n k m i t B a r o n de Launois ü b e r den E r w e r b v o n 10—20000 S t ü c k A r b e d - A k t i e n laufen noch. Wegen der s t a r k e n belgischen Beteiligung an der Arbed (insgesamt 130000 S t ü c k A k t i e n v o n 2 4 0 0 0 0 Stück Aktien) wird jedoch in absehbarer Zeit eine Lösung im deutschen Sinne herbeigeführt werden müssen. Z u n ä c h s t ist die A u s s c h a l t u n g des belgischen Einflusses durch die Einsetzung des S t a a t s s e k r e t ä r s a. D. Koenigs z u m Verwalter der belgischen Beteiligungen durch den Reichskommissar f ü r die B e h a n d l u n g des feindlichen Vermögens sichergestellt. An größeren P l a n u n g e n w u r d e v o m Militärbefehlshaber auf Veranlassung des Reichswirtschaftsministeriums ein P l a n ü b e r die N e u o r d n u n g der belgischen Energiewirtschaft aufgestellt, der den zuständigen Ressorts zur E r ö r t e r u n g vorliegt. I n Angriff genommen ist s o d a n n der Komplex Sofina, indem diese U n t e r n e h m u n g zunächst f ü r jüdisch erklärt wurde. I m übrigen sind auch in Belgien ü b e r 130 Einzelfälle d e r Wirtschaftsverflechtung in Bea r b e i t u n g . E i n e n B a n k e n s t ü t z p u n k t als eigene Gesellschaft h a t bisher erst die Dresdner Bank errichtet. Aus der eingeleiteten Zwangsarisierung werden auch in Belgien einige Positionen f ü r das D e u t s c h t u m erworben werden k ö n n e n . Dabei m u ß jedoch darauf hingewiesen werden, d a ß die V e r j u d u n g der belgischen W i r t s c h a f t ungleich geringer als die der holländischen ist.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen GroBwirtschaftsraumes"

Stellt man die bisherigen Erfolge der belgischen2 Wirtschaftsverflechtung mit Belgien den Zahlen gegenüber, die die Bestandsaufnahme des feindlichen Vermögens ergeben hat, so zeigt sich, daß der Weg zu einer Durchdringung der belgischen Wirtschaft mit deutschem Kapital noch weit ist, es sei denn, daß es im Rahmen der Friedensverträge gelingt, das feindliche Kapital in Belgien durch deutsches abzulösen. Nach den Erhebungen der für die Bearbeitung des Feindvermögens zuständigen Stellen in Belgien betragen die Feindbeteiligungen bei belgischen Unternehmungen rd. 327 Mill. RM. Diese sind in gleicher Weise wie in Holland durch Einsetzungen von Verwaltern für das Unternehmen selbst oder die Feindbeteiligung sichergestellt. 2 Muß heißen: deutschen.

Bemerkungen zur Bibliographie

Die archivalischen Hauptquellen für die vorliegende Untersuchung bildin die vielhundertbändigen Materialien der Nürnberger Prozesse. Teile der Prozeßmaterialien liegen gedruckt vor. 1 Empfindlicher Mangel besteht noch an größeren marxistischen Publikationen aus diesem Material, das nach wie vor zu den wichtigsten Geschichtsquellen für die Erforschung der Geschichte des Faschismus in Deutschland und insbesondere des zweiten Weltkrieges gehört. 2 Die ersten größeren, richtungweisenden Auseinandersetzungen in der deutschen marxistischen Geschichtsliteratur mit dem Faschismus als barbarischster Form der Monopolherrschaft stammen von führenden Funktionären der revolutionären Arbeiterbewegung. 3 Schon seit Anfang der zwanziger Jahre waren es die Analysen der Kommunistischen Parteien, besonders Italiens und Deutschlands, und die Dokumente der Kommunistischen Internationale über den Faschismus, die die Grundlage für die Arbeit der marxistischen Historiker waren. 4 Keine beliebige bürgerliche Faschismus-Theorie kann sich auch nur im entferntesten mit der theoretischen Leistung der revolutionären Arbeiterbewegung messen. 1 Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, 42 Bde, Nürnberg 1947 ff.; zweibändige Auswahl daraus in Der Nürnberger Prozeß. Aus den Protokollen, Dokumenten und Materialien des Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, ausgew. u. eingel. v. P. A. Steiniger, 5. Aufl., Berlin 1962; von den fremdsprachigen Teilausgaben wegen wertvoller Ergänzungen im Material zu erwähnen Nazi Conspiracy and Aggression, 10 Bde, Washington, D. C., 1946 ff.; Auswahl aus Protokollen und Dokumenten der zwölf sogenannten Nachfolgeprozesse in Trials of War Criminals before the Nuernberg Military Tribunals under Control Council Law No. 10, 15 Bde, Washington, D. C., 1949ff.; Njurribergskij proces nad glavnymi nemeckimi voennymi prestupnikami, 3 Bde, Moskau 1965ff. (einschl. Material aus Nachfolgeprozessen). 2 s. Czollek, Roswitha/Eichholtz, Dietrich, Die Nürnberger Nachfolgeprozesse als Quelle der Geschichtswissenschaft, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1966, T. 3, S. 219ff. 3 Hervorgehoben seien hier nur Ulbricht, Walter, Die Legende vom „deutschen Sozialismus" Ein Lehrbuch für das schaffende Volk über das Wesen des deutschen Faschismus, Berlin 1945 (1. Aufl.; seit 3. Aufl. unter dem Titel: Der faschistische deutsche Imperialismus (1933—1945)); Norden, Albert, Lehren deutscher Geschichte. Zur politischen Rolle des Finanzkapitals und der Junker, Berlin 1947 (1. Aufl.). 4 Eines der frühesten und wichtigsten Dokumente sind die „Thesen über die Taktik der Komintern", angenommen auf dem IV. Weltkongreß der K. I. am 5. Dezember 1922

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Bemerkungen zur Bibliographi c

Auf jähre- und jahrzehntelangen Erfahrungen des praktischen politischen Kampfes gegründet, m u ß t e die marxistische Theorie über den Faschismus sich stets wieder im Klassenkampf bewähren. Die Erfahrungen dieses Kampfes, niedergelegt in zahlreichen Dokumenten der K P I und der K P D aus den Jahren vor 1933, führten schließlich zu den klaren theoretischen Formulierungen des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, für deren Wahrheitsgehalt die Geschichte die schlagendste Bestätigung lieferte. Eine neue Bilanz der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die faschistische Zeit und über den Krieg des faschistischen deutschen Imperialismus wurde in der grundlegenden „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" gezogen. 5 Dieses Werk baut bereits auf reichhaltigen neuen Forschungen über den Faschismus auf. Umfangreichere Arbeiten über wirtschaftshistorische Themen aus der faschistischen Zeit sind mit wenigen, aber gewichtigen Ausnahmen 6 erst in den letzten zehn bis zwölf Jahren entstanden. Die detaillierte marxistische Forschung auf wirtschaftshistorischem Gebiet stützte sich vielfach schon in den fünfziger Jahren auf den wertvollen Quellenschatz, den ihr die Erschließung der Archive namhafter früherer Konzerne darbot. Während dementsprechend längere Zeit die Darstellung der Verbrechen einzelner Konzerne im Mittelpunkt der Forschung stand (IG-Farben, Mansfeld, Zeiss, Flick, Deutsche Bank und andere) 7 , werden neuerdings zunehmend auch weitergreifende Themen bearbeitet. 8 Einen wesentlichen Fortschritt stellte in diesem Zusammenhang die Diskussion über theoretische Pro-

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A u s z ü g e in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 3, S. 644ff.); ferner v. a. Pieck, Wilhelm/Dimitroff, Georgi/Togliatti, Palmiro, Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus. Referate auf dem VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale (1935), Berlin 1957. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, (hsg. v.) Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, Bd. 5: Von J a n u a r 1933 bis Mai 1945, Berlin 1966; Bd. 4: Von 1924 bis Januar 1933, Berlin 1966. Kuczynski, Jürgen, Die Geschichte der Lage der Arbeiter in Deutschland von 1800 bis in die Gegenwart, Bd. 2 : 1933—1946, Berlin 1947 (engl. Ausg.: London 1944) und mehrere folgende verbess. u. erweit. Aufl. und Ausg.; derselbe, Die Bewegung der deutschen Wirtschaft von 1800 bis 1946, Berlin u. Leipzig 1947; derselbe, Studien zur Geschichte des deutschen Imperialismus, 2 Bde, Berlin 1948, 1950. Kling, Willi, Kleine Geschichte der IG Farben, der Großfabrikanten des Todes, Berlin 1957; Radandt, Hans, Kriegsverbrecher-Konzern Mansfeld, Berlin 1957; Kämpfendes Leuna (1916—1945). Die Geschichte des Kampfes der Leuna-Arbeiter ( = Geschichte der Fabriken und Werke, Bd. 8), Berlin 1961; u. a. Seeber, Eva, Zwangsarbeiter in der faschistischen Kriegswirtschaft, Berlin 1964; Bleyer, Wolfgang, Der „totale Krieg" Hitlerdeutschlands im ersten Halbjahr 1943, phil. Diss. Berlin 1966 (MS); Koller, Vera, Der deutsche Imperialismus und Dänemark 1933—1945 unter besonderer Berücksichtigung der faschistischen Wirtschaftspolitik, phil. Diss. 1966 (MS); Melier, Rolf, Studien zur Agrarpolitik der faschistischen deutschen Imperialisten in Deutschland im System der Kriegsplanung und Kriegsführung 1933 bis 1941, phil. Diss. Rostock 1966 (MS); Dress, Hans, Die Stellung des sogenannten Slowakischen Staates im Rahmen der faschistischen Neuordnung Europas (1939—1941), phil. Diss. Berlin 1967 (MS); Andexel, Ruth, Imperialismus — Staatsfinanzen, Rüstung, Krieg. Probleme der Rüstungsfinanzierung des deutschen Imperialismus, Berlin 1968.

Bemerkungen zur Bibliographie

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bleme des staatsmonopolistischen Kapitalismus 9 und über methodologische Probleme — wie die Existenz und den Kampf von Monopolgruppierungen1® — dar. Zu unserer Thematik haben auch ausländische marxistische Autoren beigesteuert, die teils unter verschiedenen Aspekten die deutsche Kriegswirtschaft selbst11, teils die Einwirkung des Krieges und der Okkupation auf Wirtschaft und Gesellschaft im eigenen Lande 12 untersucht haben. Die bürgerliche Literatur über die Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft floß nach dem Krieg im Vergleich zur allgemeinen kriegsgeschichtlichen Literatur lange Zeit höchst spärlich, ist aber in den letzten Jahren durch eine ganze Reihe beachtenswerter Arbeiten vermehrt worden. Es werden zunehmende Aktivität und wachsendes Interesse an der Thematik sichtbar. 9 s. Imperialismus heute. Der staatsmonopolistische Kapitalismus in Westdeutschland, Berlin 1965; Hemberger, Horst u. a., Sechs Feststellungen zum staatsmonopolistischen Kapitalismus in Westdeutschland, in: Einheit, H. 1/1967, S. 74ff.; Kuczynski, Jürgen, Zur Frühgeschichte des deutschen Monopolkapitals und des staatsmonopolistischen Kapitalismus ( = derselbe, Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus, Bd. 14), Berlin 1962; Gündel, Rudi u. a., Zur Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, Berlin 1967; u. a. 10 s. Kuczynski, Jürgen, Die Barbarei — extremster Ausdruck der Monopolherrschaft in Deutschland, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, H. 7/1961, S. 1484 ff., sowie zahlreiche neuere Arbeiten desselben Autors, bsd. die Bde 5, 6 und 16 seiner „Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus" (Berlin 1960ff.) ; ferner Faingar, I. M., Die Entwicklung des deutschen Monopolkapitals, Berlin 1959 ; Gossweiler, Kurt, Die Rolle des Monopolkapitals bei der Herbeiführung der Röhm-Affäre, phil. Diss., Berlin 1963; u. a. 11 Visnev, S., Ekonomièeskie resursy Germanii, Moskau 1940; Bettelheim, Charles, L'économie allemande sous le nazisme, Paris 1946; Rusinski, Wladyslaw, Polozenie robotniköw polskich w czasie wojny 1939—1945 na terenie Rzeszy i „obszarôw wcielonych", Poznan 1950; Faingar, I. M., Die Entwicklung des deutschen Monopolkapitals, a. a. 0. ; Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, 6 Bde, Berlin 1962 ff. (russ. : 1960ÎT.), bsd. Bd. 1; Chmelnizkaja, J.L., Die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland während des zweiten Weltkrieges, in: Der deutsche Imperialismus und der zweite Weltkrieg, Bd. 3, Berlin 1962, S. 191ff.; u. a. 12 Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, a. a. O., sowie deren gekürzte (überarbeitete) Fassung in einem Band : Velikaja Otecestvennaja vojna Sovetskogo Sojuza 1914—1945. Kratkaja istorija, Moskau 1965; von zahlreichen weiteren Arbeiten sollen hier nur exemplarisch genannt werden Voznesenskij, N., Voennaja ekonomika SSSR v period Otecestvennoj vojny, Moskau 1947 (dt. als 3. Beih. z. Sowjetwissenschaft (1947), u. d. T. Die Kriegswirtschaft der Sowjetunion während des Vaterländischen Krieges) ; Krâl, Vaclav, Otâzky hospodéfského a sociâlniho vyvohe v ceskych zemich v letech 1938—1945, 3 Bde, Prag 1957ff.; Madajczyk, Czeslav, Generaina Gubernia w planach hitlerowskich, Warschau 1961; Les systèmes d'occupation en Yougoslavie 1941—1945, Belgrad 1963; Kravcenko, G. S., Voennaja ekonomika SSSR 1941—1945, Moskau 1963; Cadaev, Ja. E., Ekonomika SSSR v period Velikoj Oteiestvennoj vojny (1941—1945 gg.), Moskau 1965; Nemecko-fasistskij okkupacionnyj rezim (1941—1944 gg.), Moskau 1965. Wertvolle Studien und Quellen enthalten Publikationsreihen wie Documenta Occupationis Teutonicae (Poznan) und Biuletyn Glàwnej Komisji Badania Zbrodni Hitlerowskich w Polsce (Warschau).

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Als noch während des Krieges eine ganze Reihe angloamerikanischer Autoren, häufig Nationalökonomen, Untersuchungen über die deutsche Rüstungs- und Kriegswirtschaft anstellten, taten sie dies oft unmittelbar im Auftrag der Verteidigungsbehörden ihres Landes. Waren die für sie erreichbaren Quellen gerade für die Kriegszeit auch sehr dürftig, so sind ihre Arbeiten doch immer noch von gewissem Interesse, da sie nicht nur aus politischem, sondern auch aus militärisch-strategischem (Untersuchung der gegnerischen Potenzen) und aus ökonomischem Bedürfnis heraus (Studium des — meist für sehr effektvoll gehaltenen — staatsmonopolistischen Mechanismus des Gegners) vielfach nüchtern und verhältnismäßig objektiv geschrieben wurden. 13 Extrem reaktionäre Kreise erkannten gleichzeitig die Brauchbarkeit des faschistischen „Führerprinzips" als eines ideologischen und institutionell-organisatorischen Ausdrucks für eine bestimmte Entwicklungsstufe des staatsmonopolistischen Kapitalismus, für eine Stufe unmittelbarer Kriegsvorbereitung und Kriegführung, und bedienten sich seiner bei der Ausarbeitung der sogenannten Managertheorie. 14 Den Schlußpunkt dieser Phase einer zweckgerichteten ökonomischen Literatur mit wirtschaftshistorischem Einschlag bildeten die mehrere hundert Einzeluntersuchungen umfassenden Arbeiten des United States Strategie Bombing Survey unmittelbar nach dem Krieg, deren Zahlenwerk bis heute die wichtigste publizierte statistische Quelle für unsere Thematik ist. 15 Nach Kriegsende traten in Westdeutschland, während die offizielle Geschichtsschreibung zu diesem Punkte noch schwieg, namhafte Konzernvertreter mit einer massiven Monopolapologetik auf. 16 Sie griffen die in Nürnberg von amerikanischen Militärgerichten geführten Industrieprozesse und die dort gefällten — ohnehin unglaublich milden — Urteile gegen führende Monopolvertreter scharf an; außerdem war es der Zweck dieser Literatur, Druck auf die Öffentlichkeit auszuüben und der reaktionären Historiographie Orientierungshilfen zu geben. Die Krönung dieser Sorte historischer Literatur war das Werk eines Amerikaners. 17 Von vornherein setzten sich auch in der westdeutschen historischen wie wirtschaftshistorischen Forschung über den zweiten Weltkrieg der Antikommunismus und die Ideologie des 13 Beispielsweise Nathan, Otto (with the collaboration of Milton Fried), The Nazi Economic System, Durham, N. C., 1944; derselbe, Nazi War Finance ( = Our Economy in War. Occasional Paper 20: April 1944), New York 1944; Spiegel, Henry William, The Economics of Total War, New York/London 1942; Neumann, Franz, Behemoth, Toronto/ New York/London 1942. 14 So etwa Drucker, Peter F., The End of Economic Man, London 1943, zugleich einer der Schöpfer der „Totalitarismus"-Theorie. 15 s. besonders zusammenfassend The Effects of Strategie Bombing on the German War Economy, (hsg. v.) United States Strategie Bombing Survey, Overall Economic Effects Division, 31. Okt. 1945, Washington. 16 Vor allem v. Wilmowsky, Tilo Frh., Warum wurde Krupp verurteilt? Legende und Justizirrtum, Stuttgart 1950; v. Knieriem, August, Nürnberg — Rechtliche und menschliche Probleme, Stuttgart 1953; Ter Meer, Fritz, Die I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft. Ihre Entstehung, Entwicklung und Bedeutung, Düsseldorf 1953. 17 Lochrwr, Louis P., Die Mächtigen und der Tyrann, Darmstadt 1955. Inzwischen war es mit der Möglichkeit auch für fortschrittlich gesinnte Amerikaner längst vorbei, aufrichtige und wahrheitsgetreue Bücher über das Thema zu schreiben wie das von Sasuly, Richard, IG Farben, New York 1947; dt.: IG Farben, Berlin 1952 (DDR).

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von den USA und Großbritannien eröffneten „Kalten Krieges", der revanchistische Ungeist unter dem Mantel der NATO-Ideologie, die subjektiv-idealistische Betrachtungsweise („Hitler ist an allem schuld") und die anmaßendste Apologetik vollauf durch. Während der wirtschaftshistorische Beitrag der offiziellen Geschichtsschreibung lange Jahre hindurch in Gehalt und Form außerordentlich dürftig blieb 18 , tummelten sich auf diesem Feld eine Reihe ehemaliger Nazi- und Wirtschaftsfunktionäre, die im Krieg verantwortliche staatsmonopolistische Positionen innehatten, darunter ausgewiesene Kriegsverbrecher wie Riecke, Kehrl, Bräutigam und Schwerin v. Krosigk. 19 Ihre Publikationen stellten offene Rehabilitierungsversuche dar, geschrieben teils in der Haltung vorsichtiger neoliberaler Distanz zur eigenen Vergangenheit (Welter, Wagenführ), teils in neonazistischer Manier unmittelbar als Leitfaden f ü r die NATO- und Notstandsplanung, für den Fall neuer Kriege. Eine besonders augenfällige und unverfrorene Rehabilitierung der faschistischen Okkupationspolitik während des zweiten Weltkriegs, auch auf wirtschaftlichem Gebiet, wurde in den über 20 Studien des Tübinger Instituts für Besatzungsfragen betrieben. 20 Das — 18 In mehreren Aufl. (zuerst Hannover 1952; 4. Aufl. Stuttgart 1962) wird in stets unverändertem Nachdruck das Heftchen von Treue, Wilhelm (unter Mitarbeit von Günther Frede), Wirtschaft und Politik 1933 —1945, verbreitet. Auf weite Strecken eine Zitatenkompilation aus faschistischen Zeitschriften, enthält diese Schrift bereits vollständig die apologetische Grundkonzeption einer dem „Totalitarismus" unterworfenen und von Hitler mißbrauchten Wirtschaft, deren eigentliche Beherrscher — die Monopole — völlig im Dunkeln bleiben. Ferner Stolper, Gustav, Deutsche Wirtschaft 1870—1940, Stuttgart 1950, bricht die Untersuchung mit Kriegsbeginn a b ; in neuer Ausgabe fortgeführt von Karl Häuser und Knut Borchardt u. d. T. Deutsche Wirtschaft seit 1870, Tübingen 1964 -(2. Aufl. 1966). Unter einer Reihe von Arbeiten zu speziellen Themen sind zu nennen Treue, Wilhelm, Gummi in Deutschland, München 1955; Uhlig, Heinrich, Die Warenhäuser im Dritten Reich, Köln u. Opladen 1956 (kaum über die Kriegszeit); ferner der Ansatz einer synthetischen Darstellung bei Fischer, Wolfram, Die Wirtschaftspolitik des Nationalsozialismus, Hannover 1961 (Broschüre von 64 Seiten). 19 Kehrl, Hans, Kriegswirtschaft und Rüstungsindustrie, in: Bilanz des Zweiten Weltkrieges, Oldenburg-Hamburg 1953; Riecke, Hans-Joachim, Ernährung und Landwirtschaft im Kriege, ebenda; Schwerin v. Krosigk, Lutz Gf., Wie wurde der Zweite Weltkrieg finanziert?, ebenda; Wagenführ, Rolf, Die deutsche Industrie im Kriege 1939 — 1945(1. Aufl. 1954 o. Verf.); Welter, Erich, Falsch und richtig planen, Heidelberg 1954; Huppert, Walter, Wirtschaftslenkung, Meisenheim/Glan 1955; Bräutigam, Otto, Überblick über die besetzten Ostgebiete während des zweiten Weltkrieges ( = Bd. 3 der Studien des Instituts für Besatzungsfragen, Tübingen), Tübingen 1957; Federau, Fritz, Der zweite Weltkrieg. Seine Finanzierung in Deutschland, Tübingen 1962. 20 s. besonders Herdeg, Walter, Grundzüge der deutschen Besatzungsverwaltung in den west- und nordeuropäischen Ländern während des zweiten Weltkrieges, Tübingen 1953 (Nr. 1); Bräutigam, Otto, Überblick über die besetzten Ostgebiete während des zweiten Weltkrieges, Tübingen 1954 (Nr. 3); v. Streng, Heinz, Die Landwirtschaft im Generalgouvernement, Tübingen 1955 (Nr. 6); Ulshöfer, Otfried, Einflußnahme auf Wirtschaftsunternehmungen in den besetzten nord-, west- und südosteuropäischen Ländern während des zweiten Weltkrieges, insbesondere der Erwerb von Beteiligungen (Verflechtung), Tübingen 1958 (Nr. 15); Gerber, Berthold, Staatliche Wirtschaftslenkung in den besetzten und annektierten Ostgebieten während des zweiten Weltkrieges unter besonderer

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dem Vernehmen nach inzwischen aufgelöste — Institut stand unter dem Patronat von ehemaligen Nazidiplomaten und Kriegsverbrechern wie Otto Bräutigam und Werner Best und galt als inoffizieller Ableger des bundesdeutschen Auswärtigen Amtes. Die in seinen Publikationen mit wissenschaftlichem Anspruch vorgetragene massive, juristisch-spitzfindige Apologetik sollte die nunmehr im NATO-Stil betriebene „europäische" Politik des westdeutschen Staates und deren Vertreter abschirmen. Die reaktionäre westdeutsche Geschichtsschreibung übernahm allgemein die Funktion, das kapitalistisch-imperialistische Wesen der deutschen Kriegswirtschaft, insbesondere ihren staatsmonopolistischen Charakter und die verbrecherische Rolle der Monopole zu verschleiern. Die deutsche Wirtschaft der gesamten faschistischen Zeit firmiert bei ihr bis heute weitgehend als „totalitäre Zwangswirtschaft" unter dem Diktat der Nazipartei, in der das „freie Unternehmertum" zunehmend zurückgedrängt und seine Initiative erstickt worden sei. Die „Totalitarismus"-Doktrin bietet ihr die willkommene Handhabe dafür, die „Zwangswirtschaft" des Faschismus und den Faschismus überhaupt ohne jede Rücksicht auf wissenschaftliche Exaktheit und Sauberkeit mit dem Sozialismus und mit der sozialistischen Planwirtschaft gleichzustellen, um beiden gegenüber die manipulierten Gaukelbilder der „freien Wirtschaft", der „offenen Gesellschaft", der „Gemeinschaft der freien Welt" usw. im Schwang zu halten. Diese Vergewaltigung der Wissenschaft wird zum Vorwand für den Versuch genommen, die Geschichte der Wirtschaft von 1933 bis 1945 oder wenigstens die Geschichte der Kriegswirtschaft als Gebiet ernsthafter wissenschaftlicher Untersuchung überhaupt zu eliminieren. Einer wissenschaftlichen Analyse wird die Kriegszeit verschiedentlich gar nicht für würdig befunden. 2 1 Überhaupt wird in den zahlreichen allgemeinhistorischen Überblicks werken die wirtschaftshistorische Thematik, wenigstens für die Kriegszeit, weitgehend ausgespart und nachgerade unterschlagen. Die Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft zeigt in unvergleichlicher Intensität Wesenszüge staatsmonopolistischer Herrschaft des Finanzkapitals; sie offenbart die unersättliche Profit- und Expansionsgier der Monopole, ihre maßgebliche Beteiligung an der Kriegsplanung und Kriegszielplanung, ihre unmittelbare Beteiligung am Raub fremden Eigentums, an der Ausbeutung von ausländischen Zwangsarbeitern und von KZ-Häftlingen und an anderen Kriegsverbrechen. Hierin liegt der wichtigste Grund für die allgemeine Verschweige- und Ahleugnetaktik der reaktionären bürgerlichen Geschichtsschreibung — eine Form bewußter Verfälschung — gerade auf diesem Gebiet, auf dem sie indes mit den Forschungsergebnissen der marxistischen Historiker unausweichlich konfrontiert wird. In den letzten Jahren ist nun ein bemerkenswerter Auftrieb in der wirtschaftshistorischen Publikationstätigkeit für die Zeit von 1933 bis 1945 zu verzeichnen. Tonangebende bürgerliche Historiker wie Ilillgruber und Jacobsen erheben seit, einiger Zeit ausdrücklich die Forderung, die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der faschistischen Zeit näher zu erforschen. 22 Mit Sicherheit sind es die Fortschritte der marxistischen Forschung und der Berücksichtigung der treuhänderischen Verwaltung von Unternehmungen und der Ostgesellschaften, Tübingen 1959 (Nr. 17); Denzel, Rosemarie, Die Chemische Industrie Frankreichs unter der deutschen Besetzung im zweiten Weltkrieg, Tübingen 1959 (Nr. 18); Weinmann, Manfred, Die Landwirtschaft in Frankreich während des zweiten Weltkrieges unter dem Einfluß der deutschen Besatzungsmacht, Tübingen 1961 (Nr. 20). 2 1 s . Rubbert, Hans-IIeinrich, Die „gelenkte Marktwirtschaft" des Nationalsozialismus. Ein Literaturbericht, in: Hamburger J b . f. Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Jg. 8 (1963). S. 234.

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Druck ihrer Ergebnisse, die an hervorragender Stelle dahin gewirkt haben, daß die bürgerliche Geschichtsschreibung sich zunehmend mit diesem von ihr bisher weithin gemiedenen Forschungsgebiet beschäftigt. Die bisher erschienenen Veröffentlichungen können ihrer Konzeption nach im groben zwei verschiedenen Varianten bürgerlich-imperialistischer Ideologie zugeordnet werden. Weithin bietet sich die alte, dick aufgetragene Apologetik dar 2 3 , getränkt mit reichlichem, vielfach interessantem Material. Was Birkenfeld, neuerdings Janssen 2 4 und teilweise auch Milward 25 unternehmen, ist der massive Versuch einer Ehrenrettung maßgeblicher Kräfte des staatsmonopolistischen Systems der Kriegswirtschaft (Thomas, Speer, Krauch, Todt) und einer überwiegend positiven „Würdigung" dieses Systems als ganzen. Unter der Fülle des beigebrachten Materials sucht man vergebens gerade die Tatsachen und Entwicklungsfäden, die für den vorhin skizzierten Grundcharakter der deutschen Wirtschaft unter dem Faschismus und im Krieg bezeichnend sind. Birkenfeld und Janssen setzen in „seriöser" historischer Aufmachung das Werk der Kehrl, Bräutigam, Weiter und Wagenführ fort und stellen mit ihren Grundthesen auf dem Wege einer weiteren „Öffnung nach rechts" die unmittelbare Verbindung und den Übergang zu den Auslassungen neonazistischer Skribenten wie Kannapin und Pfahlmann 2 8 her. I n der mehr oder weniger klaren Einsicht, daß unter dem Druck der marxistischen Forschung mehr Elastizität und gewisse Zugeständnisse erforderlich sind, wenn man dem Gegner dieses Gebiet der Forschung und der ideologischen Beeinflussung nicht vollständig überlassen will, nimmt eine wachsende Zahl von bürgerlichen Historikern aber auch offenkundig zu scheinbar neuen Theorien Zuflucht, die größeren Spielraum für eine offensive Haltung gegenüber der marxistischen Historiographie schaffen sollen. Teilweise grenzen sich diese Historiker und Soziologen, die sich selbst als soziologisch-historische Richtung verstehen, von den „konservativen" Schulen, d. h. von den Vertretern der „Totalitarismus"-Theorie, ausdrücklich ab und bekämpfen sie sogar in bestimmten Fragen. Auf dem Gebiet der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung „entdecken" sie überhaupt vielfach erst, daß sich hier vieles und historisch Wichtiges ereignet hat. Die neuere Richtung ergänzt den subjektiven Idealismus durch eine Spielart des objektiven Idealismus in der Geschichtsbetrachtung und Geschichtsschreibung. Es handelt sich theoriengeschichtlich um eine Rezeption neokantianistischer Auffassungen, vor allem in der Form der geschichtsphilosophischen und soziologischen Grundgedanken Max Webers,

22 s. Jacobsen, Hans-Adolf, Zur Konzeption einer Geschiehte des Zweiten Weltkrieges 1939-1945, F r a n k f u r t a. M. 1964, S. 14; Hillgruber, Andreas, Hitlers Strategie. Politik und Kriegführung 1940-1941, Frankfurt a. M. 1965, S. 73 Anm., 87, 531; Probleme des Zweiten Weltkrieges, hsg. v. Andreas Hillgruber, Köln/Berlin 1967, S. 11. 23 Besonders Birkenfeld, Wolfgang, Der synthetische Treibstoff 1933—1945, Göttingen 1964; derselbe, Einleitung zu: Thomas, Georg, Geschichte der deutschen Wehr- und Rüstungswirtschaft (1918-1943/45), Boppard 1966; Birkenfeld, Wolfgang, Deutsche Rohstoffpolitik im Zweiten Weltkrieg, Göttingen (angekündigt). 24 Janssen, Gregor, Das Ministerium Speer, Frankfurt a. M./Berlin (West) 1968. 25 Milward, Alan S., Die deutsche Kriegswirtschaft 1939—1945, Stuttgart 1966 (engl. Originalausg.: The German Economy at War, London 1965). 26 Kannapin, Hans-Eckhardt, Wirtschaft unter Zwang, Köln 1966; Pfahlmann, Hans, Fremdarbeiter und Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft 1939—1945. Darmstadt 1968.

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die auch bei Philosophen, Soziologen, Ökonomen und „Politologen" Platz greift. 27 Diese Theorie arbeitet bestimmte Gruppen und Faktoren heraus — wie „Wirtschaft", Partei, Wehrmacht, Ministerialbürokratie, oder, differenzierter, Großindustrie, SS usw. — und läßt sie alle als mehr oder weniger „autonome Gruppen" (Nolte) am geschichtlichen Prozeß beteiligt sein. Solche Gruppen — als vorgefaßte Ideen, Idealtypen — sind nun auf die vielfältigste Weise kombinierbar und der geschichtliche Gesamtprozeß auf solche Art weitgehend manipulierbar. Webers Kategorien- und Typenlehre ebenso wie sein Postulat von der „Wertfreiheit der Wissenschaft" und ihrer Kategorien erleichtern es deren Verfechtern gerade auf wirtschaftshistorischem Gebiet, Tatsachen und wissenschaftliche Aussagen, beispielsweise über die Rolle der Monopole, über ihr Zusammenwirken und -wachsen mit dem faschistischen Staat usw., zur Kenntnis zu nehmen, sie aber so zu verarbeiten, daß ihre Existenz als „wertfrei", d. h. als klassenindifferent erscheint. Jede revolutionäre Nutzanwendung daraus wird damit als unwissenschaftlich verdammt. Erklärter Anhänger und profiliertester Vertreter dieser Richtung auf wirtschaftshistorischem Gebiet ist Arthur Schweitzer. 28 Die Max-Weber-Rezeption bestimmt auch die Linie wichtiger westdeutscher Publikationen aus jüngster Zeit. 29 Bei näherer Betrachtung ähnelt freilich das Schlußresultat, zu dem die neuere Richtung bei der Beurteilung der faschistischen Periode gelangt, geradezu aufs Haar demjenigen der „konservativen" Verfechter der „Totalitarismus"-Theorie. Auch sind Übergänge zwischen beiden Varianten unschwer festzustellen. Entweder werden die „Klassen", Gruppen und Machtfaktoren immer weiter zerlegt und differenziert, bis nurmehr Subjektivismus und personalistische Willkür als Prinzipien der Erklärung historischer Vorgänge übrig bleiben; oder man läßt fortgesetzt einen Machtfaktor den anderen, eine „autonome Gruppierung" die andere verdrängen oder entmachten, bis — so von Nolte bis Schweitzer — die „Partei" das Feld behält und damit die These von der totalitären Parteidiktatur retabliert ist. Zweifellos m u ß jedoch die „soziologisch-historische" Richtung als die elastischere und gerade wegen ihres wissenschaftlichen Aussehens und Operierens mit wissenschaftlichen Begriffen (Klassen, Interessengruppen, Machtfaktoren) als eher gefährlichere Variante bürgerlich-imperialistischer Geschichtsschreibung qualifiziert werden. Als Mittel der theoretischen Aufweichung, der ideologischen und methodologischen Unterwanderung wird sie die zunehmende, erhöhte Aufmerksamkeit der marxistischen Historiker beanspruchen. 27 s. dazu Streisand, Joachim, Max Weber: Politik, Soziologie und Geschichtsschreibung, in: Studien über die deutsche Geschichtsschreibung, Bd. 2, Berlin 1965; Rose, Günther, Zur Genesis und Funktion der Theorie der „Industriegesellschaft", i n : Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, H. 1/1967, S. 21ff. 28 Schweitzer, Arthur, Big Business in the Third Reich, Bloomington, Ind., 1964; von Schweitzers zahlreichen Aufsätzen s. bsd. derselbe, Business Power under the Nazi Regime, in: Ztschr. f. Nationalökonomie, H. 3—4/1960, S. 414ff. — In der anglo-amerikanischen Geschichtsschreibung ist der Einfluß der bürgerlichen Soziologie, besonders auch der Weber'schen Richtung, weder vereinzelt noch ein Novum; s. beispielsweise die Arbeiten Hallgartens. 29 Besonders sind zu nennen Hiügruber, Andreas, Hitlers Strategie. Politik und Kriegführung 1940—1941, F r a n k f u r t a. M. 1965; Petzina, Dieter, Autarkiepolitik im Dritten Reich. Der nationalsozialistische Vierjahresplan, Stuttgart 1968; vgl. auch Schulz, Gerhard, Geschichtliche Theorie und politisches Denken bei Max Weber, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, H . 4/1964, S. 325ff.

Quellen- und Literaturverzeichnis

I. Q u e l l e n 1.

Archivalien

a) Deutsches Zentralarchiv, P o t s d a m [DZA Potsdam] Reichswirtschaftsministerium Reichsarbeitsministerium Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda IG Farbenindustrie AG (NW 7) Nürnberger Prozesse, Fall X I (Vereinigte Staaten gegen Ernst v. Weizsäcker und Genossen) [Fall X I ] Nachlaß Herbert von Dirksen Filmsammlung [DZA/FS]: Milch-Prozeß (Vereinigte Staaten gegen Erhard Milch) [Fall II] Flick-Prozeß (Vereinigte Staaten gegen Friedrich Flick und Genossen) [Fall V] IG-Farben-Prozeß (Vereinigte Staaten gegen Carl Krauch und Genossen) [Fall VI] Krupp-Prozeß (Vereinigte Staaten gegen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Genossen) [Fall X ] b) Bundesarchiv, Koblenz Reichswirtschaftsministerium (R 7) Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie (R 13 I) c) Archiwum Glöwnej K o m i s j i B a d a n i a Zbrodni Hitlerowskich w Polsce, Warschau [ G K ] IG-Farben-Prozeß, Protokoll, Beweisvortrag des Anklägers (in englischer Sprache) [Fall VI, Protokoll] Milch-Prozeß, Dokumentenbände [Fall II] Flick-Prozeß, Dokumentenbände [Fall V] IG-Farben-Prozeß, Dokumentenbände [Fall VI] Krupp-Prozeß, Dokumentenbände [Fall X ] d) Wojewödzkie Archiwum PaAstwowe w Katowicach, Katowice [WAP Katowice] Oberschlesischer Berg- und Hüttenmännischer Verein, Gleiwitz Oberschlesisches Institut für Wirtschaftsforschung, Kattowitz

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Stahlwerksverband, Verbindungsstelle Kattowitz Berghütte Cieszyn Bergwerksverwaltung Oberschlesien GmbH der Reichswerke „Hermann Göring", Hauptverwaltung Kattowitz

Oddzial Terenowy w Gliwieach. Gliwice fOTGJ Graf von Ballestrem'sche Güterdirektion Oberhütten (Vereinigte Oberschlesische Hüttenwerke AG), Gleiwitz

e) Wojewödzkie Archiwum Panstwowe we Wroclawiu, Wroclaw [WAP Wroctaw] Regierung Breslau Georg von Giesche's Erben

f) Deutsches Wirtschaftsinstitut, Berlin [DWI] Akten der Deutsche Bank AG (Fotokopie des Originals)

g) Vereinigtes Betriebsarchiv (früher: Wirtschaftsfacharchiv) der Kaliindustrie, Staßfurt [ W F A VVB Kali] Akten der Salzdetfurth AG h) Betriebsarchiv des V E B Mansfeldkombinat „Wilhelm Pieck", Eisleben [BA Mansfeld] Akten der Mansfeldscher Kupferschieferbergbau AG

i) Betriebsarchiv des V E B Filmfabrik „Orwo", Wolfen [BA Wolfen] Akten der Agfa Wolfen (2 Aktenbände)

2. Gedruckte

Quellen

Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918—1945. Aus dem Archiv des deutschen Auswärtigen Amtes, Serie D Anatomie des Krieges. Neue Dokumente zur Rolle des deutschen Monopolkapitals bei der Vorbereitung und Durchführung des zweiten Weltkrieges, hsg. v. D. Eichholtz und W. Schumann, Berlin 1969

(J uellcn- und Literaturverzeichnis

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CzoUek, Roswitha/Eichholtz, Dietrich, Die deutschen Monopole und der 22. Juni 1941, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, H. 1/1967 Deutschland, im Kampf, hsg. v. A. J. Berndt/v. Wedel, Berlin 1939/40U. Documents on British Foreign Policy 1919—1939, Series 3, Band 5, London 1952 Dokumente und Materialien aus der Vorgeschichte des zweiten Weltkrieges, hsg. v. Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der UdSSR, Band 2: Das Archiv Dirksens (1938— 1939), Moskau 1949 Dokumente der deutschen Politik, Reihe: Das Reich Adolf Hitlers, hsg. v. F. A. Six, Berlin 1935 ff. Drobisch, Klaus, Dokumente zur direkten Zusammenarbeit zwischen Flick-Konzern und Gestapo bei der Unterdrückung der Arbeiter, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1963, T. 3 Eichholtz, Dietrich, Die IG-Farben-„Fricdensplanung". Schlüsseldokumente der faschistischen „Neuordnung des europäischen Großraums", in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, 1966, T. 3 (s. Anhang zu vorliegendem Band) Emessen, T. R., Aus Görings Schreibtisch. Ein Dokumentenfund, Berlin 1947 Fall 5, Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des Flick-Prozesses, hsg. v. K.-1I. Thieleke, Berlin 1965 Halder, Generaloberst (Franz), Kriegstagebuch. Tägliche Aufzeichnungen des Chefs des Generalstabes des Heeres 1939—1942, 3 Bände, Stuttgart 1962 ff. Hitler, Adolf, Libres Propos sur la guerre etla paix recueillis sur l'ordre de Martin Bormann (fzs. Fassg. v. F. Genoud), Paris 1952 IC-Farben, Auschwitz, Massenmord. Über die Blutschuld der IG-Farben. Dokumentation zum Auschwitz-Prozeß, 2. erw. Aufl., o. 0., o. J . Kriegspropaganda 1939—1941. Geheime Ministerkonferenzen im Rcichspropagandaministerium, hsg. v. W. A. Boelcke, Stuttgart 1966 Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab) 1940—1945), Band 1, Frankfurt a. M. 1965 Meldungen aus dem Reich. Auswahl aus den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS 1939-1944, hsg. v. H. Boberach, Neuwied/Berlin 1965 Mitteilungsblatt des Reichskommissars für die Preisbildung Narodnoe chozjajstvo SSSR v 1964 g. Statisti£eskij ezegodnik, Moskau 1965 Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, 42 Bände, Nürnberg 194711. [IMT] Heichsarbeitsblatt lleichsgesetzblatt Statistisches Handbuch von Deutschland 1928—1944, München 1949 Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich Treue, Wilhelm, Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936, in: Vicrteljahrshefte für Zeitgeschichte, H. 2/1955 Trials of War Criminals before the Nuernberg Military Tribunals under Control Council Law No. 10, 15 Bände, Washington 1949 ff. Das Urteil im IG-Farben-Prozeß, Offenbach a. M. 1948 Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozeß, hsg. v. Robert M. W. Kempner u. Carl Haensel, Schwäbisch Gmünd 1950 Vogelsang, Thilo, Neue Dokumente zur Geschichte der Reichswehr 1930—1933, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, H. 4/1954 26 Eichholtz, Kriegswirtschaft I

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Wirtschaft und Statistik, Iisy. v. Statistischen Reichsamt Der Vierjahresplan Völkischer Beobachter Der deutsche Volkswirt Die Deutsche Volkswirtschaft

II. Literatur 1. Zeitgenössische

Literatur,

Tagebücher,

Memoiren

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Dietrich Eichholtz

Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945

Bandi: 1939-1941 Band II/1 und 2: 1941-1943 Band III/1 und 2: 1943-1945

Dietrich Eichholtz

Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1 9 3 9 - 1 9 4 5

Band II: 1941-1943 Mit einem Kapitel von Joachim Lehmann

Teil 1

K - G Saur München 1999

Die vorliegende Ausgabe ist ein Nachdruck des von 1969 bis 1996 im Akademie - Verlag, Berlin, erschienenen dreibändigen Werkes, ergänzt durch ein Vorwort, Kritische Randbemerkungen und ein Gesamtregister: Band I: 3., durchgesehene Auflage 1984, Band II: 1985, Band III: 1996.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939 - 1945 / Dietrich Eichholtz. - Durch ein Vorw. und ein Gesamtregister erg. Nachdruck des dreibändigen Werkes, Berlin, Akad.-Verl., 1969 bis 1996. - München : Saur ISBN 3-598-11428-1 Bd. 2. 1941 - 1943 / mit einem Kapitel von Joachim Lehmann Teil 1. - (1999) © Gedruckt auf säurefreiem Papier © 1999 by K. G. Saur Verlag GmbH & Co. KG, München Part of Reed Elsevier Printed in the Federal Republic of Germany Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlags ist unzulässig Druck: Druckhaus Beltz, Hemsbach ISBN 3-598-11428-1 (5 Bände)

Übersicht zur Gesamtausgabe

BAND I Vorwort zur Gesamtausgabe 1999 Kritische Randbemerkungen (von Gustavo Corni) Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung zur dritten Auflage Vorwort Einleitung I Die wirtschaftliche Ausgangsbasis des deutschen Imperialismus für den zweiten Weltkrieg. Die Kriegsziele der deutschen Monopole II Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn III Kriegswirtschaftliche Schwierigkeiten und Ergebnisse 1939/40. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat IV Die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa V Die wirtschaftliche Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion Anhang Dokumente zur „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes" (1940, 1941) Bemerkungen zur Bibliographie Quellen- und Literaturverzeichnis B A N D H/1 Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis I Der Überfall des faschistischen deutschen Imperialismus auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen II Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts. Konzentration der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt III Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept des deutschen Imperialismus IV Die Arbeitskräftesituation. Zur Lage der deutschen Werktätigen und ausländischen Zwangsarbeiter

VI

Übersicht zur Gesamtausgabe B A N D II/2

Inhaltsverzeichnis V Rationalisierung und Kriegsproduktion VI Zur Kriegsziel- und Okkupationspolitik des deutschen Imperialismus VII Kapitalkonzentration und Kriegsprofit VIII Die deutsche Landwirtschaft im Kriege (von Joachim Lehmann) Anhang 1. Ausstoß-Übersicht 1940-1944: Waffen, Geräte und Munition 2. Ausschüsse und Ringe des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition (Stand Mitte Juli 1943) [Beilage] 3. Aufgabenverteilung beim Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion und Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan nach dem Erlaß über die Aufgabenverteilung in der Kriegswirtschaft vom 29. Oktober 1943 [Beilage] 4. Verzeichnis der Tabellen 5. Quellen- und Literaturverzeichnis BAND m/1 Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis I Das Krisenjahr 1944. Klimax und Verfall der kriegswirtschaftlichen Organisation II Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen III Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter (Studien) IV Zerfall des Okkupationssystems (Studien) BAND m / 2 Inhaltsverzeichnis V Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg (von Berthold Puchert) VI Wirtschaftliche Vorbereitungen auf das Kriegsende und Nachkriegsplanungen (von Karl Heinz Roth) VII Agonie und Katastrophe 1945 VIII Die Kriegsfinanzierung (von Manfred Oertel) Anhang 1. Koautoren des Buches 2. Verzeichnis der Tabellen 3. Quellen- und Literaturverzeichnis Die von der Reichsschuldenverwaltung ausgewiesene Reichsschuld [Beilage] Register zur Gesamtausgabe

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Abkürzungsverzeichnis KAPITEL I

XIII

Der Überfall des faschistischen deutschen Imperialismus auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen 1. Kriegszielvorstellungen und wirtschaftliche Ausgangsbasis für den Überfall auf die UdSSR a) Die UdSSR im Kriegszielprogramm des deutschen Imperialismus b) Der Stand der Rüstung beim Überfall auf die UdSSR 2. Die „Umrüstung" vom Sommer 1941 und ihr Scheitern a) Das „Göringprogramm" b) Ansätze zur „Umrüstung" c) Die Krise des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts d) Die Legende von den verpaßten kriegswirtschaftlichen Möglichkeiten

KAPITEL II

XI

1 4 11 18 25 36

Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts. Konzentration der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt 1. Auswirkungen der Niederlage vor Moskau 2. Die Reorganisation des Systems staatsmonopolistischer Machtorgane in der Kriegswirtschaft (Zweite Phase) a) Die Reorganisation des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition Bis zum 8. Februar 1942 Der Ministerwechsel Höhepunkt der Reorganisation (Frühjahr 1942) b) Fritz Sauckels Ernennung zum „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz" c) Die Konstituierung der „Zentralen Planung" „Neuordnung der Eisenbewirtschaftung" d) Die Bildung der Reichsvereinigung Eisen 3. Der Ausbau der staatsmonopolistischen Position des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition. Rüstungskommissionen und Gauwirtschaftskammern a) Erweiterung der „Mittelinstanz" des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition b) Verzögerte Bildung von Gauwirtschaftskammern 4. Veränderungen in Funktion und Struktur des Regulierungsmechanismus in der Kriegswirtschaft a) Staatsmonopolistische Machtkonzentration und faschistische Partei .. b) Das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition und die Reichsgruppe Industrie

41

47 49 55 63 74 79 84 86

92 94 98 104 111 113

Vili

Inhalt

KAPITEL III Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept des deutschen Imperialismus 1. Auswirkungen der Niederlagen des Winters 1942/43 a) Frontverluste und Rüstungsprogramme b) Die kriegswirtschaftliche Konzeption im „Totalen Krieg" Kapitalistische Rationalisierung Weitere Konzentration der Regulierungsgewalt Bestrebungen zur Zusammenfassung der „europäischen Wirtschaftsund Rüstungskapazität"

118 124 127 131 136

2. Konzentration der Regulierungsgewalt im Sommer/Herbst 1943 a) Kriegswirtschaftliche Folgen des Zusammenbruchs der Defensivstrategie des deutschen Imperialismus b) Reorganisation des staatsmonopolistischen Apparats in der Kriegswirtschaft (Dritte Phase) „Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion" Das Planungsamt Der „Generalbeauftragte für Betriebsumsetzungen" Beginn der Untertageverlagerung (A4) Besetzte Gebiete Der „Bandwurmerlaß" Reorganisation des Reichswirtschaftsministeriums

146 148 150 154 157 162 164

3. Die Machtvollkommenheit des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion und ihre Grenzen a) „Zentralstelle" der Kriegswirtschaft b) Der „Eiserne Pakt". Auftritt in Posen c) Politische Ambitionen

168 169 173 176

139

KAPITEL IV Die Arbeitskräftesituation. Zur Lage der deutschen Werktätigen und ausländischen Zwangsarbeiter 1. Arbeitskräfteprobleme 1941/42. Der „Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz" a) Arbeitskräftepolitik im Sommer/Herbst 1941 Das Instrumentarium der Arbeitskräftebeschaffung 1941 Chaotische Arbeitskräfte„planung" nach dem 22. Juni b) Die Einrichtung des Zwangsarbeitsregimes für die Arbeitskräfte aus der UdSSR Die Initiative der Rüstungsmonopole Der Hitler-Erlaß vom 31. Oktober und die Richtlinien Görings vom 7. November 1941 c) Die Krise (Dezember 1941 - Februar/März 1942) Das Dilemma der faschistischen Arbeitskräftepolitik Der „Schlüsselkräfte"-Erlaß vom 19. Februar 1942 Die Vorgeschichte des GBA d) Programm und Politik des GBA 1942 „Ausnutzung der Arbeitskraft des Ostens" Mobilisierung von Frauen und Jugendlichen e) Lebens- und Arbeitsbedingungen der sowjetischen Zwangsarbeiter Isolierung und politische Quarantäne

179 180 182 186 190 193 196 198 203 205 210 211 212

Inhalt

IX Ernährung Entlohnung f) „Vernichtung durch Arbeit"

214 217 220

2. „Totaler Krieg" - partielle Mobilisierung (1943) a) Meldepflicht- und Stillegungsaktion b) Die Mobilisierungskonzeption des Reichsministers für Bewaffnung und Munition c) Stockender Zufluß ausländischer Zwangsarbeiter d) Bilanz der Verschleppung und Ausbeutung

232 237 243

3. Probleme der Arbeits- und Lebensbedingungen deutscher Arbeitskräfte a) Terror, Korrumpierung und Manipulierung b) Arbeitsbedingungen und Arbeitsproduktivität im Kriege

248 249 259

4. Das Zwangsarbeitsregime 1943 a) Ausbeutung und Terror b) „Sorgfältige Bewirtschaftung und Erhaltung der menschlichen Arbeitskraft" c) Das Ideal imperialistischer Ausbeutung

267 268 275 281

Exkurs: Bemerkungen zur Geschichte des Widerstandes der Zwangsarbeiter

288

226

Vorwort

Mit dem vorliegenden Band wird nach längerer, durch die Mitarbeit des Verfassers an anderen Publikationen verursachter Unterbrechung das auf drei Bände angelegte Vorhaben einer Geschichte der deutschen Wirtschaft im zweiten Weltkrieg fortgeführt. Das Gesamtprojekt stellt die erste geschlossene, umfassende marxistische Untersuchung der Thematik und damit grundlegender Aspekte der Strategie und Politik der herrschenden Klasse im Imperialismus, besonders der aggressivsten und reaktionärsten Elemente des Finanzkapitals, dar. Fundamentales Anliegen der Arbeit ist die Aufdeckung der zum Krieg treibenden und am Krieg interessierten Kräfte und ihrer verbrecherischen Methoden. Die Untersuchung hat die materiellen Grundlagen für die Kriegführung des faschistischen •deutschen Imperialismus und darüber hinaus die Gesamtheit jener ökonomischen Kräfte und Interessen zum Gegenstand, die dem imperialistischen Drang nach Reaktion und Gewalt, nach Ausbeutung, Expansion, Eroberung und Krieg zugrunde liegen und die in letzter Instanz für die imperialistische und faschistische Politik und Ideologie überhaupt ursächlich verantwortlich sind. Damit wird das Vorhaben einer äußerst aktuellen politischen Aufgabenstellung gerecht und bewegt sich auf einem zentralen Feld der Auseinandersetzung mit den friedensgefährdenden imperialistischen Kräften der Gegenwart. Im zweiten Band erstreckt sich die Untersuchung auf jenen wichtigsten Abschnitt des Krieges, der mit dem verbrecherischen Überfall auf die U d S S R begann und in dem an der deutsch-sowjetischen Front über Sieg oder Niederlage des deutschen Imperialismus und Faschismus entschieden wurde. Unter wirtschaftshistorischem Gesichtswinkel betrachtet, reicht sie von der höchsten Entfaltung und dem unmittelbar folgenden Fiasko des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts bis zum Höhepunkt der Machtkonzentration bei der Rüstungsorganisation des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion im Herbst 1943. An der Grundkonzeption des Gesamtwerks hat sich nichts geändert. Die im ersten Band behandelten Hauptprobleme und sachlichen Schwerpunkte werden im zweiten Band weitergeführt (Entwicklung des staatsmonopolistischen Regulierungsmechanismus; Lage der Werktätigen einschließlich der ausländischen Zwangsarbeiter; Kriegszielprogrammatik und -planung des deutschen Finanzkapitals; Wirtschaftspolitik in den okkupierten Gebieten), wobei unterschiedliche Gewichtung, eine knappere Behandlung hinreichend untersuchter und die Konzentration auf wesentliche neue und umstrittene Fragen geboten erschienen. Wo der Autor über bestimmte Erkenntnisse des ersten Bandes hinausgewachsen ist, wird das im vorliegenden Band, soweit möglich, an entsprechender Stelle angemerkt. Neue thematische Schwerpunkte, die hier zusammenfassend bzw. längsschnittartig be-

XII

Vorwort

handelt werden, finden sich in den Kapiteln V, VII und VIII. Andere müssen dem dritten Band vorbehalten bleiben. * Die Quellengrundlage für den Band hat sich im Vergleich zum ersten noch stark verbessert, vor allem dank der vielfältigen Bemühungen der Staatlichen Archivverwaltung der DDR. Von den zahlreichen Personen und Institutionen, denen der Verfasser für Rat und Kritik Dank schuldet, seien an dieser Stelle nur die stets hilfsbereiten Mitarbeiter des Zentralen Staatsarchivs der DDR (Potsdam) genannt. Für umfangreiche wissenschaftlichtechnische Mitarbeit und Hilfeleistung gebührt Frau Jutta Grimann, Frau Melitta Heibig und Herrn Eckhard Kruggel Dank. Dietrich Eichholtz

* Vorveröffentlichungen des Verfassers aus dem vorliegenden Band, die nur in besonderen Fällen zitiert werden, stellen drei Aufsätze (Dokumentationen) im Jahrbuch für Geschichte und zwei Artikel in der Zeitschrift Militärgeschichte dar (s. Literaturverzeichnis). Die Kapitel über die Kriegswirtschaft in Deutschland im zweiten Weltkrieg (6 Bände, Berlin 1974 ff.) werden ebenfalls nur in besonderen Fällen zitiert.

Abkürzungsverzeichnis

A4 AA Abt. AEG AEI AFA Affid. AG AGK AN AO AR ATG BA BdE Beih. BfV BHO BMW B S W (russ.) DAF DAP DCGG Div. (n) DNB DR DRA DRK DVO DWM DZW Esge Esl FAP FB Fe (-Legierungsmetalle) FH Fi

Aggregat 4 (Codebezeichnung für Rakete V 2) Auswärtiges Amt Abteilung Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft Arbeitseinsatz — Ingenieur(e) Accumulatoren-Fabrik AG (Konzern) Affidavit (Erklärung unter Eid) Aktiengesellschaft Ausfuhrgemeinschaft für Kriegsgerät Aktennotiz, -vermerk Anordnung Aufsichtsrat Allgemeine Transportanlagen GmbH, Leipzig Bundesarchiv Befehlshaber des Ersatzheeres Beiheft Beauftragter für den Vierjahresplan Berg- u. Hüttenwerksgesellschaft Ost mbH Bayerische Motoren-Werke AG Brüderliche Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen Deutsche Arbeitsfront Deutsche Agrarpolitik Deutsche Continental Gasgesellschaft Division(en) Deutsches Nachrichtenbüro Dienstnachrichten des Reichsnährstandes Deutscher Reichs-Anzeiger und Preußischer Staats-Anzeiger Deutsches Rotes Kreuz Durchführungsverordnung Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG Deutschland im zweiten Weltkrieg (s. Literaturverz.) Eisen- und Stahlgemeinschaft Eisen schaffende Industrie Fremdarbeiterpolitik des Imperialismus „Führerbesprechung(en)" (s. Quellenverz.) Ferrum [Eisen] (-Legierungsmetalle) Feldhaubitze Fieseier

XIV Flam. W. FS FW GB GBA GB Bau GB Chemie; GB Chem. GBN GB Rüst Geb. Gesch. GEC Gen. m a j . Gen Qu; G Qu Gen StaH gep. Gestapo Gew. GfB GFM GG Gl GIWE GKBZHP GL (M) GmbH GPO GrW GWIC GWKAV GWKVO GWU HA Hasag He HGW HPA HR HRüst/BdE (Chef HRüst/BdE) hs. HTO II WA IAR I.G.; Inf. G. IG (Farben) IHK IMG Inf. jato JfG

Abkürzungsverzeichni» Flammenwerfer Filmsammlung (s. Quellenverz.); Fernschreiben Focke-Wulf Generalbevollmächtigte (r) Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz Generalbevollmächtigter für die Regelung des Bauwesens Generalbevollmächtigter für Sonderfragen der chemischen Erzeugung Generalbevollmächtigter für das Nachrichtenwesen Generalbevollmächtigter für Rüstungsaufgaben (im Vierjahresplan) Gebirgsgeschütz(e) General Electric Comp. Generalmajor Generalquartiermeister Generalstab des Heeres gepanzert Geheime Staatspolizei Gewehre Generalbeauftragter für Betriebsumsetzungen Generalfeldmarschall Generalgouvernement Generalinspektor Generalinspektor für Wasser und Energie (Archiv der) Glöwna Komisja Badania Zbrodni Hitlerowskich w Polsce(Warschau) Generalluftzeugmeister Gesellschaft mit beschränkter Haftung Generalplan Ost Granatwerfer Gauwirtschaftskammer(n) Gauwirtschaftskammeraufbauverordnung Gauwirtschaftskammerverordnung Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Hauptausschuß, -ausschüsse Hugo Schneider AG Heinkel Hermann-Göring-Werke Handelspolitischer Ausschuß (der Reichswirtschaftskammer) Hauptring(e) (Chef der) Heeresrüstung/Befehlshaber des Ersatzheeres handschriftlich Haupttreuhandstelle Ost Heereswaffenamt Internationale Agrarrundschau Infanteriegeschütz Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG Industrie- und Handelskammer(n) Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg (Prozeßmaterialien) Infanterie Tonnen pro Jahr Jahrbuch für Geschichte

Abkürzungsverzeichnis JfW jhl. Ju K Kfz. K L ; KZ Konti ö l KPD KPdSU KTB KVR kW (h) KWK KWVO LAA(LAÄ) Laf. 1. (e) LKW LSÖ MAN MAR MBH M-Boote Me Memo MG MK Mob.Montan moto MP Mrs. MTW Mun. MV MWT Nb. (W.) N E (-Metalle) NNP NSNSBDT NSDAP NSU ObdL ÖAF OKH OKM OKW OT PAFK PG;Pg.

XV Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte jährlich Junkers Karabiner; Kanone Kraftfahrzeug Konzentrationslager Kontinentale ö l AG Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion Kriegstagebuch Kriegsverwaltungsrat Kilowatt(stunden) Kampfwagenkanone Kriegswirtschaftsverordnung (4. 9. 1939) Landesarbeitsamt(ämter) Lafette (n) leichte Lastkraftwagen Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund der Selbstkosten bei Leistungen für öffentliche Auftraggeber Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG Mitglied des Aufsichtsrats Militärbefehlshaber Minensuchboote Messerschmitt Memorandum (Denkschrift) Maschinengewehr Maschinenkanone MobilisierungsVerwertungsgesellschaft für Montan-Industriewerke mbH Tonnen pro Monat Maschinenpistole Mörser Mannschaftstransportwagen Munition Mitglied des Vorstands Mitteleuropäischer Wirtschaftstag Nebel(werfer) Nichteisen (-Metalle) nichtnatürliche Personen Nationalsozialistischer, e, es)Nationalsozialistischer Bund Deutscher Techniker Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Fahrzeugwerk) s. Firmenverz. Oberbefehlshaber der Luftwaffe österreichische Automobil-Fabriks-A.-G. Oberkommando des Heeres Oberkommando der Marine Oberkommando der Wehrmacht Organisation Todt Probleme der Agrargeschichte des Feudalismus und Kapitalismus Parteigenosse

XVI Pist. PKW Pkzl. PWK Pz. J g . Pz. (Kpfwg.) RAD RArb.M R-Boote REF REM RErl. RGBl. RGI RHA RKF RKTL Rkzl. RLA RLM RM RMdJ RMdF RMEL RMfbO RMfBuM RMfRuK RPostM Rs. RSHA RSO RuSHA RTA Rüln RüKdo RVE RVfg(g) RVK RWE RWiM RWK RWKS SA S-Betriebe S-Boote Schnellb. SD SdKfz. SE- Aktion

Abkürzungsverzeichnis Pistolen Personenkraftwagen Parteikanzlei Panzerwagenkanone Panzerjäger Panzer(kampfwagen) Reichsarbeitsdienst Reichsarbeitsminister(ium) Räumboote Rüstungsendfertigung Reichsernährungsministerßum) Runderlaß Reichsgesetzblatt Reichsgruppe Industrie Reichs hauptabteilung Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft Reichskanzlei Rüstungslieferungsamt (des Reichsministeriums f ü r Bewaffnung und Munition) Reichsluftfahrtminister(ium) Reichsmark Reichsmarschall Reichsmimster(ium) der Justiz Reichsminister(ium) der Finanzen Reichsminister(ium) für Ernährung und Landwirtschaft Reichsminister(ium) für die besetzten Ostgebiete Reichsminister(ium) für Bewaffnung und Munition Reichsminister(ium) für Rüstung und Kriegsproduktion Reichpostminister(ium) Rundschreiben Reichssicherheitshauptamt Raupenschlepper Ost Rasse- und Siedlungshauptamt (der SS) Reichstreuhänder der Arbeit Rüstungsinspektion(en); Rüstungsinspekteur(e) Rüstungskommando(s) Reichsvereinigung Eisen Rundverfügung(en) Reichsvereinigung Kohle Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG Reichswirtschaftsminister(ium) Reichswirtschaftskammer Rheinisch-Westfälisches Kohlensyndikat Sonderausschuß Sturmabteilung(en) der NSDAP Sperr-Betriebe oder Schutz-Betriebe Schnellboote S chnellbericht(e) Sicherheitsdienst Sonderkraftfahrzeug(e) Sondereinziehungsaktion

XVII

Abkürzungsverzeichnis SF(L) Sipo SM SPW SR SS SSW StAD StAM StAS StAW StRA Sts. Stu. Gesch. ; StG Stu. Hau. TB TB 26 TB M T-Boote t(o) UAH USSBS VAR VAW VB VDI VEB Verfg(g).;Vfg(g). VfZ v.H. VIAG VO VStW VV V-Waffen WaA Wasag WFSt(b) WiAmt Wifo Wigru Wiln WiRüAmt WK WM WNE(-Plan) WNV(o) WT Wumba WVHA WWiStab 2 Eichholtz II

Selbstfahr[lafette(n)] Sicherheitspolizei Siemens-Martin (Stahl) Schützenpanzerwagen Sondering(e) Schutzstaffel (der NSDAP) Siemens-Schuckertwerke (AG) Staatsarchiv Dresden Staatsarchiv Magdeburg Staatsarchiv Schwerin' Staatsarchiv Weimar Statistisches Reichsamt Staatssekretär Sturmgeschütz(e) Sturmhaubitze Tagebuch Technisches Bataillon 26 (mot.) Bergbau Technische Brigade Mineralöl Torpedoboote Tonnen Universitätsarchiv Halle United States Strategie Bombing Survey Vorsitzer des Aufsichtsrats Vereinigte Aluminiumwerke AG Völkischer Beobachter Verein Deutscher Ingenieure Volkseigener Betrieb Verfügungen) Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte von Hundert (% Angaben) Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG Verordnung Verbindungsoffizier Vereinigte Stahlwerke AG Vorsitzer des Vorstands Vergeltungswaffe (n) (Heeres-)Waffenamt Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff-AG Wehrmachtführungsstab Wehrwirtschaftsamt Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH Wirtschaftsgruppe Wirtschaftsinspektion(en) Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt (des OKW) Wirts chaftskammer(n) Wehrmacht Wehrwirtschaftlicher Neuer Erzeugungsplan Verbindungsoffizier des Wehrmachtsnachrichtenwesens Wehrmachtteil(e) Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt (1. Weltkrieg) Wirtschaftsverwaltungshauptamt (der SS) Wehrwirtschaftsstab

XVIII WZ ZAA ZdR ZfG Zgkw. ZHO ZP-E ZP-P

Abkürzungsverzeichnis Wissenschaftliche Zeitschrift Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie Zeitschriftendienst des Reichsnährstandes Zeitschrift f ü r Geschichtswissenschaft Zugkraftwagen Zentrale Handelsgesellschaft Ost m b H s. Quellenverz. s. Quellenverz.

KAPITEL I

Der Überfall des faschistischen deutschen Imperialismus auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

1. Kriegszielvorstellungen und wirtschaftliche Ausgangsbasis für den Überfall auf die U d S S R a) Die UdSSR im Kriegszielprogramm

des deutschen

Imperialismus

Den ersten sozialistischen Staat zu vernichten war erklärtes Ziel des Weltimperialismus seit 1917. So sehr der deutsche Imperialismus in seinem Streben nach Revanche und Revision der Ergebnisse des ersten Weltkrieges, nach Neuverteilung der Reichtümer und Ressourcen der Erde auf den Widerstand der anderen imperialistischen Mächte stieß, so einhellig begrüßten und begünstigten es diese, daß die reaktionärsten Elemente des deutschen Finanzkapitals als Hauptrichtung der geplanten Aggression den Osten, die U d S S R , proklamierten. Das faschistische Regime erschien ihnen dazu geeignet, die sozialistische Gesellschaftsordnung in jenem Land zu zerstören und die alte, „gottgewollte" imperialistische Ordnung auf dem ganzen Erdball wiederherzustellen, wobei sie darauf spekulierten, der deutsche Konkurrent werde selber geschwächt aus der Auseinandersetzung hervorgehen. Die herrschenden Kreise in Deutschland betrachteten die Vernichtung der Sowjetunion als notwendig, um die revolutionäre Arbeiterbewegung Europas auszulöschen und das eigene Volk, voran die Arbeiterklasse, dauerhaft zu versklaven. Sie rechneten sich zugleich aus, daß die wirtschaftlichen Reichtümer des Sowjetlandes, einmal in ihrer Hand, Deutschland in den Rang einer der größten imperialistischen Weltmächte erheben würden, wohl fähig, den Kampf gegen die anderen Mächte um die Weltherrschaft aufzunehmen. Den reaktionärsten Kräften des Regimes sollte die Aggression gegen die UdSSR, wurzelnd im Klassenantagonismus zwischen Kapitalismus und Sozialismus, „alle Probleme, die sich vor dem deutschen Imperialismus bei seinem erneuten Anlauf zur Erringung der Vorherrschaft in Europa und beim Griff nach der Weltherrschaft aufwarfen, mit einem Schlag lösen". 1 Sie war und blieb daher das Kernstück ihrer Weltherrschafts- und Kriegsplanungen. „Alle Varianten von Kriegsprojekten, die faschistische Politiker, Militärs und Monopolisten erwogen und durcharbeiteten, schlössen als Hauptziel die Vernichtung der Sowjetunion und damit die vollständige Wiederherstellung der imperialistischen Herrschaft auf dem ganzen Erdball ein." 2 1 Konzept für die „Neuordnung" der Welt. Die Kriegsziele des faschistischen deutschen Imperialismus im zweiten Weltkrieg. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Wolfgang Schumann, Berlin 1977, S. 93. 2 Grundriß der deutschen Geschichte. Von den Anfängen der Geschichte des deutschen Volkes bis zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik. Klassenkampf, Tradition, Sozialismus. Hrsg. v. Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin 1979, S. 451. 2-

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Der Überfall auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

Als Hitler am 18. Dezember 1940 die Weisung Nr. 21 „Fall Barbarossa" unterzeichnete, lebten die Machthaber in Deutschland noch im Rausch der militärischen Erfolge des Frühjahrs und Sommers 1940. Und doch spürten sie, daß sie, gemessen an ihrem Kriegszielprogramm, noch keinen wirklich durchschlagenden Erfolg erfochten hatten. Großbritannien war ungeschlagen, ihre Herrschaft in West- und Nordeuropa daher ständig gefährdet. Die entscheidende Schwelle zur Herrschaft über Europa und über die Welt, nämlich die Niederwerfung der Sowjetunion, galt es erst noch zu überschreiten. Die politische und ökonomische Motivation und die Zielvorstellungen des geplanten neuen Feldzugs im Osten waren grundsätzlich unverändert. 3 Der Krieg hatte aber inzwischen unumkehrbare Tatsachen geschaffen und diktierte jetzt denen, die ihn entfesselt hatten, zunehmend seine Bedingungen. Die militärstrategischen und kriegswirtschaftlichen Probleme, die innenpolitischen und sozialen Sorgen der Faschisten und vor allem auch der Widerstand der unterdrückten Völker gegen ihre Knechtung und Ausbeutung ließen die deutschen Imperialisten immer ungeduldiger danach trachten, jene „Zentralentscheidung" 4 herbeizuführen, die ihnen zum unwiderruflich sicheren Sieg verhelfen sollte. Göring nannte im November 1940 die aktuellen Beweggründe für den geplanten Krieg und zugleich dessen Zielsetzung, als er General Georg Thomas, dem Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes des OKW, auftrug, Unterlagen für den wirtschaftlichen Raubzug in der UdSSR herbeizuschaffen: „Der Führer hat sich zu diesem Kriege entschlossen, weil 1. der Bolschewik uns doch eines Tages angreifen wird und seine Industrie zerschlagen sein muß, ehe er zum Kriege bereit ist (das verlogene Argument des Präventivkrieges verbarg hier nur schlecht den Klassenhaß des Faschismus — D. E.); 2. der Krieg gegen England länger dauern wird, als wir erwarteten, und wir daher aus Ernährungsgründen die englische Blockade nach Osten durchbrechen müssen. Mitteleuropa kann nur mit Hilfe der ukrainischen Erntemengen ernährt werden; 3. wir bis zum Kaukasus durchstoßen müssen, um uns der kaukasischen ölgebiete zu bemächtigen, da ohne sie gegen England und Amerika eine großzügige Luftkriegführung nicht möglich ist." 5 Als der Wirtschaftsstab „Oldenburg" 6 am 4. J u n i 1941 zu einer ersten — viertägigen — Arbeitssitzung zusammentrat, in deren Verlauf auch ein Planspiel stattfand, formulierte Thomas in seiner Eröffnungsansprache das grundlegende politische Ziel des Unternehmens „Barbarossa" in seiner engen Verknüpfung mit dem wirtschaftlichen in lakonischer Kürze: „Zwei Hauptforderungen entstehen . . . neben dem ersten Ziel der Zerschlagung der feindlichen Wehrmacht: a) die Vernichtung des bolschewistischen Systems, b) eine baldige Ausnutzung des wirtschaftlichen Potentials Rußlands, insonderheit auf dem Ernährungsund Treibstoffgebiet." 7 Von vornherein war es diesmal den führend Beteiligten klar, daß die wirtschaftlichen Raubziele die militärischen Entscheidungen wesentlich beeinflussen würden. Thomas, als Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes des OKW auch Mitglied des Aufsichtsrats 3 4 5 6

Vgl. Konzept für die „Neuordnung" der Welt, S. 24 ff. u. 74 ff. Ebenda, S. 80ff. ZStA Potsdam, FS, Film 1826, Aussage von Georg Thomas, 16. 8. 1945. Siehe Band I dieser „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939—1945", Berlin 1969 (2. Aufl. 1971; 3. Aufl. 1984); im folgenden zit. Band I (S. 231ff.). 7 ZStA Potsdam, FS, Film 1741, Ms. d. Rede von Thomas am 4.6.1941. — Es gelte, sagte Thomas weiter, „durch deutsche Tatkraft die russische Wirtschaftskraft in den Kampf gegen England zu stellen" (ebenda). Siehe auch Deutschland im zweiten Weltkrieg. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Wolfgang Schumann (im folgenden DZW), Bd. 1, Berlin 1974, S. 557.

Kriegszielvorstellungen und wirtschaftliche Ausgangsbasis

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der Kontinentale öl AG (Konti öl) 8 , sah dies voraus und forderte: „Der militärischen Führung muß immer wieder vor Augen gehalten werden, daß ein Feldzug gegen Rußland zum großen Teil wirtschaftliche Hintergründe hat und daß die Forderungen der Wirtschaft in diesem Feldzug mehr als sonst berücksichtigt werden müssen." 9 Am Vorabend des Krieges gegen dieUdSSR gewannen zugleich die wirtschaftsstrategischen Vorstellungen und Forderungen des deutschen Finanzkapitals konkretere Gestalt, die sich auf die Ausbeutung der wirtschaftlichen Ressourcen des Sowjetlandes und auf den Fortgang des Kampfes um die Weltherrschaft des deutschen Imperialismus richteten. 10 Maßgebend in der Formulierung solcher „globaler Perspektiven" 11 war die Monopolgruppierung unter der Führung des IG-Farben-Konzerns und der Deutschen Bank. Sie betrachtete die Niederwerfung der Sowjetunion und den Raub ihrer riesigen Reichtümer, an erster Stelle des Erdöls und des ukrainischen Weizens, zwar als wichtigstes Ziel des geplanten neuen „Blitzfeldzuges" und als Schlüsselentscheidung des gesamten Krieges, nicht aber als das eigentliche Fernziel des deutschen Imperialismus auf dem Weg nach Osten. Dieses sah sie — ähnlich wie schon seit den Zeiten des Bagdadbahnbaus und des ersten Weltkriegs — in der Beherrschung das Nahen und Mittleren Ostens und der Ausbeutung seiner Erdölquellen. Militärstrategisch war erst damit die Landbrücke zum Suezkanal und nach Afrika (Ägypten) geschlossen und das Sprungbrett nach Indien gewonnen — Ziele, die ihr mit der Niederwerfung Englands identisch zu sein schienen. Von dieser Position aus gedachte sie die künftigen Auseinandersetzungen mit den übrigen von den anglo-amerikanischen Mächten beherrschten „Großwirtschaftsräumen" und Einflußsphären um die Weltherrschaft aufzunehmen. Führende Repräsentanten des IG-Farben-Konzerns wie Krauch vertraten erwiesenermaßen diese Linie. Das gleiche galt für die Beherrscher der Deutschen Bank und für die Leiter anderer Banken und Großkonzerne, wie sie sich zahlreich im Aufsichtsrat der Kontinentale öl AG zusammenfanden bzw. seit Anbeginn wesentliche Stützen der Vierjahresplangruppierung 12 darstellten. Hitler und das OKW gingen auf der Linie der zuletzt skizzierten, am weitesten ausgreifenden Expansionspläne vor. „Der russische Raum berge unermeßliche Reichtümer", meinte Hitler im Januar 1941; seien sie erst in deutscher Gewalt, so verfüge Deutschland „über alle Möglichkeiten, in Zukunft auch den Kampf gegen Kontinente zu führen, es könne dann von niemand mehr geschlagen werden". 13 Auf der Generalsversammlung am 30. März 1941 äußerte sich Hitler ähnlich über die „Begründung der Notwendigkeit, die russische Lage zu bereinigen. Nur so werden wir in der Lage sein, in zwei Jahren materiell und personell unsere Aufgaben in der Luft und auf den Weltmeeren zu meistern, wenn wir die Landfragen endgültig und gründlich lösen." 14 Im Entwurf der Weisung Nr. 32 schließlich 8 9 10 11

Siehe Band I, S. 2 3 5 f f . ; DZW, Bd. 1, S. 555f. ZStA Potsdam, FS, Film 1741, Ms. d. Rede von Thomas am 4. 6. 1941. Siehe Band / , S. 197 ff. Hallgarten, George W. F./Radkau, Joachim, Deutsche Industrie und Politik von Bismarck bis heute, Frankfurt a. M./Köln 1974, S. 401. 12 Siehe Band I, S. 36ff. u. passim. 13 Fall Barbarossa. Dokumente zur Vorbereitung der faschistischen Wehrmacht auf die Aggression gegen die Sowjetunion (1940/41). Ausgewählt u. eingeleitet von Erhard Moritz, Berlin 1970, S. 148, Dok. 37, Ausführungen Hitlers v. 9. 1. 1941. 14 Der zweite Weltkrieg. Dokumente. Ausgewählt u. eingeleitet von Gerhard Förster und Olaf Groehler, 2. Aufl. Berlin 1974, S. 102, Dok. 21, Tagebucheintragung des Chefs des Generalstabes des Heeres (Halder) üb. Ansprache Hitlers v. 30. 3. 1941.

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Der Überfall auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

entsprach die militärstrategische Zielsetzung „für die Zeit nach B a r b a r o s s a " ganz dem, was die Gründer der K o n t i ö l erwarteten: „Fortsetzung des Kampfes gegen die britische Position im Mittelmeer und in Vorderasien durch konzentrischen Angriff, der aus Libyen durch Ägypten, aus Bulgarien durch die Türkei und unter Umständen auch aus Transkaukasien heraus durch den Iran vorgesehen ist". 1 5

b) Der Stand der Rüstung

beim

Überfall

auf die

UdSSR

Im September 1940 stand das im August konzipierte Rüstungsprogramm für den Überfall auf die U d S S R („Augustprogramm") im einzelnen fest. E s erhielt die Bezeichnung „Rüstungsprogramm B " („Barbarossa"). Hitlers Erlaß über die „Steigerung der R ü s t u n g " vom 28. September 1 9 4 0 1 6 schloß eine mehrwöchige Phase fieberhafter A k t i v i t ä t und zahlreicher vorbereitender Beratungen im O K W und in den Rüstungsdienststellen der Wehrmachtteile mit der Forderung ab, daß „bis zum 1. 4. 1941 ein möglichst hoher S t a n d in der Ausrüstung der geforderten Divisionen" erreicht werde. 1 7 Das gesamte „Kriegsheer 1 9 4 1 " sollte binnen sieben Monaten, am 1. Mai 1941, die S t ä r k e von mindestens 200 Divisionen haben. Das Feldheer sollte auf 180 Divisionen gebracht werden, darunter 2 0 Panzerund 1 0 motorisierte Infanteriedivisionen. 1 8 Gegenüber dem „ J u n i p r o g r a m m " 1 9 , das nach dem Waffenstillstand m i t Frankreich aufgestellt worden war, sollten Heeresstärke und Heeresrüstung kurzfristig auf etwa das Anderthalbfache gesteigert werden. Außerdem blieben die großen Rüstungsprogramme für Kriegsmarine und Luftwaffe bestehen und wurden sogar noch erweitert. E s stand also folgendes riesige Rüstungsprogramm für die nächsten sechs bis sieben Monate f e s t 2 0 : F ü r das Heer: Ausrüstung für 180 Feld- und entsprechende Besatzungsdivisionen, insbesondere forcierte Verstärkung der Panzerwaffe und der Motorisierung; für die Kriegsmarine: Unbefristete Weiterführung des „erweiterten U - B o o t - P r o g r a m m s " (d. h. U-Boote, Zerstörer, Torpedoboote, Minensuchboote, Schnell- und Räumboote) auch 15 16 17 18 19

Fall Barbarossa, S. 74, Dok. 11. Ebenda, S. 212ff., Dok. 61. Ebenda, S. 214. Siehe Band I, S. 212ff. Das „Juniprogramm" (s. DZW, Bd. 1, S. 341 f.) sah in der Fassung der „Führerentscheidung" vom 13. 7. 1940 ein Heer von 146 (kurz vorher noch 120) Felddivisionen und 15 Besatzungsdivisionen vor sowie ein entsprechendes Heeresrüstungsprogramm, dessen Zielsetzungen innerhalb von drei Jahren erreicht werden sollten (ausführlich dazu beispielsweise Thomas in seiner Rede auf der Besprechung mit den Rüstungsinspekteuren am 13. 9. 1940 (ZStA Potsdam, FS, Film 1777); s. a. Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab) 1940-1945 (im folgenden: KTB des OKW), Bd. 1, Frankfurt a. M. 1965, S. 78 E, AN WiRüAmt „Steigerung der Rüstung", 4. 11. 1940. 20 Nach Fall Barbarossa, S. 212 f., Dok. 61 (wie Anm. 16); ebenda, S. 221, Dok. 63, Bericht WiRüAmt v. 10. 7. 1941. Die dazugehörigen „Dringlichkeitsstufen" der Rüstungsproduktion führt Wagner an. (Wagner, Raimund, Die kriegsökonomische Vorbereitung des Überfalls auf die Sowjetunion und die Rolle der militärischen Wirtschaftsorganisation des Oberkommandos der faschistischen Wehrmacht, in Auf antisowjetischem Kriegskurs. Studien zur militärischen Vorbereitung des deutschen Imperialismus auf die Aggression gegen die UdSSR (1933—1941), Berlin 1970, S. 274f.).

Kriegszielvorstellungen und wirtschaftliche Ausgangsbasis

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über den 1. J a n u a r 1942 hinaus, überdies die Fertigstellung der großen Überwasserstreitkräfte (darunter vier Schlachtschiffe); für die Luftwaffe: Durchführung des „Beschaffungsprogramms 18" (d. h. gesteigerte Produktion von rund 30 Flugzeugtypen), außerdem schnellste Steigerung der Produktion von Flakgeschützen und Flakmunition. Die für d a s kommende J a h r voraussehbare militärstrategische L a g e ließ es den deutschen Imperialisten gleichermaßen als angeraten erscheinen, sowohl das große Heer für den „Blitzfeldzug" bestens auszustatten als auch Marine und Luftwaffe f ü r die ihnen zugedachten Aufgaben in näherer und weiterer Zukunft möglichst stark aufzurüsten. Der für 1941 — wenn auch nur für wenige Monate — einkalkulierte Zweifrontenkrieg mußte die Situation für Hitlerdeutschland wesentlich komplizierter gestalten. Während das Heer in die Sowjetunion einfallen sollte, würde man, so rechneten die faschistischen Militärs, die West- u n d Nordflanke des Kontinents gegen die britische Flotte sichern müssen. Hierfür und für die geplanten späteren großen neuen Offensivoperationen gegen Großbritannien hielten sie eine möglichst starke Über- und Unterwasserflotte für unumgänglich notwendig. Was die Luftwaffe betraf, so hatte sie in den zehn Monaten vor dem Überfall auf die U d S S R (1. August 1940 bis 31. Mai 1941), besonders während der „Luftschlacht über E n g l a n d " , um das Anderthalbfache höhere Verluste als in der Zeit der Feldzüge in Polen, Nord- und Westeuropa zusammengenommen. 2 1 Einer Einbuße von 5 6 8 1 Flugzeugen in diesen Monaten (davon Totalverlust 3648) stand ein Zugang von 8 1 1 9 gegenüber; an Kampfflugzeugen (Bombern) wog der Neuzugang von 2588 den Verlust von 2426 Flugzeugen nur knapp auf. 2 2 E s erschien den Faschisten dringend geboten, ihre K a m p f k r a f t in der L u f t für den Osten wie für den Westen auf einen Höchststand zu bringen. Die Vorhaben des „Rüstungsprogramms B " überschritten bei dem gegebenen Grad der Mobilisierung des kriegswirtschaftlichen Potentials die wirtschaftlichen Möglichkeiten Hitlerdeutschlands. Unter den führenden Repräsentanten von Wehrmacht und Rüstungswirtschaft war die Meinung verbreitet, daß diese Vorhaben „das Leistungsvermögen der deutschen Industrie und Wirtschaft bei weitem übersteigen" 2 3 . Im Herbst 1940 setzte daher ein wütendes Tauziehen u m Regulierungskompetenzen, Dringlichkeitsstufen, Rohstoffkontingente und Arbeitskräfte ein. Das Reichswirtschaftsministerium beschuldigte d a s OKW, „ein vollständiges Durcheinander der gesamten Wirtschaft" anzurichten 2 4 ; d a s O K W wandte sich voller Argwohn gegen die Machtaspiralionen des Reichsministeriums f ü r Bewaffnung und Munition in bezug auf Produktions- und Arbeitskräftelenkung; die Wehrmachtteile machten einander Kapazitäten und Dringlichkeiten streitig. D a s befohlene Rüstungsprogramm für „ B a r b a r o s s a " blieb überdies nicht unverändert bestehen. Neue Anforderungen traten hinzu. Im Verlauf des Winters 1940/41 wurde die Produktion aller stark bevorrateten Munitionsarten zwar gedrosselt; d a f ü r trat aber bei allen drei Wehrmachtteilen neuer zusätzlicher Rüstungsbedarf auf. B e i m Heer betraf das die Tropenausrüstung für d a s Afrikakorps (Rüstungsprogramm „Achse") und die Aus21 Siehe ZStA Potsdam, FS, Film 2317, OKW-Ausarb. „Verlust- und Verbrauchszahlen der Wehrmacht 1. 8. 1940—31. 5. 1941". Etwa entsprechende Gesamtverlustzahlen für rund 11 bzw. 12 Monate (bis 22. 6. 1941) bei Groehler (Groehler, Olaf, Geschichte des Luftkriegs 1910 bis 1970, Berlin 1974, S. 334; derselbe, Zum Aufbau und zur Entwicklung der faschistischen Luftwaffe bis zum Überfall auf die Sowjetunion, in Auf antisowjetischem Kriegskurs, S. 416f.). 22 Wie Anm. 21 (Film 2317). 23 Fall Barbarossa, S. 215, Dok. 62, AN WiRüAmt über das „Augustprogramm", 6. 12. 1940. 24 ZStA Potsdam, FS, Film 1777, AN üb. Besprechung im RWiM am 1. 11. 1940.

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Der Überfall auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

rüstung „für einen eventuellen Gaskrieg" 2 5 gegen die Sowjetunion, bei der Kriegsmarine beträchtlich erhöhte Munitionsforderungen für Flak, mittlere und schwere Artillerie und bei der Luftwaffe die Forderungen des „Beschaffungsprogramms 19", d. h. eine allgemeine Erhöhung der Flugzeugproduktion um rund 40 Prozent gegenüber dem „Beschaffungsprogramm 1 8 " 2 6 sowie eine gesteigerte Produktion von Flakmunition 2 7 . Die Rüstungsmaschinerie Hitlerdeutschlands spielte sich Ende 1940/Anfang 1941 offensichtlich auf die „Umrüstung" ein; sie lief von nun an in verschärftem Tempo. Wenn auch starke Zweifel anfangs die Fachleute aus dem O K W geplagt hatten, ob das Rüstungsprogramm B zu erfüllen sei, so sprach aus ihren späteren Berichten zunehmende Zufriedenheit mit den erzielten Erfolgen. In dem abschließenden Bericht über die Erfüllung des Rüstungsprogramms B 2 8 stellte das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt fest, daß ungeachtet der zahlreichen Programmänderungen im Laufe des Winters „die für die Berichtszeit vorgesehenen Fertigungsprogramme der Wehrmachtteile im großen und ganzen trotz großer Schwierigkeiten erfüllt werden". Damit habe man „unter stärkster Anspannung des gesamten im großdeutschen Wirtschaftsraum sowie den besetzten Gebieten zur Verfügung stehenden Fertigungspotentials eine gewaltige Steigerung in der materiellen Ausrüstung der Wehrmacht erreicht . . . Durch Ausbau von neuen Kapazitäten für die Schwerpunktprogramme der drei Wehrmachtteile wurde sichergestellt, daß die für die nächste Zeit hier vorgesehenen Steigerungen auch tatsächlich erreicht werden." Doch reichte diese Anspannung der Kriegswirtschaft nicht dazu aus, alle Vorhaben der Wehrmachtspitze zu verwirklichen. „Es konnte daher nur der entsprechend der Kriegslage jeweils wichtigste Programmteil voll durchgeführt werden." Als vorrangig hatte sich im Laufe der Monate immer stärker die Heeresrüstung in den Vordergrund geschoben. Mit dem Bau von Kriegsschiffen war man daher zurückgeblieben; vor allem in der Armierung lagen die Produktionsziffern „aus Mangel an Kapazitäten teilweise sehr weit (um 26 Prozent bis 90 Prozent) hinter dem Soll zurück". Auch das erweiterte U-Boot-Programm war „nicht voll erfüllt" worden, obwohl hier die Steigerung „beträchtlich" war. Die Luftwaffe meldete große Rückstände bei der Ausrüstung der Luftabwehr mit Waffen, Gerät und Munition und bei der Abwurfmunition (Spreng- und Brandbomben). Die Produktion von Flak-Artillerie war außer den schweren Kalibern (8,8 und 1 0 , 5 c m ) „weit hinter dem Soll zurück"; „völlig unzureichend" aber war die Bevorratung „bei sämtlichen Sprenggranaten" für die schweren Kaliber. Das Heer hingegen war mit Munition, abgesehen von wenigen Munitionsarten, „völlig hinreichend", d. h. „meist weit über zwölffachen Großkampf-Monatsverbrauch" bevorratet. An Geschützen und Handfeuerwaffen wurde der vorgesehene Produktionsumfang 25 Fall Barbarossa, S. 222, Dok. 63, Bericht WiRüAmt v. 10. 7. 1941. - Was den Gaskrieg und die Produktion von Giftgas betraf, so notierte Keitel am 9. 5. 1941: „Dieser Frage kommt im Hinblick auf Barbarossa erhöhte Bedeutung zu." (ZStA Potsdam, FS, Film 1742, Vortragsnotiz WFSt/Abt. L für Chef L : „Überblick über den Rüstungsstand des Heeres, Stand 1.4. 1941 (Rote Hefte)", 29. 4. 1941, Marginalnotiz Keitels v. 9. 5. 1941 (dort hs.: 9. 4.). 26 Fall Barbarossa, S. 221 (wie Anm. 23). — Das Luftwaffenbeschaffungsprogramm 19 blieb allerdings weitgehend auf dem Papier und war im Juni 1941 durch das „Göringprogramm" schon wieder überholt (s. Abscbn. 2). 27 Ebenda, S. 222 (wie Anm. 25). 28 ZStA Potsdam, FS, Film 2313, „Bericht über die Leistungen auf dem Gebiet der materiellen Wehrmachtrüstung in der Zeit vom 1. 9. 1940 bis 1. 4. 1941" (WiRüAmt), mit Anlagen, v. 10. 7. 1941. Hiernach auch das Folgende (Teilabdruck in Fall Barbarossa, S. 221ff., Dok. 63).

Kriegszielvorstellungen und wirtschaftliche Ausgangsbasis

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„größtenteils erreicht". Die Ausstattung der Truppe allerdings war noch nicht komplett; „die notwendige Gesamtausstattung des Kriegsheeres 1941 wird — bis auf verschwindende Ausnahmen — bis August 1941 gedeckt". Die Munitionslage des Heeres, die nach Meinung des OKW „als sehr gut zu bezeichnen" war 29 , veranlaßte die Rüstungsdienststellen der Wehrmacht bei der Munitionsherstellung „zu einer weitgehenden Einschränkung, ja teilweise zur Stillegung der Fertigungen ab 1.4. 1941" 30 . Die Bestellungen auf verschiedene Geschützarten wurden zugunsten der Flakproduktion gleichfalls herabgesetzt. Die Rüstungsanstrengungen der deutschen Imperialisten seit dem Sommer 1940 erreichten in den ersten Monaten des Jahres 1941 ihren Höhepunkt. Am Vorabend des Überfalls auf die UdSSR stellte die faschistische Militärmaschine in der Tat einen gewaltigen, technisch modern und quantitativ gut ausgestatteten Vernichtungsapparat dar, wenn auch ihre Ausrüstung und die Modernisierung ihres Waffenbestandes mit der starken Vermehrung der Zahl der Divisionen nicht vollständig Schritt hielten. Die Monatsproduktion an Panzern betrug im zweiten Quartal 1941 durchschnittlich 306 gegen 109 Stück im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 31 Der Bestand an Panzerkampfwagen und Sturmgeschützen aller Typen beim Heer wuchs vom 1. September 1940 bis zum 1. J u n i 1941 von 3506 auf 5639 an; das bedeutete gegenüber dem Stand vom 1. September 1939 eine Steigerung um 76 Prozent, gegenüber dem vom 1. Mai 1940 eine solche um 66 Prozent. 32 Der Gesamtbestand des Heeres an Geschützen und Granatwerfern mit einem Kaliber von 7,5 cm und darüber belief sich am 1. Juni 1941 auf 27901. 33 Tabelle 1 Bestand an Heeresartillerie 1941 (in Stck.)

und Granatwerfern

Leichtes Infanteriegeschütz 7,5 cm Schweres Infanteriegeschütz 15 cm Leichte Feldhaubitze 10,5 cm Schwere Feldhaubitze 15 cm Kanone 10 cm Mörser 21 cm Schwerer Granatwerfer 8 cm

(Kaliber

7,5 und darüber) April 1940 und

Stand 1. 4. 1940

Stand 1. 6. 1941

3327 465 5381 2330 700 124 6796

4176 867 7076 2867 760 388 11767

Juni

Quelle: Müller-Hillebrand, Bd. 3, S. 29, S. 42, S. 180 u. S. 266-274 (Tab.): Müüer-Hiüebrand, Bd. 2, S. 55, S. 92; s. a. Lachmann, Manfred, Die Entwicklung der Bewaffnung des faschistischen deutschen Heeres bis zum Überfall auf die UdSSR, in Auf antisowjetischem. Kriegskurs, S. 378. 29 ZStA Potsdam, FS, Film 1742, Vortragsnotiz WFSt/Abt. L: „Überblick . . .", 29. 4. 1941. 30 Wie Anm. 28. 31 The Effects of Strategie Bombing on the German War Economy. The United States Strategie Bombing Survey. (Bearb. v.) Overall Economic Effects Division, o. O., Oktober 1945 (im folgenden: The Effects), S. 278, Tab. 104. 32 Müller-Hillebrand, Burkhart, Der Zweifrontenkrieg. Das Heer vom Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion bis zum Kriegsende ( = Das Heer 1933—1945. Entwicklung des organisatorischen Aufbaues, Bd. 3), Frankfurt a. M. 1969 (im folgenden: MüUer-HiUebrand, Bd. 3), S. 274/275 (Tabelle). 33 Ebenda, S. 180. Hier und in folgenden Zahlenangaben ohne Berücksichtigung der Beutewaffen.

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Der Überfall auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

D e r Bestand an Panzerabwehrwaffeu (Pak und Panzerbüchsen) stieg in dem v o n Tabelle 1 erfaßten Zeitraum v o n 13950 auf 40987 Stück. Es standen allerdings ausschließlich Kanonen kleineren

Kalibers (hauptsächlich 3,7 cm), ferner Panzerabwehrbüchsen

zur

Verfügung. 3 4 I m Vergleich zum W a f f e n b e s t a n d des Heeres am 1. A p r i l 1940 bzw. zum Munitionsverbrauch während des Feldzugs gegen Frankreich v o m 10. M a i bis zum 20. Juni 1940 — 42 „ G r o ß k a m p f t a g e " — betrug der Bestand am 1. Juni 1941 35 : bei leichten Infanteriegeschützen 7,5 c m : an W a f f e n das l,26fache und an Munition das 21fache bei schweren Infanteriegeschützen 15 c m : an W a f f e n das l,86fache und an Munition das l ö f a c h e bei leichten Feldhaubitzen 10,5 c m : an W a f f e n das l,31fache und an Munition das 18fache bei schweren Feldhaubitzen 15 c m : an W a f f e n das l,23fache und an Munition das 9fache bei Kanonen 10 c m : an W a f f e n das l,09fache und an Munition das lOfache bei Granatwerfern 8 c m : an W a f f e n das l,73fache und an Munition das 28fache bei Mörsern 21 c m : an W a f f e n das 3,13fache und an Munition das 29fache. Fast zehn Monate lang, von Juli 1940 bis April 1941, führte die faschistische Wehrmacht in Europa zu Lande keinen Krieg. In dieser Zeit häuften sich Munition, W a f f e n und Gerät — ganz abgesehen von der ungeheuren Beute — zu umfänglichen Vorräten, m i t denen man, gemessen an dem Feldzug im Westen 1940, viele Monate hätte Krieg führen können. Die Bewaffnung der Heeresdivisionen hielt jedoch nicht ganz m i t ihrer Vermehrung Schritt. M i t Artillerie war das Heer verhältnismäßig schwächer ausgerüstet als im Vorjahr, da nicht genügend Kraftfahrzeuge, besonders Zugmaschinen, vorhanden waren. 36 Ungeachtet der erheblichen Bestandszunahme an Panzern verringerte sich die Quote der Ausstattung der Panzerdivisionen mit Panzern; waren im Sommer 1940 die vorhandenen zehn Panzerdivisionen mit durchschnittlich je 258 Panzern ausgerüstet, so verfügten ein Jahr später 21 Panzerdivisionen über durchschnittlich je 196 Panzer. 37 D i e Bestückung m i t modernen Panzertypen entsprach ebenfalls nicht den Wünschen und Erwartungen der Faschisten. V o m Panzer I V , dem damals modernsten der in der Serienproduktion befindlichen T y p e n , 31 Müller-Hillebrand, Burkhart, Die Blitzfeldzüge 1939—1941. Das Heer im Kriege bis zum Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion im Juni 1941 ( = Das Heer 1933—1945. Entwicklung des organisatorischen Aufbaues, Bd. 2), Frankfurt a. M. 1956 (im folgenden: MüllerHillebrand, Bd. 2), S. 108. 35 Derselbe, Bd. 3, S. 43 u. 180. 36 Derselbe, Bd. 2, S. 105. — Diese Lage war entstanden, obwohl die besetzten Gebiete eine bedeutende Entlastung brachten; so wurden allein mit in Frankreich neu produzierten Fahrzeugen und mit Beutefahrzeugen zu dieser Zeit nicht weniger als 88 Infanterie-, drei motorisierte Infanterie- und eine Panzerdivision ausgestattet (ebenda; s. a. Höhn, Hans, Der Aufbau des faschistischen Heeres zum Aggressionsinstrument gegen die UdSSR, in Auf antisowjetischem Kriegskurs, S. 336). 37 Ebenda, S. 107.

Kriegszielvorstellungen und wirtschaftliche Ausgangsbasis

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wurden im ersten H a l b j a h r n u r 188 Stück hergestellt, d. h. k n a p p 12 Prozent aller erzeugt e n Panzer. 3 8 Auf dem Gebiet der Rohstofferzeugung stand den deutschen Imperialisten in Deutschland u n d in den besetzten Teilen E u r o p a s ein beeindruckendes P o t e n t i a l zur Verfügung. Der Zweckpessimismus, den die Analysen der Rüstungsdienststellen der W e h r m a c h t ü b e r die Rohstofflage häufig verbreiteten, zielte auf die „totalere" Mobilisierung dieses Potentials, besonders in den besetzten u n d noch zu besetzenden L ä n d e r n . Das war offensichtlich der F a l l bei Nichteisenmetallen, besonders aber bei Mineralöl u n d bei Eisen u n d Stahl, die m a n sich in der U d S S R zu beschaffen hoffte. Bei Mineralöl fehlten nach Berechnungen d e s Wehrwirtschafts- u n d R ü s t u n g s a m t e s des O K W f ü r das zweite H a l b j a h r 1941 ü b e r 40 Prozent des Kriegsbedarfs bis Oktober u n d r u n d 30 Prozent von Oktober an, wo m a n m i t dem E n d e des Feldzugs r e c h n e t e : „Die fehlenden Mengen müssen aus Rußland eingeführt werden."39 I n den Monaten vor dem Überfall auf die U d S S R investierten Rüstungsdienststellen u n d Konzerne v e r s t ä r k t in jenen Zweigen der Grundstoffindustrie u n d der Schwerchemie, die u n m i t t e l b a r e Lieferanten der Rüstungsindustrie waren. Diese Periode wurde zu einer der erfolgreichsten u n d profitträchtigsten f ü r den IG-Farben-Konzern u n d andere m i t dem R e i c h s a m t f ü r W i r t s c h a f t s a u s b a u u n d dem G B Chemie verbundenen Konzerne. W i e es i m Bericht des Wehrwirtschafts- u n d R ü s t u n g s a m t e s v o m 10. J u l i 1941 hieß, „konnte der A u s b a u der f ü r die W e h r m a c h t f e r t i g u n g ausschlaggebenden Grundstoffindustrien (Buna-, Treibstoff-, Aluminium-, Pulver- u n d Sprengstofferzeugung) stark erweitert werden" 4 0 . D i e K a p a z i t ä t e n f ü r die synthetische P r o d u k t i o n von Mineralöl wuchsen von 1940 bis 1941 v o n 3,5 auf 4,2 Millionen t, 4 1 bei G u m m i (Buna) stieg die P r o d u k t i o n von 40000 auf 6 9 0 0 0 t. 4 2 1942 sollten r u n d 100000 t B u n a erzeugt werden. 4 3 Was Pulver u n d Sprengstoff a n b e t r a f , so berichtete K r a u c h d e m Generalrat des Vierjahresplanes a m 24. J u n i 1941 b e f r i e d i g t : „Die Versorgungslage ist als sehr gesichert anzusehen." 4 4 D e n Zahlen nach ergab sich auf zahlreichen Gebieten der kriegswichtigen Produktion ein Übergewicht des Aggressors ü b e r die Sowjetunion. (Tabelle 2) D i e Verteidigungspolitik der U d S S R war seit geraumer Zeit v e r s t ä r k t darauf gerichtet, d i e Abwehrbereitschaft des Landes zu erhöhen. Die Beschlüsse des X V I I I . Parteitags der K P d S U (März 1939) trugen d e r wachsenden Kriegsgefahr Rechnung. Sie orientierten auf eine beschleunigte Entwicklung der Verteidigungsindustrie u n d auf die Stärkung der K a m p f k r a f t der S t r e i t k r ä f t e . D i e v e r m e h r t e n Rüstungsanstrengungen in der Anfangsperiode des zweiten Weltkrieges b e g a n n e n zur Zeit des Überfalls erste F r ü c h t e zu tragen. Die sowjetischen L u f t s t r e i t k r ä f t e w a r e n den deutschen zwar noch unterlegen. Moderne T y p e n von Kriegsflugzeugen gingen e r s t in die P r o d u k t i o n oder wurden allmählich bei der T r u p p e eingeführt. 4 5 In der P r o d u k t i o n von Artillerie u n d Panzern aber stand die sowjetische Industrie keineswegs h i n t e r 38 39 40 41

Ebenda. ZStA Potsdam, FS, Film 1746, „Derzeitige Lage auf dem Rohstoffgebiet", 4. 7. 1941. WieAnm. 28. ZStA Potsdam, FS, Film 8322, Protokoll der Sitzung des Generalrats des Vierjahresplans am 24. 6. 1941 (Ausführungen Krauchs).

4 2 The Effects, S. 83, Tab. 43.

43 Wie Anm. 41. 44 Wie Anm. 41. 45 Siehe Groehler, Geschichte des Luftkriegs, S. 298ff.

10

Der Überfall auf die U d S S R . Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

Tabelle 2 Produktionsziffern 1941 bzw. 1940

Hitlerdeutschlands

Kohle (Braunkohle in Steinkohleeinheiten umgerechnet) Roheisen Stahl Walzwerkerzeugnisse Erdöl Zement Elektroenergie Metallbearbeitungsmaschinen Kraftwagen u. Traktoren davon L K W Lokomotiven Güterwaggons

(mit annektierten

und okkupierten

Gebieten)

und der

Maßeinheit

„Großdeutschland" und besetzte Gebiete (1941)

UdSSR (1940)

Mill. t " " " " " Md. kWh Stck. " " " "

402,8 * 24,4 31,8 22,5 4,7** 13,400 70,000 197 960 00 374000«» 64900WO 1918°" 44 845°®

153,7 14,9 18,3 13,1 31,1» 5,7 48,3 58500 211700 136000 914 30900

UdSSR

* Kohlenwirtschaftsjahr 1940/41 * * Ohne synthetische Produktion (4,1 Mill. t), aber mit Import aus Rumänien und Ungarn (2,8 Mill. t) " Mitunter findet sich die unrichtige Zahl von 44,5 Mill. t (so DZW, Bd. 1, S. 532 u. 570) oo Nur „Großdeutschland" 00° Wegen der Vergleichbarkeit Angabe für 1938 (Deutschland und Österreich) Quelle: Sovetskaja

ekonomika

v period Velikoj otecestvennoj

vojny 1941—1945,

Red. I. A. Gladkov,

Moskau 1970, S. 10, 29 u. 314; Kravcenko, G. S., Ekonomika S S S R v gody Velikoj Oteiestvennoj vojny (1941—1945 gg.), 2. Aufl., Moskau 1970, S. 35ff.; Statistisches Jahrbuch für ¿las Deutsche Reich, hrsg. v. Statistischen Reichsamt, J g . 1941/42, S. 215; The Effects, S. 75, Tab. 37 u. passim; Wagenführ, Rolf, Die deutsche Industrie im Kriege 1939-1945, 2. Aufl., Berlin (West) 1963, S. 52, 171 u. 167; Bleyer, Wolf gang, Der geheime Bericht über die Rüstung des faschistischen Deutschlands vom 27. Januar 1945, in JfW, 1969, T. 2, S. 363; DZW, Bd. 1, S. 570. der deutschen zurück. Moderne, den deutschen überlegene Panzertypen liefen bereits vom Fließband. Während der Ausstoß an deutschen Panzern im ersten Halbjahr 1941 insgesamt bei 1617 Stück lag 4 6 , produzierte die sowjetische Industrie allein an schweren KW-Panzern 393 Stück und an mittleren Panzern T-34 1110 S t ü c k . « Die deutschen Imperialisten erörterten hingegen in grober Fehleinschätzung der L a g e schon im Frühjahr 1941 4 8 die „Möglichkeiten einer einschneidenden Rüstungsverlagerung 46 The Effects, S . 278, T a b . 104. 47 Geschichte der Kommunistischen

Partei

der Sowjetunion.

Hrsg. v. Institut für

Marxismus-

Leninismus beim ZK der KPdSU, Bd. 5, 1. Buch, Moskau 1974, S. 141. 48 Siehe Moritz, Erhard, Zur Fehleinschätzung des sowjetischen Kriegspotcntials durch die faschistische Wehrmachtführung in den Jahren 1935 bis 1941, in Auf antisowjetischem Kriegskurs, S. 150 ff.

Die „Umrüstung" vom Sommer 1941

11

{vom Heer auf Luftwaffe und Kriegsmarine — D. E.) mit Abschluß des Sommerfeldzuges". 49 Gemäß dem Blitzkriegskonzept sollte dem Feldzug gegen die UdSSR in gewohnter Weise eine militärische und vor allem rüstungswirtschaftliche Atempause, Auffrischungs- und „Umrüstungs"phase folgen. Frühzeitig sollte „in gedanklicher Arbeit" die „Verminderung des Heeres um etwa ein Drittel, unter Beibehaltung von 20 Pz.-Divn., 10 mot. Divn., 10 Geb. Divn." geprüft werden. 50 Der Chef des OKW, Generalfeldmarschall Keitel, hielt es immerhin, seiner Marginalnotiz an der zitierten Ausarbeitung zufolge, für „richtig", die „Anordnung der Maßnahmen erst, wenn der Sommerfeldzug die gewünschte klare Entscheidung absehen läßt", zu treffen.

2. Die „ U m r ü s t u n g " vom Sommer 1941 u n d ihr Scheitern a) Das

„Göringprogramm"

Als am 22. Juni 1941 im Morgengrauen 153 deutsche Divisionen 51 über die UdSSR herfielen, die Kriegsfackel in Hunderte sowjetische Dörfer und Städte warfen, war dies ein schrecklicher Tag für das Sowjetland, zugleich aber der schwärzeste Tag in der deutschen Geschichte. Die deutschen Imperialisten hatten das deutsche Volk in einen ebenso verbrecherischen wie abenteuerlichen Krieg gegen das erste sozialistische Land der Erde gezerrt. Ihr kriegswirtschaftliches Konzept für die folgenden Monate und Jahre lag zu diesem Zeitpunkt in seinen Umrissen bereits fest. Es entsprach voll und ganz ihren Vorstellungen vom weiteren Verlauf des Kampfes um die Weltherrschaft. Sein Kernpunkt und der Schwerpunkt der erneuten „Umrüstung", die buchstäblich mit dem 22. Juni einsetzte, war eine Konzentration aller Kräfte auf die Luftrüstung, insbesondere auf die Produktion von Bombenflugzeugen. Hierin sahen die Faschisten den Schlüssel für das Eindringen in den Nahen und Mittleren Osten bis nach Indien, für weitere Erfolge im Mittelmeerraum und in Afrika, für den Kampf um die Britischen Inseln und schließlich für spätere Auseinandersetzungen über den Atlantik hinweg. Fest einkalkuliert hatten sie von vornherein die Zerschlagung der UdSSR binnen weniger Monate und die Verfügung über die wirtschaftlichen Reichtümer des Landes, insbesondere über das Erdöl. 49 Wie Anm. 29. Hiernach auch das Folgende. 50 Ebenda. — Eine ähnliche Konzeption der „Umrüstung" hatte der GB Chemie unter einem anderen Aspekt bereits im Januar 1941 in einer Geheimdenkschrift niedergelegt, die sich mit der „Entwicklung der Rohstofflage bei langer Kriegsdauer" befaßte. Die euphemistischen Voraussagen dieser Denkschrift waren an die „Grundforderung" der „Luftsicherheit der deutschen Industrie" geknüpft, diese wiederum an die „Ausschaltung der englischen Insel als amerikanischer (! — D. E.) Flugzeugträger" durch wirksame Zufuhrblockade, die allein zum „Zusammenbruch" Englands führen könne. Die Schlußfolgerungen für die Kriegswirtschaft lauteten:„U-Boot(e), Luftwaffe, Rohstoff-Chemie in vorderste Front. Alles andere steht zurück." Die „Lösung" liege, so hieß es abschließend, allein in der „Arbeitseinsatzfrage", und zwar durch die „Verminderung des Heeres zugunsten der Rohstoffsicherung, der Luftwaffen- und U-BootVerstärkung". (ZStA Potsdam, FS, Film 1726, Denkschrift „Zur Entwicklung der Rohstofflage bei langer Kriegsdauer" v. 28. 1. 1941 ( = Nürnb. Dok. NI-8835). 51 DZW, Bd. 2, S. 25. — Am Überfall waren außerdem rund 40 Divisionen aus verbündeten und Satellitenstaaten sowie insgesamt 4300 Panzer, 42000 Geschütze und Granatwerfer und über 4000 Flugzeuge beteiligt.

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Der Überfall auf die U d S S R . Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

Anfang April 1941 legte die Luftwaffenführung „anhand bereits weitgehend ausgearbeiteter Planungsunterlagen in Gestalt von Diagrammen dar, welchen Verlauf für die nächsten J a h r e ihr Rüstungsprogramm voraussichtlich nehmen wird und welche Kapazitäten, Rohstoffe und Menschen hierzu benötigt werden". 52 Dem Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt erschienen „diese Forderungen sehr hoch gestellt". 53 Göring und seine Berater bereiteten zugleich die Rüstungsorganisation der Luftwaffe auf das große zukünftige Rüstungsprogramm vor. Am 14. Mai berief Göring, unverkennbar nach dem Vorbild und als Konkurrenz des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition bzw. des Rüstungsbeirats, einen „Industrierat des Reichsmarschalls für die Fertigung von Luftwaffengerät" aus sechs Vertretern führender Monopole, der unter dem Vorsitz von Generaloberst Ernst Udet, Generalluftzeugmeister und Chef des Technischen Amtes (Amt C) des Oberbefehlshabers der Luftwaffe, „die Erfahrungen maßgebender Industrieführer in größtmöglichem Maße für die Rüstungssteigerung der Luftwaffenindustrie zu verwerten" hatte. 5 4 Ständiger Vertreter des Vorsitzenden war William Werner, ein führender Vertreter der Konzerngruppe Junkers/Auto Union. Er galt als der Rationalisierungsfachmann des Industrierats. Ihm zur Seite stand Richard Bruhn von der gleichen Konzerngruppe. Heinrich Koppenberg, der seine Karriere als Protégé Flicks begonnen und den Göring mit allen Vollmachten für die Leichtmetallversorgung der Luftwaffe versehen hatte, verstärkte als früherer Vorstandsvorsitzer des Junkers-Konzerns das Übergewicht dieser Gruppierung im Industrierat noch außerordentlich. Durch Karl Frydag waren ferner die Henschel Flugzeugwerke AG (Henschel-Konzern), durch Rudolf Egger (Büssing NAG/AEG), den Leiter der Wirtschaftsgruppe Fahrzeugindustrie, die führenden Konzerne des Automobil- und Motorenbaus und durch Karl Lange, den Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau, die großen Maschinenbaukonzerne vertreten. Wenn der Industrierat der Luftwaffe dem Rüstungsbeirat oberflächlich nachgebildet und wie dieser zum Zweck der Rationalisierung und „Leistungssteigerung" in der Rüstungsindustrie geschaffen war, so hatte er doch keinen organisatorischen Unterbau in Form von Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften. Die Vollmachten seiner Mitglieder waren durch das Fehlen einer eigenen Exekutive stark beschnitten. Alle geplanten Vorhaben und Maßnahmen sollten durch den Generalluftzeugmeister bestätigt werden, der sich zunächst sogar ihre „Durchführung im einzelnen" vorbehielt. 55 Die personelle Basis des Industrierats war schmal, seine Zusammensetzung einseitig. Sein Rückhalt bei der Reichsgruppe Industrie war augenscheinlich unzureichend. Zunächst war nicht einmal der Leiter der Wirtschaftsgruppe Luftfahrtindustrie als Mitglied berufen worden. Montan-, Elektro- und Chemieindustrie waren nicht vertreten. Die neue Form staatsmonopolistischer Regulierung in der Luftwaffenrüstung, die maßgebliche Kreise der hohen Luftwaffenbürokratie hiermit durchsetzten, gestattete ihnen, die starke Position innerhalb des staatsmonopolistischen Machtgefüges zu halten, die sie bislang — unter Ausnutzung des Konkurrenzkampfes der Flugzeugkonzerne, die nahezu 52 ZStA Potsdam, FS, Film 2313, AN WiRüAmt, 4. 4. 1941. Nach Groehler, Geschichte des Luftkriegs, S. 338, waren seit Februar 1941 Beratungen über das erwähnte neue Luftrüstungsprogramm im Gange. 53 Ebenda (Film 2313). 54 Anatomie des Krieges. Neue Dokumente zur Rolle des deutschen Monopolkapitals bei der Vorbereitung und Durchführung des zweiten Weltkrieges. Hrsg. v . Dietrich Eichholtz u. Wolfgang Schumann, Berlin 1969, S. 331, Dok. 161, RVfg. Udets v . 22. 5. 1941. 55 Ebenda.

Die „Umrüstung" v o m Sommer 1941

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vollständig von Staatsaufträgen, von staatlichen Krediten und Subventionen abhängig waren — behaupten konnten. Sie bezahlten das immerhin damit, daß der Industrierat in seiner Arbeitsfähigkeit und Effektivität stark beschränkt und gehemmt blieb. Im Oktober 1941 wurde er schließlich erheblich erweitert u n d reorganisiert. 56 Am 20. J u n i 1941, zwei Tage vor dem Angriff auf die UdSSR, gab ein kurzer, aber inhaltsschwerer Erlaß Hitlers über das „Luftwaffensonderprogramm" den Weg frei f ü r die Pläne der Luftwaffenführung: „Durch Einschränkung der Heeresrüstung können Fertigungsstätten u n d Arbeitskräfte freigemacht werden. Diese freigemachten Betriebsmittel sind über den Reichsminister für Bewaffnung und Munition in erster Linie f ü r das erweiterte Luftwaffenprogramm zur Verfügung zu stellen . . . Die Aufteilung der freiwerdenden Betriebsmittel f ü r das Luftwaffensonderprogramm u n d f ü r die dringlichsten Programme des Heeres u n d der Marine regelt der Reichsminister für Bewaffnung u n d Munition." 5 7 Daß dem Munitionsminister, der den Erlaß offensichtlich selbst entworfen und Hitler ohne Hinzuziehung des OKW sogleich h a t t e unterschreiben lassen 58 , eine derartige Schlüsselstellung bei der kommenden „Umrüstung" vorbehalten blieb, sollte sich bald als bedeutungsvoll erweisen. In seinen grundsätzlichen „Richtlinien" vom 14. J u l i für die „personelle und materielle Rüstung" 5 9 , die sich ausdrücklich auf die Weisung Nr. 32 bezogen, bekräftigte Hitler noch einmal kategorisch den Vorrang der Luftwaffenrüstung: „Der Schwerpunkt der Rüstung geht auf die Luftwaffe über, die in großem Umfange zu verstärken ist." Heer und Heeresrüstung seien „demnächst wesentlich zu verringern", abgesehen von der Panzerwaffe; die Kriegsmarine habe sich auf das U-Boot-Programm zu beschränken. Für das „erweiterte Luft-Groß-Rüstungs-Programm" seien „alle aus Wehrmacht und Wirtschaft verfügbaren Kräfte und Mittel" einzusetzen. „Seine Verwirklichung bis zum Frühjahr 1942 ist von entscheidender Bedeutung f ü r die Gesamtkriegsführung." Hitler bekräftigte noch einmal die Vollmachten des Reichsministers f ü r Bewaffnung und Munition im Rahmen der gesamten „Umrüstung". Vom 23. J u n i 1941 datierte das dicke Papierbündel des „Göringplans" oder „Göringprogramms", wie jenes besondere Luftwaffenrüstungsprogramm getauft wurde, das nach den Intentionen seiner Urheber auf J a h r e hinaus im Mittelpunkt aller kriegswirtschaftlichen Anstrengungen des deutschen Imperialismus stehen sollte. Das Göringprogramm war keineswegs ein bloßes Flugzeugbauprogramm. Es umfaßte umfangreiche Pläne für die Produktion von Leichtmetall u n d Flugzeugtreibstoff sowie für die Produktion von Pulver und Sprengstoff, speziell f ü r Zwecke des Luftkriegs, und schloß gewaltige Planungen f ü r den Ausbau entsprechender Produktionskapazitäten ein, insbesondere für Aluminium. Es war leicht vorauszusehen, daß letzten Endes alle Bereiche der Kriegswirtschaft von den Auswirkungen des „Göringprogramms" betroffen sein würden. Den Kern dieses Programms bildete eine Vervierfachung der Stärke der Luftwaffe in zwei bis zweieinhalb Jahren. Die Chefs der Luftrüstung gingen von einer monatlichen Produktion von 1200 Maschinen aus, da die deutsche Gesamtproduktion an Flugzeugen 56 Siehe S. 32. 57 ZStA Potsdam, FS, Film 2312, Hitler-Erlaß v. 20. 6. 1941; Faks. in DZW, Bd. 2, S. 99. 58 Thomas, Georg, Geschichte der deutschen Wehr- und Rüstungswirtschaft (1918—1943/45). Hrsg. v. Wolfgang Birkenfeld, Boppard 1966, S. 533, Thomas an Keitel, 29. 6. 1941. 59 Hitlers Weisungen für die Kriegführung 1939—1945. Dokumente des Oberkommandos der Wehrmacht. Hrsg. v. Walther Hubatsch, Frankfurt a. M. 1962, S. 136ff., Weisung Nr. 3 2 b (fehlerhaft abgedr. bei Thomas, S. 452ff.). Hiernach auch das Folgende.

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Der Überfall auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

einschließlich Übungs- und Transportflugzeugen auf ihrem vorläufigen Höhepunkt im März 1941 die Stückzahl von 1174 erreicht hatte. 6 0 Bis zum Sommer war sie allerdings wiederum über zehn Prozent abgesunken. 61 Das erste Zwischenziel war eine „Verdoppelung um 1200 Kampfmaschinen" („Elchprogramm"). 6 2 Am 1. J u n i 1942 sollte schließlich das Zweieinhalbfache der „heutigen Produktion" — also monatlich 3 0 0 0 Flugzeuge — erreicht sein. 63 In vier Monaten sollte ein Flugzeugmotorenwerk mit einer Kapazität von monatlich 1 0 0 0 Motoren aus dem Boden gestampft werden. 64 Drei riesige neue Flugzeugfabriken sollten entstehen; für die betreffenden drei Konzerne — höchstwahrscheinlich Junkers, Heinkelund Messerschmitt — waren „bis zum 1. Dezember 1941 Werkbauten mit insgesamt 3 0 0 0 0 0 m 2 Hallenfläche " herzustellen. 65 Mindestens 400 Maschinen monatlich sollten, so erklärte Feldmarschall Milch am 26. J u n i 1941, in Kürze „in den gut eingerichteten Firmen im russischen R a u m " produziert werden. 66 Milch verlangte, daß an Arbeitskräften zusätzlich zu den 1,3 Millionen, die schon in der Luftrüstung beschäftigt seien, mindestens weitere 3,5 Millionen neu gestellt würden. 67 Am 2. J u l i beauftragte Todt in seiner Eigenschaft als „Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft" (GB Bau) den Architekten der faschistischen Protzbauten und „Generalbauinspektor für die Neugestaltung der Reichshauptstadt", Albert Speer, damit, „im Auftrage des Reichsmarschalls die Baumaßnahmen des Göringplanes durchzuführen". 6 8 Auf der Sitzung am 23. J u n i 1941 bei Göring 69 , deren Datum das damals verabschiedete Göringprogramm trug, wurde vor allem ausführlich über den „Leichtmetallausbauplan" 7 0 beraten, einen der wichtigsten Bestandteile jenes Programms. Diesen Plan hatte das Reichsamt für Wirtschaftsausbau unter Krauch ausgearbeitet. Das Reichsamt faßte darin die Kapazitäten ganz Europas einschließlich der sowjetischen zusammen — ungeachtet „der Unsicherheit der in Rußland greifbaren Produktion" — und errechnete für Anfang 1941 eine bestehende Gesamtkapazität von 531000 t jährlicher Produktion (davon Deutschland 220000 und „Rußland" 124000 t). Hiervon ausgehend, „plante" es einen Kapazitätszuwachs auf das Doppelte binnen drei Jahren. 60 Prozent der Produktion sollten der Luftwaffe vorbehalten bleiben. 71 60 The Effects, S. 277, Tab. 102. 61 Ebenda. 62 Thomas, S. 449, Protokoll (WiRüAmt) der Besprechung bei Staatssekretär Milch (RLM) v. 26. 6. 1941. 63 Ebenda. 64 Ebenda. 65 ZStA Potsdam, FS, Film 4566. Niederschrift üb. d. 2. Sitzung d. „Erfahrungsgemeinschaft Rüstungsausbau" v. 31. 7. 1941. 66 Wie Anm. 62. 67 Wie Anm. 62. 68 ZStA Potsdam, FS, Film 4566, Vfg. GB Bau v. 2. 7. 1941. 69 BA Koblenz, R 2/5481, Protokoll der Sitzung; gedr. bei Petrick, Fritz, Zwei Schlüsseldokumente zur faschistischen „Aufteilung der europäischen Aluminiumindustrie", in JfW, 1977, T. 1, (im folgenden: Zwei Schlüsseldokumente), S. 260ff. 70 ZStA Potsdam, FS, Film 10763, „Göringplan vom 23. 6. 1941. Flugtreibstoff- und Leichtmetall-Ausbauplan", 1. Fassung v. 25./26. 6.1941; 2. Fassung „Stand 15. 7. 1941", v. 22. 7. 1941. Hiernach auch das Folgende. 71 Ebenda, Film 1742, Vortragsnotiz WiRüAmt f. Keitel „Erweitertes Luftrüstungsprogramm"» 6. 7. 1941; Anlage: „Auswirkungen des Luftrüstungsprogramms auf dem Rohstoffgebiet."

Die „Umrüstung" vom Sommer 1941

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Tabelle 3 Produktionsplanung Produktion)

für Leichtmetall im faschistischen

Erzeugung 1941 davon: „Großdeutschland" Kapazität Ende 1941 1942 1943 1944 davon: „Großdeutschland" „Rußland" Norwegen Frankreich Italien Balkan

Machtbereich 1942—1945 (in 10001

Jahres•

Aluminium

Tonerde (Vorprodukt von Aluminium)

Magnesium

460 247 630,9 805,9 931,9 1028,9 336 150 249 116 100 45,2

905 495 1211,4 1537,9 1818,9 2018,9 653 278 178 364 200 145,9

35,4 30,2 50,7 70,6 88,6 100,6 68,3 0,5 10 11 10 -

Quelle: Wie Anm. 70 (1. Fassung); in der 2. Fassung noch erhöhte Zahlen. Dieses Programm beruhte auf abenteuerlichen Vorstellungen und irrealen Voraussetzungen. Es umfaßte, wie in seiner Präambel zu lesen war, die „vollständige Neuschaffung nicht nur der Leichtmetall-Produktionsstätten, sondern sämtlicher Vorprodukte und deren Erzeugungsstätten sowie eine Neuschaffung der umfangreichen notwendigen Energiemengen". Sein Kernstück stellte der Plan dar, die Leichtmetallerzeugung in Norwegen auf der Grundlage seiner reichen Energiequellen zu konzentrieren und die norwegische Jahresproduktion von ca. 30000 t (1938/39) auf 2 6 0 0 0 0 t Endkapazität zu steigern. Die Kosten dafür veranschlagte Koppenberg, der Generalvollmacht für das Norwegenprojekt hatte, auf anderthalb Milliarden Mark. 72 Der Rohstoff Bauxit sollte vorwiegend aus Ungarn quer durch Europa nach Norwegen transportiert werden. Am Tage nach dem Angriff auf die U d S S R wurden im voraus schon die Bauxitlager im Norden der Sowjetunion den künftigen norwegischen Aluminiumhütten zugeteilt. 73 Die Konzeption für einen „Leichtmetallplan Norwegen" war in der Vierjahresplanorganisation und bei der Luftwaffe schon im Frühjahr 1940 nach der Eroberung Norwegens entstanden. Der Plan hatte Ende 1940 erstmals Gestalt angenommen. 74 Schon damals war das Reichsluftfahrtministerium, mit Kreisen der Flugzeugindustrie (Junkers) und 72 Wie Anm. 69. — Koppenberg gedachte einen möglichst großen Anteil des bei diesem Riesengeschäft anfallenden Profits in die eigene Tasche zu wirtschaften und ließ die Planungen für das Projekt durch die von ihm vollständig beherrschte Mineralölbau-Gesellschaft mbH aufstellen (ebenda). 73 Ebenda. 74 Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 249ff; Milward, Alan S., The Fascist Economy in Norway, Oxford 1972, bsd. S. 171 ff.; Eichholtz, Dietrich, Die Norwegen-Denkschrift des IG-Farben-Konzerns von 1941, in: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", Nr. 1—2/ 1974, S. 4ff.; ZStA Potsdam, FS, Film 8322, Ms. v. Eberhard Neukirch (Reichsamt für Wirtschaftsausbau): „Die Entwicklung des Leichtmetallausbaues im Vierjahresplan mit besonderer Berücksichtigung der Zeit des großdeutschen Freiheitskampfes ab 1939", 5. 6. 1943. 3 Eichholtz I I

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Der Uberfall auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

der Banken (Dresdner Bank, Bank der Deutschen L u f t f a h r t ) im Rücken, für den Geschmack der bisher im Aluminiumgeschäft führenden Monopole, der Vereinigten A l u miniumwerke ( V A W ) , der Deutschen Bank und auch der I G Farbenindustrie A G , zu selbstherrlich vorgegangen. Das Ministerium hatte v o r allem den

Finanzierungsplan

Krauchs und der V A W abgelehnt, eine hundertprozentig staatliche Finanzierung durchgesetzt 7 5 und sogar erklärt, es beanspruche „auch f ü r die Zeit nach dem Kriege unter allen Umständen die Majorität und Führung". 7 6 Obwohl nun Hauptbestandteil des Leichtmetallplans im Göringprogramm, blieb das Norwegenprojekt Ausdruck interner Gegensätze zwischen den beiden konkurrierenden Gruppierungen. B e i der Aufstellung des „Flugtreibstoff-Ausbauplans" dominierten hingegen der

IG-

Farben-Konzern und das von seinem Aufsichtsratsvorsitzen Krauch geleitete Reichsamt f ü r Wirtschaftsausbau bzw. die ebenfalls von Krauch repräsentierte Dienststelle des G B Chemie vollständig. Dieses Projekt stellte den dritten Eckpfeiler des Göringprogramms dar. D i e Treibstofflage des deutschen Imperialismus war, gemessen an seinen Absichten und Zielen, prekär. D i e

Rüstungsdienststellen

der Wehrmacht hatten in dieser

Hinsicht

bereits v o r dem 22. Juni 1941 trostlose Zustände für den Herbst 1941 vorausgesagt. Nach Berechnungen des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamts v o m Mai 1941 mußten die T r e i b stoffvorräte der Wehrmacht in Höhe von fast 1 Million t binnen drei Monaten, d. h. bis September 1941, auf 220000 t zusammenschrumpfen, davon allein der Vorrat an Flugtreibstoff von rund 210000 auf 31 000 t. 77 N a c h dem Flugbenzinplan des Göringprogramms sollte, ausgehend von einem Stand von 160000 t monatlich, binnen eines Jahres (Mitte 1942) eine Kapazität v o n 260000 t (3,12 Millionen t jährlich), Anfang 1943 sogar eine solche von 390000 t (4,68 Millionen t jährlich) zur Verfügung stehen. 78 Für den damit verbundenen Bau mehrerer großer H y d r i e r - bzw. erdölverarbeitender Anlagen — für die großen Hydrierwerke in Pölitz, Wesseling und Magdeburg war die „Totalumstellung auf Erdölverarbeitung" vorgesehen — forderte der G B Chemie enorme Mengen von Eisen und Stahl, an Bauvolumen, an Arbeitskräften, Devisen usw. Unter den „weiteren Voraussetzungen" des Plans stand an erster Stelle die „Lieferung geeigneter Russen-Rohöle in Höhe bis zu 4 Mill. j a t o " , die ab Mitte 1943 voll, in Höhe von 1,5 Millionen t Jahresmenge aber schon ab Frühjahr 1942 ( ! ) in Deutschland verarbeitet werden sollten. D i e Gesamtmenge sollte v o m Frühjahr 1943 an über eine Pipeline v o n Odessa nach Schlesien und nach B r ü x fließen, die später nach P ö l i t z bei Stettin bzw. an die Ostsee zu verlängern wäre. V o n A n f a n g an waren es also die Erdölquellen der Sowjetunion, deren Eroberung den 75 Ebenda (Ms. Neukirch). 76 B A Koblenz, R 2/5481, A N RMdF üb. Sitzung v. 25. 11. 1940. 77 ZStA Potsdam, FS, Film 1781, „Voraussichtliche Versorgungslage in den Sommermonaten 1941", 20. 5. 1941. — Kritisch wurde die Treibstoffsituation tatsächlich ab Ende Oktober 1941 (Reinhardt, Klaus, Die Wende vor Moskau. Das Scheitern der Strategie Hitlers im Winter 1941/42, Stuttgart 1972, S. 116ff.; Birkenfeld, Wolfgang, Der synthetische Treibstoff 19331945. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Wirtschafts- und Rüstungspolitik, Göttingen/ Berlin (West)/Frankfurt a. M. 1964, (im folgenden: Treibstoff), S. 155f. 78 Wie Anm. 70. Hiernach auch das Folgende. — Die Luftwaffe forderte sogar, daß die gesamte (zusätzliche) Produktion von Flugbenzin aus dem unerhört anlagen- und arbeitsaufwendigen Hochleistungstreibstoff (Hundertoktanbenzin) zu bestehen habe (ebenda, 2. Fassung d, Flugtreibstoffplans).

Die „ U m r ü s t u n g " v o m S o m m e r 1941

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Hauptposten in der Treibstoffplanung des Göringprogramms bildete. Sogleich mit Beginn des Krieges gegen die U d S S R erfolgte daher die „Ausdehnung der Generalvollmacht des GB-Chem auf die besetzten und noch zu besetzenden Gebiete sowie die mit dem Reich in enger wirtschaftlicher Verbindung stehenden Länder". 7 9 Die gesamten Forderungen Krauchs nach künftigen Erdöleinfuhren aus der U d S S R beliefen sich auf jährlich 9 Millionen t 8 0 , die des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes auf 9,3 Millionen t für 1942 und auf 12,2 Millionen t für 1943. 81 Demgegenüber stand 1941 ein Gesamtaufkommen von weniger als 9 Millionen t Mineralöl, über das der deutsche Imperialismus zu jener Zeit in dem von ihm beherrschten Teil Europas tatsächlich verfügte. 8 2 Damit erklärte sich der Stoßseufzer von General Thomas: „Ohne Besitz des Kaukasus hat es keinen Zweck mehr, das Flugbenzinprogramm von Krauch weiter zu verfolgen."® Die Investitionsvorhaben des GB Chemie auf dem Treibstoffgebiet rangierten von nun an in der allerhöchsten Dringlichkeitsstufe der Kriegswirtschaft; seine Anforderungen an Arbeitskräften beispielsweise waren „gleichrangig mit den Anforderungen des Molorenbaus für die Luftwaffe zu befriedigen". 8 4 Damit „erreichte der Treibstoffausbau während der letzten Monate des Jahres (1941 — D. E.) eine Position innerhalb der deutschen Gesamtrüstung, die — von den letzten Kriegsmonaten abgesehen — einzig dasteht". 8 5 Was der zuletzt zitierte Autor allerdings verschweigt 8 6 , ist die mit Ausmaß und Abenteuerlichkeit der „Programme" sprunghaft zunehmende Brutalisierung der Ausbeutung, die ihre Entsprechung in der Brutalisierung der faschistischen Kriegführung hatte und wie diese ein Ausdruck des klaffenden Widerspruchs zwischen Kriegszielen und -plänen einerseits, den realen wirtschaftlichen und militärischen Gegebenheiten und Möglichkeiten andererseits war. Der GB Chemie hatte bereits Ende 1940/Anfang 1941 mit Görings Hilfe begonnen, sich für die Bauvorhaben auf dem Gebiet der Treibstoff- und Bunaproduktion neue materielle und Arbeitskräfteressourcen zu erschließen. Er machte sich die wirtschaftlichen Potenzen des Machtbereichs der S S zunutze und schloß mit Himmler ein enges Bündnis. Als Standort für eines der größten Hydrierwerke zur Herstellung von HochIeistungsflugtreibstoff sah er Auschwitz vor. Und so besiegelten der Schweiß, die Tränen und das Blut von Zehntausenden von Opfern des Naziregimes auf den Baustellen des Konzentrationslagers Auschwitz jenes menschenfeindliche Bündnis, das die deutschen 79 Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 1741, V o r t r a g D r . R i t t e r ( G B Chemie) auf der T a g u n g der R ü s t u n g s inspekteure: „ Ü b e r die Arbeiten des Gen.-bevollmächtigten für S o n d e r f r a g e n der chemischen E r z e u g u n g Prof. Dr. C. K r a u c h " , 21. 1. 1 9 4 2 ; meine Hervorh. 80 Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 8273, K T B d. W i R ü A m t / S t a b , Eintr. v. 23. 7. 1941 (üb. B e s p r . Krauch — Thomas). 8 1 Wie Anm. 71. — F ü r d a s letzte Q u a r t a l 1941 berechnete T h o m a s das Defizit m i t 1,74 Mill. Tonnen (ebenda). 82 The Effects, S . 75, T a b . 35 (ohne L a g e r a b g a n g ) . Die hier angegebene Zahl (8,9 Mill. t) enthält außer Treibstoff auch andere Mineralölprodukte; die Ziffer in der von W a g e n f ü h r ( W a g e n f ü h r , Rolf, Die deutsche Industrie i m Kriege 1 9 3 9 - 1 9 4 5 , 2. Aufl., Berlin 1963, S . 171) aufgestellten „ K r a f t s t o f f b i l a n z " (6,9 Mill. t) ist jedoch unvollständig in der E r f a s s u n g und zu niedrig. 83 Wie Anm. 8 0 ; E i n t r . v . 29. 7. 1941. 84 Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 4566, R V f g . R M f B u M an die Vorsitzer der P r ü f u n g s k o m m i s s i o n , 16. 7. 1941. 85 Birkenfeld, Treibstoff, S . 164. 86 E b e n d a , S . 165 f., S . 174.

3-

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Der Überfall auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

Rüstungsmonopole, voran der IG-Farben-Konzern, und die S S miteinander geschlossen hatten. 8 7 Das Göringprogramm war Ausfluß einer kriegswirtschaftlichen Konzeption von äußerster Aggressivität und Brutalität. Die Abenteuerlichkeit der Planungen lag ebenso auf der Hand wie ihre Gefährlichkeit. 8 8 Das wirtschaftliche Blitzkriegskonzept der deutschen Imperialisten erreichte darin seinen Höhepunkt — gerade zu einem Zeitpunkt, an dem es, ungeachtet aller Anfangserfolge im Osten, unwiderruflich zum Scheitern verurteilt war.

b) Ansätze zur

„Umrüstung"

Die „Umsteuerung der Rüstung" auf das Göringprogramm lief bei weitem nicht so schnell und reibungslos an, wie die rigorosen Befehle Hitlers und Görings es erwarten ließen. Das Durcheinander und Gegeneinander im staatsmonopolistischen Mechanismus der Kriegswirtschaft war zu keinem anderen Zeitpunkt während des Krieges größer als im zweiten Halbjahr 1941. Wesentliche Ursache hierfür waren in zunehmendem Maße die militärischen Ereignisse an der deutsch-sowjetischen Front. Anfangs machten sich aber auch andere Faktoren und Widersprüche ursächlich bemerkbar, die dem System immanent waren. Die unstillbare Gier der deutschen Imperialisten nach Expansion und Weltherrschaft stieß auf Grenzen in dem verfügbaren Wirtschaftspotential. Diese Grenzen waren freilich keine absoluten. Die Dialektik der Politik des Regimes war aber so beschaffen, daß die Barbarei und Skrupellosigkeit, mit der die Faschisten Krieg führten, andere Völker unterjochten, raubten und mordeten, mit ihren Skrupeln und Zweifeln hinsichtlich der Festigkeit des eigenen Hinterlandes, einschließlich der Massenbasis ihrer Diktatur, widerspruchsvoll korrespondierten. In gewissem Grade hing hiermit der Tatbestand zusammen, daß es ihnen einstweilen nicht gelang, die Regulierungsvollmachten in der Kriegswirtschaft wirksam an einer Stelle zu konzentrieren und eine staatsmonopolistische Zentralgewalt zu schaffen, die mit Konsequenz jene Eingriffe in der Volkswirtschaft hätte vornehmen können, welche für die geplante „Umrüstung" großen Stils erforderlich gewesen wären. Es war die Konkurrenzgesetzlichkeit des Systems, die sich vorerst als stärker erwies als die „eiserne Notwendigk e i t " des Krieges. Mil dem Göringprogramm meldeten die Luftwaffenführung und die Vierjahresplangruppierung ihren Anspruch auf staatsmonopolistische Alleinherrschaft an. Sollte das Programm verwirklicht oder zumindest erfolgreich in Angriff genommen werden, so mußten sie die kriegswirtschaftliche Regulierungsgewalt in einem bisher nicht dagewesenen Ausmaß bei sich konzentrieren. Eine seit langem akute Grundfrage des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland erschien in neuem L i c h t : Auf welche Kräftegruppierung würde die Führung in Rüstung und Kriegswirtschaft übergehen? Die Ambitionen der Luftwaffe und des Vierjahresplans durchzusetzen, war aber zu einer Zeil undenkbar, in der gerade das Heer im Osten mit seiner vollen Kraft im Kampf gegen den — wie es sich herausstellte — stärksten und entschlossensten Gegner stand. Das Heer hätte damit seinen Einfluß auf den Gang der Kriegswirtschaft weitgehend eingebüßt; es 87 Siehe S. 220 f. 88 Petzina legt allein Göring die „Irrealität" des Göringprogramms zur Last; das Amt Krauch trage dafür keine Verantwortung (Petzina, Dieter, Autarkiepolitik im Dritten Reich. Der nationalsozialistische Vierjahresplan, Stuttgart 1968 (im folgenden: Autarkiepolitik), S. 147).

Die „Umrüstung" vom Sommer 1941

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hätte Entwicklung und effektiven S t a n d der Produktion seiner Ausrüstung nicht mehr maßgeblich regulieren können. Abgesehen von den Rüstungsdienststellen des Heeres war es vor allem das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition unter Fritz Todt, dessen Interessen hierbei mitsprachen. Seit etwas über einem J a h r waren ihm von Hitler und Göring bedeutende Regulierungsvollmachten gerade auf dem Gebiet der Produktion der Heeresbewaffnung übertragen worden. General Thomas urteilte später, auf das J a h r 1941 zurückblickend: „Daß der RMfBuM auf weite Sicht anstrebte, die Gesamtrüstung bei sich zu vereinen, wurde immer klarer." 8 9 Hinter dem Munitionsminister stand die Leitung der Reichsgruppe Industrie. Sein Ministerium war die Exekutive der großen Rüstungsmonopole, die Panzer, Waffen und Munition für das Heer produzierten. Unter diesen wiederum spielten die Montankonzerne, insbesondere die Ruhrkonzerne, die führende Rolle. Todt deutete schon frühzeitig an, daß die Arbeitskräftelage es nicht erlauben werde, sogleich das Programm der Luftwaffe in Angriff zu nehmen. „ E i n e generelle Entlastung auf dem Arbeitsmarkt kann nach Auffassung von Dr. Todt erst im Herbst erfolgen." 9 0 Was die Werkzeugmaschinen betraf, die ursprünglich für den E x p o r t in die U d S S R vorgesehen waren, so sollten sie nach Aufhebung der Tarnung von „ B a r b a r o s s a " „auf Luftwaffen-, Panzer- und Flakprogramm verteilt" werden. 9 1 All dies verriet keine große Neigung des Ministers, in absehbarer Zeit die Heeresrüstung zugunsten der Luftwaffe zu kürzen. Daß es Todt gelang, sich in Hitlers Erlaß vom 20. J u n i 1941 9 2 eine zentrale Stellung bei der „ Umrüstung" vorbehalten zu lassen, kam nicht nur für die Luftwaffenführung, sondern auch für das O K W überraschend. Nach den Vollmachten a u s diesem Erlaß hing d a s Schicksal der „Umrüstung" weitgehend vom Reichsminister für Bewaffnung und Munition ab. Am gleichen Tag ergingen neun Erlasse Görings 9 3 , die Todt „veranlaßt" hatte, ohne sich vorher mit der Wehrmachtführung abzusprechen. 9 4 Sie betrafen überwiegend die Regulierung des Arbeitskräftemarktes und verschafften dem Munitionsminister wichtige neue Vollmachten auf diesem Gebiet, auf dem er bereits seit Anfang des Jahres eine sehr starke Position innehatte. D a s Erlaßbündel hatte er Göring augenscheinlich mit dem Argument, das Luftwaffenprogramm besser mit Arbeitskräften versorgen zu wollen, vorgelegt. Göring übertrug ihm als G B B a u ferner die Verteilungsbefugnis für das Gesamtkontingent an Baueisen und Holz 9 5 — ebenfalls ein empfindlicher Eingriff in die Machtvollkommenheit des OKW, des Reichsamts für Wirtschaftsausbau und anderer Stellen. Dem Heereswaffenamt und dem ihm übergeordneten Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, Generaloberst Friedrich Fromm, blieb nichts anderes übrig als einzusehen, daß ihre Interessen jetzt eng mit denen des bisher heftig angefeindeten Munitionsministeriums verknüpft waren. Angesichts der gefestigten Position Todts fühlte sich Fromm so weit ermutigt, daß er sich unumwunden „gegen den Führerbefehl" vom 20. J u n i , d. h. gegen das Göringprogramm, aussprach. 9 6 89 Thomas, S. 257. 90 ZStA Potsdam, FS, Film 2325, AN üb. Bespr. zwischen Thomas u. Todt am 11.6.1941, 13. 6. 1941. 91 Ebenda. 92 Siehe S. 13. 93 ZStA Potsdam, F S , Film 2312, neun Erlasse Görings v. 20. 6. 1941, mit Rs. Todt v. 21. 6. 1941. 94 Thomas, S. 533, Thomas an Keitel üb. Bespr. mit Todt am 27. 6. 1941, 29. 6. 1941. 95 ZStA Potsdam, FS, Film 1746, Erlaß BfV, 3. 7. 1941. 96 Ebenda, Film 2313, AN WiRüAmt üb. „Stellungnahme OKU zum Führerbefehl vom 20. 6.", 23. 6. 1941.

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Der Überfall auf die ü d S S R . Wirtschaftliehe Blitzkriegsillusionen

Todt nutzte die Bereitschaft des Chefs der Heeresrüstung zu Zugeständnissen sofort aus und gab am 21. Juni mit ihm gemeinsam den Erlaß über die Bildung einer Panzerkommission heraus, die er schon seit längerem 97 vorbereitet hatte. Der Erlaß begann mit einer eindeutigen Forderung nach Erhalt und Stärkung der „Schlagkraft des Heeres" und damit der Heeresrüstung: „Das große Panzerprogramm des Heeres steht im Rahmen der Heeresrüstung an erster Stelle in höchster Dringlichkeitsstufe. Es stellt das Rückgrat dar für den Aufbau der schnellen Verbände und damit für die Schlagkraft des Heeres überhaupt. Es ist daher unumgänglich und unverzüglich notwendig, alle militärischen, technischen und fabrikatorischen Kräfte dienstlicher und ziviler Quellen zusammenzufassen und zu einheitlicher Planung, Erprobung und Fertigung zusammenzuführen." 98 Das erwähnte Panzerprogramm war auf zwei Jahre berechnet; Hitler hatte befohlen, die „Zahl der Panzerdivisionen von 20 auf 36 zu erhöhen" 99 und sie mit neuen Typen schwerer Panzer auszustatten. In Anbetracht dieses und anderer umfangreicher Rüstungsvorhaben des Heeres beharrte Fromm darauf, die Einschränkung der Heeresrüstung müsse „über OKW durch den Führer in ihrem Umfang befohlen werden, bevor die praktischen Folgerungen daraus gezogen werden können". 100 In anderer Hinsicht sollte die Bildung der Panzerkommission, der ersten einer ganzen Reihe von „Entwicklungskommissionen" des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition, bald ihre Schattenseiten für die Heeresdienststellen zeigen. In der Kommission waren die Rüstungskonzerne durch ihre führenden Direktoren, Konstrukteure und Ingenieure vertreten und zeigten sich, zusammen mit den Beamten des Ministeriums, den Vertretern der Wehrmacht schon zahlenmäßig überlegen. Alle Rüstungsaufträge auf dem Gebiet der Panzerproduktion sollten der Kommission „zur vorherigen Mitprüfung im Sinne einer vereinfachten, leistungssteigernden Fertigung" vorgelegt werden. 101 Das Heer mußte seine Typenwünsche den Kommissionsbeschlüssen unterordnen. In der Möglichkeit, Waffentypen selbst zu konstruieren, wurde es faktisch immer stärker beschränkt. Den Vo.'sitz der Kommission hatte als ständiger Vertreter des Ministers Ferdinand Porsche, der Vorstandsvorsitze des Volkswagenwerks, inne. Damit wurden, wenn auch vorerst nur für Panzerwagen, dem Heereswaffenamt bedeutende Kompetenzen entwunden, die weitgehend und unmittelbar in die Hände der maßgeblichen Panzerproduzenten unter den Rüstungskonzernen gelangten. Das Heer mußte seinen Anspruch aufgeben, in technischen und Konstruktionsangelegenheiten allein zu entscheiden, einen Anspruch, der sich nach den Erfahrungen der Rüstungskonzerne profit97

Siehe ebenda, Film 2312, AO Todts v. 11. 1. 1941. Gemäß dieser Anordnung wurde Direktor Oskar Hacker (Steyr-Daimler-Puch/Reichswerke-Konzern), bisher Geschäftsführer des Sonderausschusses Panzerwagen, zum „Sonderbeauftragten für Panzerwagen" beim RMfBuM bestellt. 98 Anatomie des Krieges, S. 336, Dok. 164, Erlaß v. Todt u. Fromm, 21. 6. 1941. 99 ZStA Potsdam, FS, Film 8273, KTB d. WiRüAmt/Stab, Eintr. v. 14. 7. 1941; s. a. ebenda, Eintr. v. 26. 6. 1941. Reinhardt erwähnt eine Weisung Hitlers vom 13. Juli 1941, nach der „die bestehenden Panzer- und Infanteriedivisionen (mot.) bis zum 1. Mai 1942 auf 36 beziehungsweise 18 zu erhöhen" waren, die jedoch aus drei vollen Regimentern bestehen sollten (Reinhardt, S. 29). Schon im Monat zuvor hatte Hitler den „Wunsch" geäußert, das Panzerprogramm von 600 auf 900 gepanzerte Fahrzeuge monatlich zu erhöhen (wie Anm. 94). Der durchschnittliche monatliche Ausstoß lag von Januar bis Juni 1941 bei 270 Stück! (The Effects, S. 278, Tab. 104). 100 ZStA Potsdam, FS, Film 2313, F S Fromm an Warlimont (WFSt/Abt. L), 23. 6. 1941. 101 Wie Anm. 98.

Die „Umrüstung" v o m Sommer 1941

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m i n d e r n d auswirkte. Die Monopole lösten d a m i t auf ihre Weise u n d zu ihren Gunsten d e n Widerspruch zwischen den Erfordernissen der rationalisierten u n d profitablen Serienp r o d u k t i o n von Panzern u n d dem D r ä n g e n der W e h r m a c h t auf ständige rascheste Anpassung der Konstruktionen an die modernen kriegstechnischen Anforderungen u n d an die Verhältnisse auf dem jeweiligen Kriegsschauplatz. D e r Reichsminister f ü r Bewaffnung u n d Munition h a t t e sich gut gerüstet f ü r die zu erwart e n d e Auseinandersetzung m i t der L u f t w a f f e n f ü h r u n g u m die entscheidenden Regulierungsvollmachten in der Kriegswirtschaft. Als Generalfeldmarschall E r h a r d Milch, Generalinspekteur der L u f t w a f f e u n d Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium, a m 26. J u n i 1941 das Göringprogramm vor Spitzenvertretern der Rüstungsdienststellen der W e h r m a c h t u n d des Vierjahresplans erläuterte u n d seine „besonderen umfassenden Vollm a c h t e n " 1 0 2 herausstrich, wurde ihm — in T o d t s Abwesenheit — v o r g e h a l t e n : „Führerbefehl v o m 20. 6. an Reichsminister T o d t steht im gewissen Widerspruch zu der Vollmacht u n d den Ausführungen des Feldmarschall Milch." 1 0 3 Milch u n d T o d t h a t t e n daraufhin a m folgenden Tag einen heftigen Zusammenstoß. 1 0 4 T h o m a s berichtete n a c h einer Auss p r a c h e m i t T o d t d a r ü b e r : „Todt h a t t e anscheinend gedroht, beim F ü h r e r seine Ablösung zu erbitten, wenn Milch diese Vollmacht b e h ä l t . " 1 0 5 D e r Generalinspekteur d e r Luftwaffe w a r sich seiner Vollmachten aber d u r c h a u s n i c h t sehr sicher, da Göring, wie er sich Thomas gegenüber ausdrückte, „zwei Herzen in seiner B r u s t " trage, „eines f ü r die L u f t w a f f e u n d eines als Vorsitzender des Reichsverteidigungsrates" 1 0 6 , d. h. als Verantwortlicher auch f ü r die übrigen Bereiche von W e h r m a c h t r ü s t u n g u n d Kriegswirtschaft. F ü r eine Zeitspanne von Wochen, höchstens wenigen Monaten blieb der Ausgang dieses internen Konflikts im Ungewissen, was n i c h t zuletzt m i t der keineswegs entschiedenen Lage an der deutsch-sowjetischen F r o n t zusammenhing. F ü r das Wehrwirtschafts- u n d R ü s t u n g s a m t des O K W lag hierin eine Chance. E s w ä h n t e sich im Kampf u m eine zentrale Kommandostelle f ü r die Kriegswirtschaft in einer besonders günstigen S i t u a t i o n . Die Idee, •eine solche Stelle zu schaffen u n d selbst zu leiten, schwebte d e m Chef des Amtes, General T h o m a s , seit J a h r e n vor u n d t a u c h t e seit Kriegsbeginn immer von n e u e m in seinen Memoranden u n d Vortragsnotizen auf. D a s Wehrwirtschafts- u n d R ü s t u n g s a m t h a t t e im kriegswirtschaftlichen Regulierungsmechanismus immer noch eine starke Stellung. Seit Anfang 1941 war seine Position zwar in b e s t i m m t e n empfindlichen P u n k t e n zugunsten des Munitionsministeriums geschwächt worden, insgesamt h a t t e sich aber d a s Gewicht des Amtes f ü r die sich a n b a h n e n d e Auseinandersetzung u m die „ U m r ü s t u n g " eher erhöht, besonders seit Göring ihm im H e r b s t 1940 die gesamte Vorbereitung auf die wirtschaftliche Ausplünderung der U d S S R , später d i e Geschäfts- u n d F e d e r f ü h r u n g f ü r den W i r t s c h a f t s f ü h r u n g s s t a b Ost u n d die Diensta u f s i c h t ü b e r den W i r t s c h a f t s s t a b Ost übertragen hatte. 1 0 7 D a m a l s h a t t e sich d a s Amt jene 102 Thomas, S. 448, Protokoll WiRüAmt (Hünermann) üb. Bespr. b. Staatssekr. Milch am 26. 6. 1941. 103 Ebenda, S. 450. Siehe auch Groehler, Geschichte des Luftkriegs, S. 338. 104 Wie Anm. 94. — Albert Speer war Zeuge dieses Vorfalls (Speer, Albert, Erinnerungen, Berlin (West) 1971 (9. Aufl.), S. 198). Ludwig berichtet über zwei derartige Auseinandersetzungen (am 26. und am 27.6.); Ludwig, Karl-Heinz, Technik und Ingenieure im Dritten Reich, Düsseldorf 1974 (im folgenden: Ludwig, Technik), S. 372f. 105 Wie Anm. 94. 106 Wie Anm. 94 (S. 534). 107 Siehe Band I, S. 233 f.

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Der Überfall auf die U d S S R . "Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

weitgehende Zusicherung Görings beschafft, daß Todt „allein für die Fertigung eingesetzt sei und daß Führung der Rüstung einschließlich Rohstoffverteilung und Arbeitseinsatz allein beim OKW liegen könne, das ihn (Göring — D. E.j in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ministerrats für die Reichsverteidigung zu unterrichten habe". 108 Ahnlichen Bescheid erhielt Todt, als er Ende Juni 1941 unmittelbar an Hitler die Forderung herantrug, es müsse jetzt „eine Stelle geschaffen werden, die rücksichtslos gegen die drei Oberbefehlshaber (der Wehrmachtteile — D. E.) entscheidet". 109 Darauf suchte er, um nicht der Luftwaffe das Feld zu überlassen, zunächst einen Kompromiß mit dem Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt. Da zur gleichen Zeit auch Milch dieses Amt um Hilfe anging, fühlte Thomas sich in seiner Meinung bestärkt, „daß zur Zeit eine besonders günstige Lage ist, die Führung der Rüstung beim OKW wieder fest in die Hand zu nehmen". 110 Während das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt sich aber in den folgenden Wochen des langen und breiten über die „Unmöglichkeit" ausließ, das Göringprogramm oder gar alle Rüstungsvorhaben der Wehrmacht zugleich zu verwirklichen, während es die unbequemen Forderungen auf „rücksichtsloses Zusammenstreichen" der Rüstungsprogramme von Heer und Marine vertrat 1 1 1 und erneut wegen einer „zentralen Wehrmacht-Planungsstelle" vorstellig wurde 112 , handelte das Munitionsministerium ohne Verzögerung. Todts Erlaß vom 11. Juli 1941 113 erschien noch vor dem Erlaß Hitlers vom 14. Juli und ließ gar keinen Zweifel daran, daß der Munitionsminister die ihm im Erlaß vom 20. Juni vorbehaltene zentrale Stellung bei der „Umrüstung" niemandem abzutreten gedachte. „Todt hat", so notierte Thomas am 14. Juli, „von sich aus eine Verfügung über die Umsteuerung der Rüstung auf das neue Luftwaffenprogramm herausgegeben . . . Damit zieht Todt auch die Kapazitätsverteilung an sich." 114 Das neue Luftwaffenprogramm, so hieß es eingangs in Todts Erlaß, bedinge eine „erhebliche Verstärkung" der Luftwaffenrüstung. 115 Von einer „Senkung der Fertigungszahlen" blieben jedoch das „Panzerprogramm, die reine U-Boot-Fertigung einschließlich der Torpedos sowie die Flakmunitions- und Flakrohrfertigung und Sonderfertigungen auf Grund höchster Entscheidung ausgenommen". Ein von Todt eingesetzter „Kapazitätenausschuß" unter seinem altgedienten Mitarbeiter Georg Rickhey (Demag), in den OKW und Wehrmachtteile je einen Vertreter entsenden sollten, entschied über die Übertragung von Rüstungskapazitäten vor allem des Heeres auf die Luftwaffe. Die Übertragung — im Erlaß stets „Austausch von Kapazitäten" (!) genannt — sollte möglichst so vor sich gehen, daß ganze Betriebe von Heeresaufträgen freigemacht würden. Mit diesen Aufträgen seien „nur einige wenige Formen möglichst hundertprozentig weiterzubeschäftigen"; sie sollten auf solche Betriebe konzentriert werden, „die am rationellsten arbeiten". Das konnte nur bedeuten, daß die großen, führenden Heereslieferanten weiterhin und womöglich noch ausschließlicher für die Heeresrüstung produzierten. Zur gleichen Zeit setzte der Munitions108 ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 415, Bl. 153, Dok. PS-1456, A N Thomas' üb. Vortrag bei Göring, 6. 11. 1940. 109 Wie Anm. 94. 110 Wie Anm. 94 (S. 534). 111 Wie Anm. 99; div. Eintr. J u n i - A u g u s t 1941 (bsd. 26. 6., 1. 7., 1. 8., 4. 8., 8. 8.). 112 Fall Barbarossa, S. 225, Dok. 63, Bericht WiRüAmt v. 10. 7. 1941. 113 ZStA Potsdam, FS, Film 4186, Erlaß Todts betr. „Austausch von Kapazitäten", 11. 7. 1941. 114 Wie Anm. 99; Eintr. v. 14. 7. 1941. 115 Wie Anm. 113. Hiernach auch das Folgende.

Die „Umrüstung" vom Sommer 1941

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minister zum Beispiel in allen 31 Firmen, die in ihrem Produktionsprogramm Ersatzteile für Panzer führten — darunter Alkett, Daimler-Benz, Krupp, Henschel und Maybach —, Sonderbeauftragte ein. Mit höchster Dringlichkeit sollten „Engpaßersatzteile" für die Ostfront produziert werden, um die erschreckenden Panzerausfälle wettzumachen. D i e Beauftragten hatten „alle erforderlichen Maschinen auf 24stündige Arbeitszeit zu programmieren", und zwar für die „nächsten W o c h e n " . 1 1 6 Die alleinige Verfügungsgewalt über die freiwerdenden Arbeitskräfte erhielten die Prüfungskommissionen, die ebenfalls dem Munitionsminister unterstanden. 1 1 7 D e r Generalluftzeugmeister hatte seine Anforderungen dem Ministerium bzw. dem Kapazitätenausschuß mitzuteilen. E r war, ebenso wie die Dienststellen von Heer und Kriegsmarine, „nicht befugt", Weisungen unmittelbar an die Betriebe zu geben. Alle endgültigen E n t scheidungen lagen beim Munitionsminister. Mit seinem Erlaß legte sich Todt zwar auf ein bestimmtes Verfahren der „Umrüstung" zugunsten der Luftwaffenrüstung fest; er konzentrierte aber wichtige Vollmachten für die Regulierung dieses Prozesses in seiner Hand, und ihm blieb es auch weitgehend überlassen, das Tempo des Vorgehens zu bestimmen. I m Laufe des Augusts beschwerte sich die Luftwaffenführung des öfteren, „daß Todts Kapazitätenumlagerung zu langsam vor sich g e h t " 1 1 8 und daß die „Umsteuerung der R ü s t u n g " sich „praktisch . . . noch nicht ausgewirkt" habe. 1 1 9 Immerhin begann das O K H noch im J u l i 1941 damit, lange Listen über die „Streichung und Kürzung von Wehrmachtsaufträgen" anzulegen, zuerst für weniger wichtiges Kriegsgerät und Zubehör, bald auch für „Großwaffen". Das O K M folgte diesem Beispiel. „Drosselungslisten" gingen an die Rüstungsinspektionen und -kommandos, diese wiederum machten „Drosselungsvorschläge", und schließlich erhielten die Betriebe entsprechende „Drosselungsschreiben". 1 2 0 Die hiermit einsetzenden Veränderungen in der S t r u k t u r der deutschen Kriegsproduktion entsprachen ihrem Umfang nach allerdings keineswegs dem, was die Urheber des Göringprogramms für nötig hielten. Ihr Tempo verlangsamte sich in dem gleichen Maße wie der Vormarsch der faschistischen Armeen auf sowjetischem Boden. Wie sie sich tatsächlich auf die Luftwaffenrüstung auswirkten, ist nicht leicht zu beurteilen, zumal da diese Auswirkungen gebietsweise und j e nach Industriezweig sehr unterschiedlich waren. E s gab Rüstungsinspektionen, die nach einem Vierteljahr die „Umsteuerung der Heeresfertigung" als „restlos abgeschlossen" meldeten und über ihr Ergebnis ausdrücklich vermerkten, es habe s t a t t einer großzügigen Freisetzung im Endeffekt „nur eine rein innerbetriebliche Umsetzung der Arbeitskräfte" stattgefunden; denn anstelle der annullierten oder gekürzten Heeresaufträge seien neue Waffen und Geräte in Produktion genommen worden. 121 116 Zur gleichen Zeit setzte der Munitionsminister zum Beispiel in allen 31 Firmen, die in ihrem Produktionsprogramm Ersatzteile für Panzer führten — darunter Alkett, Daimler-Benz, Krupp, Henschel und Maybach —, Sonderbeauftragte ein. Mit höchster Dringlichkeit sollten „Engpaßersatzteile" für die Ostfront produziert werden, um die erschreckenden Panzerausfälle zu vermindern. Die Beauftragten hatten „alle erforderlichen Maschinen auf 24stündige Arbeitszeit zu programmieren", und zwar für die „nächsten Wochen" [Ludwig, Technik, S. 375; zit. Vfgg. RMfBuM v. 12. u. 21. 7. 1941). 117 Siehe S. 180 f. 118 Wie Anm. 99, Eintr. v. 2. 8. 1941. 119 ZStA Potsdam, FS, Film 1781, (monatl.) Lagebericht der Rüln III (Berlin), 15. 8. 1941. 120 Div. Mat. hierzu für Juli-Oktober 1941 in: ZStA Potsdam, FS, Film 2313 und 3643. 121 Ebenda, Film 1781, (monatl.) Lagebericht der Rüln VI (Münster), 14. 11. 1941.

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Der Überfall auf die U d S S R . Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

In Lageberichten der Wirtschafts- bzw. Industrie- und Handelskammern an die Reichswirtschaftskammer hieß es für den Zeitraum August/September 1941, der angeordnete Kapazitätenaustausch zugunsten der Luftwaffe habe sich „noch nicht weiter ausgewirkt. Die bisherigen Aufträge laufen im wesentlichen weiter." 1 2 2 Die für die Heeresrüstung Verantwortlichen im O K H und in den Rüstungsinspektionen waren indessen nach wie vor beunruhigt. Sie wandten sich mit zunehmendem Nachdruck gegen den geplanten raschen Abbau der Heeresrüstung aus der Befürchtung heraus, „daß die vom O K H befohlenen Kapazitäten eines Tages nurmehr auf dem Papier stehen" könnten. 123 Wenn erst „die Arbeiter und Kapazitäten durch andere Wehrmachtteile in Anspruch genommen" seien, so argumentierten sie mit dem unmißverständlichen Hinweis auf die zunehmende Verlangsamung des Vormarsches in der Sowjetunion, würden sie „dem Heer . . . nicht mehr zur Verfügung stehen". 124 Der Reichsminister für Bewaffnung und Munition schließlich äußerte am 1. Oktober gegenüber dem Reichsarbeitsminister anläßlich des Abzugs französischer Zwangsarbeiter von Bauvorhaben des Heeres (Panzerfertigung) und der Marine unumwunden, „daß diese einseitige Förderung der Luftwaffenfertigung unter völliger Hintansetzung der wichtigsten Rüstungsbauvorhaben nicht im Interesse der gesamten Aufrüstung gelegen ist". 1 2 5 Die Produktion von Kriegsflugzeugen entwickelte sich tatsächlich in einer den Wünschen und Plänen der Strategen des Göringprogramms genau entgegengesetzten Richtung. Sie sank von ihrem Höhepunkt im März 1941 bis zum November von 1174 auf 895 Maschinen ab — das bei den rapide wachsenden Verlusten im Osten — und überschritt dieses Niveau wesentlich erst vom Frühjahr 1942 an. 1 2 6 Allerdings entstanden gerade in dieser Zeit sehr umfangreiche neue Werkanlagen für die Flugzeugindustrie. Die Dienststelle des „Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt", d. h. Albert Speers, die diese Bauten ausführte, stand in fast täglichem Arbeitskontakt sowohl mit dem Generalinspekteur der Luftwaffe als vor allem auch mit dem Munitionsminister, der in Personalunion Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft war. Nach der Arbeitskräftebilanz der überwiegend für die Rüstung produzierenden und unmittelbar von Wehrmachtsdienststellen betreuten Betriebe, der sogenannten W- oder A-Betriebe, in denen Mitte 1941 rund 45 Prozent aller in der Industrie Beschäftigten tätig waren 1 2 7 , wuchs die Beschäftigtenzahl der hauptsächlich für die Luftwaffe arbeitenden Betriebe nicht unbedeutend, ohne daß jedoch die für das Heer arbeitenden Werke Arbeitskräfte in größerer Anzahl einbüßten. Der Zuwachs bei den für die Luftwaffe arbeitenden Betrieben beruhte also so gut wie ausschließlich darauf, daß Arbeitskräfte außerhalb der W-Betriebe einschließlich ausländischer Zwangsarbeiter für diese verpflichtet wurden. Immerhin ist zusätzlich mit einer gewissen — geringen — Zahl von Arbeitskräften zu rechnen, die innerhalb der W-Betriebe des Heeres und der Marine auf Aufträge der Luftwaffe „umgesetzt" wurden. (Tabelle 4) In einer später ausgearbeiteten Studie resümierte man im OKW, „daß die Führererlasse vom 20. J u n i bzw. 14. J u l i 1941 verhältnismäßig nur geringe Wirkung in der Rüstungs-

122 B A Koblenz, R 11/78, Auszüge aus den Lageberichten für Mitte Aug./Mitte Sept. 1941. 123 Z S t A Potsdam, F S , Film 3643, A N R K d o Augsburg, Gruppe Heer, üb. Bespr. a m 2. 9. 1941, 3 . 9 . 1941. 124 Ebenda, Film 2313, Chef H R ü s t / B d E an Chef O K W , 18. 9. 1941. 125 Ebenda, Film 4566, R M f B u M an RArbM, 1. 10. 1941. 126 The Effects, S. 277, T a b . 102. 127 Ebenda, S . 214, T a b . 13; S. 213, T a b . 11.

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Die „Umrüstung" vom Sommer 1941 Tabelle 4 Beschäftigte der W-Betriebe (in Insgesamt

31. 3. 1941 30. 6. 1941 31. 12. 1941

4325,7 4516,5 4694,0

1000) davon Heer

Luftwaffe

Kriegsmarine

1395.6 1397,4 1390.7

1341,6 1519,1 1762,4

545,4 598,4 620,6

Quelle: ZStA Potsdam, FS, Film 8297, Aufstellung RMfBuM über Arbeitskräftelage der W-Betriebe, 10. 8. 1932.

Industrie" gehabt hätten und daß die „Umrüstung" insgesamt „nicht so einschneidende Änderungen" in der Kriegswirtschaft bewirkt habe. 128

c) Die Krise des wirtschaftlichen

Blitzkriegskonzepts

Die Konflikte innerhalb des staatsmonopolistischen Mechanismus der Kriegswirtschaft waren keineswegs ein Symptom dafür, daß die herrschenden Kreise Hitlerdeutschlands sich etwa nicht über die strategische und rüstungswirtschaftliche Linie einig gewesen wären, die dem Göringprogramm zugrunde lag. Im Gegenteil, die Hoffnung auf einen entscheidenden Sieg über die UdSSR binnen weniger Monate einte sie, und die Umrüstung auf einen künftigen Kampf gegen die anglo-amerikanisch beherrschte Hemisphäre stand im Mittelpunkt ihrer strategischen Konzeption. Auch Todt und der von ihm mit den Bauten für die Flugzeugindustrie betraute Speer verwendeten seit Juni 1941 einen großen Teil ihrer Energie darauf, das Umrüstungskonzept zu verwirklichen. Was die gesamte „Umrüstung" von Anfang an illusorisch machte, die genannten Konflikte schürte und das Göringprogramm binnen kurzem in der Versenkung verschwinden ließ, waren vielmehr die Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz im Osten. Der Verlauf der Kämpfe •an der deutsch-sowjetischen Front nahm schon nach wenigen Wochen der ersten Anfangserfolge der Wehrmacht nachweislich Einfluß auf das kriegswirtschaftliche Geschehen. Die Rote Armee durchkreuzte mit ihrem heroischen Widerstand den Zeitplan der Aggressoren auf empfindlichste Weise. Ende Juli mußte die Heeresgruppe Mitte vor Smolensk für längere Zeit zur Verteidigung übergehen. Im Norden stockte der Vormarsch der •deutschen Truppen vor Leningrad, im Süden vor Kiew. Bis Anfang September verlor die Hitlerwehrmacht im Osten beispielsweise über 1800 Panzerkampfwagen, d. h. 53 Prozent ihres ursprünglichen Bestandes. 129 Die Totalverluste beliefen sich allein im Juli und August auf insgesamt 1350 Panzer. 130 Monatsverluste in dieser Höhe erlitten die Faschisten erst wieder im Jahre 1943. Die Mannschaftsverluste des Heeres an der deutsch-sowjetischen Front betrugen bis Ende August 410000 Mann. 131 Im September und Oktober verlangsamte sich angesichts dringender Forderungen des Heeres nach Nachschub an Munition 128 ZStA Potsdam, FS, Film 2325, Studie üb. „Umrüstung" v. Oberst Dr. Hedler, o. D. (etwa Mai/Juni 1942). 129 Müller-Hiüebrand, Bd. 3, S. 205. 130 Ebenda, Tab. S. 274/75. 131 DZW, Bd. 2, S. 67.

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Der Uberfall auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen-

u n d nach neuen Waffen das T e m p o der „ U m r ü s t u n g " i m m e r mehr. E n d e Oktober lief sich die erste, E n d e N o v e m b e r die zweite Offensive der faschistischen T r u p p e n gegen Moskau fest. W ä h r e n d der großen sowjetischen Gegenoffensive, die a m 5./6. Dezember begann, brachen die Blitzkriegsstrategie u n d m i t ihr das Göringprogramm endgültig u n d vollständig zusammen. Diese Entwicklung w a r die eigentliche Ursache f ü r das Scheitern der „ U m r ü s t u n g " im zweiten H a l b j a h r 1941. Zwar v e r a n l a ß t e erst die sowjetische Gegenoffensive im Dezember die deutschen Imperialisten, sich ernstlich auf die neue kriegswirtschaftliche Lage einzustellen; aber schon seit Mitte August erwiesen sich die Ereignisse a n der deutsch-sowjetischen F r o n t als der entscheidende ursächliche F a k t o r f ü r das Scheitern des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts. Maßgebliche Kreise des Regimes hielten es angesichts der hohen eigenen Verluste an Menschen u n d an Rüstungsmaterial f ü r zu riskant, die Heeresrüstung schon jetzt so drastisch zu kürzen, wie die „ U m r ü s t u n g " es erfordert h ä t t e . Es war die W e h r m a c h t f ü h r u n g , die zuerst den u n v e r m u t e t h a r t e n W i d e r s t a n d des Gegners u n d die außergewöhnlich hohen eigenen Verluste registrierte u n d daher selbst das Signal zur Verlangsamung d e r „ U m r ü s t u n g " u n d zu erheblichen Abstrichen davon gab. Am 16. August 1941 beriet Generalfeldmarschall Keitel m i t dem Munitionsm in ister und den Chefs der Rüstungsdienststellen der W e h r m a c h t nach zweitägigen Vorbesprechungen über die Verwirklichung des HitlerErlasses v o m 14. Juli. D e r Vorlauf dieser Besprechung zeugte von dem völlig vergeblichen Bemühen, den Erlaß u n d d a m i t die „ U m r ü s t u n g " weiterhin als reale Plan Orientierung zu betrachten. Die obersten Instanzen der Wehrmachtsrüstung u n d der Kriegswirtschaft m u ß t e n es sich eingestehen, d a ß die Voraussetzungen d a f ü r — der Sieg über die U d S S R u n d die Verfügung über ihre wirtschaftlichen R e i c h t ü m e r — ganz im unklaren lagen. Keitel verkündete zwar in hohler Prahlerei, d e r W e h r m a c h t könne „im E r d k a m p f ein ernst zu nehmender Gegner n i c h t m e h r erstehen" 1 3 2 ; er m u ß t e aber zugleich als „retardierende Momente" 1 3 3 f ü r die befohlene „ U m r ü s t u n g " großen Arbeitskräfte- u n d Rohstoffmangel hervorheben. Zwar m e i n t e er, „daß die Schwerpunktforderungen erfüllbar seien, erklärte aber im gleichen A t e m z u g : „Die eingereichten Forderungen (der W e h r m a c h t teile — D. E.) kann ich n i c h t erfüllen." 1 3 4 Als feststehend gab er b e k a n n t , daß das Panzerp r o g r a m m auf den monatlichen Produktionsausstoß von 600 Panzern — s t a t t des f r ü h e r geplanten von 900 oder gar von „Idealforderungen" nach 2000 P a n z e r n 1 3 5 — zuzüglich einer b e s t i m m t e n Zahl neuentwickelter schwerster(Tiger-)Panzer (erst 50, d a n n 25 Stück 1 3 6 ) beschränkt worden sei. D a m i t war das Ziel vom J u n i / J u l i , 36 Panzerdivisionen aufzustellen, in u n a b s e h b a r e Ferne g e r ü c k t ; wenige Tage nach der Beratung schoben Hitler u n d seine Generale auch den schon a m 8. August reduzierten Plan auf, der vorsah, 30 solcher Divisionen zu bilden. 1 3 7 132 Thomas, S. 459, Protokoll d. ..Besprechung Chef OKW mit den Wchrmachtteilen am 16. 8. 41", v. IS. 8. 1941. 133 Ebenda, S. 460. 134 ZStA Potsdam, FS, Film 1742, Konzept Keitels f. ..Rüstungsbesprechung 1 6 . 8 . 1 9 4 1 : Stichworte für meine Ausführungen". 135 Ebenda, AN üb. d. Sitzung des Panzerausschusses am 17. 7. 1941; dazu Anschreiben Thomas an Keitel v. 19. 7. 1941. 136 Ebenda, Marginalnotiz Keitels (16. 8.) an Schreiben Thonios' v. 19. 7. 1941. 137 Ebenda, Film 1828, AN Chef/Abt. L für WiRüAmt 20. 8. 1941 üb. Feslleg. zwischen Hitler, Keitel, Brauchitsch u. Fromm betr. Heeresrüstung; Reinhardt, S. 38 (nach Keilcls Befehl

Die „Umrüstung" vom Sommer 1941

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Das Kernstück der „Umsteuerung der Rüstung", das Göringprogramm, war bereits bis zur Unkenntlichkeit zusammengeschrumpft. Milch schilderte den Arbeitskräftemangel, der es der Luftwaffe unmöglich mache, auch „nur einen einzigen Mann in das erweiterte Luftrüstungsprogramm überzuführen". 1 3 8 D i e Luftwaffe hatte aus der Not bereits eine Tugend gemacht und das sogenannte Elchprogramm verkündet. Das Elchprogramm war ursprünglich als erste Phase des Göringprogramms konzipiert und hatte eine Verdoppelung der Luftwaffenstärke bis F r ü h j a h r 1942 vorgesehen. Nun klang es bereits ganz anders: „1) Das Elchprogramm: Die Luftwaffe soll wieder auf den Stand gebracht werden, auf dem sie vor Beginn der Ostoperation war (d. i. die Sollstärke vom Stand des 1. April — D. E . ) . Vorläufig soll eine Vergrößerung der Luftwaffe nicht erfolgen, vielleicht jedoch von Sommer 1942 an. Dann t r i t t 2) die Fortführung des Göringprogramms ein. Dieses sieht eine Vervierfachung der Luftwaffe vor, die jedoch nicht durchführbar sein wird, da es an der Aluminium- und Treibstofffrage scheitert . . . Amtschef (General Thomas — D. E . ) , GFM Milch und Generaloberst Udet sind darüber einig, daß im besten Falle eine Verdoppelung in B e t r a c h t gezogen werden k ö n n t e . " 1 3 9 Selbst das Elchprogramm in seiner jetzigen Fassung, so erklärte Milch auf der Sitzung vom 16. August, müsse „bereits um 20 Prozent herabgesetzt werden"; es würden damit „nur 60 Prozent des Sollstandes der notwendigen Front- und Heimatausstattung erreicht werden". 1 4 0 E r spielte auf die hohen Verluste an der deutsch-sowjetischen Front a n : „Fertigung und Abgang an Flugzeugen halten sich zur Zeit gerade die W a a g e . " 1 4 1 Todt sprach im Unterschied zu Keitel deutlicher aus, daß die militärische Entwicklung anders verlief, als die Faschisten es erwartet h a t t e n : „Der Plan des Panzerprogramms und des erweiterten Luftrüstungsprogramms entstand zu einem Zeitpunkt, wo man glaubte, nach Beendigung des Ostfeldzuges rund 1 Million Arbeitskräfte aus dem Heer für die Wirtschaft freimachen zu können. Die Lage hat sich jedoch heute geändert." 1 4 2 E r ließ durchblicken, daß er angesichts der Arbeitskräftesituation keine Möglichkeit sähe, das Göringprogramm zu erfüllen. Generaloberst Fromm blieb demgegenüber dabei, man werde b e i d e r vorgesehenen Auflösung von 50 Divisionen nach „Beendigung der Ostoperationen" immerhin 3 0 0 0 0 0 Mann für die Rüstungsindustrie freibekommen und außerdem 2 0 0 0 0 0 Mann aus älteren Jahrgängen ablösen. 1 4 3 E i n positives Ergebnis war unter den gegebenen Umständen nicht zu erwarten. General

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vom 8. 8. 1941 sollten nurmehr 30 Panzer-u. 15 mot. Infanteriedivisionen, jeweils mit zwei anstatt drei Regimentern, aufgestellt werden). Wie Anm. 132 (S. 466). ZStA Potsdam, FS, Film 1826, AN WiRüAmt/Stab „über die Chefbesprechungen bei GFM Keitel vom 14. bis 16. 8. 1941", v. 17. 8. 1941. Zu den rasch aufeinander folgenden Abänderungen des Göring- bzw. Elchprogramms s. Irving, David, Die Tragödie der Deutschen Luftwaffe. Aus den Akten und Erinnerungen von Feldmarscliall Milch, Frankfurt a. M./ Berlin (West)/\Vien 1970, S. 189 ff. Falsche Bewertung und Einordnung von Elch- und Göringprogramm in The Effects, S. 151, S. 153. Thomas, S. 466f. (wie Anm. 132). Ebenda, S. 467. — Schon am 30. 6. hatte sich Milch über die hohen Verluste geäußert, die die Produktion wegen Aluminiummangels nicht aufholen könne: „Wenn es so weiterginge, wäre die Luftwaffe in einem Monat in Rußland fertig." (ZStA Potsdam, FS, Film 2313, AN Chef WiRüAmt üb. Anruf Milch, 30. 6. 1941). Siehe auch Groehler, Geschichte des Luftkriegs, S. 318 (ff.). Thomas, S. 465 (wie Anm. 132). Ebenda, S. 467.

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Der Überfall auf die U d S S R . Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionelt

Thomas zeichnete zur Selbstverständigung als Fazit der dreitägigen Besprechungen ein niederschmetterndes Resultat auf: „1. Einschränkung des Panzerprogramms, 2. Totmachen der Gaskriegsvorbereitungen beim Heer, 3. Totmachen der Seelöwe-Vorbereitungen, 4. Einschränkungen des Flakprogramms, 5. Angleichung des Luftwaffenprogramms an die gegebenen Möglichkeiten." 144 Der Hitler-Erlaß vom 14. J u l i galt auf dem Papier zwar nach wie vor als „unabänderlich" 1 4 5 ; in Wirklichkeit aber war er schon einen Monat nach seiner Verkündung „praktisch überholt" 1 4 6 , da sein Kernpunkt, das Göringprogramm,. weder umfassend noch konzentriert in Angriff genommen und das Panzerprogramm wesentlich gekürzt worden war. Die völlig neuen Maßstäbe und Anforderungen, die jetzt angesichts der militärischen Lage im Osten für die deutsche Kriegswirtschaft galten, wirkten sich unmittelbar auf die Planung der militärischen Operationen aus. Die Kontroversen in der Wehrmachtführung seit Ende J u l i 1941 über die vorrangige Stoßrichtung der folgenden Angriffe wurden durch eine „Führerweisung" vom 21. August 1941 beendet, in der als das wichtigste Ziel der nächsten Zeit „nicht die Einnahme Moskaus, sondern die Wegnahme der Krim, des Industrie* und Kohlengebietes am Donez und die Abschnürung der russischen ölzufuhr ausdem Kaukasus" bezeichnet wurde 147 , da, wie Hitler diesen Befehl in einer „ S t u d i e " begründete, „die Vernichtung bzw. Wegnahme lebenswichtiger Rohstoffquellen noch entscheidender ist als die Besetzung oder Zerstörung industrieller Verarbeitungsstätten". 1 4 8 Die kriegswirtschaftliche Situation und das daraus erwachsende wirtschaftsstrategische Motiv — die „Wegnahme" der landwirtschaftlichen Ressourcen der Ukraine, des DneprDonec-Industriereviers (Kohle, Mangan, Eisenerz) und vor allem der Erdölquellen desKaukasus — beeinflußten hier unmittelbar und wesentlich den militärischen Entschluß. Hitlers Erlaß vom 11. September 1941 149 , entstanden während der Zeit der erfolgreichen faschistischen Offensive in der Ukraine, war — mit anderen Mitteln — gleichfalls ein Versuch, das Steuer herumzureißen und doch noch auf den Rüstungskurs zu gelangen, den die Erlasse vom J u n i und Juli vorgezeichnet hatten. Die Wehrmachtteile wurden dazu angehalten, sich auf die Rüstungsschwerpunkte zu konzentrieren. Ihre Rüstungsaufträge an die Industrie sollten vom OKW kontrolliert und aufeinander abgestimmt werden; alle „Forderungen der Wehrmachtteile für Beschaffung und Entwicklung an die Beschaffungsämter" sollten über das OKW geleitet werden. Hier sollte der „Abgleich" des nicht Erfüllbaren stattfinden. Im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt sah man hierin die Chance, eine zentrale kriegswirtschaftliche Kommandoposition zu erlangen, mußte aber sehr bald erkennen, daß dem Amt die Voraussetzungen für die „Anpassung und Abgleichung der Beschaffungsnotwendigkeiten der Wehrmacht an die Leistungsfähigkeit der Industrie" 1 5 0 fehlten. D a s OKW brauchte einen Monat, um Durchführungsbestimmungen zum Erlaß 1 5 1 zu formulieren. Keitel hatte die Erwartungen frühzeitig und vorausschauend gedämpft: Es sollte 144 145 146 147 148 149 150 151

Wie Anm. 139. Wie Anm. 134. Thomas, S. 287. KTD des OKW, Bd. I, S. 1062; DZW, Bd. 2, S. 48ff. KTB des OKW, B d . I, S. 1062; Reinhardt, S. 4 2 f . ZStA Potsdam, F S , Film 1818. Hiernach auch das Folgende. Ebenda, Film 5682, Befehl Keitels v. 19. 10. 1941. Ebenda.

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n u r das „Allernotwendigste" durch das OKW geregelt werden. 152 E r beruhigte zugleich die Wehrmachttcile: „Das Oberkommando der Wehrmacht beabsichtigt nicht, in das bisherige Beschaffungsverfahren der Wehrmachtteile einzugreifen, die nach wie vor für die Durchführung der vom Führer festgelegten Programme verantwortlich bleiben." 1 5 3 Die Wehrmachtteile entzogen sich von vornherein der Verpflichtung, ihre Aufträge und vor allem ihre Entwicklungsvorhaben dem OKW gegenüber offenzulegen, und waren durchaus abgeneigt, ihre unmittelbare Zusammenarbeit m i t den Rüstungskonzernen von ihm kontrollieren zu lassen. Besonders die Luftwaffenführung nutzte ihre starke Position dazu aus, die neuen Bestimmungen zu umgehen. Anfang November ließ Göring die Luftwaffe durch Hitler ausdrücklich von der Auflage befreien, ihre Entwicklungsvorhaben dem OKW bekanntzugeben. 1 5 4 Der Reichsminister für Bewaffnung und Munition stand dem Gedanken nicht gänzlich ablehnend gegenüber, die Wehrmachtteile in ihrer Selbständigkeit und in ihren Vollmachten in Rüstungsfragen zu beschneiden. Bei seinem engen Kontakt zu Hitler h a t t e er in Verhandlungen mit dem OKW eine viel stärkere Position als bei gesonderten Auseinandersetzungen mit den Wehrmachtteilen. Im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt vermerkte m a n : „Reichsminister f ü r Bewaffnung und Munition will Stellung des O K W gegenüber den WT bezüglich der Gestaltung der Rüstungsprogramme stärken, da sonst die WT ,auf kaltem Wege' doch machen, was sie wollen." 155 Doch zu dieser Zeit — Anfang Oktober 1941 — mehrten sich bereits die Stimmen im OKW, die eine „zu große Verantwortung und Arbeitslast für O K W " 1 5 6 vorbeugend als Grund für das absehbare Scheitern des Vorhabens ins Feld führten, die Rüstungsplanung und Wirtschaftsorganisation der Wehrmacht im OKW zu zentralisieren. Seit Ende September/Anfang Oktober 1941 konzentrierten die deutschen Imperialisten ihre Kräfte wieder auf den Angriff in Richtung Moskau. Sie beabsichtigten, der U d S S R mit der Einnahme der Stadt den „letzten gewaltigen Hieb" zu versetzen, der „noch vor dem Einbruch des Winters diesen Gegner zerschmettern" sollte. 157 Das Scheitern der Offensive Ende Oktober und eines zweiten Anlaufs Ende November verschärfte die kriegswirtschaftliche Situation einschneidend. Von Oktober 1941 an verdrängte die Sorge um die Auffrischung der offensiven Verbände im Osten, um ihre materielle Neuausstattung und ihren Nachschub nach und nach alle anderen kriegswirtschaftlichen Probleme. Von Woche zu Woche mehr gewann der Gedanke Raum, daß der Krieg gegen die Sowjetunion im J a h r e 1942 weitergeführt werden müsse. Hitler und die Militärs planten eine längere Winterpause ein, in der sie die K a m p f k r a f t des Heeres wiederherstellen und die Offensive des nächsten Jahres vorbereiten wollten. 158 Die Mannschaftsverluste des Heeres an der deutsch-sowjetischen Front waren nach wie 152 Ebenda, Film 8274, KTB WiRüAmt/Stab, Eintr. v. 17. 9. 1941. 153 Ebenda, Film 2325, OKW-Erlaß v. 10. 10. 1941, zit. in Studie üb. „Umrüstung" v. Oberst Dr. Hedler, o. D. (etwa Mai/Juni 1942). 154 Ebenda, Film 2313, Vortragsnotiz WiRüAmt (Rü II) f. Amtschef, 4. 11. 1941. 155 Wie Anm. 152 (Eintr. v. 1. 10. 1941). 156 Ebenda. 157 DZW, Bd. 2, S. 58 (Tagesbefehl Hitlers v. 2. 10. 1941). 158 Zeitweilige Erfolge der Offensive gegen Moskau ließen zwischenher die Wellen des Optimismus bei der faschistischen Führung wieder überschäumen; so wurde eine „besondere Funkverbindung von Maikop nach Bukarest geplant, die am 1. 12. stehen soll" (wie Anm. 152, Eintr. v . 23. 10. 1941).

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Der Überfall auf die U d S S R . Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

vor erschreckend hoch und betrugen im September 141000, im Oktober 115000 Mann. 159 Bereits zum 1. Oktober wurde die Masse des Jahrganges 1922, der insgesamt 270000 Wehrpflichtige umfaßte, eingezogen, was der Kriegswirtschaft einen fühlbaren Aderlaß an jungen Facharbeitern zufügte. 160 Gegenüber rund 4300 Panzern, mit denen die Wehrmacht die U d S S R überfallen hatte, waren am 10. November 2090 gepanzerte Fahrzeuge 1 6 1 vernichtet oder außer Gefecht gesetzt. Als Ersatz waren dem Heer im Laufe der Zeit nur 601 Panzer und Sturmgeschütze zugeführt worden. 162 Am 10. November meldete die deutsche Seite einen Fehlbestand von 1697 gepanzerten Fahrzeugen. 163 Das O K H beurteilte die Kampfkraft der Panzerdivisionen nur noch mit „35 % ihrer normalen Stärke". 1 6 4 Zur gleichen Zeit registrierte der Generalquartiermeister des Heeres 25777 L K W , 19242 P K W , 30423 Kräder, 1729 Zugmaschinen und 4410 sonstige Fahrzeuge als „Abgang". 1 6 5 Tatsächlich fahrbereit waren Mitte November von 500000 Fahrzeugen, über die das Heer zu Beginn des Überfalls verfügte, nur noch 15 Prozent (75000). 166 Damit waren die Voraussetzungen für den Plan, die Schnellen Truppen des Heeres auf 30 Panzer- und 15 motorisierte Infanteriedivisionen zu erweitern, hinfällig und das dazugehörige Panzerprogramm illusorisch geworden. Die schwer angeschlagenen Verbände, so urteilte das OKH, würden bis zum Frühjahr 1942 nicht mehr genügend für „weitreichende schnelle Operationen" aufgefrischt werden können. 167 Die bisherige, ohnehin unzureichende Heeresmotorisierung sei „nicht mehr aufrechtzuerhalten". 168 Die Munitionsreserven der meisten Geschoßarten waren im November aufgebraucht. Der Generalquartiermeister stellte am 26. November fest, daß nur durch „die Wiederaufnahme bzw. Erhöhung der Fertigung der meisten Munitionsarten" der „Anschluß an die Vorräte gewährleistet" sei. 169 Um sich greifende Unsicherheit war von Herbst 1941 an charakteristisch für die Situation in allen Rüstungsdienststellen. So klagte man im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt: „Der eindeutige Befehl, daß der WT Heer nach beendetem Ostfeldzug in der Bewilligung von Forderungen auf dem Gebiet der Rüstung zugunsten der WT Luftwaffe und Marine erheblich eingeschränkt werden müsse, wird des öfteren durch kurze Anweisungen seitens des Chefs OKW, Fertigungen wieder voranzutreiben, die nicht unter die Schwerpunktprogramme fallen, aufgehoben bzw. seine hundertprozentige Durchführung unmöglich gemacht." 1 7 0 Thomas trug Keitel am 19. November 1941 zusammenfassend vor, welche bedeutenden Anforderungen an die Heeresrüstung „in letzter Zeit" gestellt worden seien: „1. Weiterfertigung der schweren Artillerie . . ., 2. Erneute erhebliche Steigerung der 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170

DZW, B d . 2, S. 67. Reinhardt, S . 102 f. DZW, Bd. 2, S. 2 5 ; Reinhardt, S. 115. Reinhardt, S. 115. Ebenda. KTB des OKW, B d . 1, S. 1074, Dok. 106, „Beurteilung der K a m p f k r a f t des Ostheeres", 6. 11. 1941. Reinhardt, S. 115 (nach OKH-Bericht v. 25.11. 1941). Ebenda (Bericht v . 18. 11. 1941). Ebenda, S . 116, Bericht v. 3. 11. 1941. Ebenda, Bericht v . 18. 11. 1941. Ebenda, S . 114, Bericht v. 26. 11. 1941. ZStA Potsdam, F S , Film 2313, Vortragsnotiz W i R ü A m t (Rü II) f. Amtschef, 13. 11. 1941.

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Die „ U m r ü s t u n g " v o m S o m m e r 1941

Fertigung verschiedener Munitionsarten, 3. Schwerpunkt in der Panzerkampfwagenfertigung beim Panzerkampfwagen IV, 4. Beschleunigte Fertigung der 7,5 cm Pak in möglichst großer Anzahl." 1 7 1 Am 25. Oktober noch hatte das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt den Wehrmachtteilen für das Jahr 1942 in Form eines Erlasses „Rohstoffmengen für die Fertigungsprognose" 1 7 2 vorgegeben. Tabelle 5 Rohstoff vorgaben des O KW für die Wehrmachtteile für 1942 (in

E i s e n und S t a h l (Maschinen- u n d B a u e i s e n ) Aluminium Kupfer Blei Zinn Chrom Kautschuk

t/Monat)

Heer

Kriegsmarine

Luftwaffe

180000 1750 700 825 52,5 296 140

185000 3000 2900 2950 175 382,5 610

335000 24000 3500 2400 150 552, 1300

Quelle: Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 8288, V e r f ü g u n g W i R ü A m t , 25. 10. 1941, Anlage.

Diese Prognosezahlen, nach denen die Luftwaffe weit vorn und das Heer ganz hinten rangierte, waren noch ein Resultat des Blitzkriegsdenkens. Sie entsprachen noch ganz und gar der Konzeption der „Umrüstung" und des Göringprogramms. Wenige Wochen später, als sie sich längst als Anachronismus erwiesen hatten, wandte sich der Chef der Heeresrüstung noch einmal ausdrücklich gegen die Prognosezahlen und erklärte mit Schärfe, daß die für das Heer vorgesehenen Rohstoffmengen „das Programm der Schnellen Truppen in seiner Gesamtheit nicht durchführen lassen, . . . das zusätzliche Munitionsprogramm des Heeres nicht zulassen und [daß] allein hierfür weitere Rohstoffe notwendig sind", kurzum, daß „die Erhaltung des Heeres im Kriegszustand nicht im erforderlichen Maße möglich ist". 1 7 3 Die Unterlagen des Heereswaffenamtes, auf die Fromm sich stützte, wiesen aus, daß selbst bei scharfer Konzentration auf die „Schwerpunktprogramme" — Panzer, schwere Pak und Flak — nur 30 Prozent des dafür erforderlichen Eisens und Stahls aus den vom Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt vorgegebenen Mengen zu decken seien und daß diese Zahl sich noch durch den Mangel an N E - und Legierungsmetallen (Chrom, Molybdän, Wolfram, Nickel, Kupfer, Aluminium) und an Kautschuk verringere. Voraussichtlich ließe sich demnach für 1942, so schlußfolgerte der Chef des HWA, General Emil Leeb, „nur folgender Ausstoß erreichen: Schnelle Truppen (gepanz. Kfz. u. Zgkw.) 25—30 Prozent s. Pak 100 Prozent Flak (2 cm) bis März 1942 67 Prozent; ab April 1942 0 Prozent. 171 E b e n d a , Vortragsnotiz W i R ü A m t für Chef O K W , 19. 11. 1941. 172 E b e n d a , F i l m 8288, Vfg. W i R ü A m t , 25. 10. 1941, Anlage. 173 E b e n d a , F i l m 2313, Memo Chef H R ü s t / B d E ü b . „ D i e Munitionslage", o. D . (hs. M a r g . : „ F ü r B e s p r e c h u n g Chef H R ü s t - C h e f W i R ü bei Min. T o d t a m 4. 12., 16 U h r " ) . 4

Eichholtz II

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Der Überfall auf die U d S S R . Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

während alle anderen Fertigungen z. T. erheblich darunter bleiben oder ganz ausfallen". 174 Der Luftwaffenführung und der Vierjahresplangruppierung einschließlich der Konzerne der Flugzeugindustrie ging es inzwischen darum, vom Göringprogramm zu retten, was zu retten war, den staatsmonopolistischen Mechanismus auf diesem Sektor der Kriegswirtschaft wirkungsvoll auszubauen und die Flugzeugindustrie gründlich zu rationalisieren. Die Aktivität der Luftwaffenführung stand zeitlich und sachlich mit derjenigen des GB Chemie im Zusammenhang, der etwa zur gleichen Zeit auf die beschleunigte Fertigstellung „einiger Großvorhaben des Mineralölplanes aus dem Jahresplan 1942" drängte und für 13 solcher Vorhaben vom OKW „eine automatische Bevorzugung vor allen anderen Aufträgen" forderte. 175 Am 4. Oktober wurde das Amt des Generalluftzeugmeisters reorganisiert.176 Zwei Tage später traten Albert Vogler, Aufsichtsratsvorsitzer des Konzerns der Vereinigten Stahlwerke, und Rudolf Lahs, der Leiter der Wirtschaftsgruppe Luftfahrtindustrie, in den Industrierat für Luftwaffengerät ein, und anstelle von Koppenberg wurde Ludger Westrick, Vorstandsvorsitzer der Vereinigte Aluminiumwerke AG, des größten deutschen Aluminiumkonzerns, Mitglied des Industrierats. Der Eintritt Westricks und besonders Voglers in den Industrierat bekundete die entschiedene Absicht der Spitzen des deutschen Finanzkapitals, die Luftrüstung nach Kräften zu forcieren und ihre staatsmonopolistische Organisation schlagkräftiger zu gestalten. Die Reorganisation des Industrierats zeugte zugleich davon, daß jene Kreise die Hoffnung nicht sinken ließen, mit dem Göringprogramm auch die ihm zugrundeliegende politisch-strategische Konzeption zu verwirklichen. Durch einen Erlaß Görings „über die Einrichtung von Fertigungsringen innerhalb der deutschen Luftwaffenindustrie und über die Aufgaben der Ringführer" 177 wurden „auf Vorschlag des Industrierates alle gleichgerichteten Industriezweige, die an der Luftwaffenindustrie beteiligt sind, zu Fertigungsringen zusammengeschlossen". 178 Unter der Führung des Industrierats sollten sogenannte Ringe bzw. Fertigungsringe nach dem Vorbild der Sonderausschüsse und Arbeitsgemeinschaften des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition arbeiten. Sie standen unter der Führung einer Leitfirma und eines maßgeblichen Vertreters dieser Firma, des Ringführers, und hatten gegenüber den übrigen Rüstungs- und Zulieferfirmen bedeutende Vollmachten für die Verteilung der Aufträge und für die Rationalisierung der Produktion. Aus der unmittelbaren Leitung der Rüstungsdienststellen der Luftwaffe verdrängte zur gleichen Zeit Generalfeldmarschall Milch Generalluftzeugmeister Ernst Udet. Milch übernahm de facto den Vorsitz im Industrierat. In Udet fand man einen Sündenbock für das Scheitern der Blitzkriegskonzeption der Luftwaffe. Er mußte seinen Kopf auch dafür 174 Reinhardt, S . U l f . , Denkschrift H W A (Leeb) üb. „Die rüstungswirtschaftliche Lage des Heeres. S t a n d 5. 11. 1941", v. November 1941. 175 Z S t A Potsdam, F S , F ü m 5682, G B Chemie an O K W WiRüAmt, 10. 11. 1941. D a s Wehrwirtschafts- und R ü s t u n g s a m t bezeichnete es in einer Studie, die von den Treibstoffverbrauchs- und -vorratszahlen der zweiten Jahreshälfte 1941 ausging, als schon v o n diesem Standpunkt aus „absolut unmöglich", das Göringprogramm durchzuführen. (Ebenda, Film 10667, Studie W i R ü A m t (Tomberg), o. D., etwa J a n . / F e b r . 1942). Über die akuten Treibstoffschwierigkeiten a b Herbst 1941 s. Reinhardt, S. 116 ff. 176 Z S t A P o t s d a m , F S , Film 2312, Befehl des Generalluftzeugmeisters (Ernst Udet) v. 4. 10. 1941. 177 Ebenda, Film 2325, Göring-Erlaß, Okt. 1941 (mit Anschreiben v. 20. 11. 1941). 178 Anatomie des Krieges, S . 367, Dok. 186, Bericht d. Industrierats für Luftwaffengerät v. 12. 12. 1941.

Die „Umrüstung" vom Sommer 1941

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herhalten, d a ß nach wie vor T y p e n w i r r w a r r u n d heftige Konkurrenz u n t e r den Flugzeugkonzernen herrschten, d a ß selbst die in P r o d u k t i o n befindlichen Serien immer wieder d u r c h neue technische W ü n s c h e des Generalstabs u n d des Technischen Amtes der L u f t waffe gestört wurden u n d d a ß von der angestrebten „amerikanischen" Massenproduktion keine Rede sein konnte. A m 17. N o v e m b e r beging er Selbstmord. 1 7 9 A m 22. Oktober 1941 berieten T h o m a s u n d Milch ü b e r das „neue L u f t r ü s t u n g s p r o g r a m m " . Diesmal w a r William Werner (Auto-Union/Junkers), der stellvertretende Vorsitzende des Industrierats der Luftwaffe, anwesend. Milch legte zunächst einen reduzierten, aber i m m e r noch anspruchsvollen Plan f ü r die L u f t r ü s t u n g vor, nach d e m die P r o d u k t i o n von Kriegsflugzeugen (davon ca. 80 Prozent Frontflugzeuge) von r u n d 12500 im laufenden J a h r auf 16500 im J a h r e 1942 u n d auf 20600 im J a h r e 1943, d. h. u m 32 bzw. 24 u n d insgesamt u m 65,5 Prozent steigen sollte. 180 D a n a c h erhielt Werner das W o r t . E r „legt im einzelnen sein P r o g r a m m dar. E s geht a u s auf eine wesentliche Rationalisierung der Fertigung, die die amerikanischen Methoden der Massenfertigung vorsieht, u n d außerdem auf moderne Fabrikationsverfahren. Wir leisten heute in 75 Prozent unserer Industrie vorsintflutliche Arbeit, weil wir hauptsächlich S p ä n e fabrizieren. Es fehlte bisher im wesentlichen die Konkurrenz, u n d es war falsch, jeden Preis zu bezahlen, da der höhere Preis auch m e h r A u f w ä n d e enthielt, dieser höhere A u f w a n d d a m i t aber auch gleich mehr A r b e i t s k r ä f t e u n d Material gebunden hat als die billigere Herstellung, d. h. die Herstellung m i t geringerem A u f w a n d . Gleiche Teile sollen n u r noch a n zwei, höchstens an d r e i Stellen gefertigt werden. Alle F i r m e n haben sich a n die F i r m a m i t d e m geringsten A u f w a n d in ihrer Fertigung anzugleichen, wobei die F a brikationsmethoden der F i r m a m i t geringstem A u f w a n d allen übrigen zur Verfügung stehen. Die Erziehungsarbeit wird d u r c h geringere Rohstoff- u n d Arbeiterzuteilung u n t e r s t ü t z t werden m ü s s e n . " 1 8 1 Werner propagierte hier das S y s t e m der „Bestbetriebe", ein System der Rationalisierung der Kriegsproduktion, das im wesentlichen auf eine Zentralisation der P r o d u k t i o n u n d d e r P r o f i t e bei den modernsten, den sogenannten Bestbetrieben, d. h. in der Regel bei d e n großen Flugzeugfirmen, hinauslief. Der jeweilige R i n g f ü h r e r — selbst f ü h r e n d e r Vertreter eines Bestbetriebes — bzw. der I n d u s t r i e r a t sollte die Zentralisierung mittels seiner s t a a t s monopolistischen Regulierungsvollmacht durchsetzen. Ein ganz ähnliches System lag seit langem der Arbeit in den Ausschüssen u n d Arbeitsgemeinschaften des Reichsministeriums f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition zugrunde. 1 8 2 Die Berufung Voglers, der Grauen Eminenz des Munitionsministeriums, in den I n d u s t r i e r a t der L u f t w a f f e hing m i t Sicherheit d a m i t zusammen, d a ß dieses System j e t z t Eingang in die L u f t r ü s t u n g finden sollte. Ein durchschlagender Erfolg — Vervielfachung der P r o d u k t i o n u n d der Profite — blieb allerdings d a v o n abhängig, ob eine kontinuierliche Produktion großer Serien möglich w a r ; dies wiederum hing weitgehend v o m Schicksal der Konzeption der herrschenden Klasse f ü r L u f t k r i e g u n d L u f t r ü s t u n g a b . Angesichts des Scheiterns der Oktoberoffensive der Faschisten gegen Moskau versteifte 179 Der Göring-Erlaß über die Reorganisation des Industrierates war ungenau datiert („im Oktober 1941") und wurde mit Rundschreiben des GL erst am 20. 11. 1941, d. h. nach Udets Tod (!), verschickt (s. Anm. 177). Siehe auch GroeMer, Geschichte des Luftkriegs, S. 340f. 180 ZStA Potsdam, FS, Film 8288, Protokoll WiRüAmt (Thomas) üb. d. Sitzung b. Milch v. 22.10. 1941. 181 Ebenda. 182 Siehe Band I, Kap. 3. 4*

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Der Überfall auf die U d S S R . Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

sich der Widerstand des Heeres und des Munitionsministeriums gegen das Luftrüstungsprogramm. „ D a s Heer gibt praktisch keine nennenswerten Kapazitäten und Arbeitskräfte frei", stellte man Anfang November im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt fest. 1 8 3 Bis zum 10. November hatte die Luftwaffe an der deutsch-sowjetischen Front aber bereits 5 1 8 0 Frontflugzeuge, davon 2966 als Totalverlust, verloren und nur 5124 Maschinen als Neuzugang erhalten. 1 8 4 Weiterer Nachschub an Bomben- und Jagdflugzeugen war am 10. November nicht mehr vorhanden, so daß seit Anfang des Monats die Verluste nicht mehr hatten ausgeglichen werden können. Die laufende Produktion war zu gering, besonders an Jagdflugzeugen, um künftige Verluste auszugleichen. 1 8 5 Zur gleichen Zeit, als die Ausgangspositionen für das Göringprogramm sich auf diese Weise dramatisch verschlechtert hatten, machten es die schlechten Aussichten auf Arbeitskräfte-, Maschinen- und Rohstoffzuweisungen für 1942 vollends illusorisch. Als gravierende „ E n g p ä s s e " nannte Milch in seiner Studie über die „Voraussetzung für die Durchführung des ,Göringprogrammes'" Spezialmaschinen für die Kurbelwellenproduktion, Aluminium, Kupfer und besonders Chrom. 180 In der ersten Novemberhälfte rief Göring die Spitzenrepräsentanten der deutschen Kriegswirtschaft zu mehreren aufeinanderfolgenden, großen Konferenzen zusammen. Die Konferenzrunde begann am 7. November mit einer Besprechung über die „Ausrichtung der Kriegswirtschaft auf das Rüstungsprogramm". 1 8 7 Noch am gleichen T a g leitete Göring eine weitere Sitzung, die sich mit der Arbeitskräftelage, vor allem mit dem Zwangseinsatz sowjetischer Kriegsgefangener und ziviler Arbeitskräfte, befaßte. Am 8. November gab er neue, programmatische Richtlinien für die Ausbeutung der besetzten Gebiete der U d S S R bekannt. Das ostentative Hervortreten Görings — sein letzter großer Auftritt als oberster Chef aller llüstungsdienststellen und kriegswirtschaftlichen Organe — ist als Versuch zu werten, das strategische Konzept der „ U m r ü s t u n g " und des Göringprogramms bzw. des inzwischen modifizierten Luflrüstungsprogramms auch gegen Widerstände und unter der Voraussetzung zu verwirklichen, daß die Wehrmacht den Krieg gegen die U d S S R im kommenden J a h r würde weiterführen müssen. Hierzu bedurfte es vor allem rasch erweiterter industrieller Kapazitäten, großer zusätzlicher Mengen an Rohstoffen und Millionen neuer Arbeitskräfte. Die Kapazitäten sollte die Rationalisierung freimachen; Rohstoffe und Arbeitskräfte sollten rücksichtslos aus den besetzten Ländern, in erster Linie aus der SowjcUinion, herausgepumpt werden. Im Gegensatz zu den Themen der zuletzt genannten Konferenzen, auf denen Göring bindende neue Richtlinien von großer Tragweile verkündete, behandelte er das umfassende Thema der ersten Sitzung offensichtlich ohne Initiative, schwunglos und ohne erkennbares Ergebnis. Er faßte nur die seit langem diskutierten Forderungen nach Rationalisierung der Kriegsproduktion zusammen, ohne klare Anweisungen zu geben oder wenigstens konkrete Vorschläge zu machen. Die Beschwörung, „den derzeitigen Vorsprung gegenüber 183 ZStA Potsdam, F S , Film 2313, AN („Entwurf") WiRüAmt (Chef Rü), 5. 11. 1941. 184 Reinhardt, S. HOf (Bericht ObdL/GenSt. v. 14. 11. 1941). 185 Ebenda. Die Produktion von Jagdflugzeugen war vom Jahreshöhepunkt im April 1941 (476) bis November auf die Hälfte (232), die von Bombern von August (454) bis November (331) ebenfalls stark gefallen {The Effects, S. 277, Tab. 102). 186 Reinhardt, S. 109f. (Studie v. 10. 11. 1941). 187 ZStA Potsdam, F S , Film 2325, Ergebnisprot. d. Sitzung i. R L M v. 7. 11. 1941. Hiernach auch das Folgende.

Die „Umrüstung" v o m Sommer 1941

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der feindlichen Rüstungswirtschaft unbedingt aufrechtzuerhalten", verband er m i t der Mahnung, daß „vom Jahre 1943 ab mit einem gesteigerten Rüstungsstand der Vereinigten Staaten zu rechnen sein" werde. Er forderte „Fließarbeit in großen Serien". Jede Erzeugung solle „auf möglichst wenig Betriebe verteilt werden", d a m i t die Maschinen in zwei oder gar drei Schichten genutzt werden könnten. Aber er warnte zugleich — nicht ohne den Beigeschmack von Demagogie — vor Folgen, die dem Regime während des Krieges unangenehm waren: „Die Rechtsform der Betriebe selbst soll jedoch unberührt bleiben, insbesondere sollen auch keine Zusammenballungen zu Großkonzernen entstehen." Davon redete ausgerechnet der Mann, dessen kriegswirtschaftliches Programm sich stets mit der Linie des größten deutschen Konzernpolypen, des IG-Farben-Konzems, deckte und unter dessen Oberleitung durch Profitmacherei und Raub größten Stils ein weiterer Riesenkonzern, die Reichswerke AG „Hermann Göring", herangewachsen war! Der warnende Wink richtete sich augenscheinlich an die Adresse der bedeutendsten Konkurrenten jener Monopolgiganten, nämlich der Ruhrmontankonzerne, und damit an die Adresse der Rüstungsorganisation des Reichsministers f ü r Bewaffnung und Munition. Die Erfahrungen des Munitionsministeriums auf dem Gebiet der Rationalisierung würdigte Göring keines Wortes; er tat so, als existierten sie nicht, und verlangte, die „notwendig werdenden Folgerungen organisatorischer Art (Ringbildung) — wie in der Flugzeugindustrie — . . . rasch und energisch zu ziehen". In der folgenden Zeit wurde die Rationalisierung der Kriegsproduktion zu jenem Feld interner Auseinandersetzungen, auf dem sich der Kampf um eine zentralisierte, einheitliche Regulierungsgewalt in der Kriegswirtschaft hauptsächlich fortsetzte. Görings Intervention blieb hier, außer auf dem Gebiet der Luftrüstung, ohne Resultat. Hitler selbst n a h m sich dieser Frage an, die das immer brennendere allgemeine Interesse der herrschenden Klasse beanspruchte, auch unabhängig davon, was mit dem Konzept der „Umrüstung" geschehen mochte. Als in der zweiten Novemberhälfte der letzte Anlauf der Faschisten, Moskau zu erobern, mißglückte und die Rote Armee im Süden und Norden zu erfolgreichen Offensivoperationen überging, griffen Keitel und Todt frühere „Gedanken des Führers" 1 8 8 und Erlaßentwürfe über die Förderung „von einfachen und daher robusten Konstruktionen" bei Waffen und Kriegsgerät 1 8 9 und über die „Bevorzugung primitiver Massenfertigung gegenüber hochleistungsfähigen Maschinen" 1 9 0 auf und veranlaßten Hitler, am 3. Dezember 1941 einen Erlaß über die „Vereinfachung und Leistungssteigerung unserer Rüstungsproduktion" 1 9 1 zu unterzeichnen. Obwohl die Federführung während der vorbereitenden Arbeit f ü r den Erlaß beim OKW lag, war Hitlers erster Gewährsmann bei der Abfassung des Erlasses doch Todt. Ohne Todts Einverständnis hatte keiner der Entwürfe des OKW eine Chance, Hitlers Unterschrift zu erhalten. Hitler forderte im Erlaß eine durchgreifende „Rationalisierung unserer Fertigungsmethoden", insbesondere „einen grundlegenden Wandel dahingehend, daß die Konstruktionen auf Massenfertigung eingestellt und die Fabrikationsmethoden entsprechend eingerichtet werden". Die Konstruktionen von Waffen u n d Kriegsgerät sollten mittels ständiger Überprüfungen u n d Korrekturen „bis ins einzelne" vereinfacht werden. F ü r die Vev188 Ebenda, Film 2313, Vortragsnotiz WFSt/Abt. L, 29. 5. 1941. 189 Ebenda, Film 8288, RVfg. Chef OKW betr. „Technische Ausstattung der Wehrmacht", 19. 9. 1941. 190 Wie Anm. 188. 191 ZStA Potsdam, FS, Film 5682, Hitler-Erlaß v. 3. 12. 1941. Hiernach auch das Folgende.

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Der Überfall auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

wirklichung dieser Forderungen wurden der Reichsminister für Bewaffnung und Munition und der Chef des OKW verantwortlich gemacht. Heitel gegenüber h a t t e Hitler schon in den Vorbesprechungen besonders darauf bestanden, „daß sich gemäß Seite 4, 2. Abs. [des Erlaßentwurfes — D. E.], alle Firmen, sonstige geeignete Unternehmungen und einzelne Techniker an den ,Vorschlägen f ü r Produktionsverbesserungen' beteiligen sollen". 192 Keitel teilte Thomas m i t : „Wie das praktisch zu machen ist, ist dem Führer egal; er fordert aber, daß OKW an die W[ehrmacht]teile dann befiehlt und eingreift, wenn den als richtig erkannten Forderungen und Vorschlägen nicht entsprochen wird." In der Linie des Erlasses war klar die Tendenz erkennbar, in Fragen der Produktion und Konstruktion die Wehrmachtführung der Rüstungsindustrie unterzuordnen und sie mehr und mehr als ausführendes Organ des Munitionsministeriums zu betrachten. Das entsprach genau der Konzeption des Munitionsministers und der hinter ihm stehenden Rüstungskonzerne. Ein je stärkeres Gewicht Hitler den Forderungen nach Einschaltung der Rüstungsmonopole beilegte, desto größer mußten Einfluß und Aktionsradius des Systems der „industriellen Selbstverantwortung" werden. Erklärlicherweise konnten Todt und Keitel sich nicht darauf einigen, wie das „praktisch zu machen" sei, und beließen es zunächst dabei, daß „das Verfahren in Durchführungsbestimmungen später erfolgt".

d) Die Legende von den verpaßten kriegswirtschaftlichen

Möglichkeiten

Vertreter der bürgerlichen Historiographie bezeichnen die Einschränkung der Heeresrüstung im Jahre 1941 als die erste verhängnisvolle Fehlentscheidung Hitlers im Krieg gegen die Sowjetunion. Ohne diese Entscheidung hätte — das wird offen oder zwischen den Zeilen ausgesprochen — der „Ostfeldzug" und damit der zweite Weltkrieg sehr wohl anders, d. h. für die deutschen Imperialisten siegreich, ausgehen können. Diese „Theorie" konserviert und stimuliert Antikommunismus, Antisowjetismus und revanchistischchauvinistischen Größenwahn, beruht auf haltlosen Voraussetzungen und entspricht keineswegs den historischen Tatsachen. Sie korrespondiert mit den allgemeiner gefaßten Thesen von der unzulänglichen wirtschaftlichen Vorbereitung Deutschlands auf den Krieg und von der zu spät erfolgten „totalen" Mobilisierung der Wirtschaft im Krieg. 193 Über die Entwicklung der Industrieproduktion und der Rüstungsproduktion im Jahre 1941 liegen nur unsichere Zahlen vor. Die beiden vorhandenen Produktionsindizes — aus den USSBS-Veröffentlichungen und vom Deutschen Institut f ü r Wirtschaftsforschung — weisen sehr unterschiedliche Ziffern auf. Die methodischen Differenzen zwischen ihnen (Bezugszeitraum, Gebietsstand, Berechnungsgrundlage, Wägung, Preisberichtigung) sind bedeutend. (Tabelle 6) Als sicher kann angenommen werden, daß die Rüstungsproduktion von 1940 bis 1941 im Vergleich zur gesamten Industrieproduktion erheblich schneller stieg, ganz besonders wenn ihr die Produktion der Zulieferindustrie und der Konsumgüterindustrie f ü r Wehrmachtzwccke, die Produktion von Roh- und Grundstoffbetrieben (z. B. des „Welirwirt192 Ebenda, Film 2313, Keitel an Thomas (hs.), 29. 11. 1941. Hiernach auch das Folgende. 193 Siehe Engelberg, Ernst, Zur westdeutschen Theorie der verpaßten Gelegenheiten in der faschistischen Aufrüstung, in Der deutsche Imperialismus und der zweite Weltkrieg, Bd. 3, Berlin 1962, S. 213ff.; ferner Band I, S. 17ff. u. passim.

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Die „Umrüstung" vom Sommer 1941 Tabelle 6 Industrieproduktion Jahr

1939 1940 1941 1942

und Rüstungsproduktion

Industrieproduktion

1939—1942

(1939=100)

IfW

USSBS

darunter Rüstungsgerät (IfW) bzw. Metallverarbeitende Industrie (USSBS) IfW USSBS

100 96,6 98,9 100

100

100

106.5

176 176 256

116.6 118,1

100 120,5 145,9 159

Quelle: IfW: Wagenführ, S. 191; USSBS: The Effects, S. 27, Tab. 5. - Der USSBS-Index, der in DZW verwendet wird, erfaßt Vorkriegsdeutschland (1939 = 100). Er ist anscheinend nach der Rüstungsseite hin (Metallverarb. Industrie) übergewichtet bzw. nicht rüstungspreisbereinigt. Setzt man ihn mit den sinkenden Beschäftigtenzahlen der Industrie in Beziehung, so ergibt sich eine unwahrscheinlich hohe Steigerungsrate der Arbeitsproduktivität (vgl. auch S. 265 f.). Der IfW-Index (1943 = 100) bezieht sich wahrscheinlich auf „Großdeutschland" einschl. annektierte Gebiete und „Protektorat Böhmen und Mähren". Die Ziffern für „Rüstungsgerät" erfassen nur Waffen bzw. Waffensysteme und Munition; die zweifelhafteste — zu hohe — Angabe ist diejenige für 1940.

schaftlichen neuen Erzeugungsplanes" des GB Chemie) und die Produktion von Ausrüstungen und Maschinen für Rüstungsbetriebe zugerechnet werden. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß bis zum Sommer 1941 ein 200-Divisionen-Heer aufgestellt worden war. 1,7 Millionen deutsche Arbeitskräfte zählte man am 31. Mai 1941 weniger als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres; bis Mai 1942 wurden weitere 1,8 Millionen der Volkswirtschaft entzogen. 194 Diese Ausfälle wurden auch durch neue Zwangstransporte ausländischer Arbeitskräfte nach Deutschland nicht aufgewogen. Währenddessen stieg jedoch die Zahl der für die "Wehrmacht Beschäftigten absolut und relativ. 195 Der ständige Mangel an Arbeitskräften während des ganzen Jahres 1941 ist ein beeindruckendes Indiz gegen die These von den „verpaßten" kriegswirtschaftlichen Möglichkeiten. Die Erzeugung an Munition, die im Juni/Juli 1940 einen Höhepunkt erreicht hatte, war danach stark reduziert worden. Von Anfang bis Mitte 1941 stieg sie wieder an, wenn auch nicht auf die alte Höhe. Angesichts der außerordentlich großen Vorräte an Waffen und Munition einschließlich der Beute aus dem Jahre 1940 war allerdings schon seit dem Frühjahr 1941 die Verlagerung bestimmter Kapazitäten vom Sektor der Heeresrüstung (besonders Munition) zu anderen, für die fernere Kriegführung vermeintlich entscheidenden Sektoren der Rüstung (Luftrüstung) eine Forderung, die sich folgerichtig aus dem faschistischen Blitzkriegskonzept ergab und seit Juni 1941 unter dem Begriff der „Umrüstung" zur offiziellen kriegswirtschaftlichen Strategie wurde. Die Munitionserzeugung fiel von nun an bis Ende 1941 ab. Der Produktionsrückgang betraf besonders Munition für Infanteriewaffen, Artillerie und Werfer. Flakmunition hingegen, Munition für Kampfwagengeschütze und verschiedene andere Munitionsarten wurden in zunehmenden Mengen produziert. 194 The Effects, S. 207, Tab. 6. 195 Ebenda, S. 37, Tab. 15 u. S. 213, Tab. 11.

38

Der Überfall auf die U d S S R . Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

Eine ähnliche Entwicklung wies die Produktion von Waffen, d. h. von Gewehren, Maschinenwaffen, Geschützen und Werfern, auf. Hier war allerdings die Gesamtproduktion 1941 höher als im Vorjahr, was von bürgerlichen Historikern gern verschwiegen wird. Tabelle 7 Produktion von Waffen und Munition 1939—1942 (Januar/ Februar 1942-100) Quartal bzw. J a h r 1939/IV

Munition

Munition (Heer)

Waffen

Waffen (Heer)

74

186

63

?

1940/1 1940/11 1940/1 II 1940/IV 1940 (Durchschnitt)

82 125 139 102 112

195 268 299 185 237

68 79 83 86 79

86 101 97 101 96

1941/1 1941/11 1941/1II 1941/IV 1941 (Durchschnitt)

105 106 100 95 102

178 142 94 86 125

107 118 109 90 106

127 144 132 90 123

1942/1 1942/11 1942/III 1942/IV 1942 (Durchschnitt)

105 147 193 220 166

117 267 419 534 334

105 132 145 167 137

109 148 156 179 148

Quelle: The Effects, S. 275, S. 283 u. S. 286, Tab. 100, 111, 112 u. 115.

Die Einschränkung der Produktion von Waffen und besonders von Munition war im wesentlichen auf das Heer begrenzt. Sie wurde übrigens im Jahre 1942 in sehr schnellem Tempo wieder aufgeholt. Der rasche Produktionsanstieg dieses Jahres rührte nicht zum wenigsten daher, daß die Produzenten von Geschoßteilen und -zubehör sowie von Pulver und Sprengstoff sich bei weitem nicht so früh und stark „umgestellt" hatten und daher Anfang 1942 über große Lagerbestände verfügten. Eine ganz andere Produktionskurve als die Munitionserzeugung wies diejenige von Panzern auf. Tabelle 8 Produktion von Panzern 1939—1942 (Panzerkampfwagen Stck. 1939 (Sept.—Dez.) 1940 1941 davon 1. Hälfte davon 2. Hälfte 1942

1617 2173

und Sturmgeschütze)

Gewicht (t)

247 1643 3790

5500 34820 76720

4961

113860

Quelle: The Effects, S. 163 u. S. 278 ff., Tab. 104 u. 105.

Die „Umrüstung" vom Sommer 1941

39

Im Mai 1941 wurden zum ersten Mal mehr als 300 Panzer pro Monat produziert. Im ersten Halbjahr 1941 erreichte der Ausstoß fast den des ganzen J a h r e s 1 9 4 0 ; im zweiten Halbj a h r übertraf er ihn um 3 2 Prozent. Die Gesamterzeugung 1941 belief sich auf 231 Prozent gegenüber der des Vorjahres (nach Gefechtsgewicht: 220 Prozent). Im November 1941 erklomm die Produktion den Höhepunkt des Jahres. 1 9 6 Die Investitionstätigkeit in der Rüstungsindustrie nahm im J a h r e 1941 einen außerordentlich großen Umfang an. Diese Tatsache stand in engem Zusammenhang m i t den Einschränkungen auf bestimmten Gebieten der unmittelbaren Rüstungsproduktion und war wie diese Bestandteil der langfristigen strategischen — militärischen wie wirtschaftlichen — Konzeption der herrschenden Kreise des Regimes. Schon am 18. Mai 1941 war das zukünftige Kriegskonzept nach „Barbarossa" Gegenstand von Beratungen zwischen Hitler, Todt und Keitel. Am folgenden Tag informierte Keitel den zuständigen Abteilungschef (in Vertretung von General Thomas): „Chef O K W führt aus, daß für die weitere Kriegführung die Waffen- und Munitionsfertigung nicht die Hauptrolle spielt, sondern daß als Voraussetzung für diese Fertigung und für die weitere Kriegführung zunächst der Ausbau der Grundstoffindustrien weiter betrieben werden muß, und zwar für Gummi, Benzin, Energie, Aluminium." 1 9 7 Zahlreiche bedeutende Rüstungsbauten wurden in Angriff genommen oder forciert vorangetrieben, besonders in der Flugzeug- und Flugmotorenindustrie und in den über den Vierjahresplan staatlich besonders geförderten Rohstoffindustrien (synthetischer Treibstoff und Kautschuk, Aluminium, Zellwolle). Diese Investitionen wirkten sich zum größten Teil erst in den folgenden J a h r e n in der eigentlichen Rüstungsproduktion aus. Der Maschinenbau lieferte 1941 in allen wichtigen Erzeugnisgruppen, ausgenommen rollendes Material (Lokomotiven und Waggons), mehr Investitionsgüter an die Industrie als in irgendeinem anderen J a h r des Krieges. Tabelle 9 Umsatz der Maschirwnbauindustrie

1939 1940 1941 1942

1939—1942 (in Mill.

RM)

Maschinen

Ausrüstungen für Energieanlagen

Rollendes Material

Insgesamt

4874 4769 5210 5139

1571 1947 2253 2231

478 563 698 838

6923 7278 8161 8209

Quelle: The Effects, S. 218, Tab. 17. Die Rüstungsanstrengungen des deutschen Imperialismus verringerten sich im J a h r e 1941 insgesamt also keineswegs, obwohl im zweiten H a l b j a h r die Produktion in bestimmten Sektoren der Heeresrüstung zugunsten der Produktions- und Investitionsprogramme auf dem Gebiet der Luftwaffenrüstung gedrosselt wurde. I m Gegenteil, die kriegswirtschaftliche Maschinerie Hitlerdeutschlands arbeitete angespannter als zuvor. Die Produktions196 Ebenda. 197 ZStA Potsdam, FS, Film 1742, AN WiRüAmt (Hünermann) üb. Bespr. b. Keitel am 19. 5., v. 20. 5.1941.

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Der Überfall auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen

e inschränku ngen und -Umstellungen verschoben nur die Proportionen zwischen verschiedenen Gebieten und Schwerpunkten der Rüstung. Sie schränkten ihre Kapazität nicht n u r nicht ein, sondern erweiterten sie noch beträchtlich. Die Rüstungsumstellung des Jahres 1941 war ebenso wie die des Jahres 1940 in jeder Hinsicht ein typisches Produkt der Blitzkriegsstrategie und -ideologie 198 — diesmal jedoch auf einer katastrophalen Fehlrechnung fußend: daß nämlich die U d S S R in wenigen Monaten zusammenbrechen werde. Beide „Umrüstungen" entsprachen nach Inhalt und Aufeinanderfolge den wechselnden militärstrategischen Zielsetzungen der deutschen Imperialisten, die Zug um Zug „durch Vernichtungsschläge gleich zu Beginn der Feindseligkeiten" (Carl Krauch) 1 9 9 einen Gegner nach dem anderen auf ihrem Weg zur Weltherrschaft ausschalten wollten. Die Blitzkriegsstrategie war auf Atempausen zwischen Phasen großer militärischer Anstrengung und hoher wirtschaftlicher Belastung berechnet. Solche Pausen sollten jeweils den Umbau in der Rüstungsindustrie auf Grund veränderter Rüstungsprogramme ohne starke Spannungen im Gefüge der kapitalistischen Volkswirtschaft und möglichst ohne Produktionseinbußen ermöglichen. Außerdem war die Absicht der herrschenden Kreise Hitlerdeutschlands unverkennbar, mittels der Blitzkriegsstrategie ihre Ziele jeweils mit jenem wirtschaftlichen Kräfteaufwand zu erreichen, der nicht nur dem jeweils verfügbaren Wirtschaftspotential, sondern auch dem ihnen vertretbar erscheinenden Grad seiner Mobilisierung entsprach. Die negativen Auswirkungen der Rüstung und des Krieges auf das eigene Volk sollten in kontrollierbaren, wenn auch durchaus hinausschiebbaren Grenzen gehalten werden, damit sozialen Erschütterungen und Konflikten vorgebeugt würde. Ein bestimmter Tiefpunkt des mit dem Krieg verbundenen Elends sollte — auf Kosten der unterjochten und ausgeplünderten Völker anderer Länder — im Durchschnitt nicht unterschritten werden. Den Schock von 1918 trug die herrschende Klasse noch in allzu lebhafter Erinnerung. Sie hatte auf ihre Weise bestimmte Schlußfolgerungen daraus gezogen. Von J u n i 1941 an sollte das wirtschaftliche Blitzkriegskonzept des deutschen Imperialismus in umfassender, geradezu „klassischer" Weise verwirklicht werden. Der heldenmütige Widerstand des Sowjetvolkes, der die militärische Planung der Aggressoren von Anfang an durchkreuzte, enthüllte aber sogleich den tief illusionären Charakter dieses Konzepts. 198 Siehe dazu grundlegend Förster, Gerhard, Totaler Krieg und Blitzkrieg. Die Theorie des totalen Krieges und des Blitzkrieges in der Militärdoktrin des faschistischen Deutschlands am Vorabend des zweiten Weltkrieges, Berlin 1967, bsd. S. 87 ff., S. 94. 199 Eichholtz, Dietrich, Zum Anteil des IG-Farben-Konzerns an der Vorbereitung des zweiten Weltkriegs, in JfW, 1969, T. 2, S. 99f., Bericht des GB Chemie vor dem Generalrat des Vierjahresplanes (Entwurf v. 20./21. 4. 1939).

KAPITEL II

Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts. Konzentration der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt

1. Auswirkungen der Niederlage vor Moskau Anfang Dezember brach der letzte Versuch der Wehrmacht zusammen, nach Moskau •durchzustoßen. Unmittelbar danach begann die sowjetische Gegenoffensive. Am 27. November hatte der Generalstabschef des Heeres, Generaloberst Franz Halder, bereits festgestellt: „Wir sind am Ende unserer personellen und materiellen Kraft." 1 Die sowjetische Offensive vor Moskau, die am 5-/6. Dezember 1941 begann und im Jahre 1942 auf breiterer Front bis März/April fortgesetzt wurde, offenbarte endgültig, daß das strategische Kalkül der faschistischen Aggressoren und damit die gesamte Planung des Raub- und Klassenkrieges gegen die UdSSR gescheitert waren. Die Grundkonzeption des „Blitzkriegs", auf die der deutsche Imperialismus beim zweiten Versuch, seine Welthegemonie zu errichten, gebaut hatte, hatte sich als verfehlt erwiesen. Die harten militärischen Tatsachen legten zugleich offen, daß das bisherige kriegswirtschaftliche Konzept und damit der staatsmonopolistische Regulierungsmechanismus in seiner bisherigen Wirkungsweise und Struktur für die Zukunft untauglich waren. Es ging nicht einfach nur um Ersatz für die materiellen Verluste der Front, die völlig neue Maßstäbe angenommen hatten. Die für die deutsche Kriegswirtschaft Verantwortlichen sahen sich vor der Aufgabe, mitten in einer schweren Niederlage und erbitterten Abwehrschlacht unter Einbuße von Hunderttausenden Arbeitskräften, die zur Wiederherstellung der Heeresstärke abgezogen wurden, einen auf lange Dauer funktionstüchtigen und wesentlich leistungsstärkeren Produktionsapparat zu organisieren, ohne daß sie über all die Reichtümer des Sowjetlandes verfügen konnten, die in ihrer Blitzkriegsrechnung bereits auf der Habenseite gestanden hatten. Bis Ende November 1941 hatte der Krieg gegen die Sowjetunion das faschistische Heer an Toten, Vermißten bzw. Gefangenen und ins Hinterland abtransportierten Verwundeten und Kranken mehr als 750000 Mann gekostet — alle vorangegangenen Feldzüge seit 1939 dagegen weniger als 100000 Mann. 2 Die Angaben über die Wehrmachtverluste von

1 Halder, Franz, Kriegstagebuch. Tägliche Aufzeichnungen des Cliefs des Generalstabes des Heeres 1939-1942, Bd. 3, Stuttgart 1964, S. 311. 2 KTB des OKW, Bd. I, S. 1120f., „Personelle Verluste", 2 2 . 6 . - 3 1 . 1 2 . 1 9 4 1 , v. 5. 1. 1942 (753000); Müller-Hillebrand, Bd. 3, S. 18f. (740000). Grigoleit (Grigoleit, Joachim, Vorstellungen und Maßnahmen der deutschen militärischen Führung zur personellen Sicherstellung des Aufbaus und des Einsatzes der faschistischen Wehrmacht bis zur Wende im zweiten Weltkrieg (1933—1943), Diss. Potsdam 1977, S. 88) betrachtet diese Zahlen als Ergebnisse vorläufiger Erhebungen und kommt auf insgesamt 822000 Mann (davon rd. 420000 Mann unwiederbringliche Verluste).

42

Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts.

Dezember 1941 bis April 1942 belaufen sich auf weitere 560000 Mann. 3 Allein das Heer verlor vom 22. J u n i 1941 bis 30. April 1942 an der deutsch-sowjetischen Front 1,29 Mill. Mann; das waren 93,5 Prozent seiner Gesamtverluste und rund 40 Prozent der beim Überfall auf die U d S S R eingesetzten Verbände. 4 Tabelle 10 Verluste an der deutsch-sowjetischen Front (Auswahl) 22. Juni 1941 bis 30. Januar 1942

Gepanzerte Fahrzeuge Kraftfahrzeuge Flugzeuge (Frontverluste) 1. F. H. s. F. H. 1. I. G. s. I. G. 1. Gr. W. s. Gr. W. Kan. 10 cm 3,7-cm-Pak 5-cm-Pak Karabiner MG Pferde

bis 1. 11. 1941

bis 30.11.1941

bis 31. 12. 1941

bis 30.1. 1942

1812 76488 3838 538 310 640 196 2378 1315 65 2479 274 49963 16211 85899

3290 93326 4219 651 354 721 228 2638 1501 75 2698 291 54422 17676 120494

3730 116440 4643 1103 554 919 302 3162 1974 108 3349 426 60732 21062 143503

4241 121529 5100 1300 642 1067 352 3572 2318 132 3787 475 66432 24247 179132

Quelle: Reinhardt, S. 316, Anl. 7 (Quelle: 10-Tages-Meldungen des Heeres und der Luftwaffe). An Panzern erlitt das Heer von J u n i bis November 1941 einen Totalausfall von 2 3 2 6 Panzerkampfwagen und Sturmgeschützen, die fast ausschließlich an der deutsch-sowjetischen Front verlorengingen. 5 Demnach waren rund 55 Prozent des dort am 22. J u n i eingesefzten Panzerbestandes vollständig ausgefallen. Von Dezember 1941 bis März 1942 gingen weitere 1234 Panzerkampfwagen und 107 Sturmgeschütze verloren. 6 In den Zahlen sind die Ausfälle an reparierfähigen Panzern, die sich daiüber hinaus auf ungefähr zwei Drittel der Totalverluste beliefen, nicht enthalten. 7 Bei den 16 an der deutsch-sowjetischen Front eingesetzten Panzerdivisionen wurden am 30. März 1942 nur noch 140 einsatzfähige Panzer gezählt. 8 An Infanteriewaffen und Geschützen hielten sich die Verluste bis zum Ausgang des3 Grigoleit, Anlagenband S. 23, Anl. 8. 4 Ebenda; DZW, Bd. 2, S. 274 (nach Halder: 1,168 Mill.). 5 MüUer-HiUebrand, Bd. 3, S. 21 und Aufstellung nach S. 274. Nach The Effects, S. 165, gingen bis Ende September an der deutsch-sowjetischen Front nur 500 deutsche Panzer verloren, in den nächsten drei Monaten dagegen 2500 (Nur: Panzerkampfwagen und Sturmgeschütze). 6 Müller-HiUebrand, Bd. 3, Aufstellung nach S. 274. 7 Ebenda, S. 205. Reinhardt (S. 258) gibt die Gesamtverluste des Ostheeres bis 31. 1. 1942 mit 4241 Panzern und Sturmgeschützen an (s. Tab. 10). 8 Reinhardt, S. 258.

43

Auswirkungen der Niederlage vor Moskau

Herbstes im wesentlichen noch in den von den deutschen Militärs vorausgeschätzten 'Grenzen. Auf dem Rückzug vor Moskau dagegen verlor die Wehrmacht bedeutende Mengen an Waffen und Ausrüstung. Besonders an Geschützen waren die Verluste hoch, unverhältnismäßig höher als im gesamten Feldzug gegen Frankreich im J a h r e 1940. Tabelle 11 Verluste und Bestand an Geschützen des Heeres 1940 und 1941/42 (in Stck.) Bestand 1. 6. 1941

Pak (3,7 u. 5 cm) 1. Inf. G. (7,5 cm) s. Inf. G. (15 cm) 1. F. H. (10,5 cm) s. F. H. (15 cm)

15506 4176 867 7076 2867

Verluste Dez. 1941 bis Febr. 1942 (90 Tage)

Verluste 10. 5 . - 2 0 . 6. 1940

1771 510 165 800-900* 361

636 154 23 137 88

Bestand 1. 2. 1942

(42 Tage) ? 3775 791 6155 2514

* Meine Schätzung; in der Quelle fälschlich 147; Gesamtverlust 22. 6. 1941 bis 15. 3. 1942= 1307. Quelle: DZW, Bd. 2, S. 275 (dort einige Abweichungen); Müller-Hillebrand, Bd. 3, S. 29 u. S. 42. Bis zum 10. November waren an Kraftfahrzeugen fast 8 1 6 0 0 S t ü c k verlorengegangen. 9 Von Dezember 1941 bis März 1942 beliefen sich die Totalverluste an Kraftfahrzeugen auf weitere 3 1 1 0 0 L K W , 1 8 3 0 0 P K W und 2 2 5 0 0 Motorräder, dazu 2 2 5 0 Zugmaschinen. Diesen Ausfällen von insgesamt rund 7 4 2 0 0 Kraftfahrzeugen standen Neuzuweisungen von nur 7 4 4 1 Stück gegenüber. 1 0 Die Luftwaffe erlitt in der Zeit von J u n i 1941 bis J a n u a r 1942 einen Gesamtverlust von 6 8 9 4 Maschinen. 1 1 D e r Verbrauch an Munition, besonders an Artilleriemunition, überschritt in den Herbstund Wintermonaten die Produktion um ein Mehrfaches. 1 2 Die „katastrophale Eisenbahnl e i s t u n g " 1 3 verschlimmerte die Versorgung der Front. Um die Jahreswende 1941/42 verfügte die Truppe nur über ein bis zwei Zehntel ihrer normalen Ausstattung mit Infanterie* und Artilleriemunition und über 0,1 bis 0,5 Tagessätze an Treibstoff. 1 4 Ende Dezember 1941 wandte sich das O K H an die Rüstungsinspektionen und forderte in Fernschreiben, die Erzeugung von Heeresmunition, besonders von Artilleriemunition, „schnellstens auf höchsten Ausstoß zu steigern". 1 5 Solche Versuche des O K H , unmittelbar in die Produktion einzugreifen, setzten sich noch wochenlang fort. „Generalstab schreit händeringend nach K a p a z i t ä t der 10,5 c m " (Feldhaubitzen-Sprenggranate), vermerkte das Rüstungskommando Augsburg Anfang Februar 1 9 4 2 1 6 ; das O K H verlangte, Kapazitäten 9 10 11 12 13

Reinhardt, S. 115. Müller-Hillebrand, Bd. 3, S. 29; DZW, Bd. 2, S. 275. Davon 4903 Totalabgänge (Reinhardt, S. 260; s. a. Groehler, Geschichte des Luftkriegs, S. 333). Müller-Hillebrand, Bd. 3, S. 43. ZStA Potsdam, FS, Film 1829, AN WiRüAmt (Rü II) üb. Vortrag Thomas' bei Keitel am 13. 1. 1942, v. 14. 1. 1942. Über den Zusammenbruch des Transportwesens der Wehrmacht im Winter 1941/42 in der UdSSR s. Reinhardt, S. 280ff. 14 Wie Anm. 13 (Film 1829). 15 ZStA Potsdam, FS, Film 3398, FS OKH Chef (IIRüst/BdE) v. 24. u. 30. 12. 1941). 16 Ebenda, Film 4826, AN RüKdo Augsburg, 8. 2. 1942.

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

der 8,8 cm- auf solche der 10,5 cm-Sprenggranatenproduktion umzustellen, „weil die 8,8 cm nicht mehr zur Bekämpfung der russischen Panzer ausreicht". 17 Das faschistische Regime machte eine Krise durch, deren Auswirkungen auf die fernere Kriegslage und auf die wirtschaftliche, innen- und außenpolitische Situation die deutschen Imperialisten mit allen Mitteln auffangen wollten. Sie sahen sich insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet gezwungen, ihre Blitzkriegsillusionen — „kurze Kriege mit großen Ruhepausen" 1 8 — fahren zu lassen, und bemühten sich nunmehr, sich in der Kriegswirtschaft auf die Bedingungen eines längeren kräftezehrenden Krieges einzustellen. Die Niederlage vor Moskau stellte das entscheidende Moment dieser Entwicklung dar, die schon ein bis zwei Monate vorher eingesetzt hatte. Der Eintritt der USA in den Krieg (Kriegserklärung Deutschlands am 11. Dezember 1941) bestärkte die deutschen Imperialisten in der Politik wesentlicher Veränderungen im staatsmonopolistischen Mechanismus der Kriegswirtschaft, änderte aber nichts an dem nun eingeschlagenen, schon seit einiger Zeit vorbereiteten Kurs. Der Prozeß, in dem sich dieser Kurs durchsetzte, wies freilich, dem Grundcharakter der kapitalistischen Ordnung entsprechend, einen chaotischen Charakter auf, der durch seine Eilbedürftigkeit eher verstärkt als abgeschwächt wurde. Um die verschiedenen Konzeptionen wurden unter den beteiligten Gruppierungen, Institutionen und Personen heftige interne Auseinandersetzungen ausgetragen, bis sich schließlich seit dem Februar 1942 eine eindeutig dominierende herausschälte. Das erste offiziell kundgetane Eingeständnis des Bankrotts der bisherigen kriegswirtschaftlichen Konzeption des deutschen Imperialismus waren die „Durchführungsbestimmungen Nr. 1" vom 28. November 194119 zu den Rüstungsrichtlinien des OKW vom 23. Oktober, die diese de facto aufhoben. Das Programm der „ Kräfteverlagerung" und der „Kräfteverteilung", das die Richtlinien vom 23. Oktober vorsahen, hatte noch auf der Voraussetzung aufgebaut, daß 49 Divisionen des Heeres und ein Teil der Heerestruppen, insgesamt also der vierte Teil des Gesamtheeres, nach siegreichem Feldzug aufgelöst und zum überwiegenden Teil der Kriegswirtschaft zur Verfügung gestellt werden sollten. 20 Die Durchführungsbestimmungen vom 28. November dagegen begannen bereits mit dem lapidaren Satz: „Mit einer Auflösung von Divisionen des Heeres ist im geplanten Umfang nicht zu rechnen." 2 1 Sollte jedoch ein neues Konzept erarbeitet werden, so mußte erst Hitlers „Umrüstungs"Erlaß vom 14. Juli 1941 22 fallen. Thomas bestürmte Keitel am 9. Dezember mit der Frage, was nun 1942 werden solle; er ließ durchblicken, daß die „Führerweisung" vom 14. Juli nicht zu halten sei und „daß ein Verzicht auf irgend etwas eintreten muß". 2 3 Bald herrschte im OKW Klarheit darüber, daß der Hitler-Erlaß hinfällig und schleunigst zurückzuziehen

17 Ebenda. 18 BA Koblenz, R 3/1547, Rede Speers vor den Gauwirtschaftsberatern, Gauamtsleitern für Technik und Gauobleuten der DAF am 18. 4. 1942. 19 ZStA Potsdam, FS, Film 2325. 20 Ebenda, „Richtlinien auf personellem Gebiet", 23. 10. 1941 (Heerestruppen = selbständige Einheiten unter OKH, z. B. Artillerie-, Pionier- und Nachrichteneinheiten). 21 Ebenda, „Durchführungsbestimmungen Nr. 1", 28. 11. 1941. 22 Siehe S. 13. 23 ZStA Potsdam, FS, Film 1742, Vortragsnotiz Thomas' für Chef OKW („Vor-Entwurf") v. 9. 12. 1941.

Auswirkungen der Niederlage vor Moskau

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sei: „Insgesamt ergibt sich . . . eine grundsätzlich neue Lage gegenüber den Voraussetzungen vom 14. 7.1941."24 Im Dezember und um die Jahreswende 1941/42 arbeitete die Wehrmachtführung ihre Entwürfe 2 5 für den neuen Erlaß Hitlers über die „Rüstung 1942" vom 10. Januar 1942 aus, in dem das Blitzkriegskonzept vom Sommer 1941 auf dem Gebiet der Kriegswirtschaft stillschweigend ad acta gelegt wurde. Der grundlegende Entwurf wurde schon am 13. Dezember 1941 im Wehrmachtführungsstab verfaßt. 2 6 In Hitlers neuem Erlaß 2 7 wurde die Rüstungsumstellung vom Sommer 1941, unbeschadet einiger lahmer Ausflüchte, in „Anpassung an die veränderte Kriegslage" widerrufen. Das geschah nicht ausdrücklich und nur mit der Maßgabe, daß die alte rüstungsstrategische Zielsetzung, der „Ausbau der Luftwaffe und Kriegsmarine zum Kampf gegen die angelsächsischen Mächte", wie es hieß, „auf weite Sicht . . . unverändert" bliebe. Die weitere allgemeine Gültigkeit des überholten Erlasses vom 14. Juli 1941 in „wirtschaftlichtechnischer" Hinsicht wurde im Schlußpassus sogar bekräftigt und seine „erhöhte Bedeutung" postuliert. Doch der Widerruf zeichnete sich klar ab in dem Verbot, ein „Absinken der Rüstung des Heeres" zuzulassen, und vor allem in der Quintessenz des Erlasses: „Die Mittel der Rüstung sind daher zunächst bevorzugt den gesteigerten Bedürfnissen des Heeres dienstbar zu machen." Der Hauptteil des Erlasses handelte von der notwendigen Umstellung der Rüstungsproduktion und der Rohstoffverteilung zugunsten des Heeres und von der Dringlichkeit der Rüstungsprogramme. Das wichtigste Ziel der Rüstungsanstrengungen war, nach der Vorlage Keitels für Hitler vom 3. Januar, die „Neubildung und Auffrischung starker Offensivverbände". 28 Als Termin für die Aufstellung solcher Verbände und für ihre Ausrüstung „mit dem notwendigen Nachschub für mindestens vier Monate" setzte Hitler den 1. Mai 1942 fest. 29 Die Schnellen Truppen des Heeres sollten — wie schon im Panzerprogramm vom August 1941 gefordert — auf 24 bis 30 Panzerdivisionen und 15 motorisierte Divisionsverbände vergrößert werden. 30 Zu diesem Zweck wurde nun beschlossen, die Marinerüstung und das schon zusammengeschmolzene Luftrüstungsprogramm zu kürzen und die Produktion von Bomben und Flugzeugmunition zu drosseln. Vor allem Kupfer- und Aluminiumkontingente sollten so f ü r die Heeresrüstung frei werden. Mit dem Erlaß vom 10. Januar 1942 waren das Göringprogramm und die gesamte „Umrüstung" des Jahres 1941 begraben. Der Weg war frei für eine offizielle Umverteilung der Rohstoffkontingente und Arbeitskräfte zugunsten der Heeresrüstung und für den Widerruf der im Herbst 1941 versandten „Drosselungslisten" und „Drosselungsschreiben". Unklar 24 Ebenda, Film 1775, Vortragsnotiz WFSt v. 13. 12. 1941. 25 Siehe z . B . Thomas, S. 470ff., Denkschrift WiRüAmt v. 23. 12. 1941; ebenda, S. 478 ff., Denkschrift WFSt v. 3. 1. 1942. 26 Gedr. in EichhoÜz, Dietrich, Die Vorgeschichte des „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz" (mit Dokumenten), in JfG, 1973, Bd. 9 (im folgenden: Vorgeschichte des GBA), S. 372ff., Dok. 2. Siehe ausführlicher Reinhardt, S. 265 ff. 27 Thomas, S. 483 ff. Hiernach auch das Folgende. 28 Ebenda, S. 479, Denkschrift WFSt v. 3. 1. 1942. 29 Ebenda, S. 484, Erlaß Hitlers „Rüstung 1942" v. 10. 1. 1942. 30 Ebenda, S. 479, Denkschrift WFSt v. 3. 1. 1942. Entwürfe der vorangehenden Tage enthielten eine Forderung nach 30 Panzer- und 20 motoris. Div. (ZStA Potsdam, FS, Film 863Ö, OKWEntwürfe v. Ende Dez. (?) u. 1. 1. 1942).

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

w a r jedoch n a c h wie vor, welches neue kriegswirtschaftliche K o n z e p t auf die D a u e r durchgesetzt werden u n d in wessen H ä n d e n die Vollmachten d a f ü r liegen würden. Die Lösung dieser Probleme lag gerade den führenden Monopolkreisen dringend a m Herzen, u n d sie h a t t e n auch schon genaue Vorstellungen davon, wie sie zu lösen seien. D a s Scheitern des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts w a r ein Ausdruck der tiefen Gegensätzlichkeit zwischen den Zielen und den realen Möglichkeiten der deutschen Imperialisten. I h r wirtschaftliches Potential s t a n d in keinem Verhältnis zu den militärischen A u f g a b e n u n d zu den Kriegszielen, die sie sich stellten. Auch als sie ein gut Teil E u r o p a s besetzt hielten, ausplünderten u n d ausbeuteten, m u ß t e n all ihre optimistischen Berechnungen des n u n beherrschten Gesamtpotentials Fehlrechnungen bleiben. Es gab keine Chance f ü r sie, die Sowjetunion zu unteijochen. E s war ferner unmöglich, die unterworfenen Völker E u r o p a s auf D a u e r in B o t m ä ß i g k e i t zu halten, sich ihre wirtschaftlichen Ressourcen anzueignen u n d sie bis aufs Blut auszubeuten. Im eigenen L a n d war das faschistische Regime infolge der H e r r s c h a f t des Kapitals u n d der Gesetze des Profits n i c h t in der Lage, das v o r h a n d e n e wirtschaftliche Potential voll f ü r seinen Krieg ausz u n u t z e n , zumal da es ihn f ü r die schlechteste imperialistische Sache f ü h r t e , die den Lebensinteressen des deutschen Volkes diametral entgegengesetzt war. Bürgerliche Autoren gehen hingegen vielfach von der Voraussetzung aus, daß der Krieg, einmal begonnen, kriegswirtschaftlich wohl zu gewinnen oder wenigstens m i t Gewinn zu E n d e zu bringen gewesen sei — wenn er gründlich genug „in der Tiefe" vorbereitet worden w ä r e ; wenn in den ersten Kriegsjahren, besonders 1941, das R ü s t u n g s t e m p o schnell genug erhöht u n d n i c h t , wie sie b e h a u p t e n , abgebremst worden wäre; wenn von Anfang an eine straffe, zentrale staatsmonopolistische Regulierung die gesamte Kriegswirtschaft e r f a ß t h ä t t e . Diese drei wichtigsten, in verschiedener Zusammenstellung u n d Gewichtung immer wieder a u f t a u c h e n d e n Argumente lassen sich schließlich auf einen Nenner bringen: Die Blitzkriegsstrategie war v e r f e h l t ; von vornherein h ä t t e der Krieg „ t o t a l " g e f ü h r t werden müssen. Soweit dies gegen Kriegsende geschehen, sei es „zu s p ä t " getan worden. General T h o m a s sah, als er in den J a h r e n 1943/44 seinen umfassenden Tätigkeitsbericht a b f a ß t e , d a ß er m i t seiner Skepsis gegenüber der Blitzkriegsstrategie Recht behalten h a t t e , schloß a b e r fälschlich daraus, d a ß seine „Tiefenrüstungs"-Konzeption 3 1 realistischer gewesen wäre. Doch er selbst m u ß t e feststellen, d a ß „die Tiefenrüstung (Bereitstellung von Nachschub, industrielle Vorbereitungen, Bevorratung m i t Rohstoffen) bei der ges c h w ä c h t e n Devisenlage des Reiches sehr vernachlässigt werden m u ß t e " . 3 2 Milward dämm e r t etwas von diesem Dilemma. E r u n t e r n i m m t es, die Chancen des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts und die der „Tiefenrüstung" gegeneinander abzuwägen. Immerhin gesteht er zu, d a ß „ R u ß l a n d s F ä h i g k e i t , den , F ü n f m o n a t s k r i e g ' zu überstehen", zum E n d e des Blitzkriegs beitrug. 3 3 Doch der Schlüssel zur E r k l ä r u n g der Umstellung „auf volle Kriegsproduktion" liegt f ü r ihn „in Hitlers Denken", in das er zu seinem Bedauern keinen „vollen E i n b l i c k " hat. 3 * 31 Siehe zu dieser Konzeption Band I, S. 18; unzulässig vereinfacht und auf den Hauptnenner Hitler gebracht wird sie in Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 1: Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik. Hrsg. v. Militärgeschichtl. Forschungsamt, Stuttgart 1979, S. 281, S. 315f. 32 Thomas, S. 145. 33 Milward, Alan S., Die deutsche Kriegswirtschaft 1939—1945 (im folgenden: Milward, Kriegswirtschaft), Stuttgart 1966, S. 52. 34 Ebenda, S. 60.

Auswirkungen der Niederlage vor Moskau

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Alle derartigen Erörterungen über das Blitzkriegskonzept in der Wirtschaft laufen auf die These hinaus, es sei ein „Abbild der strategischen Überlegungen Hitlers" gewesen und habe, im Gegensatz zur „wirklichen Kriegswirtschaft", den „Grundprinzipien der nationalsozialistischen Wirtschaft" entsprochen 3 5 ; seine „Ursachen und inneren Bedingungen" — so Birkenfeld — „liegen im Letzten bei Adolf Hitler selbst". 3 6 Diese oberflächliche, inhaltlose Charakteristik f ü h r t zu der schon skizzierten Kritik vom S t a n d p u n k t der „totalen" imperialistischen Kriegführung.

2. Die Reorganisation des Systems staatsmonopolistischer Machtorgane in der Kriegswirtschaft (Zweite Phase) a) Die Reorganisation

des Reichsministeriums

für Bewaffnung

und

Munition

Am 13. J a n u a r 1942 rief die Leitung der Reichsgruppe Industrie ihren Großen Beirat zu einer Beratung zusammen. Es referierte der Reichsminister f ü r Bewaffnung und Munition. „Vor den Toren Moskaus", so begann Todt, „kam es zu einem Stillstand, im wesentlichen wohl deshalb, weil die Russen eine ungeheure Basis in der Vielmillionenstadt Moskau unmittelbar hinter sich h a t t e n . " 3 7 E r sah keinen Grund, vor seinem Publikum mit bestimmten Einsichten hinter dem Berg zu halten, u n d bezeichnete das so hartnäckigen Widerstand leistende Sowjetvolk als eine „ungeheure Kraft". 3 8 Er kam zu dem Schluß, „daß wir uns doch mehr darauf gefaßt machen müssen, einen totalen Krieg zu führen". 3 9 Daraus die Konsequenzen zu ziehen bedeute, „daß nicht nur die Wehrmacht, sondern das ganze deutsche Volk die Härte des Krieges stärker empfinden muß als bisher, um hierdurch zur Hergabe des Letzten veranlaßt zu werden". 4 0 Todts Zuhörer interpretierten seine Aufforderungen selbstverständlich nicht so, als verlange er mit der „Hergabe des Letzten" einen Verzicht auf die Kriegsprofite der Monopole. Der Leiter der Reichsgruppe Industrie, Wilhelm Zangen, Vorstandsvorsitzer des Mannesmann-Konzerns und Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bank, bekundete sein und der RGI vollstes Einverständnis mit Todts Darlegungen. E r drückte den Zusammenhang zwischen dem militärischen Rückschlag und der erhöhten Bedeutung, die er der Steigerung der Kriegsproduktion und ihrer Regulierung durch die führenden Monopole zumaß, mit einem Zitat Friedrichs II. aus: „Schlachten werden gewonnen durch Bajonette, Kriege werden nur gewonnen durch die Ökonomie." 4 1 Todt u n d Zangen forderten die Mobilisierung des in- und ausländischen Arbeitskräftepotentials f ü r die deutsche Rüstungsindustrie. Rationalisierung durch Konzentration der Produktion in den „leistungsfähigsten" Betrieben und durch vermehrte Ausbeutung war ihre Losung. 35 Ebenda, S. 29-, S. 45. 36 Thomas, S. 32 (Einleitung von B.). Eine verhältnismäßig abgewogene und fundierte Darstellung der objektiven Ursachen für das Scheitern des militärischen und wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts findet sich dagegen bei Reinhardt. 37 Anatomie des Krieges, S. 373, Dok. 189, Aufzeichnung von Karl Albrecht, Wigru Feinmechanik und Optik, üb. d. Sitzung am 13. 1. 1942. 38 BA Koblenz, R 13 1/654, Aufzeichnung der Rede Todts (Wigru Esl). 39 Ebenda. 40 Wie Anm. 37. 41 Wie Anm. 37. 5

Eichholtz I I

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

D i e Zeitspanne von Dezember 1941 bis Februar 1942 war ausgefüllt von der angestrengten Suche der herrschenden Kreise des Regimes nach einem Ausweg aus dem kritischen Zustand der Kriegswirtschaft, einer Suche, die sich im Laufe des J a n u a r s zur hektischen Betriebsamkeit steigerte. Klar war den Beteiligten, daß man sich auf einen längeren Krieg einzurichten hatte. Das Grundproblem war ein zweifaches; die maßgeblichen Stellen beschäftigten sich „ebensosehr m i t der Frage, wer die deutsche Wirtschaft kontrollieren solle, wie damit, welche Art von Wirtschaft es sein solle". 4 2 Unabweisbar wurde nun die Forderung nach einer „obersten Führungsstelle" 4 3 , nach einer „rüstungswirtschaftlichen Zentralschaltstelle" 4 4 , die die unmittelbar Betroffenen — die Rüstungsindustrie und die regionalen Rüstungsdienststellen der Wehrmacht — m i t besonderer Heftigkeit erhoben. D i e hauptsächlichen Kontrahenten im Kampf um die Beherrschung der angestrebten zentralen wirtschaftlichen Kommandoposition waren das O K W , das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition und schließlich die Gruppierung Luftwaffe/Vierjahresplan (Göring, Milch, Krauch). Das Munitionsministerium hatte freilich seinen Konkurrenten voraus, daß es sich unmittelbar auf die Mehrheit der großen Rüstungskonzerne stützen konnte, daß es aufs engste m i t der Leitung der Reichsgruppe Industrie zusammenarbeitete und daß ihm in Gestalt seines Rüstungsbeirats ein Gremium führender Monopolisten zur ständigen Konsultation in allen entscheidenden kriegswirtschaftlichen Fragen zur Verfügung stand. E s ging hierbei nicht um eine bloße Neuverteilung von Vollmachten und Kompetenzen, sondern darum, die F r o n t in neuen Dimensionen, umgehend und auf lange S i c h t mit Waffen und Munition und auch m i t Soldaten zu versorgen. Das einmütig verfolgte Ziel der herrschenden Kreise des Regimes war eine gründliche Umstellung auf eine „totalere" und effektivere Kriegswirtschaft zu eben diesem Zweck. Diejenige Kräftegruppierung^ mußte schließlich die entscheidenden Regulierungsvollinachten an sich ziehen, die die erfolgversprechendste Methode für eine solche Umstellung, die größten Potenzen für ihre Durchsetzung und die schlagendsten konkreten Beweise für den bezweckten kriegswirtschaftlichen Erfolg vorweisen konnte. Das Schlüsselproblem lag spätestens seit Hitlers Erlaß vom 3. Dezember 1941 für alle Beteiligten in einer umfassenden Rationalisierung der gesamten Rüstungsproduktion, 45 die auch lief in die übrigen Bereiche der Volkswirtschaft eingreifen sollte. In zweiter Linie schob sich das schon in den Zeiten des Vierjaliresplans erörterte Ziel einer „totalen" Erfassung aller nichtarbeitenden Arbeitsfähigen für die Rüstungsproduktion auf dem Wege des Arbeitszwanges wieder in den Vordergrund, von der man aber einen raschen 42 Milward, Kriegswirtschaft, S. 64. 43 ZStA Potsdam, FS, Film 8273, KTB WiRüAmt/Stab, Eintr. v. 16. 1. 1942: „Es müsse eine oberste Führungsstelle vorhanden sein." (Äußerung Zangens gegenüber Thomas). 44 Ebenda, Film 5382, Lagebericht der Rüln V (Stuttgart) v. 13. 12. 1941. 45 Frühere Konzeptionen und Ansätze für die Rationalisierung der Rüstungsindustrie erwähnt Wagner (Wagner, Raimund, Auswirkungen des Zusammenbruchs der faschistischen Blitzkriegsstrategie auf die deutsche Kriegswirtschaft, in Das Fiasko der antisowjetischen Aggression. Studien zur Kriegführung des deutschen Imperialismus gegen die UdSSR (1941—1945). Hrsg. v. Erhard Moritz, Berlin 1978 (im folgenden: Auswirkungen), S. 169ff., der im Hinblick auf das Göringprogramm zugespitzt und nicht überzeugend formuliert, in der Luftrüstungsindustrie habe man „am frühesten auf eine umfassende Rationalisierung" abgezielt (ebenda, S. 172).

Die Reorganisation staatsmonopolistischer Machtorgane

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Effekt in dem gewünschten Umfang nicht erwartete und die wegen ihrer sozialen und innenpolitischen Folgen stark umstritten blieb. Der Übergang zur umfassenden Mobilisierung der kriegswirtschaftlichen Ressourcen und die damit verknüpfte Zentralisierung der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt waren weder die Folge einsamer Beschlüsse Hitlers noch das hauptsächliche Werk Todts oder Speers. Es waren die Spitzen des deutschen Finanzkapitals, insbesondere die Leitung der Reichsgruppe Industrie, die diese Entwicklung initiierten. Als Exekutive bedienten sie sich dabei des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition und unterstützten den Minister — erst Todt, dann Speer — in entscheidender Weise. Sie betrieben den Ausbau des ministeriellen Exekutivapparats und sorgten für eine Erweiterung seiner Machtbefugnisse, die ihn binnen weniger Monate, wenn auch nicht zum einzigen, so doch zum eindeutig dominierenden Regulierungsmechanismus in der Kriegswirtschaft werden ließen. Sie inaugurierten den neuen Kurs des Ministeriums, indem sie im Dezember 1941 und Januar 1942 binnen kürzester Frist eine Rationalisierungskonzeption für die gesamte Rüstungsindustrie ausarbeiteten, die Anfang Februar 1942 auf einer mehrtägigen Beratung der Hauptausschüsse des Ministeriums geprüft und bestätigt wurde. Sie setzten diese Konzeption in den darauffolgenden Wochen und Monaten in den Rüstungsbetrieben mit Hilfe des ministeriellen Exekutivapparates durch, für den sie — besonders in Gestalt der Leiter der Ausschüsse und Ringe — den personellen Führungsbestand stellten. 46 Zweifellos entsprachen das entstehende umfassende, zentralisierte staatsmonopolistische Regulierungssystem und die weitgehende Unterordnung der Produktion unter die Anforderungen des Krieges nicht uneingeschränkt und nicht in jedem Fall den Interessen der Monopolisten. Sie bevorzugten verständlicherweise die schnellen Erfolge und geringen Risiken des Blitzkrieges. In Anbetracht der kritischen Lage hielten sie jedoch einschneidende Maßnahmen im gesamtimperialistischen Interesse für dringend geboten und reagierten ohne Verzug. Die erforderliche zentrale Regulierungsgewalt konzentrierten sie dabei weitestgehend in ihren eigenen Händen.

Bis zum 8. Februar

1942

Walter Rohland, damals stellvertretender Vorstandsvorsitzer des Konzerns der Vereinigten Stahlwerke und einer der engsten Vertrauten des Munitionsministers, sagte nach dem Kriege aus: „Schon Dr. Todt hatte die Notwendigkeit erkannt, alle Industriezweige, die direkt oder indirekt für die Kriegsproduktion notwendig waren, zu zentralisieren, und hatte durch Gespräche mit Hitler den Weg hierzu bereitet. Die Entscheidung, eine Art Kriegs[wirtschafts]ministerium unter der Leitung von Dr. Todt zu schaffen, war kurz vor seinem Tod gefallen." 4 7 Hans Kehrl, damals Generalreferent im Reichswirtschaftsministerium, berichtet in seinen Memoiren, Todt, den er auf Görings Geburtstagsfeier am 12. Januar 1942 traf, habe ihm mit Bezug auf ein früheres Gespräch mitgeteilt: „Mit Zustimmung des Führers habe ich mich entschlossen, alles in eigener Regie zu machen 46 Zur Rationalisierung ausführlich S. 295 ff. 47 Milward, Kriegswirtschaft, S. 66. Das gleiche Zitat in anderer Rückübersetzung in derselbe, Fritz Todt als Minister für Bewaffnung und Munition, in VfZ, 1/1966, S. 57. Vermutlich hatten Rohland bzw. Todt das Kriegsamt aus dem ersten Weltkrieg als Modell vor Augen. 5 '

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

und die Wirtschaft auf breiter Basis einzusetzen." 4 8 Die Quellen bestätigen diese Aussagen weitgehend. Als sich vor Moskau die schwere Niederlage abzeichnete, begannen der Munitionsminister und die ihn stützenden Monopole mit Vehemenz, ihre Pläne in die T a t umzusetzen. Die Reorganisation des Apparats des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition, die T o d t mit seinem Erlaß vom 22. Dezember 1941 in Gang setzte, und die gesteigerte Aktivität der Konzernherren, insbesondere der Leiter der Sonderausschüsse und der Leitung der Reichsgruppe Industrie, bei der Durchsetzung des Rationalisierungserlasses des Ministers vom 23. Dezember in den Zweigen und Betrieben der Rüstungsindustrie sollten rasch vollendete Tatsachen schaffen. Der Erlaß Todts vom 22. Dezember 1941 über die „Selbstverantwortung der Rüstungsw i r t s c h a f t " 4 9 — dieser wie fast alle anderen unveröffentlichten Erlasse und Bestimmungen trugen geheimen Charakter — ging von der „Notwendigkeit einer bedeutend stärkeren Rationalisierung" aus; sie müsse den „noch größere(n) Anforderungen" des J a h r e s 1942 an die Rüstungsindustrie entsprechen. Diesen Forderungen sei „die Selbstverantwortungsorganisation der Rüstungswirtschaft, d. h. der Rüstungsbeirat, die Rüstungsausschüsse usw., anzupassen". Die doppelte S t r u k t u r des staatsmonopolistischen Mechanismus des Ministeriums — Rüstungsausschüsse in den Wehrkreisen und eine größere Zahl von Sonderausschüssen unmittelbar unter der ministeriellen Zentrale — wurde durch die Bildung von fünf llauptausschüssen ergänzt, stark zentralisiert und vereinheitlicht. Mitglieder der Hauptausschüsse waren die Leiter der jeweiligen Sonderausschüsse. Die Hauptausschüsse für Munition, für Panzer und für Waffen entsprachen dem bisherigen Regulierungsbereich des Ministeriums. Hauptausschüsse für „Allgemeines W e h r m a c h t s g e r ä t " und für Maschinen bezogen neue, große Bereiche der Rüstungswirtschaft in die Regulierung ein. Zu Leitern der Hauptausschüsse wurden Vorsitzer bzw. Mitglieder des Vorstands von fünf der mächtigsten Rüstungskonzerne berufen, die seit eh und j e die Hauptstützen des Ministeriums bildeten. Die Hauptausschüsse und ihre Hauptausschuß (I) Munition

Haupt ausschuß ( I I ) Waffen

Leiter Philipp Keßler, Vorsitzer des Rüstungsbeirats (Bergmann-Elektricitäts-Werke AG/ Siemens und AEG-Konzern) Erich Müller (Krupp)

/i8 Kehrl, Hans, Krisenmanager im Dritten Reich. 6 Jahre Frieden — 6 Jahre Krieg. Erinnerungen, Düsseldorf 1973, S. 219. — Durch diese wichtige Datierung wird ein bemerkenswert frühes Einverständnis zwischen Hitler und Todt über die folgenden — und seit dem 8. Februar von Speer weiterbetriebenen — Veränderungen in der Kriegswirtschaft bezeugt. Zugleich wird damit der fragwürdigen und apologetischen Behauptung der Boden entzogen, Todt habe erkannt, daß der Krieg militärisch und wirtschaftlich verloren sei, dies am 29. 11. 1941 Hitler mitgeteilt und ihn aufgefordert, den Krieg „politisch" zu beenden (Ludwig, Karl-Heinz, Die deutschen Flakraketen im Zweiten Weltkrieg, in Militärgeschichtl. Mitteilungen, 1/1969, S. 89; derselbe, Die wohlreflektierten „Erinnerungen" des Albert Speer, in GWU, 11/1970, S. 699; mit anderem Datum (4. 12. 1941) Janssen, Gregor, Das Ministerium Speer. Deutschlands Rüstung im Krieg, Berlin (West)/Frankfurt a. M./Wien 1968, S. 33; kolportiert auch von Reinhardt, S. 184). 49 ZStA Potsdam, FS, Film 2312. Hiernach auch das Folgende. Siehe auch Wagner, Auswirkungen, S. 173 f.

Die Reorganisation staatsmonopolistischer Machtorgane H a u p t a u s s c h u ß (III) Panzerwagen u n d Zugmaschinen H a u p t a u s s c h u ß (IV) Allgemeines (Wehrmachts) -Gerät H a u p t a u s s c h u ß (V) Maschinen

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W a l t e r R o h l a n d (Vereinigte Stahlwerke) Wilhelm Zangen, Leiter der Reichsgruppe I n d u s t r i e (Mannesmann) H a n n s B e n k e r t (Siemens)

D e r Rüstungsbeirat des Ministers u n d die Sonderausschüsse blieben bestehen. 5 0 Neu gebildet wurde ein „Engerer Beirat" des Munitionsministeriums u n t e r d e m Vorsitz Todts. I h m sollten der Vorsitzer des Rüstungsbeirats, die Leiter der Hauptausschüsse und je ein Vertreter des I n d u s t r i e r a t s der L u f t w a f f e u n d der Marinerüstung angehören. D a ß dieser Engere Beirat, der den Minister „beraten" sollte, wirklich z u s t a n d e k a m u n d jemals in voller Besetzung z u s a m m e n t r a t , ist unwahrscheinlich; in der Zusammensetzung des neuen Gremiums zeichnete sich wohl zu deutlich die schon im November gehegte Absicht ab, die „gesamte Planung der R ü s t u n g s w i r t s c h a f t " v o m Munitionsministerium aus zu steuern u n d O K W u n d W e h r m a c h t t e i l e zu majorisieren. 5 1 S t e c k t e der Erlaß v o m 22. Dezember den Wirkungsbereich der Hauptausschüsse in seinen allgemeinen Umrissen ab, so legten Todts „ A u s f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n zum Führerbefehl v o m 3. 12. 1941" v o m 23. Dezember die Aufgaben der gesamten „SelbstVerantwortungsorganisation der R ü s t u n g s w i r t s c h a f t " 5 2 auf dem Gebiet der Rationalisierung eingehend dar. Dieser Erlaß enthielt die konzeptionelle Leitlinie u n d das detaillierte P r o g r a m m f ü r eine umfassende Rationalisierung der Kriegsproduktion. 5 3 D a m i t waren wichtige Vorentscheidungen d a r ü b e r gefallen, in welcher Weise u n d in wessen H ä n d e n sich die weitere Konzentration der kriegswirtschaftlichen Regulierungsgewalt vollziehen würde. Die Erlasse vom 22. u n d 23. Dezember 1941 kündigten eine neue E n t w i c k l u n g s s t u f e des staatsmonopolistischen Kapitalismus in der Kriegswirtschaft a n . Außer auf die P r o d u k t i o n von Panzern, W a f f e n u n d Munition erstreckten sich Regulierungsvollmachten lind Anordnungsbefugnisse der u m das Munitionsministerium gruppierten Rüstungsmonopole u n d ihrer „Selbstverantwortungs"-Organe nun auch unmittelbar auf die f ü r die R ü s t u n g produzierende P r o d u k t i o n s m i t t e l i n d u s t r i e ( H a u p t a u s s c h u ß Maschinen) u n d Konsumgüterindustrie ( H a u p t a u s s c h u ß Allgemeines Wehrmachtsgerät). D a s t a t dem bisher noch bedeutenden direkten E i n f l u ß der Wehrmachtsdienststellen auf K o n s t r u k t i o n und P r o d u k t i o n von W a f f e n u n d Kriegsgerät starken A b b r u c h ; das O K W m u ß t e das u n t e r d e m D r u c k der militärischen Krise hinnehmen. Auch die Machtsphäre des Reichswirtschaftsministeriums wurde beeinträchtigt. In den k o m m e n d e n Wochen waren Todt u n d die Leitung der R G I , voran Wilhelm Zangen, m i t außergewöhnlicher A k t i v i t ä t b e m ü h t , das Ministerium u n d das System der Ausschüsse, wie beschlossen, zu erweitern u n d neu zu formieren u n d die Rationalisierung nach ihrer Konzeption „ m i t aller Beschleunigung" 5 4 zu betreiben. Zangen setzte mit seiner Anordnung vom 9. J a n u a r 1942 den mächtigen A p p a r a t der R G I und aller Wirtschaftsgruppen in Bewegung, u m den neuen H a u p t a u s s c h u ß Allgemeines W e h r m a c h t s g e r ä t m i t einem breiten U n t e r b a u von Arbeitsgruppen u n d Sonderausschüssen auszustatten. 5 5 50 51 52 53 54 55

Siehe Hand I, S. 126 ff. ZStA Potsdam, FS, Film 2325, AN WiRüAmt, 22. 11. 1941. So im Erlaß v. 22. 11. 1941 (wie Anm. 49). ZStA Potsdam, FS, Film 2312. Ebenda, RMfBuM an Zangen, 29. 12. 1941. Ebenda, AO Zangens v. 9. 1. 1942.

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D e r Z u s a m m e n b r u c h des w i r t s c h a f t l i c h e n B l i t z k r i e g s k o n z e p t s

Unverzüglich begannen im gesamten Bereich der Hauptausschüsse zahlreiche Kommissionen und Rationalisierungsausschüsse mit der Arbeit in den Betrieben. Auch die Montanindustrie, die hochgradig in Monopolverbänden organisiert war, beteiligte sich und nahm dabei die eingespielten Apparate dieser Verbände zu Hilfe. 50 Auf der Tagung der Rüstungsinspekteure und -kommandeure vom 21. bis 23. Januar 1942 kam im Wehrwirtscliafts- und Rüstungsamt des OKW noch einmal alles zusammen, was in Rüstung und Kriegswirtschaft Rang und Namen hatte. Amtschef Thomas erklärte in seiner einleitenden Rede, die Rationalisierung der Kriegswirtschaft müsse „zentral gesteuert" werden und sei „der Reichsgruppe Industrie übergeben, die sie nach Weisung des Munitionsministeriums und des Reichswirtschaftsministeriums durchführen wird". 5 7 Todt stand aber durchaus nicht an exponierter Stelle auf der Rednerliste, sondern neben Milch und einem Vertreter der Marinerüstung; noch vor ihm sprachen Oberst Neef, Chef der Rüstungswirtschaftlichen Abteilung des Amtes, und Gerhard Ritter (IG Farben) als Vertreter des GB Chemie. Der Munitionsminister kündete in seiner Rede die Vereinfachung von Konstruktion und Produktion, die Rationalisierung in der gesamten Industrie und die Einführung von Festpreisen an. Die Anwesenden begriffen sicherlich nicht, wie weit sich die Gewichte schon zugunsten des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition verschoben hatten. General Thomas mochte es noch schwerfallen zu erkennen, daß zu dieser Zeit, wie er sich mehrere Monate später ausdrückte, der Kampf der „Industrie gegen den Soldaten" 5 8 bereits in vollem Gange war, d. h., daß das Ringen innerhalb der herrschenden Klasse, insbesondere zwischen Wehrmacht und Reichsministerium für Bewaffnung und Munition, um die zentrale Regulierungsgewalt in der Kriegswirtschaft in ein entscheidendes Stadium getreten war. Wahrscheinlich rechnete er sich und seinem Amt angesichts der Heerschau der OKW-Rüstungsorganisation, die er zusammengerufen hatte, noch selbst große Chancen aus, jene zentrale Machtposition in der Kriegswirtschaft zu erringen. 59 In dieser internen Auseinandersetzung spielten auch solche Ereignisse eine Rolle wie die Bildung der „Industrieorganisation des Generalbevollmächtigten für das Nachrichtenwesen" und die Ernennung von J a k o b Werlin zum „Generalinspektor des Führers für das Kraftfahrwesen". Erich Fellgiebel, General der Nachrichtentruppe, Ende 1941 zum Generalbevollmächtigten für das Nachrichtenwesen (GBN) ernannt, baute in enger Anlehnung an den Industrierat der Luftwaffe eine eigene „Industrieorganisation" mit „etwa 35 Fertigungsringen" 6 0 , zusammenfassenden (Industrie)-Referaten und einem aus den Referenten zusammengesetzten „Beirat der Nachrichtenmittelindustrie" auf. Die ehrenamtlichen Leiter der Ringe und Referate waren in Personalunion auch im Industrierat der Luftwaffe leitend tätig 6 1 ; es waren führende Repräsentanten solcher Konzerne und Rüstungsfirmen wie AEG, Siemens, Lorenz und Telefunken. Die Organisation des GBN war offenbar eine gemein56 Siehe S . 3 0 6 f f . 57 Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 1741, R e d e T h o m a s ' v. 21. 1. 1942. U n g e n a u e D a t i e r u n g der T a g u n g bei Mihvard, K r i e g s w i r t s c h a f t , S . 64. 58 Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 1741, R e d e T h o m a s ' v o r den R u i n (in H a n n o v e r ) a m 29. 8. 1942. 59 Siehe a u c h Reinhardt, S . 2 7 0 f . ; Mihvard, Kriegswirtschaft, S. 64f. 60 Z S t A P o t s d a m , F S , Film 2312, A n s p r a c h e Fellgiebels bei der „ V e r p f l i c h t u n g v o n B e i r a t u. R i n g f ü h r e r n " a m 2 0 . 1 2 . 1 9 4 1 . — D e m I n d u s t r i e r a t der L u f t w a f f e gehörten über 100 F e r t i g u n g s ringe a n (ebenda, R E r l . O K M v . 10. 2. 1942). 6 1 E b e n d a , G B N a n W i R ü A m t , 16. 2. 1942.

Die R e o r g a n i s a t i o n s t a a t s m o n o p o l i s t i s c h e r M a c h t o r g a n e

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schaftliche Gründung von O K H und Luftwaffenführung unter der Schirmherrschaft Görings, dafür gedacht, die staatsmonopolistischen Positionen der Rüstungsdienststellen von Heer und Luftwaffe in der Kriegswirtschaft zu stärken. Am 16. Januar 1942 ernannte Hitler J a k o b Werlin, Vorstandsmitglied des Daimler-BenzKonzerns und Vertrauensperson der Deutschen Bank, einen alten Parteigänger der Faschisten und persönlichen „Freund des Führers" 6 2 , zum „Generalinspektor des Führers für das Kraftfahrwesen". 6 3 Anzunehmen ist, daß bei dieser Ernennung der Einfluß Todts mitgespielt hat, der Werlin und dem Daimler-Benz-Konzern auch als Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen und als Leiter des NSDAP-Hauptamtes für Technik seit vielen Jahren nahestand. Sie erfolgte, ohne daß das Verhältnis Werlins zu Generalmajor Adolf v. Schell geklärt wurde, der seit Ende 1938 als Generalbevollmächtigter für das Kraftfahrwesen — eine Institution des Vierjahresplans — fungierte 6 4 und als solcher den Rang eines Unterstaatssekretärs im Reichsverkehrsministeriums bekleidete. Die vordringliche Aufgabe Werlins war es, den an der deutsch-sowjetischen Front dezimierten Kraftfahrzeugpark der Wehrmacht aufzufrischen und zu erneuern, ein Netz von Reparaturwerkstätten im Osten zu schaffen und anderes mehr. Doch er setzte sich durch Forderungen wie die nach einer eigenen „Reichsgruppe Kraftfahrwesen" 6 5 sehr bald in Gegensatz zur Leitung der RGI, zu Todt bzw. zu Speer und zu Funk, so daß seine weitere Tätigkeit untergeordneter Art blieb. Am 24. Januar wandte sich der Munitionsminister an seine fünf engsten Mitarbeiter und Berater aus der Industrie — den Vorsitzer seines Rüstungsbeirats und die übrigen Hauptausschußvorsitzer — und lud sie für den 6. Februar zum Bericht über die „außerordentlich vielen Anregungen" aus der Rüstungsindustrie ein, denen durch Hitlers Rationalisierungserlaß vom 3. Dezember 1941 „der Weg gebahnt" worden sei. 66 Die Beratungen der Hauptausschüsse und der ebenfalls zusammengerufenen Leitung der RGI in Berlin mit dem Minister währten schließlich drei Tage, vom 4. bis zum 6. Februar 1942. Sie bildeten den Höhepunkt der Anstrengungen Todts und der um sein Ministerium gescharten großen Rüstungsmonopole, ihr kriegswirtschaftliches Konzept in die Tat umzusetzen, und bereiteten unmittelbar die bevorstehende wichtige Aussprache des Ministers mit Hitler vor, an der ursprünglich auch Walter Rohland teilnehmen sollte. 67 Die Hauptausschüsse tagten während dieser Zeit in Permanenz. Der Munitionsminister, der mehrfach vor ihnen sprach, hob in seinen Reden drei Grundsätze als wesentlich für die Lösung der „große(n) Aufgabe" 6 8 hervor, die Produktion ungeachtet des bevorstehenden 6 2 Z S t A P o t s d a m , R W i M , Nr. 9086, B l . 50, A N v . d. Goltz, N o v . 1 9 3 4 ; s. a . Radandt, Hans, Zu B e z i e h u n g e n zwischen d e m K o n z e r n der D e u t s c h e n B a n k u n d d e m S t a a t s a p p a r a t bei V o r b e r e i t u n g u n d D u r c h f ü h r u n g d e s zweiten Weltkrieges, in Der deutsche Imperialismus und zweite Weltkrieg. Materialien der W i s s e n s c h a f t ! K o n f e r e n z der K o m m i s s i o n der Historiker D D R u n d der U d S S R v . 14. bis 19. D e z e m b e r 1959 in Berlin, B d . 2, B e r l i n 1961, S . 21f.

den der der der

6 3 RGBl. 1942 I, S . 25 f., „ E r l a ß des F ü h r e r s über die B e s t e l l u n g eines Generalinspektors des F ü h r e r s für d a s K r a f t f a h r w e s e n " v . 16. 1. 1942. 6 4 Siehe Kirchberg, Peler, T y p i s i e r u n g in der d e u t s c h e n K r a f t f a h r z e u g i n d u s t r i e und der Generalb e v o l l m ä c h t i g t e f ü r das K r a f t f a h r w e s e n , in JfW 1969, T . 2, S . 131 f. 6 5 Z S t A P o t s d a m , R W i M , N r . 9088, B l . 47 f., Telegr. Werlins an R W i M , 23. 1. 1942. 66 E b e n d a , F S , F i l m 2312, R s . R M f B u M v . 24. 1. 1942. 6 7 Siehe Janssen, S . 33. 6 8 Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 2312, Z u s . - f a s s u n g d. R e d e n T o d t s a m 4. u. 5. 2. 1942, v . 17. 2. 1942. H i e r n a c h a u c h das F o l g e n d e .

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

Abzugs von acht Prozent der Rüstungsarbeiter zur Wehrmacht — nämlich einer halben Million Mann — zu steigern. Das war in erster Linie die „Ausschaltung der teuersten B e t r i e b e " ; gelänge es einem solchen Betrieb trotz Erfahrungsaustauschs nicht, rationeller zu arbeiten, „so müssen ihm Arbeitskräfte und Maschinen entzogen werden . . . Der leistungsfähige Arbeiter muß heraus aus dem ungesunden B e t r i e b . " T o d t verwies weiterhin darauf, daß allein die bloße Erhöhung der Arbeitsintensität „noch einmal eine Leistungssteigerung von 10 Prozent möglich" mache. E r ahnte allerdings, daß die deutschen Imperialisten bei den Werktätigen nicht m i t einer solchen freiwilligen Masseninitiative rechnen konnten, wie sie das Sowjetvolk zeigte und die er als „brutalen E i n s a t z der Massen" verleumdete. Sein Rezept war die „richtige Behandlung des Arbeiters". Die von der faschistischen Terrormaschine eingeschüchterten und niedergehaltenen deutschen Arbeiter müßten „dafür begeistert" werden, mehr Waffen für den Sieg zu schmieden. Der Minister plädierte für vielfältige Formen propagandistischer und ideologischer Beeinflussung, um „allen klar(zu)machen, warum diese Waffen fertig werden müssen". Besonders lag Todt schließlich daran, die weitreichenden Befugnisse der Hauptausschüsse herauszustreichen: „Die Industrie h a t durch die Einrichtung der Hauptausschüsse weitgehend die Vollmacht, sich selbst zu helfen." Den Vertretern des Heereswaffenamts bedeutete er, die Hauptausschüsse würden „selbständig eine Typenbereinigung durchf ü h r e n " ; das Amt solle den Rationalisierungsvorschlägen der Industrie möglichst seine „sofortige Genehmigung" geben. „In vielen Fällen wird den Vorschlägen von erfahrenen Werken wie Krupp ohne langwierige Genehmigungsverfahren die sofortige Einführung der Verbesserung zugestanden werden können." Die führenden Vertreter der Rüstungsindustrie hieben in diese Kerbe und äußerten zahlreiche zusätzliche „Wünsche", die samt und sonders auf eine Beschneidung von Befugnissen des Heereswaffenamts und des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamts hinausliefen. 6 9 I m Laufe der Beratungstage gab der Munitionsminister mehrere wichtige Erlasse heraus. Vor allem billigte er den Vorsitzern der Hauptausschüsse das R e c h t des maßgeblichen Vorschlags für die Beschäftigung von Arbeitskräften zu, die bei Rationalisierungsmaßnahmen „freigesetzt" wurden. 7 0 Eine Reihe weiterer ministerieller Anordnungen, Richtlinien und Aufträge, die ebenfalls als unmittelbares Ergebnis der dreitägigen Beratungen anzusehen sind, bildeten nach Todts Tod Ansatzpunkte für die weitere Reorganisation des Ministeriums. 7 1 Hierzu zählt auch der später von Albert Speer versandte Brief Todts an die Gauleiter der Nazipartei. 7 2 Mit diesem Schreiben wollte Todt eine feste, regelmäßige Verbindung zu den Gauleitern knüpfen. Der Gedanke, die Potenzen der straff organisierten, mächtigen faschistischen Partei stärker nutzbar zu machen und sie in den staatsmonopolistischen Mechanismus der Kriegswirtschaft enger einzubeziehen, war keine plötzliche Eingebung des Munitionsministers. Wollten die deutschen Imperialisten die Lasten der Rationali69 Anatomie des Krieges, S. 379f., Dok. 194, Bericht WiRüAmt üb. d. Tagung der IIA des RMfBuM am 6. 2. 1942. 70 BA Koblenz, R 13 1/1012, RErl. RMfBuM an die Vorsitzenden der Prüfungskommissionen, 4. 2. 1942; ZStA Potsdam, FS, Film 8630, RErl. RMfBuM an die Vorsitzer der IIA, 6. 2. 1942. 71 ZStA Potsdam, FS, Film 2312, Richtlinien für die „Aufstellung von Bestarbeitsplänen", 10.2. 1942; ebenda, „Aufträge, die RM Dr. Todt in den Ilauptausschußbesprechungen am 5. und 6. Februar 1942 aufgegeben hat", v. 17. 2. 1942. 72 Ebenda, Rs. Speers an die Gauleiter, 18. 2. 1942.

Die Reorganisation staatsmonopolistischer Machtorgane

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sierung dem Volk aufbürden, so bedurfte man dringender als zuvor der unmittelbaren Unterstützung der Nazipartei. Auch die sich innerhalb der Bourgeoisie dadurch verschärfenden Gegensätze, daß die wirtschaftliche Regulierungsgewalt in den Händen einer kleinen Clique führender Rüstungsmonopole scharf konzentriert wurde, erforderten ein solches Vorgehen. Kein Geringerer als Wilhelm Zangen propagierte bereits im Herbst 1941, als sich das Fiasko der Blitzkriegsstrategie abzeichnete, als unabdingbar und richtungweisend für die weitere Entwicklung der gesamten sogenannten Organisation der gewerblichen Wirtschaft die Idee, „daß die Organisation den Anschluß an das politische Kraftnetz der Nation mehr als bisher finden müsse". 73

Der

Ministerwechsel

Am 7. Februar 1942 flog der Beichsminister für Bewaffnung und Munition nach Rastenburg zu Hitler und beriet sich lange mit ihm. Am 8. Februar verunglückte er auf der Rückreise tödlich bei einem Flugzeugunfall. Da der eingeleitete Reorganisationsprozeß in der Kriegswirtschaft aber offensichtlich keinen Aufschub duldete, designierte Hitler noch am selben Tage den Architekten, Bau- und Rüstungsmanager Albert Speer zu Todts Nachfolger. Am 9. Februar gab die Reichskanzlei die Ernennung des neuen Ministers bekannt, und am 15. Februar wurde sie im Reichsgesetzblatt offiziell verkündet. 7 4 Abwegig ist die Behauptung bürgerlicher Historiker, Todt habe Hitler aufgefordert, den Krieg als aussichtslos zu beenden 7 5 ; widersinnig in diesem Fall auch die Vermutung, die SS habe seinen Tod auf ihrem Mordkonto. 76 Todt reiste zu Hitler, um ihm von der Rüstungstagung vom 4. bis 6. Februar zu berichten und ihn aufzufordern, entsprechend den Wünschen der führenden Rüstungsmonopole dem Munitionsministerium diktatorische Vollmachten zur Regulierung der Kriegswirtschaft zu übertragen. Diese Forderung mußte bei Hitler auf fruchtbaren Boden fallen; denn die Absichten Todts und der Monopole entsprachen voll und ganz der neuen Rüstungskonzeption, die Hitler selbst durch seine Unterschrift unter die Erlasse vom 3. Dezember 1941 und 10. J a n u a r 1942 in Kraft gesetzt hatte. Immerhin mochte ihm eine klare Entscheidung zu Todts Gunsten nicht leichtfallen, da sie schwere Eingriffe in die Machtsphäre anderer Dienststellen und Institutionen des 73 Radandt, Hans, Eine Rede von Wilhelm Zangen, in JfW, 1962, T. 2, S. 205. 74 RGBl. 1942.1, S. 80. 75 Janssen, S. 33. — Quelle für diese Erfindung sind die schon erwähnten „Mitteilungen" Walter Rohlands lange nach dem Krieg, in denen Rohland aus durchsichtigen Motiven behauptet, Todt habe den Krieg für verloren erklärt und Hitler im Einverständnis mit ihm bedrängt, den Krieg zu beenden. Vermutbar ist lediglich, daß Todt (und Rohland) die kriegswirtschaftlichen Risiken eines langen, entfalteten Zweifrontenkrieges erkannten und erwogen, da bis Ende 1941, wie leicht einzusehen, der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Besonders kompakte Apologie Todts als „Widerstands"helden bei Ludwig (Ludwig, Technik, S. 3 8 8 f f . u. passim); neuerdings bei Schmidt, Matthias, Albert Speer: Das Ende eines Mythos. Speers wahre Rolle im Dritten Reich, Bern/München 1982, S. 71 ff. 76 Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen \1ilitärgerichtshof, Nürnberg (1947ff.) (im folgenden: IMG), Bd. 16, S. 477, Vernehmung Speers, 19. 6. 1 9 4 6 ; Schwerin v. Krosigk, Lutz Graf, Es geschah in Deutschland. Menschenbilder unseres Jahrhunderts, Tübingen und Stuttgart 1951, S. 2 9 9 f . ; Thorwald, Jürgen, Die ungeklärten Fälle, Stuttgart (1950), S. 1 4 0 f . Letzthin dazu kritisch Schmidt, S. 75f.

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Regimes nach sich ziehen mußte, insbesondere der Wehrmacht und Görings als Beauftragten f ü r den Vierjahresplan, ferner Funks, Leys und anderer Satrapen. So war beispielsweise ein Gesprächsthema Todts bei Hitler — das einzige schriftlich überlieferte — die Forderung nach einem „Verbot der Reden Dr. Leys über Rüstung ohne vorherige Abstimmung (gegen Kommissionsarbeit)". 7 7 Aus Tagebuchnotizen Goebbels' geht hervor, daß Goebbels und besonders Ley zu diesem Zeitpunkt noch große Hoffnungen hegten, sich der führenden Position auf dem Gebiet der „Leistungssteigerung", d. h. vor allem der Steigerung der Ausbeutung der deutschen und ausländischen Arbeiter, bemächtigen zu können: „Der Führer möchte Dr. Ley und mich noch einmal in der Frage des Arbeitseinsatzes und der Leistungssteigerung sprechen. Bis dahin werden unsere Verlautbarungen noch zurückgehalten. Es hat sich jetzt doch herausgestellt, daß das Problem schwieriger ist, als man zuerst gcdacht hatte. Ich werde mich noch einmal in seine Einzelheiten vertiefen und werde dann im Zusammenhang auch mit dem ganzen Problem des Arbeitermangels dem Führer Vortrag halten." 7 8 Am Tage der Besprechung Todts m i t Hitler notierte Goebbels: „Das Problem der Leistungssteigerung ist nun sehr a k u t geworden. Der Führer will sich selbst damit beschäftigen und hat sogar die Absicht, unter Umständen in dieser Angelegenheit nach Berlin zu kommen, um in einer großen Besprechung die Einzelheiten zu klären. Vielleicht wird er selbst zu diesem Problem öffentlich das Wort ergreifen." 79 Die Version von einem A t t e n t a t auf Todt ist reine Spekulation. Allerdings sind politisches Gangstertum und Mord probate Mittel des Imperialismus und besonders jedes faschistischen Regimes. Die Möglichkeit, daß Todt von Konkurrenten und Gegnern beseitigt wurde, ist daher nicht völlig auszuschließen. Sucht man nach Kräften, die den Plänen des Munitionsministers aus ernst zu nehmenden Motiven feindselig gegenüberstanden, so kamen dafür in allererster Linie die Luftwaffenführung und die um die Vierjahresplanorganisation gruppierten Monopole unter Führung der IG Farben, als deren politischer Exponent also Göring in Betracht. 8 0 Diese Fraktion der herrschenden Klasse verfocht seit jeher besonders hartnäckig die Blitzkriegsstrategie bzw. das Blitzkriegskonzept in der Kriegswirtschaft. Sie konnte nicht darüber im Zweifel sein, daß umfassende kriegswirtschaftliche Vollmachten f ü r Todt endgültig das Ende ihrer Konzeption, insbesondere ihrer Ausnahmestellung und Vorherrschaft in Rüstung und Kriegswirtschaft bedeuteten. Zählebige Legenden werden in reaktionären bürgerlichen Geschichts- und Memoirenwerken auch über Speer verbreitet: Obwohl vorher als Künstler so gut wie gar nicht mit der Materie befaßt, habe er mit genialer Intuition und Improvisation die Kriegswirtschaft eigentlich erst auf die Beine gestellt und sie zu einer beispiellosen Höhe geführt. Speer war langjähriger Leibarchitekt Hitlers und der Nazipartei. Er war verantwortlich für den hohlen Gigantismus der Bauten auf dem sogenannten Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und der Reichskanzlei in Berlin. In den riesigen Vorhaben, die er als „General77 BA Koblenz, R 3/1989, Karl-Otto Saurs „Stichworte für die Rüstungskartei" (im folgenden: Saur, Stichworte), 7. 2. 1942. — Milward erwähnt die Einführung von Festpreisen als weiteres Gesprächsthema zwischen Hitler und Todt am 7. 2. ( M i l w a r d , Kriegswirtschaft, S. 65). 78 ZStA Potsdam, FS, Film 10803, TB Goebbels, Eintr. v. 6. 2. 1942. 79 Ebenda, Eintr. v. 7. 2. 1942. 80 Todt stürzte mit einer Maschine ab, die ihm Luftwaffenmarschall Hugo Sperrle zur Verfügung stellte; die ergebnislose Untersuchung des Unfalls leitete Milch. Güring erschien, nach Speers Zeugnis, verblüffend kurze Zeit nach dem Unfall bei Hitler und bemühte sich um die Übertragung von Todts Vollmachten auf sich {Speer, Erinnerungen, S. 211).

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bauinspektor für die Pieichshauptstadt" projektierte, fanden die Weltherrschaftsgelüste des faschistischen deutschen Imperialismus ihren architektonischen Niederschlag. In seiner Position war er aufs beste mit den Verhältnissen des Bauwesens vertraut und mit den Beherrschern der großen Konzerne der Bauindustrie intim bekannt. Leiter der Wirtschaftsgruppe Bauindustrie war der in faschistischen Kreisen einflußreiche Eugen Vogler, ein Altnazi und Bruder Albert Voglers; Eugen Vogler war Vorstandsvorsitzer der Hochtief AG, eines der größten Konzerne der deutschen Bauindustrie. Offizielle Zusammenarbeit und persönliche Bekanntschaft verbanden Speer mit Todt, der ihm in seiner Eigenschaft als GB Bau unmittelbar übergeordnet war. Seine und Todts Dienststellen in Berlin lagen benachbart am Pariser Platz. Nach Kriegsbeginn übernahm Speer die Leitung der Rüstungsbauten der Luftwaffe 8 1 und konnte in dieser Funktion umfangreiche Erfahrungen in wichtigen Bereichen der Kriegswirtschaft sammeln. Er war seitdem vor allem für die Bauvorhaben des Ju-88-Programms verantwortlich. 82 Seit Mitte 1941 leitete er die Großbauten für das Göringprogramm. 83 Aus jenen Jahren rührten seine besonders engen Beziehungen zur Luftwaffe, besonders zu Generalfeldmarschall Milch, und zu den Konzernen der Flugzeug-, der Maschinenbau- und der Elektroindustrie her. In seinen Aufgabenbereich gehörten auch Bauten für das UBoot-Programm der Kriegsmarine und für die Heeresleitung, besonders der Ausbau der Raketenversuchsanstalt Peenemünde, ferner die großen Luftschutzbauten (Bunker) in Berlin. 84 Am 1. Okiober 1941 standen 1352 Rüstungsvorhaben des Luftwaffen- und des U-BootProgramms unter der Betreuung des „Baustabes Speer", davon 83 Neubauten großer Werke. 85 Zu dieser Zeit war mit 98000 Mann auch die höchste Zahl der insgesamt vom B a u s t a b beschäftigten Arbeitskräfte erreicht; ungefähr zwei Drittel davon arbeiteten für die Luftrüstung. 8 6 Speer nahm schließlich in der Parteihierarchie einen beachtlichen Posten ein. Er gehörte selbst zur unmittelbaren Umgebung Hitlers und hatte gute Verbindungen zu Gauleitern und Reichsstatthaltern, zu Leitern der großstädtischen Verwaltungen und zu zahlreichen anderen Honoratioren des Regimes. In der D A F leitete er das unter seiner maßgeblichen Mitwirkung entstandene „Amt Schönheit der Arbeit". 8 7 Außer mit der Führung von Luft8 1 A m 10. 11. 1939 ( B A K o b l e n z R 43 11/607). 8 2 Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 1754, P r o t o k . d. B e s p r e c h g . T h o m a s ' m i t den R ü l n a m 8./9. 1. 1 9 4 0 ; Speer, E r i n n e r u n g e n , S . 197. S p e e r selbst bewertete seine T ä t i g k e i t in der L u f t r ü s t u n g u n d seine d o r t g e s a m m e l t e n E r f a h r u n g e n h o c h : „ I c h h a t t e v o r der Ü b e r n a h m e meiner Ä m t e r wesentlichen Anteil a n dem schnellen A u f b a u der R ü s t u n g s i n d u s t r i e der L u f t w a f f e . I c h sah j e d o c h hier v o n u n t e n her viele g r u n d s ä t z l i c h e Fehler, die mir in der S p i t z e v e r b o r g e n geblieben w ä r e n . Viele meiner heutigen E r k e n n t n i s s e waren bereits d a m a l s v o r h a n d e n u n d m a n c h e h e u t i g e M a ß n a h m e n u r durch diese A r b e i t h e r v o r g e r u f e n . " ( B A K o b l e n z , R 3/1547, R e d e v o r d e n G a u w i r t s c h a f t s b e r a t e r n , G a u a m t s l e i t e r n f. Technik u. G a u o b l e u t e n der D A F , 18. 4. 1942). 8 3 Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 1566, E r l . G B B a u v . 2. 7. 1 9 4 1 : S p e e r h a b e „ i m A u f t r a g e des Reichsm a r s c h a l l s die B a u m a ß n a h m e n des G ö r i n g p l a n e s d u r c h z u f ü h r e n " . Siehe S . 14. 8 4 B A K o b l e n z , R 3/1591, S p e e r an Milch, 19. 11. 1 9 4 1 ; Speer, E r i n n e r u n g e n , S . 182 u. S. 197. 8 5 Chronik des UMfBuM, 1941, B l . 71, E i n t r . betr. V o r t r a g S p e e r s b. H i t l e r a m 17. 10. 1 9 4 1 ; e b e n d a , B l . 87. 19. 12. 1941. — Die B a u v o r h a b e n des B a u s l a b e s S p e e r v e r s c h l a n g e n v o n S e p t . 1939 bis S e p t . 1940 722 Mill. R M , v o n O k t . 1940 bis J u n i 1941 380 Mill. R M u n d sollten sich v o n J u l i 1941 bis S e p t . 1942 noch e i n m a l auf ca. 700 Mill. R M b e l a u f e n (ebenda, B l . 71). 86 Ebenda. 8 7 B A K o b l e n z , R 3/1660, E i g e n h ä n d i g e r L e b e n s l a u f S p e e r s , o. D. (1945).

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waffe und Kriegsmarine verknüpften ihn auch mit der Heeresgeneralität viele Fäden; „besonders nahe" stand ihm Generalfeldmarschall v. Reichenau. 8 8 Speer war Ende Dezember 1941 von Hitler auf eigenen Vorschlag zum Verantwortlichen für Reparatur und Ausbau der Eisenbahnanlagen in der Ukraine ernannt worden und hatte eine neue Dienststelle „Baustab Speer — Ostbau" ins Leben gerufen. „Dafür wurden in erster Linie alle Techniker, das Aufsichts- und Bauleitungspersonal und dann weiter die deutschen Bauarbeiter erfaßt und von der Neugestaltung (Berlins — D. E.) weggezogen. In zweiter Linie mußte ich zur Durchführung dieser Aufgaben sehr erhebliche Eingriffe in den Bestand der Bauarbeiter und Techniker der von mir seit Beginn des Krieges betreuten Bauten der Luftwaffenrüstung vornehmen." 8 9 Von den 65000 deutschen Bauarbeitern, die ihm noch unterstanden, ließ Speer 30000 nach Osten transportieren. 9 0 Von Mitte Januar 1942 an rollten ununterbrochen Züge mit Bauarbeitern und Maschinen für das „Ostbauprogramm" in die Ukraine. 9 1 Am Tage seiner Beauftragung mit den „Einsatzaufgaben im Osten" 92 , dem 27. Dezember 1941, hatte Speer eine vertrauliche Unterredung mit Todt 9 3 , in der erörtert wurde, wie ernst die Situation und wie dringlich durchgreifende Maßnahmen seien. An diesem und am folgenden Tag teilten beide die Einsatzgebiete in den besetzten Teilen der U d S S R zwischen Organisation Todt (OT) und Baustab Speer auf. 9 4 Die Wahl Speers zum Nachfolger des Munitionsministers war unter diesen Vorzeichen kein Zufall und kam den Beteiligten auch nicht völlig überraschend. 95 Hitler war außerdem klar, daß Speer nach der Niederlage vor Moskau, die dem Städtebau und den Parteibauten, jedenfalls in ihrem bisherigen Umfang, Einhalt gebot, mehr oder weniger disponibel war. Speers gute Bekanntschaft und enge fachliche Verwandtschaft mit Todt waren bekannt. Hitler hatte Speer schon 1940 Teile von Todts Aufgabengebiet übertragen wollen. 96 Todt und Speer trafen sich am 7. Februar 1942 zweifellos zufällig in Hitlers Hauptquartier. Es ist indessen nicht ausgeschlossen, daß in den langen und schwerwiegenden Beratungen zwischen Todt und Hitler gerade Speer als möglicher Ersatz für Todt ins Gespräch kam — wenigstens für bestimmte Arbeitsgebiete des Ministers, von denen dieser hätte entlastet werden können. Göring hatte an Speers Ernennung keinen Anteil. Immerhin erschien ihm, nachdem seine eigenen Ambitionen unberücksichtigt geblieben waren, der neue Minister, der jahrelang die Rüstungsbauten der Luftwaffe hatte aus dem Boden stampfen helfen und zudem sein Privatarchitekt war, noch am brauchbarsten und unverdächtigsten von allen möglichen Nachfolgern. Er sah in ihm eine gute Stütze für seinen Rüstungschef Milch und vermutete noch keine Gefahr für seine eigene Stellung als Beauftragter für den Vierjahresplan. Am Morgen des 9. Februar 1942 wurden bereits „die Rüstungsleute von der Ernennung 8 8 Ebenda, R 3/1593, Speer an v . Reichenau, 30. 7. 1942. 8 9 ZStA Potsdam, F S , Film 3385, AN Speer v. 22. 1. 1942. Vgl. auch Chronik des RMfBuM, 1941, Bl. 87 f f . ; Speer, Erinnerungen, S. 1 9 9 f . 9 0 Speer, Erinnerungen, S. 200. 9 1 Chronik des RMfBuM, 1942, Bl. 3 ; Speer, Erinnerungen, S. 5 4 1 Anm. 1. 92 ZStA Potsdam, FS, Film 3385, AN Speer, v. 22. 1. 1942. 9 3 Speer, Erinnerungen, S. 200. 94 Chronik des RMfBuM, 1 9 4 1 , Bl. 8 8 f . , 27. u. 28. 12. 1 9 4 1 . 9 5 Speer selbst bemühte sich 1945 als Gefangener, seine Ernennung als Zufall und als überraschend hinzustellen (MiUvard, Kriegswirtschaft, S. 69). 9 6 Speer, Erinnerungen, S. 2 1 0 .

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unterrichtet". 9 7 Damit stellten sich sowohl die Chefs der Wehrmachtsrüstung als auch die Spitzen des deutschen Finanzkapitals auf das neue Ereignis ein. Am gleichen Tag wurde Speer zum Nachfolger Todts auch als G B Bau und als Chef der OT, als Generalinspektor für d a s deutsche Straßenwesen 98 und als Generalinspektor für Wasser und Energie, am 11. Februar unter Verleihung des hohen Parteiranges eines Oberbefehlsleiters zum neuen Leiter des Hauptamtes für Technik der N S D A P und zum Leiter („Reichswalter") des N S B D T berufen. 99 Der Wechsel auf dem Ministerposten erleichterte es Hitler, den neuen Minister von vornherein mit stark erweiterten Vollmachten und Machtbefugnissen auszustatten. Dadurch gelang es den um das Ministerium gruppierten monopolistischen Kräften, den Umbau des staatsmonopolistischen Mechanismus in der Kriegswirtschaft wesentlich zu beschleunigen und zu vertiefen. Doch es bedurfte noch des unmittelbaren Eingreifens der Finanzoligarchie, ehe die endgültige Entscheidung über die von allen Seiten geforderte kriegswirtschaftliche Kommandozentrale zugunsten des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition fiel. Andere zentrale kriegswirtschaftliche Instanzen und führende Repräsentanten des Regimes betrachteten die Gelegenheit als günstig, den Machtbereich des Munitionsministers zu ihren eigenen Gunsten abzubauen. „Hanneken willdie Energie zum Wirtschaftsministerium zurückhabcn", notierte man am 9. Februar im Munitionsministerium. 100 Einen Tag später erhob Ley in der Presse „den Führungsanspruch (in) der Technik durch die DAF". 1 0 1 Am 12. Februar rüstete der neue Minister zum Gegenschlag. Er hielt nachmittags bei Hitler zum ersten Mal Vortrag „über die Leistungssteigerung der Rüstungswirtschaft". 1 0 2 Man kann als sicher annehmen, daß er vorher — möglicherweise noch am Vormittag, anläßlich der pompösen Trauerfeier für Todt — die führenden Monopolvertreter, zumindest Zangen und Vogler oder Rohland, konsultierte, die vermutlich ihrerseits die Gelegenheit wahrnahmen, mit Hitler zu sprechen. Speer verlangte und erhielt an diesem Tag bei Hitler große Vollmachten und Handlungsfreiheit für mögliche Auseinandersetzungen, von der er in einer anschließenden Besprechung mit Bormann und Ley sogleich Gebrauch machen konnte 1 0 3 und die er am nächsten Tag dringend benötigen sollte. Die „Chronik" des Munitionsministeriums vermerkte zunächst am 12. Februar: „Versuchte Einbrüche in das Arbeitsgebiet des Ministers, die von verschiedener Seite (Funk, Ley, Milch) in den ersten Tagen bei der Übernahme der neuen Ämter versucht wurden, wurden sofort erkannt und 'im Keime erstickt'. Der Minister fand hierbei die volle Unterstützung des Führers und des Reichsmarschalls." 1 0 4 97 Janssen, S. 37 (nach „persönlicher Mitteilung" Milchs an J . ) . 98 Der G l für das deutsche Straßenwesen hatte seit einem Hitlererlaß vom 3. 4 . 1 9 4 1 (ZStA Potsd a m , Reichskanzlei, Film 19622) „die Befugnisse eines Reichsministers". 99 S ä u r , Stichworte, 9. u. 11. 2. 1942. Bestallung mit den Parteiämtern durch Verfg. Hitlers v . 1 1 . 2 . 1942 (ZStA Potsdam, F S , Film 14155). — Nach Speers eigenhändigem Lebenslauf (1945) fanden all diese Ernennungen schon a m 8. 2. durch Hitler s t a t t (BA Koblenz, R3/1660). Speer ließ daraufhin den B a u s t a b Speer in der OT aufgehen ( Chronik des RMfBuM, 1942, B l . 19, 14. 2. 1942). 100 S a u r , Stichworte, 9. 2. 1942. 101 E b e n d a , 10. 2. 1942. 102 Chronik des RMfBuM, 1942, B l . 14, 12. 2. 1942. Dies war de facto die erste der „Führerbesprechungen" Speers, über die dieser seit dem 19. 2. Protokolle anlegte. 103 E b e n d a ; Saur, Stichworte, 15. 2. 1942. 104 Chronik des RMfBuM, 1942, B l . 14, 12. 2. 1942; s. a. Janssen, S. 38f.

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Am 13. Februar 1942 traten die Spitzen Vertreter der militärischen und zivilen Rüstungsdienststellen unter Milchs Leitung zusammen, um im Auftrag Görings „die Frage der Gesamtplanung (der Rüstung — D. E.) nochmals eingehend zu besprechen . 1 0 5 Die ursprüngliche Absicht der Veranstalter dieser Sitzung beurteilte man im Munitionsministerium hinterher klar: „10 (Uhr) Besprechung bei Feldmarschall Milch mit dem Versuch, eine einheitliche Führung der Rüstung durch Milch sicherzustellen." 106 E s war nicht die erste Sitzung über dieses entscheidende Thema; ansoheinend gab es am 10. und am 12. Februar Vorbesprechungen im engeren Kreis der Vertreter der Wehrmacht, in denen keine volle Einigung erzielt wurde. 107 Aber zum ersten Mal sah sich der fünf Tage zuvor ernannte neue Reichsminister allen maßgeblichen Repräsentanten von Rüstung und Kriegswirtschaft gegenüber, und zum ersten Mal nahmen auch Wilhelm Zangen, Leiter der Reichsgruppe Industrie, Albert Vogler und Philipp Keßler, Vorsitzender des Rüstungsbeirats des Ministers, an einer Sitzung über dieses Thema teil. Zangen und Keßler hatten als Hauptausschußleiter selbst leitende Funktionen im Apparat des Munitionsministeriums inne. Vogler war Mitglied des Industrierats der Luftwaffe; doch er erschien — eine außergewöhnliche Begebenheit! — auf dieser Sitzung als Senior des deutschen Finanzkapitals und zugleich als die Graue Eminenz des Munitionsministeriums, die er seit dessen Gründung war. Das Erscheinen der drei denkbar einflußreichsten Monopolherren konnte nur den eindeutigen Sinn haben, die Stellung des Munitionsministers im Hinblick auf die zu erwartenden Beschlüsse zu stärken. Vogler ergriff nach Eröffnung der Beratung durch Milch bezeichnenderweise als erster das Wort. Seine — nach Speers Darstellung — „außerordentlich vernünftigen Darlegungen" gipfelten darin, „daß es an der Zeit sei, klare Verhältnisse zu schaffen. Einer müsse . . . alles entscheiden". 1 0 8 Vogler konnte sich die taktische Feinheit leisten, die Frage offenzulassen, wen er für den geeigneten Mann hielt. Wenn er es auch für ungleich praktischer und angebrachter halten mochte, die zentrale Regulierungsgewalt beim neuen Reichsminister für Bewaffnung und Munition zu konzentrieren, so konnte er es sich damals sicher auch vorstellen, daß Milch, zu dem er über den Industrierat der Luftwaffe indirekter Verbindung stand, der überdies alte, vertraute Beziehungen zur Deutschen Bank halte und auf sich unmittelbar Görings Machtvollkommenheit ableiten konnte, ebenfalls einen brauchbaren Rüstungsmanager für die deutschen Monopole abgab — vorausgesetzt, daß der unter Todt eingeschlagene Kurs fortgesetzt und die „Selbstverantwortung" der Rüstungskonzerne nicht angetastet wurde. So viel war klar, daß die Organisation und neuartige Arbeitsweise des Reichsministeriums, für Bewaffnung und Munition sowohl wegen ihrer auf der „Leistungsschau am Zoo" gerade erst bewiesenen Effektivität als auch wegen der militärischen Lage im Osten, die die Heeresrüstung allem voranstellte, jetzt für den deutschen Imperialismus unentbehrlich war. Die Gruppierung Luftwaffenführung/Vierjaliresplan trat demgegenüber an Bedeutung zurück und mußte sich notgedrungen — zeitweilig, wie ihre Repräsentanten meinten — mit ihrem Positionsverlust abfinden. Damit war aber noch keine endgültige Personalentscheidung darüber getroffen, wer von den beiden aussichtsreichsten Kandidaten — Speer und Milch — zum obersten „Rüstungsdiktator" aufsteigen würde. Die Wahrschein105 Z S t A P o t s d a m , F S , Film 2312, „Protokoll üb. die wesentlichen Punkte der Inspekteurbesprechung a m 13. 2. 1942". 106 Saur, Stichworte, 13. 2. 1942. 107 Janssen, S. 38 f. (nach Mitteilung Milchs an J . ) . 108 Speer, Erinnerungen, S. 216.

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lichkeit sprach nicht weniger stark für Milch als für Speer, der Görings Exponent war und als langjähriger, erfahrener Rüstungsmanager mit mannigfaltigen Beziehungen in der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Oligarchie des Regimes seinem Nebenbuhler noch einiges voraushatte. Jenen führenden Rüstungsmonopolen, die Vogler, Zangen und Keßler repräsentierten, konnte die Personalfrage in diesem Fall in der T a t prinzipiell gleichgültig sein, eben immer unter der VorausseLzung, daß Todts Konzept — ihr eigenes Konzept — weiterverfolgt würde. Tatsächlich wurde die Angelegenheit schon auf dieser Sitzung zugunsten Speers entschieden: „Generalfeldmarschall Milch hat heute m i t dem Munitionsminister, der Luftwaffe und dem O K W zusammen — von der Industrie waren die Generaldirektoren Zangen und Vogler anwesend — den Beschluß gefaßt, diese Planung (der gesamten Rüstung — D. E . ) unter Speer zusammenzufassen. Heute nachmittag wird diese Frage beim F ü h r e r zum Vortrag k o m m e n . " 1 0 9 Reichswirtschaftsminister F u n k , Göring und die Vertreter der W e h r m a c h t hatten ihren Kandidaten offensichtlich in Milch gesehen. 110 Doch Speer konnte sich m i t einem Hinweis auf den — vorher mit Hitler abgesprochenen — „Auftrag des Führers" durchsetzen, der an ihn ergangen.sei. Nachmittags bekräftigte Hitler im Kabinettssaal der Reichskanzlei vor den Teilnehmern der Vormittagssitzung m i t großem Aplomb diese Entscheidung. 1 1 1 Speer berichtet in seinen Memoiren von einem anschließenden persönlichen Gespräch mit Hitler und B o r mann, in dem Hitler ihm „nochmals (! —D. E . ) den R a t " gab, sich „möglichst viel der Industrie zu bedienen", da er „dort die wertvollsten Kräfte finden würde". 1 1 2 Im Laufe des gleichen oder des nächsten Tages (14. Februar) entschied Hitler endgültig, daß ausschließlich Speer alle Vollmachten auf dem Gebiet der „Leistungssteigerung" erhalten solle. Bormann instruierte den Parteiapparat am 15. Februar, daß nach dieser Entscheidung „alle m i t der Leistungssteigerung zusammenhängenden Fragen zentral beim Reichsminister für Bewaffnung und Munition bearbeitet werden". 1 1 3 Veröffentlichungen und Reden über diese Thematik müßten mit dem Minister abgestimmt werden. Die D A F habe die Bearbeitung aller technischen Fragen, besonders Rationalisierungsfragen, an den Munitionsminister bzw. an das Hauptamt für Technik der N S D A P abzugeben. Noch am 13. F e b r u a r h a t t e Speer mit Milch „in Sachen der Leistungssteigerung der 109 Wie Anm. 105. 1J0 Saur, Stichworte, 13. 2. 1942. Unklare und widersprüchliche Angaben über die näheren Umstände dieser Sitzung bei Speer, Erinnerungen, S. 215ff.; Janssen, S.39; Milward, Kriegswirtschaft, S. 70f.; Irving, Die Tragödie der Deutschen Luftwaffe, S. 213 f. Dazu im einzelnen Eichholtz, Dietrich, Manager des staatsmonopolistischen Kapitalismus, in JfW, 1974, T. 3, S. 225 f. 111 Saur, Stichworte, 13. 2. 1942; danach waren außer Hitler und Speer anwesend: Funk, Dorpmüller, Ley, Hupfauer, Marrenbach, Vogler, Zangen, Milch, Witzell, Schulze-Fielitz, Schaede, Fromm, Leeb, Keitel, Thomas, Keßler, Landfried. — Die Rolle der anwesenden drei Monopolherren wird dadurch, daß Irving (Die Tragödie der Deutschen Luftwaffe, S. 213) und Speer (Erinnerungen, S. 215) erfindungsreich von einer „großen Besprechung vieler führender Industrieller" sprechen, bagatellisiert und zu derjenigen interessierter Statisten abgewertet. 112 Speer, Erinnerungen, S. 218. 113 Reichsverfügungsblatt der NSDAP — Parleikanzlei, 5/1942 v. 16. 2. 1942, AO Bormanns Nr. A 6/42 v. 15. 2. 1942. — Goebbels notierte am 14. 2., Hitler und Bormann hätten Ley bedeutet, „daß in der Frage der Leistungssteigerung nichts ohne das Munitionsministerium getan werden könne". (Goebbels. Tagebücher aus den Jahren 1942—1943 mit and. Dokumenten hrsg. v. Louis P. Locliner, Zürich (1948), S. 86).

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Luftwaffenindustrie und der Eingliederung der Luftwaffenfertigung in die neue Organisation der Rüstungswirtschaft" verhandelt. 114 Mit den führenden industriellen Vertretern des Industrierats der Luftwaffe — Werner, Frydag und Harten — sprachen er und Walther Schieber wenige Tage darauf ausführlich über die „Erweiterung der Ringe der Luftrüstung auf gesamte Zulieferung und einheitliche Neuordnung der Organe der Selbstverantwortung der Industrie unter Speer". 1 1 5 Am 14. und 15. Februar begann Speer, sich in seinem Ministerium einzuarbeiten. 116 In den folgenden Tagen schuf der Minister in mehreren Beratungen mit Spitzenrepräsentanten der Kriegswirtschaft klarere Verhältnisse. Mit Reichswirtschaflsminister Funk „klärte der Minister (am 16. Februar — D. E.) die Leistungssteigerung in der Rüstungsindustrie in ihrer Auswirkung auf die zivile Fertigung. Die beiden folgenden Tage brachten Besprechungen mit Generalfeldmarschall Milch, General Thomas, Generaloberst Fromm und den Generaldirektoren Pleiger und Zangen. In einer Sitzung mit den Bedarfsträgern der Wehrmachtteile und den Vertretern der Rüstungsindustrie gab der Minister Einblick in den neuen Organisationsplan der Rüstungswirtschaft, die Auswirkung der Selbstverantwortung der Industrie." 1 1 7 Es gehörte bereits zum Arbeitsstil des Ministers, zu den wichtigsten Sitzungen die führenden Repräsentanten der Rüstungsmonopole hinzuzuziehen. Am 18. Februar unterzeichneten die Chefs der obersten Rüstungsdienststellen des faschistischen Deutschlands — nicht ohne „erhebliche Bedenken" 1 1 8 — ein Dokument, in dem sie die vom Munitionsminister vertretene neue kriegswirtschaftliche Konzeption der deutschen Monopole als verbindlich anerkannten. 119 Als erstes bestätigten sie dem Munitionsminister, daß „die Gesamtleistung innerhalb der deutschen Wirtschaft" von ihm „einheitlich gesteuert" werde. Ausdrücklich ließ sich Speer damit seinen Führungsanspruch über die „gesamte Selbstverantwortungsorganisation der Wirtschaft" fixieren und kündigte zugleich die erhebliche Erweiterung dieser Organisation an. Die Rüstungsdienststellen der Wehrmacht verpflichteten sich, ihr — d. h. vor allem den Ausschüssen und Ringen des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition — die Verteilung der Rüstungsaufträge und die tatsächliche Leitung der Rüstungsproduktion zu überlassen. Im Munitionsministerium hielt man das Ergebnis dieser wichtigen Sitzung sofort sorgfältig fest: „Gemeinsame Besprechung unter Vorsitz von Speer über einheitliche Führung der Rüstung. Unterzeichnung einer entsprechenden Entschließung durch Milch, Witzell (mit Vorbehalt), Fromm, Leeb, Lange, Schell, Hanneken, Funk, Thomas, Zangen. Formulierung enthält erstmalig als Grundlage die zusammenfassende Idee der Aufgaben von Ausschüssen und Ringen." 1 2 0 Auch an diesem Tage hatte Speer Zangen an seiner Seite. 114 Chronik des RMfBuM, 1942, Bl. 14, 13. 2. 1942. 115 Saur, Stichworte, 16. u. 17. 2. 1942. In der Quelle fälschlich Härtung für Harten (Geschäftsführer d. Industrierats der L u f t w a f f e ) . 116 Chronik des RMfBuM, 1942, Bl. 19f., 14. u. 15. 2. 1942. 117 Ebenda, B l . 20, 1 6 . - 1 8 . 2. 1942. 118 Thomas, S . 353. 119 Z S t A Potsdam, R M f R u K , Nr. 51, gedr. „Nachrichten des Reichsministers für Bewaffnung und Munition" (im folgenden: Nachrichten des RMfBuM), Nr. 3, 6. 5. 1942, „ F e s t l e g u n g " üb. „Zusammenarbeit v. Bedarfsträgern u. Hauptausschüssen", o. D. Hiernach auch das Folgende. 120 Saur, Stichworte, 18. 2. 1942; s. a. Speer, Erinnerungen, S . 219. Nach den Nachrichten des RMfBuM (wie Anm. 119) unterzeichnete mit „Einverstanden" auch S t s . Kleinmann, nicht erwähnt wurden hingegen F u n k und Lange.

Die Reorganisation staatsmonopolistischer Machtorgane

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In wenigen Tagen hatte sich das Kräfteverhältnis innerhalb der kriegswirtschaftlichen Instanzen des Regimes wesentlich zugunsten des Reichsministeriums für Bewaffnung u n d Munition verschoben. Eine Phase vorübergehender Instabilität des staatsmonopolistischen Mechanismus in der Kriegswirtschaft war abgeschlossen. Es waren die Spitzen des Monopolkapitals, voran Vogler und Zangen, die dem neuen Minister die notwendige Unterstützung gaben, ihn in sein Amt einführten und über seine ersten Schritte wachten, wie sie es schon zwei J a h r e früher bei seinem Vorgänger getan hatten. 1 2 1 Nur diese von der bürgerlichen Geschichtsschreibung mit Vorliebe geleugnete oder verschwiegene Tatsache erklärt es, daß der Munitionsminister, wie von Todt begonnen, den Machtapparat des Ministeriums und dessen industrielle Basis, das System der „Selbstverantwortung" der Rüstungsmonopole, so rasch und erfolgreich ausbauen und zur weitaus stärksten, dominierenden Kommandozentrale der Kriegswirtschaft machen konnte.

Höhepunkt der Reorganisation

(Frühjahr

1942)

Dem neuen Minister, gestützt auf die Vorarbeiten seines Vorgängers und geleitet von R a t gebern wie Vogler und Zangen, schwebte als Ziel der Reorganisation des staatsmonopolistischen Regulierungsapparates in der Kriegswirtschaft eine möglichst vollständige Konzentration der Regulierungsgewalt bei seinen Behörden und bei den „Selbstverantwortungs"-Organen der Rüstungsindustrie als Voraussetzung für eine einheitliche Lenkung der gesamten Kriegswirtschaft vor. Das Bündel der in Angriff genommenen Maßnahmen, die im wesentlichen mit Hilfe des unmittelbaren Rückhalts bei Hitler durchgesetzt wurden, zeugte augenfällig davon. Im ersten Anlauf erlebten die Verfechter einer radikalen Zentralisation des staatsmonopolistischen Mechanismus zwar, obgleich sie mit großer Energie und Durchschlagskraft ans Werk gingen, angesichts mannigfacher widerstreitender Interessen und Kompetenzen von Gruppen, Cliquen und Apparaten der herrschenden Klasse noch mancherlei Mißerfolge und sahen sich vielfach zu Kompromissen genötigt. Trotzdem kamen sie ihrem Ziel schon in den Frühjahrsmonaten des Jahres 1942 entscheidend näher. Das Kräfteverhältnis im staatsmonopolistischen Mechanismus veränderte sich binnen weniger Monate wesentlich, viel stärker noch, als es die bedeutenden organisatorischen Änderungen anzeigten. Das größte Hindernis auf dem Weg zur einheitlichen Kommandozentrale in der Kriegswirtschaft war die wirtschaftspolitische Generalvollmacht, die Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan innehatte. Mit der Rückendeckung Hitlers versehen, bestimmte Speer den widerstrebenden Göring dazu, am 1. März durch den „Erlaß über die Einsetzung eines Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan" 1 2 2 , der nach Speers Entwurf entstand, „alle mit Aufgaben der Rüstung betrauten Dienststellen des Vierjahresplans in Rüstungsfragen einer einheitlichen Lenkung zu unterstellen" und den Reichsminister für Bewaffnung und Munition zu diesem Zweck zum „Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben" (GB Rüst) zu ernennen. Der G B Rüst erhielt die Befugnis, allen „Geschäftsgruppen, Generalbevollmächtigten, Bevollmächtigten usw. im Rahmen des Vierjahresplans . . . in Fragen der Rüstung in meinem (Görings — D. E . ) Auftrag Weisungen zu erteilen". 121 Siehe Band I, S. 121 ff. 122 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8442, Bl. 18 R. Hiernach auch das Folgende. 6

Eichholtz II

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

Der kurze, allgemein gehaltene Erlaß wurde begründet m i t den „Notwendigkeiten der Rüstung", denen im Krieg „alle anderen Bedürfnisse unterzuordnen" seien, und unter dem gleichen D a t u m ergänzt durch ein sehr wichtiges, nicht veröffentlichtes Schreiben Görings an Speer u n d Körner, in dem die umfassenden, weit über die eigentliche Rüstung hinausgehenden Vollmachten im einzelnen genannt waren, die Göring dem GB Rüst ü b e r t r u g : „Hierzu gehören alle Maßnahmen zur Vereinfachung des Auftragswesens, zur Zusammenlegung der Aufträge, zur Rationalisierung gemeinsamer Erzeugnisse (auch Vor- u n d Halbfabrikate), zur Leistungssteigerung in den deutschen Betrieben — ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Rüstungs- oder andere mit der Rüstung irgendwie zusammenhängende Betriebe handelt. Weiter ist der Generalbevollmächtigte f ü r Rüstungsaufgaben im Rahmen des Vierjaliresplans berechtigt, die Führung in Kontingentierungsfragen, in Fragen des Arbeitseinsatzes etc. f ü r die Rüstungs- und deren Unterbetriebe zu übernehmen und auch hier Weisungen zu erteilen." 1 2 3 Das war, wie Speer sagte, die weitaus „umfassendste Vollmacht innerhalb des Vierjahresplans, die bisher erteilt wurde". 1 2 4 Der Kern der in Angriff genommenen Reorganisationsmaßnahmen bestand in dem Ausbau des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition und der „Selbstverantwortungs"Organisation der Rüstungsindustrie auf Kosten der Rüstungsorganisation des O K W u n d des Heeres u n d in der Schaffung der „Zentralen Planung", die unter Leitung des Munitionsministers die Verteilung der wichtigsten Produktionsbedingungen — Schlüsselrohstoffe, Arbeitskräfte, Maschinen — im Rahmen der gesamten Kriegswirtschaft regulierte. Auch die Regulierungsorgane, die weiterhin selbständig neben dem Bereich des Munitionsministeriums existierten, also vor allem die Rüstungsämter der Luftwaffe u n d Marine, das Reichswirtschaftsministerium und der GB Chemie, wurden in starke wirtschaftspolitische Abhängigkeit gebracht und unterlagen einer mittelbaren Regulierung ihrer Tätigkeit durch die Zentrale Planung. Alle wichtigen organisatorischen und personellen Veränderungen außerhalb des Bereichs des Munitionsministeriums waren ebenfalls wesentlich auf den Einfluß des Munitionsministers u n d auf die neue kriegswirtschaftliche Konzeption der ihn stützenden Kreise des Finanzkapitals zurückzuführen, insbesondere — die Reorganisationsmaßnahmen im Bereich des Reichswirtschaftsministeriums, vor allem die Schaffung der Reichsvereinigung Eisen, — die Abberufung des Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen, Unterstaatssekretär Generalmajor Adolf v. Schell, und des Generalbevollmächtigten für die Eisenu n d Stahlbewirtschaftung, Unterstaatssekretär Generalleutnant Hermann v. Hanneken, — die Ernennung eines „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz", — die Reorganisation der Führung des Reichsverkehrsministeriums u n d des Reichsministeriums f ü r Ernährung und Landwirtschaft 1 2 5 . Die fünf von Todt überkommenen Hauptausschüsse u n d ihr Unterbau bildeten den Ausgangspunkt für die Schaffung eines Systems von Ausschüssen und Ringen, ausschließlich 123 Ebenda, Göring an Speer und Körner, 1. 3. 1942. — Von der Generalvollmacht als GB Rüst machte Speer zwar umgehend Gebrauch; vor Mitte März, als Hitler zugestimmt hatte und Speer den Erlaß Görings der Presse übergab, war aber selbst der Reichskanzlei und dem Büro des B f V „über diesen Titel des Munitionsministers nichts bekannt" (ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19467, A N Reichskanzlei, 4. 3. 1942; vgl. Speer, Erinnerungen, S. 220f.). 124 B A Koblenz, R 3/1547, Rede Speers vor den Gauwirtschaftsberatern, Gauamtsleitern für Technik und Gauobleuten der DAF, 18. 4. 1942. 125 Siehe Kapitel 8.

Die Reorganisation staatsmonopolistischer Machtorgane

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geleitet von führenden Vertretern der Rüstungskonzerne, das seiner Intention nach die gesamte Rüstungsindustrie zentral steuern sollte. Die bereits bestehenden Hauptausschüsse wurden nach Umbesetzungen in der Leitung ausnahmslos von Repräsentanten der Schwerindustrie, in erster Linie der Ruhrkonzerne und hier wieder des Konzerns der Vereinigten Stahlwerke, geleitet (Stand Ende April 1942) ;126 Hauptausschuß Hauptausschuß und Zugmaschinen Hauptausschuß Hauptausschuß Wehrmachtsgerät Hauptausschuß

Munition Panzerwagen

Edmund Geilenberg (Reichswerke-Konzern) Walter Rohland (Vereinigte Stahlwerke)

Waffen

Arthur Tix (Hanomag/Bochumer Verein/ Vereinigte Stahlwerke) 1 2 7 Wilhelm Zangen (Mannesmann), Leiter der Reichsgruppe Industrie Karl Lange (Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau u n d Bevollmächtigter des Vierjahresplanes f ü r die Maschinenproduktion)

Allgemeines Maschinen

Die Berufung von Geilenberg und Lange anstelle der Vertreter der großen Elektrokonzerne (Keßler, Benkert) wurde sicherlich fachlich begründet, war aber zugleich ein Zugeständnis an die Vierjahresplangruppierung um Göring, Krauch und Pleiger. Falls mit diesem Zugeständnis die Absicht verbunden war, den Apparat des GB Chemie unter der Firmierung eines Hauptausschusses Chemie 1 2 8 in den Bereich des Munitionsministeriums einzubeziehen, so schlug dieser Plan allerdings fehl. 129 Bis Anfang April wurden sieben neue Hauptausschüsse gebildet, von denen aber nur drei fest in den Apparat des Munitionsministeriums eingegliedert wurden: 1 3 0 Hauptausschuß Hauptausschuß Hauptausschuß

Kriegsschiffe 1 3 1 Schienenfahrzeuge Kraftfahrzeuge

Hauptausschuß Flugzeugzellen

Rudolf Blohm (Blohm & Voss) Gerhard Degenkolb (Demag) Paul Werners (Büssing NAG/AEG); seit November 1942: Wilhelm Schaaf (BMW) Karl Frydag (Henschel Flugzeugwerke, später Heinkel)

126 Anatomie des Krieges, S. 398, Dok. 207 (= Nachrichten des RMfBuM, Nr. 3, 6. 5. 1942). 127 Tix war Vorstandsvorsitzer der Hanomag und Vorstandsmitglied ihrer Muttergesellschaft, des Bochumer Vereins für Gußstahlfabrikation AG, eines Tochterkonzerns der Vereinigten Stahlwerke. 128 Siehe z. B. Nachrichten des RMfBuM, Nr. 3, 6. 5. 1942, „Zusammenarbeit von Bedarfsträgern und Hauptausschüssen"; BA Koblenz, R 3/1570, Strukturschema der Ausschuß- und Ringorganisation des RMfBuM, wahrscheinl. v. Mai 1942 (dort erscheint „HA Krauchplan"). 129 Da der Krauchplan wesentlich ein Investitions- und kein Produktionsprogramm war, konnten Göring und Krauch sachliche Argumente gegen eine Einverleibung durch das RMfBuM ins Feld fuhren. Die — nicht reibungslose — Zusammenarbeit in Planung und Regulierung fand hauptsächlich über die Zentrale Planung (siehe S.82f.) statt. Siehe auch Weyres-v. Levetzow, Hans-Joachim. Die deutsche Rüstungswirtschaft von 1942 bis zum Ende des Krieges, Rer. pol. Diss. München 1975, S. 28. Irrtümliche Darstellung bei Janssen, S. 46, der die Gründung eines HA „Krauchplan" als geschehen voraussetzt. 130 Wie Anm. 126. 131 Im Sommer 1942 infolge Einbeziehung des Handelsschiffbaus umbenannt in HA Schiffbau. 6-

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

Hauptausschuß Triebwerke Hauptausschuß Flugzeugausrüstung llauptausschuß Naclirichtengerät

William Werner (Auto U n i o n / J u n k e r s ) Hans Heyne ( A E G ) Friedrich Luschen (Siemens)

D i e drei H a u p t a u s s c h ü s s e in d e r F l u g z e u g i n d u s t r i e ressortierten „ a u s d e m B e r e i c h des I n d u s t r i e r a t s d e r L u f t w a f f e " , der H a u p t a u s s c h u ß N a c h r i c h t e n g e r ä t „ a u s d e m Bereich der I n d u s t r i e o r g a n i s a t i o n des Generalbevollmächtigten f ü r d a s N a c h r i c h t e n w e s e n " , d. h. d e s Generals Fellgiebel ( O K H ) , wenn sie auch mehr oder weniger eng m i t d e m A p p a r a t des M u n i t i o n s m i n i s t e r i u m s v e r k n ü p f t waren. A u c h der H a u p t a u s s c h u ß K r i e g s s c h i f f e unters t a n d nicht eindeutig d e m Munitionsministerium, d a die M a r i n e w a f f e n ä m t e r ebenso auf ihren R e g u l i e r u n g s v o l l m a c h t e n b e h a r r t e n wie der Generalluftzeugmeister. D i e H a u p t a u s s c h ü s s e der L u f t w a f f e n - u n d Marinerüstung blieben, nach S p e e r , so lange weitgehend i n a k t i v , a l s A u f t r a g s v e r g a b e u n d P r o d u k t i o n s r e g u l i e r u n g b e i den W a f f e n ä m t e r n von L u f t w a f f e u n d K r i e g s m a r i n e verblieb, also bis 1944 bzw. 1943. Mit der B i l d u n g des H a u p t a u s s c h u s s e s Schienenfahrzeuge hing es z u s a m m e n , d a ß d u r c h I n t e r v e n t i o n v o n S p e e r b e i Hitler der bisherige S t a a t s s e k r e t ä r im R e i c h s v e r k e h r s m i n i sterium, Wilhelm K l e i n m a n n , durch A l b e r t Ganzenmüller ersetzt wurde. Verkehrsminister D o r p m ü l l e r wurde a m 23. M a i im F ü h r e r h a u p t q u a r t i e r v o r die vollendete T a t s a c h e ges t e l l t . 1 3 2 G a n z e n m ü l l c r , der S p e e r g u t b e k a n n t war, k o n n t e als „ R e t t e r " d e r Verkehrssiluntion w ä h r e n d d e r sowjetischen Winteroffensive b e i H i t l e r leicht lanciert werden und erwies sich bis K r i e g s e n d e als zuverlässiges Mitglied der v o m Munitionsminister repräsentierten staatsmonopolistischen Kräftegruppierung. E i n e n M o n a t s p ä t e r gingen die wesentlichen Regulierungsvollmachten des Generalbevollm ä c h t i g t e n für d a s K r a f t f a h r w e s e n an d e n Munitionsminister ( A m t s g r u p p e Motorisierung) b z w . an d e n H a u p t a u s s c h u ß K r a f t f a h r z e u g e über — ohne d a ß Göring als B e a u f t r a g t e r f ü r d e n V i e r j a h r e s p l a n , d e r v . Schell eingesetzt h a t t e , b e f r a g t wurde. 1 3 3 Wenig s p ä t e r entfernte H i t l e r v. Schell a u s allen seinen F u n k t i o n e n . 1 3 4 In beiden H a u p t a u s s c h ü s s e n schalteten u n d walteten die maßgeblichen Monopolfirmen f o r t a n ohne E i n m i s c h u n g militärischer oder ziviler B e h ö r d e n . D i e führenden Konzernv e r t r e t e r regulierten d i e P r o d u k t i o n in eigener, nur a u s der Machtfülle des Munitionsministers abgeleiteter Vollmacht. N e u u n d v o n großer B e d e u t u n g war die E i n r i c h t u n g v o n H a u p t r i n g e n u n d Sonderringen. D i e A b s i c h t , d i e P r o d u k t i o n v o n wichtigen Zulieferprodukten, die „ E n g p ä s s e " darstellten, beispielsweise v o n Kurbelwellen u n d anderen S c h m i e d e s t ü c k e n , v o n K u g e l l a g e r n oder Getrieben, d u r c h „ I n d u s t r i e r i n g e " zu rationalisieren u n d zu regulieren, war schon in der V e r e i n b a r u n g v o m 18. F e b r u a r a l s ein H a u p t p u n k t f i x i e r t worden. 1 3 3 D e r B e g r i f f „ I n d u s t r i e r i n g e " war o f f e n b a r in Anlehnung an die Ringe des I n d u s t r i e r a t s der L u f t w a f f e gew ä h l t , h a t t e a b e r einen anderen I n h a l t als die R i n g o r g a n i s a t i o n der L u f t w a f f e , die n a c h F l u g z e u g t y p e n gegliedert w a r ; wie denn ü b e r h a u p t in der L u f t w a f f e n - u n d in der Heeresr ü s t u n g d i e B e g r i f f e A u s s c h ü s s e u n d R i n g e in d u r c h a u s unterschiedlichem S i n n e g e b r a u c h t , 132 F B , 24. 5. 1942, Ansprache Hitlers v. 23. 5. 1942; s. a. F B , 18. 5. 1942, Punkt 9 ; 13. 5. 1942 Punkt 20; 19. 3. 1942, Punkt 36; s. a. Speer, Erinnerungen, S. 236ff.; Reinhardt, S. 280ff. 133 F B , 23. 6. 1942, Punkt 10 („Die Vereinbarung mit General Schell, daß die Produktion des Kraftfahrwesens zu uns übergeht, billigt der Führer."); F B , 29. 6. 1942, Punkt 8. 134 F B , 8. 7. 1942, Punkt 2. Entsprechender Erlaß Görings erst am 10. 9. 1942 (ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19476). 135 Anatomie des Krieges, S . 381, Dok. 196, Vereinbarung v. 18. 2. 1942.

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zugleich a b e r n i c h t klar voneinander abgegrenzt wurden. Nach der erwähnten Vereinb a r u n g sollte ein Industriering Weisungsbefugnis „gegenüber allen Firmen seines Aufgabengebietes" haben. 1 3 6 Als zentrale Zusammenfassung der Industrieringe (Sonderringe) des Munitionsministeriums, die später immer zahlreichere Produktionsgebiete erfaßten, wurden binnen k u r z e m H a u p t r i n g e geschaffen. W ä h r e n d Wilhelm Zangen seit langem — schon gemeinsam m i t T o d t — als der hauptsächliche Verfechter der Ausschüsse galt u n d f ü r die enge personelle Verflechtung u n d den funktionellen Austausch zwischen der Reichsgruppe Industrie u n d den Wirtschaftsgruppen einerseits, d e m System der Ausschüsse u n d Ringe andererseits sorgte, 1 3 7 war es vor allem Albert Vogler, der speziell die Idee der Ringbildung förderte u n d durchsetzte. Vogler verfolgte offenbar den Zweck, mittels der Ringe wesentliche Kompetenzen des Reichswirtschaftsministeriums stillschweigend auf das Munitionsministerium u n d seine „Selbstverantwortungs"-Organisation zu übertragen, den zentralen Regulierungsmechanismus dieses Ministeriums u m eine neue Dimension zu erweitern u n d schließlich die betroffenen Wirtschafls- und F a c h g r u p p e n — d a r u n t e r so bedeutende wie die W i r t s c h a f t s g r u p p e Eisen schaffende Industrie, die W i r t s c h a f t s g r u p p e Maschinenbau u n d die W i r t s c h a f t s g r u p p e Elektroindustrie — fest in diesen Mechanismus einzubeziehen. Vom Reichswirtschaftsministerium ging demzufolge Widerstand gegen die Ringbildung aus. „Jedenfalls", so f ü h r t e auf einer Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium a m 17. März Ministerialrat Solveen aus, „sehe er (Solveen — D . E.) in einer Bewirtschaftung ü b e r die neuen Ringe, wie sie Herrn Dr. Vogler vorschweben, große Schwierigkeiten." 1 3 8 Vogler u n d Speer aber setzten sich gegen die Gegner der Ringbildung u n d auch gegen Skeptiker aus den eigenen Reihen rasch durch, die, wie E r n s t Poensgen, von „Überorganisation" 1 3 9 sprachen u n d einen verstärkten Einfluß der behördlichen Administration b e f ü r c h t e t e n . Anfang April existierten vier H a u p t r i n g e : 1 4 0 H a u p t r i n g Eisen u n d Stahl H a u p t r i n g Metalle Haupt ring P r o d u k t i o n s m i t t e l u n d Maschinenelemente H ä u p t l i n g Elektrotechnische Erzeugnisse

Albert Noll (Vereinigte S tahlwerke) Otto Fitzner (Leiter der W i r t s c h a f t s g r u p p e Metallindustrie ; Giesche- Konzern) Hans Kluy (Reichswerke-Konzern) Friedrich Lüschen (Leiter der Wirtschaftsg r u p p e Elektroindustrie; 1 4 1 Siemens)

N a c h dem S t a n d vom 1. J u n i 1942 gab das Munitionsministerium die Zahl der H a u p t ausschüsse m i t 14 u n d die der H a u p t r i n g e m i t fünf an.1'*2 Der H a u p l r i n g Eisen und S t a h l war geteilt u n d zwei neue Hauptausschüsse waren gebildet worden: 136 Ebenda. 137 Siehe ebenda, S. 385ff., Dok. 199, AN von Karl Albrecht üb. Rede Zangens v. 5. 3. 1942; ebenda, S. 399, Dok. 207 (wie Anm. 126). 138 BA Koblenz, R 13 1/1066, Protok. (Wigru Esl) d. Sitzung im RWiM am 17. 3. 1942. 139 Ebenda; s. a. ebenda, R 13 1/621, Protok. d. Sitzung des Kleinen Kreises v. 16. 3. 1942. 140 Wie Anm. 126. 141 Die Neubesetzung des Postens des Leiters der Wigru mit Lüschen (ab Mai 1942) w urde von Zangen beim RWiM beantragt mit der Begründung, der RMfBuM halte Personalunion zwischen HA- und Wigru-Leiter für erforderlich (Zangen an RWiM, 29. 4. 1942, Faks.-druck in DZW, Bd. 2, S. 288). 142 BA Koblenz R 3/1570, Strukturschema der Ausschuß- u. Ringorganisation des RMfBuM, wahrsch. v. Mai 1942; Weyres-v. Levetzow, S. 25 f.

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Hauptausschuß Marine-Unterwasserwaffen (auch: Marine-Sondergerät) 14S Hauptausschuß Pulver und Sprengstoff Hauptring Eisenerzeugung Hauptring Eisenverarbeitung

Gottlieb Paulus

(Daimler-Benz)

Otto Sarrazin (Wasag/IG Farben) Hermann Röchling (Röchling-Konzern) 144 Albert Noll (Vereinigte Stahlwerke)

In dieser Grundstruktur blieb die Organisation der Hauptausschüsse und -ringe ohne wesentliche Veränderungen und Erweiterungen bis zum Spätherbst 1943 bestehen. Die eigentliche Hauptarbeit der Auftragslenkung, der Kontingentierung und der Rationalisierung leisteten die 178 Sonderausschüsse und Sonderringe 145 und zahlreiche weitere Arbeitsausschüsse und Arbeitsringe als breiter Unterbau der genannten Hauptausschüsse und Hauptringe. Sie wurden in Entsprechung zu diesen in aller Regel von maßgeblichen Vertretern der jeweils leistungsfähigsten Firma, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle also des Werks eines führenden Rüstungskonzerns, geleitet. Den Leiter des SA PZ II Panzerentwicklung stellten beispielsweise die Deutschen Edelstahlwerke (Konzerngesellschaft der Vereinigten Stahlwerke)146, im SA PZ VII Motorenfertigung dominierte die Maybach-Motorenbau GmbH, die eine Monopolstellung im Bau von Panzermotoren hatte und wie die Zahnradfabrik Friedrichshafen AG zum Zeppelin-Konzern gehörte; der SA PZ V I I I Getriebefertigung wurde vom stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Zahnradfabrik Friedrichshafen, H. v. Westermann, geleitet; den Leiter des SA Schiffselektrik stellten die Siemens-Schuckertwerke AG, den SA Optisches und Feinmechanisches Rüslungsgerät leitete ein maßgeblicher Vertreter von Carl Zeiss Jena. In den „Schnittpunkten" beider Organisationsformen — der Ausschüsse und der Ringe — „befinden sich", wie Speer es formulierte, „jeweils in Personalunion — und das ist das entscheidend Wichtige — diejenigen Fachkräfte, die einerseits z. B. für den Kurbelwellenbau beim Panzermotor im Sonderausschuß (des HA Panzerwagen — D. E.), aber andererseits auch in dem zugehörigen Ring (des Hauptrings Eisen und Stahl — D. E.) innerhalb der gesamten Kurbelwellenfabrikation die Interessen der Panzerwaffe mit vertreten". 147 Mit Speers Erlaß „über den Verantwortungsbereich und die Geschäftsordnung für die Selbstverantwortungsorgane (Ausschüsse und Ringe) in der Rüstungswirtschaft" vom 20. April 1942 148 wurden die Ausschüsse und Ringe beauftragt, „bei den ihnen angeschlossenen Firmen und Betrieben bzw. Betriebsabteilungen die zweckmäßigste Unterbringung und Durchführung der Aufträge auf rationellstem Wege mit geringstem Aufwand an Rohstoffen und Arbeitskräften und mit bester Ausnützung der Kapazitäten sicherzustellen. Sie haben die Fertigungen durch technische und organisatorische Mittel zu vereinfachen und die höchstmöglichen Leistungen zu erzielen." Sie hatten für die Konzentration der Produktion in den „Bestbetrieben" zu sorgen und sollten sich um die Einführung moderner Serienfertigung und insgesamt um die weitere Rationalisierung in ihrem Bereich kümmern. 143 Im Herbst 1943 aufgelöst bzw. aufgeteilt auf die IIA Waffen, Munition und Feinmechanik und Optik. 144 Röchling führte den H R formell als Leiter der Reichsvereinigung Eisen (siehe S. 88f.); die eigentliche Leitung hatte sein Stellvertreter Walter Rohland. 145 Weyres-v. Levetzow, S. 27; Stand v. 1. 6. 1942. 146 Dieses und die folgenden Beispiele nach Angaben ebenda, S. 27f. 147 Wie Anm. 124. 148 Nachrichten des HMfBuM, Nr. 3, 6. 5. 1942, Anlage 1 (1. DVO zum Erlaß, 20. 4. 1942).

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Damit besaßen die Ausschüsse und Ringe in ihrem Bereich umfassende wirtschaftspolitische Vollmachten. Ihre Leiter wurden ausdrücklich angewiesen, „in Zukunft nicht den Versuch zu machen, nur durch ihre Überzeugungskraft ihr Ziel bei den Firmen zu erreichen", sondern „durch klare Weisungen u n d Befehle an die Industrie" zu leiten. 149 Das so geschaffene System der Regulierung in der Rüstungsindustrie stellte eine neue Stufe in der Entwicklung staatsmonopolistischer Organe in der Kriegswirtschaft des deutschen Imperialismus dar und bedeutete einen neuen Höhepunkt der Verschmelzung von Staats- und Monopolmacht. Ein Hauptausschuß beispielsweise nahm jetzt einerseits die Aufgaben eines Industriezweigministeriums, andererseits Funktionen der Zentrale eines überdimensionalen Trusts wahr. Die Kommandohöhen in der Rüstung gingen unmittelbar in die Hände der mächtigsten Monopole über, für die der Krieg eine Quelle riesenhafter Bereicherung war. Gestützt auf das System der „Selbstverantwortung" der Monopole, das zum Kernstück des gesamten staatsmonopolistischen Regulierungssystems der Kriegswirtschaft wurde, dehnte das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition seine Funktionen aus u n d verstärkte seine Exekutivgewalt. Es baute seine regionale Organisation aus und vergrößerte seinen behördlichen Apparat ständig. Die diktatorische Stellung des Ministers wurde Schritt f ü r Schritt gefestigt. Zusehends schwoll die Ministerialbürokratie an. Aus Todts zahlenmäßig noch begrenztem Mitarbeiterstab wurde ein umfangreicher ministerieller Apparat mit Amtern, Amtsgruppen und Referaten. Es „entsprach der Personalpolitik unseres Ministeriums", erklärte Speer nach dem Kriege, die Leitung der Ministerialressorts langgedienten Rüstungsmanagern mit „privatindustrieller Vorbildung" zu übertragen. 1 5 0 Karl-Otto Saur, Leiter des Technischen Amtes, vor 1933 technischer Angestellter der August-Thyssen-Hütte (Vereinigte Stahlwerke), später Gauamtsleiter für Technik in Essen, seit 1937 Stellvertreter Todts als „Reichswalter" des NSBDT, war von Anfang an maßgeblicher Mitarbeiter im Munitionsministerium. Walther Schieber, Leiter des Rüstungslieferungsamtes, als SS-Brigadeführer Gewährsmann Himmlers im Ministerium, bis Mitte der dreißiger J a h r e Direktor im IG-Farben-Konzern (Werk Dormagen) und diesem auch später noch infolge gewisser Zahlungen und durch Pensionsansprüche verbunden, fungierte danach als Vorstandsvorsitzender des vom S t a a t kontrollierten Zellwollkonzerns Thüringische Zellwolle AG. E r war Mitglied des Landesbeirats der Dresdner Bank u n d Gauwirtschaftsberater unter Gauleiter Sauckel in Thüringen. Seit 1940 war er offizieller Berater Todts in Fragen der chemischen Produktion. Karl Maria Hettlage, Generalreferent f ü r Finanzen, zugleich Leiter des Rüstungskontors, der Hausbank des Ministeriums, war bisher und blieb auch weiterhin Vorstandsmitglied der Commerzbank AG; er war Speers vertrauter finanzieller Berater bereits in dessen Zeit als Architekt der faschistischen Prunkbauten. Eine Ausnahme bildete das Rüstungsamt. Seine Vorgeschichte h a t t e dramatische Akzente. Für den Munitionsminister ging es bei der Frage, ob die Regulierungsgewalt in den Wehrkreisen u n d Wehrbezirken in den Händen der Wehrmacht blieb oder ob Ministerium, Ausschüsse und Ringe hier den maßgebenden Einfluß ausübten, um Realisierung oder Scheitern seiner Konzeption. Dort nämlich wurde über die Auftrags- und Kapazitäts149 Ebenda, Verlautbarung Speers „An die Führung der Ausschüsse und Ringe", o. D. 150 Archiwum G K B Z H P , Warschau, Proc. Nor. 5 (Flick-Prozeß), Stenogramm, Bd. 30, S. 8844, Vernehmung Speers v. 21. 10. 1947.

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belegung der einzelnen Rüstungsbetriebe, über die Konzentration der Produktion, über die Zuteilung und Einsparung von Arbeitskräften und Material, über Serienfertigung und Rationalisierung entschieden. Die Rüstungsinspektionen (in den Wehrkreisen) und Rüstungskommandos (in den Wehrbezirken) hatten ihre organisatorische Spitze im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt des OKW. Dieses Amt mußte nach Meinung der Kreise um den Munitionsminister wesentliche Kompetenzen abgeben; die vielen tausend dort tätigen Offiziere, „deren Streben und fachliche Eignung", wie Speer sich einmal boshaft äußerte, „auf ganz anderen Gebieten liegen müßte", sollten jenen Kräften weichen, „die in der Initiative des privaten Unternehmens liegen" 1 5 1 : „Die Durchführung umfassender industrieller Aufgaben kann nur von Männern gelenkt werden, die aus der Industrie selbst hervorgegangen sind." 1 5 2 Das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt unter General Thomas wurde schließlich im Mai aufgespalten in ein Rüstungsamt, das dem Munitionsministerium eingegliedert wurde, und in das beim OKW verbleibende Wehrwirtschaftsamt. Ein Erlaß Hitlers vom 7. Mai 1942 1 5 3 legte „für die Dauer des Krieges" diese Spaltung und den Übergang des Rüstungsamts in Speers Kompetenz fest, beließ ihm aber den militärischen Charakter. Diese letzte Bestimmung konnte nur das Gewicht des Munitionsministeriums gegenüber den übrigen Wehrmachtstellen, besonders den Waffenämtern der Wehrmachtteile, erhöhen und förderte das Zusammenwachsen der Machtorgane von Monopolen, ministeriellen und militärischen Dienststellen zu einem einzigen, staatsmonopolistischen Komplex. 1 5 4 Dies war „erst der erste Schritt", so kommentierte Thomas später den Hitler-Erlaß, „zur Verdrängung des Soldaten aus der Rüstungsführung." 1 3 5 Ein halbes J a h r lang leitete Thomas noch beide Teile des ehemaligen Welirwiitschaftsund Rüstungsamtes. Dann mußte er zugunsten der konsequenten Konzentration der Regulierungsgewalt bei der Spitze des Munitionsministeriums den Platz räumen und aus Rüstungsamt und Ministerium ausscheiden. 156 Alle wesentlichen Fragen, die die Rüstungsprogramme und die Waffensysteme der Wehrmacht als Ganzes betrafen, besprach Speer von nun an direkt und ausschließlich mit Hitler und führte meist dessen unmittelbare Entscheidung herbei. Das Rüstungsamt unter Generalleutnant Kurt Waeger behielt die Funktion der Führung der Rüstungsinspektionen und Rüstungskommandos. Diese sogenannte Mittelinstanz des kriegswirtschaftlichen Behördenapparats wurde durch den Hitler-Erlaß aus dem O K W herausampuliert. Sie bildete von nun an den Kern der Mittelinstanz des Munitionsministeriums. Das Rüstungsamt bearbeitete ferner zentral die Arbeitskräftefragen und 1 5 1 B A K o b l e n z , R 3/1550, R e d e S p e e r s v o r R ü s l u n g s i n d u s t r i e l l e n in E s s e n v . 9. 6. 1944 ( K o n zept) . 152 E b e n d a . 153 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 4, 22. 5. 1942, „ E r l a ß des F ü h r e r s über die einheitliche S t e u e r u n g der R ü s t u n g s w i r t s c h a f t " , 7. 5. 1942. 154 Die A u f l ö s u n g des W i R ü A m t e s e r f ä h r t in der bürgerlichen L i t e r a t u r a u s verschiedenen, z. T. in sich widersprüchlichen G r ü n d e n ( E n t l a s t u n g der M i l i t ä r s ; „ E r k l ä r u n g " der t o t a l e n Niederl a g e ; Glorifizierung v o n T o d t b z w . Speer) o f t eine s t a r k ü b e r p r o p o r t i o n i e r t e B e h a n d l u n g , die durch die Q u e l l e n l a g e b e g ü n s t i g t w i r d (s. e t w a Carroll, Berenice A., D e s i g n for T o t a l W a r . A r m s a n d E c o n o m i c s in t h e T h i r d Reich, Den H a a g / P a r i s 1968, S . 232 f f . ; Thomas, S . 307 ff.) 155 Thomas, S . 310. 156 Siehe Chronik des RMfBuM, 1942, B l . 8 8 f f . (92 f.), Oktober 1942 (über V e r h a n d l u n g e n zwischen S p e e r u. T h o m a s ) ; Carroü, S . 2 3 9 f .

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lieferte die Unterlagen, auf deren Grundlage Speer über Einziehungen u n d Arbeitskräftebedarf m i t Hitler und dem Generalbevollmächtigten f ü r den Arbeitseinsatz verhandelte. D a m i t waren, was den Einfluß des OKW auf die Kriegswirtschaft betraf, die Würfel gefallen. Schon im März war auch dem Heereswaffenamt der ihm verbliebene unmittelbare Einfluß auf die Rüstungsproduktion wesentlich beschnitten worden. Nach Verhandlungen m i t Speer unterzeichnete der Chef des Amtes, General Emil Leeb, einen Befehl, nach dem das H W A das Selbstkonstruieren von Waffen u n d Kriegsgerät einzustellen hatte. 1 5 7 Die Konstruktion ging auf die Entwicklungskommissionen bzw. auf Technische Büros der Ausschüsse des Munitionsministeriums über. Binnen wenigen Monaten entstanden neben der Panzerkommission unter Porsche eine Waffenkommission (April) unter Erich Müller (Krupp), eine Munitionskommission (April) unter Albert Wolff (DWM), eine Pulver- und Sprengstoffkommission (Juli) unter Paul Müller (Dynamit Nobel/IG Farben) und eine Nachrichtenmittelkommission (August) unter Karl Küpfmüllcr (Siemens & Ilalske). Dem Heereswaffenamt oblag es nurmehr, den Bedarf und die technischen Anforderungen an Waffen und Gerät beim Munitionsministerium anzumelden und das ferlige Gerät abzunehmen. Als am 30. April 1942 in Parallele zum Industrierat der Luftwaffe ein Industrierat des Oberkommandos des Heeres unter Leitung von General Leeb gebildet wurde, war — anders als bei der Luftwaffe — das Kräfteverhältnis zwischen Offizieren und Repräsentanten des Munitionsministeriums bzw. der Rüstungskonzerne schon zugunsten der letztgenannten entschieden. Man stellte dem HWA rund ein Dutzend der wichtigsten monopolistischen Repräsentanten und Mitarbeiter des Reichsininistoriums für Bewaffnung und Munition als „beratende Unterstützung des Chefs des Heereswaffeuamtes" zur Seite, darunter die Leiter von sechs Hauptausschüssen (Zangen, Rohland, Geilenberg, Tix, Lange und — seit J u l i — Lüschen) und von den drei Entwicklungskommissionen (Erich Müller, Porsche, Wolff), außerdem Albert Vogler, Paul Müller (Dynamit Nobel AG/IG Farben) und Erich Matthias (Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff AG/IG Farben). Rohland fungierte als „geschäftsführender Vorsitzender". 1 5 8 Die Bildung des Industrierats des OKII war ein repräsentatives Trostpflaster für das Heereswaffenanit. Offensichtlich ohne echtc Funktion, war er freilich kein Äquivalent für die dem Amt entrungenen Regul ¡er ungs vollmachten, sondern symbolisierte in seiner Zusammensetzung viel eher die absolute Dominanz der Monopolherren in allen Fragen der Heeresrüslung. „Der Industrierat des O K H sowie auch der Industrierat der Luftwaffe", so hieß es in der Verlautbarung des Munitionsministeriunis über die Bildung des Industrierats des OKH, „haben ihr Arbeitsgebiet je in einem Sektor der Rüstung, während der Rüstungsrat des Reichsministcrs für Bewaffnung und Munition . . . f ü r das Gesamtgebiet der Rüstung zur Verfügung steht". 1 5 9 Der Rüstungsbeirat Todls hatte unter der Leitung von Philipp Keßler gestanden und sich aus den Vorsitzern der damaligen Sonderausschüsse und späteren Hauptausschiisse, aus den Vorsitzern der bezirklichen Rüstungsausschüsse und aus weiteren maßgeblichen Vertretern des Finanzkapitals zusammengesetzt (mit Sicherheit Vogler und Zangen, wahrscheinlich Borbet, Bücher, Poensgen, Fitzner u. a.). Er war ein Gremium 157 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 2, 25. 4. 1912, Befehl Leebs v. 17. 3. 1942. 158 Ebenda, Nr. 5, 9. 6. 1942; teilw. gedr. in Anatomie des Krieges, S. 396, Dok. 205. 159 Ebenda.

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ausschließlich von Monopolrepräsentanten gewesen und hatte, organisiert von der RGI und den in der Fachgemeinschaft Eisen- und Metallindustrie zusammengeschlossenen Wirtschaftsgruppen zeitweise tatsächlich eine Beratungs- und Koordinierungsfunktion wahrgenommen. Das jetzt „Rüstungsrat", mitunter auch „Reichsrüstungsrat" genannte Organ trug dagegen einen ganz anderen Charakter. Unter dem Vorsitz von Speer gehörten ihm im April 1942 die fünf obersten Chefs der Wehrmachtsrüstungsdienststellen — Milch (ObdL), Fromm und Leeb (OKH), Carl Witzell (OKM) und Thomas (OKW) - und acht der prominentesten Rüstungsindustriellen an (Bücher, Keßler, Pleiger, Poensgen, Röchling, Roelinert, Vogler und Zangen). 160 Im Juli wurden außerdem Hans Malzacher (Berghütte-Konzern), Alfried Krupp v. Bohlen und Halbach und William Werner in den Rüstungsrat berufen. 1 6 1 Seit den Zeiten des „Generalrats der deutschen Wirtschaft" (1933) hatte es keine derart offene Herausstellung von führenden Vertretern des Monopolkapitals mehr gegeben. 162 Die Rüstungsgewaltigen hielten es jetzt für notwendig und auch für möglich, aus der bisher recht sorgfällig gewahrten Anonymität herauszutreten. Der Rüstungsrat gehörte eindeutig zum vorherrschenden Typ jener „ R ä t e " in der faschistischen Diktatur, die keine echte Funktion besaßen. In ihm manifestierte sich immerhin die Machtvollkommenheit des Munitionsministers und der hinter ihm stehenden monopolistischen Kräfte. Den Chefs der Wehrmachtsrüstung sollte seine Konstituierung ihre Machteinbuße auf dem Rüstungssektor versüßen und sie zugleich an das neugeschaffene staatsmonopolistische Regulierungssystem binden; nach außen hin wollte man die „Verbindung zwischen Wehrmacht und Wirtschaft" 1 6 3 demonstrieren. General Thomas berichtete, „daß dieser R a t nie geschlossen getagt hat, sondern daß seine Mitglieder nur einzeln vom Minister herangezogen wurden". 164 Ein besonderes beratendes Gremium machte sich inzwischen auch nicht mehr erforderlich. Die Konzerngewalligcn berieten nicht mehr nur die militärischen und zivilen kriegswirtschaftlichen Behörden, sondern saßen im Munitionsministerium und in seinen „Selbstverantwortungs"-Organen überall selbst an den Schalthebeln der Kriegswirtschaft und nahmen mit Staatsvollmacht unmittelbar das Monopolinteresse wahr. Wenn das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition binnen wenigen Wochen und Monaten eine eindeutig führende Position in der kriegswirtschaftlichen Organisation Hitlerdeutschlands erlangte, so war hierfür die außergewöhnlich enge Verbindung zu Hitler einer der größten Aktivposten des Ministers. Speer hatte sich von Anbeginn an von Hitler ständige Fühlungnahme und direkte Zusammenarbeit ausgebeten. Hitler, der im Dezember 1941 den Oberbefehl über das Heer übernommen hatte, besprach die Angelegenheiten der Heeresrüstung und alle anderen dringenden kriegswirtschaftlichen Probleme bis in die Einzelheiten fortan mit Speer. General Thomas gab nach einer Besprechung bei Speer mit den Chefs der Rüstungsämter der drei Wehrmachtteile zu Protokoll: „Führer sieht Speer als sein Hauptorgan, seinen Vertrauensmann für alle Wirtschaftsgebiete an.

160 Ebenda, Nr. 3, 6. 5. 1942, Bekanntm. üb. „Rüstungsrat, Ausschüsse u. Ringe, Kommissionen", o. D. 161 Ebenda, Nr. 7, 20. 7. 1942. 162 D N B veröffentlichte a m 6. 5. 1942 die Nachricht über die Bildung des Rüstungsrates durch den R M f B u M „in diesen T a g e n " (ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19 622). 163 Thomas, S. 316. Die Liste der Mitglieder des Rüstungsrates ist hier unvollständig. 164 Ebenda.

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Speer hat heute allein etwas zu sagen. Er kann Eingriffe in alle Ressorts [vor]nehrnen. Er setzt sich auch jetzt bereits über alle Ressorts hinweg." 1 6 5 Von März bis Mai 1942 konferierte Speer insgesamt an 19 Tagen mit Hitler, also durchschnittlich jeden fünften Tag. Diese sogenannten Führerkonferenzen oder Führerbesprechungen fanden später zwar mit größeren Abständen, aber noch bis in das Jahr 1945 hinein statt. Nach eigener Aussage nahm Speer regelmäßig eine Reihe von „Fachleuten", d. h. vor allem Rüslungsspezialisten aus den großen Konzernen, zu den Besprechungen m i t ; jeweils einige von ihnen wurden zu den verschiedenen Besprechungspunkten in den Beratungsraum gebeten.1®6 Mit ihrer Hilfe veranlaßte er Hitler zu Äußerungen und Entschlüssen, die er, Speer, danach schriftlich festhielt und als „Führelentscheidungen" zur Grundlage seiner eigenen Verfügungen und Erlasse machte. 167 Legte er Hitler Erlasse zur Unterschrift vor, so unterschrieb dieser sie in aller Regel, ohne Umstände zu machen. 168 Die großen Rüstungsmonopole, die den Munitionsminister stützten, fanden so in den Führerbesprechungen eine äußerst wirksame Form, die politische Autorität Hitlers unmittelbar und aufs engste mit ihrer eigenen wirtschaftlichen Macht zu verknüpfen. Die Durchschlagskraft der sich auf diese Weise bildenden staatsmonopolistischen Gruppierung blieb bis in die letzte Periode des Krieges hinein unübertroffen. Die Rüstungsmonopole nutzten die Möglichkeit, über Hitler und Speer auf noch umfassendere Weise engeren „Anschluß an das politische Kraftnetz der Nation" 1 6 9 , wie Zangen es ausdrückte, d. h. an den Machtapparat der faschistischen Partei, zu finden. Der neue Munitionsminister genoß die aktive Unterstützung Bormanns, der beispielsweise am 15. Februar 1942 die Order an die Partei ausgab, die absolute Priorität des Ministers in den Fragen der „Leistungssteigerung" zu respektieren.170 Am 18. Februar verschickte Speer ein noch von Todt entworfenes Schreiben an die Gauleiter. 171 Er hielt am 24. Februar in München vor ihnen eine Rede und erläuterte ihnen sein Programm „der Rüstungsführung und der industriellen Verantwortung". 1 7 2 Mehrere Wochen später sprach er vor den Gauwirtschaftsberatern, den Gauamtsleitern für Technik und den Gauobleuten der DAF ausführlieh über das gleiche Thema. 173 Der regelmäßige Gedankenaustausch des Munitionsministers mit den Gauleitern setzte sich in den kommenden Wochen und Monaten fort. 165 AN W i R ü A m t v. 24. 3. üb. Bespr. am 23. 3. 1942 (PS-1452); z i t . b. Janssen, S. 49. 166 Speer, Erinnerungen, S. 245f. 167 Speers 91 Protokolle über die „Führerbesprechungen" mit insgesamt fast 1 0 0 0 Blatt (vollständig enthalten in ZStA Potsdam, FS, Film 1740 und Film 3399) sind eine wichtige Quelle für die Geschichte des zweiten Weltkrieges (hier zit. als: FB). Ihre bis zur Verfälschung „geraffte" Publikation durch Boelcke (Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg. Hitlers Konferenzen mit Albert Speer 1942—1945. Hrsg. u. eingel. v. Willi A. Boelcke, Frankfurt a. M. 1969) ist für den Forscher ohne Belang. Siehe meine Rez. in ZfG, 8/1970, S. 1082 f f . 168 Ein Beispiel dafür bei Speer, Erinnerungen, S. 222. 169 Radandt, Eine Rede von Wilhelm Zangen, S. 205. 170 Siehe S. 61. — Ende Mai 1942 forderte Bormann die Gauleiter auf, sich für Speers Konzentrations- und Rationalisierungsmaßnahmen einzusetzen und keinen Widerstand mehr gegen die Stillegung von Betrieben zu leisten. „Die Kriegslage bedingt eine Änderung der Haltung der Gauleiter." (ZStA Potsdam, FS, Film 8C30, Rs. Bormanns an die Gauleiter, 29. 5. 1942). 171 Ebenda, Film 2312, Rs. Speers an die Gauleiter am 18. 2. 1942. 172 Nachrichten des RMfliuM, Nr. 1, 31. 3. 1942, Beilage, Rede Speers auf d. Gauleitertagung am 24. 2. 1942. 173 Rede in: B A Koblenz, R 3/1547.

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I n Gestalt der Gauleiter, die in den Gauen einen n i c h t zu unterschätzenden w i r t s c h a f t s politischen E i n f l u ß h a t t e n , v e r b a n d sich eine der wichtigsten innenpolitischen Stützen des Regimes enger m i t der Rüstungsorganisation des Munitionsministeriums. Hierauf legten die Rüstungsmonopole u m so größeren Wert, als die regionale kriegswirtschaftliche Organisation der Rüstungsinspektionen u n d R ü s t u n g s k o m m a n d o s Anfang Mai 1942 ausd e n H ä n d e n des O K W in den Machtbereich des Munitionsministeriums überging u n d d a m i t u n t e r ihren direkten E i n f l u ß geriet. Versuchen der Gauprominenz der faschistischen P a r t e i , sich in kriegswirtschaftliche Fragen einzumischen, die u n m i t t e l b a r die Interessen der R ü s t u n g s k o n z e r n e b e r ü h r t e n , u n d die Befugnisse ihrer „Selbstverantwortungs"-Organisation a n z u t a s t e n , geboten sie allerdings meist erfolgreich Einhalt. E i n besonders plastisches Beispiel h i e r f ü r war das Tauziehen u m die Bildung der Gauwirtschaftskammern. 1 7 4 Seit d e m 1. März 1942 als GB R ü s t im Besitz der Verfügungsgewalt über die A r b e i t s k r ä f t e u n d über die Rohstoffe f ü r die R ü s t u n g , b e m ü h t e sich der Munitionsminisler n u n u m d i e Lösung zweier grundlegender volkswirtschaftlicher Probleme, die von konkurrierenden G r u p p e n innerhalb der herrschenden Klasse seit langem heftig u m s t r i t t e n waren. E s h a n d e l t e sich u m die diktatorische Regulierungsgewalt über alle A r b e i t s k r ä f t e im faschistischen Machtbereich u n d u m die zentrale staatsmonopolistische P l a n u n g der Volksw i r t s c h a f t zugunsten des imperialistischen Raubkrieges. Im März und April 1942 e n t s t a n d e n n a c h den Vorschlägen des Munitionsminislers und m i t U n t e r s t ü t z u n g Hitlers zwei neue I n s t i t u t i o n e n : der „Generalbevollmächtigte f ü r den Arbeilseinsatz" u n d die „Zentrale P l a n u n g " , beides zentrale staatliche Organe, die jene Probleme im Sinne der v o m Munitionsminisler vertretenen kriegswirtschaftlichen Konzeption lösen sollten.

b) Frilz Sauckels

Ernennung

zum, „Generalbevollmächtigten

für den

Arbeitseinsatz"

A m 21. März 1942 bestellte Hitler den Nazigauleiter und Reichsstatthalter von T h ü r i n g e n , F r i t z Sauckel, z u m „Generalbevollmächtigten f ü r den Arbeitseinsatz" (GBA). 1 7 5 Mit Sauckels N a m e n waren f o r t a n d i ; Massendeportalionen ausländischer Bürger aus den faschistisch beselzten Gebieten u n d ihre Zwangsarbeit in der deutschen Kriegswirtschaft eng v e r b u n d e n . Zu den Initiatoren dieser E r n e n n u n g gehörten in erster Linie das O K W , d a s Reichsministerium f ü r B e w a f f n u n g und Munition — schon u n t e r T o d t —, die Organisation des Vierjahresplans u n d das Reichsarbeitsministerium. In Gestalt der Reichsgruppe Industrie, der Reichsvereinigung Kohle und des GB Chemie zogen im H i n t e r g r u n d d i e m ä c h t i g s t e n Monopolorganisationen u n d Rüstungskonzerne die F ä d e n . Am E n d e setzte der Munitionsminister, gestützt auf die f ü h r e n d e n Rüstungsmonopole, im Z u s a m m e n h a n g m i t der u m f a s s e n d e n Konzentration staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt bei seinem Ministerium sein Konzept auch in der Arbeitskräftepolitik weitgehend d u r c h . U n t e r d e m Druck der sowjetischen Offensive v o r Moskau h a t t e sich die A r b e i t s k r ä f l e s i t u a t i o n f ü r die deutschen Imperialisten außerordentlich verschärft. 1 7 6 E n d e Dezember 1941 u n t e r n a h m Generalfcldmarschall Wilhelm Keitel, Chef des O K W , gemeinsam m i t d e m Reichsarbeitsminister einen Vorstoß bei Göring u n d schlug ihm vor, einen „General174 Siehe S . 9 8 f f . 175 RGBl. 1942 I, S. 179, „Erlaß des Führers über einen Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz" v. 21. 3. 1942. 176 Siehe S. 193 ff.

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bevollmächtigten f ü r den Menscheneinsatz" 1 7 7 zu ernennen. Göring s t a t t e t e durch Erlaß v o m 10. J a n u a r 1942 Werner Mansfeld, Ministerialdirektor im Reichsarbeitsministerium •und stellvertretender Leiter der Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz in der Vierjahresplanorganisation, m i t der „uneingeschränkte(n) Vollmacht zur L e n k u n g des gesamten Arbeitseinsatzes u n d zur Verteilung der nach Erfüllung der Wehrersatzforderungen verfügbaren A r b e i t s k r ä f t e " aus. 1 7 8 Allerdings vermied er es, Mansfeld ausdrücklich u n d persönlich zu seinem Generalbevollmächtigten zu ernennen u n d ihn dementsprechend m i t einem nachdrücklichen Weisungsrecht zu versehen. Der Reichsminister f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition, T o d t , der a n den Vorbesprechungen f ü r die B e r u f u n g eines „Menschendiktators" oder „Menschenkommissars" beteiligt war, 1 7 9 h a t t e schon vorher, spätestens Mitte Dezember, einen seiner alten Vertrauten, Generald i r e k t o r P a u l Budin, Vorstandsvorsitzer des Munitionskonzerns H u g o Schneider AG (Hasag) u n d Leiter eines Munitions-Sonderausschusses seit F r ü h j a h r 1940, z u m Sonderb e a u f t r a g t e n f ü r die H e r a n s c h a f f u n g u n d Verteilung sowjetischer Kriegsgefangener u n d ziviler Bürger als Zwangsarbeiter in der deutschen Rüstungsindustrie ernannt. 1 8 0 Die B e r u f u n g Mansfelds, eines altgedienten faschistischen B ü r o k r a t e n , m u ß auch als Abwehr jenes „totalen Führungsanspruch(s)" des Munitionsministeriums „in der gesamten Arbeitseinsatzfrage" 1 8 1 gewertet werden, den die Rüstungsdienststellen der W e h r m a c h t schon seit längerem argwöhnisch registrierten u n d der sich in der W a h l eines Industriellen aus d e m engsten Kreis der u m das Ministerium gescharten R ü s t u n g s k o n z e m e als Leiter des „ S o n d e r a u f t r a g s Russeneinsatz" 1 8 2 deutlich ä u ß e r t e . Die Vollmachten Mansfelds waren, wie sich bald herausstellte, begrenzt. Seine Kompetenzen gegenüber d e m O K W u n d dem Munitionsministerium blieben unklar. Hitler zögerte, sich eindeutig zugunsten eines „Menschendiktators" festzulegen. Einschneidende Veränderungen in der Arbeitskräfte- u n d Sozialpolitik betrafen ein Schlüsselproblem der Kriegführung u n d Kriegswirtschaft u n d griffen zugleich in hochpolitische Bereiche ein. Sie m u ß t e n n i c h t n u r mancherlei Interessen innerhalb der faschistischen Führungsclique verletzen u n d Kompetenzen beschneiden, sondern a u c h e r n s t h a f t e politische Probleme f ü r d i e deutschen Imperialisten hervorrufen. So k u r z die Zeitspanne aber auch bemessen war, in der Mansfeld seine Vollmachten innehatte — sein letzter Bericht an Göring über den „ E i n s a t z von Sowjetrussen" v o m 23. März 1942 1 8 3 fiel bereits in die Amtszeit Sauckels — so leitete seine T ä t i g k e i t doch schon eine b e d e u t e n d e Verschärfung des Zwangsarbeitsregimes des deutschen Imperialismus ein. Albert Speer, der neue Munitionsminister, u n d die ihn stützenden Rüstungsmonopole waren bestrebt, ihre Konzeption der Rationalisierung der Kriegsproduktion und der Zentralisierung der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt m i t Konsequenz auch auf d a s Gebiet der Regulierung des Arbeitskräftepotentials auszudehnen. A m 19. Februar 1942 177 178 179 180

EichhoUz, Vorgeschichte des GBA, S. 375 f., Dok. 3, Keitel an RArbM, 22. 12. 1941. Ebenda, S. 379 f., Dok. 6, Erlaß Görings v. 10. 1. 1942. Hierzu ausführlich EichhoUz, Vorgeschichte des GBA, S. 348ff. Ebenda, S. 353. — Göring hatte der Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz des Vierjahresplanes (Syrup/Mansfeld) schon am 14. November 1941 ebenfalls einen „Sonderauftrag" für den „Russeneinsatz" erteilt (BA Koblenz R 41/281, Bericht Mansfelds v. 13. 12. 1941). 181 ZStA Potsdam, FS, Film 2328, Stellungnahme WiRüAmt (v. Meendsen-Bohlken) zu einem Entwurf Todts f. einen Erlaß über „Arbeitseinsatzfragen", v. 8. 2. 1941. 182 Siehe ebenda, Film 8630, Rs. Budins an die Wehrkreisbeauftragten des RMfBuM, 18. 12. 1941. 183 BA Koblenz, R 41/281.

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hatte Speer eine ausführliche Aussprache mit Hitler — die erste seiner sogenannten Führerbesprechungen. Zentrales Thema dieser Besprechung war die Arbeitskräftesituation. Am gleichen Tage noch erging Hitlers „Schlüsselkräfte-Erlaß". 1 8 4 Die langfristigen Vorstellungen und Forderungen des Munitionsministers und der Rüstungsmonopole waren in einer „Denkschrift über den Arbeitseinsatz" niedergelegt, die Speer mitgebracht hatte, aber erst später, nach einer nochmaligen Überarbeitung, Hitler übergeben wollte: „Denkschrift über den Arbeitseinsatz dem Führer zunächst noch nicht vorgelegt. — Mit neuen Zahlen ergänzen für nächsten Führervortrag." 1 8 5 Diese Denkschrift — der Forschung nicht bekannt — enthielt zweifellos vor allem die Forderung nach umfassenden Vollmachten und nach Konzentration der staatsmonopolistischen Gewalt auf dem Gebiet der Regulierung des Arbeitskräftepotentials unter der Führung und Kontrolle des Munitionsministeriums. Janssen hält es nicht für unwahrscheinlich, daß „Speer im Februar 1942 daran dachte, den Arbeitseinsatz selbst in die Hand zu nehmen". 1 8 6 Der Munitionsminister schlug als Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz (GBA) zuerst den ihm gut bekannten Nazigauleiter von Breslau (Gau Niederschlesien), Karl Hanke, vor. 1 8 7 Nach seinen Aussagen war es Bormann, der zwei Tage später als Kandidaten Sauckel vorschlug; Speer war „mit seiner Wahl einverstanden". 1 8 8 Schon am 9. März erklärte er gegenüber General Thomas nach dessen Aktennotiz: „Gauleiter Sauckel soll Arbeitseinsatzkommissar anstelle von Mansfeld werden, aber außerhalb des Stabes Speer." 1 «» A m 19. März brachte Speer zur „Führerbesprechung" den Entwurf für den Erlaß zur Ernennung des GBA mit. Zum letzten Mal sprach er mit Hitler die Einwände und Ansprüche anderer Stellen durch, die daraufhin endgültig zu den Akten gelegt wurden: „Der Führer mit den von Staatssekretär Neumann beanstandeten Punkten des Erlasses über einen GbA. in allen Punkten einverstanden. Ich habe ihm die Einwände von Neumann vorgetragen, die er alle ablehnt. E r hatte die Absicht, den Erlaß sofort zu zeichnen. Den Führer nochmals auf den Wunsch von Pg. Dr. Ley, den Arbeitseinsatz zu führen, aufmerksam gemacht und ihn gleichzeitig darauf hingewiesen, daß es eine schlechte Konstruktion wäre, wenn dieselbe Organisation, die die Interessen des Arbeiters zu vertreten hat, gleichzeitig auch die oft dagegenlaufenden Interessen des Staates vertritt. Der Führer pflichtet dieser Meinung voll bei und entschied endgültig, daß Gauleiter Sauckel der GbA. sein soll." 1 9 0 Hitler gab dem Munitionsminister damit die nötige Rückendeckung gegenüber den Einwänden Robert Leys und der Vierjahresplanzentrale, die Erich Neumann für Göring und Körner vertrat. Neumanns Einspruch richtete sich gegen eine umfassende Vollmacht für 184 Siehe S . 196 f. 185 F B , 19. 2. 1942, P u n k t 20 (meine Numerierung, da keine in der Quelle). 186 Janssen, S. 6 0 ; dagegen betont Homze, Edward L., Foreign L a b o r in Nazi Germany, Princeton 1967, S. 105f., Speer habe von vornherein als „starke politische Persönlichkeit" und als Stütze innerhalb der Partei für sein kriegswirtschaftliches Konzept einen Gauleiter als G B A vorgeschlagen. 187 IMG, B d . 16, S. 526, Vernehmung Speers, 20. 6. 1946. 188 E b e n d a . 189 Z S t A Potsdam, F S , Film 1758, A N W i R ü A m t üb. Besprechg. zwischen Speer u. T h o m a s v . 9. 3. 1942. — Keinesfalls war die Ernennung Sauckels für Speer „eine vollständige Überraschung" (so Homze, S. 107; desgl. Carroll, S. 241). 190 F B , 19. 3. 1942, P u n k t 11 u. 12.

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den GBA, 1 9 1 die diesen der Kontrolle durch die Vierjahresplanorganisation entziehen mußte, und gegen seine weitgehende direkte Unterordnung unter die Anforderungen der Rüstungsmonopole und ihrer staatlichen Exekutive, des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition. Die Argumente Hitlers und Speers gegen die Ambitionen Leys waren ungeachtet ihrer abgrundtiefen Verlogenheit — eine faschistische Organisation wie die D A F vertrete Arbeiterinteressen! — aufschlußreich hinsichtlich der Absichten und Befürchtungen der Faschisten. Die Einsetzung eines GBA wurde als Politikum hohen Ranges erkannt. Seine Aufgabe sollte außer in der Zwangsrekrutierung ausländischer Arbeitskräfte auch in der vermehrten Ausbeutung deutscher Werktätiger, in ihrer noch tieferen Knechtung durch die Rüstungsmonopole bestehen. Sie sollte auch „die Frage der Frauenarbeit (d. h. der Zwangsverpflichtung von Frauen zur Arbeit in der Rüstung — D. E.), der Rationalisierung der Arbeit usw." 1 9 2 umfassen. Doch gerade in der Zeit ihrer ersten schweren militärischen Niederlage zeigten sich die Faschisten ganz besonders empfindlich und besorgt in bezug auf die Stimmung und Kriegsmoral des Volkes. Wollten sie auch nicht die DAF und insbesondere Ley als Wanderprediger des „Deutschen Sozialismus" unmittelbar mit dem Odium der vorgesehenen Zwangsmaßnahmen belasten, so hielten sie es doch für notwendig, das politische Problem zu lösen, wie die faschistische Skrupellosigkeit und Grausamkeit mit sozialer und chauvinistischer Demagogie zu verquicken und möglichst durch sie zu verschleiern sei. Dies dürfte auch einer der Gründe dafür gewesen sein, einen der als Demagogen versierten Gauleiter für den Posten des GBA zu benennen und ihn nicht unmittelbar in das Munitionsministerium einzugliedern. Auch den Rüstungsgewaltigen paßte die Lösung, einen Gauleiter zu benennen, in jenes Konzept, das darin bestand, den neuen staatsmonopolistischen Kurs besonders auf regionaler Ebene mit Unterstützung der faschistischen Partei durchzusetzen. J e mehr Vollmachten der GBA auf sich vereinigte, desto besser. E s konnte Speer nicht schwerfallen, Hitler klarzumachen, daß die Aufgabe des zu ernennenden Generalbevollmächtigten wirtschafts- und vor allem sozialpolitisch von ungleich höherem Rang und Gewicht war als die anderer Generalbevollmächtigter und daß er, Hitler, daher den Erlaß selbst unterzeichnen müsse. Mit Sauckel wurde einer der ehrgeizigen Faschisten der zweiten Garnitur ausgewählt, ein stiernackiger Emporkömmling und Demagoge voller Brutalität. Als „Stiftungsführer" des „arisierten" Gustloff-Rüstungskonzerns — was in stark verkleinertem Maßstab etwa der Stellung Görings im Reichswerke-Konzern entsprach — und mit guten Verbindungen insbesondere zur Dresdner Bank verfügte Sauckel auch über gewisse industriell-monopolistische Erfahrungen. Enge geschäftliche Beziehungen und intime persönliche Bekanntschaft verbanden ihn mit Walther Schieber, dem Amtschef im Munitionsministerium, und mit Carl Goetz, dem Aufsichtsratsvorsitzer der Dresdner Bank. Als „enger Freund von Bormann" 1 9 3 verdankte er diesem in erster Linie seine Nominierung. Der am 21. März 1942 von Hitler unterzeichnete Erlaß über den G B A wurde jedoch erst einen Monat später, zusammen mit Görings Durchführungsanordnung vom 27. März, 194 veröffentlicht. Damit war eine Kompromißlösung gefunden worden. Göring, der als 191 Z S t A Potsdam, F S , Film 376, A N B f V (Görnnert) üb. Besprechg. mit Sts. Neumann, o. D. (Mitte März 1942). 192 Ebenda, Film 10 804, T B Goebbels, Eintr. v. 13. 3. 1942. 193 Homze, S. 106; s. a. CarroU, S. 241. 194 RGBl. 1942 I, S . 180, AO Görings v . 27. 3. 1942.

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Beauftragter für den Vierjahresplan de jure seit 1936 die oberste Entscheidungsgewalt in allen wirtschaftspolitischen Fragen besaß, wurde durch den Hitler-Erlaß nicht gänzlich übergangen, seine Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz nicht stillschweigend beiseite geschoben. Der GBA wurde ihm wenigstens formell unterstellt. Göring übertrug ihm sämtliche Vollmachten, über die bisher die hierdurch aufgelöste Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz des Vierjahresplanes verfügt hatte, und versah ihn vor allem für sein Aufgabengebiet, die „Beschaffung und Verteilung der Arbeitskräfte (und) Regelung der Arbeitsbedingungen", mit dem vollen Weisungsrecht „an die Obersten Reichsbehörden, ihre nachgeordneten Dienststellen, sowie an die Dienststellen der Partei und ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände, an den Reichsprotektor, den Generalgouverneur, die Militärbefehlshaber und Chefs der Zivilverwaltungen". 193 Bevor die Anordnung unterzeichnet und zusammen mit Hitlers Erlaß im Reichsgesetzblatt vom 21. April 1942 veröffentlicht wurde, hatte der Munitionsminister bei Hitler für den G B A die zusätzliche, außerordentlich weilgehende Befugnis erwirkt, „daß dieser auch in personeller Hinsicht Änderungen im Reichsarbeitsministerium und in den nachgeordneten Stellen durchführen" könne. 196 Speer selbst hielt „personelle Änderungen in großem Umfange" für erforderlich. 197 Nach der Unterzeichnung, aber vor (!) der Veröffentlichung beider Erlasse gab der Munitionsminister in der ersten Nummer seines Ministerialblattes eine Erklärung zur Ernennung Sauckels ab, die den Charakter einer zusätzlichen Durchführungsanordnung für den G B A hatte: „Auf Wunsch des Reichsministers füi Bewaffnung und Munition wurde der Reichsstatthalter und Gauleiter Fritz Sauckel innerhalb des Vierjahresplans zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz' ernannt. Es stehen ihm für diese Tätigkeit umfassende Vollmachten und Weisungsbefugnisse zur Verfügung. E r hat im besonderen den Auftrag erhalten, der Rüstungswirtschaft diejenigen Arbeitskräfte zuzuführen, die a) notwendig sind als Ersatz für die im Laufe der nächsten Monate durch Einziehung verlorengehenden Kräfte und b) darüber hinaus bei den Schwerpunktprogrammen die zweite Schicht voll zu besetzen." 1 9 8 Die weitgehende Unterordnung des GBA unter das Munitionsministerium und die Rüstungsmonopole und seine Abhängigkeit von ihren Arbeitskräfteanforderungen ergaben sich aus der Natur der Sache und blieben stets die Grundlage für ihre gegenseitigen Beziehungen. Sie wurden auch von vornherein ausdrücklich formuliert und von Hitler sanktioniert; Sauckel erinnerte sich Jahre später daran noch genau: „Speer sagte mir einmal in Gegenwart des Führers, daß ich dazu da sei, für Speer zu arbeiten, und daß ich hauptsächlich sein Mann sei; er erwähnte das sehr oft . . , " 1 9 9 Im Prinzip hatte bereits die Vollmacht Görings für den GB Rüst vom 1. März 1942 den Tatbestand dieser Unterordnung fixiert.199® Unhaltbar ist demgegenüber die von bürgerlichen Autoren immer aufs neue strapazierte Legende, Sauckel sei ein Widerpart Speers gewesen, seine Unterordnung unter das Munitionsministerium bzw. unter die Zentrale Planung sei nie gelungen, seine Unfähigkeit 195 196 197 198 199

Ebenda. EichhoÜz, Vorgeschichte des G B A , S. 382, Dok. 8, Speer an Lammers, 23. 3. 1942. Ebenda. Nachrichten des RMfBuM, Nr. 1, 31. 3. 1942. IMG, B d . 3, S. 543, Beweisvortrag des amerik. Anklägers,13. 12.1945 (Beweisstück US-230); ebenda, B d . 32, S. 514, PS-3721, Verhör Sauckels v . 22. 9. 1945 (engl.). 199a Siehe S . 64.

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und „Grausamkeit" 2 0 0 , seine „Unabhängigkeit" und „Selbständigkeit" 2 0 1 gegenüber diesen Institutionen habe eine für den deutschen Imperialismus effektive Zwangsarbeitspolitik und eine reibungslose, wirkungsvolle Zusammenarbeit unmöglich gemacht. Verschwiegen wird, daß Sauckel als Exponent und Werkzeug eines schändlichen Systems staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt handelte, das dem Zweck diente, die Lebensquellen Europas dem deutschen Imperialismus zu unterwerfen und der deutschen Kriegswirtschaft dienstbar zu machen. Es funktionierte nicht zuletzt auch mit Hilfe des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz. Die Versuche, Gegensätze innerhalb dieses Systems, besonders zwischen Speer und Sauckel, zu konstruieren bzw. tatsächliche Konflikte überzubewerten, die erst später, unter dem Druck der Krise des deutschen Imperialismus nach Stalingrad und Kursk, eine gewisse Bedeutung erlangten, verschleiern seinen wahren Charakter.

c) Die Konstituierung

der „Zentralen

Planung"

Die vorläufige Krönung der Bemühungen des Reichsministers für Bewaffnung und Munition und der ihn stützenden Monopolkreise, die gesamte Kriegswirtschaft zentral und aus eigener Machtvollkommenheit zu regulieren, war die Gründung der „Zentralen Planung" im April 1942. Die Einrichtung eines zentralen Planungsorgans war kein von Speer, dem neuen Minister, geborener Gedanke 2 0 2 und kam für die näher Beteiligten keineswegs überraschend. 2 0 3 Todt hatte Ende 1941/Anfang 1942 angesichts des Zusammenbruchs der Blitzkriegsstrategie bereits ein derartiges Organ in Gestalt eines Fünf-Männer-Ausschusses vorgesehen. 204 Walter Rohland bestätigte später diese und weitergehende Vorberei200 Carroll, S. 241. 201 Janssen, S. 62f.; Carroll, S. 132 S. u. 244; Milward, Kriegswirtschaft, S. 75f. u. S. 87f.; ferner Irving, Die Tragödie der Deutschen Luftwaffe, S. 224 u. passim. 202 Das behauptet ernsthaft Boelcke (Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg, S. 93), der damit Janssens Einschätzung übernimmt (Janssen, S. 56). 203 Die Vorgeschichte der Zentralen Planung reicht bis in die ersten Kriegstage zurück. Das Wehrwirtschafts-und Rüstungsamt des OKW (damals noch: Wehrwirtschaftsstab) arbeitete bei Kriegsausbruch das Projekt einer zentralen Planungsstelle aus; doch der Anfang September 1939 vorgelegte „Vorschlag des WiRüAmtes, einen Planungsausschuß für die Reichsverteidigung zu bilden, der eine Abstimmung zwischen den Rüstungsvorhaben der Wehrmacht und den übrigen Vorhaben für die Reichsverteidigung vornehmen sollte" (ZStA Potsdam, F S , Film 5465, Denkschrift WiRüAmt (v. Wolzogen) üb. „Die Tätigkeit des WiRüAmtes bei der Sicherstellung der Munitionsversorgung der Wehrmachtteile von 1938 bis zum Waffenstillstand mit Frankreich", abgeschl. Anfang Juni 1940) scheiterte am Widerstand der Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile und Todts in seiner Eigenschaft als GB Bau (Thomas, S. 170f.). Das Amt beschäftigte sich zu dieser Zeit im gleichen Zusammenhang mit noch weiter reichenden Plänen für die Schaffung eines „Rüstungsministeriums" (ZStA Potsdam, F S , Film 5465, K T B WiRüAmt/Stab, Eintr. v. 9. 5. 1940 üb. Besprechungen mit v. Hanneken u. Posse am 17./18. 9. 1939), dessen Leitung offiziell anscheinend Göring, faktisch aber Thomas übernehmen sollte (s. Thomas, S. 508 ff., Aufzeichnungen von Thomas und Obst. Jansen v. 29. 3. 1940). 204 Todt beabsichtigte schon wenige Wochen nach seiner Ernennung zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition, „alle an der kriegswichtigen Erzeugimg und Fertigung beteiligten Ressorts zu einer Planungsgruppe zusammenzurufen. Aufgabe dieser Planungsgruppe ist es 7

Eichhol tz I I

80 t u n g e n auf d i e „ S c h a f f u n g Leitung.205

Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts einer

Art

Kriegs(wirtschafts-)ministerium"

unter

Todts

E n d e 1941 b e g a n n e n a u c h d i e R ü s t u n g s c h e f s der drei Wehrmachtteile, sich u m eine „ g e m e i n s a m e S t e u e r u n g der R ü s t u n g s a u f t r ä g e " zu b e m ü h e n . 2 0 6 D i e I n i t i a t i v e lag bei Milch, d e m neuernannten Generalluftzeugmeister, der a u c h den Vorsitz dieses „Dreiera u s s c h u s s e s " ü b e r n a h m . 2 0 7 Der A u s s c h u ß berief o f f e n b a r jene entscheidende S i t z u n g v o m 13. F e b r u a r 1942 ein, auf der der neue Munitionsminister den A s p i r a t i o n e n der Wehrm a c h t e n t g e g e n t r a t u n d den B e s c h l u ß durchsetzte, d i e „ G e s a m t p l a n u n g " unter ihm, Speer, zusammenzufassen.208 A m 2. März entwarf S p e e r vor T h o m a s d a s Bild einer zentralen P l a n u n g s o r g a n i s a t i o n , wie sie ihm v o r s c h w e b t e : „ G r ü n d u n g eines kleinen P l a n u n g s a u s s c h u s s e s b e i m R e i c h s m a r s c h a l l , der d i e g e s a m t e Zentralplanung f ü r d i e K r i e g f ü h r u n g ü b e r n i m m t . A l s Vertreter d e r Wehrm a c h t d a b e i Chef W i R ü A m t z u s a m m e n m i t den wichtigsten S t a a t s s e k r e t ä r e n , u m E r n ä h r u n g s p l a n u n g , V e r k e h r s p l a n u n g , Kohle- u n d E n e r g i e p l a n u n g , B a u p l a n u n g usw. fest u n d zentral zu führen. Z u s a m m e n s c h l u ß in der W i r t s c h a f t ähnlich, wie es in der R ü s t u n g s festzustellen, welche Programme vorliegen, welche Rohstoffmengen, welche industriellen Kapazitäten und welche Arbeitskräfte die einzelnen Programme in Anspruch nehmen". (ZStA Potsdam, F S , Film 1783, RMfBuM an WiRüAmt, 19. 4. 1940). Die Planungsgruppe sollte weiter untersuchen, „ob die bisher eingeleitete Planung in der Ausweitung der Industrie durch bauliche und fabrikatorische Anlagen unbedingt notwendig ist und ob die Sicherheit gegeben ist, daß alle diese bereits laufenden Vorbereitungen auch noch für die Kriegführung von Nutzen sind" (ebenda). Entwürfe für den Organisationsaufbau dieses Planungsorgans lagen schon vor. E s sollte einen „Arbeitsstab der Planungsgruppe" und fünf Arbeitsgruppen geben. Der Arbeitsstab oder Planungs-„Chefausschuß" (nicht unähnlich dem Generalrat des Vierjahresplanes und offenbar in Konkurrenz zu diesem) existierte tatsächlich eine Weile (s. ebenda, Verfg. Chef WiRüAmt, 30. 4. 1940), scheiterte aber, nach Ludwig, an der „Unmöglichkeit einer Rüstungsplanung unter Blitzkriegsbedingungen" ( Ludwig , Technik, S . 359f.). Die Idee, ein Planungsorgan auf fünf Arbeitsgruppen aufzubauen, kehrte schließlich Ende 1941 in dem erwähnten Fünf-Männer-Ausschuß wieder. Am 22. November 1941 signalisierte das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt eine für seine eigene Position bedrohliche Entwicklung: „ E r (Todt— D. E.) hat die Absicht, einen Ausschuß von fünf Vertretern der Wehrmachtsprogramme Panzer, Luftwaffe, Munition, Chemie und U-Boote zusammenzuberufen, der zu allen Fragen auf dem Gebiet des Rohstoffes, der Produktionsmittel, der Arbeitskraftverteilung usw. entscheidend Stellung nehmen soll. Aus den Ausführungen von Herrn Sauer (d. i. Karl-Otto Säur — D. E.) konnte entnommen werden, daß damit die gesamte Planung der Rüstungswirtschaft von dieser Stelle aus gesteuert werden soll. E s erscheint zum mindesten erforderlich, daß erreicht wird, daß zu diesem Ausschuß, dem die Herren Roland (statt: Rohland — D. E.), Werner, Burger, Blohm und ein Vertreter der Chemiewirtschaft angehören werden, auch das W i R ü A m t hinzugezogen wird. Die erste Sitzung des Ausschusses soll bereits in der kommenden Woche stattfinden. Als erste Aufgabe soll voraussichtlich der Ausschuß die Engpässe feststellen und eine neue Form der Dringlichkeitsfestsetzung suchen." (ZStA Potsdam, F S , Film 2325, AN WiRüAmt v. 22. 11. 1941; der Name Burger ist möglicherweise durch Hörfehler aus Purucker entstanden (Georg Purucker, Direktor im FlickKonzern; Munitionsfachmann). 205 Milward, Kriegswirtschaft, S. 66. 206 Janssen, S. 38. — Janssens Darstellung ist allerdings mit Vorbehalt zu folgen, da er sich auf weite Strecken nur auf persönliche „Mitteilungen" Milchs stützt. 207 Ebenda. 208 Siehe S. 60 f.

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Wirtschaft schon gehandhabt wird, zu Ausschüssen, in denen die Führung der hauptsächlichsten Wirtschaftsgebiete stattfindet, wie Verkehrsausschuß, Ernährungsausschuß. In diesen Ausschüssen soll auch die Planung stattfinden für die einzelnen Gebiete, die dann im Zentralplanungsausschuß zusammengestellt und beraten werden. In der Rüstungsplanung müßte selbstverständlich das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt führend beteiligt sein." 2 0 0 Diese Organisation mit einer behördlichen Zentrale, eingerichtet nach dem Muster des Wirtschaftsführungsstabes oder auch des Generalrats des Vierjahresplans 2 1 0 und mit einer Reihe von Ausschüssen aus der Wirtschaft selbst, deren Leitung in der Regel in den Händen führender Monopolvertreter gelegen hätte, nahm sich ebenso umfassend wie umständlich und traditionell-bürokratisch aus. Der Munitionsminister soll bereits am nächsten Tage, dem 3. März, Göring vor die vollendete Tatsache gestellt haben, daß Hitler ihn mit der Rildung einer zentralen Planungsstelle beauftragt habe; in seiner Regleitung sollen sich Milch, Schieber und Krauch befunden haben. 2 1 1 Dies wäre ein wichtiges Indiz dafür, daß Krauch an der Entstehung der Zentralen Planung maßgeblich beteiligt war. In ihr entscheidendes Stadium traten die Verhandlungen um die Zentrale Planung erst im Laufe des März und Anfang April. Die Kernfrage für den Munitionsminister und die Rüstungsmonopole war, ob die Zentrale Planung ausreichende Regulierungsgewalt über die wichtigsten Produktionsbedingungen für die Rüstungsindustrie und für die gesamte übrige Wirtschaft erlangen würde, nämlich über die Verteilung der Arbeitskräfte und über die Rewirtschaftung der Grundstoffe, in erster Linie Kohle und Eisen bzw. Stahl. Der neu ernannte GRA bot ihnen die Gewähr, daß er ohne Skrupel den Forderungen der Rüstungskonzerne nach Arbeitskräften nachkommen und sich eng an die Vorgaben der Zentralen Planung für ihre Rcschaffung und Verteilung halten würde. Die Rewirtschaftung von Kohle und Eisen lag formell in Händen des Reichswirtschaftsministeriums. Die Kohlomagnaten regierten allerdings in der Reichsvereinigung Kohle seit einem J a h r die Geschicke ihres Industriezweiges selbst. Daß es noch fast zwei Monate dauerte, ehe die Zentrale Planung zu ihrer ersten Sitzung zusammentrat, lag nicht zuletzt an den Schwierigkeiten, die sie hatte, den Widerstand gegen eine zentrale, durchgreifende Regulierung der Eisen- und Stahlproduktion zu beseitigen. Dieser Widerstand ging vom Reichswirtschaftsministerium und von verschiedenen Vertretern der Stahlkonzerne aus. Erst als es den Kreisen um den Munitionsminister gelang, die „Rewirtschaftungs"grundlagen für Eisen und Stahl ihren Zwecken anzupassen und in Gestalt der Reichs Vereinigung Eisen eine neue institutionelle Form der Regulierung durch die großen Monopole selbst zu schaffen, konnte die Zentrale Planung mit dem „Schlüsselrohstoff" Eisen die Produktion aller Zweige der Rüstungsund Produktionsmittelindustrie direkt steuern. Am 2. April holten Speer und Milch im Reisein von Krauch, Pleiger und Schieber die endgültige Zustimmung Görings zu ihrem inzwischen stark überarbeiteten Konzept für die Zentrale Planung ein. 2 1 2 Das „Zentrale Planungsamt beim Vierjahresplan" werde, so 209 Thomas, S . 536, A N T h o m a s ' v. 3. 3. 1942 ü b . B e s p r e c h g . m i t S p e e r a m 2. 3. 1942. 210 Z u m W i r t s c h a f t s f ü h r u n g s s t a b s. Band I , S . 234 f f . ; z u m G e n e r a l r a t des V. s. Petzina, A u t a r k i e politik, S . 5 8 f . u. S . 134 f f . ; Eichholtz, Z u m Anteil des I G - F a r b e n - K o n z e r n s . . ., S . 8 9 f . 2 1 1 Janssen, S . 57. — Q u e l l e ( „ M i t t e i l u n g " Milchs an J . ) u n d D a r s t e l l u n g s i n d nicht u n b e d i n g t verläßlich. 2 1 2 Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 8398, A N R M f B u M ü b . B e s p r e c h g . b. Göring a m 2. 4. 1942, v . 9. 4. 1942. 7*

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tragen beide vor, „in einer Zusammenfassung für die ganze Wirtschaft die notwendige Abklärung der Forderungen mit den tatsächlichen Möglichkeiten durchzuführen" haben, zu diesem Zwecke „auch die Rohstoffplanung und Zuteilung insgesamt . . ., und zwar insbesondere für Eisen und Metalle . . . Zu den Aufgaben der Zentralplanung gehört vor allem auch der Ausgleich der Interessen bei Neuplanungen zwischen Rüstung, Chemie und Transport." Göring erklärte, er sei „voll einverstanden", und beauftragte Speer, Milch und Staatssekretär Körner — als Vertreter und Verbindungsmann Görings selbst — mit der Leitung der Zentralen Planung. 2 1 3 Am 3. April hielt Göring Hitler Vortrag und beantragte, der Zentralen Planung „die gesamte Rohstoffverteilung mit Ausnahme von a) Kohle, b) Treibstoff, c) B u n a " 2 1 4 zu überlassen. Er hoffte offensichtlich, durch Milch und Körner die Kontrolle über die Zentrale Planung ausüben und zugleich ihren gesamtwirtschaftlichen Einfluß beschränken zu können, vor allem durch die Herausnahme des Bereichs des G B Chemie. A m 4. April fielen die wichtigsten Vorentscheidungen. Hitler erklärte sich auf die Vorstellungen des Munitionsministers hin „mit der Gründung eines Zentralen Planungsamtes einverstanden und ebenso [damit], daß neben mir (d. i. Speer — D. E . ) dieses Zentrale Planungsamt von Generalfeldmarschall Milch mitgeleitet wird". 2 1 5 Speer wies Hitler sogleich auf eine der Hauptvoraussetzungen für die Arbeit der Zentralen Planung hin, nämlich darauf, „daß die Rohstoffzuteilung von diesem Zentralen Planungsamt vorgenommen wird, da der Wirtschaftsminister zu sehr für seine Interessen und weniger um die der Kriegswirtschaft besorgt ist, während jetzt durch die Steigerung der Munitionsund Waffenfertigung eine wesentliche Verlagerung zugunsten der Rüstungswirtschaft vorgenommen werden muß. — Der Führer ist derselben Meinung." 2 1 6 Mit welcher geschickten Taktik der Munitionsminister bei diesem neuralgischen Punkt vorging, der von geradezu entscheidender Bedeutung für die gesamte Reorganisation des staatsmonopolistischen Regulieiungsmechanismus in der Kriegswirtschaft war, zeigte sich auch gegen Ende der „Führerbesprechung". Speer lenkte Hitler auf das Thema der Eisenkontingentierung und bewog ihn bei dieser Gelegenheit zu der ausdrücklichen Zusage, „daß diese Verteilung (des Eisens — D. E.) von der Zentralen Planungsstelle im Vierjahresplan vorgenommen wird". 2 1 7 Am 22. April 1942 unterzeichnete Göring den von Speer entworfenen „Erlaß des Reichsmarschalls des Großdeutschen Reiches über Errichtung einer 'Zentralen Planung' im Vierjahresplan", 2 1 8 nachdem der Munitionsminister erfolgreich die Versuche des O K W und des OKM abgewehrt hatte, in der neuen Institution Mitspracherecht und Mitgliedschaft zu erlangen. Der Erlaß übertrug der Zentralen Planung: ,,a) die Entscheidung über die Notwendigkeit der Durchführung von Neuplanungen oder Weiterführung vorhandener Planungen, 213 214 215 216 217 218

Ebenda. Abweichend Janssen, S. 57. ZStA Potsdam, F S , Film 376, AN f. Göring z. Vortrag b. Hitler, v. 3. 4. 1942. FB, 4. 4. 1942, Punkt 44. Ebenda. Ebenda, Punkt 56. Nachrichten des RMfBuM, Nr. 2, 25. 4. 1942. — Hitler erwähnte die Zentrale Planung schon in seinem Erlaß vom 14. 4. 1942 über das Infanterie- und das Lokomotivenprogramm als existent: Die Zuteilung des Eisens usw. für diese Programme erfolge, so hieß es dort, „durch die Dienststelle 'Zentrale Planung' im Vierjahresplan" (ZStA Potsdam, F S , Film 4788).

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b) die Entscheidung über die Schaffung neuer oder den Ausbau vorhandener Rohstofferzeugungsstätten. c) die Verteilung der vorhandenen Rohstoffe, insbesondere von Eisen und Metallen, auf alle Bedarfsträger, d) den Einsatz der Kohle und der Energie in der Fertigung, e) die Abstimmung der Forderungen der Gesamtwirtschaft an das Transportwesen." 219 Die drei Mitglieder — Speer, Milch und Körner — trafen ihre Entscheidungen gemeinsam. Der Munitionsminister hatte stets die maßgebliche Stimme, und die Leitung lag, wenn auch nicht ausdrücklich fixiert, eindeutig in seinen Händen. Körner spielte in den Beratungen kaum eine Rolle. Er hielt aber die formelle Verbindung zu Göring aufrecht, der an der Arbeit der Zentralen Planung nicht mehr selbst beteiligt war, und übernahm es verschiedentlich, den GB Chemie über behandelte Fragen zu informieren. An den Sitzungen nahmen ständig hohe Beamte und Experten des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition, des Reichswirtschaftsministeriums und der Vierjahresplanorganisation teil, ferner als Gäste, je nach Thematik, die Leiter und maßgeblichen Mitarbeiter der RVE und RVK sowie der Hauptausschüsse und Ringe, andere führende Monopolvertreter, Vertreter der Wehrmacht, der GB Chemie und der GBA mit ihren leitenden Mitarbeitern. Die Beratungen waren meist langwierig und die Diskussionen heftig, da es um die Rohstoffkontingente und um die Zuteilung von Arbeitskräften für die verschiedenen Zweige und Bereiche der Volkswirtschaft ging. Die „Führung der Zentralen Planung" bezeichnete Speer selbst als „die wichtigste kriegswirtschaftliche Aufgabe überhaupt". 220 Unter der Firmierung des GB Rüst und der Zentralen Planung waren nunmehr alle wesentlichen Vollmachten auf dem Gebiet der Rüstung, die bisher Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan innehatte, auf Speer übergegangen. 221 Die erste Sitzung der Zentralen Planung fand am 27. April 1942, die letzte (62.) Sitzung am 5. Dezember 1944 statt. Hauptdiskussionspunkte der Sitzungen waren die die die die

Bewirtschaftung von Eisen und Stahl — Bewirtschaftung von Fe-Legierungs- und NE-Metallen — Kohlebewirtschaftung — Beschaffung und Verteilung von Arbeitskräften —

auf auf auf auf

rund 30 Sitzungen, 10 Sitzungen, 11 Sitzungen, 8 Sitzungen.

Einige Male beschäftigte sich die Zentrale Planung speziell mit Fragen der Treibstoff-, Stickstoff-, Kautschuk- und Maschinenproduktion, der Energieversorgung, der Ernährung, der Bauwirtschaft, des Verkehrs und der Forstwirtschaft. Die enge Verflochtenheit der grundlegenden volkswirtschaftlichen Probleme, über die die Zentrale Planung „ein219 E b e n d a (Nachrichten des RMfBuM); fehlerhaft zit. bei Janssen, S . 58. 220 B A Koblenz, R 3/1547, Rede Speers vor den Gauwirtschaftsberatern, Gauamtsleitern für Technik und Gauobleuten der D A F , 18. 4. 1942. 221 Die ursprüngliche Vierjahresplanorganisation, als deren oberster Repräsentant — nach Göring — Körner bisher fungierte, war mit der Bildung der Zentralen Planung endgültig begraben. D a s registrierten die Hauptbeteiligten, Göring und Körner, selber wenige Monate später: „ 1 . Frage der Vertretung des B e a u f t r a g t e n für den Vierjahresplan; kein Vertreter, sondern die Zentrale Planung ist die Vertretung. 2. Vierjahresplandienststellen loslösen vom Preuß. Staatsministerium. Sie sind nachgeordnete Dienststellen der Zentralen Planung." (ZStA Potsdam, F S , Film 376, A N f. Besprechg. Görings mit Körner, 30. 7. 1942).

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deutige E n t s c h e i d u n g e n " 2 2 2 t r a f , brachte es ferner m i t sich, d a ß beispielsweise auf jeder der Kohle- u n d Eisensitzungen die den Kohlenbergbau bzw. die Stahlindustrie betreffenden Fragen der Arbeitskräfte, des Verkehrs, der Versorgung m i t Maschinen, m i t Energie usw. sowie die Auswirkungen von Kontingentsänderungen auf andere Rüstungsprogrammo u n d Produktionsgebiete eine wesentliche Rolle spielten.

„Neuordnung

der

Eisenbewirtschaftung"

Die Schlüsselvollmacht der Zentralen Planung lag in der Verteilung von Eisen u n d Stahl, die vom GB f ü r d i e Eisen- u n d Stahlbewirtschaftung auf sie überging. Auf Speers Veranlassung b e a u f t r a g t e F u n k a m 22. April 1942, gleichzeitig m i t Görings Erlaß über die Zentrale Planung, den „Generalreferenten" seines Ministeriums, Hans Kehrl, „ m i t der zentralen Ausarbeitung der Neuordnung des gesamten Rohstoffkontingentierungs- u n d Bewirtschaftungssystems". 2 2 3 Kehrl ließ in den folgenden Wochen eine umfängliche B e s t a n d s a u f n a h m e der vorhandenen bzw. verteilten Kontingentmengen machen und schlug vor, alle bisher laufenden Kontingente zu annullieren. J e nach Entscheidung ü b e r die Kontingentzuweisung d u r c h die Zentrale P l a n u n g , die z u k ü n f t i g m i t der Reichsvereinigung Eisen die Plan- u n d P r o d u k t i o n s d a t e n absprechen u n d kontrollieren, die Rohstofforderungen der W e h r m a c h t u n d der anderen K o n t i n g e n t s t r ä g e r a b e r gründlich prüfen u n d in eigener Vollmacht ü b e r sie beschließen sollte, h a t t e die Reichsstelle f ü r Eisen u n d Stahl sogenannte Eisenscheine, ü b e r t r a g b a r e Eisenschecks u n d Eisenmarken auszugeben. Mitte J u n i , u n m i t t e l b a r nach G r ü n d u n g der R V E , wurde das neue System eingeführt. 2 2 4 Es v e r s c h a f f t e den eisenverarbeitenden Betrieben, in erster Linie also den Rüstungskonzernen, eine „größere Dispositionsfreiheit", 2 2 5 da die Eisenkontingente u n b e s c h r ä n k t gültig waren u n d n a c h eigenem Ermessen an Unterlieferanten weitergegeben werden konnten. Allerdings h a t t e Speer schon frühzeitig einen H i t l e r - E r l a ß 2 2 6 erwirkt, der denjenigen U n t e r n e h m e r n schärfste S t r a f e n a n d r o h t e , die falsche Angaben ü b e r ihren Materialbedarf m a c h t e n u n d Material h o r t e t e n . Das System k o n n t e ferner n u r funktionieren, wenn die Zentrale P l a n u n g tatsächlich n i c h t mehr an Berechtigungsscheinen ausgeben ließ, als Eisen u n d S t a h l p r o d u z i e r t w u r d e n . Hinter dieser radikalen Reorganisation stand die geballte K r a f t der deutschen Rüstungskonzerne, deren R ü c k h a l t s sich Speer versichert h a t t e . Schon seit März 1942 arbeitete ein von ihm zusammengerufener „Ausschuß f ü r Kontingentierungsfragen u n d Verwertung 222 Ebenda, Fall XI, Nr. 411, Dok. R-124, Ergebnisprotokoll der 1. Sitzung der Zentralen Planung v. 27. 4. 1942. Im folgenden wird der in der angegebenen Akten-Nr. vorhandene vollständige Bestand der Ergebnisprotokolle als ZP-E zitiert, derjenige der Stenographischen Protokolle (ebenda, Nr. 412 und 413) als ZP-P; von letztgenannten sind wenige ausgewählte, aber wichtige Teile gedr. in IMG, Bd. 38. 223 AO Funks, zit. nach Kehrl, S. 254. 224 Siehe Nachrichten des RMfBuM, Nr. 6, 25. 6. 1942, Erlasse d. RMfBuM u. d. RWiM v. 11. 6. 1942; DRA, Nr. 136, 13. 6. 1942, AO I der Reichsstelle f. Eisen u. Stahl (Neuordnung der Eisenbewirtschaftung) u. a. AO, alle vom 13. 6. 1942. 225 Janssen, S. 71. 226 RGBl. 19421, S. 165, „Verordnung des Führers zum Schutze der Rüstungswirtschaft" v. 21. 3. 1942.

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der Lagerbestände" unter Albert Vogler, dem Hellmuth Roehnert (Rheinmetall-Borsig/ Reichswerke-Konzern), Arthur Tix, Karl M. Hettlage u n d Alfred Stellwaag angehörten. 2 2 7 Nach Kehrls Zeugnis wurde eine durchgreifende Neuorganisation angesichts der chaotischen Zustände auf dem Rohstoffgebiet, besonders der inflatorischen Entwicklung der Eisenkontingente, auch in einer Denkschrift gefordert, die „von Herren der Firma Siemens unter Mitarbeit einiger anderer Unternehmen verfaßt und Hitler unter Umgehung des Geschäftsganges im März 1942 unmittelbar vorgelegt" worden war. 2 2 8 Die Stahlindustrie begutachtete schließlich die Neuregelung, und Vogler persönlich billigte sie Kehrl und Speer gegenüber. 229 Die Vereinigten Stahlwerke, Siemens u n d andere Konzerne stellten Kehrl Fachleute zur Verfügung, etwa Willy H. Schlieker, 230 der auch späterhin in der Zentralen Planung tätig blieb. Eine ähnliche Regulierung der Verteilung setzten die Monopole bei den NE-Metallen durch. 2 3 1 Die Zentrale Planung übernahm schließlich nur die Regulierung der Verteilung einiger Grundstoffe und allgemeiner Produktionsbedingungen (Verkehr, Energie, Arbeitskräfte), nicht dagegen die der Produktion selber. Sie h a t t e auch nicht unmittelbar die Möglichkeit, die Hebel der Finanzierung und Kreditierung einzusetzen, um ihre regulierenden Eingriffe und Planungsmaßnahmen finanziell zu sichern und zu stimulieren. Dennoch war mit der „Verteilung der Kraftquellen" 2 3 2 durch die Zentrale Planung eine neue Stufe staatsmonopolistischer Regulierung u n d Planung erreicht. Die Maßnahmen und Richtlinien des neuen Regulierungsorgans betrafen zwar unmittelbar jeweils nur einzelne Industriezweige, besonders in der Grundstoffindustrie. Aber allein schon die Bilanzierung des gesamten Aufkommens an Eisen und Stahl und die Kontrolle über die Verwendung dieses „Schlüssel-" oder „Leitrohstoffs" hatten regulierende Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft. Da sich auch der direkte Einfluß des Munitionsministers, der die Zentrale Planung faktisch leitete, über das System der. Ausschüsse u n d Ringe zu dieser Zeit schon auf einen maßgeblichen und noch wachsenden Bereich der industriellen Produktion erstreckte, konnte man nun bereits von einem ausgedehnten System staatsmonopolistischer Planung mit gesamtvolkswirtschaftlichen Maßstäben und Auswirkungen sprechen. Charakteristisch f ü r diese Planung war ihre ausgeprägte imperialistische Klassenfunktion. Die herrschenden Kreise im faschistischen Deutschland, voran die Rüstungsmagnaten und Finanzoligarchen, schwer getroffen von der Niederlage vor Moskau, schufen u n t e r Ausschluß nicht nur des werktätigen Volkes, sondern auch des überwiegenden Teils der Bourgeoisie, ihr neues System der Planung und Regulierung als das — m i t Lenin zu sprechen — „,letzte Wort' moderner großkapitalistischer Technik u n d planmäßiger 227 228 229 230

Nachrichten des RMfBuM, Nr. 1, 31. 3. 1942, Verlautbarung o. D. Kehrl, S. 253. Ebenda, S. 254 ff. Ebenda, S. 255. — Ein vom Siemens-Konzern entsandter Fachmann, Karl Müller-Zimmermann, wurde zum (komm.) Leiter der am 27. 7. 1942 durch Zusammenlegung der Reichsstellen für Eisen und Stahl und für Metalle gebildeten „Reichsstelle Eisen und Metalle" bestellt (ebenda, S. 257 u. S. 457). 231 Thomas, S. 366f.; Kehrl, S. 258. 232 BA Koblenz, R 3/1547, Rede Speers vor den Gauwirtschaftsberatern, Gauamtsleitern für Technik und Gauobleuten der DAF, 18. 4. 1942.

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Organisation". 233 Es diente ihnen zu dem ausschließlichen Zweck, die Kriegsproduktion zu vervielfachen, ihren barbarischen Krieg fortzusetzen, die sozialistische Sowjetunion zu vernichten und ihre weltweilen Eroberungs- und Expansionsziele zu erreichen.

d) Die Bildung der Reichsvereinigung Eisen Die Reichsvereinigung Eisen, nach dem Muster der Reichsvereinigung Kohle 234 ins Leben gerufen, konstituierte sich am 29. Mai 1942, über einen Monat später als die Zentrale Planung. Die Bildung der RVE war jedoch eine der wichtigsten Voraussetzungen, deren die Zentrale Planung für ihr Funktionieren bedurfte. Sie kam auch nicht ohne den unterstützenden Druck der Zentralen Planung zustande, auf deren erster Sitzung am 27. April beschlossen wurde: „Die eisenschaffende Industrie wird in einer Reichsvereinigung Eisen zusammengefaßt. Sie soll alsbald gebildet und schnellstens aktionsfähig werden. Auf die Einrichtung eines interimistischen Zwischenorgans (Planungsgruppe Eisen) wird deshalb verzichtet." 2 3 5 Die Vorgeschichte der RVE reichte zurück in das J a h r 1941. Zweifellos lag damals eine Parallelgründung zur RVK nahe. 236 Doch während es die Ruhrkonzerne, die fest im Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat organisiert waren, in Anbetracht ihrer dominierenden Stellung und des Übergewichts ihres Kohlensyndikats in der deutschen Kohlenwirtschaft relativ leicht hatten, die übrigen Kohleproduzenten zu majorisieren und unter ihrer Führung zwangsweise in der RVK zusammenzuschließen, lagen die Verhältnisse in der Eisen- und Stahlindustrie komplizierter. Produktionsstruktur und Konkurrenzverhältnisse hatten wesentlich verwickeitere Kartellverflechtungen hervorgerufen und die Industrie nicht nur, wie die Kohleindustrie, in zwei, sondern in mehrere Reviere aufgespalten, die jeweils von einer Bezirksgruppe der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie betreut wurden. Absolut dominierte die Bezirksgruppe Nordwest, die die Ruhrkonzerne vereinigte. Daneben regierten die Konzerne Oberhütten-Ballestrem und Berghütte in der Bezirksgruppe Oberschlesien, Flick in der Bezirksgruppe Mitteldeutschland und Hermann Röchling in der Bezirksgruppe Südwest. Die sehr unterschiedlichen, vielfach konkurrie233 Lenin, W. / . , Über „linke" Kinderei und über Kleinbürgerlichkeit (1918), in derselbe, Werke, Bd. 27, Berlin 1960, S. 332. — Die Überlegenheit der sozialistischen Planwirtschaft auch i m Kriege, die sich unter schwierigsten Umständen schon 1941/42 bewährte, blieb nicht ohne jegliche Wirkung auf die faschistischen Planer. Ende 1942 arbeitete man in Kehrls Büro, offenbar im Auftrag der Zentralen Planung, einen Fragenkatalog für den Reichsforschungsrat aus, in dem es hieß: „4. Organisation der sowjetischen Rüstungsindustrie. Wie erklärt sich die verhältnismäßig große Produktionsleistung der sowjetischen Rüstungsindustrie? Welche Methoden ihrer Organisation, ihrer Produktionsplanung und ihrer Verlagerung sind in Anwendung?" (BA Koblenz, R 3/1943, A N betr. „Themen, die i m Brief an den Reichsforschungsrat zu nennen sind", 25. 11. 1942). 234 Siehe Band I, S. 132 ff. 235 ZP-E, 27. 4. 1942, 1. Sitzung. — Dieser Beschluß fiel eigentlich in die alleinige Kompetenz des Reichswirtschaftsministers; daß die Zentrale Planung ihn faßte, war ein Zeichen dafür, wie stark sich die Machtverhältnisse in der Kriegswirtschaft zugunsten der Zentralen Planung und damit des Munitionsministers verschoben hatten. 236 Kehrls Behauptung, eine solche Gründung sei, von Röchling, Funk und anderen betrieben, schon vor Speers Ernennung zum Minister „weit gediehen", ist allerdings ganz unglaubwürdig (Kehrl, S. 263).

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renden Interessen der Stahlkonzerne in den annektierten und besetzten Gebieten — eine wesentliche Ursache z. B . für die Sonderstellung des Reichswerke-Konzerns — waren ebenfalls einem Zusammenschluß nicht förderlich. Bisher hatte der „Kleine Kreis" der Ruhrmontankonzerne, auch „Siebenerkreis" genannt, als „Rat der Götter" von Eisen und Stahl und als inoffizielles Präsidium der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie die Geschicke des Industriezweigs gelenkt. 237 In diesem Kreis dominierten die Vereinigten Stahlwerke durch ihren Vorstandsvositzer Ernst Poensgen, den Leiter der Wirtschaftsgruppe und Wortführer des Kreises. Der HermannGöring-Konzern, die oberschlesische und die Saarmetallurgie waren nicht im Kleinen Kreis vertreten. Die straffe Zwangsregulierung von Produktion und Verteilung durch eine Reichsvereinigung gefährdete, so schien es Ruhrmagnaten wie Poensgen, den Zusammenhalt der Ruhrkonzerne und ließ ein Überhandnehmen des Einflusses der Konkurrenten, besonders der Reichswerke „Hermann Göring", befürchten. Damit konnte die unangefochtene Vorherrschaft der Ruhrkonzerne unter Führung der Vereinigten Stahlwerke in Gefahr geraten. In der zweiten Aprilhälfte des Jahres 1942 entschieden sich die hinter dem Munitionsminister stehenden Kreise für die Bildung einer Reichsvereinigung. Am 19./20. April schlug Speer Hitler noch „eine Beauftragung innerhalb des Vierjahresplanes zur Erhöhung der Eisenproduktion" vor, ähnlich der von v. Hanneken bisher innegehabten, aber unter der Ägide der Zentralen Planung; es sollte hierfür ein „Wirtschaftsfachmann" vorgesehen werden. „ E r hält", so notierte Speer nach der Unterredung mit Hitler, „meinen Vorschlag Vogler für annehmbar, glaubt jedoch, daß Röchling die Aufgabe noch besser durchführen würde. Überläßt Entscheidung uns." 2 3 8 Mit Vogler schlug Speer den unbestrittenen Führer und Sprecher des deutschen Finanzkapitals vor — ein Beweis für die Wichtigkeit, die die herrschenden Kreise der Frage beimaßen. Speer, Vogler, Röchling und Funk entschlossen sich offenbar kurz darauf doch dazu, eine Reichsvereinigung nach dem Vorbild der R V K innerhalb des Aufsichlsbereichs des Reichswirtschaftsministeriums, also unter formeller Wahrung der Kompetenzen Funks, zu gründen. Wenige Tage später erhielt Poensgen von v. Hanneken Entwürfe eines Gründungserlasses und einer Satzung für die R V E , datiert vom 24. April. 239 Am 27. April forderte die Zentrale Planung ein beschleunigtes Vorgehen und schlug Röchling als Vorsitzer der R V E vor. 240 Der Hinweis darauf, daß man vorgehabt hätte, eine behördliche „Planungsgruppe Eisen" zu schaffen, verlieh ihrer Forderung den gehörigen Nachdruck. 241 Am 30. April reichte Röchling dem Munitionsminister eine Denkschrift über die Lage in der Eisen- und Stahlindustrie und insbesondere über die „Möglichkeit einer Erhöhung der Eisenproduktion um 5 Prozent gegenüber der bisherigen ohne zusätzliche Kohle und ohne zusätzliche Transportmittel" ein. 242 Eine Woche später waren die Würfel gefallen. Der Munitionsminister berichtete Hitler am 6-/7. Mai „kurz über die geplante .Reichsvereinigung Eisen und S t a h l ' " und ließ sich 237 238 239 240

Band I, S. 52. FB, 19.-20. 4. 1942, Punkt 14. BA Koblenz, R 13 XX/162, v. Hanneken an Poensgen, 25. 4. 1942. ZP-E, 27. 4. 1942, 1. Sitzung. — Mit der Wahl Röchlings statt Voglers vermied man, daß das Übergewicht der Ruhrkonzerne auch optisch zu stark hervortrat; möglicherweise sollte auch einem Verschleiß des Ansehens Voglers in dieser schwierigen Funktion vorgebeugt werden. 241 Ebenda. 242 FB, 6.-7. 5. 1942, Punkt 4.

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

den „Vorschlag" bestätigen, „daß Röchling den Vorsitz übernimmt". 2 4 3 Doch es dauerte noch weitere Wochen, ehe die Organisation der R V E arbeitsfähig war. Zu dieser Verzögerung trug die Opposition gegen die Gründung der R V E bei, die in der Leitung der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie herrschte, vor allem bei Ernst Poensgen, der sich darüber im klaren sein mußte, daß er bei seiner Einstellung — außerdem als prononcierter Verfechter der Ruhrinteressen — nicht in Frage kam, wenn „eine einzige Person endgültig die großen Entscheidungen in der R V E treffen sollte". 2 4 4 Gewisse Widerstände von dieser Seite wirkten sich vor allem bei der personellen Besetzung des vorgesehenen Präsidiums der R V E aus. A m 18. Mai 1942 wurde Hermann Röchling von Speer näher instruiert und als Leiter der R V E offiziell bei Hitler eingeführt. 2 4 5 Er nahm sowohl an Speers „Führerbesprechung" als auch an Hitlers Mittagstafel teil. Hitler präsentierte seiner Tafelrunde den renommierten Gast und alten Bekannten aus der „ K a m p f z e i t " als „eine in ihrer Zurückhaltung und Abgeklärtheit besonders eindrucksvolle Industriellenpersönlichkeit". 2 4 6 Speer und Röchling hatten an dem vorliegenden Satzungsentwurf des Reichswirtschaftsministers noch auszusetzen, daß er „durchaus parlamentarisch und zu weich" sei. 2 4 7 Speer erhielt Vollmacht, die Satzung „schärfer und präziser zu formulieren", und erwirkte zunächst auch die Zusage, daß Röchling nicht nur durch Göring, F u n k und Speer selbst, sondern auch „durch einen besonderen Erlaß des Führers" mit der „Führung der Eisenproduktion" beauftragt werden sollte. 2 4 8 A m 27. Mai berief F u n k offiziell Röchling zum Vorsitzer, Walter Rohland und Alfried Krupp von Bohlen und Halbach zu gleichberechtigten stellvertretenden Vorsitzenden. 2 4 9 Zwei Tage später ergingen die „Anordnung über die Reichsvereinigung Eisen" und die Satzung der R V E . Beide traten mit ihrer Veröffentlichung am 1. J u n i in Kraft. 2 5 0 Am 30. Mai wurde Poensgen als Leiter der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie abberufen. 2 5 1 Röchling löste Poensgen auf diesem Posten ab und übernahm auch die Leitung des Hauptringes Eisenerzeugung beim Munitionsministerium. Der Beherrscher des Röchling-Konzerns, einer der übelsten Chauvinisten und Antikommunisten, ein alter Parteigänger und Förderer der Faschisten, verkörperte in seinen 243 Ebenda. 244 Fall 5. Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des Flick-Prozesses. Hrsg. v. Karl-Heinz Thieleke u. eingel. v. Klaus Drobisch, Berlin 1965, S. 151, Dok. NI-2558, Protokoll d. Wigru Esl (Reichert) üb. Besprechg. im RWiM v. 1. 5. 1942. Siehe auch Weyres-v. Levetzow, S. 17f.; Hallgarten/Radkau, S. 423f. 245 Chronik des RMfBuM, 1942, Bl. 42, 18. 5. 1942. 246 Picker, Henry, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941—1942. Hrsg. v. P. E. Schramm in Zus.-arb. mit Andreas Hillgruber u. Martin Vogt, 2. Aufl., Stuttgart 1965, S. 353 (18. 5. 1942). 247 FB, 18. 5. 1942, Punkt 5. 248 Ebenda. Insgesamt wurden sechs Satzungsentwürfe gemacht (BA Koblenz, R 131/596, Rede Röchlings vor d. Bezirksgruppe Südwest der Wigru Esl am 10. 6. 1942). 249 BA Koblenz, R 13 XX/162, Berufungsschreiben v. 27. 5. 1942. - Alfried Krupp war als ältester Sohn des senilen Gustav Krupp seit 1941 de facto Chef des Krupp-Konzerns. Als weiterer Stellvertreter Röchlings wurde später Hans Malzacher (Berghütte-Konzern) berufen. 250 Fall 5, S. 161 ff., Dok. NI-1967, Rs. Wigru Esl v. 1. 6. 1942; Gründungs-AO u. Satzung der RVE v. 29. 5. 1942. 251 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9081, Bl. 114 R u. Bl. 115, Funk an Poensgen (Entwurf), 30. 5. 1942.

Die Reorganisation staatsmonopolistischer Machtorgane

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neuen Positionen einen Kompromiß zwischen den Interessen der Ruhrkonzerne, besonders der Vereinigten Stahlwerke, der Reichswerke und der übrigen Stahlkonzerne. Diesen Kompromiß hielt die maßgebliche staatsmonopolistische Gruppierung um das Munitionsminislerium für kriegsnotwendig. In den Händen des Vorsitzers der R V E konzentrierten sich außerordentliche Vollmachten. Aber es war dafür gesorgt, daß er sie nicht gegen die Interessen der Mächtigsten, vor allem der Ruhrkonzerne, verwenden konnte. In seinen Stellvertretern Rohland und Alfried Krupp — der zugleich stellvertretender Leiter der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie war 2 5 2 — standen ihm Repräsentanten der beiden führenden Ruhrkonzerne zur Seite. Rohland, die rechte Hand Voglers und einer der engsten Vertrauten des Munitionsministers, leitete de facto den Hauptring Eisenerzeugung 2 5 3 und war kraft seiner Position an der Ruhr in Wirklichkeit auch in der R V E die einflußreichste Persönlichkeit. 254 Rohland und Alfried Krupp übernahmen im Laufe des Sommers von Poensgen und Zangen auch die Posten des Leiters und stellvertretenden Leiters der Bezirksgruppe Nordwest der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie. 255 Die „Drei Weisen" oder „Heiligen Drei Könige", wie die Leiter der R V E intern genannt wurden, nahmen mit „absolut diktatorischen Vollmachten" 2 5 6 Anfang Juni ihre Arbeit auf. 2 5 7 E s bedurfte dagegen noch längerer Zeit, ehe die Zusammensetzung von Präsidium, Verwaltungsrat und Verwaltung der R V E geklärt war. Am 21. August tagte das Präsidium zum ersten Mal. 258 Erst zu diesem Zeitpunkt wurde offiziell bekannt, daß zum Präsidium außer Röchling, Rohland und Alfried Krupp noch sieben weitere Mitglieder gehörten, nämlich Flick, Poensgen, Zangen, Pleiger, Alfred Pott (Oberhütten-BallestremKonzern) und je ein Vertreter der „Ostmark" und Sachsens. 2 5 9 Flick und Alfried Krupp waren damit Mitglieder sowohl des RVE- als auch des RVK-Präsidiums. Als ständige Gäste auf den Präsidialsitzungen galten Paul Goerens (Krupp) als Vorsitzer des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute und Wilhelm Jäzosch als Vertreter der DAF. Der Verwaltungsrat der R V E umfaßte einschließlich der Genannten 33 Mitglieder — ausnahmslos Großunternehmer. 260 Zu Geschäftsführern wurden Hans-Günther Sohl (Vereinigte Stahlwerke) — später Präsidiumsmitglied anstelle Poensgens — und Eugen Langen (Röchling-Konzern) berufen. 252 E b e n d a , B l . 3, A N R W i M , 3. 10. 1942. 253 Trials of War Criminals before the Nuernberg Military Tribunals under Control Council Law No.10, 15 B d e . (im folgenden: Trials), B d . 6, S . 799 (Fall V), Vernehmg. v. Albert S p e e r a m 9. 10. 1947. 254 E r wurde v o n Röchling ausdrücklich als „der Leiter i m R u h r g e b i e t " apostrophiert ( B A Koblenz, R 13 1/596, R e d e Röchlings v o r der Bezirksgruppe S ü d w e s t der Wigru E s l a m 10. 6. 1942). I m Vorstand des S t a h l t r u s t s war er der Stellvertreter des Vorsitzers Poensgen, a b Oktober 1943 selber Vorstandsvorsitzer. 255 B A Koblenz, R 13 1/628, R s . Wigru E s l v . 1. 7. und 31. 8. 1942. 256 E b e n d a , R 13 1/596, R e d e Röchlings v . 10. 6. 1942. 257 Chronik des RMfBuM, B l . 50, 5. 6. 1942. 2 5 8 Fall 5, S . 167ff., Dok. NI-4508 (F), Protok. d. (1.) P r ä s i d i u m s s i t z u n g der R V E v . 21. 8. 1 9 4 2 ; s. a . ebenda, S . 173, Dok. NI-2522, Bericht der R V E f ü r J u l i 1942, v . 15. 8. 1942. 259 B A Koblenz, R 13 X X / 1 6 2 , R s . Wigru B e r g b a u v . 25. 8. 1942. - Pleiger n a h m als Vorsitzer der R V K als „ s t ä n d i g e r G a s t " a n den Präsidiumssitzungen der R V E teil ( F a l l 5, S . 167, D o k . NI-4508 (F), P r o t o k . d. Präs.-sitzung v . 21. 8. 1942). Sehr bemerkenswert i s t die unverhältnismäßig schwache Position, die der Konzern der Reichswerke „ H e r m a n n G ö r i n g " in den Führungsgremien der R V E innehatte. 260 B A Koblenz, R 13 X X / 1 6 2 , R s . Wigru B e r g b a u v. 25. 8. 1942.

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

Auf die RVE ging eine Fülle von Vollmachten und Funktionen über: solche des GB für die Eisen- und Stahlbewirtschaftung, der Reichsstelle bzw. des Reichsbeauftragten für Eisen und Stahl, des Reichsamts für Wirtschaftsausbau (Abt. II), des Reichskommissars für die Preisbildung (für die „inneren" Preise), ferner der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie. 261 Der Apparat der RVE bestand aus Hauptabteilungen und Zentralausschüssen. „Die Abteilungsleiter der RVE waren sozusagen die Geschäftsführer der Ausschüsse und hatten gleichzeitig die Beschlüsse der Ausschüsse in Berlin zu vertreten. "262 Sieben Hauptabteilungen der RVE wurden gebildet: Rohstoffe und Verkehr (mit 6 Abteilungen), Technik, Absatz und Preise, Handel, Sozialwesen, Statistik und Verwaltung. Ein „Zentralausschuß für Rohstoffe und Verkehr" unterstand unmittelbar Alfried Krupp. Die „marktregelnden" Monopolverbände der Eisen- und Stahlindustrie kamen unter die Führung der RVE; diese bildete ein neues Dachkartell, die Eisen-und Stahlgemeinschaft (Esge) unter Zangens Leitung, „zur Bearbeitung aller Verbands- und Preisfragen". 263 Röchling, bereits seit Sommer 1940 Görings bzw. Funks „Generalbeauftragter für die Werke der Eisen schaffenden Industrie in Lothringen und Meurthe et Moselle-Süd", wurde nun zum „Reichsbeauftragten für Eisen und Stahl in den besetzten Gebieten" ernannt. 264 Es waren die Monopolgewaltigen selbst, die das neu entstandene staatsmonopolistische Gebilde beherrschten und unmittelbar leiteten. Sie konzentrierten bei sich die nötigen Vollmachten, um den gesamten Industriezweig einschließlich der Kartelle und Syndikate und der Betriebe des Eisen- und Stahlhandels „in eigener Initiative und Verantwortung" 265 zu regieren. Der RVE hatten sich, wie einem Zwangskartell, alle Betriebe und monopolistischen Zusammenschlüsse von Betrieben anzuschließen, „die Eisenerz fördern, Eisen und Stahl erzeugen und verwalzen, Eisenerz, sonstige eisenhaltige Rohstoffe, Schrott, Ferrolegierungen, Eisen und Stahl verkaufen und damit handeln". Ihre Maßregeln und Anordnungen waren für alle Mitglieder verbindlich. Doch die RVE war weit mehr als ein bloßes Zwangskartell. Ihre „wichtigste Aufgabe" war „die Leistungssteigerung und Rationalisierung der Erzeugung und des Absatzes". Die RVE regulierte die gesamte „Eisenwirtschaft Großdeutschlands und seiner Einflußgebiete", stellte umfassende Produktionspläne, Rohstoffversorgungs- und Transportpläne auf, sorgte für die allgemeine Einführung technischer und anderer Rationalisierungsverfahren und -maßnahmen, regulierte Absatz und Preise und schloß monopolistische Vereinbarungen darüber ab. Sie hatte das Recht, Betriebe stillzulegen oder ihr Produktionsprogramm zu verändern. Das Verhältnis der RVE zur Zentralen Planung und ihre Stellung im Gesamtsystem der kriegswirtschaftlichen Regulierung war allerdings von vornherein fest umrissen: „Die Aufgabe der Reichsvereinigung endet mit der Eisenproduktion und vor dem Einsatz des Eisens (Verteilung)." 266 261 ZStA Potsdam, Fall V (Flick-Prozeß), Film 405, Dok. NI-870, Bericht v . J . W. Reichert üb. „Die Entwicklung der Organisationen der deutschen eisenschaffenden Industrie in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes", o. D. 262 Ebenda, Fall X (Krupp-Prozeß), Film 425, Dok. NI-5548, Eidl. Erkl. von Walter Rohland v. 14. 3. 1947. 263 Fall 5, S. 171, Dok. NI-4511, Protokoll d. 2. Sitzung des Präsidiums der RVE v . 30. 10. 1942. 264 BA Koblenz, R 3/1596, Erlaß Görings v. 18. 6. 1942. ' 265 Fall 5, S. 162, Dok. NI-1967, Satzung der RVE v. 29. 5. 1942. 266 ZP-E, 27. 4. 1942, 1. Sitzung.

Die R e o r g a n i s a t i o n staatsmonopolistischer Machtorgane

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Röchling bezeichnete am 20. J u n i 1942 die neuartige weitreichende Befehlsgewalt der R V E vor den Mitgliedern des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute als einen „Umbruch . . der letzten Endes auf die gewaltige Ausdehnung des deutschen Einflußgebietes zurückzuführen sei. Wir werden", so versprach er seinen Unternehmerkollegen, „weder im Kriege noch im kommenden siegreichen Frieden Sorgen um Absatznöte in der Eisen schaffenden Industrie haben. Der gewaltige europäische Raum erfordere in sehr großem Maße die Bereitstellung der notwendigen Eisenmenge." 2 6 7 Es gehe, so definierte er die doppelte Funktion der R V E wenige Monate später vor dem Verwaltungsrat der R V E und dem Beirat der Wirtschaftsgruppe, „ebenso darum, das europäische Festland zu beherrschen, wie darum, möglichst hohe Leistungssteigerungen in Eisen und Stahl zu erreichen, um das Blut des deutschen Volkes zu schonen". 2 6 8 Immerhin, diese „Schonung" konnte offenbar so sehr weit nicht gehen: „Die Vergrößerung der deutschen Truppenmacht verlange gebieterisch gleichzeitig die sparsamste Verwendung der Arbeitskräfte in der Wirtschaft"; man habe sich insbesondere darum zu kümmern, „die vielen ausländischen Arbeitskräfte, namentlich die russischen, nutzbar zu machen". 2 6 9 Die deutschen Monopole schufen sich demnach in der R V E ein Instrument der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt, mit dessen Hilfe sie die enorm gewachsenen Profitchancen im beherrschten Teil Europas umfassend wahrnehmen und gleichzeitig den Erfordernissen ihres imperialistischen Krieges durch Mehrproduktion gerecht werden wollten. Als erstes arbeitete die R V E beschleunigt einen „Vorschlag für eine Erhöhung der Rohstahlerzeugung im Großdeutschen Reich und seinen Einflußgebieten" aus, den Röchling am 8. J u n i dem Munitionsminister vorlegte. 270 Über den endgültigen Plan vom 15. J u l i beschloß die Zentrale Planung am 22. Juli: „Der von der Reichsvereinigung aufgestellte Plan ist durchzuführen." 2 7 1 Hitler ließ sich am 10. August von den Leitern der RVE nach ausführlicher Beratung die Erfüllung ihres Programms in die Hand versprechen. 272 Die Monopolherren nutzten die Gelegenheit und handelten bei Hitler als Gegenleistung eine Preiserhöhung für Kohle, Roheisen, Halbzeug und Schrott aus, die am 1. Januar 1943 in Kraft treten sollte. 273 Die Vorbereitungen für die Erhöhung der Eisen- und Stahlpreise nahm im Auftrag der R V E Zangen in die Hand. 2 7 4 Mit R V E und R V K kontrollierten und lenkten nunmehr zwei mächtige staatsmonopolistische Institutionen — jede eine Art Mittelding zwischen Fachministerium und Supertrust — die wichtigsten Grundstoffindustrien. Die weitgehenden staatlichen Vollmachten zur Regulierung der Produktion, mit denen sie ausgestattet waren, lagen vollständig in Händen einer kleinen Gruppe von Großkonzernen. Die Aufsicht des Reichswirtschaftsministers über R V E und R V K war rein formal geworden. Sie handelten vielmehr im 2 6 7 B A Koblenz, R 13 1/634, R e d e Röchlings auf der A r b e i t s t a g u n g des Vereins dt. Eisenhüttenleute a m 20. 6. 1942. 2 6 8 Fall 5, S . 149, Dok. NI-6198, R e d e Röchlings v . 30. 10. 1942. 269 Ebenda. 2 7 0 B A Koblenz, R 13 1/674. Ausführlicher üb. d. P r o d u k t i o n s p l a n u n g der R V E und ihre E r g e b nisse s. S . 3 6 3 f . 2 7 1 Z P - E , 22. 7. 1942, 11. Sitzung. 272 F B , 1 0 . - 1 2 . 8. 1942, P u n k t 3 9 - 4 7 . D a t i e r u n g (10. 8.) n a c h Z S t A P o t s d a m , F a l l X I , Nr. 724, B l . 126, D o k . Pleiger-411, A f f i d . Milch, 29. 4. 1948. 2 7 3 E b e n d a , P u n k t 45 u. 46. 2 7 4 Fall 5, S . 168, Dok. N I - 4 5 0 8 (F), P r o t o k . üb. d . P r ä s i d i u m s s i t z u n g der R V E v . 21. 8. 1942.

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

allgemeinen Rahmen u n d Auftrag der Zentralen Planung; die ministerielle Exekutive, auf die sie sich stützten, war das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition und sein Rüstungslieferungsamt. 2 7 5 Röchling äußerte freimütig, m i t einem Seitenhieb auf das Reichswirtschaftsministerium, als Leiter des Hauptringes Eisenerzeugung unterstehe er dem Munitionsminister: „Diese Betreuung geht vor jeder anderen." 2 7 6

3. Der Ausbau der staatsmonopolistischen Position des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition. Rüstungskommissionen und Gauwirtschaftskammern Es müsse, so äußerte sich Minister Speer Anfang J u n i 1942, „davon ausgegangen werden, daß der Krieg noch viele J a h r e andauern kann". 2 7 7 Die u m das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition gruppierten Kräfte des Monopolkapitals waren dementsprechend bestrebt, die staatsmonopolistische Position des Ministeriums zu festigen und seine Regulierungsvollmachten auszudehnen. Den seit der Jahreswende 1941/42 begonnenen Reorganisationsprozeß setzten sie im Sommer und Herbst 1942 systematisch fort. E r fand seinen Höhepunkt und vorläufigen Abschluß in der Bildung der Rüstungskommissionen, die den Schlußstein im regionalen System der Rüstungsregulierung darstellten. Weitere wichtige Elemente des erwähnten Prozesses waren die geographische Ausdehnung des Machtbereichs des Munitionsministeriums auf die besetzten Gebiete und der Ausbau der wirtschaftsregulierenden Funktion der Zentralen Planung. Es erwies sich als ein keineswegs einfaches Vorhaben des Munitionsministers, seine Machtbefugnisse auf die vom deutschen Faschismus besetzten Gebiete auszudehnen. Die Kompetenzen waren hier vielfältig verteilt und verwickclt. Dennoch setzte Speer schon im J u n i 1942 seine Absichten auf dem Territorium der UdSSR u n d in Frankreich weitgehend durch. F ü r die weitgesteckten Ziele der vorgesehenen faschistischen Sommeroffensive 1942 im Osten sollten vorgeschobene Rüstungszentren in der Ukraine, im Dnepr-Donec-Gebiet, den Nachschub, vor allem Munition, liefern. 278 Diesen seit April 1942 gehegten Plan nahm Hitler zum Anlaß, Speer durch Erlaß vom 9. J u n i 1942 m i t weitreichenden Vollmachten f ü r den „Einsatz der Technik" d. h. f ü r Rüstungsbauten, Energieversorgung, Straßenund Wasserstraßenbau in den besetzten sowjetischen Gebieten zu versehen. 279 Hierdurch verlor das H a u p t a m t Technik im Rosenberg-Ministerium seine Daseinsberechtigung. 275 Zur Person der beiden Vorsitzer macht Radkau eine kenntnisreiche Bemerkung: „Pleiger und Röchling, deren Extratouren und Führerallüren den übrigen Großindustriellen besonders lästig geworden waren, neutralisierten sich als Kontrahenten an der Spitze der Speer-Organisation gegenseitig." (Hallgarten/Radkau, S. 298). 276 BA Koblenz, R 13 1/596, Rede Röchlings v. 10. 6. 1942. - Röchling zufolge „war das Personal der R V E ohne weiteres auch tätig für den Hauptring Eisenerzeugung, so daß der Hauptring Eisenerzeugung überhaupt kein eigenes, ständiges Personal hatte" {Hallgarten/Radkau, S. 425 ( = Dok. NI-5549, Aussage Röchlings v. 17. 3. 1947)). 277 ZStA Potsdam, FS, Film 11246, Speer an Pleiger, 5. 6. 1942. 278 Siehe S. 464f. 279 Janssen, S. 54; s. a. FB, 4. 6. 1942, Punkt 35. — Die Forderung Speers, „daß nicht nur für den Straßenbau, sondern auch für die Wiederingangsetzung der Industrie direktere Wege begangen werden müssen (direkte Einschaltung der Industrie mit ihren besten Kräften)", spielte in seinen Besprechungen mit Hitler schon seit März ständig eine Rolle (FB, 16. 3. 1942, Punkt 18; s. a. FB, 14./15. 4. 1942, Punkt 17; FB, 6./7. 5. 1942, Punkt 21).

Ausbau des Rcichsministeriums für Bewaffnung und Munition

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Schwieriger war es, Göring seine oberste Kompetenz über die Ausbeutung der besetzten Gebiete zu entwinden. Das gelang dem Munitionsminister nur indirekt, auf dem Wege über die mit ihm bzw. der Zentralen Planung eng zusammenarbeitenden Vorsitzer der R V K und der RVE, Pleiger und Röchling, die von Göring am 10. Januar (Pleiger) bzw. am 18. J u n i 1942 (Röchling) zu Reichsbeauftragten für Kohle bzw. für Eisen und Stahl in den besetzten Gebieten ernannt wurden. Ende Juni 1942 teilte sich der Wehrwirtschafts- und Rüstungsstab Frankreich in einen Wehrwirtschaftsstab und in einen Rüstungsstab. Der Rüstungsstab Frankreich wurde dem Rüstungsamt des Reichsministers für Bewaffnung und Munition unterstellt, der Wehrwirtschaftsstab Frankreich blieb in der Unterstellung unter dem OKW. Aus den bisherigen drei Rüstungsinspektionen in der unteren, regionalen Instanz wurden drei Wehrwirtschaftsinspektionen. Das Munitionsministerium schuf sich eine eigene zentrale Rüstungsinspektion Frankreich mit Sitz in Paris, der verschiedene Rüstungskommandos unterstanden. Es bildete ferner ein „Deutsches Beschaffungsamt in Frankreich", das „die bisher stark dezentralisierte Beschaffung in Frankreich zusammenfassen und eine bessere Ausnutzung der Betriebe sicherstellen" sollte. 280 Diese „völlige Neugliederung auf dem rüstungswirtschaftlichen Gebiet" 2 8 1 trat nach Erlassen des OKW und des Munitionsministers vom 26. J u n i am 20. J u l i 1942 in Kraft, „zentralisierte die Verfügungsgewalt der Okkupanten über das französische Wirtschaftspotential und konzentrierte sie weitgehend in den Händen des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition und der hinter ihm stehenden Rüstungskonzerne". 2 8 2 Um die gleiche Zeit erklärte sich Hitler bereit, Speer als GB Bau auch in den besetzten Gebieten verantwortlich zu machen. 283 Göring, als Beauftragter für den Vierjahresplan hierbei übergangen, blieb nichts anderes übrig, als nachträglich „die durch Führererlaß sichergestellte Ausdehnung der Befugnisse des GB B a u " zu „begrüßen". 2 8 4 Einen besonderen Erlaß Hitlers für das Protektorat, von Speer vorsorglich angeregt, erklärte Göring für „überflüssig, da das Protektorat durch einen Führererlaß bereits in den Vierjahresplan einbezogen worden sei und Reichsminister Speer deshalb ohne weiteres seine Vollmachten innerhalb des Vierjahresplanes auch im Protektorat zur Anwendung bringen könne". 285 Dennoch setzte sich der Munitionsminister auch in diesem Fall durch. Ein am 18. August von Hitler unterzeichneter Erlaß dehnte die Befugnisse des G B Bau ausdrücklich auf das Protektorat und auf alle annektierten und besetzten Gebiete aus. 2 8 6 Durch einen Erlaß Hitlers vom 13. Oktober 1942 schließlich erhielt das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition im Generalgouvernement die gleichen Vollmachten für die „technische Verwaltung" wie in den besetzten sowjetischen Gebieten 2 8 7 — eine Formulie280 Thomas, S. 319. Diesbezüglicher Erlaß (betr. Beschaffungsamt) v o m 25. 7. 1942 in Z S t A Potsdam, F S , Film 8630. Bei Thomas und in DZW, B d . 2, S . 457, irrtümlich: Beschaffungsstab. 281 Thomas, S. 319. 282 DZW. Bd. 2, S. 457. 283 F B , 23. 6. 1942, Punkt 6. 284 F B (Bespr. Speer-Göring), 29. 6. 1942, Punkt 7. 285 Ebenda. 286 Ludwig, Technik, S . 435 („Erlaß des Führers über die Befugnisse des Generalbevollmächtigten für die Regelung der Bauwirtschaft im Protektorat Böhmen und Mähren und den dem Großdeutschen Reich angegliederten sowie den besetzten Gebieten"). 287 Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg, S . 98.

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Der Zusammenbrach des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

rung, die die wirtschaftspolitischen Prärogativen von Generalgouverneur Hans Frank nominell unberührt lassen sollte, ähnlich wie die Görings und Rosenbergs auf dem besetzten sowjetischen Territorium. Im Oktober wurde die innere Organisation der Zentralen Planung vervollkommnet. Es entstanden eine Geschäftsordnung und ein Büro, bestehend aus je einem Vertreter der drei Mitglieder der Zentralen Planung, das die Sitzungen vorzubereiten hatte und darüber wachen sollte, „daß alle entscheidenden kriegswirtschaftlichen Aufgaben in gegenseitiger Abstimmung aller Faktoren schnell, unbürokratisch und rücksichtslos durchgeführt werden" und „daß alle Arbeiten unterbleiben, die für die Kriegsentscheidung offensichtlich ohne Bedeutung sind". 288

a) Erweiterung der „Mittelinstanz" des Reichministeriums für Bewaffnung und Munition Als im Mai 1942 die Rüstungsinspektionen und Rüstungskommandos dem Reichsministerium für Bewaffnung und Munition eingegliedert wurden, war dies einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Verdrängung der Militärs aus der Rüstungsorganisation. Aber es war nur einer von vielen Schritten, und was die sogenannte Mittelinstanz betraf, d. h. die Regulierung der Rüstungsproduktion auf regionaler Ebene, sozusagen vor Ort, so war es erst ein mit Kompromissen beladener Anfang. Die Rüstungsinspekteure und ihr Offiziers- und Mannschaftsbestand wurden beispielsweise nur für die Dauer des Krieges dem Munitionsminister unterstellt; sie blieben Militärs, behielten Dienstrang (Generalsrang), Uniform und Versorgungsansprüche. Speer beurteilte diesen Zustand skeptisch. 289 Er hatte für die Mittelinstanz seiner Rüstungsorganisation von vornherein ein viel weiter reichendes Konzept. Schon in den ersten Entwürfen des Munitionsministeriums vom Frühjahr 1942 für die neuzuordnende Mittelinstanz tauchten sogenannte Kriegwirtschaftsstäbe auf, die die Rüstungsverantwortlichen in den Wehrkreisen zusammenfassen sollten.290 Doch erst im Herbst 1942, angesichts des Scheiterns der offensiven Pläne der Wehrmacht vor Stalingrad und am Kaukasus, gewann dieser Gedanke seine endgültige Gestalt in den Rüstungskommissionen des Reichsministers für Bewaffnung und Munition. Am 17. September ordnete Göring „die sofortige Errichtung von Rüstungskommissionen" in den Wirkungsbereichen der Rüstungsinspektionen bzw. 288 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8814, Bl. 176 u. 176 R, Geschäftsordnung der Zentralen Planung, v. 20. 10. 1942. 289 In seinen internen Notizen über die Qualität der Inspekteure (z. B. „gut, vielleicht sogar sehr gut" betreffend General Franz Barckhausen/Paris: „hinreichend, aber nicht mehr" betreffend General Stieler v. Heydekampf/Wehrkreis III = Berlin-Brandenburg) beurteilte Speer beispielsweise Generalmajor Kurt Grdmann, Rüstungsinspekteur des — wichtigsten — Wehrkreises VI (Rheinland-Westfalen) zwar als „energisch und tatkräftig"; Erdmann nehme aber, so schrieb er, zu sehr Partei für seine Offiziere. „Muß noch gleichgeschaltet werden" lautete das abschließende Urteil des Ministers (ZStA Potsdam, RMfBuK, Nr. 63, Bl. 6 f., hs. Liste, o. U., o. D.). 290 So ebenda, FS, Film 5381, „5. Entwurf eines Erlasses des Reichsministers f. B. u. M. und GB Rüst i. Vierjahresplan über das Zusammenwirken der Dienststellen in der Mittelinstanz untereinander u. mit den Selbstverantwortungsorganisationen der Industrie", v. 17. 4. 1942.

Ausbau des Ileichsministeriums für Bewaffnung und Munition

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der Reichverteidigungskommissare an. 2 9 1 Ihre Aufgaben bestanden darin, „die Weisungen aller mit rüstungswirtschaftlichen Aufgaben befaßten Dienststellen einheitlich zu steuern" und „die Bestrebungen der Selbstverantwortungsorgane in der Rüstungswirtschaft in bezug auf den Erfahrungsaustausch der einzelnen Betriebe untereinander mit allen Mitteln zu fördern und hierbei auftretende Schwierigkeiten zu beseitigen". Sie übernahmen außerdem die Funktion der bisherigen Prüfungskommissionen des Reichsministers für Bewaffnung und Munition beider „Auskämmung" und Umsetzung von Arbeitskräften und hatten Vollmacht, unmittelbar mit den Wehrersatzdienststellen über Einziehungen bzw. Ersatzbedarf an Arbeitskräften zu verhandeln. Nach Speers Durcbführungsanordnung vom 10. Oktober 2 9 2 wurden 26 Rüstungskommissionen gebildet, deren Geschäftsführungen ihren Sitz beider jeweiligen Rüstungsinspektion hatten. Jeder Rüstungskommission gehörten a n : der Rüstungsinspekteur, der Wehrkreisbeauftragte und der Rüstungsobmann des Munitionsministeriums, die Leiter der zuständigen Landeswirtschafts- und Landesarbeitsämter, die Gauwirtschaftsberater und die Präsidenten der — erst zu bildenden — Gauwirtschaftskammern. Die Rüstungsobmänner berief Waither Schieber als Chef des Rüstungslieferungsamtes in Abstimmung mit Wilhelm Zangen, dem Leiter der RGI. Mit den betreffenden Gauleitern sollte über die Berufungen Einvernehmen hergestellt werden. Der Rüstungsobmann vertrat die Forderungen und Maßnahmen der Ausschüsse und Ringe des Ministeriums im Bereich der betreffenden Rüstungsinspektion. „Der Rüstungsobmann unterstützt als Beauftragter der Selbstverantwortungsorganisation den Rüstungsinspekteur und den Wehrkreisbeauftragten im Sinne eines störungsfreien Ablaufes der gesamten Rüstungsfertigung. Die Bezirksobmänner (für den Bereich der Reichsverteidigungskommissare — D. E.) sind an seine Weisungen gebunden. Er ist berechtigt, für seine Geschäftsführung sich der Einrichtungen der Gauwirtschaftskammer . . . zu bedienen." Der Posten des Rüstungsobmannes lag überall in der Hand besonders ausgesuchter, hochrangiger Repräsentanten führender Rüstungsmonopole. Der Wehrkreisbeauftragte des Munitionsministeriums war dem Technischen Amt „verantwortlich für den Einsatz der Technik im Bereich der Rüstungsinspektion", nach dem ministeriellen Sprachgebrauch also für Bauvorhaben der Rüstung, für Verkehrs- und energieversorgungstechnische Rationalisierung im Dienste der großen Rüstungsproduzenten. Es standen ihnen für diese Aufgaben die Gauämter für Technik, die dort erfaßten Ingenieure des N S B D T und die unter dem Bezirksobmann zusammengeschlossenen Beziiksbeauftragten der Ausschüsse und Ringe zur Verfügung. Überdies übernahm der Wehrkreisbeauftragte wichtige Funktionen der bisherigen Prüfungskommissionen; er hatte die Betriebe „auf rationellen Arbeitseinsatz, insbesondere richtigen Einsatz der Facharbeiter" zu prüfen, hatte also Vollmacht, „Auskämmungs"bescheide vorzubereiten und Arbeitskräfte zum Zweck der intensiveren und extensiveren Ausbeutung zwangsweise in andere Betriebe zu verpflichten. Die Wehrkreisbeauftragten waren alle zugleich Gauamtsleiter für Technik oder deren enge Mitarbeiter, arbeiteten also unmittelbar mit den Gauleitungen der N S D A P und besonders mit den Gauwirtschaftsberatern zusammen; fachlichorganisatorisch unterstanden sie dem Hauptamt für Technik der Nazipartei, dessen Leiter Speer war. 291 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 13, 22. 10. 1942, „Erlaß üb. d. Zusammenfassg. der Dienststellen u. d. Selbstverantwortungsorgane der Rüstungswirtschaft in der Mittelinstanz", 17. 9. 1942. Hiernach auch das Folgende. 292 Ebenda, Anlage 1, 1. Durchf.-AO, 10. 10. 1942. Hiernach auch das Folgende. 8

Eichholtz II

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Die Vorsitzer der Rüstungskommissionen bestellte der Reichsminister für Bewaffnung und Munition. Sie hatten die Entscheidungsgewalt in allen von den Kommissionen behandelten Angelegenheiten; die Weisungen der Rüstungskommission wiederum waren für alle beteiligten Institutionen bindend. Unschwer ist daraus zu erkennen, daß die Vorsitzer — allerdings in „dauernd engste(r) Fühlung" mit den Reichsverteidigungskommissaren 2 9 3 — eine enorme Macht bei sich konzentrierten und faktisch die gesamte Wirtschaft in ihrem Bereich kontrollierten. Speer setzte „entgegen dem Vorschlag des Rüstungsamtes", die Rüstungsinspekteure zu Vorsitzern der Rüstungskommissionen zu ernennen, seine Forderung weitgehend durch, daß als Vorsitzer „nur ein Exponent der Rüstungswirtschaft in Frage kommen könne" 293a , und behielt sich ihre Ernennung selbst vor. Das lief darauf hinaus, daß die Militärs in der Regel auf den stellvertretenden Vorsitz verwiesen wurden. 294 Der Vorsitzer, der Rüstungsinspekteur, der Wehrkreisbeauftragte und der Rüstungsobmann waren jeweils unmittelbar Organe des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition. Die Leiter der Landesarbeitsämter als „Außenstellen des GBA" 295 waren von Sauckel gehalten, den Anforderungen der Rüstung vorrangig nachzukommen; hinzu kam, daß wesentliche Funktionen der bisherigen Prüfungskommissionen vom Wehrkreisbeauftragten übernommen wurden, so daß eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen beiden bestand. Schließlich sollten die Präsidenten der Gauwirtschaftskammern — übrigens überwiegend ebenfalls Groß- und Rüstungsindustrielle — nur für den Fall Mitglied der Rüstungskommission werden, „sofern die Gauwirtschaftskammer nicht schon durch ein Mitglied ihres Präsidiums in seiner Eigenschaft als Rüstungsobmann der Ausschüsse und Ringe in der Rüstungskommission vertreten ist". 296 Alles in allem herrschte in der Rüstungskommission in jedem Fall ein deutliches Übergewicht der Vertreter des Munitionsministeriums, von denen in der Regel wiederum die Mehrheit unmittelbare Repräsentanten der Rüstungsindustrie waren. Die von ihr verkörperte Machtfülle war groß und ähnelte — in verkleinertem, regionalem Maßstab — entfernt derjenigen des Munitionsministers. Doch im Gegensatz zu dieser war die Konzentration der Macht beider Rüstungskommission nicht der Ausdruck einer echten Machtzentralisation; denn alle von ihr „betreuten", nebeneinander und häufig gegeneinander arbeitenden kriegswirtschaftlichen Institutionen traten weiterhin als selbständige Dienststellen auf. Die Rüstungskommission hatte zwar eine weitreichende Kontroll-, aber keine durchgreifende Regulierungsfunktion; denn sie beschränkte sich — abgesehen von der überdurchschnittlichen Aktivität und Durchschlagskraft des einen oder anderen Vorsitzers — auf Kommissionsarbeit, d. h. auf periodische 293

Nach Hüttenberger suchte Speer mit der Einrichtung der neuen „Mittelinstanz" gerade auch „die Mithilfe der Gauleiter zu mobilisieren" (Hüttenberger, Peter, Die Gauleiter. Studie zum Wandel des Machtgefüges in der NSDAP, Stuttgart 1969, S. 182). 293a ZStA Potsdam, FS, Film 5675, AN WiAmt/VO Wagner, 7. 10. 1942. 294 Nach dem Stand vom 1. 10. 1944 stellten die Wehrkreisbeauftragten zehn, die Rüstungsobmänner und Rüstungsinspekteure je fünf Leiter von Rüstungskommissionen (ebenda, Film 3381, Adressenverzeichnis). Rüstungsinspekteure wurden besonders in den besetzten Gebieten zu Vorsitzern der Rüstungskommissionen ernannt (s. a. Thomas, S. 315). Ferner lag die Geschäftsführung der Kommissionen bei den Rüstungsinspektionen bzw. -kommandos (ebenda). 295 Wie Anm. 292. 296 Ebenda.

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Sitzungen, auf denen Probleme und „Schwierigkeiten" meist im Nachhinein erörtert bzw. Vorschläge und Maßnahmen zu ihrer Überwindung beschlossen wurden. Das Rüstungskommando Augsburg beispielsweise hielt in einer kritischen Stellungnahme fest, daß die Dienststellen der Rttstungskommission besser „unter einheitlicher verantwortlicher F ü h r u n g " zusammengefaßt worden wären. D a s in Speers Anordnung vertretene „Prinzip der geteilten Verantwortung", so hieß es weiter, „entspricht in keiner Weise dem sonst im Dritten Reich üblichen Grundsatz, daß Einer verantwortlich führt". 2 9 7 Immerhin waren zum ersten Mal in der Kriegsgeschichte des deutschen Imperialismus bis in den letzten Gau, bis zu jedem Rüstungskommando alle wichtigen Dienststellen, Kommissionen und Ausschüsse der Kriegswirtschaft zu einem engmaschigen Netz verknüpft, dessen Fäden von einer Zentrale aus gezogen wurden. Die Wehrmacht — nicht nur d a s O K W , sondern auch die drei Wehrmachtteile — war dabei vollständig aus ihrer führenden Position verdrängt worden. Alle Fäden liefen im Reichsministerium für Bewaffnung und Munition zusammen. 2 9 8 J e stärker sich die kriegswirtschaftliche Regulierungsgewalt in den kommenden Monaten und Jahren bei diesem Ministerium konzentrierte, desto dichtmaschiger wurde dieses Netz, desto effektiver arbeitete die neue „Mittelinstanz". Auf innenpolitischem Gebiet ging gegen Jahresende 1942 vor dem Hintergrund der drohenden militärischen Krise ebenfalls ein Prozeß der Machtkonzentration vor sich, der sich sowohl in der weiteren Verschmelzung von staatlichen und Parteifunktionen als auch in einer komplizierten Verflechtung innenpolitischer und wirtschaftspolitischer Funktionen, beides vor allem auf Gauebene, äußerte. Seine organisatorische Form fand dieser Prozeß hauptsächlich in der „Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare und die Vereinheitlichung der Wirtschaftsverwaltung" vom 16. November 2 9 9 und in der Bildung der Gauwirtschaftskammern. Bereits im September 1942 waren die Gebietsgrenzen der regionalen rüstungswirtschaftlichen Organisation des Munitionsministeriums (Rüstungsinspektionen und -kommandos) den Gaugrenzen angepaßt worden; d. h. die Grenzen einer Reihe von Rüstungskommandos wurden verändert oder ihr Sitz wurde verlegt, so daß die Grenzen der Rüstungsinspektionen jetzt jeweils exakt mit den Grenzen der Gaue (eines oder mehrere Gaue je Rüstungsinspektion) übereinstimmten. 3 0 0 In der Verordnung über die Reichsverteidigungskommissare 3 0 1 wurde die bereits am 1. September 1939 geschaffene Institution der Reichsverteidigungskommissare reorganisiert. Gab es vorher 18 Reichsverteidigungskommissare, j e einen in jedem Wehrkreiskommando, so übte jetzt jeder der 42 Gauleiter in seinem Gau diese Funktion aus. Als Organe des Ministerrats für die Reichsverteidigung in der „Mittelstufe" wurden die Reichsverteidigungskommissare von Göring als dessen Vorsitzenden ernannt. Ihre besonderen Organe waren sogenannte Verteidigungsausschüsse und Kriegswirtschaftsstäbe. Die letztgenannten umfaßten die Mitglieder der Rüstungskommissionen und „die Leiter der sonstigen mit Kriegswirtschaftsaufgaben befaßten Behörden". Der Kriegswirtschaftsstab, so hieß es in der Verordnung, „steht dem Reichsverteidigungskommissar für seinen Bezirk beratend zur Seite und tritt unter seinem Vorsitz zusammen" (§ 14). Als Reichsverteidigungskommissare waren die Gauleiter „politische Kommissare, die den 297 Weyres-f. Levetzow, S. 34, „Bemerkungen zur Durchführungsverordnung des RMfBuM vom 10. 10. 1942" v. 17. 10. 1942. 298 Vgl. die eindringliche Darstellung bei Thomas, S. 312 ff. 299 Hierzu DZW, Bd. 3, S. 174ff. u. S. 232. 300 Thomas, S. 317 f. 301 RGBl. 1942 I, S. 649 ff. 8*

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alten Verwaltungsbehörden v o r s t e h e n " 3 0 2 und die die T ä t i g k e i t der militärischen, politischen u n d wirtschaftlichen Dienststellen koordinieren sollten. Durch diese Vereinigung von P a r t e i - u n d S t a a t s m a c h t wurde die gesamte politische Gewalt bei den Gauleitern zentralisiert, deren Position d a d u r c h bedeutend gestärkt wurde. Die faktische Schwäche des Ministerrats f ü r die Reichsverteidigung begünstigte eine eigenmächtige Politik der Reichsverteidigungskommissare, u n g e a c h t e t dessen, d a ß nach der Verordnung die Obersten Reichsbehörden „ f ü r ihren Zuständigkeitsbereich Weisungen der Reichs verteidigungskommissare a u f h e b e n " k o n n t e n (§ 5). Auf kriegswirtschaftlichem Gebiet blieben die Reichsverteidigungskommissare allerdings gegenüber dem Gewicht u n d der B e d e u t u n g der Organe des Reichsministers f ü r Bewaffn u n g u n d Munition „ohne wesentlichen direkten Einfluß". 3 0 3 Doch zeigte die enge Verflochtenheit des politischen u n d wirtschaftlichen M a c h t a p p a r a t s angesichts der wachsenden Widersprüche zwischen innenpolitischen u n d kriegswirtschaftlichen sowie zwischen regionalen und zentralen Interessen u n d Machtansprüchen z u n e h m e n d ambivalente, d. h. sowohl fördernde als auch h e m m e n d e Auswirkungen auf Rüstungsorganisation u n d Rüstungswirtschaft;

b) Verzögerte Bildung

von

Gauwirtschaftskammern

P l ä n e zur Schaffung von G a u w i r t s c h a f t s k a m m e r n lagen seit 1941 vor. E r s t im F r ü h j a h r 1942 erschienen e n t s p r e c h e n d e Verordnungen. E s verging ein weiteres J a h r , ehe sich die vorgesehenen 42 G a u w i r t s c h a f t s k a m m e r n nebst 17 W i r t s c h a f t s k a m m e r n gebildet h a t t e n , in denen die bisher b e s t e h e n d e n 106 I n d u s t r i e - u n d H a n d e l s k a m m e r n , 71 H a n d w e r k s k a m m e r n u n d 27 W i r t s c h a f t s k a m m e r n aufgingen. Inzwischen h a t t e sich die militärischaußenpolitische Situation ebenso wie die staatsmonopolistische Kräftekonstellation im I n n e r n grundlegend gewandelt. Die ursprünglichen Absichten der I n i t i a t o r e n der Aktion h a t t e n so gut wie nichts m e h r m i t ihrem Resultat gemein. I m staatsmonopolistischen Mechanismus waren V e r ä n d e r u n g e n vor sich gegangen, die der von den Urhebern der Gauwirtschaftskammern beabsichtigten „Dezentralisierung" entgegenwirkten u n d sie zum großen Teil paralysierten oder sogar in ihr Gegenteil verkehrten. Eine probe Analyse d e r Vorgänge läßt drei Stadien in der P l a n u n g u n d Bildung von Gauwirtsciiaftskammern (GWK) erkennen. Schon bald nach Kriegsbeginn h a t t e m i t Protektion des Reichswirtschaftsministeriums u n d der Reichswirtschaftskammer eine gewisse Neuformierung der regionalen wirtschaftlichen Interessen, vertreten d u r c h die Industrie- u n d H a n d e l s k a m m e r n u n d deren „Arbeitsgemeinschaft" u n t e r Leitung von B a n k i e r Friedrich R e i n h a r t (Commerzbank), d e m Präsid e n t e n der I H K Berlin, s t a t t g e f u n d e n . 3 0 4 Die Machtvollkommenheit der Reichsgruppen, 302 Neumann, S. 561. 303 »ZW, Bd. 3, S. 232. 304 über die „Schlappe", die die Kammernorganisation 1934/35 gegenüber dem wachsenden Gewicht und politischen Einfluß der überregionalen, besonders der großindustriellen Verbände erlitt und die in bestimmtem Zusammenhang mit dem Scheitern der „ständischen" Bestrebungen stand, s. Ilütteriberger, Peter, Interessenvertretung und Lobbyismus im Dritten Reich, in Der Führerstaat: Mythos und Realität. Studien zur S truktur und Politik des Dritten Reiches. Hrsg. v. Gerhard Hirschfeld u. Lothar Kettenacker mit einer Einl. v. Wolfgang J. Mommsen, Stuttgart 1981, S. 447ff.

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besonders der R G I , die seit dem Frühjahr 1940 aufs engste mit dem Reichsministerium für Bewaffnung und Munition und dessen „ Selbstverantwortungs"-Organisation zusammenarbeitete, begegnete offensichtlich wachsender Kritik aus den IHK-Bereichen und aus den Gauen. Das Reichswirtschaftsministerium (Funk, Landfried, Kehrl), das inzwischen, obwohl offiziell Dienstaufsichtsbehörde der R G I und der übrigen Gruppen, nach dem Urteil der eigenen Referenten „völlig außerhalb der Gruppenorganisation" 3 0 5 stand und sich auch über die Reichswirtschaftskammer, deren ..Mitglied" die Reichsgruppen waren, keinen Einfluß mehr auf sie verschaffen konnte, artikulierte diese Interessen schon früh. Der Kammern-Referent des Ministeriums, Ministerialrat Haßmann, offensichtlich ein Vertrauensmann der Parteikanzlei, äußerte in einer Besprechung am 2. September 1940 Gedanken über eine Neubelebung und „Flurbereinigung" der I H K , deren Bereiche den staatlichen bzw. politischen Grenzen angeglichen werden müßten, und über eine „Synthese zwischen Kammern und Gruppen"; es war die Rede von der „Notwendigkeit einer Entbürokratisierung des Kammerwesens und einer engen Fühlungnahme mit der N S D A P " . 3 0 6 Im Mai 1941 t a t Minister Funk selbst in internem Kreis die Absicht kund, „die Wirtschaft noch mehr als bisher an die Partei anzunähern, und zwar auch dadurch, daß die Gauwirtschaftsberater Präsidenten der Industrie- und Handelskammern werden sollten". 3 0 7 B a l d darauf kündigte er in einer Rede auf der Gauleitertagung in Berlin an, daß er „als Endziel die Errichtung von 'Gauwirtschaftskammern'" anstrebte, wenn auch dieses Ziel „nur schrittweise verwirklicht werden" könne. 3 0 8 Zu der für diesen Plan eintretenden Gruppierung, die von der Parteikanzlei gefördert und von Göring zumindest geduldet wurde, gehörten zu dieser Zeit auch Franz Hayler, Leiter der Reichsgruppe Handel, und sein Hauptgeschäftsführer Otto Ohlendorf, zwei hochrangige SS-Führer und Mitglieder des „Freundeskreises des Reichsführers-SS", die sich dafür keinesfalls ohne Zustimmung Himmlers engagiert haben dürften. 3 0 9 Die Gruppe der Verfechter der G W K umfaßte also im J a h r e 1941 nicht geringe, aber heterogene K r ä f t e : nämlich bedeutende Kreise der auf regionaler Ebene oft einflußreichen mittleren Bourgeoisie, besonders aus der Konsumgüterindustrie und dem Handel, unterstützt offenbar von der Masse der kleineren Unternehmer und vom Handwerk und geführt von Vertretern einflußreicher Banken, SS-Wirtschafts- und „Stände"ideologen, die sich gern als Beschützer des „gewerblichen Mittelstandes" aufspielten, führende Kreise aus dem Reichswirtschaftsministerium und, nicht zuletzt, die Parteikanzlei und die Gauleiter und Gauwirtschaftsberater der faschistischen Partei. Nach dem Scheitern der Blitzkriegsstrategie auf den Schlachtfeldern des Ostens und nach der Ernennung Speers zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition und zum G B Rüst setzte eine neue Phase der Entwicklung ein. Funk erließ in plötzlicher Eile „mit Zustimmung des Beauftragten für den Vierjahresplan, des Generalbevollmächtigten für die 305 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8937, Bl. 128, AN RWiM v. 24. 6. 1942. 306 Ebenda, Nr. 9310, Bl. 263 u. 263 R, AN RWiM üb. Besprechung üb. Kammeraufgaben am 2. 9. 1940, v. 16. 12. 1940. 307 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19 425, AN Rkzl. üb. Sitzung unter Funk am 23. 5. 1941, v. 28. 5. 1941. 308 Ebenda, RWiM, Nr. 9330, Bl. 34 u. 34 R, Rs. (Entwurf) Funks an Gauleiter, 18. 4. 1942. 309 Ebenda, Nr. 8953, Bl. 80ff., AN üb. Bespr. zwischen Pietzsch, Erdmann (beide RWK), Hayler und Ohlendorf am 28. 5. 1941 „üb. die Frage der Organisation der gewerblichen Wirtschaft", v. 10. 6. 1941.

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Reichsverwaltung und des Oberkommandos der Wehrmacht" 3 1 0 die sogenannte Grundlagen- oder „Ermächtigungs"-Verordnung vom 20. April 311 , die 1. und 2. Durchführungsverordnung gleichen Datums 3 1 2 und die 3. Durchführungsverordnung, die sogenannte Gauwirtschaftskammeraufbauverordnung (GWKAV), vom 30. Mai 1942. 313 Dies geschah so hastig, daß sogar der Leiter der Parteikanzlei, Martin Bormann, keine Möglichkeit mehr hatte, zur 1. und 2. Durchführungsverordnung vorher Stellung zu nehmen. 314 „Auch die Organisationsabteilung des Reichswirtschaftsministeriums", so vermerkte der betreffende Referent, „sei von der Entwicklung überrascht worden und hätte 8 Tage vorher noch nichts gewußt." 3 1 5 Übergangen worden waren auch der Munitionsminister und die RGI, ja selbst die Reichswirtschaftskammer. Die GWK stellte eine regionale Zwangsorganisation f ü r die „gewerbliche Wirtschaft", also für Industrie, Handel, Handwerk und Versorgungsbetriebe dar, deren Leitung eng mit der politischen Gewalt im jeweiligen NSDAP-Gau verknüpft werden sollte. Die für die GWK, besonders f ü r ihren Präsidenten, vorgesehenen Vollmachten, betreffend sowohl die Regulierung von Produktion und Verteilung als auch die Besetzung der regionalen wirtschaftspolitischen Positionen, mußten zwangsläufig mit denen der zentralen rüstungswirtschaftlichen Organe kollidieren, die unter dem neuen Munitionsminister gerade in forcierter Entwicklung begriffen waren. Funk h a t t e zwei Tage vor Erlaß der ersten Verordnungen in einem Rundschreiben an die Gauleiter noch einmal als sein Ziel erklärt, die Wirtschaftsorganisation „zu vereinfachen und in eine möglichst enge Fühlung mit der Partei zu bringen", was übereinstimme „mit Wünschen, die von der Partei schon mehrfach an mich herangetragen worden sind". 316 Gegenüber Hans-Heinrich Lammers, dem Chef der Reichskanzlei, begründete er seine Aktion anders: „Die Zusammenfassung der Wirtschaftsorganisation in der Mittelinstanz hatte sich als notwendig erwiesen, um auch hier eine Konzentration der Wirtschaft zum Zwecke der Leistungssteigerung in den Rüstungsaufgaben durchzuführen." 317 Im Reichswirtschaftsministerium war intern die Rede davon, daß „schwerwiegende politische Notwendigkeiten ein rasches Handeln des RWM veranlaßt" hätten. 3 1 8 Die gesamten Umstände deuten darauf hin, daß es sich in dieser Phase um eine überstürzte Reaktion auf den konsequent eingeschlagenen Kurs des Munitionsministers und GB Rüst handelte, der seit März dabei war, sich eine eigene, ausgedehnte „Mittelinstanz" zu schaffen. Der sich damit andeutenden Vormachtstellung des Munitionsministers und seiner „Selbstverantwortungs"-Organisation auch auf der regionalen Ebene wollten Göring, Funk, Bormann, Kreise aus dem OKW, die hauptsächlich regional organisierte Konsumgüterindustrie und bekannte Bankenvertreter (Reinhart, Carl Lüer, Kurt v. Schröder) 319 310 RGBl. 1942 I, S. 189, „Verordnung über die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Organisation der gewerblichen Wirtschaft", 20. 4. 1942. 311 Ebenda. 312 Ebenda, S. 189 (1. DVO, die eigentliche Gauwirtschaftskammerverordnung (GWKVO)) u. S. 190 (2. DVO). 313 Ebenda, S. 371 ff. 314 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9330, Bl. 189, Bormann an Funk, 1. 5. 1942. 315 Ebenda, Bl. 103 R, AN RWiM, 12. 5. 1942. 316 Ebenda, Bl. 34, Rs. (Entwurf) Funks an die Gauleiter, 18. 4. 1942. 317 Ebenda, Bl. 185, Funk an Lammers, 12. 6. 1942. 318 Ebenda, Bl. 103 R, AN RWiM, 12. 5. 1942. 319 Siehe ebenda, Nr. 9311, Bl. 203, Einladg. Reinharts als Leiter der Arbeitsgemeinschaft der IHK in der RWK (streng vertraul.) an 17 IHK-Präsidenten f. Bespr. am 22. 4., v. 9. 4. 1942.

A u s b a u des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition

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mit der Bildung der Gauwirtschaftskammern entgegenwirken. Freilich machte sich in ihrer Aktion auch die allgemeine, seit der Niederlage vor Moskau so verstärkte Tendenz zur Konzentration der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt, zur Intensivierung der kriegswirtschaftlichen Anstrengungen und zur stärkeren Verschmelzung der ökonomischen mit den politischen Potenzen des Regimes bemerkbar, aber eben in einer Weise, die für die Konkurrenz und Anarchie der kapitalistischen Produktionsweise typisch war. Die letzte Phase — die Gründung der Gauwirtschaftskammern selbst — verzögerte sich durch langwierige Verhandlungen über die näheren Ausführungsbestimmungen und über die „Mustersatzung" noch viele Monate, bis in das Jahr 1943 hinein. Die Anordnung über die Errichtung der Gauwirtschaftskammern und Wirtschaftskammern vom 16. Dezember 1942 erschien am 23. Dezember, gleichzeitig mit der Mustersatzung. 320 Im Laufe des ersten Vierteljahres 1943 konstituierten sich die meisten der neuen Kammern. Inzwischen hatte sich die Kriegslage grundlegend verändert, und die dominierende Position des Munitionsministeriums in der Kriegswirtschaft war nunmehr auch im regionalen Bereich unerschütterlich. Die Institution der GWK war, nach Bildung der Rüstungskommissionen des Reichsministers für Bewaffnung und Munition, organisatorisch mit diesen verklammert und war ihnen in ihrer Funktion eindeutig untergeordnet. Der ursprünglich geplante Reorganisationsprozeß der Kammern war durch sehr wesentliche Ausnahmeregelungen durchlöchert und in der Besetzung der Leitungsfunktionen voll und ganz auf die Bedürfnisse der um das Munitionsministerium und die RGI gruppierten Rüstungsmonopole zugeschnitten worden. Die Auseinandersetzung über die endgültige Gestalt der Reorganisation wurde seitens ihrer Kritiker in erster Linie von der RGI getragen. Minister Speer, der inzwischen seine bezirkliche Organisation unter Dach und Fach brachte, hielt sich hierbei, wahrscheinlich aus taktischen Gründen, im Hintergrund, zumal er selbst bemüht war, die Partei, besonders die Gauleiter, in sein Rüstungskonzept einzuspannen. Auf eine Aufforderung von Albert Pietzsch, dem Präsidenten der Reichswirtschaftskammer, vom 4. Mai 1942, er möge seinen Einfluß dahingehend geltend machen, „daß mit der Neuorganisation zunächst die fachliche Gliederung nicht gestört werden" dürfe, damit man „Zeit gewinnen" würde, „die Maßnahmen zu überlegen, die trotz der Neuordnung sichern, daß das Funktionieren der fachlichen Organisation ungestört bleibt" 321 , bemerkte er am Rande: „Landfried: . . . b i n uninteressiert" und überließ das Schreiben mit dieser Notiz dem Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium. 322 Immerhin spielte die Einsetzung seines zuständigen Amtschefs Schieber als zweiter stellvertretender Leiter der RGI am 23. Juni 1942 323 wohl auch in diesem Zusammenhang eine Rolle. Außerdem mag eine Intervention Speers bei Hitler dazu beigetragen haben, daß Bormann ein ausdrückliches Verbot 324 dagegen aussprach, Gauwirtschaftsberater zu Präsidenten der Gauwirtschaftskammern zu machen. Ebenda, Nr. 9818, Bl. 9 8 f f . Mustersatzung der G W K , o. D . ; DRA, 23. 12. 1942, S. l f f . Z S t A P o t s d a m , RWiM, Nr. 9330, Bl. 177. Ebenda, hs. Marg. Speers u. Schulze-Fielitz', o. D. Nachrichten des RMfBuM, Nr. 7, 20. 7. 1942, Verlautb. üb. „Zusammenarbeit zwischen Rüstungslieferungsamt und Reichsgruppe Industrie", o. D. — Datierung (23. 6.) nach Z S t A P o t s d a m , RWiM, Nr. 9074, Bl. 216, A N RWiM, 18. 7. 1942. 324 Z S t A Potsdam, RWiM, Nr. 9330, Bl. 192, F S Bormanns an Funk, 2 7 . 5 . 1 9 4 2 ; ebenda, B l . 193, R s . Bormanns an die Gauleiter, o. D. (dieses Rs. scheint erst a m 7. 8. 1942 als Rundverfgg. d. Parteikanzlei üb. „Trennung in der Führung von Ämtern der Partei und des S t a a t e s " erschienen zu sein; ebenda, F S , Film 381). 320 321 322 323

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Am 11. J u n i intervenierte Zangen im Namen des Engeren Beirats der RGI gegen die „neue Entwicklung in der Organisation der gewerblichen W i r t s c h a f t " ; der Engere Beirat stehe, so telegrafierte er an F u n k , „einstimmig auf dem Standpunkt, daß die eingeleiteten Maßnahmen der Bedeutung und den Bedürfnissen der Industrie nicht entsprochen und die Durchführung der ihr gestellten Aufgaben insbesondere in der heutigen Zeit gefährden". 3 2 5 Er wünschte eine Aussprache über die Ausführung der erlassenen Verordnungen, vor allem über das zu erwartende Musterstatut, dessen erster Entwurf bereits vorlag. Daraufhin fanden ausführliche Besprechungen zwischen Landfried und Zangen statt, nach denen auf dem erwähnten Telegramm Zangens vermerkt wurde: „Die Wünsche der Reichsgruppe Industrie sind in der Satzung erfüllt (dieses Wort wurde nachträglich gestrichen — D. E.) zum großen Teil erfüllt. Gegen die Satzung in der gegenwärtigen Form sind von Herrn Zangen keine Einwendungen erhoben worden." 3 2 6 Der zweite Entwurf der Mustersatzung vom 1. J u l i 3 2 7 w a r dann bereits „das Endergebnis der Besprechungen m i t der RGI und den Herren des Munitionsministers". 3 2 8 Die hauptsächlichen Streitpunkte, u m die es ging, waren die Unterordnung der bezirklichen Gruppen der Wirtschaftsgruppen unter die Gauwirtschaftskammern — solche Bezirksgruppen bestanden bei den Wirtschaftsgruppen Bergbau, Eisen schaffende Industrie, Bauindustrie und anderen — und die personelle Besetzung der leitenden Positionen der Gauwirtschaftskammern. 3 2 9 In beiden Punkten setzte sich die RGI weitgehend durch. Hierbei spielte eine wesentliche Rolle, daß die Veränderung der Kriegslage dem Apparat des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition zur beherrschenden Position in der Kriegswirtschaft verhalf und vieles von den ursprünglich mit den Gauwirtschaftskammern verfolgten Absichten hinfällig werden ließ. Die Präsidenten- und Vizepräsidentenposten der 42 Gauwirtschaftskammern und der 17 Wirtschaftskammern — nach F u n k „vom Vertrauen der P a r t e i getragene führende Wirtschaftspersönlichkeiten" 3 3 0 — waren schließlich zu etwa 80 Prozent mit unmittelbaren Repräsentanten der Monopole besetzt. Sehr häufig war der Präsident einer bisherigen I H K Präsident der Gauwirtschaftskammer geworden. Die Leiter der Industrieabteilungen, etwa zum gleichen Prozentsatz Monopolvertreter, besonders aus Rüstungskonzernen, waren zugleich Vizepräsidenten der Gauwirtschaftskammern. Nach längerem Hin und Her waren solche Wirtschaftsgruppen, die eine besondere bezirkliche Gliederung hatten, ganz oder teilweise von den Regelungen der Paragraphen 2 Abs. 2 der GWKVO und der Paragraphen 6, 7 Abs. 1 und 2, und 14 der GWKAV ausgenommen worden, nach denen solche bezirklichen Gliederungen, also beispielsweise die Bezirksgruppen der Wirtschaftsgruppen Bergbau und Eisen schaffende Industrie, in die G W K bzw. Wirtschaftskammern einzugliedern waren, ihre Bezirksgrenzen m i t den Gaugrenzen in Übereinstimmung zu bringen, ihre Leiter und Geschäftsführer vom Präsidenten der GWK ernennen und ihre Haushaltspläne von ihm genehmigen zu lassen hatten. Derartige „Ausnahme"regelungen betrafen besonders die Wirtschaftsgruppe Bergbau und die Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, aber auch die Wirtschaftsgruppen B a u 325 326 327 328 329

RWiM, Nr. 9074, Bl. 214f. (Original). Ebenda, Nr. 9330, BI. 230, hs. Marg. (RWiM), 30. 6. 1942. Ebenda, Bl. 235 ff. Ebenda, Bl. 239, AN RWiM, 1. 7. 1942. Siehe die Zusammenfassung dieser Punkte ebenda, Nr. 9074, Bl. 252, 252 R, Rs. Zangens, 9. 9. 1942. 330 Rede Funks am 15. 5. 1943, zit. nach DZW, Bd. 3, S. 233f., s. a. Neumann, S. 450ff. u. S. 626.

Ausbau des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition Tabelle 12 Präsidenten der Gauwirtschaftskammern (Stand 1943; Auswahl)

und

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Wirtschaftskammern

Name

Firma bzw. Konzernzugehörigkeit

1. Gauwirtschaftskammer 2. Wirtschaftskammer

Eugen Vogler Moritz Klönne Nachfolger (1944): Otto Make

Hochtief AG August Klönne, Dortmund

1. Essen Westfalen-Süd

Otto Berve Philipp v. Schoeller Carl Löer Kurt v. Schröder * Ewald Hecker Herbert Sedlaczek Albert Pietzsch Wilhelm Wohlfahrt Erich Faust Reinhold Thiel Wilhelm Zschintzsch Jens Juhl Strube Robert Eisenmeier Heinrich Hunke Anton Kiesewetter

Johann W. Welker Nachfolger (1944): Heinrich Kost Ilans Croon Theodor Kaselowski Carl Wurster Werner Stöhr Alois Meyer Hermann Röchling

Bochumer Verein (Vereinigte Stahlwerke) Schaffgotsch Schoeller & Bleckmann Stahlwerke AG (Vereinigte Stahlwerke) Dresdner Bank/Opel Bankhaus I. H. Stein & Co. Ilseder Hütte Otto Wolff/Oberhütten Zeiss Ikon AG Flick-Konzern Gebr. Thiel GmbH, Ruhla Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG J . P. Bemberg AG, Augsburg Deutsche Bank; vorher GWB Berlin Kreditanstalt der Deutschen, Reichenberg

Oberschlesien Wien Rhein-Main Köln — Aachen Hannover — Braunschweig Magdeburg — Anhalt München/Oberbayern (kommissar.) Sachsen Moselland Thüringen Mark Brandenburg Mainfranken Schwaben Berlin Sudetenland

Haniel- Konzern

2. Duisburg

Vereinigte Stahlwerke G. II. & J. Croon Oetker- Konzern IG Farben Leipziger Wollkämmerei AG Arbed- Konzern Röchling'sche Eisen- u. Stahlwerke GmbH

Aachen Bielefeld Ludwigshafen Leipzig Luxemburg Metz

* Als Gauwirtschaftsberater „beurlaubt" Quelle: ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9827, Bl. 16 f., „Wirtschaftlicher Sonderdienst", Nr. 2, v. 7.1.1943; National-Zeitung, Essen, 31.3.1943; ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9818, Bl. 116ff. Aufstellg. o. D. (1944).

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

industrie, Steine und Erden, Keramische Industrie, Bekleidungsindustrie und Zuckerindustrie. 331 Schließlich bestimmte das GWK-Musterstatut für alle bezirklichen Gliederungen, daß nur ihre Geschäftsführer, nicht aber ihre Leiter vom Präsidenten der GWK anzustellen und zu entlassen waren. 332 Das Resultat der Bildung von Gauwirtschaftskammern, die in der Propaganda des Regimes unter Losungen wie „Näher an die Partei!" und „Verstraffte Organisation der gewerblichen Wirtschaft" mit großen Vorschußlorbeeren bedacht worden war, blieb alles in allem dürftig. Die Vollmachten der zentralen Rüstungsinstanzen wurden in keiner Weise eingeschränkt. Die Macht der Gauleiter wurde durch die Zusammenfassung der regionalen Wirtschaftsinteressen ihres Gebietes zwar gestärkt; dieser Machtzuwachs kam aber wegen der zunehmenden strukturellen und institutionellen Schwäche jener Interessen und wegen des faktischen Ausschlusses der Parteiinstanzen von der Führung der Gauwirtschaftskammern nicht recht zum Tragen. Im Gegenteil, allem Anschein nach trug die Institution der GWK, so wie sie nun Gestalt angenommen hatte, eher zur Stärkung der Mittelinstanz des Reichsministers für Bewaffnung und Munition bei, der sie dort — im Rahmen der Rüstungskommissionen — bereits fest verankert hatte. Haßmann beklagte sich am 22. September 1942 bei der Parteikanzlei bitter darüber, „daß die Wochen der Unklarheit und Unentschlossenheit von vielen Gegnern der Neuordnung innerhalb und außerhalb der Wirtschaftsorganisation dazu benutzt wurden, um die vorhandenen natürlichen Schwierigkeiten zu steigern und die Gauwirtschaftskammern von vornherein mit Spannungen zu belasten, die ihre Errichtung und ihre weitere Arbeit erschweren". 333 Er stellte bedauernd fest, „daß der von uns vorgelegte, einfache und klare Gedanke der Gauwirtschaftskammer durch Dazwischentreten einseitig orientierter Interessengruppen allmählich verklausuliert wird und sich damit immer weiter von unserer ursprünglichen Konzeption entfernt". 334 Im Verhältnis zu der gewaltigen Rüstungsorganisation des Munitionsministeriums auf zentraler und regionaler Ebene hatte der Einfluß der Gauleiter zweifellos ab- und nicht zugenommen. Doch mit der Ernennung aller Gauleiter zu Reichsverteidigungskommissaren im November 1942 hatte sich ihre Position in der Wirtschaftspolitik immerhin gefestigt; so mußten sie in der folgenden Zeit des „Totalen Krieges" von Monopolen und zentralen Rüstungsinstanzen als ein für die Intensivierung und weitere Zentralisierung der Rüstung und Kriegsproduktion in der Regel hemmender Faktor in Betracht gezogen werden. 4. Veränderungen in F u n k t i o n u n d S t r u k t u r des Regulierungsmechanismus in der Kriegswirtschaft „Der Winterfeldzug hat die Augen dafür geöffnet", so schrieb „Der Deutsche Volkswirt" am 30. Januar 1942, „daß . . . die äußersten militärischen und wirtschaftlichen Anstrengungen verlangt werden." 335 Die Erkenntnis, daß die Blitzkriegsstrategie gescheitert war, 331 Siehe die diesbezüglichen Vorgänge in ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9080, 9081, 9106, 9115, 9119, 9159, 9168. 332 Ebenda, Nr. 9818, Bl. 98ff. (§ 22). 333 Ebenda, Nr. 9821, Bl. 342, Haßmann (RWiM) an Mittag (Pkzl.), 22. 9. 1942. 334 Ebenda, Bl. 343. 335 Der Deutsche Volkswirt, Jg. 16 (1941/42), Nr. 18, 30. 1. 1942.

Veränderungen des Regulierungsmechanismus in der Kriegswirtschaft

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löste, wie beschrieben, grundlegende Änderungen im kriegswirtschaftlichen Konzept u n d in •der staatsmonopolistischen Organisation der Kriegswirtschaft aus. Schon im Dezember 1941 u n t e r der Ägide der Rüstungsgewaltigen selbst in Angriff genommen, d r ä n g t e n sich jene wesentlichsten Veränderungen im staatsmonopolistischen Mechanismus der Kriegswirtschaft in einer verhältnismäßig kurzen Zeitspanne zusammen — von F e b r u a r bis April/Mai 1942 —, die eine neue Kräftekonstellation in diesem Mechanism u s bewirkten u n d sein G r u n d m u s t e r schufen, das, wenn auch in der folgenden Zeit noch vielfältig ausgebaut, bis gegen Kriegsende fortexistierte. Der d a m i t erreichte S t a n d in der E n t w i c k l u n g des staatsmonopolistischen Kapitalismus übertraf bei weitem denjenigen des ersten Weltkrieges. Das Reichsministerium f ü r Bew a f f n u n g u n d Munition u n t e r T o d t ging als selbständiges, „ziviles" Ministerium im zentralisierten faschistischen S t a a t schon in seinen Anfängen sowohl in seiner staatsmonopolistischen S t r u k t u r als auch in seiner Durchschlagskraft weit ü b e r das Waffen- u n d Munitionsbeschaffungsamt des preußischen Kriegsministeriums ( W u m b a ) hinaus. Von A n f a n g an wurde der Weg vermieden, der im ersten Weltkrieg m i t den Kriegs(rohstoff)gesellschaften (Kriegs-Aktiengesellschaften u n d Kriegsgesellschaften m b H ) eingeschlagen •worden war. Wahrscheinlich spielten hierbei die himmelschreienden Profit- u n d Korruptionspraktiken dieser Gesellschaften eine Rolle, mit denen sie sich seinerzeit in der Öffentlichkeit stark diskreditiert h a t t e n . Es setzte sich im J a h r e 1942 eine neue, weitgehend in sich geschlossene Organisationsform •des staatsmonopolistischen Kapitalismus durch, die sich grundlegend von den staatsmonopolistischen S t r u k t u r e n aus der Zeit des ersten Weltkrieges ( K r i e g s a m t ; W u m b a ; Kriegsrohstoffabteilung u n d Kriegsgesellschaften) 3 3 6 unterschied. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale 3 3 7 waren — die weitgehende Verdrängung der W e h r m a c h t f ü h r u n g a u s d e m Beschaffungswesen u n d der Übergang der vollen, u n b e s t r i t t e n e n Regulierungsgewalt auf d a s „zivile" Munitionsministerium, — die zentrale Regulierung u n d planmäßige Leitung der P r o d u k t i o n von W a f f e n , Munition u n d Kriegsgerät (zunächst f ü r das Heer) in den Ausschüssen u n d Ringen durch die f ü h r e n d e n P r o d u z e n t e n (Rüstungsmonopole) selber, im A u f t r a g u n d m i t Vollmacht dieses Ministeriums, — die zentrale Regulierung einer m a s s e n h a f t e n Z u f ü h r u n g von Zwangsarbeitern aus den faschistisch besetzten Gebieten E u r o p a s f ü r die deutsche Kriegswirtschaft, — die bindende Verteilung des G e s a m t a u f k o m m e n s a m „Leitrohstoff" Eisen u n d an anderen Rohstoffen d u r c h die vom Munitionsministerium beherrschte Zentrale Planung, als deren Organe de f a c t o die R V K u n d die R V E sowie der GBA fungierten. Das neue Organisationssystem schloß E n d e 1942 bereits weitgehend auch die vom d e u t schen Imperialismus okkupierten L ä n d e r u n d Gebiete ein. 336 Hierzu Deutschland im ersten Weltkrieg. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Fritz Klein, 3 Bde., Berlin 1968, 1969; Schröter, Alfred, Krieg - Staat - Monopol 1914-1918. Die Zusammenhänge von imperialistischer Kriegswirtschaft, Militarisierung der Volkswirtschaft und staatsmonopolistischem Kapitalismus in Deutschland während des ersten Weltkrieges, Berlin 1965; Feldman, Gerald D., Army, Industry, and Labor in Germany, 1914—1918, Princeton 1966. 337 Vgl. auch Chmelnizkaja, J. L., Die Entwicklung des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland während des zweiten Weltkrieges, in Der deutsche Kapitalismus und der zweite Weltkrieg, Bd. 3, Berlin 1962, S. 205 f.

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

Schließlich fußte dieser umfassend errichtete staatsmonopolistische Kriegskapitalismus auf ganz anderen innenpolitischen Voraussetzungen als in der Zeit des ersten Weltkrieges. E r stützte sich voll auf das Kriegsrecht, auf den barbarischen Terror gegen das Volk und auf die faschistische Massenmanipulierung. Der Kern der Reorganisation des kriegswirtschaftlichen Apparats bestand in zweierlei: Erstens wurde der seit langem geforderte Vorrang für die Rüstungsproduktion durchgesetzt, das Reichsministerium für Rewaffnung und Munition dementsprechend zur zentralen rüstungs wirtschaftlichen Exekutive ausgebaut und auf Kosten anderer kriegswirtschaftlicher Institutionen mit außerordentlicher, vorrangiger Regulierungsgewalt ausgestattet. Zweitens wurde das System der Ausschüsse und Ringe in der Rüstungsproduktion zu einem entscheidenden, bis in den letzten Rüstungsbetrieb produktionsregulierend wirksamen Instrument umgeformt, das unmittelbar von Hunderten exponierten Repräsentanten und Experten der führenden Rüstungsunternehmen gelenkt und beherrscht wurde. Die Stärkung der ministeriellen Exekutive war im erreichten Ausmaß nicht denkbar ohne direkte Unterstützung und Entscheidung Hitlers. Speers Rückhalt bei Hitler war so unerschütterlich, seine Bindung zu ihm so eng wie die keines anderen Ministers. Worüber Hitler aber entschied — darin war er in einem gleichfalls außergewöhnlich hohen Maß von den Vorstellungen, Vorschlägen und Vorlagen des Munitionsministers abhängig. Dieser wiederum handelte voll und ganz nach dem Konzept der Creme des deutschen Finanzkapitals, die ihn stützte und beriet. Speer konnte sein Konzept nur verwirklichen, wenn es ihm gelang, die zwei einflußreichsten Institutionen der Kriegswirtschaftspolitik, nämlich Göring als Beauftragten für den Vierjahresplan und die Wehrmachtführung, zu entmachten und ihre Kompetenzen auf sich zu vereinigen. Das glückte mit massiver Hilfe Hitlers, wenn auch nicht vollständig (Waffenämter der Wehrmachtteile; G B Chemie) und nicht ohne Kompromisse (GBA; besetzte Gebiete). Der Munitionsminister brachte darüber hinaus wichtige Positionen im bisherigen Bereich des Reichswirtschaftsm in isters und des Reichsverkehrsministers unter seine Kontrolle. Dieser Zentralisierungsprozeß war ein Ausdruck dafür, daß die militärische Niederlage des Winters 1941/42 und der drohende Zermürbungskrieg die traditionellen Gegensätze zwischen den Monopolgruppierungen und entsprechende politische Gegensätze innerhalb der herrschenden Klasse in dieser Phase des Krieges eher abschwächten als verschärften. Vorherrschend waren anscheinend in der behandelten Zeit die Nivellierung von Gegensätzen und eine weitgehende Übereinstimmung in den taktischen und strategischen Standpunkten. Hinter das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition, das nun zum zentralen Bestandteil des militärisch-industriellen Komplexes und zur wichtigsten staatlichen Kommandostelle des deutschen Finanzkapitals geworden war, stellten sich alle maßgeblichen Rüstungskonzerne, voran die Montankonzerne — unter diesen wieder an erster Stelle die Vereinigten Stahlwerke — und die Elektrokonzerne. Eng mit ihm verbunden, aber in einer relativ selbständigen Position, zählte auch der IG-Farben-Konzern zu den um das Ministerium gruppierten Kräften. Die genannten führenden Kreise des Monopolkapitals hielten sich nun nicht mehr im Hintergrund, sondern nahmen in dem System der Ausschüsse und Ringe alle maßgeblichen Positionen ein. Die Ausschüsse und Ringe nannten sich „Selbstverantwortungs"organe der Rüstungsindustrie, firmierten aber ausdrücklich als Dienststellen des Reichsministers für Bewaffnung und Munition und übten behördliche Gewalt aus. Hinter diesem terminologischen Widerspruch verbarg sich ein Novum in der Entwicklung des slaatsmono-

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polistischen K a p i t a l i s m u s : Es h a n d e l t e sich n i c h t einfach n u r u m eine besonders intensive F o r m der Verschmelzung von Monopol- und S t a a t s m a c h t , sondern u m eine staatliche P r o d u k t i o n s d i k t a t u r von Industriellen ü b e r weite Bereiche der I n d u s t r i e ; denn die Leiter d e r Ausschüsse u n d Ringe h a t t e n die Befugnis selbständiger, alleiniger Entscheidung in allen Fragen des ihnen u n t e r s t e h e n d e n Bereichs. 3 3 8 E b e n das war es, was den Zeitgenossen „fast einer Revolution gleichzukommen" 3 3 9 schien. Zumpe stellt fest: „ D a s Wesentlichste a n dieser neuen S t r u k t u r bestand darin, d a ß d a m i t faktisch die Grenzen des Kapitaleigent u m s aufgehoben w u r d e n . " 3 4 0 Hinzuzufügen ist dem selbstverständlich, d a ß diese F o r m staatsmonopolistischer Regulierung genau so wenig wie ihre andersgearteten u n d weitaus b e s c h r ä n k t e r e n F o r m e n im ersten Weltkrieg zu einer Änderung der grundlegenden P r o d u k t i o n s - u n d Eigentumsverhältnisse f ü h r t e , sondern im Gegenteil zu ihrer Festigung u n d Ausdehnung dienen sollte. Eine maßgeschneiderte gesetzliche Grundlage f ü r diese D i k t a t u r der Rüstungsgewaltigen lag in Gestalt der von Speer selbst entworfenen „Verordnung des Führers zum Schutze der R ü s t u n g s w i r t s c h a f t " v o m 21. März 1942 vor.3'*1 Sie b e d r o h t e alle Verstöße von Betrieben u n d Dienststellen, auch militärischen, gegen r ü s t u n g s wirtschaftliche Verordnungen u n d Vorschriften, besonders falsche Angaben über Arbeitskräftebedarf u n d H o r t u n g von Rohstoffen, m i t S t r a f v e r f a h r e n vor d e m Volksgerichtshof bzw. dem Reichskriegsgericht. Charakteristisch f ü r die Verordnung war die ausschließliche Bevollmächtigung des Munitionsministers, solche Verfahren zu b e a n t r a g e n : „Die Strafverfolgung t r i t t n u r auf Verlangen des Reichsministers f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition ein, der gleichzeitig als Generalbevollmächtigter f ü r R ü s t u n g s a u f g a b e n im Vierjahresplan h a n d e l t . " 3 4 2 Zu allem Überfluß bestellte Speer bei Hitler zum gleichen D a t u m noch ein Schreiben an die „ B e t r i e b s f ü h r e r " der R ü s t m i g s w i r t s c h a f t , in dem der „ F ü h r e r " die U n t e r n e h m e r seines „Vertrauens" versicherte, daß sie „auch ohne ständige Beaufsichtigung" die kriegswirtschaftlichen Interessen des Reiches als ihre eigenen b e t r a c h t e n würden. 3 4 3 Wie zu seiner Entschuldigung 338 Vordergründig und nicht exakt ist die These von Mottek/Becker/Schröter (Mottek, Hans/ Becker, Walter/Schröter, Alfred, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Ein Grundriß, Bd. 3, Berlin 1974), S. 338: „Diese Art der unmittelbaren Leitung der Rüstungsindustrie war im Grunde nur die Fortsetzung jener Methode, die schon vor dem Kriege in den sogenannten Wirtschaftsgruppen mit ihren Fachgruppen geübt worden war." 339 ZStA Potsdam, FS, Film 5675, Ausarb. von Chef Rü (WewiAmt), Oberst Neef, üb. „Ausschüsse und Ringe", 26. 10. 1942. 340 Zumpe, Lotte, Wirtschaft und Staat in Deutschland 1933 bis 1945. Mit einem Kapitel von Berthold Puchert ( = Wirtschaft und Staat in Deutschland. Eine Wirtschaftsgeschichte des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1945 in drei Bänden. Hrsg. von Helga Nussbaum und Lotte Zumpe, Bd. 3), Berlin 1980, S. 429. Einschrankend muß gesagt werden, daß die Aufhebung der Grenzen des Kapitaleigentums natürlich keine absolute war, sondern sich auf wichtige Bereiche der Kapitalcer/iigung bezog (Belegung mit Aufträgen, Versorgung mit Rohstoffen und Arbeitskräften, Rationalisierung, Umstellung der Produktion, Investitionen). 341 RGBl. 1942 I, S. 165 (erst am 9. 4. veröffentlicht und seit 11. 4. in Kraft). 342 Ebenda (III, 2). 343 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19 467, Rs. RMfBuM v. 25.3. 1942 (enthält Schreiben Hitlers an die „Betriebsführer der Rüstung" v. 21. 3. 1942); gedr. in Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte. Hrsg. u. Bearb. Herbert Michaelis/Ernst Schraepler unt. Mitwirkg. v. Günter Scheel, Bd. 19, S. 15 ff.

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begründete Hitler damit die genannte Verordnung, die dazu diente, eventuell abweichende Einzelinteressen von Unternehmen dem Gesamtinteresse des deutschen Monopolkapitals, so wie es sich seinen führenden Vertretern darstellte, unterzuordnen. Die Produktionsdiktatur der Rüstungskonzerne hatte nicht das geringste zu tun mit der von der reaktionären Apologetik strapazierten Legende von der Diktatur der Partei oder des faschistischen Staates über die Industrie bzw. über die „Wirtschaft". 344 In Wirklichkeit stammte das Konzept für die „Selbstverantwortung" der Industrie von den Monopolgewaltigen selbst und wurde von den gleichen Kreisen des Monopolkapitals — Persönlichkeiten wie Vogler, Zangen, Bücher und Rohland —, die es im Jahre 1940 aus der Taufe gehoben hatten, seit der Jahreswende 1941/42 zu neuen Maßstäben und zu neuer Wirkungsqualität ausgebaut. Die „Chronik", die im Speer-Ministerium geführt wurde, wies die wöchentlichen, ja täglichen Kontakte des Ministers mit den maßgebenden Repräsentanten des Monopolkapitals aus. 345 Nach dem Kriege schilderte Speer seine Methode: Als „Laie" habe er sich „nach guten Fachleuten umgesehen" und „aus der Industrie selbst diejenigen, die mir als beste bezeichnet wurden, herausgeholt und mit diktatorischen Vollmachten über ihren Fertigungskreis versehen". 346 Einen stark apologetischen Einschlag hat in diesem Zusammenhang die von Todt und Speer selbst aufgebrachte und in der bürgerlichen Geschichtsschreibung kolportierte Behauptung, „Ingenieure" und „Techniker" seien die hauptsächlichen Stützen des Systems der „Selbstverantwortung" gewesen.347 Damit gerät die entscheidende Rolle der Spitzenrepräsentanten der Rüstungskonzerne -r Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzender und -mitglieder bzw. Generaldirektoren und Direktoren — als Leiter der Hauptausschüsse 344 Extreme Apologie in dieser für die historisch-politische Erkenntnis entscheidenden Frage betreiben beispielsweise der unbelehrbare Treue [Treue, Wilhelm, Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, Bd. 2: 20. Jahrhundert, Stuttgart 1973) und Kannapin in seinem schon im Titel programmatischen Machwerk ( K a n n a p i n , Hans-Eckart, Wirtschaft unter Zwang, Köln 1966). Doch auch Milward, der es besser wissen müßte, vertritt ähnlich fragwürdige Auffassungen: „Die NSDAP nahm eine klare Machtposition über der der Unternehmens- und Industrieverbände ein, und trotz ihrer oft engen Verbindung zu ihnen konnte sie ihnen in Konfliktfällen ihren Willen aufzwingen und tat es auch." (Milward, Alan S., Der Zweite Weltkrieg. Krieg, Wirtschaft und Gesellschaft 1939-1945, München 1977, S. 370f.). Siehe auch neuerdings Milwards These betr. „the party control exercised Over the business world" und deren „loss of the capacity to make independent decisions" (derselbe, Towards a Political Economy of Fascism, in Who Were the Fascists. Social Roots of European Fascism. Hrsg. von Stein Ugelvik Larsen, Bernt Hagtvet u. J a n Petter Myklebust, Bergen/Oslo/Troms0 1980, S. 59). Insgesamt sind die Äußerungen der bürgerlichen Autoren zu dieser Frage seit den 50er und 60er Jahren angesichts der von Marxisten vorgelegten Analysen und Dokumente zurückhaltender und differenzierter geworden (s. z. B. den Literaturbericht von Saage, Richard, Zum Verhältnis von Nationalsozialismus und Industrie, in Aus Politik und Zeitgeschichte, B 9/1975, S. 17 ff.; mit diskussionswürdigem theoretischem Ansatz und bemerkenswerten politischen Einsichten neuerdings Volkmann, Hans-Erich, Zum Verhältnis von Großwirtschaft und NS-Regime im Zweiten Weltkrieg, in Zweiter Weltkrieg und sozialer Wandel. Achsenmächte und besetzte Länder. Hrsg. v. Waclaw Dlugoborski, Göttingen 1981, S. 87ff. (93 ff.)). 345 Die „Chronik der Dienststellen des Reichsministers Albert Speer" (vorher: „des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt") besteht aus mehreren maschinenschriftlichen (Halb-) Jahresbänden (auf Mikrofilm in ZStA Potsdam, FS, Film 42948). 346 Ebenda, Film 3568, Vernehmg. Speers („Besprechung am 17. 5. 1945"). 347 So (zumindest mißverständlich) Janssen, S. 46.

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und Sonderausschüsse bzw. -ringe leicht aus dem Blickfeld. Die unreale Konstruktion einer eigentums- und demzufolge klassenneutralen technischen Intelligenz, die ihre berufsständischen Erfahrungen (Arbeitsgemeinschaften, Ausschüsse usw.) teils freiwillig, teils auf Befehl in die faschistische Rüstungsorganisation eingebracht hätte, verficht am penetrantesten Karl-Heinz Ludwig. Ihm zufolge hat Hitler 1940 „die weitere Organisation der Kriegsrüstung den Ingenieuren überlassen". 3 4 8 Diese These wird ausgebaut: Unter T o d t „griffen die Ingenieure mit dem Ausschußsystem einfach auf bestimmte Formen der 'technischen Gemeinschaftsarbeit' zurück . . . , die zum Wesen idealtypischer Ingenieurtätigkeit gehört". 3 4 9 Seine technozentrische Konzeption von der omnipotenten, aber politisch unerfahrenen bzw., irregeleiteten technischen Intelligenz dient Ludwig zu vielschichtiger Apologetik. Gegenüber der These von der „ F ü h r u n g " der Rüstungsorganisation durch „Techniker" und „Ingenieure" hat Weyres auf die Quellen verwiesen; diese „widerlegen die These von der nur technischen Ausrichtung der Speerschen Organe vollends". 3 5 0 Neumann hat bereits 1944 angesichts ähnlicher Behauptungen auf eine von Wilhelm Zangen selber angeregte Untersuchung aufmerksam gemacht, nach der „sich die 143 Vorstandsmitglieder von 35 Industriegesellschaften im Ruhrgebiet wie folgt zusammensetzten: 85 Techniker, 47 Kaufleute und 11 Juristen. Daraus geht hervor, daß Ingenieure in den Vorständen der deutschen Industrieunternehmen nach wie vor überwiegen, und zwar deshalb, weil die erste Generation der Kapitalisten stets eher darauf bedacht ist, ihren Söhnen eine technische, statt eine kaufmännische Ausbildung zu geben. Viele dieser Männer sitzen nun in den Ausschüssen und R i n g e n . " 3 5 1 „Ingenieure" oder „Techniker" — das waren freilich Albert Vogler, wohl der maßgebendste unter den Schöpfern des „Selbstverantwortungs"Systems, Rohland, Lüschen und Krauch ebenso wie ein beliebiger untergeordneter Rationalisierungsfachmann in einem beliebigen Sonderausschuß! Die Tatsachen schlagen ferner allen Versuchen rechter wie „linker" bürgerlicher Geschichtsinterpreten ins Gesicht, die Wirtschaft unter dem Faschismus und besonders die Kriegswirtschaft als etwas Nichtkapitalistisches und sogar Antikapitalistisches, als eine „Politische Ökonomie des Faschismus" 3 5 2 oder ähnliches hinzustellen. E s handelte sich in Wahrheit um nichts anderes als um eine ordinäre, allerdings besonders radikale und brutale, nämlich auf den faschistischen Gewaltapparat gestützte Monopolherrschaft. Die neue Q u a l i t ä t ihrer staatsmonopolistischen Organisation und Struktur zeugte von einer besonders hohen Geschlossenheit und Entschlossenheit des Kerns der herrschenden Klasse, hinter der seit der Niederlage vor Moskau d a s Gespenst einer drohenden militärischen und politischen Katastrophe stand. Als das Regime sich infolge der Kriegslage zu kriegswirtschaftlichen Maßnahmen von extremer Konsequenz gedrängt sah, waren es gerade die führenden Vertreter des Finanzkapitals, voran die Rüstungskonzerne, von denen die Initiative zu solchen Maßnahmen ausging. Klar war, daß es rigoroser Eingriffe in den Reproduktionsprozeß bedurfte, u m die Volkswirtschaft gründlich auf einen langen und schweren Krieg umzustellen. Wie stets, mußte eine durchgreifende staatsmonopolistische Regulierung auch diesmal eine umfas348 349 350 351 352

Ludwig, Technik, S. 350. Ebenda, S. 352, S. 360. Weyres-v. Levetzow, S. 212 f. Für die Amtszeit Todts gilt das gleiche (s. Band I, S. 113ff.). Neumann, S. 620 f. So — schon im Titel — bei Milward, Towards a Political Economy of Fascism (S. 56).

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sende Profitregulierung mit sich bringen und damit die Einzel- und Gruppeninteressen breiter Kreise der Bourgeoisie tangieren. Die öffentliche Regulierung des Reproduktionsprozesses stellt deswegen bei weitem nicht das Ideal der Kapitalistenklasse dar. Prinzipiell gilt nach wie vor, was Lenin schrieb: „Alle Gewohnheiten u n d Traditionen der Bourgeoisie überhaupt u n d der Kleinbourgeoisie im besonderen sind . . . gegen die staatliche Kontrolle, für die Unantastbarkeit des 'heiligen Privateigentums', des 'heiligen' Privatunternehmens." 3 5 3 Das gilt auch für die Monopolbourgeoisie. „Die Geschichte zeigt", schreibt Helga Nussbaum, „daß das Monopolkapital Versuchen zur staatlichen Regulierung des Reproduktionsprozesses immer erneut — und zwar bis heute — Widerstand entgegensetzte." 3 5 4 Das tendenzielle Mißtrauen gegen staatliche Bevormundung und gegen Verfügungsbeschränkungen f ü r das Privateigentum an den Produktionsmitteln wohnt dem Kapital auch bei entwickeltem staatsmonopolistischem Kapitalismus inne — freilich dem kleinen und mittleren Kapital mehr und mit größerer Berechtigung als dem großen. 355 Die radikale Reorganisation des staatsmonopolistischen Mechanismus der deutschen Kriegswirtschaft, deren Höhepunkt und Wendepunkt das J a h r 1942 darstellte, 3 5 6 setzte sich nur deshalb durch und erwies sich nur aus dem Grunde als vergleichsweise sehr effektiv, weil sie von den Rüstungsmonopolen selbst gesteuert und durchgeführt wurde. Diese engagierten sich dabei überhaupt nur unter der Voraussetzung und Bedingung, daß sie die staatsmonopolistischen Eingriffe in eigener Regie vornahmen und ihren Umfang unter Kontrolle behielten. Minister Speer gab später, in seiner programmatischen Rede vom 9. J u n i 1944, eine Art theoretischer „Begründung" f ü r das unter seiner Leitung geschaffene Regulierungssystem in der Kriegswirtschaft: „Die Durchführung umfassender industrieller Aufgaben kann nur von Männern gelenkt werden, die aus der Industrie selbst hervorgegangen sind." Und noch deutlicher: „Scharfe Weisungen in der Industrie sind nur dann untragbar, wenn sie von industriefremden Stellen veranlaßt werden." 3 5 7 Bei allen Rüstungserfolgen des Jahres 1942 und der folgenden Zeit, deren sich die Initiatoren der Reorganisation ausgiebig rühmten, blieb diese jedoch vorerst und noch für lange Zeit weithin Stückwerk und funktionierte trotz großen bürokratischen Aufwands unvollkommen genug. Die völlige Unterordnung der wirtschaftlichen Einzel- und Gruppeninteressen unter das imperialistische Gesamtinteresse gelang ebensowenig, wie dieses 353 Lenin, W. / . , Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht (1918), in derselbe, Werke, Bd. 27, Berlin 1960, S. 244. 354 Baudis, Dieter/Nussbaum, Helga, Wirtschaft und Staat in Deutschland v o m Ende des 19. Jahrhunderts bis 1918/19 ( = Wirtschaft und Staat in Deutschland, 3 Bde. Hrsg. v o n Helga Nussbaum und Lotte Zumpe, Bd. 1), Berlin 1978, S. 118. 355 Auch die führenden Repräsentanten des Monopolkapitals legten Wert darauf, sich immer wieder die Loyalität des Regimes gegenüber der Privat- und Monopolwirtschaft versichern zu lassen. Solche Versicherungen gab gerade Hitler wiederholt ab. 356 Allerdings fand kein plötzlicher Umbruch in der kriegswirtschaftlichen Entwicklung statt. Radkau macht mit Recht geltend, daß die „Totalisierung" der Kriegswirtschaft unter Speer „durchaus nicht in diametralem Gegensatz zu der Wirtschaft des Blitzkrieges" stand {Hallgarten/Iiadkau, S. 423); die „Durchsetzung der zentral geleiteten Kriegswirtschaft" war von Kriegsanfang an eine Forderung der „Großindustrie" (ebenda, S. 422). Der Vier jahresplan (Reichsamt für Wirtschaftsausbau), das Munitionsministerium (unter Todt), die Reichsvereinigung Kohle usw. waren verschiedene Ansätze und Experimentierfelder hierfür gewesen. 357 Anatomie des Krieges, S. 449 u. S. 451, Dok. 250, Rede Speers vor Industriellen (Essen), 9. 6. 1944.

Veränderungen des Regulierungsmechanismus in der Kriegswirtschaft

111

exakt und einhellig zu bestimmen war. Die gesamtwirtschaftlichen Voraussetzungen und Folgen der regulierenden Eingriffe in den Reproduktionsprozeß, die vom Rüstungssektor aus geschahen, waren — ganz abgesehen von den politischen — für ihre Urheber nur in den seltensten Fällen zu übersehen, geschweige denn zu planen. Die Produktions- und Marktgesetze des Kapitalismus, an einer Stelle in ihrer Wirkungsweise beschnitten und eingeengt, setzten sich an anderer Stelle hinter dem Rücken der Organisatoren und Planer wieder durch; daran änderte auch die Drohung mit dem faschistischen Terror grundsätzlich nichts. Auch später, in Zeiten höchster Konzentration staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt, blieben bedeutende Schwierigkeiten bei der Erhöhung der kriegswirtschaftlichen Effektivität bestehen (und entstanden neu), die sich aus den inneren Widersprüchen der imperialistisch-faschistischen Ordnung ergaben.

a)

Staatsmonopolistische

Machtkonzentration

und

faschistische

Partei

Wollten die Kreise um das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition die entscheidenden Regulierungsbefugnisse in der Rüstungsproduktion den schwerfälligen und nach ihrer Meinung inkompetenten Händen der Wehrmacht entwinden, so mußte ihnen die mächtige und festgefügte Organisation der faschistischen Partei als Bundesgenosse höchst willkommen erscheinen. Eine der wesentlichen Funktionen Speers als Minister bestand gerade darin, ein solches Bündnis zustandezubringen. „Die Tatsachen stehen im Gegensatz zu der Behauptung bürgerlicher Historiker, daß Speer die Reorganisation der Rüstungswirtschaft ,unter weitgehender Ausschaltung der Parteiinstanzen und gleichsam gegen deren Willen durchgezogen h a t ' . " 3 5 8 Die wirtschaftlichen und politischen Machtorgane und Institutionen des Regimes wuchsen angesichts des nun offensichtlich länger andauernden, vermutlich kräftezehrenden und für die Masse des Volkes lastenreichen Krieges wesentlich enger zusammen und koordinierten ihre Bemühungen um Rationalisierung der Produktion, verschärfte Ausbeutung und Niederhaltung des werktätigen Volkes. Das war eine der objektiven Lage des deutschen Imperialismus entsprechende Tendenz, die aber in ihrer Durchsetzung und Wirkung nicht unerheblich abgeschwächt wurde durch mannigfache Kompetenzstreitigkeiten und interne Machtkämpfe, mittels derer sie sich durchsetzte. War seit dem Frühjahr 1942 der für den deutschen Imperialismus angesichts der Kriegslage „einzig gangbare Weg" eingeschlagen worden, „die Leitung der Wirtschaft den mächtigsten Monopolisten anzuvertrauen, ihre Macht zu stärken und die gesamte industrielle Tätigkeit in monopolistische und autoritäre Organisationen (wie die Reichsvereinigungen — D. E.) einzugliedern" 3 5 9 , so mußte eben diese Entwicklung, wie schon Neumann (1943/44) richtig erkannte, „neue schwere soziale Probleme" schaffen: „ D a s Klein- und Mittelunternehmertum muß noch stärker leiden. Die Arbeiter müssen noch mehr terrorisiert werden, damit noch höhere Leistungen erzielt werden." 3 6 0 Die zunehmend enge Zusammenarbeit zwischen dem Munitionsministerium und den Gauleitern als wichtiger innenpolitischer Stütze des Regimes entsprach objektiv der ansteigen358 Pätzold, Kurt/Weißbecker, Manfred, Hakenkreuz und Totenkopf. Die Partei des Verbrechens, Berlin 1981, S. 417, Anm. 27 (zit. W. J . Mommsen). 359 Neumann, S. 660. 360 Ebenda. 9

Eichholtz II

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Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

den Bedeutung der innenpolitischen Faktoren, die wiederum in ursächlichem Zusammenhang mit der militärischen Krise und mit dem Bestreben der herrschenden Kreise stand, das eigene Volk nun umfassender, „totaler" für den Krieg auszuplündern und bluten zu lassen. Neumann definierte das Verhältnis von Politik und Wirtschaft in diesem Prozeß in aufschlußreicher Weise: „Der Aufstieg der Praktiker der Gewalt (d. h. der oberen Parteihierarchie einschließlich der Gauleiter — D. E.) ist so in der ungeheuersten Monopolisierung, die eine moderne Gesellschaft je erfahren hat, begründet." 3 6 1 Speers Konzeption, die auf Ansätze und Pläne Todts zurückging, war es von Anfang an — wie es Thomas zustimmend ausdrückte —, „nunmehr die breiteste Masse des deutschen Volkes über die Parteistellen von der Notwendigkeit durchgreifender Maßnahmen im Sinne einer vollen Heranziehung aller echten personellen und materiellen Kraftreserven (zu) beeinflussen". 3 6 2 Dem Munitionsminister ging es in erster Linie darum, den Vorrang der Rüstung mit Hilfe der gesamten politischen Autorität des Regimes durchzusetzen. Sein Konzept der Rationalisierung und „Leistungssteigerung" berührte nicht nur die eigentliche Rüstungsproduktion, sondern erfaßte zumindest in seinen Wirkungen auch die Bauwirtschaft, die Energiewirtschaft und die Konsumgüterindustrie, und zwar den großen wie den kleinen, örtlichen Betrieb. Mannigfache widerstrebende Interessen mußten diesem Konzept untergeordnet, weitreichende soziale und politische Auswirkungen unter Kontrolle gehalten werden. In den folgenden Kriegsjahren schritt der von Speer forcierte Prozeß der Vereinigung der Macht der Rüstungsmonopole mit der Macht der faschistischen Partei auf allen Ebenen voran, wenn auch nicht ohne Schwankungen und Rückschläge. 363 Auseinandersetzungen und Interessenkämpfe gab es vor allem mit verschiedenen Gauleitern und mit den Partnern aus der oberen Parteihierarchie; hier wechselten je nach politischer Konstellation, Machtstellung der Nazigrößen und Erfolgsaussichten die Verbündeten des Munitionsministers (Bormann, Goebbels, Himmler), während Hitler selber in deutlicher Erkenntnis dessen, was eine funktionierende Kriegswirtschaft für die Kriegführung bedeutete, im großen und ganzen an seiner Linie festhielt, den Minister — nach dessen Vorschlägen — m i t immer umfassenderen wirtschaftlichen und politischen Vollmachten auszustatten und ihm in allen internen Auseinandersetzungen den Rücken zu steifen. Verfehlt ist die in bürgerlichen Publikationen häufig anzutreffende und in Speers eigenen Nachkriegspublikationen 3 6 4 sorgsam genährte Behauptung von einer tiefen Gegnerschaft bzw. von unüberbrückbaren Interessengegensätzen zwischen der Rüstungsorganisation des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition und der faschistischen Partei oder, 361 Ebenda, S. 660 f. 362 Janssen, S. 354, Anm. 124, AN Thomas' v. 9. 5. 1942. 363 Im Prinzip beobachtet Neumann richtig, wenn er auch in bezug auf die Verfügung über die Produktionsmittel übers Ziel hinausschießt: „Eine kleine Gruppe mächtiger Industrie-, Finanz- und Agrarmonopolistcn verschmilzt mehr und mehr mit einer Gruppe v o n Parteihierarchen zu einem einzigen Block, der über die Mittel der Produktion wie über die Mittel der Gewalt verfügt." ( N e u m a n n , S. 661). Gegen die These, daß die führenden faschistischen Politiker via Kapitaleigentum oder -Verfügung selbst zu Monopolkapitalisten geworden seien, s. Eichholtz, Dietrich, Faschismus und Ökonomie. Zu Problemen der Entwicklung der Produktionsverhältnisse unter der faschistischen Diktatur, in Faschismusforschung. Positionen, Probleme, Polemik, Hrsg. v. Dietrich Eichholtz und Kurt Gossweiler, Berlin 1980, S. 67 f. 364 Siehe vor allem seine Memoiren (Speer, Erinnerungen) und sein letztes Buch (Speer, Der Sklavenstaat).

Veränderungen des Regulierungsmechanismus in der Kriegswirtschaft

113

verkürzt, zwischen Speer und den Gauleitern, Speer und Bormann, Speer und Himmler usw. 3 6 5 Die grundsätzlichen Interessen dei1 beiden Partner waren durchaus identisch. Sie richteten sich auf eine siegreiche Kriegführung und auf die Niederhaltung und Ausbeutung des eigenen und der unterdrückten fremden Völker. Das erwähnte Bündnis, derart auf gleiche politische und wirtschaftliche Zielsetzung gegründet, war dennoch in sich nicht widerspruchsfrei. E s war vor allem das Interesse an der von der Naziführung vorrangig zu wahrenden innenpolitischen S t a b i l i t ä t des Regimes, das objektiv dem von den Rüstungsmonopolen und vom Munitionsministerium verfolgten Kurs der Konzentration der wirtschaftlichen Kräfte auf die Rüstung und der äußersten Anspannung in der Arbeit für den Krieg widersprach; einem Kurs, der verbunden war mit der rigorosen „Umsetzung" und Dienstverpflichtung von Arbeitskräften, mit der „Auskämmung" und Schließung von kleineren Betrieben, von Werkstätten und Läden, m i t einer Reduzierung der Sozialleistungen und des Konsums überhaupt, des zivilen Bauwesens, der protzigen Repräsentation und üppigen Lebensführung der oberen Zehntausend, voran der „Parteibonzen". 3 6 6

b) Das Reichsministerium für Bewaffnung und die Reichsgruppe Industrie

und

Munition

Die Konzentration kriegswirtschaftlicher Regulierungsgewalt bei den Ausschüssen und Ringen und bei den Reichsvereinigungen, besonders der R V E und der R V K , veränderte erheblich die Struktur des staatsmonopolistischen Kapitalismus und produzierte mit einer gewissen Eigengesetzlichkeit — im allgemeinen gegen den Willen ihrer Urheber — den Effekt, daß andere, herkömmliche Institutionen für das Funktionieren des staatsmonopolistischen Kapitalismus an Bedeutung verloren. Davon war in gewissem Maße auch die Spitzenorganisation des deutschen Monopolkapitals, die Reichsgruppe Industrie, betroffen. Die wesentlichen Funktionen der Wirtschaftsgruppen Bergbau und Eisen schaffende Industrie, zweier ihrer wichtigsten Stützen, wurden beispielsweise von der R V K und der R V E bzw. dem Hauptring Eisenerzeugung übernommen. F ü r den schlagkräftigsten Teil ihres Organisationsapparats und Personalbestands gilt das gleiche. Diese Wirtschaftsgruppen verfielen der Aushöhlung; ihnen blieben nur zweitrangige Aufgabengebiete. Die Leiter der Reichsgruppe Industrie waren sich dieser Entwicklung der Dinge bewußt und suchten nach Wegen, wie man ihr begegnen könne, ohne den Prozeß der staatsmonopolistischen Machtkonzentration aufzuhalten. In den Tagen, als über die Gründung der R V E entschieden wurde, konferierte Wilhelm Zangen mit Staatssekretär Landfried und schlug ihm vor, „zwecks Vermeidung jeder Doppelarbeit die Wirtschafts- und F a c h gruppen der Reichsgruppe Industrie, deren Arbeitsgebiet von den Reichsvereinigungen 365 In katastrophaler Weise verkennt beispielsweise Milward sowohl das Verhältnis zwischen faschistischer Partei bzw. Politik und den Monopol- und Rüstungsgewaltigen als auch das Wesen des Faschismus überhaupt, wenn er schreibt: „Für den Kern der NSDAP und für die SS stellte die sogenannte „Selbstverantwortung der Industrie" eine Bedrohung des Fortbestandes der faschistischen Revolution in Deutschland dar." (Milward, Der Zweite Weltkrieg, S. 378). 366 Diese Widersprüchlichkeit zwischen kriegswirtschaftlichen und innenpolitischen Erfordernissen und Interessen der herrschenden Klasse wird von Pätzold/Weißbecker (S. 336f.) zu wenig beachtet, wenn sie die Rolle der NSDAP weitgehend nur als die eines Hilfsinstruments bei der „totalen" kriegswirtschaftlichen Mobilisierung beschreiben. 9*

114

Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

Reichsgruppe Industrie Wirtschaftsgruppen Reidisvereini

vereini-

Ge.neralbevollmächt. f. Sonderfragen d. ehem. Erzeugung

Hauptausschüsse -Sonderausschüsse Hauptringe -Sonderringe Entwickiungskommissionen

stungsrat

Reichsministerium für Bewaffnung und Munition (GBRüst) |Wehrwirtscha(ts- und [Rustungsomt des OK

Zentrale Planung

Heereswaffenamt Morinewaifenämter Generalluttzeugmeister

Rek^swirtschoftsministerium

Generalbevollmächtigter f. d. Arbeitseinsatz

Zentrale Regulierungsorgane

in der Kriegswirtschaft, Ende April 1942

Veränderungen des Regulierungsmechanismus in der Kriegswirtschaft

115

überdeckt wird, aufzulösen". 3 6 7 Ihre Mitglieder sollten unmittelbar Mitglieder der Reichsvereinigungen werden. „Da hiermit wohl eine klare Zuordnung der Aufgaben herbeigeführt wird, aber auch eine Trennung des gesamtindustriellen Zusammenhanges, so daß eine einheitliche Führung in allgemein industriellen Dingen nicht mehr möglich ist, halte ich zwecks Wiederherstellung einer einheitlich zusammenhängenden Industrie eine Mitgliedschaft der Reichsvereinigungen bei der Reichsgruppe Industrie f ü r ein zwingendes Erfordernis." E r sandte Landfried den Text entsprechender Bestimmungen 3 6 8 zu, die er in die Satzungen der Reichsvereinigungen aufzunehmen forderte. Hans Kehrl, Generalreferent im Reichswirtschaftsministerium, lehnte die Vorschläge Zangens ab. 3 6 9 Aus dem von Zangen entworfenen Satzungstext fand nur die Bestimmung, nach der die Reichsgruppe gegenüber den Reichsvereinigungen „in allgemein industriellen Angelegenheiten das Weisungsrecht und in fachlichen Angelegenheiten . . . das Auskunftsund Vetorecht" haben sollte, sobald sie weitergreifende Auswirkungen hätten 3 7 0 , ihrem Sinne nach Aufnahme in die endgültige Satzung der R V E — allerdings ohne ihren wichtigsten Bestandteil, nämlich das Vetorecht. 3 7 1 Gegen eine Mitgliedschaft der Reichsvereinigungen in der Reichsgruppe Industrie wandte sich Kehrl mit der Begründung, die Reichsvereinigungen stellten „infolge der starken Übertragung staatlicher Hoheitsaufgaben auf dem Gebiete der Rohstoffbewirtschaftung Gebilde eigener Art" dar. „Bei Übertragung so weitgehender Hoheitsaufgaben, wie bei den Reichsvereinigungen geschehen, muß die direkte und unmittelbare Beziehung des Reichswirtschaftsministeriums zu den Reichsvereinigungen vorhanden sein." 3 7 2 Die von Zangen angeschnittene allgemeine Problematik entbehrte nicht einer objektiven Grundlage. Durch die starke Erweiterung des Systems der monopolistischen „Selbstverantwortung" in der Rüstungsindustrie und durch sein äußerst enges Verwachsen m i t den behördlichen Organen des Reichsministeriums f ü r Bewaffnung und Munition und der Zentralen Planung entstand eine neuartige staatsmonopolistische Kräftegruppierung. Mit dem Reichsministerium für Bewaffnung und Munition unter Todt war die Leitung der Reichsgruppe Industrie 3 7 3 eine enge Verbindung eingegangen. Aber diese Verbindung war bei aller Intensität partiell geblieben und beinhaltete unmittelbar vor allem die Regulierung der Rüstungsproduktion in einer Reihe von besonders wichtigen Industriezweigen. Sie war bis Ende 1941 nicht einmal die absolut dominierende Verbindung des industriellen Spitzenverbandes m i t dem Staatsapparat. Eng verflochten und durch entsprechende abgeleitete staatliche Vollmachten verknüpft war die Leitung der Reichsgruppe auch mit dem Reichswirtschaftsministerium, m i t den militärischen Rüstungsdienststellen und mit 367 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8955, Bl. 4, Zangen an Landfried, 1. 5. 1942. 368 Ebenda, Bl. 5, „Bestimmungen für die Satzung der Reichsvereinigungen und Fachvereinigungen" (Anlage z. Schreiben Zangens). 369 Ebenda, Nr. 8955, Bl. 6, AN Kehrls v. 6. 5. 1942. 370 Wie Anm. 368. 371 Fall 5, S. 162, Dok. NI-1967, Satzung der RVE v. 29. 5. 1942 (§ 1 Abs. 2). 372 Wie Anm. 369. 373 Unter der Leitung der Reichsgruppe Industrie wird hier eine Gruppe von höchstens 20 bis 30 Monopolkapitalisten verstanden, die etwa die gleiche Zahl Großkonzerne vertraten. Darunter sind zu rechnen der Leiter der RGI (Zangen) und sein Stellvertreter (Rudolf Stahl), der Engere Beirat der RGI und die Leiter der wichtigsten Wirtschaftsgruppen (soweit nicht schon im Engeren Beirat vertreten). Im Jahre 1941 zählte der Engere Beirat (ohne Zangen) 17 Mitglieder (s. Zumpe, S. 474ff.).

116

Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts

der Vierjahresplanorganisation. Erst im Frühjahr 1942 wurde das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition mit maßgeblicher Unterstützung durch die Leitung der R G I zum weitaus stärksten Kristallisationskern des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Typisch an den eintretenden Veränderungen war die qualitativ und quantitativ neue Stufe des Verwachsens von Monopol- und Staatsmacht. B e i den neuen Trägern staatsmonopolistischer Regulierungsfunktionen — den Ausschüssen, Ringen und Reichsvereinigungen— waren das monopolistische und das staatliche Element weder funktionell noch personell mehr unterscheidbar. Der jetzt nach Dutzenden, ja nach Hunderten zählende Kreis der Konzernrepräsentanten, der über das System der Ausschüsse, Ringe und Reichsvereinigungen herrschte, war zugleich in den Apparat der ministeriellen Exekutive integriert. Dadurch verstärkte und erweiterte sich die tatsächliche Macht der Monopolbourgeoisie außerordentlich. Ihre Herrschaft über die Kriegswirtschaft übte sie nun nicht mehr vorwiegend mittelbar, sozusagen aus der Distanz, sondern unmittelbar und umfassend aus. Die Vertretung allgemeiner Interessen des Monopolkapitals durch die Reichsgruppe Industrie wurde zu einem weniger akuten Problem. Allerdings hätten die führenden Konzerne die Reichsgruppe als Institution — diese Hypothese erscheint begründet — in dem Fall wieder als vorrangiges wirtschaftspoltisches und politisches Machtmittel reaktiviert und eingesetzt, wenn der Munitionsminister sich dieser Interessen nicht in so selbstverständlicher und zielstrebiger Weise angenommen und sie nicht so umfassend durchgesetzt hätte. Eine sehr breite u n d geschlossene staatsmonopolistische Gruppierung u m d a s Reichsministerium für Bewaffnung und Munition bildete sich heraus. Sie übte bereits ausgangs des Frühjahrs 1942 den eindeutig dominierenden Einfluß auf die Geschicke der Kriegswirtschaft aus. Sie festigte sich und erweiterte ihren Machtbereich in der folgenden Zeit. Den Kern dieser Gruppierung bildeten natürlich nach wie vor die auch in der R G I tonangebenden Monopole. Das drückte sich in der persönlichen Aktivität solcher RGI-Repräsentanten wie Zangen und Keßler aus. Nach außen hin erschien die Verbindung zwischen R G I und Munitionsministerium sogar noch befestigt und vertieft durch eine so ungewöhnliche Maßnahme wie die Berufung von Amtschef Walther Schieber Ende J u n i 1942 „zum weiteren (d. h. zweiten — D. E . ) stellvertretenden Leiter" der RGI. 3 7 4 War jedoch die R G I nicht nur in Gestalt ihrer Leitung, sondern auch als Organisation zu Zeiten Todts noch die hauptsächliche und unmittelbare Stütze des Munitionsministeriums gewesen — so noch E n d e 1941/Anfang 1942 bei der Bildung der Hauptausschüsse und besonders des Hauptausschusses „Allgemeines Wehrmachtsgerät" —, so ließen die Verschiebungen innerhalb des staatsmonopolistischen Regulierungsmechanismus seit dem Frühjahr 1942 einschließlich der starken Verbreiterung und Verjüngung seiner personellen Basis die R G I als Organisation allmählich aus dem Zentrum dieses Mechanismus rücken. 3 7 5 Als eines der Indizien hierfür kann die Verwandlung des noch unter Todt gebildeten Rüstungsbeirats in den Rüstungsrat unter Speer gelten. Der Rüstungsbeirat, dem mit Zangen und Keßler der Leiter der R G I und eines der prominentesten Mitglieder ihres Engeren Beirats als Vorsitzer (Keßler) bzw. als Mitglied (Zangen) angehörten, war offensichtlich 374 Nachrichten des ItMfBuM, Nr. 7, 20. 7. 1942, Verlautb. üb. „Zusammenarbeit zwischen Rüstungslieferungsamt u. Reichsgruppe Industrie", o. D. — Datierung (23. 6.) nach ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9074, Bl. 216, AN RWiM, 18. 7. 1942. 375 Dementsprechend halte icli eine Modifizierung früherer eigener Aussagen (DZW, Bd. 2, S. 291 ff.) für erforderlich.

Veränderungen des Regulierungsmechanismus in der Kriegswirtschaft

117

als Arbeits- und Entscheidungsgremium gedacht. Der „Engere B e i r a t " des Munitionsministers, von Todt im Dezember 1941 berufen und bereits damals ein Zwittergebilde, nahm seine Funktion gar nicht mehr auf. Der Rüstungsrat Speers hatte allem Anschein nach nur noch ornamentale Funktion. Immerhin wies die Zusammensetzung des Rüstungsrats doch aus — und sollte das auch offiziell ausweisen —, daß die Spitzenvertreter des deutschen Finanzkapitals nun in eigener Person und in viel breiterer Front als je zuvor den Kurs des neuen Ministers unterstützten. Neben Zangen und Keßler saßen dort Konzernherrscher wie Vogler, Bücher, Röchling, Pleiger, Krupp und Werner, die nie selbst in den Gremien der R G I tätig waren. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die schwerwiegenden Veränderungen, die sich im Regulierungsmechanismus der Kriegswirtschaft seit Februar 1942 — in ihren Anfängen schon seit Jahresende 1941 — vollzogen, Ausdruck eines gesetzmäßigen Prozesses der Konzentration und Zentralisation staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt waren, der sich infolge des Wandels im Kriegsgeschehen durchsetzte, unter dem Damoklesschwert der bedrohlichen Gefahren, die das Scheitern der Blitzkriegsstrategie für die herrschende Klasse und ihr faschistisches Regime heraufbeschwor. Die Reorganisation schritt unter den Bedingungen der kapitalistisch-imperialistischen Ausbeuterordnung voran — also auf anarchische Weise, unter gewaltiger Aufblähung des bürokratischen Apparats, verbunden mit erheblichen Friktionen innerhalb der herrschenden Klasse. Dies erklärt die Inkonsequenz und Unvollkommenheit, die ihr anhafteten. Sie vollzog sich schließlich auf dem Rücken der Werktätigen, die die Hauptlast ihrer Auswirkungen zu spüren bekamen; war doch ihr wesentliches, doppeltes Ziel die Verschärfung der Ausbeutung und die Freisetzung von Millionen Soldaten als Opfer auf der Schlachtbank des imperialistischen Krieges.

K A P I T E L III

Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept des deutschen Imperialismus

1. Auswirkungen der Niederlagen des Winters 1942/43 a) Frontverluste

und

Rüstungsprogramme

Die Schlacht von Stalingrad markierte die Wende des zweiten Weltkrieges. Mit den historischen Siegen an der Wolga und am Kaukasus entwand die Rote Armee dem Aggressor die strategische Initiative und leitete damit den grundlegenden Umschwung im Kriegsverlauf ein. Das Kräfteverhältnis der beiden kämpfenden Mächtegruppierungen hatte sich von Grund auf verändert. Zerstoben waren die Träume von der schnellen Eroberung des kaukasischen Erdöls, auf das die Verantwortlichen der deutschen Kriegswirtschaft ja schon 1941 spekuliert hatten, und vom Vorrücken zu den Erdölquellen am Persischen Golf; verflogen auch die Hoffnungen, die die Okkupanten an den Besitz der fruchtbarsten Gebiete der R S F S R am Don, an der Wolga und am Kuban geknüpft hatten. Damit waren wesentliche Posten ihrer kriegswirtschaftlichen Rechnung nicht aufgegangen. War schon die Sommeroffensive der Wehrmacht im J a h r e 1942, obschon räumlich weniger ausgedehnt als diejenige des Vorjahres, noch verlustreicher als diese, so erlitten die faschistischen Eindringlinge im Kessel von Stalingrad und während der Winteroffensive der Roten Armee 1942/43 einen Aderlaß an Personalbestand und materieller Ausrüstung, wie ihn die Schlacht vor Moskau im vorausgegangenen Winter bei weitem nicht bewirkt hatte. Von den gesamten Verlusten der Wehrmacht an Offizieren und Mannschaften von Mai 1942 bis April 1943 in Höhe von 1,54 Millionen Mann entfielen 1,37 Millionen, d. h. rund 90 Prozent, auf das Heer an der deutsch-sowjetischen Front. 1 Von 260 Divisionen, die im Herbst 1942 dort standen, wurden im Winter 1942/43 113 zerschlagen 2 , 30 deutsche Divisionen wurden vollständig vernichtet, davon 22 allein in Stalingrad. 3 Dort gingen 91000 Mann in Gefangenschaft, und die Rote Armee barg nach der Kapitulation 147200 tote Deutsche vom Schlachtfeld. 4 Die Ausfälle des Heeres an Toten, Vermißten und Verwundeten hatten seit August 1942 den personellen Ersatz bedeutend überstiegen — bis Oktober 1942 um 300000 Mann —, so daß ausgangs des Winters die Ersatzdeckung gegenüber den Verlusten um 850000 Mann zurückstand. 5 1 2 3 4 5

DZW, Bd. 3, S. 93. E b e n d a , S. 92. Grigoleit, S. 146f. DZW, Bd. 3, S. 60. „Übersicht über die personellen Abgänge und Zugänge des Heeres an der deutsch-sowjetischen Front (1. Dezember 1941 bis 1. Mai 1944"), zit. nach Grigoleit, S. 135 u. S. 144.

Auswirkungen der Niederlagen des Winters 1942/43

119

Tabelle 13 Personelle Abgänge und Zugänge des Heeres an der deutsch-sowjetischen August 1942 bis Februar 1943 Monat A u g u s t 1942 S e p t e m b e r 1942 Oktober 1942 N o v e m b e r 1942 Dezember 1942 J a n u a r 1943 * F e b r u a r 1943 Summe *

Abgänge 256100 185000 130100 128900 200690 152465 390657** 1443912

Zugänge

Differenz

89750 83750 97200 61200 62000 109500 91900 595300

-166350 -101250 - 32900 - 67700 -138690 - 43965 -298757 -849612

Front

* Fehler in der S u m m i e r u n g * * Mit den Verlusten in S t a l i n g r a d

Quelle: „Übersicht über die personellen A b g ä n g e u n d Z u g ä n g e des Heeres a n der deutsch-sowjetischen Front (1. Dezember 1941 bis 1. Mai 1944)", zit. nach Grigoleit, S . 135 u. S . 144.

General Thomas zufolge ging in Stalingrad die Ausrüstung von 45 Divisionen aller Typen verloren, während die Wehrmacht an der Ostfront bis dahin diejenige von 50 Divisionen eingebüßt hatte. 6 Die Stalingrader Schlacht (November 1942—Februar 1943) kostete die Faschisten 3600 Panzerfahrzeuge 7 — das waren 150 Prozent der in der gleichen Zeit neu produzierten gepanzerten Fahrzeuge. 8 Am 23. Januar 1943 notierte der Tagebuchführer des OKW (Wehrmachtführungsstab), daß es an der ganzen Ostfront nur noch 495 einsatzbereite Panzer gebe: 34 bei der Heeresgruppe A, 291 bei den Heeresgruppen Don und B , 167 bei der Heeresgruppe Mitte und 3 (!) beider Heeresgruppe Nord. 9 Gewaltige Verluste an Artillerie waren zu verzeichnen. Der Nachfolger Franz Halders als Generalstabschef des Heeres, General Kurt Zeitzier, beklagte die „Unmenge Heeresartillerie", die in Stalingrad liege. 10 Auch bei den anschließenden Rückzügen in diesem Winter verlor die Wehrmacht große Mengen an Material. Goebbels verglich die Rückzugsstraße von Rostov nach Taganrog mit dem Anblick von Dünkirchen und vermerkte es als trübe Erfahrung, „daß bei solchen Rückzügen enorm viel Material, vor allem schweres, verlorengeht". 11 Als durchschnittliche Raten des Fehlbestandes an Waffen bei den kämpfenden deutschen The Effects, S . 167. Ebenda. E b e n d a , S . 278, T a b . 104. KTB des OKW, B d . 3/1, S . 66, Aufz. Greiners v. 23. 1. 1943. - Die Zahlen beziehen sich vermutlich nur auf Panzer/camp/wagen u n d erklären sich nicht nur durch K a m p f v e r l u s t e , sondern a u c h durch hohe R e p a r a t u r q u o t e n infolge der Witterungseinflüsse etc. 10 Hitlers Lagebesprechungen. Die P r o t o k o l l f r a g m e n t e seiner militärischen Konferenzen 1942—1945. H r s g . v . H e l m u t Heiber, S t u t t g a r t 1962, S . 84, 12. 12. 1942. — N a c h H u b a t s c h war es sogar „die Masse der Heeresartillerie", d . h . der Artilleriereserven, über die d a s O K H verfügte, die „in S t a l i n g r a d v e r b l i e b e n " w a r ( K T B des OKW, B d . 3/2, S . 1602). E s handelte sich vor allem u m e t w a 400 schwere Geschütze (DZW, B d . 3, S . 93). 11 Goebbels, Tagebücher, S . 282, 19. 3. 1943. 6 7 8 9

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Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

Verbänden an der deutsch-sowjetischen F r o n t können die Angaben der 16. Armee (Heeresg r u p p e Nord) per J a n u a r 1943 angesehen werden: Karabiner 25 P r o z e n t , MG 18 Prozent, leichte Granatwerfer 24 P r o z e n t , schwere Infanteriegeschütze 33 Prozent, schwere Feldh a u b i t z e n 26 Prozent. 1 2 Tabelle 14 Verluste des Heeres 1. Mai 1942 bis 30. April 1943 Panzer und Sturmgeschütze Andere gepanzerte Fahrzeuge Kraftfahrzeuge darunter L K W und Zugmaschinen PKW Krafträder Geschütze (ohne Pak) Pak Granatwerfer Karabiner

5500 2500 230000

110000 60000 60000 6500 2500 8500 420000

Quelle: DZW, Bd. 3, S. 94. Der durchschnittliche monatliche Munitionsverbrauch des Heeres stieg im Zeitraum von Mai 1942 bis April 1943 gegenüber der vorhergehenden Zeit seit d e m 22. J u n i 1941 bei Infanteriepatronen Handgranaten 2 cm-Flak-Granaten 8,8 cm-Flak-Granaten Pak-Granaten (3,5 cm bis 8,8 cm)

— — — — —

um 75 Prozent, um 35 Prozent, um 83 Prozent, um 300 Prozent, um 900 Prozent.12®

Von Mai 1942 bis April 1943 verlor die L u f t w a f f e insgesamt 20000 Flugzeuge 1 3 , davon 8 8 1 0 in der Zeit v o m 1. Dezember 1942 bis 30. April 1943. 14 „Die größten Verluste erlitten die zu zwei Dritteln a n der deutsch-sowjetischen F r o n t stehenden F l i e g e r k r ä f t e . " 1 5 Die Gesamtverluste allein der faschistischen L u f t t r a n s p o r t f l o t t e während der Stalingrader Kesselschlacht bezifferten sich auf a n n ä h e r n d 800 Flugzeuge. 1 6 Die faschistische F ü h r u n g „war außerstande, die Niederlage bei Stalingrad als den Beginn eines qualitativen Umschwungs im Kriegsverlauf anzuerkennen". 1 7 Doch sie sah sich gezwungen, die k ü n f t i g e n Operationen v o m S t a n d p u n k t der Defensive aus zu planen, u m W e h r m a c h t u n d Kriegswirtschaft die z u m erhofften Rückgewinn der strategischen Initiative erforderliche A t e m p a u s e zu verschaffen. Überlegungen u n d Sondierungen f ü r einen Separatfrieden m i t den W e s t m ä c h t e n m e h r t e n sich in f ü h r e n d e n Kreisen des Regimes. 1 8 Zugleich wurde die Alternative erörtert, die 12 12a 13 14 15 16 17 18

KTB des OKW, Bd. 3/2, S. 1576. Berechnet nach DZW,

Bd. 3, S. 94.

DZW, Bd. 3, S. 94. Croehler, Geschichte des Luftkriegs, S. 353. Ebenda, S. 354. Ebenda, S. 353. DZW, Bd. 3, S. 517f. Ebenda, S. 405 ff.

Auswirkungen der Niederlagen des Winters 1942/43

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Kampfhandlungen im Osten m i t oder ohne Waffenstillstand zeitweilig zu beenden. 19 Minister Speer drängte zu diesem Zweck bei Hitler seit A n f a n g Februar 1943 darauf, „ m i t der Vorbereitung einer Befestigungslinie im Osten sofort zu beginnen". 2 0 Diesem Vorschlag, einen „Ostwall" 2 1 , ähnlich dem Atlantikwall, zu bauen, lag zu jener Zeit die Vorstellung zugrunde, daß man dahinter sehr wohl — zunächst begrenzte — Angriffsstöße und L u f t waffenraids vorbereiten, v o r allem aber Zeit dafür gewinnen könne, das Kriegspotential der faschistisch beherrschten „Festung Europa" auszubauen, um es voll f ü r neue Angriffskriege nutzbar zu machen. Das Schlüsselproblem all dieser Pläne und Erwägungen sahen die Faschisten darin, die U d S S R so zu schwächen, daß sie „nicht mehr angriffsfähig im großen" sei. 22 So konzentrierten sie schließlich die K r ä f t e auf eine begrenzte Offensive im Mittelabschnitt der deutsch-sowjetischen Front (Kursk), von der sie sich v i e l versprachen und die die R o t e Armee auf längere Sicht zumindest zu größeren Angriffshandlungen unfähig machen sollte. Keineswegs aufgegeben war ferner der Plan, so bald wie möglich im Süden v o m KubanBrückenkopf aus den Zugriff auf das kaukasische Erdöl zu wiederholen. Die Konzeption, die den Rüstungsprogrammen von Ende 1942/Anfang 1943 zugrunde lag, war unter diesen Umständen so zerfahren und unreal wie die strategische Konzeption der Kriegführung. Es fand weder eine volle Konzentration auf die Heeresrüstung und die Bedürfnisse der deutsch-sowjetischen Front noch eine klare Entscheidung zwischen Offensiv* und Defensivbewaffnung statt. I m Mittelpunkt der Rüstungsplanung stand die Panzerrüstung. Das „Adolf-Hitler-Panzerprogramm" vom 22. Januar 1943 enthielt, auf eine Zeitspanne von zwei Jahren berechnet, die Forderung nach einer Steigerung der Produktion von Panzern (Panzerkampfwagen, Sturmgeschütze und Selbstfahrlafetten) auf etwa das Vierfache. Die Forderung Hitlers nach einem längerfristigen Panzerprogramm mit hochgesteckten Zielen datierte v o m September 1942, einem Zeitpunkt, als die Faschisten damit rechnen mußten, daß der Krieg im Osten mindestens noch während des Jahres 1943 andauern würde. Nach Vorschlägen der Verantwortlichen des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition sah dieses P r o g r a m m bis zum Frühjahr 1944 eine Produktionssteigerung auf monatlich 800 Panzerkampfwagen neuer T y p e n , 300 Sturmgeschütze und 300 Selbstfahrlafetten vor 2 3 , d. h., rein zahlenmäßig gesehen, eine Erhöhung auf das Zweieinhalbbis Dreifache der laufenden Produktion an Panzerfahrzeugen. 2 4 A m 2. Dezembe. 1 1942 trugen Speer, Rohland und andere Hitler vor, daß dieses Programm — jetzt bereits als

19 Ebenda, S. 408; s. a. Denkschrift von Richard Riedl über „Die russische Frage", teilw. veröff. in Eichholtz, Dietrich, „Wege zur Entbolschewisierung und Entrussung des Ostraums". Empfehlungen des IG-Farben-Konzerns für Hitler im Frühjahr 1943, in JfW, 1970, T. 2, S. 13ff. (im folgenden: „Wege zur Entbolschewisierung"); Schreiben Mussolinis an Hitler v. 9. 3. 1943, wiedergegb. in KTB des OKW, Bd. 3/1, S. 213 (14. 3. 1943); DZW, Bd. 3, S. 423. 20 FB, 6.-7. 2. 1943, Punkt 46. 21 Zum geplanten Verlauf des „Ostwalls" s. DZW, Bd. 4, S. 28ff.; ebenda, Bd. 3, Karte nach S. 576. 22 Martin, Bernd, Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg. Vom Angriff auf Pearl Harbor bis zur deutschen Kapitulation, Göttingen 1969, S. 275, Dok. 21, Ausführungen General Alfred Jodls vor japanischen Offizieren, 18. 4. 1943. 23 FB, 7.-9. 9. 1942, Punkt 7. 24 Monatsdurchschnitt 111/1942 = 520 Stck.; The Effects, S. 278, Tab. 104. Zu den folgenden Verhandlungen s. a. ebenda, S. 167f.

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Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

„Adolf-Hitler-Panzerprogramm" im Entwurf vorliegend — aufwendige Investitionsbauten, zusätzliche Maschinen und große Mengen an Eisen und anderen Metallen erfordere. Hitler wies die Anwesenden 2 5 darauf hin, „daß wir unter allen Umständen diese im Programm aufgeführten Zahlen an Panzern erreichen müssen". 2 6 „Panzer müssen hergestellt werden", rief er aus, „koste es, was es w o l l e ! " 2 7 Mitte J a n u a r 1943, als sich die Katastrophe an der Wolga unübersehbar abzeichnete, verlangte Hitler „eine Steigerung gegenüber dem Adolf-Hitler-Programm" schon binnen wenigen Monaten und willigte ein, Speer die nötige Vollmacht für „die sofortige, umfassende Einleitung aller derjenigen Maßnahmen" auszustellen, „die zu einer alsbaldigen Steigerung des Ausstoßes an Panzerkampfwagen führen". 2 8 Die Leiter der Panzerproduktion im Hauptausschuß Panzerwagen und in den Konzernen hielten die Zusage, die Speer und S a u r Hitler gaben, für voreilig und leichtfertig. 2 9 Es bedurfte noch einiger Tage offenbar heftiger Diskussionen, ehe Hitler „die in der Zwischenzeit mit allen Beteiligten abgestimmte Panzervollmacht für das erhöhte Adolf-Hitler-Programm" 3 0 unterschrieb. Dieser „Sondeibefehl" Hitlers vom 22. J a n u a r 1 9 4 3 3 1 trug deutlich die Handschrift Speers und Walter Rohlands und stellte eine bisher einzig dastehende Sondervollmacht für den Munitionsminister dar. Die Maßnahmen für die „sofortige Erhöhung der Panzerprodukt i o n " — Zahlen wurden hier nicht genannt — seien „von so ausschlaggebender Bedeutung für die Entscheidung des Krieges, daß sämtliche Zivil- und Militärdienststellen nach den Weisungen des Reichsministcrs für Bewaffnung und Munition diese Fertigung m i t allen zur Verfügung stehenden Kräften nachdrücklichst zu unterstützen h a b e n " . Das Programm sei umgehend „überreichlich und großzügig" m i t Arbeitskräften, Rohstoffen, Maschinen und Energie zu versorgen, „selbst wenn dadurch andere, wichtige Fertigungen der R ü stungswii'tschaft vorübergehend beeinträchtigt werden". Arbeitskräfte aus der Panzerfertigung dürften nicht mehr eingezogen werden, bereits erfolgte Einziehungen seit dem 18. Dezember 1942 seien wieder rückgängig zu machen. Allen, die den Befehl nachlässig oder säumig befolgten, drohte Hitler Verfolgung durch den „Volksgerichtshof" an. Die endgültigen Zahlen des „Adolf-Hitler-Panzerprogramms" waren folgende: B i s zum Spätherbst 1943 sollten monatlich mindestens 1 5 0 0 Panzerfahrzeuge 3 2 , Ende 1944 dagegen 2 1 0 0 3 3 produziert werden. Diese Zahlen wurden zwar im Herbst 1943 noch erheblich unterschritten und auch Ende 1944 nicht erreicht; aber die Panzerproduktion bildete im J a h r e 1943 den entscheidenden Schwerpunkt der Rüstung. Gewaltige neue Panzerwerke wurden gebaut und in Betrieb 25 Außer Speer und Rohland waren Erich Müller (Krupp), Ferdinand Porsche (Volkswagenwerk) und vermutlich Karl-Otto Saur (Technisches Amt) zugegen. 26 FB, i.—3. 12. 1942, Punkt 13. 27 Ebenda. 28 FB, 18. 1. 1943, Punkt 1. Nach Saurs Aufzeichnungen fand diese „Panzerbesprechung" bei Hitler schon am 17. und nicht am 18. Januar 1943 statt (Saur, Stichworte, 17. 1. 1943). 29 Saur, Stichworte, 17. und 18. 1. 1943. 30 Ebenda, 22. 1. 1943. 31 ZStA Potsdam, FS, Film 4184; hiernach auch das Folgende; s. a. ebenda, RVfg. RMfBuM, 4. 2. 1943. 32 ZP-P, 26. 1. 1943, 30. Sitzung. 33 The Effects, S. 168. Später (1944) erhöht auf 2800 (ebenda, S. 169). - Mit „Ende 1944" ist vermutlich der Dezember gemeint; als Monatsdurchschnitt für IV/1944 waren 1955 Stck. festgesetzt (FB, 10. 4. 1943, Punkt 11). Irrtümliche Zahlen (3250 Stck. für Dezember 1944!) bei Weyres-v. Levetzow, S. 78; ungenau auch DZW, Bd. 3, S. 227.

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genommen. Die Produktion stieg der Stückzahl nach fast auf das Doppelte, der Tonnage nach fast auf das Dreifache gegenüber dem Vorjahr. 3 4 Der Befehl vom 22. J a n u a r 1943 erweiterte die Machtbefugnisse des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition und seiner Industrieorganisation drastisch, indem er ihnen die Möglichkeit gab, jederzeit in die übrigen Gebiete der Rüstung und der Kriegswirtschaft als Ganzes und in die Kompetenzen beliebiger ziviler und militärischer Dienststellen einzugreifen. 3 5 Damit zeichnete er kommende Entwicklungen bereits vor. Auf der Seite der Wehrmacht konzentrierten sich seit der Ernennung eines „Generalinspekteurs der Panzertruppen" (Generaloberst Heinz Guderian) am 28. Februar 1943 3 6 die Vollmachten ebenfalls an einer Stelle. Guderian beseitigte kraft seiner Funktion weitgehend den Kompetenzwirrwarr von Heereswaffenamt, Generalstab des Heeres und O K W auf dem Gebiet der Beschaffung, der Erprobung und des Einsatzes der Panzer und kooperierte eng mit dem Munitionsminister und den führenden Panzerproduzenten. Die Herstellung von Panzern war nicht der einzige Sektor der Heeresrüstung, auf dem die Bestände spätestens bis zum Sommer 1943 durch forcierte Programme und durch „Sonderaktionen" aufgefüllt werden sollten. Als äußerst dringend galten besonders auch das „Artillerieprogramm" 3 7 und die „Aktion Infanteriemunition". 3 8 Von Mitte J a n u a r an lief eine von der Führung des Heeres vorgeschlagene und von Hitler bestätigte „Gewaltaktion zur Aufrüstung der Ostverbände" 3 9 an, mit deren Hilfe vor allem die Front der Heeresgruppe Süd stabilisiert werden sollte: „ D i e gesamte Neufertigung der Rüstung an Heereswaffen und die Gesamtfertigung an Kraftfahrzeugen bis 15. März stehen dem Ostheer zur Verfügung, soweit sie überhaupt Verwendung finden können." 4 0 So ging beispielsweise die gesamte deutsche Produktion an L K W mit über 1 1 Nutzlast an die deutsch-sowjetische Front. 4 1 Luftwaffe und Kriegsmarine verlangten Anfang 1943 ebinfalls dringend nach einer Neuausrüstung bzw. nach Wiederherstellung ihrer schwer angeschlagenen K a m p f k r a f t . So setzte der neuernannte Oberbefehlshaber der faschistischen Kriegsmarine, Admiral Karl Dönitz, eine „grundsätzliche Neukonzeption des Flottenbauprogramms" 4 2 durch und forderte von Hitler und Speer, „beschleunigt" eine neue Flotte von U-Booten u n d leichten Seestreitkräften für den U-Boot-Krieg zu schaffen, die ein gewaltiges Rüstungspotential binden mußte. 4 3 Begriffe wie „Gewaltaktion" und „Sonderaktion" tauchten jetzt häufiger auf — ein eindeutiges Zeichen dafür, daß trotz steigender Rüstungszahlen die Einbußen an Material 34 The Effects,

S. 278, T a b . 104; S. 279, T a b . 105.

35 Was die Parteidienststellen betraf, so war der Leiter der Parteikanzlei laut Erlaß verpflichtet, „im Ginvernehmen mit dem Reichsminister für Bewaffnung und Munition" dafür Sorge zu tragen, daß sie „dem Programm in jeder Hinsicht vollste Unterstützung gewähren" (s. Anm. 31). 36 K TB des OKW, Bd. 3/2, S. 1577. 37 FB, 13.-15. 5. 1943, Punkt 29. 38 ZStA Potsdam, F S , Film 5382, „Überblick über die rüstungswirtschaftliche Entwicklung im Bereich der Rüstungsinspektion X I I " (Wiesbaden) für 11/1943. 39 KTB des OKW, Bd. 3/1, S. 39, 14. 1. 1943 und S. 204, 11. 3. 1943. 40 DZW, Bd. 3, S. 82; s. a. ebenda, S. 80ff. 41 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 14458/3, Bl. 4, Erlaß RWiM, 25. 2. 1943. 42 DZW, Bd. 3, S. 140. 43 Ebenda, S. 140 ff.

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Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

größer oder annähernd genau so groß waren wie die Produktion, daß d i e Wehrmacht also in dieser Beziehung von der Hand in den Mund lebte und stabile Bestände oder gar größere Vorräte an W a f f e n und Gerät, wie zu Zeiten des „Blitzkrieges", nicht mehr vorhanden waren. Später, in der Endphase des Krieges, bestimmten derartige „Gewaltaktionen" und entsprechende „Sonderbevollmächtigte" und „ K o m m i s s a r e " das Bild der deutschen Rüstungswirtschaft; im Jahre 1943 waren sie noch die Ausnahme. Allerdings brachte die Krise an der Wolga bereits den P r o t o t y p einer solchen A k t i o n hervor, nämlich die „Schnellaktion Versorgungsabwurfbehälter" — Kanisterbomben von 1000 kg und von 250 kg

Brutto-

gewicht 4 4 , gedacht für die Versorgung der in Stalingrad eingekesselten Truppen. Die v o n Hitler befohlene A k t i o n hatte laut Erlaß des Munitionsministers v o m 24. Januar „ b i s 15. März den Vorrang v o r allen Dringlichkeitsstufen) Stichworten und Sonderaktionen aller Wehrmachtteile einschließlich Panzerprogramm" 4 5 und wurde v o m Chef der L u f t rüstung, Generalfeldmarschall Milch, persönlich geleitet. Speer ernannte Philipp Keßler ( A E G - K o n z e r n ) , einen seiner vertrauten Mitarbeiter und renommiertesten Organisatoren, zu seinem Sonderbevollmächtigten und stellte ihn Milch zur Seite. Das Vorhaben, erst M i t t e Januar in Gang gesetzt, 46 als die Lage in Stalingrad für die Aggressoren schon hoffnungslos war, diente seinen Organisatoren wohl mehr als Feigenblatt und zeugte v o n ihrer Unfähigkeit, der unabwendbaren Katastrophe ins Auge zu sehen.

b) Die kriegswirtschaftliche im „ Totalen

Konzeption

Krieg'1

Angesichts der Katastrophe, die an der Wolga über die 6. Armee hereinbrach, standen die herrschenden Kreise des Regimes unter dem Zwang, in großem Umfang neue K r ä f t e für die Kriegführung zu mobilisieren. Ende Dezember 1942 schwenkte ein engerer Kreis um Hitler, der für das „zunächst gedrosselte T e m p o " 4 7 dieser Mobilisierung

verantwortlich

zeichnete, auf den Kurs des „Totalen Krieges" über, den maßgeblich Goebbels, Speer, Milch und andere verfochten. 4 8 Diese hatten während der Stalingrader Schlacht die Überzeugung gewonnen, daß der Sieg des Regimes nicht mehr sicher sei, wenn nicht wirtschaftlich und militärisch, innen- und außenpolitisch eine bedeutend gesteigerte Kraftanstrengung unternommen werde. Die Konzeption des „Totalen K r i e g e s " 4 9 — längst praktiziert gegenüber den Überfallenen 44 FB, 18. 1. 1943, Punkt 11. 45 B A Koblenz, R 41/140, Erlaß v. 24. 1. 1943. - Nach einem Erlaß des RMfBuM vom Vortag stand das Panzerprogramm noch „in der gleichen Dringlichkeit" (ZStA Potsdam, FS, Film 4184). 46 Speer, Erinnerungen, S. 264. 47 DZW, Bd. 3, S. 179. 48 Ebenda, S. 179ff.; s. a. Speer, Erinnerungen, S. 267ff. 49 Als Merkmale des „Totalen Krieges" definierten die faschistischen Militärtheoretiker (1939): „Totalität der Beteiligung aller Schichten der Bevölkerung am Kriege, Totalität der Erfassung aller Daseinsgrundlagen eines Volkes und Totalität der Führung und der Anwendung aller Mittel des Krieges" (zit. bei Förster, Totaler Krieg und Blitzkrieg, S. 76; s. a. ebenda, S. 67ff.; ferner Bleyer, Wolfgang, Staat und Monopole im totalen Krieg. Der staatsmonopolistische Machtapparat und die „totale Mobilisierung" im ersten Halbjahr 1943, Berlin 1970 (im folgenden: Totaler Krieg), S. 9ff.

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und unterjochten Völkern — sollte auf das eigene Volk in seiner Gesamtheit angewandt werden. Sie lief auf eine durchgreifende Stärkung des militärischen und des kriegswirtschaftlichen Potentials, besonders des Menschen- bzw. Arbeitskräftepotentials, und auf die Verschärfung des Terrors gegen Äußerungen der wachsenden Mißstimmung und gegen jede oppositionelle Regung hinaus. Sie beinhaltete ferner eine Sturzwelle von Propaganda, verbunden m i t demagogisch ausgeschlachteten Einschränkungen des öffentlichen Lebens, und nicht zuletzt eine intensivere, systematischere Ausbeutung der besetzten Gebiete; Die Aktionen des Regimes krankten aber an widersprüchlichen Zielsetzungen und an der unterschiedlichen Konsequenz, mit der seine führenden Vertreter sie in Gang setzten und durchführten. Uneinheitlich und ohne klare Vollmachten war auch die Leitung der „totalen" Mobilisierung. 5 0 Die militärische Krise und die personellen und materiellen Verluste, die eingetreten waren, beleuchteten m i t Schärfe die Abhängigkeit der Kriegführung vom Funktionieren der Kriegswirtschaft. Zugleich trat angesichts der Überlegenheit der Antihitlerkoalition die Begrenztheit der kriegswirtschaftlichen Möglichkeiten Hitlerdeutschlands deutlicher denn j e zutage. Die Erfüllung der neuen Rüstungsprogramme hing von drei materiellen Faktoren a b : von den industriellen Kapazitäten, von den Rohstoffen und von den Arbeitskräften, die dafür zur Verfügung standen. Ein vierter F a k t o r von hoher Bedeutung für die Beschaffung bzw. bessere Nutzung der drei genannten war die Durchschlagskraft und E f f e k t i v i t ä t der staatsmonopolistischen Organisation der Kriegswirtschaft, die wiederum wesentlich von dem Grad der Konzentration der Regulierungsgewalt abhing. Die entscheidenden Probleme lagen in dem wachsenden Mangel an Arbeitskräften, besonders an Rüstungsfacharbeitern, und in der begrenzten Kapazität der Produktion bestimmter Grundstoffe, besonders von Eisen und Stahl. Die „Sondereinziehungs" ( S E ) Aktion vom J a n u a r 1943 durchbrach die Schutzklauseln der „Schlüsselkräfte"-Erlasse vom 19. F e b r u a r und vom 3. Oktober 1942; unter den 8 0 0 0 0 0 neu Einzuziehenden, die bis Ende März 1943 zu stellen waren, befanden sich 2 0 0 0 0 0 Fach- und Schlüsselkräfte aus der Rüstungsindustrie. 5 1 Ohne weitreichende politische Entscheidungen war unter diesen Umständen keine durchgreifende Änderung zu erwarten. Unter Beteiligung von Bormann, Keitel, Speer, Goebbels. Sauckel und anderen kam nach heftigem Tauziehen vor allem zwischen den Militärs und den Repräsentanten der Rüstung, die ihren Facharbeiterbedarf gefährdet sahen, der nicht veröffentlichte Hitler-Erlaß vom 13. J a n u a r 1943 zustande. 5 2 E r forderte die Mobilisierung aller Männer und Frauen, „deren Arbeitskraft für diese Zwecke (der Reichsverteidigung — D. E.) nicht oder nicht voll ausgenutzt ist", für Wehrmacht und Rüstungsindustrie, m i t dem Ziel, „die wehrfähigen Männer für den Fronteinsatz freizumachen". Die „Umschulung und Anlernung von E r s a t z k r ä f t e n " für die Rüstungsindustrie sei „vorsorglich auf lange Sicht und großzügig laufend zu betreiben". Der Generalbevoll50 Siehe DZW, Bd. 3, Kap. 3 (bsd. S. 206ff.). - Thomas beklagte in seinem Bericht (1944), die Maßnahmen zur Durchführung des totalen Krieges im Jahre 1943 seien „tropfenweise getroffen" worden (Thomas, S. 159). 51 Ebenda, S. 188, S. 212. Zu den Schlüsselkräfte-Erlassen s. S. 196ff. 52 Ebenda, S. 185ff.; Der Zweite Weltkrieg. Dokumente, Dok. 42, S. 186ff., „Erlaß des Führers über den umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung" v. 13. 1. 1943 (hiernach auch das Folgende). Ausführliche Dokumentation der Entstehung des Erlasses in ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19481.

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Die W e n d e des Krieges und das kriegswirtschaftliche K o n z e p t

mächtigte für den Arbeitseinsatz erhielt Auftrag und Vollmacht, mittels einer Meldepflicht die Nichtarbeitenden zu „erfassen"; der Reichswirtschaftsminister sollte für die Stillegung von Betrieben zugunsten der Kriegswirtschaft sorgen. Der Erlaß leitete die erste große Welle jener Maßnahmen des faschistischen Machtapparats ein, die, begleitet von starkem propagandistischem Druck, die deutsche Bevölkerung „total" für den Krieg mobilisieren sollten. 53 Am 26. Januar 1943 eröffnete der Reichsminister für Bewaffnung und Munition die 30. Sitzung der Zentralen Planung mit der Erklärung, die „Lage im Osten" habe „auf die Rüstungsproduktion im Reich außerordentlich schwerwiegende Rückwirkungen gebracht". 5 4 Der Krieg erfordere, so äußerte er, daß man „alles auf die Frontbedürfnisse" abstelle. „Wir haben den Notstand der Front . . . Wir müssen jetzt die Verluste, die wir im Osten an Flugzeugen, Panzern, Geschützen usw. hatten, in irgendeiner Weise auffüllen: Hätten wir das vor einem Jahr gemacht, so hätten wir jetzt das Plus, um unsere Stoßkraft zu erhöhen. Jetzt brauchen wir das Plus, um unsere Verteidigungsfähigkeit zu erhalten. Das ist leider ein großer Unterschied. Man kann das Versäumte nicht nachholen. Aber es ist so, daß jetzt der letzte Moment gekommen ist, wo es überhaupt noch Sinn hat, das zu machen." Die „zur Zeit bewegendste Frage" sei „die Aktivierung der gesamten Wirtschaft zugunsten der Rüstungswirtschaft"; dies war die Quintessenz seiner Analyse. „Zweifellos ist es notwendig, daß wir, um überhaupt den Krieg mit Rußland erfolgreich weiterführen zu können, eine Intensivierung unserer gesamten Rüstungswirtschaft durchführen. Dazu ist erforderlich, daß wir Soldaten nach draußen geben. Dazu ist wieder nötig, daß wir neue deutsche Kräfte, auch ungelernte Kräfte, in die Betriebe bringen; denn ich kann nicht alles, was wir an Soldaten abgeben müssen, durch Ausländer ersetzen. Die deutsche Decke wird einfach zu gering. Wir haben heute schon bei der Granatenfertigung einen Rohrkrepierer nach dem andern und wissen nicht, woher das kommt. Sabotagefälle können schon vorkommen. Die Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um mindestens eine Million Deutsche in die Rüstungsbetriebe zu überführen, sind außerordentlich hart und werden praktisch meiner Auffassung nach den gesamten Lebensstandard der oberen Schicht herabdrücken." Die „Oberschicht" im faschistischen Deutschland ließ allerdings, wie sich bald zeigte, an ihrem Lebensstandard nicht rühren. Vor allem aber waren es allgemeine innenpolitische Gründe, die die Anstrengungen, den „Totalen Krieg" in Deutschland in Gang zu setzen, in den nachfolgenden Monaten auf erheblichen Widerstand stoßen und deutliche Grenzen für die faschistische „Mobilisierung" des Volkes erkennen ließen.55 Der Munitionsminister hatte zwar keinen unmittelbaren Einfluß auf die Zwangsmobilisierung deutscher Arbeitskräfte; dennoch strebten er und die um sein Ministerium gruppierten Kreise des Monopolkapitals nach einer vorausschauenden Konzeption eine möglichst radikale Verwirklichung jener Maxime des „Totalen Krieges" an, die Speer als „Aktivierung der gesamten Wirtschaft zugunsten der Rüstungswirtschaft" apostrophiert hatte. Die Niederlagen des Winters 1942/43 gaben überdies den entscheidenden Anstoß für weitreichende Veränderungen im staatsmonopolistischen Machtgefüge und Mechanismus der deutschen Kriegswirtschaft, die jene Kräfte im Verlauf des Jahres 1943 durchsetzten und die im Herbst des Jahres kulminierten. 53 Z u Arbeitskräftepolitik u n d -Situation s. ausführlich S . 2 2 6 f f . 54 Z P - P , 26. 1. 1943, 30. S i t z u n g ; hiernach auch d a s Folgende. 55 Bleyer, T o t a l e r Krieg, p a s s i m (bsd. K a p . 3 ) ; Speer, Erinnerungen, S . 267 ff.

Auswirkungen der Niederlagen des Winters 1942/43

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Wenn die erwähnte Konzeption auch erst nach dem endgültigen Fiasko der deutschen Offensivstrategie im Sommer 1943 voll zum Tragen kam, so zeichnete sie sich in folgenden Grundmerkmalen doch bereits seit Anfang des Jahres deutlich ab, als jene Kreise damit zu rechnen begannen, „daß der russische Krieg erheblich längere Zeit, als wir uns vorgestellt haben, weitergeht" 5 6 : 1) „Intensivierung unserer gesamten Rüstungswirtschaft" 57 durch tiefgreifende Rationalisierung; 2) Weitere Konzentration der Regulierungsgewalt in der Kriegswirtschaft; Festigung des ministeriellen Apparats und der „Selbstverantwortungs"-Organisation der Rüstungsindustrie als Träger dieser Regulierungsgewalt; 3) Zusammenfassung des „europäischen" Rüstungspotentials unter der Führung der genannten zentralen kriegswirtschaftlichen Organe.

Kapitalistische

Rationalisierung

Die Vorstellungen des Munitionsministers und der Rüstungsmonopole von einer dem „Totalen Krieg" entsprechenden tiefgreifenden Rationalisierung der Kriegsproduktion bestanden darin, a) die Erzeugung wesentlich stärker als bisher bei den sogenannten Bestbetrieben zu konzentrieren, b) geeignete Arbeitskräfte für die Rüstung aus der Stillegung von großen Teilen der Konsumgüterindustrie und von ineffektiv arbeitenden Betrieben auch in anderen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft und des Handels zu gewinnen und o) das technologische Niveau der Produktion zu verbessern, vor allem auf dem Wege der Vereinfachung und Vereinheitlichung von Produkten und Verfahren. Diese Forderungen galten im „Totalen Krieg" als ebenso patriotisch, wie sie für die Rüstungsmonopole profitabel waren. Sie richteten sich freilich ausschließlich gegen schwächere, vor allem kleinere und mittlere Betriebe und mußten, einmal in die Tat umgesetzt, in den betroffenen sozialen Schichten der Bourgeoisie (kleinere und mittlere kapitalistische Unternehmen) und des gewerblichen Mittelstandes (Handwerk, Handel) zunehmend Unzufriedenheit aufkommen lassen; aber ökonomisch und militärisch sah die herrschende Klasse ihre Realisierung als unerläßlich dafür an, die Initiative an der deutschsowjetischen Front wiederzugewinnen und den Krieg siegreich zu beenden. Mit größerer Konsequenz als im Jahre 1942 sollte jetzt die Produktion in den Bestbetrieben konzentriert werden. Während 1942 von den Bestbetrieben vor allem erwartet wurde, das Vorbild abzugeben — obwohl in den Erlassen des Munitionsministeriums stets auch damals schon von Stillegungen wenig effektiv arbeitender Betriebe zu ihren Gunsten die Rede war —, und von den Ausschüssen und Ringen, die Produktionserfahrungen und -methoden der Bestbetriebe zu verbreiten und zu verallgemeinern, so verschob sich nun der Akzent deutlich. „Allein durch die Spezialisierung", so drängte Speer am 15. Januar 1943 die Leiter der Ausschüsse und Ringe, „und noch stärkeren, auf möglichst wenige Betriebe konzentrierten Übergang zur Großserienfertigung vermag der Verlust von bisher als unabkömmlich geltenden Fachkräften wieder ausgeglichen zu werden . . . Es wird sich daher nicht vermeiden lassen, wiederum Stillegungen auch kleinerer und unrationell arbeitender Unternehmen anzuordnen und die freigesetzten Arbeitskräfte spezialisierten Bestbetrieben zuzuführen." 58 56 ZP-P, 12. 2. 1943, 32. Sitzung (Äußerung Speers). 57 ZP-P, 26. 1. 1943, 30. Sitzung. 58 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 19, 8. 2. 1943, RErl. betr. „Intensivierung der Ausschuß- und Ringtätigkeit", 15. 1. 1943. 10

Eichholtz I I

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Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

Stillegungen von Betrieben h a t t e es in der Kriegswirtschaft seit Ausbruch des Krieges gegeben, insbesondere wenn die Beschäftigten solcher Betriebe zur Wehrmacht eingezogen wurden — so bei kleineren Handels- und Handwerksunternehmen — oder wenn Roh- und Ausgangsstoffe f ü r die Produktion weitgehend gekürzt wurden, beispielsweise in der Spirituosenindustrie. 5 9 Nun aber, mit dem „Totalen Krieg", wurden Stillegungen großen Stils zu einem wesentlichen Bestandteil der kriegswirtschaftlichen Strategie und zu einem unabdingbaren Vehikel der Rationalisierung. Zu einem Zeitpunkt, da einerseits 200000 bisher u.-k.-gestellte Arbeitskräfte aus der Rüstungsindustrie eingezogen wurden, die faschistische Führung aber andererseits bedeutende Produktionssteigerungen erwartete, t r a t das Problem der Versorgung der Rüstungsbetriebe mit Arbeitskräften, besonders mit gelernten, in ein akutes Stadium. Radikale Lösungen lagen nahe. Es müsse, so argumentierten beispielsweise Vertreter des Munitionsministeriums u n d seiner Hauptausschüsse vor der Wirtschaftskammer Bayern a m 16. Februar 1943, „in den Bestbetrieben unbedingt die zweite und dritte Schicht voll ausgelastet werden"; zu diesem Zweck müßten „die nicht geeigneten oder unwirtschaftlichen Betriebe in die Bestbetriebe verlegt werden". Man müsse den bestehenden Zustand ändern, d a ß je nach Betriebsgröße „bei 200 Leuten fünf Werkzeugmacher und bei fünf Leuten ein Werkzeugmacher" tätig seien. Als andere Möglichkeiten wurden g e n a n n t : „Wegnahme von Maschinen, Zusammenlegung in größere Betriebe." 6 0 Die Verordnungen des „Drei-Männer-Kollegiums" vom 29. J a n u a r , des Reichswirtschaftsministers vom 30. J a n u a r und vom 16. März und die Runderlasse des Munitionsministers vom 15. J a n u a r u n d 23. Februar 1943 61 bildeten die gesetzliche Grundlage für die Stilllegungsaktion des ersten Halbjahres 1943, die mit großem Aufwand — auch propagandistischem — betrieben wurde. Trotzdem blieb ihr Resultat insgesamt unter den Erwartungen ihrer Initiatoren. 6 2 In der Industrie n a h m sowohl der Reichswirtschaftsminister über die Reichsstellen als auch der Reichsminister für Bewaffnung und Munition über die Ausschüsse u n d Ringe Stillegungen vor. Die Reichsstellen erließen in Abstimmung m i t den Wirtschafts- und Fachgruppen Herstellungsverbote f ü r eine Vielzahl von Waren bzw. f ü r die Verwendung bestimmter Rohstoffe u n d benannten diejenigen Betriebe, die geschlossen werden sollten. Die Schließungsanweisungen erließen die Landeswirtschaftsämter. Ursprünglich sollte die Schließungsaktion der Reichsstellen bis Mitte April 1943 abgeschlossen sein. 63 Die Ausschüsse u n d Ringe hingegen ließen ihre Schließungsvorschläge durch die Bezirksobmänner (Rüstungslieferungsamt) mit den Gauwirtschaftsberatern abstimmen; den Schließungsbescheid erhielten die Betriebe vom Reichsverteidigungskommissar. Traten Differenzen m i t dem Gauleiter/Reichsverteidigungskommissar auf, so entschied die Rüstungskommission des Munitionsministers. Die Koordinierung der Aktion war höchst mangelhaft. Die Ausschüsse und Ringe arbei. 59 Siehe die Angaben bei Faingar, I. M., Die Entwicklung des deutschen MonopolkapitalsGrundriß, Berlin 1959, S. 31. 60 B A Koblenz, R 41/234, Prot. (18. 2.) d. Sitzung der Bezirksbeauftragten des RMfBuM bei der Industrieabt. der Wirtschaftskammer Bayern am 16. 2. 1943. 61 RGBl. 1943 I, S. 75f., „Verordnung zur Freimachung von Arbeitskräften für kriegswichtigen Einsatz" v. 29. 1. 1943 (Lammers/Bormann/Keitel); ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9014 (Erlasse RWiM); BA Koblenz, R 3/1846 (Erlasse RMfBuM). 62 Eine Analyse der Ergebnisse der Aktion siehe S. 230 ff. 63 Bleyer, Totaler Krieg, S. 106.

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teten „sehr schnell", während bei den meisten Reichsstellen noch Mitte des J a h r e s „die Sache im F l u ß " und erst „im Durchschnitt (zu) 5 0 Prozent erledigt" war. 6 4 Auch hier waren — ähnlich wie bei der Anwendung der Melde- und Arbeitspflicht — die innenpolitischen Bedenken führender Kreise des Regimes und der Widerstand erheblich, den vor allem Dienststellen der faschistischen P a r t e i und regionale Behörden, aber auch maßgebliche Vertreter des Propaganda- und des Innenministeriums leisteten. Das Munitionsministerium m i t seinen „Selbstverantwortungs-"Organen drängte angesichtsder Rüstungslage am rigorosesten auf eine konsequente Durchsetzung der Stillegungsverordnungen. Die Ausschüsse und Ringe hatten zugleich m i t dem Entzug von Aufträgen und Materialkontingenten das wirksamste Mittel in der Hand, auf der Grundlage der Verordnungen und der mit den „harten Kriegsnotwendigkeiten" 6 5 begründeten Schließungsanweisungen vollendete Tatsachen zu schaffen. Am 21. J u n i 1943 rügte Speer in einer Rede vor den Gauleitern diese für ihren Widerstand gegen die Stillegungen, die er vor ihnen auch damit begründete, daß die Rüstung aus den luftgefährdeten Gebieten, besonders aus dem Ruhrgebiet, verlagert werden müsse. „Die Gauleiter und die Behörden der Gauleitungen wurden an sich vor der Stillegung gefragt, jedoch wird die Entscheidung von nun ab hier in der Zentrale gefällt werden." 6 6 Diese Entscheidung werde nötigenfalls, so drohte er, m i t umfassenden Kontingentsperren für Material durchgesetzt werden. 6 7 E i n e radikale Sprache führte der vom Munitionsminister im Hinblick auf diese Situation vorbereitete und Hitler am 28. J u n i 1943 zur Unterzeichnung vorgelegte „Erlaß über Stillegung unrationell arbeitender Betriebe der Rüstungsindustrie". Hierin wurde — in deutlich erkennbarer Anknüpfung an Speers Aufruf zur „Intensivierung der Ausschußund R i n g t ä t i g k e i t " vom 15. J a n u a r — n i c h t nur die Stillegung von Betrieben angeordnet, „die nicht ganz oder überwiegend Aufgaben der Kriegswirtschaft erfüllen", sondern es hieß dort, „daß auch unrationell arbeitende Betriebe der Rüstungsindustrie, . . . soweit erforderlich, stillzulegen sind, um die freiwerdenden Arbeitskräfte spezialisierten Bestbetrieben zuführen zu k ö n n e n " . 6 8 Ende J u l i versprach Speer Hitler, durch Stillegungen größerer Betriebe der Konsumgüterindustrie bzw. durch ihre Verwandlung in Rüstungsbetriebe 5 0 0 0 0 0 Mann m i t Produktionserfahrung — ferner Fabrikraum, Maschinen und leitendes Personal — für die Rüstung zu gewinnen 6 9 ; Voraussetzung dafür war allerdings, daß die entsprechenden Vollmachten aus dem Bereich des Reichswirtschaftsministers auf sein Ministerium übergingen. Die technischen und technologischen Probleme der Rationalisierung 7 0 betrafen so bedeutsame Fragen wie die Typenbegrenzung, die Seriengröße, die Standardisierung und die sogenannte Entfeinerung. Seit den Zeiten F r i t z Todts bemühte sich das Munitionsministerium und seine industrielle „Selbstverantwortungs"-Organisation angelegentlich um die Lösung dieser Probleme. Neue Wirkungsfelder für die Rationalisierungsfachleute der Rüstungskonzerne erschloß 64 65 66 67 68

B A Koblenz, R 7/2218, AN RWiM, 21. 6. 1943. Bleyer, Totaler Krieg, S. 107. ZStA Potsdam, F S , Film 1740. Ebenda. ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19481, Hitler-Erl. v. 28. 6. 1943. Vgl. auch BA Koblenz, R 3/1846, AN RMfRuK (Scheid) v. 12. 6. 1944. 69 Speer, Erinnerungen, S. 287 (26. 7. 1943). 70 Siehe S. 302 ff. 10*

130

Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

die Bildung von weiteren Entwicklungskommissionen beim Munitionsministerium. Am 1. Dezember 1942 nahm eine Kraftfahrzeugkommission ihre Arbeit auf, am 10. Juni wurde eine Funkmeßkommission und am 22. Juli 1943 eine Schiffbaukommission gebildet. Die Kraftfahrzeugkommission unter der kommissarischen Leitung von Oberst Holzhäuer, einem technischen Militär, wurde von vornherein auf enge Kooperation mit dem Hauptausschuß Panzer- und Zugkraftwagen und mit der Panzerkommission orientiert. Die Hauptausschüsse Panzer und Kraftfahrzeuge wurden zugleich durch gemeinsame Kontingentierungsbüros und „Planungsgemeinschaften" für Motoren, Getriebe usw. funktionell und personell miteinander verflochten. Gleichzeitig mit der Gründung der KraftfahrzeugTabelle 15 Entwicklungskommissionen (bzw. für Rüstung und

des Reichsministers Kriegsproduktion)

für Bewaffnung

und

Munition

Kommission

Leiter

Gründungsdatum

Panzerkommission

Ferdinand Porsche (Volkswagenwerk) seit Dezember 1943: Gerd Stieler v. Heydekampf (Henschel) Erich Müller (Krupp) Albert Wolff (DWM) Paul Müller (Dynamit Nobel) Karl Küpfmüller (Siemens & Halske) Obstlt. Holzhäuer

21. Juni 1941

Waffenkommission (auch: Geschützkommission) Munitionskommission Pulver- und Sprengstoffkommission Aachrichtenmittelkommission Kraftfahrzeugkommission Kommission für Beobachtungsund Feuerleitgerät Entwicklungskommission Fernschießen Kommission für Funkmeßtechnik

Waldemar Petersen (AEG) Waldemar Petersen (AEG) Karl Küpfmüller (Siemens & Halske) Vizeadmiral Topp

2. April 1942 2. April 1942 1. Juli 1942 21. August 1942 19. November 1942 (m. W. v. 1. Dezember) 18. Dezember 1942 März 1943 (10.) Juni 1943

Schiffbaukommission 22. Juli 1943 (mit Unterkommission Handelsschiffbau) Hauptkommission Elektrotechnik Friedrich Lüschen (Jan.?) März 1944 (als Zsf. mehrerer Kommissionen) (Siemens & Halske) Stellv.: Hans Heyne (AEG) Entwicklungshauptkommission Roluf Lucht 15. September 1944 (Messerschmitt) Flugzeuge Stellv.: Karl Frydag (Henschel/Heinkel) Entwicklungshauptkommission Oskar Stamm 6. Januar 1945 Maschinen (Schwarzkopff) (Stellv. Karl Lange) Quelle: Datierungen nach verschiedenen Quellen {Nachrichtendes u. a.).

RMfBuM;

Chronikdes

RMfBuM

Auswirkungen der Niederlagen des Winters 1942/43

131

kommission wurde ein „ B e i r a t für Motorisierung beim G B - R ü s t " gebildet. 7 1 Der F u n k meßkommission unter Leitung von K a r l Küpfmttller (Vorstandsmitglied der Siemens & Halske AG) wurde eine anders geartete, wesentlich enger gefaßte Aufgabe übertragen: durch Zusammenfassung der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten auf rascheste und rationellste Weise die Funkmeßtechnik und damit ein wichtiges Mittel vor allem zur Abwehr der alliierten Bomberflotten in das deutsche Luftabwehrsystem einzuführen. 7 2 Durch eine Anordnung des Leiters der R G I über „Technische Ausschüsse bei den Wirtschaftsgruppen" vom 1. März 1943 wurden bei den Wirtschaftsgruppen, „soweit nicht vorhanden, für alle noch betriebenen Fertigungen, die nicht zur Zeit in Ausschüssen oder Ringen des Reichsministers für Bewaffnung und Munition betreut werden, ,Technische Ausschüsse' aufgestellt", 7 3 die fachliche Weisungen in Zangens Auftrag von der „Technischen Abteilung der Reichsgruppe Industrie" erhalten sollten. D a m i t war die Organisationsform der Rationalisierungsarbeit in der gesamten nicht zum Rüstungssektor gehörenden Industrie derjenigen in der Rüstungsindustrie angeglichen. Weyres übertreibt stark und urteilt einseitig, wenn er in Zangens Anordnung „einen letzten Versuch" sieht, „die Wirtschaftsgruppen vor einem weiteren Ausufern der Ausschüsse und Ringe abzuschirmen". 7 4 Die R G I , die von Anbeginn an aufs engste m i t dem Apparat des Munitionsministeriums verflochten war und ohne deren konzeptionelle und personelle Unterstützung die Organisation der „Selbstverantwortung" in der Rüstungsindustrie überhaupt nicht denkbar war, bereitete damit vielmehr die weitere Machtkonzentration beim Munitionsministerium vor — allerdings auf Kosten der eigenen Aufsichtsbehörde, nämlich des Reichswirtschaftsministeriums.

Weitere

Konzentration

der

Regulierungsgewalt

Die Angriffspläne der Wehrmacht für den Sommer 1943 waren aufs engste m i t der Erfüllung der Programme der Heeresrüstung, besonders des Panzerprogramms, verknüpft. In Gestalt der außerordentlich weitgehenden Vollmacht, die m i t dem „Adolf-HitlerPanzerprogramm" verbunden war, h a t t e der Munitionsminister ein Druckmittel in Händen, das er ohne Hemmungen einsetzte, um seine Vorstellungen vom „Totalen Krieg" und von der weiteren Konzentration der Regulierungsgewalt in der Kriegswirtschaft zu realisieren. E s gelangen ihm zunächst wesentliche neue Einbrüche in die Einflußsphäre der Wehrmacht. Am 18. J a n u a r 1943 setzte er bei Hitler durch, daß bei der geplanten starken Reduzierung des Mannschaftsbestandes des Heereswaffenamtes ausgesuchte, im Sinne des Ministeriums verläßliche Offiziere im A m t blieben. 7 5 Diese Politik Speers wird dazu beigetragen haben, daß sich das Verhältnis zwischen dem H W A und seinem Minislerium bald „befriedigend geklärt" 7 6 hatte. 71 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 16, 16. 12. 1942, Erl. RMfBuM v. 19. 11. 1942. 72 Nach Ludwig, Technik, S. 247, gelang es allerdings der Funkmeßkommission, ähnlich wie anderen Entwicklungskommissionen, nicht, „ihre Arbeitsergebnisse mit denen der Forschungsgruppen abzustimmen, die zur selben Zeit für die Marine, die Luftwaffe oder die SS arbeiteten". 73 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9086, Bl. 372 f., „Grundanordnung" Zangens, 1. 3. 1943. 74 So Weyres-v. Levetzow, S. 99. Zum Verhältnis zwischen RGI und RMfBuM s. auch S. 113 ff. 75 FB, 18. 1. 1943, Punkt 22. 76 FB, 10. 4. 1943, Punkt 1.

132

Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

Den endgültigen Rücktritt von General Thomas als Chef des Rüstungsamtes am 17. November 1942 77 und die Reduzierung des Wehrwirtschaftsamtes des OKW auf einen „Wehrwirtschaftsstab" am 28. Februar 1943 78 — unter einem neuen Chef — benutzte der Munitionsminister dazu, seinem Ministerium zahlreiche Aufgabengebiete und Arbeitsbereiche des bisherigen Wehrwirtschaftsamtes bzw. des Wehrwirtschaftsstabs einzuverleiben. Seine erste Forderung war die folgenschwerste. Sie rührte an den nervus rerum der Wehrmachtrüstung. Karl Maria Hettlage, als Generalreferent für Wirtschaft und Finanzen den Amtchefs des Ministeriums gleichgestellt, drang Ende Januar 1943 beim OKW auf die „Abgabe des Preisprüfwesens vom OKW/Wi Amt an den Reichsminister für Bewaffnung und Munition bzw. an die Wehrmachtteile". 7 9 Keitel resignierte rasch: „Nachdem die Entwicklung nun einmal diese Wege gegangen ist, klammere ich mich nicht mehr an die Preisprüfung, obwohl j a die Verantwortung gegenüber dem Finanzminister die Zugehörigkeit zu OKW bedingte. Meinetwegen mag auch diese Organisation zerfallen! ich bin nicht mehr interessiert!" 8 0 Doch es dauerte noch fast ein Vierteljahr, bis er einen Erlaß unterzeichnete, demzufolge die Amtsgruppe Vertrags- und Preisprüfung im Wehrwirtschaftsstab mit W irkung vom 1. Mai an das Munitionsministerium überging. 8 1 Dies war ein Erfolg von grundsätzlicher Bedeutung für die Rüstungsmonopole. Von nun an waren der von ihnen gesteuerte ministerielle Apparat und damit — in einem viel unmittelbareren Sinne als vorher — sie selber für die Überwachung und Prüfung ihrer Preiskalkulationen und für die Kontrolle ihrer Profite verantwortlich. Weniger Erfolg hatte der Minister mit einem frontalen Vorstoß gegen die Beschaffungsämter der Wehrmachtteile. Hitler unterschrieb ihm zwar am 6. März 1943 einen Erlaß, der eine „zusammengefaßte einheitliche Beschaffung für die drei Wehrmachtteile" 8 2 durchsetzen sollte, und äußerte am 26. J u n i noch einmal sein Einverständnis mit dem „Vorschlag" 8 3 der einheitlichen Beschaffung. Aber eine Zusammenfassung der Beschaffungsämter der Wehrmachtteile unter der Führung des Ministeriums gelang nicht; nur das Arbeitsgebiet „Beschaffung von handelsüblichem Gerät für die Truppe" ging aus dem Wehrwirtschaftsstab an das Ministerium über. 84 Außerdem aber verleibte es sich bzw. seiner Mittelinstanz im Laufe der Monate noch zahlreiche weitere Bereiche und Referate aus der Abteilung Inland des Wehrwirtschaftsstabes ein, darunter Schutz der Betriebe einschließlich Werkschutz und Werkluftschutz, Einberufungsschutz, Abwehrfragen, Patent- und Lizenzfragen, Rohstoffbewirtschaftung, Rüstungsauftragsverlagerung in das neutrale Ausland. 8 5

77 Thomas, S. 315. 78 Ebenda, S. 369 (mit Wirkung v. 1. 3.). Zur Vorgeschichte der Bildung des Wehrwirtschaftsstabes (seit 15. 1. 1943) s. ZStA Potsdam, FS, Film 1828 u. Film 1784. 79 ZStA Potsdam, FS, Film 1784, Vortragsnotiz WWiAmt f. Keitel, 5. 2. 1943. 80 Ebenda, Marginale Keitels, 6. 2. 1943 (hs.). 81 Ebenda, Film 1828, Erlaß Keitels v. 30. 4. 1943; s. a. ebenda, Gemeinsamer Erlaß von Speer und Keitel, betr. „Neuordnung der Preisbildung für Rüstungsaufträge", 10. 4. 1943; Thomas, S. 371. 82 FB, 6. 3. 1943, Punkt 22. 83 FB, 26. 6. 1943, Punkt 4. 84 Thomas, S. 368; Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg, S. 237. 85 Thomas, S. 368; ZStA Potsdam, FS, Film 5381, OKW-Erlasse v. 7. u. 21. 7. 1943.

Auswirkungen der Niederlagen des Winters 1942/43

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Eine grundlegende Veränderung der Machtverhältnisse zugunsten der Gruppierung u m das Munitionsministerium vollzog sich auf d e m Gebiet der Marinerüstung. Am 30. J a n u a r 1943 ü b e r n a h m Großadmiral Karl Dönitz das O b e r k o m m a n d o über die Kriegsmarine. Von Anfang an suchte er eine engere Z u s a m m e n a r b e i t m i t d e m Munitionsminister, u m der Misere der Marinerüstung abzuhelfen, deren Eisenkontingent im Dezember 1942 erheblich gekürzt worden w a r 8 6 u n d die Mangel an Zulieferteilen litt. I m F r ü h j a h r 1943 gab es Absprachen zwischen Speer u n d Dönitz, in denen der Übergang der Befehlsgewalt in der Marinerüstung auf das Munitionsministerium erörtert wurde. 8 7 I m März erteilte Hitler hierzu grundsätzlich seine Zustimmung. 8 8 Aber der W i d e r s t a n d der Admiralität verzögerte den weiteren Gang der Ereignisse bis weit in den J u l i hinein, als die k a t a s t r o p h a l e n U-Boot-Verluste u n d die allgemeine militärische u n d Rüstungssituation den Marinechefs schließlich keine andere W a h l mehr ließen. Zunächst sprach Dönitz a m 4. Mai als Gast der Zentralen P l a n u n g über die düsteren Aussichten der Seekriegführung, besonders des U-Boot-Krieges, angesichts der inzwischen ü b e r m ä c h t i g e n A b w e h r k r ä f t e der Alliierten u n d verlangte, „das Marinekontingent a n Eisen, das im letzten Vierteljahr 180000 t betragen h a t , auf 230000 t hochzuziehen". 8 9 W e n n m a n n i c h t — so f ü h r t e er aus — „ u n t e r allen U m s t ä n d e n m i t größter Beschleunigung des U - B o o t - B a u p r o g r a m m hochziehen" werde, so müsse „eines Tages diese U - B o o t - W a f f e d u r c h die Abwehr erdrückt werden". F e r n e r : „ . . . w e n n wir nicht schlagartig m i t größter Beschleunigung unsern großen Geleitfahrzeugplan an Minensuchern, Sperrbrechern u n d Schnellbooten hochziehen, d a n n erleben wir spätestens in einem halben J a h r die größte K a t a s t r o p h e , die es gibt". Die K a t a s t r o p h e k a m schneller als gedacht. Die „Bredouille" in Tunis, wesentlich veru r s a c h t d u r c h die „fehlende Seeverbindung Tunis — Italien" 9 0 , endete a m 12. Mai 1943 m i t d e r K a p i t u l a t i o n von fast 240000 Mann deutscher u n d italienischer Truppen. 9 1 A m 24. Mai ließ die Seekriegsleitung wegen der s p r u n g h a f t gestiegenen eigenen Verluste alle Gruppenangriffe von U-Booten auf alliierte Geleitzüge abbrechen, den N o r d a t l a n t i k u n d die alliierten Konvoirouten fluchtartig r ä u m e n . 9 2 „ D a m i t war der großangelegte Versuch gescheitert, m i t Hilfe der U-Boote den ozeanischen Zufuhrkrieg gegen Großbritannien u n d die U S A erfolgreich zu f ü h r e n . " 9 3 I m Mai schnellten die Verlustzahlen auf fast 20 Prozent der Gesamtzahl der F r o n t - U - B o o t e herauf u n d dokumentierten d a m i t „die Krise, in die der U-Bootskrieg geraten ist". 9 4 86 Janssen, S. 110; DZW, Bd. 3, S. 140. 87 DZW, Bd. 3, S. 237ff.; Janssen, S. 111 (ohne Quellenangabe): „Darum trat Dönitz im März an Speer heran mit der Bitte, die Marinerüstung verantwortlich zu übernehmen." Tatsächlich datierte schon vom 10. März ein Runderlaß Speers, der „Störungen" der U-Boot-Produktion ausschalten sollte und den bezeichnenden Hinweis enthielt: „Im übrigen ist damit zu rechnen, daß die Vor-, Zu- und Unterlieferungen für die U-Boot-Fertigung sich in Kürze um mindestens 30 Prozent steigern werden." (ZStA Potsdam, FS, Film 1828). Siehe dagegen Speer, Erinnerungen, S. 285 (gibt ungefähr April/Mai als Datum solcher Absprachen an). 88 Janssen, S. III. 89 ZP-P, 4. 5. 1943, 40. Sitzung; hiernach auch das Folgende. 90 Ebenda. 91 DZW, Bd. 3, S. 132. 92 Ebenda, S. 149 f. 93 Förster, Gerhard,/Helmert, Heinz/Schnitter, Helmut, Der zweite Weltkrieg. Militärhistorischer Abriß, 2. Aufl., Berlin 1974, S. 243. 94 K TB des OKW, Bd. 3/2, S. 1439, Dok. 17, Auszug aus dem KTB der Seekriegsleitung, 8.6.1943.

134

Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

Tabelle 16 U-Boot-Verluste

der Kriegsmarine

Januar

bis August

1943

Zeitraum

Anzahl der Boote

Zeitraum

Anzahl der Boote

Januar Februar März April

6 19 15 15

Mai Juni Juli August

41 17 37 25

Quelle: DZW, Bd. 3, S. 150 (Grafik). Nun jagten sich die Konferenzen. 9 5 In der „Führerbesprechung" a m 26. J u n i informierte Speer Hitler über Dönitz' und seinen Plan, die Marinerüstung in sein Ministerium zu übernehmen. „Der Führer würde es begrüßen", so notierte er danach, „wenn das Marineprogramm von uns übernommen würde." 9 6 Drei Tage später übertrugen er und Dönitz d a s Programm der Marinerüstung — d a s sogenannte Ohnmachtsprogramm 9 7 — dem Hauptausschuß Schiffbau, für den Speer eigens einen neuen Leiter in Gestalt von Otto Merker, Vorstandsmitglied der Klöckner-Humboldt-Deutz AG (Klöckner-Konzern), bestellt hatte. 9 8 Nach der diesen „Dönitz-Speer-Pakt" 9 9 besiegelnden Konferenz mit der Admiralit ä t am 5. J u l i , auf der Merker bereits sein Konzept für ein neues Serienbausystem und beeindruckende Produktionszahlen für die Zukunft vorlegte 1 0 0 , war auch „der heikelste Punkt unter den Forderungen des Ministers für den Hauptausschuß" durchgesetzt: „die alleinige Leitung der Werften und die Bestimmung über die Reparaturen". 1 0 1 A m 22. J u l i 1943 fixierten Dönitz und Speer ihre Abmachungen in einem „Gemeinschaftserlaß". 1 0 2 Danach wurde neben dem Hauptausschuß Schiffbau eine Entwicklungskommission für Schiffbau (Schiffbaukommission) gebildet, der außer dem Leiter, der vom Oberbefehlshaber der Kriegsmarine benannt werden sollte, zehn Fachleute aus dem Bereich des Munitionsministers, darunter Merker, und sechs Vertreter der Kriegsmarine angehören sollten. Eine Reihe von Abteilungen des Hauptamtes Kriegsschiffbau im OKM unterstanden von nun an fachlich dem Munitionsminister. Der Hauptausschuß Schiffbau erhielt 95 Chronik des RMfBuM, 1943 I, Bl. 73f. u. 109ff. (Mai; Juni/Juli 1943). 96 FB, 26. 6. 1943, Punkt 27. 97 Chronik

des RMfBuM,

1943 I , B l . 122.

98 Ebenda, Bl. 109 f., 29. 6.1943. — Merker war Vorstandsvorsitzer der Magirus-Werke AG, einer weiteren Konzerngesellschaft des Klöckner-Konzerns. Er übernahm nach kurzem auch die Leitung der Wirtschaftsgruppe Schiffbau (von Rudolf Blohm). Im Apparat der „Selbstverantwortung" der Rüstungsindustrie war er bisher Leiter des Arbeitsausschusses Feuerwehrgeräte im Hauptausschuß Maschinenbau. 9 9 Chronik

des RMfRuK,

1 0 1 Chronik

des RMfBuM,

1944 I , B l . 8 5 (Mai 1944).

100 Speer, Erinnerungen, S. 286.

1943 I , B l . 115, 5. 7. 1943.

102 ZStA Potsdam, F S , Film 418, „Gemeinschaftserlaß des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine und des Reichsministers für Bewaffnung und Munition", betr. „Durchführung Flottenbauprogramm 1943", 22. 7. 1943. Hiernach auch das Folgende. — Speer, Erinnerungen, S. 287, gibt irrtümlich den 23. 7. als Unterzeichnungsdatum an.

Auswirkungen der Niederlagen des Winters 1942/43

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ausdrücklich Vollmacht für die „Steuerung der gesamten Produktion". „ E i n Recht zum Eingreifen in die Fertigung haben Marinedienststellen nicht mehr." Die Ambitionen des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition reichten indes entsprechend dem Konzept der „Aktivierung der gesamten Wirtschaft zugunsten der Rüstungswirtschaft" bedeutend weiter. J e „totaler" die gesamte Wirtschaft der Rüstung dienstbar gemacht wurde, desto mehr erschien den Kreisen um den Munitionsminister die gesonderte Verwaltung und Regulierung des Bereichs der sogenannten zivilen Produktion durch das Reichswirtschaftsministerium als hemmender Umstand. Die Tendenz zur Aufrechterhaltung der zivilen Produktion, so schien es den Verantwortlichen des Ministeriums, konnte nicht wirksam genug unterbunden, zivile Produktionskapazitäten und industrielle Rohstoffe nicht konsequent genug für die Rüstung eingesetzt, n i c h t genügend Arbeitskräfte durch rigorose Stillegungen gewonnen werden, solange diese Trennung der Wirtschaft, zumindestens der industriellen bzw. gewerblichen Wirtschaft, in den zivilen und den Rüstungssektor bestehen blieb. Schon in der ersten Junihälfte 1943 fanden Diskussionen darüber zwischen führenden Repräsentanten des Munitionsministeriums und Hans Kehrl s t a t t 1 0 3 , dem damals einflußreichsten Mann im Reichswirtschaftsministerium, der, wie Speer unmittelbar nach dem Kriege formulierte, „praktisch im Wirtschaftsministerium mein Mann w a r " 1 0 4 . Die Gespräche wurden sicher zunächst vertraulich geführt, waren aber bald so weit gediehen, daß am 26. J u n i zwischen Speer und Hitler — nach Speers Niederschrift — „informatorisch die F r a g e der Übernahme der gesamten Produktion vom Wirtschaftsministerium auf uns besprochen" wurde. „Der Führer", so notierte Speer weiter, „wäre m i t einer solchen Maßnahme einverstanden." 1 0 5 Einen Monat später verkündete der Munitionsminister seinen Amtschefs in Anwesenheit Kehrls, er habe am 26. J u l i die endgültige Zustimmung Hitlers zur Eingliederung der zivilen Produktion aus dem Reichswirtschafts- ins Munitionsministerium erhalten: „Der Führer habe sich damit einverstanden erklärt, daß die gesamte Produktion beim Reichsminister für Bewaffnung und Munition zusammengefaßt und die bisher noch aufrechterhaltene zivile Fertigung rücksichtslos eingeschränkt und gedrosselt werde, mit Ausnahme der unbedingt kriegswichtigen Erzeugnisse und anderer lebensnotwendiger Bedarfsgegenstände . . . E i n e vom Minister seit langem für notwendig gehaltene Konzentration aller Kräfte soll nunmehr durch die Zusammenfassung aller m i t der Produktion und der gesamten Kriegswirtschaft befaßten Dienststellen und Einrichtungen durchgeführt werden." 1 0 6 Diese euphorische Auslegung des „Führerentscheids" griff indessen der Sache nach den Ereignissen weit voraus; auch erging der Erlaß Hitlers, der die bisher vom Reichswirt103 Chronik des RMfBuM, 1943 I, Bl. 89f. — Diese frühen Diskussionen bleiben unerwähnt bei Kehrl, S. 298(ff.), der überhaupt seine diesbezügliche Aktivität geflissentlich abschwächt; s. a. ebenda, S. 310 ff. 104 ZStA Potsdam, FS, Film 3568, Vernehmung Speers, 17. 5. 1945: „Inoffiziell gehörte auch Kehrl ins Ministerium, der praktisch im Wirtschaftsministerium mein Mann war." 105 FB, 26. 6. 1943, Punkt 28. 106 Chronik des RMfBuM, 1943 I, Bl. 123 u. 125, 27. 7. 1943. - Oberst Dornberger, Leiter des Projekts A 4, will schon Anfang Juli 1943 bei seinem Besuch im Führerhauptquarticr beobachtet haben, „wie hier, in dieser alkoholerfüllten Atmosphäre, ein seit Monaten tobender Machtkampf zwischen Wirtschaftsministerium und Munitionsministerium zugunsten Speers entschieden wurde" (Dornberger, Walter, V 2 - Der Schuß ins Weltall, Eßlingen (1958), S. 117.)

136

Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

schaftsminister regulierten Produktionsbereiche dem Munitionsminister überantwortete, erst am 2. September 1943. E r leitete eine umfängliche Reorganisation des staatsmonopolistischen Regulierungsapparats in der Kriegswirtschaft ein, erfüllte aber die offensichtlich im J u n i / J u l i gehegten hochgeschraubten Hoffnungen des Speer-Ministeriums nicht.

Bestrebungen zur Zusammenfassung der „europäischen Wirtschafts- und

Rüstungskapazität"

In die kriegswirtschaftliche Konzeption der „totalen Mobilisierung" wurden auch die besetzten Länder einbezogen. Von Anfang an h a t t e n die besetzten Gebiete als Reservoir von Zwangsarbeitskräften fungiert und waren mit Methoden der maximalen, auf kurze Frist berechneten wirtschaftlichen Ausplünderung vor allem ihrer Rohstoffe (in Form von Beute u n d durch Raubbau), besonders wichtiger Maschinen und maschineller Ausrüstungen beraubt worden. Die deutschen Aufträge an die Industrie der westeuropäischen und einiger anderer okkupierter Länder standen dagegen insgesamt in keinem Verhältnis zu ihrer potentiellen wirtschaftlichen Leistungskraft. Unbeirrt verfolgten die deutschen Rüstungskonzerne u n d Großbanken ihre Politik der ökonomischen „Durchdringung" und finanzkapitalistischen Unterwerfung der in ihrem Machtbereich befindlichen Länder, besonders Südosteuropas; die desolate wirtschaftliche Lage der Wirtschaft in den besetzten Ländern erleichterte ihnen dieses Vorhaben. Unter dem Eindruck der Krisis an der deutsch-sowjetischen F r o n t zeigten sich maßgebliche Vertreter der herrschenden Klasse in Deutschland zunehmend unzufrieden mit den bisherigen wirtschaftlichen Ergebnissen der Okkupationspolitik. Besonders in Kreisen der Wehrmacht und der Rüstungswirtschaft griff u m die Jahreswende 1942/43 die Besorgnis um sich, m a n werde womöglich noch jahrelang im Osten durch einen starken Gegner gebunden sein. Der Chef des Heereswaffenamtes, General Emil Leeb, befürchtete, die deutsche Industrie werde auf längere Sicht den „W 7 ettlauf zwischen der Rüstung der Feindstaaten und der unsrigen" mit den bisherigen Mitteln nicht bestehen können und „in ein gefährliches Hintertreffen . . . geraten". 1 0 7 In dieser Zeit entstanden eine Reihe vielfach weitgehender Forderungen nach einer einheitlichen „europäischen" Wirtschaftsplanung, einem „europäischen Rüstungsprogramm" und einer wirksamen Mobilisierung der „europäischen" Wirtschaftsreserven durch Ausdehnung der Rationalisierung auf die „europäische Wirtschafts- und Rüstungskapazität". 1 0 8 Zunehmend suchten die herrschenden Kreise auch nach praktikablen politischen Lösungen. Neue außenpolitische Vorstellungen zu entwickeln und gewisse Veränderungen in der Okküpationspolitik vorzunehmen erschien jetzt vielen unumgänglich, sowohl um „die europäische Wirtschaft in der Zukunft krisen- und blockadefest" 1 0 9 zu machen, wie es Reichswirtschaftsminister F u n k forderte, als vor allem auch, um die Kollaborationsbereitschaft in den besetzten Ländern zu stärken, die oppositionellen Kräfte politisch zu desorientieren u n d die antifaschistische Widerstandsbewegung zu schwächen. Kennzeichnend f ü r die in dieser Phase entstandenen „Europa-Pläne" waren die Aus107 ZStA Potsdam, FS, Film 2324, Leebs „Denkschrift über Europäische Rüstungs-Konzentration'" v. 1. 12. 1942; teilw. gedr. in Anatomie des Krieges, S. 412 ff., Dok. 218. 108 Ebenda. 109 Artikel Walther Funks in der DAZ v. 29. 11. 1942, zit. ebenda.

Auswirkungen der Niederlagen des Winters 1942/43

137

a r b e i t u n g e n des Auswärtigen Amtes über einen „Europäischen S t a a t e n b u n d " . 1 1 0 Die Vorstellungen R i b b e n t r o p s liefen darauf hinaus, von deutscher Seite aus „möglichst bald, u n d zwar sobald wir einen b e d e u t e n d e n militärischen Erfolg zu verzeichnen haben, in ganz konkreter F o r m den Europäischen S t a a t e n b u n d (zu) p r o k l a m i e r e n " d e m zunächst als Mitglieder Deutschland, Italien, Frankreich, D ä n e m a r k , Norwegen, Finnland, die Slowakei, U n g a r n , R u m ä n i e n , Bulgarien, Kroatien, Serbien, Griechenland u n d Spanien angehören sollten. Ohne Umschweife war von der politischen u n d wirtschaftlichen Zielsetzung des P r o j e k t s die Rede: E s werde „eine starke Beruhigung u n d Anspannung der K r ä f t e f ü r unseren Krieg in diesen L ä n d e r n e i n t r e t e n " . Gerade in den okkupierten Ländern sollte das P r o j e k t dazu dienen, ihre kriegswirtschaftliche E f f e k t i v i t ä t zu erhöhen; es w ü r d e „sowohl in Frankreich als auch sonst in den besetzten Gebieten in der Richtung wirken, d a ß diese Länder zweifellos ganz anders zu den Kriegsanstrengungen auf personellem u n d materiellem Gebiet beitragen würden als bisher". 1 1 2 Direkter u n d zielstrebiger b e m ü h t e n sich die Kreise u m das Reichsministerium f ü r Bew a f f n u n g u n d Munition u m die Lösung des Problems, das Produktionspotential der besetzten Gebiete vollständiger, rationell u n d d a u e r h a f t auszubeuten. Der Minister konzentrierte seine Energie d a r a u f , die entscheidenden Vollmachten in seine H a n d zu b e k o m m e n . I m S o m m e r / H e r b s t 1942 h a t t e er aus der E r b s c h a f t , die das R ü s t u n g s a m t in d a s Ministerium einbrachte, in F r a n k r e i c h den Kern einer eigenen ministeriellen Rüstungsorganisation a u f b a u e n können, h a t t e im P r o t e k t o r a t u n d im Generalgouvernement die Rüstungsinspektionen in seinen Verantwortungsbereich übernommen u n d hier u n d in den besetzten sowjetischen Gebieten sozusagen auf Schleichwegen die wirtschaftspolitischen Positionen Görmgs u n d der jeweiligen Okkupationsbehörden ausgehöhlt. 1 1 3 J e t z t , während der Krise von Stalingrad, d r ä n g t e er auf eine konsequente u n d umfassende Lösung des Problems. Anfang J a n u a r 1943 ließ er sich von Hitler zusagen, „ d a ß sämtliche F r a g e n der Ausnützung der industriellen K r a f t F r a n k r e i c h s f ü r die R ü s t u n g direkt v o m Ministerium f ü r Bewaffnung u n d Munition gesteuert werden". 1 1 4 Mit diesem F a u s t p f a n d erreichte er es, d a ß Göring ihm wenige Tage später, a m 10. J a n u a r , seine Vollmachten zur Ausnutzung d e r R ü s t u n g s k a p a z i t ä t e n aller besetzten Gebiete ü b e r t r u g : „Der Generalbevollmächtigte f ü r die Rüstungsaufgaben (GB-Rüst) u n d Reichsminister f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition h a t die Ausnützung aller Möglichkeiten zur Steigerung des deutschen Rüstungspotentials in den besetzten Gebieten m i t allen Mitteln bis z u m letzten v o r z u n e h m e n . " 1 1 5 Der G B R ü s t erhielt zu diesem Zweck die ausdrückliche Weisungsbefugnis gegenüber den Militärbefehlshabern u n d Reichskommissaren. Mit W i r k u n g v o m 1. F e b r u a r 1943 ging, wie vorher schon in Frankreich, dem P r o t e k t o r a t u n d dem Generalgouvernement, auch in Belgien, in den Niederlanden u n d in Dänemark die Rüstungsorganisation des O K W auf d a s Reichsministerium f ü r Bewaffnung u n d Munition über. 1 1 6 Die R ü s t u n g s s t ä b e ( F r a n k r e i c h ; Dänemark), Rüstungskommissionen 110 111 112 113 114 115

Siehe auch DZW, Bd. 3, S. 409ff. AN Ribbentrops v. 21. 3. 1943, zit. nach Konzept für die „Neuordnung" der Welt, S. 103. Ebenda, S. 103 f. Siehe S. 92ff. FB, 3./4./5. 1. 1943, Punkt 55. BA Koblenz, R 3/1988, Görings „Anordnung über die Steigerung des Rüstungspotentials in den besetzten Gebieten" v. 10. 1. 1943. 116 ZStA Potsdam, FS, Film 1828, OKW-Erlasse v. 30. 1. (Belgien, Niederl.) und v. 3. 2. 1943 (Dänemark); Erlaß RMfBuM v. 12. 2. 1943 (Dänemark).

138

D i e W e n d e des K r i e g e s u n d d a s kriegswirtschaftliche K o n z e p t

(Generalgouvernement; Protektorat), Rüstungsinspektionen, Rüstungskommandos und Außenstellen in den okkupierten Ländern wurden nun zu einem festen Netz der Ausbeutung der Ressourcen dieser Länder verknüpft. Am 1. März 1943 wurde die Rüstungsorganisation in den Niederlanden reorganisiert und in einer „Rüstungs- und Beschaffungskommission" zusammengefaßt. 117 Am 15. März bildete der Munitionsminister auch in Frankreich eine Rüstungs- und Beschaffungskommission, mit einem geschäftsführenden Rüstungs- und Beschaffungsstab; aufgelöst wurden in diesem Zusammenhang der Rüstungsstab und die Rüstungsinspektion Frankreich sowie das Deutsche Beschaffungsamt Frankreich. 118 Die neuen, straff zentralisierten Institutionen sollten vor allem die deutschen Ausschuß- und Ringorganisationen als Lenkungs-, Kontroll- und Rationalisierungsorgane in der Wirtschaft der betreffenden Länder fest etablieren. 119 Entsprechende Anordnungen ergingen für Frankreich am 1. Juni, 1 2 0 für die Niederlande am 5. und 12. Juli 1943. 121 Walther Schieber erläuterte am 5. J u n i den Leitern der Ausschüsse und Ringe die „Neuregelung in Frankreich". 1 2 2 Als „wichtigste Voraussetzung" für die Verzahnung des deutschen und des französischen Rüstungspotentials sei „Personalunion zwischen dem Chef der Amtsgruppe ,Beschaffung' (des Rüstungs- und Beschaffungsstabes — D. E.) und dem Rüstungsobmann" hergestellt worden in Gestalt von Major Graf, der, wie für diese Position erforderlich, „einerseits ein Stabsoffizier, andererseits ein Industrieller von besonderem F o r m a t " sei. Die Ausschüsse und Ringe seien nun aufgefordert, ein System von „Paten"und „Leitfirmen" für die französischen Unternehmen zu schaffen. „Nutzen Sie das französische Rüstungspotential", so appellierte Schieber an sein Publikum, „als sei es ein Teil unseres deutschen Potentials, dann wird die Selbstverantwortung der deutschen Industrie auch diese große, kriegswichtige Aufgabe erfüllen!" Allerdings stieß das Munitionsministerium auf vielfältige Hemmnisse, die es letztlich unmöglich machten, eine koordinierte und effektive „europäische" Rüstungsproduktion in Gang zu setzen. Der allgegenwärtige Widerstand der betroffenen Völker, der nach Stalingrad überall neue Dimensionen annahm, war die wichtigste Größe, mit der die faschistischen Planer zu rechnen hatten. Wesentlich erschwerte und durchkreuzte ferner die Zwangsarbeitspolitik der deutschen Imperialisten die Konzeption einer einheitlich 117 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 22, 10. 4. 1943, V e r l a u t b a r u n g betr. „ B i l d u n g v o n R ü s t u n g s u n d B e s c h a f f u n g s k o m m i s s i o n e n f ü r F r a n k r e i c h u n d f ü r die b e s e t z t e n niederländischen G e b i e t e " , o. D . 118 E b e n d a ; ferner Chronik des RMfBuM, 1943 1, B l . 43, 1 . 4 . 1 9 4 3 . U n g e n a u DZW, B d . 3, S . 390. 119 Vgl. Milward, Alan S., T h e N e w Order a n d the F r e n c h E c o n o m y , O x f o r d 1970, S . 1 3 9 f f . 120 B A K o b l e n z , R 4/20, E r l a ß R M f B u M b e t r . „ E i n s c h a l t u n g der A u s s c h ü s s e u n d R i n g e bei der rüstungswirtschaftlichen Nutzbarmachung Frankreichs" (gemeinsam mit dem MBfh Frankreich), v . 1. 6. 1 9 4 3 ; desgl. f. d. N i e d e r l a n d e ( g e m e i n s a m m i t d e m R e i c h s k o m m i s s a r f. d. b e s . N i e d e r l a n d e ) , v. 5. 7. 1943. 121 B A K o b l e n z , R 3 / 1 0 0 , (bokle) E r l a s s e f. d. N i e d e r l a n d e . 122 E b e n d a , R 4 / 2 0 , A N G I W E üb. die R e d e Schiebers, 10. 6. 1943. H i e r n a c h a u c h das F o l g e n d e . — Der v o n S c h i e b e r g e n a n n t e Offizier, „ s e i t 19 J a h r e n V o r s t a n d eines unserer größten deutschen I n d u s t r i e u n t e r n e h m e n " (ebenda), war aller Wahrscheinlichkeit n a c h J u l i u s G r a f , V o r s t a n d s m i t g l i e d der Christian Dierig A G , im A u f s i c h t s r a t v o n etwa einem D u t z e n d weiterer U n t e r n e h m e n bzw. K o n z e r n b e t r i e b e n des D i e r i g - K o n z e r n s vertreten u n d f ü h r e n d t ä t i g in zahlreichen U n t e r o r g a n i s a t i o n e n der W i r t s c h a f t s g r u p p e T e x t i l i n d u s t r i e und in den Reichsstellen f ü r B a u m w o l l e u n d für B a u m w o l l g a r n e u n d -gewebe.

Konzentration der Regulierungsgewalt im Sommer/Herbst 1943

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geführten und produktiven „europäischen" Kriegswirtschaft; erfaßte doch gerade im ersten Halbjahr 1943 eine neue Welle von Zwangsrekrutierungen die besetzten Länder, diesmal in großem Stil auch Westeuropa. 1 2 3 Schließlich lieferten sich die faschistischen Satrapen untereinander heftige Gefechte um ihre Kompetenzen und Prärogativen. 1 2 4 Das hauptsächliche Augenmerk der Kreise um das Munitionsministerium richtete sich im ersten Halbjahr 1943 offensichtlich immer noch auf die im Osten besetzten Gebiete, besonders auf die industriellen Kapazitäten des Generalgouvernements und auf das Dnepr-Donec-Industriegebiet. Das Donecbecken blieb nach dem Abbruch der sowjetischen Offensive im Februar/März 1943 bis auf seinen östlichen Teil weiterhin unter faschistischer Herrschaft. In dieser Zeit setzten die Leiter der deutschen Kriegswirtschaft große Hoffnungen darauf, den Lohn ihrer vorjährigen Mühen beim Wiederaufbau von Kapazitäten des Reviers in F o r m von Stahl und Munition zu ernten. Ihre Illusionen zerstoben allerdings bald unter den Schlägen der Sommeroffensive der Roten Armee. 1 2 5 Erst unter dem Eindruck dieser Offensive verschob sich der Schwerpunkt ihres Interesses von Osten endgültig auf eine — intensivere und modifizierte — Ausnutzung der Wirtschaftskraft Westeuropas.

2. K o n z e n t r a t i o n der R e g u l i e r u n g s g e w a l t i m S o m m e r / H e r b s t 1943 a) Kriegswirtschaftliche des deutschen

Folgen des Zusammenbruchs

der

Defensivstrategie

Imperialismus

Alle Hoffnungen, die das Regime auf die Sommeroffensive im Kursker Bogen gesetzt hatte, zerschellten, als das Unternehmen „Zitadelle" binnen vierzehn Tagen unter großen Verlusten zusammenbrach. Es schwanden „alle Erwartungen, durch offensive Schläge die Angriffskraft der sowjetischen Streitkräfte auf lange Zeit nachhaltig zu schwächen". 1 2 6 In der zweiten Augusthälfte ging die Gegenoffensive der Roten Armee in eine allgemeine Offensive im mittleren und südlichen Abschnitt der deutsch-sowjetischen Front über. Bis Ende September trieben die sowjetischen Truppen die Wehrmacht überall 200 bis 300 km zurück und erreichten den sogenannten Ostwall, auf den die Okkupanten ihre künftige Strategie bauten. 1 2 7 Im Oktober und November entbrannte der Kampf u m diese Befestigungslinie, die die Rote Armee schließlich auf einer Breite von über 1200 km überwand. Dabei befreite sie Kiev, die H a u p t s t a d t der Sowjetukraine (6. November). Nach der mit der Kursker Operation verfolgten strategischen Konzeption der faschistischen Eroberer war damit auch die neue „Variante eines gezielten Übergangs zur strategischen Verteidigung" 1 2 8 gescheitert. Im Laufe der sowjetischen Offensive gingen den deutschen Imperialisten d a s Donecbecken 123 DZW, Bd. 3, S. 348ff. u. passim. 124 In seinem letzten Buch hat Speer allerdings, um die S S und die Okkupationsbeliörden zu seinen eigenen Gunsten zu belasten, diese Streitigkeiten, besonders für das Protektorat, maßlos überbewertet (Speer, Der Sklavenstaat, S. 137ff.). 125 Hierzu ausführlich S. 470 ff. 126 DZW, Bd. 4, S. 52. 127 Mit der Linienführung Narva — Pskov — Gomel — Dneprlinie von Kiev bis Zaporoze — Straße von Keri. Zur Bedeutung des Ostwalls s. ebenda, S. 28 ff. 128 Ebenda, S. 53.

140

Die W e n d e des Krieges und das kriegswirtschaftliche K o n z e p t

und die Industriestädte am Dnepr verloren, die für sie eine wichtige Nachschub- und Reparaturbasis gewesen waren und in ihren langfristigen kriegswirtschaftlichen Plänen noch wenige Monate zuvor eine große Rolle gespielt hatten. Insgesamt wurde bis Ende 1943 annähernd die Hälfte der Ukraine befreit. Mit der Vertreibung der deutschen Truppen von der Taman-Halbinsel war für die Aggressoren auch das „Tor zum Kaukasus (d. h. zum Erdöl — D. E.) endgültig zugeschlagen". 129 Die seit Mitte 1943 ohne Pause aufeinander folgenden verlustreichen Niederlagen und Rückzüge der Wehrmacht an der deutsch-sowjetischen Front verschlechterten die kriegswirtschaftliche Bilanz der deutschen Imperialisten auf dramatische Weise. Schon die Kursker Schlacht kostete Unmengen an Mannschaft und Material. Im Juli und August 1943 verlor das Ostheer fast eine halbe Million Soldaten, davon allein in der Kursker Schlacht 172000.130 Während der Operation „Zitadelle" fielen annähernd 1500 deutsche Panzer aus; das waren 54 Prozent der dafür aufgebotenen bzw. 40 Prozent der Anfang Juli insgesamt an der deutsch-sowjetischen Front vorhandenen Panzer, darunter ganze Verbände der neuen Panzertypen „Tiger", „Panther" und des Sturmgeschützes „Ferdinand". 131 Von Juli bis November verlor das Ostheer insgesamt über 1,2 Millionen Mann an Toten, Vermißten und Verwundeten. 132 Die Waffenverluste waren in dieser Zeit höher als in allen vorangegangenen Phasen des Krieges. Tabelle 17 Durchschnittliche

monatliche

Karabiner MP MG Pak (5 u n d 8 cm) Granatwerfer Artilleriegeschütze Gepanzerte Fahrzeuge Quelle: DZW,

Verluste des Heeres an Waffen 1941—1943 (in

Stck.)

22. 6. 1941 bis 30. 4. 1942 (10,3 Monate)

1. 5. 1942 bis 30. 4. 1943 (12 Monate)

1. 5. 1943 bis 30. 11. 1943 (7 Monate)

9257 2847 4308 67 768 481 434

35200 3442 3953 207 707 453 677

41448 4396 7034 482 1161 463 860

B d . 4, S. 84.

Der Verbrauch an Munition stieg steil an. An Artilleriemunition und an Handgranaten wurde von Mai bis November 1943 je Monat, gemessen an den zwölf Vormonaten, sogar mehr als das Doppelte verbraucht. 133 Auf der Verlustseite der kriegswirtschaftlichen Bilanz standen ferner die enormen Einbußen an U-Booten seit dem Frühjahr 1943 und der Verlust des gesamten Materials der Heeresgruppe Afrika, die am 12. Mai 1943 in Tunesien kapitulierte. 129 Gretschko, A. A., Die Schlacht u m den Kaukasus, Berlin 1971, S. 491 (Tagesbefehl des Oberkommandierenden der Sowjet. Nordkaukasusfront, General I. E. Petrov, v . 9. 10. 1943). 130 DZW, Bd. 3, S. 588. 131 Ebenda. Andere Verlustberechnungen in K TB des OKW, Bd. 3/2, S. 1578 u. S. 1621. 132 DZW, Bd. 4, S. 86. 133 Ebenda, S. 84.

Konzentration der Regulierungsgewalt im Sommer/Herbst 1943

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Gerade die Ereignisse in Afrika ließen bereits voraussehen, daß sich auf der Apenninenhalbinsel bald tiefgreifende politische Änderungen vollziehen würden 1 3 4 , die denn auch bald nach der Landung der Anglo-Amerikaner auf Sizilien (9./10. Juli) ihren Lauf nahmen. 1 3 5 Am 25. J u l i wurde Mussolini gestürzt. Anfang September schloß die BadoglioRegierung einen Waffenstillstand mit den Alliierten, unterzeichnete die bedingungslose Kapitulation und löste damit den Kriegspakt mit Hitlerdeutschland. Deutsche Truppen und Behörden errichteten daraufhin in Italien ein vollständiges Okkupationsregime. Darüber frohlockten die deutschen kriegswirtschaftlichen Kommandostellen, besonders das Reichsministerium f ü r Bewaffnung und Munition (seit 2. September: für Rüstung und Kriegsproduktion) und das OKW. Sie bemächtigten sich einer umfangreichen Beute an italienischer Ausrüstung, an Waffen und Kriegsgerät und der Ressourcen der bisher italienisch besetzten Gebiete Südost- und Westeuropas, machten sich Hoffnungen auf Hunderttausende italienischer Arbeitskräfte für die deutsche Rüstung und trafen sofort Anstalten, das gesamte verfügbare italienische Wirtschaftspotential der deutschen Kriegswirtschaft einzuverleiben. Aber ganz abgesehen von der eklatanten politischen und militärischen Niederlage, die der Abfall Italiens für den deutschen Bündnispartner bedeutete, waren die wirtschaftlichen Vorteile, die die deutschen Okkupanten sich ausrechneten, nur kurzfristig realisierbar. Die militärische Lage nach der gleichzeitigen Landung anglo-amerikanischer Truppen auf dem italienischen Festland machte ihnen eine systematische Organisation und Ausbeutung der italienischen Wirtschaft schrittweise unmöglich, und der Widerstand des italienischen Volkes, voran der Arbeiterklasse, ließ ihre Bäume nicht in den Himmel wachsen: Dennoch stärkte das Potential der italienischen Rüstungsindustrie, konzentriert in norditalienischen Städten wie Turin und Mailand, noch geraume Zeit die deutsche Kriegsmaschinerie. In Casablanca (Januar 1943) beschlossen Roosevelt und Churchill, die Luftoffensive gegen Ziele in Deutschland nach einem gemeinsamen Plan zu forcieren. Ihre Direktive n a h m unter die erstrangigen Ziele dieser Offensive auch die Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlagen f ü r die deutsche Kriegführung, besonders der Rüstungsindustrie, auf. Im J a h r e 1943 blieb dieser P u n k t aber noch weitgehend auf dem Papier. Der Prozentsatz der auf kriegswirtschaftliche Objekte — besonders U-Boot-Werften und zunehmend auch Werke der Flugzeugindustrie, Erdölraffinerien sowie Verkehrsanlagen — abgeworfenen Bombenlast nahm nur langsam zu. (Tabelle 18) Doch trafen Angriffe von bisher nicht gekannter Stärke beispielsweise die Essener Werke des Krupp-Konzerns (der erste am 5. März 1943) 136 , die Talsperren an den Zuflüssen der Ruhr (Mai), die Zeiss-Werke in Jena (27. Mai), das Buna-Werk Hüls (22. Juni), mehrere Flugzeugwerke (Ende Juli), die Versuchsanstalt (Entwicklungswerk und Versuchsserienwerk) für V-Waffen in Peenemünde (17./18. August) und die Kugellagerwerke in Schweinf u r t (17. August und 14. Oktober). 13 ? 134 Siehe Hitlers Lagebesprechungen, S. 231, Bespr. Hitlers mit SS-Sonderführer v . Neurath, 20. 5. 1943. 135 DZW, Bd. 3, S. 610ff. 136 Der Krupp-Konzern meldete nach den ersten fünf Großangriffen im Frühjahr/Sommer 1943 zwecks Ersatzes aus staatlichen Mitteln Sachschäden im Wert von 485 Mill. RM und Nutzungsschäden im Wert von 70 Mill. RM an (ZStA Potsdam, Reichsfinanzministerium, Nr. B 7188/1, Bl. 287 u. 289 R, A N RMdF v. 24. 5. 1944). 137 Ausführlich hierzu s. DZW, Bd. 3, S. 158ff.; Bd. 4, S. 121ff. - Zur Behebung des Produktionseinbruchs bei Kugellagern unternahm das Rüstungsministerium im Oktober eine

142

Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

Tabelle 18 Anteil der auf kriegswirtschaftliche Ziele im faschistisch abgeworfenen Bomberdast 1942/1943 Zeitraum

1942 (Quartalsdurchschnitt) 1/1943 11/1943 III/1943 IV/1943

besetzten Europa

Gewicht insgesamt (in t)

davon auf kriegswirtsch. Ziele (incl. U-Boot-Basen) (int)

in Prozent

11443 27920 46377

446 1818 4796 5133 10130

3,9 6.5 10,3 8.6 19,2

60018 52734

Quelle: The Effects, S. 2 f., Tab. 1 u. 2. Die Schätzungen der Verluste an Rüstungsproduktion durch Luftangriffe während des Jahres 1943 schwanken zwischen drei bis fünf Prozent (USSBS) und zehn Prozent (Speer). 138 Der Reichsminister für Bewaffnung und Munition resümierte in seiner Rede vor den Gauleitern am 21. Juni 1943 in Berlin das Resultat der „Schlacht über der Ruhr" 1 3 9 : „Die gesamten Fliegerangriffe im Ruhrgebiet haben bisher an Schäden gebracht: Bei den Gesenkschmieden 15 Prozent, bei Kurbelwellen für die Luftwaffe allerdings 18 Prozent (durch besondere Fälle, die sich bei Krupp ereignet haben), bei Kesselwagen zwei Prozent. Bei der Kohle haben wir im Ruhrgebiet einen Ausfall von 25 Prozent, auf das gesamte Reichsgebiet bezogen 12 Prozent; an Eisen einen Ausfall im Ruhrgebiet von 24 Prozent, auf das gesamte Reichsgebiet (bezogen) von 11,9 Prozent; der Ausfall bei Lokomotiven von 13 Prozent kann restlos durch andere Werkstätten wieder ausgeglichen werden." 140 Es waren die Bombenangriffe des Frühjahrs/Sommers 1943 auf das Ruhrgebiet, das wichtigste Rüstungszentrum des deutschen Imperialismus, die die Rüstungsgewaltigen zu außergewöhnlichen Maßnahmen bewogen. Speer trug sich sogar mit dem Plan, „im Zuge der Evakuierung der nichtschaffenden Bevölkerung die im Arbeitsprozeß der RheinRuhr-Wirtschaft verbleibenden Männer und Frauen in Gemeinschaftslagern zusammenzufassen, sie dort zu betreuen und sie als Konsequenz daraus ,OT-ähnlich', d. h. als ,Wehrmachtsgefolge' zu erfassen und zu führen" 141 . Schließlich wählte man „aus rein „Gewaltaktion", nach ihrem Leiter „Aktion Keßler" genannt, die ähnlich wie die vom Januar 1943 (Versorgung Stalingrads) „bis auf weiteres den Vorrang vor allen Dringlichkeitsstufen, Stichwortprogrammen und Sonderaktionen aller drei Wehrmachtsteile" erhielt (BA Koblenz, R 13 V/100, Erlaß RMfRuK v. 20. 10. 1943 betr. Sondervollmachten für Philipp Keßler).

138 The Effects, S. 11; Weyres-v. Levetzow, S. 107. 139 Walter Rohland sprach später, Ende 1944/Anfang 1945, von der „zweiten Schlacht um die Ruhr", die „genau so gewonnen werden" müsse wie die erste im Jahre 1943 (BA Koblenz, R 7/2252, Protokoll d. Eisen- und Stahlsitzung im RMfRuK, 18. 1. 1945). 140 ZStA Potsdam, FS, Film 1740. Erheblich niedrigere Zahlen in KTB des OKW, Bd. 3/1, S. 780 (Angaben Speers f. Juni, betr. Kohle, Eisen und Stahl). 141 ZStA Potsdam, FS, Film 5884, Ley an Speer, 17. 6. 1944. — Speer hatte in seiner Rede vom 21. 6. 1943 vor den Gauleitern angekündigt, er werde die Arbeiter an der Ruhr zu uniformierten „Frontarbeitern" machen (ebenda, Film 1740).

Konzentration der Regulierungsgewalt im Sommer/Herbst 1943

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politischen Gesichtspunkten" einen anderen Weg. „Die Bildung des Ruhrstabes Speer", so schrieb Robert Ley später, „und des DAF-Einsatzes Rhein-Ruhr verhinderten . . . d a m i t eine sonst zwangsmäßig erscheinende Abtötung jeder betrieblichen, und zwar sowohl sozialen als auch wirtschaftlichen Selbstverantwortung." 1 4 2 Die Bildung des Ruhrstabes (auch: Ruhrstab Speer) im August 1943 schien sich in die forciert eingeschlagene Richtung der Konzentration staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt beim Reichsministerium f ü r Bewaffnung und Munition einzupassen. Aber hier deuteten sich zugleich schon Zeichen der Erschütterung, wenn nicht Auflösung der Organisation der deutschen Kriegswirtschaft an. Schon in der zweiten Junihälfte faßte man im Munitionsministerium „erste große Beschlüsse" über die „Aktion Ruhrgebiet". 1 4 3 Die entscheidende Vorbesprechung fand a m 10. oder 11. J u l i 1943 im Ministerium statt. Versammelt waren außer Speer Albert Vogler, Alfried Krupp, Walter Rohland, Moritz Klönne, Nagel (Rheinmetall), Paul Pleiger, Rüdiger Schmidt (RWKS) sowie die Chefs der Rüstungsinspektion VI (Münster), der Organisation Todt und der GB-Bau-Behörde aus dem Ruhrgebiet. 1 4 4 Der Ruhrstab, im Kern eine noch „lockere Zusammenfassung der im Ruhrgebiet arbeitenden einzelnen Dienststellen des (Rüstungs-)Ministeriums" 1 4 5 , konstituierte sich im August 1943 in Kettwig/Ruhr. Die oberste Leitung behielt sich Speer selbst vor, ließ sich aber von dem Chef des Stabes, Generalmajor Kurt Erdmann, Rüstungsinspekteur in Münster, vertreten. Die dominierende Persönlichkeit im Ruhrstab war Albert Vogler, Vorsitzer des Aufsichtsrats der Vereinigte Stahlwerke AG. E r ließ die Belange der Ruhrmonopole in erster Linie durch Walter Rohland wahrnehmen. Rohland zog einen „größeren Mitarbeiterkreis" zusammen, „zu dessen Unterbringung ihm die Schlösser Landsberg und Hugenpoet bei Kettwig zur Verfügung gestellt wurden". 1 4 6 Der Ruhrstab, dem Vertreter von Großkonzernen, Fachleute des Rüstungsministeriums und anderer staatlicher und Parteidienststellen sowie hohe Offiziere angehörten, erhielt durchgreifende Vollmachten zur Regulierung aller kriegswirtschaftlichen Fragen des gesamten Ruhrgebiets, der größten und wichtigsten Waffenschmiede des deutschen Imperialismus, insbesondere für den Fall von Schäden durch Luftangriffe und von anderen Hemmnissen u n d Schwierigkeiten. Mitglieder des Ruhrstabes Speer M Albert Speer als Chef des Stabes Kurt Erdmann Adam als OT-Einsatzgruppenleiter als Verantwortlicher für den Kohlenbergbau Ernst Buskühl (Flick) als Präsident des Landesarbeitsamtes Westfalen Friedrich Gärtner Gunschemann als Beauftragter „Ruhr" des GB Bau 142 143 144 145

Ebenda, Film 5884, Ley an Speer, 17. 6. 1944. Chronik des RMfBuM, 1943 I, Bl. 105f., 20./22. 6. 1943. Ebenda, 10./11. 7. 1943. ZStA Potsdam, FS, Film 1734, Reisebericht Speers von seiner Rhein-Ruhr-Reise, November 1944 (im Dezember 1944 wurde der Ruhrstab unter Albert Vogler als weitgehend autonomes Wirtschaftsorgan reorganisiert). 146 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9081, Bl. 191, 191 R, Bezirksgruppe Nordwest der Wigru E s l an RWiM, 31. 7. 1944. 147 Nach Janssen, S. 147 u. S. 376, Anm. 38.

11 Eichholtz II

144

Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

Hörner

als Wehrkreisbeauftragter VI und Vorsitzer der Rüstungskommission VI als Vertreter der Rüstungsinspektion (Luftschutz) als Leiter des Einsatzstabes Rhein-Ruhr der DAF als Lastverteiler Wasser als Rüstungsobmann V i a (zugleich: Präsident der G W K Westfalen-Süd) als Beauftragter des Reichsverkehrsministeriums als Lastverteiler Strom als Präsident der Reichsbahndirektion als Beauftragter des Reichsverkehrsministeriums als Rüstungsobmann V I b als Verantwortlicher für die Eisen schaffende Industrie

Hütten Theodor Hupfauer Fritz Imhoff Moritz Klönne Köhle Kretschmer (RWE) Maximilian Lamertz Müller Hans Reuter (Demag) Walter Rohland (VStW) (mit eigenem Mitarbeiterstab unter Hans-Günther Sohl) Rüdiger Schmidt (RWKS) Albert Vogler (VStW) Wunsch

als Generaldirektor syndikats

des Rheinisch-Westfälischen

Kohlen'

als Lastverteiler Gas

Die verheerenden Luftangriffe auf Wohnviertel deutscher Städte, auf die bis Ende 1943 immer noch der weit überwiegende Teil der abgeworfenen Bomben fiel, hatten ebenfalls einen unmittelbaren kriegswirtschaftlichen Effekt (Einbuße an Arbeitsstunden der Belegschaften; Sinken der Arbeitsmoral), der zuerst noch gering blieb, seit den Vernichtungsangriffen der anglo-amerikanischen Bomberflotten auf Hamburg Ende Juli/Anfang August aber zu wachsen begann. 148 Bedeutender waren ihre mittelbaren Folgen. Zugunsten der Produktion von Luftabwehrwaffen wurden anderen Sektoren der Rüstung industrielle Kapazitäten entzogen. „10000 Rohre schwerer Flak", so erinnerte sich Albert Speer bedauernd, „waren im Jahre 1943 im Reich oder auf westlichen Kriegsschauplätzen gegen den Himmel gerichtet; sie hätten in Rußland gegen Panzer und andere Erdziele eingesetzt werden können." 1 4 9 Die Luftwaffenführung, die keine einheitliche Konzeption für die Führung des Luftkrieges mehr besaß, sah sich gezwungen, ihr Jägerprogramm zu forcieren, was ebenfalls andere Sektoren, etwa der Heeresrüstung, berührte. In einem Erlaß des Munitionsministers vom 27. August 1943 hieß es: „Die augenblickliche Situation zwingt dazu, das Jägerprogramm an allererste Stelle aller Rüstungsfertigungen zu setzen, zu diesem Jägerprogramm gehört die Fertigung von Fliegerbordwaffen. Diese ist in einem unerhörten Ausmaß zu steigern." 1 5 0 Ferner wurde die Produktion von Gütern des täglichen Bedarfs — Geschirr, Wäsche, Fensterglas, Pappe und anderes — gesteigert, weil Zehn- und Hunderttausende von „Bombengeschädigten" und „Ausgebombten" damit notdürftig versorgt werden mußten. Auf die zunehmenden Luftbombardements reagierte die deutsche Großbourgeoisie äußerst 148 Weyres-v. Levetzow, S. 107. — Speer führte in seiner Posener Rede am 6. 10. 1943 als Beispiel den „Gefolgschaftsstand der Betriebe" an, „der oft acht Tage nach dem Angriff noch 20 oder 30 Prozent des Sollbestandes beträgt" (ZStA Potsdam, FS, Film 3570). 149 Speer, Erinnerungen, S. 291. 150 ZStA Potsdam, FS, Füm 1730, RErl. RMfBuM, 27. 8. 1943; s. a. Chronik des RMfBuM, 1943 II, Bl. 9 f., 25. 8. 1943.

Konzentration der Regulierungsgewalt im Sommer/Herbst 1943

145

empfindlich. Sie sah hierdurch unmittelbar ihr Eigentum an Fabriken und anderen Sachwerten (Produktionsmitteln) — damit die Grundlage ihrer Macht u n d ihrer Profite — und sogar ihr Leben der Gefahr der Zerstörung ausgesetzt. F ü r manche ihrer Repräsentanten war die Ohnmacht der deutschen Luftabwehr ein deutlicheres Zeichen für den Ernst der Lage als die entscheidenden Niederlagen an der noch entfernten deutschsowjetischen Front. Schon in früheren Jahren war die eigene Luftherrschaft ihr als die erste Voraussetzung für ein wirtschaftliches Durchhalten auch in einem längeren Krieg erschienen. 151 J e t z t war die Luftherrschaft über Deutschland und ganz Europa, wie Goebbels es intern schon im März 1943 durchaus realistisch ausdrückte, „durch den Krieg im Osten . . . in wesentlichen Teilen verloren" 1 5 2 , und bei manchen Vertretern der herrschenden Klasse wuchs nicht zuletzt aus diesem Grunde die Einsicht, d a ß der Krieg für sie nicht zu gewinnen war. An den SD gelangten zu dieser Zeit Stimmungsberichte, in denen die Meinung von Industriellen kolportiert wurde; unter ihnen gebe es „niemanden, der noch an den Sieg glaubt". 1 5 3 Ein IG-Farben-Direktor erklärte dem V-Mann zufolge allerdings ausdrücklich, „daß die britischen Bomber die Fabrikanlagen der Großindustriekonzerne (I. G. Farben, Rheinstahl usw.) schonen und nur die nicht zu Großkonzernen gehörigen Werke vernichten". 1 5 4 Der Ausweg, die Produktionsstätten in großem Umfang entweder in östlich gelegene deutsche Gebiete, nach Österreich und ins polnische Gebiet zu verlagern oder sogar unterirdisch weiterzuführen, war den Monopolgewaltigen wegen der d a m i t verbundenen Schwierigkeiten und Kosten, Produktions- und Profiteinbußen mannigfacher Art bisher wenig erwünscht gewesen, 155 erwies sich aber im zweiten Halbjahr 1943 in ihren Augen allmählich doch als unvermeidbar. Ebenso ernst wie die Suche nach einer wirksamen Verteidigung gegen die Luftbedrohung nahmen führende Kreise des Regimes die Entwicklung sogenannter Vergeltungswaffen (V-Waffen) mit möglichst abschreckender Wirkung. Konstruktion und Produktion solcher Waffen erhielten entscheidende Impulse. Versuche, wenn schon nicht mehr zu Lande, so doch wenigstens in der Luft wieder Offensivhandlungen vorzubereiten, beschäftigten auch die Luftwaffenführung. Alle maßgeblichen Kreise des Regimes, die in dieser Richtung Überlegungen anstellten, trafen sich in der Absicht, durch einen eigenen Fernluftkrieg eine Wende einzuleiten 1 5 6 , insbesondere „Vernichtungsangriffe gegen die russische Rüstungsindustrie zu führen" 1 5 7 und damit gegenüber der U d S S R das gleiche Konzept — bloß konsequenter und wirkungsvoller — anzuwenden, nach dem die westlichen Alliierten über Deutschland verfuhren. 1 5 8 Der Munitionsminister hatte Ende J u n i 1943 einen kleinen Ausschuß von führenden Rüstungsindustriellen u n d maßgeblichen Leitern des kriegswirtschaftlichen Apparats gebildet, der 151 Siehe z. B. die Denkschrift des GB Chemie „Zur Entwicklung der Rohstofflage bei langer Kriegsdauer" v. 28. 1. 1941 (ZStA Potsdam, FS, Film 1726). 152 Ebenda, Film 10806, Goebbels-TB, Eintr. v . 6. 3. 1943. 153 B A Koblenz, R 58/1114, Bericht des V-Mannes Dr. H. Thost v. 7. 9. 1943. 154 Ebenda. 155 Vorbehalte existierten vor allem gegen die Untertage-Verlagerung; „die Industrie hatte gar keine Lust, unter die Erde zu gehen", sagte Speer über jene Zeit (etwa Ende 1943) aus (ZStA Potsdam, FS, Film 3568, Vernehmung v. 18. 5. 1945). 156 Groehler, Geschichte des Luftkriegs, S. 389ff. 157 Erlaß Görings v o m 26. 11. 1943, zit. ebenda, S. 395. 158 KTB

u*

des OKW,

Bd. 3/2, S. 1597f.; DZW, Bd. 4, S. 134ff.

Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

146

die sowjetischen G r o ß k r a f t w e r k e — soweit in Reichweite — zum dringendsten und lohnendsten Ziel einer F e r n b o m b e r o f f e n s i v e erklärte. 1 5 9 Diese Pläne t r a t e n im H e r b s t 1943 in ein akutes S t a d i u m u n d f ü h r t e n im Dezember sogar zu einem neuen P r o d u k t i o n s p r o g r a m m der L u f t w a f f e n f ü h r u n g , nach d e m die P r o d u k t i o n v o n Jagdflugzeugen u m f a s t 30 Prozent zugunsten eines enormen F e r n b o m b e r p r o g r a m m s (He 177) gekürzt werden sollte. 1 6 0 Sie endeten zwar kläglich, aber schon die Zusammensetzung der e r w ä h n t e n ministeriellen Kommission zeigte deutlich, d a ß die deutsche Monopolbourgeoisie in der U d S S R n a c h wie vor den H a u p t g e g n e r sah, dessen Schwächung u n d Bezwingung ihr den Schlüssel f ü r neue Kriegserfolge in die H a n d geben sollte.

h) Reorganisation „Reichsministerium

des staatsmonopolistischen für Rüstung

und

Apparats in der Kriegswirtschaft

(Dritte

Phase)

Kriegsproduktion"

Seit J u n i 1943 h a t t e n die Kreise u m den Reichsminister f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition B e m ü h u n g e n u n t e r n o m m e n , den bereits vielfach ausgehöhlten 1 6 1 ministeriellen A p p a r a t des Reichswirtschaftsministeriums endgültig auseinanderzubrechen u n d die ihm verbliebenen Kompetenzen u n d Einflußbereiche in das Munitionsministerium zu ü b e r n e h m e n . Diese Kompetenzen waren freilich noch immer bedeutend. Das Reichswirtschaftsministerium war die Spitze eines umfangreichen staatsmonopolistischen Regulierungsmechanismus. Es war die Dienstaufsichtsbehörde für die gesamte sogenannte Organisation der gewerblichen W i r t s c h a f t , d. h. f ü r die Reichswirtschaftskammer, die Reichsgruppen u n d W i r t s c h a f t s g r u p p e n , die G a u w i r t s c h a f t s k a m m e r n ; ihm u n t e r s t a n d e n die sogenannten Lenkungsbereiche u n d Bewirtschaftungsstellen wie Reichsstellen u n d Reichsvereinigungen. E s verfügte schließlich ü b e r den wirtschaftlich wie politisch wichtigen großen regionalen A p p a r a t der W i r t s c h a f t s ä m t e r auf Gau-(Landes-) u n d Kreisebene. Die K o n s u m g ü t e r p r o d u k t i o n , die das Reichswirtschaftsministerium über die Reichsstellen, Reichsvereinigungen u n d Wirtschaftsgruppen mittels Herstellungsverboten u n d -geboten, R o h s t o f f k o n t i n g e n t i e r u n g u n d Exportförderung sowie d u r c h die Rationierung der Erzeugnisse (Bezugscheinsystem) regulierte, m a c h t e im J a h r e 1943 schätzungsweise ein Viertel (23,5 Prozent) der gesamten I n d u s t r i e p r o d u k t i o n 1 6 2 aus. Offiziell gehörte auch die G r u n d s t o f f p r o d u k t i o n (weitere 23,5 Prozent) zum Bereich des Ministeriums, a u ß e r d e m der Maschinenbau, soweit er nicht unmittelbar Kriegsmaterial produzierte, u n d andere Investitionsgüterindustrien. Alles in allem fielen also, abgesehen von den zunehmenden Überschneidungen m i t verschiedenen Hauptausschüssen des Munitionsministeriums 159 Als Mitglieder der Kommission sind bisher bekannt Carl Krauch und Albert Vogler (Groehler, Geschichte des Luftkriegs, S. 394), Walter Rohland, Paul Pleiger, Walther Schieber und Geschäftsführer Rudolf Carl (FB, 28. 6. 1943, Punkt 6) sowie Kurt Waeger (Chronik des JtMfBuM, 1943 I, Bl. 108, 23. 6. 1943). Siehe auch Janssen, S. 184f. 160 Groehler, Geschichte des Luftkriegs, S. 394. 161 Während die Grundstoffindustrie, besonders Kohle, Eisen und Stahl, über die Reichsvereinigungen, die Zentrale Planung und das Rüstungslieferungsamt de facto bereits weitgehend zum Regulierungsbereich des Munitionsministeriums gehörte, wurden auch die Kapazitäten der Investitions- und Konsumgüterindustrien stärker und stärker von diesem Ministerium beansprucht. Siehe auch Janssen, S. 133 f.

Konzentration der Regulierungsgewalt im Sommer/Herbst 1943

147

(Maschinenbau, Schienenfahrzeuge usw.), weit über 50 Prozent der industriellen Produktion in den Regulierungsbereich des Reichswirtschaftsministeriums. Die entscheidende Position in diesem Ministerium hatte inzwischen der Textilindustrielle, Gauwirtschaftsberater (Gau Kurmark) und SS-Brigadeführer Hans Kehrl als „Generalreferent für Sonderaufgaben" und, seit Ende Oktober 1942, als Leiter der Hauptabteilung II (Industrie) inne, der vor dem Kriege Vierjahresplanreferent für Textilien gewesen war und sich durch jahrelange Tätigkeit bei der Umstellung des Ministeriums auf die Kriegsverhältnisse — nicht zuletzt bei der Ausplünderung der okkupierten Gebiete — Minister Funk unentbehrlich gemacht hatte. Seit Sommer 1942 war er als ständiger Vertreter des Reichswirtschaftsministers einer der einflußreichsten Mitarbeiter in der Zentralen Planung und wurde durch Speer und seinen (Kehrls) Duzfreund Schieber immer stärker in die Arbeit des Munitionsministeriums einbezogen. Am 9. August 1943 legten Funk und Speer dem Chef der Reichskanzlei, Hans-Heinrich Lammers, den Entwurf eines Gesetzes vor, nach dem die entscheidenden Vollmachten des Reichswirtschaftsministeriums auf das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition übertragen werden sollten. Verfasser des Entwurfs waren Kehrl und Schieber. 163 Die intensiven, beschleunigten interministeriellen Verhandlungen über das Gesetz dauerten immerhin fast vier Wochen. Mehrere Ressorts und Dienststellen erhoben Einwände, so daß Speer sich am 18. August scharf an Bormann wandte, der als einer der Initiatoren der Verzögerungstaktik galt: „Die Forderung(en) auf schnellste Ausweitung der Rüstung werden uns zur Zeit durch den Feind diktiert." 1 6 4 Hitler unterschrieb schließlich am 2. September 1943 den „Erlaß des Führers über die Konzentration der Kriegswirtschaft" 165 , dem Titel nach eine sich in früheren und späteren Erlassen wiederholende Formulierung, in der Tat aber der Auftakt zur tiefgreifendsten Umstrukturierung des faschistischen Staatsapparates und weitestgehenden Konzentration staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt in der Wirtschaft, die seit den Anfängen des Vierjahresplanes stattgefunden hatten. Von nun an gingen die „Zuständigkeiten des Reichswirtschaftsministers auf dem Gebiete der Rohstoffe und der Produktion in Industrie und Handwerk", also die ministerielle Regulierung der gesamten sogenannten zivilen Produktion außerhalb der Landwirtschaft, „auf den Reichsminister für Bewaffnung und Munition über" (§ 2). Das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition erhielt „im Hinblick auf seinen erweiterten Aufgabenkreis" die Bezeichnung „Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion". Im Zusammenhang mit dem Hitler-Erlaß sah sich Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan veranlaßt, die Vollmachten des GB Rüst „auf alle Fragen der Produktion" zu erweitern, „soweit hierfür nicht andere Generalbevollmächtigte von mir bestimmt sind". 166 Der Reichswirtschaftsminister blieb, wie es in Hitlers Erlaß euphemistisch hieß, „zuständig für die grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Fragen der deutschen Wirtschaft" (§ 1), was natürlich angesichts der Situation und des wahren Kräfteverhältnisses im kriegs162 Wagenführ, S. 191. Die Berechnung wurde nach geschätzten Nettoproduktionswerten vorgenommen. 163 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19 468, Gesetzentwurf sowie AN für Lammers vom 9. August 1943. Siehe auch Bleyer, Totaler Krieg, S. 1 6 5 f . ; Janssen, S. 134f. 164 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 1 9 4 6 8 , FS. Speer an Bormann, 18. 8. 1943. 165 RGBl. 1943 I, S. 529 f. Hiernach auch das Folgende. 166 BA Koblenz, R 7/590, Erlaß Görings vom 4. 9. 1943.

Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

148

wirtschaftlichen Machtapparat illusorisch war. Ferner blieb er verantwortlich „ f ü r die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Verbrauchsgütern und die Regelung ihrer Verteilung", für die Außenwirtschaft und f ü r „die Finanzierungsfragen der deutschen W i r t schaft" und behielt die Oberaufsicht über die Kreditinstitute (§§ 3, 4) — meist Kompetenzen zweitrangiger N a t u r oder solche, die bereits weitgehend ihres Inhalts entleert waren. Nach der Ablösung der kriegswirtschaftlichen Vollmachten der Wehrmacht (abgesehen von der L u f t w a f f e ) und nach der Übernahme der Vollmachten des G B Rüst aus der Vierjahresplan-GeneralvolImacht war nun ein weiterer, vielleicht der bedeutendste Schritt getan. Eine neue Stufe der Konzentration staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt in der Kriegswirtschaft war erreicht. In den anderen kriegführenden kapitalistischen Staaten gab es kein ähnliches Beispiel einer solchen im Grunde völlig unkontrollierten Machtkonzentration 1 6 7 ; kein Beispiel der de-facto-Auflösung eines maßgeblichen, althergebrachten ministeriellen Apparats zugunsten eines anderen, nur zum Zwecke des Krieges geschaffenen 1 6 8 ; kein Pendant zu dem selbstherrlichen Regime, das die „Selbstverantwortungs"Organisation der Rüstungsmonopole, an der Spitze überall führende Monopolmagnaten und Konzern Vertreter, jetzt ausübte 169 , gestützt auf den faschistischen

Terrorapparat

und völlig ausgenommen von jeder öffentlichen Kritik.

Das

Planungsamt

Die Vereinigung der Regulierungsvollmachten in der Rüstungs- und in der zivilen Produktion beim Rüstungsministerium war die wichtigste Voraussetzung, die die führenden Kreise um das Rüstungsministerium f ü r die von ihnen beabsichtigte Ausdehnung und straffe Zentralisierung Kommandozentrale

der gesamten

Planungstätigkeit

dieser

staatsmonopolistischen

schufen. Schon in der Sitzung der Zentralen Planung am 29. Juli

1943, an der führende Vertreter der wichtigsten Hauptausschüsse des Munitionsministeriums und des Industrierats der L u f t w a f f e wie Geilenberg, Merker, W i l h e l m Schaaf ( B M W ) und W i l l i a m Werner teilnahmen, war man sich, nach Speers W o r t e n , „ungefähr darüber einig . . ., daß wir ein Planungsamt aufziehen, das wir einzurichten schon im Begriff sind, in dem die gesamte Zukunftsentwicklung der Programme zusammengetragen wird". 1 7 0 W e n i g e T a g e nach Hitlers Erlaß v o m 2. September hob Göring in seiner Eigenschaft als Beauftragter für den Vierjahresplan das neue Planungsamt (beim G B Rüst) als organisatorische und bilanzierende Zentralinstanz

des Rüstungsministeriums

aus der

Taufe. 1 7 1 Formell firmierte diese Stelle unmittelbar als A m t des Vierjahresplans. Chef des Planungsamts wurde Kehrl. 167 Vgl. Mihvard, Der Zweite Weltkrieg, S. 358ff. (üb. das brit. Lord President's Committee bzw. seine Unterkomitees und das US-Office of War Mobilisation); Martin, Bernd, Japans Kriegswirtschaft 1941—1945, in Kriegswirtschaft und Rüstung 1939—1945. Hrsg. v. Friedrich Forstmeier/Hans-Erich Volkmann, Düsseldorf 1977, S. 269 u. S. 276f. (üb. das japan. Munitionsministerium). 168 Vgl. Milward, Der Zweite Weltkrieg, S. 349 u. S. 358f. (üb. das brit. Schatzamt). 169 Vgl. ebenda, S.359f. (War Production Board/USA); Martin, Japans Kriegswirtschaft, S. 256ff-, passim (üb. die Herrschaft der Zaibatsu). 170 ZP-P, 29. 7. 1943, 44. Sitzung. Ähnlich schon in der Amtschefbesprechung (mit Kehrl) am 27. 7. 1943 (Chronik des RMfBuM, 1943 I, Bl. 123 u. 125). 171 Wie Anm. 166.

Konzentration der Regulierungsgewalt im Sommer/Herbst 1943

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In dem neuen Amt sammelte sich eine illustre Gesellschaft von Konzernvertretern und erfahrenen Managern des staatsmonopolistischen Kapitalismus, so Hans Fischböck 1 7 2 als Stellvertreter Kehrls, Friedrich Dorn 1 7 3 als „Generalreferent für Sonderaufgaben", Ernst Vits 1 7 4 und Fritz Rudorf 1 7 5 als Mitarbeiter Doms, Fritz v. Engelberg 1 7 6 als stellvertretender Leiter der wichtigsten Hauptabteilung (Fachliche Planung), die Kehrl selbst leitete, Karl Müller-Zimmermann 1 7 7 , Willy Schlieker 178 , Ernst Rudolf Fischer 1 7 9 , August Kolb 1 8 0 und Gerhard Saager 1 8 1 als leitende Mitarbeiter (Amtsgruppenchefs) dieser Hauptabteilung. Eine große Zahl erfahrener Statistiker wurde in einer Hauptabteilung Planstatistik zusammengezogen; ihr stand das Instrumentarium des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (vormals: für Konjunkturforschung) zur Verfügung. 1 8 2 Das Planungsamt sollte die Entscheidungen der Zentralen Planung vorbereiten und die Ausführung ihrer Beschlüsse kontrollieren. Es stützte sich zu diesem Zweck auf die Planungsbüros der Ausschüsse und Ringe und faßte die Ergebnisse ihrer Arbeit auf ministerieller Ebene zusammen. Sein sachlicher Aufgabenbereich war weit gefaßt. Mit Hilfe einer „ausführlichen Produktions- und Verbrauchsstatistik" und mittels einer Bedarfsplanung „für den gesamten deutschen Machtbereich" h a t t e es „für die gesamte Kriegswirtschaft Erzeugungs- und Verteilungsplanungen aufzustellen", dementsprechend die Verteilung der Roh- und Grundstoffe u n d „aller Arbeitskräfte im großdeutschen Machtbereich" der Zentralen Planung zur Entscheidung vorzuschlagen. 183 Es hatte das Recht, sich für seine Zwecke der Reichsstellen und Reichsvereinigungen zu bedienen, alle größeren Investitionen und Kapazitätserweiterungen mitprüfend zu genehmigen u n d alle „grundsätzlichen Dringlichkeitseinstufungen und Umstufungen innerhalb der gewerblichen Kriegswirtschaft" zu überwachen. Schließlich war es seine Aufgabe, „Gefahrenmomente, die den Ablauf der allgemeinen deutschen Kriegswirtschaft stören könnten, frühzeitig zur Kenntnis der Zentralen Planung zu bringen". 1 8 4 Obwohl sich das Planungsamt derartig ehrgeizige Aufgaben stellte, kam ein zentraler Produktionsplan weder f ü r die Industrie noch auch nur f ü r die Rüstungsindustrie zustande und konnte unter den obwaltenden Umständen — dazu ist in erster Linie das Fehlen der zentralen Verfügungsgewalt und umfassenden Kontrolle über alle wichtigen Produktionsmittel zu rechnen, ferner die allgemein kritische Situation der deutschen Kriegswirt172 V A R Creditanstalt-Bankverein, Wien; Generalkommissar f. Wirtschaft und Finanzen beim Reichskommissar f. d. besetzten Niederlande; Reichskommissar für die Preisbildung (seit 1942). 173 Feldmühle-Konzern; Reichsbeauftragter f. Zellstoff und Papier; Hauptgeschäftsführer der Ostfaser GmbH. 174 VV Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG. 175 VV Bank der Deutschen Luftfahrt. 176 VV Dyckerhoff-Zementwerke AG; Generalreferent beim Reichskommissar f. d. Preisbildung. 177 Siemens-Konzern; Reichsbeauftragter f. Eisen und Metalle. 178 Vereinigte Stahlwerke AG; zugleich Amtsgruppenchef im Rüstungslieferungsamt. 179 IG-Farben; zugleich Amtsgruppenchef im Rohstoffamt. 180 Degussa-Konzern; zugleich Amtsgruppenchef im Rohstoffamt. 181 Bisher Leiter des Sonderreferats N. 0 . (Neuordnung) im RWiM. 182 Kehrl, S. 320 u. S. 498 ff. 183 Nachrichten des RMfliuK, Nr. 30, 20. 10. 1943, „Erlaß des Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben im Vier jahresplan und des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion über die Aufgabe des Planungsamtes" v o m 16. 9. 1943. 184 Ebenda.

150

Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

schaft und insbesondere die unkontrollierte Fülle der sich jagenden „Programme" — auch n i c h t zustande kommen. Kehrl bezeugte nachträglich, „die Aufgabe, das Wünschenswerte m i t dem Möglichen in Übereinstimmung zu bringen", sei „bei der Unzahl der Probleme, die sofort gelöst werden m u ß t e n " , „der Hauptinhalt der Arbeit des Planungsamtes ü b e r h a u p t " gewesen. 1 8 5 Der Charakter des Planungsamtes sollte nach den Intentionen seiner Schöpfer jedoch der eines „Grundsatzamtes" 1 8 6 bleiben. F ü r die praktischen Probleme der Rohstoffverteilung schuf man im Rüstungsministerium ein Rohstoffamt, das der Koordination halber ebenfalls unter der Leitung Kehrls stand. 1 8 7 Während die Eisen- und Stahlerzeugung weiterhin unter der Verwaltung des Rüstungslieferungsamtes blieb, erstreckten sich die Regulierungsvollmachten des Rohstoffamtes auf die übrige Metallerzeugung einschließlich der Legierungsmetalle, auf den Bergbau einschließlich der Kohle, auf die Bereiche Chemie, Mineralöl, Kautschuk und industrielle F e t t e , Holz, Textilrohstoffe, Zellstoff und Papier. Überschneidungen m i t den Kompetenzen des Rüstungslieferungsamtes konnten unter diesen Umständen nicht ausbleiben; die Konflikte zogen sich Monate hin. 1 8 8 Das dritte neugebildete A m t war das Produktionsamt für Verbrauchsgüter, auch kurz Produktionsamt genannt. E s wurde geschaffen, um den vom Reichswirtschaftsministerium übernommenen Bereich der „zivilen Produktion" zu regulieren, und stand unter der Leitung von Georg Seebauer, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglied in etwa einem Dutzend Großkraftwerken Südwest- und Westdeutschlands, bis 1935 leitender Mitarbeiter des N S B D T und des Amtes für Technik der Nazipartei, danach stellvertretender L e i t e r der Reichsgruppe Energiewirtschaft, zugleich Leiter des Reichskuratoriums für Wirtschaftlichkeit und des Reichsausschusses für Leistungssteigerung. In diesem Amt, das intern als „Amt zur Ausplünderung" (der Konsumgüterindustrie — D. E . ) 1 8 9 bezeichnet wurde, fungierten die Wirtschaftsgruppen in der Art von Hauptausschüssen.

Der „Generalbeauftragte

für

Betriebsumsetzungen"

E r s t j e t z t , m i t den Vollmachten des Reichswirtschaftsministers ausgerüstet, hatte der Rüstungsminister die reale Möglichkeit, seine Konzeption vom „Totalen Krieg" in der Gesamtindustrie durchzusetzen. Im Bewußtsein der für den deutschen Imperialismus kritischen Lage drängten die Kreise um das Ministerium auf einen entschieden „totaleren" Kurs in der Kriegswirtschaft. E i n zentrales Anliegen, das der Minister und die Rüstungsmonopole umgehend und mit besonderer Intensität verfolgten, zumal da die Widerstände innerhalb der herrschenden Klasse selber erheblich waren, bestand in der Stillegung großer Bereiche der Konsumgüter185 Kehrl, S. 325. — Ein anderer zeitgenössischer Beobachter urleilte später: „Einzige Aufgabe des Gremiums war und blieb es, die Konkurrenz der Nachfrageparteien von Planungsperiode zu Planungsperiode auszuschalten und auf dem Wege des Mengenkompromisses zwischen den Parteien auszugleichen und sie aufeinander abzustimmen." (Ceer, S. 121). 186 ZP-P, 22. 11. 1943, 50. Sitzung. 187 Kehrl, S. 464, Anm. 7. — Als Amtsgruppenchefs dieses Amtes wurden die bisherigen Leiter der entsprechenden Ressorts aus dem Reichswirtschaftsministerium eingesetzt (ebenda, S. 319). 188 Janssen, S. 137 f. 189 Chronik des RMfRuK, 1943 II, Bl. 25, 8. 9. 1943.

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Produktion zugunsten der Rüstungsproduktion bzw. in der Umlagerung von Arbeitskräften (Facharbeitern) und Kapazitäten der Konsumgüterindustrie auf den Rüstungssektor. Der Rüstungsminister hatte bereits Ende J u l i Hitler erklärt, er werde, sobald er für die „zivile" Produktion bevollmächtigt sei, durch die „Umwandlung großer Betriebe der Konsumgüterindustrie in solche der Rüstung . . . nicht nur 5 0 0 0 0 0 deutsche Arbeiter, sondern auch deren Führungsstäbe und die Fabrikeinrichtungen als Einheiten dringenden Programmen" zuführen. 1 9 0 Auch in dieser Form war seine Konzeption allerdings kaum dazu geeignet, den Widerstand der von den Produktionsstillegungen betroffenen Kreise der Bourgeoisie abzuschwächen und die Gauleiter und anderen regionalen Widersacher der Stillegungen geneigter zu stimmen. Sie wurde jedoch von September 1943 an schrittweise durchgesetzt. Schon am 1. September ernannte Speer einen „Generalbeauftragten für Betriebsumsetzungen" (GfB), der ihm unmittelbar unterstand. 1 9 1 Der G f B verfügte über „Sonderbeauftragte für die einzelnen Fertigungszweige". Sein Aufgabengebiet erstreckte sich auf Industriebetriebe von 100 Mann und auf Handwerksbetriebe von 5 0 Mann Belegschaft an aufwärts; die Arbeitskräfte der stillgelegten bzw. mit Rüstungsproduktion belegten Betriebe waren „restlos" dem Rüstungsbetrieb zuzuführen. Vorschläge für derartige „Umsetzungen ganzer Zivilbetriebe in Rüstungsfertigung" sollten von den Rüstungsbetrieben selbst kommen und vom Rüstungsminister persönlich entschieden werden. 1 9 2 Als G f B war zuerst Direktor Walter Jander, Vorstandsmitglied des Junkers-Konzerns und Gauwirtschaftsberater des Gaues Sachsen-Anhalt, vorgesehen; nach nur wenigen Tagen übernahm schließlich Ministerialrat Wissmann die Funktion. 1 9 3 Der Rüstungsminister ließ sich die Kerngedanken seiner wirtschaftspolitischen Konzeption vom „Totalen Krieg", die er und die von ihm vertretenen maßgeblichen Kreise des Monopolkapitals seit dem Sommer 1943 entwickelt hatten, am 11. September noch einmal ausdrücklich von Hitler bestätigen: „Der Führer ist m i t der grundsätzlichen Fertigungspolitik, die ich ihm anhand meiner Redenotizen für Rechlin dargestellt habe, einverstanden." 19 * In der folgenden Zeit legte er diese Konzeption in Reden vor verschiedenen Führungsgremien des Regimes dar, besonders am 6. Oktober 1943 in Posen vor den versammelten Gauleitern der N S D A P . E s sei vor allem notwendig, so sagte er dort, „eine Stillegungswelle von großen Ausmaßen durchzuführen". 1 9 5 Diese müsse sich aber unterscheiden von den Stillegungen, „die bisher durchgeführt wurden und die bei allen von Ihnen absolut in Mißkredit stehen". Speer kritisierte die bisherige Stillegungspolitik — damit vor allem das Reichswirtschoftsministerium —, die in der Konsumgüterindustrie die Großunternehmen auf Kosten der Mittel- und Kleinbetriebe begünstigt habe. „Diese Mittel- und Kleinbetriebe, die schon m i t Kurzarbeit arbeiten, wurden bisher zu allem Überfluß noch stillgelegt. Es hat diese Stillegungswelle für uns fast überhaupt keinen Erfolg gebracht. 190 Speer, Erinnerungen, S. 287 (26. 7. 1943). 191 Nachrichten des RMfRuK, Nr. 29, 15. 9. 1943. Hiernach auch das Folgende. 192 BA Koblenz, R 13 1/592, Protokoll d. Sitzung des Engeren Beirats der Bezirksgruppe Nordwest der Wigru Esl, 10. 9. 1943. 193 Chronik des RMfRuK, 1943 II, Bl. 18, 21 u. 23, Anfang September 1943. 194 FB, 11./12. 9. 1943, Punkt 7. — Einen Monat später legte Speer Hitler eine „erste Übersicht über Betriebsumsetzungen" vor (FB, 14./15. 10. 1943, Punkt 21). 195 ZStA Potsdam, FS, Film 3570, Rede Speers v. 6. 10. 1943 (Posen). Hiernach auch das Folgende.

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Denn die einsatzfähigen Menschen in den Mittel- und Kleinstädten (soll heißen: -betrieben; D. E.) sind ein außerordentlich geringer Prozentsatz der gesamten im Betrieb vorhandenen Arbeitskräfte." In der Rüstungsindustrie dagegen sei die volle Konzentration auf den „Bestbetrieb", der „in der Rüstung . . . selbstverständlich genau wie bei den Verbrauchsgütern fast immer ein Großbetrieb" sei, richtig, von der Struktur dieses Sektors her gegeben und notwendig, „ d a ich in der Rüstung nur in Großserien Kanonen oder Maschinengewehre oder Munition fertigen k a n n " . Der Minister erläuterte die neue, der bisherigen entgegengesetzte Linie der Stillegungspolitik: Die größeren Betriebe der Konsumgüterindustrie — „die über 100 Mann stark s i n d " — würden erfaßt und müßten ihre Arbeitskräfte geschlossen an Rüstungsbetriebe abgeben; also vor allem „die Textilbetriebe, die Betriebe für Papiererzeugung, die Druckereien" und andere. Nur so werde es gelingen, eine bis anderthalb Millionen der in der Konsumgüterindustrie beschäftigten sechs Millionen Arbeitskräfte für die Rüstung freizumachen. Unter Umständen freiwerdende Materialien werde man in die Mittel- und Kleinbetriebe lenken, die auf volle Leistung gebracht werden sollten und in denen beträchtliche Reserven steckten. An Beispielen jüngst eingeleiteter Stillegungen in der Produktion machte Speer sein Publikum nachdrücklich darauf aufmerksam, „wie ernst die L a g e auf dem Gebiete der Rüstung i s t " : „Wir haben . . . die Haushaltsgaszähler, die Haushaltselektrizitätszähler und Haushaltswasserzähler vollständig stillgelegt und haben damit etwa 4000 der hochwertigsten Arbeitskräfte, und nur deutsche Arbeitskräfte, zur Verfügung stellen können für die Fertigung der Scheinwerfer und der Geräte für die Nachtleitverfahren . . . Wir haben weiter die Fabrikation von etwa 12000 Leica- und Kontax-Apparaten im J a h r , die alle auf Wehrmachtauftrag laufen, eingestellt und haben die dort freiwerdenden Arbeitskräfte, hochwertigste Linsenschleifer und Mechaniker, ebenfalls für das Nachtleitverfahren zur Verfügung gestellt . . . Wir haben die Fertigung der Augenoptik z. T. reduziert und haben damit 5000 Arbeitskräfte gewonnen, die nun an der Arbeit sind, Bildwandler neuester Art für die Nachtjagd zu machen, für das A-4-Programm zu arbeiten, für U-Boot-Sehrohre und für die Panzer- und Pak-Programme die notwendigen Rundblickfernrohre, die an sich nicht mehr in genügendem Umfange hergestellt werden konnten, sicherzustellen. Wir haben in Leipzig die Kammgarnspinnerei Stöhr stillgelegt und haben die Arbeitskräfte einem daneben liegenden Flugzeugwerk für J ä g e r zur Verfügung gestellt . . . Wir waren leider gezwungen, in Leipzig die kulturell und historisch wertvolle Notendruckerei Breitkopf & Härtel voll stillzulegen . . . Wir haben die Büro- und Schreibmaschinenfabrik von Wanderer, Chemnitz, vollständig stillgelegt. Diese machen jetzt Flugzeugnachrichtengeräte, Flugzeugmutterkompasse und Fliegerbordwaffen." Man sei sogar gezwungen gewesen, „aus der Lokomotivfertigung, die wir mit Mühe und Not auf eine Zahl von 530 Lokomotiven gebracht haben, zwei Fabriken zu schließen . . ., die eine in München zur Fertigung der BMW-Flugmotoren mit 3000 Mann überzusetzen und die andere in Berlin zur Fertigung von Sturmgeschützen zu Alkett überzusetzen." Einer der Kerngedanken des neuen Stillegungskonzepts war der, daß die okkupierten Länder, besonders Frankreich, in großem Stil Konsumgüter für Deutschland produzieren sollten, „weil wir in der Verbrauchsgüterindustrie noch eine wesentliche unausgenutzte Reserve in den besetzten Gebieten haben . . . Diese Reserven werden durch eine Verlagerung des Materials, eine Verlagerung der Zellwolle z. B . auf die französischen Textilbetriebe, ausgenutzt werden."

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Die Gauleiter-Reichsverteidigungskommissare, denen Bormann schon Mitte September angekündigt hatte, der Rüstungsminister werde ganze Betriebe „bis zum letzten Mann" in Rüstungsbetriebe umsetzen und alle Fertigungen stillegen, die nicht zwingend kriegswichtig seien 1 9 6 , blieben jedoch der neuen Initiative gegenüber vielfach skeptisch. Häufig ließen sie sich von Firmen der Konsumgüterindustrie ihres Gaues zum Widerstand gegen Stillegungsvorschläge und -bescheide aufstacheln, zumal da sie befürchteten, eine Verschlechterung der Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und die m i t der Umsetzung verbundenen sozialen Probleme der betroffenen Arbeiter und Angestellten könnten politische Auswirkungen haben. Die Betriebsumsetzungen bargen in ihren beiden Varianten — der sogenannten dienstverpflichtenden Umsetzung (der gesamten Belegschaft in einen Rüstungsbetrieb) und der sogenannten selbstverantwortlichen Umsetzung (d. h. der Übernahme von Rüstungsunteraufträgen und -Zulieferungen für einen Rüstungsbetrieb) — für den betroffenen Betrieb die Gefahr in sich, auf dem Wege von langfristigen Betriebsüberlassungsverträgen, von Vereinbarungen über ein Vorkaufsrecht oder durch unmittelbare Enteignung von der Rüstungsfirma aufgeschluckt zu werden. 197 Hierüber gab es interne Auseinandersetzungen, die die Verkündung von Richtlinien für Umsetzungen über ein halbes J a h r verzögerten.«» Die „Wissmann-Aktion" sollte der Rüstung bedeutende industrielle Kapazitäten und vor allem Arbeitskräfte, in erster Linie den Facharbeiterstamm der Konsumgüterindustrie, zuführen. Das geschah auch, besonders im J a h r e 1944 1 9 9 , wäre aber wahrscheinlich in weit beträchtlicherem Umfang geschehen, wenn diese Aktion sich nicht zunehmend mit der Verlagerung der Rüstungsindustrie aus den luftkriegsgefährdeten Gebieten verflochten h ä t t e und dieser nicht mehr und mehr untergeordnet worden wäre. Mit der Bedrohung der Rüstungswerke aus der Luft wuchs nämlich das Bestreben der Konzerne, ihre durch Bombenangriffe am meisten gefährdeten Produktionsstätten zu verlagern, zumindest aber die stark zentralisierte Produktion „aufzulockern" und Teilbetriebe für besonders wichtige Erzeugnisse im Osten, Südosten und Süden Deutschlands einzurichten. Der erste Erlaß des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion, der die Verlagerung von „einzigartigen" Fertigungen der Rüstungsindustrie, z. B . Kugellagern, und „Engpässen" regulieren sollte, stammte — damals eher vorbeugend gedacht — aus dem Dezember 1942. 2 0 0 Von Ende J u n i 1943 an, als Hitler dem Minister sämtliche 196 BA Koblenz, R 3/1846, Rs. Bormanns an d. Gauleiter, 14. 9. 1943. 197 Weyres-v. Levetzow, S. 111 u. S. 93f. (zit. Entwurf eines „Erlasses über die Umsetzung von Betrieben und Betriebsteilen" vom 11. 11. 1943). 198 Der endgültige „Erlaß über die Umsetzung von Betrieben und Betriebsteilen (UmsetzungsGrundsät/.e)" vom 20. 4. 1944 (Nachrichten des RMfRuK, Nr. 38, 9. 6. 1944, Anlage I) verbot schließlich die Übernahme von umgesetzten Betrieben mittels der aufgeführten Methoden. Zur Auseinandersetzung s. Weyres-v. Levetzow, S. U l f . Siehe auch BA Koblenz, R 3/1877, Rs. RMfRuK an d. Vorsitzer d. Rüstungskommissionen usw. (mit internen Richtlinien), 15. 12. 1943. 199 Siehe die Zahlen aus d. Bericht Wissmanns v. 12. 6. 1944 (Stand: 31. 5. 1944): Umsetzungen von 108966 Arbeitskräften aus 1696 Betrieben mit insgesamt 221835 Beschäftigten (Weyres-v. Levetzow, S. 112f.). 200 ZStA Potsdam, RMfRuK, Nr. 77, Bl. 34, Erlaß RMfRuK über die „Verhütung von Fertigungsausfällen durch Luftangriffe", 19. 12. 1942. — Grundsätzliches zu den ober- und unterirdischen Verlagerungen bei Demps, Ausbau, S. 73ff.

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nötigen Vollmachten übertrug 2 0 1 , wurde nach und nach das Verordnungs- und Regelwerk für die Verlagerungen (über Tage) ausgearbeitet. 2 0 2 Die Verlagerungswelle, die etwa mit der Jahreswende 1943/44 einsetzte, betraf hauptsächlich die großen Rüstungskonzerne und verschaffte diesen zugleich oft handfeste Kapazitäts- und Betriebserweiterungen. 2 0 3 Dennoch betrachteten die Rüstungsgewaltigen die Verlagerungen als notwendiges, aufwendiges Übel, das einen nicht unbeträchtlichen Teil des Rationalisierungseffekts der letzten J a h r e wieder aufzehrte. Die unmittelbaren Lasten und Erschwernisse der Verlagerungsaktion trugen allerdings hauptsächlich die dienstverpflichteten Arbeiter und Angestellten, während den Rüstungsbetrieben Kosten und Risiko weitestgehend vom faschistischen S t a a t abgenommen wurden.

Beginn der Unterlageverlagerung

(A4)

Seit Frühjahr 1943 drängte Hitler darauf, „daß auf weite Sicht angestrebt werden muß, daß empfindlichste Fertigungen wie Kurbelwellen, Kegelräder, elektrische Einrichtungen usw. in Werken erstellt werden, die voll unter Betonschutz stehen". 2 0 4 E r hielt dagegen „die Verlagerungen nach dem Osten des Reiches für nur bedingt wertvoll" 2 0 5 und zeigte sich von der Untertageverlegung und der Einbetonierung der Rüstungsproduktion so angetan, daß Speer ihn über die Grenzen dieser Methode belehren mußte. E r machte ihm vor allem klar, „daß das Ruhrgebiet eine Basis unserer Industrie darstellt, die nicht verlagert werden kann". 20 ® E r ließ jedoch bald darauf die Möglichkeiten prüfen, jene „einzigartigen" und „Engpaß"fertigungen unter die Erde zu verlagern. Am 10. J u l i beantragte er beim O K W , die zum Teil leerstehenden Bunker der Maginotlinie zur Überprüfung freizugeben. 2 0 7 Das früheste Vorhaben der Untertageverlagerung wurde E n d e August/Anfang September 1943 in Angriff genommen. 2 0 8 E s handelte sich um die Großserienfertigung der Rakete A 4 (Aggregat 4), auch V 2 (Vergeltungswaffe 2) genannt, eine automatisch gesteuerte Rakete, die etwa 1 1 Sprengstoff maximal 370 km weit transportieren konnte. Dieses Vorhaben gewann Gestalt, nachdem das vormalige Reichsministerium f ü r Bewaffnung und Munition die Leitung von Entwicklung und Produktion der A 4 Schritt für Schritt dem Heereswaffenamt entwunden hatte, das die Waffe in langen Jahren hatte entwickeln lassen. A m 15. J a n u a r 1943 wurde ein Sonderausschuß A 4 (SA 4) unter Demag-Direktor Gerhard Degenkolb, dem bisherigen Leiter des Hauptausschusses Schienenfahrzeuge, und im März eine Entwicklungskommission Fernschießen unter Waldemar Petersen (AEG) gebildet. 2 0 9 „Der A 4-Sonderausschuß war sowohl für die Endfertigung der Rakete als auch für das überaus umfangreiche System der eingeschal201 Demps, Ausbau, S. 77; DZ VF, Bd. 4, S. 127; Janssen, S. 149 (Erlaß Hitlers vom 28. 6. 1943). 202 Z. B. Nachrichten des RMfRuK, Nr. 28, 6. 9. 1943, Gemeinsamer Erlaß RMfBuM und GBA betr. „Umsetzung von Arbeitskräften bei Betriebsverlagerungen", 23. 8. 1943. 203 Weyres-v. Levetzow, S. 101. 204 FB, 11. 4. 1943, Punkt 4. 205 Ebenda. 206 FB, 30. 5. 1943, Punkt 16; s. a. Speer, Der Sklavenstaat, S. 308f. 207 KTB des OKW, Bd. 3/2, S. 769, Eintragung v. 10. 7. 1943. 208 Demps, Ausbau, S. 81. 209 Dornberger, S. 82ff., S. 90ff.; Janssen, S. 189ff.

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teten Zulieferbetriebe zuständig" 210 und vereinte damit Ausschuß- mit Ringfunktionen. Den Vertretern der Heeresversuchsanstalt saßen darin in der Überzahl Produktionsfachleute der maßgeblich beteiligten Konzerne gegenüber (Siemens, AEG, Askania, Lorenz, Demag, Henschel, Flick). 211 Über den strategischen Wert und die Effektivität der A 4, einer „ausgesprochenen Terrorwaffe" 212 , gingen allerdings, wie es scheint, die Meinungen selbst im Rüstungsministerium auseinander. 213 Doch Speer ließ am 7. Juli 1943 die Rakete im Film Hitler vorführen und hatte durchschlagenden Erfolg. 214 Hitler schien zu hoffen, das Gerät werde alle aufgehäuften Probleme der Kriegführung lösen und ihn vor allem von dem Alpdruck der Luftbombardements befreien. Man brauche jetzt eine solche „kriegsentscheidende Waffe", berauschte er sich. „Mit ihr werden wir England in die Knie zwingen" 215 ; „wie wird die Heimat entlastet" — so sein Hauptargument —, „wenn wir die Engländer damit angreifen!" 2 1 6 Speer notierte, Hitlers umfassende Vollmacht für das Panzerprogramm sei einfach „entsprechend umzuändern und als Führererlaß für die A IV-Fertigung nochmals vorzulegen".217 Am 25. Juli unterzeichnete Hitler diesen Erlaß. 218 Inzwischen war „das A 4-Programm verdoppelt" und „der Termin für den Ausstoß des Gerätes um zwei Monate vorverlegt", d. h. auf den 1. November 1943 festgesetzt worden. 219 Die Programmforderungen bzw. -Vorstellungen schwankten insgesamt zwischen 900 (Auftrag des OKH am 17. Oktober 1943), 950 (Degenkolb-Programm vom Frühjahr 1943) und 3000 bzw. gar 5 0 0 0 Raketen monatlich binnen „kürzester Zeit" (Hitlers Forderungen vom März 1942 und August 1943). 220 210 Dieckmann, Götz, Existenzbedingungen und Widerstand im Konzentrationslager Dora-Mittelbau unter dem Aspekt der funktionellen Einbeziehung der SS in das System der faschistischen Kriegswirtschaft, phil. Diss. Berlin 1968 (im folgenden: Existenzbedingungen), S. 44. 211 Siehe ZStA Potsdam, FS, Film 10799, v. Braun an SA 4, 10.6.1943, u. a. Stcke.; s . a . Demps, Ausbau, S. 117 u. S: 369f. 212 Bartel, Walter, Gutachten über Rolle und Bedeutung des KZ Dora-Mittelbau und die Funktion der SS bei der A 4-Produktion (= Schriftenreihe des Präsidiums der YVN, Frankfurt a. M., 13/1970), S. 4. 213 Schieber (bzw. Speer) erhielt von Krauch Ende Juni 1943 ein äußerst skeptisches, im Grunde ablehnendes Gutachten über die A 4. Als Angriffswaffe des „Gegenterrors" bleibe sie ein „Wunschgedanke", solange nicht eine grundsätzliche Umgestaltung der deutschen Luftabwehr, u. a. durch Boden-Luft-Raketen vom Typ „Wasserfall", vorgenommen sei (ZStA Potsdam, FS, Film 3315, AN Krauch f. Besprechung mit Schieber, 29. 6. 1943; s. a. Speer, Erinnerungen, S. 572, Anm. 7). Nach dem Krieg erklärten die Verantwortlichen, so Speer noch im Jahre 1981, es hätten „ganz einfach die Sprengkörper" — d. h. die Atomsprengköpfe — gefehlt., „bei denen es sich gelohnt hätte, sie mit solchem Aufwand ins Zielgebiet zu tragen" (Speer, Der Sklavenstaat, S. 285 u. S. 307; s. a. Dornberger, S. 108ff.). 214 Speer, Erinnerungen, S. 377; Dornberger, S. 108;s. a. FB, 17./18. 7. 1943, Punkt 19. - Janssen, S. 194, legt den Termin der Filmvorführung bzw. die Vorstellung Dornbergers und Wernher v. Brauns bei Hitler wohl irrtümlich auf den 8. 7.; desgl. Speer, Der Sklavenstaat, S. 288. 215 Speer, Der Sklavenstaat, S. 296. 216 Speer, Erinnerungen, S. 377. 217 FB, 8. 7. 1943, Punkt 19. Abweichende Darstellung bei Speer, Erinnerungen, S. 377 f. 218 Irving, David, Die Geheimwaffen des Dritten Reiches, Gütersloh 1965 (im folgenden: Geheimwaffen), S. 105 (dort aus d. Engl, rückübersetzt). 219 ZStA Potsdam, FS, Film 3384, AN RMfBuM(RLA) üb. Bespr. betr. „Sicherstellung des Treibstoffes für Gerät A 4", 23. 7. 1943. 220 Speer, Der Sklavenstaat, S. 295ff.

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Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

Als der schwere Luftangriff vom 17./18. August 1943 auf Peenemünde die Produktion der A 4 um viele Monate zu verzögern drohte, begannen die Verantwortlichen unverzüglich damit, als Ausweichlösung riesige unterirdische Produktionsanlagen „unter möglichst starker Heranziehung von Höhlen und sonst geeigneten Bunkerstellungen" 2 2 1 vorzubereiten. Speer besichtigte Peenemünde am Tage nach dem Angriff und flog von dort aus sogleich zu Hitler, um ihm zu berichten. Beide konferierten anschließend mit Himmler, der Hitler wenige Stunden vorher die Arbeitskraft der KZ-Häftlinge und den SS-Wirtschaftsapparat für die Verlagerung und Sicherung der A 4-Produktion — „die größte und wichtigste Rüstungsaufgabe, die der Führer vergeben konnte" 2 2 2 — angeboten hatte. 2 2 3 Seitdem regierten in der Produktion der Rakete die beiden einflußreichsten Machtapparate des faschistischen Reiches in enger, aber von scharfer staatsmonopolistischer Konkurrenz beherrschter Gemeinsamkeit. 224 Der Sonderausschuß A 4 und die darin vertretenen Rüstungsmonopole versicherten sich auf diese Weise der Hilfe der S S bei der rücksichtslosen „Einschaltung" vieler tausender KZ-Häftlinge: „Der Führer ordnet auf Grund eines Vorschlages (Himmlers — D. E.) an, daß alle Maßnahmen ergriffen werden, um gemeinsam mit dem Reichsführer S S unter starker Einschaltung seiner Kräfte aus den Konzentrationslagern den Bau der entsprechenden Fertigungsanlagen und die Fertigung von A 4 erneut voranzutreiben." 2 2 5 Vertreter des SA 4 machten die bisher von der Wifo genutzten Stollen unter dem Kohnstein-Massiv nördlich von Nordhausen als geeignete Verlagerungsstätte für die Montage der A 4 ausfindig. 2 2 6 Ende August kamen die ersten Transporte von KZ-Häftlingen aus Buchenwald. Das KZ-Außenlager „Dora" wurde gegründet. Im November 1943, als der Ausbau der unterirdischen Produktionsanlagen schon lange im Gange war, wurde, aufgezogen als Tochtergesellschaft der Rüstungskontor GmbH, die Mittelwerk GmbH geschaffen und das Unternehmen damit juristisch begründet. „Das Mittelwerk war eine Gründung allein des Sonderausschusses A 4 " 2 2 7 und stand unter dem Protektorat desRüstungsministeriums. Die Leitung des Werks hatte zunächst Degenkolb, später Georg Rickhey. Der unterirdische Ausbau und später die Raketenmontage wurden unter unmenschlichen Existenzbedingungen durch KZ-Häftlinge besorgt, deren Beschaffung und Bewachung Sache der S S war. Die Oberleitung der Höhlenbauten übertrug Himmler SS-Brigadeführer Hans Kammler, einem „rücksichtslosen, aber befähigten Roboter" 228 , den der Rüstungs221 FB, 19./22. 8. 1943, Punkt 24. 222 So Himmler nach Speer, Der Sklavenstaat, S. 290. — Mit seinem Angebot überzeugte Himmler den „Führer" vor allem deswegen, weil dieser auf absoluter Geheimhaltung der A-4-Produktion bestand und daher ursprünglich „nur Deutsche" dafür einsetzen lassen wollte (FB, 8. 7. 1943, Punkt 20). 223 Speer, Der Sklavenstaat, S. 289; s. a. Irving, Geheimwaffen, S. 144 u. S. 244; Demps, Ausbau, S. 121 f . ; DZW, Bd. 4, S. 412. 224 Über die Ambitionen Himmlers und die Unzuträglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen S S und Rüstungsministerium berichtet, allerdings mit apologetischer Übertreibung, Speerr Der Sklavenstaat, S. 285 ff. 225 FB, 19./22. 8. 1943, Punkt 24. 226 Demps, Ausbau, S. 123. 227 Dieckmann, Existenzbedingungen, S. 48. 228 So Speer in seinem letzten Buch (Der Sklavenstaat, S. 332). — Kammler, als Baudirektor im RLM mit Speer wahrscheinlich schon aus den ersten Kriegsjahren bekannt, war im Herbst 1941 von Himmler zum Leiter des gesamten Bauwesens der SS gemacht worden. Als solcher

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minister Mitte Dezember begeistert für seine „wirklich einmalige T a t " lobte, „die unterirdischen Anlagen in Nie[dersachswerfen] aus dem Rohzustand in einer fast unmöglich kurzen Zeit von zwei Monaten in eine Fabrik zu verwandeln, die ihresgleichen in Europa kein annäherndes Beispiel hat (sie! — D . E.) und darüber hinaus selbst für amerikanische Begriffe unübertroffen dasteht" 2 2 9 — unbekümmert von den unbeschreiblichen, unmenschlichen Zuständen, unter denen er selber eine W o c h e vorher die Häftlinge in den Höhlen hatte arbeiten sehen. 230 Das Mittelwerk, Vorreiter der unterirdischen Verlagerung in der letzten Kriegsperiode, stellte, ungeachtet

der Ambitionen

der

Unternehmen des Speer-Ministeriums"

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SS, ein spezifisches

„staatsmonopolistisches

dar, bei dem die deutschen Monopole die SS

als unmittelbaren Erfüllungsgehilfen der Rüstungsproduktion und der Profitmacherei benutzten. Sie verzichteten so auf jede Verschleierung des Ausbeutungsverhältnisses, das durch die dominierende Rolle des außerökonomischen Zwanges — des blanken Terrors — in ein sklavereiähnliches deformiert wurde. 2 3 2

Besetzte Gebiete Der Hitler-Erlaß v o m 2. September 1943 galt „ f ü r das Gebiet des Großdeutschen Reichs einschließlich der eingegliederten Ostgebiete und des Protektorats". 2 3 3 Eine „Anordnung des Führers zu dem Erlaß über die Konzentration der Kriegswirtschaft" v o m 5. September 234 , die nicht veröffentlicht wurde, erklärte ihn als gültig „auch für das Elsaß, f ü r Lothringen und Luxemburg, die Untersteiermark, die besetzten Gebiete Kärntens und Krains, für den Bezirk Bialystok sowie für das Generalgouvernement". Was die übrigen besetzten Gebiete betraf, so wurde eine Formulierung gewählt, die die Ambitionen des Auswärtigen Amtes berücksichtigte, de facto die Dinge aber ähnlich regelte: „ F ü r die besetzten Gebiete, die nicht in Abs. 1 genannt sind, kann der Reichsminister f ü r Rüstung und Kriegsproduktion für alle Maßnahmen auf dem Gebiet der Rohstoffe und der Produktion den Reichskommissaren, den Militärbefehlshabern und den sonstigen deutschen Verwaltungsstellen Weisungen erteilen";

gegebenenfalls sollte das Einverständnis des

Außenministeriums eingeholt werden. Schließlich sicherte sich Speer am 12. September 1943, einen T a g , nachdem die Wehrmacht das in deutscher Gewalt befindliche italienische Territorium einschließlich Roms zum

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entwarf er außer KZ-Bauten auch das „Friedens(bau)programm des Reichsführers-SS", d. h. einen 13-Milliarden-RM-Nachkriegsplan für SS- und Polizeibauten und -„Stützpunkte" in ganz Europa einschl. des „neuen Ostraums" (ebenda, S. 406ff.). B A Koblenz, R 3/1585, Speer an Kammler, 17. 12. 1943. Chronik des RMfR.uK, 1943 I I , Bl. 88, 10.12.1943; Speer, Erinnerungen, S. 380; Speer, Der Sklavenstaat, S. 300 ff. Dieckmann, Götz, Zum Verhältnis von Monopolen und SS in der faschistischen Kriegswirtschaft, untersucht am Beispiel des Konzentrationslagers Dora, in: Deutschland in der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus. Beiträge zur neuesten deutschen Geschichte. Festschrift für Walter Bartel (WZ d. Humboldt-Universität Berlin, Ges.- u. Sprachwiss. R., X I X (1970)/2), S. 157. Ausführlich über das Mittelwerk und „Dora" s. die angeführten Arbeiten von Bartel, Dieckmann und Demps; s. a. DZW, Bd. 4, S. 411f. RGBl. 1943 I, S. 530 (§ 6). ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8440, Bl. 49. Hiernach auch das Folgende.

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Kriegsgebiet unter deutscher Militärverwaltung erklärt hatte, „mit schnellem Zugriff . . . die alleinige Vollmacht zur Ausnutzung der italienischen Rüstungskapazität". 2 3 5 Ein entsprechender Erlaß Hitlers, an diesem Tage unterschrieben, wurde am nächsten Tag, dem 13. September, Hitler noch einmal zur Unterschrift vorgelegt, „um herauszustellen, daß diese Vollmacht auch nach der Befreiung des Duce gültig bleibe". 2 3 6 Die Vollmacht verstand sich „einschließlich der Stahlerzeugung, der Zulieferungsindustrie und der Energiewirtschaft" und enthielt den schwerwiegenden und dehnbaren Passus: „ E r (der Rüstungsminister — D. E.) kann insbesondere aus luftgefährdeten Gebieten Werkzeugmaschinen und andere Einrichtungen auf die Dauer des Krieges zur Ausnutzung in andere Betriebe, auch des Reiches, überführen." 2 3 7 Binnen weniger Wochen baute das Rüstungsministerium seinen „Italienstab", eine besondere Organisation für Italien, auf, deren Kompetenzen sich in dem heillosen Verwaltungswirrwarr, der dort bald um sich griff, zwar heftig mit anderen überschnitten, die aber nichtsdestoweniger die entscheidende Rolle bei der wirtschaftlichen Ausplünderung des Landes spielte. 238 Chef der Organisation war Generalmajor Hans Leyers, vorher Rüstungsinspekteur, ein „außerordentlich energischer Herr, der alles an sich zu ziehen sucht, was irgendwie auch nur am Rande Fragen der Rüstung berührt". 2 3 9 Leyers beschrieb seine Funktion selbst: „Meine Aufgabe hier in Italien ist in erster Linie, die Industrien im oberitalienischen Raum in Betrieb zu halten und in den Dienst der deutschen Rüstungsund Kriegsproduktion einzuspannen." 2 4 0 Ferner bemühe er sich, „im mittelitalienischen Raum (den die Offensive der Alliierten bedrohte — D. E.) Produktionsstätten abzubauen und sie nach Norden oder nach Deutschland zu verlegen sowie wichtige in Deutschland notwendige Rohstoffe und Fabrikate nach Deutschland zu liefern". 2 4 1 Leyers begann seine Tätigkeit damit, aus Rom die industriellen Anlagen zu entfernen und in Oberitalien neu aufzustellen. 242 Zu den Experten der Organisation gehörten ferner Generalmajor Ernst Becht, früher Chef der Rohstoffabteilung im Wehrwirtsohafts- und Rüstungsamt des OKW, „der wegen seines großen Wissens wieder aus der Versenkung aufgetaucht war" S43, und Willy Schlieker, der seit geraumer Zeit von Vogler und Rohland ins Rüstungsministerium abgeordnete Eisen- und Stahlfachmann aus den Vereinigten Stahlwerken. 244 Speer festigte die Position des Rüstungsministeriums in Italien dank seiner engen Beziehungen zu Botschafter Rudolf Rahn, dem „Bevollmächtigten des Großdeutschen Reiches in Italien" und „ungekrönten König von Italien" 2 4 5 , und zu Friedrich Walter Landfried, dem Chef der 235 Chronik des RMfRuK, 1943 II, Bl. 26, 11./13. 9. 1943. 236 E b e n d a . — Mussolini war im L a u f e des 12.9. von einer SS-Kommandoeinheit aus der Gefangenschaft befreit worden (s. DZW, B d . 3, S. 645). 237 B A Koblenz, R 3/1988, Hitler-Erlaß v. 13. 9. 1943. 238 Die genauere Untersuchung der deutschen Besetzung und Besatzungsverwaltung in Italien bleibt vorläufig ein Desiderat der Forschung. 239 ZStA P o t s d a m , Reichskanzlei, Film 19 491; Sts. a. D. Mussehl an Kab.-rat Killy (Reichskanzlei), 27. 4. 1944. 240 Leyers an Reichsstelle Steine und Erden, 19. 11. 1943, zit. nach DZW, B d . 3, S. 651. 241 E b e n d a . 242 Wie Anm. 239. 243 Chronik des RMfRuK, 1943 I I , Bl. 33, 27. 9. 1943. 244 Janssen, S. 251. 245 ZStA Potsdam, F S , Film 10 738, Brief v. Gen.-maj. v. Tempelhoff (an nicht genannten

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deutschen Militärverwaltung und früheren Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium. „Die schnelle Auswertung der italienischen Kapazitäten für das deutsche Rüstungspotential", so betonte der Rüstungsminister, „ist von schlechthin entscheidender Bedeutung." 2 4 6 Wie die Geier stürzten sich die deutschen Rüstungsmonopole und beteiligten Dienststellen aber auch auf Rohstoffe und Maschinen „für besonders wichtige Fertigungen" 2 4 7 und ließen sie nach Deutschland abtransportieren. Schon Mitte September waren beispielsweise alle Anstalten für das „Ausräumen der Werkzeugmaschinen von Alfa Romeo, Fiat usw. nach Deutschland" 2 4 8 getroffen. Allein vom 15. September bis 31. Oktober 1943 verschleppten sie 4800 t Produktionseinriohtungen und 68200 t Rohstoffe und anderes Material aus Italien. 249 Diese Aktion leitete Amtschef Walther Schieber. 250 Auf Anregung von Speer genehmigte Hitler ferner, die erheblichen deutschen Exporte nach Italien einzustellen, was, wie der Rüstungsminister ihm vorrechnete, „wesentliche Erleichterungen für unsere gesamte Rüstungswirtschaft" bringen werde; Lieferungen sollten „nur noch für unsere Rüstungsinteressen erfolgen". 251 In der zwiespältigen Haltung der deutschen Imperialisten gegenüber der italienischen Wirtschaft — produktive Ausnutzung ihrer Kapazitäten einerseits, Raub und Ausplünderung andererseits — wiederholte sich nur in zeitlich beschleunigter Abfolge, was sich im übrigen besetzten Europa abgespielt hatte. Ahnlich verfuhr man auch mit den italienischen Arbeitskräften, die teils in „Rüstungs-Schutzbetrieben" 2 5 2 festgehalten, teils als zivile Arbeiter nach Deutschland transportiert und dort „ausschließlich der gewerblichen Kriegswirtschaft zugeführt" 253 wurden. In der Situation des Sommers/Herbstes 1943, als der Widerstand gegen Besetzung, Terror und Ausplünderung in allen okkupierten Ländern immer breitere Bevölkerungskreise erfaßte und der Zustrom der nach Deutschland getriebenen Zwangsarbeiter versiegte, unternahmen die für die deutsche Kriegswirtschaft Verantwortlichen einen neuen Versuch, das in ihrem Herrschaftsbereich befindliche europäische Wirtschaftspotential so vollständig und konzentriert wie möglich in ihren Dienst zu stellen. Nach den Hitler-Erlassen vom September 1943 rückte eine Zentralisation der Wirtschaftskraft des faschistisch beherrschten Europas, für die bisher vielfältige und verworrene Verwaltungsstrukturen und Kompetenzbereiche ein schier unüberwindliches Hindernis bildeten, in greifbare Nähe. Die Kreise um das Rüstungsministerium hatten ausgangs des Sommers eine Variante

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General) 26. 1. 1944. — Rahn wurde am 22. November 1943 durch Hitler vom Gesandten zum Botschafter befördert (KTB des OKW, Bd. 3/2, S. 1298, 22. 11. 1943). ZStA Potsdam, FS, Film 19622, Speer an Karl Hermann Frank, 23. 9. 1943. Janssen, S. 251. B A Koblenz, R 3/1565, Speer in d. Besprechung beim Generalluftzeugmeister („St/GL-BuMBesprechung") v. 15. 9. 1943. Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg, S. 308. — Zu niedrige Zahlen offenbar bei Groehler, Olaf/Schumann, Wolfgang, Zu den Bündnisbeziehungen des faschistischen Deutschlands im zweiten Weltkrieg, in ZfG, 7/1980, S. 639. Janssen, S. 251. FB, 11./12. 9. 1943, Punkt 20. Ebenda, Punkt 5. ZStA Potsdam, Siemens AG, Nr. 5624, Bl. 133, Erlaß R M f R u K betr. „Einsatz der Italiener" v . 18. 9. 1943.

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„europäischer" Wirtschaftspolitik ausgearbeitet, die ihren P r o d u k t i o n s - u n d P r o f i t bedürfnissen a m meisten e n t s p r a c h u n d außerdem n a c h ihrer Rechnung bei möglichst geringem A u f w a n d möglichst großen Erfolg versprach. 2 5 4 Das Prinzip b e s t a n d darin, die in Deutschland selbst noch v o r h a n d e n e n Ressourcen a n Betriebsfläche, maschineller A u s r ü s t u n g , Rohstoffen u n d A r b e i t s k r ä f t e n d u r c h weitgehende Stillegung der Konsumg ü t e r i n d u s t r i e möglichst vollständig f ü r die P r o d u k t i o n von Kriegsgerät freizumachen, d. h. den Rüstungsmonopolen zusätzlich zur Verfügung zu stellen. E i n beträchtlicher Teil des B e d a r f s an K o n s u m g ü t e r n sollte aus der P r o d u k t i o n der besetzten Länder, besonders der industriell entwickelten L ä n d e r , gedeckt, die K o n s u m g ü t e r p r o d u k t i o n d o r t zu diesem Zweck erweitert u n d bedeutende A u f t r ä g e dorthin verlagert werden. Dieses Konzept, d a s vorwiegend auf Westeuropa, in erster Linie auf F r a n k r e i c h , zugeschnitten war, stellte zugleich eine sehr weitgehende Variante des „Totalen Krieges" in Deutschland d a r . Seine Verwirklichung m u ß t e de facto die Liquidierung der deutschen K o n s u m g ü t e r i n d u s t r i e bewirken u n d die geplante Nachkriegsexpansion dieser Industrie, die einen großen Teil des deutschen Exports realisierte, e r n s t h a f t gefährden. Doch d a s a k u t e Gesamtinteresse der herrschenden Klasse an der A u f r e c h t e r h a l t u n g u n d Steigerung d e r Kriegsproduktion — das sich m i t d e m Profitinteresse der großen Rüstungskonzerne d e c k t e — wog j e t z t schwerer als Teil- u n d Zukunftsinteressen. D e r Rüstungsminister legte H i t l e r a m 11./12. S e p t e m b e r den Plan ausführlich dar, d a s P o t e n t i a l der besetzten Gebiete u n t e r seiner Ägide zusammenzufassen u n d zu steigern. H i t l e r erklärte sich „grundsätzlich" d a m i t „einverstanden, eine europäische P r o d u k t i o n s p l a n u n g — u n t e r U m s t ä n d e n durch Schaffung eines Produktionsbüros — d u r c h z u f ü h r e n . E r s t i m m t gleichzeitig zu, d a ß a u c h Frankreich a n dieser P r o d u k t i o n s p l a n u n g gleichberechtigt neben den anderen N a t i o n e n vertreten sein m u ß . E r n i m m t d a b e i als selbstv e r s t ä n d l i c h an, d a ß Deutschland als f ü h r e n d e Macht Europas auch in der P r o d u k t i o n s p l a n u n g die eindeutige F ü h r u n g in der H a n d b e h ä l t . " 2 5 5 Drei Wochen später ließ Speer sich von Hitler noch einmal ausdrücklich bestätigen, daß er „ m i t d e m Kurs, in die besetzten Gebiete u n d insbesondere nach F r a n k r e i c h Verbrauchsgüterfertigungen zu legen, e i n v e r s t a n d e n " sei. 256 Der s p e k t a k u l ä r e A u f t a k t des neuen „europäischen" Kurses war die offizielle E i n l a d u n g des Ministers der Vichy-Regierung f ü r Industrieproduktion u n d Handel, J e a n Bichelonne, Mitte S e p t e m b e r 1943 nach Berlin. Bichelonne wurde als S t a a t s g a s t u n d b e t o n t zuvork o m m e n d empfangen. Speer konferierte mehrere Tage m i t ihm. 2 5 7 E r verpflichtete den Kollaborationsminister zu erweiterten Lieferungen von Konsumgütern wie Bekleidung, Sehuhe, Textilien, Möbel — selbstverständlich in erster Linie f ü r den W e h r m a c h t s bedarf —, m u ß t e ihm d a f ü r aber zugestehen, daß aus den f ü r diese Lieferungen arbeitenden französischen Betrieben (einschließlich Grund- u n d R o h s t o f f p r o d u k t i o n , T r a n s p o r t , E r n ä h r u n g ) keine A r b e i t s k r ä f t e m e h r n a c h Deutschland verschleppt würden. 254 Siehe Chronik des RMfBuM, 1943 II, Bl. 11 f., 27.8. 1943. Die diesbezüglichen Probleme wurden nach der Bildung des Planungsamts dort sogleich zusammengefaßt behandelt (s. Schumann, Wolfgang, Die wirtschaftspolitische Überlebensstrategie des deutschen Imperialismus in der Endphase des zweiten Weltkrieges (im folgenden: Überlebensstrategie), in ZfG, 6/1979, S. 500f.) 255 FB, 11./12. 9. 1943, Punkt 14. 256 FB, 30. 9./1. 10. 1943, Punkt 22. 257 Bichelonne hielt sich insgesamt wahrscheinlich vom 16. bis 19. 9. 1943 in Berlin auf; differierende Angaben bei Speer, Erinnerungen, S. 323, Janssen, S. 126 und Kehrl, S. 316.

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Am 5. Oktober unterzeichnete der Rüstungsminister einen Erlaß über derartige „Sperr-" oder „Schutzbetriebe" (S-Betriebe). 2 5 8 Das System solcher Betriebe weitete sich später bis auf 1 0 0 0 0 Betriebe aus. 2 5 9 E s wurde auch auf Holland, Belgien und Italien ausgedehnt. E s war nicht schwer zu erkennen, daß es sich bei diesem System nur um eine andere, allerdings stärker verdeckte Form der Ausbeutung der betroffenen Länder handelte, die immerhin den kollaborierenden Kreisen der einheimischen Bourgeoisie Gelegenheit bot, nunmehr einen größeren Teil des Profits selbst einzustreichen, und die die Deportation von Arbeitskräften nach Deutschland durch eine andere, modifizierte Art von Zwangsarbeit für den deutschen Imperialismus ergänzte bzw. ersetzte. Darin verbarg sich auch der politische Sinn einer ebenso illusorischen wie demagogischen Formulierung wie der „Gleichberechtigung" besetzter Länder — absurderweise im gleichen Atemzug gebraucht mit der Forderung nach der „eindeutigen F ü h r u n g " durch Deutschland. Kern und Schlußstück des in den folgenden Wochen ausgearbeiteten Organisations- und Verordnungswerks über die Auslandsverlagerung war der umfängliche Doppelerlaß des Rüstungsministers vom 3. Dezember 1943. 2 6 0 Erlaß I fixierte die neue Aufgabenstellung, die Übertragung der Ausführungsvollmachten an die „Lenkungsstellen" des Rüstungsministeriums und die Prinzipien und Methoden, nach denen diese zu verfahren hatten. E s sei die „Pflicht der deutschen Industrie, Bestandteil ihrer Selbstverantwortung und Aufgabe der staatlichen Produktionslenkung", so hieß es darin, die Auftragsverlagerung zu forcieren, um „die Industriekapazität der besetzten Westgebiete (gemeint waren F r a n k r e i c h , Belgien und die Niederlande — D. E . ) der Kriegswirtschaft im Höchstmaße nutzbar zu m a c h e n " . Dies habe „fortan planmäßig nach kriegswirtschaftlichen Notwendigkeiten" zu erfolgen. „Das Reichsinteresse erheischt vor allem die verstärkte Verlagerung von allgemeinen Verbrauchsgütern, da ihre Erzeugung im Reich zugunsten der Rüstungsproduktion eingeschränkt, die Versorgung aber aufrechterhalten werden m u ß . " E r werde dafür sorgen, versicherte der Minister, „daß die für die kriegswirtschaftliche Produktion notwendigen Arbeitskräfte in den besetzten Westgebieten belassen werden, um in ihrem Land für das Reich und damit für die Verteidigung Europas zu arbeiten". Die volle Verantwortung für die Ausnutzung der Industriekapazität der besetzten westeuropäischen Länder übertrug er „hiermit für ihren jeweiligen Produktionsbereich [seinen] m i t der Produktionssteuerung beauftragten Organen (Hauptausschüssen, Hauptringen, Wirtschafts- und Fachgruppen)". Sie hatten den Rüstungskonzernen bzw. „Verlagerungsgemeinschaften" deutscher Betriebe entsprechende „Verlagerungsauflagen" zu machen und die Realisierung dieser Auflagen m i t Hilfe ihrer Außenstellen in den besetzten Ländern, der sogenannten Länderbeauftragten, zu fördern und zu überwachen. D a m i t sei „als Prinzip die staatlich gelenkte, d. h. von den Lenkungsstellen des Reichs geplante, vorgeschriebene und überwachte, den kriegsmäßigen Bedürfnissen des Reichs, der Rohstoffversorgungslage und der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft der Westgebiete angemessene Verlagerung" gegeben. Nach Erlaß I I sollten vom 15. J a n u a r 1944 an Aufträge, die die Wehrmacht und die Besatzungsbehörden über „Hunderte von örtlichen Beschaffungsstellen" an Betriebe in den 258 Chronik des RMfRuK, 1943 II, Bl. 38, 5. 10. 1943; Kehrl, S. 317 u. S. 345. - Geltungsbereich des Erlasses waren die besetzten westeuropäischen Länder und Norwegen. 259 Speer, Erinnerungen, S. 324. 260 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 20308, Bl. 152ff., „Erlaß (I und II) über die Auftragsverlagerung in die besetzten Westgebiete" v. 3. 12. 1943. Hiernach auch das Folgende. 12*

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besetzten westeuropäischen Ländern vergaben, nicht mehr erteilt werden dürfen, da sonst „eine planmäßige, zentral gesteuerte und überwachte Verlagerung deutscher Aufträge in den fraglichen Gebieten undurchführbar" sei. Die „Beschaffungsvorhaben" dieser Stellen seien fortan nur noch über die Hauptausschüsse, Hauptringe, Wirtschafts- und Fachgruppen als einzige, zentrale „Lenkungsstellen" zu realisieren. Zur Ausführung der Erlasse bedurfte es allerdings noch geraumer Zeit. Auch waren bedeutende Widerstände zu überwinden, die vor allem von den Wehrmachtsstellen und vom GBA ausgingen. 2 6 1 Bevor schließlich das neue Ausbeutungssystem seine vollen Früchte für die deutsche Kriegswirtschaft tragen konnte, sollte es, bereits geschwächt von dem hartnäckigen Widerstand der betroffenen Völker, im Zuge der Befreiung Westeuropas zusammenbrechen. Doch während eines reichlichen halben Jahres stellte es die entwickeltste Form staatsmonopolistischer Beherrschung und Ausnutzung der Wirtschaftsressourcen der besetzten westeuropäischen Länder dar, die im Laufe des Krieges entstanden war. Der

„Bandwurmerlaß"

Die bedeutenden Veränderungen im Regulierungssystem der Kriegswirtschaft zugunsten der Machtvollkommenheit des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion ließen dem Rüstungsminister eine Reorganisation und Vereinheitlichung seines Machtapparats und eine gesetzliche Fixierung seines Kompetenzbereichs als notwendig erscheinen. Sein „Erlaß über die Aufgabenverteilung in der Kriegswirtschaft" vom 29. Oktober 1943 262 , wegen seiner Länge auch Bandwurmerlaß genannt, bildete den Abschluß einer Phase der Machtkonzentration und des organisatorischen Umbaus im staatsmonopolistischen System der Kriegswirtschaft vor dem Hintergrund der militärischen Niederlagen von Kursk über Charkov bis Kiev, in Afrika und Italien, die das faschistische Regime in seinen Grundfesten erschütterten. Der Erlaß fixierte die durch neue Organe wie das Planungsamt, das Rohstoffamt und das Produktionsamt für Verbrauchsgüter ergänzte komplizierte Struktur des Ministeriums von oben bis unten und legte detailliert die erweiterten Aufgaben und Vollmachten der Ausschüsse und Ringe fest. Führende Monopolvertreter begrüßten den Erlaß als „fast revolutionäre Entwicklung in der Führung der deutschen Rüstungsproduktion". Sie lobten ihn insbesondere deswegen als „neuartige, vorbildliche Meistertat organisatorischer Gestaltung", weil den Ausschüssen und Ringen als „fundamentaler Grundauftrag . . . nach der neuen, gegenüber allen anderen Dienststellen, einschließlich denen der Wehrmacht, eindeutigen und folgerichtigen Formulierung die uneingeschränkte und ausschließliche Verantwortung für 1. die Planung der Belegung [und] 2. die Durchführung der Erzeugung" übertragen wurde. 263 261 So ordnete Generaloberst Fromm als Chef H R ü s t / B d E erst a m 13. 4. 1944 für seinen Bereich den Übergang der Auftragsvergebung in den besetzten westeuropäischen Ländern und in Italien auf die Organe des R M f R u K an (BA Koblenz, R 13 V/102, Erlaß vom 13. 4. 1944). 262 Nachrichten des RMfRuK, Nr. 31, 26. 10. 1943 (als selbständige Beilage). Hiernach auch das Folgende. Der Erlaß wurde offenbar von Kehrl entworfen ( K e h r l , S. 312). 263 Betriebsarchiv des V E B Carl Zeiss J e n a , Nr. 22700, Referat v. Heinrich Küppenbender, Geschäftsleiter des Zeiss-Konzerns und Leiter des H A Feinmechanik und Optik des R M f R u K , über „ F ü h r u n g und Führungsarbeit in der Organisation der feinmechanischen und optischen Kriegsproduktion" v. 12. 1. 1944. Hiernach auch das Folgende.

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Die Hauptausschüsse und Hauptringe erhielten zu diesem Zweck die gesetzgebenden Vollmachten einschließlich der Strafgewalt, die sich aus der Warenverkehrsordnung ergaben und bisher dem Reichswirtschaftsminister und seinen Organen (Reichsstellen) vorbehalten waren; d. h. sie h a t t e n das Anordnungsrecht für Herstellungs- und Errichtungsverbote, für Typisierung, f ü r Betriebsbelegungen und Herstellungsanweisungen. Die „weitreichende Verselbständigung" und die Durchsetzung von „militärischen Führungsgedanken" in der „Selbstverantwortungs"-Organisation seien, wie Heinrich Küppenbender (Carl Zeiss Jena), Leiter des Hauptausschusses Feinmechanik u n d Optik, beifällig erklärte, „eine beachtliche Anerkennung der bisherigen Arbeitserfolge der Ausschüsse". Die Wirtschafts- und Fachgruppen der „Organisation der gewerblichen Wirtschaft" wurden jetzt vollständig in das System der „Selbstverantwortung" der Rüstungsindustrie eingeordnet. Damit „verfügt jetzt weitgehend das Reichsministerium f ü r Rüstung und Kriegsproduktion über die Einschaltung ihres Leistungsvermögens und ihres Apparats." Mit Recht schlußfolgerte Küppenbender: „Stark berührt von der grundlegenden Wandlung in der Aufgabenstellung der Wirtschaftsgruppen ist naturgemäß auch die Stellung und Aufgabe ihrer Spitzenorganisation, der Reichsgruppe Industrie." Auf dem Gebiet der Rüstungsproduktion wurden die Wirtschaftsgruppen zu ausführenden Organen, zu „Arbeitsstäben" der hier regierenden Ausschüsse und Ringe. In der Leitung der Gruppen u n d der Ausschüsse bzw. Ringe wurde — im gegebenen Fall und soweit nicht schon früher geschehen — überall Personalunion hergestellt. 264 Auf dem Gebiet der Konsumgüterproduktion erhielten die Wirtschaftsgruppen „nunmehr grundsätzlich die Funktion eines Hauptausschusses". 2 6 5 Damit hing zusammen, daß der aufgeblähte Hauptausschuß „Allgemeines Gerät" aufgelöst und seine Sonder- und Arbeitsausschüsse teils in das Rüstungslieferungsamt, teils in das Produktionsamt überführt wurden. 2 6 6 Unmittelbare personelle Konsequenzen h a t t e die Reorganisationswelle f ü r den Hauptausschuß Schiffbau. Speer nahm noch vor Erscheinen des Bandwurmerlasses die Gelegenheit wahr, Rudolf Blohm (Blohin & Voss), den er im Juli als Leiter des Hauptausschusses hatte abberufen lassen, auch als Leiter der Wirlschaftsgruppe Schiffbau durch Otto Merker zu ersetzen. 267 Damit erst war die volle Konzentration der technischen und indu-

261 Grundsätzliche Absprachen darüber datierten wohl schon seit Frühjahr 1942, jedenfalls lange vor der Zeit des „Führer-Erlasses" v o m 2. Sept. 1943 und des Bandwurmerlasses: „Es ist seinerzeit zwischen Herrn Rcichsminister Speer und Herrn Zangen abgesprochen worden, daß bei der personellen Besetzung der Ausschüsse und Ringe möglichst Personalunion mit den Amtern der Organisation der gewerblichen Wirtschaft (d. h. den Wirtschafts- und Fachgruppen - D. E.) geschaffen werden soll." (ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8956, Bl. 7, HA Bau an RWiM, 22. 12. 1943; meine Hervorh.). Nach einer Aktennotiz vom 3. 11. 1944 existierte zu jenem Zeitpunkt, also ein Jahr später, außer in vier Fällen überall Personalunion zwischen Hauptausschüssen und Wirtschaftsgruppen (ebenda, Bl. 21). 265 Ebenda, Bl. 5, Rs. HA Allgemeines Gerät (Goerz), 3. 11. 1943 (zit. Erlaß RMfRuIv v. 25. 10. 1943). 266 Ebenda. 267 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9085, Bl. 50. Bestellung Merkers durch RWiM, 27. 9. 1943. Blohm trat am 11. September zurück (ebenda, Bl. 45, Blohm an RWiM, 11. 9. 1943). Ihm war u. a. vorgeworfen worden, daß er einen großen Teil der Gruppenarbeit „unter dem Etikett des Hauptausschusses, der bei der Fa. Blohm & Voss (in Hamburg — D. E.) und nicht bei der Wirtschaftsgruppe (in Berlin — D. E.) saß, abgewickelt" habe (ebenda, Bl. 48, A N Kelirl für Sts. Landfried, 3. 9. 1943).

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striellen Kapazitäten „ausschließlich auf die U-Boote" 2 6 8 gewährleistet, während d a s übrige Produktionsprogramm der Kriegsmarine weiter unter der vielsagenden Bezeichnung „Ohnmachtsprogramm" 2 6 9 dahinvegetierte. Schließlich wurde im November 1943 als Zusammenfassung der verschiedenen Ausschüsse und Ringe in der Elektroindustrie, darunter des Hauptringes Elektrotechnische Erzeugnisse, ein neuer Hauptausschuß Elektrotechnik unter Friedrich Lüschen gebildet. 2 7 0 Der Rüstungsminister benutzte ferner die Gelegenheit der Reorganisation, um die Spitze seines ministeriellen Apparats zu festigen und noch enger mit dem Mechanismus der „Selbstverantwortung" der Rüstungsmonopole zu verschmelzen. Mitte Oktober forderte er seine Amtschefs auf, jeweils einen oder mehrere führende Repräsentanten der „Wirtschaft" als ihre „Vertreter" oder „Nachfolger" zu benennen, „einmal, um im Falle eines Ausfalles einen eingearbeiteten Ersatzmann zu haben, andererseits, um bei allen wichtigen Entscheidungen die Erfahrungen der Industrie in die Beschlüsse mit einzubauen". 2 7 1 Nach seinem Vorschlag kamen Männer wie Walter Rohland, Hans Malzacher (BerghütteKonzern), Wilhelm Schaaf (BMW) und Walter Rafelsberger (Gauwirtschaftsberater des Gaues Ostmark) in Frage. 2 7 2 In der Amtschefbesprechung am 3. November 1943 nahm man bereits eine „Verteilung" v o r : Rohland wurde als Stellvertreter von Generalleutnant Kurt Waeger (Rüstungsamt), Schaaf und Malzacher als Stellvertreter von Schieber (Rüstungslieferungsamt) und Rafelsberger als Vertreter von Seebauer (Produktionsamt) bestätigt. 2 7 3 Saur (Technisches Amt) erhielt erst später, im J a h r e 1944, einen Stellvertreter (Dietrich Stahl). Die Reorganisation in der ministeriellen Spitze wurde dadurch vervollständigt, daß der Minister u m die Jahreswende 1943/44 das Zentralamt ausbaute, um den gesamten, stark angewachsenen Apparat, insbesondere aber die Personalpolitik, besser unter Kontrolle zu halten. Die Position des Amtschefs, Willy Liebel, wurde verstärkt; als sein Vertreter fungierte Karl Maria Hettlage, der zugleich Leiter des nunmehr ins Zentralamt einbezogenen Generalreferats Wirtschaft und Finanzen blieb: „Der Chef des Zentralamtes, Oberbürgermeister Liebel, Vertreter Prof. Hettlage, vertritt den Minister in allen politischen Angelegenheiten und ist federführend in allen übergeordneten Dingen des Ministeriums beim Verkehr mit den obersten Reichsbehörden und Parteidienststellen sowie bei der Bearbeitung von Gesetzen, Verordnungen und E r l a s s e n . " 2 7 4

Reorganisation des Reichswirtschaftsministeriums Entscheidend verschlechterten sich demgegenüber Position und Kompetenzen der meisten bisher vom Reichswirtschaftsministerium geleiteten bzw. beaufsichtigten Institutionen, sowohl der zentralen als auch der regionalen. Den Reichsstellen nahm der Bandwurmerlaß die „Verantwortung für die Durchführung der Erzeugung" und die „Kontrolle der Be268 ZP-P, 15. 9. 1943, 47. Sitzung. 269 Ebenda. 270 Z S t A P o t s d a m , F S , Film 3384, Rs. des HA Elektrotechnik (Lüschen) vom 22. 11. 1943. 2 7 1 Chronik des RMfRuK, 1943 I I , B l . 54, 13. 10. 1943. 272 Ebenda. 273 Ebenda, Bl. 65, 3. 11. 1943. 274 H a u s m i t t e i l u n g R M f R u K , zit. in Chronik des RMfRuK, 1944 I, Bl. 10, Mitte J a n u a r 1944; s. a. ebenda, 1943 II, Bl. 94 ff., 21. 12. 1943.

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wirtschaftungsstellen auf dem Gebiet der Belegungsplanung und der Produktion" und übertrug sie den Ausschüssen und Ringen. 2 7 5 E s verblieben ihnen „im wesentlichen nur statistische Aufgaben — in Zusammenarbeit mit dem Planungsamt — und Verteilungsfunktionen". 2 7 6 Die Rolle der Reichswirtschaftskammer, schon seit jeher — und besonders in den Kriegsjahren — alles andere als groß, schrumpfte zur Bedeutungslosigkeit. Die Wirtschaftsgruppen der Reichsgruppe Industrie, eine der wichtigsten Stützen der staatsmonopolistischen Position des Reichswirtschaftsministeriums, wurden in den industriellen „Selbstverantwortungs"apparat des Rüstungsministeriums eingegliedert. Schließlich gingen die Restfunktionen der Gauwirtschaftskammern auf dem Gebiet der Auftragslenkung in den Kompetenzbereich des Rüstungsministeriums über. 2 7 7 Das Reichswirtschaftsministerium erneuerte sich nach der Amputation seiner wichtigsten Glieder und Funktionen im November 1943 in seiner Spitze. Zum neuen Staatssekretär wurde SS-Brigadeführer (danach: SS-Gruppenführer) Franz Hayler, zum Hauptabteilungsleiter (II) und ständigen Vertreter des Staatssekretärs SS-Brigadeführer Otto Ohlendorf ernannt. 2 7 8 Beide hohen SS-Führer waren persönlich mit Himmler gut bekannt und Mitglieder seines „Freundeskreises". 2 7 9 Beide bekleideten seit den dreißiger Jahren führende Funktionen in der „Organisation der gewerblichen Wirtschaft": Hayler war Leiter der Reichsgruppe Handel, Ohlendorf ihr Hauptgeschäftsführer. Von diesen Positionen aus erschien ihr Aufrücken in das jetzt weitgehend auf die Verteilung von Konsumgütern beschränkte Ministerium plausibel. Dennoch war der Vorgang ungewöhnlich: „ E s erregte einigermaßen Aufsehen", sagte ein IG-Farben-Direktor nach dem Kriege aus, „ d a ß Staatssekretär Landfried das Wirtschaftsministerium verlassen mußte und ein SS-Mann Hayler zusammen mit Ohlendorf, der einen sogar noch höheren S S - R a n g als Hayler hatte (gemeint ist anscheinend seine Funktion im R S H A — D. E.), sein Nachfolger wurde." I m IG-Farben-Konzern beurteilte man die Lage so, „daß die S S (Himmler?) der Meinung war, daß das Rüstungsministerium zu viel Macht bekam, was sie zu unterbinden suchten." 280 Die eigentliche Schlüsselfigur der SS-Führung in diesem Revirement war nicht der unbedeutende Hayler, sondern Ohlendorf, ein noch junger, ehrgeiziger Faschist mit wirtschaftswissenschaftlicher und juristischer Hochschulausbildung, der seit 1936 eine 275 276 277 278

Siehe Anm. 262. Weyres-v. Levetzow, S. 100; s. AO Funks und Speers im Bandwurmerlaß (Anm. 262). ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8956, Bl. 18 u. 18 R, Rs. RMfRuK, 8. 3. 1944. DZW, Bd. 4, S. 446 f. Am 16. 11. 1943 wurden beide „mit der Führung der Geschäfte" beauftragt, am 30. 1. 1944 mit ihren Funktionen voll betraut und zum Staatssekretär bzw. Ministerialdirektor ernannt (ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19619, Personalakten d. RWiM). Falsche Datierung bei Speer, Der Sklavenstaat, S. 114. — Der bisherige Staatssekretär im RWiM, Friedrich Walter Landfried, ging als Chef der deutschen Militärverwaltung und Sonderbeauftragter des RMfRuK nach Italien. Die Leitung der Hauptabteilung I I I Außenwirtschaft wurde einem erfahrenen Außenhandels-(Export-)Fachmann des Monopolkapitals, dem Vorstandsmitglied und Direktor der Ferrostaal AG Franz Kirchfeld anvertraut, dessen Unternehmen dem Konzern der Gutehoffnungshütte (Haniel-Konzern) angehörte. 279 Siehe Vogelsang, Reinhard, Der Freundeskreis Himmler, Göttingen/Zürich/Frankfurt a. M. 1972, S. 157, S. 162 u. S. 164. 280 ZStA Potsdam, Fall VI (IG-Farben-Prozeß), Film 413, Dok. NI-1294, Statement v. Günther Frank-Fahle v. 7. 7. 1945, üb. „IG-Personal, das Stellungen in der Regierung einnahm". Aus diesem und anderen Dokumenten geht zugleich hervor, daß der IG-Farben-Konzern der neuen Linie im RWiM mit Sympathie gegenüberstand und sie förderte.

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Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

steile Karriere im Reichssicherheitshauptamt durchlaufen hatte, als Kommandeur der SS-„Einsatzgruppe D " 1941/42 in der UdSSR verantwortlich f ü r die Ermordung von mindestens 90000 Sowjetbürgern 2 8 1 u n d nun der mächtige Chef des innerdeutschen Nachrichtendienstes der SS (Amtschef I I I : SD-Inland) war. Ohlendorf diente Himmler offenbar als unmittelbarer Informant, speziell in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen, und sollte als kommender Mann im Reichswirtschaftsministerium aufgebaut werden. Die Hintergründe f ü r die Ernennung der beiden SS-Führer und Polizeigenerale, die seitdem mit F u n k s stillschweigendem Einverständnis das Ministerium weitgehend selbständig leiteten, sind noch nicht vollständig geklärt. 2 8 2 Sicher ist, daß sie ihr A m t auf Weisung Himmlers u n d in Absprache m i t Bormann mit dem Auftrag „Schwächung der Position Speer" 2 8 3 a n t r a t e n und ein Gegengewicht gegen die übermächtige staatsmonopolistische Machtkonzentration des Rüstungsministeriums schaffen sollten, was nach Schumanns Vermutung 2 8 4 auch auf der Linie der Reichsgruppe Industrie lag. Ohlendorf, von Speer hochgestochen als „einer der brillantesten Denker des Nationalsozialismus" apostrophiert 2 8 5 , hegte als SD-Chef und SS-Ideologe von Anfang an einen tiefen Argwohn gegen die „Selbstverantwortung der Industrie". Er hielt es dem Massenanhang der Faschisten, besonders in den Mittelschichten, f ü r abträglich und daher politisch f ü r gefährlich, die Herrschaft der Monopole in der Kriegswirtschaft zu unverhüllt herauszukehren und sie die anderen bürgerlichen Schichten zu kraß spüren zu lassen. E r war ein Gegner der Bevorzugung der „optimalen Betriebe", d. h. der „Bestbetriebe", und des „Mammutismus der Produktion", der den Menschen „vermasse". 286 Schon im Herbst 1942 hatte die SS Anstalten gemacht, Ohlendorf mit aktiver Hilfe Minister Funks in eine Schlüsselstellung im Reichswirtschaftsministerium einzuschleusen u n d ihm „alle Grundsatzfragen und d a m i t die gesamten wirtschaftspolitischen Fragen des Reichswirtschaftsministeriums im Range eines Unterstaatssekretärs zu übertragen". 2 8 7 281 Laut eigener Aussage Ohlendorfs im Einsatzgruppen-Prozeß (Fall IX). 282 Hierzu neuerdings ausführlich Herbst, Ludolf, Der Totale Krieg und die Ordnung der Wirtschaft. Die Kriegswirtschaft im Spannungsfeld von Politik, Ideologie und Propaganda 1939 bis 1945, Stuttgart 1982, S. 255ff. 283 B A Koblenz, R 58/377, AN SD-Leitabschnitt Berlin (f. Ohlendorf), 12. 10. 1944. 284 Schumann, Überlebensstrategie, S. 507. 285 Speer, Der Sklavenstaat, S. 123. 286 Siehe B A Koblenz, R 7/2016, R 7/2017 usw., Reden und Redcentwürfe Ohlendorfs, besonders von Mai bis Dezember 1944; Speer, Der Sklavenstaat, S. 124 ff. u. passiin; Schumann, Überlebensstrategie, S. 506. — Schon am 26. 8. 1942 hatte Ohlendorf für Himmler einen Bericht verfaßt, in dem er gegen „die Verflechtung staatlicher Autorität und privatwirtschaftlicher Interessen durch die gleichen Personen" Front machte (Speer, Der Sklavenstaat, S. 106); damit, „daß nunmehr anstelle des Staates Wirtschaftsführer traten, die die Autorität des Staates übernahmen", so erläuterte er seine Auffassung nach dem Krieg, sei für ihn „eine der wesentlichsten Grundvoraussetzungen zum wirtschaftlichen Verlust unseres Krieges gegeben" (ebenda, S. 107). 287 Ebenda, S. 108. Himmler sah sich zu jenem Zeitpunkt, offenbar auf einen Wink aus dem „Fühlerhauptquartier" hin, gezwungen, den Plan abzulehnen. Ohlendorf würde sich nur „wie alle anderen" in wenigen Monaten „verbrauchen"; denn „während der Kriegszeit ist eine grundsätzliche Änderung unserer total kapitalistischen Wirtschaft nicht möglich" (AN Himmlers v. 21. 10. 1942, zit. ebenda, S. 111). Dieser „Antikapitalismus" Himmlers war allerdings nicht wörtlich zu nehmen angesichts des großen Einflusses, den die Industriellen und Bankiers z. B. des „Freundeskreises" auf seine Meinungsbildung in wirtschaftspolitischen

Konzentration der Regulierungsgewalt i m Sommer/Herbst 1943

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Am 20./21. August 1943 handelte es Himmler — unmittelbar nach seiner Ernennung zum Innenminister — endgültig mit Funk aus, daß seine Gewährsleute Hayler und Ohlendorf im Range eines Staatssekretärs und eines Ministerialdirektors 2 8 8 ins Reichswirtschaftsministerium einrückten. Speer blieben alle diese Verhandlungen verborgen. Es liegt ferner die Folgerung nahe, daß Himmler auf dem Wege über das Reichswirtschaftsministerium bedeutsame wirtschafts- und sozialpolitische Positionen im Innern sowie außenwirtschaftliche Positionen aufbauen wollte, die sich nach Beendigung des Krieges nach Rechnung der SS voll auszahlen sollten. Den Zeitpunkt, von dem an tatsächlich effektive Nachkriegsplanung von hier aus betrieben und Ohlendorf in seiner neuen Position, wie Schumann behauptet 2 8 9 , „zur entscheidenden 'Schlüsselfigur' faschistischer Nachkriegsplanungen" wurde, darf man aber sicher nicht vor F r ü h j a h r 1944 ansetzen. Speziell Ohlendorfs und Haylers eigenen Beitrag an substantieller wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Vorbereitung auf die Nachkriegszeit wird man nicht zu hoch einschätzen dürfen: einesteils wegen des katastrophalen Mangels an Einsicht in die militärische und politische Realität, von dem gerade Ohlendorf keineswegs frei war, andererseits wegen des utopischen Charakters der von Hayler und Ohlendorf vehement betriebenen „antimonopolistischen" Mittelstandspropaganda, die, im Geiste einer atavistischen, dazu rassistisch vernebelten Kleineigentümerideologie vorgetragen, ihren sehr realen Grund in der Furcht vor dem Zerbröckeln der faschistischen Massenbasis hatte. Für die deutsche Großbourgeoisie war es allerdings wichtig, daß das Reichswirtschaftsministerium fortan sein Hauptaugenmerk auf innenpolitischem Gebiet darauf richtete, die sozialen Auswirkungen des „Totalen Krieges" sorgfältig zu beobachten u n d die Reorganisation der Wirtschafts- und Sozialstruktur nach Kriegsende vorzubereiten. Eine weitere wesentliche Funktion des Reichswirtscliaftsministeriums und besonders der beiden neuen SS-Größen an seiner Spitze bestand darin, die Zentren der wirtschaftlichen Nachkricgsplanung — Gremien wie der „Europakreis", der Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen und der „Kleine Arbeitskreis" der RGI, die vor allem von Industrie- u n d Bankkreisen getragen wurden — politisch zu legitimieren und abzusichern. Es wäre ferner noch ausführlicher zu untersuchen, ob von den neuen und alten Außcnwirtsdhaftsexperten des Ministeriums (Franz Kirchfeld, Gustav Schlotterer, Karl Lindemann 2 9 0 ) eine nennenswerte, eigenständige außenwirtschaftliche Nachkriegsstrategie Fragen und wahrscheinlich auch auf seine Entscheidungen i m Sommer/Herbst 1943 hatten. Funk hingegen verfolgte mit dem Vorhaben einen simpleren Zweck, nämlich sein Ministerium v o r weiterem Positionsverlust zu bewahren. 288 Funk k a m mit dem Antrag, Ohlendorf im Range eines Unterstaalssekretärs einzustellen, nicht durch (ZStA P o t s d a m , Reichskanzlei, Film 19619, Personalakten RWiM, Funk an Lammers, 15. 1. 1944). 289 Schumann, Wolf gang, Politische Aspekte der Naclikricgsplanungen des faschistischen deutschen Imperialismus in der Endphase des zweiten Weltkrieges (im folgenden: Naclikricgsplanungen), in: ZfG, 5/1979, S. 398. 290 Lindemann, Inh. d. Bremer Exportfirma C. Melchers & Co., V A R des Norddeutschen Lloyd, Mitglied des Freundeskreises Himmler, machte 1944/45 rasch Karriere; er löste im Juli/ A u g u s t 1944 Albert Pietzsch als Leiter der Reichswirtschaftskammer ab (ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9063, Bl. 107, Funk an Lindemann, 31. 7. (3. 8.) 1944). Lindemann wurde v o m RWiM als offizieller Unterhändler in Außenhandelsfragen z. B. in die Schweiz geschickt (ZStA Potsdam, Fall VI (IG-Farben-Prozeß), Film 413, Dok. NI-1294, S t a t e m e n t v. Günther Frank-Fahle v. 7. 7. 1945 üb. „IG-Personal, das Stellungen in der Regierung einnahm").

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Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

und -politik entwickelt wurde, inwieweit sie an den gleichlaufenden Planungen der Reichsgruppe Industrie u n d anderer Institutionen 2 9 1 beteiligt waren und welche Rolle ihre Aktivitäten im Konzept Ohlendorfs bzw. der SS spielten.

3. D i e M a c h t v o l l k o m m e n h e i t des R e i c h s m i n i s t e r i u m s f ü r R ü s t u n g u n d u n d ihre Grenzen

Kriegsproduktion

„Wir müssen d a m i t rechnen, daß der russische Krieg erheblich längere Zeit, als wir uns vorgestellt haben, weitergeht." 2 9 2 Diese Befürchtung, vorgetragen von Minister Speer auf der Sitzung der Zentralen Planung am 12. Februar 1943, zehn Tage nach dem Ende der Stalingrader Schlacht, spiegelte das Bewußtsein der kritischen Lage wider, das die führenden Kreise des Monopolkapitals angesichts der fürchterlichen Niederlage gewonnen hatten. Unruhe und Unsicherheit breiteten sich unter ihnen aus. Man erinnerte sich an angebliche und tatsächliche kriegswirtschaftliche Versäumnisse. Rüstungsmonopole und faschistische Führung waren sich im grundsätzlichen darin einig, daß die kritische Situation zum Anlaß einer umfangreichen Rekonstruktion des staatsmonopolistischen Mechanismus in der Kriegswirtschaft genommen werden müsse, die eine Fortführung des Krieges m i t gesteigerter Kraft ermöglichte. Die Zielstellung der Monopole war hierbei zweifacher Art. Die Unterwerfung des eigenen und der Völker der besetzten u n d unterjochten Länder unter die Gesetze der Kriegsproduktion und damit unter ihr Diktat sollte so total wie möglich sein. Zugleich strebten sie nachdrücklicher denn je danach, bei sich die gesamte Regulierungsgewalt in der Kriegswirtschaft zu konzentrieren. Diese Strategie entsprach objektiven Tendenzen der imperialistischen Kriegswirtschaft, deren sie sich seit längerem mehr oder weniger klar bewußt waren, die die gründlich veränderte Kriegslage ihnen jetzt aber unabweisbar aufdrängte. Die strikte Verfolgung eines solchen Kurses der „totalen Mobilisierung" und der Ausdehnung der Regulierungsgewalt der Rüstungsmonopole auf die gesamte Kriegswirtschaft implizierte allerdings auch politische Konsequenzen. Der Rüstungsminister b e m ü h t e sich daher, die politischen Spitzenrepräsentanten des Regimes — vor allem auf dem Gebiet der Innenpolitik und Propaganda — zu einer intensiveren Zusammenarbeit mit seinem Ministerium zu bewegen und ihr politisches Gewicht f ü r seine Zwecke einzuspannen. Seit Ende 1942 orientierte er sich auf eine enge Fühlungn a h m e mit Goebbels, der als der maßgebende politisch-propagandistische Repräsentant des „Totalen Krieges" galt. Auch F u n k und Ley gehörten zu dem Kreis. Göring sollte hinzugezogen und seine Funktion als Vorsitzender des Ministerrats für die Reichsverteidigung dazu benutzt werden, die Position des durch Hitlers Erlaß vom 13. J a n u a r 1943 berufenen „Drei-Männer-Kollegiums" (Keitel, Lammers, Bormann) 2 9 3 zu erschüttern, dessen Tätigkeit sich „in bedeutungslosen Einzelheiten" festlief u n d von dem, nach Speer, 291 Dazu erste Untersuchungen bei Schumann, Nachkriegsplanungen, S. 3 6 8 f f . ; derselbe, Überlebensstrategie, S. 500ff. (507). 292 ZP-P, 12. 2. 1943, 32. Sitzung. 293 Der zweite Weltkrieg. Dokumente, S. 186 ff., Dok. 42, „Erlaß des Führers über den umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung" v. 13. 1. 1943, Abs. IV; s. a. DZW, Bd. 3, S. 202 u. S. 206ff.

Das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion

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keine „Aktivierung unserer R ü s t u n g " zu erwarten war. 2 9 4 Aber Görings Stern, namentlich sein Ansehen bei Hitler, war seit langem, besonders aber seit Stalingrad, im Sinken begriffen. E r war zudem infolge seiner moralischen Verkommenheit zu keiner Energieleistung mehr fähig. Auf die zweite Position innerhalb der Hitlerclique schob sich Himmler; ein Umstand, der den Rüstungsminister im Sommer/Herbst 1943 zu einem Interessenbündnis mit ihm veranlaßte. Speers Konzeption schloß vor allem ein, aus der prekären militärischen und Rüstungssituation für den von ihm organisierten Mechanismus der „Selbstverantwortung" der Rüstungsindustrie das Äußerste an Machtbefugnissen, Stabilität und politischem Ansehen herauszuholen. Die außerordentlichen Vollmachten, die ihm anfangs des J a h r e s 1943 der Hitler-Erlaß über das „Adolf-Hitler-Panzerprogramm" verlieh, waren ein wesentlicher Schritt auf diesem Wege. Am 13. Mai 1943 ließ er führende Monopolvertreter und andere Repräsentanten der Rüstungswirtschaft von Hitler zu sich laden, der sich, nach Goebbels' Zeugnis, „den ganzen T a g lang mit den Rüstungskapitänen über die jetzt zu treffenden Maßnahmen" aussprach. 2 9 5 Speer nutzte sein näheres Verhältnis zu Goebbels für eine massive Propagandakampagne für den „Totalen Krieg". Seine Rede am 5. J u n i 1943 im Rerliner S p o r t p a l a s t 2 9 6 war ein Höhepunkt dieser Propaganda, durch die er in gezielter Weise die allgemeine Aufmerksamkeit auf den von ihm repräsentierten staatsmonopolistischen Rüstungsmechanismus lenkte. Durch die Manipulierung der öffentlichen Meinung in seinem Sinne hoffte er, gegenüber den staatlichen und Parteiinstanzen besonders auf der Gauebene Ansehen und Einfluß dieses Mechanismus zu erhöhen. Speer nannte hier zum ersten Mal eine Anzahl der „führenden K ö p f e " der Kriegswirtschaft öffentlich beim Namen und gab ihre Dekorierung mit dem Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz und anderen hohen Orden bekannt: Pleiger, Krauch, Röchling, Rohland, William Werner, F r y d a g und Heyne, Geilenberg, Tix, Degenkolb, Porsche, Erich Müller und Albert Wolff, ferner Saur und Schieber, „die ebenfalls aus der Industrie hervorgegangen sind". 2 9 7 Am 7. J u n i stellte er sich mit den Monopolrepräsentanten abermals bei Hitler vor, der ihnen eigenhändig ihre Orden überreichte. 2 9 8 Der Öffentlichkeit unbekannt blieben die hohen Dotationen, die zugleich verteilt wurden. 2 9 9

a) „Zentralstelle"

der

Kriegswirtschaft

Schwerer als Orden und Dotationen wogen die Erfolge in der weiteren Konzentration der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt, die das Ministerium für sich verbuchte. Den Höhepunkt der Konzentrationsbewegung des Jahres 1943, die bereits mit der Übernahme der Marinerüstung eingesetzt hatte, bildeten, beginnend mit den Erlassen Hitlers vom 2. und 5. September, die Ereignisse des Herbstes 1943. Zwar hatte schon die Wende 294 Speer, Erinnerungen, S. 269. 295 ZStA Potsdam, FS, Film 10807, Goebbels-TB, Eintr. v. 15. 5. 1943; Speer, Erinnerungen, S. 278 f. 296 Auszugsweise in Anatomie des Krieges, S. 424 f., Dok. 228. 297 Ebenda. 298 Bleyer, Totaler Krieg, S. 170. — Die Auszeichnungswelle war von Speer schon seit mehreren Wochen vorbereitet (FB, 1. 5. 1943, Punkt 11). 299 FB, 28. 6. 1943, Punkt 13: Hier ist die Rede von einer „Dotationsliste", in der „nachträglich auf Anordnung des Führers für Degenkolb eine Dotation von RM 250000,— vorzusehen" sei.

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Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

des Krieges an der Wolga alle jene Probleme auf die Tagesordnung gesetzt, die mit der „totalen Mobilisierung" und mit der Reorganisation des staatsmonopolistischen Mechanismus in der Kriegswirtschaft zusammenhingen; doch die verheerenden Niederlagen und Verluste des Sommers und Herbstes an der deutsch-sowjetischen Front, verbunden mit den Rückzügen in Italien u n d den alliierten Luftangriffen auf Deutschland, beschleunigten den Gang der Dinge bedeutend; die Konzentration staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt in der deutschen Kriegswirtschaft erreichte eine neue Stufe. Speer konnte bereits in seinem Aufruf an die Rüstungsindustriellen vom 15. September, wenn auch nicht ohne Übertreibung, so doch mit einer gewissen Berechtigung b e h a u p t e n : „Die gesamte Produktionskraft des Großdeutschen Reiches wird nunmehr von einer einzigen Zentralstelle eingesetzt und gelenkt." 3 0 0 Mit dieser „Zentralstelle" war allerdings kein einzelnes A m t und nicht nur das Ministerium als solches gemeint. Vielmehr handelte es sich um ein Konglomerat von ministeriellen Instanzen ,interministeriellen Organen u n d „Selbstverantwortungs"institutionen der Industrie, denen allen die Leitung durch den Reichsminister f ü r Rüstung und Kriegsproduktion bzw. seine Beauftragten gemeinsam war: vor allem das Ministerium selbst und insbesondere sein neues Planungsamt, die Zentrale Planung und das nun vervollständigte System der industriellen „Selbstverantwortung", d. h. die Ausschüsse, Ringe, Wirtschaftsgruppen, Reichsvereinigungen sowie Entwicklungskommissionen. Das Planungsamt war diejenige Instanz, die tatsächlich eine Art von volkswirtschaftlicher Gesamtplanung anstrebte. Mit dem Planungsamt meldete das Rüstungsministerium seinen Anspruch darauf an, die grundsätzlichen Fragen der volkswirtschaftlichen Planung in die Hand zu nehmen und die perspektivische Entwicklung der eigenen und der Wirtschaft der besetzten Gebiete zumindest statistisch-bilanzmäßig zu erfassen und zu „steuern". Jedoch blieb die Tätigkeit des Amtes im Rahmen des „Großdeutschen Reiches" relativ begrenzt. Im „europäischen" Rahmen dagegen erstreckte sie sich auf Versuche, eine „praktische europäische Wirtschaftsplanung" 3 0 1 zu organisieren, wenig später dann zunehmend auf die Vorbereitung einer „europäischen" Nachkriegswirtschaft unter deutscher Führung, eine Tätigkeit, an der sich führende Vertreter des Finanzkapitals maßgeblich beteiligten. 3 0 2 So sehr die Kriegsereignisse und die akuten Erfordernisse der imperialistischen Kriegswirtschaft den Aktionsradius des Planungsamtes auch festlegten und beschränkten, so repräsentierte es doch seinem Anspruch nach jene „Zentralstelle", von der der Rüstungsminister sprach, am deutlichsten. Die tatsächliche Regulierungsgewalt in der Produktion verkörperten dagegen am klarsten die Ausschüsse, Ringe und Reichsvereinigungen. Besonders jene drei Hauptausschüsse (Munition, Panzerwagen, Waffen), die seit 1940 existierten, vereinten in sich die Voll300 Anatomie des Krieges, S. 436, Dok. 237. — Auch die Luftwaffe sah sich um diese Zeit gezwungen, sich mehr und mehr dem Regulierungsapparat des RMfRuK einzufügen bzw. unterzuordnen. Speer drückte das in seiner Posener Rede vor den Gauleitern so aus: „Wir geben seit kurzem der Luftrüstung, die nach wie vor in der Verantwortung der Luftwaffe und des Reichsmarschalls liegt, jede Hilfe, die wir nur geben können." (ZStA Potsdam, FS, Film 3570, Rede v. 6. 10. 1943). 301 Schumann, Überlebensstrategie, S. 501 (zit. „Denkschrift betreffend Europüische Wirtschafts-Planung" aus dem Planungsamt v. 13. 9. 1943). 302 Schumann, Nachkriegsplanungen, S. 398ff.

Das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion

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Tabelle 19 Regulierungsbereich der Hauptausschüsse Munition, Panzerwagen und Waffen (Stand Oktober/November 1943) Zahl der betreuten Belegschaft der Betriebe betreuten Betriebe HA Munition HA Panzerwagen HA Waffen

4000* 150** ca. 10000**

450000 160000 210000

* Betriebe sind vielfach auch mit anderer Erzeugung belegt * * Davon 90 für die Produktion von Gleisketten * * * Mit Unterlieferanten Quelle: BA Koblenz, R 3/163, Aktennotizen aus dem Planungsamt v. 7. 10., 28. 10. und 12.11.1943. machten und Funktionen eines Industrieministeriums m i t denen eines überdimensionalen Trusts. Der vom Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion geleitete Gesamtmechanismus stellte Ende 1943 großenteils das dar, was den großen Monopolen schon seit Kriegsbeginn vorschwebte: Ein weitgehend vollständiges, in sich geschlossenes System der volkswirtschaftlichen Regulierung im Interesse der Kriegführung und der Kriegsziele des deutschen Imperialismus und zugleich im unmittelbaren Profitinteresse der führenden Gruppen des deutschen Finanzkapitals. An den Kommandostellen dieses Systems saßen überall führende Vertreter, Direktoren und Generaldirektoren der Großkonzerne. Ein bis zwei Dutzend Riesenkonzerne beherrschten den ganzen Mechanismus. Auch was nicht unmittelbar in den Machtbereich des Rüstungsministeriums integriert war (Luftwaffenrüstung, SS-Betriebe, GB Chemie, GBA, Landwirtschaft), war weitgehend von den Beschlüssen der zentralen ministeriellen Exekutive der deutschen Rüstungsmonopole und der Zentralen Planung abhängig. Die tragenden und treibenden Kräfte, die wahren Beherrscher des mächtigen Regulierungsund Unterdrückungsapparats in der Kriegswirtschaft waren die großen Rüstungsmonopole. Die Wortführer der bürgerlichen Geschichtsschreibung leugnen gerade diesen Tatbestand. Die „Selbstverantwortung der Industrie" stellen sie in Verkennung und Verkehrung der Tatsachen als das Werk des „Rüstungsdiktators" Speer d a r ; sie seidessen „Zuckerbrot" für die Industrie gewesen, insofern, als sie für diese das letzte Refugium „einer gewissen Freizügigkeit im totalitären S t a a t " bot. 3 0 3 Die ungeheure Konzentration staatsmonopolistisoher Regulierungsgewalt bei den Ausschüssen, Ringen und Kommissionen des Rüstungsministeriums wird umgedeutet in eine „Dezentralisierung begrenzter Entscheidungsfunktionen" an „nachgeordnete Instanzen des Speerministeriums". 3 0 4 Die führenden Positionen des Systems waren nicht, wie seinerzeit schon von der faschistischen Propaganda ständig verbreitet, mit harmlos-diensteifrigen „Technikern" und „erfahrenen Verwaltungsfachleuten" besetzt, sondern von ausgesuchten, maßgeblichen Vertretern der Großkonzerne, die m i t allen Mitteln, die der von ihnen selbst aufgebaute und beherrschte Apparat bot, nach einer Vervielfachung von Produktion und Profiten, 303 Janssen, S. 166. 304 Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg, S. 9.

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Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

nach einer Steigerung und Verlängerung des Völkermordens trachteten, um am E n d e ihre Kriegsziele zu verwirklichen. Speer selbst bezeichnete Walter Rohland (stellvertretender Vorsitzer, seit Oktober 1943 Vorsitzer des Vorstandes der Vereinigte Stahlwerke AG) als seinen „engsten Mitarbeiter" 3 0 5 , Friedrich Lüschen (stellvertretender Vorsitzer des Vorstands der Siemens & Halske AG) als seinen „väterlichen Berater" 3 0 6 , Philipp Keßler (Vorsitzer des Vorstands der vom Siemens-Konzern beherrschten Bergmann-Elektricitäts-Werke AG 307 ) als einen seiner „energischsten Mitarbeiter". 3 *® Mit diesen Namen waren bereits zwei der wesentlichsten Quellen der Kraft u n d Machtfülle des Rüstungsministeriums und seines staatsmonopolistischen Regulierungsmechanismus gekennzeichnet: der Konzern der Vereinigten Stahlwerke und der Siemens-Konzern. Der Konzern der Vereinigten Stahlwerke nahm hierbei zweifellos eine besonders beherrschende Position ein. Rohland war Leiter des Hauptausschusses Panzerwagen, zugleich der, wie Speer es ausdrückte, „an sich prominenteste Vertreter" 3 0 9 der Reichsvereinigung Eisen sowie geschäftsführender Vorsitzender des Industrierats des O K H . Mit Arthur T i x (Bochumer Verein/Hanomag) stellte der Konzern einen weiteren Leiter eines der wichtigsten Hauptausschüsse (Waffen). Vogler, der Vorsitzer des Aufsichtsrats des Konzerns, u n d E r n s t Poensgen waren außerdem Mitglieder des Rüstungsrates, Vogler und Tix ferner Mitglieder des Industrierats des O K H . Vogler saß auch im Industrierat der Luftwaffe und war schließlich die dominierende Figur im Ruhrstab Speer. E r war maßgeblich an allen kriegswirtschaftlichen Entschlüssen und Entscheidungen von weitreichender Bedeutung beteiligt, die im Rüstungsministerium fielen. Ohne seine Anregung oder seinen maßgeblichen Rat faßte der Rüstungsminister keinen Beschluß in wirtschaftlichen u n d politischen Grundfragen. Ahnliches galt — in Abstufung — f ü r den Leiter der Reichsgruppe Industrie, Wilhelm Zangen, Vorsitzer des Vorstands der Mannesmannröhren-Werke AG und Generaldirektor des von der Deutschen Bank beherrschten Mannesmann-Konzerns, zugleich Mitglied des Rüstungsrates und des Industrierats des OKH und Leiter des Hauptausschusses „Wehrmacht- und Allgemeines Gerät" bis zu dessen Auflösung. Der nach Tausenden von nebenamtlichen Mitarbeitern zählende Apparat der „Selbstverantwortung" der Industrie, der selber unmittelbar exekutive Gewalt u n d Funktion im Maßstab von Industriezweigen hatte, bildete jetzt die breite monopolkapitalistische P l a t t f o r m des Reichsministeriums f ü r Rüstung und Kriegsproduktion. Maßgebend in diesem Apparat waren die Repräsentanten von wenigen Dutzend Konzernen u n d anderen Großunternehmen. Die eigentliche Stütze und tragende Kraft des gesamten Regulierungsmechanismus, dessen Spitze das Rüstungsministerium darstellte, war und blieb ein nicht sehr großer, sich allmählich erweiternder, aber im Kern konstanter Kreis mächtiger Rüstungskonzerne. Es gehörten außer den schon genannten die Reichswerke „Hermann Göring" zu diesem Kreis, der AEG-Konzern, der Krupp-, Flick- u n d Röchling-Konzern, der Zeiss-Konzern, 305 Speer, Erinnerungen, S. 350. 306 Ebenda, S. 487; s. a. ebenda, S. 436. 307 Seit der „Interessenabgrenzung" bzw. dem „Ausgleich" zwischen den beiden großen Elektrokonzernen im Herbst 1940 stand Bergmann unter dem alleinigen Einfluß v o n Siemens (Koebel- Tusk, Eberhard, AEG. Energie — Profit — Verbrechen. Bearb. v. Peter Heß, Berlin 1958, S. 141). 308 Speer, Erinnerungen, S. 298. 309 ZP-P, 3. 11. 1942, 23. Sitzung.

D a s Reichsministerium für R ü s t u n g und K r i e g s p r o d u k t i o n

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die Demag und andere. Der IG-Farben-Konzern beherrschte über die von ihm besetzten zentralen Positionen (GB Chemie, Reichsamt für Wirtschaftsausbau, Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie) alle wichtigen Regulierungszentren in der chemischen Industrie und war — vor allem mittels der engen Zusammenarbeit Krauchs mit der Zentralen Planung und dem Rüstungslieferungsamt (Schieber) — fest in das Gesamtsystem integriert. Die deutsche Monopolwirtschaft war Ende 1943 unter der Führung des Rüstungsministeriums mit dem faschistischen S t a a t zu einem weitgehend einheitlichen Mechanismus zusammengewachsen. Diese „Zentralstelle" war dafür gerüstet, die deutsche Kriegswirtschaft ebenso wie den gesamten Kontinent, soweit im deutschen Machtbereich befindlich, den Kriegsbedürfnissen des deutschen Imperialismus dienstbar zu machen.

b) Der „Eiserne Pakt". Auftritt in Posen Nach der Ernennung Himmlers zum Reichsminister des Innern im August und nach den Konzentrationserlassen vom September 1943 erhielt die politische Konstellation an der Spitze des Regimes ein neues Aussehen durch d a s Bündnis Speers mit Himmler. Himmler schien dem deutschen Finanzkapital der sicherste Garant gegen die „kommunistische Gefahr" zu sein 3 1 0 ; es begrüßte seine Ernennung zum Innenminister enthusiastisch: „Mit aufrichtiger Freude", so schrieb Bankier Kurt v. Schröder namens der Konzernherren und Bankiers des „Freundeskreises" Himmlers an ihn, „habe ich Ihre Ernennung zum Reichsminister des Innern begrüßt . . . Eine starke Hand ist jetzt für die Führung dieses Ministeriums sicher sehr notwendig, und es wird deshalb allseitig, insbesondere aber von Ihren Freunden, dankbar empfunden, daß der Führer Ihnen diese Aufgabe übertragen h a t . " 3 1 1 Der Rüstungsminister hatte schon vorher den „Übergang der Betreuung des Werkschutzes auf den Reichsführer S S " angeregt und durch eine Vereinbarung mit Himmler vom 26. J u l i 1943 bekräftigt. 3 1 2 Ende August hatte er mit Himmler weitgehende Abmachungen über die Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen in der unterirdischen V-Waffen-Produktion getroffen. Am 5. Oktober schlössen beide ein Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen dem Rüstungsministerium und dem SD. 3 1 3 Dieses Abkommen räumte dem S D offiziell außerordentliche Rechte in den Dienststellen des Ministeriums, den Organen der „Selbstverwaltung" der Industrie und in allen Rüstungsbetrieben ein. E s wurde eine grundsätzliche Auskunftspflicht, auch in Geheimsachen, gegenüber dem S D eingeführt: „Auf Anfragen 310 „ H i m m l e r s Organisation sei d a s beste Element, das f ü r die Aufrechterhaltung der Ordnung i m Innern u n d f ü r den Widerstand gegen den K o m m u n i s m u s zur V e r f ü g u n g stehe," kabelte ein B e a u f t r a g t e r v o n Allan W. Dulles a m 7. 4. 1943 a u s der Schweiz an d a s S t a t e D e p a r t m e n t als E r g e b n i s einer U n t e r r e d u n g m i t Prinz Maximilian E g o n zu Hohenlohe-Langenburg, einem Agenten u n d V-Mann des R S H A m i t Verbindungen „ z u führenden Persönlichkeiten" (Hass, Gerhart, D o k u m e n t e zur H a l t u n g Hitlerdeutschlands und der U S A gegenüber der Sowjetunion i m J a h r e 1943, in JfG, 5/1971, S . 4 7 2 f . , Dok. 7). 311 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, B d . 5, Berlin 1966, S. 581, Dok. 100, v . Schröder an Himmler, 27. 8. 1943. 312 Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 10801, Rs. R M f R u K v o m 15. 9. u n d R s . Chef S i p o u. S D v o m 12. 9. 1943 (ausgenommen v o n der R e g e l u n g waren die besetzten L ä n d e r Westeuropas). 313 E b e n d a , F i l m 4649, E r l a ß R M f R u K v. 5. 10. 1943. H i e r n a c h auch das Folgende.

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Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept

des Sicherheitsdienstes ist deshalb im gleichen Umfange Auskunft zu erteilen, wie wenn es sich um Anfragen eigener Dienststellen handelt . . . Diese Auskunftspflicht gilt auch für die von den Dienststellen des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion betreuten Produktionsbetriebe." Der S D bot bestimmte Gegenleistungen, ohne sich allerdings in gleicher Weise schriftlich zu verpflichten: „Die Dienststellen vom Chef der Sicherheitspolizei und des S D sind ebenfalls zur Auskunftserteilung gegenüber den Dienststellen des R M f R u K angewiesen." Der Chef der Sipo und des S D verpflichtete sich zur Lieferung von „Meldungen über die Auswirkungen von Ereignissen und Maßnahmen auf die Lage der Rüstung und Kriegsproduktion, insbesondere über die Erscheinungen, die die Produktion stören können." Am 5. Oktober 1943 unterzeichnete Speer den zitierten Erlaß; SD-Vertreter waren zwar zugegen, ihre Unterschrift war aber nicht vorgesehen. Die ministerielle Chronik berichtete: „Die Einschaltung der Wirtschaftsreferenten des S D war perfekt geworden. Der Erlaß über die Zusammenarbeit wurde vom Minister am 5. Oktober in Gegenwart von Brigadeführer Ohlendorf (als Amtschef SD-Inland des R S H A — D. E.) und Gauleiter Hanke (damals zeitweilig Chef des Zentralamtes des Ministeriums — D. E.) unterschrieben. Vor einer Versammlung von rund 100 Referenten des S D hielt der Minister eine einführende Ansprache über die von ihm erwartete Mitarbeit." 3 1 4 Der Erlaß besiegelte den sogenannten Eisernen Pakt zwischen dem Rüstungsminister und der S S ; überall in den leitenden Institutionen des Regimes sprach man seitdem von diesem Pakt und von der neuen „Achse Speer — Himmler". 3 1 5 Am Tage nach der Unterzeichnung des Erlasses trat Speer mit einer Reihe führender Rüstungsindustrieller und Experten auf der schon erwähnten Reichs- und Gauleitertagung in Posen mit Reden über die Rüstung und den „Totalen Krieg" auf. 3 1 6 Reden und Auftritte waren sorgfältig geplant. 3 1 7 E s war beabsichtigt zu demonstrieren, daß von nun an das unerbittliche Gesetz des „Totalen Krieges" herrsche und daß zugleich die nötige Macht — einschließlich des Terrors — hinter dem Rüstungsminister als dem für einen solchen konsequenten Kurs Verantwortlichen stehe, um nach diesem Gesetz zu handeln. Der Rüstungsminister ließ zuerst von seinen Vorrednern — Rohland (über die Heeresrüstung), Schlieker (Eisen und Stahl), Frydag (Luftwaffenrüstung), Merker (Marine314 Chronik des RMfRuK, 1943 II, Bl. 38, 5. 10. 1943. 315 Janssen, S . 103, S. 123 u. S. 166; ferner S. 197f. — Janssen läßt die Substanz dieses Paktes im Dunkeln, verkleinert in auffälliger Weise seine Bedeutung und datiert ihn etwa ein J a h r später (ebenda, S. 103); immerhin ein Zeichen dafür, daß er bis „gegen Kriegsende" von Dauer war (ebenda). In Speers Erinnerungsbüchern findet das Abkommen keine Erwähnung. 316 Die verschiedenen überlieferten Fassungen der Rede Speers (Rede-Ms.; stenogr. Protokoll; nachträglich an die Gauleiter verschickte Fassung) weisen nur geringfügige stilistische Unterschiede an wenigen Stellen auf (ZStA Potsdam, F S , Filme 1735, 3570, 42213; Chronik des RMfRuK). Das Folgende nach F S , Film 3570. 317 Vor der Posener Tagung hatte Speer eine Vorbesprechung mit Walter Rohland (Janssen, S. 157). Rohland wies am 6. Oktober weit schärfer als die anderen Redner auf die Unvollkommenheit der „totalen Mobilisierung" der deutschen Arbeitskräfte hin und forderte äußerste Konsequenz gerade in diesem heiklen Punkt. Er hatte eine in diesem Sinne verfaßte Denkschrift in der Tasche, die er a m nächsten Tag im Beisein von Speer und Pleiger in Rastenburg Hitler überreichte, um damit „ganz allgemein die Auffassung der Industrie im Hauptquartier zum Ausdruck zu bringen." (ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 724, Bl. 153, Dok. Pleiger-416a, Vernehmung Rohland (Fall V), 28. 8. 1947; Inhaltsangabe d. Denkschrift ebenda, Bl. 148ff., Dok. Pleiger-416, Eidesstattl. Versicherung Rohlands, 16. 4. 1948). Siehe S . 236f.

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riistung) — „den E r n s t und die Sorge, die auf uns lasten", in eindrucksvoll belegten B e richten schildern. Darin kehrte die Hauptsorge der Rüstungsverantwortlichen um „Menscheneinsatz und Menschenführung" (Rohland) ständig wieder. Der Tenor der Reden war der, daß Stillegungen größten Stils in der Nichtrüstungsindustrie und entsprechende Arbeitskräfte"umsetzungen" raschestens nötig seien, um der Rüstung angesichts der gegenwärtigen und künftigen Einziehungen zur Wehrmacht die notwendigen deutschen „Führungskräfte" und Facharbeiter, besonders die „Feldwebelgarnitur" (Merker), d. h. Meister und Vorarbeiter, zu sichern, ohne die auch die ausländischen Zwangsarbeiter nicht effektiv eingesetzt und überwacht wenden könnten. Die Redner machten den Gauleitern klar, daß sie bei Gefahr des Verlusts des Rüstungswettlaufs ihre „Sonderwünsche" (Rohland) und „regionalen Bedenken" (Schlieker) aufzugeben hätten. „Wir müssen zu einem totalen Einsatz der Menschen k o m m e n " , forderte Rohland auf das eindringlichste, „und wir müssen uns davor hüten, daß aus dieser Totalität nur eine Optik wiid." Frydag schloß seinen Vortrag m i t dem Appell, die geplanten Stillegungen und Überführungen von ganzen Belegschaften in die Flugzeugindustrie „umgehend" in die Wege zu leiten „als das einzige M i t t e l . . . um die Produktion im Flugzeugbau vielleicht noch zu sichern". E r sprach ganz offen über die Alternative: „Wenn die Umsetzungen aber nicht stattfinden oder nicht in genügendem Maße oder zu spät, dann fällt das Jägerprogramm. Dann wird nicht nur keine Steigerung eintreten, sondern dann ist auch das jetzige Programm nicht mehr zu halten, und m i t der Nichterfüllung des Jägerprogramms fällt zwangsläufig die Vorindustrie und die übrige Industrie den B o m b e n der Engländer zum Opfer." Speer, der danach ausführlich die Probleme der Rüstung zusammenfaßte, griff gleich in seinen ersten Sätzen die Gauleiter an. E s sei der hauptsächliche Zweck der Veranstaltung, so sagte er, „Ihnen für die Zukunft jede Ausrede zu nehmen, einmal nicht gewußt zu haben, um was es sich hier h a n d e l t . . ., daß nur die schärfsten Maßnahmen noch in der Lage sind, die Situation für uns günstig zu gestalten". E r forderte sie kategorisch auf, keine Obstruktion mehr gegen seine Politik des „Totalen Krieges" in der Wirtschaft, besonders gegen die Stillegungen, zu treiben. Auf dem Höhepunkt seiner Rede berief er sich auf sein Bündnis mit Himmler, das er zu benutzen gedachte, um seinen Kurs durohzusetzen. Der nicht genehmigten Produktion von Konsumgütern wie Radioapparaten, Kühlschränken, Schreibmaschinen usw. in Rüstungsbetrieben — in der Regel zum Zwecke der Korruption betrieben — sagte er den Kampf mit Hilfe des S D a n : „Ich habe Reichsführer-SS Himmler gebeten, mir zur Auffindung derartiger Fertigungen den S D zur Verfügung zu stellen, und wir haben mit dem S D ein Abkommen getroffen, daß dieser in sämtlichen Betrieben der Rüstung Zutritt hat und daß er dort die notwendigen Feststellungen treffen kann. Gleichzeitig hat der S D die Aufgabe, mir dabei zu helfen, alle die Fertigungen (von Konsumgütern — D. E . ) , die noch in den Rüstungsstädten vorhanden sind . . . nach einer besonderen Liste festzustellen und mir (zur Stillegung bzw. „Umsetzung" — D. E.) vorzuschlagen." E r drohte den Gauleitern unumwunden, er werde „die Stillegungen, soweit nicht die Gaue innerhalb von 14 Tagen meiner Aufforderung zur Stillegung nachkommen, selbst aussprechen. Ich kann Ihnen versichern, daß ich hier gewillt bin, die Autorität des Reiches durchzusetzen, koste es, was es koste. Ich habe m i t Reichsführer-SS Himmler gesprochen, und ich werde diejenigen Gaue, die diese Maßnahmen nicht durchführen, entsprechend behandeln." Dieser Rede, deren Niederschrift Speer im November an die Reichs- und Gauleiter ver13 Eichholtz II

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schickte 3 1 8 , folgten heftige Beschwerden der Angegriffenen bei Bormann und Hitler. Zeitweise brach hier der stets latente Gegensatz zwischen der „Totalisierung" des Krieges, vor allem auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, und den Bemühungen des Regimes um größtmögliche innenpolitische Stabilität offen auf. Dieser Konflikt, dessen Ursachen objektiver N a t u r waren, wurden freilich nicht konsequent ausgetragen u n d gelöst. Himmler scheint nach Versuchen, den Kurs des Rüstungsministers gegen die Gauleiter zu stützen, durch Einspruch von Bormann und Hitler wieder davon abgebracht worden zu sein 3 1 9 ; als Innenminister und Verantwortlicher für die Sicherheit des Regimes m u ß t e er eo ipso in dem genannten Konflikt von Anfang an eine zwiespältige Rolle spielen. Speers Kurs ließ sich offenbar mit derartigen Gewaltmethoden nicht in dem gewünschten Tempo durchsetzen. Der Rüstungsminister selbst geriet in den folgenden Monaten, bis April 1944, politisch in eine kritische Phase, in der zeitweise auch Hitler, sicher nicht ohne Zutun Bormanns, sich distanzierter zu ihm verhielt. 320 Doch hierzu trugen auch Speers eigene politische Ambitionen bei. Die Widersprüche zwischen kriegswirtschaftlichen u n d politischen Erfordernissen, so wie sie sich der herrschenden Klasse aufdrängten, traten damit zeitweilig als institutionelle u n d personelle Gegensätze offen zutage, ehe sie im weiteren Verlauf des Krieges gegenüber anderen, übergreifenden Problemen ganz in den Hintergrund rückten. Die schwelenden und verschiedentlich aufbrechenden Differenzen zwischen den Gauleitern-Reichsverteidigungskommissaren bzw. Bormann und dem Apparat des Rüstungsministeriums bzw. dem Minister selbst werden allerdings in der bürgerlichen Geschichts- und Memoirenliteratur zumeist weit überschätzt und fehlinterpretiert. Diese apologetische Überhöhung dient entweder dazu, Speer und die ihn stützenden Monopolkreise in „positiven" politischen Gegensatz gegenüber Bormann und der „Parteiclique" zu setzen, oder auch dazu, die erstgenannten vom Odium eines verlorenen Krieges freizusprechen. 3 2 1 Der eigentliche Streitpunkt lag weder in — nicht vorhandenen — grundsätzlichen politischen Meinungsverschiedenheiten, noch in der Machtkonzentration beim Rüstungsminister u n d seinem „Selbstverantwortungs"apparat. Es ging vielmehr hauptsächlich um Konzeption und Methoden des „Totalen Krieges", u m Differenzen, die in objektiven und sich jetzt rapide verschärfenden Widersprüchen zwischen den Erfordernissen der imperialistischen Kriegswirtschaft u n d den politischen Bedürfnissen eines Regimes begründet waren, das seine Anhänger und breitere Massen des Volkes bei Stimmung zu halten suchte u n d nichts mehr fürchtete als revolutionäre Unruhen, als ein „zweites 1918".

c) Politische

Ambitionen

Mit dem Stern des Rüstungsministers, besonders m i t dem gewaltigen Machtzuwachs des Ministeriums nach dem Hitler-Erlaß vom 2. September 1943, stiegen auch seine und seiner Umgebung politischen Ambitionen. Führende Kreise aus Wirtschaft, Wehrmacht und Politik suchten in jenen Monaten der sich überstürzenden Hiobsbotschaften von der 318 ZStA Potsdam, FS, Film 42213. 319 Speer, Erinnerungen, S. 326f. 320 Ebenda, S. 326ff. — Die Posener Rede und die Beschwerden der Gauleiter waren noch über ein halbes Jahr später Gesprächsgegenstand zwischen Speer und Hitler, der die Angelegenheit jedoch als „erledigt" bezeichnete (FB, 22./23. 5. 1944, Punkt 1). 321 Siehe Janssen, S. 123f. u. S. 164ff.; Speer, Erinnerungen, S. 325f.; IIüttenberger, S. 183f.

Das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion

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F r o n t im Osten u n d aus Italien eine A l t e r n a t i v e zu der existierenden politischen F ü h r u n g , deren S t r u k t u r ihnen als zu wenig elastisch u n d effektiv erschien. I m Unterschied zur großbürgerlichen Opposition um Goerdeler u n d Beck hielten sie das Regime Hitlers n i c h t f ü r a b g e w i r t s c h a f t e t u n d diskreditiert, sondern erwogen nur, Hitlers n ä c h s t e Umgebung zu verändern u n d einige seiner P a l a d i n e d u r c h wendigere, dynamischere Personen zu ersetzen, die den „Totalen Krieg" m i t größerer Konsequenz führen u n d außenpolitisch geschickter — u n t e r U m s t ä n d e n auch ü b e r einen Sonderfrieden m i t den W e s t m ä c h t e n — verhandeln sollten. 3 2 2 Diskutiert wurde insbesondere das Problem des „zweiten Mannes im S t a a t " angesichts des politischen u n d militärischen Versagens Görings, a b e r auch ein Revirement an der Spitze des Auswärtigen Amtes. 3 2 3 Die „Koalition Speer — H i m m l e r " 3 2 4 spiegelte die Tendenz des stärkeren Zusammenwachsens der Wirtschafts- u n d der Innenpolitik im „Totalen Krieg" wider. 3 2 5 Wer den d a m i t z u s t a n d e k o m m e n d e n staatsmonopolistischen K o m p l e x faschistischen T y p s kontrollierte, m u ß t e eine ungeheure Macht in seinen H ä n d e n konzentrieren. Zu jener Zeit, im H e r b s t 1943, k a m e n demzufolge in erster Linie H i m m l e r u n d Speer als „zweite Männer" u n d somit womöglich als designierte Nachfolger Hitlers in Frage. Dieses Problem w a r offenbar v e r b r e i t e t im Gespräch. Speers spätere Aussage, es sei damals n i c h t zu U n r e c h t v e r m u t e t worden, daß er m i t U n t e r s t ü t z u n g seiner „ U m g e b u n g " die Nachfolge Hitlers a n s t r e b t e 3 2 6 , b r a u c h t nicht bezweifelt zu werden. Das Monopolkapital s t a n d weithin geschlossen h i n t e r ihm und seinem Ministerium. „Mein erfolgreicher I n d u s t r i e a p p a r a t " , so d r ü c k t e er es nach dem Kriege aus, „war m i t m i r so eng v e r b u n d e n , d a ß mein S t u r z sein E n d e u n d d a m i t eine Gefährdung der Kriegsführung bedeutet h ä t t e . " 3 2 7 Sehr a u f schlußreich ist es in diesem Z u s a m m e n h a n g , d a ß er noch nach d e m 20. J u l i 1944 ausdrücklich Albert Voglers „Wunsch nach Änderung in der Regierung" bestätigte u n d h i n z u f ü g t e : „ D a ß Änderungen in der Regierung d u r c h Auswechslung der älteren Mitglieder d u r c h j ü n g e r e v o r t e i l h a f t wäre, ist eine allgemein v e r b r e i t e t e A n s i c h t . " 3 2 8 In d e r F ü h r u n g der W e h r m a c h t waren ihm zahlreiche höchste Militärs „ b e f r e u n d e t " u n d „eng v e r b u n d e n " , so besonders Milch, Zeitzier, Guderian, F r o m m u n d Dönitz. Diese T a t s a c h e hing ohne jeden Zweifel ganz wesentlich auch m i t der konsequenten U n t e r s t ü t z u n g u n d eindeutigen S t e l l u n g n a h m e des Monopolkapitals f ü r den Rüstungsminister zusammen. E s sei in höchsten Kreisen des Regimes sicher klar gewesen, so Speer, „daß die F ü h r u n g s s c h i c h t des Heeres . . . als eine v o n m a n c h e n Möglichkeiten erwogen (sie! — D. E.), sich auf meine Seite zu stellen, falls H i t l e r plötzlich so oder so ausscheiden sollte". 3 2 9 Hitlers eigenes Verhalten u n d seine Äußerungen leisteten den Gerüchten über Speers Position als „zweiter Mann im S t a a t " Vorschub. 3 3 0 322 Kehrl, S. 302f. u. S. 332ff. Zu den Verhandlungen über einen Sonderfrieden s. a. DZW, Bd. 4, S. 303 ff. 323 Kehrl, S. 303 ff. Als Kandidaten für die Nachfolge von Ribbentrop waren, laut Kehrl, SeyßInquart und Neubacher im Gespräch (ebenda, S. 304). 324 Speer, Erinnerungen, S. 326. 325 Über das Problem der zunehmend engen Verbindung zwischen Wirtschafts- und Innenpolitik ansatzweise Demps, Ausbau, S. 94 f. 326 Speer, Erinnerungen, S. 289; Speer, Der Sklavenstaat, S. 316, s. a. Kehrl, S. 334 f. Neuerdings dazu Schmidt, S. 91 ff. 327 Speer, Erinnerungen, S. 290. 328 Anatomie des Krieges, S. 458, Dok. 257, Stellungnahme v. Speer für Fegelein, 20. 8. 1944. 329 Speer, Der Sklavenstaat, S. 317. 330 Speer, Erinnerungen, S. 289 u. S. 280 (Kapitelüberschrift). 13*

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Nach Lage der Dinge war indessen nicht zu erwarten, daß die Frage tatsächlich entschieden wurde. Neben der militärischen Entwicklung, die alle in Atem hielt, spielte hierbei der Gruppen- und Cliquenkampf an der Spitze des Regimes eine wesentliche Rolle, der sich im Zusammenhang mit dieser Entwicklung verschärfte und den Hitler anscheinend selbst ausnutzte, um einer Entscheidung auszuweichen. Das etablierte Herrschaftsgefüge erwies sich unter diesen Umständen als noch relativ stabil, vor allem hinsichtlich der überkommenen Struktur der Parteihierarchie. Das starke Eigengewicht und das Beharrungsvermögen der faschistischen Partei äußerte sich gegenüber dem Rüstungsminister besonders im Verhalten der Gauleiter-Reichsverteidigungskommissare. Eine politische Laufbahn in der gewünschten Richtung erwies sich für den Rüstungsminister schließlich als nicht gangbar ohne die Entmachtung seiner Kontrahenten und Konkurrenten einschließlich Himmlers, die unter den gegebenen Umständen nur von Hitler oder durch äußere Gewalt, etwa durch einen Putsch, hätte vollzogen werden können. Zur Gewaltanwendung aber fanden sich die Kreise um den Rüstungsminister nicht bereit bzw. nicht vorbereitet. Immerhin war die Atmosphäre im engsten Kreise der faschistischen Führung in der Katastrophensituation Ende 1943/Anfang 1944 — auch wenn man die Selbstbeweihräucherung und Apologetik in späteren Veröffentlichungen 331 in Rechnung stellt — außerordentlich gespannt. Hierin muß einer der Gründe vermutet werden, die Anfang 1944 zu einem ernsthaften physischen Kollaps des Rüstungsministers führten, der ihn fast vier Monate von der vollen Ausübung seiner Amtsgeschäfte abhielt. 332 Speer behauptete später sogar, Himmler habe während dieser Zeit mittels falscher Behandlung durch SS-Ärzte einen Mordanschlag auf ihn verübt. 333 Die politische Szenerie an der Spitze des Regimes blieb also trotz starker Verschiebungen im inneren Machtgefüge unverändert. Die politischen Alternativen, die den Kreisen um das Rüstungsministerium vorschwebten, blieben unerprobt. Damit begann eine Periode, in der sich Störungen und Widersprüche zwischen Ökonomie und Politik, zwischen den Interessen des Finanzkapitals und der Politik der regierenden faschistischen Clique bemerkbar machten; Widersprüche im staatsmonopolistischen Herrschaftssystem, die, befördert durch die äußeren Ereignisse, sich rasch häuften und zuspitzten. 331 In Frage kommen hier vor allem die diesbezüglichen Passagen in den Memoiren Speers (Speer, Erinnerungen, S. 325ff.; besonders S. 333ff., 342f.); s. a. Kehrl, S. 332ff. 332 Janssen, S. 158ff.; Speer, Erinnerungen S. 336 (ff.). 333 Speer, Erinnerungen, S. 342; derselbe, Der Sklavenstaat, S. 316ff. — Schmidt, S. 107ff., bezeichnet dies, wohl zu Recht, als von Speer nach dem Krieg in apologetischer Absicht in die Welt gesetzte „Chimäre".

KAPITEL IV

Die Arbeitskräftesituation. Zur Lage der deutschen Werktätigen und ausländischen Zwangsarbeiter

1. A r b e i t s k r ä f t e p r o b l e m e 1941/42. D e r „ G e n e r a l b e v o l l m ä c h t i g t e für den A r b e i t s e i n s a t z " a) Arbeitskräftepolitik

im Sommer)Herbst

1941

Als General Thomas über den Erfolg der Rüstungsvorbereitungen für den Überfall vom 22. J u n i 1941 berichtete, hob er zwar die „gewaltige Steigerung in der materiellen Ausrüstung der Wehrmacht" hervor, die erreicht worden sei; an erster Stelle der störenden Einflüsse auf den „glatten Ablauf der Fertigungsprogramme" aber habe die „schwierige Arbeitseinsatzlage" gestanden. 1 5,3 Millionen deutsche Werktätige arbeiteten zu Beginn des Berichtszeitraums (September 1940) in der Industrie unmittelbar und mittelbar für die Wehrmacht; d a s waren 55,2 Prozent aller industriell Beschäftigten. 2 Dazu kamen etwa 300000 kriegsgefangene und zivile ausländische Zwangsarbeiter — Ende Mai 1941 waren es schon etwa eine Million — und 150000 aus der Wehrmacht „beurlaubte" Facharbeiter, die bereits von Februar 1941 an wieder zur Truppe abgezogen wurden. 3 Ohne die ausländischen Arbeitskräfte und ohne die „Rü-Urlauber 40" wären, laut Thomas, die erreichten Ergebnisse nicht möglich gewesen. 4 Nach dem April 1941 gab es bei den Rüstungsdienststellen der Wehrmacht für zukünftige Rüstungsprogramme und für den Arbeitskräftebedarf der kommenden Zeit kaum klare Vorstellungen und Planziffern. Alles hing ab von dem Erfolg bzw. dem Verlauf des geplanten „Blitzkriegs" gegen die U d S S R — der Bedarf an Arbeitskräften zum Beispiel von „dem eventuellen Ersatzbedarf für den Sommerfeldzug, über dessen Höhe noch sehr verschiedene Meinungen bestehen (zwischen 50000 und 200000 je Monat)"; es wurde also lediglich „der Termin für eine Verlängerung des Schutzes der wichtigsten Fertigungen (vorEinberufungen — D . E . ) auf 1. 8. 1941 festgesetzt". 5 In dem Fehlen jeglicher „außerordentlichen Maßnahmen" auf dem Arbeitsmarkt sieht Kuczynski mit Recht einen „auch für monopolkapitalistische Verhältnisse und Beschränktheit des Geistes ganz außerordentliche^) Wahnsinn in der Einschätzung der Bedeutung eines Feldzuges gegen die Sowjetunion". 6 1 Fall Barbarossa, S. 222 f., Dok. 63, Bericht WiRüAmt v. 10. 7. 1941. 2 Ebenda, S. 216, Dok. 62, Ausarb. WiRüAmt v. 6. 12. 1940; s. a. The Effects, S. 213, Tab. 11, wo nur die unmittelbar für die Wehrmacht Beschäftigten erfaßt sind (50,2 Prozent). 3 Fall Barbarossa, S. 217, Dok. 62, Ausarb. WiRüAmt vom 6. 12. 1941 (anders Thomas, S. 240); Wagenführ, S. 154 (1 Million). 4 Fall Barbarossa, S. 223, Dok. 63, Bericht WiRüAmt v. 10. 7. 1941. 5 ZStA Potsdam, F S , Film 2313, AN WiRüAmt v. 21. 5. 1941. 6 Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 257 f.

180

Die Arbeitskräftesituation

Obwohl vor J u n i 1941 keine bindenden Anordnungen oder Beschlüsse ü b e r eine erneute „ U m r ü s t u n g " naöh „ B a r b a r o s s a " zugunsten von L u f t w a f f e u n d Kriegsmarine existierten, sollten aus der Heeresrüstung bereits solche A r b e i t s k r ä f t e möglichst abgegeben werden, die „durch E i n s c h r ä n k u n g der Munitionsfertigung des H e e r e s " 7 frei wurden. Das O K H weigerte sieih, dies zu t u n , u n d b e h a u p t e t e , es gebe n u r eine „verhältnismäßig geringe Zahl" solcher Arbeiter, die indessen „auch n i c h t a n n ä h e r n d " ausreiche, „die d e m Heer vordringlich gestellten Aufgaben — P a n z e r p r o g r a m m , panzerbrechende W a f f e n , Heeresflak — zu erfüllen. Mit einer Abgabe von Arbeitskräften aus dem Sektor Heer ist somit n i c h t zu r e c h n e n . " 8 E r s t im Zusammenhang m i t dem Göringprogramm k a m die zentrale A r b e i t s k r ä f t e „ p l a n u n g " wieder in Fluß. Das Instrumentarium

der Arbeitskräftebeschaffung

1941

Schon Anfang 1941 w a r eine wichtige Änderung im System der offiziellen „Arbeitskräftelenkung" eingetreten. D u r c h Erlaß Görings vom 18. F e b r u a r 1941 9 wurden in den Wehrkreisen „Prüfungskommissionen des Reichsministers f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition", die sogenannten E n g p a ß - oder Todt-Kommissionen, geschaffen, die die Aufgabe h a t t e n , in der gesamten p r i v a t e n W i r t s c h a f t m i t Hilfe von „Unterkommissionen" die Betriebe m i t dem Ziel zu ü b e r p r ü f e n , A r b e i t s k r ä f t e aus „einschränkbaren F e r t i g u n g e n " ziviler u n d militärischer A r t in die „ E n g p a ß f e r t i g u n g e n von kriegsentscheidender B e d e u t u n g (Sonderstufen SS und S) der W e h r m a c h t " umzusetzen. „Die F ü h r u n g der Kommissionen b e s t i m m t d e r Reichsminister f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition, die F e d e r f ü h r u n g der Arbeiten liegt b e i den R ü s t u n g s i n s p e k t i o n e n . " D a m i t n a h m das R e i c h s m i n i s t e r i u m f ü r Bewaffnung u n d Munition schon seit A n f a n g 1941 eine starke Stellung im S y s t e m der Regulierung des industriellen A r b e i t s m a r k t e s ein. Die Prüfungskommissionen, denen u n t e r F ü h r u n g eines Vertreters des Munitionsministeriums R e p r ä s e n t a n t e n der Rüstungsinspektion, des L a n d e s a r b e i t s a m t s u n d des Bezirkswirtschaftsamts angehören sollten, h a t t e n „die zur Deckung des Bedarfs a n Arbeitsk r ä f t e n f ü r die E n g p a ß f e r t i g u n g e n im Bezirk erforderlichen M a ß n a h m e n festzulegen u n d einheitlich zu steuern" u n d insbesondere die bezirklichen Entscheidungen vorzuschlagen ,,a) über das Fertigungssoll im zivilen Sektor (Fertigungsbeschränkung, Verbote, Stilliegung), b) über die H ö h e u n d A r t der W e h r m a c h t s f e r t i g u n g (Festlegung der Auftragshöhe), c) über die U m s e t z u n g der A r b e i t s k r ä f t e " . D e r nach mehreren E n t w ü r f e n T o d t s und des W e h r w i r l s c h a f t s - u n d R ü s t u n g s a m t e s z u s t a n d e g e k o m m e n e E r l a ß war die F r u c h t eines Kompromisses zwischen beiden Seiten, d e r sich z. B. auch d a r i n ausdrückte, d a ß zu Vorsitzenden der meisten P r ü f u n g s k o m m i s sionen — 19 von 26 — von T o d t die jeweiligen Rüstungsinspekteure berufen wurden. 1 0 „ Der F ü h r u n g s a n s p r u c h des Reichsministers f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition f ü r d ie P r ü f u n g s kommissionen", so a r g w ö h n t e das O K W trotzdem, „ l ä ß t Rückschlüsse auf seinen totalen F ü h r u n g s a n s p r u c h in der gesamten Arbeitseinsatzfrage z u . " 1 1 Jedenfalls scheiterten die 7 8 9 10

ZStA Potsdam, FS, Film 2313, OKH/Chef HRüst an WiRüAmt, 10. 4. 1941. Ebenda. BA Koblenz, R 41/138; hiernach auch das Folgende. Ebenda, R 41/139, RErlasse RMfBuM an die Vorsitzer der Prüfungskommissionen v. 14. 5. 1941 ff. 11 ZStA Potsdam, FS, Film 2328, Stellungnahme WiRüAmt (v. Meendsen-Bohlken) zu Erlaßentwurf RMfBuM üb. „Arbeitseinsatzfragen", 8. 2. 1941.

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fortgesetzten Versuche des OKW, „die Lenkung des Arbeitseinsatzes wieder bei Arbeitsämtern und Rüstungsdienststellen zu konzentrieren". 12 Das weitere Nebeneinanderbestehen von vier Behörden bzw. staatlichen Apparaten, die für die Beschaffung und Verteilung von industriellen Arbeitskräften zuständig waren, verbesserte die Situation natürlich keineswegs. 13 Am 20. J u n i 1941 erweiterte Göring die Vollmachten der Prüfungskommissionen erheblich. Sie hatten nun das Recht, „neben sämtlichen Betrieben der Wirtschaft auch alle Wirtschaftsbetriebe des Reiches, der Länder und der Gemeinden (Gemeindeverbände) und sonstiger Selbstverwaltungskörperschaften hinsichtlich der Abgabe von Arbeitskräften (Angestellte und Arbeiter) für die Rüstungsindustrie überprüfen zu lassen". 14 Dieser Erlaß erblickte am gleichen Tag wie das Göringprogramm das Licht der Welt; den unmittelbaren Zusammenhang zwischen beiden legte ein Erlaß Todts vom folgenden Tag offen, der den Prüfungskommissionen als dringendste Aufgabe die Beschaffung von 100000 Arbeitskräften für die Luftwaffenrüstung stellte. 15 Der Munitionsminister hatte vor, mit Hilfe der Kommissionen bis Ende 1941 insgesamt 473000 Arbeitskräfte in die Rüstungsindustrie zu überführen. 1 6 Von Herbst 1941 an meldeten die Prüfungskommissionen zwar „sinkende Erfolgszahlen" 17 ; immerhin bescheinigte der Minister den Kommissionsvorsitzenden, der „Gesamterfolg der Auskämmaktion" habe sich bis einschließlich Oktober „auf 358000 umgesetzte Arbeitskräfte erhöht".« Im Jahre 1941 gab es an Möglichkeiten, den Rüstungskonzernen zusätzliche Arbeitskräfte zu beschaffen, außer den Prüfungskommissionen des Munitionsministers und ihren Unterkommissionen in den Wehrbezirken — vor allem die Arbeitsämter mit sogenannten E-Listen (Listen der entbehrlichen Erzeugnisse) 19 , mit besonderen „Auskämmkommissionen" und mit Sonderauflagen für erstrangig wichtige Rüstungsprogramme, — Einrichtungen zur „Umschulung" von Arbeitskräften, — die Werbung von freiwilligen Arbeitskräften, besonders von nichtberufstätigen Frauen, die durch die Presse und andere Propagandamittel unterstützt wurde, — die Aktion „Rü-Urlauber 40" und die Entlassung älterer Jahrgänge von Facharbeitern aus der Wehrmacht (Jahrgang 1896 und älter), 12 Ebenda, Film 2313, Thomas' „Notizen für Vortrag beim Reichsmarschall" v. 9. 11. 1941. 13 Außer dem RArbM, dem OKW/WiRüAmt und dem RMfBuM befaßten sich auch die Vierjahresplan-Organisation, der Reichsarbeitsführer, die DAF u. a. Stellen mit „Arbeitseinsatz"fragen. 14 ZStA Potsdam, FS, Film 2312, Erlaß Görings (BfV) betr. „Beschaffung des Kräftebedarfs für Wehrmacht und Rüstungswirtschaft" v. 20. 6. 1941. 15 BA Koblenz, R 41/281, Erlaß RMfBuM betr. „Erweiterung des Arbeitsgebietes der Prüfungskommissionen" v. 21. 6. 1941. 16 Ebenda, R 41/139, RMfBuM an OKW, 28. 2. 1941. 17 ZStA Potsdam, FS, Film 8651, „Erfahrungsbericht über die Entwicklung auf dem Gebiet der Personalbewirtschaftung in der Zeit vom Winterbeginn 1941/42 bis zum Winterbeginn 1942/43" (WWiAmt: Betz) Januar 1943 (im folgenden: „Erfahrungsbericht"). 18 Ebenda, Film 8630, RErlaß RMfBuM an die Vorsitzer der Prüfungskommissionen, 5. 12. 1941. Für November 1941 meldeten die Kommissionen weitere 28400 „Ausgekämmte" (ebenda, RErlaß RMfBuM an die Vorsitzer, 2. 1. 1942). 19 BA Koblenz, R 41/251 u. R 41/252, div. Stücke, darunter „Richtlinien über die Einschränkbarkeit ziviler Fertigungen" vom Mai 1941 (RWiM).

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Die Arbeitskräftesituation

— die „Werbung" von ausländischen Arbeitern, die sowohl durch Organe des Reichsarbeitsministeriums als auch direkt von einer Reihe von Rüstungskonzernen betrieben wurde. Während die „Arbeitsurlauber" aus der Wehrmacht im Laufe des Frühjahrs 1941 wieder zurückberufen wurden, blieb der Erfolg der daraufhin seit März forcierten Freiwilligenwerbung unter den nichtarbeitenden Frauen 2 0 gering. Große Rüstungsbetriebe waren ferner vertraglich gebunden, Umschulungsplätze zur Verfügung zu stellen und daran Facharbeiter auszubilden. Das OKM hatte zum Beispiel 3941 solcher Plätze in 36 Werften und W-Betrieben gemeldet, von denen Ende J u n i 1941 rund 60 Prozent, Ende Juli nur noch 52 Prozent belegt waren; die sinkende Tendenz setzte sich fort. Bei voller Belegung hätten über 20 Prozent des gemeldeten Arbeitskräftebedarfs der Marinerüstung gedeckt werden können. 21 Die Kriegsmarine zeigte sich auf diesem Gebiet anscheinend besonders rührig und zapfte auch Quellen außerhalb der Wirtschaft an. Sie übernahm in Zusammenarbeit „mit den großen Marinewerften" 22 die Leitung von SA-Berufsschulen, die zum Teil schon lange vor dem Krieg existiert hatten, baute sie in großem Stil aus und ließ dort SA-Leute und andere Arbeitskräfte „zu Facharbeitern für Schiff- und Maschinenbau" 23 ausbilden. Die Arbeitsämter zeigten sich im allgemeinen außerstande, den wachsenden Forderungen der Rüstungsindustrie nach Arbeitskräften, besonders nach gelernten, nachzukommen, zumal da die fachlichen und geographischen Schwerpunkte des Bedarfs im Verlauf der „Umsteuerungen" der Rüstung mitunter abrupt wechselten. In erster Linie versuchten sie, die Arbeitskräfteanforderungen einiger für vordringlich erklärter Programme zu erfüllen, die zum Teil außerordentlich hoch lagen. Das betraf vor allem die von Göring als Beauftragtem für den Vierjahresplan und Oberbefehlshaber der Luftwaffe bzw. vom GB Chemie verlangten Arbeitskräfte. So wiesen die Arbeitsämter dem GB Chemie vom 1. Februar bis zum 15. Dezember 1941 allein zwecks „Sicherstellung des Kräftebedarfs für Mineralöl- und Bunabetriebe des chemischen Erzeugungsplanes" 77339 Bau- und 36808 Betriebsarbeiter, insgesamt also 114147 Arbeitskräfte zu. 24 Von Februar bis August 1941 vermittelten die Arbeitsämter der Rüstungsindustrie insgesamt im Monatsdurchschnitt 105000 Arbeitskräfte, davon rund 20000 Kriegsgefangene und zivile ausländische Zwangsarbeiter. 25

Chaotische

Arbeitskräfte„planung"

nach dem 22.

Juni

Das Göringprogramm, extremer Ausdruck der kriegswirtschaftlichen Blitzkriegs- und Weltherrschaftsstrategie des deutschen Imperialismus, setzte nicht nur eindeutige Prioritäten, sondern auch neue Maßstäbe in der Arbeitskräftepolitik des Regimes. Wenn die Luftrüstung von 1,3 bis auf 4,8 Millionen Arbeitskräfte aufgestockt werden 26 , das Heer 20 Siehe ebenda, R 41/281, RErlaß RArbM an die Präsidenten der LAA betr. „Verstärkung des Fraueneinsatzes" v. 18. 3. 1941; ebenda, AO der N S D A P (Parteikanzlei) betr. „Deutsche Frauen helfen siegen" v. 16. 3. 1941. 21 Ebenda, R 41/227, Aufstellung OKM, o. D. 22 Ebenda, R 13 XX/299, Rs. RGI v. 11. 9. 1941. 23 ZStA Potsdam, FS, Film 1748, OKM an Rüln X X (Danzig), 19. 12. 1941. 24 BA Koblenz, R 41/177 bis R 41/187, Monatsmeldungen des RArbM für BfV, 23. 6. 1941 ff. 25 Müller, Wehrmacht und Okkupation, S. 175 (Bericht RArbM v. 24. 10. 1941). 26 Thomas, S. 449, Prot. d. Bespr. bei Milch am 26. 6. 1941.

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dagegen selbst nach den weitreichendsten Demobilisierungsplänen höchstens eine Million Soldaten als Arbeitskräfte für die Kriegswirtschaft abgeben sollte 2 7 , so war klar, daß hiermit eine abenteuerliche, gänzlich irreale imperialistische Strategie auf kriegswirtschaftliche Phantasievorstellungen und -forderungen hinauslief. Die Sommer- und Herbstmonate des J a h r e s 1941 boten auf dem Gebiet der Arbeitskräftepolitik das groteske Schauspiel des „ K a m p f e s aller gegen alle" (Thomas). Trotz eindeutiger Orientierung auf die Luftrüstung leisteten Rüstungskonzerne, Heeres- und OKW-Dienststellen und die Kreise um das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition einen zunehmend hartnäckigen Widerstand gegen die radikale „ U m r ü s t u n g " , die befohlen war. Dieser Widerstand erwuchs zunächst zu einem beträchtlichen Teil aus dem Beharren auf den eingefahrenen und auch bis auf einen verhältnismäßig geringen Anteil nicht widerrufenen Programmen der Heeresrüstung; dann spielten die rapide wachsenden Materialverluste an der deutsch-sowjetischen Front eine immer gewichtigere und am Schluß dominierende Rolle; und schließlich, besonders von September 1941 an, verschärften umfangreiche Einziehungen an die Front die Situation. Die Zahlen, die die Wehrmachtteile und d a s O K W in diesen Monaten als „Sofortbedarf", „Mindestbedarf" usw. an Arbeitskräften angaben, müssen auf dem Hintergrund dieses zunehmend erbitterten Kampfes und der wachsenden Unsicherheit über den weiteren Verlauf des Krieges im Osten beurteilt werden. Schon in den ersten beiden Monaten des Krieges gegen die U d S S R erwies sich die „Arbeitseinsatzlage", wie Generalfeldmarschall Keitel erklärte, als „der größte Engpaß der Rüstungswirtschaft". 2 8 Die Wehrmacht errechnete Anfang J u l i für das laufende J a h r einen Rüstungsbedarf an Arbeitskräften von 1,5 Millionen Mann. 2 9 Im September/Oktober vergrößerten sich die Schwierigkeiten zusehends. Zum 1. Oktober wurden der Geburtenjahrgang 1922 zur Wehrmacht einberufen und viele Uk-Stellungen von weiteren Arbeitern bzw. Facharbeitern aufgekündigt. 3 0 Im Kriegswirtschaftlichen Lagebericht des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes für September hieß es in diesem Zusammenhang: „ Entweder wird der Menschenbedarf der Truppe oder der Menschenbedarf der Rüstung gedeckt. Diese Entscheidung ist nicht mehr zu umgehen." 3 1 Die Berichte der Rüstungsinspektionen spiegelten das gleiche Problem wider. Alle anderen Schwierigkeiten träten dagegen in den Hintergrund, hieß es in dem Monatsbericht der Rüstungsinspektion V ( S t u t t g a r t ) : „Der Kampf um den Menschen ist das Problem g e w o r d e n ! " 3 2 Nur ein kleiner Teil der ausländischen Zwangsarbeiter, die so wichtigen Firmen wie Bosch und Daimler-Benz zugesagt seien, treffe ein. „Wenn die Fertigungsprogramme in dem Umfang, wie sie vom Führer in großen Zügen festgelegt sind, durchgeführt werden sollen, dann kann nicht nur kein einziger Mann mehr aus der Fertigung für die Wehrmacht herausgezogen werden, sondern es müssen im Gegenteil erhebliche Kräfte aus der Wehrmacht wieder in die Industrie zurückfließen." 3 3 Im November traten überdies bei „zahlreichen

27 28 29 30 31 32

Ebenda, S. 465, Prot. d. Bespr. d. Chefs OKW mit d. WT am 16. 8. 1941, v. 18. 8. 1941. Ebenda, S. 463. Reinhardt, S. 39 (Vortragsnotiz AHA v. 8. 7. 1941). Ebenda, S. 102. Ebenda, S. 103. ZStA Potsdam, F S , Film 5382, Lagebericht der Rüln V (Stuttgart) auf den 15.9.1941, v. 13. 9. 1941. 33 Ebenda.

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Die Arbeitskräftesituation

Rüstungsbetrieben ... erhebliche Ausfälle an Arbeitskräften durch Juden-Evakuierungen ein".34 Demgegenüber fielen die wichtigsten Quellen aus, aus denen der Arbeitskräftebedarf für die geplante „Umrüstung" gespeist werden sollte. Das waren in erster Linie die vielen Hunderttausende, die man von der Auflösung der 49 Heeresdivisionen und von der Reduzierung der Heeresrüstung erwartet h a t t e ; in zweiter Linie sollten ausländische Arbeitskräfte nach Deutschland geschafft werden, besonders polnische und französische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, die die Arbeitskräftesituation in der Landwirtschaft und auch in der Industrie entlasten sollten. Die Vorstellungen der deutschen Imperialisten von der künftigen Versorgung der Kriegswirtschaft mit deutschen Arbeitskräften beruhten zu dieser Zeit offiziell noch auf Hitlers „Richtlinien für die personelle und materielle R ü s t u n g " vom 14. J u l i 1941, in denen es großsprecherisch hieß: „Die militärische Beherrschung des europäischen Raumes nach der Niederwerfung Rußlands erlaubt es, den Umfang des Heeres demnächst wesentlich zu verringern." 3 5 Keitel versicherte im August dem Reichsminister für Bewaffnung und Munition und den Chefs der militärischen Rüstungsorganisation, der Befehl Hitlers zur Auflösung von Heeresverbänden „nach Abschluß der Ostoperationen" liege bereits vor. 3 6 Generaloberst Fromm, Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, nannte Zahlen: „Nach Beendigung der Ostoperationen sollen 5 0 Divisionen zur Auflösung kommen. Aus diesen sollen zunächst die Facharbeiter herausgezogen und in die Rüstungsindustrie überführt werden. Die übrigen Leute sollen die Facharbeiter der bestehenbleibenden Divisionen, soweit sie n i c h t Waffenspezialisten sind, ablösen. Man wird mit insgesamt 3 0 0 0 0 0 Arbeitskräften für die Rüstungsindustrie rechnen können. Daneben sollen auch die Weltkriegsjahrgänge (rd. 2 0 0 0 0 0 Mann) abgelöst werden." 3 7 Auf dieser Basis wurden im Laufe der folgenden zwei Monate in Zusammenarbeit zwischen Wehrmachtführungsstab, Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt des O K W und Reichsministerium für Bewaffnung und Munition die Richtlinien des O K W „über die personellen Maßnahmen in der Wehrmacht für die Umstellung der Rüstung im W i n t e r 1941/42" vom 23. Oktober 1 9 4 1 3 8 fertiggestellt. Die Entwürfe für dieses Dokument zeugen allerdings schon von dem wachsenden Zweifel ihrer Verfasser an der Möglichkeit, die geplante Verminderung der Heeresstärke vorzunehmen. Immerhin stand in den Richtlinien: „1. Zweck und Sinn der Kräfteverlagerung und des Kräfteeinsatzes ist a) die Stärkung der Rüstungswirtschaft durch Zuführung von Arbeitskräften in weitem Ausmaß aus dem Heer, in beschränktem Umfang auch aus Kriegsmarine und Luftwaffe, b) Umbau des Heeres unter Vermehrung und bestmöglicher Ausstattung der Schnellen Verbände, c) Verbesserung der Personallage b e i der Luftwaffe und Kriegsmarine. 2. Die Kräfte hierzu werden im wesentlichen aus der Auflösung von Divisionen des Heeres und entbehrlicher Heerestruppen gewonnen werden." Die erste „ R a t e " von 5 0 0 0 0 Facharbeitern wurde für den 15. Dezember versprochen. Spätestens von diesem Termin an sollten auch alle Bergarbeiter des Kohlenbergbaus aus der Wehrmacht entlassen werden. Auf gehobener Stufenleiter wiederholte sich also die sogenannte Umsteuerung der Rüstung aus dem J a h r e 1 9 4 0 3 9 ; gerade in bezug auf die Arbeitskräfte rechnete man m i t der gleichen 34 35 36 37 39

Reinhardt, S. 188 (Kriegswirtschaftlicher Lagebericht WiRüAmt f. November 1941). Thomas, S. 452, Erlaß Hitlers v. 14. 7. 1941. Ebenda, S. 463, Prot. d. Besprechg. bei Keitel am 16. 8. 1941, v. 18. 8. 1941. Ebenda, S. 467. 38 ZStA Potsdam, FS, Film 2325; hiernach auch das Folgende. Siehe Band I, S. 212 ff.

Arbeitskräfteprobleme 1941/42

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Möglichkeit wie damals, während einer ausreichenden Atempause — nach der Niederwerfung der U d S S R — Soldaten in großem Umfang für die Arbeit in der Kriegswirtschaft „freizumachen". Doch die zitierten Richtlinien enthielten bereits Vorbehalte, die erhebliche Abstriche von der geplanten Heeresverminderung bedeuteten. Von 4 9 aufzulösenden Divisionen sollten „die bei Abschluß der Operationen ungedeckten blutigen Verluste im Heer . . . voraussichtlich etwa 2 0 0 0 0 0 Mann" abgerechnet werden. Ferner sollten „in der Hauptsache" Divisionen m i t geringer Mannschaftsstärke aufgelöst werden. „Neue Anordnungen werden gegeben", so hieß es schließlich, „wenn sich nach der Kriegslage die Umstellung der R ü stung des Heeres verzögert und die Zahl der freiwerdenden Verbände wesentlich verringern sollte." Das Begleitschreiben zu den Richtlinien, sechs Tage später datiert, enthielt einen deutlichen Hinweis auf ihren Anachronismus, den das Steckenbleiben der faschistischen Oktoberoffensive vor Moskau anschaulich demonstriert: „Es wird auf den ungewissen Charakter dieser Richtlinien hingewiesen. Ihre Durchführung ist abhängig von dem vorläufigen Abschluß der Operationen im Osten und der sich daraus ergebenden Gesamtlage."« In der zweiten Novemberhälfte, als der letzte Versuch deutscher Offensivverbände, Moskau einzunehmen, im Feuer der Verteidiger steckenblieb, mußte die Wehrmachtführung schließlich F a r b e bekennen. Die „Durchführungsbestimmungen Nr. I " 4 1 , die das O K W am 28. November 1941 zu den Richtlinien vom 23. Oktober erließ, hoben diese in ihrem hauptsächlichen Punkt, der Auflösung von 49 Heeresdivisionen zugunsten der Kriegswirtschaft, sang- und klanglos auf. 4 2 J e spärlicher die traditionellen Quellen für Arbeitskräfte flössen, desto höher schraubten die deutschen Imperialisten ihre Hoffnungen auf ausländische Zwangsarbeiter. Bisher waren den Leitern der Rüstungsindustrie auch hier gewisse Grenzen gesetzt. Das Arbeitskräftereservoir an französischen Kriegsgefangenen ging zur Neige. Die Transporte m i t polnischen Zwangsarbeitern gelangten noch immer zum überwiegenden Teil in die Landwirtschaft. Das Vorgehen der faschistischen Staats- und Besatzungsorgane b e i d e r Rekrutierung der Zwangsarbeiter und bei ihrer Verteilung in der Kriegswirtschaft befriedigte die Rüstungsgewaltigen noch keineswegs. 43 F ü r das Göringprogramm sollten seit J u n i / J u l i französische Kriegsgefangene in großer Zahl aus anderen Sektoren der Wirtschaft abgezogen werden. Doch als die Luftwaffenführung versuchte, französische Zwangsarbeiter von Baustellen der Heeres- und der Marinerüstung abzuziehen, stieß sie auf heftigen Widerstand beim Munitionsminister. 4 4 Auch der Plan, 5 0 0 0 0 0 französische Kriegsgefangene aus der deutschen Landwirtschaft durch sowjetische Kriegsgefangene abzulösen und der Luftrüstung zuzuführen, scheiterte, diesmal an der anfänglichen Weigerung Hitlers und Himmlers, sowjetische Kriegsgefangene und zivile sowjetische Zwangsarbeiter in Deutschland zu beschäftigen. 4 5 40 41 42 43

ZStA Potsdam, FS, Film 2325, OKW an RArbM u. RWiM, 29. 10. 1941. Ebenda. Siehe auch S. 44. Seeber, Eva, Zwangsarbeiter in der faschistischen Kriegswirtschaft. Die Deportation und Ausbeutung polnischer Bürger unter besonderer Berücksichtigung der Lage der Arbeiter aus dem sogenannten Generalgouvernement (1939—1945), Berlin 1964, S. 47ff. u. S. 127; s. a. Band / , S. 101 f. 44 ZStA Potsdam, FS, Film 4566, RMfBuM an RArbM, 1. 10. 1941. 45 Hitler gestand Göring immerhin die Ablösung von 100000 französischen durch 120000 sowje-

Die Arbeitskräftesituation

186 b) Die Einrichtung

des

Zwangsarbeitsregimes

für die Arbeitskräfte

aus der

Die Initiative

Rüstungsmonopole

der

UdSSR

Die Rüstungsmonopole drängten von Anfang an auf die Massenzwangsarbeit sowjetischer Kriegsgefangener und ziviler sowjetischer Arbeitskräfte in der deutschen Kriegswirtschaft. 4 6 Ihre Forderungen wurden mit Nachdruck vom Munitionsministerium, vom O K W , vom Reichsarbeitsministerium und von der Vierjahresplanorganisation unterstützt. Paul Pleiger, Vorsitzender der Reichsvereinigung Kohle, forderte das O K W schon am 30. J u n i 1941, acht Tage nach Beginn der Aggression, unter der Drohung mit „schwerwiegenden Erschütterungen" in der Kohlenversorgungslage dazu auf, „bei der Aufteilung der russischen Kriegsgefangenen in allererster Linie den Kohlensektor berücksichtigen zu wollen". Umgehend benötige er 83000 Mann. „Wenn Aussicht auf Erfolg gegeben sein soll", so belehrte er General Thomas, „darf man meines Erachtens bei der Zuteilung russischer Kriegsgefangener nicht nur Bergmänner erfassen, sondern müßte von vornherein alle Kräfte, die schwere körperliche Arbeit gewöhnt sind (Straßenarbeiter, Steinbrucharbeiter, Bauarbeiter usw.) aufgreifen." 4 7 Am 9. J u l i erklärten Vertreter des FlickKonzerns ihr Einverständnis und Interesse daran, „daß uns für sämtliche angeforderten Arbeitskräfte russische Kriegsgefangene zugewiesen werden, und möchten darum bitten, daß die Sache beschleunigt behandelt wird". 4 8 Im gleichen Monat stellten Werke der Preußag und des Wintershall-Konzerns bei den Arbeitsämtern Anträge auf beschleunigte Zuweisung sowjetischer Kriegsgefangener. 4 9 Zunächst galt jedoch d a s Verbot der Beschäftigung sowjetischer Kriegsgefangener in Deutschland, das von Hitler ausging. E s entsprang der tief verwurzelten Furcht der F a schisten vor dem Widerstand der von der bolschewistischen Partei erzogenen sowjetischen Soldaten und Offiziere und vor der möglichen Wirkung der antifaschistischen Ideen auf das eigene Volk. 5 0 Außerdem nahmen die deutschen Machthaber an, daß der Krieg im Osten in wenigen Wochen oder höchstens Monaten beendet sein würde.

46 47 48 49

50

tische Kriegsgefangene zu (s. IMG, Bd. 31, S. 474 ff., Dok. PS-3005, Rs. RArbM an die Präsidenten der LAÄ, 26. 8. 1941). Diesen Tatbestand leugnet Streit in seiner sonst fundierten Arbeit; er kennt die folgenden Tatsachen nicht und erwähnt nur die RVK mit einer Anforderung auf sowjetische Kriegsgefangene erst vom 15. 8. 1941 (Streit, S. 198ff., S. 215). Pleiger an Gen. Reinecke, 30. 6. 1941, zit. b. Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 260. Die gleiche Forderung wurde später als Antrag dem RArbM und — nachrichtlich — Göring übermittelt (BA Koblenz, R 10 VIII/19, RVK an BfV, 15. 8. 1941). Anatomie des Krieges, S. 341, Dok. 168, Sulzbach-Rosenberg-Hütte an Arbeitsamt Amberg, 9. 7. 1941. BA Koblenz, R 13 XX/410, Saline Bad Dürrenberg (Preußag) an Arbeitsamt Halle, 21. 7. 1941; ebenda, Wintershall AG, Werk Kaiseroda, an Arbeitsamt Eisenach, 23.7.1941; ebenda, Saline Artern (Preußag) an Arbeitsamt Sangerhausen, 22. 7.1941; s. a. ebenda, Rs. der Wigru Bergbau vom 16. 7. 1941. Ausführliche Belege betr. das erwähnte Verbot bei Streit, S. 192ff. — Schon vor dem Krieg äußerten sich faschistische Politiker ablehnend über die Möglichkeit, sowjetische Kriegsgefangene in Deutschland zu beschäftigen, so etwa Landwirtschaftsminister Richard Walther Darre: „Kriegsgefangene (als Zwangsarbeiter — D. E.) kommen doch wohl nur bei einem Krieg in Frage, welcher mittelbar und unmittelbar mit Sowjetrußland nichts zu tun hat, da keinesfalls

Arbeitskräftepro blerae 1941/42

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Schon Anfang J u l i war immerhin von einer „gewissen Lockerung" die Rede, insbesondere wegen des großen Arbeitskräftebedarfs der L a n d w i r t s c h a f t f ü r Pflege- u n d Erntearbeiten. 5 1 Der Generalinspektor f ü r das deutsche Straßenwesen — identisch m i t d e m Reichsminister f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition — plante d a r a u f h i n , „kriegsgefangene Russen u n t e r besonders scharfer Bewachung u n d Isolierung bei G r o ß b a u v o r h a b e n in geschlossenem E i n s a t z zu beschäftigen, u m d a d u r c h kriegsgefangene Franzosen u n d Serben, die sich f ü r den Einzeleinsatz eignen, f ü r die L a n d w i r t s c h a f t freizubekommen". 5 2 A m gleichen Tage, dem 4. Juli, berief das Wehrwirtschafts- u n d R ü s t u n g s a m t des O K W eine Konferenz über „Verwendung u n d Arbeitseinsatz der russischen Kriegsgefangenen" ein, auf der festgestellt wurde, „daß von allen beteiligten Dienststellen (an hervorragender Stelle waren hier der B e a u f t r a g t e f ü r den Vierjahresplan u n d das Reichsarbeitsministerium genannt — D. E.) die Forderung, die Kriegsgefangenen auch zum Arbeitseinsatz im Reich heranzuziehen, u n b e d i n g t v e r t r e t e n u n d u n t e r s t ü t z t wird". 5 3 Der „ B e d a r f " an Gefangenen wurde mit 500000 beziffert (davon 400000 Bedarf der Landwirtschaft). E s sei, so gab der Vertreter des OKW-Kriegsgefangenenwesens b e k a n n t , zwar d a m i t zu rechnen, d a ß das bestehende Verbot „mindestens gelockert" werde, doch „würden f ü r den Arbeitseinsatz u n b e d i n g t n u r russisch sprechende Gefangene — wegen evtl. bolschewistischer P r o p a g a n d a — v e r w a n d t werden dürfen. E s d ü r f e n u r ein geschlossener Arbeitseinsatz in Kolonnen (Organisation T o d t , Baubataillone) u n t e r Bewachung erfolgen." F ü r die R ü s t u n g s - ' industrie rechneten die Beteiligten „bei den zu erfüllenden Vorbedingungen" nicht bzw. „höchstens im Austausch" m i t kriegsgefangenen sowjetischen A r b e i t s k r ä f t e n . Das große Durcheinander, das zu dieser Zeit in allen Fragen der Beschäftigung sowjetischer Zwangsarbeiter herrschte, u n d die U n k l a r h e i t ü b e r die schließliche Lösung dieser Fragen ließ sich auch an der E r k l ä r u n g des O KW-Vertreters ablesen, es würden v o m Arbeitseinsatz „ b e s t i m m t e Volkstumsangehörige (Weißrussen, Ukrainer, Letten, Esten, Finnen «tc.) auszunehmen sein". Einen Austausch der erwähnten A r t betrieb in der folgenden Zeit besonders Göring, dem Hitler es schließlich genehmigte, 100000 französische Kriegsgefangene aus der Landwirtschaft in die L u f t f a h r t i n d u s t r i e zu ü b e r f ü h r e n u n d der L a n d w i r t s c h a f t d a f ü r 120000 sowjetische Kriegsgefangene zu stellen. 5 4 D a m i t wäre allerdings das gesamte Kontingent an sowjetischen Gefangenen erschöpft gewesen, die zur Zwangsarbeit n a c h Deutschland gebracht werden sollten; es würden, so hieß es in d e m grundsätzlichen O K W - E r l a ß v o m 2. August, „auf Befehl des F ü h r e r s n i c h t m e h r als r u n d 120000 Kriegsgefangene ins Reich

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geduldet werden wird, daß die Kriegsgefangenen zu Zersetzungsherden für die sowjetrussische Propaganda werden. Da z. Zt. kaum ein Krieg denkbar ist, der sich nicht auch gegen Sowjetrußland richtet, halte ich das Einkalkulieren von Kriegsgefangenen für falsch." (ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 454, Bl. 13, Dok. NID-14941, hs. Marginalnotiz Darres v. 18. 2. 1939 an Bericht RMEL v. 12. 2. 1939). ZStA Potsdam, FS, Film 4566, Rs. Gl f. d. dt. Straßenwesen, 4. 7. 1941. Ebenda. IMG, Bd. 27, S. 63 f., Dok. PS-1199, AN WiRüAmt, 4. 7. 1941. Hiernach auch das Folgende. Siehe auch Pfahlmann, S. 92 (OKW an BfV, 5. 7. 1941). ZStA Potsdam, FS, Film 1788, OKW-Erl. v. 25. 8. 1941. - Trotz dauernden Drängens Görings auf „größte Beschleunigung" dieses Austauschs, der „von ausschlaggebender, kriegsentscheidender Bedeutung" und, wie er ultimativ forderte, bis zum 1. Oktober 1941 abzuschließen sei (ebenda), erwies sich die Aktion schließlich als „undurchführbar" (ebenda, OKW-Erlaß v. 14. 10. 1941).

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Die Arbeitskräftesituatioa

überführt". 5 5 Der Erlaß bestimmte: „Die Verwendung von sowjetischen Kriegsgefangenen innerhalb der Reichsgrenzen ist ein notwendiges Übel und daher auf ein Mindestmaß zu beschränken. Grundsätzlich dürfen sie nur an solchen Arbeitsplätzen beschäftigt werden, an denen bei völliger Isolierung in geschlossenen Kolonnen gearbeitet werden kann." 5 6 Im September, nachdem die Verteidigungsoperation der Roten Armee bei Smolensk den deutschen Vormarsch in Richtung Moskau über zwei Monate lang aufgehalten hatte und die Verlängerung des Krieges über den Winter hinaus abzusehen war, verstärkten die Monopole und kriegswirtschaftlichen Regulierungsorgane ihren Druck auf die faschistische Führungsspitze. Staatssekretär Paul Körner (Vierjahresplan) schrieb am 2. September an Staatssekretär Friedrich Syrup (Reichsarbeitsministerium): „Voraussichtlich wird der Reichsmarschall (Göring — D. E.) den Führer nochmals darauf ansprechen, ob nicht die Zahl der nach Deutschland hineinzunehmenden russischen Kriegsgefangenen mit Rücksicht auf die Lage des Arbeitsmarktes vergrößert werden könne." 5 7 Die Reichsvereinigung Kohle verlangte Mitte September noch einmal 8000 bis 10000 sowjetische Arbeitskräfte (Kriegsgefangene) zum Entladen von Kohlenzügen in Deutschland, des weiteren in unbeschränkter Zahl ukrainische Bergleute für den Ruhrkohlenbergbau. Pleiger betonte in seinen Verhandlungen mit dem OKW, er wolle „dann vor allem die Italiener, die im Kohlenbergbau überhaupt nichts leisten, wieder abschieben". 58 Als Chef des Montankonzerns der Reichswerke „Hermann Göring" meldete er zugleich seinen Anspruch auf sowjetische Arbeitskräfte für diesen Konzern an. 5 9 Hier, in den Besprechungen zwischen der RVK und dem OKW, stand zum ersten Mal der Transport auch von zivilen Arbeitskräften aus der U d S S R nach Deutschland auf der Tagesordnung. Wie Pleiger erklärte, wollte er „zwecks Vermeidung der in anderen besetzten Gebieten bisher üblichen Lohntreibereien mit seinen eigenen Stellen in der Ukraine werben". 60 Wie diese „Werbung" aussehen sollte, ging eindringlich aus Pleigers zwei Tage später telefonisch übermitteltem „Standpunkt" hervor, „man sollte die Leute nicht anwerben, sondern abkommandieren und neben der Verpflegung ein Taschengeld sowie der (zurückbleibenden — D. E.) Familie Unterstützung geben". 61 Wenige Tage später, am 24. September, fand im Reichsarbeitsministerium eine Besprechung der beteiligten Ressorts über diese neue Frage statt, über die bei aller zugestandenen Dringlichkeit noch größte Unsicherheit herrschte. „Der Reichsmarschall habe", so hieß es, „bereits eine gewisse Zusage wegen der Anwerbung von Metallarbeitern aus dem Baltikum für die Luftwaffenrüstung gegeben." 6 2 Nach den Richtlinien des Beauf55 Ebenda, FS, Film 1811, OKW-Erl. betr. „Arbeitseinsatz sowjetischer Kriegsgefangener", 2. 8. 1941. 56 Ebenda. — So erklärt sich die Tatsache, daß noch am 22. 8. auf einer Besprechung in großem Kreis beim R F S S „über polizeiliche Maßnahmen beim Einsatz ausländischer Arbeiter" Zwangsarbeiter aus der U d S S R überhaupt keine Erwähnung fanden (ebenda, FS, Film 8288, Wochenbericht W i R ü A m t f. d. 1 8 . - 2 4 . 8. 1941). 57 Ebenda, Fall XI, Nr. 419, Bl. 24, Dok. NI-3746, Körner an Syrup, 2. 9. 1941. 58 Ebenda, Fall X I , Nr. 415, Bl. 20f., Dok. PS-1456, AN über Besprechung Thomas' mit Pleiger und Gen. Reinecke v. 17. 9. 1 9 4 1 ; s. a. Czollek, Faschismus und Okkupation, S. 1 5 0 f . ; ferner Anatomie des Krieges, S. 359f. u. S. 364f., Dok. 181 u. 1 8 4 ; Seeber, S. 72f. 59 Ebenda (PS-1456). 60 Ebenda. 61 Ebenda, Fall X I , Nr. 396, Bl. 118f., Dok. EC-75, AN W i R ü A m t v. 20. 9. 1941 über Telefonat mit Pleiger am 19. 9. 1941. 62 Ebenda, Bl. 121, Dok. NI-460, Niedersehr. RArbM üb. d. Besprechung v. 24. 9. 1941.

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tragten f ü r den Vierjahresplan sollten zivile sowjetische Arbeitskräfte nur aus dem Baltikum, ferner solche polnischer Nationalität nach Deutschland geschafft werden. Weitere „Werbung" sollte „grundsätzlich zunächst auf die Ukraine beschränkt bleiben" und „Altiussen" ausschließen. 63 In einem Promemoria aus dem OKW vom 4. Oktober wurde indessen, unter dem Eindruck der Forderungen der Industrie, gegenüber den Bedenken der Abwehr u n d der SS kategorisch die „Einschaltung russischer Kriegsgefangener" und „ukrainischer Zivilarbeiter" in die deutsche Kriegswirtschaft — in erster Linie f ü r Rüstungsindustrie und Bergbau — gefordert. 64 Wie der Vorsitzende der RVK, so beteiligte sich auch der GB Chemie, IG-Farben-Aufsichtsratsvorsitzer Carl Krauch, maßgeblich an der Diskussion um die Zwangsrekrutierung sowjetischer Arbeitskräfte. Er ließ es sich im Oktober sogar auf dem Krankenlager nicht nehmen, General Thomas durch seinen Beauftragten für Arbeitskräftefragen zu übermitteln, er habe „einen Gedankengang über den Einsatz russischer Kriegsgefangener in der Kriegsrüstung entwickelt, f ü r dessen weitere Verfolgung und insbesondere Realisierung er (Krauch — D. E.) Sie, sehr verehrter Herr General, f ü r berufen hält". Krauch wollte seine schriftlich festgehaltenen Vorschläge ausdrücklich als „Anregung des GB Chemie" betrachtet wissen. 65 Schamlose Fälschung des Tatbestands betrieb nach dem Krieg ein maßgeblicher und wohlinformierter Repräsentant des IG-Farben-Konzerns, August v. Knieriem, seinerzeit Vorstandsmitglied und Chefsyndikus des Konzerns. In einem umfangreichen Werk voll übler Demagogie legte er eine Art Generallinie für die künftige bürgerliche Geschichtsschreibung und Rechtsprechung nieder, nach der Monopolkapital und Generalität reinzuwaschen waren. Sei einmal Krieg, argumentierte er, so könne man es keinem Staat verübeln, daß er „auf fremde Arbeitskräfte zwingend angewiesen sein kann, u m sich aus höchster Kriegsgefahr zu retten". 6 6 Wenn die Zwangsverschleppung der ausländischen Bürger nur „ordnungsmäßig" vor sich gehe, so sei sie durchaus „diskutabel". Im übrigen: 63 Ebenda. 64 Ebenda, FS, Film 1737, „Vortragsnotiz für Amtschef" v. 4. 10. 1941; gedr. bei Eichholtz, Vorgeschichte des GBA, S. 371. — Am 30. 9. 1941 notierte man im KTB des WiRüAmt/Stab: „Reichsführer SS [ist] gegen Arbeiteranwerbungen im altrussischen Gebiet. Pleiger, der 12 000 Mann anwerben wollte, will mit Syrup deswegen zum Reichsmarschall gehen." (Ebenda, Film 8273, KTB WiRüAmt/Stab, Eintr. v. 3 0 . 9 . 1941). Hitler und Göring genehmigten Pleigers Plan drei Wochen später (ebenda, Eintr. v. 22. 10. 1941). Doch es erwies sich i m November, daß „wegen der schwierigen Transportlage im Osten weder die bereits angeworbenen 5 000—6 000 Bergarbeiter aus Krivoj Rog noch der Großteil der Kriegsgefangenen selbst nach Deutschland transportiert werden" konnten (Reinhardt, S. 185; zit. Kriegswirtsch. Lagebericht WiRüAmt v. November 1941). 65 Trials of War Criminals before the Nuernberg Military Tribunals under Control Council Law No. 10 (im folgenden: Trials), Bd. 8 (Fall VI, Bd. 2), Washington 1952, S. 397f., Dok. EC-489, Obstlt. z. V. Kirschner an Thomas, 2 0 . 1 0 . 1 9 4 1 ; s.Faksimile im Appendix d. Bd. — Die „Anregungen" Krauchs sind bisher nicht aufgefunden worden. Einige Rückschlüsse lassen spätere KTB-Eintragungen des WiRüAmts zu: „GB Chemie will Italiener entlassen und dafür Russen hereinnehmen." (ZStA Potsdam, FS, Film 8273, KTB WiRüAmt, Eintr. v. 28. 10. 1941). „Forderungen Krauch" (für den Ausbau der Hydrierwerke — D. E.): „4, besser 8 Baubataillone, verstärkt durch die vierfache IZahl von Franzosen oder Russen, 20 bzw. 4 0 0 0 0 Mann, sollen eingesetzt werden." (Ebenda, Eintr. v. 5. 12. 1941). 66 v. Knieriem, August, Nürnberg. Rechtliche und menschliche Probleme, Stuttgart 1953, S. 511.

Die Arbeitskräftesituation

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„Aber m i t diesem ganzen [Zwangsarbeits-]Programm als solchem (Ausarbeitung, Ingangsetzung, D u r c h f ü h r u n g ) h a t t e n die deutschen Industriellen nichts zu t u n . " 6 7 Das Streben der Rüstungsmonopole nach Masseneinsatz sowjetischer Kriegsgefangener u n d ziviler Zwangsarbeiter löste in den herrschenden Kreisen des Regimes aufschlußreiche Auseinandersetzungen v o n grundsätzlichem Charakter aus. Deutlich zeichnete sich ein d e m faschistischen Regime u n d seinem imperialistischen Weltherrschaftsprogramm i m m a n e n t e r Widerspruch ab. Gemäß den politischen Grundvorstellungen der Faschisten v e r b a t sich prinzipiell die Beschäftigung sowjetischer Arbeitskräfte innerhalb Deutschlands, deren bolschewistische Beeinflussung und sozialistische Überzeugung sie als sicher a n n e h m e n u n d von denen sie b e f ü r c h t e n mußten, d a ß sie sich nicht würden einschüchtern lassen u n d d a ß sie den W i d e r s t a n d schüren, die Produktion sabotieren, in Verbindung m i t deutschen W i d e r s t a n d s k ä m p f e r n treten u n d Aufklärungsdienste f ü r ihr H e i m a t l a n d leisten würden. 6 8 Ausnahmen hielten sie nur u n t e r aufwendigen S i c h e r u n g s m a ß n a h m e n , vor allem Isolierung u n d schwerster Bewachung, f ü r möglich. Die kriegswirtschaftlichen Bedürfnisse geboten dagegen, je offensichtlicher die Blitzkriegsstrategie a m W i d e r s t a n d der Roten Armee scheiterte, desto unabweisbarer eine großzügige Mobilisierung des „ e r b e u t e t e n " Arbeitskräftepotentials. 6 9 Die m i t diesen Bedürfnissen unlösbar v e r b u n d e n e n Prof itinteressen der Rüstungskonzerne m a c h t e n diese zu den heftigsten Verfechtern einer solchen Mobilisierung. 7 0 Die militärischen Ereignisse a n der deutsch-sowjetischen F r o n t u n d die zunehmende Verschlechterung der Arbeitskräftesituation zwangen die Herrschenden zur schrittweisen Änderung ihrer Position.

Der Hitler-Erlaß

vom 31. Okiober

und die Richtlinien

Görings vom 7. November

1941

In der zweiten Oktoberhälfte entwickelten sich die Dinge d a n n angesichts des Scheiterns der deutschen Großoffensive gegen Moskau rasch. Bewirkte ein O K W - E r l a ß v o m 14. Oktober bereits eine, wie die Ruhrkonzerne m i t Befriedigung v e r m e r k t e n , „gewaltige Lockerung des Russeneinsatzes" (die Kriegsgefangenenkolonnen k o n n t e n jetzt auch in „geschützten Betrieben" arbeiten, „ m i t deutschen Vorarbeitern d u r c h s e t z t " u n d ohne 67 Ebenda, S. 513. Beispiele für neuere apologetische Behandlung des Themas bieten Pfahlmann (1968) und Kannapin, Hans-Eckhardt, Wirtschaft unter Zwang, Köln 1966. 68 Die Endkonsequenz solcher Befürchtungen um die Sicherheit der eroberten und zu erobernden Territorien im Osten waren die ungeheuerlichen Ausrottungsabsichten des „Generalplans Ost" (siehe S. 430ff.). 69 Aus dem Ruhrgebiet wurden zusammengefaßte Forderungen nach dem „Einsatz russischer Kriegsgefangener in größerem Umfange als bisher" mit den „guten Erfahrungen" begründet, „welche mit russischen Kriegsgefangenen im vorigen Kriege gemacht worden sind" (ZStA Potsdam, FS, Film 1781, Lagebericht der Rüln VI (Münster) v. 14. 10. 1941). 70 Streit leugnet dies, kann aber dagegen nur eine einzige, von ihm einseitig interpretierte Quelle anführen (Streit, S. 198ff.), wonach die Ruhrkonzerne sich Mitte November 1941 (!) skeptisch gegenüber der Beschäftigung sowjetischer Kriegsgefangener zeigten — aber nicht, wie er wohl meint, aus prinzipiellen Gründen, sondern offensichtlich wegen der vielfältigen behördlichen Verbote und Auflagen und wegen des zu erwartenden katastrophalen körperlichen Zustands der Gefangenen.

Arbeitskräfteprobleme 1941/42

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„Tuchfühlung" der Gefangenen untereinander eingesetzt werden), 7 1 so beschlossen Hitler, Göring und Pleiger am 20. Oktober über den künftigen S t a t u s ziviler sowjetischer Zwangsarbeiter in Deutschland. 7 2 Als Muster für ihre Behandlung wurden für die in Frage stehenden 10 000 bis 12000 ukrainischen Bergarbeiter die Arbeit — wie beiden Kriegsgefangenen — „nur in geschlossenen Kolonnen", die Verpflegung „unter dem deutschen Niveau" und als Bezahlung „nur ein Taschengeld" festgelegt. 7 3 Die endgültige Wende in der Einstellung der faschistischen Führung brachten die letzten Oktobertage. Am 30. Oktober befahl Keitel, die Produktion von Panzerabwehr- und Flakgeschützen mit äußerster Beschleunigung zu verdoppeln. Wie dringend der Bedarf an diesen Waffen geworden war, bezeugte der nachlässig redigierte Schlußpassus des Erlasses: „Der Mangel an Arbeitskräften wird unter weitgehendstem E i n s a t z russischer Kriegsgefangener unter deutscher Anleitung — wie für den Bergbau bereits angeordnet — erfolgen." 7 4 Damit wurde die Zwangsbeschäftigung sowjetischer Kriegsgefangener ausdrücklich und offiziell in der Produktion von Waffen und Kriegsgerät, also in den Kernbetrieben der Rüstungsindustrie, zugelassen. Der entscheidende Befehl Hitlers datierte vom 31. Oktober 1941: „Führer h a t nunmehr Weisung gegeben, daß die drei Millionen Russen in der Wirtschaft einzusetzen und richtig zu ernähren s i n d . " 7 5 Damit gab das O K W zwischen den Zeilen zugleich die vorsätzliche Ermordung vieler hunderttausend Kriegsgefangener in den Lagern der Wehrmacht durch Aushungern zu. „Daneben sind", so hieß es im Text des Hitler-Erlasses, „ganz geringe Entlohnung zur bescheidenen Versorgung mit einigen Genußmitteln des täglichen Lebens, gegebenenfalls Leistungsprämien vorzusehen." Der Gefangenen-„Großeinsatz für die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft" sei beschränkt nur durch „1. Sicherstellung der Bewachung zur Verhinderung von Gefahren für das deutsche Volk, 2. Unterbringung in geschlossenen Lagern, 3. Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung". War die Massenzwangsarbeit ausländischer Arbeitskräfte für den deutschen Imperialismus bisher ein wichtiges, aber nicht unabdingbares Zubehör seiner Kriegswirtschaft, so hatte sich jetzt, angesichts des immer offensichtlicheren Zusammenbruchs der Blitzkriegsstrategie, in den führenden Kreisen des Regimes die Überzeugung durchgesetzt, daß sie eine notwendige Bedingung für das Weiterfunktionieren des kriegswirtschaftlichen Mechanismus und damit für die weitere Kriegführung sei. Am 7. November 1941 verfügte Göring in Hitlers Auftrag vor einem Auditorium der Spitzen von S t a a t , Wirtschaft, Wehrmacht und Nazipartei die „höchste Ausnutzung der russischen Arbeitskraft" und gab zu verstehen, daß sich die Einstellung Hitlers zu dieser Frage „grundsätzlich geändert" habe. 7 6 Sowjetische Kriegsgefangene würden in größtmöglicher Zahl als Arbeitskräfte auch innerhalb Deutschlands eingesetzt werden, ganz besonders im Kohlenbergbau, wo man — unter deutschen Aufsehern — „gegebenenfalls 71 BA Koblenz, R 13 1/373, Protok. d. Sitzung d. Beirats der Bezirksgruppe Nordwest der Wigru Esl v. 19. 11. 1941. 72 ZStA Potsdam, FS, Film 5682, AN WiRüAmt v. 21. 10. 1941. 73 Ebenda, Film 11246, Göring an Pleiger, 24. 10. 1941. 74 Ebenda, Film 8322, Befehl Keitels v. 30. 10. 1941. 75 Ebenda, Film 8273, KTB WiRüAmt, Eintr. v. 31. 10. 1941. Der Hitler-Erlaß selbst erging in Form eines Befehls Keitels (ebenda, Fall X I I , Nr. 109, Bl. 124 f., Dok. EC-194, Befehl Keitels v. 31. 10. 1941); hiernach auch das Folgende. 76 IMG, Bd. 27, S. 69 u. S. 65, Dok. PS-1206, AN WiRüAmt über d. Sitzung am 7.11. 1941, v. 11. 11. 1941. 14

Eichholtz II

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Die Arbeitskräftesituation

ganze Betriebe mit Russen besetzen" solle. 77 Auch „freie russische Arbeitskräfte" sollten fortan nach Deutschland geschafft werden, um, wie Göring es begründete, deutschen Frauen d a s Arbeiten zu ersparen und „wenig leistende und viel essende" Zwangsarbeiter anderer Nationalität „aus dem Reich abzuschieben". 7 8 F ü r die Behandlung sowjetischer Zwangsarbeitskräfte in der deutschen Kriegswirtschaft legte Göring auf dieser Konferenz Grundsätze und „Richtlinien" fest, in die offensichtlich die Forderungen und „Anregungen" der Monopole ebenso wie die Vorbehalte der faschistischen Sicherheitsbehörden eingeflossen waren. An vorderster Stelle nannte er „sicherheitspolizeiliche sowie Abwehrgesichtspunkte" und führte a u s : „Offiziere sind tunlichst, Kommissare (von Wehrmacht oder S S ohnehin meist schon ermordet — D. E . ) grundsätzlich vom E i n s a t z auszuschließen . . . Für die Sicherheitsmaßnahmen ist schnellste und schärfste Wirksamkeit entscheidend. Die Strafskala kennt zwischen Ernährungsbeschränkung und standrechtlicher Exekution im allgemeinen keine weiteren S t u f e n . " 7 9 Hinsichtlich der Verpflegung verbreitete sich Göring über die „Genügsamkeit" der sowjetischen Menschen und kündigte a n : „Ernährung [ist] Sache des Vierjahresplanes. Schaffung eigener Kost (Katzen, Pferde u s w . ) . " 8 0 Über die „freien russischen Arbeiter" enthielten die Richtlinien eine schwerwiegende grundsätzliche B e s t i m m u n g : „ E i n s a t z und Behandlung werden in der Praxis nicht anders zu handhaben sein wie bei den kriegsgefangenen R u s s e n . " 8 1 Nach Görings Richtlinien waren die sowjetischen Arbeitskräfte in schwerbewachten Lagern unterzubringen, sollten nur in Kolonnen arbeiten und von anderen ausländischen und von deutschen Arbeitern streng isoliert werden — alles Vorschriften, die sich in der Regel weder in der Industrie noch in der Landwirtschaft durchführen ließen. Vorgesehen waren schlimmste Hungerrationen an Lebensmitteln und erbärmlichste Bekleidung. E s hieß weiter, daß der sowjetische Arbeiter nicht mehr als ein „kleines Taschengeld" erhalten dürfe. Die in den besetzten sowjetischen Gebieten zurückbleibenden Familien sollten „miternährt" werden. In dem Punkt der Entlohnung zeigten sich die deutschen Imperialisten um ihre Inteiessen besonders besorgt: „ J e d e finanzielle Maßnahme auf diesem Gebiet hat davon auszugehen, daß niedrigste Löhne im Osten — nach einer ausdrücklichen Führeranweisung — eine Voraussetzung für den Kriegskostenausgleich und die Kriegsschuldenbereinigung des Reichs nach Kriegsende sind. Verstöße unterliegen härtester Ahndung. Dies gilt sinngemäß für jede Förderung ,sozialer Bestrebungen' im russischen Kolonialgebiet." 8 2 Schließlich sollten die sowjetischen Zwangsarbeiter ein diskriminierendes Kennzeichen tragen, ähnlich dem, das für die polnischen Arbeitskräfte vorgeschrieben war. Mit den Richtlinien vom 7. November lagen die Grundzüge der Behandlung sowjetischer Zwangsarbeitskräfte in Deutschland fest. Das wichtigste zusätzliche Aibeitskräftereservoir des deutschen Imperialismus war nunmehr die seinem Zugriff ausgelieferte Bevölkerung in den besetzten Gebieten der Sowjetunion einschließlich der Kriegsgefangenen. D a s besonders barbarische, abgefeimte Hunger- und Terrorregime, dem die sowjetischen 77 Ebenda. 78 Ebenda, Bd. 39, S. 498f., Dok. USSR-386, „Richtlinien" Görings über den „Einsatz von Sowjetrussen", vorgetragen auf der Sitzung am 7. 11. 1941. Die letztgenannte Absicht entsprach genau derjenigen von Krauch und Pleiger (s. S. 188f.). 79 Ebenda, S. 499f., Dok. USSR-386. 80 Ebenda, Bd. 27, S. 67, Dok. PS-1206. 81 Ebenda, Bd. 39, S. 500, Dok. USSR-386. 82 Ebenda, S. 500 f.

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Arbeitskräfteprobleme 1941/42

Zwangsarbeiter im Reich ausgesetzt waren, wurde zum Kernstück des gesamten Zwangsarbeitssystems. Die Steigerung des Barbarismus u n d die Brutalisierung der Zwangsarbeitspolitik innerhalb und außerhalb des Reichs, die damit einsetzten, drückten diesem System ihren Stempel auf.

c) Die Krise (Dezember 1941-Februar/März Das Dilemma der faschistischen

1942)

Arbeitskräftepolitik

Die Niederlage vor Moskau f ü h r t e die faschistische Arbeitskräftepolitik in eine akute Krise. Bisher ein einigermaßen funktionierender Bestandteil des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts, war sie nun offensichtlich gescheitert. Ihr grundsätzliches Dilemma t r a t kraß zutage, an dem sie bis in die Endphase des Krieges laborieren sollte, nämlich das Problem der Alternative zwischen „Schraubstock" und „Gewehr", d. h. zwischen der Ausbeutung und dem Ausgepreßtwerden in der Rüstung und der Einberufung zum Töten und Getötetwerden an der Front. Dieses Problem, vorher und nachher immer wieder erörtert, drohte jetzt unlösbar zu werden. Bei dem gegebenen begrenzten deutschen Arbeitskräftepotential war — ungeachtet aller noch vorhandenen Reserven — der Zeitpunkt zu ermessen, an dem ein langandauernder, zermürbender Materialkrieg mit schweren eigenen Verlusten an die Grenzen dieses Potentials stoßen mußte. Ende Dezember 1941 war ein neuer, beschwörender Ton jetzt selbst in offiziellen Erlassen zu vernehmen. „Die gegenwärtige Lage des totalen Krieges", so begann beispielsweise Hitlers Erlaß „über die weitere Vereinfachung der Verwaltung" vom 25. J a n u a r 1942, „in dem das deutsche Volk einen Kampf um Sein oder Nichtsein f ü h r t , verlangt nunmehr in erster Reihe gebieterisch den Einsatz aller verfügbaren Kräfte f ü r die Wehrmacht u n d die Rüstungsindustrie." 8 3 Die militärische Führung ordnete umfassende Neueinziehungen an. Zugleich sollte sowohl die Rüstung aufs höchstmögliche gesteigert als auch die gesamte Kriegswirtschaft auf einen längeren Krieg umgestellt werden. Der deutschen Führung schienen dies die Grundvoraussetzungen dafür zu sein, „die volle Schlagkraft des Heeres bis F r ü h j a h r 1942 wiederherzustellen" 8 4 und spätestens im Sommer ihre Offensive an der deutsch-sowjetischen F r o n t zu erneuern. Für die Zeit von Dezember 1941 bis April 1942 verlangte die Wehrmacht insgesamt über eine Million Mann f ü r Ersatz- u n d Neuaufstellungen, davon etwa die Hälfte aus der Rüstungsindustrie. Insgesamt waren bis F r ü h j a h r 1942 700000 Mann aus der Industrie aufzubieten. 8 5 (Tabelle 20) Am 24. Dezember erhielten die Rüstungsinspektionen die dringende Verfügung des O K W , „mit größter Beschleunigung" umfassende Einziehungen aus den Jahrgängen 1919 bis 1922 vorzunehmen, die den Facharbeiterbestand der Rüstungsbetriebe schwer treffen mußten. 8 6 83 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8906, Bl. 84 (nicht veröff.). 84 Thomas, S. 470, Ausarb. W i R ü A m t betr. „Die Forderungen an die Rüstung unter Berücksichtigung der Lage im Dezember 1941" v . 23. 12. 1941. 85 B A Koblenz, R 13 1/654, Rede Todts vor d. Großen Beirat der RGI am 13. 1. 1942. 86 Ebenda, RVfg. W i R ü A m t an R ü l n , 24. 12. 1941. 14*

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Die Arbeitskräftesituation

Tabelle 20 Kräfteanforderung der Wehrmacht Dezember 1941 bis April 1942 Dezember 1941 Januar 1942 Februar 1942 März 1942 April 1942 Insgesamt

151000 325000 236000 265000 33000

1010000

Quelle: ZStA Potsdam, FS, Film 8651, „Erfahrungsbericht über die Entwicklung auf dem Gebiet der Personalbewirtschaftung in der Zeit vom Winterbeginn 1941/42 bis zum Winterbeginn 1942/43" (WWiAmt), Januar 1943.

Die Auswirkungen waren chaotisch. „Die Weihnachtszeit 1941", so hieß es beispielsweise in einem Bericht der Rüstungsinspektion X I I I (Nürnberg), „stand vollkommen u n t e r d e m Zeichen der Eilverfügungen über E i n b e r u f u n g e n Uk-Gestellter. In die Zeit d e r Hochr ü s t u n g f ü r das kriegsentscheidende J a h r 1942 p l a t z t e die F o r d e r u n g nach einem Aderlaß a n R ü s t u n g s a r b e i t e r n , die a n u n d f ü r sich schon die erhöhten Bedürfnisse der T r u p p e k a u m zu erfüllen vermögen. Noch nie seit Bestehen der wehrwirtschaftlichen Organisation ist ein derartiger A n s t u r m von Telegrammen auf sie niedergegangen, Weisungen, die, da von verschiedenen Zentralstellen k o m m e n d , sich teilweise widersprachen, gegenseitig a u f h o b e n , Feststellungen verlangten, die k a u m oder n i c h t zu erfüllen waren, A u s n a h m e n forderten."87 In der Eisen- u n d S t a h l i n d u s t r i e gingen die Konzerne u n t e r erheblichen Schwierigkeiten d a r a n , den Drei-Schichten- auf den Zwei-Schichten-Betrieb umzustellen. „Seit einigen Wochen h a t zuerst D o r t m u n d - H ö r d e i m Martinwerk, s p ä t e r auch im Thomaswerk den 3-Schichten-Betrieb abgeschafft. I m J a n u a r ist die G u t e h o f f n u n g s h ü t t e gefolgt, u n d in dieser Woche die Niederrheinische H ü t t e , die H ü t t e Vulkan f ü r den H o c h o f e n . " 8 8 Der Geschäftsführer der Bezirksgruppe Nordwest der W i r t s c h a f t s g r u p p e Eisen schaffende I n d u s t r i e hielt es „ f ü r u n b e d i n g t erforderlich, d a ß m i t R ü c k s i c h t auf die großen noch bevorstehenden Einziehungen sofort a n die Frage herangegangen wird, d a m i t m a n die Umstellung jetzt noch in R u h e vornehmen kann u n d n i c h t s p ä t e r in der Eile Anordnungen treffen muß".89 Die schon seit längerem kritische S i t u a t i o n im B e r g b a u v e r s c h ä r f t e sich zusehends. Noch a m 20. Dezember h a t t e das O K W radikale „ H i l f s m a ß n a h m e n f ü r den B e r g b a u " v e r f ü g t ; aus W e h r m a c h t u n d W a f f e n - S S sollten „unverzüglich" sämtliche Bergarbeiter entlassen u n d „bis auf weiteres" uk-gestellt werden. 9 0 Wenige Tage darauf hieß es schon einschränkend, die M a ß n a h m e gelte „ m i t Ausnahme des Ostheeres" u n d des Afrikakorps. 9 1 In eingeweihten Kreisen war indessen b e k a n n t , d a ß die Aktion, k a u m angeordnet, schon wieder ganz abgeblasen w u r d e : „Auf G r u n d der jetzigen militärischen Lage können die 87 ZStA Potsdam, FS, Film 1782, Lagebericht v. 13. 1. 1942. 88 Ebenda, Fall V, Film 420, Dok. NI-6200, AN Flick üb. d. Sitzung der Bezirksgruppe Nordwest der Wigru Esl am 10. 2. 1942, v. 12. 2. 1942. 89 Ebenda. 90 BA Koblenz, R 7/112, OKW-Erlaß v. 20. 12. 1941. 91 Ebenda, OKW-Erlaß v. 31. 12. 1941.

Arbeitskräfteprobleme 1941/42

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schon vorgesehenen Maßnahmen zur U n t e r s t ü t z u n g des Bergbaus zur Zeit nicht zur D u r c h f ü h r u n g k o m m e n . Die E n t s c h e i d u n g ist zurückgestellt." 9 2 Die Widersprüchlichkeit ihrer Zielstellung k a m den Beteiligten verhältnismäßig klar zu Bewußtsein. 9 3 Die „Neuforderungen auf d e m Gebiet der Heeresrüstung" ergaben „beim Arbeitseinsatz eine vollkommen neue Lage f ü r alle Wehrmachtteile". 9 4 Man glaubte zwar den Stein der Weisen in der m a s s e n h a f t e n Zwangsrekrutierung u n d A u s b e u t u n g sowjetischer A r b e i t s k r ä f t e gefunden zu haben, zu der Hitler sich in der Weisung Nr. 39 v o m 8. Dezember 1941 noch einmal offiziell b e k a n n t h a t t e : „ J u n g e uk-gestellte Arbeiter sind in größtem U m f a n g e d u r c h Gefangene u n d russische Zivilarbeiter, die in G r u p p e n eingesetzt werden, allmählich freizumachen." 9 5 Demgegenüber aber m a c h t e das Wehrwirtschafts- u n d R ü s t u n g s a m t in seiner ausführlichen D e n k s c h r i f t v o m 23. Dezember „ u n t e r Berücksichtigung der Lage im Dezember 1941" eine sicherlich zweckpessimistische, insgesamt a b e r doch einigermaßen realistische R e c h n u n g a u f : „ I m Oktober 1941 errechnete sich der baldigst u n d weiterhin bis spätestens J u n i 1942 zu deckende Kräftebedarf d e r Rüstungswirtschaft einschl. der Bedarfsträger R e i c h s b a h n , Bergbau u n d B a u w i r t s c h a f t auf r u n d 1100000 Arbeitskräfte. Zur Deckung dieses B e d a r f s f ü r die D u r c h f ü h r u n g der befohlenen P r o g r a m m e wurde zu dieser Zeit g e r e c h n e t : a) m i t der Entlassung von 500000 Mann aus der F r o n t nach Abschluß der Ostoperationen, b) m i t Gewinnung von noch 100000 Menschen d u r c h weitere A u s k ä m m u n g nicht vordringlich wichtiger Betriebe, c) m i t weiteren 100000 Ausländern d u r c h F o r t s e t z u n g der Ausländeranwerbung, d) m i t 300000 Mann d u r c h vermehrten E i n s a t z russischer Kriegsgefangener und Zivilarbeiter. Demgegenüber ist jetzt festzustellen, d a ß a) keine Entlassungen aus der W e h r m a c h t erfolgen, b) F a c h a r b e i t e r in nennenswertem U m f a n g aus d e m zivilen Sektor n i c h t m e h r gewonnen werden können, c) ein effektiver Gewinn auf dem Gebiet des Ausländereinsatzes k a u m zu verzeichnen ist, da der Neugewinnung von 100000 Ausländern ein n a m h a f t e s Absinken d u r c h Rückwanderung gegenübersteht, d) d u r c h die erweiterte Freigabe russischer Kriegsgefangener f ü r den Arbeitseinsatz in Deutschland in den nächsten Monaten infolge des Ausbrechens von Seuchen und infolge ihrer U n t e r e r n ä h r u n g der Gesamteinsatz der Russen bis zum F r ü h j a h r 1942 höchstens auf 300000 Mann zu veranschlagen ist. Darüber h i n a u s m u ß bei einem derzeitigen Ersatzbedarf der W e h r m a c h t von 625000 Mann d a m i t gerechnet werden, d a ß der R ü s t u n g s i n d u s t r i e im L a u f e der nächsten Monate mindestens 200000 g u t eingearbeitete u n d leistungsfähige A r b e i t s k r ä f t e entzogen werden. Eine A u f r e c h n u n g dieser Gegenüberstellung ergibt einen ungedeckten Kräftebedarf f ü r die R ü s t u n g s i n d u s t r i e von mindestens 800000 Menschen bis F r ü h s o m m e r 1942." 9 6 Um der Lage H e r r zu werden, f a ß t e n die S p i t z e n r e p r ä s e n t a n t e n des Regimes zwei 92 ZStA Potsdam, FS, Film 8630, AN WiRüAmt, Dez. 1941. 93 Alle maßgeblichen Dokumente aus der Diskussion von Ende 1941/Anfang 1942 um die künftige Arbeitskräftepolitik gingen von dem geschilderten Dilemma aus; s. Eichholtz, Vorgeschichte des GBA, bsd. den Dokumententeil. 94 Thomas, S. 475 (wie Anm. 84). 95 Hitlers Weisungen für die Kriegführung 1939—1945, S. 174. 96 Thomas, S. 475 (wie Anm. 84).

Die Arbeitskräftesituation

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miteinander verknüpfte Maßnahmen als grundsätzliche, längerfristige Lösung ins A u g e , nämlich das in der Weisung 39 angekündigte „Umsetzungsverfahren" großen Stils, das an den P l a t z der einzuziehenden Rüstungsarbeiter sowjetische Zwangsarbeiter stellen sollte, und die Einsetzung eines Generalbevollmächtigten, der möglichst die gesamte „ V e r t e i l u n g " der Arbeitskräfte in der Kriegswirtschaft diktatorisch regulieren, insbesondere aber die genannte A k t i o n zentral leiten sollte.

Der „Schlüsselkräfte"-Erlaß

vom 19. Februar 1942

D i e vordringliche Sorge der Rüstungskonzerne war der Entzug der gelernten Arbeiter, „ d a sich j e t z t zwangsläufig die Konkurrenz zwischen Rüstungswirtschaft und Wehrmacht bei Facharbeitern verschärfte". 9 7 Die Einberufungen von Facharbeitern nahmen bald ein für die Konzerne alarmierendes Ausmaß an, führten „zu lauten Hilferufen der Industrie" 9 8 und riefen den Reichsminister für Bewaffnung und Munition auf den Plan. T o d t erklärte zwar am 13. Januar v o r dem Großen Beirat der Reichsgruppe Industrie, an den E i n berufungen sei nichts zu ändern und Hilfeschreie und Telegramme nützten nichts; es sei m i t einem Aderlaß von zehn Prozent der Rüstungsarbeiter zu rechnen, der überwunden werden müsse. 99 Doch immerhin kam unter seinem Einfluß der O K W - E r l a ß v o m 28. Januar 1942 zustande, nach dem 50000 Reservisten der Jahrgänge 1908 und jünger „als Schlüsselkräfte der Rüstung . . . sofort ,bis auf weiteres* u. k. zu stellen" 1 0 0 waren (sog. Rüstungswehrmänner). Durch verschiedene Anweisungen des O K W wurden im Januar und Februar außerdein „ v o n allen Einberufungen ausgenommen": das Mineralölprog r a m m , der Bergbau, die Produktion von Panzern, Werkzeugmaschinen und Reifen sowie das Pulver- und Sprengstoffprogramm. 1 ® 1 Nach A l b e r t Speers Ernennung zum Minister war eine der ersten Maßnahmen, die er durchsetzte, der Schutz der „Schlüsselkräfte". In der ersten seiner „Führerbesprechungen" a m 19. Februar 1942 trug er, der eine ausführlichere „Denkschrift über den Arbeitseinsatz" vorbereitet hatte 1 0 2 , H i t l e r diesen Punkt als den akutesten vor. 1 0 3 Noch am gleichen T a g e erhielt er Hitlers Unterschrift unter einen „Schlüsselkräfte"-Erlaß 1 0 4 : „ A u s der Rüstungsindustrie, den Betrieben der Rohstofferzeugung, des Reichsbahnprogramms, der Treibstoff-, Pulver- und Sprengstofferzeugung und des übrigen chemischen Erzeugungsplanes, der Energiewirtschaft sowie der dazugehörigen Industrien der V o r - und Halbfabrikate werden ,Schlüsselkräfte' nicht mehr eingezogen." (§ 1) Den Begriff der Schlüsselk r ä f t e zu definieren und ihre Zahl „auf das Notwendigste zu beschränken und festzulegen" war dem Munitionsminister

„in Verbindung m i t dem Chef des O K W "

vorbehalten

(§§ 2 und 3). 97 Petzina, Dietmar, Die Mobilisierung deutscher Arbeitskräfte vor und während des Zweiten Weltkrieges, in VfZ, 18/1970, S. 453. 98 ZStA Potsdam, FS, Film 8651, „Erfahrungsbericht". 99 Wie Anm. 85. 100 ZStA Potsdam, FS, Film 5682, Erlaß O K W betr. „Einberufungen aus der Rüstung und Rüstungswehrmänner", 28. 1. 1942. 101 Ebenda, Film 8651, „Erfahrungsbericht". 102 Siehe S.75f. 103 FB, 19. 2. 1942, Punkt 14/15. 104 ZStA Potsdam, FS, Film 5682, Erlaß Hitlers v. 19. 2. 1942; hiernach auch das Folgende.

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L a u t § 3, Abs. 3, war der Reichsminister für Bewaffnung und Munition zugleich ermächtigt, „Mißbrauch durch ein Sondergericht beim Volksgerichtshof aburteilen zu lassen". Grundlage für d a s gesamte Verfahren war die Definition dessen, was als Schlüsselkraft gemäß Erlaß gelten sollte. Diese Definition g a b Speer zusammen mit General Thomas in einem besonderen Erlaß. 1 0 5 Danach waren Schlüsselkräfte „überhaupt unersetzlich"; es waren „in der Regel technische Angestellte und Verwaltungskräfte sowie Spezialisten", beispielsweise „hochwertige" Konstrukteure, Kontrolleure, Meister, Einrichter sowie Facharbeiter in besonderen Mangelberufen. Dagegen waren solche ausgesuchten „Fachkräfte", die nur zeitweise geschützt wurden, „ f a s t unersetzlich"; sie konnten und sollten binnen acht Wochen durch Arbeitskräfte ersetzt werden, die aus anderen Bereichen „umzusetzen" und entsprechend zusätzlich auszubilden waren. Am Ende der vom OKW, vom Munitionsminister und von den gemeinsam vollzogenen Auswahlprozedur gab es: „Anerkannte Schlüsselkräfte Anerkannte Fachkräfte Ungeschützte der Jgg. 08-22

Rüstungskonzernen

647000 708000 202 000" 1 0 6

Tatsächlich wurden im ersten Q u a r t a l 1942 insgesamt nur 244000 Rüstungsarbeiter einberufen. 1 0 7 Bis Ende 1942 stieg die Zahl der anerkannten Schlüsselkräfte auf über eine Million. 108 Mit dem Schlüsselkräfte-Erlaß endete die ausschließliche Kompetenz der Wehrmacht in allen Einberufungsfragen, wie sie noch im Januar-Erlaß des O K W als unumstößlich erschien. In diesem außerordentlich wichtigen Nervenpunkt der gesamten Kriegführung gingen entscheidende Mitspracherechte an den Reichsminister für Bewaffnung und Munition über, der in Abrede m i t Hitler weitreichende Beschlüsse fassen konnte. „Mit dem Befehl über .Schlüssel- und Fachkräfte' ist die Zeit der improvisierten Notmaßnahmen vorbei." Die Einberufungen der folgenden Monate könnten die Kriegswirtschaft „zwar noch schwächen, aber nicht mehr in ihrem Gefüge zerstören". 1 0 9 Allerdings hatten die Rüstungskonzerne und staatsmonopolistischen Kommandostellen der Kriegswirtschaft im regionalen Bereich im Rahmen des Erlasses mit den Wehrmachtstellen noch manchen Strauß um die Schlüsselkräfte auszufechten. 1 1 0 Im April reduzierte das O K W die Einberufungszahlen f ü r das Heer (Jahrgänge 1908—22) für Mai und J u n i , zusammengenommen, von 200000 auf 176000, darunter die aus der gewerblichen Wirtschaft von 90000 auf 60000, mit der Maßgabe, daß „den Schwerpunktprogrammen die Fachkräfte ganz, die ungeschützten K r ä f t e soweit erforderlich, erhalten bleiben". 1 1 1 Gemeint waren hiermit allerdings nur die Schlüsselkräfte, da, wie es in dem bereits zitierten „Erfahrungsbericht" des Wehrwirtschaftsamtes hieß, „ m i t den Juni105 Ebenda, Gemeinsamer Erlaß OKW u. RMfBuM betr. „Definition für ,Schlüsselkräfte' und .Fachkräfte'", 19. 2. 1942. Hiernach auch das Folgende. Siehe auch ebenda, Erlaß OKW (Keitel) v. 19. 2. 1942. 106 Ebenda, Film 8651, „Erfahrungsbericht". 107 Weyres-v. Levetzow, S. 33.

108 ZStA Potsdam, FS, Film 8651, „Erfahrungsbericht". 109 Ebenda. 110 Siehe z. B. BA Koblenz, R 13 1/373, Prot. d. Sitzung des Beirats d. Bezirksgruppe Nordwest der Wigru Esl v. 31. 3. 1942. 111 Ebenda, R 7/112, Erlaß OKW/WiRüAmt, 23. 4. 1942.

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Einberufungen die letzte felddienstfähige ,Fachkraft' den Betrieben entzogen ist". 1 1 2 Im J u l i nahm Hitler von Minister Speer wiederum „zur Kenntnis, daß die vorgesehenen Einziehungen von 100000 Mann monatlich aus der Rüstungsindustrie nicht möglich sind". 1 1 3 Er ordnete an, Schlüsselkräfte „im Sommer 1942" nicht einzuziehen. Auf Speers Wunsch verzichtete er auch auf eine „erneute schärfere Überprüfung der Schlüsselk r ä f t e " , jedenfalls „bis auf weiteres, um Beunruhigungen der Industrie zu vermeiden". 1 1 4 Doch schon im Herbst zwang die Lage an der deutsch-sowjetischen Front die Faschisten, neue große Einziehungen vorzubereiten. 1 1 5 Hitler drängte im September darauf, die ungedienten Schlüsselkräfte „in Raten von 50000" nebenher militärisch ausbilden zu lassen. 1 1 6 Noch einmal gelang es dem Munitionsminister, die Schlüsselkräfte in den Rüstungsbetrieben zu halten. Er erwirkte einen erneuten starken Schutz für Schlüsselkräfte 1 1 7 und überzeugte Hitler davon, daß die beabsichtigte Einziehung „zu kurzfristiger Ausbildung" beim Heer in der Industrie „zu einem prozentualen Abzug geführt (hätte), der nicht tragbar war". 1 1 8 Die Niederlage an der Wolga veränderte die Situation jedoch radikal und machte die Schlüsselkräfte-Erlasse hinfällig.

Die Vorgeschichte des GBA Obwohl in den Spitzengremien des Regimes um die Jahreswende 1941/42 einhellig die Auffassung vertreten wurde, die Lage erfordere einen „Menschendiktator", 1 1 9 herrschte lange keine Klarheit darüber, wer dieses Amt bekleiden werde, welchen Umfang seine Vollmachten haben müßten und wem gegenüber er unmittelbar verantwortlich sein solle. Zwar drängte die Zeit, doch bei dem hochpolitischen Charakter der Angelegenheit und bei der Ungewißheit der zu dieser Zeit überaus kritischen Situation an der Front nahm es nicht wunder, daß noch eine Frist von Monaten verstrich, bis Gauleiter Fritz Sauckel zum „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz" (GBA) ernannt wurde. Schon am 14. November 1941, im Anschluß an die Konferenz vom 7. November, auf der Göring die Grundzüge f ü r die barbarische Diskriminierung und brutale Ausbeutung sowjetischer Zwangsarbeitskräfte in Deutschland festlegte 1 2 0 , hatte Staatssekretär P a u l 1 1 2 ZStA Potsdam, FS, Film 8651, „Erfahrungsbericht". 1 1 3 FB, 2 3 . - 2 5 . 7. 1942, Punkt 40. — Es war offenbar Speers Argumentation, die sich — unter den Auspizien der vorerst erfolgreichen neuen faschistischen Offensive — bei Hitler in dem Gedanken widerspiegelte, „daß das Sterben (an der Front — D. E.) eine Angelegenheit von wenigen Minuten ist, ein Facharbeiter dagegen 360 Tage im J a h r am Bau der vollkommensten W a f f e n seiner Zeit arbeiten kann und dadurch Hunderten von Soldaten ihr Blutopfer erspart" (Picker, S. 488, Tischgespr. v. 28. 7. 1942). 114 ZStA Potsdam, FS, Film 8651, „Erfahrungsbericht". 1 1 5 DZW, Bd. 3, S. 171. 1 1 6 FB, 7 . - 9 . 9. 1942, Punkt 29. 1 1 7 ZStA Potsdam, FS, Film 1783, Erlaß RMfBuM v . 3. 10. 1942. 1 1 8 Ebenda. 1 1 9 Ebenda, Film 8630, Entwurf O K W für eine Denkschrift „Überblick über die Rüstungsmaßnahmen" für Hitler, Fassung von Ende Dezember 1941, vordatiert auf den 1. 1. 1942. — Ausführlich zum Thema Eichholtz, Vorgeschichte des G B A ; desgl. S. 74 f. 120 IMG, Bd. 39, S. 4 9 7 f f . , Dok. USSR-386, „Richtlinien" Görings üb. d. „Einsatz von Sowjetrussen" v. 7. 11. 1 9 4 1 ; ebenda, Bd. 27, S. 65ff., Dok. PS-1206, AN W i R ü A m t üb. d. Sitzung am 7. 11. 1941, v. 11. 11. 1941.

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Körner eine Verfügung des Beauftragten für den Vierjahresplan bekanntgegeben: „Der Reichsmarschall hat inzwischen angeordnet ..., daß der nicht wehrmachtseigene Einsatz der Russen (Kriegsgefangene und freie Arbeiter) im Reich einschließlich Protektorat u n d Generalgouvernement sowie in den Reichskommissariaten von seiner Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz zentral geleitet wird. Zur Durchführung bedient sie sich der allgemeinen Arbeitseinsatzverwaltung und im besetzten Osten der Organisation, die dem Wirtschaftsstab Ost bzw. den Reichskommissaren, Generalkommissaren usw. f ü r den Arbeitseinsatz zur Verfügung steht. Der Reichsmarschall hat die Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz f ü r eine schnelle u n d zweckmäßige Lösung aller mit dem Russeneinsatz zusammenhängenden Fragen im zivilen Bereich verantwortlich gemacht." 1 2 1 Die ausdrückliche Bevollmächtigung der Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz gegenüber dem Reichsarbeitsministerium war hieran neu. Die Übertragung weitgehender Befugnisse des Reichsarbeitsministers an den Leiter der Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz, d. h. an Ministerialdirektor Werner Mansfeld, in Vertretung des erkrankten Leiters der Geschäftsgruppe, Staatssekretär Friedrich Syrup, erstreckte sich jedoch zunächst ausschließlich auf den „Russeneinsatz". 1 2 2 In den Dezember-Entwürfen des OKW zu Hitlers Erlaß „Rüstung 1942" vom 10. J a n u a r 1942 123 spielten die Forderungen nach massenhaftem Einsatz sowjetischer Zwangsarbeitskräfte sowie nach Zusammenfassung der gesamten Vollmachten auf dem Gesamtgebiet der Arbeitskräfteregulierung eine hervorragende Rolle. Zu dem Entwurf des Wehrmachtführungsstabes vom 13. Dezember 1941 124 lag eine Vortragsnotiz f ü r Keitel vor, in der die von Hitler in der Weisung 39 geforderten „Sondermaßnahmen zur Menschenbeschaffung" näher erläutert wurden: „Herauslösung von Uk-Gestellten aus der Kriegswirtschaft im Austausch mit russischen Kriegsgefangenen. In dem hier vom Führer gedachten Ausmaß ist ein völlig neues Moment der Menschenverteilung eingetreten. Ausschöpfung des Gedankens durch ein großzügiges Umsetzungsverfahren sichert der Wehrmacht den jungen Kämpfer . . . Die Bereitstellung der Kriegsgefangenen ist so schnell wie möglich sicherzustellen. Die oberste Leitung dieser sehr umfangreichen Kräfteverschicbung bleibt am besten in der Hand des Reichsarbeitsministers, der sich Befugnisse bis zu diktatorischer Gewalt verschaffen muß. Hierfür günstig, daß Beauftragter des Reichsmarschalls, Ministerialdirektor Mansfeld, dem Reichsarbeitsministerium angehört. Zugleich erster Schritt zur Normalisierung des Menschenverteilungsrechtes; jetzt zu viele Stellen!" 1 2 5 In diesem Sinne instruierte Keitel am selben Tage in einer Besprechung der Staatssekretäre die obersten faschistischen Behörden über die Lage in W'ehrmacht und Rüstung und über die Pläne des OKW. Am 22. Dezember stieß Keitel in einem Schreiben an den Reichsarbeitsminister 1215 erneut vor und drängte den Minister, sich „mit wesentlich verstärkten Vollmachten" ausstatten 121 Ebenda, Bd. 27, S. 59f., Dok. PS-1193, Anschreiben Körners zu den „Richtlinien" Görings v. 7. 11. 1941, v. 14. 11. 1941. 122 Siehe Czollek, Roswitha/ EichhoUz, Dietrich, Zur wirtschaftspolitischen Konzeption des deutschen Imperialismus beim Überfall auf die Sowjetunion, in: JfW, 1968, T. 1, S. 141 ff. (im folgenden: Konzeption). 123 Siehe S. 45. 124 EichhoUz, Vorgeschichte des GBA, S. 372 ff., Dok. 2. 125 ZStA Potsdam, FS, Film 1775, Vortragsnotiz W F S t betr. „Personelle und materielle Rüstung" (Neufassung) v. 13. 12. 1941. 126 Eichholtz, Vorgeschichte des GBA, S. 375 f., Dok. 3.

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zu lassen. 1 2 7 E r schlug ihm vor, durch Hitler oder Göring einen „Generalbevollmächtigten für den Menscheneinsatz" bei seinem Ministerium einsetzen zu lassen, und versicherte ihn zu diesem Zwcck seiner Unterstützung. 1 2 8 Zugleich ließ er seinen Vorschlag über Staatssekretär Körner Göring unterbreiten 1 2 9 , der kraft seiner Vollmacht als B e a u f t r a g t e r für den Vierjahresplan alle bisher ernannten Generalbevollmächtigten für verschiedene Bereiche der Kriegswirtschaft (Chemie, Eisen- und Stahlversorgung, Bauwirtschaft, Kraftfahrwesen) m i t ihren weitreichenden Befugnissen ausgestattet hatte. Körner äußerte sich umgehend. E r erklärte, „daß er die Notwendigkeit eines ,Menschenkommissars' m i t besonderen Vollmachten anerkenne" und sagte zu, Göring die Forderung Keitels befürwortend vorzutragen. 1 3 0 Der Reichsarbeitsminister richtete am 24. Dezember selbst ein Schreiben 1 3 1 an Göring, in dem er sich auf die Forderung des O K W berief und beantragte, die Vollmachten für den vorgeschlagenen Generalbevollmächtigten an Ministerialdirektor Werner Mansfeld, stellvertretend für Syrup, zu übertragen. In der Entwurffassung der O K W - D e n k s c h r i f t „Überblick über die Rüstungsmaßnahmen" von E n d e Dezember hieß es erneut zu dem gleichen T h e m a : „ F ü r den Arbeitseinsatz sind militärischerseits alle Anordnungen gegeben bzw. beantragt (Russeneinsatz, Menschendiktator), diese Maßnahmen müssen sich auswirken." 1 3 2 In der nächsten und letzten Fassung der Denkschrift vom 3. J a n u a r 1942 1 3 3 lautete der gleiche Passus: „Beim Arbeitseinsatz muß durch straffe Führung (Gen. B e v . für den Menscheneinsatz) Deckung des noch offenen Bedarfs gesucht, durch den Russeneinsatz der Entzug durch die Neueinberufungen zur W e h r m a c h t abgefangen werden." 1 3 4 Der Erlaß Görings vom 10. J a n u a r 1942, demselben Tage, an dem Hitler seinen E r l a ß über die „Rüstung 1 9 4 2 " unterzeichnete, übertrug Mansfeld „die uneingeschränkte Vollm a c h t zur Lenkung des gesamten Arbeitseinsatzes". 1 3 5 Die beiden Erlasse ergänzten einander n i c h t zufällig, sondern waren aufeinander abgestimmt. Göring beauftragte Mansfeld in seinem Erlaß ausdrücklich, sich um den „Einsatz von Kriegsgefangenen, insbesondere aus Sowjetrußland", zu kümmern. 1 3 6 Die erste Amtshandlung Mansfelds war sein Auftreten am 13. J a n u a r 1942 vor dem Großen B e i r a t der Reichsgruppe Industrie. Auf dieser Sitzung forderten Todt und Zangen die Mobilisierung des in- und ausländischen Arbeitskräftepotentials für die deutsche Rüstungsindustrie. Mansfeld verstand sich bzw. die Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz als ausführendes bürokratisches Organ der Rüstungskonzernc und des Munitionsministeriums. Da er seine „uneingeschränkte Vollmacht" bereits in einer gemeinsamen Verfügung der Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz und des Reichsministers für Bewaffnung und Munition vom selben T a g e 1 3 7 de facto in erheblichem Umfang an den Munitionsminister abgetreten hatte, beschäftigte er sich in seinem Referat hauptsächlich m i t seinem spe127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137

Ebenda. Ebenda. ZStA Potsdam, FS, Film 2325, Keitel an Körner, 22. 12. 1941. Eichholtz, Vorgeschichte des GBA, S. 377, Dok. 4, AN WiRüAmt v. 23. 12. 1941. Ebenda, S. 378f., Dok. 5. ZStA Potsdam, FS, Film 8630 (wie Anm. 119). Thomas, S. 478 ff. Ebenda, S. 481. Eichholtz, Vorgeschichte des GBA, S. 379, Dok. 6, Erlaß Görings vom 10. 1. 1942. Ebenda. Ebenda, S. 380 ff., Dok. 7, Verfügung vom 13. 1. 1942.

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ziellen Fachgebiet, nämlich mit lohnpolitischen Fragen. Von diesem S t a n d p u n k t aus beleuchtete er schließlich auch das „Problem der ausländischen A r b e i t e r . . . in seinen nachteiligen Auswirkungen": mindere Leistungen, höhere Löhne. Mehr nebenbei „erwähnte" er, „daß er beauftragt ist m i t der Leitung des Einsatzes russischer Arbeitskräfte". 1 3 8 Die vordringliche und besondere Aufgabe Mansfelds war aber gerade „die Zuführung aller geeigneten kriegsgefangenen Russen f ü r die Rüstungsindustrie ... in Zusammenarbeit mit dem Reichsministerium für Bewaffnung u n d Munition und dem OKW". 1 3 9 Auf der Tagung der Rüstungsinspekteure am 21. J a n u a r 1942, auf der Mansfeld als „Reichskommissar f ü r den Arbeitseinsatz" vorgestellt wurde, äußerte sich der Vertreter des GB Chemie ungeduldig: „Die Arbeitseinsatzfrage ist noch immer nicht gelöst ... Arbeitseinsatz steht vor allem ... Wichtig sind vor allem Ausländer, Kriegsgefangene. GB-Chem wartet auf russische Kriegsgefangene." 1 4 0 Einer der Gründe, die binnen zwei Monaten zur Ablösung Mansfelds führten, war zweifellos der dürftige Erfolg, den er gerade im Hinblick auf die Herbeischaffung „der wichtigsten Beute aus Sowjetrußland, der russischen Arbeitskraft" 1 4 1 , f ü r die deutsche Kriegswirtschaft aufzuweisen hatte. Mitte Februar 1942 mußte er in einem Vortrag in der Reichswirtschaftskammer seinen Mißerfolg bekennen und eingestehen, daß Massenerschießungen, Hunger, Kälte und Seuchen in den Gefangenenlagern der Wehrmacht ein solches Massensterben unter den sowjetischen Kriegsgefangenen verursacht hatten, daß die Zahl der schon in Deutschland beschäftigten Gefangenen, wie er sich ausdrückte, „sich kaum erhöhen lassen (dürfte)". 1,42 E r legte seinen Plan dar, den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Deportation und Zwangsarbeit ziviler sowjetischer Bürger zu legen. Doch er wollte nicht allzu hochgespannte Erwartungen wecken und ließ daher durchblicken, daß die f ü r den deutschen Imperialismus prekäre Lage während der sowjetischen Offensive, insbesondere die chaotischen Zustände im Transportwesen, hierfür ein entscheidendes Hindernis bildeten. E r übte auch Kritik an den bisherigen, von seinem S t a n d p u n k t aus ineffektiven Methoden der faschistischen Menschentreiber: „Es ist unsinnig, diese Arbeitskräfte in offenen oder ungeheizten geschlossenen Güterwagen zu transportieren, um am Ankunftsort Leichen auszuladen." 1 4 3 Am 24. Februar 1942 schließlich, als seine Abberufung bei Hitler und dem neuen Munitionsminister, Albert Speer, schon beschlossene Sache war, forderte Mansfeld beim Reichsministerium f ü r die besetzten Ostgebiete 627000 zivile sowjetische Arbeitskräfte an. 144 Das von Mansfeld provisorisch verwaltete Amt eines „Menschendiktators" war untrennbar 138 Betriebsarchiv des V E B Carl Zeiss Jena, Nr. 9725, „Einige Notizen aus dem Referat von Ministerialdirektor Dr. Mansfeld v o m RAM in der Sitzung der Reichsgruppe Industrie am 13. Januar 1942 in Berlin" (Aufzeichnungen von Karl Albrecht, Hauptgeschäftsführer der Wigru Feinmechanik und Optik). 139 ZStA Potsdam, FS, Film 1741, Vortrag von Oberst Neef (WiRüAmt) auf der Inspekteurbesprechung am 21. 1. 1942. 140 Ebenda, Vortrag von Dr. Ritter auf der Inspekteurbesprechung am 21. 1. 1942. 141 Ebenda, Film 1737, AN WiRüAmt v. 10. 3. 1942. 142 Ebenda, Fall X I I (OKW-Prozeß), Nr. 109, Bl. 174, Dok. PS-1201, A N (WiRüAmt) üb. d. Vortrag Mansfelds am 19. 2. 1942, v. 20. 2. 1942. 143 Ebenda. 144 IMG, Bd. 26, S. 162, Dok. PS-580, RVfg. RMfdbO an die Reichskommissare Ostlaud und Ukraine, 6. 3. 1942.

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mit dev gesamten Kriegswirtschaft verbunden u n d insbesondere auf die Bedürfnisse der Rüstungsproduktion zugeschnitten; es war jedoch zugleich ein Politikum ersten Ranges — oblag ihm doch die Behandlung so brisanter Fragen wie des deutschen „Arbeitseinsatzes" einschließlich der Dienstverpflichtungen und einer möglichen Zwangsbeschäftigung f ü r nichtberufstätige Frauen, der Zwangsarbeitspolitik innerhalb Deutschlands und in allen besetzten Gebieten, der Arbeits- und Lebensbedingungen deutscher u n d ausländischer Arbeitskräfte, besonders der sogenannten Leistungssteigerung, aber auch der allgemeinen Lohnpolitik, der Rationierung usw. Es handelte sich u m eine zentrale Position des staatsmonopolistischen Gesamtsystems der faschistischen Diktatur. In dem Kampf um die Besetzung bzw. Kontrolle dieser Institution h a t t e derjenige die Wahrscheinlichkeit des Erfolges f ü r sich, der in der Kriegswirtschaft und der in der politischen Beeinflussung des Volkes die dominierende Position innehatte. Was Wirtschaft und Rüstungsproduktion anging, so war das das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition — besonders seit dem Ministerwechsel im Februar 1942. Was den politischen Aspekt der Arbeitskräftefrage betraf, so hielt die Nazipartei hier an ihrer Vorrangstellung fest. Bormann, Ley, Goebbels und Hitler selbst waren in ihrer Eigenschaft als Repräsent a n t e n der Partei an den Auseinandersetzungen um den ..Menschenkommissar" beteiligt. Die Wehrmachtfülirung und der Beauftragte f ü r den Vierjahresplan gingen, wie bei der Entscheidung über die gesamte Rüstungsorganisation, so auch in dieser Frage ohne Aussichten in das Rennen. Die Positionsschwäche von Werner Mansfeld war im wesentlichen ein Spiegelbild der geschwächten politischen Stellung Görings, war aber nebenher auch den f ü r Mansfelds Auftrag ungünstigen Umständen geschuldet, die während der sowjetischen Offensive u n d der ausgedehnten Rückzugsbewegungen der Wehrmacht an der Front und im Hinterland herrschten. Der Wechsel auf dem Posten des Reichsministers für Bewaffnung und Munition am 8. Februar 1942 erleichterte nicht nur die Ausstattung des Ministeriums mit erweiterten und neuen Machtbefugnissen, sondern führte auch beschleunigt zu Entscheidungen von weittragender Bedeutung auf dem Gebiet der Arbeitskräftepolitik. Die Bevollmächtigung Speers in dieser Frage geschah auf Anweisung Hitlers, formell aber durch eine Zusatzverfügung Görings zu seinem Erlaß vom 1. März, in dem er den neuen Minister zum „Generalbevollmächtigten f ü r Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan" (GB Rüst) ernannte. In der Verfügung erkläite Göring Speer für „berechtigt, die Führung ... in Fragen des Arbeitseinsatzes etc. f ü r die Rüstungs- und deren Unterbetriebe zu übernehmen und auch hier Weisungen zu erteilen". 1 4 5 Hiermit wurde die tatsächliche Rolle bestätigt, die der Munitionsminister bei der Einsetzung des GBA spielte. Zugleich kündigte sich in diesem Passus schon die Abhängigkeit an, in der sich der GBA später gegenüber dem Munitionsministerium und der mit ihm untrennbar verbundenen Rüstungsorganisation der Monopole befand. Aus politischen Gründen fiel die Wahl Hitlers u n d Speers schließlich auf einen Gauleiter. Die Berufung Sauckels 1 4 6 stellte, so gesehen, einen Kompromiß zwischen den wirtschaft145 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8442, Bl. 18 R, Göring an Speer u. Körner, 1. 3. 1942 (s. S. 64). 146 Soweit Hitler und Bormann an der Auswahl beteiligt waren, votierten sie vermutlich auch deshalb für Sauckel, weil sie diesem sich öfters seiner proletarischen Herkunft rühmenden Emporkömmling ein Äquivalent dafür bieten wollten, daß sie ein Jabr zuvor den Vorschlag abgelehnt hatten, ihn zu einem der künftigen Reichskommissare auf sowjetischem Boden zu machen; noch Ende Mai 1941 galt S. als — wenn auch „unsicherer" — Kandidat für die Ukraine

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liehen u n d den politischen Gesichtspunkten d a r , die die herrschende Klasse zu beachten h a t t e . Das letzte W o r t behielt sich Hitler vor, der entschied, d a ß der GBA sich in allen wichtigen politischen Fragen u n m i t t e l b a r an i h n wenden könne, während er es im übrigen als gegeben voraussetzte, d a ß , wie Sauckel sich noch J a h r e d a n a c h erinnerte, „ich dazu d a sei, f ü r Speer zu arbeiten, u n d d a ß ich hauptsächlich sein (Speers — D. E.) Mann sei". 1 4 7

d) Programm und Politik des GBA

1942

Die Einsetzung des GBA u n d seine enge funktionelle Bindung a n den GB R ü s t bzw. das Reichsministerium f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition u n d a n die Zentrale P l a n u n g gaben den deutschen Rüstungsgewaltigen das Mittel in die H a n d , eine einigermaßen geschlossene Konzeption f ü r die Lösung des Arbeitskräfteproblems in der Kriegswirtschaft zu entwickeln u n d durchzusetzen. I m F r ü h j a h r 1942 bildete sich diese Konzeption einerseits auf d e m H i n t e r g r u n d der verlustreichen Niederlage bei Moskau, andererseits auf d e m Boden eines — wenn auch n i c h t u n g e t r ü b t e n — militärischen Optimismus heraus, in dessen Licht die Aussichten einer erneuten deutschen Offensive im Osten sich rosig a u s n a h m e n ; ferner b e r u h t e sie auf der politisch f ü r wichtig gehaltenen Voraussetzung, d a ß d a s deutsche Volk — besonders die kleinbürgerlichen Massen u n d die besitzenden Schichten —, um seine Kriegsbejahung u n d Regimetreue zu stärken, möglichst vor radikalen Eingriffen in seine Lebensumstände, vor einer allzu offensichtlichen Verschlechterung seiner Arbeits- u n d Lebensbedingungen b e w a h r t werden müsse. U n t e r diesen U m s t ä n d e n k o n n t e es n u r eine Lösung g e b e n : Die u n u m g ä n g l i c h e n Ersatzansprüche der W e h r m a c h t m u ß t e n befriedigt w e r d e n ; der B e s t a n d a n deutschen gelernten Arbeitskräften war weitgehend zu sichern; den allgemeinen Ersatz- u n d Erweiterungsbedarf der Kriegswirtschaft an A r b e i t s k r ä f t e n sollte die m a s s e n h a f t e R e k r u t i e r u n g ausländischer, in erster Linie sowjetische' 1 Zwangsarbeiter gewährleisten. Die letztgenannte Aufgabe wurde z u m H a u p t b e t ä t i g u n g s f e l d des GBA. Inzwischen h a t t e das W e h r w i r t s c h a f t s - u n d R ü s t u n g s a m t des O K W errechnet, daß die „Forderungen der R ü s t u n g s p r o g r a m m e " , soweit bisher f ü r 1942 aufgestellt, zusätzlich 1,4 Mill. A r b e i t s k r ä f t e f ü r die R ü s t u n g s w i r t s c h a f t nötig m a c h t e n , von denen d a s A m t n u r 500000 f ü r sicher b e s c h a f f b a r hielt (jeweils die H ä l f t e zivile u n d kriegsgefangene sowjetische Zwangsarbeiter). 1 4 8 Nach der Einsetzung Sauckels war die B a h n f r e i f ü r eine b e d e u t e n d e Erweiterung u n d Verschärfung des Zwangsarbeitsregimes. Die koordinierte Politik von Speer u n d Sauckel „veränderte das P r o g r a m m der Ausländerarbeit grundlegend". 1 4 9 Von n u n a n wurden die Zwangsbeitreibung u n d A u s b e u t u n g ausländischer Arbeitskräfte in g r ö ß t e m Stil u n d u n t e r (ebenda, FS, Film 5474, AN (Großkopf, AA) üb. Sitzung im Außenpolitischen Amt d. N S D A P am 29. 5. 1941, v. 30. 5. 1941). 147 IMG, Bd. 3, S. 543, Dok. PS-3721, Vernehmung Sauckels v. 22. 9. 1945; s. a. ebenda, Bd. 32, S. 514 (engl.). — Hätte das Speer-Ministerium bereits die Machtfülle besessen wie anderthalb Jahre später, so wäre sicherlich für den GBA eine andere Organisationsstruktur gewählt und diese Institution eindeutiger dem Minister unterstellt worden. 148 ZStA Potsdam, FS, Film 1784, Ausarb. WiRüAmt v. 26. 3. 1942 (Stichtag: 1.3.1942). Eingeräumt wurde immerhin, daß 0,2 Mill. als Doppelzählung anzusehen seien. 149 Homze, S. 107.

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zentralisierter Organisation betrieben. Ohne diese Massenzwangsarbeit „ h ä t t e d e r deutsche Imperialismus seinen Krieg n i c h t lange fortsetzen können, n a c h d e m seine Blitzkriegsstrategie F i a s k o erlitten h a t t e . Durch dieses Verbrechen verlängerte er das Völkermorden und seine eigene E x i s t e n z . " 1 5 0 Der GBA t r a t a n die Stelle der bisherigen, nun aufgelösten Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz der Vierjahresplanorganisation u n d stützte sich auf den zentralen u n d regionalen B e h ö r d e n a p p a r a t des Reichsarbeitsministeriums, dessen H a u p t a b t e i l u n g e n I I I (Lohnpolitik) u n d V (Arbeitseinsatz) ihm u n m i t t e l b a r zur Verfügung gestellt wurden. Speer h a t t e f ü r ihn bei H i t l e r die Befugnis erwirkt, „auch in personeller H i n s i c h t Änderungen i m Reichsarbeitsministerium u n d in den nachgeordneten Stellen durch(zu)führen". 1 5 1 D a s geschah in vielen F ä l l e n ; besonders aus der H a u p t a b t e i l u n g VI ( E u r o p a - A m t f ü r Arbeitseinsatz) füllte Sauckel seinen K a d e r b e s t a n d auf. In den Gauen bestellte er die Gauleiter zu seinen Bevollmächtigten, sicherte sich d a m i t eine zusätzliche Kontrolle ü b e r die seinen Weisungen u n t e r w o r f e n e n Landesarbeitsämter u n d T r e u h ä n d e r d e r Arbeit u n d v e r s c h a f f t e sich Einfluß auf die T ä t i g k e i t auch der anderen regionalen Behörden. 1 5 2 Das Weisungsrecht in Arbeitskräftefragen gegenüber den Militärbefehlshabern u n d Okkupationsverwaltungen w u r d e ihm bereits a m 27. März d u r c h Erlaß Görings ü b e r tragen. 1 5 3 N a c h den ersten sechs Monaten seiner T ä t i g k e i t a b e r d r ä n g t e Sauckel — u n d m i t ihm Speer — auf „eine entsprechend scharfe Anordnung des Führers", deren E n t w u r f nach gemeinsamer Besprechung m i t Hitler sogleich aufgesetzt wurde. 1 5 4 So e n t s t a n d d e r Erlaß H i t l e r s v o m 30. September, der den GBA ausdrücklich ermächtigte, „nach seinem Ermessen im Großdeutschen Reich einschließlich des P r o t e k t o r a t s sowie im Generalg o u v e r n e m e n t u n d in den besetzten Gebieten alle M a ß n a h m e n zu treffen, die d e n geordneten Arbeitseinsatz f ü r die deutsche Kriegswirtschaft u n t e r allen U m s t ä n d e n gewährleisten", u n d in den okkupierten Ländern „bei den Dienststellen der Militär- u n d Zivilverwaltung B e a u f t r a g t e (zu) ernennen", die ihm u n m i t t e l b a r unterstellt waren. 1 5 5 Sauckels B e a u f t r a g t e in den besetzten L ä n d e r n 1 5 6 waren personengleich m i t den f ü r den „Arbeitseinsatz" zuständigen Abteilungs- oder Gruppenchefs der deutschen Okkupationsverwalt u n g e n ; u n t e r ihnen arbeiteten regionale Arbeitseinsatzreferate, beispielsweise in F r a n k reich u n d Belgien bei den Feld- u n d O b e r f e l d k o m m a n d a n t u r e n in den Provinzen b z w . Departements. 150 Drobisch/Eichholtz, S. 638. 151 Eichholtz, Vorgeschichte des GBA, S. 382, Dok. 8, Speer an Lammers, 23. 3. 1942. Zum Folgenden vgl. auch Seeber, S. 65 ff. 152 IMG, Bd. 32, S. 200 ff., Dok. PS-3352, „Anordnung Nr. 1 über Einsetzung der Gauleiter zu Bevollmächtigten für den Arbeitseinsatz in den Gauen", 6. 4. 1942. 153 RGBl. 1942 I, S. 180, „AO des BfV zur Durchführung des Erlasses des Führers über einen GBA", 27. 3. 1942. 154 FB, 20.-22. 9. 1942, Punkt 39. 155 IMG, Bd. 29, S. 94, Dok. PS-1903, „Erlaß des Führers zur Durchführung des Erlasses über einen GBA", 30. 9. 1942. 156 Ebenda, Bd. 41, S. 216f., Dok. Sauckel-13, „Erlaß des GBA über die Stellung der Beauftragten", 25. 10. 1942.

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„Ausnutzung

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der Arbeitskraft des Ostens"

Sauckels hauptsächliche Aufgabe bestand darin, „aus dem Osten soviel Menschen hereinzubringen, als überhaupt nur möglich ist". 157 Laut Hitler und Göring lag die „wichtigste Lösung", wie Sauckel verkündete, „in der Ausnutzung der Arbeitskraft des Ostens. Eine Million Russen müßten schnellstens in das Reich gebracht werden, und zwar so schnell, daß die Leistungen eines Teiles dieser Russen noch vor der Offensive zum Tragen gebracht werden könnten." 1 5 8 Zusätzlich sei er damit beauftragt worden, 400000 bis 500000 „Russinnen" nach Deutschland zu transportieren, die „nach Befriedigung des Bedarfes der Industrie" als Hausgehilfinnen tätig sein sollten. 159 Organisatorische Maßnahmen für die Zwangsrekrutierung in den besetzten sowjetischen Gebieten waren schon von Mansfeld getroffen worden. An sie knüpfte Sauckel vielfach an, indem er sich vor allem der „Arbeitseinsatz"dienststellen des Wirtschaftsstabes Ost und des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete bzw. der Reichskommissare bediente. Doch in seinen gewaltigen Ausmaßen und im forcierten Tempo unterschied sich das Sauckelsche Zwangsarbeitsprogramm wesentlich von dem vorausgegangenen. Auch der organisatorische Apparat nahm neue Dimensionen an. Zu den ersten Maßnahmen des GBA gehörten die erwähnte Aufstockung des Rekrutierungsprogramms von 627000 (Mansfeld) auf 1,4 bis 1,5 Millionen sowjetische Zwangsarbeiter (mit „Hausgehilfinnen"), die Verdoppelung der „Anwerbekommissionen" in dem besetzten sowjetischen Territorium, die Vorverlegung des zeitlichen Schwerpunkts der geplanten Verschleppungsaktion von der zweiten Jahreshälfte auf Mai/Juni 1942 und eine entsprechende Verdreifachung des vorgefundenen Transportprogramms bereits im April. 160 Es war den Beteiligten klar, daß unter solchen Auspizien auch die Handhabung der Zwangsrekrutierung ein neues Maß an Brutalität aufweisen und nackte Gewalt regieren würde. Hierauf orientierte Sauckel seinen Exekutivapparat von Anbeginn. Am 31. März, zehn Tage nach seiner Ernennung, richtete der GBA ein Schreiben an den Reichsminister f ü r die besetzten Ostgebiete und den Wirtschaftsstab Ost, in dem er forderte, „alle Möglichkeiten restlos zu erschöpfen, um schnellmöglichst und in größtmöglichstem Umfange zivile Arbeitskräfte aus den neu besetzten Ostgebieten dem Reiche zuzuführen". 1 6 1 E r kündigte die Verdoppelung und personelle Verstärkung der seit November/Dezember 1941 eingesetzten 24 „Anwerbekommissionen" an, die nun ihm unterstellt waren. 200 Beamte wurden zu diesem Zweck aus deutschen Arbeitsämtern rekrutiert, in „Sonderführer"uniformen gesteckt und nach Osten in Marsch gesetzt. 162 Aktiv beteiligte sich die Wehrmacht in den von ihr besetzten Gebieten an der Erfüllung des „Sauckel-Programms". So ordnete das OKH Anfang Mai an, „Mindestauflagen" f ü r 157 Z S t A P o t s d a m , F S , Film 10804, T B Goebbels, Eintr. v . 1. 4. 1942. 158 IMG, Bd. 36, S. 312, Dok. EC-318, Protok. d. Präsidentenbesprechung (LAÄ) beim G B A , 15. 4. 1942. 159 Ebenda, S. 314. 160 Müller, W e h r m a c h t und Okkupation, S. 178; IMG, B d . 25, S. 62 f., Dok. PS-016, „Programm" des G B A v. 20. 4. 1942. 161 IMG, Bd. 39, S. 495, Dok. U S S R - 3 8 2 . 162 Ebenda, S. 4 9 6 ; Müller, Wehrmacht und Okkupation, S. 1 7 9 f . ; Czollek, Faschismus und Okkupation, S. 153; Pfahlmann, S. 46. I m Juli 1942 waren die Anwerbekommissionen „rund 7 0 0 Mann" stark (IMG, Bd. 27, S. 119, Dok. P S - 1 2 9 6 , Bericht des G B A v . 27. 7. 1942 üb. „Einsatz fremdländischer Arbeitskräfte in Deutschland. Stand 27. 7. 1942").

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alle ländlichen Gemeinden festzusetzen; es seien besondere Maßnahmen der militärischen Stellen notwendig, da der in den Städten tätige Apparat der Arbeitseinsatzdienststellen des G B A nicht ausreiche. 1 6 3 Von den ersten Tagen an wandten die Menschenjäger des G B A gegen die sowjetische Zivilbevölkerung eindeutig als Verbrechen gegen die Menschlichkeit qualifizierte gewaltsame Methoden von außerordentlicher B r u t a l i t ä t an. 1 6 4 Wenn ein Kenner der Quellen wie Homze die Stirn h a t zu behaupten, „daß bis zum S o m m e r 1942 die russischen Arbeitskräfte Freiwillige waren" und daß g a r „die Partisanen ebenfalls für manchen Terror verantwortlich waren, der m i t der Rekrutierung verbunden war", 1 6 5 so zeugt das von antikommunistischer Verbohrtheit, die unentschuldbar ist. E n d e Mai, wenige Wochen vor Beginn der deutschen Sommeroffensive im Südteil der Ostfront, reiste Sauckel in die Ukraine. E r berichtete 1 6 6 optimistisch über die dortigen Arbeitskräfteressourcen und über den „außerordentlich zufriedenstellenden" Gesundheitszustand der Landbevölkerung, klagte aber über die „Knappheit an Verkehrsmitteln", über den Mangel an ausreichendem Menschentreiberpersonal und über den Eigennutz militärischer Stellen in bezug auf die Beschäftigung einheimischer Arbeitskräfte — „während, wie ausdrücklich bemerkt werden muß, Feldmarschall B o c k (Fedor v. B o c k , Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd — D. E.) seine vorbehaltlose Unterstützung zugesagt h a t und die nachgeordneten Dienststellen entsprechend angewiesen h a t " . Als erschwerend für die Zwangsrekrutierung mußte er allerdings auch den „Einfluß der Sowjetpropaganda" und die Partisanentätigkeit nennen. Aus den Städten seien die F a c h a r b e i t e r und die anderen zurückgebliebenen, vorwiegend weiblichen Arbeitskräfte, entweder bereits abtransportiert, beim Heer beschäftigt oder a b e r verschwunden. Dennoch könne die Erfüllung des GBA-Programms für die deutsche Landwirtschaft und Industrie „in der benötigten Anzahl von Menschen sichergestellt werden", allerdings überwiegend in Gestalt weiblicher Arbeitskräfte. „In der Hauptsache jedoch können nur noch Landarbeiter und Landarbeiterinnen in großem Maße nach Deutschland transportiert werden . . . E s ist Aufgabe der deutschen Rüstungsindustrie, sofort und m i t größter Energie die Voraussetzungen hierfür (Anlernmöglichkeiten, Umschulung usw. — D. E . ) zu schaffen." I m Gegensatz zu Mansfeld konnte sich Sauckel schon nach wenigen Monaten m i t Erfolgen brüsten. Unter seiner Leitung wurde das Zwangsarbeitssystem binnen kürzester Zeit auf eine „bisher n i c h t gekannte Stufe offener Massenversklavung" 1 6 7 gebracht und m i t immer rücksichtsloseren und brutaleren Methoden betrieben. Doch wäre es ganz falsch, hierin 163 Richtlinien für die Führung der Wirtschaft in den neubesetzten Ostgebieten (Grüne Mappe), T. 2, S. 143, Richtlinien OKH/GenStdH, 10. 5. 1942; Müller, Wehrmacht und Okkupation, S. 183. 164 So funkte die Abwehraußenstelle Kiev am 16. 4. 1942 oder früher an die Abwehrgruppe Süd (Wiln Süd): „Seit vier Tagen laufende Zwangsrekrutierung einheimischer Arbeitskräfte zum Einsatz in Deutschland erscheint als Bestätigung sowjetischer Propaganda. Wirkung: Vielfache Tarnung der betroffenen Kreise durch Unterschlupf in fremden Wohnungen. Flucht vieler Männer, geschätzt 5000, aufs Land. Dort Zulauf zu Partisanen wahrscheinlich . . ." (BA Koblenz, R 41/137, Wiln Süd an WiStab Ost, 16. 4. 1942). 165 Homze, S. 167. 166 ZStA Potsdam, FS, Film 57586, „Bericht des Gauleiters Sauckel üb. seine Reise in die Sowjetukraine in seiner Eigenschaft als GBA", 26.—31. 5. 1942. Hiernach auch das Folgende. 107 Müller, Wehrmacht und Okkupation, S. 175.

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einen Bruch in der faschistischen Zwangsarbeitspolitik zu sehen, wie es die Verfasser der meisten bürgerlichen Darstellungen tun, die d a m i t Sauckel und seine ausführenden Organe mit aller Verantwortung allein belasten, seine Auftraggeber und Hintermänner dagegen ungeschoren lassen. Einen grundlegenden Unterschied zwischen einer Periode der „freiwilligen" Ausländerarbeit bis 1942 und einer Periode der Zwangsarbeit seit 1942 konstruieren, heißt nicht nur die Tatsachen verfälschen, sondern auch den faschistisch-imperialistischen Charakter der deutschen Kriegsziele und der deutschen Kriegswirtschaft verschleiern. Ende Juli rühmte sich Sauckel, die ihm für das Jahr 1942 gestellte Aufgabe bereits in vier Monaten erfüllt zu haben. 168 1640000 ausländische Arbeitskräfte habe er nach Deutschland geschafft, davon 1301000 sowjetische Bürger, d. h. je Monat insgesamt 410000, je Woche etwa 94 000 Menschen. Tabelle 21 Nach Deutschland transportierte ausländische Zwangsarbeiter 1942 (in

Januar—März 1942 April Mai Juni Juli Insgesamt (April—Juli)

1000)

Deportierte ausländische Zwangsarbeiter

darunter Sowjetische Zwangsarbeiter

davon Sowjetische Kriegsgefangene

400 286 447 437 469

64* 174 344 371 412

138 43 54 38 86

1639

1301

221

* Nur zivile sowjetische Arbeitskräfte: 1941 bis März 1942 Quelle: Errechnet nach: IMG, Bd. 27, S. 116, Dok. PS-1296, Bericht d. GBA v. 27.7. 1942; ebenda, S. 581f., Dok. PS-1739, GBA-"Berichtüb. d. Arbeitseinsatz im Jahre 1942" v. 23.12.1942.

Die sowjetische Bevölkerung überwand im Laufe dieser bedrückenden Monate den ersten Schock der Menschenjagden und Massenverschleppungen und setzte sich zunehmend wirksamer zur Wehr; davon zeugten Sauckels Klagen über die „Hindernisse, die sich aus dem passiven und offenen Widerstand, aus dem Mißtrauen der vom Bolschewismus verseuchten Bevölkerung und aus der planmäßig durchgeführten Gegenpropaganda ergaben. Besonders verschärft wurden die Schwierigkeiten durch die immer mehr um sich greifende Partisanentätigkeit." Deutlich abgeflaut war der Optimismus des GBA in seinen Berichten vom 1. und 23. Dezember 1942 (mit dem Stand vom 30. November bzw. von Ende Dezember). 169 Er wies darin keine detaillierten, nach Monaten und Nationalitäten aufgegliederten Zahlen mehr aus und zählte dafür um so ausführlicher die „Schwierigkeiten" der Zwangsaushebungen 168 IMG, Bd. 27, S. 115 ff., Dok. PS-1296, Bericht d. GBA v. 27. 7.1942. Hiernach auch das Folgende. — Das RMfBuM bestätigte das: „Zahlenmäßig ist also die im 1. Halbjahr durch Einberufungen entstandene Lücke geschlossen worden." (BA Koblenz, R 41/141, Statist. Ausarb. RMfBuM (RüAmt), 19. 9. 1942). 169 IMG, Bd. 27, S. 573 ff. u. S. 578 ff. Dok. PS-1739, Hiernach auch das Folgende. 15 Eichholtz II

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auf. Der Grund war der einschneidende Rückgang der „Erfolge" auf seinem Hauptbetätigungsfeld, nämlich in den besetzten sowjetischen Gebieten. Das Gesamtergebnis der fünf Monate von August bis Dezember war gegenüber dem der voraufgegangenen vier Monate auf 77 Prozent abgesunken, und auch dieses Resultat hatte er nur durch zusätzliche Deportationen aus anderen Ländern erzielen können; war doch das Ergebnis auf besetztem sowjetischen Territorium auf 44 Prozent (bei zivilen Arbeitskräften auf 3 i Prozent) zurückgegangen! Tabelle 22 Nach Deutschland deportierte sowjetische Zwangsarbeiter 1941/1942 (in 1000) Zivile Sowjetische sowjetische Kriegsgefangene Zwangsarbeiter Bis 31. März 1942 1. April—31. Juli 1. August—31. Dezember

64

1080 336

138* 221 235

* Nur Januar bis März 1942 Quelle: s. Tabelle 21

Die sinkende Tendenz war unübersehbar. Sie bewog den GBA, seit Ende 1942 zunehmend auf „eine pflegliche Behandlung der fremden, also auch selbst (! — D. E.) der sowjetrussischen Arbeitskräfte" zu drängen, wozu „vor allem auch die kalte Vernunft zwinge". 170 Nur so erbrächten sie „der deutschen Kriegswirtschaft den höchsten Nutzeffekt" und könnten „auf einem solchen Leistungsstand andauernd erhalten werden". 171 Je größere Ausmaße nämlich die Beschäftigung von Zwangsarbeitern, vor allem von sowjetischen, annahm, desto brutaler und entwürdigender behandelte sie das Regime. Die neuen Dimensionen des Zwangsarbeitsregimes ließen die Methoden ihrer Ausbeutung und Diskriminierung für die Faschisten zu einem innenpolitischen Problem ersten Ranges werden. Die deutsche Bevölkerung, besonders die Werktätigen in Industrie und Landwirtschaft, sollten mit den Ausländern arbeiten, sich zugleich aber als Angehörige des Siegervolks und der „Herrenrasse" fühlen und aufführen. Den Zwangsarbeitern war der Status der Arbeitssklaven und „Untermenschen" zugewiesen; damit geriet die Arbeit selbst, zumindest die schwere, schmutzige, eintönige, in Gefahr, als Makel für einen Deutschen zu gelten — ein von den Ausbeutern unbeabsichtigter Effekt. Die realen Widersprüche, die in dieser Situation lagen, waren f ü r den deutschen Imperialismus letzten Endes unlösbar, zumal die „Fremdarbeiter" für ihn nicht nur ein notwendiges Zubehör seiner Kriegswirtschaft waren, sondern ihre Ausbeutung einen untrennbaren Bestandteil seines hauptsächlichen Kriegsziels darstellte: sich die Völker Europas und der UdSSR zu unterwerfen und in sein System der Weltherrschaft zu integrieren. 170 Ebenda, S. 588, Dok. PS-1739, Rede d. GBA auf d. Reichs- und Gauleitertagung in Posen am 5./6. 2. 1943. 171 Ebenda, S. 577, Dok. PS-1739, Bericht d. GBA v. 1. 12. 1942.

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Daher bewegte sieh die deutsche Zwangsarbeiterpolitik in den besetzten Gebieten wie auch innerhalb Deutschlands in einem ständigen Dilemma. Sie schwankte zwischen dem — weitestgehend ausgeführten — Vorsatz, das Leben der Zwangsarbeiter auf ein Gefangenen- und Hungerdasein unter dem Druck allgegenwärtigen Terrors und voller entwürdigender Diskriminierungen zu reduzieren, und Versuchen, ihre Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft durch Anhebung der Hungerrationen, durch Verzicht auf verschiedene Diskriminierungsmaßnahmen und durch differenzierte Zuwendungen unterschiedlicher Art zu heben. Die Politik des GBA war von Anfang an durch diese Widersprüche gekennzeichnet. Allerdings herrschten 1942 mit großer Ausschließlichkeit Terror und Diskriminierung vor, die man, des „Endsieges" und unerschöpflicher Arbeitskräfteressourcen insbesondere in der U d S S R sicher, ohne Rücksicht auf Verluste handhaben zu können glaubte. Im Jahre 1942 belief sich die Zahl der ins Reich transportierten ausländischen Zwangsarbeiter insgesamt auf 3,3 Millionen — eine Zahl, die in dieser Höhe in keinem anderen Kriegsjahr erreicht wurde. Über 60 Prozent von ihnen waren Bürger der Sowjetunion. Tabelle 23 Nach Deutschland verschleppte ausländische Zwangsarbeiter 1942 (in 1000) Insgesamt deportiert

davon in Prozent Sowjetische Zwangsarbeiter

Januar—März April—Juli August—Dezember

400 1640 1260

ca. 180 1301 571

ca. 45 79 45

Insgesamt

3300

ca. 2 050

ca. 62

Quelle: s. Tabelle 21; IMG, Bd. 27, S. 598, Rede des GBA am 5./6. 2. 1943. - Teilweise irrtümliche Ziffern und Daten bei Homze, S. 144 u. S. 152; DZW, Bd. 2, S. 315. Ende 1942 arbeiteten über 5,7 Millionen zivile ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Deutschland. 172 Unter Sauckel setzten es die Rüstungsgewaltigen endgültig durch, daß die ausländischen Zwangsarbeiter vorrangig der Rüstungsindustrie zugeführt wurden. Nach GBA-Erlassen vom 18. und 23. Mai 1942 waren mindestens 75 Prozent, nach späteren Erlassen und Programmen zeitweise sogar sämtliche sowjetischen Zwangsarbeiter in die Rüstung zu stecken. 173 Von der Zahl der von April bis Dezember in Deutschland neu beschäftigten ausländischen Zwangsarbeiter gingen annähernd 80 Prozent in die Industrie (Rüstungsproduktion, Bergbau, Bauwirtschaft). 174 Wenn unter dem GBA das Zwangsarbeitsregime neue Dimensionen annahm, so bewirkten das seine bedeutenden Vollmachten, die für den deutschen Imperialismus kurzfristig günstigeren politischen und militärischen Bedingungen, seine enge funktionelle Verflechtung mit dem Munitionsministerium und der Zentralen Planung und seine politische 172 IMG, Bd. 27, S. 595, Dok. PS-1739, Rede d. GBA am 5./6. 2. 1943. 173 Pfahlmann, S. 130. 174 IMG, Bd. 27, S. 574 u. S. 577, Dok. PS-1739, Bericht d. GBA v. 1. 12. 1942. 15*

Die Arbeitskräfte Situation

210

Durchschlagskraft. Sauckel profitierte fernerwesentlich davon, daß die sowjetische Winteroffensive im März/April zu Ende ging, daß die Frontlage und die Transportsituation sich zeitweilig stabilisierten und daß die Wehrmacht seit Ende Juni, im Laufe ihrer Sommeroffensive, den übrigen Teil der Ukraine besetzte und weiter bis zum Don, zur Wolga und zum Kaukasus vorrückte.

Mobilisierung von Frauen und Jugendlichen Anders als auf dem Gebiet der Zwangsarbeitspolitik änderte sich mit der Einsetzung des GBA auf dem deutschen Arbeitsmarkt nichts Wesentliches. Die stärkere Mobilisierung der nichtarbeitenden deutschen Bevölkerung, besonders der Frauen, ging auch unter Sauckel nur zögernd voran, obwohl die Wehrmacht und maßgebliche Kreise der Wirtschaft darauf drängten. Die zuständigen Behörden verfolgten hierbei nach wie vor einen vorsichtigen Kurs. 175 Obwohl man auf direkte Zwangsmaßnahmen gegenüber nichtarbeitenden Frauen verzichtete, nahmen im Laufe der J a h r e 1941 und 1942 einige hunderttausend Frauen eine Arbeit auf, teilweise wohl auf Grund der wiederholten Appelle der NSDAP, der NS-Frauenschaft, des OKW und anderer faschistischer Institutionen und Presseorgane. Damit war das Potential der deutschen Frauen, die sich freiwillig bzw. unter moralischem und politischem Druck zur Arbeit in der Kriegswirtschaft bereitfanden, offensichtlich im wesentlichen erschöpft. Tabeüe 24 Weibliche deutsche Arbeitskräfte 1939-1943 (jeweils 31. Mai, Vorkriegsdeutschland; in 1000) 1939 1940 1941 1942 1943

14626 14386 14167 14437 14806

Quelle: The Effects, S. 205, Tab. 4.

Insgesamt rechnete der GBA f ü r April bis Dezember 1942 an deutschen Arbeitskräften, die er der Kriegswirtschaft „neu zur Verfügung gestellt" habe, 1,125 Millionen ab. 176 In der Landwirtschaft wurden schon seit Jahr und Tag viele Zehntausende weibliche und 175 Nach der erstmaligen marxistischen Untersuchung der Frauenarbeit im Krieg in Band / , S. 79ff., sind eine Reihe weiterführender und umfassenderer Arbeiten erschienen, so dafi auf eine ausführliche Behandlung des Themas in diesem Band verzichtet werden kann. Siehe besonders (mit weiteren Literaturangaben) Arendt, Hans-Jürgen, Zur Frauenpolitik des faschistischen deutschen Imperialismus im zweiten Weltkrieg, in: JfG, 1982, Bd. 26, S. 299ff. (305ff.) (im folgenden: Zur Frauenpolitik); ders., Grundzüge der Frauenpolitik des faschistischen deutschen Imperialismus 1933—1939, ebenda, Bd. 24, S. 313 ff. Siehe auch DZW, Bd. 2, S. 313 ff. 176 ZStA Potsdam, FS, Film 3386, GBA-„Übersicht über die der deutschen Kriegswirtschaft in der Zeit vom 31. März 1942 bis 30. September 1944 neu zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte", 30. 9. 1944.

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männliche Reichsarbeitsdienstpflichtige, „Pflichtjahrmädchen", Landjahrpflichtige und Angehörige des Landdienstes der Hitlerjugend und Schüler länger- oder kürzerfristig und ohne festen Arbeitsvertrag zur Arbeit eingesetzt. 177 Im F r ü h j a h r 1942 brachten Behörden und Nazipartei System in die Landarbeit der nicht ständig beschäftigten Landbevölkerung und der Schuljugend. Hier sahen sie eine Möglichkeit, die Arbeitskräftebilanz zugunsten der Rüstungsindustrie zu entlasten. Am 7. März 1942 erschien die „Verordnung über den Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte f ü r die Ernährungssicherung des Deutschen Volkes" 178 , Göring-Verordnung genannt, die bereits eine Art „totale" Mobilisierung deutscher Arbeitskräfte f ü r die Landwirtschaft vorsah. Ihre Urheber hofften, damit „alle in den Dörfern und in den Landstädten noch vorhandenen Reserven an landarbeitskundigen und landarbeitsfähigen Kräften zu mobilisieren". 179 Nach der Göring-Verordnung konnten, wann immer der Ortsbauernführer es f ü r erforderlich hielt, Männer und Frauen, Jugendliche und alte Leute aus den Landstädten und Landgemeinden — Personen, die er „im Einvernehmen mit dem Bürgermeister und dem Ortsgruppenleiter der Partei" selbst vorschlug — von den Arbeitsämtern „auf begrenzte Zeit" zu beliebigen landwirtschaftlichen Arbeiten zwangsverpflichtet werden. „Der jeweilige Arbeitsplatz wird durch den Ortsbauernführer bestimmt." Während der Ernte 1942 arbeiteten mehrere hunderttausend solcher—vornehmlich weiblichen — Zwangsverpflichteten auf dem Lande. 180 Der GBA erließ am 11. April eine „Anordnung über den Kriegseinsatz der Jugend" 1 8 1 , nach der der „auswärtige und langfristige, örtliche Einsatz" in der Landwirtschaft f ü r Schüler der Klassen 5 und 6 und Schülerinnen der Klasse 7 klassenweise „in der Zeit vom 15. April bis 15. November zeitweilig oder ununterbrochen je nach den landwirtschaftlichen Bedürfnissen" vorgesehen war. Über die Dauer des Einsatzes bzw. der Schließung der Schulklassen entschied der Gauleiter. Zu einem „kurzfristigen örtlichen E i n s a t z . . . an ihrem Wohnort oder in benachbarten Orten" konnten alle Schüler und Schülerinnen vom vollendeten 10. Lebensjahr an bis zur 6. bzw. 7. Klasse herangezogen werden.

e) Lebens- und Arbeitsbedingungen der sowjetischen Zwangsarbeiter Der Charakter des Krieges gegen die UdSSR als eines Klassenkrieges zeigte sich mit aller Schärfe an der Einstufung der sowjetischen Zwangsarbeiter in der Skala der Zwangsarbeit und an den Bestimmungen über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen. Ihre Behandlung war grundsätzlich an dem fratzenhaften Feindbild der „bolschewistischen Untermenschen" und der „entmenschten asiatischen Horden" 1 8 2 orientiert, das imma177 Lehmann, Joachim, Zur Mobilisierung deutscher Arbeitskräfte für die Landwirtschaft in den Jahren 1942—1945 (im folgenden: Mobilisierung), in: WZ Universität Rostock, Ges.- u. sprachM'iss. Reihe, H. 9/1974, S. 557 ff. - Im Sommer 1942 waren allein 160000 „Pflichtjahrmädchen" in der Landwirtschaft eingesetzt (ebenda, S. 558). 178 RGBl. 19421, S. 105f.; hiernach auch das Folgende. 179 Nationalsozialistische Landpost, 20. 3. 1942; zit. nach Lehmann, Mobilisierung, S. 552. 180 Die unsicheren Zahlenangaben analysiert Lehmann, Mobilisierung, S. 553 f. 181 IMG, Bd. 41, S. 223f., Dok. Sauckel-67a. 182 ZStA Potsdam, FS, Film 10869, Bekanntmachung des Betriebsführers des MesserschmittKonzerns (und VAR der Messerschmitt AG), Theo Croneiß, in der Betriebszeitung am 9. 3. 1942.

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Die Arbeitskräftesituation

nenter Bestandteil der faschistischen Ideologie war und seit dem 22. J u n i von offizieller S e i t e systematisch und umfassend verbreitet wurde. Der barbarische Terror und die unmenschliche Diskriminierung der sowjetischen Zwangsarbeiter, die bald zum Alltag des Arbeitslebens in der deutschen Kriegswirtschaft gehörten, wurden gegenüber der Öffentlichkeit auf diese Weise ideologisch-propagandistisch abgestützt. Angesichts der Erörterungen und Anordnungen der faschistischen Machtorgane über die Unterkunft, Bewachung und sonstige Behandlung der sowjetischen Zwangsarbeiter erwies sich die faschistische Rassenideologie deutlich als das, was sie ihrem Wesenskern nach war: eine W a f f e der reaktionärsten und aggressivsten Elemente der deutschen imperialistischen Bourgeoisie in ihrem Kampf gegen Arbeiterbewegung, Demokratie und Sozialismus, um die ungehinderte Ausbeutung und Unterdrückung der Welt. Ideologie und Praxis reflektierten die unauslöschliche F u r c h t der Faschisten vor ihrem unbeugsamsten Gegner, eine F u r c h t , wie sie sich ähnlich, freilich in anderen Maßstäben, in d e r Behandlung der politischen Häftlinge in den Konzentrationslagern manifestierte. Zugleich offenbarte sich darin die unbändige Gier des Kapitals nach Profit, der nach den Absichten der deutschen Imperialisten durch keinerlei nennenswerte Entlohnung, B e köstigung, Bekleidung usw. geschmälert werden sollte. Schließlich lag es, wie Heydrich sich ausdrückte, „im Reichsinteresse, wenn ... die Arbeiter der verbündeten und befreundeten Nationen langsam in ihre Heimat zurückkehrten und dafür ein verstärkter Arbeitseinsatz von russischen Arbeitern erfolge. Bezüglich der Behandlung der russischen Arbeiter m ü ß t e keinerlei politische Rücksichtnahme geübt werden." 1 8 3

Isolierung

und politische

Quarantäne

Die „Einsatzbedingungen" sowjetischer Kriegsgefangener waren schon im S o m m e r 1941 Gegenstand von Erörterungen und Beschlüssen gewesen. In Görings Richtlinien vom 7. November wurden sie noch einmal zusammengefaßt. E i n vordringliches Interesse galt der politischen Isolierung der Gefangenen: „Keine Berührung m i t deutscher Bevölkerung, v o r allem keine .Solidarität'. Deutscher Arbeiter ist grundsätzlich Vorgesetzter der Russen."184 W a r für die Behandlung der Kriegsgefangenen in erster Linie die W e h r m a c h t verantwortlich, so verfügte über die Geschicke der zivilen sowjetischen Arbeitskräfte in Deutschland von Anfang an die faschistische Polizei. „Die russischen Arbeiter", so legte Heydrich als Stellvertreter Himmlers und Chef des Reichssicherheitshauptamtes Anfang Dezember 1941 auf einer Ressortbesprechung der zentralen Instanzen die von den faschistischen Sicherheitsbehörden grundsätzlich verfolgte Linie dar, „werden im Reich als Zivilgefangene unter Bewachung in Lagern gehalten, sie werden auch nicht in Rußland angeworben, sondern zwangsmäßig ins R e i c h ü b e r f ü h r t . " 1 8 5 Am 20. F e b r u a r 1 9 4 2 erließ Himmler, Reichsführer-SS und Chef der deutschen Polizei, die berüchtigten „Allgemeinen Bestimmungen über Anwerbung und Einsatz von Arbeits183 Ebenda, Fall X I , Nr. 373, Bl. 53, Dok. NG-3347, AN Ausw. Amt üb. eine „Sitzung aller beteiligten Ressorts" unter Heydrich am 3. 12. 1941, v. 4. 12. 1941. 184 IMG, Bd. 27, S. 67, Dok. PS-1206. 185 Wie Anm. 183.

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kräften aus dem Osten". Diese Bestimmungen und der dazugehörige Runderlaß 186 kodifizierten die sklavenähnliche Existenz der sowjetischen Zwangsarbeiter und begründeten sie im faschistischen Jargon: „ F ü r die gesamte Behandlung dieser Arbeitskräfte ist ausschlaggebend, daß sie jahrzehntelang unter bolschewistischer Herrschaft gelebt haben und systematisch zu Feinden des nationalsozialistischen Deutschlands und der europäischen Kultur erzogen worden sind." In den „Auffanglagern" für die Zwangsarbeitertransporte aus der Sowjetunion wüteten, ganz wie in den Kriegsgefangenenlagern, Sonderkommandos der S S „mit dem Ziel, die als besonders gefährliche Elemente in Erscheinung tretenden Personen vom Arbeitseinsatz im Reich auszuschalten". Die auf diese Weise Ausgesonderten wurden, soweit nicht sogleich exekutiert, als sichere Todeskandidaten zur „Sonderbehandlung" in Konzentrationslager eingeliefert. Die übrigen Arbeitskräfte kamen in Massenlager „mit einer zweckentsprechenden, möglichst mit Stacheldraht versehenen Umzäunung". Sie lebten fortan „dauernd unter Bewachung". Das Lager durfte nur zur Arbeit verlassen werden. „Dementsprechend spielt sich die gesamte Freizeit im Lager ab." Außerhalb des Lagers durften sich die Zwangsarbeiter „nur in geschlossenen Kolonnen" bewegen und waren gemäß den Bestimmungen „streng von der deutschen Bevölkerung, ausländischen Zivilarbeitern und allen Kriegsgefangenen abzusondern". (Allgemeine Bestimmungen) Das galt prinzipiell auch für die Zeit am Arbeitsplatz. „ E s kommt darauf an, ein Eindringen kommunistischen Gedankengutes in die deutsche Bevölkerung durch Unterbindung jedes nicht unmittelbar mit der Arbeit zusammenhängenden Umganges zu verhindern und nach Möglichkeit jede Solidarität zwischen deutschen Menschen und den Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet zu vermeiden." (Runderlaß) Während der Arbeit war allerdings vielfach nicht zu verhindern, daß deutsche und sowjetische Arbeitskräfte zusammenwirkten. In dem Erlaß bezeichnete Himmler es daher als dringend erforderlich, „den deutschen Arbeiter in seiner Stellung so hervorzuheben, daß er trotz seiner Mitarbeit als Vorgesetzter und Aufsichtsperson in Erscheinung tritt und bei ihm ein Solidaritätsgefühl mit diesen Arbeitskräften möglichst nicht entstehen kann". Nichts fürchteten die Faschisten so sehr wie die Klassensolidarität zwischen deutschen Arbeitern und sowjetischen Zwangsarbeitern. Die Betriebe wären, so hieß es in diesem Zusammenhang, „über die Notwendigkeit und die verschiedenen Möglichkeiten der Hervorhebung des deutschen Menschen zu belehren". Am Arbeitsplatz seien zur Bewachung „deutsche Werkmeister, Vorarbeiter, Arbeiter mit heranzuziehen, mit Aufsichtsfunktionen . . . zu versehen und in dieser Eigenschaft durch eine vom Betrieb zu beschaffende Armbinde mit der Aufschrift ,Werkschutz' kenntlich zu machen". (Allgemeine Bestimmungen) Angestrengt arbeitete die faschistische Polizei daran, ein dichtes Spitzelnetz zu schaffen; es sei „unbedingt ein besonders intensiver exekutiver Nachrichtendienst innerhalb dieser Arbeitskräfte aufzubauen", so hieß es in dem Erlaß, „wobei ein besonderes Augenmerk auf die Verbreitung kommunistischen Gedankengutes und die Gefahr von Sabotagehandlungen zu richten ist". Eine Gegenwehr von sowjetischen Arbeitern sei mittels „Sonderbehandlung" zu brechen. 186 Die „Allgemeinen Bestimmungen ..." (ZStA Potsdam, F S , Film 1737; knappe Auszüge in IMG, B d . 41, S. 214 ff., Dok. Sauckel-6) waren die Anlage zu Himmlers Runderlaß v o m gleichen D a t u m betr. „ E i n s a t z von Arbeitskräften aus dem Osten" (IMG, B d . 31, S. 500ff., D o k . P S - 3 0 4 0 ; hier ohne Anlage abgedruckt). Zitierungen im folgenden nach beiden Dokumenten.

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Die Arbeitskräftesituation

„Die Sonderbehandlung erfolgt durch den Strang." Ihr habe zur Abschreckung „eine gewisse Anzahl von Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet" beizuwohnen (Runderlaß). 187 Dieses Grundsatzdokument faschistischer Barbarei und schamlosester Ausbeutung war nicht die Ausgeburt allein der SS-Ideologie, kein Produkt eines unerklärlichen Rassenwahns. Aus unserer Analyse geht deutlich hervor, daß sich darin das Ergebnis monatelanger Diskussionen in Kreisen der Monopole, der Wehrmacht, der Ministerien und führender staatsmonopolistischer Institutionen, der Sicherheitsbehörden und der Institutionen der faschistischen Partei niederschlugen. Im Prinzip blieben die politische Linie des Dokuments und die in ihm enthaltenen Rahmenvorschriften für die Behandlung ziviler sowjetischer Zwangsarbeiter 1 8 8 bis gegen Kriegsende in Kraft, wenn auch die Erfordernisse einer effektiven Produktion und der rapide zunehmende Widerstand gegen die Zwangswerbungen bald gewisse Modifikationen eintreten ließen. 189

Ernährung Bald nachdem Göring in seinen Richtlinien vom 7. November 1941 unter dem Vorwand der „Genügsamkeit" der sowjetischen Menschen die „Schaffung eigner Kost (Katzen, Pferde)" 1 9 0 f ü r sie gefordert hatte, beschäftigte sich der Reichsernährungsminister gemeinsam mit Vertretern des OKW, des Reichsarbeitsministeriums und anderen ausführlich mit ihrer Ernährung. 1 9 1 Die Verhandlungen in diesem Gremium erweckten den Eindruck, als wollte man die sowjetischen Zwangsarbeitskräfte möglichst ganz ohne Verpflegung ausbeuten. Staatssekretär Backe erklärte, die Lebensmittellage erlaube eigentlich überh a u p t keine Beschäftigung von sowjetischen Arbeitskräften, und „begründete" damit seine Forderung, an sie n u r Pferde- und Freibankfleisch und anstelle von Brot sogenanntes Russenbrot — aus 50 Prozent Roggenschrot, 20 Prozent Zuckerrübenschnitzeln, 20 Prozent „Zellmehl" (Sägespäne) und 10 Prozent Strohmehl oder Laub — auszugeben; er dachte ihnen „vorab . . . sieben Mehlsuppentage" zu. Entsprechend den Beschlüssen dieser Beratung wurden in den folgenden Wochen die Rationssätze f ü r sowjetische Kriegsgefangene festgesetzt, die auch f ü r zivile sowjetische 187 Himmlers Runderlaß enthielt den berüchtigten Passus über die Todesstrafe bei Geschlechtsverkehr mit Deutschen: „Für jeden Geschlechtsverkehr mit deutschen Volksgenossen oder Volksgenossinnen ist bei männlichen Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet Sonderbehandlung, bei weiblichen Arbeitskräften Einweisung in ein Konzentrationslager zu beantragen." 188 Weiter ausgearbeitet bsd. in dem „Muster einer Dienstvorschrift über die Behandlung in Lagern untergebrachter Ostarbeiter" (Entwurf) v. 18. 7. 1942 (ZStA Potsdam, FS, Film 1737). Zur Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen grundlegend Streit, S. 249 ff. und passim. 189 So wurde gemäß (erstem) Nachtrag zu Himmlers „Allgemeinen Bestimmungen ..." auf den Stacheldraht verzichtet, vorausgesetzt, daß die Lagerumzäunung hoch genug war, um Fluchtversuche und Kontakte mit der Bevölkerung zu verhindern; die Vorschriften über den Kolonneneinsatz wurden gelockert; Z wangsarbeiterfamilien sollten in den Lagern nicht mehr auseinandergerissen werden (ebenda, Nachtrag v. 9. 4. 1942). 190 IMG, Bd. 27, S. 67, Dok. PS-1206. 191 Ebenda, Bd. 39, S. 446ff., Dok. USSR-177, AN BfV v. 29. 11. üb. Sitzung im RMEL am 24. 11. 1941. Hiernach auch das Folgende.

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Zwangsarbeiter gelten sollten. Man einigte sich auf wöchentliche Rationen von 2600 g Brot (aus 72 Prozent Roggenschrot und 28 Prozent Zuckerrübenschnitzeln), 250 g Pferdeoder Freibankfleisch, 130 g Fett, 150 g Nährmittel, 70 g Zucker, 3 0 0 0 g Kartoffeln, 21/31 Magermilch und, als Hauptnahrung, 16,5 kg Kohlrüben (die allgemein gar nicht rationiert waren). Schwerarbeiter erhielten außer 155 g Zucker lediglich 21 kg Kohlrüben als Zulage. 1 9 2 Ein französischer Kriegsgefangener erhielt demgegenüber als Schwerarbeiter 1550 g Brot, 427 g Fleisch und 213 g F e t t mehr pro Woche (nach der allgemeinen Rationenkürzung vom 6. April 1942 nurmehr 800 g Brot, 350 g Fleisch und 176 g F e t t mehr). 1 9 1 Die Wochenration für sowjetische Arbeitskräfte enthielt nach eigenen Berechnungen der Faschisten nur knapp 60 g Eiweiß und 25 g Reinfett. 1 9 4 Die Auswirkungen dieser Ernährungsweise, mit der die Faschisten ihre Vernichtungsabsicht gegenüber den Sowjetmenschen offen kundgaben, waren verheerend. Von den Rüstungsinspektionen und Arbeitsämtern kamen eine Flut dringender Klagen. Rüstungsfirmen wie Krupp beschwerten sich, als der Hunger innerhalb weniger Wochen die begehrten sowjetischen Facharbeiter in großer Zahl arbeitsunfähig gemacht hatte. „Von unseren russischen Kriegsgefangenen", so meldete die Fried. K r u p p A G Anfang April, „sind bereits über 30 v. H. infolge ungenügender Ernährung arbeitsunfähig und 12 schon im L a g e r gestorben. ... B e i den zivilen russischen Arbeitern, die — mit wenigen Ausnahmen — in einem ausgezeichneten Gesundheitszustand hier ankamen, machen sich bereits ebenfalls schon die typischen Hungerödeme bemerkbar." 1 9 5 „Wir haben fast täglich Fälle", berichtete ein Hildesheimer Rüstungsbetrieb, „daß durchaus arbeitswillige Ukrainer an der Maschine ohnmächtig zusammenbrechen." 1 9 6 Die Ruhrkonzerne waren sich darüber einig, „daß mit den derzeitigen Verpflegungssätzen eine zufriedenstellende Arbeitsleistung nicht möglich ist. ... E s steht zu hoffen, daß die Berliner Ämter sich von der Unhaltbarkeit des Zustandes überzeugen lassen. Unter den heutigen Umständen hat es wenig Sinn, die Russen nach dem Westen zu bringen." 1 9 7 Ausdrücklich verwahrten sich zahlreiche Rüstungsbetriebe gegen den möglichen Vorwurf der „ S e n t i m e n t a l i t ä t " ; sie machten ihre Vorschläge, die Rationen aufzubessern, „lediglich zu dem Zweck ..., aus den zweifellos tüchtigen und brauchbaren ukrainischen Arbeitskräften die höchstmögliche Leistung herauszuholen". 1 9 8 Die Reichsgruppe Industrie trug das Anliegen der Gesamtindustrie bereits a m 5. März vor. Die Minderernährung der sowjetischen Arbeitskräfte möge, so räumte sie ein, „ a u s politischen Gründen erwünscht" sein; aber vom „Standpunkt des Arbeitseinsatzes" aus, „der nach L a g e der gegenwärtigen Verhältnisse u. E. nicht weniger berücksichtigt werden darf, erscheint die Gestaltung der Verpflegung nicht zweckmäßig, da statt einer Leistungssteigerung eine Leistungsminderung erreicht wird, die im Hinblick auf das Endziel nicht 192 Ebenda, S. 448 (Tabellensätze in Kraft ab 4. 12. 1941); BA Koblenz, R 13 XX/40, H. 1, Rs. RMEL v. 10. 12. 1941. 193 ZStA Potsdam, FS, Film 1737, AN WiRüAmt v. 10. 3. 1942; ebenda, Chef OKW an GBA, 25. 3. 1942. 194 IMG, Bd. 39, S. 448, Dok. USSR-177. 195 ZStA Potsdam, FS, Film 1737, Fried. Krupp AG an Rüln VI (Münster), 2. 4. 1942. 196 Ebenda, Elfi (Elektro- und Feinmechanische Industrie GmbH), Hildesheim, an RArbM, 22. 4. 1942. 197 BA Koblenz, R 13 1/373, Protok. d. Sitzg. d. Beirats der Bezirksgruppe Nordwest der Wigru E s l v. 31. 3. 1942. 198 ZStA Potsdam, FS, Film 1737, Elfi, Hildesheim, an RArbM, 22. 4. 1942.

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vertretbar ist". 199 Das OKW warf hierauf sein Gewicht in die Waagschale und forderte mit massiven Argumenten Ernährungszulagen für sowjetische Schwerarbeiter: „Die Begriffe,Arbeit', ,Schwerarbeit' und Schwerstarbeit' müssen von der völkischen Zugehörigkeit losgelöst objektiv betrachtet werden als Umsatz von Kalorien in Muskelkraft. Es ist ein Trugschluß, daß man mit 200 ungenügend ernährten Menschen dieselbe Arbeitsleistung vollbringen könne wie mit 100 vollernährten. Im Gegenteil: die 100 vollernährten schaffen weit mehr, und ihr Einsatz ist wesentlich rationeller. Dagegen sind die zur bloßen Erhaltung des Lebens ausgegebenen Mindestrationen, da ihnen kein Gegenwert an Arbeitsleistung gegenübersteht, volks- und kriegswirtschaftlich als reiner Verlust zu buchen, der sich um die aufgewendeten Transport- und Verwaltungsmittel noch erhöht." 200 Am 17. April 1942 setzte das Reichsernährungsministerium neue Rationen für alle sowjetischen Zwangsarbeiter außerhalb der Landwirtschaft fest. Die Sätze für Schwer-, Schwerstund Bergarbeiter wurden bei Brot, Fleisch und Fett erhöht (so bei Schwerstarbeitern auf das Doppelte der bisherigen Sätze), diejenigen für „Normalarbeiter" blieben fast unverändert. Die Zuteilung von Magermilch kam allgemein „in Fortfall"; sämtliche hochwertigen Lebensmittel (Milch, Eier, Käse, Butter) wurden sowjetischen Zwangsarbeitern gesetzlich vorenthalten. „Sonderzuteilungen" (Kaffee, Tee, Geflügel, Wild usw.) kamen für sie nicht in Frage. 201 Diese neue Regelung blieb endgültig. Auch die erhöhten Rationen waren ganz unzureichend. Vielfach beschnitten die Ernährungsämter unter dem Vorwand von Versorgungsschwierigkeiten die Sätze noch empfindlich. 202 Große und kleine Faschisten bereicherten sich durch Diebstahl und Unterschleif an den für die Zwangsarbeiter vorgesehenen Lebensmitteln. Die sowjetischen Arbeitskräfte konnten ihr Ernährungsbudget nicht, wie große Teile der deutschen Bevölkerung, durch „Beziehungen" und auf dem Schwarzen Markt oder, wie andere Zwangsarbeiter, durch Lebensmittelpakete ihrer Angehörigen aus den besetzten Ländern aufbessern. So blieb ihre Ernährungslage katastrophal. Die Rüstungsbetriebe mußten nach wie vor feststellen, daß — so im Oktober/November 1942 bei Krupp — „die Ernährung der russischen Kriegsgefangenen, die bei uns im Betrieb ausschließlich als Schwerarbeiter beschäftigt sind, völlig unzureichend ist" und „daß die Leute bei dieser Verpflegung immer nach kurzer Zeit bei der Arbeit zusammenbrechen und teilweise eingehen". 203 In den vom OKH betreuten Sprengstoffabriken litten die zivilen ukrainischen Zwangsarbeiter nach wenigen Wochen Arbeit an Hungerödemen und Skorbut. Sie erhielten „als warme Verpflegung fast ständig entweder gekochte Wasserrüben oder die gekochten Blätter der Wasserrüben. Es sind von den in diesem Werk (Eibia GmbH, Liebenau — D. E.) eingesetzten Russen täglich außer der zu leistenden Arbeit 18 km Fußmarsch vom Lager zum Werk zurückzulegen . . 2 M Die unveränderten Rationen für „Normalarbeiter" gefährdeten besonders die „Umschu199 200 201 202 203

Ebenda, RGI an RMEL, 5. 3. 1942. Ebenda, Chef O K W an GBA, 25. 3. 1942; s. a. ebenda, AN WiRüAmt, 10. 3. 1942. Ebenda, Erlaß RMEL v. 17. 4. 1942. Siehe ebenda, RMfBuM an RMEL, 30. 7. 1942. AN Fried. Krupp AG (Apparatebau II f. Abt. Arbeitseinsatz), 19. 11. 1942; zit. b. Kticzynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 3 1 1 f f . 204 BA Koblenz, R 41/269, OKH/Chef HRüst/BdE an RMfBuM, 7.8. 1942.

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iungsaktionen" des GBA, in denen sowjetische Zwangsarbeiter f ü r die Rüstungsindustrie •angelernt werden sollten. Es mehrten sich die Berichte über den raschen Kräfteverfall der Anzulernenden. 2 0 5

Entlohnung Die Entlohnung der zivilen sowjetischen Zwangsarbeiter, eine Frage, der das faschistische Regime besonders große Bedeutung beimaß, wurde durch die im Reichsgesetzblatt veröffentlichte „Verordnung über die Besteuerung u n d die arbeitsrechtliche Behandlung •der Arbeitskräfte aus den besetzten Ostgebieten (StVA Ost)" vom 20. J a n u a r 1942 festgesetzt. 206 Während Bürgern der baltischen Sowjetrepubliken ähnlich wie polnischen Arbeitskräften eine zusätzliche, tributäre Steuer von 15 Prozent, die sogenannte Lohnausgleichsabgabe, auferlegt wurde, belegten die Faschisten alle anderen sowjetischen Zwangsarbeiter mit einer Pauschalsteuer, der „Oststeuer". Sie erfaßte jeden Verdienst total, der über 17,— RM pro Woche hinausging. Von ihrem Lohn, der sich nach der dieser Verordnung beigefügten Steuertabelle nur zwischen 10,— und 17,— RM pro Woche bewegen konnte, wurde den Zwangsarbeitern pro Tag 1,50 RM f ü r U n t e r k u n f t und Verpflegung abgezogen, «o daß ihnen im besten Fall 6,50 RM ausbezahlt, im schlechtesten Fall aber — der tatsächlich nicht selten vorkam 2 0 7 — 0,50 RM Schulden, ja bei Krankheit pro Tag noch weitere 1,50 RM Schulden angeschrieben wurden. Arbeitskleidung wurde nicht geliefert. ^Zuschläge f ü r Überstundenarbeit usw. entfielen ebenso wie alle anderen sozialen Vergünstigungen und Zugeständnisse. Die sowjetischen Arbeiter waren von den herkömmlichen arbeitsrechtlichen Regelungen über Arbeitszeit, Arbeitsschutz, Urlaub, Krankheit usw. -ausgenommen. Das war nichts anderes als der Versuch, Millionen, ja, in der Perspektive Dutzende von Millionen Sowjetmenschen faktisch ohne Bezahlung auszubeuten, das variable Kapital, •d. h. die Auslagen f ü r Arbeitslohn, auf einen Minimalwert herabzudrücken und so die Mehrwert- bzw. Profitrate um ein Vielfaches zu steigern. Die „Oststeuer" war überdies ein vom faschistischen Staat bereits fest eingerechneter Posten zur Stärkung seines Rüstungshaushalts bzw. sollte später zur Begleichung seiner Kriegsschulden beitragen. 2 0 8 Ebenso profitabel, aber weniger der Öffentlichkeit preisgegeben, vollzog sich die Ausbeutung der sowjetischen Kriegsgefangenen. Soweit nicht die Wehrmacht U n t e r k u n f t und Verpflegung stellte, wandten die Rüstungsbetriebe hierfür nur ein Minimum auf. Das zu zahlende Äquivalent f ü r die geleistete Arbeit berechnete sich nach Bruchteilen des .205 ZStA Potsdam, FS, Film 1737, Danziger Werft AG an R ü l n X X (Danzig), 17. 7. 1942: „Was hat die ganze Umschulung für einen Sinn, wenn bereits von vornherein feststeht, daß die Umschüler bis zur Beendigung der Umschulzeit so v o n Kräften gekommen sind, daß ein späterer Einsatz in der Fertigung äußerst fraglich erscheint, abgesehen von den hohen Kosten, Mühen und Zeitverlusten, die uns durch die Umschulung erwachsen." 206 RGBl. 1942 I, S. 41, Hiernach auch das Folgende. 207 Siehe Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 307f. 208 So hieß es in den Göring-Richtlinien v o m 7. 11. 1941 hinsichtlich der Lohnzahlung an zivile sowjetische Zwangsarbeiter: „Jede finanzielle Maßnahme auf diesem Gebiet hat davon auszugehen, daß niedrigste Löhne im Osten — nach einer ausdrücklichen Führeranweisung — eine Voraussetzung für den Kriegskostenausgleich und die Kriegsschuldenbereinigung des Reichs nach Kriegsende sind." (IMG, Bd. 39, S. 501, Dok. USSR-386).

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Die Arbeitskräftesituation

Tariflohns deutscher Arbeitskräfte. Nach Berechnungen des GBA zahlte der Ruhrbergbau auf diese Weise monatlich je Gefangenen 102,80 RM an den Fiskus, wogegen der Kriegsgefangene dem Betrieb bei Anrechnung von nur 60 Prozent der Leistung bzw. des Verdienstes eines deutschen Schleppers etwa 152 RM zuzüglich 22 RM ersparte Beiträge zur Sozialversicherung einbrachte. Das bedeutete einen Extraprofit von über 71 RM — also 70 Prozent — je Mann und Monat! 209 Eine ähnliche Berechnung für den Mansfelder Kupferschieferbergbau wies monatliche „Kosten" („Lohn", Pauschalsteuer, Unterkunft und Verpflegung) je Gefangenen von nur 96 RM aus.210 In der Diskussion, die sich um die Lohnregelung vom 20. Januar entspann, ging es um ihre schwerwiegenden ökonomischen und politischen Auswirkungen, die sich sogleich abzeichneten. Die Dienststellen des Wirtschaftsstabes Ost und des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete, deren demagogische Versprechungen bei der Arbeitskräfte-,,Werbung" die Verordnung öffentlich und offensichtlich Lügen strafte, befürchteten vor allem das Fiasko dieser „Werbung" und den vermehrten Widerstand der sowjetischen Bevölkerung. Man mutmaßte auch mit Recht, daß die Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt den deutschen Imperialismus im Ausland zu sehr bloßstelle und daß vor allem die sowjetischen Regierungsstellen diesen exemplarischen Fall aufgreifen und im In- und Ausland propagandistisch auswerten würden, „da nach außen hin diese Tabelle den Eindruck einer geradezu ungeheuerlichen Ausbeutung der Arbeitskräfte hervorrufen muß". 211 Die wichtigsten Argumente aber kamen unmittelbar von den Rüstungskonzernen und ihren staatsmonopolistischen Institutionen. Diese waren stärker als an der „Oststeuer", die nicht den Monopolen selbst, sondern dem Staat zufloß, an einer Intensivierung der Ausbeutung interessiert, die ihre Profite unmittelbar steigern mußte. „Ein Anreiz zur Leistungssteigerung besteht unter diesen Umständen nicht" 2 1 2 , so faßte das OKW die zahlreichen Eingaben aus der Rüstungsindustrie zu der Lohnregelung zusammen und forderte die „Milderung der Russensteuer zur Erzielung eines wirklichen Anreizes zur Leistungssteigerung". 213 Die Reichsgruppe Industrie gab die Auffassung der führenden Rüstungsmonopole noch einmal nachdrücklich wieder: „Als leistungshemmend wirkt sich die Tatsache besonders aus, daß nach den Steuer- und arbeitsrechtlichen Vorschriften eine Differenzierung nach der Leistung so gut wie unmöglich ist." 2 1 4 Die „Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter" vom 30. Juni 1942 215 enthielt daraufhin neue Lohn- und Steuersätze. Statt der „Oststeuer" wurde jetzt eine progressiv gestaffelte, ebenfalls an den Staat fließende „Ostarbeiterabgabe" eingeführt, die beispielsweise bei einem nach den Tarifen für deutsche Arbeiter errechneten Bruttoverdienst von 35,— bis 36,40 RM wöchentlich fast die Hälfte dieser Summe (15,75 RM) betrug. Von dem Rest waren wie bisher 10,50 RM für Unterkunft und Verpflegung abzuführen. Dem sowjetischen Arbeiter wurden nach dem Tabellensatz übrige 9,10 RM ausbezahlt. Das Mindestentgelt pro Woche betrug 0,70 RM. Nach oben hin war de jure keine Grenze gesetzt; jedoch waren bei einem — selbst für sowjetische Spezialarbeiter unerreichbaren — Wochenlohn von 70,— RM (nach dem Tarif für deutsche Arbeiter) über 40,— RM 209 210 211 212 213 214 215

BA Koblenz, R 2/5359, Rs. GBA, 1 7 . 2 . 1943); s. a. Streit, S. 280 ff. Ebenda, Wigru Bergbau an GBA (?), 22. 7. 1943. ZStA Potsdam, FS, Film 1737, RMfdbO an BfV, 9. 3. 1942. Ebenda, AN WiRüAmt, 11. 3. 1942. Ebenda, Chef OKW an GBA, 25. 3. 1942. Ebenda, RGI an RMEL, 9. 4. 1942. RGBl. 1942 I, S. 419.

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allein als Ostarbeiterabgabe abzuführen; dem Zwangsarbeiter blieben nur 16,45 RM. Von Sozialleistungen und von Lohnzuschlägen (für Überstunden, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit) waren die sowjetischen Zwangsarbeiter ausgeschlossen. Ihnen Lohnabrechnungen zu geben war verboten. Obwohl jetzt, wie von den Rüstungsmonopolen verlangt, eine, wenn auch bescheidene, Differenzierung des Lohnes nach der Leistung möglich war, 216 blieb den sowjetischen Zwangsarbeitern in aller Regel nicht mehr als ein „Taschengeld", so wie es Pleiger, Todt und andere Nazi- und Konzerngrößen gefordert hatten. Doch es war, wie selbst ein weißgardistischer Gewährsmann der Faschisten nach Recherchen in Zwangsarbeiterlagern berichtete, von vornherein üblich, „daß auch dieser niedrige Betrag niemals zur Auszahlung gelangt". 2 1 7 Diesem Bericht zufolge wurde den sowjetischen Arbeitern „lediglich •erklärt, daß der .Restbetrag' für sie auf der Bank aufbewahrt [wird], da sie ja in Deutschland nichts kaufen könnten, und daß, wenn sie wieder in ihre Heimat fahren, diese Gelder an sie ausgezahlt würden. Man vermeidet es aber, dem Arbeiter die Höhe seiner E r s p a r nisse' anzugeben. So weiß der Ostarbeiter nie, wieviel er verdient." 2 1 8 Das propagandistisch ausgeschlachtete „Ostarbeitersparen" trug also nicht einfach nur den Charakter des Zwangssparens, sondern war de facto eine Zwangsanleihe zur Finanzierung des verhaßten Hitlerstaates und seines Krieges; eine Zwangsanleihe, deren Rückzahlung zudem vollständig im Belieben dieses Staates stand. Gleichzeitig erreichten es die Faschisten auf diese Weise, daß der gänzliche Mangel an Geld die Zwangsarbeiter — zusätzlich zu den polizeilichen Bestimmungen — an das Lager fesselte. Das grausame Regime der Faschisten gegenüber den sowjetischen Zwangsarbeitern in Deutschland, dessen nähere Analyse zahlreiche weitere Lebensumstände und Arbeitsbedingungen (wie Unterbringung, Bekleidung, Krankenbetreuung, Schwere und Länge der Arbeit, Strafregime) erfassen müßte, führte zu unbeschreiblichen physischen Mangelerscheinungen, zu schweren psychischen Schäden, zu schrecklichen Krankheiten und Seuchen und zum Tode Hunderttausender. Binnen wenigen Monaten war ein Zustand erreicht, der die für die Kriegswirtschaft Verantwortlichen zu beunruhigen begann. Nicht der katastrophale und entwürdigende Zustand, in den ihre Politik die sowjetischen Zwangsarbeiter versetzt hatte, bewegte sie, wohl aber der daraus resultierende Produktivitätsverlust und das sich verschlechternde Verhältnis zwischen Aufwendungen und Profit. Ausgerechnet Fritz Sauckel, der skrupellose Menschentreiber, sah sich veranlaßt, einen — letzten Endes aussichtslosen — Kampf gegen den Raubbau an der Arbeitskraft der unter so viel Anstrengungen und Schwierigkeiten nach Deutschland verschleppten Sowjetbürger zu führen. In einem Rundschreiben an die Gauleiter als seine „Bevollmächtigten für den Arbeitseinsatz" vom 24. September 1942 formulierte er zum ersten Mal mit Schärfe, was er von nun an zu wiederholen nicht müde wurde: „Verprügelte, halbverhungerte und tote Russen fördern uns keine Kohle, sind für die Stahl- und Eisenerzeugung vollständig nutzlos, erzeugen weder Waffen noch sonstiges Gerät und bedeuten letzten Endes eine ungeheure Belastung unseres Volkslebens und vor der Welt einen Skandal." 2 1 9 216 ZStA Potsdam, FS, Film 1737, RVfg. RMfBuM, 8. 7. 1942: „Damit werden die Schwierigkeiten, über die besonders aus der privaten Wirtschaft wiederholt geklagt wurde, im wesentlichen behoben sein." 217 Ebenda, Film 10975, Bericht üb. „Ostarbeiter — entscheidender Faktor des Endsieges", o. V., o. D. (Sommer 1943). 218 Ebenda. 219 Ebenda, Film 1737, Rs. GBA an die Gauleiter, 24. 9. 1942. Siehe auch PfcMmann, S. 211f.

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Die Arbeitskräftesituatio»

Das war es, was Monopole, Behörden, Partei und Polizei mit den Tausenden ihnen dienstbaren Kreaturen in den Wachmannschaften, Lagerverwaltungen, im Werkschutz usw. zwar täglich produzierten, was sich aber allmählich als ein Krebsschaden für die Kriegswirtschaft erwies: „Verprügelte, unterernährte, halb verzweifelte Ostarbeiter . . ." 2 2 0 j „unterernährte, dahinsiechende, unwillige, verzweifelte und haßerfüllte Sklaven . . ," 2 2 1 Am 9. Januar 1943 ordnete der GBA eine umfassende „laufende Inspektion des Ostarbeitereinsatzes" an. 222 Mit dieser Inspektion, über die auf amtlichen Vordrucken regelmäßig, zu berichten war, wurden in den Betrieben eigens „Bearbeiter für Ostarbeiterfragen", in den Arbeits- und Landesarbeitsämtern besondere „Sachbearbeiter für die Inspektion des Ostarbeitereinsatzes" beauftragt. Die Arbeiten und Berichte dieser Sachbearbeiter liefen beim GBA zusammen, dessen „Inspektion des Ostarbeitereinsatzes" (Abt. V A 1) die gesamte Inspektionstätigkeit leiten und koordinieren sollte.

f ) „Vernichtung

durch

Arbeit"

Nach der Schlacht von Moskau erkannten die faschistischen Machthaber in den Konzentrationslagern eine bisher wenig genutzte Quelle für wohlfeile und ohne jede Rücksicht auf Gesundheit und Leben der betroffenen Häftlinge auszupowernde Arbeitskraft. Etwa seit Mitte 1942 wurden in wachsendem Maße Häftlinge in der Rüstungsproduktion ausgebeutet. 223 Damit begann das düsterste Kapitel faschistischer Arbeitskräftepolitik. Nach einer Konzeption für die massenhafte industrielle Ausbeutung der Arbeitskraft von KZ-Häftlingen suchten bereits seit Anfang 1941 der IG-Farben-Konzern und die SS in „segensreicher" 224 Zusammenarbeit in Auschwitz. Seit dem Winter 1940/41 plante die IG in der Nähe des KZ-Lagers den Bau eines großen Bunawerks und vergrößerte dieses Projekt bald zu einem riesigen Industriekomplex. Der Konzern verlangte und erhielt unter Berufung auf den Beauftragten für den Vierjahresplan (Göring) und auf das Reichsamt für Wirtschaftsausbau (Krauch) von der SS arbeitsfähige Häftlinge in ausreichender Anzahl. Aus diesem Grunde nahm die SS die berüchtigten „Selektionen" auf der Eisenbahnrampe von Auschwitz-Birkenau vor. Arbeit für die IG Farben oder Ermordung in der Gaskammer hieß die Alternative für den Häftling. Das KZ-Lager Monowitz, im Frühjahr 1942 als „Ableger" von Auschwitz auf Verlangen der IG direkt an der Großbaustelle errichtet, wurde zum Modell für die späteren zahllosen Außenlager und Außenkommandos der großen KZ-Lager innerhalb und außerhalb Deutschlands. 220 221 222 223

IMG, Bd. 27, S. 577, Dok. PS-1739, Bericht GBA per 30. 11. 1942, v. 1. 12. 1942. Ebenda, S. 588 f., Rede d. GBA vor den Reichs- und Gauleitern in Posen am 5./6. 2. 1943. ZStA Potsdam, FS, Film 1737, RErl. GBA, 9. 1. 1943. Die Materialsubstanz dieses Abschnitts entstammt v. a. folgenden ausführlicheren Darstellungen: DZW, Bd. 2, S. 406ff.; IG-Farben, Auschwitz, Massenmord. Über die Blutschuld der IG-Farben. Dokumentation zum Auschwitz-Prozeß, (Berlin 1964); Dieckmann, Existenzbedingungen; SS im Einsatz. Eine Dokumentation über die Verbrechen der SS, Berlin 1957, S. 405ff.; Brenner, Ilans, Zur Rolle der Außenkommandos des KZ Flossenbürg im System der staatsmonopolistischen Rüstungswirtschaft des faschistischen deutschen Imperialismus und im antifaschistischen Widerstandskampf 1942—1945, phil. Diss. (A), Dresden 1982. 224 IG-Farben, Auschwitz, Massenmord, S. 14 (Faks. ebenda, S. 19), Ambros an ter Meer und Struss, 12. 4. 1941 („... wirkt sich unsere neue Freundschaft mit der SS sehr segensreich aus").

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„Die sofort Selektierten", so gab nach dem Krieg ein beteiligter Zeuge zu Protokoll, „hatten eine kurze, schreckliche Leidenszeit. F ü r die zur Arbeit Bestimmten endete es auch mit dem Tode, aber u n t e r schrecklichen Qualen. Es ist schwer zu sagen, wer das ,bessere* Los h a t t e ..." 2 2 5 Von der schweren Arbeit, von Hunger und Schlägen entkräftete, arbeitsuntüchtige Häftlinge wurden von der IG regelmäßig ausgesondert und „abgeschoben", d. h. mit der Rückgabe an das Hauptlager dem sicheren Tod überliefert. So h a t t e es mit der von einem anderen Zeugen bestätigten Aussage seine Richtigkeit: „Wo die SS war, gab es Tote. Aber offenbar gab es noch mehr Tote, wo die IG war." 2 2 6 Die IG-Farben-Konzeption der Ausbeutung von KZ-Häftlingsarbeit, nach u n d nach in den Jahren von 1941 bis 1943 entwickelt, war ein „Versuch, den unüberbrückbaren Widerspruch zwischen moderner Produktion und Zwangsarbeit zu lösen". 227 Sie bestand im wesentlichen aus einer Modifizierung des Terrors und einer gewissen materiellen Stimulierung („Premiensystem"; „Primitiv-Akkordsystem"). Die Konzernvertreter verhandelten darüber mit den Chefs des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes u n d unterwiesen die Lagerleitung in der Handhabung ihres Modells. Schließlich n a h m das H a u p t a m t die Vorschläge u n d Forderungen der IG zum Muster f ü r Maßnahmen in allen Lagern. „Die SS ging regelrecht bei der IG in die Lehre." 228 Andere Rüstungskonzerne holten beim Farbenkonzern Auskünfte über seine Erfahrungen m i t der Häftlingszwangsarbeit in Auschwitz ein. Krupp schloß im Dezember 1942 m i t der SS einen entsprechenden Vertrag. 2 2 9 Im F r ü h j a h r 1942 begann die SS damit, das KZ-System allgemein auf die Zwangsarbeit f ü r die Rüstungsindustrie umzustellen, und vereinte auf diese Weise „die Brutalität u n d die Ziele des Programms der Sklavenarbeit m i t denen des Konzentrationslagers". 2 3 0 Seit Dezember 1941/Januar 1942 erwog Himmler bereits den Masseneinsatz von Häftlingen in der Kriegswirtschaft. Seine durch die erprobte Zusammenarbeit mit dem IG-FarbenKonzern in Auschwitz und vermutlich auch durch seinen „Freundeskreis" 2 3 1 inspirierte 225 Auschwitz-Prozeß, Frankfurt am Main. Schlußvortrag und Erwiderung des Prof. Dr. Friedrich Karl Kaul, Prozeßvertreter der in der Deutschen Demokratischen Republik ansässigen Nebenkläger im Strafverfahren gegen Mulka u. a. vor dem Schwurgericht beim Landgericht Frankfurt am Main, (Berlin 1965), S. 45 (zit. Vernehmung des Zeugen Dr. Wolken am 27. 2. 1964). 226 Schuldig im Sinne des Rechts und des Völkerrechts. Auszüge aus dem Protokoll des Prozesses gegen den KZ-Arzt Fischer vor dem Obersten Gericht der DDR, (Berlin 1966), S. 71, Vernehmung des Zeugen F. J. Amann, 15. 3. 1966. 227 Dieckmann, Existenzbedingungen, S. 116. 228 Ebenda, S. 128. 229 DZW, Bd. 3, S. 247f. 230 IMG, Bd. 3, S. 515, Beweisvortrag d. USA-Vertreters der Anklagebehörde (Dodd), 12. 12. 1945. 231 SS-Obergruppenführer Karl Wolff, Chef des Persönlichen Stabes und Vertrauter Himmlers, behauptete nach dem Krieg in Nürnberg, daß die Beschaffung von KZ-Häftlingen als Arbeitskräfte für die Rüstungsmonopole mit der Zugehörigkeit entsprechender Konzernvertreter (in diesem Fall Heinrich Bütefischs) z u m „Freundeskreis" oder mit ihrem SS-Rang „nichts zu tun" gehabt habe (SS im Einsatz, S. 452 u. S. 450). Streit bezeugt gerade i m Fall von Bütefiscb, daß es „kein Zufall" war, „daß der fachlich (d. h. für Buna-Auschwitz — D. E.) nicht kompetente Bütefisch die IGF[arben] vertrat, denn er war der Vertreter der IGF im industriellen Himmler-Freundeskreis, wodurch er mit Wolff und Pohl bereits bekannt war." (iStreit, S. 218). Vogelsang hingegen breitet geflissentlich den Mantel des Schweigens über die KZ-Häftlingsarbeit und streitet einen Einfluß der Mitgliedschaft im Freundeskreis H i m m l e r

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Die Arbeitskräftesituation

Idee ging dahin, „diese riesige Arbeitsquelle nicht nur für den Aufbau nach dem Krieg zu verwenden". 232 Am26. Januar, sechs Tage nach der berüchtigten Wannseekonferenz, auf der die „Endlösung der Judenfrage" beschlossen wurde, informierte Himmler den Chef der Inspektion seiner KZ-Lager, SS-Brigadeführer Richard Glücks: „Nachdem russische Kriegsgefangene in der nächsten Zeit nicht zu erwarten sind, werde ich von den Juden und Jüdinnen, die aus Deutschland ausgewandert werden (! — D. E.), eine große Anzahl in die Lager schicken. Richten Sie sich darauf ein, in den nächsten vier Wochen 100000 männliche Juden und bis zu 50000 Jüdinnen in die KL aufzunehmen. Große wirtschaftliche Aufgaben und Aufträge werden in den nächsten Wochen an die Konzentrationslager herantreten. SS-Gruppenführer Pohl wird Sie im einzelnen unterrichten." 233 Am 1. Februar 1942 wurde das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt (WVHA) unter Oswald Pohl gebildet. Die eigentlichen Entscheidungen fielen Anfang März, anscheinend nicht unbeeinflußt von den resoluten Maßnahmen des neuen Reichsministers für Bewaffnung und Munition und von der bevorstehenden Ernennung eines GBA. Am 3. März 1942 beauftragte Himmler nach Rücksprache mit Hitler den Chef des WVHA, Pohl, mit der Umstellung des KZ-Systems auf die Massenzwangsarbeit in der Rüstungsproduktion und bevollmächtigte ihn, alle hierzu erforderlichen Maßnahmen zu treffen und den gesamten Zwangseinsatz der Häftlinge zentral zu leiten. Diesen Befehl, der selbst bisher nicht aufgefunden wurde, 234 ergänzte Himmler am 4. März durch ein Telefonat mit Pohl, in dem er ihm die Unterstellung der KZ-Lager — bisher als „Inspektion KL" dem SS-Führungshauptamt zugehörig — unter das WVHA zusagte: „Konzentrationslager zu Pohl." 235 Am 16. März wurde die „Inspektion KL" als Amtsgruppe D ins WVHA eingegliedert. Am 30. April erstattete Pohl Bericht über den Stand der Dinge und faßte die neugewonnene Konzeption der KZ-Zwangsarbeit zusammen: „Der Krieg hat eine sichtbare Strukturänderung der Konzentrationslager gebracht und ihre Aufgaben hinsichtlich des Häftlingseinsatzes grundlegend geändert. Die Verwahrung von Häftlingen nur aus Sicherheits-, erzieherischen oder vorbeugenden Gründen allein steht nicht mehr im Vordergrund. Das Schwergewicht hat sich nach der wirtschaftlichen Seite hin verlagert. Die Mobilisierung aller Häftlingsarbeitskräfte zunächst für Kriegsaufgaben (Rüstungssteigerung) und später für Friedensbauaufgaben 236 schiebt sich immer mehr in den Vordergrund." Daher sei„eine allmähliche Überführung der Konzentrationslager aus ihrer früheren einseitigen politischen Form in eine den wirtschaftlichen Aufgaben entsprechende Organisation" erforderlich. 237

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auf „geschäftliche" Angelegenheiten der Monopole überhaupt ab (Vogelsang, S. 106; s . a . S. 135f.). Zu Bingel s. Affid. Pohl (Anm. 253a). Siehe auch Brenner, S. 9 9 f f . Nürnberger Dok. NO-2570, Aussage von Oswald Pohl; zit. b. Dieckmann, Existenzbedingungen, S. 82. Nürnberger Dok. N0-500, Himmler an Glücks, 26. 1. 1942 (Faks. in Kühnrich, Heinz, Der KZ-Staat. Die faschistischen Konzentrationslager 1933 bis 1945, Berlin 1980, S. 108). Der Befehl, der evtl. nur mündlich gegeben wurde, ist bekannt durch den Bericht Pohls an Himmler v. 30. 4. 1942 (IMG, Bd. 38, S. 364f., Dok. R-129), der sich eingangs auf ihn beruft, sowie durch Protokollstellen aus dem Pohl-Prozeß (s. Drobisch, Klaus, Widerstand in Buchenwald, Berlin 1977, S. 58). ZStA Potsdam, FS, Film 2297, eigenhändige Eintr. Himmlers in seinem Kalendarium, 4. 3. 1942. In anderen Quellen fälschlich: Friedensaufgaben. IMG, Bd. 38, S. 364f., Dok. R-129. Teilweise gedruckt in Anatomie des Krieges, S. 391, Dok. 206.

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Freilich spiegelte sich in diesem Programm eine große Portion Wunschdenken wider. Die Vorstellungen Pohls und seiner neugeschaffenen SS-Wirtschaftszentrale gerieten in der Praxis der KZ-Lager und der Häftlingsarbeit in ständigen Widerspruch zur politischen Hauptfunktion der Lager und der S S als Ganzes — zur Regimesicherung durch Vernichtungsterror —, die am prononciertesten vom R S H A vertreten wurde. In der Funktion des Terrors und der Abschreckung durch Terror lag wiederum eine Grundbedingung für die Aufrechterhaltung des gesamten Systems der Zwangsarbeit ausländischer Arbeitskräfte und auch des Arbeitsregimes für die deutschen Werktätigen; das KZ-System war das „Mittel des außerökonomischen Zwanges schlechthin". 238 Die Konzeption dieses Systems als Maschine zur Vernichtung und Abschreckung aller tatsächlichen und potentiellen Gegner des Regimes blieb daher grundsätzlich unverändert. Der Kriegsverlauf und insbesondere der anschwellende Widerstand aller unterdrückten Völker Europas ließen die Faschisten zu noch vermehrtem Terror und zum Massenmord als Aushilfsmittel greifen. Der Terror, Hauptmethode der Sicherung der faschistischen Herrschaft, blieb auch der Hauptzweck des KZ-Systems. Alle Versuche zuständiger SS-Repräsentanten und der Monopole zu seiner ökonomisierung stießen an diese Schranke. Die berüchtigte Formel von der „Vernichtung durch Arbeit" drückte das Dilemma, die innere Widersprüchlichkeit der KZ-Häftlingszwangsarbeit aus und artikulierte zugleich den Versuch, das Problem sozusagen mittels eines Kompromisses zu lösen. 239 Außerdem bewegten sich die deutschen Imperialisten mit der Zwangsarbeit der KZHäftlinge in einem Knäuel von Widersprüchen, die „aus dem Wesen eines Systems" rührten, „in dem die produktive Arbeit zu einer der grausamsten Strafen erniedrigt worden war". 2 4 0 So bildeten die niedrige Arbeitsproduktivität und -intensität der Häftlinge und das von Monopol Vertretern mitunter als produktionshemmend kritisierte Prügel- und Hungerregime der SS-Schergen einen fehlerhaften Kreislauf, aus dem kein Ausweg herausführte. Am Ende standen die S S und das deutsche Finanzkapital vor einem nicht zu bewältigenden Problem. „Die Modifizierung des Terrors zugunsten des Profits der Monopole war eine außerordentlich komplizierte und letzten Endes nicht lösbare Aufgabe." 2 4 1 In den ersten Monaten des Jahres 1942 grassierte unter den SS-Verantwortlichen freilich noch der „Größenwahnsinn" 2 4 2 in Wirtschaftsprojekten, der von bürgerlichen Autoren meist als prinzipiell antikapitalistische, antimonopolistische Linie gedeutet wird. 243 E r äußerte sich vor allem in dem Plan, die Häftlingsarbeit in SS-eigenen Rüstungs-Großbetrieben auszubeuten, die innerhalb der KZ-Lager errichtet und für die vom Munitions238 Dieckmann, E x i s t e n z b e d i n g u n g e n , S . 8 3 . 239 Anscheinend wurde diese Formel z u m ersten Mal Mitte S e p t e m b e r 1942 — und zwar gleichzeitig v o n H i m m l e r , Goebbels u n d J u s t i z m i n i s t e r Thierack — v e r w a n d t (s. die Quellen bei Brenner, S . 115f.). I n diese R i c h t u n g wies bereits der Befehl Pohls v o m 30. 4. 1942 für den g e s a m t e n K Z - L a g e r b e r e i c h über den P r o d u k t i o n s e i n s a t z der H ä f t l i n g e ; darin hieß es, der E i n s a t z m ü s s e „ i m wahren Sinn des Wortes erschöpfend sein, u m ein H ö c h s t m a ß a n L e i s t u n g zu e r r e i c h e n " ; die Arbeitszeit sei „ a n keine Grenzen g e b u n d e n " (IMG, B d . 38, S . 366, D o k . R-129). 240 Dieckmann, E x i s t e n z b e d i n g u n g e n , S . 122. 241 E b e n d a , S . 137. 242 E b e n d a , S . 91. 243 A u s dieser apologetisch verzerrten Sicht hierzu ausführlich Speer, Der S k l a v e n s t a a t , S . 3 1 ff. u. p a s s i m . 16 Eichholtz U

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Die Arbeitskräftesituation

minister Fachkräfte und Maschinerie aus der Rüstungsindustrie beschafft werden sollten — ein Plan, der immerhin nicht unbeeinflußt von Gesichtspunkten der inneren Sicherheit war. 244 Hiergegen setzte sich das Munitionsministerium erst allmählich, von September 1942 an, durch. Der Plan scheiterte nicht so sehr am Unvermögen der SS zu wirtschaften, sondern in erster Linie am Widerstand des Munitionsministeriums und der Rüstungskonzerne, die sich auf die simplen ökonomischen Gegebenheiten berufen konnten. Jeder Abzug von Fachkräften und Maschinen aus den produktiven Rüstungsbetrieben der Konzerne für Aufbau und Betriebe von KZ-Unternehmen, die mit niedrigster Produktivität arbeiteten, hätte sowohl Profitverlust als vor allem auch langfristige Produktionseinbußen bedeutet, die sich das Regime nicht leisten konnte. Die deutschen Monopole, voran die Rüstungskonzerne, hatten durchaus ein Interesse daran, sich von der SS Arbeitskräfte beschaffen und bewachen zu lassen; doch gleichzeitig „wachte die deutsche Industrie darüber, daß die SS nicht die ihr gesetzten Grenzen überschritt und zu einem Konkurrenten wurde". 245 Daher scheiterten die fortgesetzten Versuche der SS, sich über das Monopol an Häftlingsarbeitskraft — einem bis zuletzt nach Zahl und Produktivität verhältnismäßig wenig bedeutsamen Monopol — ein eigenes Wirtschaftsimperium aufzubauen. „Es gelang der SS nicht, ihre politischen und militärischen Positionen durch eine entsprechende wirtschaftliche Selbständigkeit zu untermauern und auf diesem Wege aus der eindeutigen Abhängigkeit von der deutschen Rüstungsindustrie und den von dieser gesteuerten staatlichen Institutionen herauszukommen. Die SS blieb ein Teil des Staatsapparates mit fest umgrenztem Aufgabengebiet und wurde nicht zur dominierenden Institution des deutschen faschistischen Herrschaftssystems." 246 Die Reorganisation des KZ-Systems beschäftigte die SS bis zum Ende des Krieges. In ihrem Verlauf wurden in allen Zweigen der Rüstungsindustrie, ganz überwiegend bei den großen Rüstungskonzernen bzw. in deren KZ-Filialbetrieben, KZ-Häftlinge eingesetzt. „Die Höchstzahl der in einem Betrieb beschäftigten KZ-Häftlinge betrug zwischen 40000 244 Ähnliche Sorgen um die innere Sicherheit des Regimes machte sich die SS 1941/42, als die Rüstungsmonopole auf die Beschäftigung von sowjetischen Kriegsgefangenen und zivilen sowjetischen Zwangsarbeitern drängten. Die Ursachen für die Haltung der SS im Falle der KZ-Häftlingsarbeit waren allerdings vielschichtiger und komplizierter. Der von bürgerlichen Autoren vielberufene und nach Bedeutung und Resultat stets überbewertete Kampf der S S um ein eigenes „Wirtschaftsimperium" (auf der Basis von Häftlingsarbeit) zielte ursprünglich, vor 1942, auf die SS-eigene Bauhoheit und auf die Verfügung über große Kapazitäten der Bau- und Baustoffindustrie. Sie sollten nach dem Krieg zum Bau von Stützpunkten, Kasernen usw. für Polizei und Waffen-SS im ganzen besetzten Europa dienen, wofür im Herbst 1941 ein „Friedensprogramm" in Höhe von 13 Md. RM aufgestellt wurde (s. Speer, Der Sklavenstaat, S. 406ff.). Der Zweck der Planungen war also kein wirtschaftlicher, sondern ein rein politischer: Die SS wollte auf die Unterjochung und Terrorisierung der Völker Europas, auf die „Sicherung" des zu schaffenden „Großgermanischen Reiches" vorbereitet sein (s. S. 430 ff.). Angesichts der Niederlage vor Moskau wurden sie für die Kriegsdauer modifiziert und auf die neuen Verhältnisse des „totaleren" Krieges zugeschnitten. Die damit verbundenen wirtschaftspolitischen Wunschvorstellungen scheiterten bald an den Realitäten. 245 Bartel, Walter, Wehrwirtschaftsführer, Geheimwaffen, KZ. Gutachten über Rolle und Bedeutung des KZ Dora-Mittelbau und die Funktion der SS bei der A 4-Produktion, Frankfurt a. M. 1970, S. 16. 246 Ebenda, S. 17. Grundsätzlich zu dieser Problematik Kärntf, Miroslav, KoncentraCni tabory, SS a nemecke monopoly, in Ceskoslovensktf casopis historicky, 5/1978. S. 676 ff.

Arbeitskräfteprobleme 1941/42

225

und 50000. Insgesamt waren in der gesamten deutschen Industrie zur Zeit des Höhepunktes des Einsatzes etwa 500000 KZ-Insassen eingesetzt." 2 4 7 Noch bevor die S S die Konzentrationslager auf die neue Funktion einrichtete, drangen führende Rüstungskonzerne wie Heinkel und Messerschmitt (Ende 1941) 2 4 8 und wie d a s Volkswagenwerk (Ende 1941/Anfang 1942) 2 4 9 mit Erfolg darauf, daß sie ihnen, wie dem IG-Farben-Konzern, Häftlinge zur Arbeit vermittelt. „ D i e Verflechtung der K L mit der deutschen Wirtschaft", so stellt Kogon fest, „entstand nicht etwa bloß aus dem Machtverlangen der S S , sonder auch durch entsprechende Anträge der Industrie, die unter Mangel an Arbeitskräften litt und vielfach kein Mittel mehr scheute, um sich vor der Konkurrenz den entscheidenden Vorsprung zu verschaffen, nämlich Arbeiter in ausreichender Zahl zur Verfügung zu haben; nur so konnte sie j a ihrer ,vaterländischen Pflicht' nachkommen: den Höchstbeitrag zur Kriegswirtschaft zu leisten." 2 5 0 Nach Aussage von Rudolf Höß, vormals SS-Sturmbannführer und K o m m a n d a n t des KZ-Lagers Auschwitz, haben die Konzentrationslager von sich aus „niemals Arbeitskräfte der Industrie angeboten". 2 5 1 Die Beschäftigung von KZ-Häftlingen war nicht für die KZ-Lager, sondern f ü r die Industrie ein lukratives Geschäft; sie schlug für die Rüstungskonzerne mit beispiellosen Höchstprofiten zu Buche. „Anfangs des Krieges bezahlten die Unternehmungen wenig für diese Arbeitskräfte, etwa Mk. l , - [ b i s ] M k . 1 , 2 0 . " 2 5 2 Seit dem 1. Oktober 1942 zahlten die Privatfirmen „ j e T a g und Häftling für Facharbeiter 6,— RM, f ü r Hilfsarbeiter 4,— R M " . 2 5 3 Oswald Pohl bezeugte nach dem Krieg, es seien „fast alle Rüstungsbetriebe an mein Amt herangetreten, um Arbeitskräfte aus den Konzentrationslagern zu erhalten, und diejenigen, die schon solche Arbeitskräfte beschäftigten, haben in den meisten Fällen ständig u m Vermehrung der bei ihnen eingesetzten Zahl von Häftlingen ersucht". 253 ® Nach der Reorganisierung des KZ-Systems taten es den genannten Konzernen Dutzende anderer und Hunderte von Rüstungsunternehmen nach, voran führende Monopole wie Siemens, Krupp, Hermann-Göring-Werke, Vereinigte Stahlwerke, Flick, A E G , Demag, Brabag, Gustloff, Hasag, Junkers, Daimler-Benz und BMW. 2 5 4 Pohl selbst nannte als die „größten Arbeitgeber von Konzentrationslager-Häftlingen" IG Farben und HermannGöring-Werke, Hasag, Heinkel und Messerschmitt, B r a b a g und Krupp, ferner die Auergesellschaft (Degussa-Konzern), die Mauserwerke und acht der größten deutschen B a u firmen, darunter Dyckerhoff & Widmann, Hochtief, Philipp Holzmann, Wayss & Freytag. 2 5 5 E r nannte ausdrücklich als Personen, die ihm aus Verhandlungen über die Hergabe 247

Anatomie des Krieges, S. 472, Dok. 268, Erkl. unter Eid von Karl Sommer vor d. Nürnberger Militärgerichtshof (1947). 248 DZW, Bd. 2, S. 406. 249 Brenner, S. 87 u. S. 112 (unterschiedl. Datierung). 250 Kogon, Eugen, Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, München 1974, S. 270. 251 Anatomie des Krieges, S. 478, Dok. 269, Erkl. unter Eid v. Rudolf Höß, 1946/47 (12. 3. 1947). 252 Ebenda. 253 Dieckmann, Götz, Zum Verhältnis von Monopolen und S S in der faschistischen Kriegswirtschaft, untersucht am Beispiel des Konzentrationslagers Dora, in WZ d. Humboldt-Univ. Berlin, Ges.- u. sprachwiss. Reihe, 2/1970 (Festschrift Walter Bartel), S. 150. 253a ZStA Potsdam, Fall VI, Film 419, Dok. NI-382, Erkl. unter Eid v. Oswald Pohl, 5. 8. 1946. 254 Vgl. Anatomie des Krieges, S. 472 ff., Dok. 268, Erkl. unter Eid v. Karl Sommer vor dem Nürnberger Militärgerichtshof (1947). 255 ZStA Potsdam, Fall VI, Film 419, Dok. NI-382 (wie Anm. 253 a) u. Film 420, Dok. NI-399, Nachtrag dazu v. 6. 8. 1946. 16*

226

Die Arbeitskräftesituation

von KZ-Arbeitskräften geläufig waren, Rudolf Bingel (Siemens), Otto Ambros und Fritz ter Meer (IG Farben), Lindner (Messerschmitt), Paul Pleiger und Wilhelm Meinberg (Reichswerke-Konzern), Fritz Kranefuß (Brabag), Paul Budin (Hasag), Ferdinand Porsche (Volkswagenwerk), ferner X a v e r Dorsch und die Amtschefs des Rüstungsministeriums. 25 ®

2 . „ T o t a l e r K r i e g " — partielle Mobilisierung (1943)

a) Meldepflicht-

und

Stillegungsaktion

Schon im Herbst 1942 hatten das O K W und andere führende Kreise des Regimes verschiedene Versuche unternommen, Aushebungen und Mobilisierungen größeren Maßstabs durchzusetzen. 257 Mit der Einschließung der 6. Armee in Stalingrad war der kritische P u n k t erreicht, der das Regime die bisherige Schonung seiner RüstungsWirtschaft aufgeben ließ. Hitler setzte sich in seinem Befehl vom 19. Dezember 1942 2 5 8 über seinen „Schlüsselkräfte"-Erlaß vom Februar desselben Jahres hinweg. Der Rüstungsindustrie („gewerbliche Kriegswirtschaft" einschließlich Verkehr) wurden bis zum 20. Februar 1942 in zwei Raten 5 0 0 0 0 Kriegsverwendungsfähige der Jahrgänge 1908 bis 1922 „einschließlich Schlüssel- und Fachkräfte" ohne Ersatz und bis 31. März weitere 150000 (außer Unlcrtagebergarbeitern) „im Austausch" gegen nichtfrontverwendungsfähige Soldaten aus in Deutschland oder in den besetzten Gebieten stationierten Truppenteilen entzogen. „Der Reichsminister für Bewaffnung und Munition wird die Einzuziehenden bezeichnen", hieß es; der beschriebene Austausch ( „ R ü 4 3 Tausch") sollte sogar nach „namentlichen Vorschlägen" des Munitionsministers vor sich gehen. 259 Nachdem der deutsche Entsatzvorstoß auf Stalingrad in der letzten Dezemberdekade gescheitert und der Verlust der eingeschlossenen Armee damit offenkundig geworden war, stiegen die Kräfteforderungen der Wehrmacht rapide. Am 8. J a n u a r 1943 traf Hitler nach Abrede mit Speer eine endgültige Festlegung über die sogenannte SE-Aktion (Sondereinziehungsaktion), die weitere 200000 uk-gestellte Arbeitskräfte — überwiegend Fach- und Schlüsselkräfte — aus der Rüstungsindustrie abzog. 260 Diese Zahl schlüsselte die Zentrale Planung 2 6 1 zunächst auf in 10500 Kräfte vom G B Chemie, „wobei das Mineralöl fast völlig geschützt bleibt" und die Erdölgewinnung „einen totalen Schutz" genießen sollte; 27000 aus dem Bergbau, „in erster Linie aus den Über-Tage-Arbeiten" 2 6 2 ; 7 0 0 0 von der Organisation Todt; 2 5 0 0 aus der Energiewirtschaft und 5 0 0 0 0 aus der „übrigen gewerblichen 256 257 258 259

Wie Anm. 253 a. DZW, Bd. 3, S. 171 u. S. 181 ff. ZStA Potsdam, FS, Film 1818. Hiernach auch das Folgende. Die Rü-43-Tausch-Aktion „stieß auf größte Schwierigkeiten und kam deshalb nur teilweise zur Durchführung." (Ebenda, Film 3353, Tätigkeitsbericht des GBA für die Zeit vom 1. 1. bis 30. 6. 1943). 260 13A Koblenz, R 41/141, Hitler-Erlaß v. 8. 1. 1943. 261 ZP-E und ZP-P, 29. 1. 1943, 31. Sitzung. Hiernach auch das Folgende. 262 Diese Zahl unterschied sich von der Forderung Hitlers vom 8. 1. nach 30000 Bergleuten und erst recht von der erhöhten des OKW nach 118000 Bergleuten aus den Kv-Jahrgängen 1906-1922 (BA Koblenz, R 7/113, v. Unruh an RWiM, 6. 2. 1943). General Walter v. Unruh schrieb selbst dazu: „Ich habe mich davon überzeugt, daß jetzt nur rund 45000 Menschen abgegeben werden können." (Ebenda).

,Totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

227

Kriegswirtschaft". Die andere H ä l f t e (103000) sollte in der Mittelinstanz auf die Betriebe umgelegt u n d von den R ü s t u n g s k o m m a n d o s abgezogen werden, in H ö h e von jeweils durchschnittlich 30 Prozent der bisher uk-gestellten A r b e i t s k r ä f t e d e r J a h r g ä n g e 1906 bis 1922. N u r 10 bis 15 Prozent sollten hierbei die Feinmechanik u n d Optik u n d „gewisse elektrische G e r ä t e " a b g e b e n ; „wichtigste Werkzeugfabriken erhalten einen t o t a l e n Schutz". Ü b e r Ausnahmen entschieden in erster Linie die Rüstungskommissionen. Die Forderungen d e r W e h r m a c h t gingen a b e r noch weit ü b e r die Einziehungen d e r SEAktion hinaus. Das O K W bezifferte Mitte J a n u a r den „ S o f o r t b e d a r f " an Soldaten f ü r das erste H a l b j a h r 1943 u n t e r A n r e c h n u n g d e r schon d u r c h die Befehle vom 19. Dezember 1942 u n d v o m 8. J a n u a r 1943 mobilisierten 400000 Mann auf 800000. 2 6 3 Die Rüstungsw i r t s c h a f t f o r d e r t e f ü r den gleichen Zeitraum r u n d a n d e r t h a l b Millionen Arbeitskräfte. 2 6 4 I n dieser S i t u a t i o n , in der gleichzeitig ü b e r die neuen großen R ü s t u n g s p r o g r a m m e des J a h r e s 1943, besonders ü b e r das „Adolf-Hitler-Panzerprogramm", v e r h a n d e l t wurde, 2 6 5 setzten die f ü h r e n d e n Kreise des Regimes ihre schon länger gehegten Pläne f ü r eine breitere Mobilisierung von deutschen Arbeitskräften durch. 2 6 6 H i t l e r unterzeichnete a m 13. J a n u a r 1943 den n i c h t veröffentlichten „ E r l a ß des F ü h r e r s ü b e r den umfassenden Einsatz von Männern u n d F r a u e n f ü r Aufgaben der Reichsverteidigung", 2 6 7 an dessen Ausarbeitung Goebbels, B o r m a n n , Sauckel, Lammers, Keitel u n d Speer m i t g e w i r k t h a t t e n . D a r i n bezeichnete er es als Hauptziel aller zu treffenden Maßnahmen, „die wehrfähigen Männer f ü r den F r o n t e i n s a t z freizumachen". Die faschistische F ü h r u n g sah sich erstmals veranlaßt zu dekretieren, daß zu diesem Zweck „alle Männer und Frauen", die noch n i c h t oder n i c h t voll f ü r den Krieg t ä t i g waren, „zu erfassen u n d ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend zum Einsatz zu bringen" seien. Keitel, L a m m e r s u n d B o r m a n n wurden m i t der allgemeinen Leitung u n d Kontrolle der Aktion b e a u f t r a g t . Die neuen Soldaten f ü r die W e h r m a c h t m u ß t e n sich nach Lage der Dinge hauptsächlich aus dem Reservoir der 5,3 Millionen Uk-Gestellten — d a r u n t e r 2,7 Millionen in Industrie u n d Verkehrswesen (Reichsbahn) u n d 0,9 Millionen in der Land- u n d F o r s t w i r t s c h a f t 2 6 8 — rekrutieren. 2 6 9 Obwohl n i c h t ausdrücklich e r w ä h n t , spiegelte sich dieser T a t b e s t a n d im E r l a ß deutlich wider, in dem an erster Stelle angeordnet wurde, „alle Uk-Stellungen erneut schärfstcns zu überprüfen u n d in allen Fällen a u f z u h e b e n " , in denen es „ohne G e f ä h r d u n g der anderen kriegswichtigen A u f g a b e n " möglich sei. Das Gegenstück zu dieser Forderung w a r die Meldepflicht f ü r alle n i c h t a r b e i t e n d e n deutschen Männer (von 16 bis 65 J a h r e n ) u n d F r a u e n (von 17 bis 50 J a h r e n ) . H i e r f ü r war der GBA verantwortlich, d e r zugleich Vollmachten d a f ü r erhielt, m ä n n l i c h e u n d weibliche A r b e i t s k r ä f t e aus Handel, H a n d w e r k , Gewerbe u n d freien Berufen, „soweit sie noch n i c h t eine überwiegend kriegswichtige Tätigkeit ausüben, in eine solche zu ü b e r f ü h r e n " . Schließlich wurde d e r Reicliswirlschaflsminister d a m i t b e a u f t r a g t , „die Stillegung von Betrieben u n d U n t e r n e h m u n g e n anzu263 264 265 266

K TB des OKW, Bd. 3/1, S. 46, Eintr. v. 18. 1. 1943. Bleyer, Totaler Krieg, S. 79. Siehe S. 121 ff. Zur Gesamtproblematik der „totalen" Mobilisierung s. Bleyer, Totaler Krieg; neuerdings Herbst, S. 207 ff. 267 Der zweite Weltkrieg. Dokumente, S. 186ff., Dok. 42; hiernach auch das Folgende. Zur Vorbereitung des Erlasses s. Bleyer, Totaler Krieg, S. 57 ff. 268 DZW, Bd. 3, S. 186 (betr. Männer der Jgg. 1897-1925; Stand von Ende (Nov.) 1942). 269 Grigoleit, S. 155.

228

Die Arbeitskräftesituation

ordnen, die nicht ganz oder überwiegend Aufgaben der Kriegswirtschaft oder der Sicherung des lebenswichtigen Bedarfs erfüllen". Am 27. J a n u a r 1943 ließ Fritz Sauckel im Reichsgesetzblatt nach Maßgabe des HitlerErlasses vom 13. J a n u a r eine „Verordnung über die Meldung von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung" veröffentlichen. 270 Die einzelnen Kategorien der Meldepflichtigen hatten, von den Arbeitsämtern aufgerufen, im Laufe der nächsten Wochen Meldebögen auszufüllen und dort einzureichen. Obwohl gegenüber dem HitlerErlaß in der Verordnung des GBA das Meldealter für Frauen von 50 auf 45 J a h r e heruntergesetzt worden war, betraf sie noch drei Millionen Frauen und eine halbe Million Männer. Nach einem Runderlaß Sauckels an seine Dienststellen vom 6. Februar sollte „so schnell wie möglich eine nennenswerte Zahl von Kräften mobilisiert" werden. Die gesamte Meldeaktion sollte bis zum 31. März abgeschlossen sein. 271 Damit war nach fast dreieinhalb Jahren Krieg nun doch die gesetzliche Grundlage für die allgemeine Arbeitspflicht — ein charakteristisches Merkmal der staatsmonopolistischen Kriegswirtschaft — geschaffen. Als Vorlage war offenbar ein schon am 21. Mai 1935 vom Hitler-Kabinett verabschiedetes Schubladengesetz benutzt worden, das sich wiederum an das „Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst" vom 5. Dezember 1916 2 7 2 anlehnte, allerdings schärfere Bestimmungen enthielt, 2 7 3 die nun wieder verwässert worden waren. Höchst zwiespältige Gefühle bewegten die Herrschenden, voran Hitler, in Hinsicht auf die Zwangsverpflichtung von Frauen. Jahrelang, auch noch nach dem Zusammenbruch der Blitzkriegsstrategie im Jahre 1941 und im kritischen Moskauer Winter 1941/42, hatte sich Hitler trotz des Drängens des Munitionsministeriums und des OKW, des GBA, Goebbels' und anderer dazu nicht bereitgefunden. Die Ausnahmen von der Melde- und Arbeitspflicht blieben für Frauen auch jetzt noch zahlreich. 274 Nach wie vor war es unzulässig, die Bezieherinnen von Familienunterhalt, wie schon oft vorgeschlagen, „durch die Androhung eines völligen oder teilweisen Entzugs des Familienunterhalts zum Arbeitseinsatz zu bringen", wenn sie nicht sowieso melde- bzw. einsatzpflichtig waren. 275 In Sauckels Instruktionen über die Beschäftigung der meldepflichtigen — überwiegend den Mittel- und den besitzenden Schichten angehörenden — Frauen war nach wie vor die Rede von der „Notwendigkeit der Erhaltung seiner (des deutschen Volkes — D. E.) biologischen Gesundh e i t " ; es sei „unter allen Umständen zu verhüten, daß auch bei neuem Einsatz die deutsche Frau oder das deutsche Mädchen hinsichtlich ihrer körperlichen als auch ihrer seelischen Gesundheit Schaden erleiden könnte". 2 7 6 . . .

270 RGBl. 1943 I, S. 67f.; für das Folgende s. a. Bleyer, Totaler Krieg, S. 93ff. 271 ZStA Potsdam, Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Nr. 147, Bl. 24 R, Bl. 25. 272 Deutschland im ersten Weltkrieg, Bd. 2, S. 470 ff. 273 ZStA Potsdam, Fall VI, Film 416, Dok. EC-258, Bericht RWiM/GB f. d. Kriegswirtschaft (Wohlthat) üb. „Die Vorbereitung der wirtschaftlichen Mobilmachung durch den GB für die Kriegswirtschaft", Stand Ende Dez. 1937. Hier wird — als Grundlage für den „Kriegsarbeitseinsatz" — das nicht veröffentlichte Gesetz mit seiner Kernbestimmung aufgeführt: „Volksdienstpflicht für alle Reichsangehörigen vom vollendeten 15. bis zum 65. Lebensjahr, soweit nicht Soldat oder ausdrücklich befreit." Siehe auch Thomas, S. 100 f. 274 Arendt, Zur Frauenpolitik, S. 310f. 275 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19486, AN (Lammers) „Der Führerauftrag v. 13. Jan. 1943", o. D. (Mitte Juli 1944). 276 IMG, Bd. 27, S. 611, Dok. PS-1739, Rede d. GBA vor den Reichs- u. Gauleitern in Posen am 5./6. 2. 1943.

.Totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

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Der Arbeitszwang war allerdings nichts Neues f ü r die bereits seit langen Jahren ausgebeutete Millionenmasse der Arbeiter, Arbeiterinnen und Angestellten in den Industriebetrieben u n d in den anderen Bereichen der deutschen Kriegswirtschaft. Aber in seiner jetzt gesetzlich fixierten allgemeinen Form gewann er im Laufe der nächsten Monate und auch in späteren Phasen des Krieges doch erhebliche Bedeutung f ü r die Arbeitskräftelage in der Kriegswirtschaft. Schließlich griff er auch so radikal in das persönliche und Familienleben von Millionen Menschen ein wie,bisher n u r die Einberufungen der Männer zur Wehrmacht. „Die Meldepflicht-Verordnung", so resümiert Arendt, „war das Ergebnis einer widerspruchsvollen, von scharfen Klassengegensätzen geprägten Politik. Der faschistische S t a a t wollte das Problem des wachsenden Arbeitskräftebedarfs der Kriegswirtschaft lösen, ohne im Rahmen der Frauendienstverpflichtungen die Privilegien der Frauen der herrschenden Kreise anzutasten, ohne auch die bevölkerungspolitischen Ziele zu gefährden und ohne die Stimmung der werktätigen Frauen mehr als unbedingt nötig Belastungen auszusetzen." 2 7 7 Die Stillegungsaktion u n t e r der Federführung des Reichswirtschaftsministers wurde durch die „Verordnung zur Freimachung von Arbeitskräften f ü r kriegswichtigen Einsatz" vom 29. J a n u a r 2 7 8 und mehrere Ministerialerlasse vom 30. J a n u a r 1943 eröffnet. 279 Sie stand mit der Meldepflichtaktion in ausdrücklichem Zusammenhang. Durch die Stilllegungen sollten vor allem Fachkräfte gewonnen werden; dies war nach Ansicht von Minister Speer sogar besonders eilig, „weil die Soldaten, die jetzt aus der Industrie herausgehen müssen, frühzeitig ersetzt werden müssen. Wenn sie zu spät ersetzt werden, fehlt die Menge an Fachkräften und Schlüsselkräften, die in der Lage sind, die neuen Menschen in irgendeiner Form einzuführen." Gerade hier aber argwöhnte er, „daß die Herren im Wirtschaftsministerium durchaus weich und vorsichtig seien"; die Sache könne hingegen „nicht radikal genug durchgeführt werden". 2 8 0 Tatsächlich dauerte es bis Mitte März, ehe jener Erlaß des Reichswirtschaftsministers herauskam, der die „Stillegungen und Zusammenlegungen von industriellen Betrieben" betraf 2 8 1 ; mit seiner Durchführung wurden die Reichsstellen beauftragt. Die Stillegungswelle, so wie sie gehandhabt wurde, ergriff n u r wenige größere Unternehmungen, liquidierte dagegen in erster Linie zahllose kleine Existenzen, vor allem in Handel und Handwerk. Allein aus dem Sektor der Lebensmittelversorgung wurden Mitte J u n i 1943 die Schließung von 21000 (bis 31. Juli geschätzt auf 27000) Betrieben - Fleischereien, Bäckereien usw. — und die „Freimachung" von 33500 (42200) Arbeitskräften gemeldet 2 8 2 ; das waren weniger als 1,6 Arbeitskräfte je Betrieb. Diese Art von Stillegung schaffte Unruhe u n t e r der Bevölkerung und verursachte dem Regime, wie Sauckel es auf einer Stabsbesprechung ausdrückte, Probleme „schwieriger N a t u r " : „Das ist, daß bei der Stillegung von Betrieben und Geschäften es doch eintreten wird, daß ein Teil dieser Menschen nicht untergebracht werden kann, und es kann niemand von uns, vom Arbeitseinsatz, verlangen, daß wir d a n n die Unzufriedenheit und Stimmung dieser Menschen auf die Kappe des Arbeitseinsatzes nehmen. Das muß dann das Wirtschaftsministerium auf sich nehmen 277 Arendt, Zur Frauenpolitik, S. 309. 278 RGBl. 1943 I, S. 75f. (unterzeichnet v. Lammers, Keitel u. Bormann). 279 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19485. — Es handelte sich um je einen Erlaß betr. den Handel, das Handwerk und das Gaststätten- u. Beherbergungsgewerbe. 280 ZP-P, 26. 1. 1943, 30. Sitzung. 281 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19485, Erlaß RWiM v. 16. 3. 1943. 282 Ebenda, AN Reichskanzlei, 23. 6. 1943.

230

Die Arbeitskräftesituation

... und das muß auch entsprechend in der Presse zum Ausdruck kommen. Denn die Stillegung dieser Geschäfte erfolgt nicht aus Notwendigkeit des Arbeitseinsatzes, sondern aus dem Zwang, Energien zu sparen und zusätzliche Räume zu erhalten ... Ich glaube, daß jeder Gauleiter im eigenen Interesse die Stillegungen so steuern wird, daß er nicht den Fluch seiner Volksgenossen aufgeladen bekommt." 283 Bereits am 21. Juni verfügte der Reichswirtschaftsminister das Ende der Stillegungsaktion in Handel, Handwerk, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe. 284 Währenddessen entwarf Goebbels Verlautbarungen zur Beruhigung der aufgestörten gewerblichen Mittelschichten, 285 damit diese aus der klaffenden Diskrepanz zwischen ihrer wirtschaftlichen Ausschaltung und der unerhörten Konjunkturund Kapitalkonzentration beiden Rüstungsbetrieben keine Schlußfolgerungen über den Charakter des Regimes zogen. Die Stillegungen in der Industrie wurden gemäß Erlaß vom 13. August 286 abgebrochen; Abschlußund Berichtstermin sollte der 30. September sein. Damit fand die gesamte Stillegungsaktion „wegen der daraus resultierenden Beunruhigung der Bevölkerung" 287 ihr Ende. Zur Jahresmitte berichtete der GBA über die Ergebnisse der Meldepflichtaktion, die „Ende Juni im wesentlichen abgeschlossen" war. 288 Sie lagen — ungeachtet einer Flutwelle von Propaganda für den „Totalen Krieg" — erheblich unter den Erwartungen der maßgeblichen Instanzen. Sie zeugten von einer „breiten passiven Resistenz" 289 in der nichtarbeitenden Bevölkerung, vor allem der weiblichen, ebenso wie von der Orientierung der staatlichen Organe, sich angesichts dieser Resistenz aus politischen Gründen verhältnismäßig nachgiebig zu verhalten. Tabelle 25 Ergebnis der Meldepflichtaktion

(Stand Ende Juni Insgesamt

Gemeldete Personen Einsetzbar in den Arbeitsprozeß Eingesetzt in den Arbeitsprozeß darunter: für weniger als 48 Wochenstunden (d. h. in der Regel halbtags) Eingesetzt in der — Rüstungswirtschaft — Landwirtschaft — übrigen Wirtschaft

1943) Frauen

Männer

3592000 1578000 1361000

3048000 1462000 1260000

544000 116000 101000

701000

684000

17000

567000 287000 507000

537000 262000 461000

30000 25000 46000

Quelle: DZW, Bd. 3, S. 217. — In einer ein Jahr später (Mitte Juli 1944; s. Anm. 275) aufgemachten Endabrechnung per Ende 1943 wurden 1626000 als „einsetzbar" aus der Meldepflichtaktion gewonnene Arbeitskräfte angegeben, also eine nur geringfügig erhöhte Zahl. 283 BA Koblenz, R 41/25a, GBA-Stabsbesprechung, 10. 2. 1943. 284 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19485, Erlaß RWiM, 21. 6. 1943. - Schließlich sollte die Aktion bis spätestens 31. 7. abgeschlossen sein (ebenda, Erlaß RWiM, 12. 7. 1943). 285 Ebenda, Entwurf einer Verlautbarung, Mitte Juli 1943. 286 BA Koblenz, R 7/2220, Erlaß RWiM betr. „Beendigung der Stillegungsaktion in der Industrie", 13. 8. 1943. 287 Wie Anm. 275. 288 Ebenda, Film 19482, AN Reichskanzlei (f. Lammers), 12. 8. 1943. 289 DZW, Bd. 3, S. 216.

„Totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

231

Nach Umrechnung der Teilarbeitskräfte — über 50 Prozent der Frauen — in Vollarbeitskräfte ergab sich statt i 361000 nur ein Zuwachs von etwa 912000 Arbeitskräften. 2 9 0 D a m i t sahen sich Speer und Kehrl in ihrer seit Beginn der Aktion gehegten Hoffnung Tabelle 26 Ergebnis der Stülegungsaktion

1943 (Stand

Freigesetzte Arbeitskräfte Umgesetzte Arbeitskräfte Umgesetzt in die — Rüstungswirtschaft — Landwirtschaft — übrige Wirtschaft

Ende Juni

1943)

Insgesamt

Frauen

Männer

161000 114000*

102000 73000

59000 40000

49000 3000 61000

31000 2000 40000

18000 1000 21000

* Additionsfehler durch Aufrundung

Quelle: DZW, Bd. 3, S. 221 (korrigiert nach ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19482, Bericht d. GBA vom 28. 7. 1943). Tabelle 27 Ergebnisse der Stillegungsaldion

Reichsstelle

(„Gewerbe")

April bis September

Zahl der stillgelegten Betriebe

Kohle — Eisen und Metalle 734 Steine und Erden Edelmetalle ca. 1200 — Maschinenbau 434 Chemie * 64 Feinmechanik und Optik Technische Erzeugnisse 164 Textilien 95 Kleidung und verwandte Gebiete * * — Papierverarbeitung 498 Leder 9 Gemeinschaft Schuhe 11

1943

Zahl der freigesetzten Arbeitskräfte



2376 ca. 2000 —

? ?

250

? —

2884 ? 150

* Vor allem Produzenten von Parfümerie und kosmetischen Erzeugnissen * * So gut wie keine Stillegungen; „keine irgendwie nennenswerten Arbeitskräfte" freigesetzt (Bericht vom 14. 10. 1943; ohne zahlenmäßige Angaben)

Quelle: Nach den Abschlußberichten der Reichsstellen an das RWiM, Oktober 1943 (BA Koblenz, R 7/2221; unvollständig). — Insgesamt (Gewerbe, Handwerk, Handel) blieb das Ergebnis der Aktion des Reichswirtschaftsministers mit 150000 „umgesetzten" Arbeitskräften um 50 Prozent unter den Erwartungen (300000); letztgenannte Zahl nach Bleyer, Totaler Krieg, S. 105. 2 9 0 Herbst,

S . 211.

Die Arbeitskräftesituation

232

gründlich getäuscht, zwei Millionen Frauen insgesamt neu in Arbeit zu setzen und „mindestens eine Million Deutsche in die Rüstungsbetriebe zu überführen". 2 9 1 Sauckel rechnete zugleich das vorläufige Ergebnis der Stillegungsaktion ab. Von 161000 „freigesetzten" Kräften wurden 114000 auf kriegswichtige Arbeitsplätze „umgesetzt". 2 9 2 Halbherzig begonnen und durchgeführt, erbrachte die Aktion schließlich bis Herbst 1943 nur das dürftige Resultat von insgesamt etwa 150000 „für wichtigere Aufgaben freigemachten" Arbeitskräften. 2 9 3 Vergleichsweise besonders kläglich fiel das Ergebnis im Gewerbesektor, d. h. in der Industrie, aus. (Tabellen 26 und 27) Der Reichswirtschaftsminister rügte z w a r schon nach einem Monat Stillegungspraxis, „daß die Stillegungsvorschläge der Reichsstellen an die Landeswirtschaftsämter vielfach nur kleine Betriebe zum Gegenstand haben", so daß „der Eindruck entstanden (ist), d a ß große Betriebe geschont werden", 2 9 4 doch änderte sich daran, nach den angeführten Zahlen der Abschlußberichte der Reichsstellen zu urteilen, offenbar nichts.

b) Die Mobilisierungskonzeption

des Reichsministers

für Bewaffnung

und

Munition

Zur Wehrmacht wurden im Laufe des Jahres 1943 zusätzlich zu den Einziehungen aus dem Ersatzheer 830000 Mann durch Aufhebung ihrer Uk-Stellung einberufen. 2 9 5 Seit November 1942 verringerte sich die Zahl der Uk-Gestellten bis August 1943 von 5 2 7 7 0 0 0 auf 4118000, also um 1159000 oder 22 Prozent. 2 9 6 Die Arbeitskräftesituation in der Kriegswirtschaft w a r und blieb kritisch. Hinzu kam, d a ß der organisatorische Mechanismus der „totalen" Mobilisierung u n d die Kompetenzabgrenzung zwischen den damit befaßten Stellen verworren waren. Im Rahmen der Mobilisierungsaktionen lag die Beschaffung von Arbeitskräften nicht in den Händen des Reichsministers für Bewaffnung und Munition, der in dem Hitler-Erlaß vom 13. J a n u a r 1943 nicht einmal Erwähnung fand, sondern in denen des GBA, des Reichswirtschaftsministers und — soweit es die allgemeine Leitung und Kontrolle der Aktionen betraf — des „Drei-Männer-Kollegiums" (Keitel, Lammers, Bormann). Die Unzufriedenheit der Kreise um den Munitionsminister m i t der Konzeption und dem Tempo der „totalen" Mobilisierung war u m so größer, als die hochgeschraubten Rüstungsprogramme, voran das „Adolf-Hitler-Panzerprogramm", aber auch der große „Eisenplan" der Reichsvereinigung Eisen, 2 9 7 immer heftiger m i t dem Abzug der Fachkräfte zur Wehrmacht kollidierten. Interne Auseinandersetzungen konnten unter diesen Umständen nicht ausbleiben. Mitte Mai beschwerte sich Speer bei Hitler über den GBA wegen „Differenzen" mit ihm, die „die Überprüfung von Betrieben der Rüstung, der Zulieferungen einschl. Chemie, Bergbau und Eisen schaffende Industrie sowie des Baugewerbes u n d der OT durch die Arbeits291 ZP-P, 26. 1. 1943, 30. Sitzung. 292 DZW, Bd. 3, S.221. 293 Wie Anm. 275. Vermutlich entsprach diese Zahl der in der Tabelle 26 zuoberst stehenden (161000); demnach wäre die Stillegung für rund 10000 Arbeitskräfte wieder rückgängig gemacht worden, was durchaus nicht unwahrscheinlich ist. 294 BA Koblenz, R 7/2218, RErlaß RWiM, 30. 4. 1943. 295 Wie Anm. 275. 296 Grigoleit, S. 181 f.

297 Siehe S. 363 f.

totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

233

einsatzbehörden" betrafen. E r erreichte eine „Festlegung" d a r ü b e r , daß, wenn er schon die Behörden des GBA m i t Betriebsüberprüfungen zu „ b e a u f t r a g e n " bereit sei, „die Entscheidung ü b e r die Ergebnisse dieser Ü b e r p r ü f u n g e n ausschließlich bei meinen (Speers - D. E.) Organen liege". 29 » I m Mai 1943 m u ß t e der Munitionsminister einer zweiten Sondereinziehungsaktion ( S E - I I Aktion) zustimmen. Sie betraf weitere 150000 F a c h - u n d Schlüsselkräfte der J a h r g ä n g e 1901—1922, die zu vier R a t e n von J u n i bis Oktober einberufen werden sollten. 2 9 9 E r s a t z werde, so Speer, „durch den GB A r b e i t im allgemeinen n u r rein zahlenmäßig erfolgen". 3 0 0 U m den Auswirkungen dieser neuerlichen E i n b u ß e u n d zugleich des Rückgangs der Zwangsa r b e i t e r t r a n s p o r t e auf die R ü s t u n g zu begegnen, setzte der Munitionsminister in allen größeren Rüstungsbetrieben, d. h. in solchen m i t m e h r als 300 Beschäftigten, sogenannte Arbeitseinsatz-Ingenieure (AEI) ein. 3 0 1 Sie wurden auf Vorschlag des jeweiligen „Betriebsf ü h r e r s " von den Vorsitzern der Rüstungskommissionen e r n a n n t und handelten nach deren Weisungen. D e r Aufgabenkatalog der A E I sprach B ä n d e ü b e r die zentrale Rolle, die ihnen bei der betrieblichen „Leistungssteigerung", d. h. bei der Intensivierung u n d Perfektionierung der Ausbeutung u n d der Maximierung von P r o d u k t i o n u n d Profit aus j e d e r einzelnen A r b e i t s k r a f t zugedacht w a r : „ P r ü f u n g u n d Sicherstellung des rationellsten u n d sparsamsten Einsatzes der A r b e i t s k r ä f t e im B e t r i e b " ; „Umschulung u n d Anlernung der zugewiesenen ungelernten in- u n d ausländischen A r b e i t s k r ä f t e " ; „Vorbereitung u n d F ö r d e r u n g des Einsatzes von A r b e i t s k r ä f t e n aus d e r Meldepflichtaktion, insbesondere von H a l b t a g s k r ä f t e n " , ferner von Kriegsversehrten; U n t e r s t ü t z u n g der Rüstungskommission bei Umsetzungen u n d „bei d e r arbeitseinsatzmäßigen E r f ü l l u n g d e r Sonderaktionen". F ü r die A E I u n d f ü r alle anderen „Maßnahmen, die die P r o d u k t i o n d u r c h besseren Arbeitseinsatz steigern", richtete der Minister ein Vierteljahr s p ä t e r als zentrale Koordinationsstelle eine Amtsgruppe „Arbeits-Ordnung" u n t e r d e m bisherigen D A F - F u n k t i o n ä r u n d Mitglied des R u h r s t a b e s Speer, Theodor H u p f a u e r , im Rüstungsministerium ein. 3 0 2 Als gegen E n d e des F r ü h j a h r s die deutsche U - B o o t - K r i e g f ü h r u n g ihr Desaster erlebte, das deutsche Afrikakorps kapitulierte, wenig s p ä t e r alliierte L u f t a n g r i f f e das Ruhrgebiet, a n d e r e I n d u s t r i e o b j e k t e u n d zahlreiche G r o ß s t ä d t e schwer t r a f e n u n d schließlich im Somm e r das Kernstück der deutschen Offensivplanung f ü r 1943, die Kursker Operation, scheiterte, w a r es jenen Kreisen klar, d a ß n u r durchgreifende Lösungen ihnen zu den benötigten Arbeitskräften verhelfen k o n n t e n . Dieses A r g u m e n t — besonders Speers Drängen auf Ü b e r f ü h r u n g von H u n d e r t t a u s e n d e n F a c h k r ä f t e n aus der Konsumgüterindustrie in die R ü s t u n g — spielte offensichtlich E n d e J u l i eine wesentliche Rolle, als der Minister m i t H i t l e r d a r ü b e r verhandelte, die Kompetenzen des Reichswirtschaftsministeriums auf sein Ministerium zu übertragen. 3 0 3 Nach der Ü b e r n a h m e der Vollmachten des Reichswirtschaftsministers gelang es Speer 298 FB, 13.-15. 5. 1943, Punkt 9. 299 ZStA Potsdam, FS, Film 1727, RErlaß RMfBuM v. 21.5. 1943. - Nach Bleyer, Totaler Krieg, S. 73, erbrachten die SE-I-Aktion de facto 183000, die SE-II-Aktion 78000 Mann für die Wehrmacht. 300 Ebenda (Film 1727). 301 Naehriclden des RMfBuM, Nr. 26, 8. 7. 1943. Hiernach auch das Folgende. 302 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19622, Erlaß RMfRuK üb. Bildg. der Amtsgruppe „Arbeits-Ordnung", 25. 9. 1943. 303 Speer, Erinnerungen, S. 287.

234

Die Arbeitskräftesituation

offenbar, vor allem auf dem W e g e der Stillegungen und der „Auskämmung" in der Konsumgüterindustrie seine Absichten zum großen Teil wahrzumachen. 304 Eine Übersicht über das Gesamtresultat der Mobilisierung deutscher Arbeitskräfte im Jahre 1943 ergab 1626000 „einsetzbare" Arbeitskräfte als Ergebnis der Meldepflichtaktion, etwa 150000 Arbeitskräfte als Ergebnis der Stillegungsaktion und rund 400000 Arbeitskräfte als Ergebnis der „Auskämmungsaktion". 305 Die letztgenannte Zahl ist bemerkenswert: Die „Auskämmungsaktion" 306 setzte erst im August, nach Abschluß der Stillegungsaktion, ein und wirkte sich vor allem im September und Oktober aus; zu jener Zeit also, als die Konsumgüterindustrie sich schon unter der Regulierungsgewalt des Munitions- bzw. Rüstungsministeriums befand. 307 Dieser letzte Posten scheint tatsächlich der für die Rüstungsindustrie quantitativ wie qualitativ beachtlichste Nutzeffekt gewesen zu sein, den die deutsche Arbeitskräftebilanz des Jahres 1943 aufwies. Die Ergebnisziffern der Meldepflichtaktion dagegen mußte Sauckel, als er Mitte November Hitler berichtete, erheblich nach unten korrigieren: „ E s wurden untersucht 3,6 Millionen Frauen, davon sind einsatzfähig 1,6 Millionen. Von diesen wurden nur halbtags beschäftigt 0,7 Millionen. Im Laufe des Jahres mußte von den zu Beginn eingestellten Frauen auf Grund ärztlichen Attestes bereits wieder 0,5 Millionen entlassen werden." 3 0 8 In der Abrechnung fehlten allerdings die anfänglichen Resultate jener Stillegungs- und „Auskämmungs"maßnahmen, die der Rüstungsminister sogleich nach Übernahme der Kompetenzen des Reichswirtschaftsministers selbst eingeleitet hatte („Generalbeauftragter für Betriebsumsetzungen"); doch wirkte sich die neue, ungleich schärfere Politik gegenüber der Konsumgüterindustrie auch erst später, im Jahre 1944, erheblicher aus. Eine Gesamtbilanz, die sich nur jahrweise jeweils von Mai bis Mai aufstellen läßt, 309 weist von 1942 bis 1943 einen Zugang von 370000 weiblichen deutschen Arbeitskräften und von zwei Millionen ausländischen Zwangsarbeitern auf, dem ein Abgang von 1,4 Millionen männlichen deutschen Arbeitskräften gegenüberstand. 310 Diese mit rund einer Million Arbeitskräfte positive Bilanz verkehrte sich im darauffolgenden Jahr ins Gegenteil. Weibliche deutsche Arbeitskräfte wurden nach dem Mai 1943 zwar noch weiterhin mobilisiert; demgegenüber schieden aber etwa ebenso viele mit ärztlichem Attest und aus anderen Gründen wieder aus. Ihre Gesamtzahl stagnierte; in 304 Zur Konzeption des „Totalen Krieges" im RMfRuK s. Kap. 3. 305 Wie Anm. 275. 306 Es handelte sich um die Mitte August ausgelöste, aber erst im September in Gang kommende „Auskämmaktion ziviler Sektor" (AZS-Aktion 1943) unter Federführung des GBA (s. Demps, Laurenz, Zahlen über den Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter in Deutschland im Jahre 1943 (im folgenden: Demps, Zwangsarbeiter), in ZfG, 7/1973, S. 837f. u. S. 840 (Dok. 1: GBABericht v. 5. 10. 1943 üb. den „Arbeitseinsatz im I I I . Quartal 1943")). 307 Die bei Bleyer, Totaler Krieg, S. 110, mit 400000 bis 500000 angegebene Zahl (auch BZW, Bd. 3, S. 221: 500000) scheint mit Frühjahr 1943 irrtümlich datiert zu sein und ist in der angegebenen Quelle nicht enthalten. 308 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19482, AN Parteikanzlei üb. Vortrag d. GBA bei Hitler am 18. 11. 1943, v. 21. 11. 1943. 309 Gemäß der offiziellen Statistik (Statist. Reichsamt). Die folgenden Zahlen beziehen sich auf Deutschland in den Grenzen v. 31. 8. 1939 (ohne „Protektorat Böhmen und Mähren"; s. Tabelle 28). 310 Die Abgangs- und Zugangszahlen sind saldiert, d. h. gegenläufige Bewegungen sind miteinander aufgerechnet.

Totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

235

der Industrie ging sie sogar um 150000 zurück. Dem stand eine gewisse Zunahme an — im Jahre 1943 statistisch noch nicht ausgewiesenen — Heimarbeiterinnen entgegen. In der Zentralen Planung charakterisierte Generalfeldmarschall Milch das Gesamtresultat als „ein völliges Versagen der Mobilmachung der deutschen Frau". 311 Der Zugang an ausländischen Zwangsarbeitern war im Vergleich zum Vorjahr halbiert. Einem Abgang von 1,3 Millionen männlichen deutschen Arbeitskräften stand so ein Gesamtzugang von nur 870000 Arbeitskräften gegenüber. Wäre nicht das — wenn auch dürftige — Ergebnis der „totalen" Mobilisierung aus dem ersten Halbjahr gewesen, so wäre das Defizit noch höher ausgefallen. Der gesamte Arbeitskräftezuwachs von Mai 1942 bis Mai 1944 ging überhaupt nur zu elf Prozent auf das Konto der Mobilisierung deutscher Arbeitskräfte, zu 89 Prozent auf das der ausländischen Zwangsarbeiter. Tabelle 28 In Deutschland Jahr

1939 1940 1941 1942 1943 1944

beschäftigte Arbeitskräfte 1939—1944 (Vorkriegsgrenzen,

jeweils 31. Mai; in

Arbeitskräfte insges.

davon Ausländische Arbeitskräfte

darunter: Deutsche weibliche Arbeitskräfte

in

Deutsche Arbeitskräfte

39416 35983 36177 35525 36527 36110

301 1154 3033 4224 6260 7126

39114 34829 33144 31301 30269 28984

14626 14386 14167 14437 14806 14808

37 41 43 46 49 51

1000)

Quelle: The Effects, S. 204ff., Tab. 3 - 5 . Geringfügige Additionsfehler in den Quellen.

So erreichten im Laufe des Jahres 1943 die Schwierigkeiten der Arbeitskräftebeschaffung erneut einen kritischen Grad, gewannen eine neue Qualität, die durch den empfindlichen Mangel an Fachkräften, durch den Fehlschlag in der „totalen" Mobilisierung der nichtarbeitenden deutschen Frauen und durch den starken Rückgang der Zwangsarbeitertransporte gekennzeichnet war. Die für die deutschen Imperialisten beunruhigendste Auswirkung der Einziehungen im Jahre 1943 war, daß die Zahl der Facharbeiter und Spezialarbeiter (besonders Werkzeugmacher und Einrichter), der Vorarbeiter und Meister nunmehr rascher als je zuvor abnahm. Für die Beibehaltung eines bestimmten Niveaus in der Arbeitsproduktivität und -intensität und speziell für die Einarbeitung und Überwachung der Zwangsarbeiter sowie der neu eingewiesenen deutschen Arbeitskräfte waren aber gerade sie unbedingt erforderlich. War der Stamm solcher „Führungskräfte" schon seit geraumer Zeit überaltert, so zehrten die „SE-Aktionen" seit Anfang 1943 an der Substanz dieser für die Inganghaltung der auf Hochtouren laufenden Rüstungsproduktion unersetzlichen Schicht. Im ersten Halbjahr 1943 wurden 261000 Fach- und Schlüsselkräfte eingezogen, im zweiten Halbjahr weitere 172000.312 Das „beste Personal, das wir hatten", betonte Milch Anfang 1944, „ist am stärksten zur Wehrmacht eingezogen worden. Infolgedessen ist es gar nicht möglich, 311 ZP-P, 16. 2. 1944, 53. Sitzung. 312 BA Koblenz, R 3/1615, A N RMfRuK, 1 3 . 1 0 . 1 9 4 4 .

236

Die Arbeitskräftesituation

jeden Ausländer voll auszunutzen, es sei denn, daß der Akkord ihn zwingt und daß wir die Möglichkeit haben, gegen Ausländer, die ihren K r a m nicht machen, vorzugehen." 3 * 3 Was die Mobilisierung von weiblichen deutschen Arbeitskräften betraf, so war sie für die herrschenden Kreise nicht nur ein politisches Problem, sondern machte ihnen auch ökonomisch Schwierigkeiten. F ü r die Rüstungsmonopole bot die Beschäftigung von deutschen Frauen in der Industrie keine ungeschmälerten Vorteile. Im Gegenteil, sie brachte eine Reihe von für den Profit nachteiligen Begleiterscheinungen mit sich. Die Betriebe konnten deutsche Frauen nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht so ungehemmt und rücksichtslos ausbeuten wie ausländische Zwangsarbeiter und konnten sie meist auch nicht die schweren und schmutzigen Arbeiten verrichten lassen. Der Länge des Arbeitstages waren, wenn nicht überhaupt verkürzte Arbeitszeit (Halbtagsarbeit) in Frage k a m , ebenso wie der Antreiberei a m Arbeitsplatz engere Grenzen gesetzt. Der Aufwand an sozialen Leistungen wuchs noch stärker als bei der Einstellung männlicher deutscher Arbeitskräfte. Die meisten der neu verpflichteten Frauen mußten erst angelernt werden, und es erforderte eine relativ lange Anlaufzeit, ehe sie mit voller Leistung in den Produktionsprozeß eingegliedert werden konnten. Der große und rasch zunehmende Mangel an Facharbeitern, Vorarbeitern undMeistern, die bereits durch dieBeaufsichtigung der ausländischen Zwangsarbeiter absorbiert waren, mußte die Einarbeitung der neuen weiblichen deutschen Arbeitskräfte erschweren und verzögern. Auch die Forderung nach Umstellung bestimmter Bereiche der Produktion, beispielsweise der Elektroindustrie, auf Heimarbeit, die von den Dienststellen des G B A und des Rüstungsministeriums erhoben wurde, war für die Rüstungsbetriebe mit komplizierten ökonomischen Umstellungen und kostenerhöhenden Vorkehrungen wie der Errichtung von Zwischenlagern und Veränderungen in der Produktionsorganisation verbunden und stieß bei ihnen auf keine sehr große Bereitschaft. Obwohl die deutschen Imperialisten die „totale" Mobilisierung der weiblichen deutschen Arbeitskräfte f ü r die Kriegswirtschaft allgemein als „kriegswichtig" und notwendig ansahen, mangelte es also einerseits an bestimmten Voraussetzungen (Anlernkräfte) f ü r ihren raschen und effektiven E i n s a t z ; andererseits bedeutete ihr massenhafter Einsatz sowohl im Betrieb als auch in der Heimarbeit gerade in der immer kritischeren Gesamtsituation ein ökonomisches und soziales Experiment großen Maßstabs, auf d a s die Rüstungsgewaltigen sich schon wegen der damit verbundenen Profitminderung nur ungern einließen. Der Rüstungsminister und seine monopolkapitalistischen Förderer und Vertrauten, voran Walter Rohland, hatten ihre tiefe Unzufriedenheit mit den bisherigen Ergebnissen der „totalen" Mobilisierung a m 6. Oktober 1943 auf der Gauleitertagung in Posen kundgetan und versichert, es werde fortan ein anderer, weitaus schärferer Kurs gesteuert werden. 3 1 4 Die Grundlinie für diesen Kurs legten Rohland in seinem Memorandum für Hitler vom Herbst 1943 3 1 5 und Speer in seinen Denkschriften („Führer-Vorlagen") vom 25. J a n u a r 1944316 n i e d e r .

313 ZP-P, 16. 2. 1944, 53. Sitzung. 314 Siehe S. 174 f. — Die Forderung nach einem solchen Kurs erhob Speer schon in seiner Rede auf der Gauleitertagung am 21. 6. 1943 (ZStA Potsdam, FS, Film 1740). 315 ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 724, Bl. 144 ff., Dok. Pleiger-416, Affid. Rohland v. 22. 4. 1948, mit Anlage (Affid. v. 16. 4. 1948); ebenda, Bl. 152f., Dok. Pleiger-416a, Vernehmg. Rohlands, 28. 8. 1947 (Fall V). Hiernach auch das Folgende. — Die zit. Anlage enthält Rohlands nachträgliche Inhaltsangabe der Denkschrift, die selbst nicht vorliegt. 316 Ebenda, F S , Film 3385.

.Totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

237

Die Grandgedanken aus Rohlands Denkschrift, die er zusammen mit Speer und Pleiger am 7. Oktober zu Hitler nach Rastenburg brachte 3 1 7 , waren seit längerem Gegenstand der Erörterung in den Führungsgremien des „Selbstverantwortungs"apparats der Rüstungsindustrie, besonders im Ruhrgebiet (Ruhrstab), und des Rüstungsministeriums. Rohland unternahm seine Aktion, die er nach eigener Aussage „mit einer Reihe meiner Bekannten und Mitarbeiter vorher und nachher erörtert" hatte, zweifellos im Auftrag Voglers; „es handelte sich darum", so betonte er ausdrücklich, „ganz allgemein die Auffassung der Industrie im Hauptquartier zum Ausdruck zu bringen." Man müsse sich damit abfinden, so nach Rohlands Wiedergabe der Tenor der Denkschrift, daß keine zivilen ausländischen Arbeitskräfte mehr „freiwillig" nach Deutschland kommen würden. Ihre zwangsweise Beschäftigung aber bringe, je länger, desto mehr Sicherheitsrisiken gegen geringe Leistung mit sich. Daher „muß — das ist die Schlußfolgerung — mit allen Mitteln der totale Einsatz der deutschen Menschen angestrebt werden." Vom „Totalen Krieg" dürfe nicht „nur noch die Optik" übrigbleiben. In der Denkschrift wurde „der totale Einsatz des deutschen Menschen ähnlich wie in England und Rußland verlangt". Die vorgeschlagene radikale Mobilisierung, verbunden mit einer „Rüstungsdienstpflicht" für alle Freigesetzten und Nichtbeschäftigten, sollte sich in erster Linie auf den gesamten Apparat der Wehrmachtdienststellen und auf den „Beamtenapparat von Staat und Partei" erstrecken, „unter gleichzeitigem Rückgriff auf stärkeren Fraueneinsatz". Aufgenommen hatte Rohland in die Denkschrift auch die Forderung nach Einschränkung des privaten Verbrauchs und nach der vom Rüstungsministerium bereits in Angriff genommenen „Verlagerung des noch notwendigen zivilen [Produktions-JSektors in die besetzten Gebiete". Schließlich drängte er „zur Erreichung einer allgemeinen Leistungssteigerung" auf verschärfte Maßnahmen gegen Fluktuation und Ausfallstunden, auf allgemeine Einführung der rollenden Arbeitswoche mit Sonntagsarbeit und auf Verpflegungszulagen für Schwerarbeiter aller Kategorien. Tatsächlich war all dies, zusammengenommen, das Konzept einer qualitativ neuen, konsequenten Mobilisierung der gesamten deutschen Bevölkerung für den Krieg des deutschen Finanzkapitals. Die späteren, wiederholten Memoranden Speers zum „Totalen Krieg" gingen im Grundsätzlichen wie in den hauptsächlichen praktischen Forderungen von Rohlands Denkschrift aus. Hitler soll sich, nach Rohland, am 7. Oktober zunächst von diesem Konzept haben überzeugen lassen; am nächsten Tag jedoch sei er von den angereisten Gauleitern und von Bormann umgestimmt worden, die ihm ohne Zweifel die zu fürchtenden innenpolitischen Folgen für das Regime vorhielten. c) Stockender Zufluß ausländischer

Zwangsarbeiter

Im Jahre 1943 ebbte der Zustrom an ausländischen Zwangsarbeitern nach Deutschland gegenüber dem Vorjahr trotz größter Anstrengungen der Faschisten, ihn zu vermehren, unaufhaltsam ab und ging insbesondere im zweiten Halbjahr stark zurück. Die entscheidende Ursache hierfür waren die Siege und der Vormarsch der Sowjetarmee sowie der stürmisch anwachsende Volks widerstand in den von den Faschisten unterworfenen Ländern. 317 Zur Datierung der Übergabe an Hitler vgl. Schmidt, S. 233.

238

Die Arbeitskräftesituation

In der Sowjetunion und in Polen sahen die deutschen Imperialisten die wichtigsten Quellen von Zwangsarbeitskräften. Gerade diese Quellen wurden ihnen durch die Offensiven der Sowjetarmee und den gewaltig anschwellenden, zunehmend organisierten Widers t a n d der Bevölkerung, insbesondere der sowjetischen Partisanen, immer mehr verstopft. Der Vormarsch der Sowjetarmee bewahrte zudem bedeutende Teile der sowjetischen Zivilbevölkerung noch rechtzeitig vor dem Zugriff der Okkupanten. Schon in den ersten Monaten des J a h r e s 1943 erlebte der G B A irreparable Einbrüche bei seinen „ P r o g r a m m e n " . Im J a n u a r und Februar fielen, wie Sauckel Hitler meldete, die Transporte aus dem Osten „fast vollkommen" aus, freilich nicht nur wegen der „Schwierigkeiten der Wintermonate", 3 1 8 sondern vor allem wegen der zwischen Don, Donec und Dnepr tobenden K ä m p f e u m das Donecbecken und die Ostukraine. E r s t im März setzten wieder größere Transporte ein. Früher seien jedoch täglich 10000 bis 12000 sowjetische B ü r g e r als Zwangsarbeiter deportiert worden, klagte der Vertreter des G B A a m 22. April 1943 auf der Sitzung der Zentralen Planung, „in den letzten drei Monaten im ganzen nur 6 0 0 0 0 " . 3 1 9 Die faschistischen Zwangsarbeiterkommissionen und -beauftragten hatten sich seit Herbst 1942 schon auf Gebiete konzentriert (Kuban-Gebiet, Stalingrader Gebiet, K a u k a s u s ) , die „inzwischen Operationsgebiete geworden sind oder sich gar nicht mehr in unserer H a n d befinden". 3 2 0 So stellte der G B A , wie der Verbindungsoffizier des O K W berichtete, mit Recht fest: „Alle Planungen auf Zufuhr von Russen seien durch die strategische L a g e zunichte gemacht w o r d e n . " 3 2 1 Sowjetische Kriegsgefangene in großen Mengen, mit denen die deutschen Imperialisten fest gerechnet hatten, blieben aus. Wer jetzt in den Schlachten im Osten Gefangene in großer Zahl machte, das waren nicht mehr die faschistischen Okkupanten, sondern die überlegen geführten und heldenhaft kämpfenden sowjetischen Truppen. Als die dringend angeforderten Kriegsgefangenen ausblieben, begannen die deutschen Monopolherren, frühere „ F e h l e r " zu beklagen und zu „bedauern . . ., daß die russischen Gefangenen, mit denen man heute außerordentlich zufrieden ist, im Winter 1941/42 so schlecht verpflegt und untergebracht wurden, daß sie zu Hunderttausenden verhungert sind. Heute fehlen sie uns d r i n g e n d " . 3 2 2 Die deutschen Imperialisten versuchten, sich in Westeuropa schadlos zu halten. Mit Hilfe der französischen Kollaborationsregierüng, mittels Zwangsgesetzen und Terrors sowie Propagandaphrasen von der „ R e t t u n g Europas vor dem Bolschewismus" wurden 1943 trotz wachsenden Widerstands der Bevölkerung über 450000 französische Arbeitskräfte nach Deutschland deportiert, 3 2 3 fast 90 Prozent mehr als im J a h r e 1942. Diese Zahl ging g a n z überwiegend auf Rechnung der ersten Jahreshälfte, in der aus dem besetzten Westeuropa insgesamt 480000 Zwangsarbeiter (von 990000) kamen. 3 2 4 Ungefähr seit Ende März/Anfang April spürten die Okkupanten die allgegenwärtige

IMG, Bd. 26, S. 3, Dok. PS-407 (II), FS GBA an Hitler, 10. 3. 1943. ZP-P, 22. 4. 1943, 36. Sitzung. ZP-P, 16. 2. 1943, 33. Sitzung. MA DDR, W 61.50/109, Bericht üb. d. GBA-Stabsbespr. am 23. 3. 1943. Anatomie des Krieges, S. 441 f., Dok. 242, AN üb. Bespr. im Oberschlesischen Institut f. Wirtschaftsforschung am 9. 11. 1943. 323 Homze, S. 193f.; Milward (The New Order and the French Economy, S. 124, Tab. 13) gibt nur rund 420000 an. Die Zahlen in der Literatur und auch in den verschiedenen GBABerichten u. a. Quellen differieren z. T. stark. 324 Demps, Zwangsarbeiter, S. 834, Dok. 1, GBA-Bericht betr. III. Quartal 1943, v. 5. 10.1943. 318 319 320 321 322

„Totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

239

Tabelle 29 Nach Deutschland transportierte ausländische Zwangsarbeiter Januar bis März 1943 Herkunftsgebiet

Januar

Februar

UdSSR Generalgouvernement Warthegau Protektorat Frankreich Belgien Niederlande Übriges Europa Kriegsgefangene

12081 8465 526 9266 36981 25062 9220 5905 12579

17317 22049 649 6164 43950 20463 10073 7019 10670

33921 31231 4763 9497 98440 35008 15681 14646 14195

63319 61745 5938 24927 179371 80533 34974 27570 37444

Insgesamt

120085

138354

257382

515821

März

Insgesamt

Quelle: ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19482, Bericht d. GBA v. 28. 4. 1943 (f. Lammers). W i r k u n g der Niederlage bei Stalingrad a n d e m sich versteifenden W i d e r s t a n d gegen die Zwangsdeportationen. Auf der Sitzung der Zentralen P l a n u n g a m 22. April erklärte d e r V e r t r e t e r des GBA, d a ß „in allen Gebieten r u n d u m Deutschland h e r u m in den letzten Wochen sich außerordentlicher W i d e r s t a n d v o n Seiten der Angeworbenen zeigt ..., so d a ß d i e H e r a n f ü h r u n g der K r ä f t e m e h r oder weniger eine Polizeifrage geworden ist". 3 2 5 Von April/Mai a n wirkte sich dieser W i d e r s t a n d zahlenmäßig in e k l a t a n t e r Weise aus — so in F r a n k r e i c h 3 2 6 , im Generalgouvernement 3 2 7 u n d in Belgien 3 2 8 . Die Gesamtzahl der in der d e u t s c h e n Kriegswirtschaft neu eingesetzten ausländischen Zwangsarbeiter ging auf 160535 im April und 170155 im Mai zurück. 3 2 9 (Tabelle 30) I m zweiten H a l b j a h r 1943 setzte das Fiasko der Menschentreiber ein. Der GBA sprach in seinem Bericht f ü r das 3. Q u a r t a l von einer „ A n s p a n n u n g des Arbeitseinsatzes von außerordentlicher S c h ä r f e " : „ W ä h r e n d im Osten die Arbeitsreserven immer k n a p p e r wurden u n d d u r c h militärische M a ß n a h m e n wie d u r c h Blockierung größerer Wirtschaftsbereiche die Mobilisierung u n d Ü b e r f ü h r u n g d e r noch v o r h a n d e n e n A r b e i t s k r ä f t e erschwert wurde, t r a t in den besetzten Westgebieten, die an sich noch in größerem Ausmaß abgabefähig gewesen wären, eine i m m e r h a r t n ä c k i g e r werdende s t i m m u n g s m ä ß i g e Versteifung ein, die ... bis h e u t e noch n i c h t ü b e r w u n d e n werden k o n n t e . " 3 3 0 H e f t i g prallten die Interessengegensätze innerhalb des staatsmonopolistischen Mechanismus d e r O k k u p a n t e n in den besetzten Gebieten der U d S S R aufeinander. I m S o m m e r 1943, u n t e r d e m u n m i t t e l b a r e n E i n d r u c k des Scheiterns der Offensive bei Kursk, f o r d e r t e allein die Heeresgruppe S ü d u n t e r Generalfeldmarschall E r i c h v. Manstein 500000 sowjetische A r b e i t s k r ä f t e f ü r Befestigungsarbeiten an. 3 3 1 Die Reichsvereinigung Kohle, die als 325 ZP-P, 22. 4. 1943, 36. Sitzung. 326 DZW, Bd. 3, S. 389; Homze, S. 188f.; Milward, The New Order and the French Economy, S. 124, Tab. 13 (differierende Zahlen). 327 DZW, Bd. 3, S. 372. 328 Ebenda, S. 395. 329 IMG, Bd. 26, S. 13, Dok. PS-407 (IX), GBA an Hitler, 3. 6.1943. 330 Demps, Zwangsarbeiter, S. 832, Dok. 1, GBA-Bericht v. 5. 10. 1943. 331 Siehe ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 331, Bl. 88ff., Dok. NO-1831, Protokoll der Sitzung im RMfbO über „Arbeitseinsatzfragen" am 13. 7. 1943, v. 20. 7. 1943. 17 Eichholtz II

240

Die Arbeitskraftesituation>

Tabelle 30 Nach Deutsehland transportierte ausländische

Zwangsarbeiter /.—///.

Quartal 1943

Herkunftsgebiet

I. Quartal

II. Quartal

I I I . Quartal

UdSSR Generalgouvernement Westeuropa Übriges Europa Kriegsgefangene

63319 61745 294878 58435 37444

227700 40300 185100 58600 27600

154000 30600 85200 28000 46000

Insgesamt

515821

539300

343800

Quelle: Demps, Zwangsarbeiter, S . 834; Z S t A Potsdam, Reichskanzlei, Film 19482, GBA-Bericht v . 28. 4. 1943 (f. L a m m e r s : „ S t a n d des Arbeitseinsatzes a m 15. April 1943").

dringendsten Bedarf bis Ende August 200000 „bergbautaugliche sowjetische Kriegsgefangene aus den rückwärtigen Heeresgebieten" angemeldet hatte, 332 sah sich angesichts dessen veranlaßt, mit Hilfe Speers einen „Führerbefehl" zu erwirken, demzufolge sie diese Arbeitskräfte erhalten sollte und ihr bei „Neuanfall von sowjetischen Kriegsgefangenen" der „uneingeschränkte Vorrang" und das „sofortige Auswahlrecht" zugestanden wurden. 333 Die Anzahl der verschleppten sowjetischen Bürger schrumpfte nach Beginn der sowjetischen Herbstoffensive auf wenige Zehntausende zusammen. Schon seit langem befanden sich unter ihnen immer ausschließlicher aus den Operationsgebieten zwangsweise nach Westen „zurückgeführte" und nach Deutschland deportierte Menschen, meist Frauen, zum erheblichen Teil auch Kinder und Greise.334 Die chaotischen Zustände bei überstürzten Rückzügen und der erbitterte Widerstand der Betroffenen hinderten die Okkupanten allerdings häufig daran, ihr Vorhaben auszuführen. Wenn die oberschlesischen Konzernmagnaten sich im November 1943 darüber beschwerten, „daß bei der Rückführung von russischen Arbeitskräften aus der Ukraine ein schwerer Fehler von der SS gemacht worden sei", 335 so waren zweifellos die genannten Umstände und nicht von der SS vorgeschobene „politische Gründe" daran schuld. „Im Donezgebiet", so argumentierten die Rüstungsgewaltigen, „sollen etwa 500000 Arbeitskräfte zum Abtransport bereitgestanden haben, und zwar gegliedert nach Belegschaften mit ihren Meistern, Vorarbeitern usw. Bei der bisher üblichen Weise der Überführung dieser Arbeitskräfte nach Deutschland in geschlossenen Zügen hätte man hier ganze Hüttenwerke mit den dortigen Belegschaften ausstatten können. Die SS hat diese bisher übliche Art des Rücktransportes aber verhindert, als untunlich aus politischen Gründen; wieso, ist unerfindlich. Die ukrainischen Arbeitskräfte bekamen den Befehl, sich in kleinen Trupps nach der Westukraine zu begeben. Die Folge davon ist, daß sie sich verkrümelten und jetzt von diesen Leuten überhaupt keiner mehr greifbar ist." 3 3 6 332 Fall 5, S . 185, Dok. NI-2840, Rs. R V K an Bezirksgruppen, 29. 6. 1943. 333 IMG, B d . 26, S . 285, Dok. PS-744, Erlaß Chef O K W v . 8. 7. 1943. 334 Sauckel meldete, daß schon seit dem ersten Halbjahr 1943 die „östlichen" Zwangsarbeitertransporte „zum großen Teil aus Frauen und Jugendlichen bestehen", die nicht bergbautauglich seien (ZStA Potsdam, F S , Film 3353; Tätigkeitsbericht d. G B A für die Zeit v. 1. 1. bis 30. 6. 1943). 335 W A P Katowice, Oberschlesisches Institut f. Wirtschaftsforschung, Nr. 2, Bl. 26. AN üb. Bespr. mit Mencke (Leiter d. Bezirksgruppe Oberschlesien d. Wigru E s l ) v. 9. 11. 1943. 336 Ebenda.

,Totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

241

Der Widerstand des französischen Volkes erreichte in der zweiten Hälfte des Jahres eine Stufe, die für die innenpolitische Stellung des Kollaborationsregimes höchste Gefahr bedeutete. Seit August versiegte der Strom französischer Arbeitskräfte mit einem Schlage fast völlig. Waren im Juli noch 30000 nach Deutschland geschafft worden, so waren es im August nur noch 10000, im September 5000. 3 3 7 Im Dezember meldete der GBA, daß seither „Frankreich als Einzugsgebiet für den deutschen Rüstungseinsatz praktisch erloschen" sei. 338 Es war die sich rasch vertiefende Kluft zwischen der steigenden Nachfrage der Rüstungskonzerne, der Wehrmacht und der anderen „Bedarfsträger" nach Zwangsarbeitern und den schrumpfenden Möglichkeiten der Zwangsrekrutierung, die den Nährboden für zunehmende interne Kämpfe um die Zwangsarbeiter und heftige Streitigkeiten um die Methoden ihrer „Beschaffung" und Behandlung abgab. Gerade die Sperrbetriebe in Frankreich, die der Rüstungsminister zusammen mit der französischen Kollaborationsregierung einrichtete, 339 wurden von Ende 1943 bis zum Sommer des folgenden Jahres zum Gegenstand anhaltender Auseinandersetzungen zwischen den Dienststellen des GBA und des Munitions- bzw. Rüstungsministeriums. Die Schaffung von Schutzbetrieben war im Hinblick auf den Widerstand gegen die Zwangsrekrutierung, der, wie man es in der Zentralen Planung formulierte, im Sommer 1943 „im Gleichklang mit der militärischen Entwicklung in Rußland und den daraus entstehenden Gefühlen für die Entwicklung des Krieges bei den Westvölkern" 3 4 0 rasch anwuchs, eine taktische Maßnahme der deutschen Imperialisten. Nicht nur der Munitionsminister, sondern auch der GBA und vor allem auch die Konzernherren und Chefs der Rüstungsindustrie bemühten sich zu dieser Zeit angestrengt um das Problem der „Verlagerung" industrieller Produktion in großem Maßstab nach Frankreich und berieten gemeinsam darüber. In einer Besprechung am 30. Juli, an der Speer, Sauckel und 13 Leiter von Hauptausschüssen des Munitionsministeriums teilnahmen, ergab der Verlauf der Beratungen über diese und andere zentrale Fragen der faschistischen Arbeitskräftepolitik „eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Auffassungen des GBA und den Organisationen des Munitionsministers". 341 Die Zwangsverschleppung ausländischer Arbeitskräfte nach Deutschland und ihre — zumindest indirekte — Zwangsverpflichtung, im eigenen Lande für den deutschen Imperialismus zu arbeiten, waren zwei Varianten faschistischer Zwangsarbeitspolitik, die sich nach dem Wunsch ihrer Urheber möglichst ergänzen sollten. Sie mußten aber notwendigerweise kollidieren und hatten schließlich beide angesichts der militärischen und politischen Lage, 337 Miltvard, The New Order and the French Economy, S. 124, Tab. 13. — Sauckels Endabrechnung für 1943 (ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19481, GBA-Bericht f. Hitler v. 20. 12. 1943) enthält folgende Zahlen für die westeuropäischen Länder: Januar bis Juli: Frankreich 391000, Belgien 117000, Niederlande 138000; August bis Dezember: Frankreich 26000, Belgien 13000, Niederlande 20800. Siehe auch Demps, Zwangsarbeiten S. 834, Dok. 1, GBABericht v. 5. 10. 1943. 338 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19481, GBA-Bericht f. Hitler v. 20. 12. 1943: „Das gleiche gilt für Belgien." 339 Siehe S. 160 f. 340 ZP-P, 1. 3. 1944, 54. Sitzung (Kehrl). 341 Bleyer, Wolf gang/Drobisch, Klaus, Dokumente zur Ausbeutung ausländischer Zwangsarbeiter durch das deutsche Monopolkapital im zweiten Weltkrieg, in Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", 3/1970, S. 70, AN Küppenbender (Carl Zeiss Jena) v. 30. 7. 1943. 17«

242

Die Arbeitskräftesituation

angesichts der tiefen Krise der faschistischen Herrschaft über das besetzte Europa keinerlei Aussicht auf nachhaltigen Erfolg. In den Auseinandersetzungen über diese Varianten innerhalb der herrschenden Kreise Hitlerdeutschlands, insbesondere zwischen dem Rüstungsministerium und der Zentralen Planung einerseits und dem G B A andererseits, ging es n i c h t etwa um die Alternative einer im Gegensatz zur Politik des G B A friedlichen und menschlichen, den Interessen des französischen Volkes dienlichen Politik, sondern lediglich um die Richtung, die man nunmehr in der Zwangsarbeitspolitik und damit überhaupt in der Kollaborationspolitik taktisch einschlagen wollte. Versuche bürgerlicher Historiker, Sauckel und Speer als prinzipielle Widersacher einander gegenüberzustellen und letztgenannten als gemäßigten — daher erfolgreicheren — Vertreter des Regimes auszugeben, scheitern an den Tatsachen. Die gegebene Situation zwang die deutschen Imperialisten, aus der Not eine Tugend zu machen und m i t den Schutzbetrieben eine Variante zu wählen, die ihnen zwar den größten noch erreichbaren kriegswirtschaftlichen Nutzen versprach, aber den Umfang der Deportationen nach Deutschland zwangsläufig noch weiter verringern mußte. Die Schwierigkeiten, in die die faschistische Zwangsarbeitspolitik in der zweiten Hälfte des J a h r e s geriet, konnte nicht klarer beleuchtet werden als durch die Tatsache, daß führende Vertreter des Regimes nach dem Abfall Italiens von dem faschistischen Bündnis im September 1943 förmlich darüber frohlockten, daß sie nun auch italienische Arbeitskräfte zwangsweise in Massen nach Deutschland transportieren konnten. Goebbels vert r a u t e seinem Tagebuch an, das italienische Debakel habe sich als „gutes Geschäft" für Hitlerdeutschland erwiesen, sowohl was die Waffenbeute als vor allem was die B e u t e an Arbeitskräften betreffe. 3 4 2 Die neue Quelle wurde sogleich angezapft, wirkte sich aber erst im darauffolgenden J a h r stärker aus. Die italienischen Zwangsarbeiter waren überwiegend ehemalige Soldaten der italienischen Armee, die von den deutschen Faschisten interniert und als „Kriegsgefangene" zur Arbeit nach Deutschland deportiert wurden. Die deutschen Imperialisten griffen im Laufe des J a h r e s 1943 zu extremen, immer brutaleren Mitteln, um das Arbeitskräftedefizit zu verringern. Hitler hatte in seinem schon erwähnten Befehl vom 7. J u l i gefordert, sämtliche bei den Kämpfen mit den Partisanen der Sowjetunion, Polens und der südosteuropäischen Länder künftig gefangengenommenen Männer im Alter von 16 bis 55 J a h r e n als Kriegsgefangene zu behandeln und zur Zwangsarbeit nach Deutschland zu bringen. 3 4 3 Himmler dehnte diese Forderung sogleich auch auf alle arbeitsfähigen weiblichen „Gefangenen" aus solchen Kämpfen aus. 3 4 4 Das KZ-Zwangsarbcitssystem der Faschisten erfuhr im J a h r e 1943 seine rascheste Ausweitung. Von den 6 0 0 0 0 0 bis 7 5 0 0 0 0 KZ-Häftlingen, die schätzungsweise insgesamt Zwangsarbeit in der deutschen Kriegswirtschaft leisteten, 3 4 5 wurde der überwiegende Teil gerade in diesem J a h r aus Deutschland und aus dem besetzten Europa in die Lager und Arbeitskommandos getrieben. 342 343 344 3'i5

Goebbels-Tagebuch, zit. nach Homze, S. 202 (o. Datierung). IMG, Bd. 26, S. 285, Dok. PS-744, Erlaß Chef OKW v. 8. 7. 1943. Ebenda, S. 287, Erlaß Himmlers v. 5. 8. 1943;s. a. DZW, Bd. 4, S. 171. Wormser-Migot, Olga, Le système concentrationnaire Nazi (1933—1945), Paris 1968, S. 399 f.

243

,Totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

d)

Bilanz

der Verschleppung

und

Ausbeutung

Die überlieferten Zahlen über die in der deutschen Kriegswirtschaft beschäftigten ausländischen Zwangsarbeiter weisen sehr große Ungenauigkeiten und Widersprüche auf. Im Planungsamt des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion stellte man Ende 1943 fest, daß die Begriffsbestimmungen und Zahlen der Arbeitskräftestatistik beim Statistischen Reichsamt, beim GBA, beim Rüstungsministerium usw: „in keiner Weise übereinstimmten", woraus „zahlreiche Mißverständnisse, Meinungsverschiedenheiten, Doppelzählungen und Fehlentscheidungen" resultierten.346 Die folgende Zusammenstellung und Analyse stützt sich auf die quellenkritischen und abgewogenen Bemerkungen Seebers 347 über das Ausmaß der Deportationen und über die Zahl der tatsächlich in Deutschland beschäftigten ausländischen Zwangsarbeiter. Im Reichsarbeitsministerium liefen die Zahlen der Arbeitsämter über die den „Bedarfsträgern" (Betriebe, Baustellen usw.) vermittelten ausländischen Zwangsarbeiter zusammen. In der Statistik, die daraus entstand, fehlten, abgesehen von den Kriegsgefangenen, die gesondert gezählt wurden, wichtige Posten, besonders die bis 1941 nicht als Ausländer gezählten tschechoslowakischen Zwangsarbeiter in Deutschland (320000) und viele Tausende (Fach-)Arbeiter, die die Rüstungskonzerne, der GB Chemie, die Reichsvereinigungen Kohle und Eisen durch eigene Werbebüros und -agenten „in dem vom GBA dafür der Initiative des einzelnen Bedarfsträgers freigelassenen Rahmen" 3 4 8 und durch alle möglichen weiteren, „wilden" Werbungen nach Deutschland holten. Tabelle 31 Zivile ausländische Zwangsarbeiter in Deutschland 1941—1943 (Grenzen v. 31. 8.1939; in 1000) 31. 25. 25. 20. 20. 10. 20. 10. 20. 31.

1. 1941 4. 9. 1. 1942 5. 7. 8. 10. 11. 12.

1307 1508 2140 2138 2606 3159 3413 3579 3785 3984

15. 2.1943 31. 3. 15. 5. 30. 6. 15. 8. 30. 9. 15.11. 31. 12.

4121 4416 4718 4950 5264 5345 5412 5438

Quelle: Seeber, S. 297, Aufstellung nach Der Arbeitseinsatz bis 1944.

im Großdeutschen Reich, Jgg. 1941

Enthalten waren dagegen Arbeitskräfte aus neutralen, verbündeten und Satellitenstaaten, deren Anteil im Oktober 1941 noch knapp 13 Prozent, zwei Jahre später (November 1943) dagegen nur noch etwa halb so viel betrug. Die Zahl der Kriegsgefangenen, die in der deutschen Kriegswirtschaft Arbeit leisten mußten, wurde von den Arbeitsämtern seit Herbst 1940 verhältnismäßig genau fesl346 Kehrl, S. 468, Anm. 7. 347 Seeber, S. 89 ff. 348 Ebenda, S. 282 f., Dok.-Anhang: Krauch an Kehrl, 13. 1. 1944.

244

Die Arbeitskräftesituation

Tabelle 32 Staatszugehörigkeit der zivilen ausländischen Ztvangsarbeiter 1941—1943 (Grenzen v. 31.8.1939; 1000) Herkunftsland Polen (GG und annekt. Gebiete) Frankreich Belgien Niederlande UdSSR Protektorat Jugoslawien (einschl. Kroatien) Italien Ungarn Sonstige Insgesamt

25. 4. 1941

in

25. 9. 1941

20. 1. 1942

20. 5. 1942

10. 7. 1942

Ende 42/ 30. 6. Anfang 43 1943

15.11. 1943

1008 49 122 93 25 140

1032 63 131 96 141

1195 75 135 105 283 159

1279 77 134 127 727 169

1397 135 131 154 1380 193

1515 401 258 240 1671 224

1611 665 221 265 1811 285

47 132 21 224

109 272 35 287

134 188 31 322

128 200 30 296

128 212 30 276

118 200 31 275

127 210 32 326

115 120 27 292

1508

2140

2138

2606

3159

4014

5004

5412

873 25 86 90 10* —

* *

* Auf vertraglicher Basis Beschäftigte ** Nicht gesondert aufgeführt; enthalten in „Sonstige", ohne Galizien (Westukraine) Quelle: BA Koblenz, R 41/166, Ausarb. WiRüAmt betr. „Einsatz ausländischer ziviler Arbeitskräfte und Kriegsgefangener in der Kriegswirtschaft", 21. 7. 1941 (betr. Stand v. 25. 4. 1941); ebenda, R 41/141, Statist. Ausarb. RMfBuM (RüAmt), 10. 9. 1941 (20. 1., 20. 5. und 10. 7. 1942); ZStA Potsdam, FS, Film 5442, AN WiRüAmt, 9. 12. 1941 (25. 9. 1941); IMG, Bd. 27, S. 601, Dok. PS-1739, Rede d. GBA auf d. Reichs- und Gauleitertagung in Posen, 5./6. 2. 1943 (Ende 1942); Homze, S. 148 (15. 11. 1943); BA Koblenz, R 41/29, Halbjh.-ber. d. GBA f. d. Zeit v. 1.1. bis 30. 6. 1943 (30. 6. 1943). — Die Angaben der vorletzten und drittletzten Spalte stammen aus GBA-Berichten und differieren mit denen des RArbM (Tabelle 31). Tabelle 33 In Deutschland arbeitende Kriegsgefangene 1940-1943 (in 1000) 31. 5. 1940 Januar 1941 31. 5. 1941 1. 10. 1941 31. 12. 1941 28. 2. 1942 31. 5. 1942 31. 7. 1942 30. 9. 1942 31. 5.1943 30. 9.1943

350 1202 1270 1368 1406 1370 1454 1507 1629 1620 1465

Quelle: The Effects, S. 34, Tab. 11; BA Koblenz, R 41/166 (s. Tab. 32);ebenda, R41/173, Ausarb. RMfBuM (RQAmt) üb. Arbeitseinsatz d. Kriegs- u. Zivilgefangenen v. Jan.—Juli 1942,29. 9. 1942; ZStA Potsdam, FS, Film 5442, AN WiRüAmt, 9.12. 1941; Homze, S. 195; Pfahlmann, S. 137.

-„Totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

245

Tabelle 34 •Staatszugehörigkeit der in Deutschland arbeitenden Kriegsgefangenen 1940-1943 (in 1000) Herkunftsland

25. 4. 1941 Februar 1942

Frankreich UdSSR Jugoslawien Belgien Polen •Großbritannien Sonstige

1192 —

2 65 49 23 15

Insgesamt

1349* * Summenfehler in der Quelle

Juli 1942

September Ende Dez. Herbst 1942 1942 1943

971 154 105 58 31 41 10

946 318 103 56 35 45 5

935 455 100 56 34 44 4

1370

1507

1628

739 496 94 53 29

932 488 101 55 33 451 4 J

at

1658

1465

•Quelle: Wie Tab. 33; IMG, Bd. 27, S. 601 (s. Tab. 32). gehalten. Über die unmittelbar für Wehrmachtszwecke arbeitenden Gefangenen (Bau- und Arbeitsbataillone u. ä.) hatten die Arbeitsämter allerdings auch später weder die Verfügungskontrolle noch einen zahlenmäßigen Überblick.349 Da die Zahl der in Deutschland -arbeitenden Kriegsgefangenen länderweise stark schwankte, weil sie, wie etwa 300000 Polen, in den zivilen Status überführt (1940) oder, wie annähernd die gleiche Zahl Franzosen, gegen zivile Zwangsarbeiter ausgetauscht wurden (1942/43), ist die Statistik, für «ich genommen, vielfach widersprüchlich und irreführend. Aus den untersuchten statistischen Quellen ergibt sich, daß der Anteil der sowjetischen an allen ausländischen Zwangsarbeitem (zivile und kriegsgefangene) im September/ Tabelle 35 Ausländische Zwangsarbeiter in Deutschland nach Wirtschaftszweigen 1940—1944 ,(jeweils 31. Mai; in 1000) -Jahr

Insgesamt

darunter: Landwirtsch.

Industrie

1154 1940 681 256 1941 3033 1459 965 1942 4224 1978 1401 1943 6260 2293 2829 1944 7126 2478 3163 — In Prozent aller jeweils Beschfiftigten — 1940 3,2 2,6 6,4 1941 8,4 13,6 9,5 1942 11,9 17,6 14,3 1943 17,1 20,3 25,7 1944 19,7 22,1 29,3

Handwerk

Transport

108 310 296 430 537

35 97 171 289 407

2,6 7,7 8,5 12,7 16,4

1,8 4,5 7,7 12,6 17,4

Quelle: The Effects, S. 206, Tab. 5. Für die Industrie geringfügige Abweichgg. in der Statistik der RGI: ebenda, S. 212, Tab. 10. — Von 1943 an blieben die aufgeführten Gesamtzahlen zunehmend hinter den Angaben des RArbM zurück (vgl. d. vorhergehenden Tabellen). 349 Pfahlmann, S. 106 ff.

246

Die Arbeitskräftesituation

Oktober 1941 weniger als ein Prozent, im Januar/Februar 1942 schätzungsweise sechs bis acht Prozent, im Juli 1942 rund 22 Prozent und seit Ende 1942 verhältnismäßig konstant etwa 35 Prozent betrug. Zusammenfassende Zahlen über die ausländischen Zwangsarbeiter — eingeschlossen zivile Arbeitskräfte, Kriegsgefangene sowie jüdische Menschen aller Nationalitäten — registrierte das Statistische Reichsamt in der „Kriegswirtschaftlichen Kräftebilanz". (Tabelle 35) Alle diese Angaben blieben erheblich hinter den vom GBA berechneten Erfolgszahlen zurück. Sauckel summierte die ihm gemeldeten Zahlen seiner Dienststellen über die nach Deutschland transportierten und zum Teil noch auf dem Transport befindlichen Zwangsarbeiter; die Arbeitsämter dagegen gingen von der Zahl derjenigen aus, die tatsächlich in Arbeit standen bzw. denen eine Arbeit vermittelt wurde. Schließlich befand sich jeweils eine bestimmte Anzahl Zwangsarbeiter nach dem Transport in Zwischenlagern der Arbeitsämter, ehe sie Betrieben zur Arbeit zugewiesen wurden. Hier Jag die Ursache f ü r Differenzen von Hunderttausenden, ja von Millionen, die schon während des Transports durch Hunger, Kälte und Seuchen umkamen, flohen oder bei Fluchtversuch erschossen oder erschlagen wurden; die sich am Ausladeort als arbeitsunfähig erwiesen oder, zur Arbeit gepreßt, früher oder später aus Schwäche, Überarbeit oder Krankheit starben; die aus Deutschland flohen und die wegen Widerstands eingesperrt, getötet oder in KZ-Lager geschickt wurden. Keine geringe Rolle spielte auch die Fluktuation von Arbeitskräften, die, vor allem aus Satelliten- und verbündeten Ländern stammend, nach Vertragsablauf in die Heimat zurückkehrten, die das Recht auf Urlaub zur Flucht nutzten, auf andere Weise „arbeits Vertragsbruch ig" wurden oder aber als krank bzw. arbeitsunfähig in die Heimat abgeschoben wurden. Sauckel selbst hielt seine Statistik offenbar für keineswegs vollständig. In den Vernehmungen vor dem Nürnberger Tribunal deutete er an, es könnten insgesamt wohl annähernd 12 Millionen ausländische Arbeiter nach Deutschland geschafft worden sein, wenngleich höchstens 8,1 Millionen gleichzeitig (1944) in der Kriegswirtschaft beschäftigt gewesen seien. 350 Da Sauckel bei dieser Aussage offenbar die Kriegsgefangenen und arbeitenden Tabelle 36 Nach Deutschland transportierte ausländische Zwangsarbeiter 1941—1943 (in 1000) Bis Ende März 1942 3484* Bis (27.) Juli 1942 5124 Bis 30. November 1942 6234 Bis 31. Dezember 1942 6381 Bis 30. Juni 1943 7437 Bis Ende Dezember 1943 8349 Bis 30. September 1944 9335 * Diese Angabe ist zweifellos erheblich zu niedrig, da sie die Ende März in Arbeit befindlichen, nicht aber alle bis dahin nach Deutschland transportierten Zwangsarbeiter erfaßt (vgl. Seeber, S. 92). Sauckel räumte nach dem Kriege in Nürnberg ein, daß vor seiner Amtszeit möglicherweise 5 Millionen Zwangsarbeiter nach Deutschland geschafft worden seien {Homze, S. 153). Quelle: Die bereits zitierten GBA-Berichte. 350 Homze, S. 153 (Vernehmg. Sauckels v. 5. 10. 1945). Siehe auch Seeber, S. 89; Drobisch, Klaus/Eichholtz, Dietrich, Die Zwangsarbeit ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland •während des zweiten Weltkrieges, in ZfG, 5/1970, S. 637; Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 278.

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„Totaler Krieg" — partielle Mobilisierung (1943)

KZ-Häftlinge vernachlässigte, ist Kuczynskis Schätzung vollauf berechtigt, der es für „keineswegs übertrieben" hält, daß die Faschisten insgesamt „etwa 14 Millionen ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene" nach Deutschland trieben. 351 Vom kriegswirtschaftlichen Standpunkt aus fehlten in all diesen Berechnungen die vielen Millionen Arbeitskräfte, die in den besetzten und anderen Ländern für das faschistische Deutschland bzw. für die Besatzungsmacht produzierten. Nach den überschläglichen Berechnungen des GBA waren das — allein in den Rüstungsbetrieben, in anderen Betrieben der „gewerblichen Produktion" (vor allem der Roh- und Grundstoffproduktion), in der OT und in Wehrmachtsdiensten — Ende 1942 fast 14 Millionen352, Mitte 1943 (Juni) 12,3 Millionen Einheimische 353 . In der Landwirtschaft arbeiteten allein im Bereich des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete Mitte 1943 weitere 8,1 Millionen unter dem Kommando und für Rechnung der Okkupanten.354 Die der deutschen Industrie zugewiesenen ausländischen Zwangsarbeiter gelangten seit 1942 immer ausschließlicher in die Rüstungsbetriebe. Ihr Anteil an der Gesamtbelegschaft dieser Betriebe wuchs im Laufe des Jahres 1942 auf das Doppelte an. Tabelle 37 Beschäftigung ausländischer Zwangsarbeiter in „A-Firmen" machtsaufträgen), im IG-Farben- und im Reichswerke-Konzern

„A-Firmen" Beschäft. Zwangsarbeiter (Ende) (Ende) (Ende) (Ende) (Ende) (Ende)

Juni 1941 Dezember 1941 Juni 1942 Dezember 1942 Juni 1943 Dezember 1943

620 797 1201 1763 1631 1885

IG Farben (in Beschäft. Prozent) Zwangsarbeiter 13,7 17,0 24,5 33,1 30,3* 33,7'

(Industriebetriebe 1941—1943 (in

mit direkten 1000)

Reichswerke „Hermann Göring" (in Beschäft. (in Prozent) ZwangsProzent) arbeiter







10 22

8,8 16,9

130 142



68 -

Wehr-



39,7 -

190 -



42,4 44,7 —

51,0 -

* Allem Anschein nach zu niedrige Werte wegen der Änderung in der Statistik der A-Firmen, in der, anders als bisher, „die in der Erzeugung von Halbfabrikaten beschäftigten Arbeitskräfte neuerdings außerhalb der aufgeführten Bedarfsträger gezählt werden" (BA Koblenz, R 41/29, Halbjh.-bericht d. GBA f. d. Zeit v. 1. 1. bis 30. 6. 1943). Quelle:

The Effects,

S . 214, T a b . 1 2 ; Homze,

S . 2 3 9 (f. I G F a r b e n u. R e i c h s w e r k e )

Dieser Zustrom ausländischer Arbeitskräfte war eine der hauptsächlichen Ursachen für die rasche Steigerung der Rüstungsproduktion. Eine Handvoll Riesenkonzerne, deren Beschäftigungszahl jeweils nach vielen Zehntausenden, ja nach Hunderttausenden zählte, sicherte sich den Löwenanteil an der Zahl der neu eingelieferten Zwangsarbeiter. Im Sommer 1943 beschäftigten allein der IG-Farben351 352 353 354

Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 278. IMG, Bd. 27, S. 598ff., Dok. PS-1739, Rede d. GBA v. 5./6. 2. 1943 (Posen). BA Koblenz, R 41/29, Halbjh.-bericht d. GBA f. d. Zeit v. 1. 1. bis 30. 6. 1943. Ebenda.

248

Die Arbeitskräftesituation

Konzern und der Konzern der Reichswerke „Hermann Göring" 44000 bzw. 48000 ausländische Zwangsarbeiter mehr als ein J a h r vorher. 355 Im Flick- und im Krupp-Konzern bestanden Ende 1943 wie im IG-Farben-Konzern jeweils rund 40 Prozent der Belegschaft aus ausländischen Zwangsarbeitern, im Reichswerke-Konzern über 5 0 Prozent, in verschiedenen neu errichteten Konzernwerken der Flugzeugindustrie sogar 80 bis zu 90 Prozent und darüber. 356

3 . Probleme der Arbeits- und Lebensbedingungen deutscher Arbeitskräfte Seit dem Überfall auf die Sowjetunion waren die deutschen Arbeiter, Angestellten, Bauern und anderen Werktätigen in der Zwangslage, daß sie durch ihrer Hände Arbeit ihrem Todfeind, dem Faschismus, den Vernichtungskrieg gegen die Bastion des Sozialismus fähren halfen und damit nach seinem Plan zur Zerstörung ihrer eigenen revolutionären Zukunft beitrugen. In keiner anderen Phase der deutschen Geschichte wirkte jenes von Marx entdeckte Gesetz der kapitalistischen Produktionsweise in katastrophalerer Weise, nach dem „imMaße wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muß". 3 5 7 Mit dem abenteuerlichen Angriff auf die UdSS R war das Schicksal der Blitzkriegsstrategie vorausbestimmt und über die Niederlage des deutschen Imperialismus entschieden. Da die Kräfte der heldenmütig kämpfenden deutschen Antifaschisten zum Sturz des verhaßten Regimes jedoch nicht ausreichten, waren sowohl entsetzliche Blutopfer an der Front als auch eine rasche und absolute Verschlechterung der Lage der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland, der Niedergang und Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft unabwendbar. Einem politisch und ideologisch folgenschweren, im einzelnen noch zu untersuchenden Wandlungsprozeß unterlag die soziologische Struktur der deutschen Arbeiterklasse. Der faschistische Terror hatte seit 1933 ihre revolutionäre Avantgarde in die Illegalität getrieben und ihre klassenbewußten Kader dezimiert. Die Rüstungskonjunktur hatte ihren in der Weltwirtschaftskrise um Millionen gelichteten Bestand wieder aufgefüllt, die Einberufungen zu Kriegsbeginn hatten ihn wieder verringert. Die Welle der Einziehungen zur Wehrmacht und der „Mobilisierungs"aktionen nach dem Scheitern der Blitzkriegsstrategie leitete eine neue Phase beschleunigter, tiefgreifender soziologischer Umschichtungen ein, die bis Kriegsende andauerte. Sie war vor allem dadurch charakterisiert, daß die männliche Stammarbeiterschaft stark überalterte, der Frauenanteil erheblich anstieg und weitere Teile kleinbürgerlicher Schichten proletarisiert wurden. So führte der 22. J u n i 1941 in der Tat „eine radikale Wandlung in der Lage des deutschen Arbeiters" 358 herbei. 355 Homze, S. 239. 356 Siehe d. Ausführungen Milchs auf der 53. Sitzung der Zentralen Planung (ZP-P, 16. 2. 1944). 357 Marx, Karl, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Bd. 1, in Marx, Karl/Engels, Friedrich, Werke, Bd. 23, Berlin 1962, S. 675. 358 Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 274.

Arbeits- und Lebensbedingungen deutscher Arbeitskräfte

a) Terror, Korrumpierung

und

249

Manipulierung 359

Nicht nur das Zwangsregime gegen die ausländischen Arbeitskräfte, sondern auch d a s Ausbeutungsregime, dem die deutschen Arbeiter unterworfen waren, beruhte auf dem Funktionieren des faschistischen Terrors und seines Apparats, dessen einzelne Gliederungen und Verästelungen wie in jedes Haus und in jede Familie, so in jeden Betrieb und an jeden Arbeitsplatz reichten. Von Kriegsbeginn an waren die Arbeiter mit dem System des faschistischen Terrors und Kriegsrechts konfrontiert, dessen Pfeiler im Betrieb der „Abwehrbeauftragte", der ihm unterstehende Werkschutz und das dichte Netz der Polizei- und Konzernspitzel darstellten. S e i t Anfang 1941 gingen immer mehr Großbetriebe dazu über, eigene sogenannte Arbeitserziehungslager einzurichten, um „bei absichtlichen und böswilligen Disziplinlosigkeiten" der Arbeiter „ d a s Moment der Abschreckung" 3 0 0 ohne Zeitverzug, d. h. ohne den Umweg über Polizei und Rechtsprechung und ohne Verlust der betroffenen Arbeitskraft zu nutzen. Die bisherige — und auch fernerhin übliche — Praxis sah so aus, daß die Betriebe Anträge auf „ S c h u t z h a f t " , auf Verschickung in ein Konzentrationslager und auf gerichtliche Verfolgung stellten. Die neue, zusätzliche Einrichtung, auf Drängen der Monopole von Himmler mit Erlaß vom 28. Mai 1941 rechtsverbindlich gemacht, 3 6 1 erfreute sich großer Beliebtheit bei den Ausbeutern. Allein von den Unternehmen des Wirtschaftsgebiets Westfalen-Niederrhein wurden durch den Reichstreuhänder der Arbeit von J a n u a r bis September 1941 an Anträgen auf „ S c h u t z h a f t " 1438, auf Arbeitserziehungslager 1193, auf Konzentrationslager 38 und auf Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft 1193 gestellt. 3 6 2 In den Arbeitserziehungslagcrn, die bei zahlreichen Konzernen wie IG Farben, Krupp, Siemens, A E G und Hochtief AG errichtet, von der Gestapo beaufsichtigt und dem Konzernwerkschutz unterstellt waren, wurden „ B u m m e l a n t e n " und andere „arbeitsunwillige 359 Pätzold hat neuerdings einen Überblick über die Forschungsprobleme dieser Thematik gegeben. Er schlägt vor, Terror, Ideologie und Korruption als zusammenhängendes System „faschistischer Manipulation" zu definieren (Pätzold, Kurt, Die faschistische Manipulation des deutschen Volkes. Zu einem Forschungsproblem. In Soziale Grundlagen und Herrschaftsmechanismen des deutschen Faschismus. Der antifaschistische Kampf, Teil 1, Hrsg. v. Werner Kowalski ( = Wiss.Beiträge 1980/42 (C 16) der Martin-Luther-Universität Halle —Wittenberg), HaUe (Saale) 1980, S. 48 ff.). 360 DZW, Bd. 2, S. 92 (zit. SD-Bericht „Meldungen aus dem Reich" v. 22. 4. 1941); s. a. Drobisch, Klaus, Dokumente zur direkten Zusammenarbeit zwischen Flick-Konzern und Gestapo bei der Unterdrückung der Arbeiter, in: JfW, 1963, T. 3, (im folgenden: Dokumente) S. 217 f.; derselbe, Über den Terror und seine Institutionen in Nazideutschland, in: Faschismusforschung. Positionen — Probleme — Polemik. Hrsg. v. Dietrich Eichholtz und Kurt Gossweiler, Berlin 1980, S. 169, Anm. 41. 361 DZW, Bd. 2, S. 91f.; Drobüch, Dokumente, S. 217. Der Erlaß in IMG, Bd. 42, S. 302f., Dok. Gestapo-57. Vorbereitet bzw. als „Erziehungsmaßnahme" eingeführt waren Arbeitserziehungshaft und Arbeitserziehungslager schon vor dem Krieg auf Grund des Schutzhafterlasses v. 25. 1. 1938 ( Adamska, Jolanta, Arbeitserziehungslager — Vernichtungslager für polnische Zwangsarbeiter, Ms.-Druck eines Beitrags zur Internat, wiss. Session zum Thema „Naziverbrechen gegen die Menschlichkeit in Polen und Europa 1939—1945", Warschau, 14.—17. 4. 1983, S. 2). 362 Anatomie des Krieges, S. 360, Dok. 181, „Sozialpolitische Information" der RVK v. 1. 11. 1941. — Außerdem wurden 18689 „Verwarnungen" ausgesprochen (ebenda).

250

Die Arbeitskräftesituation

Elemente" und „Störenfriede" für die Dauer von bis zu 56 Tagen bei zwölfständiger Arbeit, geringster Verpflegung etc. festgehalten. Die Leunawerke des IG-Farben-Konzerns errichteten Mitte 1942 beispielsweise auf „Anregung des Generalbevollmächtigten für Sonderfragen der chemischen Erzeugung ... im Einvernehmen mit der Staatspolizeistelle Halle" ein Arbeitserziehungslager für etwa 160 Arbeiter, „in dem aus dem gesamten Regierungsbezirk Merseburg und darüber hinaus aus dem gesamten Wehrkreis IV arbeitsunwillige Elemente aus den verschiedenen kriegswichtigen Betrieben aufgenommen und zur Arbeit erzogen werden sollen". 3 6 3 In Essen und Magdeburg wurden von Krupp in Gemeinschaft mit der Gestapo drei solcher Lager für die Hauptwerke des Krupp-Konzerns gebaut. 3 6 4 Die Behandlung, die die Insassen der Arbeitserziehungslager erfuhren, glich weitgehend derjenigen in den Konzentrationslagern. „Dieses Miniaturkonzentrationslager", so sagte ein holländischer Arbeiter später über ein Arbeitserziehungslager des Krupp-Konzerns aus, „unterschied sich in bezug auf Gefangenenbehandlung in keiner Weise von den berüchtigten großen Lagern." 3 6 5 Am 22. August 1941 erließ Göring in seiner Eigenschaft als Beauftragter für den Vierjahresplan eine Verfügung gegen „Bummelei", 3 6 6 die, den inzwischen geschaffenen Tatsachen Rechnung tragend, eine rechtliche Handhabe für das verschärfte Vorgehen der Monopole in ihren Betrieben bieten sollte. Görings Erlaß sah drei Stufen der Bestrafung vor: „Bei erstmaligem grundlosen Fernbleiben von der Arbeit" sollte ein „Verweis" ausgesprochen werden. „Im Wiederholungsfalle" hatte eine Eintragung ins Arbeitsbuch zu erfolgen. „ B e i erfolgloser Verwarnung", so hieß es schließlich, „können nach groben Pflichtversäumnissen die Schuldigen in Arbeitssonderkommandos zusammengefaßt werden." Dem Erlaß folgten Ausführungsbestimmungen des Reichsarbeitsministers vom 4. Oktober 3 6 7 und vom 22. November 1941. Der Runderlaß vom 22. November über die „Bekämpfung der Disziplinlosigkeiten in den Betrieben" 3 6 8 hielt die Betriebe und Treuhänder der Arbeit dazu an, „daß Disziplinlosigkeiten in den Betrieben, insbesondere in der Rüstungsindustrie, mit aller Energie und unter größtmöglicher Beschleunigung des Verfahrens im Einzelfall entgegenzutreten ist". Zunächst sollte mit Verwarnungen und vor allem mit Geldbüßen und Ordnungsstrafen (bis zu 100 RM) vorgegangen werden; bei schwereren „Vergehen" und besonders bei Rückfälligen seien, so hieß es im Erlaß, die Betreffenden „sofort unter Zuhilfenahme der Polizei in ein Arbeitserziehungslager einzuweisen". Die grundsätzliche Bestimmung über den Geltungsbereich dieser Strafmaßnahme lautete: „Dieses Verfahren ist nicht nur für die Rüstungsindustrie, sondern für alle Zweige der privaten Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes anzuwenden, und zwar sowohl für Inländer und Ausländer als auch für Arbeiter und Angestellte." Die Möglichkeit, Arbeiter 363 Ebenda, S . 403, Dok. 210, Ammoniakwerk Merseburg G m b H (Leunawerke) an Filmfabrik Wolfen, 29. 6. 1942. Siehe d. Ankündigung dieses „Konzentrationslager"-Baus in einer Anweisung der Sozialabteilung des Leunawerks v. 4. 3. 1942 ( K ä m p f e n d e s Leuna (1916 bis 1945). Die Geschichte des K a m p f e s der Leuna-Arbeiter, T. I, 2. H b b d . (1933-1945), Berlin 1961, S. 794f.). 364 Drobisch, Klaus, Der Werkschutz — betriebliches Terrororgan im faschistischen Deutschland, in: JfW, 1965, T. 4, S. 236 (ff.). 365 Fall X , Dok. N I K - 1 2 6 2 1 , Bericht Keesmanns v o m 20. 9. 1947, zit. in DZW, B d . 2, S. 93. 366 DZW, B d . 2, S . 107 (Faks.). 367 B A Koblenz, R 13 X X / 3 9 , H. 2, R E r l . RArbM v. 4. 10. 1941. 368 Z S t A P o t s d a m , RWiM, Nr. 10298, Bl. l l f . , RErl. RArbM (Mansfeld) v. 22. 11. 1941. Hiernach auch das Folgende.

Arbeits- und Lebensbedingungen deutscher Arbeitskräfte

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und Angestellte gerichtlich zu verfolgen oder in ein Konzentrationslager verschleppen zu lassen, blieb den Betrieben gemäß Erlaß ausdrücklich unbenommen; aber es seien — und damit wurde ein wichtiges Motiv der Rüstungsmonopole und Gesetzgeber deutlich — derartige „Maßnahmen, durch die ein arbeitseinsatzfähiges Gefolgschaftsmitglied auf lange Zeit dem Arbeitsprozeß entzogen wird, möglichst zu vermeiden und nur in schwerwiegenden Fällen zu ergreifen". Beispiele für weitere wichtige Befugnisse und Strafmittel der Betriebsleitungen nannte •eine Anweisung der Sozialabteilung der Leunawerke: „Entzug der persönlichen Leistungszulage, Ausschluß von der Betriebsprämie bis zu vier Wochen. Versetzung auf einen minderbezahlten Arbeitsplatz, Entzug der Zulage bzw. der Zusatzkarte, wenn unentschuldigt nur 36 Wochenarbeitsstunden geleistet werden." 3 6 9 Damit befand sich schon Ende 1941/Anfang 1942 ein umfassendes, sehr wirksames Terrorinstrumentarium in den Händen der Unternehmer, das die Arbeiter der äußersten Arbeitsfron unterwarf und sie recht- und wehrlos machte. Der „innenpolitische Kurswechsel" 3 7 0 zu noch drakonischeren Mitteln der Aufrechterhaltung der Stabilität im Innern in der zweiten Hälfte 1943 wirkte sich in der Produktionssphäre weniger in Gestalt von neuen verschärften Anordnungen gegen „Disziplinlosigkeit", „Arbeitsvertragsbruch", „Widersetzlichkeit" und ähnliches aus, wie sie vor allem der G B A erließ, 371 als vielmehr durch die brutalere Handhabung des vorhandenen Terrorinstrumentariums und durch die rücksichtlose Ausweitung der Repressalien gegen •die Werktätigen. 3 7 2 Nach Übereinkunft zwischen dem R S H A und dem Munitionsministerium wurde am 9. August 1943 das Netz der „Abwehrbeauftragten" auf die Betriebe und Einrichtungen des Verkehrswesens und der Energiewirtschaft ausgedehnt, um auch dort — und gerade dort — „alle Versuche von Spionage, Verrat, Sabotage und Bildung von Widerstandsbewegungen unter der Gefolgschaft rechtzeitig (zu) erkennen und (zu) bekämpfen". 3 7 3 Eine weitere Übereinkunft trafen Speer und Himmler mit der D A F : „Ich bin dafür dankbar", erklärte Speer vor den Reichs- und Gauleitern auf der Posener Tagung am 6. Oktober 1943, „daß auf Veranlassung der Arbeitsfront gerade in diesen Tagen aus den Betrieben weg einige tausend Bummelanten verhaftet und in ein Konzentrationslager überführt werden." 3 7 4 Im Zusammenhang mit der beschriebenen Erhöhung des Kranken- und Unfallkrankenstandes in den Betrieben beschäftigte die Rüstungskonzerne und Rüstungsdienststellen in steigendem Maße die Frage, wie sie mit Zwang und Terror den dadurch entstehenden Produktions- und Profitausfall verringern könnten. Die Reichsgruppe Industrie forderte Ende März 1942, daß für die „Herabdrückung des Krankenstandes" gesorgt werde, da „gegenwärtig eine verstärkte Anspannung aller Kräfte verlangt werden muß". 3 7 5 Der Präsident der Reichsknappschaft, Jakob, widmete sich dieser Aufgabe mit besonderem 369 Vom 4. 3. 1942; Kämpfendes Leuna, S. 794f. 370 DZW, Bd. 4, S. 351. 371 Besonders „Anordnung gegen Arbeitsvertragsbruch und Abwerbung sowie das Fordern unverhältnismäßig hoher Arbeitsentgelte in der privaten Wirtschaft" v. 20. 7. 1942 (DRA v. 28. 7. 1942); „Anordnung Nr. 13 zur Sicherung der Ordnung in den Betrieben" v. 1. 11. 1943 {RABl. 1943 I, S. 543). 372 Siehe DZW, Bd. 4, S. 358 f. 373 Ebenda, S. 359 f. 374 ZStA Potsdam, FS, Film 3570, Rede Speers, 6. 10. 1943. 375 BA Koblenz, R 13 X X / 8 5 , Rs. betr. „Herabdrückung des Krankenstandes", 26. 3. 1942.

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E i f e r . In d e r D A F suchte er einen Bundesgenossen f ü r sein Vorhaben, einen D r u c k auf die Ärzte auszuüben, die „im Zweifel . . . n i c h t die Arbeitsunfähigkeit, sondern die A r b e i t s f ä h i g k e i t zu bescheinigen" h ä t t e n . 3 7 6 A m 21. J u l i wies er die Knappschaftsdirektoren offiziell an, bei den Ärzten die „ F o r d e r u n g " durchzusetzen, „im Zweifelsfalle Arbeitsfähigkeit zu bescheinigen". 3 7 7 Auf d e r Sitzung d e r Zentralen P l a n u n g a m 23. O k t o b e r 1942 b r a c h t e Pleiger die S p r a c h e auf den K r a n k e n s t a n d im R u h r g e b i e t : „ W i r haben bei 350000 Mann Belegschaft bis zu 60 P r o z e n t Feierschichten gehabt, und wir h a t t e n auf den verschiedensten Gruben d u r c h V e r t r a u e n s ä r z t e eine Kontrolle d u r c h g e f ü h r t , die das Ergebnis h a t t e , d a ß 30 bis 40 P r o z e n t n a c h der ärztlichen U n t e r s u c h u n g wieder einfahren m u ß t e n . Wenn d a die Möglichkeit bestünde, vielleicht von militärischer Seite verschiedene Vertrauensärzte wieder aus d e m Militär h e r a u s z u b e k o m m e n , w ü r d e uns d a s kolossal entlasten. Der A n t r a g l ä u f t . " Minister Speer resümierte zynisch: „ E i n Arzt b r i n g t Ihnen also ein p a a r tausend Mann pro T a g . " 3 7 8 Vor d e m gleichen G r e m i u m erklärte er eine Woche später u n t e r B e r u f u n g auf A u s k ü n f t e v o n R o b e r t Ley, „daß d o r t , wo Betriebsärzte sind u n d die Leute von den Betriebsärzten u n t e r s u c h t werden, sofort d e r K r a n k e n s t a n d auf ein Viertel bis ein F ü n f t e l s i n k t " . 3 7 9 E r f o r d e r t e : „ S S u n d Polizei könnten hier ruhig h a r t zufassen u n d die Leute, die als B u m m e l a n t e n b e k a n n t sind, in KZ-Betriebe stecken. Anders g e h t es n i c h t . Das b r a u c h t n u r ein p a a r Mal zu passieren, das spricht sich h e r u m . " 3 8 0 I m Beschlußprotokoll der S i t zung hieß es in diesem Sinne resümierend: „Allgemein ist zur Verringerung der F l u k t u a t i o n das Bummelantenwesen scharf anzufassen, insbesondere d u r c h E r h ö h u n g der Zahl d e r V e r t r a u e n s ä r z t e u n d d u r c h Zugriff der Polizei (Dienstverpflichtung der B u m m e l a n t e n z u r Schwerstarbeit u n d Überweisung in Konzentrationslager)." 3 8 1 U n t e r F e d e r f ü h r u n g des Munitionsministers wurde d a r a u f h i n ein ganzes System von K o n t r o l l m a ß n a h m e n in der Rüstungsindustrie eingeführt, das auf E r f a h r u n g e n v o n Großbetrieben beruhte. Zunächst sollten die „Betriebsführer" selbst ihre Zwangsmittel gegen krankfeiernde „ B u m m e l a n t e n " einsetzen. F e r n e r erhob der Minister, gemeinsam m i t d e m GBA, die F o r d e r u n g n a c h „einer strafferen Ausrichtung der Krankenkassenärzte". 3 8 2 Als das „beste A b w e h r m i t t e l " erschien Monopolen u n d Behörden aber „der E i n s a t z des bei den Landesversicherungsanstalten errichteten vertrauensärztlichen D i e n s t e s " : „ D e r Reichsminister f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition u n d der Reichsarbeitsminister haben deshalb vereinbart, d a ß die nachgeordneten Stellen des Reichsministers f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition in den Wehrkreisen (Wehrkreisbeauftragte) m i t den Landesvertrauensärzten der zuständigen Landesversicherungsanstalten auf das engste z u s a m m e n a r b e i t e n . Die Dienststellen des Reichsministers f ü r Bewaffnung u n d Munition werden den Landesv e r t r a u e n s ä r z t e n jeweils die Betriebe mitteilen, in denen ein Sondereinsatz des v e r t r a u e n s ärztlichen Dienstes besonders dringlich erscheint." 3 8 3 Die skrupellosesten V e r t r e t e r dieses Berufszweiges hießen bald im Volksmund „ S t o ß t r u p p ä r z t e " . D e r „Zugriff der Polizei" gegen „ B u m m e l a n t e n " wurde zur gleichen Zeit in d e r a r t b r u t a l e r 376 377 378 379 380 381 382 383

Ebenda, Präs. Jakob an DAF/Fachamt Bergbau, 23. 6. 1942. Ebenda, Rs. v. 21. 7. 1942. ZP-P, 16. Sitzung. ZP-P, 30. 10. 1942, 21. Sitzung. Ebenda. ZP-E, 30. 10. 1942, 21. Sitzung. BA Koblenz, R 41/228, GBA an Milch, 30. 1. 1943. Ebenda.

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Weise verschärft, daß dies sogar die DAF f ü r unangemessen und ineffektiv hielt. Auf einer Beratung aller zuständigen Stellen des Regimes (Parteikanzlei, RSHA, DAF, Reichsministerium f ü r Bewaffnung und Munition, Reichsarbeitsministerium, Reichswirtschaftsministerium) forderte sie sorgfältigere Nachprüfung der Fälle. Es gehe zum Beispiel nicht an, so argumentierte ihr Vertreter, „wenn in Berlin allein 5000 Jugendliche wegen Arbeitsbummelei zu 1—6 Monaten Gefängnis verurteilt worden seien." 384 Über Erfolge der Terrormaßnahmen lagen schon f ü r das erste Halbjahr 1943 Berichte vor. Der Zustand hinsichtlich der Ausfallstunden, so der Siemens-Konzern, habe sich gebessert, „vor allem infolge der durchgreifenden Maßnahmen der Krankenkassen zur Senkung des Krankenstandes" 3 5 8 . Einen Einblick in tief verwurzelte Wunschvorstellungen des Monopolkapitals gewährte das Projekt Speers vom Mai/Juni 1943, Millionen deutscher Werktätiger — in diesem Fall zunächst die Arbeiter und Arbeiterinnen des Rhein-Ruhr-Gebietes — zu uniformieren, zwangsweise in Gemeinschaftslager zu stecken und zugleich die „Evakuierung der nichtschaffenden Bevölkerung" vorzunehmen. 386 Diese „Aktion Ruhrgebiet" 3 8 7 sollte trotz gezielter und massierter als bisher einsetzender Luftangriffe die Produktion des Industriegebiets aufrechterhalten. Ahnliche Vorstellungen tauchten auch später noch auf, zumal da angesichts der immer verheerenderen Bombenangriffe auf deutsche Städte die Sorge und dringende Forderung der Konzerne war, „daß die Menschenführung nicht verlorengeht, daß keine Abwanderung eintritt, daß wir die Hand über diesen Menschen behalten, damit wir sie wieder kurzfristig einsetzen können". 3 8 8 Als in dem großen Flugzeugwerk in Wiener-Neustadt die „Halbtagsfrauen" im Produktionsbereich der elektrischen Flugzeugausrüstung nach einem Angriff nicht mehr zur Arbeit kamen, „weil sie heillose Angst davor haben, daß wieder ein Bombenschaden geschieht", stellte sich Milch „auf den Standpunkt, daß man die ausgebombten Arbeiter wie in Hamburg usw. kaserniert.... Die Arbeiter müßten wie Soldaten gehalten werden, indem man für sie kocht, sorgt usw. Dann kommt das in Ordnung." 3 8 9 Immerhin mußten die Faschisten berücksichtigen, daß der Terror kein ausreichendes und kein unfehlbares Mittel zur „Leistungssteigerung" sein konnte. Sie verzichteten gerade auch im Kriege nicht auf übelste Massendemagogie und auf Methoden der materiellen Korrumpierung der Werktätigen. Solche Methoden hielten sie f ü r besonders notwendig und nützlich auf den Gebieten der Ernährungs- und der Lohnpolitik. Die Ernährung als unmittelbare Voraussetzung für die Erhaltung der Arbeitskraft der Werktätigen war seit Kriegsbeginn lückenhafter geworden, insbesondere arm an Eiweiß und Vitaminen, und verschlechterte sich weiter qualitativ. 3 9 0 Die Bevölkerung reagierte demzufolge empfindlich auf Verschlechterungen in der Zuteilung von Lebensmitteln, zumal da gleichzeitig die Masse der übrigen Konsumgüter immer vollständiger vom Markt 384 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 10492, Bl. 3R, AN RWiM v. 2. 7. üb. d. Sitzung betr. „Bekämpfung von Arbeitsbummelei in den Betrieben" v. 29. 6. 1943. 385 Ebenda, Deutsche Bank, Nr. 18861, Bl. 18 R, Bl. 19 u. Bl. 25, Direktionsberichte (Siemens & Halske) an den Aufsichtsrat, 22. 7. und 30. 12. 1943. 386 Ebenda, FS, Film 5884, Ley an Speer, 17. 6. 1944; s. a. S. 142 f. 387 Chronik des RMfBuM, 1943 I, Bl. 105, 20. 6. 1943. 388 ZStA Potsdam, FS, Film 3570, Rede Rohlands auf der Reichs- und Gauleitertagung in Posen am 6. 10. 1943. 389 BA Koblenz, R 3/1565, St/GL-BuM-Besprechung, 15. 9. 1943. 390 Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 271 ff. u. S. 292.

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verschwand. T r o t z d e m ist insgesamt Kuczynski d a r i n r e c h t zu geben, d a ß , wenn auch m i t S c h w a n k u n g e n u n d Differenzierungen, noch E n d e 1943 die deutschen A r b e i t e r „im allgemeinen n i c h t schlechter g e n ä h r t (waren) als im ersten Kriegsjahr". 3 9 1 Greta Kuckhoff bezeugt aus eigenem Erleben, d a ß sich die Unzufriedenheit u n d das „Meckern" breiter Kreise über die E r n ä h r u n g s l a g e w ä h r e n d des Krieges weniger gegen die H ö h e der Lebensm i t t e l r a t i o n e n richtete, die d u r c h a u s keine „ H u n g e r r a t i o n e n " waren, obwohl die illegale antifaschistische P r o p a g a n d a diesen Begriff m i t u n t e r b e n u t z t e . „Die Unzufriedenheit entsprang jedoch h a u p t s ä c h l i c h d e r E n t t ä u s c h u n g , d a ß die bereits besetzten L ä n d e r n i c h t m e h r von d e m lieferten, was m a n zu erwarten als Recht e m p f a n d : neben d e r Seidenwäsche, den Stiefeletten u n d Pelzen eben auch Friihtomaten, Apfelsinen u n d Spargel, B u t t e r u n d Fleisch, im S o m m e r a b e r v o r allem ausreichend frisches G e m ü s e . " 3 9 2 Die E r n ä h r u n g bildete nichtsdestoweniger eine politische H a u p t s o r g e der Faschisten. Von einer H e r a b s e t z u n g der Rationen, wie sie sie ausgangs des Winters 1941/42 n i c h t m e h r umgehen zu können g l a u b t e n , b e f ü r c h t e t e n sie verbreitete Unzufriedenheit. Sie m u ß t e a b e r auch die physische Leistungsfähigkeit der W e r k t ä t i g e n beeinträchtigen. N a z i f ü h r e r wie Goebbels hielten diese M a ß n a h m e , wenn auch f ü r notwendig, so doch f ü r sehr bedenklich u n d widmeten sich bereits Monate vorher d e r Aufgabe, das Volk d u r c h Demagogie u n d Ablenkungsmanöver darauf vorzubereiten. Goebbels m e i n t e zwar, „daß m a n keine T r ä n e n zu vergießen b r a u c h t , wenn die Lasten des Krieges n u n etwas stärker auf den Schultern unseres Volkes f ü h l b a r werden", 3 9 3 doch prophezeite er, die „Parole der Leistungssteigerung" werde „keinen besonderen E f f e k t erzielen, wenn jetzt die Kürzung der Lebensmittelrationen b e k a n n t wird". 3 9 4 E r beklagte sich ü b e r Ley, der eine „Leistungssteigerungspropaganda" betreibe, „die v o r allem j e t z t in der Zeit der Kürzung der Lebensmittelrationen d e n k b a r u n a n g e b r a c h t ist". 3 9 5 Auch Hitler sprach sich vor Speer gegen eine „zu weitgehende A u s n u t z u n g der menschlichen A r b e i t s k r a f t gerade bei der j e t z t herabgesetzten E r n ä h r u n g " aus. 3 9 6 Die Rationenkürzung erfolgte a m 6. April 1942. 397 Die Wochenrationen f ü r den deutschen „ N o r m a l v e r b r a u c h e r " w u r d e n bei Fleisch von 400 auf 300 g, bei F e t t von 270 auf 206 g u n d bei Brot v o n 2250 auf 2000 g gesenkt. Bei Fleisch u n d F e t t waren dies die ersten Kürzungen seit Kriegsbeginn, bei Brot seit fast zwei J a h r e n . Die Rationen der übrigen Verbraucherkategorien wurden bei Brot ebenfalls um 250 g, bei Fleisch u n d F e t t jeweils etwa im gleichen Verhältnis g e s e n k t ; n u r Schwerstarbeiter behielten relativ höhere Fleischrationen. 3 9 8 Die Faschisten rechneten d a m i t , d a ß die Kürzung eine vorübergehende Notwendigkeit sei. Als im S o m m e r 1942 zeitweise die gesamte Ukraine u n d d a s Kuban-Gebiet u n d d a m i t neue große, f r u c h t b a r e Agrargebiete in ihre H a n d fielen, glaubten sie, die Rationen f ü r B r o t u n d Fleisch wieder erhöhen zu können. Das geschah a m 19. O k t o b e r 1942 (bei B r o t auf 2250 g, bei Fleisch auf 350 g) — gerade einen Monat v o r Beginn der sowjetischen 391 Ebenda, S. 292; s. a. ebenda, S. 130 u. S. 271ff. 392 Kuckhoff, Greta, Vom Rosenkranz zur Roten Kapelle. Ein Lebensbericht, 3. Aufl. Berlin 1974, S. 340. 393 Goebbels, Tagebücher, S. 68 (1. 2. 1942). 394 Ebenda, S. 124 (19. 3. 1942). 395 Ebenda, S. 131 (20. 3. 1942). 396 FB, 4. 4. 1942, Punkt 30. 397 Siehe dazu auch DZW, Bd. 2, S. 395 ff. 398 Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 130 u. S. 291 f. Hiernach auch das Folgende.

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Offensive bei Stalingrad. Als im nächsten Frühjahr die Fleischration ein weiteres Mal erheblich gekürzt wurde, versuchte man, durch Erhöhung der Brotrationen (im Frühjahr und im Herbst 1943) den negativen Eindruck der Maßnahmen zu mildern. 399 Goebbels benutzte die Gelegenheit der Wiedererhöhung der Rationen im Oktober 1942, um in einer Rundfunkrede Chauvinismus und expansionistische Habgier hochzuputschen: „Es geht diesmal nicht um blasse Ideale ... Wir wollen uns endlich einmal als Volk an den Fettnapf der Welt setzen. ... Diesmal geht es um wichtigere Dinge, und zwar um Dinge, die uns alle angehen, um Kohle, Eisen, öl und vor allem um Weizen, damit wir das tägliche Brot auf dem Tisch haben." 4 0 0 Paul Pleiger, von Sauckel und Speer unterstützt, hatte Hitler schon im August 1942 ausdrücklich gedrängt, die Rationen auf Kosten der besetzten Gebiete möglichst umgehend wieder erhöhen zu lassen. 401 Dieser Vorstoß der führenden Vertreter der Kriegswirtschaft war symptomatisch und zeigte ihr vorrangiges Interesse an der Erhaltung der Leistungsfähigkeit der deutschen Werktätigen. Ebenso war es schon seit Monaten ihr Bestreben, mit Hilfe von sogenannten Sonderzuteilungen von Lebensmitteln, Tabak und Schnaps die Arbeitsfreudigkeit zu heben. Von Zeit zu Zeit scheinbar zufällig „aufgerufen" und einmal für breitere Kreise der Bevölkerung, ein anderes Mal nur für bestimmte Kategorien von Arbeitern ausgegeben, stellten die Sonderzuteilungen ein System von Stimulanzien korrumpierenden Charakters dar. Im Bergbau, besonders an der Ruhr, waren derartige Methoden anscheinend am gängigsten und am weitesten entwickelt. Als Anreiz für Sonntagsschichten verschafften sich die Betriebe seit 1941 über die RVK bzw. über die Wirtschaftsämter je nach Möglichkeit Tabakwaren, Trinkbranntwein, Fischkonserven, Wein, Kaffee, Süßigkeiten für Nichtraucher und Frauen, die gegen Bezahlung, aber ohne Bezugskupons und Lebensmittelmarken an die einfahrenden Bergleute ausgegeben wurden. 402 Am 1. November 1943 brachten „Richtlinien für die Gewährung von Sonderzuteilungen im Ruhrbergbau", 403 die die RVK im Einvernehmen mit dem Ruhrstab Speer erließ und die mehrfach Ergänzungen und Neufassungen erlebten, System in diese Praxis. Die herrschenden Kreise des Regimes setzten solche Stimulanzien — freilich in den Grenzen ihrer Möglichkeiten — bewußt als Mittel der politischen Stabilisierung im Innern und zur moralischen Aufmunterung ihrer Anhänger und Mitläufer ein, seit 1942 aber immer vorrangiger zum Zwecke der „Leistungssteigerung". Zu einer grundsätzlichen Erörterung „in einem kleinen Kreise" über die „Leistungssteigerung" und ihre Stimulierung lud Sauckel 399 Siehe DZW, Bd. 4, S. 351 f. 400 Anatomie des Krieges, S. 407 f., Dok. 214, Rundfunkrede Goebbels' v . 18. 10. 1942; vgl. c. Hassell, S. 247 (2. 11. 1942). — Genau die gleiche Argumentation benutzte Goebbels schon am 31. 5. 1942 in „Das Reich", damals um die Stimmungsverschlechterung nach der Rationenkürzung abzufangen (s. DZW, Bd. 2, S. 396); hier betonte er womöglich noch stärker, daß man den Krieg „für einen vollgedeckten Frühstücks-, Mittags- und Abendtisch" führe. 401 FB, 10.—12. 8. 1942, Punkt 47. Ganz denselben Sinn hatte die gleichzeitig von Göring kategorisch erhobene Forderung an die Leiter der faschistischen Okkupationsbehörden, sie hätten aus den besetzten Ländern auf alle Fälle „das Äußerste herauszuholen": „Wenn gehungert wird, dann hungert nicht der Deutsche, sondern andere, wenn gehungert werden muß." (IMG, Bd. 39, S. 385f., Dok. U S S R - 1 7 0 , Protokoll d. Sitzung am 6 . 8 . 1 9 4 2 ) . Siehe dazu DZW, Bd. 2, S. 397 u. S. 4 3 0 ; ferner Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 292 (Rede Görings zum „Erntedankfest" am 5. 10. 1942). 402 BA Koblenz, R 13 XX/79, div. Schriftwechsel. 403 Ebenda. 18 Eichholtz II

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Mitte Oktober 1942 die zuständigen Minister. Es sollte vor allem darüber beraten werden, „ob und in welcher Form es möglich ist, die Lebensmittelkarten und die Kleiderkarte mit der Arbeitsleistung der einzelnen Gefolgschaftsmitglieder zu verkoppeln". 404 Der GBA ging dabei von der „auffallenden Erhöhung des Krankenstandes in den letzten Monaten" und von der „Zunahme der Bummelanten usw." aus, die die reale Arbeitszeit herabdrückten, in ausgewählten Betrieben sogar bis auf 85 Prozent der vorgeschriebenen Arbeitsstunden bei den Männern, auf 75 Prozent bei den Frauen. Es sei — so Sauckel — vorgeschlagen worden, bei voller Erfüllung der geforderten Arbeitsleistung „besondere materielle Vorteile zu bieten" in Form von „Mangelwaren", Lebensmitteln, Kleidung und Tabakwaren. Diese Vorschläge kamen augenscheinlich von Unternehmerseite, zumal da es sich ausschließlich um Forderungen an den Staat ohne negative Folgen für den Profit handelte. Dem GBA war es bewußt, daß jede umfassendere Regelung dieser Art aus wirtschaftlichen und politischen Gründen abgelehnt werden würde. Er erläuterte daher den Verhandlungsgegenstand von vornherein unter dem entgegengesetzten Aspekt: „Es ist sicherlich zutreffend, daß volle Arbeitsleistungen dann sichergestellt würden, wenn diejenigen, die der Arbeit z. T. fernbleiben, weniger zu essen bekämen oder auch Abstriche auf ihrer Kleiderkarte oder Raucherkarte hinnehmen müßten. Zweifelhaft erscheint nur, ob ein solcher Weg tatsächlich gangbar ist." 4 0 5 Eine allgemeingültige Regelung kam nicht zustande. Doch der Reichsminister für Bewaffnung und Munition und der GBA griffen die Problematik Anfang 1943 im Zusammenhang mit dem Adolf-Hitler-Panzerprogramm und den anderen ambitiösen Rüstungsprogrammen für das J a h r 1943 von der Lohnseite her wieder auf. Speer legte beispielsweise einen Entwurf von „Grundsätzen über Anerkennung und Belohnung besonderer Leistungen in der Rüstungswirtschaft" vor. 406 Danach sollten aus einem von der Lohnsumme der Betriebe in Höhe von fünf Prozent einbehaltenen Fonds Geldprämien „zur Anerkennung besonderer Leistungen und bedeutsamer Verbesserungsvorschläge" gezahlt werden. Derartige Verfügungen, in der Folgezeit in verschiedenartiger Gestalt erlassen, 407 richteten sich, nach ihrem produktionspropagandistischen und politischen Gehalt zu urteilen, in erster Linie an Ingenieure und Techniker, Leiter größerer und kleinerer Produktionseinheiten, an Meister, Arbeitsvorbereiter und Einrichter, weniger aber an breitere Schichten von Arbeitern. So verwirklichten die deutschen Rüstungsgewaltigen das alte Ausbeuterrezept von „Zuckerbrot" und „Peitsche" unter dem allgemeinen Terrorregime mit Hilfe von Korrumpierung („Sonderzuteilungen", Prämien, Auszeichnungen verschiedener Art), die den zusätzlichen Nebeneffekt hatte, negativ auf das Solidarverhalten der Werktätigen einzuwirken, mit Hilfe von Stockschlägen auf den Magen, in Form von Rationskürzungen (diese wurden allerdings wohl ausschließlich gegen ausländische Zwangsarbeiter angewandt)

404 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 10413, Bl. 50f., GBA an RWiM, 13. 10. 1942. 405 Dem Prinzip nach wurde diese Methode freilich schon seit J a h r und Tag auf den Tarifurlaub angewandt, indem v o m RMEL Zulagen für Schwer- und Schwerstarbeiter bei Urlaub nur für eine Woche „Übergangszeit" zugestanden wurden (BA Koblenz, R 13 XX/38, H. 2, Rs. Wigru Bergbau v. 26. 9. 1941). 406 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 10413, Bl. 57 ff., Entwurf v . 15. 1. 1943. 407 Ebenda, Bl. 60, Erlaß des G B A betr. „Prämien für Verbesserungsvorschläge im Betrieb" v . 31. 7. 1942, Neufassung vom 30. 1. 1943 (in der Akte befindet sich nur die ältere Fassung).

Arbeits- u n d Lebensbedingungen deutscher A r b e i t s k r ä f t e

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und von Geldbußen, meist in Form von Lohnabzügen — einem Mittel, das anscheinend außerordentlich weit verbreitet war und immer systematischer angewandt wurde. 408 J e länger der Krieg währte, desto enger wurde der Spielraum, in dem die Faschisten sich hierbei bewegten. Einerseits wuchs ihr Bestreben, die Arbeitsleistung der deutschen Arbeiter zu stimulieren, zumal Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft sanken; andererseits schrumpften die Warendecke und die Menge an beschaffbaren zusätzlichen Lebensund Genußmitteln mit Forlgang des Krieges und des Rückzugs aus den okkupierten Gebieten, womit sieh zugleich der Anreiz durch Geldprämien und Lohnzuschläge — wie überhaupt die Bedeutung der Lohnhöhe — weiter verringerte. Der Arbeitslohn nahm in seiner Bedeutung als einer der wichtigsten Faktoren der Lage der Arbeiter und Angestellten während des Krieges so stark ab, daß Rudolf Stahl, stellvertretender Leiter der Reichsgruppe Industrie und Chef des Salzdetfurth/Mansfeld-Konzerns, im Jahre 1943 schrieb: „Der Verdienst hat eben seinen Reiz verloren." 4 0 9 Mehr als die zugeteilten Lebensmittel gab es kaum zu kaufen; eher konnte man noch „schwarz" tauschen. Längerlebige Konsumgüter waren 1942 schon weitgehend vom Markt verschwunden, oder ihre Qualität war bedeutend schlechter geworden. Trotzdem gaben die herrschenden Kreise des Regimes die Versuche nicht auf, die deutschen Arbeiter durch Manipulierungen mit Lohn und Akkord und durch begrenzte Lohnerhöhungen zu stärkerer Verausgabung von Arbeitskraft zu bewegen. Seit Ende 1941 planten Monopole (Reichsgruppe Industrie), D A F und Reichsarbeitsministerium bzw. GBA sogar, ein umfassendes System sogenannter lohnordnender Maßnahmen einzuführen, welches das noch bestehende Tariflohnsystem vollständig unterhöhlen sollte. Das ursprüngliche Vorhaben der RGI, eine radikale „Neuordnung" der Arbeitsplatzbewerlung vorzunehmen, wurde als im Kriege zu zeitaufwendig fallen gelassen. „Inzwischen hatte sich auch die allgemeine Situation", so hieß es im Protokoll einer Sitzung von Spitzenvertretern der Ruhrkonzerne unter Leitung von Ernst Poensgen am 31. März 1942, „ganz erheblich geändert. Die Kriegslage zwingt uns, in der Rüstungsindustrie die Leistungen schnellstens noch weiter zu steigern." 4 1 0 Übrig blieb der Plan, „eine leistungsfördernde Ordnung der Löhne auf der Ebene des jetzt erreichten Lohnstandes" durchzusetzen, die ausdrücklich „keine umfassende Auswirkung auf den Lohnstand im großen und ganzen haben soll und darf". Bei dieser „weitgehende(n) Umstellung und Neuordnung des bisherigen Lohnsystems" handelte es sich um die Auflösung der bisherigen drei tariflichen Lohngruppen (Gelernte, Angelernte, Ungelernte) in acht Lohngruppen, die, auf neun Ortsklassen verteilt, die Differenzierung der Löhne vervielfachte. Die Spitzenlohngruppen für besonders qualifizierte Facharbeiter lagen um 10 bis 33 Prozent höher als bisher; das gesamte Lohnniveau aber sollte sich keinesfalls wesentlich heben. Noch im Laufe des Jahres 1942 fanden gewisse zweckbestimmte Verschiebungen zwischen den Industriezweigen statt; zum Beispiel wurden im Dezember die Bergarbeiterlöhne erhöht, während in anderen Industriezweigen, so in der Flugzeug- und in der Metallindustrie, verbreitet Lohnsenkungen — vorwiegend durch „Überprüfung der Akkorde" — vorgenommen wurden. Zugleich versprachen die Faschisten in der Öffentlichkeit hoch und

408 Siehe z. B . ebenda, F S , F i l m 3966, Protokolle der Vertrauensratssitzungen im Werk L ü t z k e n dorf des Wintershall-Konzerns, bsd. 1942—1944. 409 Zit. n a c h Jonas, S. 392. 410 Protokoll d. S i t z u n g d. B e z i r k g r u p p e N o r d w e s t der Wigru E s l a m 31. 3. 1942, zit. nach Kuczynski, L a g e der Arbeiter, B d . 6, S . 298, Hiernach (S. 298ff.) auch d a s Folgende. 18-

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heilig, daß die einmal neu festgesetzten Akkordsätze ohne „Akkordschere" beibehalten würden. Der materielle Stimulus für qualifizierte Facharbeiter sollte die Arbeitsleistungen dieser Schlüsselkräfte der Rüstungsindustrie heben. Das erschien den deutschen Imperialisten um so wichtiger, als sie die Rüstungsfacharbeiter in immer größerem Umfang als Vorarbeiter über ausländische Zwangsarbeiter einsetzten und sie damit auch zu politischpolizeilichen Aufseherfunktionen benutzten. Allerdings minderte es den tatsächlichen E f f e k t der Stimulierung, daß gerade die Facharbeiter einerseits seit Kriegsbeginn ( K W V O ) steuerlich im Verhältnis stark benachteiligt waren, daß aber andererseits ihre tatsächlichen Löhne in der Regel bereits erheblich über dem Grundlohn lagen. Doch ein Ziel erreichten die Monopole mit der Aufsplitterung des bisherigen Lohngefüges sicherlich: Die Konkurrenz unter den Arbeitern nahm zu. Dadurch wurde nicht nur eine Mehrverausgabung an Arbeitskraft ständig provoziert, sondern es verfestigte sich auch die politische Kontrolle und Herrschaft des Finanzkapitals. Die „Neuordnung" der Löhne eröffnete den Herrschenden vermehrte Möglichkeiten, einzelne Arbeiter und Arbeitergruppen direkt zu korrumpieren, was diesen Effekt noch verstärken mußte. Die Zwecksetzung der „lohnordnenden Maßnahmen" wurde schließlich durch eine demagogische Propaganda unterstützt. Die „lohnordnenden Maßnahmen" wurden zuerst an ausgesuchten Industriezweigen und Betrieben erprobt, „in denen offenbar eine Leistungsreserve vorhanden ist", vor allem an „Betriebe(n) mit überhöhten Akkordverdiensten" und insbesondere an „als leistungsschwach bezeichneten Betriebe(n)". Am 20. September 1942 setzte der G B A die allgemeine Aktion in Gang; an die Reichstreuhänder der Arbeit und an die D A F ergingen seine „Richtlinien für lohnpolitische Maßnahmen zur Wiederherstellung der Lohn- und Akkordgiirechtigkeit". 4 1 1 Die „lohnordnenden Maßnahmen" wurden, wenn auch ohne große Beschleunigung, in Angriff genommen. In der Eisenmetallurgie waren im März 1944 immerhin in 7 0 0 0 Betrieben derartige Maßnahmen erfolgt. 412 Die Aktion zog sich schließlich hin, bis die nahende Niederlage Hitlerdeutschlands ihr ein Ende machte, ohne daß sie durchschlagende Result a t e geliefert hätte. Diese „zweckbestimmte und kriegsbedingte Notmaßnahme" 4 1 3 wurde von den Arbeitern verständlicherweise mit Skepsis und Mißtrauen aufgenommen. Die Monopole und faschistischen Arbeitsbehörden verfolgten ihr Vorhaben nur mit halbem Herzen, weil es den Lohnstopp und damit die Profite in Mitleidenschaft zu ziehen geeignet war und weil ihnen überhaupt eine solche größere, einschneidende Umstellung auf dem Lohngebiet unter den immer schwierigeren Bedingungen und angesichts der immer bedrohlicheren Kriegslage zu aufwendig und riskant erschien und in ihren Augen auch zunehmend an Bedeutung verlor. Seit dem Scheitern der Blitzkriegsstrategie erlegten sich die Faschisten in ihrer sozialen Demagogie allgemein zunehmende Beschränkungen auf. Schon im J a n u a r 1942 ließ Hitler Robert Ley mitteilen, „daß er in absehbarer Zeit während des Krieges einen Vortrag nicht entgegennehmen könne" 4 1 4 , als Ley ihm seine bis dahin propagandistisch groß aufgezogenen Pläne für ein „Sozialwerk" vorlegen wollte, an deren Konzipierung Hitler 411 412 413 414

Handbuch des GBA, S. 59f. DZW, Bd. 4, S. 358. Wie Ann. 410 (S. 300). BA Koblenz, R 41/28, Lammers an Ley, Jan. 1942.

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selber noch 1940/41 aktiv mitgewirkt hatte. 4 1 5 Dieses „Sozialwerk", besonders das dazugehörige „soziale Wohnungsbauprogramm", das ebenfalls von Ley entworfene „Altersversorgungswerk" und das „Gesundheitswerk" seien, so ließ er Ley antworten, in allem „noch völlig offen und vorläufig auch noch nicht bestimmbar". 4 1 6 So verschob sich das Verhältnis der Mittel zur „Leistungssteigerung" immer mehr zugunsten der „Peitsche". Der Umschwung im Kriegsverlauf stellte auch in dieser Beziehung eine einschneidende Zäsur dar. Ideologisch kaschierten die Faschisten die Steigerung der Ausbeutung und der sozialen Belastung für die Werktätigen mit Phrasen von der „Härte des Krieges", mit der „Notwendigkeit der totalen Kraftanstrengung des deutschen Volkes", Phrasen, die ihnen zugleich zur Selbstberuhigung dienten. Welchen Anteil Terror und Korruption an der „Leistungssteigerung" hatten, ist schwerlich exakt zu analysieren, zumal die zusätzliche Wirkung von Ideologie und Propaganda berücksichtigt werden muß. Die „moralische Degradation", 4 1 7 der die Arbeiter und die anderen Werktätigen während des Krieges so allumfassend wie nie vorher ausgesetzt waren, zeitigte ihre schlimmsten Ergebnisse dort, wo es den Faschisten gelang, die klassenmäßige Solidarität gegenüber den ausländischen Zwangsarbeitern, voran den sowjetischen, zu verschütten und die menschenverachtende faschistische Ideologie des Rassenwahns und der „Herrenrasse" in die Köpfe einzupflanzen; dort, wo sich deutsche Werktätige ausländischen Arbeitern gegenüber überlegen fühlten und sie entsprechend behandelten, „statt gerade an deren Schicksal zu sehen, wie tief sie selber heruntergekommen war(en)". 418 b) Arbeitsbedingungen

und Arbeitsproduktivität

im Kriege

Die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Kriegswirtschaft ebenso wie in der Gesamtindustrie blieb während der Kriegsjahre relativ konstant. In Industrie wie Gesamtwirtschaft ging aber die Zahl der deutschen Arbeitskräfte stark zurück (um 30 bzw. 26 Prozent); innerhalb der Zahl der deutschen Arbeitskräfte sank diejenige der männlichen entscheidend (um 39 bzw. 42 Prozent). Tabelle 38 In Deutschland beschäftigte Arbeitskräfte 1939—1944 (Vorkriegsgrenzen, jeweils 31. Mai; inlOOO) Jahr

1939 1940 1941 1942 1943 1944

Arbeitskräfte insgesamt

Deutsche Arbeitskräfte insgesamt

darunter in der Industrie

davon männlich

weiblich

39416 35983 36177 35525 36527 36110

39114 34829 33144 31301 30269 28984

10836 9551 9200 8369 8170 7640

8071 6936 6534 5790 5350 4923

2765 2615 2665 2579 2820 2717

Quelle: The Effects, S. 204, Tab. 3; S. 205, Tab. 4; S. 206, Tab. 5. Nicht sehr erhebliche Abweichungen in Wagenführ, S. 139 ff. 415 416 417 418

ZStA Potsdam, FS, Film 3854, Hitler-Erlaß v. 15. 9. 1940 (betr. Wohnungsbauprogramm). BA Koblenz, R 41/28, Lammers an Ley, Jan. 1942. Marx, S. 675. Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 320.

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Die Arbeitskräftesituation

U m so wichtiger war f ü r die deutschen Imperialisten die Frage nach der Entwicklung der Arbeitsproduktivität. Von ihr hingen wesentlich das Volumen der Produktion insgesamt und besonders der Rüstungsproduktion sowie der Grad der Ausbeutung und die Höhe der Profite ab. Bei einer Analyse dieses Problems müssen vielfältige sowohl negativ als auch positiv wirkende Faktoren berücksichtigt werden. Hervorstechendes Charakteristikum der Arbeitskräftesituation war der Zufluß ausländischer Zwangsarbeiter und — insgesamt ungefähr proportional — der Abgang an männlichen deutschen Arbeitskräften. Die Beschäftigung ausländischer Zwangsarbeiter — einschließlich Kriegsgefangener u n d KZHäftlinge — war derjenige Faktor, der die Arbeitsproduktivität in der Industrie am stärksten senkte; handelte es sich doch in der Mehrzahl um ungelernte bzw. berufsfremde Arbeitskräfte, die zudem, überwiegend unterernährt und viehisch behandelt, häufig mit der Arbeit zurückhielten und auch in anderer Form Widerstand leisteten. Ferner ist die Arbeitsproduktivität einzelner Arbeiterkategorien, einzelner Betriebe und Produktionszweige wohl zu unterscheiden; sie differierte häufig von derjenigen im volkswirtschaftlichen Maßstab, über die freilich zusammenfassende Aussagen nur annäherungsweise möglich sind. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der deutschen Arbeiter und Angestellten verschlechterten sich nach dem 22. J u n i 1941 und besonders nach der Wende des Krieges, wenn auch nicht gleichförmig auf allen Gebieten und nicht gleichmäßig in allen Kriegsphasen und f ü r alle Beschäftigtenkategorien, so doch ununterbrochen und umfassend. Charakteristischerweise verschob sich das Gefüge der Faktoren stark, die entscheidenden Einfluß auf jene Bedingungen hatten. Während der Arbeitslohn eine weitaus weniger wichtige Rolle spielte als jemals vorher und die Reallohnberechnung infolge der Einwirkung außerökonomischer Faktoren (wie Bombenschäden) immer ungenauere u n d unsichere Aussagen liefert, 4 1 9 t r a t e n Arbeitszeit u n d Arbeitshetze, die Höhe der Ernährungsrationen, das Schichtregime, bei Dienstverpflichteten die Trennung von der Familie, bei Ausgebombten die Wohnungsfrage und andere Existenzsorgen in den Vordergrund. Schon Mitte 1941 konstatierten die Rüstungsdienststellen einen verbreiteten „Leistungsrückgang der Gefolgschaftsmitglieder infolge langer Arbeitszeit, nicht ausreichender Ernährung, Nachtalarm u n d erhöhtem Einsatz von Ausländern"; in einzelnen Werken sei „in der zehnten Arbeitsstunde ein Leistungsabfall bis zu 50 Prozent und mehr festgestellt worden". 4 2 0 Mit W'interbeginn 1941 ging die Arbeitsleistung der deutschen Arbeiter „zusehends infolge von Sorgen u m die Beschaffung von Lebensmitteln, Kohle, Bekleidung u n d sonstigen Gegenständen des täglichen Bedarfs" zurück/' 2 1 Auf das Los ausgebombter und dienstverpflichteter Frauen wirft der Brief einer Dreherin an das Rüstungskommando Augsburg ein Schlaglicht: „Wir bewohnen fünf Personen zwei Räume mit jedes Zimmer 3 mal 3 Meter. Ich bin nämlich so ruiniert durch die Enge und Streitereien mit den Vermietern, daß ich den ganzen Tag bei jeder Kleinigkeit ganz aufgeregt bin. Bei Nachtschicht arbeite ich von abends halb sieben bis f r ü h sechs Uhr, und bei dem geringsten Geräusch, was ich mache, wenn ich in der Frühe nach Hause komme, geht der Streit mit Frau Lohmeyer los." 4 2 2 419 Siehe Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 303 f. 420 ZStA Potsdam, FS, Film 1752, „Kriegswirtschaftlicher Lagebericht Nr. 23, Juli 1941" ( 0 K W/Wi Rü Amt). 421 „Kriegswirtschaftlicher Lagebericht Nr. 28, Dezember 1941" (WiRüAmt), zit. bei Reinhardt, S. 278, Anm. 79. 422 ZStA Potsdam, FS, Film 4826, Christine Bauer an Rükdo Augsburg, 1.12. 1942.

Arbeits- und Lebensbedingungen deutscher Arbeitskräfte

261

In der gleichen p r o d u k t i v i t ä t s m i n d e r n d e n R i c h t u n g wirkte die stetige Verschlechterung der Q u a l i f i k a t i o n s s t r u k t u r der Beschäftigten. Der F a c h a r b e i t e r b e s t a n d s c h r u m p f t e von J a h r zu J a h r . Der Anteil der kurzfristig Angelernten u n d der Ungelernten n a h m rasch zu. Am stärksten m a c h t c sich hierbei der Zustrom von ausländischen Zwangsarbeitern und, in wesentlich geringerem Ausmaß, von deutschen F r a u e n — überwiegend ungelernten und zum Teil auch arbeitsungewohnten K r ä f t e n — b e m e r k b a r . Hervorstechende Beispiele f ü r P r o d u k t i v i t ä t s e i n b u ß e n sowohl infolge der Erschöpfung der K r ä f t e als auch d u r c h Rückgang des Qualifikationsniveaus bot der Bergbau, besonders in den Revieren m i t starkem Anteil an ausländischen Zwangsarbeitern. Tabelle 39 Schichtfördermengen

im Ruhrkohlenbergbau und im Mansfelder Kupferschieferbergbau 1939—1944

Jahr

Ruhr (kg Kohle pro Kopf der Untertagebelegschaft)

Mansfeld (kg Minern pro Kopf der Gesamtbelegschaft)

1939 1940 1941 1942 1943 1944

2064 2013 1959 1848 1656 1617*

771 774 787 713 677 645

* 1. Halbjahr Quelle: Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 287; Jonas, S. 397 (ff.) (unter Berechnung von 310 verfahrenen Schichten pro Jahr). Siehe auch DZW, Bd. 4, S. 461.; Auch in der Eisenmetallurgie beklagten die Rüstungsgewaltigen eine „Leistungssenkung", die von der fortschreitenden physischen E r s c h ö p f u n g der Arbeiter h e r r ü h r t e . Sie sei auch d u r c h Rationalisierung n i c h t a u f z u f a n g e n gewesen, erklärte Rohland im Oktober 1943, „da die physischen K r ä f t e zum Teil n i c h t m e h r ausreichten, u m vor allen Dingen in den warmen S o m m e r m o n a t e n durchgehend bis zu 12 S t u n d e n an den Öfen zu arbeiten". 4 2 3 In der Rüstungsindustrie (im engeren Sinne) glichen allerdings entgegenwirkende Faktoren den — f ü r 1940/41 schon e r w a r t e t e n — P r o d u k t i v i t ä t s a b f a l l in den späteren Kriegsjahren wieder m e h r als aus. Der wichtigste war die Rationalisierung, im gegebenen Zeitraum also in erster Linie die Serienfertigung, die „neue Konzentration der industriellen Erzeugung auf besonders leistungsfähige Betriebe", 4 2 4 die E i n f ü h r u n g neuer P r o d u k t i o n s v e r f a h r e n und Technologien u n d die „ U m s e t z u n g " von Arbeitskräften aus „zivilen" in kriegswichtige Industrien, die seit 1941 wachsenden U m f a n g a n n a h m . Die J a h r e s p r o d u k t i o n pro Kopf eines Beschäftigten beispielsweise a u s d e r Textilindustrie, die das Deutsche I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung ihrem U m s a t z w e r t nach m i t 7000 RM (für 1936) berechnete, erhöhte sich nach „ U m s e t z u n g " des Betreffenden in den F a h r z e u g b a u auf 11000, in die eisen423 ZStA Potsdam, FS, Film 3570, Rede Rohlands auf der Reichs- und Gauleitertagungin Posen am 6. 10. 1943. 424 Ebenda, Film 1777, Studie d. Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung üb. „Die deutsche Industrieproduktion im Kriege und ihre Messung", 1942. Zur Rationalisierung s. S. 295 ff.

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Die Arbeitskräftesituation

schaffende Industrie auf 12000, in die chemische Industrie auf 15000, in die NE-Metallindustrie auf 23000 und in die Kraftstoffindustrie auf 25000 RM. 42 ^ Neben solchen Faktoren, die die Arbeitsproduktivität erhöhten und den Grad der Ausbeutung durch größeren Intensitätsgrad der Arbeit in der Regel noch zusätzlich steigerten, war es die allgemeine Verschärfung des Ausbeutungsregimes mit Hilfe des faschistischen Terrors und des Kriegsrechts, die den Folgen des Produktivitätsabfalls entgegenwirkte. Minister Todt hatte in seinen „richtungweisenden" Reden am 4. und 5. Februar 1942 ausdrücklich gefordert, außer der Rationalisierung jene „weitere Reserve" zu erschließen, die „noch in der Arbeitsleistung des Arbeiters" stecke, der im ersten Weltkrieg mehr geleistet habe. 4 2 1 „Leistungssteigerung" betrieben Monopole und staatliche Organe auch, indem sie die Arbeitszeit heraufsetzten, den Urlaub verweigerten bzw. „abgalten", 4 2 7 regelmäßige Sonntagsschichten einführten und zusätzliche „Sonderschichten" fahren ließen. Fiel die Arbeitsleistung pro Stunde, so konnte man durch solche Zwangsmittel die Tages- oder Jahresleistung der Arbeiter auf der Höhe halten bzw. steigern. Diese Mittel mußten allerdings auf die Dauer — bei der verschlechterten Ernährung und der zunehmenden physischen Erschöpfung, bei Luftalarmen und Bombenangriffen mit ihren psychischen und materiellen Folgen sowie der wachsenden Apathie und Demoralisierung angesichts der militärischen Ereignisse — immer mehr an Effektivität einbüßen. In ihrem Heißhunger nach Mehrarbeit durchbrachen die Rüstungsmonopole mit Hilfe der staatlichen Organe nach Kriegsbeginn endgültig die früher geltenden gesetzlichen Schranken für die Arbeitszeit. Die wöchentliche Arbeitszeit schwankte innerhalb der Industrie noch weit stärker, als die Gesamtzahlen 4 2 8 es aussagten; der industrielle Durchschnitt von 48 bis 49 Stunden war wegen der Extreme, die sich dahinter verbargen — überlange Arbeitszeit in den Rüstungsbetrieben und Halbtagsbeschäftigung Hunderttausender Frauen — weitgehend fiktiv. Schon im Herbst 1940 hatten „die Rüstungsfirmen nunmehr in der überwiegenden Mehrzahl die 60-Stunden-Woche eingeführt". 4 2 9 In den Ludwigshafener Werken des IG-Farben-Konzerns arbeitete nach den Arbeitszeitverlängerungen von Mitte J u n i 1941 „der größte Teil" der Belegschaft 55 Stunden und mehr je Woche; 24 Prozent arbeiteten 60 Stunden. 4 3 0 In der Panzerproduktion für das „Adolf-Hitler-Panzerprogramm" wurde zeitweilig und betriebsweise offensichtlich in größerem Umfang zum ersten Mal die 72-Stunden-Woche praktiziert, so wie sie ein J a h r später für ganze Bereiche der Rüstungsproduktion typisch werden sollte. Auch für andere Programme wurde im Frühjahr 1943 die 60-Stunden-Woche weit überboten. Die Stahlwerke Röchling-Buderus AG in Wetzlar stützten sich auf eine Forderung der Rüstungsdienststellen und ließen für die „Aktion 88" (Luftwaffenprogramm) 425 Ebenda. — Zu berücksichtigen ist eine gewisse Verzerrung der Relationen zur Textilindustrie infolge der Preis- und Profitpolitik der Monopole der Schwer- und chemischen Industrie. 426 B A Koblenz, R 13 1/1011, „Zusammengefaßte Ausführungen von Reichsminister Dr. Todt zum R ü s t u n g s p r o g r a m m ..." (Anlage z. Rs. RMfBuM v . 2. 3. 1942). 427 Richtlinien des R A r b M orientierten seit Mitte 1941 darauf, „abwechselnd jeweils ein J a h r Urlaubsabgeltung und das nächste J a h r Urlaub in N a t u r " zu gewähren: „Grundsätzlich sollen die Gefolgschaftsmitglieder jedenfalls alle zwei J a h r e einmal Urlaub erhalten." (BA V E B Porzellanfabrik K a h l a , Bestand Hescho, Nr. 221/2, Bl. 50, R T A Thüringen an Betriebsführer d. Hescho, 18. 7. 1941). 428 Siehe DZW, Bd. 4, S. 357. 429 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 10356, Bl. 11, Auszug aus einem Lagebericht (o. V.) v. 24. 9. 1940. 430 Ebenda, Fall VI, Film 420, Dok. NI-6287, Direktionssitzg. Ludwigshafen, 21. 8. 1941.

Arbeits- und Lebensbedingungen deutscher Arbeitskräfte

263

66 Stunden wöchentlich und überdies an zwei Sonntagen monatlich je acht Stunden arbeiten. 4 3 1 Im. Laufe des Jahres 1943 wurden Sonntagsschichten in der Rüstungsindustrie allgemein eingeführt, in der Regel eine pro Monat bzw. bis zu zwölf pro Jahr. Doch gab es diese Einrichtung vereinzelt viel früher, verschiedentlich schon vor dem Krieg. 432 Die Montankonzerne sorgten durch Sonntagsschichten im Kohlenbergbau bereits 1941/42 für einen nicht unbedeutenden Produktionszuwachs. Wer zur Sonntagspflichtschicht nicht einfuhr, dem wurde ein Wochentag seines Tarifurlaubs abgezogen. 433 Tabelle 40 Sonntagspflichtschichten im deutschen Steinkohlenbergbau 1941/1942

November 1941 März 1942 Oktober 1942

Zahl der verfahrenen Schichten

Geförderte Kohle pro verfahrene Schicht (t)

537209 420496 973451

1,58 1,49 1,52

Quelle: BA Koblenz, R 13 XX/109, RVK-Statistik, o. D. Im F r ü h j a h r 1943 änderten die Faschisten eigens die Jugendschutzgesetzgebung, d a m i t auch die 16- und 17-jährigen an den Sonntagspflichtschichten teilnehmen konnten. 434 Zugunsten des „Adolf-Hitler-Panzerprogramms" wurden die Werktätigen unter großem Propagandarummel zu sogenannten Panzerschichten veranlaßt; das waren unentgeltliche zusätzliche Sonntagsschichten, deren Erlös, d. h. der Arbeitslohn, dem Staat zufloß. 435 In der Steigerung der Ausbeutung auf derart extensive Weise waren auch dem faschistischen Regime bestimmte Grenzen gesetzt — Grenzen, die es allerdings hinsichtlich der ausländischen Zwangsarbeiter, besonders der sowjetischen, und hinsichtlich der KZHäftlinge in buchstäblich mörderischer Absicht mißachtete. „Bis zu einem gewissen Punkt", so schrieb Marx, „kann der von Verlängerung des Arbeitstags untrennbare größere Verschleiß der Arbeitskraft durch größeren Ersatz kompensiert werden. Über diesen P u n k t hinaus wächst der Verschleiß in geometrischer Progression und werden zugleich alle normalen Reproduktions- und Betätigungsbedingungen der Arbeitskraft zerstört." 4 3 6 Für die deutschen Werktätigen erreichte die Ausbeutung infolge der Verlängerung der Arbeitszeit, der unzureichenden Ernährung usw. allmählich jenen Punkt, an dem der Preis der Arbeitskraft nach Marx unter ihren Wert fällt, „obgleich er nominell unverändert bleibt oder selbst steigt". 437 Gegen Ende 1943 stellten die Verantwortlichen unter sich 431 BA Koblenz, R 41/229, Bericht des Präsidenten d. LAA Hessen an GBA, 1. 3. 1943. 432 Siehe Jonas, S. 388. 433 ZStA Potsdam, Fall X, Film 427, Dok. NI-4113 (F), „Sozialpolit. Information" d. RVK, Nr. 11-12/1942. 434 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 10350, Bl. 23 f., Rs. RWiM v. 20. 3. 1943 mit Erlaßentwurf betr. „Beschäftigung von 16- und 17-jährigen Jugendlichen in Bergbaubetrieben". 435 Siehe BA Koblenz, R 13 XX/46, H. 1. 436 Marx, S. 549. 437 Ebenda. Reallohnberechnungen können demnach bei extremen Ausbeutungs-, Arbeits- und Lebensbedingungen ihre Aussagekraft verlieren.

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Die Arbeitskräftesituation

fest, daß die „Leistungssteigerung" in der Rüstung „bis an die Grenze der menschlichen Leistungsfähigkeit" 4 3 8 gehe; sie habe, wie Rohland auf der Reichs- u n d Gauleitertagung am 6. Oktober eingestand, „die letzten Reserven, die in unseren Betrieben vorhanden waren, erschöpft". 4 3 9 Der herrschenden Klasse erwuchsen aus ihrer Raubbaupolitik an der Arbeitskraft der deutschen Arbeiter mannigfache Schwierigkeiten sowohl ökonomischer als, auch politischer und ideologischer Natur. ökonomische Probleme tauchten auf, soweit die zunehmende physische u n d psychische Erschöpfung den Grad der Intensität der Arbeit senkte. Die Überlänge des Arbeitstages ging auf Kosten seines „Verdichtungsgrads" 4 4 0 ; was das Kapital dort gewann, ging ihm hier verloren. In der Industrie wirkte sich das auf den Grad der Ausnutzung der Maschinerie u n d damit auf die Arbeitsproduktivität negativ aus. Der „Leiter des Kriegsleistungskampfes der deutschen Industriebetriebe", Theodor Hupfauer, 4 4 1 mußte selbst feststellen, „daß eine Verlängerung der Arbeitszeit... sich auf die Dauer als unrentabel erwiesen hat, indem die schwächeren Gefolgschaftsmitglieder schlappmachten, krank wurden, weniger und fehlerhaft produzierten und so das Endergebnis nicht das einer acht- bis neunstündigen Arbeit übertraf". 4 4 2 Die zunehmende Unzufriedenheit der Arbeiter mit ihrer Lage, die sich vorwiegend in passivem Widerstand gegen das Übermaß an Ausbeutung äußerte, machte den Faschisten politisch Sorgen. Die deutschen Werktätigen setzten sich gegen den Raubbau an Arbeitsk r a f t und Gesundheit mit verschiedenen Mitteln zur Wehr, wenn auch zumeist ohne jedes Klassenbewußtsein. Der Präsident der Reichsknappschaft machte im J u n i 1942 auf Fälle aufmerksam, „in denen sich Bergleute, namentlich jüngere, mit der in den Mannschaftslampen enthaltenen Kalilauge absichtlich Verletzungen beibrachten, die sehr langwieriger N a t u r sind und zu Krankfeierzeiten bis zu neun Monaten führen. Nach Anzeige bei der Geheimen Staatspolizei wurden im Mai d. J. elf Mann in H a f t genommen." 443 Militär- und zivile Behörden trugen sich mit Plänen, die Strafbestimmungen gegen „Machenschaften zur zeitweiligen Aufhebung der Arbeitsfähigkeit von Arbeitern in der Rüstungsindustrie" — wie Vortäuschen von Krankheiten und Selbstverstümmelungen — zu verschärfen. 4 4 4 Das Wehrwirtschaftsamt des O K W riet jedoch, es wie bisher bei einer Einweisung in ein Arbeitserziehungslager zu belassen, 445 schon weil während einer Zuchthausstrafe oder KZ-Haft der betreffende Arbeiter aus der direkten Verfügungsgewalt der Rüstungsmonopole verschwand. Kranken- und Unfallrate stiegen in bisher nicht gekannte Höhen — ein unübersehbares Resultat der Rationalisierung, der Arbeitshetze, der unzureichenden Ernährung und des 438 439 440 441 442 443 444 445

B A Koblenz, R 3/1594, Bericht d. R W K üb. d. Wirtschaftslage Ende 1943. ZStA Potsdam, FS, Film 3570, Rede Rohlands, 6. 10. 1943 (Posen). Marx, S. 432. Hupfauer, „Oberdienstleiter" in der DAF, ging später z u m N S - H a u p t a m t für Technik und zum RMfRuK über (1943) und wurde 1944 Chef des Zentralamts des RMfRuK. ZStA Potsdam, FS, Film 10707, Ausarbeitung von Carlo v. Kügelgen üb. „Das Leistungsprinzip in der deutschen Industrie", o. D. (1943/44). BA Koblenz, R 13 X X / 8 5 , Präs. Jakob an d. Leiter des Fachamts Bergbau der DAF, 23. 6. 1942. ZStA Potsdam, FS, Film 1791, AN OKW/WiAmt für O K W / W R , 16. 9. 1942. Ebenda.

Arbeits- und Lebensbedingungen deutscher Arbeitskräfte

265

Ausfalls von N a c h t r u h e d u r c h die sich m e h r e n d e n Luftalarme. 4 4 6 Der R u h r b e r g b a u verzeichnete 1942 „ d u r c h Unfall, Todesfälle usw." den Verlust von „monatlich u n g e f ä h r 1000 Mann a n deutschen Kräften". 4 4 7 Die „physische Beanspruchung d e r Bergleute, die jeden Monat praktisch zwei Sonntagsschichten f a h r e n " , beschrieb Pleiger die Situation, „ist so, d a ß sie das n i c h t noch ein halbes J a h r weiter leisten können". 4 4 8 Vor allem der K r a n k e n s t a n d stieg während des J a h r e s 1942 s p r u n g h a f t an. 4 4 9 In der Flugzeugindustrie b e t r u g er, vordem durchschnittlich bei zwei bis drei P r o z e n t im J a h r liegend, im J u n i 1942 bei L o h n e m p f ä n g e r n 10,1 u n d bei Gehaltsempfängern 6,5 P r o z e n t und stieg im S e p t e m b e r auf 13 bzw. 9 Prozent. 4 5 0 „ I n gewisser Beziehung", so räsonierte der Leiter d e r W i r t s c h a f t s g r u p p c L u f t f a h r t i n d u s t r i e , Rudolf Lahs, „ k a n n m a n den ganzen Vorgang in seiner Auswirkung m i t einer A r t von Streik m i t anderen Mitteln u n d auf anderen Wegen gleichsetzen." 451 In gewissem U m f a n g w a r die Häufigkeit der K r a n k - u n d Unfallschreibungen tatsächlich ein feines B a r o m e t e r f ü r die politische S t i m m u n g u n d H a l t u n g d e r Arbeiter. 4 5 2 Die allgemeine Richtung, in der sich die A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t in d e r deutschen Industrie während des Krieges entwickelte, ist n u r in grober A n n ä h e r u n g zu berechnen. Stellt m a n Tabelle 41 Produktion, (1939=100) Jahr

1939 1940 1941 1942 1943 1944 Jahr

Beschäftigtenzahl

in der deutschen Industrie 1939—1944

Grundstoffindustrie ProduktionsBeschäftigtenindex index

Index der ArbeitsProduktivität

100 101 118 118 125 106

100 104,1 114.6 113,5 108.7 87,6

100 97 103 104 115 121

Rüstungsproduktion Produktionsindex Rüstungsgerät

1939 1940 1941 1942 1943 1944 446 447 448 449 450 451 452

und Arbeitsproduktivität

100 176 176* 256 400 500

Beschäftigtenindex Rüstungsindustrie ' 100 201 232 257 304 ca. 310

Index der Arbeitsproduktivität

100 87,6 75,9* 99,6 131,6 mindestens 160

Siehe Jonas, S. 410 u. S. 431 (für den Mansfeld-Konzern). ZP-P, 28. 10. 1942, 17. Sitzung. ZP-P, 3. 11. 1942, 23. Sitzung. BA Koblenz, R 41/228, GBA an Milch, 30. 1. 1943. Ebenda, Lahs an Milch, 20. 11. 1943. Ebenda. Vgl. Jonas, S. 411.

266 Jahr

Die Arbeitskräftesituation Konsumgüterindustrie ProduktionsBeschäftigtenindex index („Übrige verarbeitende Industrie")

Index der Arbeitsproduktivität

1939 1940 1941 1942 1943 1944

100 95 96 86 91 86

100 82 79 71 73 65

100 115,9 133,3 121,1 124,7 132,3

Jahr

Gesamtindustrie Produktionsindex

Beschäftigtenindex

Index der Arbeitsproduktivität

100 97 99 100 112 110

100 91 95 91 97 99

100 106,6 104,2 109,9 115,5 111

1939 1940 1941 1942 1943 1944

* Unwahrscheinlicher bzw. unsicherer Wert * * Index der „für die Wehrmacht" Beschäftigten ohne Grundstoff-, Bau- und Baustoffindustrie Quelle: Produktionsindizes (P) nach Wagenführ, S. 191 (Gewichtung: Industrieproduktion insgesamt = 100; Grundstoffe = 23,5; Rüstungsgerät=31,1; Bauten=6,4; Verbrauchsgüter = 23,5); Beschäftigtenindizes (B) nach ebenda, S. 125, S. 140 ff. u. S. 159 und The Effects, S. 213, Tab. 11 P (jeweils Stand vom 31. Mai d. J.); Indizes der Arbeitsproduktivität errechnet aus —X100. B

die Indexziffern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung für die Industrieproduktion — als Ganzes und in ihren hauptsächlichen Bereichen — und die Indexziffern der entsprechenden Beschäftigtenzahlen einander gegenüber und errechnet daraus jahrweise einen Index der Arbeitsproduktivität, so ergibt sich ein buntscheckiges Bild. (Tabelle 41) Als real können folgende Tendenzen angenommen werden: 1. Die Arbeitsproduktivität in der Produktion von Rüstungsgerät stieg — nach anfänglichem Abfall infolge extensiver Produktionsausweitung — 1942, 1943 und mit Sicherheit auch 1944 bedeutend an. 2. Die Arbeitsproduktivität in der Grundstoffindustrie begann 1942 zu sinken (am stärksten im Bergbau) und fiel 1943 und besonders 1944 stark ab. 3. Die Arbeitsproduktivität in der Konsumgüterindustrie stieg nach Kriegsbeginn, verharrte dann aber auf etwa dem gleichen Niveau. 4. Die Arbeitsproduktivität in der Gesamtindustrie schwankte zwischen Zu- und Abnahme, zeigte aber gegenüber 1939 im allgemeinen eine Erhöhung; augenscheinlich wurde im Jahre 1943 — dem Jahr der größten Rüstungssteigerung — der absolut höchste Wert erreicht. Jeder Versuch, genauere Aussagen zu machen, stößt auf unüberwindliche Schwierigkeiten

Das Zwangsarbeitsregime 1943

267

{Änderung des Produktions- bzw. Rüstungssortiments, „Entfeinerung" u. a. Qualitätsminderungen, weitere Probleme der Errechnung des Produktionsindex usw.). Immerhin vertreten die meisten Autoren 4 5 3 die Ansicht, die Arbeitsproduktivität in der Industrie {Homze), wenigstens aber in der Rüstungsindustrie (Weyres), sei während des ganzen Krieges ( U S S B S ) bzw. seit 1942 (Wagenführ, Weyres) gestiegen. Die vorliegende Berechnung für die „Rüstungsendfertigung" von Wagenführ (1941—1944) 454 liegt wegen zu gering angesetzter Arbeitskräftezunahme etwas höher, die von Bassett ( U S S B S ) für die Gesamtindustrie 455 berechneten Werte liegen ebenfalls höher als in unserer Tabelle errechnet. Hinter den Zahlen verbergen sich die erschütterndsten Zustände der hemmungslosen Ausbeutung der ausländischen Zwangsarbeiter, aber auch der deutschen Werktätigen. Wenn trotz der erwähnten unterdurchschnittlichen Arbeitsproduktivität der meisten Zwangsarbeiter und trotz der Qualifikationsminderung des deutschen Beschäftigtenpotentials die Arbeitsproduktivität insgesamt und besonders in der Rüstungsproduktion •erheblich stieg, so kann daraus auf den ungeheuren, durch den faschistischen Terror potenzierten Rationalisierungsdruck geschlossen werden, dem die Masse der deutschen Werktätigen so gut wie ohne Möglichkeit einer Gegenwehr ausgesetzt war, und auf die zusätzliche Brutalität des faschistischen Antreibersystems gegen die ausländischen Zwangsarbeiten

4. Das Zwangsarbeitsregime 1 9 4 3 4 5 6 Im Laufe des Jahres 1943 begannen sich die Arbeits- und Lebensbedingungen der ausländischen Arbeitskräfte auf jenen Standard gewissermaßen einzuspielen, den die deutschen Imperialisten den Zwangsarbeitern auf die Dauer zudachten. Die Rüstungsindustrie 453 Wagenführ, S. 125; Weyres-v. Levetzow, S. 45ff., S. 202f.; Homze, S. 260ff. (führt Berechnungen des USSBS, Overall Economic Effects Division, an); dagegen ist Petzina der Auffassung, „daß die Produktivität in der Rüstungswirtschaft 1942 vermutlich stark absank" (Petzina, Die Mobilisierung deutscher Arbeitskräfte vor und während des Zweiten Weltkrieges, S. 453). 454 Wagenführ, S. 125; s. a. DZW, Bd. 4, S. 357, wo die Rede ungenau von „Kriegsproduktion" ist. 455 Siehe Homze, S. 261. 456 Eine ausführliche Analyse der faschistischen Zwangsarbeitspolitik und der Existenzbedingungen der Zwangsarbeiter kann hier nicht gegeben werden. Es sei auf die Einzeldarstellungen von Seeber; Drobisch (Drobisch, Klaus, Die Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte im FlickKonzern während des zweiten Weltkrieges, Phil. Diss. Berlin 1964 (im folgenden: Ausbeutung) ; Schmelzer (Schmelzer, Janis, Das hitlerfaschistische Zwangsarbeitssystem und der antifaschistische Widerstandskampf der ausländischen Kriegsgefangenen und Deportierten (1939—1945), dargestellt unter besonderer Beachtung der IG-Farben-Betriebe im Bereich Halle — Merseburg, Phil. Diss. Halle 1963); Streit; Dörr [Dörr, Hubert, Zum Vorgehen der faschistischen Betriebsführung des ehemaligen Lauchhammerwerkes Gröditz im FlickKonzern gegenüber Arbeitern und anderen Werktätigen sowie zwangsverschleppten ausländischen Arbeitskräften, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen während des zweiten Weltkrieges, Phil. Diss. PH Dresden 1978, u. a. verwiesen. Grundlegendes zur Analyse in Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6 u. Bd. 16; Band I, S. 88 ff.; wertvolles Material ferner bei Jonas ; Kämpfendes Leuna u. a. betriebsgeschichtlichen Arbeiten. Siehe ferner von bürgerlicher Seite Homze u. Pfahlmann.

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Die Arbeitskräftesituation

w a r auf die Massenbeschäftigung von ausländischen Arbeitern fest eingerichtet. I m m e r n o c h v e r s c h a f f t e n ihr die drei großen faschistischen Beschaffungszentralen (GBA, O K W , W V H A ) „ N a c h s c h u b " an Zwangsarbeitern. Die mächtigsten Konzerne h a t t e n überdies n a c h wie vor eigene „Werbebüros" u n d Agenten in den meisten besetzten L ä n d e r n , besonders in Westeuropa. Den Kern u n d die zahlenmäßig größte G r u p p e der Zwangsa r b e i t e r bildeten die verschleppten sowjetischen Bürger. Eingespielt h a t t e sich auch der riesige staatsmonopolistische Mechanismus m i t s a m t seinem institutionellen I n s t r u m e n t a r i u m u n d juristischen Regelwerk, der f ü r die U n t e r d r ü c k u n g , Diskriminierung u n d Manipulierung d e r Zwangsarbeiter geschaffen u n d in Gang gesetzt worden war. Die herrschenden Kreise, voran d a s Monopolkapital, waren bestrebt, bei n o t d ü r f t i g s t e r Unterbringung, E n t l o h n u n g und Verpflegung das Letzte an Arbeitsleistung a u s ihnen herauszuholen. D a b e i differenzierten sie nicht unwesentlich zwischen den einzeln e n Arbeiterkategorien u n d Nationalitäten. In engster Z u s a m m e n a r b e i t m i t den Rüstungsbetrieben u n d -konzernen sorgten zugleich W e h r m a c h t , Polizei u n d SS f ü r die äußerste B e s c h r ä n k u n g jeglicher persönlichen Freiheiten, insbesondere f ü r die U n t e r d r ü c k u n g politischer Betätigung, u n d f ü r die unverzügliche Anwendung repressiven Terrors bei den geringsten Anzeichen von Widersetzlichkeit u n d W i d e r s t a n d . Die P r o p a g a n d a m a s c h i n e des Nazireiches t a t überdies ihr Möglichstes, u m die deutschen W e r k t ä t i g e n gegen die „minderrassigen" ausländischen Arbeiter aufzuhetzen u n d die Zwangsarbeiter m i t t e l s Antikominunismus, Rassismus u n d Chauvinismus gegeneinander auszuspielen.

a) Ausbeutung und Terror N o c h bis weit in d a s J a h r 1943 hegten die herrschenden Kreise Illusionen ü b e r den Zus t r o m ausländischer Arbeitskräfte. D a s bestärkte sie in ihrer Rücksichtslosigkeit gegen Gesundheit u n d Leben der Zwangsarbeiter. In die von den Konzernen errichteten Barackenlager, meist ohne jede E i n r i c h t u n g außer Bettstellen m i t Strohsäcken, k a u m heizbar u n d ohne zureichende A u s s t a t t u n g m i t den notwendigsten sanitären Anlagen, w u r d e d a s Mehrfache der zulässigen Belegungszahl hineingepfercht. S c h m u t z u n d Ungeziefer herrscht e n bald. Die Insassen waren der schrankenlosen Willkür der Lagerleitung u n d der W a c h m a n n s c h a f t e n , meistens Betriebsangehörige u n d „ b e w ä h r t e " Faschisten, ausgeliefert, die ein Kasernenhofregime m i t brutalen Strafen als Abschreckungsmittel, m i t Spitzeln usw. errichteten. „So wird z. B. d a s Bild d e r Trostlosigkeit u n d Verelendung in dem Lager des B o c h u m e r Vereins nie ausgelöscht werden k ö n n e n " , k o n s t a t i e r t e sogar eine Untersuchungskommission faschistischer Behörden. 4 5 7 Mit der speziellen politischen Überwachung b e f a ß t e sich der sogenannte A b w e h r b e a u f t r a g t e der Gestapo, in der Regel ein leitender Angestellter des Betriebes. Kleiderkarten g a b es f ü r die Zwangsarbeiter n i c h t . Die nach Deutschland m i t g e b r a c h t e Kleidung m u ß t e T a g u n d N a c h t getragen werden, bis sie buchstäblich zerfiel. K a u m wurd e n Seife oder W a s c h p u l v e r zur Reinigung der Sachen zugeteilt. Soweit unumgänglich, gaben die Faschisten gebrauchte Bekleidung aus Textilien- u n d L u m p e n s a m m l u n g e n aus. Unterwäsche, Bettwäsche, Lederschuhe und w a r m e Winterkleidung waren f ü r Zwangs457 Fall 5, S. 200, Dok. NI-3013, Bericht einer Kommission aus d. RMfbO u. d. WiStab Ost über d. Überprüfung von Ostarbeiterlagern im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, 24. 11. bis 5. 12. 1942.

Das Zwangsarbeitsregime 1943

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arbeiter nicht vorgesehen. I m W i n t e r 1942/43 wurden unter der Leitung von Hans Kehrl (Reichswirtschaftsministerium) durch die Reichsstelle für Textilwaren, die Wirtschaftsgruppe Bekleidungsindustrie und die Gemeinschaft Schuhe „besondere Bekleidungstypen für Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen entwickelt". 4 5 8 Die Fußbekleidung beispielsweise, die in diesem „Sonderprogramm A " produziert wurde, bestand hauptsächlich aus „Vollholzschuhen". Während die Entlohnung angesichts der Rationierung und des minimalen Angebots an nichtrationierten Lebensmitteln und Konsumgütern selbst für die bessergestellten Zwangsarbeiter aus den im Westen und Norden besetzten Ländern einen fragwürdigen W e r t besaß, spielte die Ernährung, d. h. die Lebensmittelzuteilung eine ungleich bedeutendere, lebenswichtige Rolle und mußte wesentliche Auswirkungen auf ihre Produktivität haben. Das faschistische System der Lebensmittelrationen für Zwangsarbeiter war noch komplizierter, noch weit stärker abgestuft als das Lohnsystem. Hier aber h a t t e diese Differenzierung unmittelbar zur Folge, daß die große Masse der ausländischen Arbeitskräfte chronisch unter schwerem Hunger litt. Die Differenzierung in den Rationen von Schwerst-, Schwerarbeitern und sogenannten Normalverbrauchern wurde ergänzt durch die Unterschiede zwischen den Zuteilungen an nichtsowjetische ausländische Zivilarbeiter, die nach Q u a n t i t ä t den Rationen für Deutsche gleichkamen, an nichtsowjetische Kriegsgefangene und an sowjetische Kriegsgefangene und „Ostarbeiter". Tabelle 42 Lebensmittelrationen für Zwangsarbeiter (Rationen der ersten Gruppe=100)

Nichtsowjetische ausländische Zivilarbeiter Nichtsowjetische Kriegsgefangene Sowjetische Kriegsgefangene und „Ostarbeiter" Quelle: Nach Jonas,

(Schwerarbeiter)

Anfang

1944

Brot und Mehl

Fleisch

Fett

Zucker und Marmelade

Nährmittel

Hülsenfrüchte

Käse und Quark

Eier

100

100

100

100

100

100

100

100

90

79

92

88

48

-

100

92

66

66

27

48

S. 457.

Auf einer Direktorensitzung des Mansfeld-Konzerns wurde festgestellt, daß von Mitte November 1942 bis Mitte Mai 1943 den Ausländerlagern „ j e Vollverpflegten" 70 kg K a r toffeln zugeteilt werden sollten, aber nur m i t 40 kg tatsächlich gerechnet werden könne, während der Durchschnittsverbrauch für diese Zeit bei täglich 1 kg m i t 180 kg anzusetzen sei. „Besondere Besorgnis erregt die Anweisung der D A F , daß Ostarbeiter und Kriegsgefangene für die Zeit vom 15. 11. 1942 bis 15. 5. 1943 nur m i t weißen Steckrüben versorgt 458 ZStA Potsdam, FS, Film 1737, RErl. RWiM, 18. 12. 1943.

Die Arbeitskräftesituation

270

werden d ü r f e n , soweit anderes Gemüse n i c h t im Überfluß v o r h a n d e n ist. Das b e d e u t e t , d a ß ab Mitte Dezember die Verpflegung d e r aus d e m Sowjetgebiet s t a m m e n d e n Arbeitsk r ä f t e lediglich m i t weißen S t e c k r ü b e n erfolgen k a n n . " 4 5 9 E r s c h ü t t e r n d ist der Bericht einer Zeche des Flick-Konzerns ü b e r die Gewichtsabnahme bei ihren 300 italienischen u n d 500 sowjetischen Kriegsgefangenen: „Die E n d e Oktober eingesetzten militärinternierten Italiener wiesen eine G e w i c h t s a b n a h m e auf a m 26. I i . 1943 von 2. 1. 1944 von 2. 2. 1944 von 27. 2. 1944 von insgesamt von

1,194 kg 1,500 kg 1,300 kg 0,416 kg 4,410 kg.

Bei den E n d e 1942 eingesetzten russischen Kriegsgefangenen erzielten wir bis z u m 3. Okt o b e r 1943 in a c h t Monaten eine Gewichtszunahme von 7,960 kg oder m o n a t l i c h von rd. 1 kg, w ä h r e n d n u r in zwei Monaten dieser Zeit eine G e w i c h t s a b n a h m e von monatlich 1,050 kg oder insgesamt von 2,100 kg festgestellt wurde, so d a ß noch eine Gewichtszun a h m e von 5,860 kg verbleibt. N a c h dieser Zeit wurde fortgesetzt eine G e w i c h t s a b n a h m e festgestellt, u n d zwar a m 31. 10. 1943 von 20. 11. 1943 von 2. 1. 1944 von 2. 2. 1944 von 27. 2.1944 von insgesamt von

1,400 0,700 1,100 1,100 0,329 4,629

kg kg kg kg kg kg,

so d a ß diese Russen bis auf 1,231 kg d a s Anfangsgewicht wieder erreicht haben, das sie in d e m völlig h e r u n t e r g e k o m m e n e n Z u s t a n d e aufwiesen, in d e m sie d a m a l s (aus den Lagern der W e h r m a c h t — D. E.) bei u n s eintrafen." 460 K ä m e es n i c h t zu einer besseren E r n ä h r u n g der Kriegsgefangenen, so müsse, wie es in dem Bericht hieß, „ m i t einer s t a r k e n Z u n a h m e d e r E r k r a n k u n g e n sowie m i t einem erheblichen Nachlassen der Leistung" gerechnet werden. 4 6 1 Von der D A F A n f a n g 1943 herausgegebene Verpflegungsrichtlinien f ü r „ O s t a r b e i t e r " enthüllten m i t ihren „Anregungen bezüglich der arteigenen K o s t " 4 6 2 unfreiwillig das barbarische Hungerregime in den Zwangsarbeiterlagern u n d in den Rüstungsbetrieben. Sie enthielten ausführliche Hinweise f ü r die Verarbeitung von Gemüseabfällen, Kohlr ü b e n u n d W a s s e r r ü b e n (Runkeln) zu „Schtschi", „Borschtsch" usw. Knochen, wenn v o r h a n d e n , sollten drei- bis viermal je drei S t u n d e n lang ausgekocht werden; sie stellten in der Regel die einzige Beigabe zu den Wassersuppen d a r . In d e m Bericht eines in „Ostarbeiter"lager geschickten V e r t r a u e n s m a n n e s der Faschisten vom S o m m e r 1943 hieß es, wegen der U n t e r e r n ä h r u n g zeige sich „bei F r a u e n seit ü b e r a n d e r t h a l b J a h r e n keine Mensis m e h r ... Eine allgemeine Erscheinung ist die Schwächung der Blasenmuskeln als Folge von Vitaminmangel u n d W a s s e r s u p p e n . " 4 6 3 E s grassierten Ek459 460 461 462

Jonas, S. 462 f. Fall 5, S. 207f., Dok. NI-3420, Bericht der Zeche „Monopol" an W. Tengelmann, 9. 3. 1944. Ebenda (S. 208). ZStA Potsdam, FS, Film 10710, Anschreiben (Rs.) d. GBA v. 16. 1. 1943 zur Anweisung der DAF/Amt f. Arbeitseinsatz über „Die Verpflegung der Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen", o. D.; nach dieser auch das Folgende. 463 ZStA Potsdam, FS, Film 10975, Bericht eines weißgardistischen Vertrauensmannes der

Das Zwangsarbeitsregime 1943

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zeme und Furunkulosen, zumal da nirgends Seife ausgegeben wurde. Mangels Nahrung und besonders mangels verdaulicher Kalisalze und Phosphorverbindungen im Essen befinde sich „der größte Teil der Ostarbeiter a m Rande einer Nervenerkrankung, einer Zerrüttung des gesamten Nervensystems. Die größte Geißel der Lager aber bildet die Tuberkulose, die sich auch unter den Minderjährigen sehr stark ausbreitet." 4 6 4 Diebstahl und Korruption blühten unter den deutschen „Betreuern". In der Regel blieb es unentdeckt bzw. unbestraft, wenn Lagerführer und Küchenverwaltungen — oft mit Duldung und Billigung der Leitung des betreffenden Betriebes — Zehntausende von Reichsmark und enorme Mengen an Lebensmitteln „herauswirtschafteten", d. h. die Zwangsarbeiter darum betrogen. 4 6 5 „Wie ist sonst ein täglicher Abgang durch Tod, Abtransport total abgemagerter Todeskandidaten, die bereits Monate eingesetzt sind, zu erklären?", mußte die Bezirksgruppe Ruhr der Wirtschaftsgruppe Bergbau in einem Rundschreiben vom 29. J a n u a r 1943 4 6 6 , das sich mit solchen Verhältnissen beschäftigte, ihre Mitgliederwerke fragen. Das persönliche Wohlleben breiterer Kreise der Nazibürokratie und der Konzernverwaltungen, selbst hochgestellter Beamter, beruhte teilweise auf derartigem unmittelbaren Betrug an den Zwangsarbeitern. In eine dieser Affären war der Reichskommissar für Altmaterialerfassung und Bereichsleiter der N S D A P , Hans Heck, ferner sein Stellvertreter und mehrere andere B e a m t e und Parteigrößen verwickelt. Ein gewisser Rudolf Bulauka, Gaubeauftragter für Altmaterialerfassung in Hannover, belieferte sie von 1942 bis Ende 1943 mit kostenlosen Lebensmittelpaketen. Es wurde, auch nachdem der Korruptionsring aufgeflogen war, nur unter der Hand bekannt, „daß die Lebensmittel aus Zuteilungen herrührten, die für die Ausländer in dem dem Gaubeauftragten Bulauka unterstehenden Gemeinschaftslager Altmaterial in Hannover bestimmt waren". 4 6 7 Im Betrieb war die Zwangsarbeit durch Antreiberei und nackte Gewalt gekennzeichnet. Schon wegen Geringfügigkeiten wurden als Strafe Essensentzug, „Bußen" in Höhe von Tageslöhnen und Arrest verhängt, der beispielsweise in den Krupp-Werken in speziellen Haftzellen (Stehbunkern) unter grausamen Bedingungen vollstreckt wurde. Zur betrieblichen „ J u s t i z " gehörten weiterhin die Einweisung in Strafkolonnen und in „Arbeitserziehungslager". Die Leitung der Eisenwerk-Gesellschaft Maximilianshütte, des Hauptbetriebes des Flick-Konzerns, fragte Anfang 1943 bei den Werksabteilungen ungehalten an, warum sie so „außergewöhnlich wenig Anträge auf Erteilung von Verwarnungen, Verhängung von Bußen oder Anzeige bei den Staatspolizeileitstellen" stellten, und verlangte: „Die gegebenen Möglichkeiten, die Leistungen der Ausländer zu steigern und pflichtwidriges Fernbleiben vom Arbeitsplatz, pflichtwidrige Arbeitsverweigerung und

464 465

466 467

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Faschisten (OKII/GenStb (Abt. Fremde Heere Ost?)) u. d. T. „Ostarbeiter — entscheidender Faktor des Endsieges", o. D. (Sommer 1943). Ebenda. Vgl. üb. d. Flick-Konzern Drobisch, Ausbeutung, S. 123ff.; Dörr, S. 160ff. — Im Ruhrgebiet verpachteten die Rüstungsunternehmen verschiedentlich die Küchenbetriebe der Zwangsarbeiterlager, „was zu höchst ungesundem Kriegsgewinn führt". {Fall 5, S. 199, Dok. NI3013 (wie Anm. 457)). Bleyer/Drobisch, S. 63, Rs. d. Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau Ruhr der Wigru Bergbau v. 29. 1. 1943. ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8569, Bl. 14 u. Bl. 14 R, AN RWiM, 14. 2. 1945. - Das Oberste Parteigericht der NSDAP breitete den Mantel des Schweigens über die Angelegenheit und beließ es bei „Verwarnungen" und lächerlichen Geldstrafen für die Schuldigen. Eichholtz II

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Die Arbeitskräftesituation

pflichtwidriges Zurückhalten von der Arbeit auszuschließen, müssen unter allen Umständen voll und ganz ausgeschöpft werden." 468 Die barbarische Prügelpraxis, die allerorts herrschte, wurde von Autoritäten der faschistischen Führung wie Göring, Keitel, Speer und Milch immer wieder sanktioniert. Generalfeldmarschall Milch formulierte unmittelbar nach dem Abfall Italiens das Recht, die bisherigen Verbündeten zu prügeln, sogar als Befehl: „Ich habe den Befehl gegeben, daß sie geschlagen werden dürfen, wenn sie nicht arbeiten." 469 An der Ruhr waren die Leiter der Montankonzerne der Auffassung, „daß Prügel im Bergbau zwangsläufig dazugehören". 470 Ein Direktor des Fieseler-Flugzeugkonzerns rühmte sich vor einem Gremium von Luftfahrtindustriellen zynisch, die „Besserung" von „widerspenstigen Holländern" erreicht zu haben „nach einem kürzeren oder längeren Aufenthalt in einem abgeschlossenen Raum mit einigen handfesten deutschen Gefolgschaftsmitgliedern zusammen". 471 Am verheerendsten -wirkte sich auch in dieser Beziehung die Naziideologie vom „Untermenschen" mit dem „Ost"-Abzeichen, vom aus dem Osten „importierten Sumpfmenschen" 472 auf die Lage der sowjetischen Zwangsarbeiter aus. „So werden z. B. Frauen mit benagelten Brettern ins Gesicht geschlagen. Schwangere Frauen werden in den Magen mit Füßen getreten. Männer und Frauen werden wegen des leichtesten Vergehens nach Abnahme der Oberbekleidung im Winter in betonierte kalte Kerker eingesperrt und ohne Essen gelassen. Aus ,hygienischen' Rücksichten werden Ostarbeiter im Winter auf dem Hof des Lagers 473 aus Schläuchen mit kaltem Wasser begossen. Hungrige Ostarbeiter werden wegen einiger gestohlener Kartoffeln vor den versammelten Lagerinsassen auf die unmenschlichste Art und Weise hingerichtet." Im Lager Wildau der Maschinenfabrik Schwartzkopff fanden „systematische Verprügelungen" statt, „die bis zur vollständigen Arbeitsunfähigkeit der Verprügelten führten". Ein Verbrechen von besonderer Abscheulichkeit wurde aus der Spandauer Stahlindustrie GmbH (Flick-Konzern) gemeldet: „Das Kind Serbin, 13—14 Jahre, wurde regelmäßig im Werk verprügelt, was eine innere Verblutung zur Folge hatte." Die BMW-Stamm werke in München forderten bei Arbeitszurückhaltung exemplarische Erschießungen „vor versammelter Mannschaft". 474 Mit Polizei und Gestapo arbeiteten die Konzernherren auf engste zusammen. Sobald das betriebliche Terrorsystem nicht mehr ausreichte, dem Widerstand der Zwangsarbeiter gegen ihre Ausbeuter zu begegnen, lieferten die Werk- und Konzernleitungen sie den staatlichen Terrororganen aus. Vielfach verlangten sie ihre unmittelbare Einweisung in ein Konzentrationslager. „Liegen Verfehlungen vor", so wies die RVE im Oktober 1943 ihre Werke ausdrücklich an, „so müssen sie sofort konsequent verfolgt und streng geahndet werden, notfalls bis zum Konzentrationslager. Die Betriebe müssen schwere und wiederholte Verfehlungen der Ausländer, insbesondere ihr Verschwinden, stets unverzüglich der 468 Fall 5, S. 194, Dok. NI-3150, Rs. an Betriebsabteilungen v. 26. 1. 1943. 469 ZStA Potsdam, Fall X I I , Nr. 111, Bl. 116, Dok. NOKW-180, Prot. d. Besprechg. Görings mit Luftwaffengeneralen und Vertretern der Flugzeugindustrie in den Messerschmitt-Werken (Regensburg) am 2. 11. 1943. 470 Fall5, S. 199, Dok. NI-3013 (wie Anm. 457); s. a. ebenda, S. 200ff. (Beispiele aus demHoeschKonzern, den Vereinigten Stahlwerken und dem Flick-Konzern). 471 ZStA Potsdam, FS, Film 4184, Vortrag v. Dir. Freyer im Junkers-Motorenwerk KasselBettenhausen am 22. 6. 1943. 472 Zit. ebenda, Film 10975 (wie Anm. 463). Hiernach auch das Folgende. 473 Gemeint war hier das Lager der Auer-Gesellschaft, Oranienburg (Degussa-Konzern). 474 Streit, S. 259.

Das Zwangsarbeitsregime 1943

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Gestapo melden. Die Reichsvereinigung E b e n h a t die Gestapo (Sicherheitshauptami) u n d das Reichsarbeitsministerium (Reichstreuhänder der Arbeit) gebeten, in solchen Fällen schnelle Verfolgung u n d strenge B e s t r a f u n g folgen zu lassen, was auch im R a h m e n der gegebenen Möglichkeiten zugesagt worden ist." 4 7 5 Die Masse der Zwangsarbeiter h a t t e minderqualifizierte, schwere Arbeiten zu verrichten. Die deutschen Imperialisten waren eingestandenermaßen darauf aus, den deutschen Arbeitern, deren Leistungskraft infolge der Arbeitshetze, der Länge der Arbeitszeit, der zunehmenden nächtlichen L u f t a l a r m e u n d der n i c h t ausreichenden E r n ä h r u n g ständig nachließ, f ü r die schweren, gefährlichen u n d schmutzigen Arbeiten ausländische Zwangsarbeiter als „Hilfsarbeiter" zu unterstellen. E n d e 1943 arbeiteten im Mansfelder Kupferschieferbergbau 77 P r o z e n t der ausländischen A r b e i t s k r ä f t e u n t e r Tage. N u r die f ü r den U n t e r t a g e b e t r i e b „untauglichen" Zwangsarbeiter wurden ü b e r Tage eingesetzt. Von der insgesamt u n t e r Tage arbeitenden Belegschaft waren 26,4 P r o z e n t ausländische Arbeitsk r ä f t e , von den Ü b e r t a g e a r b e i t e r n n u r 13,9 Prozent. U n t e r Tage waren die ausländischen Arbeiter in erster Linie als Trecker u n d Förderleute auf den Flügeln eingesetzt. In diesen Kategorien stellten sie 85 bzw. 52 P r o z e n t aller Arbeiter, dagegen n u r 12 Prozent der Arbeiter vor S t r e b u n d 6 Prozent derjenigen auf den Hauptförderstrecken. 4 7 6 W a s die sowjetischen Zwangsarbeiter betraf, so w a r es behördlicherseits sogar vorgeschrieben, sie n u r zu schwerer u n d schwerster Arbeit zu verwenden. 4 7 7 Eine diesbezügliche N a c h p r ü f u n g d e r Ludwigshafener Betriebe des I G - F a r b e n - K o n z e r n s ergab, „daß 85 P r o zent als Schwer- und Schwerstarbeiter u n d als Wechselschichtarbeiter beschäftigt, der Rest entweder auf G r u n d entsprechend v o r h a n d e n e r Vorbildung zu Spezialarbeiten h e r a n gezogen oder bei besonders lästigen Säure- u n d S c h m u t z b e t r i e b e n eingesetzt sind". 4 7 8 F ü r solche schweren u n d gesundheitsschädlichen Arbeiten, die f ü r deutsche Frauen u n d Jugendliche gesetzlich verboten waren, setzten die Betriebe ohne Skrupel auch weibliche Zwangsarbeiter, besonders sowjetische u n d polnische F r a u e n , ein. In der Maschinenbauindustrie arbeiteten in der Spät- u n d Nachtschicht vorwiegend sowjetische Arbeiterinnen; den deutschen F r a u e n w a r die erste Schicht vorbehalten. Die schwerste körperliche A r b e i t w u r d e auch d o r t den sowjetischen Arbeitern u n d Arbeiterinnen a u f g e b ü r d e t . „So w u r d e bei Boehringer die schwere Arbeit des Materialabsägens u n d des Zentrierens ehedem von 4 Männern verrichtet, h e u t e von 4 Russinnen, wobei diese täglich je Kopf bis zu 3 Tonnen Material umwälzen." 4 7 9 Deutsche Arbeiter, die in den Kriegsjahren m i t sowjetischen Zwangsarbeitern z u s a m m e n a r b e i t e t e n , berichteten s p ä t e r ü b e r e i n s t i m m e n d , „daß v o r allem bei den F r a u e n schon nach kurzer Zeit das jugendliche Alter auf G r u n d der u n menschlichen Arbeits- u n d Lebensbedingungen n i c h t m e h r e r k e n n b a r gewesen wäre". 4 8 0 Eines der düstersten K a p i t e l w a r die Zwangsarbeit von K i n d e r n u n d Jugendlichen. Obwohl noch k a u m erforscht, existieren ü b e r dieses besonders barbarische Verbrechen des deutschen Imperialismus D o k u m e n t e wie die Diagnose eines Lagerarztes vom August 1943 ü b e r ein zehnjähriges polnisches Kind, das sich in einem Betrieb des m i t der D e u t 475 Fall 5, S. 195f., Dok. NI-3178, Rs. d. Vorsitzers der RVK v. 4. 10. 1943. 476 Jonas, S. 450 u. S. 406. 477 Weibliche „Ostarbeiter" waren in jedem Fall mit Männerarbeit zu beschäftigen (ZStA Potsdam, Fall VI, Film 420, Dok. NI-2829, Direktionssitzung Höchst, 22. 2. 1943). 478 Ebenda, Dok. NI-6315, Direktionssitzung Ludwigshafen, 19. 4. 1943. 479 Ebenda, FS, Film 4742, „Einsatz von Ostarbeitern in der deutschen Maschinenindustrie" (gedr. vertraul. Publikation, hrsg. v. HA Maschinen beim RMfBuM), Mai 1943. 480 Dörr, S. 104. 19*

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sehen Bank eng verbundenen Glanzstoff-Konzerns zu Tode arbeiten mußte: „Das Kind Agathe Nowacke, Kontr.-Nr. 832, beschäftigt in der Konerei, . . . leidet . . . an Körperschwäche und Unterernährung und ist künftig nicht mehr arbeitseinsatzfähig." Laut Eintragung in das Krankenbuch bedeutete „ein weiterer Einsatz dieser Zehnjährigen Kindermord". 4 8 1 In der Firma Carl Flohr AG herrschten ähnliche Zustände, die nur als vorsätzliche Ermordung von sowjetischen und polnischen Kindern bezeichnet werden können: „Äußerst schwierige Ernährungsverhältnisse, bei denen eine Anzahl Kinder unter 14 Jahren zehn und mehr Stunden täglich für einen wöchentlichen Lohn von 2.— RM schwerste Arbeit leisten müssen." 4 8 2 Nach dem gleichen Augenzeugenbericht wurden verschiedenenorts „Kinder von 4—15 Jahren als Arbeiter verwendet". 4 8 3 Im Herbst und Winter 1943, als Hunderttausende von der Wehrmacht auf ihren Rückzügen zwangsevakuierte Sowjetbürger nach Deutschland verschleppt wurden, beschwerten sich die Rüstungskonzerne beim Rüstungsministcr, daß „ein hoher Prozentsatz" der ihnen auf solche Weise verschafften Zwangsarbeiter „wegen Altersschwäche, Minderjährigkeit oder Krankheit nicht einsatzfähig waren. So bestand ein den Mannesmann-Röhren werken in Düsseldorf zugeführter Ostarbeitertransport zu 29 Prozent aus Kindern unter 14 Jahren, außerdem befanden sich unter diesem Transport Blinde, Altersschwache, Kranke und Verwundete, die nicht einsatzfähig waren. Ein der August-Thyssen-Hütte zugewiesener Transport enthielt von 509 Ostarbeitern 161 Kinder im Alter von 1 Monat bis zu 14 Jahren, 49 nicht einsatzfähige Männer und 69 nicht einsatzfähige Frauen." 4 8 4 Arbeitszeit und Urlaub unterlagen ebenso wie alle anderen Ausbeutungsbedingungen dem allgemeinen Gesetz des Kapitals, wonach es „rücksichtslos gegen Gesundheit und Lebensdauer des Arbeiters (ist), wo es nicht durch die Gesellschaft zur Rücksicht gezwungen wird". 4 8 5 Rechtlich war vorgesorgt, daß „für Ausländer einschließlich der Frauen keine Arbeitszeitbeschränkung besteht". 4 8 6 Die Konzerne kehrten sich daher nicht im mindesten um die behördlich vorgegebenen (Mindest-)Richtwerte von 56 bis 60 Stunden; es wurden überwiegend 72 Stunden je Woche gearbeitet, einschließlich der meist obligatorischen Sonntagsschichten also 84 Stunden. 4 8 7 Als Mitte 1943 die Frage akut wurde, wie mit den „Ostarbeitern" zu verfahren sei, denen man ursprünglich nach zwei Jahren Arbeit in Deutschland eine Urlaubsfahrt nach Hause versprochen hatte, lehnten die Monopolgewaltigen und Chefs der Rüstungsproduktion einen solchen Urlaub von vornherein kategorisch ab und äußerten „schwerste Bedenken" dagegen, „weil damit die einzige noch feste Säule des Arbeitseinsatzgebäudes eingeschlagen werde". 4 8 8 F ü r polnische Zwangsarbeiter war bereits am 31. März 1941 eine Anordnung ergangen, nach der alle ihre Urlaubsansprüche „vorläufig" ruhten. 489 Im Sommer 1943, als Franzosen, 4 8 1 Anatomie des Krieges, S . 432, D o k . 235, A N aus d. Kunstseidenwerk E l s t e r b e r g der Vereinigte G l a n z s t o f f - F a b r i k e n A G , 31. 8. 1943. 482 Wie A n m . 463. 483 E b e n d a . 484 B A K o b l e n z , R 3/1597, R M f R u K a n G B A , 25. 1. 1944. 485 Marx, S . 285. 486 V o r t r a g auf d. T a g u n g der Arbeitseinsatz-Ingenieure des K r u p p - K o n z e r n s a m 12. 1. 1944 (Dok. N I K - 1 0 2 1 3 ) , zit. b . Drobisch, Ausbeutung, S . 107. 487 E b e n d a , S . 106 ff. 4 8 8 Bleyer/Drobisch, S . 70, D o k . 32, A N v . Heinrich K ü p p e n b e n d e r (Carl Zeiss J e n a ) , 30. 7. 1943. 4 8 9 Seeber, S . 186.

Das Zwangsarbeitsregime 1943

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Belgier und Holländer in zunehmender Zahl ihren Urlaub zur Flucht benutzten und nicht mehr nach Deutschland zurückkehrten, führten die Chefs der Rüstungsorganisation des Munitionsministeriums darüber beim GBA Beschwerde und drangen auf Abhilfe. In Gegenwart des Ministers forderten die Leiter der Hauptausschüsse am 30. J u l i 1943 von Sauckel „eindeutig ..., daß dem Betriebsführer das Recht zuerkannt werden müsse, den gesetzlich vorgesehenen Urlaub zu sperren, wenn die Gefahr bestehe, daß die Arbeitskräfte nicht mehr zurückkehren". 490 Der GBA beruhigte sie mit dem Hinweis, es werde eine entsprechende Anordnung fertiggestellt. Doch die Hauptausschußleiter ließen nicht locker, sondern richteten „ausdrücklich an Sauckel noch einmal die Frage ..., ob damit auch dem Betriebsführer das Recht gegeben sei, sich über den Vertrag mit den französischen Arbeitskräften, die sich auf die Betriebsordnung stützen, hinwegzusetzen. Sauckel erklärte eindeutig, daß dies in der Urlaubsfrage auf Grund seiner neuen Entscheidung ohne weiteres möglich sei." 4 9 1 Die Anordnung des GBA wurde denn auch den Anforderungen der Rüstungsgewaltigen bis ins einzelne gerecht. Sie lief laut Verfügung des Rüstungsministers vom 20. September 1943 darauf hinaus, daß die Rüstungsbetriebe bei den Reichstreuhändern der Arbeit „die Verhängung einer grundsätzlichen Urlaubssperre für ausländische Arbeiter beantragen" konnten. 492

b) „Sorgfältige Bewirtschaftung und Erhaltung der menschlichen Arbeitskraft" Ausgangs des Herbstes 1942, als die Zwangsarbeitertransporte aus den besetzten Gebieten der U d S S R einschneidend zurückgingen, begannen die Erörterungen und Auseinandersetzungen innerhalb der herrschenden Kreise über die Zwangsarbeitspolitik an Umfang und an Schärfe zuzunehmen. Staatliche Behörden, besonders der GBA, drangen auf einen „pfleglicheren" Umgang mit der Arbeitskraft der nicht mehr, wie früher angenommen, unbegrenzt zur Verfügung stehenden Zwangsarbeiter. Auch das Wehrwirtschaftsamt des OKW bekannte sich zu „Fehlern": „Die Behandlung der Russen (Kriegsgefangene und Zivilarbeiter) ... hat sich als ein schwerer Fehler erwiesen." 4 9 3 Wesentliche Elemente der Auseinandersetzung wurden in einem Streit zwischen Himmler und Gauleiter August Eigruber sichtbar. Eigruber hatte sich am 25. November 1942 in einer Rede in Linz vor der gesamten Prominenz des Gaues Oberdonau für „entschieden mehr Freiheit" für die ausländischen Zwangsarbeiter ausgesprochen. „Man könne eben", so kolportierten Himmlers Chargen seine Rede, „den ausländischen Arbeitseinsatz nicht nur von der polizeilichen und rassischen Seite behandeln, sondern eher von der betreuenden und erzieherischen." 494 Himmler wandte sich beschwerdeführend an Bormann: „Es nimmt mir kein einziger Gauleiter die Verantwortung für die Gefahr ab, daß uns aus den 5 Millionen fremdländischer Arbeiter im Reich, die wir ohne Zweifel zur Arbeit dringend notBleyer/Drobisch, S. 69 (wie Anm. 488). Ebenda, S. 6 9 f . Zit. b. Seeber, S. 186, Anm. 181. ZStA Potsdam, FS, Film 8651, „Erfahrungsbericht über die Entwicklung auf dem Gebiet der Personalbewirtschaftung in der Zeit vom Winterbeginn 1942/43 bis zum Winterbeginn 1942/43" (WiAmt), Januar 1943. 494 BA Koblenz, NS 6/160, AN Chef Sipo u. SD für Himmler, 31. 12. 1943. 490 491 492 493

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Die Arbeitskräftesituatioii

wendig haben, eine Riesensabotageorganisation erwachsen kann, die eines Tages ja auch schlagartig arbeiten könnte." 4 9 5 Man solle „nicht den biederen Mann spielen" wollen, „ u m sich bei den Ausländern beliebt zu machen". 4 9 6 Nach der Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad nahmen Versuche einer taktischen Neuorientierung in der Zwangsarbeitspolitik, besonders gegenüber den sowjetischen Zwangsarbeitern, Gestalt an, die auf eine Zurücknahme extremer Maßregeln der Terrorisierung, Ausbeutung u n d Entwürdigung und auf eine wesentlich verstärkte Differenzierung nach der Arbeitsleistung hinausliefen. Die Reichsgruppe Industrie gab auf zwei Tagungen m i t den Industrieabteilungen der Gauwirtschaftskammern Ende Februar 1943 die neue Linie bekannt, die mit dem GBA in „voller Übereinstimmung" in einem gemeinsamen „Ausschuß für Ostarbeiter-Angelegenheiten" abgesprochen war: „Der Arbeitseinsatz, der bisher in erster Linie quantitativen Lösungen zugeführt wurde, muß jetzt sowie künftig immer stärker nach der qualitativen Seite ausgerichtet werden." 4 9 7 Das Hauptanliegen der Rüstungsmonopole war deutlich formuliert: „Unsererseits ist d a f ü r zu sorgen, daß die Entwicklung in eine Bahn gelenkt wird, die der Leistungssteigerung der Betriebe dient." 4"8 In der Praxis ereignete sich wenig. Eine neue Lohnordnung f ü r „Ostarbeiter" vom 5. April 1943 senkte die Sondersteuer („Ostarbeiterabgabe") u m wenige Prozent, eröffnete den Betrieben die Möglichkeit, bei „besonders hochwertigen Leistungen" einen Zuschlag aus der „Oitarbeiterabgabe" zu zahlen u n d schrieb die schriftliche Abrechnung des Lohnes vor. 4 9 9 Mit größerem Aplomb wurde der Versuch in Szene gesetzt, die extremen Auswüchse der „Untermenschen"-Barbarei abzubauen. Das Propagandaministerium gab im April gemeinsam mit dem Reichssicherheitshauptamt ein „Merkblatt über die allgemeinen Grandsätze für die Behandlung der im Reich tätigen ausländischen Arbeitskräfte" 5 0 0 heraus. Diese „Grundsätze" standen in engem Zusammenhang m i t den RosenbergGoebbels'schen Propagandarichtlinien v o m 15. Februar. 5 0 1 Ganz unvermittelt zog die Naziführung hier gegen ihre eigenen Thesen vom „Untermenschen" zu Felde u n d untersagte u n t e r anderem auch die Prügelstrafe. 5 0 2 Über die Fremdsprachen-Verlag GmbH forcierte das Propagandaministerium die Herausgabe von konterrevolutionären, antisowjetischen Wochenzeitungen, Zeitschriften, Broschüren u n d anderen Druckerzeugnissen f ü r die Zwangsarbeiter. Die Gesamtauflage der fremdsprachigen Wochenzeitungen betrug im Herbst 1943 schon 750 000. 503 Diese Kampagne der Goebbels u n d Rosenberg h a t t e k a u m irgendwelche anderen praktischen Auswirkungen. Himmler lehnte rundweg die wiederholt vorgetragene „Anregung" des GBA, der D A F und Rosenbergs ab, die Kennzeichnungsvorschrift f ü r die „Ostarbeiter" 495 Ebenda, Himmler an Bormann, 14. 1. 1943. 496 Ebenda. — Bormann enthielt sich anscheinend einer Antwort. 497 Ebenda, R 13 X X / 2 9 9 , Rs. RGI an die Ind.-abteilungen d e r G W K u. W K und an die Wigru, 6. 3. 1943. 498 Ebenda. 499 Ebenda, R 7/3092, Ausarb.RWiM betr. „Sonderregelungen" f. poln. u. sowjetische Zwangsarbeiter, o. D. (1945); s. a. Drobisch, Ausbeutung, S. 155; Homze, S. 171. 500 ZStA Potsdam, FS, Film 381, v. 15. 4. 1943. 501 Anatomie der Aggression, S. 179ff-, Dok. 37; s. a. DZW, Bd. 3, S. 340f. 502 ZStA Potsdam, F S , Film 381, „Merkblatt ..." v . 15. 4. 1943. 503 Homze, S. 288; s. a. Dörr, S. 143.

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zu ändern — ein Vorschlag, der seit A n f a n g des J a h r e s d i s k u t i e r t worden war. 5 0 4 S a u c k e l setzte n u r durch, d a ß der „Ostarbeiter"flicken („OST") bei besonderer „Auszeichnung" auf dem linken Ärmel s t a t t rechts auf der Brust getragen werden durfte. 5 0 5 W a s die Rüstungsmonopole u n t e r der neuen Orientierung verstanden, d e m o n s t r i e r t e n zu einem f r ü h e n Z e i t p u n k t die IG F a r b e n , der Flick-Konzern, K r u p p u n d andere M o n t a n konzerne. S t r e i t stellt fest, d a ß „Ansätze zu einem regelrechten System, in dem die zugestandenen Rationen von der Arbeitsleistung des einzelnen Gefangenen abhängig g e m a c h t wurden", seit Oktober 1942 e r k e n n b a r waren. 5 0 6 In Auschwitz praktizierte d e r IG-FarbenKonzern bereits Mitte Oktober gegenüber den zivilen sowjetischen Zwangsarbeitern ein Drei-Stufen-System d e r „Leistungsernährung". Anscheinend waren es der K r u p p - K o n z e r n u n d vor allem die von der IG F a r b e n betriebene Fürstlich Plessische Bergwerks AG (Kattowitz), ü b e r die der Kohlenbergbau dieses System „auf breiter F r o n t " ü b e r n a h m . E i n e besonders üble Rolle spielte hierbei der Vorstandsvorsitzer u n d Generaldirektor der Pleß'schen Werke, G ü n t h e r F a l k e n h a h n , der das barbarische System in seiner Eigenschaft als Leiter der Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau Oberschlesien der R V K in Oberschlesien propagierte u n d durchsetzte. E i n e ausführliche Fassung des betreffenden Regelwerks ist aus d e m F l i c k - K o n z e r n überliefert. D e r „ S a c h b e a r b e i t e r f ü r O s t a r b e i t e r f r a g e n " des L a u c h h a m m e r w e r k s in Gröditz entwickelte im März 1943 „Richtlinien f ü r Betreuungsarbeit und Z u s a m m e n a r b e i t m i t dem Lager", 5 0 7 deren hauptsächliches Anliegen es war, die Leistung der Zwangsarbeiter nach Leistungsgruppen zu bewerten u n d d a n a c h die Hungerrationen an Lebensmitteln zu verteilen. Es g a b in Gröditz drei sogenannte G ü t e g r u p p e n von „ O s t a r b e i t e r n " : G u t (100 Prozent oder 90 P r o z e n t Leistung), m i t t e l bzw. n i c h t befriedigend (70 Prozent) u n d schlecht (50 Prozent, 24 Prozent). Das System der Schläge auf den Magen wurde g e m ä ß den „Richtlinien" folgendermaßen g e h a n d h a b t : „Anwendung im B e t r i e b : Der Betreuer im Betrieb gibt auf G r u n d d e r vorzuzeigenden Verpflegungskarte d e m Schlechten y 2 Schlag, d e m G u t e n das m e h r , was d e m Schlechten entzogen wird, u n d d e m Mittleren einen k n a p p e n Schlag Suppe. I m Lager: Suppenzuteilung wie vor. Beim Mittagessen erhält der Schlechte immer eine k n a p p e Zuteilung, evtl. Rest k a n n n u r der G u t e erhalten . . . Freiwillige Leistungen des Werkes dagegen können voll gekürzt oder entsprechend v e r t e i l t werden. G r u n d s a t z bleibt immer, was dem Schlechten entzogen wird, erhält der G u t e m e h r . D a r u m m u ß jeder Betrieb darauf achten, d a ß er ebenso viel Gute wie Schlechte zusammenstellen m u ß . " (!) Die Verpflegungskarten d e r sowjetischen Zwangsarbeiter w u r d e n m i t entsprechenden russischen T e x t e n versehen; so stand auf den K a r t e n d e r G r u p p e I I I : „Deine Leistungen sind schlecht! D a r u m h a s t Du keinen Anspruch auf volle Verpflegung, Suppen, R a u c h waren, u n d Bekleidung! Arbeite besser, sei sauber u n d p ü n k t l i c h ! N u r d a n n erhältst D u volle Verpflegung!" Das mörderische Verfahren bezog sich also, wie Dörr feststellt, „ n i c h t n u r auf die Verpflegung d e r Sowjetbürger, sondern erstreckte sich auch auf die A r b e i t s 504 BA Koblenz, R 41/290, Rs. GBA v. 25. 9. 1943; s. a. ebenda, R 41/25a, Prot, der Stabs* besprechg. beim GBA am 10. 2. 1943. 505 Pfahlmann, S. 206f. (Erl. GBA v. 14. 7. 1943). 506 Streit, S. 268 ff. Hiernach auch das Folgende. 507 Vom 22. 3. 1943; zit. bei Dörr, S. 142 ff. u. S. 254 f. Hiernach auch das Folgende.

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Die Arbeitskräftesituation

und Lebensbedingungen der sowjetischen Zwangsarbeiter insgesamt. So wurde beispielsweise für sie festgelegt, daß ,Ausgang selbstverständlich nur Ostarbeiter m i t dem Gütezeichen -Gut- erhalten' konnten bzw. .Schlechte stets auszuschließen', ,dagegen immer vor anderen zum Stubenreinigen und zu Sonntagseinsätzen z. B . für E n t - und Beladen der Waggons u. ä. Arbeiten anzusetzen' waren." In kürzester Zeit verbreitete sich dieses abgefeimte System in der gesamten Rüstungsindustrie. Eine ganz ähnliche „Einteilung in Gruppen nach schlesischem Vorbild" propagierte das Rüstungskommando Weimar im August 1943 als vorbildlich. 5 0 8 Die Zugehörigkeit zu den Leistungsgruppen I (über 8 0 Prozent der Normalleistung), I I (60 bis 80 Prozent) oder I I I (unter 6 0 Prozent) sei zu berücksichtigen bei der Verpflegung, Unterbringung, bei der Versorgung m i t Kleidung und Schuhwerk, m i t Kantinenwaren, evtl. bei Ausgang und bei der eigenen Freizeitgestaltung. Der Gruppe I solle man „gute A r b e i t e n " zuteilen und sie von „Kollektivstrafen" ausnehmen; der Gruppe I I I hingegen seien Mehrarbeit (an Sonntagen, nach Feierabend), Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten im Lager und „besonders schmutzige Arbeiten" zuzuweisen. E n d e 1943 wurde dieses System von höchster Stelle zwecks „Leistungssteigerung" allen deutschen F i r m e n zur Anwendung empfohlen. Am 23. Dezember informierte der Rüstungsminister alle „deutschen Betriebsführer" vom „Erfolg" derartiger „Versuche", „durch die Ausgabe von zweierlei Essen den schlechter arbeitenden Teil der Kriegsgefangenen zu erziehen bzw. zu strafen". 5 0 9 Solche P r a x i s lieferte die Ernährung und sonstige Behandlung der Zwangsarbeiter der vollständigen Willkür der jeweiligen Betriebsleitung aus, deren Vorgehen nichtsdestoweniger nach wie v o r „stets von der Anwendung aller ihr zur Verfügung stehenden Mittel des innerbetrieblichen Terrors gekennzeichnet" blieb. 5 1 0 Die Zwangsarbeiter gerieten so in eine grausame Zange zwischen Terror und Hunger, eine barbarische und zweifellos nicht unwirksame Waffe der faschistischen deutschen Monopolbourgeoisie im Klassenkampf. Um die J a h r e s m i t t e trat die Krise des Zwangsarbeitsregimes in ein akutes Stadium, weil der Widerstand der unterdrückten Völker die gewohnten Quellen an Zwangsarbeiternachschub versiegen machte, und vertiefte sich im Laufe des Sommers und des Herbstes, als die R o t e Armee nach der Schlacht b e i Kursk weite Gebiete der U d S S R befreite. Die Tendenz b e s t i m m t e r Kreise der herrschenden Klasse, die Zwangsarbeiter durch bessere Ernährung, etwas freizügigere Behandlung, durch gezielten materiellen Anreiz und durch gesteigerte politische Demagogie und Manipulierung zu ausdauernderen und produktiveren Arbeitssklaven zu machen, gewann noch an Boden. Sauckel richtete nach einer Reise in die besetzten sowjetischen Gebiete im J u n i 1943 einen dringenden Appell unmittelbar an Hitler, es sei „nach der starken Mobilisierung der europäischen Arbeitskräfte für die gesamte deutsche Kriegswirtschaft nunmehr der Zeitp u n k t gekommen ..., von dem ab die menschliche Arbeitskraft ganz Europas sorgfältig bewirtschaftet und erhalten werden m u ß " ; n u r wenn „die zur Verfügung stehenden Menschen wirklich sinnvoll und daher auch sparsam eingesetzt werden", könnten die noch

508 BA V E B Porzellanfabrik Kahla, Hescho, Nr. 221/1, Bl. 22 u. 22 R, Rs. RüKdo Weimar, 23. 8. 1943. Hiernach auch das Folgende. 509 BA Koblenz, R 3/1818, Rs. RMfRuK „An die deutschen Betriebsführer!" (vertraul.), 23.12. 1943; s. a. Streit, S. 265. 510 Dörr, S. 149. Zu der geschilderten Praxis beschönigend, unter Übernahme des faschistischen Vokabulars, Pfahlmann, S. 148.

Das Zwangsarbeitsregime 1943

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v o r h a n d e n e n „gewaltigen Leistungsreserven" mobilisiert werden. 5 1 1 Unverzüglich, noch im J u n i , richtete der GBA — in Erweiterung seiner „Ostarbeiter"inspektion — zusammen m i t der D A F (Ley) eine „Zentralinspektion zur B e t r e u u n g ausländischer A r b e i t s k r ä f t e " ein, a n deren Arbeit auch V e r t r e t e r des P r o p a g a n d a m i n i s t e r i u m s , des Ostministeriums u n d des Chefs der Sipo u n d des S D teilnahmen. 5 1 2 Die Zentralinspektion h a t t e die Befugnis, Anordnungen zu erlassen, u n d ihre Kommissionen k o n n t e n in den Betrieben an O r t u n d Stelle ä n d e r n d eingreifen. Die faschistischen Behörden b e q u e m t e n sich zu einigen weiteren, geringfügigen Zugeständnissen. Nach einer Verordnung des Reichsfinanzministcrs sollten die sowjetischen Zwangsarbeiter nach ein-, zwei- u n d dreijähriger Arbeit in Deutschland einen — jederzeit widerruflichen — „Prämien"zuschlag in H ö h e von jeweils 20, 30 bzw. 50 Prozent des ihnen auszubezahlenden Lohnes e r h a l t e n 5 1 3 : Pfennigbeträge je Woche, wenige Mark im Monat. F e r n e r w u r d e ihnen heuchlerisch nach zwei J a h r e n Beschäftigung eine Woche Urlaub in Deutschland, nach drei J a h r e n zwei Wochen H e i m a t u r l a u b versprochen. 5 1 4 Eine Änderung in der Bezahlung „im Interesse der Leistungssteigerung" t r a t auch f ü r alle Kriegsgefangenen ein. 5 1 5 In einer Reihe interner oder geheimer Berichte u n d Denkschriften befaßten sich Konzerne, W i r t s c h a f t s g r u p p e n , H a u p t a u s s c h ü s s e des Rüstungsministeriums u n d „wissenschaftliche" I n s t i t u t i o n e n , d a r u n t e r d a s Arbeitswissenschaftliche I n s t i t u t d e r D A F , m i t Fragen der Zwangsarbeit u n d ihrer E f f e k t i v i t ä t f ü r die Kriegswirtschaft, besonders mit dem „ E i n s a t z der Ostarbeiter". 5 1 6 Albert Vogler regte in seiner E i g e n s c h a f t als Präsident der KaiserWilhelm-Gesellschaft gegen E n d e 1943 umfangreiche Untersuchungen ü b e r d a s Verhältnis zwischen E r n ä h r u n g u n d Arbeitsleistung bei den Zwangsarbeitern an, die im I n s t i t u t f ü r Arbeitsphysiologie der g e n a n n t e n Gesellschaft in Angriff genommen wurden. 5 1 7 Sogar die Deutsche Gesellschaft f ü r Psychologie berief eine T a g u n g eigens zur „ E r ö r t e r u n g von F r a g e n der Volkstums- u n d Arbeitspsychologie des Ostraumes" ein. 5 1 8 V e r m e h r t e r politisch-ideologischer Druck sollte die ausländischen Arbeitskräfte, besonders auch die nichtsowjetischen, zu hohen Arbeitsleistungen anstacheln. Die faschistische P r o p a g a n d a beschwor in den schwärzesten FarbeD die „ G e f a h r des Bolschewismus f ü r E u r o p a " . Den Zwangsarbeitern sollte suggeriert werden, d a ß sie auf Gedeih u n d Verderb m i t d e m faschistischen Deutschland als dem Bollwerk des A n t i k o m m u n i s m u s verbunden wären. Die U n t e r j o c h u n g halb E u r o p a s u n d die Verschleppung vieler Millionen Menschen als 511 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 365, Bl. 117f., Dok. NG-3396, Bericht d. GBA an Hitler, 13. 6. 1943. 512 RABl. 1943 I, S. 588; hiernach auch das Folgende. Siehe auch Homze, S. 269; Pfahlmann, S. 213f. 513 BA Koblenz, R 7/3092, Ausarb. RWiM betr. „Sonderregelungen" (VO v. 23. 7. 1943). „Zuschläge" aus der „Ostarbeiterabgabe" für Mehrleistungen waren prinzipiell schon seit der AO des GBA v. 5. 4. 1943 möglich (s. Anm. 499). 514 Ebenda. 515 Gemäß Erlaß d. GBA v. 8. 9. 1943; s. ebenda, R 3/1818, Rs. RMfRuK „An die deutschen Betriebsführer!", 23. 12. 1943; s. a. DZW, Bd. 4, S. 495; Pfahlmann, S. 182. 516 Siehe Homze, S. 174 f. 517 AGK Warschau, Fall V, VDB Weiß-II, Dok. Weiß-1030, Erkl. unter Eid v. Prof. Heinrich Kraut, 7. 6. 1947. 518 BA Koblenz, R 58/1005, Bericht d. SD-Leitabschnitts Prag an RSHA üb. d. Tagung am 25./26. 10. 1943, v. 1. 11. 1943.

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Die Arbeitskräftesituation

Arbeitskräfte nach Deutschland waren jedoch Tatbestände, die nur mit Gewalt zu schaffen und nur mit Gewalt aufrechtzuerhalten waren. Da die Gegenwehr in den besetzten Ländern gegen die Zwangsrekrutierung und der Widerstand der Zwangsarbeiter in Deutschland im Laufe des Jahres 1943 eindrucksvoll anwuchsen, verstärkten die Faschisten den Terror und vervollkommneten ihren Gewaltapparat sowohl in den besetzten Gebieten 5 1 9 als auch in Deutschland 5 2 0 . Gestützt auf die Rassenideologie, hatte der Terror gegen die Zwangsarbeiter und ihre Diskriminierung auch eine innenpolitische Funktion. Die Besser- und Höherstellung der deutschen Arbeiter und anderen Werktätigen gegenüber den ausländischen Arbeitern war eine Politik mit dem ausdrücklichen Ziel, Chauvinismus und rassistisches Überlegenheitsgefühl hochzuzüchten und jegliches Solidaritätsempfinden und solidarische Verhalten, vor allem aber das entwickelte proletarische Klassenbewußtsein zu zerstören bzw. niederzuhalten. Vom Erfolg dieser Politik hingen Sicherheit und Bestand des faschistischen Herrschaftssystems als Ganzes wesentlich ab. D a s Ausbleiben des Zwangsarbeiternachschubs seit dem Frühjahr 1943 und das niedrige Produktivitätsniveau der Zwangsarbeit bestärkten aber ebenso diejenigen Kreise der Herrschenden, die neben der „ P e i t s c h e " auch eine Art von „Zuckerbrot" für zweckdienlich hielten. Sie liebäugelten in der f ü r sie zunehmend kritischen Situation mehr als bisher mit jener „zweiten Methode" imperialistischer Herrschaft, die die Methode der Gewalt ergänzt: mit der „Methode des .Liberalismus', der Schritte in der Richtung auf die Entfaltung politischer Rechte, in der Richtung auf Reformen, Zugeständnisse u s w . " 5 2 1 — so beschränkt und verkrüppelt auch die weitestgehenden den Zwangsarbeitern zugedachten „Zugeständnisse" waren, die hauptsächlich in verschiedenen Varianten „des Betrugs, der Schmeichelei, der Phrase, der millionenfachen Versprechungen" 5 2 2 bestanden. Doch für das faschistische Regime existierte keine Alternative. Angesichts des unüberwindlichen, explosiven Klassenwiderspruchs zwischen den Zwangsarbeitern und ihren Peinigern, der sich mit jedem T a g des Vormarschs der Roten Armee und ihrer Alliierten noch vertiefte, änderten die Faschisten das Zwangsarbeitsregime in keinem einzigen wesentlichen Punkt und hielten d a s Regime des Terrors und der entwürdigenden Diskriminierung voll in Funktion. D a s machte die verlogenen faschistischen „Humanisierungs"bestrebungen, ihre Leistungsanreize und vor allem ihre Propaganda von vornherein und total unglaubwürdig. Sie wurden von den Zwangsarbeitern mit Recht mit dem Kriegsverlauf in Verbindung gebracht und als Zeichen zunehmender Schwäche und Krisenanfälligkeit des Regimes erkannt. Daher war d a s Fiasko der geschilderten Maßnahmen unausbleiblich. Die Rüstungsmonopole beurteilten jede Veränderung in den Arbeits- und Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsleistung und ihres Profits. Eine Auswertung von Briefen ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland 519 DZW, Bd. 3, S. 348ff.; Bd. 4, S. 171ff. 520 Siehe z. B. die Bestimmungen über die Hilfswachmannschaften für die arbeitenden Kriegsgefangenen, die aus den Betrieben zu stellen waren, und deren Waffengebrauch (BA. Koblenz, R 3/1818, Rs. RMfRuK „An die deutschen Betriebsführer!'-, 23. 12. 1943). 521 Lenin, W. /., Die Differenzen in der europäischen Arbeiterbewegung (1910), in Lenin, Werke, Bd. 16, Berlin 1962, S. 356. 522 Derselbe, Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution (1917), in: ebenda, Bd. 24, Berlin 1959, S. 48.

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Das Zwangsarbeitsregime 1943

vom April 1943 ergab, „daß die meisten Klagen aus Großbetrieben kommen". 5 2 3 Die Monopole wandten sich gegen jede echte Verbesserung und zusätzliche soziale Aufwendung. Ein typisches Beispiel f ü r ihre Reaktion war das Argument der Leitung des MansfeldKonzerns: „... unseres Erachtens muß man auch in diesen Dingen im Kriege etwas kürzer treten". 5 2 4 Der Rüstungsminister bestärkte sie in dieser Haltung, indem er beispielsweise zu einem neuen „Merkblatt" des GBA über die „Einstellung zu den Kriegsgefangenen aus den Ostvölkern" seinen Kommentar g a b : „Oberster Grundsatz bleibt, aus den Kriegsgefangenen der Ostvölker so viel an Arbeitsleistung herauszuholen, als n u r irgend möglich ist." 5 2 5

c) Das Ideal imperialistischer

Ausbeulung

Den deutschen Imperialisten schienen Faschismus und Krieg alle Schranken f ü r die Auspressung von Mehrwert aus der — zur Verfügung stehenden wie der noch zu unterwerfenden — menschlichen Arbeitskraft beiseitegeräumt zu haben. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion glaubten sie, sich in ihrer Gier nach Superprofit und nach Mehrarbeit f ü r ihren Krieg keinerlei Beschränkungen mehr auferlegen zu müssen. Genau zwei J a h r e waren seit dem Überfall auf die U d S S R vergangen, als sich in Kassel die leitenden Mitarbeiter der Junkerswerke, des größten deutschen Flugzeugkonzerns, versammelten. Sie ließen sich von einem gewissen Freyer, Direktor der Fieseierwerke, eines kleineren, aber ebenfalls bedeutenden Konzerns der deutschen Luftrüstung, in dem „Tausende von Ausländern" 5 2 6 arbeiteten, über Erfahrungen bei der Ausbeutung ausländischer Zwangsarbeiter in der Rüstungsindustrie berichten. Der Redner breitete seinen „Erfahrungsschatz" vor einem fachkundigen Publikum aus. Ausführlich erörterte er die Vorzüge der Zwangsarbeit f ü r die deutschen Rüstungsmonopole: „Der größte Vorteil der Ausländerbeschäftigung gegenüber dem früheren Zustand der Beschäftigung nur deutscher Werker liegt darin, daß wir n u r Befehle zu erteilen brauchen, kein Widerspruch erfolgt, kein Verhandeln nötig ist u n d ungemein viel Zeit f ü r produktive Arbeit der Unterführer hierdurch gewonnen wird. Der Ausländer ist sofort zur Stelle, wenn er f ü r Überstunden und Sonntagseinsatz benötigt wird. Es sind Kräfte vorhanden f ü r das E n t - u n d Beladen von Waggons auch außerhalb der Arbeitszeit, und was solche Vorteile mehr sind. Der Unterführer, welcher früher einen großen Teil seiner Zeit mit Personalangelegenheiten verbrachte, h a t m i t dem Einsatz der Ausländer auf einmal ruckartig wieder Zeit bekommen f ü r technische und organisatorische Probleme u n d Arbeiten. Streitigkeiten unter Ausländern wegen der Arbeitszuteilung erfolgen nie, weil die Arbeit widerspruchslos auszuführen ist. Viel überflüssige Schwatzzeit ist in Fortfall gekommen, u n d eine nahezu hundertprozentige Anwesenheit des Ausländers am Arbeitsplatz [ist] 523 BA Koblenz, R 41/268, „Stimmungsbericht (April) aus Briefen ausländischer Arbeiter" v. 5. 5. 1943 (nach den Berichten der Auslandsbrief-Prüfstellen der Abwehr-Abteilung des OKW). 524 Jonas, S. 472, o. D. (ca. Juli 1943?). 525 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 25, 24. 6. 1943. 526 ZStA Potsdam, FS, Film 4184, Vortrag von Freyer im Junkers-Motorenwerk Kassel-Bettenhausen am 22. 6. 1943. Hiernach auch das Folgende.

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der Fall. Selbst die Abortzeit mit zehn Minuten wird kontrolliert, überwacht und bei Übertretung bestraft. Der Arbeitsbeginn ist pünktlich, da die Ausländer zum großen Teil abgeholt werden . . . Der Arbeitszeitanteil ist im ganzen ein größerer als bei deutschen Gefolgschaftsmitgliedern. Die Entlastung deutscher Männer an gesundheitsschädlichen Plätzen wie Spritzlackiererei, Sandstrahlerei, Eloxalbad, Glühbad und anderen ist eingetreten und von erheblichem Wert." Der Vortragende hob begeistert hervor, wie „praktisch" es sei, daß man die Zwangsarbeit in allem „soldatisch aufziehen" könne. Sprachkenntnisse seien an sich nicht erforderlich, weil mit den ausländischen Arbeitern, die nur als Nummern existierten, eine „Verständigung in deutscher Befehlsform" vollständig ausreiche. Ein klareres Selbstzeugnis der Monopole dafür, daß Faschismus, Krieg und Sklavenarbeit für sie ganz vorzügliche, besonders geeignete Mittel zu dem Endzweck darstellten, ihren Heißhunger nach Mehrarbeit zu stillen, ist kaum denkbar. In seinen Schlußfolgerungen wies Frcyer auf die Fortsetzung des Zwangsarbeitssystems nach dem Kriege hin: „Der Deutsche", so ließ er sich vernehmen, „hat sich mit dem Ausländereinsatz zum ersten Male in einem riesigen Umfange die Tätigkeit von Hilfsvölkern zu eigen und zunutze gemacht und daraus große Lehren gezogen und Erfahrungen gesammelt. E s wird schon gut sein, schon während, spätestens nach dem Kriege diesen ganzen Erfahrungsschatz an berufener Stelle zu sammeln." Allerdings war die Zeit der faschistischen „Blitzsiege" lange vorbei; ein halbes J a h r zuvor hatte die Stalingrader Schlacht mit einer katastrophalen Niederlage für die deutschen Imperialisten geendet und den Widerstand der unterdrückten Völker Europas vervielfacht. Dies war wohl die tiefere Ursache dafür, daß der Referent eine Grundvoraussetzung des von ihm so gepriesenen Zwangsarbeitssystems deutlicher erkannte: „Nur die Macht hält alles zusammen, und wehe uns, wenn es anders wäre." Ein besonderes Problem für die Konzerne bildeten die „Grenzen des Einsatzes" von Zwangsarbeitern bei moderner maschineller Fertigung. Eine relativ einfache, gleichbleibende Massen- oder Serienfertigung erschien ihnen am günstigsten, bei der „die einzelnen Handgriffe narrensicher und gefahrlos ausgeführt werden können". 5 2 7 Wiederum hätte es, nach einem Erfahrungsbericht der Fritz Werner AG, „keinen Zweck, die Automatisierung so weit zu treiben, daß ungelernte Arbeitskräfte weiter eingespart, der Bedarf an hochwertigen Einrichtungen aber erhöht wird". Hierin offenbarte sich deutlich der Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte, besonders der modernen Technik, und dem Bestreben des Kapitals, Arbeitskräfte unter der Fuchtel des Terrors und des Hungers in Massen auf die soziale Stufe billigster industrieller Parias he/abzudrücken. Der Ausweg schien hier in der „Rationalisierung" zu liegen — soweit darunter die Zurückführung der maschinellen Produktion auf einfache Handgriffe, verbunden mit Fließarbeit, verstanden wurde. „Technisch gesehen", so drückte sich der erwähnte FieseierDirektor aus, „liegt der Nachteil bei der Beschäftigung der Ausländer darin, daß noch nicht rationalisierte Werke oder Abteilungen erhebliche Schwierigkeiten haben. Der Ausländereinsatz hat nur dort den höchsten Wirkungsgrad, wo weitgehendste Spezialisierung der einzelnen Arbeitsverrichtungen erfolgt ist. Intensiver Ausländereinsatz setzt einen rationellen Arbeitsfluß überhaupt als Bedingung v o r a u s . " 5 2 8 In den Dornier-Werken lotete man tiefer und sah d a s gleiche Problem auch als ein politisches: „ I m übrigen läßt 527 Wie Anm. 479. Hiernach auch das Folgende. 528 Wie Anm. 526.

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sich der Menscheneinsatz in einem so hochempfindlichen Produktionsprozeß, wie es der Flugzeugbau ist, niemals mit bloßer polizeilicher Gewalt bewerkstelligen." 5 2 9 Das Dilemma der deutschen Imperialisten lag darin, daß sie die Ausbeutung von Millionen ausländischer Zwangsarbeiter gegen den Widerstand der Völker überwiegend mit Mitteln des außerökonomischen Zwanges, des barbarischen Terrors bewerkstelligen mußten, die eine Rückkehr zu historisch längst überlebten Ausbeutungsformen sklavenähnlichen Zuschnitts bedeuteten. Solchc Formen aber widersprachen dem Charakter der modernen Produktivkräfte und mußten bei entsprechender Ausdehnung früher oder später in Widerspruch zu den Bedürfnissen der kapitalistischen Produktion geraten. Vor allem funktionierte das Gesamtsystem einer solcherart organisierten Zwangsarbeit nur, wenn ausreichend Nachschub an „Menschenmaterial" vorhanden war und wenn es gelang, den Widerstand der Ausgebeuteten dauerhaft zu unterdrücken. Spätestens nach der Stalingrader Schlacht erwiesen sich beide genannten Bedingungen als fragwürdig und hinfällig. Die explosive Widersprüchlichkeit und tödliche Labilität eines solchen Systems blieben auch verschiedenen Repräsentanten des Regimes nicht völlig verborgen und bildeten den Hintergrund für mancherlei grundsätzliche Erörterungen der Zwangsarbeiterfrage. Das Thema war der herrschenden Klasse Deutschlands schon seit Jahrzehnten geläufig. 5 3 0 Führende Vertreter des deutschen Finanzkapitals — beispielsweise Vogler, Poensgen, Röchling und Krupp — hatten praktische Erfahrungen mit ausländischen Zwangsarbeitern schon im ersten Weltkrieg gesammelt. Die Vorstellungen des Alldeutschen Verbandes über die „Helolenstcllung" der „Polen, Tschechen, Juden, Italiener usw." in Deutschland (1905), die für das „Ilerrenvolk" die „niederen Handarbeiten" zu verricht en hätten (1895), der Traum der deutschen Großindustrie, den Osten als „ein großes Arbeiterrekrutierungsgebiet für Deutschland" zu entwickeln (1915) — derartige Kriegszielvorstellungen hegten auch die gegenwärtigen Machthaber. 5 3 1 Die Hitler und Himmler hatten ihre alldeutsche Lektion schon in frühen Jahren gelernt. 532 Die rassistisch-kolonialistische Komponente der faschistischen Ideologie war dafür zurechtgeschneidert, die Ausbeutung von „Hilfsvölkern" durch das deutsche „Herrenvolk" 5 2 9 Ebenda, Film 1 7 3 7 , Dornier-Werke G m b H , München-Neuaubing, an Stapoleitstelle München, 9. 4. 1942. 5 3 0 Zusammenstellung v o n Quellen seit 1 8 9 5 bei Drobisch, Ausbeutung, S . I I f f . Hiernach auch das Folgende. Siehe auch die Beiträge v o n Willibald Gutsche u n d L o t h a r Eisner in Politik im Krieg 1914—1918. Studien zur Politik der deutschen herrschenden K l a s s e n im ersten Weltkrieg, Berlin 1964, S. 82 f f . u. S. 1 6 7 f f . 5 3 1 Drastisch h a t t e sich Göring darüber a m 7. 1 1 . 1 9 4 1 g e ä u ß e r t : „Die Dreckarbeit soll j e t z t und in Z u k u n f t v o n unseren ,Arbeitssklaven' gemacht werden." (Bericht v o n Gen.-major v . Schell v o r dem B e i r a t der W i g r u Fahrzeugindustrie üb. Görings Rede, 18. 1 1 . 1 9 4 1 ; zit. bei Schmelzer, S . 64). 5 3 2 Siehe Petzold, Joachim, K o n s e r v a t i v e Theoretiker des deutschen Faschismus, Berlin 1 9 7 8 , S. 1 8 f f . ; derselbe, Die Entstehung der Naziideologie, i n Faschismusforschung, S. 2 6 1 f f . ; Gosstveiler, Kurt, K a p i t a l , Reichswehr und N S D A P 1 9 1 9 - 1 9 2 4 , Berlin 1982, S. 9 0 f . u. passim. Typisch faschistische Dokumente alldeutscher Couleur gegenüber Polen w a r e n z. B . die programmatischen Äußerungen Hitlers a m 2. 10. 1 9 4 0 (IMG, B d . 39, S. 4 2 6 f f . , Dok. U S S R 172, B o r m a n n - V e r m e r k ) u n d Himmlers Memorandum f. Hitler v . 15. 5. 1 9 4 0 betr. „Einige Gedanken über die Behandlung der Fremdvölkischen im Osten" (VfZ, 2/1957, S. 1 9 6 f f . (hier undatiert); Polen, Deutschland und die Oder-Neiße-Grenze. Hrsg. v o m Deutschen Institut f ü r Zeitgeschichte in Verbindg. m i t der Deutsch-Polnischen Historiker-Kommission unter d . v e r a n t w o r t l . R e d a k t i o n v . Rudi Goguel, Berlin 1959, S. 1 4 2 f.).

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bzw. d u r c h die „germanische Rasse" zu rechtfertigen. Die deutsche Arbeiterklasse sollte auf diese Weise als privilegiertes, k o r r u m p i e r t e s „Herrenrassen"proletariat in das imperialistische System integriert werden. H i t l e r berechnete im voraus, „wie wesentlich d e r L e b e n s s t a n d a r d des deutschen Volkes d u r c h die zahlreichen ausländischen Arbeitsk r ä f t e ... gehoben werde", wobei er allerdings hauptsächlich U n t e r n e h m e r p r o f i t u n d S t a a t s g e w i n n im Auge h a t t e ; „die Einschaltung von 20 Millionen billigen ausländischen A r b e i t s k r ä f t e n in den deutschen W i r t s c h a f t s p r o z e ß " brächte, so kalkulierte er, „einen Gewinn, der die d u r c h den Krieg entstandenen Reichsschulden bei weitem ü b e r t r e f f e . Man müsse n u r einmal errechnen, wieviel d a d u r c h gewonnen würde, d a ß d e r ausländische A r b e i t e r s t a t t — sagen wir — RM 2 0 0 0 wie der Inlandsarbeiter n u r RM 1000 jährlich verdiene."533 F ü r d a s deutsche F i n a n z k a p i t a l gehörte der „internationale A r b e i t e r a u s t a u s c h " ( S y r u p ) im europäischen „ G r o ß w i r t s c h a f t s r a u m " zur „Neuordnung E u r o p a s " u n d zu dem System der W e l t h e r r s c h a f t , d. h. der A u s b e u t u n g der Welt, das sie e r s t r e b t e n . W ä h r e n d d e r d e u t s c h e Arbeiter in Z u k u n f t als „Vorarbeiter E u r o p a s " fungieren sollte, 5 3 4 w ü r d e die d e u t s c h e W i r t s c h a f t „auch weiterhin ausländische A r b e i t s k r ä f t e in großem U m f a n g e heranzuziehen genötigt sein". 5 3 5 Vor allem m i t der Massenzwangsarbeit sowjetischer Menschen rechneten die R ü s t u n g s k o n z e r n e ; sie b e t r a c h t e t e n „ganz im allgemeinen" die sowjetischen Zwangsarbeiter „als a u s d e m weiten O s t r a u m leicht zu ergänzendes P r o duktionsmittel".536 D e r GBA, Gauleiter Sauckel, f a ß t e E n d e 1943 in einer Rede vor Rüstungsindustriellen u n d anderen W i r t s c h a f t s v e r a n t w o r t l i c h e n die langfristige Zielsetzung des deutschen F i n a n z k a p i t a l s zusammen „eine A r b e i t s k a p a z i t ä t zu schaffen a n deutscher Arbeiterf ü h r u n g u n d an ausländischen A r b e i t e r n , was u n s f ü r das k o m m e n d e J a h r h u n d e r t das absolute Übergewicht ü b e r alle Völker der Welt n i c h t n u r militärisch, sondern auch wirtschaftlich u n d arbeitsmäßig geben wird". 5 3 7 Die faschistische P l a n u n g u n d Praxis, die deutsche Arbeiterschaft in eine A r t Arbeiteraristokratie innerhalb der Arbeiterhierarchie eines „Großgermanischen Reiches" zu verwandeln, entsprach in e x t r e m e r F o r m einem Grundprinzip monopolkapitalistischer Klassenpolitik. Es h a n d e l t sich u m die allgemeine Tendenz des Monopolkapitals, privilegierte Schichten von Arbeitern u n d anderen W e r k t ä t i g e n auszusondern, die Massen d u r c h eine differenzierte ökonomische u n d politische B e h a n d l u n g zu spalten u n d verschiedene Gruppen u n d Schichten gegeneinander auszuspielen, u m das eigene Volk u n d a n d e r e Völker n u r noch t i e f e r zu k n e c h t e n und in ihrem Lebensniveau h e r a b z u d r ü c k e n . W ä h r e n d des zweiten Weltkrieges w u r d e dieses Prinzip insofern verwirklicht, als die deutschen Imperialisten v o m deutschen Schwer- u n d Facharbeiter, Vorarbeiter u n d Meister ü b e r den „vertraglich" ausgebeuteten „ F r e m d a r b e i t e r " aus den v e r b ü n d e t e n u n d Satellitenländern, den zivilen Zwangsarbeiter aus den besetzten west-, n o r d - u n d südosteuropäischen L ä n d e r n u n d den Zwangsarbeiter aus Polen u n d der U d S S R bis z u m KZ-Häftling u n d sowjetischen Kriegsgefangenen eine w a h r h a f t teuflisch ersonnene, vielfältig a b g e s t u f t e 533 Picker, S. 312, Tischgespr. v. 4. 5. 1942. 534 Zechen-Zeitschrift (Gelsenkirchner Bergwerks AG), 10. 10. 1942. 535 EichhoÜz, „Wege zur Entbolschewisierung", S. 43, Denkschrift v. Richard Riedl üb. „Die russische Frage", März 1943. 536 Fall 5, S. 198, Dok. NI-3013 (wie Anm. 457). 537 Rede auf der 1. Kriegstagung der thüringischen Rüstungsindustrie am 4. 12. 1943; zit. bei Schmelzer, S. 39.

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S k a l a der Arbeits- und Lebensbedingungen, des Terrors und der Diskriminierung aufstellten. 5 3 8 E i n e solche Pyramide der imperialistischen Ausbeutung im europäischen und womöglich im Weltmaßstab zu errichten, war eines der wichtigsten Kriegs- und Klassenziele des deutschen Faschismus und Imperialismus. 5 3 9 Doch die Zeiten waren seit dem ersten Weltkrieg grundlegend andere geworden. Mit der Oktoberrevolution h a t t e das Zeitalter des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus begonnen. D e r Kommunismus war zur Weltbewegung, der Leninismus zur Theorie und Weltanschauung der internationalen revolutionären Arbeiterbewegung geworden. Gewaltige politische Veränderungen waren nach Kriegsende und im Verlauf der revolutionären Nachkriegskrise im ganzen Osten und Südosten Europas vor sich gegangen. Nach dem 22. J u n i 1941 war der zweite Weltkrieg zur weltweiten militärischen Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Kapitalismus geworden, zu einem K a m p f auf Leben und Tod, nicht vergleichbar m i t allen bisherigen Kriegen. Mit diesen Veränderungen mußten die deutschen Eroberer und Weltherrschaftsstrategen rechnen, und sie rechneten auf ihre Weise auch m i t ihnen. 5 4 0 Sie reagierten darauf m i t einer besonderen politischen Empfindlichkeit und Vorsicht gegenüber den ihnen daraus erwachsenden Gefahren und m i t extremen Abwehr- und Vorbeugungsmaßnahmen. Angetreten dazu, den Marxismus und den ersten sozialistischen S t a a t zu vernichten, zeigten sie auch in der Abwehr und „Sicherung" eine besondere Erbarmungslosigkeit und Radikalität. E i n „Sicherungs"konzept aber, dem zufolge letzten Endes n u r ein toter Gegner keinen Widerstand mehr leisten, nur ein toter Kommunist keine Gefahr mehr für sie darstellen würde, widersprach der geplanten massenhaften und freizügigen Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte, besonders aber sowjetischer Zwangsarbeiter. Machte sich dieser Widerspruch, wie wir sahen, schon j e t z t im Kriege, unter Kriegs- und Standrecht, bemerkbar — wie sehr mußte er den Faschisten erst in „friedlichen" Zeiten, in einem „Siegfrieden", zu schaffen m a c h e n ! 5 4 1 Himmler nannte am 31. August 1941 in einem Memorandum über eine „Einheitliche Regelung der Rechtsstellung Fremdvölkischer nichtdeutscher Staatsangehörigkeit im R e i c h " , das er dem Leiter der Parteikanzlei der N S D A P , Bormann, übersandte, 5 4 2 die 538 Allein die zivilen ausländischen Arbeitskräfte teilte beispielsweise Himmler in einem Erlaß v. 7. 12. 1942 in vier „Volkstums"-Gruppen ein (Pfahlmann, S. 208f.). 539 Siehe Band I, S. 91. 540 Zu diesem Problem s. S. 448 ff. 541 Schon 1940 waren in maßgeblichen Kreisen des Regimes Bedenken gegen eine allzu unbekümmerte Übernahme des „Gedankens" laut geworden, „für die Vielzahl der einfachen, untergeordneten und primitiv erscheinenden Arbeiten nicht Volksdeutsche Arbeitskräfte zu verwenden, vielmehr sollen solche Arbeiten ausschließlich von Angehörigen sogenannter Hilfsvölker (vorwiegend Slawen usw.) ausgeführt werden". (Schumann, Neue Dokumente der Reichsgruppe Industrie zur „Neuordnung" Europas, S. 416, Dok. 8, Denkschr. d. RGI v. 1.8. 1940; teilweise gedr. in Anatomie des Krieges, S. 272 ff., Dok. 126). Die RGI zitierte damals einen Zeitungsartikel von Alfred Rosenberg, der dagegen die Gefahr des Klassenkampfes ins Feld führte: „Dieser für Afrika und aus tropischen Verhältnissen erklärbare Standpunkt wäre untragbar für die deutsche Nation, weil damit im Prinzip wieder die Möglichkeit eines Klassenkampfes am Horizont auftreten würde." (Schumann)-, ungenaue Interpretation in der Einl. S. 384). Siehe auch Homze, S. 291 (zit. im gleichen Sinne Seldte u. Syrup). 542 ZStA Potsdam, FS, Film 4667, Himmler (RKF) an Bormann, 31. 8. 1941. Hiernach auch das Folgende.

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Dinge zwar nicht bei ihrem realen Namen, sondern in rassenideologischer Verklausulierung, machte aber das faschistische Dilemma doch hinreichend deutlich. Der Zwangsarbeiter„einsatz" müsse „in seiner jetzigen Form" — bisher war von sowjetischen Zwangsarbeitern, wohlgemerkt, allgemein noch nicht die Rede, abgesehen von einigen tausend Kriegsgefangenen — „eine Notmaßnahme während des Krieges und allenfalls während einiger Übergangsjahre nach Kriegsschluß sein". Auf lange Sicht sei die Lücke auf dem Arbeitsmarkt „möglichst weitgehend durch Arbeitskräfte aus den germanischen Völkern sowie aus den Reihen der eindeutschungsfähigen Polen, Tschechen, Litauer, Letten, Esten usw., deren Auswahl meine Dienststellen bereits durchführen", zu schließen. „Andere fremdvölkische Arbeitskräfte", so schrieb er, „sollten dann nur bei geschlossenem Arbeitseinsatz und lagerweiser Unterbringung sowie bei möglichst strenger polizeilicher Überwachung eingesetzt werden, wofür die Russen und Polen das geeignete Material sein werden." Jegliche „Tendenzen" der „Wirtschaft", d. h. der Monopole, die auf eine „Dauerbindung dieser Arbeitskräfte" hinausliefen, hielt Himmler für schädlich. Schon früher sei im Ruhrgebiet am „westfälischen Volkstum" durch „Fremdvölker" ein „nicht wieder gutzumachender Schaden" angerichtet worden. Ein der Naziführung besonders nahestehender Vertreter des Monopolkapitals wie der Göring- und Himmlerfreund Wilhelm Tengelmann, Vorstandsvorsitzer der Bergwerksgcs.ellschaft Hibernia AG, bezog den gleichen, ebenfalls mit Phrasen von den „biologischen Gefahren" für das deutsche Volk verschleierten Standpunkt. Er schrieb in einer umfänglichen Denkschrift Mitte 1943, zu einer Zeit, als über zwei Millionen Sowjetmenschen in Deutschland Zwangsarbeit leisteten, „daß, wenn es bedauerlicherweise nach dem Kriege notwendig sein sollte, in einem größeren Umfange fremdvölkische Arbeitskräfte seßhaft zu machen, ihre Unterbringung nur in geschlossenen, abseits gelegenen Siedlungsgemeinschaften vorgesehen werden darf, und zwar so, daß sich dort ihr Leben ihrer Eigenart, ihrer Mentalität und ihrem Volkscharakter entsprechend entwickeln kann".543 Hinter den rassistischen Formeln und Klauseln standen der barbarischste Klassenkampf gegen die Zwangsarbeiter und die Vernichtung ganzer Völker, die die Faschisten auch innerhalb Deutschlands unter dem Zwangsarbeitsregime vorbereiteten. Nach einem Erlaß des GBA vom 12. August 1942 über „Sozialleistungen" für Zwangsarbeiter wurden beispielsweise solche Leistungen, „die bevölkerungspolitische Gesichtspunkte zum Gegenstand haben", wie Familienzulagen und Kinderzulagen, nur dann, „wenn die deutsche Erziehung der Kinder bzw. des zu erwartenden Nachwuchses gesichert ist", das hieß: kaum jemals gezahlt.544 Sowjetische Zwangsarbeiterinnen hatten schon die Entbindung „mehr (zu) fürchten als den Tod". 545 Für „Ostarbeitcr"kinder gab es Heime, in denen man die Säuglinge und Kinder systematisch verhungern ließ. SS-Gruppenführer Hilgenfeldt kritisierte gegenüber Himmler diese Methoden nach dem Besuch eines solchen Heimes mit selbstentlarvenden Argumenten: „Die augenblickliche Behandlung der Frage ist m. E. unmöglich. Es gibt hier nur ein Entweder — Oder. Entweder man will nicht, daß die Kinder am Leben bleiben — dann soll man sie nicht langsam verhungern lassen und durch diese Methode noch viele Liter Milch der allgemeinen Ernährung entziehen; es gibt dann 543 Ebenda, Fall X I , Nr. 727, Bl. 109 f., Dok. Pleiger-465, Denkschr. Tengelmanns v . 1. 5. 1943 üb. „Erfahrungen aus dem Arbeitseinsatz der Fremdvölkischen im Ruhrbergbau, unter Berücksichtigung der Verhältnisse bei der Bergwerksgesellschaft Hibernia AG, Herne". 544 B A Koblenz, R 13 1/628, Erlaß G B A v . 12. 8. 1942. 545 Z S t A Potsdam, FS, Film 10975, Denkschr. betr. „Ostarbeiter — Entscheidender Faktor des Endsieges", o. V., o. D. (ca. Mitte 1943).

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F o r m e n , dies ohne Quälerei u n d schmerzlos zu m a c h e n . Oder m a n beabsichtigt, die Kinder aufzuziehen, u m sie s p ä t e r als A r b e i t s k r ä f t e verwenden zu können. Dann m u ß m a n sie a b e r auch so ernähren, d a ß sie einmal im Arbeitseinsatz vollwertig sind." 5 4 6 F ü r die Zeit n a c h d e m Kriege war dies f ü r H i m m l e r g a r keine Alternative, wenn er sich a u c h im O k t o b e r 1943, rückschauend auf 1941/42, m i t B e d a u e r n ü b e r die Massenmorde an sowjetischen Kriegsgefangenen u n d ihr Massensterben an H u n g e r ausließ: „Wir h a b e n damals die Masse Mensch n i c h t so gewertet, wie wir sie h e u t e als Rohstoff, als A r b e i t s k r a f t werten. Was letzten Endes, wenn ich in Generationen denke, n i c h t schade ist, was a b e r heute, wegen des Verlustes d e r A r b e i t s k r a f t , bedauerlich ist." 5 4 7 J e länger d e r Krieg dauerte, desto größere Zweifel k a m e n den deutschen Imperialisten anscheinend an d e r Möglichkeit, ihr „Arbeitshaus"-Ideal der Zwangsarbeit im geplanten A u s m a ß zu verwirklichen. W a s aber blieb, w a r die R e a l i t ä t : das Zwangsarbeitsregime ü b e r Millionen Arbeitskräfte, ihr Hunger- u n d Elendsdasein u n d ihre unmenschliche A u s b e u t u n g . An diesem Regime, das zu einer der größten Profitquellen f ü r den faschistischen S t a a t u n d f ü r die Monopole wurde, w a r abzulesen, wohin imperialistische Profitgier unweigerlich f ü h r t , wenn d e r faschistische Terror jedes Anzeichen von W i d e r s t a n d im B l u t erstickt. E s war d e m schrankenlosen E x p a n s i o n s d r a n g der deutschen Monopole a d ä q u a t u n d entsprach voll u n d ganz ihren unersättlichen P r o f i t b e d ü r f n i s s e n . Es bedeutete einen Schritt h i n zu ihrem Ziel, die Bedingungen u n d die A t m o s p h ä r e eines Arbeitshauses in ganz E u r o p a u n d in anderen Teilen der Welt zu schaffen. Entgegen allen späteren S c h u t z b e h a u p t u n g e n d e r Monopolherren von einem Zwang z u r Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte, d e m sie ausgesetzt gewesen wären, w a r dieses Regime ihre eigene Schöpfung u n d in vieler H i n s i c h t die Verwirklichung des imperialistischen Ideals von der profitablen, risikolosen A u s b e u t u n g f r e m d e r Hilfsvölker von kolonialem S t a t u s . Sie bedienten sich des Faschismus u n d b r a u c h t e n d e n Krieg, u m diesem Ideal n a h e zu k o m m e n , dessen Verwirklichung freilich n i c h t n u r verbrecherisch, sondern anachronistisch u n d angesichts des Vormarschs des Sozialismus in der Welt tief illusorisch war u n d ist. Alle Versuche, die Widersprüche d e r imperialistischen A u s b e u t u n g mittels der Zwangsa r b e i t auf faschistische A r t zu lösen, scheiterten zwangsläufig. Geschichtlich gesehen ist jedes System u n d jede F o r m imperialistischer Zwangsarbeit z u m U n t e r g a n g b e s t i m m t . Doch es blieben, als der Faschismus geschlagen war, als erschütterndes Ergebnis der Zwangsarbeit Millionen Getötete, Verhungerte, K r a n k e u n d Menschen, die d e r deutsche Imperialismus u m ihre Ausbildung u n d besten L e b e n s j a h r e gebracht h a t t e . Auch auf diesem Gebiet war die E r f a h r u n g u n d E r k e n n t n i s t e u e r bezahlt worden, d a ß der Faschismus das P r o d u k t einer untergehenden Gesellschaftsordnung u n d ein I n s t r u m e n t der imperialistischen Großbourgeoisie ist, mit d e m sie in bestialischer Aggressivität ihre parasitäre A u s b e u t e r h e r r s c h a f t a u f r e c h t e r h a l t e n will. 546 Ebenda, Fall XI, Nr. 336, Bl. 85ff., Dok. NO-4665, Hilgenfeldt an Himmler, 11. 8. 1943. 547 IMG, Bd. 29, S. 112, Dok. PS-1919, Rede Himmlers in Posen vor SS-Führern, 4. 10. 1943.

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Eichholtz II

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Exkurs: Bemerkungen zur Geschichte des Widerstandes der Zwangsarbeiter Die ausländischen Zwangsarbeiter in Deutschland leisteten trotz des ungeheuren Drucks der faschistischen Terrormaschine Widerstand gegen ihre Ausbeuter und Unterdrücker. Die Geschichte dieses Widerstandes ist noch nicht geschrieben. 548 Unter dem Begriff des Widerstandes muß angesichts der besonderen Lage der Zwangsarbeiter eine Vielzahl bewußter und spontaner Handlungen verstanden werden, die sich sowohl gegen das politische System des deutschen Imperialismus als auch gegen sein ökonomisches Potential oder auch einfach gegen das System des Terrors, des Hungers und der ständigen Todesdrohung richteten, dem die Zwangsarbeiter ausgesetzt waren. Zu den hauptsächlichen Formen ihres Widerstandes sind zu zählen: der Kampf ums Überleben, die Arbeitszurückhaltung und Arbeitsverweigerung, die Flucht, die Sabotage und die Kundschaftertätigkeit. Die Zwangsarbeiter, die aktiven Widerstand leisteten, reihten sich damit in die Front der Antihitlerkoalition ein und kämpften ebenso für ihre eigene Freiheit wie für die Befreiung ihres und des deutschen Volkes vom faschistischen Joch. Die ursprünglichste Form des Widerstandes unter den gegebenen Bedingungen war der Kampf ums Überleben, in erster Linie der Kampf gegen den von den Faschisten organisierten Hunger. In den Quellen zeugen hiervon beispielsweise die zahllosen Meldungen über „Diebstähle" von Kartoffeln, Rüben, Obst usw. und über die barbarischen Strafen, die dafür ausgesprochen und vollstreckt wurden. Es zeugen davon aber auch die vielfältigen Beweise der Solidarität deutscher Werktätiger, die Lebensmittel für Zwangsarbeiter besorgten, was unter nicht minder grausame Strafe gestellt war. Von vermutlich großem Umfang und erheblicher ökonomischer Bedeutung war die bewußte Arbeitszurückhaltung. Als dauerhafte, langfristige Form des Widerstandes war sie wirksamer als die verhältnismäßig seltenen Fälle von offener Arbeitsniederlegung oder Arbeitsverweigerung (Streik). Die Quellen über diese Form des Widerstands fließen bei weitem nicht so spärlich, wie angenommen werden könnte. Die von den Faschisten vielfach berechneten — einander durchaus widersprechenden — Zahlen über die niedrige Arbeitsproduktivität der Zwangsarbeiter (verschiedener Nationalität) sind freilich in dieser Beziehung wenig aussagekräftig, vor allem deswegen, weil nicht nur der Widerstand, sondern auch Hunger und Schwächezustand der Ausbeutung Schranken setzten. Doch die Beschwerden und Anzeigen der Rüstungsbetriebe wegen „Arbeitsbummelei", „passiver Resistenz" und „Nachlässigkeit" waren überaus zahlreich, wenn die Betriebsleitungen sich auch nicht immer über die tatsächliche Absicht der Zwangsarbeiter im klaren waren; so beklagte man im Flick-Konzern, daß die ausländischen Arbeiter die Hüttenarbeit „teilweise mit unglaublicher Nachlässigkeit, teilweise mit Ungeschick" verrichteten. 5 4 9 Arbeitszurückhaltung und Arbeitsverweigerung wurden ferner in verschiedenen mittelbaren und verdeckten Formen — wie Verheimlichen von Berufskenntnissen, Simulieren zwecks Krankschreibung, Selbstinfektion (z. B. Hervorrufen von Eiterungen, Ekzemen u. ä.) und sogar Selbstverstümmelung — ausgeübt. Doch auch eine Reihe von Streiks und streikähnlichen Vorfällen sind aus den Quellen bekannt, beispielsweise schon Anfang J u l i 1941 „Aufwiegelei und passive Resistenz" von 23 „Weißrussen" (sowjetische Kriegsgefangene) in einem Steinbruch, die daraufhin von 548 Wichtiges Material hierfür findet sich u. a. in Brodski, J. A., Im Kampf gegen den Faschismus. Sowjetische Widerstandskämpfer in Hitlerdeutschland 1941—1945, Berlin 1975; Seeber; Drobisch, Ausbeutung; Dieckmann, Existenzbedingungen; Schmelzer; DZW, Bd. lff. 549 Fall 5, S. 127, Dok. NI-3471, Mittelstahl/Flick KG an RüKdo Potsdam, 16. 11. 1943.

Exkurs: Widerstand der Zwangsarbeiter

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der Gestapo „in ein Konzentrationslager überführt" wurden; 5 5 0 im März 1942 erste Streiks von „Ostarbeitern" bei Mannesmann; 5 5 1 im April/Mai ein Streik von 59 gerade erst eingetroffenen sowjetischen Zwangsarbeitern in einem „sudetendeutschen" Rüstungsbetrieb, von denen neun flohen. 5 5 2 Mitunter wurden Arbeitszurückhaltung und Arbeitsverweigerung von Kriegsgefangenen durch Soldaten und Offiziere der Wachmannschaften aus den Kriegsgefangenenlagern geduldet und gedeckt, die sich nicht mit dem brutalen Antreiber-, Prügel- und Hungerregime der Rüstungskonzerne identifizierten. 5 5 3 Eine wichtige und verbreitete Form des Widerstandes der Zwangsarbeiter war die Flucht. 5 5 4 Sie war von den Herrschenden als innenpolitischer Unsicherheits- und Unruhefaktor besonders gefürchtet. 5 5 5 Im Sommer 1942 strebte die Zahl der flüchtigen Zwangsarbeiter einem Höhepunkt zu. Aus den Unterlagen der faschistischen Sicherheitsbehörden geht hervor, daß während der zweiten Hälfte des Jahres 1941 monatlich durchschnittlich rund 7500 Zwangsarbeiter als wiederaufgegriffen gemeldet wurden, daß hingegen von Mai bis August 1942 monatlich allein mehr als 6 5 0 0 flüchtige Polen verhaftet wurden. 556 Am höchsten waren die Zahlen der flüchtigen „Ostarbeiter" und Kriegsgefangenen. Aus einem einzigen Betrieb des Flick-Konzerns waren am 30. Juli 1942 von 380 „Ostarbeitern" bereits 104 geflohen und nur 34 davon wieder festgenommen worden. 557 Von Tabelle 43 Flucht ziviler sowjetischer Zwangsarbeiter April bis August 1942 Monat April Mai Juni Juli August (Schätzung)

Zahl der „Ostarbeiter" insgesamt 174000 447000 771000 979000

davon Flüchtige 2 059 5052 rd. 13000 22603

Wieder Festgenommene über

1 800 3474 10259 18924

rd. 30000

Quelle: BA Koblenz, R 58/1030, AN RSHA üb. d. Sitzung des „Arbeitskreises im RSHA" am 17. 9. 1942. Ferner wurden 9000 Polen als flüchtig angegeben. Die Zahlen (der festgenommenen „Ostarbeiter") liegen erheblich höher als die von Seeber (S. 223) nach den „Meldungen aus dem Reich" angeführten, es sei denn, es handelt sich dort, was unwahrscheinlich ist, nicht um kumulative, sondern um monatliche Zahlen. 550 551 552 553 554 555

556 557 20-

ZStA Potsdam, FS, Film 1781, Lagebericht d. R u i n X I I I (Nürnberg) v. 12. 7. 1941. Ebenda, Film 1737, Mannesmannröhren-Werke AG an R ü l n VI (Münster), 24. 3. 1942. Ebenda, Grelit Kunstharzpreßwerk an R ü l n IV (Dresden), 4. 5. 1942. Siehe die Beschwerden aus dem Ruhr-, Saar-, oberschlesischen, Kali- und Braunkohlenbergbau in BA Koblenz, R 3/1810, Sammelbericht (f. RMfRuK) v. 7. 12. 1943. Seeber (S. 222) bezeichnet die Flucht als „das verbreitetste Kampfmittel" der polnischen Zwangsarbeiter. Im RSHA nahm der Chef der Gestapo, SS-Gruppenführer Heinrich Müller, die Behandlung der Frage der „Arbeitsflucht" persönlich in die Hand (s. BA Koblenz, R 58/1030, AN RSHA üb. d. Sitzung des „Arbeitskreises im R S H A " am 17. 9. 1942). Seeber, S. 223. Drobisch, Ausbeutung, S. 95f. (betr. Maxhütte Unterwellenborn).

290

Die Arbeitskräftesituation

den Kriegsgefangenen im OKW-Bereich flohen allein im August 14583, darunter 5 3 9 5 sowjetische Gefangene; wiederergriffen wurden binnen vier Wochen 9814, darunter 2 3 7 4 sowjetische; von den 285 geflohenen sowjetischen Offizieren waren nur 38 wieder gefangen. 558 Im Jahre 1943 mehrten sich die Beschwerden der Rüstungskonzerne über Fluchtfälle unter „ihren" Zwangsarbeitern. Die führenden staatsmonopolistischen Institutionen der Rüstungsindustrie beantragten schärfere staatliche Maßnahmen, z. B . besondere Kennzeichnung aller Zwangsarbeiter und erweiterte Anwendung von „Arbeitserziehungs"maßnahmen. 5 5 9 Sie beanstandeten vor allem, daß den französischen und anderen Zwangsarbeitern Urlaub gewährt werden müsse, von dem „nur ein sehr geringer Prozentsatz" zurückkehre. 560 „So sind zum Beispiel", klagte die RGI im J a n u a r 1944, „von den letzten Franzosentransporten nur vier bis sechs Prozent zurückgekehrt". 5 6 1 Das Regime war ernsthaft dadurch beunruhigt, daß nicht wenigen Flüchtigen von deutschen Menschen Hilfe geleistet wurde, was größten Mut und hohe antifaschistische Gesinnung und Aktivität voraussetzte. „In letzter Zeit", so teilte der Justizminister dem O K W beispielsweise im J u l i 1942 mit, „häufen sich die Fälle, in denen in den (deutschen bzw. annektierten — D. E.) Ostgebieten entwichene russische oder polnische Kriegsgefangene aus Kreisen der Bevölkerung durch Gewährung von Unterkunft und Verpflegung unterstützt werden." 5 6 2 Es war gerade die Fluchtbewegung unter den Zwangsarbeitern, die die Faschisten zwang, in Deutschland einen Überwachungs- und Terrorapparat von zunehmender Größe zu unterhalten. Im Frühjahr 1943 sahen sie sich veranlaßt, mehrere Großfahndungen und Großrazzien nach flüchtigen Zwangsarbeitern zu unternehmen, zu denen Hunderttausende Menschen herangezogen wurden, darunter viele Zehntausende an bewaffneter Mannschaft. 5 6 3 Die Organisation dieser Menschenjagden erhielt bereits im Herbst 1942 ihre Umrisse im Reichssicherheitshauptamt: „Unter dem Druck der wachsenden Zahl von Arbeitsflüchtigen kann die Polizei das bisherige Fahndungssystem (nach) namentlich aufgeführten Einzelpersonen nicht mehr aufrechterhalten und sucht ein neues Verfahren einzuführen. Es schwebt folgender Plan vor: Partei und ihre Gliederungen geben der Polizei Hilfskräfte für die Aufstellung eines weitmaschigen Fahndungsnetzes ab. Dieses soll bestehen: 1. in einer verstärkten Zugkontrolle, 2. verstärkter Verkehrskontrolle auf den Straßen, Kraftfahrzeugen usw., 3. verstärkten Grenzkontrollen, 4. Streifendienst, 5. Schaffung sogenannter Riegelkontrollen (z. B. an größeren Flußläufen)." 5 6 4 Widerstandsformen hochentwickelten Charakters wie die Sabotage der Kriegsproduktion, die Kundschaftertätigkeit und die heimliche Bewaffnung der Zwangsarbeiter zu dem 558 BA Koblenz, R 41/173, Erlaß OKW („Betr. Fluchterlaß") v. 22. 9. 1942. 559 So die RVK (ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 455, Bl. 66f., Dok. NG-5701, Pleiger an GBA, 5. 8. 1943). 560 BA Koblenz, R 12 1/228, AN RGI v. 26. 1. 1944. 561 Ebenda. 562 Ebenda, R 22/951, RMdJ an OKW, 21. 7. 1942. 563 Seeber, S. 225. 564 BA Koblenz, R 58/1030, AN RSHA üb. d. Sitzung des „Arbeitskreises im RSHA" am 17. 9. 1942.

Exkurs: Widerstand der Zwangsarbeiter

291

Zweck, sich gegen die Unterdrücker zu erheben, setzten große Kühnheit und ein klares Bewußtsein voraus. Der Widerstand fand in diesen Formen aus begreiflichen Gründen u n t e r äußerster Geheimhaltung statt. Auf Sabotage standen Folter und Todesstrafe; also d u r f t e n der in der Waffe eingebaute Fehler oder die Beschädigung der Werkzeugmaschine möglichst nicht als Sabotagefall zu erkennen sein, mußten sich etwa als Materialfehler erklären lassen. Nichtsdestoweniger k a n n m a n von den in den Quellen faschistischer Provenienz, beispielsweise in den „Meldungen wichtiger staatspolizeilicher Ereignisse" des RSHA, als mehr oder weniger eindeutig erkannten Sabotagefällen auf die Verbreitung der Sabotage u n d auf ihre vielfältigen Erscheinungsformen schließen. Nicht selten finden sich in solchen Quellen sogar Namen und Herkunft der Widerstandshelden. In einer einzigen Nummer der genannten „Meldungen" wurde von dem 17-jährigen sowjetischen Zwangsarbeiter Zajcev aus Gobolinka (?) berichtet, er habe ein Rührwerk bei der Ruhrchemie AG, Oberhausen, beschädigt, indem er einen Pflasterstein in die Rührmasse warf; von der ebenfalls 17-jährigen Sachova aus Staravovka (?), die eine Zehn-Gramm-Schraube in den verschlossenen Gewichtskasten einer Munitionswaage legte; von Bir(n)jukov aus Saratov, der in den Heinkel-Flugzeugwerken in Rostock Sauerstoffleitungen an Kampfflugzeugen des Typs He 111 zerschnitt. 5 6 5 Die entscheidende historische Zäsur im Widerstandskampf der Zwangsarbeiter bildete der Antransport Hunderttausender sowjetischer Zwangsarbeiter im J a h r e 1942. Die Massendeportation von Angehörigen des sozialistischen Arbeiter- u n d Bauernstaates verlagerte einen Teil der gewaltsamen Klassenauseinandersetzung zwischen Kapitalismus u n d Sozialismus nach Deutschland selbst. 566 Der Widerstand erhielt in allen seinen Formen eine neue Dimension. Klassenbewußte und kampfentschlossene sowjetische Zwangsarbeiter h a t t e n herausragenden Anteil daran. Sie waren es vor allem, die illegale Organisationen schufen und alle Möglichkeiten zur Schädigung des faschistischen Feindes, insbesondere seiner Rüstungsproduktion, nutzten. Im J a h r e 1943 dehnte sich das illegale Netz der bedeutendsten dieser Organisationen, der „Brüderlichen Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen" (BSW), die eng mit der antifaschistischen deutschen Organisation „Antinazistische Deutsche Volksfront" zusammenarbeitete, von Süddeutschland über weite Teile Deutschlands aus. 567 Allgemeinen Aufschwung n a h m der Widerstand der Zwangsarbeiter nach der Wende des Krieges. „Ganz allgemein ist zu beobachten", stellten die Auslandsbriefprüfer 5 ® 8 in einem „Stimniungsbericht" vom 5. April 1943 fest, „daß der Ton der Briefe (der Zwangsarbeiter bzw. ihrer Angehörigen — D. E.) sich in den letzten Wochen geändert h a t . Frech und ganz unverhohlen äußert mancher seine Meinung, was er früher nie gewagt hätte." 5 6 9 Die Zwangsarbeiter begännen, „von der deutschen Niederlage zu reden . . . und davon, daß sie an manchen Orten ein zahlenmäßiges Übergewicht über die deutsche Bevölkerung

565 Ebenda, R 58/212, „Meldung wichtiger staatspolizeilicher Ereignisse", Nr. 3, 17. 12. 1943. Angaben über Sabotagehandlungen s. auch bei Seeber, S. 227 ff. u. S. 233 ff. 566 Siehe Dörr, S. 111. 567 Brodski, S. 369ff., S. 433ff. 568 Die Auslandsbrief-Prüfstellen waren Einrichtungen der Abwehrabteilung des OKW, die mit verschiedenen anderen staatlichen Dienststellen zusammenarbeitete. Ihre Auswertungsund Stimmungsberichte sind eine wertvolle Quelle (von Nov. 1941 bis Sept. 1943 zahlreich vorhanden in BA Koblenz, R 4 1 / 2 6 4 - 2 6 8 ) . 569 BA Koblenz, R 41/268, Stimmungsbericht f. März, 5. 4. 1943.

292

Die Arbeitskräftesituation

erlangen". 570 Einen Monat später hieß es: „Fälle von Sabotage mehren sich." 5 7 1 Öfters geschehe es, daß ein Zwangsarbeiter eine Maschine „absichtlich kaputt macht und sich noch dessen rühmt". 5 7 2 Im Sommer und Herbst 1943 drückten zahllose Briefe offen „eine wilde Freude" über die Ereignisse an der deutsch-sowjetischen Front und in Italien aus. 573 Die Entwicklung des Widerstandes der Zwangsarbeiter, seine Erfolge, seine Schwierigkeiten und seine Begrenztheit lassen sich freilich nicht allein aus sich selbst erklären, sondern standen in untrennbarem Zusammenhang mit dem Gesamtgeschehen in Deutschland, in den besetzten Gebieten und an den Fronten. Sie sind nicht isoliert zu begreifen und darzustellen, vor allem nicht ohne die Analyse der schreckenerregenden faschistischen Terrormaschinerie und ihrer Vervollkommung, ebenso aber auch nicht ohne Berücksichtigung der Hilfeleistung deutscher Menschen und des unablässigen Mühens der besten Kräfte der deutschen Arbeiterklasse um „die Herstellung einer brüderlichen Solidarität m i t den nach Deutschland verschleppten ausländischen Arbeitern und ihre Einbeziehung in den gemeinsamen Kampf". 5 7 4 570 571 572 573

Ebenda. Ebenda, Stimmungsbericht f. April, 5. 5. 1943. Ebenda. Ebenda, „Sonderstimmungsbericht" üb. die Post holländ. u. belg. Zwangsarbeiter, jeweils f. d. Zeit v. 1. 7. bis 31. 8. 1943. 574 Ulbricht, Walter, Die zunehmende Erschöpfung Deutschlands und die „neue Phase" der deutschen Wirtschaft (1942), in derselbe, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 2, Berlin 1953, S. 279.

Dietrich Eichholtz

Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945

Bandi: 1939-1941 Band II/1 und 2: 1941-1943 Band III/1 und 2: 1943-1945

Dietrich Eichholtz

Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1 9 3 9 - 1 9 4 5

Band II: 1941-1943 Mit einem Kapitel von Joachim Lehmann

Teil 2

K-G-Saur München 1999

Die vorliegende Ausgabe ist ein Nachdruck des von 1969 bis 1996 im Akademie - Verlag, Berlin, erschienenen dreibändigen Werkes, ergänzt durch ein Vorwort, Kritische Randbemerkungen und ein Gesamtregister: Band I: 3., durchgesehene Auflage 1984, Band II: 1985, Band III: 1996.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939 - 1945 / Dietrich Eichholtz. - Durch ein Vorw. und ein Gesamtregister erg. Nachdruck des dreibändigen Werkes, Berlin, Akad.-Verl., 1969 bis 1996. - München : Saur ISBN 3-598-11428-1 Bd. 2. 1941 - 1943 / mit einem Kapitel von Joachim Lehmann Teil 2.-(1999)

0 Gedruckt auf säurefreiem Papier © 1999 by K. G. Saur Verlag GmbH & Co. KG, München Part of Reed Elsevier Printed in the Federal Republic of Germany Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlags ist unzulässig Druck: Druckhaus Beltz, Hemsbach ISBN 3-598-11428-1 (5 Bände)

Übersicht zur Gesamtausgabe

BAND I Vorwort zur Gesamtausgabe 1999 Kritische Randbemerkungen (von Gustavo Corni) Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung zur dritten Auflage Vorwort Einleitung I Die wirtschaftliche Ausgangsbasis des deutschen Imperialismus für den zweiten Weltkrieg. Die Kriegsziele der deutschen Monopole II Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn III Kriegswirtschaftliche Schwierigkeiten und Ergebnisse 1939/40. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat IV Die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa V Die wirtschaftliche Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion Anhang Dokumente zur „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes" (1940, 1941) Bemerkungen zur Bibliographie Quellen- und Literaturverzeichnis

BAND n/1

Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis I Der Überfall des faschistischen deutschen Imperialismus auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen II Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts. Konzentration der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt III Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept des deutschen Imperialismus IV Die Arbeitskräftesituation. Zur Lage der deutschen Werktätigen und ausländischen Zwangsarbeiter

VI

Übersicht zur Gesamtausgabe B A N D H/2

Inhaltsverzeichnis V Rationalisierung und Kriegsproduktion VI Zur Kriegsziel- und Okkupationspolitik des deutschen Imperialismus VII Kapitalkonzentration und Kriegsprofit VIII Die deutsche Landwirtschaft im Kriege (von Joachim Lehmann) Anhang 1. Ausstoß-Übersicht 1940-1944: Waffen, Geräte und Munition 2. Ausschüsse und Ringe des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition (Stand Mitte Juli 1943) [Beilage] 3. Aufgabenverteilung beim Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion und Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan nach dem Erlaß über die Aufgabenverteilung in der Kriegswirtschaft vom 29. Oktober 1943 [Beilage] 4. Verzeichnis der Tabellen 5. Quellen- und Literaturverzeichnis B A N D III/l Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis I Das Krisenjahr 1944. Klimax und Verfall der kriegswirtschaftlichen Organisation II Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen III Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter (Studien) IV Zerfall des Okkupationssystems (Studien) B A N D ÏÏI/2 Inhaltsverzeichnis V Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg (von Berthold Puchen) VI Wirtschaftliche Vorbereitungen auf das Kriegsende und Nachkriegsplanungen (von Karl Heinz Roth) VII Agonie und Katastrophe 1945 VIII Die Kriegsfinanzierung (von Manfred Oertel) Anhang 1. Koautoren des Buches 2. Verzeichnis der Tabellen 3. Quellen- und Literaturverzeichnis Die von der Reichsschuldenverwaltung ausgewiesene Reichsschuld [Beilage] Register zur Gesamtausgabe

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL V

Rationalisierung und Kriegsproduktion 1. Rationalisierung in der Industrie a) Das Rationalisierungsprogramm der Rüstungsmonopole und seine Voraussetzungen b) Methoden der Rationalisierung Kohle Eisen und Stahl Waffen und Kriegsgerät Kraftfahrzeuge Maschinen Lokomotiven „Zivile" Produktion c) Zum Gesamtresultat der Rationalisierung

293 295 302 306 307 308 313 316 317 318 321

2. Die Entwicklung der Kriegsproduktion a) Vorbemerkung zur Statistik b) Waffen, Kriegsgerät, Kraftfahrzeuge Waffen Panzer Kraftfahrzeuge Flugzeuge Kriegsschiffe Munition „Wunderwaffen" c) „Sonderfragen der chemischen Erzeugung" Stickstoff: Pulver und Sprengstoff Treibstoff Synthetischer Kautschuk d) Grund- und Rohstoffe Kohle Der „Schlüsselrohstoff": Eisen und Stahl Nichteisenmetalle e) Maschinen, Bauten, Investitionen Maschinenbau Bauwesen Industrielle Anlageinvestitionen f) Konsumgüter g) Elektroenergie

327 330 330 333 337 339 342 342 346 348 350 353 356 357 357 361 366 371 371 377 381 384 389

KAPITEL VI Zur Kriegsziel- und Okkupationspolitik des deutschen Imperialismus 1. Das deutsche Finanzkapital und die Kriegszielplanungen nach dem 22. Juni 1941 a) Die „Neuordnungs"-Planung 1941/42 b) Der Eigentumsanspruch der Monopole und die sozialistischen Produktionsverhältnisse in der UdSSR

392 411

Inhalt

VIII c) Pläne f ü r die Amortisation der deutschen Kriegsschulden d) 1943: Alte und neue Illusionen Exkurs: Politische und ökonomische Hintergründe des „Generalplans Ost" .. 2.

3.

419 422 430

Studien zur Wirtschaftspolitik der Okkupanten in den besetzten Gebieten der UdSSR a) Stahl und Kohle (Dnepr-Donec-Gebiet) b) Erdöl (Kaukasus)

460 477

Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik a) Grund- und Rohstoffe b) Landwirtschaftliche Produkte c) Waffen und Kriegsgerät d) Clearingschulden und Besatzungskosten

490 492 499 505 509

K A P I T E L VII Kapitalkonzentration und Kriegsprofit 1.

2.

3.

Der Mechanismus der Profitmacherei a) L S Ö und Festpreissystem b) Abschreibungen c) Milliardengeschenke aus der Staatskasse (Investitionskredite, Subventionen, Steuerpolitik) d) Superprofite aus Zwangsarbeit

521 529

Konzentration von Kapital und Profit a) Unternehmensstatistik b) Die Dividendenabgabeverordnung vom 12. Juni 1941 c) Investitionen und „ursprüngliche Akkumulation" d) Führende Rüstungskonzerne

531 533 538 540

Gesamtprofit: 100 Milliarden

560

K A P I T E L VIII Die deutsche Landwirtschaft im Kriege (v. Joachim

513 513 520

Lehmann)

1.

Die Kriegsvorbereitung

2.

Die staatsmonopolistische Organisation der Kriegsernährungswirtschaft a) Von August 1939 bis 1941 /42 b) Von 1941/42 bis 1943 Die Produktionsbedingungen der Landwirtschaft und die Arbeitskräftesituation a) Betriebsgrößenstruktur b) Die landwirtschaftlichen Betriebe und ihre Produktionsmittel Bodennutzung Landmaschinen und Geräte Düngemittel c) Arbeitskräfte

592 593 594 594 596 603 608

Landwirtschaftliche Produktion a) Pflanzenproduktion b) Tierproduktion

616 629

3.

4.

570 579 580 584

IX

Inhalt ANHANG

1.

Ausstoß-Übersicht 1940 - 1944: Waffen, Geräte und Munition

2.

Ausschüsse und Ringe des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition [Beilage]

645

3.

Aufgabenverteilung beim Reichsminister f ü r Rüstung und Kriegsproduktion und Generalbevollmächtigter für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan nach dem Erlaß über die Aufgabenverteilung in der Kriegswirtschaft vom 29. Oktober 1943 [Beilage]

4.

Verzeichnis der Tabellen

670

5.

Quellen- und Literaturverzeichnis

677

KAPITEL V

Rationalisierung und Kriegsproduktion

1. Rationalisierung in der Industrie Als im Herbst 1941 die Blitzkriegsstrategie der deutschen Aggressoren endgültig scheiterte, erkannten die Verantwortlichen der deutschen Kriegswirtschaft sehr schnell, daß eingetreten war, was manche von ihnen seit langem befürchtet h a t t e n : daß nämlich auch ihr wirtschaftliches Blitzkriegskonzept in Scherben lag. Das Rezept, nach dem sie von nun an die Produktion in der Rüstungsindustrie auf einen längeren Krieg mit großem Verschleiß an Waffen und Kriegsgerät einzurichten entschlossen waren, hieß Rationalisierung oder — als Synonym im damaligen Sprachgebrauch — „Leistungssteigerung". Die Großbourgeoisie versteht unter Rationalisierung, wie Varga bemerkte, „alle Methoden, die zur Erhöhung des Profits eines Unternehmens führen". 1 Im engeren Sinne ist die kapitalistische Rationalisierung eine spezifische Erscheinung der monopolkapitalistischen Ökonomik im Zeitalter des Imperialismus u n d der Allgemeinen Krise des Kapitalismus. Diese Rationalisierung, „ein System von organisatorischen u n d technischen Maßnahmen, die auf einer bestimmten Stufe der kapitalistischen E n t wicklung ergriffen werden mußten, um durch die Veränderung der Organisation und Leitungsstruktur des Produktionsprozesses sowie der konkreten Formen der Ausbeutung (Ausnutzung der Arbeitszeit) der Arbeitskraft die Profite zu erhöhen", 2 entsteht unter dem Druck der nationalen und internationalen Konkurrenz des Großkapitals und h a t ihre „eigentlichen und tiefsten T r i e b k r ä f t e " 3 in der stark beschleunigten Entwicklung der Technik und ihrer wissenschaftlichen Grundlagen seit der zweiten Hälfte des 19. J a h r h u n d e r t s u n d in dem gleichzeitigen Übergang zum kapitalistischen Großbetrieb und zum Monopol. Dem Zwang, den bestehenden gewaltigen Produktionsapparat weiterzuentwickeln und effektiver auszunutzen, folgte das Kapital auf verschiedenen, miteinander kombinierten Wegen: der Anwendung von Ergebnissen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, der Ausschaltung wenig effektiver Produktionskapazitäten, der Erhöhung der Intensität der Ausbeutung und zeitweise auch der Arbeitszeitverlängerung. Gerade in den Jahren des zweiten Weltkrieges waren die deutschen Imperialisten „sogar bereit, zumindest kurz-

1 Varga, E., Wirtschaft und Wirtschaftspolitik. Vierteljahresberichte 1922—1939. Hrsg. v. Jörg Goldberg, Bd. 3, S. 1677, Inprekorr Nr. 102 v. 10. 8. 1926 (Reprint). 2 Kubitschek, Helmut, Zur kapitalistischen Rationalisierung und ihre Auswirkung auf die Qualifikationsstruktur der Arbeiterklasse in Deutschland (vom Übergang zum Imperialismus bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts), Wirtschaftswiss. Hab.-schrift, Berlin 1965, S. 15f. 3 Nussbaum, Manfred, Wirtschaft und Staat in Deutschland während der Weimarer Republik, Berlin 1978 { = Wirtschaft und Staat in Deutschland, Bd. 2), S. 168f.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

294

fristig zunächst, die physischen Grenzen des Arbeitstages für die deutschen Arbeiter zu überschreiten und dann langfristig die Arbeiterklasse unterjochter Länder hinzuopfern". 4 Die „negative" Variante der kapitalistischen Rationalisierung, 5 „ein besonderes Merkmal der Rationalisierung in der Periode des Niederganges des Kapitalismus", 6 schließt die Stillegung fixer Kapitalteile ein, z. B . die Schließung ganzer Unternehmenskomplexe und Werke m i t geringer Rentabilität und die „Gesundschrumpfung" ganzer Industriezweige, ohne Rücksicht auf d a s Schicksal der Arbeiter und Angestellten. Soweit hingegen die Produktionsfonds modernisiert werden und die Konzentration der Produktion in großen Betriebseinheiten fortschreitet, wird die Rationalisierung zu einer Hauptmethode der Durchsetzung des technischen Fortschritts und damit der Entwicklung der Produktivkräfte. Varga h a t im Hinblick auf die Ausbeutung der Werktätigen vier Grundbestandteile der kapitalistischen Rationalisierung herausgearbeitet: Erhöhung der Produktivität der Arbeit; Methoden zur Produktion von relativem Mehrwert (hierunter führt Varga die Standardisierung, Normung und Typisierung auf); Vergrößerung des absoluten Mehrwerts durch erhöhte Ausbeutung der Arbeitskraft (hierunter werden außer der „einfachen Verlängerung der Arbeitszeit" das Fließband und die Senkung der Akkordzeiten genannt); die Verschärfung der Ausbeutung durch einfache Lohnherabsetzung. 7 Kuczynski stellt — zweifellos auch für die von uns untersuchte Zeit — mit Recht fest, daß bisher noch nicht bestimmt werden kann, „wieviel von dieser steigenden Arbeitsleistung dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt, wieviel der Schließung veralteter Betriebe, wieviel der Arbeitshetze zuzuschreiben ist". 8 Unter den hier entwickelten Begriff der Rationalisierung fallen nicht ausgesprochene Revolutionen der Produktivkräfte, die Entstehung neuer Industrien, revolutionäre technische Innovationen. Diese führen weit über den Rahmen der Rationalisierung hinaus, stellen d a s Problem aber nach einer gewissen Zeit wieder neu, auf höherer Stufenleiter. Die Rationalisierung in einem weiteren Sinne wiederum — als die wichtigste Methode der kapitalistischen Unternehmen, die Produktionskosten zu vermindern und ihre Profitrate durch Einsparung von lebendiger Arbeit (von variablem Kapital) und von Produktionsmitteln (vor allem von zirkulierendem konstanten Kapital) j e Einheit des Produkts zu erhöhen — ist ein ununterbrochener Prozeß und zieht sich durch die gesamte Geschichte des Kapitalismus. Was wir im engeren Sinne als Rationalisierung definiert haben, zeichnet hingegen bestimmte historische Phasen kapitalistischer Entwicklung aus, die durch ein besonders großes Ausmaß, durch besondere Tiefe, durch ein besonders beschleunigtes Tempo dieses Prozesses und nicht zuletzt durch seine umfassende staatsmonopolistische Förderung charakterisiert sind. Die staatsmonopolistische Regulierung der Rationalisierung in Deutschland, eine Frucht des ersten Weltkrieges und schon damals auf die Normung und Standardisierung von Waffen und Waffenteilen gerichtet, 9 war seit den 20er Jahren ein für das Monopolkapital unentbehrliches Hilfsmittel zu dem Zweck, ganze Industriezweige und auch solche Rahmenbedingungen der kapitalistischen Produktion wie das Transport- und Nachrichtenwe4 Kuczynski, Alltag, Bd. 5, S. 153. 5 Mottek/Becker/Schröter,

S. 263.

6 Wie Anm. 1 (S. 1679). 7 Wie Anm. 1 (S. 1678). 8 Kuczynski, Alltag, Bd. 5, S. 165. 9 Nussbaum,

Manfred,

S. 168.

295

Rationalisierung in der Industrie

sen und die Elektrifizierung der Rationalisierung zu unterwerfen. Sie wurde durch halboffizielle Institutionen wie das Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit getragen und sollte der „Steigerung der Produktivität der deutschen Wirtschaft mit allen Mitteln" 1 0 dienen, um den deutschen Imperialismus wieder konkurrenz- und expansionsfähig zu machen. F ü r Tempo und Tiefe der Rationalisierung waren, wie schon Varga feststellte, „auch nicht rein ökonomische Momente von Wichtigkeit", 1 1 besonders politische Gesichtspunkte des Klassenkampfes und des internationalen Konkurrenzkampfes der imperialistischen Mächte. Der Krieg warf alle diese Fragen m i t äußerster Schärfe auf. Nach dem Scheitern der Blitzkriegsstrategie entschloß sich die herrschende Klasse zu einer Rationalisierungswelle von neuen Dimensionen.

a)

Das

und seine

Rationalisierungsprogramm

der

Rüstungsmonopole

Voraussetzungen

Die Rationalisierung in der deutschen Kriegswirtschaft seit 1941/42 wies wesentliche Unterschiede zur herkömmlichen Form und Methode der Rationalisierung auf. Wenn die Rationalisierung im Rahmen ganzer Industriezweige „ohne Rücksicht auf Konkurrenzfragen" 1 2 angestrebt wurde, so wäre das „in der Weimarer Republik undenkbar" 1 3 gewesen. Es war in erster Linie dem Druck der Verhältnisse zuzuschreiben, unter dem die herrschenden Kreise angesichts ihrer Niederlage vor Moskau standen. Es sei, so formulierte Hermann J . Abs, Vorstandsmitglied und Sprecher der Deutschen Bank, „wenig wichtig, was aus den einzelnen Betrieben würde, wichtig sei allein die Gewinnung des Krieges". 1 4 Stets ein Element des kapitalistischen Konkurrenzkampfes, durch diesen erzwungen und ihn ständig reproduzierend, sollte die Rationalisierung nun auf umfassender Stufenleiter, rasch, organisiert und koordiniert erfolgen. Rationalisierung in diesem Umfang bedeutete eine unter dem Zwang besonderer Umstände erfolgte zeitweilige Lösung bestimmter Widersprüche des Kapitalismus. Sie mußte mit den Auswirkungen der Konkurrenzgesetze in Widerspruch geraten und setzte eine durchgreifende staatsmonopolistische Regulierung voraus, schlagkräftig genug, um diesen Auswirkungen zu begegnen. Eine straff organisierte staatsmonopolistische Exekutive war zu schaffen, hinter der nötigenfalls die gesamte Zwangsmaschinerie des faschistischen Staates stand. Diese Voraussetzung für die Rationalisierung war zugleich Bedingung für die verschärfte Ausbeutung und Ausplünderung der Werktätigen sowie für die Verschlechterung der Lage vieler schwächerer Unternehmer, besonders aus den „zivilen" Produktionsbranchen; ganz zu schweigen von den Hunderten und Tausenden von stillgelegten Betrieben. Die ökonomische Grundlage für die Regulierung der genannten Auswirkungen, d. h. für ihre zeitweilige Aufhebung, bildete der reichliche Profitsegen aus der Staatskasse, der unter Umständen großzügige und für alle beteiligten Rüstungsunternehmen lukrative 10 Veröffentlichungen des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, H. 8, Oktober 1919, S. 28, zit. bei Nusshaum, Manfred, S. 171. 11 Wie Anm. 1 (S. 1679). 12 ZStA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 21 078, Bl. 153; ProtokoU der Tagung des RheinischWestfälischen Beirats der Deutschen Bank am 15. 4. 1942 (Rede von Hermann J . Abs). 13 Neumann, S. 634. 14 Wie Anm. 12.

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Rationalisierung und Kriegsproduktion

Regelungen der zahllosen Streitfragen und Beschwerden ermöglichte. Vielfältige Auseinandersetzungen und Probleme rief beispielweise schon die Übertragung bestimmter Produktionsaufträge oder Zulieferungen von einer Rüstungsfirma an eine andere hervor, bei denen es um Patentfragen, um Produktionsgeheimnisse und um Spezialverfahren gingDie bedeutende Steigerung der Produktion und der Arbeitsproduktivität, die mit der Rationalisierung verbunden war, brachte den deutschen Werktätigen, voran der Arbeiterklasse, Überarbeit und erhöhte Arbeitshetze und kostete sie — da es sich um Produktion f ü r die Verlängerung des Krieges handelte — Ströme von Blut und Tränen. Deutsche Arbeiter und ausländische Zwangsarbeiter erlebten den tödlichen Fluch einer organisierten, breit angelegten kapitalistischen Rationalisierung, die ausschließlich der Fortsetzung des imperialistischen Krieges diente. Die Millionen Arbeiterund Angestellten, die die Rationalisierung unter „normalen" kapitalistischen Bedingungen in Arbeitslose verwandelt hätte, wurden „freigesetzt" für den imperialistischen Krieg und marschierten in die Schützengräben und Massengräber. Insgesamt blieb die Arbeitskräftebilanz des deutschen Imperialismus angesichts der extremen Kriegskonjunktur und der Masseneinberufungen zur Front negativ und wurde nur durch den Zwangseinsatz von Millionen ausländischer Arbeitskräfte ausgeglichen. Schließlich blieb der Fortschritt in der Entwicklung der Produktivkräfte, sonst ein wesentliches Moment der kapitalistischen Rationalisierung, abgesehen von der Produktion von Waffen und Kriegsgerät, also von Destruktivkräften, 1 5 gering und stand in keinem Verhältnis zu dem volkswirtschaftlichen Gesamtverlust, den die Verlangsamung bzw. der Stillstand der Produktivkräfteentwicklung in weiten Teilen der Wirtschaft mit sich brachten. 1 6 Die Initiative zur durchgreifenden Rationalisierung der Rüstungsindustrie ging im Spätherbst 1941 in erster Linie von Minister Fritz Todt und den um die Reichsgruppe Industrie gruppierten führenden Rüstungsmonopolen aus, die sein Ministerium stützten und das System der Ausschüsse und Arbeitsgemeinschaften von Anfang an getragen hatten. 1 7 Die Erfahrungen aus ihren „Experimenten in der Munitionsindustrie" 1 8 waren bereits 1940/41 in begrenztem Umfang auch bei der Produktion von Panzern, Artillerie und 15 Mottek/Becker/Schröter, S. 4 6 f f . 16 Eine genauere (vergleichende) Analyse der Wirkungen von Rüstung und Krieg auf die Entwicklung der Produktivkräfte steht noch aus. 17 Siehe Band I, S. 121 ff. — Neumann (S. 301f.) bemerkt mit Recht, daß die „Generalbevollmächtigten" des Vierjahresplans schon i n den Vorkriegsjahren wichtige Rationalisierungsfunktionen im Hinblick auf den kommenden Krieg hatten. Ende 1938 entwickelte der VDI „Gedanken über zweckmäßige Maßnahmen zur Rationalisierung" und entsprechende organisatorische Vorschläge, die bereits die Idee der im Kriege unter Todt und Speer ins Leben gerufenen Ausschüsse und Ringe enthielten (ZStA Potsdam, FS, Film 375, Memo v. 6. 12.1938). Ludwig kennt diese Denkschrift offenbar nicht, orakelt aber unter Ablehnung einer exakten Klassenanalyse darüber, daß sich im Ministerium Todt und „im gesamten Ausschußsystem ... von Anfang an eine starke Abhängigkeit von jener technischen Gemeinschaftsarbeit' bemerkbar (machte), die zum Wesen idealtypischer Ingenieurtätigkeit gehört". (Ludwig, Technik, S. 360 u. ff.). 18 Milward, Kriegswirtschaft, S. 58. — Milward häuft Lob und „Anerkennung" auf den Faschisten Todt, der als „sehr fähiger und tüchtiger Minister" Deutschlands Übergang zur Kriegswirtschaft veranlaßt habe (ebenda, S. 55), und läßt die entscheidende Rolle der Rüstungsmonopole völlig im Dunkeln.

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H a n d f e u e r w a f f e n a n g e w a n d t worden. I m L a u f e des J a h r e s 1941 g a b es Versuche d e r N a c h a h m u n g a u c h in anderen S e k t o r e n der R ü s t u n g . D a v o n a n g e r e g t w a r e n sicherlich a u c h die „ G e d a n k e n des F ü h r e r s " , die H i t l e r u n m i t t e l b a r v o r dem Ü b e r f a l l auf die U d S S R ü b e r die „ B e v o r z u g u n g p r i m i t i v e r M a s s e n f e r t i g u n g g e g e n ü b e r hochleistungsfähigen M a s c h i n e n " sowie d a r ü b e r äußerte, d a ß die K o n s t r u k t i o n von W a f f e n u n d G e r ä t „ z u k o m p l i z i e r t u n d ü b e r z ü c h t e t " sei. 1 9 Die B i l d u n g einer P a n z e r k o m m i s s i o n beim R e i c h s m i n i s t c r f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition (21. J u n i 1941), die B e r u f u n g eines I n d u s t r i e r a t s f ü r die L u f t r ü s t u n g (14. M a i 1941) m i t Industrieringen ( A u g u s t 1941), die N e u o r g a n i s a t i o n der Dienststelle des Generalluftzeugmeisters (4. O k t o b e r 1941) und der A u f b a u einer s t a a t s m o n o p o l i s t i s c h e n Organisation a u c h beim „ G e n e r a l b e v o l l m ä c h t i g t e n f ü r d a s N a c h r i c h t e n w e s e n " , General E r i c h Fellgiebel, m i t Ringen, R e f e r a t e n u n d einem industriellen B e i r a t ( N o v e m b e r / D e z e m b e r 1941) waren — v o r l ä u f i g nicht koordinierte — S e h r i t t e in der R i c h t u n g , die P r o b l e m e der R a t i o nalisierung in u m f a s s e n d e r e r Weise u n d in engster V e r f l e c h t u n g zwischen R ü s t u n g s m o n o polen u n d S t a a t s a p p a r a t bzw. W e h r m a c h t f ü h r u n g zu lösen. 2 0 A u s l ö s e n d e s Moment f ü r eine u m f a s s e n d e R a t i o n a l i s i c r u n g s k a m p a g n e war der E r l a ß H i t l e r s v o m 3. D e z e m b e r 1941 ü b e r die „ V e r e i n f a c h u n g u n d L e i s t u n g s s t e i g e r u n g unserer R ü s t u n g s p r o d u k t i o n " , d e r v o m M u n i t i o n s m i n i s t e r mitentworfen worden w a r . 2 1 H i t l e r v e r l a n g t e in d e m v o n E i l b e d ü r f t i g k e i t diktierten E r l a ß eine allgemeine „ U m s t e l l u n g auf die M a s s e n f e r t i g u n g " , durch die allein die „ R a t i o n a l i s i e r u n g unserer F e r t i g u n g s m e t h o d e n " e r r e i c h b a r w ä r e ; d a d u r c h könne m a n „ R o h s t o f f e , gelernte K r ä f t e u n d Zeit s p a r e n " . Zu d i e s e m Zweck sollten die K o n s t r u k t i o n e n v o n W a f f e n u n d G e r ä t „ b i s ins einzelne" vere i n f a c h t u n d die A b n a h m e b e d i n g u n g e n „ b e s o n d e r s in Toleranzen b e i Teilen von W a f f e n u n d G e r ä t e n " gelockert werden. „ G r u n d s ä t z l i c h ist der Zweckmäßigkeit, d e r leichten Hers t e l l b a r k e i t sowie d e m E i n s p a r e n an Material der V o r r a n g zu g e b e n " . Der E r l a ß enthielt, b e i L i c h t e besehen, einen a n die R ü s t u n g s d i e n s t s t e l l e n der W e h r m a c h t teile gerichteten K a t a l o g von F o r d e r u n g e n d e r Piüstungsmonopole, die all d a s beseitigt sehen wollten, was einer e f f e k t i v e n u n d p r o f i t a b l e n M a s s e n p r o d u k t i o n im Wege s t a n d . Die I n d u s t r i e , deren S a c h v e r s t ä n d i g e g e m ä ß E r l a ß „schon b e i d e r E n t w i c k l u n g der W a f f e n und G e r ä t e " zu beteiligen waren, sollte in u m f a s s e n d e r Weise zu Vorschlägen f ü r „ P r o d u k t i o n s v e r b e s s e r u n g e n " a u f g e f o r d e r t werden, d i e die B e h e b u n g „offensichtlich technischer Mängel u n d S c h w ä c h e n " der W a f f e n k o n s t r u k t i o n e n b e t r a f e n ; g a n z i m S i n n e d e r R ü s t u n g s 19 Z S t A Potsdam, F S , Film 2313, AN O K W / W F S t b / A b t . L v. 21. 5. und Vortragsnotiz v. 29. 5. 1942. 20 Siehe S. 12f., S. 32 u. S. 5 2 f . ; ferner Band I, S. 128f. 21 A m 14. 11. 1941 (oder früher) verlangte Hitler von Keitel die Vorlage eines Entwurfs für einen „Führerbefehl" über Massenfertigung, Vereinfachung der Rüstungsproduktion, Einsparung von Facharbeitern usw. (ZStA Potsdam, F S , Film 1742, Keitel an Thomas, 14. 11. 1941) auf Grund der „täglichen eindringlichen Erörterungen auf dem Rüstungsgebiet" (ebenda, Keitel a n Thomas, 17. 11. 1941). Todt wirkte maßgeblich mit (s. z. B . ebenda, „Alte von Dr. Todt nicht anerkannte Fassung", o. D.). Keitel war bereit, Verantwortung und Vollmachten aus dem Erlaß weitgehend Todt zu überlassen: „Ich will mich nur auf die Gutachten und Forderungen des Reichsmin. f. B. u. M. stützen und seine Vorschläge in Befehle (an die WT/Waffenämter — D. E.) umsetzen". (Ebenda, hs. AN Keitel f. Thomas, o. D.). Todt apostrophierte den Erlaß später vor dem Großen Beirat der RGI zwar als „genialen Befehl" Hitlers, „den er selbst entworfen und mehrfach umdiktiert h a t " (B A Koblenz, R 13 1/654, Rede am 13. 1. 1942), ließ aber gerade durch diese Formulierung keinen Zweifel an seiner eigenen Beteiligung. Siehe auch S. 35 f.

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konzerne wurde die „möglichste Vereinfachung der einzelnen Konstruktionselemente zugunsten einer leichten, zur Massenfertigung geeigneten Bearbeitungsweise, äußerste Ausdehnung der Normung aller Einzelteile" und der Verzicht der Wehrmachtstellen auf „überspitzte Forderungen" und auf „übersteigerte Fabrikationsauflagen und Abnahmebedingungen" verlangt. Der Erlaß sanktionierte grundsätzlich „die Zuteilung und Konzentration der Aufträge an die jeweils für den gegebenen Zweck besteingerichteten und a m wirtschaftlichsten arbeitenden Betriebe". Von großer Tragweite war schließlich die — tief in die Kompetenzen besonders des Reichswirtschaftsministers eingreifende — Anweisung, die Rationalisierungsarbeiten des Munitionsministeriums via Arbeitsgemeinschaften „auf das gesamte sonstige Kriegsgerät — vor allem auch auf d a s allgemeine Wehrmachtsgerät, das bisher noch außerhalb einer solchen Überprüfung steht — auszudehnen". Damit war dem Ileichsminister für Bewaffnung und Munition, der neben dem Chef des O K W für die Durchführung des Erlasses verantwortlich war, ein „Freibrief für die Durchrationalisierung der I n d u s t r i e " 2 2 ausgestellt worden. J e t z t war der Moment gekommen, die Rationalisierungskonzeption der hinter dem Munitionsministerium stehenden führenden Kreise des Monopolkapitals zu realisieren. Der Reichsminister für Bewaffnung und Munition und die Reichsgruppe Industrie gingen unverzüglich daran, den Erlaß Hitlers zur Stärkung ihrer eigenen staatsmonopolistischen Positionen auszunutzen. Welche Macht diese Gruppierung verkörperte, zeigte sich nicht zuletzt darin, daß sie ihre Vorstellungen von der Rationalisierung binnen kürzester Frist durchsetzte, auch gegen den Widerstand, der in erster Linie von maßgebenden Kreisen der Wehrmacht, der faschistischen Partei und besonders der D A F geleistet wurde. 2 3 Mit seinem Erlaß vom 22. Dezember 1941 über die „Selbstverantwortung der Rüstungswirtschaft" begann T o d t mit der „Anpassung" der staatsmonopolistischen Organisation in der Rüstungsindustrie an die „Notwendigkeit einer bedeutend stärkeren Rationalisierung". 2 4 Am nächsten T a g gab der Minister bereits genaue „Ausführungsbestimmungen zum Führerbefehl vom 3. 12. 1941" heraus. 2 5 Danach hatten die Rüstungsausschüsse und Sonderausschüsse „Bestarbeitspläne unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Fertigungseinrichtungen der Industrie für alle Geräte auszuarbeiten" und dem Minister „laufend einzureichen". Todt rief die Ausschüsse dazu auf, die Produktion der einzelnen Waffen und Geräte „zusammenzulegen", d. h. in den „Bestbetrieben" zu konzentrieren und das Typenprogramm der Rüstungsfirmen allgemein zu bereinigen. Vor allem sollten die erwähnten Vorschläge zur „Produktionsverbesserung" und Konstruktionsvereinfachung aus den Rüstungsfirmen eingefordert und von den Sonderausschüssen vorgeprüft werden. Zu diesem Zweck hatten die Sonderausschüsse Arbeitsbüros „ a u s einigen für das betreffende Fachgebiet besonders befähigten Fertigungsfachleuten und Konstrukteuren der Industrie" zusammenzustellen; Techniker der Wehrmachtdienststellen waren lediglich „von Fall zu Fall an den Prüfungsarbeiten zu beteiligen". Die so geprüften Vorschläge gingen an den Minister, der sie einem von jedem Hauptausschuß zu schaffenden zentralen Arbeitsbüro zuleitete. In diesen zentralen Arbeitsbüros waren „die besten Fachleute der betreffenden Produktionszweige vereinigt". 2 6 Die Hauptaus22 Zumpe, S . 339.

23 24 25 26

Vgl. - auch für das Folgende - S. 48 ff. ZStA Potsdam, FS, Film 2312, RErl. RMfBuM v. 22. 12. 1941. Ebenda, RErl. RMfBuM v. 23. 12. 1941. Anatomie des Krieges, S. 379, Dok. 194, Bericht OKW/WiRüAmt v. 9. 2. 1942 üb. d. Tagung der Hauptausschüsse v. 6. 2. 1942.

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schüsse h a t t e n schließlich „diejenigen Anweisungen auszuarbeiten, die zur Durchführung dieser Maßnahmen erforderlich" waren. Sie wurden vom OKW im militärischen Bereich und vom Munitionsminister im Bereich der Produktion in Kraft gesetzt. Am 29. Dezember drängte Todt noch einmal darauf, „mit aller Beschleunigung" vorzugehen. 27 Neben dem Heereswaffenamt in der Berliner Jebensstraße entstand eigens f ü r die Arbeitsbüros der Hauptausschüsse ein provisorischer Barackenkomplex, in dessen f ü r Vorführungen u n d Ausstellungen vorgesehener Halle über die Vorschläge der Arbeitsbüros bzw. die Anweisungen der Hauptausschüsse „in persönlicher Aussprache zwischen den Vertretern des Heereswaffenamtes und der Industrie" möglichst eine sofortige Einigung herbeigeführt werden sollte. 28 Die Hauptausschüsse begannen ohne Verzug m i t der Arbeit und legten Anfang Februar 1942 bereits Konzeptionen f ü r eine Rationalisierung ihrer Produktionsgebiete vor. Im Verlauf von dreitätigen Berichterstattungen und Beratungen „wurden dem Minister (Todt — D. E.) a n h a n d von zahlreichen Musterstücken und umfangreichen Ausarbeitungen sowie graphischen Vergleichen Anregungen und Vorschläge gemacht, die sowohl auf dem Gebiet der Fertigung als auch der Konstruktion bedeutende Einsparungen an Material u n d Arbeitskräften bringen und so zu einer beträchtlichen Leistungssteigerung beitragen werden". 2 9 T o d t machte auf dieser Tagung (4./5. Februar) „richtungsweisende" 30 Ausführungen über die Lage. Zur Wehrmacht würden eine Million Soldaten eingezogen, d a r u n t e r rund acht Prozent der Rüstungsarbeiter. Zugleich müsse die Heeresrüstung „wieder auf große Mengen gebracht werden". Das „Schwergewicht der Lösung" des Problems liege „in der Rationalisierung der Fertigung. In der Industrie liegen noch gewaltige Reserven, die durch innere Rationalisierung mobilisiert werden können. Wenn alle Arbeitskräfte und Maschinen auf die Bestleistung gebracht sind, dann ist eine Mehrproduktion erreicht, die über das verlangte Programm hinaus noch einen Überschuß schafft. Dieser Überschuß muß vorgesehen werden. Die Front kann noch weiteren Ersatz an Menschen nötig haben. ... Die Maßnahme, die zum Ziel führen wird, ist die Ausschaltung der teuersten Betriebe, d. h. der Betriebe m i t dem höchsten Aufwand an Stunden f ü r eine bestimmte Arbeit. ... Die Unterschiede im Preis für ein Gerät sind groß. Der l(eichte) Gr(anat)W(erfer) wird zu einem Preis von 300,— RM bis 600,— RM hergestellt. Die Produktion muß auf die Betriebe, die n u r 300,— RM brauchen, konzentriert werden. Im Erfahrungsaustausch m u ß der teure Betrieb verbessert werden. Kann er es nicht schaffen, so müssen ihm Arbeitskräfte und Maschinen entzogen werden und dem billigen Betrieb überwiesen werden. Es kommt einer Verstümmelung der deutschen Arbeitskraft gleich, wenn man eine 100-prozentige Arbeitsk r a f t durch unzureichende Betriebseinrichtung und mangelhafte Betriebsführung nur zu einer 50-prozentigen Leistung bringt. Der leistungsfähige Arbeiter muß heraus aus dem ungesunden Betrieb." Wilhelm Zangen trug wenige Stunden später die gleichen Gedanken dem Beirat der RGI vor und betonte, „daß die gesamte Industrie als Rüstungsindustrie zu gelten habe". 3 1 27 ZStA Potsdam, FS, Film 2312, Todt an Zangen, 29. 12. 1941. 28 Ebenda, „Zusammengefaßte Ausführungen" Todts in den Besprechungen mit d. Hauptausschüssen und dem HWA am 4. u. 5. 2. 1942. 29 Wie Anm. 26. 30 ZStA Potsdam, FS, Film 2312, Anschreiben des HA „Wehrmachtsgerät" vom 2. 3. 1942 zu den „Zusammengefaßten Ausführungen" Todts am 4. u. 5. 2. 1942 (s. Anm. 28); im folgenden werden die Ausführungen Todts zitiert. 31 Anatomie des Krieges, S. 377, Dok. 193, AN üb. d. Sitzung des Beirats der RGI am 5. 2. 1942.

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Er forderte,die Rationalisierung überall schleunigst und „auch gegen enorme Widerstände energisch durchzuführen. Es müsse radikal auf die besten Betriebe hinrationalisiert werden ... Zangen drängt auf äußerstes Tempo und wendet sich gegen bürokratische Methoden. Todt verlange rücksichtsloseste Zielerfüllung, wofür er jede Vollmacht geben will." 32 In der Diskussion formulierte Karl Lange, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau und Leiter des Hauptausschusses Maschinen, in Kürze, worum es ging: „Erste Etappe: Typenbeschränkung. Zweite Etappe: Bereinigung des Fertigungsprogramms der einzelnen Firma und Abstimmung auf die übrigen Firmen. Dritte Etappe: Völlige Umstellung der Fertigung oder Stillegung." 3 3 In seinen wesentlichen Grundlagen war damit das Programm der Rationalisierung der Industrie vom Pieichsminister für Bewaffnung und Munition und dem Apparat der „Selbstverantwortung" der Rüstungsindustrie, maßgeblich unterstützt von der Leitung der RGI, vorgezeichnet. Die wichtigsten Methoden und Maßnahmen der Rationalisierung im Maßstab von ganzen Industriezweigen waren festgelegt und erprobt; die Grundpfeiler des staatsmonopolistischen Regulierungsapparates waren in Gestalt der Hauptausschüsse geschaffen; das Festpreissystem 3 4 Stimulieric unmittelbar und wirksam jeden Rationalisierungserfolg. Todt hatte gleich am Tage nach der die erwähnte „Rationalisicrungsschau" abschließenden ausführlichen Besprechung mit den llauptausschüssen vom 6. Februar Hitler über die bisherigen Ergebnisse der Rationalisierung berichtet, ihm vermutlich sein Gesamtkonzept vorgestellt und weitere Vollmachten gefordert. Nach seinem Unfalltod witterten die konkurrierenden Kräfte und Gruppierungen der herrschenden Klasse unter Führung Görings die Chance, dem Munitionsministerium seine Führungsrolle streitig zu machen und die Konzentration der Rcgulierungsgewalt bei ihm zu verhindern. Der neue Minister aber, sekundiert von Vogler und Zangen, setzte sich durch und erhielt jene weitgehenden Vollmachten von Hitler, die anscheinend schon Todt verlangt hatte. Die Wehrmachtführung, vor allem die drei Wehrmachtteile, und das Reichswirtschaftsministerium erkannten die Entscheidungsbefugnis des Munitionsministers und seiner „Sclbstverantwortungs"organisation in der Vereinbarung vom 18. Februar prinzipiell a n ; Göring t a t dies am 1. März, indem er Speer zum GB Rüst ernannte. Dem folgte ein rascher Ausbau des staatsmonopolistischen Regulierungsapparats. Ausschüsse und Ringe erhielten alle nötigen Vollmachten, die Rationalisierung in eigener Regie durchzuführen. Am 20. Februar legte der Munitionsminister in einem Erlaß an die Leiter der Hauptausschüsse ausdrücklich als Direktive fest: „Der Durchführung der Betriebsvergleichsuntersuchungen und der Aufstellung der Bestarbeitspläne kommt vordringlichste Bedeutung zu." 3 5 Der Erlaß ordnete den Hauptausschußleitern zwecks Beschleunigung der notwendigen Verhandlungen je einen Vertreter des Ministeriums und des Heereswaffenamtes bei. In dem Erlaß über den Verantwortungsbereich und die Geschäftsordnung der „Selbstverantwortungsorgane (Ausschüsse und Ringe) in der Rüstungswirtschaft" vom 20. April 1942 beauftragte der Munitionsminister die Ausschüsse und Ringe, „bei den ihnen angeschlossenen Firmen und Betrieben bzw. Betriebsabteilungen die zweckmäßigste Unter32 33 34 35

Ebenda, S. 378. Ebenda. Siehe S. 514 ff. ZStA Potsdam, FS, Film 2312, RErl. v. 20. 2. 1942.

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bringung und Durchführung der Aufträge auf rationellstem Wege mit geringstem Aufwand an Rohstoffen und Arbeitskräften und mit bester Ausnutzung der Kapazitäten sicherzustellen. Sie haben die Fertigungen durch technische und organisatorische Mittel zu vereinfachen und die höchstmöglichen Leistungen zu erzielen." 3 6 Sie hatten für die Konzentration der Produktion in den „Bestbetrieben" zu sorgen, bei Betriebsvergleichen und Erfahrungsaustausch „alle kleinlichen Rücksichtnahmen privatwirtschaftlicher Geheimniskrämerei" 3 7 beiseitezuräumen, eine moderne Serienfertigung durchsetzen und in ihrem gesamten Verantwortungsbereich „Höchstleistungen von Mensch und Maschine" 3 8 anzustreben. Die Leiter der Ausschüsse und Ringe wurden ausdrücklich angewiesen, „in Zukunft nicht den Versuch zu machen, nur durch ihre Überzeugungskraft ihr Ziel bei den Firmen zu erreichen", sondern „durch klare Weisungen und Befehle an die Industrie". 3 9 Die einheitliche staatsmonopolistische Regulierung des Rationalisierungsprozesses wurde im wesentlichen in den ersten Monaten des Jahres 1942 durchgesetzt und war durch die umfassenden Machtbefugnisse des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition unter Speer gewährleistet. Sie entwickelte sich nach Maßgabe der fortschreitenden Zentralisierung der Regulierungsgewalt bei diesem Ministerium in den Jahren 1942 bis 1944 zu einem immer vollständigeren System. Die Rationalisierung selbst war in ihren Fortschritten sowohl von diesem Zentralisationsprozeß als auch unmittelbar von den militärisch-politischen Ereignissen und Wendungen abhängig. So setzte nach der Niederlage von Stalingrad eine neue Rationalisierungswelle ein, als deren Schwerpunkte der Munitionsminister eine weitaus schärfere Konzentration der Rüstungsproduktion auf die „Bestbetriebe", ausgedehnte Schließungen von Betrieben zwecks Gewinnung von (Fach-)Arbeitskräften und die weitere Vereinfachung und Vereinheitlichung von Konstruktion und Technologie mit Hilfe der Entwicklungskommissionen benannte. 40 Im Herbst 1943, nach der Übertragung der Kompetenzen des Reichswirtschaftsministeriums auf das Rüstungsministerium, wurde endgültig die gesamte Konsumgüterindustrie in den forcierten Rationalisierungsprozeß einbezogen. Bezeichnend für die Bedeutung, die der Rüstungsminister und die tonangebenden Monopole dem beimaßen, war die Ernennung von Georg Seebauer, dem Präsidenten des Reichskuratoriums für Wirtschaftlichkeit, zum Leiter des Produktionsamtes für Verbrauchsgüter im Rüstungsministerium und zugleich zum Leiter des Reichsausschusses für Leistungssteigerung. Nach Konzeption und erreichtem Umfang stellte die Rationalisierung in der deutschen Industrie von 1942 bis 1944 etwas Einmaliges in der Geschichte des deutschen Imperialismus dar. Wenn auch mit unterschiedlichem Realisierungsniveau — je nach Kriegswichtigkeit des Produktionssektors und je nach dem Grad der Monopolisierung des Industriezweiges —, so setzte sich in der deutschen Kriegswirtschaft unter dem Zwang der Kriegslage, die die Entscheidung über Sein oder Nichtsein des deutschen Faschismus und Imperialismus in sich barg, doch die neue Qualität einer staatsmonopolistisch regulierten Rationalisierung im gesamtindustriellen Maßstab durch. 36 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 3, 6. 5. 1942, Anl. 1, l . DVO zum Erlaß R M f B u M „An die Führung der Ausschüsse und Ringe" (6. 5. 1942). 37 B A Koblenz, R 13 1/1012, RErl. R M f B u M betr. Erfahrungsaustausch v. 23. 3. 1942. 38 Wie Anm. 12. 39 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 3, 6. 5. 1942, Erlaß RMfBuM „An die Führung der Ausschüsse und R i n g « " v. 6. 5. 1942. 40 Vgl., auch für das Folgende, S. 124 ff. u. S. 146ff.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

302 b) Methoden

der

Rationalisierung

Erklärter Zweck der Rationalisierung war die möglichst rasche Steigerung der Kriegsproduktion bei abnehmender Zahl der Arbeitskräfte. Mit diesem primär militärisch-politisch motivierten Hauptziel war aufs engste das Ziel der Profitsicherung und -maximierung, in erster Linie für das Groß- und Rüstungskapital, verknüpft. Die Vielfalt der Methoden und Formen der Rationalisierung wird im konkreten zu zeigen sein. Als besonders wirksam im Hinblick auf die Steigerung der Rüstungsproduktion erwiesen sich der Übergang zu größeren Serien und, in diesem Zusammenhang, vielfach zur Fließfertigung, flankiert und abgesichert durch die Entscheidungsbefugnis des Munitionsministers in Konstruktionsfragen, der Übergang der Auftragsverteilung an die Ausschüsse und Ringe, die Konzentration der Produktion auf die „Bestbetriebe" und der „Erfahrungsaustausch"; ferner, im Bereich der gesamten Industrie, Typenbeschränkung 4 1 und Materialeinsparung. Eine weniger bedeutende Rolle spielte dagegen die Standardisierung (Normung und Typisierung); auf diesem Gebiet gab es offenbar keine besonders raschen und spektakulären Erfolge. Die Standardisierung ist nicht m i t der Typenverminderung in dem während des Krieges überwiegend praktizierten Sinne zu verwechseln, obwohl zwischen ihnen keine absolute Scheidelinie verlief. Die Standardisierung beinhaltet vor allem die Vereinheitlichung und damit Austauschbarkeit von Grundbestandteilen und von Zubehörteilen der Produktion innerhalb eines Industriezweiges, wobei die Sortimentsvielfalt der Endprodukte der betreffenden Industrie durchaus beibehalten werden kann. In hochentwickelten und hochmonopolisierten Industrien wie etwa der Elektroindustrie hatten die führenden Monopole und die von ihnen dominierten technischen Verbände im Laufe langer J a h r e bereits einen hohen Grad der Standardisierung durchgesetzt. W e i t geringer waren dieser Grad und größer der aus der Konkurrenz erwachsende Widerstand beispielsweise in der Fahrzeugindustrie. Die wichtigste Forderung der Militärs an die Standardisierung war schon im ersten Weltkrieg gewesen, die „schnelle Auswechselung gleichartiger Ersatz- und Zubehörteile" 4 2 von Waffen und Kriegsgerät durch Vereinheitlichung von Teilen und Abmessungen zu ermöglichen, um damit Reparaturen zu beschleunigen und Materialverluste zu vermeiden. In Hitlers E r l a ß vom 3. Dezember 1941 war die „äußerste Ausdehnung der Normung aller Einzelteile" gefordert worden. 4 3 Die Konstrukteure von Waffen und Kriegsgerät schienen aber Schwierigkeiten zu haben, sich rasch auf die Lösung der gestellten Aufgabe einzustellen; Schwierigkeiten, die wohl zum großen Teil in dem bislang üblichen Beschaffungsund Auftragssystem lagen. Auch der Apparat des Munitionsministeriums konzentrierte offensichtlich keine große Aufmerksamkeit darauf, dieser Forderung nachzukommen. Erst am 8. J u n i 1943 beauftragte Speer Hanns B e n k e r t , Vorstandsmitglied der SiemensSchuckertwerke AG und Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure im N S B D T , ihm 41 Die Typenverringerung war in den Jahren 1942 und 1943 zwar mit der Einstellung der Produktion in den betreffenden Betrieben und Betriebsteilen, überwiegend aber noch nicht mit ihrer Stillegung verbunden; es wurde in der Regel eine andere Produktion, z. B. von Waffen und Kriegsgerät oder von Zulieferungen für andere Betriebe, aufgenommen. 42 Die Technik im Weltkrieg. Hrsg. von Max Schwarte, Berlin 1920, S. 243; zit. bei Nussbaum, Manfred, S. 168. 43 ZStA Potsdam, FS, Film 2312, Erlaß Hitlers über „Vereinfachung und Leistungssteigerung unserer Rüstungsproduktion" v. 3. 12. 1941.

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„in Gemeinschaft mit dem Deutschen Normenausschuß, dem Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit, dem Reichsausschuß für Lieferbedingungen, den Wirtschaftsgruppen, den Generalbevollmächtigten, den Ausschüssen, Ringen und Kommissionen des Reichsministers für Bewaffnung und Munition und den sonstigen an der Normung und Typisierung beteiligten Dienststellen und Gremien innerhalb drei Monaten einen Plan vorzulegen, welche unter seiner (Benkerts — D. E.) Führung zusammenzufassenden Maßnahmen notwendig sind, um eine einheitliche Gestaltung auf dem Gebiet der deutschen Normung und Typisierung zu gewährleisten". 4 4 Der Auftrag bezog sich auf die gesamte deutsche Industrie und bezweckte allem Anschein nach eine grundlegende und durchgreifende Lösung. Einen Monat später wurde Benkert im Ministerialblatt des Munitionsministeriums als Verantwortlicher für die „einheitliche Führung auf dem Gebiet der Normung und Typisierung" vorgestellt. 45 Als Leiter des Hauptamts für Technik der faschistischen Partei übertrug ihm Speer zugleich den seit Todts Ableben vakanten Präsidentenposten des VDI. Benkert löste schließlich auch den Präsidenten des Deutschen Normenausschusses in seiner Funktion ab. 4 6 Er bezeichnete sich fortan als „Reichsbeauftragter für Normung und Typung" und begann unter „groß angelegten Leitgedanken" mit der Arbeit an der „Neuordnung der Deutschen Normung", d. h. an einem „einheitlichen Deutschen Normen werk", das mit einer strafferen staatsmonopolistischen Regulierung als bisher verbunden sein sollte; in Zukunft müßten „Verbindlichkeitserklärungen und amtlicher Nachdruck ... die freiwillige Beachtung der Normen dort, wo es notwendig ist, ergänzen". 47 Die Planungen auf diesem schwierigen und sicher nicht unumstrittenen Gebiet, langfristig und großzügig angelegt, zeigten indessen, soweit bekannt, während des Krieges keine nennenswerten Ergebnisse mehr. Immerhin war der Auftrag an Benkert kennzeichnend für die umfassende Rationalisierungskonzeption der Kreise um das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition. Die deutschen Imperialisten waren um der Steigerung von Produktion und Profit willen bereit, über Vereinfachung, Rohstoffeinsparung und „Entfeinerung" hinaus auch ernsthafte Qualitätseinbußen in Kauf zu nehmen, und hielten sogar bewußt auf solche Verschlechterungen Kurs. Zwar traf dies weniger auf die Waffen und Kampfmittel der Wehrmacht zu, erfaßte aber doch einen weiten Kreis von „kriegswichtigen" Produkten. Schon am 20. J u n i 1941 forderte beispielsweise Göring in seinem Erlaß über die „Einschränkung des Bauwollens", 48 überall zur „Behelfsbauweise" überzugehen, auch bei Rüstungsbauten. Es sei „in einfachster Form" zu bauen; „Schönheit der Arbeit" und dergleichen habe zu entfallen. „Bauten, die nur den Krieg überdauern, sind in der Regel völlig ausreichend." Die Kürzung des Baueisenkontingents mache, so erläuterte Todt, die „Primitivbauweise", eine „Umstellung auf allerprimitivste Ausführung in einer nur für wenige Jahre überhaupt haltbaren Ausführung" erforderlich. 49 Hitler, der sich ebenfalls schon vor „Barbarossa" mit Gedanken über die „Bevorzugung 44 Ebenda, Reichskanzlei, Film 19429, Rs. RMfBuM v. 8. 6. 1943. 45 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 26, 8. 7. 1943, Aufruf RMfBuM „An die Betriebsführer der deutschen Rüstungswirtschaft", v. 24. 6. 1943. 46 Ludwig, Technik, S. 217 f. Iii BA Koblenz, R 13 V/102, Prot. d. Sitzung am 18. 1. 1944 im Siemenshaus, Berlin, betr. „Neuordnung der Deutschen Normung". 48 ZStA Potsdam, FS, Film 4566. Hiernach auch das Folgende. 49 Ebenda, RErl. GB Bau v. 25. 10. 1941. 21 Eichholtz II

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primitiver Massenfertigung gegenüber hochleistungsfähigen Maschinen" getragen hatte, 5 0 v e r t r a t die gleiche Anschauung ein J a h r später vor Speer und Ganzenmüller — nun aber unter dem Druck der Niederlagen und Verluste des Winters 1941/42: „ W i r müssen schnell m e h r rollendes Material bauen, und zwar in primitiver F o r m . Wenn eine Lokomotive oder ein Waggon fünf J a h r e halten, so ist das vollkommen ausreichend, wenn nur das Material der gestellten Aufgabe genügen k a n n . " 5 1 Die Rationalisierung war ein planmäßiger, mit wissenschaftlichen Methoden organisierter Raubzug auf Arbeitskraft und Gesundheit der deutschen Arbeiter. Durch Gesetz und durch willkürliche Sonderfestlegungen über zeitweilige Arbeitszeitverlängerungen, Sonntagsschichten für bestimmte Industriezweige usw. war der Arbeitstag rigoros verlängert worden. Die Rationalisierung erhöhte für Hunderttausende zusätzlich die Arbeitsintensität und Arbeitshetze. Maßnahmen wie die Einführung von Serienproduktion, Akkordund Fließbandarbeit, Produktionseinstellungen und Stillegungen und die damit verbundenen Umsetzungen und Dienstverpflichtungen von Werktätigen wurden m i t größter Rücksichtslosigkeit durchgesetzt; hinter den Rationalisatoren und Profiteuren stand der faschistische Terrorapparat, der jeden Widerstand brutal unterdrückte. Was die „Verbesserungsvorschläge" anbetraf, zu denen Hitler in seinem E r l a ß vom 3. Dezember 1941 aufgerufen hatte, so handelte es sich keineswegs um Vorschläge aus der Belegschaft, gar aus der Arbeiterschaft. Solche Vorschläge der Werktätigen allerdings — unter den Bedingungen von Ausbeutung freier Produktionsverhältnisse eine entscheidende Quelle für die Rationalisierung — hofften die Rüstungsgewaltigen seit 1942 auch in größerem Maße der Kriegswirtschaft nutzbar zu machen. Über Entwürfe für ein „Gesetz über die Erfindungen von Gefolgsmännern" wurde schon vor dem Krieg verhandelt. 5 2 Im Frühjahr/Sommer 1941 scheiterte ein Entwurf des Reichsarbeitsministeriums am E i n spruch der Reichsgruppe Industrie. 5 3 Am 12. J u l i 1942 erschien plötzlich im Reichsgesetzb l a t t eine „Verordnung über die Behandlung von Erfindungen von Gefolgschaftsmitgliedern", erlassen von Göring als Beauftragtem für den Vierjahresplan und durchzuführen vom Reichsminister für Bewaffnung und Munition. 5 4 S t a t t der in früheren Entwürfen noch enthaltenen zwei Möglichkeiten für den Erfinder (Übergang der Erfindung auf den Unternehmer; freie Verfügung des Erfinders über seinen Erfindungsvorschlag) gab es nun nur noch die P f l i c h t , jegliche Erfindungen „dem Unternehmer zur Verfügung zu stellen", wenn auch, wie es vage hieß, gegen „eine angemessene Vergütung". 5 5 Speer zentralisierte gleichzeitig das Erfindungs- und Vorschlagsprüfwesen bei dem von ihm geleiteten H a u p t a m t für Technik der N S D A P . „Die Prüfung und etwaige Weiterverfolgung von Erfindungsvorschlägen auf dem Gebiet der Rüstung und Bewaffnung erfolgt im Reichsministerium für Bewaffnung und Munition durch die gleichen Mitarbeiter, die im Amt für technische Wissenschaften tätig sind." 5 6 50 51 52 53 54 55 56

Wie Anm. 19. FB, 24. 5. 1942, Ausführungen Hitlers zum „Transportproblem" (23. 5.). ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 10301, Bl. 12ff. (1939). Ebenda, Nr. 10302, Bl. 82, RGI an RArbM, 3. 5. 1941. RGBl. 1942 I, S. 466f. Ebenda (§ 2). Siehe auch Nachrichten des RMfBuM, Nr. 22, 10. 4. 1943. ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 10302, Bl. 123, Rs. Speers (als Leiter des Hauptamtes für Technik) vom 18. 8. 1942. — Das Amt für Technische Wissenschaften im Zentralbüro der DAF war gerade auf das Hauptamt für Technik der NSDAP und damit in den Bereich des Munitionsministers überführt worden (ebenda, Bl. 111 u. 111 R, Rs. RWiM v. 30. 5. 1942).

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Die Monopole bedienten sich der neuen juristischen Handhabe hemmungslos und speisten „Gefolgschafts"angehörige, die Rationalisierungsvorschläge machten, mit Pfennigen ab. Offensichtlich griff Unzufriedenheit hierüber u m sich, so daß Warnungen von Vertretern der DAF sogar in einer vom Rüstungsministerium herausgegebenen Zeitschrift Platz fanden. Es gehe nicht an, so erklärte der Leiter des DAF-Amtes f ü r Leistungsertüchtigung, Berufserziehung und Betriebsführung anläßlich der Eröffnung der „Reichsausstellung" über „Betriebliches Vorschlagwesen" am 7. September 1943 in einem Berliner Großbetrieb, „daß man mit Beträgen von 5 RM bis zu 100 RM oder höchstens 200 RM die Vorschlagenden abfindet". 5 7 Das Hauptproblem des Verhältnisses zwischen Rationalisierungs- und Ausbeutungsmethoden lag aber f ü r das deutsche Monopolkapital seit 1942 darin, bei rasch dünner werdender Decke der deutschen Facharbeiter viele hunderttausende, ja Millionen ausländische Zwangsarbeiter ohne große Zeiteinbuße in den Rationalisierungsprozeß einzuordnen. Sie taten das in der Manier imperialistischer Sklavenhalter u n d Kolonialherren, m i t nackten Gewaltmethoden, in erster Linie gegenüber den nach Deutschland deportierten sowjetischen Zwangsarbeitern, ohne Rücksicht auf Gesundheit u n d Leben dieser Menschen. 58 Die faschistische Ideologie lieferte die politisch-ideologische Motivation für eine solche verbrecherische Handlungsweise. Der Zeitdruck, u n t e r dem die Rationalisierung stand, und die Gier nach Rationalisierungsprofit gaben den ökonomischen Hintergrund d a f ü r ab. Waren aber Umfang u n d Tempo der Rationalisierung sicherlich ein Faktor, der die barbarischen Formen der Ausbeutung der sowjetischen Zwangsarbeiter mitbestimmte, so beeinflußte diese Barbarei wiederum Formen und Methoden der Rationalisierung; beispielsweise drückte sie ohne Zweifel auf ihr technisches und technologisches Niveau und machte den Facharbeitermangel noch spürbarer. 1943/44 traten zusätzlich Probleme in den Vordergrund, die aus dem Zustrom ungelernter und produktionsunerfahrener deutscher Arbeitskräfte aus den Mobilisierungsaktionen des „Totalen Krieges" resultierten. Einer rationalisierten, in extensiver wie intensiver Hinsicht nicht durch Skrupel begrenzten Ausbeutung dieser Kräfte standen, anders als bei den ausländischen Zwangsarbeitern, politische Rücksichten des faschistischen Regimes entgegen. Spätestens seit dem F r ü h j a h r 1943 bemühten sich die zentralen Organe des Reichsministeriums f ü r Bewaffnung u n d Munition u m die Lösung des Problems. Beim Rüstungslieferungsamt wurde innerhalb der f ü r die Grundsalzfragen der Rationalisierung zuständigen Amtsgruppe „Industrielle Selbstverantwortung" eine Sonderabteilung „Betriebliche Ordnung" mit den Sachgebieten „Ordnungsmaßnahmen zum Schutze der Rüstungswirtschaft und Leistungssteigerung durch sozialpolitische Maßnahmen; Lohnfragen" und „Berater f ü r Fragen der gesundheitlichen Betreuung, Vertrauensärzte usw." geschaffen; zum Leiter dieser Abteilung bestellte Speer den DAF-Funktionär Theodor Hupfauer. 5 9 In den Rüstungsbetrieben wurden nach einem Erlaß des Munitionsministers vom 8. J u l i 1943 sogenannte Arbeitseinsatzingenieure eingesetzt, die neuartige staatsmonopolistische Vollmachten f ü r die Durchrationalisierung des Arbeits- und Ausbeutungsprozesses erhielten. Die Abteilung „Betriebliche Ordnung" wurde gemäß Ministerialerlaß vom 25. Sep57 Der Erfahrungsaustausch, Oktober 1943, Rede des DAF-Amtsleiters Steinwarz v. 7. 9. 1943; zit. bei Weyres-v. Levetzow, S. 124. 58 Siehe S. 193 f f . 59 ZStA Potsdam, RMfRuK, Nr. 63, Bl. 68 u. 68 R, „Vorläufiger Geschäftsverteilungsplan des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition (Stand 1. 4. 1943)"; s. a. Thomas, S. 372/373 (Struktur diagramm). 21-

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t e m b e r 1943 zur A m t s g r u p p e „Arbeitsordnung" erweitert u n d umgebildet u n d d e m R ü s t u n g s a m t angegliedert. 6 0 Diese Amtsgruppe u n t e r H u p f a u e r w a r in d e m gesamten, j e t z t d e m R ü s t u n g s m i n i s t e r u n t e r s t e h e n d e n Bereich der Kriegswirtschaft zuständig f ü r „alle M a ß n a h m e n , die die P r o d u k t i o n d u r c h besseren Arbeitseinsatz steigern", d a r u n t e r f ü r „Leistungssteigerung" u n d „Leistungsanerkennung", f ü r Arbeitsverhältnisse u n d Arbeitsbedingungen, f ü r die Arbeitseinsatzingenieure u n d den Zwangsarbeitereinsatz (in Z u s a m m e n a r b e i t m i t GBA u n d DAF), f ü r die ausländischen Betriebe in den besetzten Gebieten u n d f ü r S o n d e r m a ß n a h m e n bzw. -Zuteilungen. I m folgenden werden an k o n k r e t e n Beispielen Maßnahmen u n d Auswirkungen d e r Rationalisierung in einer Reihe der wichtigsten kriegswirtschaftlichen Bereiche bzw. Sektoren der I n d u s t r i e analysiert.

Kohle F ü r die Reichsvereinigung Kohle u n d die W i r t s c h a f t s g r u p p e Bergbau erarbeitete seit F e b r u a r 1942 H e r m a n n W i n k h a u s (Mannesmann), der den Ausschuß f ü r Leistungssteiger u n g der R V K leitete, einen „Vorschlag f ü r die Rationalisierung der Herstellung von Bergwerksbedarf, insbesondere von Bergwerksmaschinen". 6 1 W i n k h a u s berichtete im O k t o b e r v o r der Zentralen P l a n u n g : „ W i r haben die Voraussetzung f ü r eine erhebliche Produktionssteigerung d e r Zubringerindustrie, die in einzelnen P r o d u k t e n auf 150 Prozent ihrer heutigen (muß h e i ß e n : v o r j ä h r i g e n bzw. vorherigen — D. E.) Leistung steht, d a d u r c h geschaffen, d a ß wir A n f a n g dieses J a h r e s eine sehr starke Rationalisierung unserer Geräte d u r c h g e f ü h r t haben. W i r h a b e n z. B. 120 vorhandene B o h r a b b a u h a m m e r t y p e n auf 12 T y p e n zusammengestrichen u n d etwa 80 B o h r h a m m e r t y p e n auf 8, u n d wir h a b e n jeder F i r m a verboten, m e h r als 2 dieser Typen zu bauen. W i r h a b e n d a r a u f h i n den damaligen P l a n , 16000 bis 17000 A r b e i t e r in der Zubringerindustrie einsetzen zu müssen, ... auf 7800 Mann h e r u n t e r g e d r ü c k t . " 6 2 I m J u n i 1942 ordnete P a u l Pleiger, Vorsitzer der R V K , einen v e r s t ä r k t e n „Lieferaustausch in Koks" an 6 3 : Das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat t r a t an das Oberschlesische S t e i n k o h l e n s y n d i k a t seine Lieferungen nach P o m m e r n ab (außer Gießereikoks u n d Koks f ü r die Hydrierwerke Pölitz); d a f ü r t r a t das Niederschlesische Steinkohlensyndikat an das R W K S die gleiche Menge a n Lieferungen nach seinen westlichen Absatzgebieten u n d einen Teil der Lieferungen n a c h Bayern a b ; d a s Oberschlesische Steinkohlensyndikat wiederum hielt das Niederschlesische d u r c h die A b t r e t u n g der gleichen Menge aus seinen Lieferungen n a c h Sachsen schadlos. Zweck dieses Austauschs w a r eine s p ü r b a r e Verkürzung der Transportwege f ü r Kohle. Gegen weitergehende „ T r a n s p o r t e n t f l e c h t u n g s " m a ß n a h m e n des Reichswirtschaftsministeriums opponierten Konzerne u n d S y n d i k a t e a b e r m i t Erfolg. 6 4 Als E n d e 1942/Anfang 1943 Reichswirtschaftsministerium, R G I u n d Munitionsministerium zur Abschaffung aller Kartell- u n d Syndikatsquoten aufriefen, da Lieferrechte u n d Marktanteile „keinen Sicherungsanspruch m e h r " h ä t t e n , „weil sie überholt u n d d u r c h P r o d u k (iO 61 62 63 64

ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19622, Erlaß RMfRuK v. 25. 9. 1943. Vgl. auch S. 233. BA Koblenz, R 13 XX/40, H. 2, Rs. Wigru Bergbau, 25. 2. 1942. ZP-P, 28. 10. 1942, 17. Sitzung. BA Koblenz, R 7 1/1, RVfg. Pleigers v. 18. 6. 1942; hiernach auch das Folgende. Siehe Weyres-v. Levelzow, S. 65.

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tions- u n d Lieferpflichten ersetzt s i n d " 6 5 u n d weil Produktions- u n d Absatzquoten die „Leistungssteigerung" h e m m e n k ö n n t e n , v e r w a h r t e sich Pleiger gegen alle „Eingriffe" in die Kohlensyndikate, „weil die Kohlensyndikate ... d u r c h ihre Zusammenfassung in der Reichsvereinigung Kohle u n t e r meiner L e i t u n g den Anforderungen entsprechen, die nach h e u t i g e r W i r t s c h a f t s a u f f a s s u n g u n d n a c h den Erfordernissen der Kriegswirtschaft zu stellen sind". 6 6

Eisen und Stahl Bereits a m 14. F e b r u a r 1942, 14 Tage nach einer entsprechenden Anweisung der W i r t s c h a f t s g r u p p e Eisen schaffende I n d u s t r i e , lag ein erster Rationalisierungsbericht d e r W i r t s c h a f t s g r u p p e vor. 6 7 Die großen V e r b ä n d e (Roheisen-, Stahlwerks-, Röhren-, Großrohr-, Edelstahl-Verband, Schmiedestück-Vereinigung u s w . ) h a t t e n Rationalisierungskommissionen gebildet. „ F ü r Halbzeug wird die Frage einer Verlagerung von S(iemens-) M(artin)- auf T h o m a s - S t a h l f ü r Geschoßknüppel u n d O b e r b a u . . . g e p r ü f t " , berichtete der Stahlwerks-Verband. Die Abmessungen von F o r m - u n d S t a b s t a h l sollten noch weiter vereinheitlicht werden. Der E d e l s t a h l - V e r b a n d beschäftigte sich ebenfalls m i t der Typenfestlcgung u n d ließ ferner diejenigen W e r k e ü b e r p r ü f e n , „die weniger als 1 0 0 0 t im J a h r e herstellen, zwecks Entscheidung ü b e r die A u f r e c h t e r h a l t u n g dieser Betriebe". Die Aufträge sollten ü b e r den Verband rationell verteilt, der V e r k a u f s a p p a r a t vereinheitlicht werden. Eine leitende u n d koordinierende F u n k t i o n auf dem Gebiet der Rationalisierung n a h m nach ihrer G r ü n d u n g a m 27. Mai 1942 die Reichsvereinigung Eisen wahr. In einer Gesamtbilanz ü b e r die Rationalisierung f ü h r t e die W i r t s c h a f t s g r u p p e Eisen schaffende I n d u s t r i e eine Reihe b e a c h t e n s w e r t e r Positionen a u f : ,,a) D i e A u f b e r e i t u n g von Eisenerz d u r c h Brechen, Sieben, Sintern, W a s c h e n , Rösten, Agglomerieren, Brikettieren usw. h a t im Hochofen große B r e n n s t o f f m e n g e n ersparen lassen u n d gleichzeitig die Ofenleistung in der Roheisengewinnung gesteigert. b) Gewisse Hochöfen sind auf die Herstellung b e s t i m m t e r Roheisensorten eingestellt w o r d e n . So ist die Gewinnung phosphorhaltigen Roheisens bereinigt worden. c) D i e E n t w i c k l u n g neuer Stähle h a t d a n k des E r f a h r u n g s a u s t a u s c h e s zwischen den beteiligten Werken erfreuliche F o r t s c h r i t t e gemacht. D u r c h E r s a t z der f r ü h e r hochleg i e r t e n Stähle d u r c h schwachlegierte Austauschstähle, die denselben Zweck erfüllen, h a t m a n große Mengen von Legierungsmitteln zu sparen gewußt. d) N e u e P r o d u k t i o n s v e r f a h r e n sind entwickelt worden. Diesem Zweck d i e n t e auch der Ankauf von P a t e n t e n d u r c h die Reichsvereinigung Eisen u n d ihre Überlassung a n die Mitgliedswerke. In großem U m f a n g e ist z. B. Thomasstahl, d. h. S t a h l in Handelsgüte, zu einem hochwertigen Stahl entwickelt worden, der der Siemens-Martin-Güte n i c h t nachsteht. 65 BA Koblenz, R 13 XX/165, Rs. RGI/RMfBuM (Zangen/Schieber) „An die Wirtschaftsgruppen, Ausschüsse und Ringe" v. 28. 1. 1943. — Die ersten diesbezüglichen Erlasse des Reichswirtschaftsministers datierten vom Oktober 1942. 66 Ebenda, Entwurf f. Schreiben Pleigers (an RWiM?), o. D. (9. 12. 1942); s. a. ebenda, Wigru Bergbau an RGI, 29. 11. 1943. 67 Ebenda, R 13 1/1011, 1. Rationalisierungsbericht der Wigru Esl v. 14. 2. 1942; hiernach auch das Folgende.

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e) Durch Ausbau der Elektrostahlindustrie ist der Anteil der Elektro-Kohlenstoffstähle und legierten Kohlenstoffstähle gegenüber der früheren Zeit erheblich gewachsen. f) E s ist die Anordnung getroffen, daß bestimmte Gruppen von Edelstahlwerken nur noch bestimmte Stähle bestellen (richtig wohl: herstellen — D. E.), beispielsweise die eine Gruppe nur Baustähle, die andere Gruppe nur Werkzeugstähle. Diese Maßnahme hat zu gewissen Kostenminderungen und sonstigen Vorteilen geführt. g) Die Zahl der zur Herstellung zugelassenen Stähle ist außerordentlich stark herabgesetzte worden. Nach der neuen Kriegsliste dürfen nur noch etwa 260 Sorten Edelstahl hergestellt werden, während früher viele tausende verschiedener Sorten auf den Markt gebracht worden sind. h) In der Formgebung ist gleichfalls die früher sehr große Zahl von Walzwerksprofilen ganz erheblich eingeschränkt worden. Das gilt ebensosehr für die gewöhnlichen Handelsstähle, wie für die in der Kriegsliste zusammengefaßten Edelstahle und Sonderstähle. i) Auch in den zugelassenen Abmessungen der Walzwerksfertigerzeugnisse ist eine weitgehende Beschränkung eingetreten. Gewisse Werke dürfen nur bestimmte Profile und nur bestimmte Abmessungen herstellen. Kurz, diese Aufteilung der Walzprogramme hat zu einer erheblichen Förderung der Rationalisierung in den Walzwerken beigetragen. k) Die Herstellung von Hartmetallblättchen f ü r Schnellarbeitswerkzeuge ist gleichfalls stark verringert worden, indem man die zugelassene Plättchenzahl erheblich verringert h a t . " 68 Die Rationalisierung sei aber, so schränkte die Wirtschaftsgruppe ihren Erfolgsbericht ein, vor allem „dadurch beeinträchtigt worden, daß unsere Schlüssel- und Fachkräfte ganz überwiegend für den Kriegsdienst einberufen worden sind und daß die Ersatzkräfte, wie Frauen, ferner freie und gefangene Ausländer, bei weitem nicht die Leistung aufbringen wie die einberufenen Gefolgschaftsmitglieder. Wenn wir also im L a u f e des Friedens eine wachsende Leistung j e Kopf und J a h r feststellen konnten, so kann im Kriege hierfür im allgemeinen kein Nachweis erbracht werden." 6 9 Aus dem Bereich des Hauptrings Schmiedestücke führte das Ministerialblatt des SpeerMinisteriums das Beispiel eines Betriebes an, der seine Produktion an Schmiedestücken in der Zeit vom 1. April 1943 bis zum 1. April 1944 ohne größeren Zuwachs an Arbeitskräften u m 85 Prozent gegenüber dem vorangegangenen J a h r gesteigert und dabei den Kohleverbrauch je Tonne Schmiedegut um 41 Prozent, den Energieverbrauch u m 40 Prozent gesenkt habe. 7 0

Waffen und Kriegsgerät Man kann davon ausgehen, daß der Rationalisierungsgrad der Produktion von Panzern, Waffen und Munition Anfang 1942 schon verhältnismäßig hoch war. 7 1 Eine rasche, wesentliche Verminderung der Typen ließ sich auf diesem Sektor nicht realisieren. Doch der 68 Schumann, Wolfgang, Nachkriegsplanungen der Reichsgruppe Industrie im Herbst 1944, in JfW, 1972, T. 3, S. 288f., Dok. 4 (Wigru E s l an R G I , 10. 1. 1945). 69 Ebenda, S. 288. 70 Nachrichten des RMfRuIC, Nr. 28, 9. 6. 1944. 71 So hieß es z. B . im geheimen Teil des Geschäftsberichts der Rheinmetall-Borsig AG für das Geschäftsjahr 1941: „Während die Zahl der Arbeiter gegenüber dem Vorjahr um 8,1 Prozent

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Munitionsminister gewährleistete eine wesentliche Voraussetzung für den kontinuierlichen Fluß rationalisierter Großproduktion, indem er dem Heereswaffenamt und anderen militärischen Dienststellen die Möglichkeit nahm, ständig mit neuen Typenwünschen und mit vielfältigen Änderungswünschen in die Produktion hineinzureden. Neukonstruktionen und Konstruktionsänderungen von Waffen und Gerät einschließlich der geforderten Stückzahlen bedurften seit 1942 des Einvernehmens zwischen Wehrmacht und Munitionsministerium, d. h. des Einverständnisses des Munitionsministers. Speer, gestützt auf seinen unmittelbaren Kontakt zu Hitler, nahm dem Heereswaffenamt schließlich über die Entwicklungskommissionen die Entscheidung über Konstruktionsfragen weitgehend aus der Hand. Er setzte sich auch gegenüber dem Generalstab des Heeres für eine „einwandfreie und ruhige Fortführung" der „eingeleiteten Serienfertigungen" 7 2 ein. Er schirmte die Industrie — allerdings nicht immer erfolgreich 73 — gegen eine unstete Auftragspolitik der Wehrmacht und damit die zeit- und kräfteraubenden Anlauf- und Umstellungsschwierigkeiten bei Konstruktionsänderungen und kleinen Losgrößen ab. In einem Schreiben vom 12. Februar 1943, so informierte er General Kurt Zeitzier, habe er den Chef des Heereswaffenamtes noch einmal darauf hingewiesen, daß sich aus seinen, Speers, Vollmachten die Forderung ergebe, „alle an ihn gelangenden neuen Programmforderungen erst an die Industrie heranzutragen, wenn meine ausdrückliche Genehmigung vorliegt". 74 Bei der Luftwaffe, auf die der Munitionsminister in dieser Beziehung vor 1944 keinen Einfluß hatte, lagen die Dinge anders; davon legten dort die nur langsam steigenden bzw. schwankenden Produktionsziffern ein beredtes Zeugnis ab. Ihre bedeutenden Rationalisierungserfolge erzielten die Haupt- und Sonderausschüsse vor allem durch die Konzentration der Produktion und entsprechende Serienfertigung in den „Bestbetrieben"; durch den „Erfahrungsaustausch", d. h. durch Vermittlung von Produktionserfahrungen und Technologien, Vergabe von Lizenzen usw. an weniger effektiv produzierende Betriebe; durch Spezialisierung und Kooperation, besonders durch Konzentration der führenden Betriebe auf die hauptsächlichen Arbeitsprozesse und durch Vergabe zahlreicher Zulieferungen und Unterlieferungen an andere, vielfach mittlere und kleinere Betriebe; durch „Entfeinerung"; durch Materialeinsparung. Die Quellen über konkrete Rationalisierungsschritte und -erfolge sind verhältnismäßig sehr spärlich, besonders in der sogenannten Rüstungsendfertigung. 7 5 Eine zusammenfassende Ziffer nannte Speer im November 1942: „Bei vielen Arbeitsausschüssen sind durch betriebliche Leistungsvergleiche Leistungssteigerungen von 50 Prozent und mehr

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stieg, konnte der Umsatz um 34,5 Prozent und die Produktion um 38 Prozent gesteigert werden." (ZStA Potsdam, FS, Film 1735). Ebenda, Film 1732, Speer an Zeitzier, 26. 2. 1943. Siehe Weyres-v. Levetzow, S. 122. ZStA Potsdam, FS, Film 1732, Speer an Zeitzier, 26. 2. 1 9 4 3 ; s. a. ebenda, Speer an Leeb, 1 2 . 2 . 1 9 4 3 : „Der Führer hat seinerzeit eindeutig befohlen, daß die von ihm festgelegten Programmforderungen weder vom Generalstab des Heeres noch vom Heereswaffenamt ohne meine ausdrückliche Zustimmung geändert werden dürfen." Diesbezügliche Unterlagen der Hauptausschüsse, Sonder-, Arbeitsausschüsse usw. sind bisher nicht aufgefunden worden. Rationalisierungsbeispiele aus anderen Industrien wurden dagegen sogar öffentlich propagiert (s .Weyres-v. Levetzow, S. 46, S. 50: Artikel aus „Frankfurter Zeitung").

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erzielt ... worden." 7 6 Im März 1943 sprach er von „außerordentlichen Erfolgen" im J a h r e 1942 bei der Verringerung des Rohstoff-, besonders des Eisen- und Stahlverbrauchs: „Wir haben auf dem Gebiet der Waffen eine Verdreifachung durchführen können und haben dafür ... nur 30 Prozent mehr Eisen gebraucht." 7 7 In steigendem Maße wandten die Rationalisierungsfachleute der Monopole ihren Spürsinn gerade den Materialverbrauchsnormen zu. Der Leiter des Hauptausschusses Munition, E d m u n d Geilenberg, erklärte Anfang 1943: „Wir haben manches kg (Stahl — D. E.) einsparen können ... Wir werden bei der Herabsetzung einiger Kaliber auf jedes Gramm Stahl sehen, denn bei der enormen Stückzahlfertigung wirkt sich bei der Munition jedes G r a m m klar aus. ... Wir haben weiter Versuche laufen, um die Einsatzgewichte herabzusetzen. Da gibt es aber wirtschaftliche Grenzen, d. h. der Verschleiß der Werkzeuge wird so groß, daß es sich nicht rentiert, weiter herunterzugehen." 7 8 Ausführlichere Daten liegen über die Produktion von Zulieferteilen vor. Der Daimler-BenzKonzern konzentrierte Anfang 1943 die Produktion von Schnellbootmotoren (20-ZylinderDiesel-Motoren), vordem in Untertürkheim und in Berlin-Marienfelde gefertigt, in dem Untertürkheimer Betrieb. Dort wurde die Produktion so durchrationalisiert, daß mit insgesamt weniger Arbeitskräften und Maschinen mehr Motoren als vorher in beiden Betrieben zusammen erzeugt wurden. Vom 1. März 1943 an war das Berliner Werk für die „Panther"fertigung freigemacht: „1) Eine Fertigungsfläche von 10000 qm war für Pz-Fertigung freigemacht. 2) 243 Werkzeugmaschinen wurden an die Pz-Fertigung abgegeben (nur 59 Maschinen wurden für die Marinefertigung mitgenommen). 3) 420 Arbeitskräfte wurden zusätzlich für die Pz-Fertigung eingesetzt, während 100 Arbeitskräfte nach Untertürkheim überführt wurden. 4) Die ganze Verlagerung vollzog sich ohne jeglichen Produktionsausfall für die Kriegsmarine. E s wurde in der Folge nicht nur in jedem einzelnen Monat des J a h r e s 1943 dieselbe Anzahl Motoren geliefert wie vordem, sondern das Werk Untertürkheim hat darüber hinaus im J a h r e 1943 mit insgesamt 231 Stück 20-Zylinder-Dieselmotoren 21 M o t o r e n = eine volle Monatsproduktion mehr ausgebracht, als im J a h r e 1942 von den Werken Untertürkheim und Marienfelde zusammen geliefert worden s i n d . " 7 9 Im Münchener Stammbetrieb des BMW-Konzerns stieg die Produktion des Flugzeugmotors vom T y p 801 (für Jagdflugzeuge) binnen eines Jahres, vom Dezember 1941 bis zum Dezember 1942, von monatlich 160 auf 360 Stück. Die Rationalisierungsdokumentation für diesen Motor wies zahllose Konstruktions- und Verfahrensverbesserungen und die Einführung der Fließfertigung bei allen wichtigen Teilen aus. J e Motor wurden von 1940 bis 1944 — bei enormer Steigerung der Stückzahl und erheblicher Verbesserung von Konstruktion und Motorleistung — der Materialbedarf insgesamt um 49 Prozent und der Aufwand an Arbeitsstunden um 60 Prozent gesenkt. 8 0 (Tabelle 44) Im Geschäftsbericht für d a s J a h r 1943 stellte die Arado Flugzeugwerke G m b H fest, d a ß 76 Nachrichten des RMfBuM, Nr. 15, 30. 11. 1942, Rs. RMfBuM „An die Leiter der Ausschüsse und Ringe" vom 16. 11. 1942. 77 ZP-P, 2. 3. 1943, 35. Sitzung. 78 Ebenda. 79 BA Koblenz, R 3/1576, Daimler-Benz AG (Haspel) an RMfRuK, 2. 2. 1944. 80 Ebenda, R 3/1752, Konzernbericht o. D. (etwa Anfang 1945): „BMW. Ausbau der Werkanlagen und Anlauf der Lieferungen".

Rationalisierung in der Industrie

311

im J a h r e 1943 die Zahl der produzierten Flugzeuge bei etwa gleicher Belegschaftsstärke u m ein Drittel gegenüber dem V o r j a h r gestiegen sei. 81 Allerdings k o n s t a t i e r t e der „ I n d u s t r i e r a t des Reichsmarschalls f ü r die Fertigung von L u f t w a f f e n g e r ä t " Anfang 1943 allgemein einen Rationalisierungsrückstand d e r Flugzeugbzw. L u f t r ü s t u n g s i n d u s t r i e ; ü b e r den zwischenbetrieblichen Leistungsvergleich gebe es „bisher verhältnismäßig wenig Erfolgsmeldungen". 8 2 D e r I n d u s t r i e r a t teilte zugleich mit, es sei „in Übereinstimmung m i t den Forderungen (! —D. E.) des Reichsministers f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition m i t dem Reichsluftfahrtministerium vereinbart, d a ß k ü n f t i g zwischenbetriebliche Leistungsvergleiche u n t e r F e d e r f ü h r u n g des I n d u s t r i e r a t s durch die Ausschüsse u n d Ringe d u r c h g e f ü h r t werden". 8 3 Ein Erfolg solcher u n d ähnlicher M a ß n a h m e n m u ß t e jedoch begrenzt bleiben, solange die Zahl der produzierten Flugzeugtypen immer noch z u n a h m . In der Marinerüstung setzte eine umfassende u n d koordinierte Rationalisierung unmittelb a r nach der Ü b e r n a h m e dieses Rüstungssektors d u r c h das Munitionsministerium in der zweiten J u l i h ä l f t e 1943 u n d nach d e r Reorganisation des Hauptausschusses Schiffbau u n t e r Otto Merker (Klöckner-Konzern) ein. 84 Im R ü s t u n g s p r o g r a m m der Kriegsmarine w u r d e die Typenanzahl radikal gekürzt, die W e r f t k a p a z i t ä t weitestgehend auf den U - B o o t - B a u konzentriert. D e r U-Boot-Bau, der wegen der großen Verwundbarkeit der üblichen Bootstypen d u r c h die modernen Abwehrmittel der Alliierten ganz auf neue T y p e n umgestellt werden sollte, w u r d e j e t z t durchgreifend rationalisiert. E n d e Juli schon k o n n t e der Minister auf der Sitzung der Zentralen P l a n u n g m i t Ergebnissen a u f w a r t e n : „Bei der Marine haben wir die Z u k u n f t s t y p e n , u n d zwar n i c h t weniger als 11 Zukunftst y p e n , in einer einzigen Sitzung auf zwei heruntergesetzt. W i r h a b e n die Konstrukteure sämtlicher Schiffsbaufirmen u n d der Marine z u s a m m e n g e f a ß t in einem Lager (d. h. in B l a n k e n b u r g / H a r z — D. E.), wo sie n u n diese zwei T y p e n zeichnen u n d b e a r b e i t e n . " 8 5 Die Konstruktionszeichnungen f ü r das neue 1600 t-U-Boot X X I beispielsweise entstanden im S o m m e r / H e r b s t 1943 in diesem Konstruktionsbüro. I m November/Dezember 1943 ging das Boot bereits „aus der Konstruktionszeichnung in die Serie". 8 6 An diesem Verfahren r ü h m t e Speer, d a ß s t a t t der zwei bis drei J a h r e , die normalerweise bis zur Serienreife notwendig waren, jetzt u n g e f ä h r a n d e r t h a l b J a h r e weniger benötigt wurden, 8 7 allerdings bei stark erhöhtem Risiko f ü r die Tauglichkeit des Serienprodukts. Die P r o d u k t i o n des U-Boots erfolgte ebenfalls auf neue Weise, im Sektionsbau. Die einzelnen Schiffssektionen wurden im Landesinnern g e b a u t u n d auf den W e r f t e n zus a m m e n g e f ü g t . Zwar vervielfachten sich auf diese Weise die Transportwege, und das System der Zulieferungen w u r d e komplizierter; aber d e r Serienbau u n d die Fließproduktion erhöhten die A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t u n d das Tempo der Fertigstellung bedeutend. Überdies n a h m das Risiko beträchtlich ab, die sonst monatelang auf den W e r f t e n im Bau befindlichen Boote d u r c h L u f t a n g r i f f e zu verlieren. Die feinmechanisch-optische I n d u s t r i e rationalisierte u n t e r der L e i t u n g des vom ZeissKonzern beherrschten Sonderausschusses Optisches u n d feinmechanisches Rüstungsgerät 81 82 83 84 85 86

Ebenda, R 2/5723, Bericht d. Geschäftsführung der Arado Flugzeugwerke GmbH f. 1943. Ebenda, R 3/3117, Rs. des Industrierats der Luftwaffe v. 15. 2. 1943. Ebenda. Siehe S. 134 f. u. S. 163f. ZP-P, 29. 7. 1943, 44. Sitzung. ZStA Potsdam, FS, Film 1732, Rede Speers in Krampnitz vor Kommand. Generalen und Korpschefs am 13. 1. 1945.

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^rotokoll in ZStA Potsdam, FS, Film 1742). — Ludwig, der sich 1968 noch eher skeptisch gegenüber den Erfindungen Rohlands und Janssens verhielt (Ludwig, Karl-Heinz, Die deutsche Kriegs- und Rüstungswirtschaft 1939—1945. Ein Bericht über den Forschungsstand, in Militärgeschichtliche Mitteilungen, 2/1968, S. 153f.), bezog also 1970 eine eindeutig apologetische Linie, die er später (1974) zu einem System der Verklärung Todts als „Widerstands"helden gegen Hitler ausbaute [Ludwig, Technik, S. 382 f., S. 388ff. und passim). 181 Siehe The Effects, S. 165. 182 ZStA Potsdam, FS, Film 1742, Prot. d. „Panzerbesprechung" v. 29. 11. 1941, v. 7. 12. 1941. 183 Förster, Gerhard/Paulus, Nikolaus, Abriß der Geschichte der Panzerwaffe, Berlin 1977, S. 205.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

335

8,8 L 71 umgearbeitet werden (wurden am 12. 5. [1943] m i t 200 m m Frontfpanzerung] ausgeliefert) . 2, Okt. 1942 Vorführung Sturmgeschütz I I I mit eingebauter 1FH. Vorlage von Zeichnungen der S F L auf Fahrgestell IV f ü r 8,8 Pak u n d s F H . Forderung je 100 bis 12. 5. 1943 (wurde voll gehalten). 2. Okt. 1942 Forderung eines organischen Sturmgeschützes m i t neuem Spezial-sIG auf Fahrgestell I V zum F r ü h j a h r 1943 (Auslieferung der ersten 60 erfolgte zum 12. Mai [1943]. Das neue Sturmgeschütz wurde von Skoda geschaffen). 5. Nov. 1942 Vormittags telefonische Führer-Forderung an Speer auf höchste Steigerung der Tiger. Sofortige Zusammenziehung aller Beteiligten in Kassel. N a c h m i t t a g s dort Festlegung, d a ß gegenüber dem a m 3. 11. aufgestellten Plan von 13 Stück 25 Stück i m November fertig werden müssen. (Zahl wurde gehalten u n d wesentlich erhöht aufgestelltes P r o g r a m m f ü r folgende Monate noch überschritten) . 8. Nov. 1942 Beginn der Panzerkommissionssitzung auf der W a r t b u r g . 9. Nov. 1942 Fortsetzung der Panzerkommissionssitzung auf der W a r t b u r g . Entscheidung über Tiger I I und Aussprache über Motor- und Getriebefragen. 2. Dez. 1942 Erste Vorlage eines Entwurfes für das Adolf-Hitler-Programm. Vorführung neuer Panzertypen. 26. Dez. 1942 Besuch bei MAN betreffend Panther-Anlauf. 3. Jan.1943 Panzerbesprechung bei A H . Streichung des „Leoparden". Entscheidung für „Mäuschen" nach Vorschlag von Porsche. Bau bei Krupp, Montage bei Alkett. 17. Jan. 1943 Führerbesprechung betreffend starke Steigerung der Panzerproduktion. Zusage f ü r eine entsprechende Vollmacht über Vordringlichkeit. Telegrafische Rücksprache m i t Rohland. Zuvor mündliche Zusage von mir, daß Sturmgeschütz u n d Panzer I V sofort, P a n t h e r und Tiger ab Mai bei größten Anstrengungen gegenüber Entwurf bisheriges AH-Programm gesteigert werden können (trotz schriftlich festgelegter Einwände von Hauptausschuß u n d W a f f e n a m t voll gehalten). 18. Jan. 1943 Fernschreiben v o n Dr. Rohland (Hauptausschuß) u n d General Philipps (Heereswaffenamt), daß Panzerproduktion nicht nur nicht gesteigert werden kann, sondern bisherige Zusage nicht gehalten werden könnte, da größte Schwierigkeiten. Neue Planung sei nicht vor J u n i möglich. 22. Jan. 1943 A H unterschreibt die in der Zwischenzeit m i t allen Beteiligten abgestimmte Panzervollmacht für das erhöhte A H - P r o g r a m m . 22. Jan. 1943 „Aufruf a n die Rüstungsschaffenden im P a n z e r b a u (Anschlag)." 1 8 4

Mehrere neue große Panzerwerke, wie das in Falkensee (Demag-Konzern), wurden seit Anfang 1943 buchstäblich aus dem Boden gestampft. Bedeutende Kapazitäten anderer Produktionszweige, besonders der Kraftfahrzeugindustrie, wurden auf Panzerproduktion umgestellt, etwa Sektoren des MAN-Konzerns und der Firma Borgward, 185 aber auch 184 Zusammengestellt aus Saur, Stichworte. Zum Hitler-Panzerprogramm s . a . S. 121 ff. 185 ZStA P o t s d a m , RWiM, Nr. 9088, Bl. 225 f., P r o t . d. Sitzung d. Wigru Fahrzeugindustrie v. 24. 3. 1943, Ausführungen d. neuen Leiters Wilhelm Schaaf. 23

Eichholtz II

Rationalisierung und Kriegsproduktion

336

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November 1943 Zahl d. Be- davon für schäftigten WM-Aufträge (in 1000) (Prozent) 888,1 454,1 319,9 289,5 202,4 186,6 124,4 107,7 99,3 92,7 78,8 59,4 22,0

44 25 23 68 20 63 37 40 28 37 8 5 32

2924,9

38

* Erfaßt wird nur die Lohnarbeit, d. h. Herstellung aus Wehrmachtsmaterial, „in der Fertigung wahrscheinlich 40 bis 50 v. II." (R 3/1802) Quelle: BA Koblenz, R 3/1802, Aufstellung „Anteil der Wehrmacht am industriellen Absatz. Stand Frühjahr 1942", v. 19. 6. 1943 (mit hs. Ergänzungen „Juli 1942"); Wagenführ, S. 174, Tab. 4 (III/1943); S. 158, Tab. 4 (Nov. 1943).

z w e i g e n : „Die Belegung d u r e h die W e h r m a c l i t s f e r t i g u n g ist in allen Zweigen der Verb r a u c h s g ü t e r i n d u s t r i e wesentlich größer, als m a n es sieh im allgemeinen vorstellt. S i c b e t r u g beispielsweise in d e r B e k l e i d u n g s i n d u s t r i e a m Ende des ersten Kriegsjahres 5 5 Prozent, in der L e d e r i n d u s t r i e 47,5 und in der T e x t i l i n d u s t r i e 43,6 Prozent. Auch G l a s i n d u s t r i e (34,6 Prozent), K e r a m i s c h e I n d u s t r i e (27,3 Prozent), S p i r i t u s i n d u s t r i e (29,4 P r o z e n t ) u n d L e b e n s m i t t e l i n d u s t r i e (17,9 Prozent) sind in v e r h ä l t n i s m ä ß i g größerem M a ß e d u r c h W e h r m a c h t s l i e f e r u n g e n in A n s p r u c h g e n o m m e n . " 3 4 8 Ein ausreichendes K r i t e r i u m f ü r d i e L e b e n s h a l t u n g der B e v ö l k e r u n g w a r die S t a t i s t i k der K o n s u m g ü t e r p r o d u k t i o n freilich a u c h a u s mehreren anderen Gründen n i c h t : wegen der — sehr differenzierten — R a t i o n i e r u n g von L e b e n s m i t t e l n u n d K o n s u m g ü t e r n , wegen der Q u a l i t ä t s v e r s c h l e c h t e r u n g vieler W a r e n einschließlich von L e b e n s m i t t e l n , wegen der schleichenden Inflation und n i c h t zuletzt wegen der zusätzlichen „ p r i v a t e n " Versorgung b r e i t e r e r Kreise a u s den besetzten Gebieten. Im J a h r e 1942 v e r z e i c h n e t e die K o n s u m g ü t c r i n d u s t r i e i n s g e s a m t den s t ä r k s t e n R ü c k g a n g w ä h r e n d des Krieges in Höhe von zehn P r o z e n t ; noch schneller sank der „zivile" U m s a t z 348 Ebenda. 26-

386

Rationalisierung und Kriegsproduktion

(16 Prozent). D a m i t „ d ü r f t e der an die Zivilbevölkerung gelangte Teil n u r noch 50 bis 6 0 v . H. d e s Vorkriegsstandes erreicht haben, etwa ein Zehntel weniger also als im Tief der schwersten W i r t s c h a f t s k r i s e Mitte 1 9 3 2 " . 3 4 9 I m J a h r e 1943 stieg die P r o d u k t i o n d e r K o n s u m g ü t e r i n d u s t r i e noch einmal um r u n d fünf Prozent. Doch der Anteil, der d a v o n tatsächlich d e m zivilen S e k t o r zugute k a m , n a h m etwa im gleichen Verhältnis a b . Die Produktionserhöhung wurde von der W e h r m a c h t a u f g e s a u g t ; die P r o d u k t i o n f ü r den zivilen Verbrauch blieb a n n ä h e r n d auf d e m S t a n d des Vorjahres. Die Zahl d e r B e s c h ä f t i g t e n in der K o n s u m g ü t e r i n d u s t r i e s c h w a n k t e im L a u f e des J a h r e s 1943 h e f t i g , blieb a b e r insgesamt f a s t k o n s t a n t . 3 5 0 A n g e s i c h t s der l a u t s t a r k e n P r o p a g a n d a des „totalen K r i e g e s " waren diese T a t s a c h e n erstaunlich genug. D e r R ü s t u n g s m i n i s t e r , ein Verfechter weitgehender Stillegungsmaßn a h m e n in d e r K o n s u m g ü t e r i n d u s t r i e , erreichte bei H i t l e r im April 1943 vorerst d a s E i n v e r s t ä n d n i s des „ F ü h r e r s " d a m i t , „ d a ß durch Einstellung von Produktionen im L a u f e der Zeit Dinge, die nicht m e h r f ü r den totalen Krieg erwünscht sind, a u t o m a t i s c h zur E i n s t e l l u n g k o m m e n . ... Dieses Prinzip sei auch sonst überall anzuwenden, da es leichter u n d mit weniger A u f r e g u n g (unter d e r B e v ö l k e r u n g — D. E.) z u m E r f o l g f ü h r t als Verb o t e . " 3 5 1 I m übrigen verlangte Hitler „eindringlich", „ d a ß Mangelerscheinungen im R e i c h " — er n a n n t e beispielsweise „ F a h r r ä d e r für R ü s t u n g s a r b e i t e r " — „ z u n ä c h s t zuungunsten der besetzten G e b i e t e abgestellt werden m ü s s e n " . 3 5 I m O k t o b e r 1943 s p r a c h S p e e r sich v o r der P a r t e i p r o m i n e n z m i t S c h ä r f e gegen den Überk o n s u m a n a u f w e n d i g e n Gebrauchsgegenständen a u s u n d g a b drastische P r o d u k t i o n s einschränkungen u n d -Stillegungen auf zahlreichen Gebieten b e k a n n t . 3 5 3 E r griff besonders den „ L u x u s " d e r W e h r m a c h t an, die zum Beispiel noch 8 2 4 0 0 0 Reit- und Offiziersschaftstiefel im J a h r erhielt. Die W e h r m a c h t bezog, nach S p e e r , pro J a h r von i n s g e s a m t 12 Millionen kg B ü r o b e d a r f s a r t i k e l n 11,08 Millionen kg, von 730 Millionen Flaschen 4 4 0 Millionen, von einer Million K l o s e t t s 6 2 0 0 0 0 , von 880 t K l a v i e r s a i t e n d r a h t 800 t ( ! ) , fast die g e s a m t e S c h e r e n p r o d u k t i o n in H ö h e von 4,4 Millionen S t ü c k u n d 6,2 Millionen Dienststempel. E i n e B e s o n d e r h e i t des B e d a r f s u n d Verbrauchs an K o n s u m g ü t e r n besteht d a r i n , daß die B e v ö l k e r u n g b e i fehlender W a r e n d e c k e noch eine sehr d e h n b a r e Zeit lang m i t d e m vorhandenen V o r r a t a u s k o m m t — abgesehen von L e b e n s m i t t e l n u n d kurzlebigen G ü t e r n wie b e s t i m m t e n Arten von Arbeits- u n d Kinderkleidung, W a s c h m i t t c l n , Schreibwaren usw. Auf dieses K o n s u m „ p o l s t e r " — einen Teil des V o l k s v e r m ö g e n s — rechneten die Verantwortlichen, wenn sie die „ z i v i l e " Erzeugung der B e k l e i d u n g s i n d u s t r i e so weit drosselten, d a ß im J a h r e 1943 beispielsweise Wäsche und K l e i d u n g f ü r Kleinkinder, K n a b e n u n d Mädchen, s o g a r Windeln u n d Unterwäsche, n u r noch in m i n i m a l e n Mengen v o n weniger als einem S t ü c k (Windeln = fünf S t ü c k ) j e 1 0 0 0 E i n w o h n e r p r o d u z i e r t w u r d e n . 3 5 4 Als u n a b w e i s b a r stellte es sich a b e r im L a u f e desselben J a h r e s heraus, die „ a u s g e b o m b t e " Zivilbevölkerung n o t d ü r f t i g m i t den wichtigsten G e b r a u c h s g ü t e r n zu versehen, G l a s oder 349 Wagenführ, S. 49. — W. bezieht diese Aussage unter unveränderten statistischen Voraussetzungen auf das J a h r 1944. 350 Siehe The Effects, S. 211, Tab. 9. 351 F B , 25. 4. 1943, Punkt 4. — Mit Verboten waren offizielle Anwendungsverbote gemeint, z. B . in der Schönheitspflege. 352 Ebenda. 353 ZStA Potsdam, F S , Film 3570, Rede in Posen am 6. 10. 1943. Hiernach auch das Folgende. 354 Wagenführ, S. 174 ff., Tab. 5.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion Tabelle 103 Produktion ausgewählter Warenart Bettstellen (Holz) Kleiderschränke Küchenschränke Küchen- u. Wohnzimmertische Stühle Tafelglas (1000 m?) Quelle:

387

Verbrauchsgüter 1942 und 1943 1942

1943

(Monatsdurchschnitt) Steigerung 1943 (Prozent)

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73900 28700

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etwa 26300 etwa 228000 4272

35500 340 000 5388

35 49 26

The Effects, S. 272, Tab. 96 u. 97; abweichend Wagenführ,

S. 50; S. 173, Tab. 3.

Pappe zum E r s a t z geborstener Fensterscheiben zu produzieren usw. Ende 1943 waren mehr als sechs Prozent des Wohnraums in Deutschland durch Luftangriffe völlig zerstört oder schwer beschädigt. 3 5 5 B e i den Möbeln für die Geschädigten handelte es sich um einfach konstruierte, billig herzustellende Massenware, die im Rahmen des sogenannten „Kriegsauflagenprogramms" vom Oktober 1 9 4 2 3 5 6 standardisiert worden war. Nach der Verordnung über das „Kriegsauflagenprogramm" sollte allgemein „die Erzeugung von Gebrauchsgütcrn ausschließlieh auf die Herstellung versorgungswichtiger Waren beschränkt und deren Bereitstellung gesichert werden". Dies durchzusetzen, gelang dem damit beauftragten Reichswirtschaftsminister anscheinend nur ganz unzureichend. Jedenfalls sah sich ein J a h r später der Rüslungsminister angesichts der Lage zu größeren Zugeständnissen an die Bevölkerung genötigt und versicherte Hitler gegenüber, „daß beabsichtigt ist, im Zuge der Übernahme der sonstigen Kriegsproduktion (vom Reichswirtschaftsminister — D. E.) die Bedarfsgüter für die Bevölkerung, insbesondere für die Ausgebombten, durch Schaffung von einfachen Gebrauchstypen und zum Teil auch durch Erhöhung der dafür notwendigen Kontingente teilweise wesentlich zu erhöhen". 3 5 7 In der zweiten Hälfte des Jahres 1943 stieg auch der Bedarf an Textilien und Bekleidung für Ausgebombte sprunghaft. Die allgemeine Belieferung der Kleiderkarten der Bevölkerung wurde im August 1943 ausgesetzt. Nur bei nachgewiesenem Bombenschaden bzw. gegen besondere „Bezugscheine" war Ware erhältlich. Doch nicht einmal alle Opfer der Luftangriffe konnten versorgt werden; die Produktion der Bekleidungsindustrie lag nach offiziellen Schätzungen um ein Drittel unter dem Minimum des Kriegsbedarfs. 3 5 8 Ende des J a h r e s war die Zahl der benötigten „Bekleidungseinheiten" — vollständige Ausstattung zweier Personen mit Kleidern und Wäsche — auf monatlich 3 0 0 0 0 0 gestiegen. 3 5 9 355 The Effects, S. 131. 356 Siehe RGBl. 1942 I, S. 607 f., „Verordnung über die Bereitstellung versorgungswichtiger Waren" v. 16. 10. 1942. Hiernach auch das Folgende. Das Reichswirtschaftsministcrium stellte lange Listen solcher „Waren des Kriegsauflagen-Programms" mit mehreren hundert Warenarten zusammen (s. ZStA Potsdam. RWiM, Nr. 10282, Bl. 114 ff.). 357 F B , 6./7. 12. 1943, Punkt 12. 358 The Effects, S. 134. 359 Ebenda.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

388

Tabelle 104 Produktion und Verteilung von Geschirr 1943 (in 1000 Stck.) Warenart/Quartal

Produktion

davon (Prozent) an Ausgebombte an andere Zivilisten

Teller

12084 13864 14141 14617 1265 1566 1510 1571 9188 11638 11677 11730

23 26 30 41 18 20 25 37 18 19 25 37

I. II. III. IV. Schüsseln I. II. III. IV. Tassen I. II. III. IV.

Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal

47 39 23 9 44 40 26 10 57 45 26 9

Quelle: The Effects, S. 273, Tab. 98. Siehe auch Wagenfähr, S. 177, Tab. 6 (fehlerhaft). In allen wiehligen Bereichen (Textilien, Lcderwaren, Haushaltwaren, Möbel usw.) verschlechterte sich die Qualität erheblich und hielt infolge der häufigen Verwendung von Ersatzstoffen in Güte und Haltbarkeit keinen Vergleich mehr mit den Vorkriegserzeugnissen aus. Beispielsweise machte im Jahre 1943/44 (1. 7.—30. 6.) die Produktion von leichten Straßenschuhen, die nur den neunten Teil (vier Monate) der durchschnittlichen Lebensdauer von Lederschuhen aufwiesen, bereits 42 Prozent der Erzeugung aus. 37 Prozent der Rohstoffe für Lederwaren bestanden aus Ersatzstoffen einschließlich Holz (2,6 Millionen Holzschuhe 1943); 1938/39 waren es 15 Prozent gewesen. 360 Die Wehrmacht wurde selbstverständlich vorzugsweise mit Lederschuhen beliefert; f ü r die zivilen VerTabelle 105 Produktion von Konsumgütern in den besetzten Gebieten 1943 Warenart

Köper für Berufskleidung (1000 m) Einheits-Uniformtuch (1000 m) Schlafdecken (1000 Stck.) Schwerleder (t Salzgewicht) Lederarbeits- und Berufsschuhe (1000 Paar) Holzarbeitsschuhe (1000 Paar) Bettstellen (Stck.) Kleiderschränke (Stck.)

Produktion (Monatsdurchschnitt)

In Prozent der Produktion in „Großdeutschland"

897 773 407 5000

27 30 19 29

290 1020 12900 4500

25 39 17 16

Quelle: Schnellberichte. Siehe auch Wagenführ, S. 51. 360 Ebenda, S. 135; Wagenführ, S. 50.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

389

braucher einschließlich der Ausgebombten, auf die nur 28 Prozent des Gesamtverbrauchs entfielen (1938/39: 64 Prozent), 3 6 1 blieb so gut wie ausschließlich Schuhwerk aus Ersatzstoffen mit geringer Haltbarkeit übrig. Zweifellos bot den deutschen Imperialisten im J a h r e 1943 die Produktion von Konsumgütern in den faschistisch okkupierten Gebieten, die in diesem J a h r den höchsten Stand während des Krieges erreichte, noch einen gewissen Ausgleich und verhinderte ein stärkeres Absinken des Verbrauchs bzw. der Qualität bei Waren des zivilen Bedarfs, diente aber auch vorrangig der Auffüllung der Wehrmachtbestände.

g)

Elektroenergie362

Im J a h r e 1939 gab es in Deutschland (mit Österreich und „Sudelengau") 8 2 5 7 große und kleine Kraftwerke mit einer Kapazität von insgesamt 16 bis 17 Millionen Kilowatt und einer Produktion von 66,3 Milliarden Kilowattstunden ( U S A : 130,3). Von ihnen waren 1964 (24 Prozent) öffentliche (staatliche, regionale, kommunale) Werke; sie vereinigten 58 Prozent der Kapazität auf sich und produzierten 56 Prozent der Elektroenergie. Die Werke lagen verstreut über das ganze L a n d ; aber der Grad ihrer Konzentration war insofern beachtlich, als die 113 größten Werke (1,4 Prozent) 51 Prozent der Kapazität besaßen und über 56 Prozent des gesamten Stroms erzeugten. Als Basis der Erzeugung diente (1941) in den öffentlichen Werken zu vier Fünfteln Kohle (zu 55 Prozent Steinkohle, zu 45 Prozent Braunkohle) und zu einem Fünftel Wasserkraft; die privaten Werke nutzten Wasserkraft höchstens zu fünf Prozent, im übrigen gleichfalls Kohle sowie Gas (zu etwa 10 bis 15 Prozent). In den Jahren der Aufrüstung war die Produktion von Elektroenergie gewaltig gestiegen. Von 1934 bis 1939 hatte sie sich mehr als verdoppelt. Doch da die Schaffung neuer Kapazitäten bei weitem hinter der Produktionssteigerung zurückblieb, war diese wesentlich durch vollere Auslastung der vorhandenen (Überschuß-) Kapazität erzielt worden, die im J a h r e 1934 noch 35 bis 4 0 Prozent betragen hatte. Diese Reservekapazität war schrittweise aufgezehrt worden, so daß sie bei Kriegsbeginn „praktisch gleich Null" war. 3 6 3 I m Kriege wuchsen Kapazität und Produktion verhältnismäßig langsam, aber stetig, durchschnittlich etwa um sechs Prozent pro J a h r : von 16,9 Millionen Kilowatt Anfang 1940 auf 22 Millionen Ende 1944 — ein Ergebnis großen Investitionsaufwands — bzw. von 66,3 Milliarden Kilowattstunden im J a h r e 1939 auf 8 6 Milliarden 3 6 4 im J a h r e 1943; das waren in jedem Fall insgesamt etwa 3 0 Prozent. Die öffentlichen Werke wiesen eine höhere Steigerungsrate auf als die privaten. Im J a h r e 1943 (Stand April) waren noch 30 Kraft361 The Effects, S. 135. 362 Die Angaben dieses Abschnitts sind (soweit nicht ausdrücklich anders vermerkt) der konzentrierten Studie in The Effects, S. 114ff. u. S. 264ff., entnommen. Einige Angaben auch bei Wagenführ, S. 21, S. 52 u. passim. Zur Versorgung der Zivilbevölkerung mit Hausbrandkohle, Gas und Strom s. Mehl, Lutz, Energie im Kriege. Die zivile Versorgung 1939—1945, Kaiserslautern 1977. 363 The Effects, S. 115f. (Zit. aus undat. (1945) Bericht des Reichslastverteilers). 364 Viel zu niedrige Werte für 1942 bis 1944 bei Wagenführ, S. 52 (Tab.), die vermutlich nur die öffentlichen Werke erfassen (s. hingegen ebenda, S. 21). Andere Werte und Berechnungsgrundlagen auch in Statistisches Handbuch, S. 335.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

390

Tabelle 106 Kapazität der Kraftwerke (öffentliche Hand) und Stromerzeuguni 1940-1945 (in 1000 kW) Jahr

Nennleistung zu Jahresanfang

Kapazitätszuwachs im laufenden Jahr Prozent

Stromerzeugung (Mrd. kWh)

1940 1941 1942 1943 1944 1945

9500 10360 10890 11920 12700 13300

860 530 1030 780 600

37,9 43.4 46.5 47,3 48,7

9,1 5,1 9,5 6,5 4,7

Quelle: The Effects, S. 117, Tab. 69 (Kapazität); Mehl, S. 200 (Erzeugung). Siehe auch Wagenführ, S. 58 (Tab.). Abweichende Zahlen in anderen Berichten und Aussagen (s. The Effects, S. 116; S. 117, Tab. 71). werke oder Staustufen im Bau, d a r u n t e r auch Großprojekte, die noch viele J a h r e zur Fertigstellung g e b r a u c h t hätten. 3 6 5 D a ß die P r o d u k t i o n t r o t z der ständig angespannten Energiesituation n i c h t im geringsten schneller wuchs als die K a p a z i t ä t , illustrierte den verzweifelten Mangel an Reservekapazität. 3 6 6 Außerdem k l a f f t e bereits zwischen der N e n n k a p a z i t ä t der Werke und ihrer tatsächlich verfügbaren K a p a z i t ä t eine empfindliche Lücke, weit größer als in normalen Zeiten üblich. Sie m a c h t e — m i t großen Schwankungen — bei den öffentlichen Werken in der zweiten H ä l f t e 1942 ungefähr 20 Prozent aus u n d lag im J a h r e 1943 noch erheblich höher. Schuld waren hieran v o r allem die infolge der Überlastung der Anlagen anwachsenden Reparatur- u n d Überholungsarbeiten. „Wir haben in dieser Jahreszeit", so berichtete S t a a t s s e k r e t ä r Schulze-Fielitz (GIWE) im November 1942 v o r der Zentralen Planung, „nichtgewollte R e p a r a t u r e n [an Anlagen für] etwa 700000 k W , die wir im vorigen J a h r n i c h t gehabt haben, ... W i r sehen also ein ganz deutliches Ansteigen auch der R e p a r a t u r k u r v e u n d müssen auch d a r a n denken, daß sehr viele dieser K r a f t w e r k e 20 bis 30 J a h r e alt sind." 3 6 7 I m J a h r e 1943 t r a t e n verschiedentlich schon größere Schäden u n d Ausfälle d u r c h L u f t a n g r i f f e auf. H a u p t a b n e h m e r von Elektroenergie war die Rüstungsindustrie. Gesamtindustrie u n d Eisenbahn b e a n s p r u c h t e n 1939 r u n d 92 Prozent, die Haushalte u n d öffentlichen Gebäude dagegen n u r 6,4 Prozent des Elektrizitätsverbrauchs. 3 6 8 Nach Daten aus dem J a h r e 1944 verbrauchten von d e m Industriekontingent aus den öffentlichen K r a f t w e r k e n die verschiedenen Betriebe der Großchemie, voran die synthetische Treibstoff- u n d Stickstoffproduktion, 37 Prozent, die Werke f ü r die Erzeugung von Leichtmetallen, Ferrolegierungsmetallen u n d E l e k t r o s t a h l weitere 21 Prozent, Bergbau u n d Eisenmetallurgie 20 Prozent u n d die F e r t i g u n g von Kriegsgerät 11 Prozent. Innerhalb des Energieverbrauchs der 365 Mehl, S. 192. 366 In derselben Periode, von 1939 bis 1943, wuchs in den USA die Kapazität um 22,3 Prozent, die Produktion aber um 69,4 Prozent (von 130,3 auf 220,7 Milliarden Kilowattstunden) (The Effects, S. 118). 367 ZP-P, 17. 11. 1942, 27. Sitzung. 368 Vgl. die Aufgliederung in Statistisches Handbuch, S. 337 (mit geringfügigen Unterschieden).

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

391

Industrie verschoben sich die Proportionen w ä h r e n d der Kriegsjahre stark zugunsten der chemischen, besonders der synthetischen P r o d u k t i o n . Als Faustregel galt, d a ß zur E r zeugung einer Tonne B u n a 40000 K i l o w a t t s t u n d e n Elektroenergie aufzuwenden w a r e n ; die entsprechenden Zahlen f ü r A l u m i n i u m waren 25000, f ü r Magnesium u m 20000, f ü r Stickstoff 11000 und f ü r synthetischen Treibstoff 3 0 0 0 Kilowattstunden. Das J a h r 1942 bildete einen W e n d e p u n k t in der Energiesituation. Es begann die Zeit des Mangels u n d d a m i t der Verbrauchseinschränkungen u n d Stromabschaltungen. Der zu großen Teilen schon vor d e m Krieg eingerichtete staatsmonopolistische A p p a r a t auf d e m Energiesektor (Generalinspektor f ü r Wasser u n d Energie, Reichsstelle f ü r Energiewirtschaft, Reichslastverteiler) v e r f ü g t e — jeweils nach Billigung d u r c h die Zentrale Planung — allgemeine Kürzungen des Monatsverbrauchs a n Energie, Begrenzungen f ü r den Verbrauch in den Spitzenbelastungszeiten u n d weitere partielle Verbrauchskürzungen gemäß sogen a n n t e n Abschaltlisten. E i n differenziertes Ausnahmeverfahren nach Prioritätslisten vervollständigte das Regulierungssystem. Stromkürzungen fanden hauptsächlich während der W i n t e r m o n a t e s t a t t , d. h. zu Zeiten des B e d a r f s h ö h e p u n k t s u n d des geringsten Angebots an Wasserkraft. Sie setzten im Okt o b e r 1941 ein und steigerten sich J a h r f ü r J a h r . Tabelle 107 Kürzungen des Spitzenbedarfs an Elektroenergie (Prozent des Bedarfs)

1941/42 1942/43 1943/44 1944/45

Oktober

November

Dezember

Januar

1,2 4,4 3,2 6,1

2,9 4,0 7,8 14,2

2,2 3,9 7,1 17,7

2,7 3,5 2,5 29,1

Quelle: The Effects, S. 120, Tab. 73. Angaben in kWh sind nicht verfügbar. Die Energiesituation wurde immer m e h r zu einem F a k t o r , der auch in Kernbereichen der faschistischen Kriegswirtschaft zu Schwierigkeiten u n d sogar zu Produktionseinschränkungen f ü h r t e , besonders in der elektrochemischen u n d metallurgischen Industrie. Hin und wieder m u ß t e die Aluminiumproduktion gedrosselt werden. Im November 1943 zogen Stromabschaltungen bei synthetischem Stickstoff einen P r o d u k t i o n s r ü c k g a n g von 12,5 Prozent u n d bei Elektrostahl von 20 Prozent nach sich. Seit Ende 1943 erwies sich die Elektrizitätsversorgung fast p e r m a n e n t als unzureichend im Verhältnis zum Bedarf der Rüstungsindustrie.

K A P I T E L VI

Zur Kriegsziel- und Okkupationspolitik des deutschen Imperialismus

1. Das deutsche Finanzkapital und die Kriegszielplanungen nach dem 22. Juni 1941 Nach Absicht d e r herrschenden Kreise Hitlerdeutschlands diente der von langer H a n d geplante Überfall auf die U d S S R der Vernichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung — ihrem wichtigsten imperialistischen Klassenziel. Das m a c h t e letzlich die neue Q u a l i t ä t dieses Raubzuges im Vergleich zu den vorangegangenen aus. Die Niederwerfung der Sowjetunion sollte ihnen zugleich die endgültige H e r r s c h a f t über E u r o p a verschaffen u n d ihr wirtschaftliches Potential f ü r den „Kampf gegen Kontinente", 1 d. h. f ü r die künftigen Auseinandersetzungen m i t den anderen imperialistischen Mächten u m die Weltherrschaft stärken. In der Praxis d e r deutschen O k k u p a n t e n erwies sich dieser R a u b zug d a h e r als eine neue Stufe extrem gesteigerter imperialistischer B r u t a l i t ä t und faschistischer Barbarei. Mit den ersten militärischen Erfolgen glaubten sie schon, ihren Zielen zum Greifen n a h e zu sein. Vom äußersten Grad der Geheimhaltung befreit, gingen sie n u n mittels j e n e r schon von den „ N e u o r d n u n g s " - P r o g r a m m e n des J a h r e s 1940 her gewohnten K o m b i n a t i o n von euphorischer Plänemaclierei und b r u t a l - n ü c h t e r n e r Kalkulation daran, Konzeptionen und Pläne d a f ü r zu entwerfen, wie E u r o p a zu beherrschen u n d auszubeuten und wie die nächsten S c h r i t t e zur Weltherrschaft vorzubereiten seien. Vorrangiges Interesse zeigten die Reichsgruppe Industrie u n d die Wirtschafts- u n d F a c h gruppen, die staatsmonopolistischen Organe des Reichsministeriums f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition u n d alle bedeutenden Konzerne und B a n k e n an der Inbesitznahme d e r sowjetischen Betriebe und Bodenschätze u n d a m Aufbau eines diesem Zweck dienlichen Okkupationsregimes. D a r ü b e r hinaus aber formulierten die führenden Monopole ihre Vorstellungen von Kriegszielen, die weit über diese u n m i t t e l b a r e Zielsetzung hinausreichten. Sie k n ü p f t e n d a m i t u n m i t t e l b a r an ihre „Neuordnungs"- u n d „ W u n s c h p r o g r a m m e " von 1940 an, schrieben sie aber auf einer neuen Stufe fort, indem sie das sowjetische Territorium und W i r t s c h a f t s p o t e n t i a l als ein Kernstück des zu errichtenden „Großwirtschaftsraumes" darin einschlössen. Auf der Grundlage derartiger Vorstellungen und Pläne bildete sich d a s gesamte faschistische Okkupationsregime im besetzten Europa weiter aus. a) Die „Neuordnungs"-Planung

1941J42

In den ersten Wochen u n d Monaten nach dem 22. J u n i 1941 richteten sich die Konzerne, Fach- und W i r t s c h a f t s g r u p p e n , beflügelt von den militärischen Erfolgen, auf die Inbesitzn a h m e der verschiedenen Wirtschaftsgebiete u n d Industriezweige in der U d S S R ein. 1 Fall Barbarossa, S. 148, Niedersehr, üb. Ausführungen Hitlers vor d. Generalität, 9. 1. 1941.

Finanzkapital und Kriegszielplanungen

393

Binnen acht Tagen nach der Invasion im Osten erschienen, ausgerüstet mit langfristig vorbereiteten, marschbereiten Wirtschaftsorganisationen f ü r die zu besetzenden Gebiete und m i t Bergen aufbereiteten statistisch-wissenschaftlichen Materials, die großen Montankonzerne, der IG-Farben-Konzern, Zeiss, Siemens und AEG auf der Bildfläche und meldeten ihre Forderungen auf die Beute an. Solche Forderungen und andere Aktivitäten betreffend Plünderung, Raub und Ausbeutung in der Sowjetunion sind von folgenden Konzernen und staatsmonopolistischen Institutionen schon für die Zeit vom 22. bis 30. J u n i 1941 b e k a n n t 2 : Wirtschaflsgruppe Eisen schaffende Industrie, Wirtschaftsgruppe Werkstoffverfeinerung, Fachgruppe Edelstahl, Krupp, Reichswerke „Hermann Göring", Hoesch, Otto Wolff, Gutehoffnungshütte, Maxhütte (Flick-Konzern), Schocher & Blcckmann Stahlwerke AG, IG F a r b e n 3 ; Vereinigte Stahlwerke, Flick 4 ; Rüstungsbeirat des Reichsministcrs für Bewaffnung und Munition, Fachgemeinschaft Eisen- und Metallindustrie (fachliehe Vereinigung von 12 Wirtschaftsgruppen innerhalb der RGI), BergmannElekLricitäts-Werke AG (Siemens-Konzern), Zeiss, Dynamit-AG vorm. Alfred Nobel & Co. (IG-Farben-Konzern) 5 ; Obcrschlesisclies Institut f ü r Wirtschaftsforschung, Oberhütten e . Der Aktivität der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie unter ihrem Leiter Hans Croon, Inhaber der mit der Deutschen Bank verbundenen Aachener Tuchfabrik G. I I. & J. Croon, und dem Einfluß großer Textilkonzerne wie des Dierig-Konzerns war es zuzuschreiben, daß bereits Anfang Juli die Gründung einer Gesellschaft ins Auge gefaßt wurde, die vom Reichswirtschaftsministcrium mit allen Vollmachten f ü r die Ausplünderung und Ausbeutung der sowjetischen Textilindustrie und Textilrohstoffwirtscliaft versehen werden und in der „die private Tcxtilwirtschaft in jeder Hinsicht dominieren" 7 sollte. Die Deutsche Bank verfolgte dieses Vorhaben mit dem größten Interesse und drang bei Croon darauf, „auch bei der neuen sich bietenden Möglichkeit führend mitzuwirken". 8 Hermann Josef Abs erinnerte sich einige Zeit danach: „Vor Wochen habe ich diescrhalb Herrn Kehrl angerufen, der bemerkte, wir seien die ersten, die sieh anböten — für alle sei Gelegenheit genug, Geld zu geben." 9 Am 10. Juli beschlossen die Chernickonzcrne unter Führung des IG-Farben-Konzerns gemeinsam mit dem Picichswirtschaftsministcrium über ein ausgefeiltes System der Beherrschung der sowjetischen Chemieindustrie durch die deutschen Großfirmen und Syndikate und durch spezielle „Ostgcsellschaften" (Chemie Ost GmbH, Stickstoff Ost GmbH usw.).«» 2 Nach dem Datum der jeweiligen Quelle geordnet. 3 Czollek, Roswitha/Eichholtz, Dietrich, Die deutschen Monopole und der 22. Juni 1941, in ZfG, 1/1967, S. 7 2 f f . ; Band I, S. 202ff. 4 Fall 5, S. 257. 5 Anatomie des Krieges, S. 340f., Dok. 167. 6 Eichholtz, Dietrich/Ilass, Gerhart, Zu den Ursachen des zweiten Weltkrieges und den Kriegszielen des deutschen Imperialismus, in ZfG, 7/1967, S. 1168 ff. Siehe auch Band I, S. 204 f. 7 Anatomie des Krieges, S. 342, Dok. 169, AN Elkmann (stellv. Direktor d. Deutschen Bank), 9. 7. 1941. 8 Ebenda. 9 ZStA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. A 11, Bd. 11, Marginale Abs' v. 25. 8. 1941 an AN Kimmichs, 19. 8. 1941.— Hans Kehrl, selbst Textilindustrieller, war damals Generalreferent und Spezialist für Okkupationsfragen im Reichswirtschaftsministerium. Er hatte bedeutenden Anteil an der Gründung der in Rede stehenden „Ost-Faser-Gesellschaft mbH" am 4. 8. 1941. 10 Anatomie des Krieges, S. 343, Dok. 170, Protokoll der Vorstandssitzung der IG Farben, 10. 7. 1941.

394

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

Auch beim Siemens-Konzern n a h m e n die Projekte f ü r die Expansion n a c h Osten Gestalt an. 1 1 Am 14. J u l i teilte die Leitung von Siemens-Schuckert ihren Werken mit, d a ß kein G r u n d zur Beunruhigung hinsichtlich der sogenannten Russenaufträge aus der Zeit v o r d e m 22. J u n i vorliege, zumal ein wesentlicher Teil der F a b r i k a t e „für die Rohstoffgewinn u n g in d e m bisherigen Gebiet der U d S S R vorgesehen waren u n d voraussichtlich a u c h d o r t zur Verwendung gelangen sollen. Hierbei ist z. B. an Ausrüstungen f ü r K r a f t a n l a g e n , f ü r die Erdölindustrie, f ü r Bergwerkseinrichtungen u n d f ü r d a s Transportwesen g e d a c h t . " 1 2 In den folgenden Wochen stellte die Zentrale des Siemens-Konzerns eine gesonderte Organisation f ü r die besetzten sowjetischen Gebiete auf die Beine, an deren Spitze m i t Richard Diercks (Siemens & Halske) und H e r m a n n Reyss (Siemens-Schuckert) m a ß gebliche Vorstandsmitglieder standen. Diercks und Reyss waren der Konzernleitung verantwortlich f ü r „alle Fragen, die im Zusammenhang stehen m i t der eventuellen Bet r e u u n g russischer elektrotechnischer Fabriken, elektrischer Zentralen ... sowie [für] alle übrigen Organisationsfragen, die f ü r das Wiederingangsetzen einer Organisation dieser Gebiete f ü r unser späteres Geschäft in Betracht k o m m e n " . 1 3 Zu den aggressivsten Kräften des deutschen Monopolkapitals gehörten seit eh u n d je die Leicht- u n d Buntmetallkonzerne, voran die Metallgesellschaft, Mansfeld, Giesche, Degussa, Preußag, die Vereinigten Aluminium-Werke u n d — n i c h t zuletzt — der in der Nichteisenmetallindustrie stark engagierte lG-Farben-Konzern. Sie waren in der W i r t schaftsgruppe Metallindustrie, insbesondere in den Fachgruppen Metallerzbergbau u n d Metall erzeugende Industrie, zusammengeschlossen u n d halten sich überdies seit J a h r e s frist eigens „zum Zwecke einer großzügigen Planung auf dem Gebiet der Metallgewinnung im neu sich bildenden ,Großeuropäischen W i r t s c h a f t s r a u m ' " in „Metallkreisen" organisiert. 1 4 Die beiden Fachgruppen, die schon am 29. Mai 1941 per Rundschreiben m i t d e m lakonischen Betreff „ G r o ß r a u m w i r t s c h a f t " ein Verzeichnis der erhofften Beute, eine „Zusammenstellung über die Metallversorgung Rußlands sowie über die in R u ß l a n d vorhandenen Metallerzvorkommen, Gruben und Metallhütten", versandt h a t t e n , gaben ihren Mitgliedern am 17. Juli ein weiteres Vademekum über die „wichtigsten Erzeugungss t ä t t e n im europäischen R u ß l a n d " an die Hand. 1 5 Das besondere Interesse der Metallkonzerne erregte der Kaukasus; nichtsdestoweniger verzeichneten ihre generalstabsmäßig erarbeiteten W i r t s c h a f t s k a r t e n der U d S S R — so die des Mansfeld-Konzerns v o m J u l i — auch die Bodenschätze im Ural, in Westsibirien, in Kasachstan u n d in Mittelasien. 1 6 Aus der Fülle weiterer „Wirtschaftsberiehte" u n d Memoranden, die einen integrierenden Bestandteil des Kriegszielprogramms des deutschen Imperialismus bildeten, s t a m m t e n die gewichtigsten aus den Büros der Großkonzerne, der führenden Monopolverbände, staatsmonopolistischen Vereinigungen und Institutionen. Allein in der Volkswirtschaftlichen Abteilung des IG-Fnrben-Konzerns entstanden in der Zeit, von J u n i 1941 bis Dezember 1942, soweit bisher b e k a n n t , mindestens 15 sogenannter Vowi-Beriehte über die industriellen R e i c h t ü m e r der U d S S R . Schon während der ersten Monate des Krieges flössen die Planung des wirtschaftlichen 11 Siemens — Rüstung — Krieg — Profite. Von einem Autorenkoll. unter Leitg. v. Hans Radandt, Berlin, o. J. (1961), S. 39/41. 12 ZStA Potsdam, Siemens AG, Nr. 5378, Bl. 186 R, Rs. v. 14. 7. 1911. 13 Ebenda, Bl. 176, Rs. v. 9. 9. 1941. 14 Band /, S. 349. 15 Radandt, Mansfeld, S. 262 f. 16 Ebenda, S. 267.

Finanzkapital u n d Kriegszielplanungen

Tabelle 108 Wirtschaftspolitische

Ausarbeitungen

über die UdSSR 1941/1942

395

(Auswahl)

H e r k u n f t bzw. Verfasser

Titel

Datum

IG Farben

Rohstoffvorkommen u n d Förderung in der Sowjetukraine und in den angrenzenden Gebieten „ W i r t s c h a f t s s t r u k t u r der U d S S R " „ Sowjet-Ukraine" „Materialsammlung über Lagerstätten, eisenschaffende u n d eisenverarbeitende Industrie im europäischen Gebiet der ehem. U d S S R " („Bericht Nr. 3") „Die Stickstoffindustrie in der U d S S R " „ K a p a z i t ä t e n der russischen Montanindustrie" „Firmenbericht. Die Werke der Eisen schaffenden Industrie in Rußland. I. Europäischer Teil" „ I I . Asiatischer Teil" „Erdöl in R u ß l a n d "

J u n i 1941

Reichsgruppe Industrie (dto.) Reichswerke „ H e r m a n n Göring"

Stickstoffsyndikat De mag Vereinigte Stahlwerke

(dto.) Reichsstelle für Bodenforschung I n s t i t u t f ü r Konjunkturforschung IG Farben Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie Statistisches Reichsamt

„Rohstoffbilanz Kontinentaleuropas unter Einschluß des Europäischen Rußland u n d Nordafrikas" „Erdöl und Erdgas im K a u k a s u s " „Die W i r t s c h a f t des K a u k a s u s unter besonderer Berücksichtigung der Chemischen Industrie" „ U d S S R . Wirtschaftsatlas. Teil I : Rohstoffe"

9. Juli 1941 9. J u l i 1941 Juli 1941

Juli 1941 1. August 1941 August 1941

Oktober 1941 1941 1941 29. April 1942 J u n i 1942 1942

Quelle: ZStA P o t s d a m , FS, Film 10629, 10671, 10674-10677; BA Koblenz, R 13 I, Nr. 1146; Archivalische Quellennachweise zur Geschichte der chemischen Industrie, Nr. 6, Wolfen 1974, S. 53 ff.; Radandt, Mansfeld, S. 263 f.

Raubzugs und Überlegungen über die künftige, von einem beherrschten Europa aus zu verfolgende imperialistische Strategie zu ersten Vorstellungen übergreifenden Charakters zusammen. Reichaußenm in ister v. Ribbentrop rechnete gewiß mit einer aktivierenden Wirkung des deutschen Vorbilds auf die japanische Regierung, gab aber zugleich die in den maßgeblichen Kreisen des Regimes allgemein herrschende Auffassung wieder, als er die deutsche Botschaft in Tokio am 28. Juni 1941 über die Auswirkungen der bevorstehenden „Endkampflösung der russischen Frage in ihrer Totalität" instruierte: „Die von unserer militärischen Aktion binnen verhältnismäßig kurzer Zeit zu erwartende Zerschlagung der russischen Macht wird den Sieg Deutschlands auch über England zur unwideruflichen Tatsache machen. Wenn Deutschland im Besitze der russischen Ölquellen und Getreidefelder ist, ist damit für das gesamte Europa die ausreichende Versorgung sichergestellt, so daß auch die englische Blockade überhaupt völlig gegenstandslos wird. Die unmittelbare Landverbindung nach Ostasien wird bei dieser Gelegenheit ebenfalls hergestellt." Anschließend hieß es: „Auf diese Weise sind dann alle Voraussetzungen gegeben, die die von den Achsenmächten beabsichtigte Neuordnung des europäischen Raumes ermöglichen." 17 17 ZStA Potsdam, Fall gression, S. 21.

X I , Nr. 260, Bl. 157f., Telegr. v. 28. 6. 1941; s. a .Anatomie

der Ag-

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H e r m a n n Josef Abs, V o r s t a n d s m i t g l i e d und „ A u ß e n m i n i s t e r " d e r Deutschen B a n k , ging von einem noch w e i t e r reichenden Horizont expansionistischer Interessen u n d Kriegsziele aus, als er a m 17. J u l i vor d e m Handelspolitischen A u s s c h u ß der R e i c h s w i r t s c h a f t s k a m m e r ( H P A ) , d e m f ü h r e n d e R e p r ä s e n t a n t e n des F i n a n z k a p i t a l s und der R e i c h s g r u p p e I n d u s t r i e angehörten, einen v i e l b e a c h t e t e n Vortrag m i t d e m T i t e l „Europa und U S A in w i r t s c h a f t l i c h e r B e t r a c h t u n g " h i e l t . 1 8 Ihn beschäftigten, wie er d a r i n e i n g a n g s darlegte, die Probleme u n d S c h w i e r i g k e i t e n e i n e r „ R e g e l u n g des zukünftigen Verhältnisses Europa — U S A " ; er w e r d e sich als R e f e r e n t v o r a l l e m m i t den „ w i r t s c h a f t l i c h e n T a t s a c h e n und Voraussetzung e n " befassen, „die f ü r eine k o m m e n d e Neuordnung d e r Beziehungen zwischen den beiden Großräumen E u r o p a u n d U S - A m e r i k a vorhanden sind oder geschaffen werden m ü s s e n " . Dann ging er auf d a s w i r t s c h a f t l i c h e K r ä f t e v e r h ä l t n i s zwischen den beiden „ G r o ß r ä u m e n " u n d auf die neue S i t u a t i o n im Kampf u m die W e l t h e r r s c h a f t ein u n d e r l ä u t e r t e die nächsten S c h r i t t e , die u n t e r n o m m e n werden m ü ß t e n , u m m i t Erfolg in die k ü n f t i g e A u s e i n a n d e r setzung m i t den U S A einzutreten. Die zentrale F r a g e f ü r A b s war, wie K o n t i n e n t a l e u r o p a zu einem nach innen u n d n a c h außen einheitlichen w i r t s c h a f t l i c h e n „ G r o ß r a u m " u n t e r d e u t s c h e r H e r r s c h a f t zusammenzuschließen sei, d a m i t m a n m i t den U S A von der Position der S t ä r k e a u s v e r h a n d e l n könne. Dabei sei zu b e r ü c k s i c h t i g e n , so hob e r hervor, „ d a ß der Begriff K o n t i n e n t a l e u r o p a , u n t e r d e m m a n bisher d i e europäischen S t a a t e n ohne Großbritannien u n d R u ß l a n d verstand, d u r c h d i e kriegerischen E n t w i c k l u n g e n im Osten eine neue P r ä g u n g erhalten wird. Auch die W i r t s c h a f t R u ß l a n d s wird z u m m i n d e s t e n in wesentlichen Teilen einem zukünftigen kontinentaleuropäischen W i r t s c h a f t s r a u m zuzuzählen sein. W e l c h e n Zuwachs dieser R a u m d a d u r c h an Erzeugungs- und a u c h an V e r b r a u c h s k r a f t e r h ä l t , ist n a t u r g e m ä ß im g e g e n w ä r t i g e n S t a n d der E n t w i c k l u n g g a r n i c h t abzuschätzen. J e d e n f a l l s wird er auch u n t e r dem Gesichtspunkt der S e l b s t v e r s o r g u n g m i t w i c h t i g e n Gütern eine weitere Abrundung e r f a h r e n . " A b s ' u m f a s s e n d e s s t r a t e g i s c h e s Konzept und seine a u s f ü h r l i c h e n handels- u n d w ä h r u n g s politischen Darlegungen w a r e n im V o r t r a g s t e x t freilich in z u r ü c k h a l t e n d e u n d v o r s i c h t i g e F o r m u l i e r u n g e n g e z w ä n g t . 1 3 In der anschließenden Diskussion, die einige U n s i c h e r h e i t 18 ZStA Potsdam, Deutsehe Bank, Nr. 21913, Bl. 269—307; Auszüge gedr. in Anatomie des Krieges, S. S'ijff., Dok. 173 (hiernach auch das Folgende). — Mitglieder des HPA waren (unter insgesamt 26 Vertretern der Rüstungskonzerne und Großbanken, der Konzerne des Außenund Überseehandels, der Reichsgruppe Industrie usw.) Abs, Hermann Fellinger (DidierKonzern; RG1), Emil Helfferich (Ilapag), Oscar R. Ilenschel (Ilenschel-Konzern), Karl Lindemann (C. Melchers & Co./Norddeutscher Lloyd), August Rohdewald (Reichs-KreditGesellschaft) Hellmuth Roehnert (Rheinmetall-Borsig/Reichswerke „Hermann Göring") und Wilhelm Wohlfarth (Zeiss-Ikon/Zeiss-Konzern). Unter den Gästen der Tagung am 17. Juli befanden sich August Diehn (Kalisyndikat), Georg v. Schnitzler (IG Farben), Oskar Sempell (Vereinigte Stahlwerke), Albert Pietzsch (Leiter der Reichswirtschaftskammer) und mehrere andere führende Repräsentanten von RWK und RGI, ferner Offiziere des OKW und leitende Beamte aus der Reichskanzlei, dem Auswärtigen Amt, dem Vierjahresplan, dem Reichswirtschafts- und dem Reichsfinanzministerium. Von besonderem Interesse ist die Tatsache, daß es dem Widerstandskämpfer und Kundschafter Arvid Harnack gelang, in seiner Eigenschaft als Amerikareferent im Reichswirtschaftsministerium an der Sitzung teilzunehmen (s. ebenda (ZStA Potsdam), Bl. 332ff., Protokoll der Sitzung). 19 Der Vortragstext lag in hektographierter Form den Tagungsteilnehmern vor und wurde von Abs auch später noch verschiedentlich an interessierte Bekannte aus Bank- und Regierungskreisen — beispielsweise an Emil Puhl, Vizepräsidenten der Reichsbank — verschickt. Auf Formulierung und Aufbau des Manuskripts hatten diese weite Verbreitung und natürlich die

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und mangelndes Verständnis unter seinem P u b l i k u m verriet, t r a t Abs daher ein weiteres Mal auf und skizzierte „zur Gewinnung eines richtigen S t a n d p u n k t e s " ohne Umschweife sein imperialistisches Kriegsziclprogramm: „1. sei davon auszugehen, daß Deutschland nach dem Krieg Europa beherrscht, 2. auch Europa ist nach dem Krieg auf USA nicht angewiesen, 3. der Ferne Osten und S ü d a m e r i k a stehen dem europäischen Export offen, 4. der Lebensstandard der amerikanischen Arbeiter wird steigen, 5. erhöhte Kosten werden Amerika zwingen, m i t Europa zu verhandeln, 6. die Südostgebiete und die osteuropäischen Gebiete gehören in den deutschen Bereich und werden zu einem höheren Lebensstandard geführt." W a s den „höheren Lebensstandard" für Südost- und Osteuropa betraf, so handelte es sich um eine euphemistische Umschreibung für gewisse, von den deutschen Monopolen „genehmigte" Investitionen in für sie interessanten Wirtschaftszweigen, vor allem aber für profitable F e r t i g w a r e n a u s f u h r als „Gegenleistung" für die Ausplünderung der Rohstoffressourcen. Oscar R . Henschel, Chef des Henschel-Konzerns, brachte die Ansichten der Anwesenden auf eine Formel: „Europa sei nicht wesentlich auf Amerika angewiesen, da uns nach dem Krieg auch der russische R a u m m i t seinem Reichtum offenstehe." Die Ausführungen von Abs kamen an Bedeutung und Tragweite anderen grundlegenden Dokumenten jener Zeit wie etwa den a m Tag zuvor von Hitler im engen Kreise abgegebenen Erklärungen zu den Kriegszielen in der U d S S R 2 0 oder auch der berüchtigten Weisung Nr. 3 2 2 1 durchaus gleich. Das darin enthaltene strategische Konzept erschloß die tiefsten Beweggründe für den Krieg des imperialistischen Deutschlands um die Weltherrschaft. Es zeichnete wesentliche Expansionslinien des deutschen Finanzkapitals vor, die zugleich m i t traditionellen Expansionsinleressen der Deutschen B a n k und der von ihr geführten Finanzgruppe identisch w a r e n : Südosteuropa, Osteuropa, Lateinamerika, Ostasien. 2 2 W a s Abs als d u r c h a u s aktuelles Problem einkalkulierte, war die offene Konfrontation des „neugeordneten" Europas mit den U S A und die verdeckte Auseinandersetzung m i t dem japanischen Imperialismus um die außereuropäischen „Großräume". F ü r die wirtschaftspolitische, speziell die außenhandels- und währungspolitische Seite dieser Auseinandersetzungen legte er ein detailliertes, weitreichendes Programm vor. F ü r die „Neuordnungs"-Planer der Konzerne, Konzerngruppen und Industriezweige behielten in der Regel Zukunftsplanungen ihre Bedeutung auch neben den Aufgaben, die durch die „Erweiterung des R a u m e s nach Osten" auf die Tagesordnung rückten, „die zu einer weitgesteckten Planung nötigen und bei denen zunächst Privatinteressen werden Tatsache Einfluß, daß m i t den U S A noch kein Kriegszustand h e r r s c h t e ; die offene militärische K o n f r o n t a t i o n w a r zwar einkalkuliert, lag aber, wenigstens zu diesem Zeitpunkt, nicht im Interesse der deutschen Imperialisten. Schließlich spielte der U m s t a n d eine Rolle, daß der Vortrag in seinen Grundzügen schon v o r dem 22. J u n i 1 9 4 1 v o r b e r e i t e t worden w a r (s. Z S t A Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 2 1 9 1 3 , verschied. Stücke seit April/Mai 1941). 20 IMG, Bd. 38, S. 86 ff., Dok. L - 2 2 1 , Aufzeichnungen B o r m a n n s üb. Bespr. bei Hitler am 16. 7. 1 9 4 1 ; teilw. gedr. in Fall Barbarossa, S. 3 3 1 f f . , Dok. 105. 2 1 Fall Barbarossa, S. 7 3 f f . , Dok. 1 1 . 22 Zum K e r n der Expansionsinteressen der genannten Finanzgruppe gehörten, wenn auch nicht u n m i t t e l b a r v o n Abs' Thema berührt, traditionellerweise ebenfalls der Nahe Osten und das gewaltige mittelafrikanische Kolonialreich, f ü r dessen Bildung seit J a h r e s f r i s t umfassende Planungen vorlagen. (Zu den kolonialen Kriegsziclen s. Lakowski, Richard., Die Kriegsziele des faschistischen Deutschland im transsaharischen A f r i k a , Phil. Diss. Berlin 1 9 7 0 ; Eichholtz, Dietrich, Die Kriegszieldenkschrift des Kolonialpolitischen A m t e s der N S D A P v o n 1940, in ZfG, 3/1974, S. 3 0 8 f f . ) .

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in den Hintergrund treten müssen". 23 Die anfänglichen Erfolge der Wehrmacht und die erträumten kolossalen Perspektiven im Osten beflügelten das deutsche Finanzkapital in seinem Drang, im bereits besetzten bzw. beherrschten Teil Europas fertige Tatsachen und endgültige Zustände zu schaffen und den europäischen „Großwirtschaftsraum" unter seiner Führung beschleunigt zusammenzuzimmern. Deutlicher als bisher schälten sich bestimmte Schwerpunkte in seiner „Friedensplanung" heraus. Seine expansiven Bestrebungen richteten sich ebenso intensiv wie auf den „Ostraum" auf die anderen Eckpfeiler des geplanten „Großwirtschaftsraumes" : Westeuropa, Südosteuropa, Nordeuropa (besonders Norwegen). Sie sollen im folgenden an Beispielen demonstriert werden. Im Zentrum des Kriegszielprogramms der deutschen Montankonzerne stand nach wie vor die Herrschaft über den französischen Minettebergbau und die Hüttenwerke in Frankreich, Luxemburg und Belgien. Die Herrscher über Kohle und Stahl an Ruhr und Saar gehörten schon im ersten Weltkrieg zu den militantesten Verfechtern der Annexion des gesamten lothringischen Erzbeckens. 24 Seit Anfang 1941 arbeitete eine vom Reicliswirtscliaftsminister eingesetzte und bevollmächtigte dreizehnköpfige Kommission von maßgeblichen Interessenvertretern der Monopole, nach ihrem Leiter Hugo Klein „ Klein-Kommission" genannt, sogenannte Gutachten über die „Verteilung" der Eisen- und Stahlindustrie in Frankreich, Belgien und Luxemburg an die deutschen Interessenten aus. Wenige Wochen vor dem Überfall auf die U d S S R hatte die Kommission ihren ersten Bericht, das „Gutachten über die Bewertung der luxemburgischen und lothringischen Werke", 2 5 vorgelegt, dessen Kardinalforderung lautete: „Nach Ansicht der Kommission besteht ein erhebliches allgemeines Interesse daran, daß der Eigentumsübergang der Werke an die Treuhänder baldigst erfolgt und daß den Treuhändern baldigst bindende Zusagen hinsichtlich des Eigentumserwerbs sowie des Übernahmepreises gegeben werden." 2 0 Unverzüglich setzte die Kommission, nun mit neun Mitgliedern, ihre Arbeit jenseits der Annexionsgrenzen fort und erstattete schließlich im J u l i 1942 ihren zweiten umfänglichen Bericht über „Die Hüttenwerke im Minettegebiet, in Belgien und Nordfrankreich", den sogenannten Klein-Bericht. 27 Der Kommission war ursprünglich die Aufgabe gestellt worden, die Bedeutung der Hüttenwerke im besetzten Westen für das „neugeordnete" Europa und insbesondere für die Stahlversorgung im Kriege festzustellen. Doch sie beschäftigte sich in ihrem zweiten Bericht, vor allem im Schlußabschnitt über die „Unteilbarkeit des Gesamtgebietes", in erster Linie mit der Erzbasis. Der Bericht wurde zu einem 23 Band /, S. 350, Geschäftsbericht d. Fachgruppe Metallerzeugende Industrie, Februar 1942. 24 Ausführlich hierzu Eichholtz, Dietrich, Das Minette-Revier und die deutsche Montanindustrie, in ZfG, 7/1977, S. 8 1 6 f f . ; hiernach auch das Folgende. Siehe ferner Volkmann, Hans-Erich, L'importance économique de la Lorraine pour le I l l e Reich, in Revue d'histoire de la deuxième guerre mondiale, Nr. 120/1980, S. 69 ff. Vgl. auch Deutschland im ersten Weltkrieg, Rd. 1, S. 3 5 6 f f . ; Bd. 2, S. 1 6 6 f . ; Bd. 3, S. 8 1 f . 25 ZStA Potsdam, Fall V, Film 405, Dok. NI-5487 (F), Auszug aus d. „Gutachten über die Bewertung der luxemburgischen und lothringischen Werke gemäß Schreiben des Herrn Reichswirtschaftsministers vom 21. 2. 1941", März/April 1941. — Außer Klein, dem 1. stellv. Vorsitzer des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, zählten zu den Kommissionsmitgliedern u. a. Jakob Wilhelm Reichert (Hauptgeschäftsführer der Wigru Esl), Carl Küttner (FachgruppeEdelstahl), Jacob Herle (Haupttreuhandstelle Ost) und Bernhard Skrodzki (Geschäftsführer der RGI). 26 Ebenda. 27 ZStA Potsdam, FS, Film 10637. Hiernach auch das Folgende. — Kommissionsmitglieder waren u. a. J . W . Reichert und Carl Raabe (Flick-Konzern).

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„plaidoyer ... pour le rattachement de Briey, Longwy el Nancy ä l'Allemagne". 28 „Wer im Minettebergbau führen will", so war darin zu lesen, „müsse die Verfügung über die Gruben von Longwy und Briey besitzen." Am Schluß hieß es, teils fordernd, teils beschwörend, mit deutlichem Hinweis auf die Notwendigkeit einer baldigen politischen Grenzziehung: „Weder die deutsche Friedens- noch die Wehrwirtschaft können auf dieses unentbehrliche Eisenerz- und Eisengebiet verzichten." Es war ferner insbesondere Südosteuropa, das in den Augen der deutschen Imperialisten im Zusammenhang mit den militärischen Ereignissen auf dem Balkan und in der Sowjetunion eine Neubewertung erfuhr. Nach der Okkupation Jugoslawiens und Griechenlands und nach der Zerschlagung der U d S S R fiel ihnen nach ihrer Berechnung ganz Südosteuropa wie ein reifer Apfel in den Schoß u n d gelangte als sicheres ökonomisches Hinterland auf unabsehbare Zeit und unwiderruflich unter deutsche Vorherrschaft. Am 7. November 1941 hielt der Südostausschuß der RGI unter der Leitung von Max ligner, Vorstandsmitglied der IG Farbenindustrie AG, seine konstituierende Sitzung ab. Seine Gründung war die Krönung einer seit langem intensiv betriebenen Beschäftigung des deutschen Finanzkapitals mit den Zielen und Methoden seiner weiteren Expansion nach Südosten. Es waren im wesentlichen die auch iin Mitteleuropäischen Wirtschaftstag (MWT) vertretenen monopolistischen Kreise, die sie seit Monaten vorbereitet hatten. 2!) Sic schufen sich im Südostausschuß ein zentrales staatsmonopolistisches Organ, das als unentbehrliche und unumgängliche Beratungsstelle für die faschistische Regierung, je nach Bedarf auch selbst mit Regierungsvollmachten ausgestattet, die Expansion des deutschen Imperialismus nach Südosteuropa vorantreiben, lenken und kontrollieren u n d die gesamte Planungs- und organisatorische Tätigkeit auf industriellem Gebiet bei sich zusammenfassen sollte. Der Ausschuß bediente sich seiner sieben Länderausschüsse als ausführender Organe und benutzte auch den MWT und die mit ihm konkurrierende Südosteuropa-Gesellschaft als Hilfsinstitutionen. 3 0 Konzeptionelle Gedanken über die deutsche Expansionsstrategie gegenüber Südosteuropa h a t t e im September 1941 Ulrich v. Hassell entwickelt, der im Vorstand des MWT tätig war. Hassell, ein reaktionärer Konservativer, der den oppositionellen Kreisen um Beck und Goerdeler angehörte, bejahte es als „Aufgabe" der faschistischen Koalition, nach dem Krieg „die Ordnung wesentlicher Teile des europäischen Kontinents auch wirtschaftlich führend in die Hand zu nehmen". 3 1 E r plädierte für eine auf lange Sicht berechnete Politik der Einbeziehung Südosteuropas als verläßliches politisches u n d wirtschaftliches Hinterland in den Machtbereich des deutschen Imperialismus. E r erklärte sich f ü r ein „Lenken der Industrialisierung" in diesem R a u m von deutscher Seite aus und gegen ihr Verbot — wie überhaupt gegen eine Wirtschaftspolitik, die „kurzsichtig den S t a n d p u n k t des fremden kapitalistischen Ausbeuters einnimmt". 3 2 Eine solche Taktik der langfristigen ökonomischen Infiltration deckte sich mit den Vorstellungen führender Vertreter der deutschen Investitionsgüter- und Exportindustrie, aber auch der an einer aktiven Investitions- und Kreditpolitik interessierten Großbanken, 28 Freymond, Jean, Les industriels allemands de l'acier et le bassin minier lorrain (1940—1942), in Revue d'histoire moderne et contemporaine, Bd. 19, 1972, S. 42. 29 Siehe die einschlägigen Dokumente in Anatomie der Aggression, S. 130 ff., und in Griff nach Südosteuropa, S. 136f. u. S. 142f., sowie die Einl. ebenda, S. 52ff. 30 Siehe Griff nach Südosteuropa, S. 50ff. (Einl.) u. 136f. (Zangen an v. Wilmowsky, 7. 8. 1941.) 31 Anatomie der Aggression, S. 138, Denkschrift v. Hasseils, Sept. 1941. 32 Ebenda, S. 147f. 27 Eichholttll

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besonders der Deutschen Bank, die industriell und finanziell stark im Südosten engagiert war. So gehörte Abs zu denen, die v. Hassell zu seiner „überaus klaren und eindringlichen Darstellung" 3 3 beglückwünschten. Nordeuropa bildete vom 22. J u n i 1941 an in den Vorstellungen der deutschen Imperialisten eine Randzone des gewaltigen Kontinentalblocks, der bis zur Linie Archangelsk — Astrachan und weiter reichen sollte. In dieser neuen Dimension n a h m die wirtschaftliche Bedeutung Nordeuropas f ü r sie teilweise stark ab. Das betraf vor allem das schwedische Eisenerz, in der Perspektive die dänische Lebensmittelerzeugung und schließlich auch die finnischen Holzressourcen. Die genannten Güter sollten reichlicher, billiger und ohne Umweg über den üblichen Außenhandel aus den besetzten sowjetischen Gebieten fließen. Auf anderen Gebieten planten die deutschen Machthaber eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen Nordeuropa und dem besetzten sowjetischen Territorium. So sollte die norwegische Aluminiumindustrie mit Bauxit aus Nordrußland versorgt werden. 34 Weniger bekannt ist der Plan der „Beschlagnahme der Fischereiflotte im Weißen Meer u n d ihre(r) Überführung nach Norwegen, um die Ausnutzung ihrer Fänge für Deutschland über norwegische Verarbeitungsbetriebe zu ermöglichen". 3 5 Diese Aktion war in der Gesamtkalkulation der Faschisten einbegriffen, nach der in der sogenannten Waldzone, d. h. in dem gesamten mittleren und nördlichen Teil der R S F S R bzw. des europäischen Teils der U d S S R , zahllose Millionen Menschen dem Hungertode preisgegeben werden sollten. 36 Seit der Besetzung Norwegens im F r ü h j a h r 1940 h a t t e sich das hauptsächliche wirtschaftliche Interesse der Okkupanten auf „zusätzliche Versorgungsmöglichkeiten für Deutschland mit Aluminium" 3 7 gerichtet. Die Leichtmetallproduktion auf der Basis der dortigen unbegrenzten Energieressourcen an Wasserkraft galt ihnen nicht nur als eine einmalige 33 Griff nach Südosteuropa, S. 155, Abs an v. Hassell, 24. 11. 1941. — Eine Eintragung in v. Hassells geheimem Tagebuch v o m 20. September 1941 (f. Hassell, Ulrich, Vom Andern Deutschland, Frankfurt a. M./Hamburg 1964, S. 201 f.) vervollständigt das Bild von der ambivalenten Haltung des reaktionären Flügels der bürgerlichen Oppositionellen zum imperialistischen Krieg und zu den Kriegszielen. Wie die meisten anderen Anhänger dieses Flügels schwankte v . Hassell zu jener Zeit zwischen der Furcht vor den Folgen einer Niederlage im Kampf gegen die anglo-amerikanische Übermacht und der Hoffnung, die Sowjetunion und damit den Sozialismus vernichtend zu schlagen: „Vielleicht werden die Erfolge dieser Tage in Rußland (am 19. September fiel Kiev — D. E.) die Stimmung ... in der ganzen Welt in einem für die deutsche Sache günstigen Sinne beeinflussen. Gelingt es, Petersburg, das Donezgebiet, sogar Maikop und schließlich auch Moskau zu nehmen, so würde Rußland als wirklich gefährlicher Feind ausscheiden. Die Versorgungsbasis würde stärker und die Aussicht auf Sieg für die Gegner geringer. Das wäre dann wirklich der Augenblick, um eine Friedensmöglichkeit zu schaffen. Tatsächlich wird aber durch diese Erfolge zwar die gegnerische Siegeschance augenblicklich vermindert, aber die Basis für einen deutschen Sieg keineswegs geschaffen. Der Augenblick dürfte also unter keinen Umständen, wie alle bisherigen, verpaßt werden." 34 Siehe Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 249 ff. Ausführlich zum Platz Nordeuropas im deutschen Kriegszielprogramm EichhoÜz, Dietrich, Expansionsrichtung Nordeuropa, in ZfG, 1/1979, S. 17 ff. 35 IMG, Bd. 36, S. 152, Dok. EC-126, „Wirtschaftspolitische Richtlinien für Wirtschaftsorganisation Ost, Gruppe Landwirtschaft", v. 23. 5. 1941. 36 Siehe Band I , S. 2 3 8 f f . ; vgl. d. vorl. Bd., S. 454f. 37 Entwurf einer Ausarb. d. Volkswirtschaftl. Abt. des IG-Farben-Konzerns für das OKW v. 19. 4. 1940; zit. b. Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 253.

Finanzkapital und Kriegszielplanungen

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Chance, auf diesem Gebiet die d e u t s c h e Vormachtstellung in d e r Welt a u s z u b a u e n ; sie sollte zugleich die G r u n d l a g e f ü r eine rasche Vergrößerung d e r deutschen L u f t w a f f e bilden. I m besetzten E u r o p a , so stellt Milward f ü r diese Zeit fest, „ k a m kein anderes Einzelvorhaben an B e d e u t u n g d e m A l u m i n i u m p l a n ( f ü r Norwegen — D. E.) gleich". 3 8 I m O k t o b e r 1940 w u r d e d e r „ K o p p e n b e r g p l a n " aus d e r T a u f e gehoben, ein kolossales P r o j e k t f ü r den A u s b a u der norwegischen A l u m i n i u m k a p a z i t ä t e n auf ein Mehrfaches m i t Hilfe der v e r f ü g b a r e n Wasserkräfte. 3 9 A n diesem P r o j e k t e n t z ü n d e t e sich ein u n a u f h ö r licher, h e f t i g e r i n t e r n e r K o n k u r r e n z k a m p f zwischen den „Aluminiuminteressenten", die sich in zwei m ä c h t i g e n staatsmonopolistischen G r u p p i e r u n g e n g e g e n ü b e r s t a n d e n : d e r G r u p p e V A W (Viag) — D r e s d n e r B a n k — Reichsfinanzministerium u n d d e r G r u p p e IG Farben/Vierjahrcsplan — Bank der Deutschen Luftfahrt — Reichsluftfahrtministerium (bzw. Generalluftzeugmeister). F ü h r e n d e r R e p r ä s e n t a n t der ersten G r u p p i e r u n g w a r L u d g e r W e s t r i c k (VAW); maßgebliche V e r t r e t e r d e r zweiten waren Heinrich Koppenberg u n d Wilhelm Moschel (IG F a r b e n ) . D e m I G - F a r b e n - K o n z e r n ging es n i c h t n u r um eine f ü h r e n d e Beteiligung a m A u f b a u u n d an der N u t z u n g gewaltiger P r o d u k t i o n s k a p a z i t ä t e n f ü r L e i c h t m e t a l l . Der Zugriff auf die norwegische W a s s e r k r a f t e n e r g i e erschien ihm v o r allem als Schlüsselproblem f ü r u n a b s e h b a r e perspektivische Möglichkeiten auf dem ges a m t e n z u k u n f t s t r ä c h t i g e n Gebiet der elektrochemischen u n d elektrometallurgisclien Produktion. Das norwegische A l u m i n i u m p r o j e k t der deutschen Imperialisten erhielt m i t dem Überfall auf d i e U d S S R n i c h t n u r gewaltigen A u f t r i e b infolge des „allgemeinen Klimas des Optim i s m u s " , 4 0 das sich hinsichtlich d e r „ N e u o r d n u n g " a u s b r e i t e t e ; es schien auch materiell auf eine n e u e Basis gestellt zu sein. Sogleich a m 23. J u n i 1941 auf der Sitzung bei Göring ü b e r die A l u m i n i u m g r u n d l a g e f ü r das „ G ö r i n g p r o g r a m m " beschloß m a n , „daß die im Norden R u ß l a n d s gelegenen B a u x i t v o r k o m m e n , auf denen sehr b e a c h t l i c h e Tonerdef a b r i k e n liegen, in erster Linie zu einer B e d a r f s d e c k u n g f ü r Norwegen herangezogen werden sollen". 4 1 Der „ L e i c h t m e l a l l - A u s b a u p l a n Norwegen" w u r d e im zweiten H a l b j a h r 1941, gleichrangig m i t d e m Mineralölprogramm, n u n u m f ä n g l i c h e r u n d „rationeller" k o n z i p i e r t als 1940, z u m Schlüsselprojekt der d e u t s c h e n Blitzkriegs- u n d W 7 eltherrschaflsstrategen. Die n e u e n Ereignisse bewogen den I G - F a r b e n - K o n z e r n , seine „ F r i e d e n s p l a n u n g " f ü r Norwegen v o m Mai 1941 zu ü b e r a r b e i t e n u n d zu ergänzen. In seinen zusätzlichen „Vorschlägen" v o m 15. S e p t e m b e r 1941 ging er davon aus, d a ß der „ A u s b a u d e r industriellen K a p a z i t ä t des L a n d e s ... n u n m e h r wohl als Teil d e r G e s a m t p l a n u n g a n z u s p r e c h e n " sei, „die auf die N e u o r d n u n g des k o n t i n e n t a l e u r o p ä i s c h c n W i r t s c h a f t s r a u m e s gerichtet ist". 4 2 Sie enthielten eine vollständige Konzeption f ü r eine t o t a l v o m deutschen Imperialismus abhängige u n d v o n ihm a u s g e b e u t e t e norwegische W i r t s c h a f t u n d d a m i t ein Modell f ü r die d e u t s c h e W i r t s c h a f t s p o l i t i k a u c h in anderen L ä n d e r n Nord- u n d Westeuropas. Die I G - „ F r i e d e n s p l a n u n g " vom Mai 1941 w u r d e in wesentlichen P u n k t e n ergänzt, v o r allem d u r c h die F o r d e r u n g nach vollständiger U n t e r o r d n u n g d e r norwegischen I n d u s t r i e u n t e r 38 Milward, Norway, S. 171. 39 Ausführlicher ebenda, S. 171 ff.; Petrick, Fritz, Zur Finanzierung des „Leichtmetallausbau Norwegen", in Beiträge zur Geschichte des Ostseeraumes, Greifswald 1975, S. 171 ff. 40 Milward, Norway, S. 198. 41 Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 263, Dok. 1, AN üb. d. Sitzung bei Göring am 23. 6.1941. 42 Eichholtz, Die Norwegen-Denkschrift des IG-Farben-Konzerns, S. 51, Dok. 4, „NorwegenDenkschrift", Fassung v. Sept. 1941. Hiernach auch das Folgende. 27*

402

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

„deutsche B e d ü r f n i s s e " . Vorausgegangen war dieser F o r d e r u n g die E r o b e r u n g d e r A k t i e n m e h r h e i t des N o r s k - H y d r o - K o n z e r n s , einer entscheidenden Position in d e r norwegischen W i r t s c h a f t , die die g r ö ß t e n u n d a u s b a u f ä h i g s t e n Industriezweige des L a n d e s — Schwerc h e m i e (Stickstoff) u n d L e i c h t m e t a l l i n d u s t r i c — völlig u n t e r d e u t s c h e Kontrolle b r a c h t e . 4 3 I n A n b e t r a c h t d e r z u k ü n f t i g geplanten bzw. bereits im B a u befindlichen I n v e s t i t i o n s v o r h a b e n in diesen Zweigen war die norwegische W i r t s c h a f t in a k u t e r Gefahr, b i n n e n k u r z e m ü b e r f r e m d e t zu werden u n d zu einem bloßen w i r t s c h a f t l i c h e n Anhängsel des d e u t s c h e n Imperialismus h e r a b z u s i n k e n . A m 4. Dezember 1941 u n t e r n a h m Generalfeldmarschall Milch im A u f t r a g Görings einen e r n e u t e n Versuch, die Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Konzernen bzw. G r u p p i e r u n g e n u m die „ A u f t e i l u n g d e r europäischen Interessengebiete auf die einzelnen A l u m i n i u m i n t e r e s s e n t e n " beizulegen. 4 ' 1 E s stellte sich heraus, d a ß inzwischen in A n b e t r a c h t d e r Fülle an eroberten Ressourcen bereits eine vorläufige E i n i g u n g erzielt worden w a r . D a n a c h sollten Norwegen u n d „ N o r d r u ß l a n d " das ausschließliche „Interessengebiet" d e r I G - F a r b e n - K o p p e n b e r g - G r u p p e bilden, während die V A W d a f ü r m i t „ S ü d r u ß l a n d " sowie den einträglichsten u n d reichsten V o r k o m m e n u n d U n t e r n e h m e n in S ü d o s t e u r o p a abgef u n d e n wurde. F r a n k r e i c h sollte v o n beiden gemeinsam a u s g e b e u t e t werden. Das zerstörte A l u m i n i u m w e r k in Zaporoz'e a m D n e p r sollte u n t e r d e r L e i t u n g d e r V A W langfristig u n d in großem M a ß s t a b wieder a u f g e b a u t werden. Hingegen neigte die Mehrheit d e r Vers a m m e l t e n dazu, einen Teil des aufgeblähten norwegischen A l u m i n i u m p r o j e k t s im H i n blick auf den „ a u ß e r o r d e n t l i c h e n N a c h t e i l " zu streichen, d e n — wie K r a u c h es f o r m u l i e r t e — „die Erstellung dieser r ü s t u n g s w i r t s c h a f t l i c h e n I n d u s t r i e in einer so großen K o n z e n t r a t i o n so weit von der d e u t s c h e n E i n f l u ß s p h ä r e e n t f e r n t " in sich berge. T a t s ä c h l i c h beschlossen die T e i l n e h m e r der B e r a t u n g , den „ L e i c h t m e t a l l a u s b a u Norwegen" zu reduzieren. K o p p e n b e r g n a n n t e in seiner I n f o r m a t i o n f ü r R e i c h s k o m m i s s a r T e r b o v e n die G r ü n d e d a f ü r allerdings vollständiger; sie seien „in d e r neueren militärischen E n t w i c k l u n g zu suchen sowie in d e m Verkehrsproblcm u n d d e m i m m e r größer w e r d e n d e n Fracht[raum]mangel".45 D e r feste Besitz d e r in d e r U d S S R eroberten w i r t s c h a f t l i c h e n Ressourcen erschien den d e u t s c h e n I m p e r i a l i s t e n a b e r a u c h zu j e n e m Z e i t p u n k t noch, da ihr Angriff i m Osten bereits z u m Erliegen g e k o m m e n war, auf erdenkliche Zeit als gesichert. I m m e r h i n waren a u s g e d e h n t e Gebiete d e r S o w j e t u n i o n , m e h r f a c h größer als D e u t s c h l a n d , u n d g e w a l t i g e l a n d w i r t s c h a f t l i c h e u n d industrielle R e i c h t ü m e r in ihre Gewalt g e r a t e n , d a r u n t e r d e r westliche Teil des Donecbeckens. I n d e r ersten N o v e m b e r h ä l f t e , als die Vorbereitungen auf eine zweite — die letzte — Offensive gegen Moskau n o c h einmal große H o f f n u n g e n auf eine baldige B e e n d i g u n g des Krieges bei ihnen e r w e c k t e n , setzte noch einmal eine P h a s e intensiver Konferenzen u n d B e r a t u n g e n ü b e r g r u n d s ä t z l i c h e P r o b l e m e d e r faschistischen W i r t s c h a f t s - u n d O k k u p a t i o n s politik ein. Göring legte z u s a m m e n f a s s e n d e Richtlinien f ü r die A u s b e u t u n g d e r w i r t s c h a f t lichen Ressourcen u n d A r b e i t s k r ä f t e des Sowjetlandes auf lange S i c h t v o r . Zur gleichen 43 Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 257; Fall 6. Ausgewählte Dokumente und Urteil des IG-Farben-Prozesses, Hrsg. u. eingel. von Hans Radandt, Berlin 1970, S. 162f., S. 230 ff.; EichhoUz, Expansionsrichtung Nordeuropa, S. 20 f. 44 Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 264ff., Dok. 2, AN üb. d. Sitzung b. Milch am 4. 12. 1941 (teilw. gedr. in Anatomie des Krieges, S. 365f., Dok. 185). Hiernach auch das Folgende. 45 Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 259 (zit. AN f. Terboven v. 9. 12. 1941 i^b. Bericht Koppenbergs v. 8. 12. 1941).

Finanzkapital und Kriegszielplanungen

403

Zeit formulierten die führenden Kreise der Reichsgruppe Industrie ihre Kriegszielvorstellungen u n d legten in neugebildeten Gremien wie dem Südostausschuß und dem Ostr e f e r a t 4 6 die künftige wirtschaftliche Expansionsstrategie fest. Am 7. November 1941, dem Tage der G r ü n d u n g des Südostausschusses der R G I , befaßten sich die Spitzen der RGI im kleinsten Kreis, zu dem Wilhelm Zangen n u r die leitenden Vorstandsmitglieder der Deutschen u n d der Dresdner Bank, Abs u n d Carl Goetz, hinzugeladen h a t t e , m i t den infolge der „politischen Veränderungen im Osten ... neu entstehenden Problemen". 4 7 S t a t t Zangen u n d Rudolf Stahl, die dringend zu der gleichzeitig s t a t t f i n d e n d e n Sitzung bei Göring „über die Ausrichtung der Kriegswirtschaft auf das R ü s t u n g s p r o g r a m m " 4 8 geladen waren, leitete Ewald Löser, damals das maßgebende Direktoriumsmitglied des Krupp-Konzerns, die Beratung. Anstelle von Abs w a r J o h a n n e s Kiehl anwesend, außer ihm und Goetz Hans-Günter Sohl (Vereinigte Stahlwerke), Wilhelm Rudolf Mann (IG-Farben) u n d Friedrich Brockhüs (Flick-Konzern). 4 9 Man zog Bilanz über rund ein Vierteljahr räuberischer A k t i v i t ä t der staatsmonopolistischen Maschinerie der Ostgesellschafion u n d b e f a n d sie als unzulänglich. U m bei der Besitzergreifung, I n b e t r i e b n a h m e u n d „möglichst schnellen u n d wirksamen" Ausbeutung des sowjetischen Industriepotentials in Zukunft „die P r i v a t w i r t s c h a f t wirksam einzuschalten und zu verhüten, d a ß sich die Monopolbetriebe (gemeint sind die Ostgcsellsehaften — D. E.) sozusagen auf die Dauer m i t eignen Leuten und m i t eignen U n t e r n e h m u n g e n einrichten", beschloß m a n , auf eine Änderung dos bisherigen Verfahrens hinzuwirken. Die Wirlschaftsgruppen sollten fortan den Ostgesellschaften im konkreten Fall die „am besten geeignete F i r m a benennen, die u n t e r festgesetzten Bedingungen m i t ihrem ganzen S t a b e u n d u n t e r eigner Verantwortung die Verwaltung ü b e r n i m m t " . Löser, der den Vorsitz innehatte, v e r t r a t hierbei im Auftrag von Zangen nichts anderes als die Meinung der Ruhrkonzorne, die a m Vortag im „Kleinen Kreis" f ü r die W i r t s c h a f t s g r u p p e Eisen schaffende Industrie entsprochende Beschlüsse gefaßt h a t t e n . 5 0 Verbal bot die RGI den Behörden zugleich den Vorzieht der Industrie auf den Anspruch auf spätere E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g an u n d wollte auch die zu benennenden „Betreuungs"F i r m e n zu Erklärungen der A r t veranlassen, „daß sie von irgendwelchen Bemühungen betreffs Erwerbs eines russischen Betriebes Abstand nehmen worden". Diese Goslo sollte es den staatlichen Stellen erleichtern, ihre Skrupel gegen das vorgeschlagene Verfahren abzubauen, das im Grunde auf eine Vermischung des ursprünglich ins Auge gefaßten Systems, nach dem die sowjetischen Betriebe mittels Treuhand- bzw. P a c h t v e r t r a g s an die deutschon Konzerne verteilt werden sollton, m i t demjenigen ihrer zentralen Verwaltung durch die Ostgesollschaften hinauslief. Der Eigentuinsverziehl war natürlich cum grano salis zu verstehen, und die Herren verständigten sich augenzwinkernd d a r ü b e r : „Natürlich 46 Zur Gründung des Ostreferats der RGI s. Schümann, Neue Dokumente der Reichs o es co xH xH es xH 0 iO c \ xH 03 cS co CO é ¿i CO xH es O kf3 00 00 es x-i COxH es co 0 «í

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Landwirtschaftliche Produktion

633

Milchprodukten, wie Käse u n d Q u a r k , enthaltenen Milchfcttverzehr lediglich statistisch erfaßbar machten. E i n e wichtige u n d f ü r die real erreichte Milchproduktion wirksame M a ß n a h m e bestand in den a b 1935 vorerst selektiv eingeführten Milchleistungsprüfungen. Mit ihnen wurde behördliche Eingriffe in die B e t r i e b s f ü h r u n g hinsichtlich einer leistungsbezogenen F ü t t e r u n g ermöglicht. U n t e r den Bedingungen der Futterlage im Kriege lag deren Bedeutung ° Tabelle 200 Schweinebestand und verfügbare Kartoffelfuttermenge 1934/35-1943/44 Sept./Aug.

verfügbare Kartoffelmenge je Schwein in kg

1934/35 1935/36 1936/37 1937/38 1938/39 1939/40

736 705 765 1008 953 814

1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

962 797 861 604 845 591

Quelle: Hanau/Plate,

Reichsgebiet 1937

Reichsgebiet 1. 9. 1939

S. 105.

241 Hanau/Plate, S. 104. 242 Vgl. Lehmann, Tierproduktion, S. 4 4 ; Hanau/Plate, 243 Vgl. Lehmann, Tierproduktion, S. 45.

S. llOf.

Landwirtschaftliche Produktion

637

Die Angaben in Tabelle 200 machen diesen Zusammenhang ebenso ablesbar wie die Tatsache der betrieblichen Schwankungen bei der pro Schwein verfügbaren Menge, ein Resultat des geschilderten Anpassungszwanges, und den folgenschweren Tiefstwert 1943/44. Auch die im Rahmen von Schweinemastverträgen bereitgestellten Futtermengen gingen zurück und deckten schließlich nur noch 50 bis 70 Prozent der erforderlichen Mengen. Mangel an Eiweißfuttermitteln durch Fortfall von Magermilch und fast bedeutungslose Fischmebleinfuhr bedingten eine Verlängerung der Mastdauer, die zur Senkung der Mindestschlachtgewichte zwang. 2 4 4 Tabelle 201 Schlachtungen

von Schweinen

1933—1944,

Reichsgebiet

1937 (in

Stck.)

Jahr

Hausschlachtungen

gewerbliche Schlachtungen

davon Auslandstiere

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

8547888 9174842 8659349 8906862 9369898 8588309 8650367 8350613

13946553 14969478 14128411 14532249 15287728 14012504 14147770 12897883

13587 12873 101021 380796 464000 482597 535227 554509







6485000 6489236 4906547

Quelle: Statistisches

4328000 4469134 6973712 Handbuch,

97157 117917 122495

S . 223.

Die Zahl der Hausschlachtungen nahm während des Krieges fast kontinuierlich ab, wobei es von 1940 zu 1942 einen erkennbaren Sprung gab. Bis 1942 erklären sie sich aus der futterbedingten Dezimierung des Bestandes. Ab 1943 erlaubten die Bemühungen um seinen Wiederaufbau eine leichte Zunahme der Schlachtungen. Bei den gewerblichen Schlachtungen wurde nach einem schon bedeutenden Abfall 1940 in den folgenden Jahren rigoros weiter gekürzt. Der Anstieg 1944 ist aus einer erneuten Anpassung an den Futterrest zu erklären sowie beschränkten Möglichkeiten der Hausschlachtung und sicher auch zusätzlichen Schlachtungen in Räumungsgebieten. Die für den möglichen Verbrauch wichtige verfügbare Fleischmenge ist wohl der klarste Nachweis für die Auswirkungen des Krieges. (Tabelle 202) Die Auswirkungen des dezimierten Bestandes wurden durch die reduzierten durchschnittlichen Schlachtgewichte — von 102 kg 1938 auf 96 kg im J a h r e 1944 2 4 5 — noch verschärft. Bezogen auf 1939, standen schließlich 1944 nur noch 44 Prozent der Fleischmenge und 41 Prozent des Pro-Kopf-Anteils zur Verfügung. 244 ZStA Potsdam, RMEL, Nr. 2340, Bl. 6, Reichsbauernführer an die Landeshauptabteilungsleiter III, 1. 3. 44. 245 Statistisches

Handbuch,

S . 230.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

638 Tabelle 202 Verfügbare Schweinefleischmenge 1933—1944. Reichsgebiet 1937 Jahr

Fleischmenge in 1000 t

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

1654 1791 1757 1878 1874 1863 2071 1800 1304 927 911

Fleischmenge je Kopf der Bevölkerung in kg 25,37 27,31 26,28

27.88 27,63 27,09 29.89 25,76 18,42 13,08 12,36

Quelle: Statistisches Handbuch, S. 231. Der Abbau der Schweinebestände hatte zwei wesentliche Auswirkungen. Zum einen erlaubte er eine Erhöhung des direkten menschlichen Verzehrs an Getreide und Kartoffeln. Zum anderen zog in den ersten Kriegsjahren der Verbraucher zeitweiligen Nutzen aus dem Abbau. Entscheidend war jedoch, daß aus der Substanz gewirtschaftet wurde, ohne daß sie reproduziert werden konnte. Das reduzierte Schweinefleischaufkommen zwang so 1943 in beschränktem Maße zu Eingriffen in die Rinderbestände. 246 Hoffnungen auf eine Kompensation der prekären Lage durch verstärkte Einfuhren machte die Kriegslage zunichte. Im Anschluß an die Behandlung des ölfruchtanbaus, der Buttererzeugung und der Schweineproduktion ist es möglich, die Fettbilanz der faschistischen Kriegsernährungswirtschaft zu beleuchten. (Tabelle 203) Im Vergleich zu der stark sinkenden Schlachtfettproduktion und der unsicheren Erzeugung pflanzlicher Fette war die Butterproduktion anteilmäßig wie auch in der Kontinuität der stabilste F a k t o r der Fettversorgung. B e i Schlachtfetten wie bei Margarinerohstoffen und Speiseöl war der Anteil im Kriege in Abhängigkeit vom Schweinebestand bzw. von der Anbaufläche recht schwankend. F ü r beide Gruppen nahm die Bedeutung der inländischen Produktion bis Kriegsende bei insgesamt bedeutend verringertem Verbrauch ständig zu. Die immer kritischere Futtermittellage rückte einen relativ unbedeutenden Teil der Viehwirtschaft, die Kleintierhaltung, in den Blickpunkt faschistischer Agrarpolitik im Kriege. Tatsächlich hatte die Kleintierhaltung mit Ausnahme der Hühner im Gegensatz zu anderen Tierarten im Kriege einen Anstieg, zum Teil um das Mehrfache, zu verzeichnen. 246 Backe, Erzeugungsschlacht, S. 105.

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Höchstleistung und Endkrise

81

für die übrige Kriegswirtschaft, war bereits seit mehreren Wochen im Gange. Anscheinend klammerten sich die Rüstungsverantwortlichen in dieser kritischen Zeit an die Produktionserfolge, die der Rüstungsminister mit Hilfe seines und Goebbels' Konzepts einer zweiten Welle des „Totalen Krieges" noch zu vervielfachen versprach. Speer, der behauptete, „daß wir zum Beispiel mit einer halben Monatsproduktion die gesamten Verluste, die die Heeresgruppe Mitte durch ihren schnellen Rückzug erlitten hat, ausgleichen können" 3 , sprach mehrfach von einem neuen, gewaltigen Rüstungsprogramm, das bis Jahresende liefe. Er erwähnte es bereits am 20. Juli, dem Tag des Attentats auf Hitler, als er auf Einladung von Goebbels im Reichspropagandaministerium auftrat. Ausführlich stellte er es am 3. August den Gauleitern der NSDAP vor. Es scheint sich um jenes „Siegesprogramm" gehandelt zu haben, das im März 1944 (oder bald nach dem März) im Technischen Amt und im Planungsamt des Rüstungsministeriums ausgearbeitet worden sein muß.4 Ein im Planungsamt beteiligter Fachmann bestätigte nach dem Krieg, es sei selbst im Frühjahr 1944 nicht sehr wahrscheinlich gewesen, die angestrebte Steigerungsziffer von 58 Prozent in der Gesamtrüstung binnen neun Monaten (März-Dezember 1944) zu erreichen. „Aber es sollte sich offenbar um die äußerste Anstrengung handeln, bei der es galt, auch die letzte industrielle Kapazität zu mobilisieren. Denn, so sonderbar es klingt - die berufenen Fachleute glaubten, einen entscheidenden Vorsprung vor dem Ausland zu erzielen." 5 Der Rüstungsminister behauptete zwar nach dem Krieg, es habe 1944 keine längerfristigen Rüstungspläne mehr gegeben. 6 Aber er muß trotz seiner mehrmonatigen Krankheit und Abwesenheit von Berlin von jenem Programm informiert gewesen sein und rekapitulierte in der erwähnten Rede vom 3. August die Programmzahlen für Dezember 1944 exakt, ohne im Hinblick auf die inzwischen eingetretenen Rückschläge im Land- und Luftkrieg Abstriche davon zu machen. Nach dem Kriege äußerte er sich mehrfach zu jener Rede und zum Dezemberprogramm. Die Planzahlen hätten sich aus Hitlers Forderungen ergeben und „sollten den Parteiführern zeigen, daß mein Apparat und ich gerade in diesen Monaten unersetzbar waren". Er habe den Gauleitern auch „überhöhte Zahlen" genannt, um die Wirkung zu erhöhen.7 Nach den Quellen trifft das lediglich auf die Planzahlen für Panzer (3 200 Stck.), schwere Pak (1 500) und 3,7-cm-Flak (1 800) zu. 3 BÄK, R 3/1552, Rede Speers in Sonthofen auf der „Tagung der Kriegsheimarbeit", 28.7.1944. Speer erklärte seine und seiner Umgebung schwer verständliche Rüstungseuphorie nach dem Krieg mit einer „Sinnesstörung" (Speer, Erinnerungen, S. 368). Siehe auch Kehrl, S. 355 ff.; S. 402 ff. 4 Wagenführ, S. 83 f.; der Begriff „Siegesprogramm" findet sich außer an dieser Stelle nirgends, weder in den Quellen noch in der Nachkriegsliteratur. Das Infanterieprogramm von Mitte Januar 1944 war ein wesentlicher Bestandteil des „Siegesprogramms"; s. Abschn. 3. 5 Ebenda, S. 84. 6 Speer gab in seiner Vernehmung am 17.5.1945 zu Protokoll: „Für die Heeresrüstung gab es 1944 im allgemeinen keine auf lange Frist festgelegten Programme mehr, wohl aber kurzzeitig (im) voraus abgegebene 'Programmskizzen'." (BAP, FS, Film 3568). Ähnlich Vernehmung v. 13.7.1945 (IfZ, ED 99, NL Speer, Bd. 12); s. a. Kehrl, S. 354. 7 BÄK, Ms. Albert Speer „Zu 'Deutschlands Rüstung im zweiten Weltkrieg' (hrsg. u. eingel. v. Willi A. Boelcke)", Dezember 1969, S. 23.

82

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 12 Planzahlen des „Siegesprogramms" fiir Dezember 1944 und Produktionszahlen von März, Juli und Dezember 1944 Gerät bzw. Munitionsart Munition (1000 Schuß bzw. 1000 Stück) MP 44 Inf.-Mun.(einschl.MP44) 8 cm Gr.W.3,4 12 cm Gr.W.3,4 l.I.G. s.I.G. l.F.H. s.F.H. Stiel-und EierHandgranaten Gesamt-Mun. Heer (Gen.-Qu-Tonnen) Waffen (Stck.) MP 44 K 43 MG s. I.G. s. Pak 1. F.H. s. F.H. 3,7 cm Flak s.Flak Geschütze (Rohre) ab7,5 cm s. Scheinwerfer (200 cm) Panzer (Stck.) Stu.-Gesch., Panzerjäger Tiger u. Panther Panzer aller Typen (Stck.) Panzer aller Typen (Gefechtsgewicht) Zugkraftwagen (Stck.)

Plan Dez. '44

Ist März '44

Ist Juli '44

Ist Dez. '44

Planerf.(%)

400 000

12000

47 000

103 000

26

800 000 4 000 600 2 000 400 5000 1 200

388 000 2 300 279 865 206 3 400 649

410000 3 300 322 922 166 3 500 635

446 000 2 800 300 834 189 2 400 399

56 70 50 42 47 68 33

5000

4 100

4 100

3 400

68

360 000

81 000

294 000

221 600

62

100 000 100 000 30 000 160 1 300 1 095 380 1 563 1 208

7 000 18 594 18618 86 1 138 797 198 416 680

49 800 36 415 31 339 200 1 238 1 082 301 1 004 895

50 36 104 125 95 99 79 64 74

8 200

4150

5 605

5 737

70

525

184

240

214

41

2 165 570

545 388

818 527

1 259 355

58 62

2 800

1 520

1 680

1 840

66

75 900

48 617

53 118

50 528

67

2 270

1 612

1 570

1 074

47

20 510 33 010 24 141 145 1 180 920 (?) 273 865 690

83

Höchstleistung und Endkrise Tabelle 12 (Fortsetzung) Gerät bzw. Munitionsart

Plan Dez. '44

Ist März '44

Ist Juli '44

Ist Dez. '44

Planerf.(%)

13 948

9 897

8 522

3 203

23

9 000

-

3 000

2 600

29

6 032

2 661

4 075

3 105

51

5 134 898*

1 830 383

3 115 386

2 733 35

53

20 5

17 6

38 3

86 18

Lastkraftwagen (Stck.) VI Flugzeuge (Stck.) Flugzeuge insges. (ohne Reparaturen) Jägerstabproduktion Bomber Kriegsschiffe (Stck.) U-Boote Schnellboote

44 17

*) In dieser Zahl sind Aufklärungs-, Transport- und Schulflugzeuge inbegriffen Quelle: BÄK, R 3/1552, Bl. 87-90, „Sammlung von Unterlagen zur Ausarbeitung des Entwurfs zur Rede vom 20.7.1944". Diese Zahlenaufstellungen tragen das Datum vom 20.7. und vom 18.10.1944 und betreffen die „Erforderliche Produktionssteigerung Dez. 1944 gegenüber Juni 1944" und die „Erforderliche Produktionssteigerung Dez. 1944 gegenüber Sept. 1944" (18.10.). Vgl. BÄK, R 3/1553, Rede Speers vor den Gauleitern am 3.8.1944 u. weitere Unterlagen dazu. - Die Ist-Zahlen differieren mitunter mit den - ebenfalls nicht völlig übereinstimmenden - Angaben der „Ausstoßübersicht", der „Produktionszahlen" und der „Schnellberichte/Rüstungsendfertigung" (s. II, S. 327 f.; S. 646 ff.). Die Ist-Zahlen für März, Juli (ergänzend) und Dezember 1944 stammen hauptsächlich aus der „Ausstoßübersicht" (II, S. 646 ff.). Teilübersichten zum „Siegesprogramm" mit teilweise abweichenden Zahlen bei Wagenführ, S. 83; Boelcke, Deutschlands Rüstung, S. 398 f.; BÄK, Ms. Albert Speer v. Dez. 1969 „Zu 'Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg' (hrsg. und eingel. v. Willi A. Boelcke)", S. 24 f. „Rüstungswunder" und „Siegesprogramm" waren Begriffe, hinter denen die realen ziffernmäßigen Erfolge in der Kriegsproduktion standen. Weit vorn lag die Produktion von Waffen und Gerät. Die Grundstoffindustrie war dagegen schon länger an der Grenze ihrer Kapazität angelangt. Aber sie hielt noch bis ins dritte Quartal ein beachtliches Niveau. Dem Absinken im vierten Quartal stand der Verlust zu versorgender Gebiete rings um Deutschland gegenüber (Kohle). Während allerdings in den vorangegangenen Jahren eher noch etwas Überschuß an Grundstoffen über dem vorhanden war, was die Produktion von Waffen und Gerät erforderte, ließ der hohe Waffenausstoß 1944 die Grundstoffdecke knapper werden. „Anfang 1944 hatte sich die Grundstoffsituation geändert von einer ziemlich großzügigen (comfortable) Versorgung zu wachsenden Schwierigkeiten, den Rüstungsanforderungen gerecht zu werden." 8 8 The Effects, S. 73.

84

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Bis April/Mai stieg auch die Produktion synthetischen Treibstoffs und Kautschuks und wichtiger chemischer Grundprodukte. Seit Ende Mai zerstörte die alliierte Bomberoffensive gegen die Hydrierwerke ihre Basis innerhalb von vier Monaten gründlich, so daß sie sich nicht mehr erholte. Der Rüsturigsminister beleuchtete die kriegswirtschaftlichen Erfolge des Jahres 1944, aber auch die kaum ermeßlichen Verluste an den Fronten, als er in seinem Rechenschaftsbericht vom 27. Januar 1945 feststellte, daß allein für das Heer die Rüstungsleistung jenes Jahres „ausgereicht (hätte), um 225 Infanteriedivisionen vollständig neu auszustatten und 45 Panzerdivisionen neu aufzustellen." 9 Die Höchstleistungen der Rüstung 1944 erklären sich aus verschiedenen, vielfach miteinander zusammenhängenden Ursachen, die in die Jahre 1943 und 1942 zurückreichen. Die Konzentration der Regulierungsgewalt über die Kriegswirtschaft beim Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion und bei seinem Industrieapparat seit 1942 hatte 1943 große Fortschritte gemacht.10 Hitlers Erlaß vom 6. Dezember 1943 gab dem Minister schließlich auch alle Vollmachten, „um die Vorrangigkeit der Zulieferindustrie sicherzustellen." Zu diesem Zweck konnte er „auf die gesamte übrige Kriegsproduktion, auch der wichtigsten Rüstungsfertigungen, zurückgreifen." " Damit war ein bedeutender Sektor der Industrie - inbegriffen die der besetzten Gebiete - mit Hunderten von Erzeugnissen und Dutzenden von Erzeugnisgruppen des Maschinenbaus, der metallverarbeitenden Industrie, der Elektroindustrie, der feinmechanischen und optischen Industrie und der meisten anderen Industriezweige voll der Rüstung dienstbar gemacht. Mit der Bildung des Jägerstabs (1. März 1944) war de facto schon der Übergang der gesamten Luftrüstung in die Lenkungsvollmacht des Rüstungsministers vorprogrammiert. Im Jahre 1944 kam der Hauptteil der umfänglichen Investitionen aus 1942 und 194312 zum Tragen. Erweiterungskapazitäten und neue Großwerke, zum Beispiel für Panzer und Sturmgeschütze, gingen in die Produktion bzw. kamen auf ihre volle Leistung. Rationalisierung und besonders Typenbeschränkung bei Waffen und Gerät führten zu erheblichen Produktionssteigerungen. Einen besonderen Rationalisierungseffekt hatte 1944 die verstärkte Konzentration auf bestimmte Sektoren der Rüstung, in erster Linie auf Jagdflugzeuge in der Luftrüstung, auf Panzer und Sturmgeschütze in der Heeresrüstung und auf U-Boote in der Marinerüstung. Flugzeuge und Panzer erhöhten ihren Anteil an der Rüstungsendfertigung wertmäßig bedeutend. Gegenüber 1943 stieg das wertmäßige Volumen der Panzerproduktion im ersten Halbjahr 1944 auf 155 Prozent, der Flugzeugproduktion auf 122 Prozent und der Waffenproduktion auf 138 Prozent.13 Schließlich erhöhten Betriebsumsetzungen innerhalb der Industrie seit Herbst 194314 den Anteil der Rüstungs- auf Kosten der zivilen Produktion. Die Produktion von Waffen und Ge9 10 11 12 13 14

Bleyer, Der geheime Bericht... vom 27. Januar 1945, S. 366. Siehe II, Kap. III. BAP, FS, Film 10604, Hitler-Erlaß v. 6.12.1943; dazu Erlaß Speers v. 14.1.1944. Siehe II, S. 381 ff. Wagenführ, S. 67. Siehe II, S. 150 ff.

Höchstleistung und Endkrise

85

rät machte 1944 rund 40 Prozent der Industrieproduktion aus, gegenüber 31 Prozent im Vorjahr. 15 Entsprechend stieg der Anteil, den die Zulieferindustrie und die Grundstoffindustrie hierfür aufzubringen hatten. Tabelle 13 Anteil von Gruppen an der Rüstungsendfertigung, 1943-1944 (in Prozent des Gesamtwerts in gleichbleibenden Preisen)

Waffen Panzer Kraftfahrzeuge Zugkraftwagen Flugzeuge Kriegsschiffe Munition Pulver

Mitte 1943

Ende 1943

Mitte 1944

8,0 6,4 4,8 1,8 41,9 9,7 24,6 2,8

9,7 7,9 3,5 2,0 35,7 6,6 31,5 3,1

9,4 8,3 3,0 1,7 45,9 5,6 25,4 2,5

Quelle: Wagenführ, S. 69. Bei Ploetz, 2, S. 22, Zahlen für 1944 ohne Angabe von Gründen „leicht verändert". Tabelle 14 Anteil der Rüstungsproduktion (Waffen und Gerät) an der Industrieproduktion, 1941-1944 (in Prozent) 1941

1942

1943

1944

16

22,5

31,1

39,8

Quelle: Wagenführ, S. 67; 1941: Ploetz, 2, S. 22.

b) Faktoren der Krise Das Luftbombardement der Alliierten gegen deutsche Wohnstädte und kriegswirtschaftliche Ziele hat den Krieg nicht entschieden. Er war militärisch und wirtschaftlich schon lange verloren, bevor Anfang 1944 die alliierten Luftflotten die Luftherrschaft über Deutschland erstritten und seit Sommer 1944 die deutsche Kriegswirtschaft systematisch zu lähmen und zu zerstören begannen. Rein militärisch war der Bombenkrieg zweifellos von geringer Bedeutung gegenüber dem Geschehen an den Fronten im Osten, Südosten, Westen und Süden und schlug hier nur indi15 Siehe Tab. 4. - Die von der RGI angefertigte Statistik der in der Industrie „für die Wehrmacht Beschäftigten" wurde offenbar nur bis 1943 (31.5.) geführt und wies für diesen Zeitpunkt 61 Prozent für die Wehrmacht Produzierende aus; 1944 dürfte der Prozentsatz 65 bis 70 Prozent betragen haben (The Effects, S. 213, Tab. 11).

86

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

rekt durch den Bedarf an Soldaten und Waffen für die Luftverteidigung in Deutschland zu Buche. Der damals von führenden alliierten Luftkriegsstrategen erwartete, noch heute umstrittene Effekt hinsichtlich der deutschen Kriegsmoral darf ebenfalls nicht überschätzt werden. Die Niederlage von Stalingrad zeigte wahrscheinlich ebenso große politische und moralische Wirkung im deutschen Volk wie die Luftangriffe, wenn diese seit der zweiten Hälfte des Jahres 1943 wohl doch auch zunehmende politische Apathie und Kriegsaversion hervorriefen. Dagegen mobilisierten die Haßpropaganda der Nazis gegen den „Luftterror" und ihr Appell an die „Unerschütterlichkeit der Heimatfront" mit Sicherheit breitere Bevölkerungskreise. Das Menetekel der nahen Niederlage, das tags die Kondensstreifen der Bomberflotten und nachts ihre Leuchtmarkierungen an den Himmel schrieben, lasen nur wenige und wollten nur wenige lesen. Neuerdings taucht wieder das höchst zweifelhafte Argument auf, die deutsche Bevölkerung habe einzig Vergeltung gefordert, und unter diesem Druck hätten NSFührung und Rüstungsverantwortliche „den größten Fehler in der Rüstung während des Krieges" gemacht: Sie hätten die Produktion der V-Waffen hochgetrieben und damit eine industrielle Kapazität vergeudet, mit der sonst 1944/45 etwa 24 000 Jagdflugzeuge mehr hätten produziert werden können.16 Anders als auf militärischem und moralisch-politischem Gebiet lagen die Dinge in der Kriegswirtschaft. Wenn 1944/45 die Wirtschaft aus der Höchstleistung in die Krise und unausweichliche Katastrophe geriet, so waren hier tatsächlich die alliierten Luftangriffe auf Industrie und Verkehrswesen der erstrangige Faktor. Ihre Wirkung läßt sich im einzelnen mit ziemlich hoher Genauigkeit bestimmen. Das große statistische Zahlenwerk, das der USSBS benutzte und veröffentlichte, leistet hierbei unschätzbare Dienste.'7 Die übergreifenden, recht spekulativen Fragen nach der Gesamtwirkung der Bombenangriffe werden freilich offenbleiben; in unserem Zusammenhang also vor allem die Frage, um welche Zeitspanne sie den Krieg abgekürzt haben, und die Frage nach den möglichen kriegswirtschaftlichen und Kriegsfolgen, die ein Verzicht auf den strategischen Bombenkrieg bzw. sein Fehlschlag oder aber auch eine wirkungsvollere Luftkriegsstrategie mit sich gebracht hätten. Nach der Entscheidung der westlichen Alliierten in Casablanca (Januar 1943), den Luftkrieg gegen Deutschland und die deutsche Kriegswirtschaft zu koordinieren und gemeinsam zu planen, setzte sich bei der US Air Force und mit der Zeit auch beim britischen Bomber Command eine Strategie durch, die auf die Zerstörung rüstungswirtschaftlicher Schlüsselziele gerichtet war. Als Voraussetzung für die Ausschaltung solcher Ziele wie der U-BootWerften, des Verkehrswesens, der Mineralölindustrie galt schon seit langem die Niederringung der gegnerischen Luftwaffe, besonders der Luftabwehr. Seit Juni 1943 rangierte die 16 Murray, Williamson, Reflections on the Combined Bomber Offensive. In: MGM, 51 (1992), H. 1, S. 81; S. 89 f. (Zit. S. 89). Zum Aufkommen dieser illusionären Vorstellung trug schon Speer in Nürnberg bei, als er erklärte, man hätte fünf bis acht Jäger statt einer V-2-Rakete bauen können (BAP, FS, Film 3568, Vernehmg. Speer, 21.5.1945). Grundsätzlich kritisch hierzu neuerdings Schabel, Ralf, Die Illusion der Wunderwaffen. Die Rolle der Düsenflugzeuge und Flugabwehrraketen in der Rüstungspolitik des Dritten Reiches, München 1994, S. 193 ff. u. passim. 17 Für den europäischen Kriegsschauplatz allein 208 Berichte, (Washington) 1945 ff. Die 31 wichtigsten Berichte wurden in den 70er Jahren wieder aufgelegt (in zehn Bänden: „Garland Series", New York/London).

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Höchstleistung und Endkrise

Offensive auf die deutsche Jagdflugzeugproduktion an erster Stelle auf der US-amerikanischen Prioritätenliste. Bis zur Invasion, also fast ein Jahr, hielten die Amerikaner an dieser Priorität fest, bestärkt durch die schmerzlichen, hohen Verluste durch deutsche Jäger, die ihre und die britischen Bomber im Jahre 1943 über Deutschland erlitten.18 Tabelle 15 Großangriffe alliierter Bomber auf Wirtschaftsziele, März-Juli März-Juli

(RAF) (USAAF)

16. und 17. Mai 22. Juni 17. August 17. August 17./18. August 8.-14. Oktober 14. Oktober

(RAF) (USAAF) (USAAF) (USAAF) (RAF) (USAAF) (USAAF)

1943 (Auswahl)

„Kampf um die Ruhr" Nord- und Mitteldeutschland (bsd.U-Boot-Werften und Flugzeugwerke) Möhnetal- und Edertalsperre Bunawerk Hüls/Marl Kugellagerwerke Schweinfurt Messerschmitt-Werke Regensburg Heeresversuchsanstalt Peenemünde (V 2) Werke der Luftrüstung Kugellagerwerke Schweinfurt

Quellen: Wie Anm. 18.

Bis Ende 1943 flogen die Alliierten aber nur sieben größere Angriffe auf Produktionsstätten von Jagdflugzeugen (Zellen). Dennoch waren besonders die Angriffe auf Regensburg und Wiener Neustadt (Messerschmitt) im August und auf Marienburg (Focke-Wulf) im Oktober wirkungsvoll.19 Im Dezember war ein Tiefpunkt der Produktion erreicht, was aber mit akutem Aluminiummangel und vermutlich auch mit der Auslagerung der Werke von Messerschmitt und Heinkel zusammenhing. Die Serie schwerer Angriffe Ende Februar 1944 („Big Week") und die bis Mai fortgesetzten Bombardierungen erreichten, obwohl von zerstörerischer Wirkung, ebenfalls nicht das strategische Ziel, der deutschen Flugzeug- und insbesondere Jägerproduktion einen vernichtenden Schlag zu versetzen. Doch hatten sie durchaus Erfolg in einem taktischen Sinne, indem Hunderte Flugzeuge zerstört bzw. nicht produziert wurden, die sonst an der Front (Invasionsfront) oder in der deutschen Luftabwehr hätten kämpfen können. Im Frühjahr 1944 verlegten die strategischen Luftstreitkräfte der Alliierten den Schwerpunkt ihrer Angriffe nach Frankreich und Belgien und trugen dort durch die systematische Ausschaltung wichtiger Verkehrsanlagen wesentlich zur Vorbereitung der Invasion bei. Kriegswirtschaftlich folgenschwer und verlustreich waren in der Periode vom Frühjahr 1943 bis April/Mai 1944 weniger die direkten Schäden und Zerstörungen, die die Bomben anrichteten, als vielmehr die erzwungene Anstrengung der Verlagerung erheblicher Teile der Rüstungsindustrie, erst über Tage, dann auch unter Tage. Die Verlagerung, schon länger in den Führungskreisen des Regimes erörtert, begann in großem Stil im Herbst 1943 (über 18 Siehe DZW, Bd. 3, S. 156 ff.; Bd. 4, S. 128 ff.; Groehler, Bombenkrieg, S. 92 ff., S. 121 ff. u. passim; Groehler, Luftkrieg, S. 379 ff. 19 The Effects, S. 3; S. 155; s. a. USSBS, Aircraft Division Industry Report, Januar 1947.

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Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 16 Über dem europäischen Kriegsschauplatz abgeworfene Bombenlast (USAAF und RAF), 1945 (in t) Quartal

Insgesamt abgeworfen

darunter: auf Flugzeugwerke

auf Treibstoffwerke und -lager

auf Verkehrsanlagen

1/1943 11/1943 III/1943 IV/1943

27 46 60 52

920 377 018 734

4 1 392 1 880 969

_

1/1944 11/1944 III/1944 IV/1944

103 302 366 317

745 595 327 341

7 189 7 530 6 983 1 635

177 21 240 53 271 55 760

17 763 97 257 64 095 104 946

1/1945 April 1945

335 373 101 116

1 745 869

59 944 5 852

138 770 38 101

-

1 199 1 291 1 916 6 138

1943-April

auf Flächenziele

15 039 36 213 39 200 28 964 40 53 103 96

792 329 965 716

69 823 17 655

Quelle: The Effects, S. 3 ff., Tab. 2-4; short tons umgerechnet in metrische Tonnen.

Tage) bzw. im Frühjahr 1944 (unter Tage) und nahm ihren Fortgang bis Kriegsende. Sie brachte, abgesehen von dem Aufwand der Verlagerung an sich, besonders der Untertagebauten, große, aber schwer quantifizierbare volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Nachteile mit sich: Dezentralisierung der Produktion, Erschwerung des einheitlichen Managements, Vervielfachung und Überdehnung der Transportverbindungen, ganz zu schweigen von den sozialen Problemen oder von den speziellen technischen Problemen der Untertageproduktion.20 Demgegenüber bleibt aber festzuhalten, daß gerade die Flugzeugindustrie als am stärksten verlagerte Industrie bis September 1944 unter dem Jägerstab Höchstleistungen erbrachte und mehr als jemals zuvor produzierte. Die eigentliche Wende im Bombenkrieg gegen die deutsche Kriegswirtschaft setzte mit der Luftoffensive gegen die Hydrierwerke ein. Im Mai/Juni 1944 trat das ein, was von Insidern in der deutschen Rüstungswirtschaft und in den Generalstäben seit langem befürchtet worden war. Ein gutes Dutzend von Treibstoffwerken, davon sechs, in denen fast das gesamte Flugbenzin erzeugt wurde, dazu Raffinerien, Benzolwerke, Öllager usw. wurden monatelang zum - vergleichsweise leicht zu treffenden - Ziel der alliierten Bomben. Nach geglückter Invasion erhielt die deutsche Treibstoffindustrie als Ziel der strategischen Bomberoffensive höchste Priorität.21 Zum ersten Mal operierten US- und Royal Air Force in voller 20 Siehe Kap. I, Abschn. 3; ferner II, S. 153 ff. 21 The Effects, S. 4 f.: „Am 8. Juni... bestimmte eine neue Direktive, 'das erstrangige strategische Ziel der United States Strategie Air Forces' sei es nun, 'der feindlichen Wehrmacht den Treibstoff zu entziehen' (to deny oil)."

Höchstleistung und Endkrise

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Abstimmung und Zusammenarbeit in Tag- und Nacht-Präzisionsbombardements. Bis März 1945 wurden 183 000 Tonnen Bomben in 555 einzelnen Angriffen auf 135 verschiedene Treibstoffziele abgeworfen, „wobei jedes Synthesewerk und jede größere Raffinerie, wenn erkennbar in Betrieb, erfolgreich angegriffen wurde. Während des Sommers wurden die meisten Angriffe auf Sicht geflogen, später meist ohne Sicht, und die RAF benutzte die neuen Techniken des Präzisionsabwurfs bei Nacht in einer bemerkenswerten Angriffsserie im Januar 1945."22 Die Schlacht um die Treibstoffwerke war von deutscher Seite aus nicht zu gewinnen, weil die Luftherrschaft über Deutschland immer eindeutiger den Alliierten gehörte und die unter äußerster Kraftanstrengung reparierten Anlagen immer wieder aufs neue angegriffen und ausser Betrieb gesetzt wurden. Noch im Sommer 1944 entstand der Plan, umfängliche Kapazitäten für die Produktion von Treibstoff unterirdisch aufzubauen - ein verzweifeltes Vorhaben, das von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Die Folgen der Treibstoffoffensive waren verheerend. Bis September sank die synthetische Produktion insgesamt auf 7,5 Prozent, diejenige von Flugbenzin auf 5,7 Prozent gegenüber April 1944; im vierten Quartal blieb sie trotz unsäglicher Wiederaufbauanstrengungen im Monatsdurchschnitt unter 20 Prozent, gemessen am ersten Quartal. 10 000 Tonnen Flugtreibstoff im September, zur Zeit der höchsten Flugzeugproduktion - das war nur ein Fünftel dessen, was der Luftwaffengeneralstabschef, General Karl Koller, allein für das Trainingsprogramm der Flugzeugbesatzungen verlangt hatte.23 Zunehmende Benzinknappheit beim Heer schränkte sogar die taktischen Operationsmöglichkeiten der Panzertruppe drastisch ein. Die deutschen Panzer waren während der Ardennenoffensive mit Treibstoff unterversorgt, und Anfang 1945 standen massiert 1 200 bis 1 500 Panzer zur Verteidigung Oberschlesiens bereit, ohne genügend Treibstoff für den Einsatz zu haben.24 Mit der Treibstoffproduktion brach im Verlauf von wenigen Monaten die Produktion von Grundchemikalien zusammen, die als Produkte der Hydrierwerke unerläßlich waren für die Erzeugung von Buna, Pulver und Sprengstoff. Es handelte sich um Wasserstoff und Heizgas (für die Bunawerke), um erhebliche Mengen von Stickstoff, um Methanol und andere Vorprodukte für Pulver und Sprengstoff. Die Sprengstoffproduktion wurde binnen drei bis vier Monaten halbiert. Die Luftoffensive gegen das Verkehrswesen begann im September 1944 und war „die wichtigste Einzelursache für Deutschlands endgültigen wirtschaftlichen Zusammenbruch."25 Jetzt - erst jetzt - wurden die alliierten Erfahrungen aus der Zeit vor der Invasion umgesetzt, als das französische Transportsystem durch die Luftangriffe binnen Wochen nachhaltig gelähmt worden war. Die Angriffe im September/Oktober auf das westdeutsche Industrierevier trafen mit großer Konzentration und Wucht Eisenbahnhauptstrecken, wichtige Bahnhö22 Ebenda, S. 5. - Eingehende Untersuchung der Produktionsentwicklung bei Flugzeugen, Treibstoff usw. im folgenden Abschnitt. Zahlenangaben oben in short tons. 23 Ebenda, S. 77. 24 Ebenda, S. 8 1 - Die zuletzt zitierten Angaben sind nach Zeit und Ort ungenau und differieren mit anderen, etwa im Final Report der Oil Division des USSBS; sie stützen sich auf Aussagen von Speer, Göring, Jodl, v. Rundstedt u. a. nach dem Krieg. Siehe auch Abschn. 3. 25 Ebenda, S. 13.

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fe, Brücken, große Güterumschlagzentren (Verschiebebahnhöfe) und Wasserwege. Nach diesem ersten Höhepunkt der Angriffe breitete sich das Verkehrschaos Schritt für Schritt nach Süd- und Mitteldeutschland aus. Bis Ende des Jahres verringerte sich die Durchlaßfähigkeit der Verschiebebahnhöfe auf 40 und fallweise auf 20 Prozent.26 Die unerledigten Züge stauten sich; im Dezember waren es bis zu 2 000. Die Güterwagengestellung der Reichsbahn, eine der wichtigsten Transportkennziffern, sank von Mitte August bis Ende Dezember auf 60 Prozent, bis Anfang März 1945 unter Schwankungen auf 23 Prozent. Eine der schwerwiegendsten Folgen war der Kohlenmangel. Die Kohlentransporte per Schiene und Wasser fielen von August bis Dezember 1944 von 7,4 auf 2,7 Millionen Tonnen. Speer meldete Hitler am 11. November, daß man „am Beginn der schwersten Kohleversorgungskrise seit Anfang des Krieges" stehe, mit schlimmen Folgen für Bahnverkehr, Schifffahrt, Elektrizitäts- und Gasversorgung.27 In Süd- und Mitteldeutschland litten sogar schon Krankenhäuser und Lazarette unter Kohlen- bzw. Koksmangel. Bis im Januar 1945 Oberschlesien verlorenging, konnte als Aushilfe Kohle von dort bis nach Braunschweig und weiter gefahren werden. Danach war der Kollaps unvermeidlich. Eher noch schlechter sah es mit der Belieferung der Rüstungsindustrie mit bestimmten anderen Roh- und Grundstoffen, mit Halbfertigerzeugnissen, Bauteilen, Baugruppen und speziellen Zulieferungen aus, die kontinuierlich und pünktlich angefahren werden mußten. „Eine Vielzahl wichtigster Rüstungsbetriebe wird als unmittelbar vor dem Erliegen stehend gemeldet (z. B. Deutsche Waffen- und Munitions-AG, Lübeck; Phönix, Harburg; Miag, Braunschweig)." 28 Die Eisen- und Stahlindustrie selbst litt unter „systematische(n) Angriffen zur Ausschaltung der deutschen Stahlbasis"29, unter Erz- und Schrottmangel, ferner unter den großen Schäden am Gas- und Elektrizitätsnetz. An Bomben fielen auf Eisenbahnanlagen im Bereich von 23 angegriffenen Reichsbahndirektionen (von insgesamt 31) im September, Oktober und November jeweils zwischen 12 000 und 18 000 Tonnen, im Dezember etwa 60 000, im Januar 1945 knapp 40 000, im Februar und März je etwa 50 000 Tonnen.30 Nach den Bombardements vom September/Oktober schienen Mitte November die deutschen Bemühungen um die Wiederherstellung und Stabilisierung des Verkehrswesens einen gewissen Erfolg zu haben. Aber die Zerstörungen waren zu groß und die deutschen Kräfte und Ressourcen bereits zu schwach und zersplittert. Die Produzenten von Waffen und Gerät zehrten vielfach noch weiter von ihren Lagerreserven. Ende Dezember 1944/Anfang Januar 1945 setzten neue Wellen von Angriffen ein, die das Chaos vervollständigten und den Kollaps der Kriegswirtschaft einleiteten.

26 USSBS, The Effects of Strategie Bombing on German Transportation, New York/London 1976 („Garland Series", Bd. 6), S. 2. Hiernach auch das Folgende. Siehe auch Mierzejewski, S. 103 ff. 27 BAP, FS, Film 1732, Denkschrift Speer f. Hitler üb. d. „Lage im Ruhrgebiet", 11.11.1944. 28 Ebenda. 29 Ebenda. 30 Wie Anm. 26 (USSBS), S. 2/3, Karte „Railway Bomb Tonnage vs. Car Loadings by Reichsbahndirektionen" (short tons).

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Tabelle 17 Verluste durch Bomben- und Tieffliegerangriffe auf die Deutsche Reichsbahn,

1943-1944

Schwere Beschädigungen, Verlust bzw. Verletzungen von GüterPersonenPersonal Lokomowaggons tiven waggons

1943 1944 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

444 6 086 12 43 76 417 556 117 252 379 1 171 1 164 1023 876

6 644 21 293 398 304 639 1 137 2 034 1 392 846 2 458 4442 1 570 4 775 1 298

4 370 12 450 367 137 683 654 563 594 985 2 130 1 907 1 752 1461 1 217

590 6 713 29 90 156 395 592 114 384 500 1 198 1 307 1024 924

Zugriickstau (Tagesdurchschnitt)



455 664 483 337 312 275 330 421 851 1 052 1 103 1 658

Quelle: USSBS, The Effects of Strategic Bombing on German Transportation (1945), New York/London 1976 (Garland), S. 57, Exh. 52.

Erstaunlicherweise begriffen die alliierten Stäbe bis Januar/Februar 1945 nicht, in welchem Maße sie das Nervensystem der deutschen Wirtschaft getroffen hatten.31 Als ihre Bomber und Tiefflieger sich im Februar/März 1945 noch einmal auf das deutsche Verkehrswesen stürzten, war Oberschlesien schon einige Zeit in sowjetischer Hand; die Rote Armee stand an der Oder bei Küstrin und bei Breslau, und die westlichen Alliierten überschritten den Rhein. So hatten diese Angriffe, obwohl die schwersten und umfassendsten, im wesentlichen nur begleitende Wirkung. Die deutsche Kriegswirtschaft war schon seit Ende 1944 am Rand der Katastrophe. Von Mai 1944 bis Februar/März 1945, so kann man mit großer Berechtigung sagen, war der phasenweise Niedergang der deutschen Wirtschaft vom Rhythmus der Angriffswellen der strategischen Bomberkräfte der Alliierten bestimmt. Trotzdem hatten auch andere Ereignisse, besonders solche an den Landfronten, darauf keinen geringen Einfluß, nämlich der Verlust besetzter Gebiete, der Zusammenbruch des Außenhandels, und schließlich der Rückzug von deutschem Gebiet. Die wichtigste Zäsur setzte der Kriegsverlauf in West- und Südosteuropa im August/September 1944. Um diese Zeit hörten die Lieferungen von Eisenerz sowohl aus dem Minettere31 Ausführlich über die durchgängige „stubborn bureaucratic Opposition" gegen eine stärkere Konzentration der Angriffe auf das Verkehrswesen Mierzejewski, S. 162 ff.; S. 179 ff.

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Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

vier als auch aus Schweden32 auf. Im August besetzte die Rote Armee Rumänien, so daß die inzwischen immer spärlicheren Erdöllieferungen von dort ganz ausblieben. Frankreich lieferte kein Bauxit mehr; 1943 hatte der französische Bauxit 24 Prozent, von Januar bis Juli 1944 über 40 Prozent der deutschen Bauxiteinfuhr ausgemacht.33 Im September hörte auf dem Balkan die Rohstofförderung für die Deutschen auf; soweit Transportmittel einsetzbar waren, wurden noch Vorräte an Erz, besonders Chromerz, abtransportiert.34 Ende September begann die sowjetische Offensive in Richtung Ungarn, Jugoslawien und Tschechoslowakei; Ungarn als einzig übriger großer Bauxitlieferant fiel erst Ende Dezember vollständig aus.35 Im Unterschied zu den Zerstörungen aus der Luft schlug der Ausfall von Rohstoffressourcen aber erst mit großer Verzögerung bis auf die Produktion durch, besonders bei Waffen und Gerät. Gerade an Erzen und Metallen waren - abgesehen von mancherlei Einsparungsund Austauschmöglichkeiten - in den meisten Fällen erhebliche Vorräte vorhanden; dazu kam die übliche Durchlaufzeit vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt. Speer berechnete im September 1944 die Frist für die deutsche Rüstungsproduktion bei Verlust fast aller besetzten und sonstigen Lieferländer noch auf ein bis anderthalb Jahre.36 Einen für das Funktionieren der Wirtschaft akut bedrohlichen Arbeitskräftemangel gab es 1944/45 nicht. Im einzelnen ergibt die Analyse allerdings ein vielschichtiges Bild, das sich je nach Zeitphasen und nach Produktionsbereichen stark wandelte. Bis zum Sommer 1944 herrschte noch wachsender Mangel an Arbeitskräften, verstärkt durch große Anforderungen an Kräften für Aufräumungs-, Wiederaufbau- und Reparaturarbeiten nach Luftangriffen und für Übertage- und Untertageverlagerungen. Demgegenüber standen erhebliche Reserven, die bei weitem nicht voll mobilisiert wurden („Auskämmung", Frauenarbeit, Heimarbeit, Arbeitszeitverlängerung, besonders bei „Schwerpunktprogrammen", Steigerung der Arbeitsproduktivität). Waren die alten Quellen für ausländische Zwangsarbeiter weitgehend versiegt, so taten Wehrmacht, NS-Behörden und Rüstungswirtschaft neue auf (italienische „Militärinternierte", ungarische Juden).37 32 Nach Jäger, Jörg-Johannes, Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Dritten Reiches vom Ausland, dargestellt am Beispiel der Stahlindustrie, Berlin 1969, S. 191 ff., fielen seit Ende August 50 bis 60 Prozent der schwedischen Lieferungen aus; seit Ende September gelangte schwedisches Erz nur noch in geringen Mengen von Narvik aus mit deutschen Schiffen nach Deutschland. Für das Folgende s. auch Kap. IV u. V im vorl. Bd. 33 USSBS, Aircraft Division, Light Metals Industry of Germany, Exh. B (41 Prozent). 34 Siehe Kap. IV, Abschn. 2. 35 Im USSBS-Leichtmetallbericht (s. Anm. 33) wird vermutet, daß die ungarischen Lieferungen noch bis Jahresende fortgesetzt worden seien (S. 23). Die tatsächliche Einfuhr von Bauxit betrug im Juni und Juli 1944 noch je 110 000 t, nach „Ausfall von Frankreich, Italien, Kroatien und eines Teiles der ungarischen Zufuhr" im September 40 000 t und im Oktober 28 000 t (BÄK, R 3/1960, Bericht RMRuK/RoAmt, 27.11.1944). In der letzten Dezemberdekade schloß die Rote Armee den Ring um Budapest und besetzte dabei nordöstlich von Szekesfehervär die größten Gruben des ungarischen Aluerz-Konzerns mit einer Kapazität von 65-70 000 t Bauxit monatlich (Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6 (Seckendorf, Martin, u. a. (Hrsg.), Die Okkupationspolitik ...), Berlin/Heidelberg 1992, S. 391, Dok. 353, Bericht d. Dt. WWi-Offiziers in Ungarn f. Nov. u. Dez. 1944, 9.1.1945). 36 BÄK, R 3/1525, Denkschrift „Metalle", 5.9.1944. 37 Ausführlicher s. Kap. III im vorl. Bd.

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Die kritischste Zeit war das dritte Quartal 1944, sowohl was die Anspannung der Arbeitskräftesituation als auch was den Wandel in der Gesamtlage betraf, der jetzt eintrat. Bisher hatte die Rüstungswirtschaft die Einziehungen zur Wehrmacht verhältnismäßig glimpflich überstanden. Was ihr vordringlich zu schaffen machte, war kein Problem der Quantität, sondern der Qualität der Arbeitskräfte. Die deutschen Facharbeiter, Vorarbeiter und Werkmeister waren das Rückgrat der Produktion, nicht nur im Hinblick auf ihre eigene fachliche Arbeit, sondern vor allem im Hinblick auf die Arbeit der Tausende und Abertausende ausländischer Arbeiter und KZ-Häftlinge, die sie anleiteten und überwachten und über die sie weitgehende disziplinarische Gewalt hatten. Die Minimalzahl an solchen Fachkräften wurde, nach Aussage des Rüstungsministers38, von Ende Juli an durch neuerliche, umfangreiche Einziehungen zur Wehrmacht unterschritten. Schon Mitte Juli begannen in Ostpreußen die Arbeiten an Befestigungsanlagen, Panzergräben usw. auf deutschem Boden39, bald auch im „Warthegau", in Schlesien und im Osten Brandenburgs, wenig später in Westdeutschland, zu denen die NSDAP-Gauleitungen jeweils eigenmächtig und willkürlich die männliche und weibliche Bevölkerung mobilisierten. Seit Oktober zog der „Volkssturm" alle auch nur irgend tauglichen deutschen Männer zu seinen Übungen ein. Die Volkssturmmänner kamen zu einem großen Teil aus den Rüstungsbetrieben.40 Im dritten Quartal 1944 nahm der Arbeitsaufwand für Reparatur-, Wiederaufbau- und Verlagerungsarbeiten neue Dimensionen an. Zum „Geilenbergprogramm" und den Aufräumarbeiten in den schwer getroffenen Städten kamen der „Mineralölsicherungsplan" und die Notprogramme der Reichsbahn. Die Ausfälle an produktiver Arbeit infolge der Luftangriffe waren im dritten Quartal 1944 sehr hoch und entwickelten sich seit dieser Zeit zu einem ernsthaften Produktionshindernis. Nach den Berechnungen des USSBS belief sich damals der Gesamtaufwand an zivilem und militärischem Personal, das zur Abwehr der Luftangriffe und zur Beseitigung ihrer Auswirkungen eingesetzt wurde, auf 4,3 bis 5,45 Millionen Menschen.41 Die bedeutendsten Posten darunter waren die „außerhalb der Fertigung" Beschäftigten der Industrie (1,5 bis 2 Millionen), die Bauarbeiter (750 000 bis 1,2 Millionen), die mit den genannten Arbeiten beschäftigt waren, und die Arbeitskräfte aus der zivilen Produktion, die sonst „umgesetzt" oder eingezogen worden wären, so aber weiterbeschäftigt wurden, um die ausgebombte Bevölkerung mit Haushaltswaren und anderen notwendigen Gütern der Konsumgüterindustrie auszustatten (1 bis 1,2 Millionen) - insgesamt also 3,25 bis 4,4 Millionen Menschen. Diese Angaben werden gestützt durch Berechnungen des Planungsamtes aus jener Zeit. Danach war innerhalb eines Jahres, von September 1943 bis September 1944, der Prozentsatz der „außerhalb der Fertigung" Beschäftigten in den sogenannten A-Firmen von 18,9 auf 34,7 gestiegen, d. h. von etwa 850 000 auf 2,1 Millionen Beschäftigte. Auf die gesamte Industrie umgerechnet, betrug die Differenz, die „weitgehend ein Ausdruck für die Beeinträchtigung der Produktion

38 39 40 41

BÄK, R 3/1576, Speer an Dönitz, 3.10.1944. DZW, Bd. 6, S. 236 f.; S. 374 f. Ebenda, S. 237 ff. The Effects, S. 39 ff.

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Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

durch Fliegerschäden sein (dürfte)"42, rund 2,5 Millionen Arbeitskräfte, demnach noch wesentlich mehr als vom USSBS berechnet. Im Spätsommer 1944 tauchte nun zum ersten Mal, der bisherigen Arbeitskräfteproblematik völlig entgegengesetzt, Arbeitslosigkeit auf. Das war eine besondere Art von Beschäftigungslosigkeit, ein deutliches Zeichen der Zerrüttung der Volkswirtschaft durch die Luftangriffe. Sie trat betriebsweise und gebietsweise auf. Zuerst waren es größere und anhaltende Schäden an Betriebsanlagen, die Arbeitskräfte beschäftigungslos machten, bis nach erfolgter Reparatur der Kräftebedarf vielfach wieder von einem Tag auf den anderen höchst dringlich wurde. Dann, während der Luftoffensive auf das deutsche Transportwesen, war es das Zerreißen des Produktionszusammenhangs, d. h. die ausbleibende Zufuhr und die verhinderte Abfuhr von Roh-, Halb- bzw. Fertigprodukten, die die Produktion ausgedehnterer Gebiete lahmlegte. Nur ein Teil der unbeschäftigten Arbeitskräfte wurde jeweils zu Aufräum- und Reparaturarbeiten oder zum Schanzen kommandiert. Ein bestimmter Teil, gerade bisher gehütete Fachkräfte, wurde bei dieser Gelegenheit - zeitweilige Beschäftigungslosigkeit auch zur Wehrmacht eingezogen.

c) Der Begriff der

„Endkrise"

Die Krise der Kriegswirtschaft, die mit der alliierten Treibstoffoffensive Ende Mai 1944 ihren Anfang nahm und sich im Spätsommer und Herbst voll entfaltete, war im Unterschied zu mancherlei anderen, früheren wirtschaftlichen Krisenerscheinungen partiellen oder zeitlich begrenzten Charakters43 nicht behebbar und erfaßte in zerstörerischer Weise die gesamte materielle Sicherstellung der Kriegführung. Es waren keine inneren, systembedingten Ursachen, keine Dysfunktion, Irregularität oder gar Irrationalität des NS-Systems oder der „NSWirtschaft", die zu dieser Krise führten, sondern äußere, militärische, nämlich die Überlegenheit der Alliierten zur Luft und zu Lande und ihre Offensivhandlungen, die unumkehrbare Tatsachen schufen. Eine Besonderheit dieser Krise bestand gerade darin, daß sie sich in einer Zeit ausbreitete, in der die Rüstungsproduktion Höchstleistungen erreichte. Hier stießen also in dramatischer Weise, wie in einer großen Feldschlacht, Offensive und Gegenoffensive aufeinander, und erst im Verlauf von etwa vier Monaten - Ende Mai bis September/Oktober gewann die Krise endgültig die Oberhand. Sie breitete sich seit Mitte Mai 1944 zunächst vom Treibstoffsektor her über das Gebiet der Grundchemikalien aus und erreichte für die Kriegführung so unmittelbar entscheidende Produktionssektoren wie Flugtreibstoff, Buna, Pulver und Sprengstoff. Sie betraf mit der im September einsetzenden Krise des deutschen Transportwesens zuerst Kohle und Erz und 42 BÄK, R 3/1841, Wochenbericht d. HAbt. Planstatistik v. 6.11. bis 11.11.1944 (Auszug). 43 Darunter zählen so unterschiedliche Phänomene wie bestimmte kritische Erscheinungen bei der anfänglichen Umstellung der Wirtschaft auf den Krieg, der allgemeine, andauernde Niedergang von Zweigen der Konsumgüterindustrie und die Funktionsschwäche des kriegswirtschaftlichen Lenkungsapparats Ende 1941/Anfang 1942, die in der Marinerüstung noch bis Sommer 1943, in der Luftrüstung bis Frühjahr 1944 fortwährte, mit den daraus resultierenden Rückschlägen in der Programmaufstellung, in der Produktionsumstellung und in der Produktion selbst.

Produktionsvergleiche und Selbstbetrug

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griff auf andere Rohstoffe, Halbfabrikate, Zulieferungen für Waffen und Gerät usw. über. Sie trat zur gleichen Zeit in den Gebietsverlusten im Westen, Osten und Südosten in Erscheinung, wo kriegswichtige Rohstoffressourcen und industrielle Kapazitäten verlorengingen. Im Februar, spätestens im März 1945 hatten die Wirkungen der beschriebenen Ereignisse überall durchgeschlagen. Die Krise war total, die Kriegswirtschaft brach zusammen. Das Ende jeder regelmäßigen und steuerbaren volkswirtschaftlichen Aktivität war da.

2. Produktionsvergleiche und Selbstbetrug Die Erinnerung an die drückende militärisch-materielle Überlegenheit der französisch-britisch-amerikanischen Koalition im Ersten Weltkrieg war den deutschen Eliten zwei Jahrzehnte später durchaus gegenwärtig. Die Schlußfolgerung für den Krieg, auf den Deutschland seit 1933 zusteuerte, war die, eine große feindliche Allianz durch diplomatische Manöver zu vermeiden, wenigstens aber einen Krieg gegen eine solche Koalition erst zu riskieren, wenn ein dafür ausreichender „Großwirtschaftsraum" bzw. die dementsprechende „Großraumwehrwirtschaft" gesichert waren. Die zweite Möglichkeit sollte mit den Mitteln der Blitzkriegsstrategie realisiert werden.44 Beide Varianten wurden nacheinander und nebeneinander ausprobiert. Erhebliche Auseinandersetzungen um das stets latente Risiko eines Mehrfrontenkrieges gegen eine überlegene Koalition kulminierten schon in den Vorkriegsjahren.45 Münchner Abkommen und HitlerStalin-Pakt schienen zeitweise den Erfolg der ersten Variante sicherzustellen. Die Erfolge der Blitzkriegsstrategie von 1939/1940 - Beherrschung halb Europas - ermunterten die deutschen Machthaber dazu, den eigenen strategischen Plan irrwitzig zu überspannen und schließlich fallen zu lassen, indem sie die UdSSR angriffen und den Kriegseintritt der USA provozierten. Damit war der für die deutsche Kriegführung ungünstigste Fall eingetreten. An mehreren Fronten war eine Koalition von Gegnern zu bekämpfen, deren Überlegenheit an Potential und Material sich schnell entfaltete. „Die Preisgabe der Blitzkriegsstrategie markierte für Deutschland den Beginn eines hoffnungslosen Kampfes gegen eine wirtschaftliche Übermacht" 46 - wobei der Begriff der Preisgabe hier sowohl einen erzwungenen Zustand als auch, mit einer gewissen Berechtigung, die aus der Hybris erwachsende Willkür der deutschen Seite widerspiegelt. Die deutschen Experten - Wirtschaftler, Militärs, Behörden - befaßten sich seit 1942, besonders aber 1943/44 häufig und ausführlich mit Berechnungen des Potentialvergleichs und des wirtschaftlichen Kräfteverhältnisses zwischen Deutschland und seinen Gegnern bzw. zwischen den kämpfenden Koalitionen. Ihr Sachverstand und ihre Erfahrung waren zu 44 Siehe Förster, Gerhard, Totaler Krieg und Blitzkrieg, Berlin 1967, S. 77 ff.; bsd. S. 94 ff., wo allerdings die wehrwirtschaftliche (auch außenpolitische) Vorbereitung auf den Krieg zu kurz kommt. 45 Siehe Eichholtz, Dietrich, Das Expansionsprogramm des deutschen Finanzkapitals am Vorabend des zweiten Weltkrieges. In: Der Weg in den Krieg. Hrsg. von Dietrich Eichholtz und Kurt Pätzold, Berlin 1989, S. 1 ff. 46 Milward, Der Zweite Weltkrieg, S. 80.

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Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

groß, als daß sie den wahren Sachverhalt nicht erkannt hätten. Es gab genügend nüchterne Berechnungen und Schätzungen, die nur zu eindeutig die absolute materielle und wirtschaftliche Unterlegenheit der faschistischen Koalition belegten. Demgegenüber bleibt es ein zu klärendes Problem, daß weder in diesen geheimen Dokumenten noch anscheinend in irgendwelchen anderen schriftlich erfaßten Formen die politischen und militärischen Konsequenzen der errechneten Unterlegenheit erörtert wurden. Hierauf wird zurückzukommen sein. Es gab auch frühere Berechnungen, die allerdings einen ganz anderen Charakter hatten als diejenigen, die seit 1943 und 1944 entstanden. 1938/39 ging es den Verfassern - voran der von Fachleuten des IG-Farben-Konzerns durchsetzten Reichsstelle für Wirtschaftsausbau um eine wirtschaftspolitische Strategie, die der Eventualität und dem Risiko eines großen Krieges, einschließlich eines Blockadekrieges, entsprach; eben um eine solche, teils mit friedlichen, teils mit militärischen Mitteln zu schaffende „Großraumwehrwirtschaft"47, die notfalls „den Anstrengungen fast der ganzen übrigen Welt gewachsen" 48 sein sollte. 1941/42, mitunter schon in der zweiten Jahreshälfte 1940, entstanden Denkschriften und Berechnungen über die Rohstoffversorgung Deutschlands und den Zuwachs an Rüstungspotential, die nun, nach den Eroberungen in Europa und in Nordafrika, gewährleistet schienen. 49 Die früheste mir bekannte Ausarbeitung, die dagegen in nüchternen Zahlen die umfassende Überlegenheit der Alliierten (noch ohne UdSSR) festhielt, entstand Anfang 1942 im Statistischen Reichsamt. 50

47 Siehe Eichholtz, Dietrich, Die „Großraumwehrwirtschaft" für den großen Krieg. In: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", Nr. 1-4/1986, S. 70 ff.; Volkmann, Hans-Erich, Die NS-Wirtschaft in Vorbereitung des Krieges. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 1 (= Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik), S. 339 ff.; S. 353 ff. 48 Zitat Carl Krauch, April 1939, in: Eichholtz, Dietrich, Zum Anteil des IG-Farben-Konzems an der Vorbereitung des zweiten Weltkriegs. In: JfW, 1969, Teil II, S. 104. 49 So etwa Ausarbeitungen des Reichsamts für Wirtschaftsausbau: „Die Rohstoffversorgung Europas unter voller Ausnutzung der Gewinnungsmöglichkeiten in Europa und Afrika (nach Zahlen von 1938)", vermutlich 1940/41 (BAP, FS, Film 10614; dort nur Karte, o. V., o. D.); „Rohstoffversorgung Europas im Vergleich zu den Versorgungsmöglichkeiten der angelsächsischen Welt" (Karten), 1941, in BAP, FS, Film 10629; die dazugehörige Denkschrift (unter Einbeziehung v. Japan) in BÄK, R 25/57 (Nov. 1941); „Die Rohstoffversorgung Europas bei voller Ausnutzung der Gewinnungsmöglichkeiten aus dem indisch-pazifischen Raum", und dasselbe mit dem Zusatz „und dem europäischen Rußland", beides datiert 30.6.1942 (BÄK, R 25/42, Schaubilder/Diagramme); „Die Zukunftsmöglichkeiten in der Ukraine und in den Gebieten zwischen Don und Kaukasus" (Ausarbeitung mit Schaubildern/Diagrammen) mit Schema: „Ukraine-Gesamtplan", 26.10.1942 (BÄK, R 25/42); s. a. BAP, FS, Film 10613, zahlr. Ausarbeitungen des Reichsamts f. Bodenforschung, 19401942; s. ferner verschiedene Rohstoffbilanzen im Bestand BÄK, R 25 u. in BAP, FS, Film 10629 u. 10630. 50 BAP, FS, Film 10609, „Produktionskapazitäten im Angelsächsischen und im Europäischen Wirtschaftsraum", Statist. Reichsamt (Abt. VIII), Feb. 1942. Der „Europäische Wirtschaftsraum" umfaßte Deutschland, Polen, das „Protektorat Böhmen und Mähren", Frankreich, Belgien und die Niederlande, der „Angelsächsische Wirtschaftsraum" die USA, Kanada und Großbritannien. Hiernach auch das Folgende.

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Produktionsvergleiche und Selbstbetrug Tabelle 18 Jahresproduktionskapazität Stand Mitte 1941

des „europäischen"

Mengeneinheit

Kohle Erdöl

Mill, t Mill, t

Roheisen Rohstahl Kupfer (Raffinadeproduktion) Blei (Hüttenproduktion) Zink (Hüttenproduktion) Zinn (Hüttenproduktion) Bauxit Aluminium (Hüttenprod.) Magnesium (Hüttenprod.) Kautschuk

Mill, t Mill, t 1000t 1 0001 1 000 t 1000t 1000t 1000t 1000t 1000t

und des „angelsächsischen"

Europäischer Wirtschaftsraum

500 10* (43)** 33 41 500 590 1000 45 2 400 400 29 60

Angelsächsischer Wirtschaftsraum

824 233 58 92 2 100 1 800 1 100 200 2660 490 19 1400

Wirtschaftsraumes,

Europäischer Wirtschaftsraum im Verhältnis zum angelsächsischen Wirtschaftsraum 1 : 1,6 1 : 23 (1: 5,4) 1 : 1,8 1 : 2,2 1: 4,2 1 : 3,0 1: 1,1 1 : 4,4 1 : 1,1 1 : 1,2 1 : 0,7 1 : 23

*) Ohne europäische UdSSR. **) Einschl. europäische UdSSR. Quelle: BAP, FS, Film 10609 (wie Anm. 50).

Die Zahlen vorstehender Originaltabelle sind weitgehend korrekt, abgesehen davon, daß für die „angelsächsischen" Länder offensichtlich von den aktuellen Produktionsziffern, für die „europäischen" Länder aber von Friedensziffern aus der Zeit vor der Besetzung Frankreichs usw. ausgegangen worden ist, die nachher in der Regel weder erreicht noch der deutschen Kriegswirtschaft vollständig nutzbar gemacht werden konnten. Das sowjetische Erdöl wurde auf längere Sicht als eigene Ressource aufgeführt. Die Verfasser der Ausarbeitung räumten ein, daß „die bedeutenden Erweiterungspläne" der Gegner, besonders der USA und Kanadas, nicht berücksichtigt worden seien, so daß man „auf den wichtigsten Gebieten der Rohstoffverarbeitung mit einer Verschärfung des angelsächsischen Übergewichtes schon in nächster Zeit, spätestens aber Mitte 1942" rechnen müsse. Dagegen seien die noch nicht voll zu übersehenden „im russischen Raum gemachten Erwerbungen" aufzurechnen. Spätere Erhebungen so umfassender Art, die diese „Erwerbungen" einbeziehen, sind bisher nicht aufgefunden. Jedoch bestätigen Verhältnisrechnungen in der neueren Literatur, denen die tatsächlich erzielte Produktion auf deutscher und alliierter Seite zugrunde liegt, wie noch weit drückender das alliierte Übergewicht seit 1942 war, selbst nach dem Verlust wichtiger Industriegebiete im Westen der UdSSR.

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Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 19 Verhältnis der deutschen zur alliierten Produktion an Grund- und Rohstoffen, 1942—1945 und 1944

Kohle Eisenerz Rohstahl Aluminium Mineralöl

1942-1945

1944

1 1 1 1 1

1 1 1 1 1

: 2,6 : 3,7 : 5,1 : 3,5 :47,0

: 2,1 : 3,8 : 4,3 : 2,6 :41,7

Quelle: Ellis, John, Brute Force. Allied Strategy and Tactics in the Second World War, London 1990, S. 347 ff. (Tabellen); absolut: Ebenda, S. 554 ff., Tab. 46 ff.

Nach Stalingrad beschäftigten zwei Probleme in besonderem Maße die Eingeweihten, nämlich die „scheinbare Unerschöpflichkeit der russischen Menschenmassen" 51 und die wirtschaftliche Leistungskraft der USA, die bei der zu erwartenden Invasion voll in die Waagschale fallen würde. Der Inspekteur für Statistik des Reichsführers-SS konnte sich die Überlegenheit des sowjetischen Menschenpotentials (220 Millionen „Russen" gegen 100 Millionen „Reichsbevölkerung" einschließlich Protektorat) nur mit einem „Wunder" erklären, das „der jung-frische Born primitiv-russischer Fruchtbarkeit" trotz Bolschewismus, trotz aller „Aderlässe" seit dem Ersten Weltkrieg hervorgebracht hätte; immerhin stellte er auch ein allgemeines Absinken der Sterblichkeit fest.52 In umfassenderer Weise und nicht nur unter dem Aspekt der „Wehrkraft" befaßte sich das Statistische Reichsamt, Referat Auslandsforschung, mit dem „Menschenpotential der Mächtegruppen". Die erste Fassung der Ausarbeitung vom Juli 194353 war ein Musterfall von Gesundrechnerei. Für die „Achsenmächte" gingen fast ganz Europa einschließlich der besetzten sowjetischen Gebiete, die gesamte japanisch beherrschte „Ostasiatische Wohlstandssphäre" und Nanking-China in die Rechnung ein. Mit Hilfe dieser und anderer zweifelhafter und fehlerhafter Verfahren konnte die Überlegenheit der ,feindmächte" auf ein Verhältnis von 1,5 zu 1 (1 271 gegen 857 Millionen Gesamtbevölkerung), bei den Erwerbspersonen auf 1,4 zu 1 und bei der „industriell einsetzbaren Bevölkerung" (Beschäftigte in Industrie und Handwerk) sogar auf fast 1 zu 1 heruntergerechnet werden. Allerdings sei „recht ernst zu nehmen", so hieß es in der Zusammenfassung des Dokuments, daß die Produktionsleistung je Arbeiter in der amerikanischen Industrie 131 Prozent54 der deutschen betrage und gerade in rüstungswirtschaftlich entscheidenden Industriezweigen weit darüber liege.

51 BAP, FS, Film 3575, Memo RFSS/Inspekteur für Statistik, „Die russische Wehrkraft", 29.4.1943. 52 Ebenda. 53 BAP, FS, Film 5273, Statistisches Reichsamt, „Das Menschenpotential der Mächtegruppen", Juli 1943. Hiernach auch das Folgende. 54 In der Neubearbeitung vom März 1944 korrigiert auf 189 Prozent; nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sogar 226 Prozent (ebenda).

Produktionsvergleiche und Selbstbetrug

99

Tabelle 20 Arbeitsproduktivität je Industriearbeiter in ausgewählten Zweigen der US-Industrie gegenüber der deutschen (Prozent; auf Grund der Industrieerhebungen von ¡937 [USA] und 1936 [Deutschland]) Steinkohle Roheisen Landwirtsch. Maschinen und Traktoren Werkzeugmaschinen Kraftfahrzeuge davon: Personenwagen Lastkraftwagen

(mengenmäßig) (mengenmäßig) (wertmäßig) (wertmäßig) (wertmäßig)

209 284 219(314)* 165 (236)* 264 (378)*

(mengenmäßig) (mengenmäßig)

868 578

*) Auf Grund eines realeren Dollarkurses korrigierte Zahlen aus der 2. Bearbeitung der Denkschrift vom März 1944 (s. Anm. 55). Quelle: BAP, FS, Film 5273 (wie Anm. 53).

Eine Neubearbeitung der Denkschrift, datiert vom März 1944 und diesmal von der Abteilung IV (Bevölkerungsstatistik) des Reichsamts vorgenommen55, fällte über die erste Fassung, wenn auch zwischen den Zeilen, ein hartes Urteil und decouvrierte sie Punkt für Punkt als leichtfertige Kompilation von unsicheren Zahlen, unter dem Vorwand, die inzwischen eingetretenen Gebietsverluste (in Italien und der UdSSR) und die Menschenopfer im Krieg zu berücksichtigen. Der Leser war so auf die „nicht unbeträchtliche Verschiebung zuungunsten der Achsenmächte" vorbereitet, mit der er konfrontiert wurde. Nach den neuen Berechnungen waren die Feindmächte nach Bevölkerungszahl im Verhältnis 1,86 : 1, nach der Zahl der Erwerbsfähigen (in der ersten Fassung: Erwerbstätige) im Verhältnis 1,84 : 1 überlegen. Auf eine Berechnung der dritten allgemeinen Vergleichszahl (industriell und handwerklich Beschäftigte) verzichtete man und beschränkte sich auf die Hauptindustrieländer beider Seiten; hierbei betrug die Überlegenheit nach Gesamtbevölkerung 1,27 : 1 und nach Erwerbsfähigen 1,31 : 1. Allerdings bliebe der Produktivitätsunterschied zwischen der deutschen und der US-Industrie „in der Tat besorgniserregend". Doch erscheine, so hieß es zum Trost, bei „restloser Effektivmachung" des Achsen-Menschenpotentials und bei erheblicher Steigerung der Arbeitsproduktivität „eine Überkompensation der Quantität durch die Qualität prinzipiell möglich". Auch brauche einem bei dem direkten militärischen Einsatz zahlenmäßig überlegener Menschenmassen nicht bange zu sein, „da die militärische Begabung und Tugend der Deutschen und Japaner sowie auch anderer kontinentaleuropäischer Völker auf diesem Gebiet noch am ehesten eine Überwindung der Quantität durch die Qualität ermöglichen" - beides bis in die letzte Kriegsphase hinein intern und in der Öffentlichkeit ständig strapazierte Argumente. Die amerikanische Maschinenbauindustrie war von Beginn des Krieges an vom deutschen Konkurrenten „in Anbetracht ihrer Schlüsselstellung für die amerikanische Rüstung"56 ausge55 Ebenda, „Zweite Bearbeitung", März 1944. Hiemach auch das Folgende. 56 BÄK, R 41/142, Karl Lange, Leiter des HA Maschinen, an Speer, 30.4.1943. Hiernach auch das Folgende.

100 späht worden. Der Leiter des Hauptausschusses Maschinenbau, Karl Lange, faßte die Ergebnisse einer dazu angefertigten Expertise vom Frühjahr 194357 in einem Brief an den Rüstungsminister zusammen. Die deutsche Industrie sei dank der Konjunktur der dreißiger Jahre mit einer größeren Werkzeugmaschinenproduktion in den Krieg gegangen als die USA, England und Frankreich zusammengenommen. Die USA allein hätten aber in zwei Jahren den Vorsprung aufgeholt und dank höchster Dringlichkeit und staatlichen Subventionen im Jahre 1942 gegenüber Deutschland und den besetzten Gebieten bereits das Doppelte erzeugt; die Produktion der USA an Werkzeugmaschinen erreichte 1942 einen Wert von 2100 Mill. DM gegenüber der deutschen von 1 074 Mill. RM. Die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie sei dagegen zu einer Steigerung der Produktion „über die Höhe des Jahres 1941 hinaus" (1 100 Mill. RM) nicht mehr imstande, da seitdem Rohstoffe - Eisen, Nichteisenmetalle - nicht ausreichend zugeteilt würden, so daß, jetzt eine Reihe der zur Kapazitätsausweitung getroffenen Maßnahmen eingestellt und eine größere Zahl Werkzeugmaschinenfabriken aus der Neuproduktion wieder abgeschaltet" worden seien. Andernfalls könne man wenn nur genügend Material, Arbeiter und Aufsichtspersonal zur Verfügung gestellt würden durchaus „eine ähnliche Produktionshöhe wie Amerika ... halten". Die „angelsächsische Propaganda" scheint sich um diese Zeit zunehmend auf die wirtschaftliche Überlegenheit der Alliierten berufen und das Gespenst der deutschen Auszehrung von 1918 beschworen zu haben. Das OKW plante jedenfalls, eine Propagandaschrift im Ausland zu verbreiten, die dem entgegenwirken sollte.58 Der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie erschien es daraufhin vor allem erwähnenswert und propagandistisch günstig auswertbar, daß Deutschland bzw. die „Dreierpaktmächte" 1942/43 eine doppelt und dreifach so hohe Eisen- und Stahlproduktion hatten wie Deutschland/Österreich-Ungarn im Jahre 1918. Sollte die feindliche Seite mit ihren überlegenen Produktionszahlen „paradieren", so versprach sich der Verfasser der Antwort an das OKW Wirkung ebenfalls von einem Vergleich zwischen 1918 und 1943. Damals (1918) bestand eine alliierte Überlegenheit in Roheisen von 3,8 : 1 und in Rohstahl von 3,5 : 1, im Jahre 1943 (nach geschätzten Produktionszahlen) eine solche „nur" von 2,2 : 1 bzw. 2,3 : 1. Eine spätere genauere, interne Aufstellung der Wirtschaftsgruppe - nur für Rohstahl ergab ein ähnliches, leicht ungünstigeres Bild.59 Tatsächlich war in beiden Weltkriegen anfangs das Kräfteverhältnis in Stahl fast ausgeglichen, 1918 und 1943 dagegen, nach Kriegseintritt der USA, für die Achse bzw. den Dreimächtepakt hoffnungslos.

57 BAP, FS, Film 3384, HA Maschinen, „Die Entwicklung der Werkzeugmaschinenindustrie in USA 1939-1942", März 1943. 58 So ersichtlich aus BÄK, R 13 1/1138, Wigru Esl (J. W. Reichert) an WiRüAmt/Wewistab (?), 19.4.1943. Hiernach auch das Folgende. - Vermutlich nahm das OKW von seinem Plan wieder Abstand. 59 BÄK, R 13 1/1144, Wigru Esl, „Kriegspotential in Rohstahl", 25.4.1944. - Die folgende Berechnung bereitete Walter Rohland als Material für die Essener Rede des Rüstungsministers auf (s. Kap. I, Abschn. 4).

101

Produktionsvergleiche und Selbstbetrug

Tabelle 21 „Kriegspotential in Rohstahl" nach Berechnungen der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, 1914, 1917,1939 und 1943 (in 1 0001) Kräfteverhältnis 1914 = 1,2 : 1 „Mittelmächte"

„Feindländer" Großbritannien Frankreich Belgien Rußland Italien Japan (geschätzt) Kanada, Australien u. Brit.-Indien Zusammen (1913

9 210 3 073 1466 4817 1 025 400

Deutscher Zollverein (einschl. Luxemburg) Österreich-Ungarn

893 20 884 24 154

15 076 2 191

17 267 21 830)

Kräfteverhältnis 1917= 3,5 : 1 USA Großbritannien Frankreich Belgien Rußland Italien Japan Kanada, Australien u. Brit.-Indien Zusammen

47 689 10 951 2 187 34 3 100 1 332 796

Deutscher Zollverein Österreich-Ungarn

2018 68 107

16 689 2 921

19610

Kräfteverhältnis 1939= 1 : 1 „Feindländer"

„Achsenmächte"

Großbritannien Frankreich Belgien Luxemburg Holland Polen Zusammen

13 500 7 920 3 111 1 762 110 1 177 27 580

Deutsches Reich einschl. Ostmark Protektorat Böhmen u. Mähren Italien

23 733 1 600 2 700 28 033

Kräfteverhältnis 1943 = 2,5 : 1 „Feindländer" (Schätzungen)

„Dreierpaktmächte"

USA Großbritannien Rußland Kanada Brit.-Indien

„Großdeutscher Machtbereich" Italien Ungarn Rumänien

81 000 13 000 12 000-15 000 2 900 1 300-1 500

35 120 1 600 785 350

102

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 21 (Fortsetzung) Australien Südafrika Mittel- u. Südamerika u. Tschungking-China Zusammen

1 300-1 500 500

Japans Machtbereich

500 112 500-115 900

7 000-10 000

44 855-47 855

Quelle: Wie Anm. 59 (25.4.1944). Nach den Zahlen der Rohstahlerzeugung. Leichtmetalle waren 1943 Gegenstand von Ausarbeitungen des Prager Vereins für chemische und metallurgische Produktion und des IG-Farben-Konzerns. 60 Die genauer spezifizierten, bis 1942/43 reichenden Angaben des IG-Farben-Konzerns, auf die wir uns hier stützen, belegten, daß die faschistischen Mächte bis 1940 sowohl mehr Bauxit förderten als auch mehr Aluminium produzierten als die Gegenseite, daß sich aber von 1941 an das Blatt rasch wendete. Ähnlich war es von 1942/43 an bei Magnesium. Die Verfasser zählten die USA, Kanada, Großbritannien und die UdSSR von Anfang an (1938) zur gegnerischen Seite, Japan und alle europäischen Länder zum „Bereich der Achsenmächte". Tabelle 22 Weltproduktion von Bauxit, Aluminium und Magnesium, 1938-1943 (in 1 0001) Jahr

GesamtProduktion

davon im Bereich der Achsenmächte

im Bereich der Alliierten

Verhältnis Alliierte: Achsenmächte

Bauxit 1938 1939 1940 1941 1942

3 4 4 6 7

2 2 2 2 2

542,2 585,9 350,6 631,7 785,0

1 354,7 1 438,8 2 071,0 3 373,3 4 340,0

1 1 1 1,3 1,6

1,9 1,8 1,1 1 1

Aluminium 1938 1939 1940 1941 1942 1943 (Planung)

578,8 666,4 811,1 1 025,9 1 574,9 2 353,1

315,6 373,0 424,0 495,9 652,4 748,1

263,2 293,4 387,1 530,0 922,5 1 605,0

1 1 1 1,1 1,4 2,1

1,2 1,3 1,1 1 1 1

896,9 024,7 421,6 005,0 125,0

60 BAP, FS, Film 10614, „Die Bauxit- und Aluminiumwirtschaft der Welt", Juni 1943, ca. 350 Bl. (!) (Prager Verein); ebenda, Film 3365, „Weltförderung von Bauxit, Aluminium, Magnesium", 20.7. 1943, mit Anschrb. v. 25.8.1943 (IG Farben an RWiM).

103

Produktionsvergleiche und Selbstbetrug Tabelle 22

(Fortsetzung)

Magnesium 1938 1939 1940 1941 1942 1943 (Planung)

24,7 31,0 40,4 64,9 114,6 344,2

17,8 22,0 26,7 34.1 63,0 70.2

6,9 9,0 13.7 30.8 51,6* 274,0*

1 :2,6 1 :2,4 1 : 1,9 1 : 1,1 1 : 1,2 3,9: 1

*) Nach abweichenden Angaben für USA und Kanada sind für 1942 und 1943 erheblich höhere Zahlen vermutbar (105,4 bzw. 536,0). Quelle: Wie Anm. 60 (Film 3365; IG Farben). Zum Teil Schätzungen.

Im Jahre 1944 gingen Behörden, Wehrmacht und Wirtschaft dazu über, die vergleichenden Untersuchungen zu Kriegspotential und Produktionsumfang zu koordinieren und zu intensivieren. Ein vorrangiges Interesse galt jetzt der Produktion von Waffen und militärischem Gerät. Die auffindbaren Erhebungen stammen meist vom Planungsamt des Rüstungsministeriums bzw. des GB Rüst, das regelrechte Aufträge an Wirtschaftsgruppen, Reichsstellen, das Reichsamt für Wirtschaftsausbau und andere Stellen vergab. Eng arbeitete es mit dem Feldwirtschaftsamt des OKW zusammen, jenem Überbleibsel des ehemaligen Wehrwirtschaftsund Rüstungsamts, das auch selbständige Erhebungen machte. Kehrl, Chef des Planungsamts, hatte eigens zum Zweck vergleichender Produktions- und Potentialerhebungen eine „Wissenschaftliche Beratungsstelle" eingerichtet.61 Diese Stelle erreichte im Laufe des Jahres 1944 ein Niveau, das der deutschen Führung die Möglichkeit bot, „einen umfassenden Kräftevergleich zwischen dem eigenen Potential und dem der Gegner vorzunehmen, sie konnte sich auf wenigen Seiten über die deutsche Rüstungsendfertigung und ihren erschreckenden Abstand zu den Alliierten informieren, konnte die Versorgung mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln oder die Produktion von Sprengstoffen vergleichen, kurz, konnte sich ein Bild über die 'wehrwirtschaftlichen Grundlagen der Kriegsführung 1945' machen." 62 Die wichtigsten Berichte gingen, nach Herbst, „an Hitler, Bormann, Keitel, Himmler, Goebbels und in einigen Fällen auch Göring", ferner an die vier Mit-

61 Siehe Herbst, S. 439ff.; Kehrl, S.323 f f . - D i e „Wissenschaftliche Beratungsstelle", seit März/April 1944 im Aufbau begriffen und seit Juni voll arbeitsfähig, war der „Deckname" für „einen Erfahrungsaustausch zwischen allen Dienststellen" (so Kehrl an Parteikanzlei, 8.11.1944; desgl. Speer an Himmler, 10.11.1944; an Göring, 19.1.1945; wie das Folgende nach BÄK, R 3/1954; hier Bl. 98). Eine Liste ihrer Mitarbeiter umfaßte ca. 35 Namen und Institutionen, darunter außer leitenden Beamten des Planungsamts Vertreter des OKW (FWiAmt; Abwehr), der WT (bsd. Luftwaffe), des AA, des RSHA, des Statist. Reichsamtes, des RWiM (OBH), wissenschaftliche Institutionen und Industrievertreter (z. B. Reichert/Wigru Esl; Friedrich Dorn/Konti Öl; Adolf v. Carlowitz/HGW). 62 Herbst, S. 441 f.

104

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

glieder der Zentralen Planung.63 Hitler soll schließlich die Verteilung dieser „grünen Hefte" verboten haben.64 Im Frühjahr 1944 fertigte das Feldwirtschaftsamt Statistiken über die sowjetische Produktion von Panzern und Geschützen an.65 Auf diesen und ähnlichen Zahlenwerken basierte schließlich die große vergleichende Aufstellung des Planungsamts vom September 1944.66 Eine Studie über die Reserven und Perspektiven der amerikanischen Rüstungsproduktion legte im August 1944 das Zentralamt des Rüstungsministeriums vor.67 Den Höhepunkt dieser Aktivitäten stellte zweifellos die erwähnte statistische Aufstellung über die „Rüstungsendfertigung. Deutsches Reich und Feindmächte" vom September 1944 dar, die, vom Planungsamt herausgegeben, unter der Federführung des Feldwirtschaftsamts entstanden war. Die detaillierte Erhebung erstreckte sich auf drei Jahre (1942-1944). Die Produktion des Jahres 1944 war auf der Grundlage der Zahlen für die ersten sieben Monate hochgerechnet worden; das Ergebnis hat für dieses Jahr also keinen unmittelbar realen Wert, schon weil in den Herbst- und Wintermonaten 1944 die Produktion insgesamt, besonders aber bei Munition, Pulver und Sprengstoff, absank. Trotzdem handelt es sich um ein erstaunliches Dokument, in dem anhand nüchterner Zahlen, ohne jeden abschwächenden oder beschönigenden Kommentar eine in der Regel dreifache, mitunter auch fünf- bis zehnfache gegnerische Überlegenheit festgestellt wurde. Tabelle 23 „Rüstungsendfertigung.

Deutsches Reich und Feindmächte", 1942-1944 (Auswahl; in 1 000 Stck.)

1942 Deutschland

Flugzeuge insges. darunter: Zerstörer u. Jagdflugzeuge Kampf- und Schlachtflugzeuge

Alliierte

Verhältnis Deutschland: Alliierte

15,0

83,3

1:5,55

4,5 6,8

25,7 27,3

1 :5,7 1 :4

63 Ebenda, S. 441, Anm. 386. 64 Kehrl, S. 324. Tatsächlich aber bestätigten noch im Januar 1945 Hitler, Bormann, Keitel, Dönitz u. a. den Empfang von „grünen Heften" (BÄK, R 3/1954, div. Dok.). 65 BAP, FS, Film 4605, „Übersicht über die vermutliche Entwicklung der Panzer- und Sturmgeschützfertigung in der SU", o. D.; ebenda, „Sowjetische Fertigung von Geschützen, Pak und KwK, nach Beutefeststellungen zusammengefaßt (Stand April 1944)", 15.5.1944; ebenda, „Die Entwicklung der Panzerfertigung in der SU während des Jahres 1943", 5.5.1944; ebenda, „Produktion des T 34 im Jahre 1943", o. D. 66 BÄK, R 3/1959, Planungsamt/Wiss. Beratungsstelle, „Rüstungsendfertigung. Deutsches Reich und Feindmächte", Sept. 1944 (Federführung: Feldwirtschaftsamt). 67 BAP, FS, Film 1729, RMRuK/Zentralamt, „Ist das Maximum der U.S.-amerikanischen Rüstungsproduktion schon erreicht?" (= Informationsdienst Ausland, Nr. 653, Sonderdienst), 22.8.1944. Die Autoren der Studie stellten resümierend fest, „daß von einer vollen Ausschöpfung des amerikanischen Rüstungspotentials noch keine Rede sein kann."

105

Produktionsvergleiche und Selbstbetrug Tabelle 23

(Fortsetzung)

1942 Deutschland

Panzerkampfwagen Panzerspähwagen Gepanzerte Geländefahrzeuge Zugmaschinen Sonstige Kraftfahrzeuge insges.

5,6 0,6 6,4 12,1 121,2

Alliierte

Verhältnis Deutschland: Alliierte

41,5 16,7 21,3* 49,5** 1 033,0

1 7,4 1 27,8 1 3,3 1 4,1 1 8,5

Gewehre, Karabiner MG MP Granatwerfer Leichte Feldgeschütze Mittl.,schwere u. schwerste Feldgeschütze Pak Leichte Flak Schwere und schwerste Flak

1 378,9 80,0 153,8 19,8 2,9

2 115,0 556,5 815,0 46,7 22,0

1 1 1 1 1

1,5 7,0 5,3 2,4 7,6

1,5 9,3 12,0 3,3

8,8 34,4 28,2 7,0

1 1 1 1

5,9 3,7 2,4 2,1

Infanteriemunition (Mill.Schuß) Flakmunition (Mill.Schuß) Artilleriemunition (Mill.Schuß) Abwurfmunition (1 0001) Pulver Sprengstoffe

1 336,4 93,2 28,8 244,3 148,0 279

1 1 1 1 1 1

7,6 2,5 3,1 2,8 1,8 1,3

10 215,0 230,9 90,2 680,0 265,0* 360,0*

1943 Deutschland

Alliierte

Japan

Verhältnis Deutschland: Alliierte

Flugzeuge insges. darunter: Zerstörer u. Jagdflugzeuge Kampf- und Schlachtflugzeuge

26,6

157,9

13,2

1

5,9

10,7 9,6

44,3 59,2

4,0 4,7

1 1

4,1 6,2

Panzerkampfwagen Panzerspähwagen Gepanzerte Geländefahrzeuge Zugmaschinen Sonstige Kraftfahrzeuge insges.

6,2 0,6 7,2 24,3 156,9

62,2 18,0 41,0 154,0 1 781,0

2,1 0,4

1 10 1 30 5,7 6,3 11,4

2 063,1 165,5 234,0 29,6

5 185,0 1 186,0 1 617,0 64,8

300,0 10,2

1 1

10,5

1

Gewehre, Karabiner MG MP Granatwerfer

2,5 7,2 6,9 2,2

106

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 23 (Fortsetzung 1943 Deutschland

Alliierte

Japan

6,9

35,9

2,5

1 :5,2

2,3 21,1 15,4

9,6 42,6 45.8

1,0 0,6 9,6

1:4,2 1:2 1:3

6,9

10,5

2,8

1: 1,5

3 102,4

19 720,0

2 520,0

1:6,4

49,1

196,3

51,7

94.9

..

1 : 1,8

rd. 150,0 209,2 233,7

1116,0 595,5 822,0

150,0 .. 12,0

1:7,4 1 :2,8 1 :3,5

Deutschland

Alliierte

Leichte Feldgeschütze Mittl., schwere u. schwerste Feldgeschütze Pak Leichte Flak Schwere und schwerste Flak Infanteriemunition (Mill.Schuß) Flakmunition (Mill. Schuß) Artilleriemunition (Mill.Schuß) Abwurfmunition (1000t) Pulver Sprengstoffe

Verhältnis Deutschland: Alliierte

1:4

1944

Flugzeuge insges. darunter: Zerstörer u. Jagdflugzeuge Kampf- und Schlachtflugzeuge Panzerkampfwagen Panzerspähwagen Gepanzerte Geländefahrzeuge Zugmaschinen Sonstige Kraftfahrzeuge insges. Gewehre, Karabiner MG MP Granatwerfer Leichte Feldgeschütze Mittl., schwere u. schwerste Feldgeschütze

Verhältnis Deutschland: Alliierte

36,5

200,5

1:5,5

21,1 9,1

57,8 68,2

1 :2,7 1:7,5

9,0

52,2 18,7

1:5,8

26,6 162,8

56,6 106,7 1 569,0

1:4 1 :9,6

2 639,2 234,5 291,4 25,0 13,1

4 880,0 1 208,0 1 535,0 67,0 38,3

1 : 1,8 1 :5,2 1 ; 5,3 1 :2,7 1 : 2,9

4,2

14,0

1 : 3,3

Produktionsvergleiche und Selbstbetrug

107

Tabelle 23 (Fortsetzung 1944 Deutschland

Alliierte

13,5 28,4 7,9

45,0 59,6 14,3

Pak Leichte Flak Schwere und schwerste Flak

Infanteriemunition (Mill. Schuß) 4 383,6 Flakmunition (Mill. Schuß) 174,4 Artilleriemunition (Mill. Schuß) 69,5 Abwurfmunition (10001) Pulver 276,0 Sprengstoffe 574,0

14 030,0° 160,2° 73,7° 1 053,0° 665,0 1 323,6

Verhältnis Deutschland: Alliierte 1 :3,3 1 :2,1 1 : 1,8 1 :3,2 1 :0,9 1: 1,1 1 :2,4 1:2,3

*) Nur USA und Großbritannien. **) Nur Großbritannien (mit Kanada, Australien, Indien und Südafrika) und UdSSR. °) Nur USA und Großbritannien (mit Kanada usw.) Quelle: BÄK, R 3/1959, Bl. 63-69. Alliierte = USA, UdSSR und Großbritannien (mit Kanada, Australien, Indien und Südafrika). Die Verhältniszahlen sind von mir berechnet. Die jüngsten Berechnungen von Ellis zeigen für die deutsche Produktion (1944) ein etwas günstigeres Ergebnis für Panzerwagen (einschl. Sturmgeschütze) und MG, zurückzuführen auf die tatsächlich höhere deutsche und die schon leicht fallende alliierte Produktion; dagegen ein offensichtlich ungünstigeres für Artillerie, wo das Feldwirtschaftsamt vor allem die Produktion der UdSSR weitaus zu niedrig schätzte. Tabelle 24 Produktion von Waffen und Kriegsgerät in Verhältniszahlen, 1942-1945, 1944 (deutsche : alliierte Produktion)

Panzerwagen und Sturmgeschütze Artillerie MG Kriegsflugzeuge darunter: Frontflugzeuge Transportflugzeuge LKW

1942-1945

1944

1: 1: 1: 1:

5,0 5,6 7,0 5,4

1 : 2,7 ? 1: 4,7 ?

? ? 1 : 12,7

1 : 3,6 1 : 37 1 : 10,4

Quelle: Ellis, S. 347 f. (Tabelle); S. 556 ff., Tab. 51 ff.

108

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 25 Flugzeug- und Flugmotorenproduktion der Mächte, 1942-1945 (in Stck.) Flugzeuge

1942

1943

1944

1945*

Deutschland Japan Italien Zusammen

15409 8 861 2 400 26 670

24 807 16 693 1 600 43 100

39 807 28 180

7 540 11 066

67 987

18606

USA UdSSR Großbritannien mit Commonwealth Zusammen

47 836 25 436

85 898 34 900

96 318 40 300

49 761 20 900

28 247 101 519

30 963 151 761

31 036 167 654

14 145 84 806

Verhältnis Deutschi./ Japan/Italien: Alliierte (nach Stck.) 1 :3,8

1 :3,5

1 :2,5

1 : 4,6

Verhältnis Deutschi.: Alliierte (nach Stck.)

1 :6,6

1 :6,1

1 :4,2

1 : 11,2

Verhältnis Deutschi.: Alliierte (nach Gewicht, ohne UdSSR)

1 :3,4

1 :5,2

1 :5,8

?

37 000 16 999 53 999

50 700 28 541 79 241

54 600 46 526 101 126

? 12 380 ?





Flugmotoren Deutschland Japan Zusammen USA UdSSR Großbritannien Zusammen

138 38 53 230

089 000 916 005

227 49 57 334

116 000 985 101

256 52 56 365

912 000 931 843

106 350 ? 22 821 ?

Verhältnis Deutschi.: Alliierte

1 :6,2

1 :6,6

1 :6,7

?

Verhältnis Deutschi./ Japan : Alliierte

1 :4,3

1 :4,2

1 : 3,6

?

*) Deutschland:Januar-April; Japan: Januar-August; USA: Januar -Dezember; UdSSR: Januar-Juni; Großbritannien: Januar-August. Quelle: Overy, R. J., The Air War 1938-1945, London 1980, S. 150, Tab. 12. - Verhältniszahlen von mir berechnet.

Produktionsvergleiche und Selbstbetrug

109

Overy berechnet für die Luftrüstung detailliertere Zahlen. Ihnen zufolge unterschätzte das Planungsamt/Feldwirtschaftsamt die deutsche Produktion 1944, überschätzte die amerikanische und britische Erzeugung und errechnete daher einen für die Alliierten zu günstigen Quotienten. Die gegenläufige Entwicklung des Gewichtsquotienten spiegelt den starken Rückgang der deutschen Bomber- zugunsten der Jägerproduktion im zweiten Halbjahr 1944 wider, die in der Schätzung von Juli/August nicht berücksichtigt war. Zwischen August 1944 und Februar 1945 gab das Planungamt noch eine ganze Reihe weiterer Memoranden und Statistiken heraus, für die andere Stellen das Material aufbereitet hatten.68 In der Arbeit über die „Phosphorversorgung der kriegführenden Mächte" vom August 1944 wurde das Verhältnis in der Erzeugung von Phosphor zwischen „Feindbund" (Haupterzeuger USA und UdSSR) und „Freundbund" (Haupterzeuger Deutschland) für Mitte 1944 mit 5,3 : 1, oder wahrscheinlicherweise sogar mit 7,2 : 1 angegeben (116 000 bzw. 158 0001 gegenüber 22 0001).69 Bei Sprengstoff fiel der Kapazitätsvergleich mit 2 : 1 für den „Feindbund" aus (für Mitte 1944), bei Edelsprengstoff sogar mit 2,1 : 1, bei Pulver in gleicher Höhe.70 Die Kapazitäten der Alliierten, besonders der USA, würden aber, so hieß es, nur mit 60 bis 75 Prozent ausgenutzt. Die deutsche Ausbauplanung sah hingegen damals noch bis Mitte 1945 eine Produktionssteigerung von 78 Prozent bei Sprengstoff und von 52 Prozent für Pulver, zusammengenommen von 69 Prozent vor. In Wirklichkeit fiel die Produktion von Sprengstoff schon im August stark ab, die von Pulver im Oktober; beide sanken danach weiter.71 Eine umfangreiche Analyse der „NE-Metallversorgung. Deutsches Reich und Feindmächte" brachte das Planungsamt noch im Oktober heraus.72 Inzwischen waren Finnland, Serbien und Bulgarien im Osten, Frankreich und Belgien im Westen aus dem deutschen Machtbereich in denjenigen der Alliierten übergegangen. Dieser Tatsache trugen die Verfasser Rechnung, als sie die NE-Metallerzeugung von 1944 der von 1943 gegenüberstellten. Allerdings taten sie das vorsichtig und mit Vorbehalten; so bezogen sie große Mengen von Umschmelzkupfer und Umschmelzblei in die deutsche Bilanz ein und eliminierten aus der alliierten die Zinklieferungen aus den französischen und belgischen Hütten wegen „Transportgründen". Dennoch beleuchteten die Zahlen die trostlose deutsche Situation eindringlich genug.

68 Für die Datierung der letzten Ausarbeitungen (Dez. 1944 bis Febr. 1945) s. BÄK, R 3/1954 (dort nur die Anschreiben). 69 BÄK, R 3/3004, Planungsamt/Wigru Chemische Industrie, „Phosphorversorgung der kriegführenden Mächte", 1. Bericht, Aug. 1944. 70 BAP, FS, Film 10613, Planungsamt; Federführung Wigru Chemische Industrie; beteiligt FWiAmt, Luftwaffenführungsstab, Reichsamt für Wirtschaftsausbau, Wigru Chem. Ind.: „Die Sprengstoffversorgung der kriegführenden Mächte", 1. Bericht, Mitte Aug. 1944. Hiernach auch das Folgende. 71 Siehe Abschn. 3. 72 BAP, FS, Film 10613, Planungsamt; Federführung Reichsstelle Eisen und Metalle: „NE-Metallversorgung. Deutsches Reich und Feindmächte", Okt. 1944. Hiernach auch das Folgende. Ähnliche Zahlen ebenda, Film 10614, „Gegenüberstellung Achsen-Machtbereich - Feindlicher Machtbereich", (für Kupfer- und für Aluminiumproduktion, 1939-1942), o. V. o. D.

110

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 26 NE-Metallerzeugung (Hüttenproduktion) und 1944 (in 1 0001)

1943 Deutscher Machtbereich Japanischer Machtbereich Alliierter Machtbereich Verhältnis Deutscher: Alliierter Machtbereich 1944 Deutscher Machtbereich Japanischer Machtbereich Alliierter Machtbereich Verhältnis Deutscher: Alliierter Machtbereich

im deutsch-japanischen

und im alliierten Machtbereich,

Kupfer

Zink

Blei

Zinn

264

417

243

1,2

160

45

60

2 748

1 554

1 362

90,5

1 : 10,4

1 :3,7

1 :5,6

1 : 75,4

214

308

175

1,1

160

47

65

2 648

1 529

1 336

91,5

1 : 12,4

1:5

1 : 7,6

1 : 83,2

1943

45

40

Quelle: Wie Anm. 72. Alliierter Machtbereich = USA, UdSSR, Brit. Empire, „Angloamerik. Bereich". Deutsche Produktion mit erheblichen Anteilen von Kupfer und Blei aus 2. Schmelzung (Alt- und Umschmelzmaterial).

Die hier skizzierte, ziemlich dichte Überlieferung läßt keinen Zweifel daran, daß 1943/44 eine erhebliche Anzahl von zentralen staatlichen, militärischen und wirtschaftlichen Institutionen mit einer Menge von Experten und Eingeweihten durchaus Klarheit über das reale wirtschaftliche Kräfteverhältnis zwischen den beiden kämpfenden Mächtegruppen besaß. Darunter zählten vor allem das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, besonders das Planungsamt, und das Führerkorps seiner industriellen „Selbstverantwortung" (Ausschüsse, Ringe usw.), das OKW und die Generalstäbe der Wehrmachtteile, das Statistische Reichsamt, das Reichsamt für Wirtschaftsausbau, die Leitungen der wichtigsten Wirtschaftsgruppen und Reichsstellen. Zumindest vom Sommer 1944 an scheint die Arbeit an Potentialund Rüstungsvergleichen einen gelenkten und systematischen Charakter angenommen zu haben. Doch trotz der schwarz auf weiß nachgewiesenen haarsträubenden Unterlegenheit Deutschlands bzw. der deutsch-japanisch geführten Koalition endeten die meist durchaus zuverlässigen Berechnungen und Analysen abrupt an dem Punkt, wo ihre militärischen und politischen Konsequenzen zumindest hätten angedeutet werden müssen.

Produktionsvergleiche und Selbstbetrug

111

Das erklärt sich nicht einfach damit, daß es lebensgefährlich war, offen zu äußern, daß der Krieg nicht zu gewinnen sei. Leute wie Hjalmar Schacht und Fritz Thyssen, die schon früher davor gewarnt hatten, gegen die USA anzutreten, waren inzwischen ohne Einfluß bzw. saßen bereits im „Prominenten-KZ". 73 Andere Skeptiker hatten sich mehr oder weniger unauffällig zurückgezogen, etwa Ernst Poensgen, Hermann Bücher oder Paul Reusch. Eine Reihe weiterer älterer Industrieller mit Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg waren in den ersten Kriegsjahren verstorben, so Carl Friedrich von Siemens, Carl Bosch und Robert Bosch. Die Genannten gehörten so oder so nicht mehr zum Kern der wirtschaftlichen Elite, waren nicht mehr aktiv an der Organisation der Kriegswirtschaft und Rüstungsproduktion beteiligt und konnten überdies - soweit am Leben und in Freiheit - von den ausführlichen Berechnungen, die hier in Rede stehen, kaum Kenntnis nehmen. Die Masse der aktiven Rüstungsunternehmer, -manager und -bürokraten, die sich mit einiger Klarheit Rechenschaft über die Lage gaben, war in einer komplizierten psychisch-sozialen Situation. Zu Beginn des Krieges war die wirtschaftliche Kräftebilanz noch vielfach ausgeglichen gewesen, etwa bei Eisen und Stahl; der damalige deutsche Vorsprung in der Aluminium- und Magnesiumerzeugung, in der Ausrüstung mit modernen Werkzeugmaschinen und auf weiten Gebieten der eigentlichen Rüstung, besonders bei Heer und Luftwaffe, war allgemein bekannt. Die Siege der Wehrmacht während der ersten drei Kriegsjahre hatten halb Europa und damit ein gewaltiges, scheinbar unerschöpfliches und allen Eventualitäten gewachsenes Wirtschaftspotential unter deutsche Herrschaft gebracht. Die deutsche Wirtschaftselite war damals in einen ungehemmten „Großraum-" und „Neuordnungs"rausch verfallen. Aus diesem Rausch rissen sie im Laufe des Jahres 1943 die militärischen Ereignisse an den Fronten, und ihre feste Überzeugung vom deutschen „Endsieg" begann zu wanken. Seitdem befanden sich die Repräsentanten der Wirtschaft in einem merkwürdigen Dilemma zwischen der wachsenden Einsicht in die immer tiefere militärische Krise und die Überlegenheit der Alliierten einerseits, den unleugbaren Erfolgen der Rüstung und der wachsenden Effektivität der Rüstungsorganisation unter Speer andererseits. Mental verarbeiteten sie solche höchst widersprüchlichen Erfahrungen und Erinnerungen sicher auf unterschiedliche Weise. Jedenfalls erklären sich auf diesem Hintergrund stereotype Auffassungen von der höheren Qualität des deutschen Soldaten und der deutschen Waffen bzw. von den Möglichkeiten, die quantitative Überlegenheit des Gegners mit deutschen Qualitätswaffen (Neukonstruktionen von Panzern und Waffen; Langstreckenbomber und Düsenjäger; Elektro- und Walter-U-Boote; „Wunderwaffen" aller Art) auszugleichen oder abzuschwächen. Wenn Hitler selbst auf die „technische Gleichstellung" mit dem Gegner drängte 74 und immer wieder große Hoffnungen auf neuartige Waffen setzte, so gab er nur der weit verbrei73 Thyssen seit Ende 1940; Schacht seit 23.7.1944. Schacht erklärte in Nürnberg gegenüber dem amerikanischen Gerichtspsychologen, nicht der Angriff auf Rußland sei Hitlers „Hauptfehler" gewesen, sondern „die Kriegserklärung an Amerika war die katastrophalste Verrücktheit, die ein Staatsmann nur begehen konnte. Ich warnte ihn vor Amerikas Produktionspotential." (Gilbert, G. M., Nürnberger Tagebuch, Frankfurt a. M. 1962, S. 190 (12.3.1946). 74 BÄK, ZSg 115/8, Sammlung Nadler, Bericht von Helmut Sündermann (stellv. Reichspressechef)

112

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

teten Abneigung Ausdruck, von dem realen und unumkehrbaren Kräfteverhältnis ernsthaft Kenntnis zu nehmen. Speer, der es besser als alle anderen hätte wissen müssen, scheint sogar die Existenz der beschriebenen Analysen verdrängt zu haben. Er antwortete kurz nach Kriegsende auf eine entsprechende Frage, Hitler habe sich stets heftig gegen hohe - d. h. reale - Bewertungen der wirtschaftlichen Kräfte und Ressourcen der Gegenseite gewandt. „Das war auch der Grund, warum Sie bei uns selten Vergleiche zu dem Rüstungspotential der Gegner gefunden haben. Die gab es praktisch nicht."75 Speer selbst reagierte geradezu schizophren auf die widersprüchliche Situation. Die erstaunliche Rüstungseuphorie, die er noch während des Sommers 1944 zur Schau trug, entsprach sicher ebenso seinen Überzeugungen wie die Katastrophenstimmung, in die er im Mai angesichts der alliierten Bombenangriffe auf die Hydrierwerke verfiel und die ihren deutlichen Ausdruck schon in der „Hydrierdenkschrift" für Hitler vom 30. Juni fand.76 Zur gleichen Zeit, Ende Juni, inszenierte der Rüstungsminister in Linz unter Assistenz Hitlers eine Triumphschau der Leistungsfähigkeit der deutschen Kriegswirtschaft und ihrer industriellen Organisation und suggerierte seinem Publikum den eigenen „unbändigen Siegeswillen".77 Hitler selbst bestärkte er am 12. Juli in seinem Glauben, „daß wir mit den neuen, technisch überlegenen Waffen, Flugzeugen, U-Booten, mit dem Einsatz der A 4 und mit der Steigerung der Produktion von Panzern und Sturmgeschützen in 3-4 Monaten den Höhepunkt der Krise, die uns noch bevorsteht, überwunden haben können und ... daß eine 3-4monatige Produktion genügen würde, um unsere Sollstärken fast völlig zu erreichen, wenn in derselben Zeit nur der normale Abgang und keine Katastrophenverluste eintreten."78 Noch im August ging Speer, wie beschrieben, mit dem „Siegesprogramm" hausieren. In der Denkschrift „Metalle" vom 5. September setzte er der deutschen Rüstung nach einem Rückzug vom Balkan rohstoffmäßig noch eine Produktionsfrist von ein bis anderthalb Jahren79, ohne hier, wo es angebracht gewesen wäre, auf die hoffnungslose Unterlegenheit der deutschen Kriegswirtschaft in allen Rohstoffbelangen hinzuweisen. Nirgends, so ist zu beobachten, beschäftigte er sich mit den Ergebnissen und Konsequenzen der in seinem eigenen Planungsamt angestellten Potential- und Produktionsvergleiche. Nur über die gegnerische Flugzeugproduktion sprach der Minister mehrfach, zeigte sich aber jedesmal miserabel informiert und verbreitete eine geradezu absurde Euphorie, gleich-

75

76 77 78 79

vor Journalisten üb. „Kerngedanken" aus Hitlers Rede am 25.6.1944 vor den Rüstungsindustriellen (im Rahmen der Linzer Rüstungstagung), 27.6.1944. - Speers Bemerkung in seiner Rede vor den Gauleitern, „vielleicht ist das Programm, neue und bessere Waffen herzustellen, noch entscheidender als die Frage, ob wir mehr herstellen können", zielte in die gleiche Richtung (BAP, FS, Film 1732, Rede v. 3.8.1944). IfZ, ED 99, NL Speer, Bd. 12, Vernehmg. Speer, 3.7.1945. - Eigenes Wunschdenken hat den sehr zweifelhaften Versuch des Planungsamts beeinflußt, das „Kampfkraftverhältnis in Europa für 1943" in einer Gesamtziffer auszudrücken. Nach Wagenführ kam das Amt auf ein Verhältnis von 1 zu 1,7, während es tatsächlich wohl doppelt so ungünstig war (Wagenführ, S. 85 ff.). Birkenfeld, Treibstoff, S. 238 ff. Siehe Kap. I im vorl. Bd. Denkschrift Speers für Hitler betr. Totalen Krieg, 12.7.1944, in: Bleyer, Wolfgang, Pläne der faschistischen Führung zum totalen Krieg im Sommer 1944. In: ZfG, H. 10/1969, S. 1317. Siehe Kap. IV.

Produktionsvergleiche und Selbstbetrug

113

gültig ob vor Hitler, den Gauleitern, der DAF oder den Hauptausschüssen und Rüstungskommissionen seines eigenen Ministeriums.80 Noch Anfang 1945 wollte er Hitler weismachen offenbar mit Erfolg - , daß man die Überlegenheit der Alliierten in der Aluminiumerzeugung „unter Berücksichtigung des außerordentlich erhöhten Aluminiumbedarfs eines Bombers gegenüber (dem) eines Jägers" wettmachen könne, „da ein mit einem Jäger abgeschossener Bomber bereits genüge, die Parität herzustellen, wohingegen ein Jäger mehr als drei feindliche Jäger abschießen müsse, um auf die Dauer ein gleiches Verhältnis aufrechtzuerhalten."81 Um die Zeit der Jahreswende 1944/45 ist es allerdings schon schier unmöglich auseinanderzuhalten, was bei solchen und ähnlichen Auftritten des Ministers - etwa vor hohen Militärs im Dezember 1944, als er sich ebenfalls „optimistisch" in bezug auf den Rüstungsvergleich mit Amerika gab82 - Dienstbeflissenheit, was Taktik und was Mimikry war. Doch der Logik des Weges in den Untergang folgend, sorgte er, wie skeptisch er die Lage mit den eigenen und mit den Augen seiner großindustriellen Freunde auch gesehen haben mag, mit seinen Mitteln - Bekämpfung der Katastrophenschäden, Aufrechterhaltung der Rüstungsproduktion, Versorgung der Fronten mit Waffen, Treibstoff usw. - für die Fortführung des Krieges. Jede vergleichende Analyse von Kriegspotential und Rüstungsproduktion der Mächte führt notwendigerweise zu dem Schluß, daß es, „nachdem Amerika und Rußland in den Krieg hineingezogen worden waren und nachdem beide den ersten wütenden Ansturm des Gegners abgeschlagen hatten, absolut keine Chance dafür gab, daß die Achsenmächte auch nur einen Verhandlungsfrieden hätten herausschlagen (salvage) können."83 Damit erweisen sich alle Versuche als überflüssig und irreführend, Fehler, falsche oder zu spät getroffene Entscheidungen in der deutschen Rüstung, so diskutabel sie auch sein mögen, für die Niederlage verantwortlich zu machen. Zu den zahlreichen Fehlentscheidungen, die in diesem Sinne immer wieder kolportiert werden, zählen - die zu späte und unvollkommene Umstellung auf den „Totalen Krieg", - die zahlreichen Mängel und Mißgriffe in der Luftrüstung, besonders bei der Entwicklung und Produktion der Strahltriebwerksjäger, - die Unterschätzung der gegnerischen U-Boot-Abwehr und das Fehlen der deutschen Luftaufklärung für den U-Boot-Krieg, - die Verschwendung von Produktionskapazitäten für die Rakete A 4 (V 2) statt ihrer Nutzung für die Produktion von mehr Jagdflugzeugen; oder auch, bei anderer Betrachtungsweise, die unzureichende Dringlichkeit für den Bau der A 4 und anderer „Wunderwaffen", - das Auf-der-Stelle-Treten in der Atomforschung und bei der Entwicklung der Atombombe.

80 Boelcke, Deutschlands Rüstung, S. 417 f. (zu: FB, 12.10.1944, Punkt 1); s. a. Abschn. 3. 81 FB, 3.-5.1.1945, Punkt 25. - Speer verfolgte diesmal wohl eine bestimmte Taktik, die auch aufging, indem Hitler eine längst überfällige Entscheidung traf: „Der Führer gab unter Berücksichtigung dieser Tatsache sofort sein Einverständnis zu meinem Vorschlag, die Me 262 als Jäger unmittelbar gegen viermotorige Bomber einzusetzen." (Ebenda). 82 BAP, FS, Film 1732, Rede Speers in Rechlin, 3.12.1944. 83 Ellis, S. 538.

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

114

3. Kriegswirtschaft in Zahlen Die wichtigsten industriellen Grundstoffe der deutschen Kriegswirtschaft waren Kohle, Stahl (inbegriffen Eisenerz und Legierungsmetalle), Mineralöl, Stickstoff, Gummi, Leichtmetalle und elektrische Energie. Das Planungsamt rechnete in seinem Index der Grundstoffproduktion ferner Karbid, Schwefelsäure und Methanol, Kunstseide und Zellwolle hinzu. Tabelle 27 index der Grundstoffproduktion,

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

1943 und 1944 (1942 = 100) 1943

1944

109 105 117 109 109 107 109 105 105 108 108 109

111 108 113 108 105 104 97 90 76 73 64 55

Quelle: Wagenführ, S. 167, Tab. 4. In der Quelle sind die Berichtsjahre irrtümlich mit 1942 und 1943 bezeichnet.

Der hohen Auslandsabhängigkeit in Eisenerz, Bauxit, manchen Legierungs- und Buntmetallen wurde bis Sommer 1944, verschiedentlich auch noch länger, durch die Ausnutzung der besetzten Gebiete und durch Importe aus befreundeten, abhängigen und neutralen Ländern begegnet.84 Alles in allem waren Bezugsmöglichkeiten und Produktion „völlig ausreichend für die wesentlichen Rüstungsprogramme"85, d. h., Grundstoffe waren insgesamt zwar immer recht knapp, aber die Produktion lag, abgesehen von Mineralöl und elektrischer Energie, von 1941 bis 1944 immer noch über dem Bedarf für die Erzeugung von fertigen Waffen und Gerät. Im ersten Halbjahr 1944 war die Lage angespannter, besonders bei Kohle, Energie und Qualitätsstahl. Allgemein wurde es schwieriger, den Bedarf von Rüstung und Wehrmacht zu decken.86 Im zweiten Halbjahr 1944 sank die Grundstoffproduktion, erst verhältnismäßig langsam, dann ab September schneller auf etwa die Hälfte der Werte von Jahresmitte. Im Januar und Februar 1945 fiel sie, grob geschätzt, noch einmal um die Hälfte. 84 Siehe Wagenführ, S. 52 ff.; genauere Angaben für Eisenerz und Ferrolegierungsmetalle bei Jäger; Milward, Alan S., The New Order and the French Economy, Oxford 1970 (Bauxit; Eisenerz u. a.). 85 The Effects, S. 71. 86 Ebenda, S. 71 ff.

Kriegswirtschaft in Zahlen

115

Tabelle 28 Produktionsziffern von Grundstoffen, 1943 - Februar/März 1945 Steinkohle (Mill. t)

Monatsdurchschnitt 1943

(Mill. t)

Braunkohle (Mill. t)

Mineralölerzeugnisse insgesamt (1000 t)

Flugzeugbenzin (1000 t)

(1000 t)

23,2

4,7

23,9

942

625

148

Monatsdurchschnitt 1944

20,7

4,2

21,7

908

459

87

1944 Juli August September Oktober November Dezember

22,6 22,6 18,7 16,2 14,2 14,3

4,7 4,7 3,9 3,5 2,9 2,6

22,3 22,0 20,0 19,4 18,3 17,5

1 134 1 094 970 810 643 506

344 318 265 279 290 272

35 17 10 20 49 25

11,8 7,0

2,3 1,7

17,5 13,8

312

200 150

11 1

Roheisen (1000 t)

Rohstahl (1000 t)

davon: Thomasstahl

SiemensMartinStahl

Elektrostahl

Walzwerkserzeugnisse (1000 t)

Monatsdurchschnitt 1943

2 020

2 550

1 046

1 216

232

1 777

Monatsdurchschnitt 1944

1 589

2 154

768

1 089

238

1428

1944 Juli August September Oktober November Dezember

1 950 1 500 1 382 1 142 792 622

2 564 2 144 1 999 1695 1 246 991

1 012 670 603 433 288 181

1 222 1 161 1 082 970 746 629

268 246 250 235 171 148

1 697 1460 1 313 1 109 855 628

542 414

819 581

220 150

445 308

127 98

500 35

1945 Januar Februar März

1945 Januar Februar

Koks

Zement

116

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 28 (Fortsetzung) Hüttenaluminium (1000 t)

Kupfer (Hüttenprod. 1000 tCu)

Chrommetall (tCr)

Monatsdurchschnitt 1943

20,8

15,6

2 278

128

76,7

67,6

Monatsdurchschnitt 1944

20,4

13,4

2 623

92

55,7

66,4

1944 Juli August September Oktober November Dezember

24,5 25,2 21,0 19,1 16,4 15,7

14,9 13,8 15,3 13,8 7,8 7,5

2 787 2 759 2 030 2 245 2 372 1618

76 87 81 76 51 96

56,8 43,5 40,2 36,6 23,9 21,1

70,4 62,8 59,7 59,1 46,0* 50,0*

9,9 5,7

5,0 3,5

110 85

11,2 8,0

25,9 11,0

Methanol (1000t rein)

Schwefelsäure (1000t SOs)

Karbid (1000 t)

BunaNitro(1000 t) (1000 t)

zellulose

Monatsdurchschnitt 1943

20,4

173

127

9,6

13,5

Monatsdurchschnitt 1944

14,8

150

120

8,4

14,3

1944 Juli August September Oktober November Dezember

13,0 9,6 5,2 10,1 11,2 4,6

160 150 133 123 103 90

138 128 119 110 87 75

10,0 6,2 4,9 5,7 5,6 1,8

14,0 14,2 13,6 12,3 11,3 11,6

4,0 2,3

87 73

49 43

4,7 3,5

9,1 5,4

1945 Januar Februar März

1 356 895 471(!)

Wolfram (tW)

Stickstoff (1000 t N )

*) ohne Protektorat

1945 Januar Februar

Hoko-Säure (Salpetersäure lOOOtHNOa)

117

Kriegswirtschaft in Zahlen Tabelle 28 (Fortsetzung) Pulver (1000 t)

Sprengstoff (10001)

davon: Edelsprengstoff

Zellwolle (1000 t)

Kunstseide (1000 t)

FlugzeugHolzplatten (cbm)

Monatsdurchschnitt 1943

19,8

34,2

20,2

26,2

8,0

678

Monatsdurchschnitt 1944

21,5

41,3

21,4

23,1

7,2

1944 Juli August September Oktober November Dezember

21,1 22,4 22,1 20,6 17,3 16,6

49,3 33,6 32,3 35,9 35,2 31,3

24,5 20,3 15,6 15,3 15,5 15,5

24,7 23,1 21,8 21,9 18,9 14,1

8,0 7,8 6,6 6,3 5,1 4,2

1945 Januar Februar

16,2 11,0

24,9 17,6

11,9 8,6

10,3 5,1

3,5 2,2

Gas aus Kokereien (Mill. cbm)

Elektroenergie (Mill. kWh)

Monatsdurchschnitt 1943

1 869

3 941

Monatsdurchschnitt 1944

1749

1944 Juli August September Oktober November Dezember

1 863 1 950 1690 1560 1 170 1 130

1945 Januar Februar

1000 738

3 895 4 169 4 093 4 230 3 980 3 802

1 111 1230 1393 1 555 1792

Leistungsausfälle Elektroenergie*) (Megawatt)

Einschränkungen der Stromlieferungen**) (Megawatt)

770 890 1040 1 360 1 670 2 040

110 150 550 1400 1 740

2 550 4 050

2 500 2510

*) Durch Feindeinwirkung und Gebietsverluste; jeweils 3. Donnerstag des Monats. **) Wochenmittel, 3. Woche des Monats. Quelle: BAP, FS, Film 1732, Statistische Schnellberichte zur Kriegsproduktion. Stand: Februar 1945. Bereich: „Großdeutschland" mit CdZ-Gebieten und Protektorat. - Zahlen ab November 1944 im allgemeinen „vorläufig", „geschätzt" bzw. „annähernd".

118

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

a) Kohle Kohle, in der Zentralen Planung häufig als „wichtigstes Grundprodukt" apostrophiert, hielt die deutsche Kriegswirtschaft tatsächlich in einem umfassenden Sinne in Funktion. Die Wirtschaft litt trotz der hohen Beanspruchung der Kohlenerzeugung durch die Energiewirtschaft, die Metallurgie, die Großchemie, die Hausbrandversorgung und den Export einschließlich der Versorgung der besetzten Gebiete, ferner durch höchst energieintensive Industrien wie die Aluminiumindustrie bis Herbst 1944 keinen ernsthaften Mangel an Kohle. Die alliierten Luftangriffe zeitigten kaum direkte Wirkung auf die Kohlenförderung. Allerdings machten sich seit 1943 kritische Punkte der Kohlenwirtschaft bemerkbar, die die geplanten Produktionserhöhungen hinfallig machten und endlose Diskussionen in der Rüstungsbürokratie auslösten. An erster Stelle stand das Arbeitskräfteproblem. Die Zahl der Bergarbeiter stieg insgesamt stark bis Ende 1943 und ging 1944 nur allmählich zurück (bis Juli um vier Prozent). Aber die Beschäftigungsstruktur veränderte sich erheblich. Die Zahl der deutschen Arbeiter nahm infolge der Einziehungen zur Wehrmacht ab. Diejenigen, die blieben, wiesen ein ansteigendes Durchschnittsalter auf. Überarbeitung, Sonntags- und Sonderschichten, eingeschränkte Ernährung und das nervenaufreibende Leben im Bombenkrieg erschöpften ihre Gesundheit und Leistungskraft. „Darüber hinaus hat der - auch zahlenmäßig - unzureichende Ersatz der zur Wehrmacht einberufenen hochwertigen deutschen Fachkräfte durch bergbaufremde Kriegsgefangene und Ostarbeiter die leistungsmäßige Struktur der Belegschaften zusätzlich verschlechtert und den seit Jahren zu beobachtenden Leistungsabfall noch beschleunigt. Ende März 1943 waren von einer Gesamtbelegschaft des Kohlenbergbaus von 919 960 Mann 649 270 = rund 70 vH Deutsche. Ende März 1944 waren die Deutschen nur noch mit 588 158 = rund 60 vH an der Gesamtbelegschaft von 986 779 beteiligt. Die Leistung der ausländischen Arbeiter liegt selbst nach längerer Einarbeitungszeit weit unter der der deutschen Bergleute." 87 Überwiegend handelte es sich um sowjetische Kriegsgefangene und seit Ende 1943 zunehmend um italienische Militärinternierte, die unter einem Regime des Hungers und des oft von deutschen Bergleuten mittels Prügel exekutierten Leistungsterrors Schwerstarbeit verrichteten. „Im Jahre 1937/38 wurden 188 Millionen t Steinkohle gefördert mit einer Belegschaft von 434 337 Mann, unter denen nur eine geringe ausländische Stammbelegschaft enthalten war. Im Jahre 1943/44 wurden 268,3 Millionen t Steinkohle gefördert mit einer Belegschaft von 797 334 (Mann), unter denen 324 269 Ausländer waren. Der Arbeitseinsatz erhöhte sich also um 84 Prozent, die Förderung nur um 43 Prozent." 88 Es machte sich ferner der starke Verschleiß der in hoher Kapazitätsauslastung gefahrenen Betriebsanlagen im Bergbau- und Kokereibetrieb durch zunehmende Reparaturen und Störungen bemerkbar.

87 BÄK, R 7/88, Bericht der RVK „Leistungsprogramm Kohle 1944/45". 88 Ebenda.

Kriegswirtschaft in Zahlen Tabelle 29 Beschäftigte im Bergbau, 1941-1944 30. 30. 31. 31. 30. 30. 31. 31. 31. 31.

November 1941 November 1942 Januar 1943 Mai 1943 September 1943 November 1943 Januar 1944 März 1944 Mai 1944 Juli 1944

119

(in 1 000) 773 871 911 902 948 969 948 938 930 929

Quelle: The Effects, S. 210 f., Tab. 9. - Hier Differenz zur oben zit. RVK-Statistik, die u. a. Lothringen einschließt.

Am 22. April 1943 berichtete die Reichsvereinigung Kohle in der Zentralen Planung über das abgelaufene und das beginnende Kohlenwirtschaftsjahr (April -März). Wegen der Einziehungen („Sondereinziehungsaktionen") und des Ausbleibens der Zwangsarbeitertransporte „rund um Deutschland" war die Förderung „seit dem 20. Februar (1943)... leider rückläufig" 89 , so daß die angestrebte Erhöhung gegenüber dem Vorjahr erheblich unterschritten worden war. Die vorliegende „Zuteilungsliste" war dementsprechend bereits jetzt „eine ganz gewagte Maßnahme": , Jeder Fehlbetrag geht zu Lasten des schon an sich stark gekürzten Hausbrandes, mit allen politisch-psychologischen Folgen, und der Koksversorgung der eisenschaffenden Industrie!"90 Auch die Exportverpflichtungen vertrugen keine Abstriche: „Wir kriegen ums Verrecken das Eisenerz von Schweden nicht", sagte Kehrl, „wenn wir die Kohle nicht liefern."91 Die für das Jahr 1943/44 in den Plan eingesetzte Fördermenge von 290 Mill. t Steinkohle „dies entspricht einer vollen Ausnutzung der Förderkapazität"92 - hatte zur „unbedingten Voraussetzung" die Zufuhr von 192 000 Arbeitskräften, davon 70 000 als „Sofortbedarf" für das zweite und dritte Quartal 1943. „Wenn die Arbeitskräfte nicht geliefert werden", so Speer, „können wir unseren Bankrott anmelden beim Reichsmarschall."93 Insgesamt sollten 89 ZPP, 36. Sitzung, 22.4.1943. Die Steinkohlenförderung des Ruhrgebiets fiel von Februar bis April 1943 von 425 000 auf 400 000 t täglich und lag Anfang Mai auf dem Tiefpunkt von 394 000 bis 397 000 t. „Am Ostersonnabend hat die Kohlenförderung nur 322 000, am Dienstag nach Ostern 329 000 Tagestonnen betragen. Dieses Absinken ... ist... auch dadurch (bedingt), daß Mitte April die üblichen Urlaubsschichten im Bergbau wieder beginnen, die auch unter keinen Umständen ausgesetzt werden können, schon im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Bergarbeiter." (ZPP, 40. Sitzung, 4.5.1943; Kehrl). 90 ZPE, 36. Sitzung, 22.4.1943. 91 ZPP, 36. Sitzung. 92 ZPE, 36. Sitzung. 93 ZPP, 36. Sitzung.

120

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

für den Kohlenplan 1943/44 eine Viertelmillion ausländischer Arbeitskräfte, in erster Linie sowjetische Kriegsgefangene, neu gestellt werden. Am 23. Juni 1943 erörterte die Zentrale Planung neue Möglichkeiten. Hitler sollte vorgeschlagen werden, „über die Heeresgruppenchefs 200 000 für Schwerstarbeit taugliche russische Kriegsgefangene aus den Beständen der Wehrmacht und Waffen-SS freisetzen zu lassen, welche an Ort und Stelle durch Knappschaftsärzte auszuwählen und dann durch Organe des GBA zu übernehmen sind." Von „reichlicher Zusatzverpflegung ... auf Grund der Leistung", die Hitler noch kurz zuvor für sowjetische Kriegsgefangene im Bergbau zugesagt hatte94, war hier nicht mehr die Rede, sondern nur von Prämien bei „Sonderleistungen", auszuzahlen in Lagergeld, für das „gewisse Mengen an Lebensmitteln (z. B. Sonnenblumenkerne u. ä.), Bier, Tabak, Tabakwaren, kleine Gebrauchsartikel usw." bereitgestellt werden sollten.95 Tatsächlich ergingen im Juli 1943 weitreichende Befehle Hitlers, Keitels und Himmlers über die Überführung von Kriegsgefangenen, von „Banden"verdächtigen und -sympathisanten als Arbeitskräfte nach Deutschland. Hitler rechnete in seinem Befehl vom 7. Juli 1943 hauptsächlich mit dem „Neuanfall von sowjetischen Kriegsgefangenen" und mit in den „Bandenkämpfen" im Osten und im Südosten gemachten Gefangenen, die als Kriegsgefangene nach Deutschland zur Zwangsarbeit zu transportieren seien.96 Die Hoffnung auf Kriegsgefangene zerschlug sich weitgehend, als die deutsche Offensive bei Kursk, die letzte größere deutsche Angriffsoperation im Osten, die am 5. Juli begonnen hatte, binnen einer Woche mit einer schweren Niederlage endete, und als in den anschließenden Monaten eine allgemeine sowjetische Offensive in der Mitte und im Süden der Front einsetzte. Während der deutschen Großeinsätze gegen die Partisanen im Frühjahr und Sommer 1943 verschleppten SS und Wehrmacht Zehn-, ja Hunderttausende von Zivilisten aus den umkämpften Gebieten. Noch mehr dürften auf den Rückzügen des zweiten Halbjahrs 1943 „evakuiert" worden sein.97 Schließlich kamen insgesamt etwa 250 000 sowjetische Bürger als Zwangsarbeiter nach Deutschland. Doch unter ihnen befanden sich, den Klagen der Arbeitsämter und der Rüstungsbetriebe zufolge, nur eine sehr geringe Zahl bergbautauglicher Männer. Tatsächlich sind dem gesamten Bergbau zwischen dem 31. Mai und dem 30. November 1943 schätzungsweise 80 000 ausländische Arbeitskräfte zugeführt worden.98 Am 25. Mai 1944 legte Pleiger der Zentralen Planung einen umfangreichen Bericht der Reichsvereinigung Kohle über das Kohlenwirtschaftsjahr 1943/44 und das „Leistungsprogramm Kohle 1944/45" vor.99 Im Grunde lief auf dieser „Kohlensitzung" das gleiche Szenarium ab wie ein Jahr vorher: Das inzwischen auf 275,6 Mill. t Steinkohle heruntergesetzte 94 FB, 30.5.1943, Punkt 19. 95 ZPE, 42. Sitzung, 23.6.1943. 96 Fall 5. Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des Flick-Prozesses. Hrsg. Karl-Heinz Thieleke; eingel. v. Klaus Drobisch, Berlin 1965, S. 187, Dok. NI-2840, Erl. Chef OKW, 8.7.1943 (enthält „Führerbefehl" v. 7.7.1943); FB, 8.7.1943, Punkt 17. Siehe auch II, S. 239 f. 97 Siehe DZW, Bd. 4, S. 171 ff. 98 The Effects, S. 211, Tab. 9; S. 212, Tab. 10 (Einziehungen). 99 ZPP, 58. Sitzung, 25.5.1944. Ausführlichere Dokumentation des „Leistungsprogramms" in BÄK, R 7/88, R 7/480, R 7/1014.

121

Kriegswirtschaft in Zahlen

Fördersoll war nicht ganz erfüllt worden (268,3 Mill. t). Das neue Soll für 1944/45 war wieder identisch mit der Idealziffer der ausschöpfbaren Kapazität (290 Mill, t Steinkohle; 309 Mill, t Braunkohle), mit deren Erfüllung die Zentrale Planung in Wirklichkeit nicht rechnete. Tabelle 30 Kohleförderprogramm für 1944/45 (April - März; in Mill, t) Steinkohle Ruhr Oberschlesien Saar (Westmark) Aachen Niederschlesien Zwickau (Mitteldeutschland) Niedersachsen Zusammen Protektorat Braunkohlengebiete (Stein- und Pechkohle)

137,7 107,0 25,14 7,622 5,52 3,804 2,438 289,224 10,0 1,937

Braunkohle

Mitteldeutschland Niederrhein Süddeutschland Ostmark Zusammen Protektorat

Weichbraunkohle

Hartbraunkohle

Briketts

197,0 70,7 1,33 269,03

31,74 6,6 38,34

50,0 15,98 0,03 0,36 66,37

0,912

Quelle: BÄK, R 7/1014, Anlage „Kriegsaufgabe für 1945" zu Rs. RWiM, 10.5.1944.

Diesmal kam aber die Transportsituation als gravierendes Hemmnis für die Abfuhr der Kohle zur Sprache. Die Luftangriffe der Alliierten auf das Eisenbahnnetz in Frankreich, Belgien und in den angrenzenden deutschen Industrierevieren, die in der zweiten Maihälfte, unmittelbar vor der Invasion, massiv einsetzten, brachten die Kohlenwirtschaft erheblich durcheinander.100 Da die Kohlenversorgung für Bahn, Wehrmacht, Wirtschaft und Bevölkerung in Frankreich und Belgien zusammenbrach, mußte mit deutscher Kohle, mit Waggons und Arbeitskräften ausgeholfen werden. Eine gewisse „Entlastung" der Kohlenversorgung, so Speer, brächten im Augenblick die Ausfalle in der Chemieproduktion nach den Angriffen 100 Hierzu Mierzejewski, S. 84 ff.; s. a. S. 59 f.

122

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

auf die Hydrierwerke vom 12. Mai. Er schien noch nicht zu ahnen, daß hiermit der Anfang vom Ende der deutschen Treibstoffindustrie gekommen war; hingegen hielt er es im Hinblick auf die Invasionsvorbereitungen für „ganz sicher, daß der Juni sowohl im Ruhrgebiet wie auch in den umliegenden Verschiebebahnhöfen ein außerordentlich kritischer und katastrophaler Monat sein wird".101 Die Zentrale Planung sah sich wegen der „Verkehrsschwierigkeiten" nicht in der Lage, für die kommende Zeit einen Kohleverteilungsplan aufzustellen. Pleiger zufolge war die Erschöpfung und mangelhafte Ernährung der Bergleute inzwischen zu einem Kardinalproblem geworden. Er erwähnte besonders die „Ernährungsschwierigkeiten bei den lagerverpflegten Ausländern und Kriegsgefangenen" und das massenhafte Auftreten von Tuberkulose und Krätze bei den „Russen"; aber auch die Leistungsfähigkeit der Deutschen sei erschreckend gesunken. „Die Gewichtsabnahmen bei den Kumpels sind ungeheuer." An der Ruhr war die Förderleistung je Untertagearbeiter von ihrem Höhepunkt im Jahr 1941 (2,11) auf 1,3 t im Jahr 1944 gesunken.102 Ungeachtet dessen sah die Zentrale Planung den Ausweg ganz und gar in der Zuführung neuer Zwangsarbeiter: 165 000 für das angebrochene Kohlen Wirtschaftsjahr, davon 35 000 als „Sofortbedarf: Für die nächste „Führerbesprechung" merkte Speer vor: ,,a) Auskämmung der Heeresgruppen im Osten auf Arbeitskräfte (Waeger), b) Durchführung einer SE-Aktion bei den russischen Kriegsgefangenen zugunsten des Bergbaus (Waeger), c) Zurückführung von Flüchtlingen, vordringlich in den Bergbau, insbesondere aus der Landwirtschaft (Kehrl/Pohl), d) Zusammenstellung der Gründe der Fluktuation (Kehrl/RVK)."103 Jedoch, die deutsche Kohlenförderung war im Frühjahr 1944 auf einem Punkt angekommen, von dem aus keine Steigerung mehr möglich war. „Die Kohlensituation von 1944 war das deutlichste Anzeichen dafür, daß die deutsche Grundstoffindustrie im Frühjahr dieses Jahres praktisch ihre Grenzen als Stütze der Kriegswirtschaft erreicht hatte."104 Die Förderung sank seit dem Sommer allmählich, seit September rapide. Die Berichte der RVK wiesen als Hauptgründe Bombenschäden an den Produktionsanlagen und Arbeitskräftemangel aus. Tatsächlich war aber die Lahmlegung des Verkehrswesens der kritischste Punkt. Das deutsche Verkehrswesen war im letzten Quartal 1944 dasjenige Ziel, auf das bei weitem die größte Bombenlast fiel (33 Prozent gegenüber 17 Prozent im dritten Quartal); es nahm in dieser Beziehung von nun an den ersten Platz ein. Davon wiederum fielen etwa 40 Prozent (41 565 von 104 946 t) im Dezember, während der Ardennenoffensive allerdings aus taktischen Gründen zum überwiegenden Teil auf die Region KölnKoblenz.105 Schon seit Ende September führten die Angriffe aber jene Abschnürung des 101 ZPP, 58. Sitzung, 25.5.1944. Hiernach auch das Folgende. - Seit dem Ausscheiden Italiens dem Krieg war die deutsche Kohlenbilanz auch von größeren Exportmengen entlastet (s. The fects, S. 96, Tab. 58). 102 USSBS, The Effects of Strategie Bombing on German Transportation, S. 80. 103 ZPE, 58. Sitzung, 25.5.1944. 104 The Effects, S. 96. 105 Zahlen nach The Effects, S. 5 f.; Mierzejewski, S. 126. - Für das zweite Quartal 1944 wies USSBS-Statistik mit 32 Prozent ebenfalls den ersten Platz aus. Ihre Zahlen beziehen sich aber

aus Ef-

die auf

Kriegswirtschaft in Zahlen

123

rheinisch-westfälischen Industriegebiets herbei, die trotz energischster, ja verzweifelter Gegenmaßnahmen und des Katastropheneinsatzes von Zehntausenden Arbeitskräften - ausländischen Zwangsarbeitern, OT-Einheiten, heranbefohlenen Bergleuten und anderen Industriearbeitern, auch Wehrmachtseinheiten - nicht wieder beseitigt werden konnte. Kohle war, was die Transportmöglichkeiten für große Mengen auf weite Strecken betraf, das krisenanfälligste deutsche Produkt überhaupt. Die großen Kohlenreviere lagen an der Peripherie, sowohl im Westen (Ruhr, Saar) als auch im Osten (Oberschlesien). „Die Kohlenversorgung ist entscheidend abhängig von der Aufrechterhaltung der Verkehrskapazität, besonders im Ruhrgebiet."106 Infolge der massiven Luftangriffe auf die Verkehrsverbindungen im Ruhrgebiet und auf die Zufahrtsstrecken aus dem bzw. zum Revier breitete sich ein „tödlicher Kohlehunger"107 in den von der Ruhr abhängigen Gebieten Süd- und Mitteldeutschlands aus. Drei schwere Angriffswellen gegen das West-Ost-Kanalsystem legten von Ende September an den Transport von Kohle und Eisenerz ostwärts auf dem Mittellandkanal lahm. Im Oktober trafen konzentrierte Angriffe die Reichsbahnhauptstrecken und Verschiebebahnhöfe von Köln und Duisburg bis Hamm und Münster. „Seit Anfang Oktober war die Ruhr vom übrigen Deutschland im Grunde genommen (virtually) abgeschnitten."108 Tabelle 31 Ausfall von Steinkohletransporten,

1944 August September Oktober November Dezember 1945 Januar

August 1944 - Januar 1945 (in Mill. t; geschätzt)

Ausfall (Reichsbahn)

Ausfall (Binnenschiffahrt)

1,7 4,8 5,7 5,9 5,6

0,25 0,89 0,96 0,73

1,7 6,8 13,3 20,3 26,6

8,7

1,20

36,5

-

Insgesamt (kumulativ)

Quelle: Mierzejewski, S. 194, Tab. A 6. Nach dem Vergleich mit den Werten des Kohlen Wirtschaftsjahres 1943/44.

Die Wagengestellung für Steinkohle im Bereich der RBD Essen sank im Oktober um 54 Prozent unter das Voijahrsniveau, und die Kohle- und Koksvorräte auf den Halden und an den Koksöfen schnellten auf das Sechs- bis Siebenfache in die Höhe. Die Kohlenförderung „Axis Europe"; in diesem Quartal fiel der wohl überwiegende Teil der Bomben auf französische und belgische Verkehrsanlagen, im Zusammenhang mit der Invasion und ihrer Vorbereitung (The Effects, S. 4 f.; Mierzejewski, S. 86). 106 ZPE, 61. Sitzung, 8. 11. 1944. - 39 Prozent aller Eisenbahntransporte waren Kohlentransporte (USSBS, The Effects of Strategie Bombing on German Transportation, S. 79). 107 Mierzejewski, S. 103; das Folgende nach S. 103 ff. 108 The Effects, S. 99; s. a. Abschn. 1 des vorl. Kap.

124

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

mußte um ein Drittel, die Kokserzeugung um ein Viertel eingeschränkt werden. Die Koksgaslieferungen sanken um die Hälfte. In Oberschlesien war die Lage trotz weit geringerer Schäden am Verkehrsnetz ebenfalls angespannt. „Noch zu Beginn dieses Jahres waren die Gruben des hiesigen Bezirks nur unter Anspannung aller Kräfte in der Lage, den an sie gestellten Förderungsansprüchen zu genügen. Aus diesem Grunde wurde fast regelmäßig an drei Sonntagen im Monat gearbeitet... Gegen Mitte des Jahres erfuhr jedoch diese Situation allmählich eine Änderung, die in den letzten Wochen ein derartiges Ausmaß angenommen hat, daß bereits bei fast allen Schachtanlagen des Reviers Feierschichten eingelegt werden mußten, nachdem die Sonntagsförderung bereits früher eingestellt worden ist. Der Grund liegt, wie wir hören, in einem starken Rückgang der Anzahl der von der Reichsbahn täglich gestellten Waggons. Während vor etwa einem Jahr täglich noch 24 000 Wagen bereitgestellt wurden, liegt die Ziffer zur Zeit bei etwa 14 000. Als Folge dieser schlechten Waggongestellung haben sich bei fast allen Betrieben bedeutende Haldenbestände angesammelt ... Der Förderungsausfall wird zur Zeit auf etwa 20 Prozent geschätzt (260 0001 fördertäglich gegen 320 0001 fördertäglich früher)." 109

Tabelle 32 Kohleförderung und Kokserzeugung, 1942/43, 1943/44, Januar 1944 - Februar 1945 (in Mill. t)

1942/43 (Kohlenwirtschaftsjahr) 1943/44 (Kohlenwirtschaftsjahr) 1944 Januar - März (Monatsdurchschnitt) April - Juni (Monatsdurchschnitt) Juli August September Oktober November Dezember

Steinkohle insgesamt

davon: Ruhr

Braunkohle

Koks

264,5

131,2

248,9

-

268,9

125,4

252,5

-

23,7

10,7

24,1

4,8

23,1

10,4

23,0

4,8

22,6 22,6 18,7 16,2 14,2 14,3

10,1 10,4 9,4 7,2 5,2 5,4

22,3 22,0 20,0 19,4 18,3 17,5

4,7 4,7 3,9 3,5 2,9 2,6

109 WAP Katowice, Dresdner Bank, Filiale Kattowitz, Nr. 121, Meldung an die Zentrale in Berlin, 3.11.1944.

Kriegswirtschaft in Zahlen

125

Tabelle 32 (Fortsetzung)

1945 Januar Februar März („voraussichtlich")

Steinkohle insgesamt

davon: Ruhr

Braunkohle

Koks

11,8 7,0 (6,5)

5,5 4,7 2,8*

17,5 13,8 (12,8)

2,3 1,7 ?

*) Geschätzt. Quelle: The Effects, S. 92, Tab. 55; S. 93, Tab. 56; S. 98, Tab. 60. Märzschätzungen: BAP, FS, Film 3385, „Entwicklung der Kohlenlage", Reich und Protektorat, o. D.; Ruhr, Jan. - März 1945: USSBS, The Effects of Strategie Bombing on German Transportation, S. 80, Exh. 78. Siehe auch teilweise abweichend Mierzejewski, S. 189, Tab. A 1 (Steinkohle); S. 190, Tab. A 2 (Braunkohle). Die Kohlenvorräte bei Reichsbahn, Elektrizitäts- und Stahlwerken sanken gefährlich ab. Ende November ließ Hitler auf Speers Vorschlag aus Ruhrbergleuten sogenannte Festungsbataillone zusammenstellen und militärisch ausbilden, „die dann in unmittelbarer Nähe des Gebietes, in dem sie vorher beschäftigt waren, zum Einsatz kommen sollen". Damit wäre eine sofortige „Rückführung" bei Bedarf erleichtert, „wenn die Haldenbestände durch eine günstigere Verkehrslage abgebaut werden und die im Bergbau vorhandenen Arbeitskräfte nicht mehr ausreichen, um zusätzliche Kohle zu fördern".110 Tabelle 33 Bombenangriffe auf Verkehrseinrichtungen in Westdeutschland, November 1944 (Auswahl) Datum November 1944 2. 4. 7. 20. u. 23. 21. 21. 26. 26. u. 29. 29.

Ziel

Verschiebebahnhof Düsseldorf-Derendorf Dortmund-Ems-Kanal (bei Ladbergen) Verschiebebahnhöfe und andere Bahnanlagen von Hamm, Münster, Bochum, Osnabrück, Köln, Essen Blockierung des Rhein-Heme-Kanals durch zerstörte Brücken Dortmund-Ems-Kanal (bei Ladbergen) Mittellandkanal (bei Gravenhorst) Bahnanlagen von Hamm, Bielefeld, Osnabrück, Hannover, Gütersloh Paderborn (Viadukt Altenbeken) Düsseldorf-Derendorf

Quelle: Mierzejewski, S. 128 ff.

110 FB, 28.11.1944, Punkt 11.

126

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Die Abfuhr von Kohle durch das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat fiel im Dezember 1944 um 52 Prozent gegenüber September, davon die Verschiffung um 68, die Bahnabfuhr um 47 Prozent. 1 " Ende Januar 1945 ging das oberschlesische Revier verloren. Speer rechnete für Januar bei einer Restkapazität von 12,1 Mill. t Steinkohle - ausgefallen waren die Reviere in Lothringen, an der Saar, bei Aachen, in Oberschlesien, lahmgelegt waren große Kapazitäten an der Ruhr - nur mit einer tatsächlich absetzbaren, d. h. transportierbaren Menge von 5,5 bis 6 Mill. t, das war kaum ein Viertel der Förderung von Januar 1944 (23,4 Mill. t). Damit war die Stahlproduktion und mit ihr die gesamte Rüstung dem Ende nahe. „Mit einer Produktion von 300 000 bis 400 000 t Rohstahl im Monat ist die Rüstung zu einem schnellen Zusammenbruch verurteilt."112 Im März/April 1945 endete die deutsche Kohlenversorgung in einem „vollständigen Desaster."113

b) Eisen und Stahl Produktion und Verteilung von Eisen und Stahl waren schon seit 1937 von staatlichen Zentralstellen und Bevollmächtigten (Vierjahresplan; Reichswirtschaftsministerium) und von Industrieverbänden mit behördlichen Vollmachten (Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie) reglementiert worden. Seit 1942, unter der Zentralen Planung, wurde die Verteilung von Eisen und Stahl (Kontingentierung) zum Hebel einer zentralen, ziemlich umfassenden Gesamtsteuerung der Kriegswirtschaft. Die Hauptbeschäftigung der Zentralen Planung bestand darin, auf der Grundlage von Erzeugungszusagen der RVE und des Hauptrings Eisenerzeugung alle Vierteljahre ein Gesamtkontingent auf die einzelnen „Bedarfsträger" aufzuteilen. Erzeugungszusagen und Kontingentgewichte bezogen sich zuerst im wesentlichen auf die Rohstahlproduktion (Blöcke), mit prozentualen Abzügen im Hinblick auf die Verarbeitung zu Walzwerks- und Schmiedeerzeugnissen und unter Addition von Eisen- und Stahlguß; seit Anfang 1943 lag dem Berechnungssystem die Summe von Walzwerkserzeugnissen, von für Schmiedestücke vorgewalztem Halbzeug und von Guß zugrunde." 4 In der Zentralen Planung wurde vierteljährlich eine Kontingentsliste erarbeitet und beschlossen, deren linke Seite den angemeldeten bzw. bewilligten Bedarf der militärischen Kontingentträger (Wehrmachtteile) und der unmittelbaren Produzenten von Waffen und Gerät, d. h. der betreffenden Hauptausschüsse, und deren rechte Seite den Bedarf der „zivilen" Kontingentträger, den sogenannten mittelbaren Rüstungsbedarf, einschließlich des U111 Mierzejewski, S. 138. 112 BÄK, R 3/1965, Bl. 224 ff., Ausarb. Speers „Auswirkungen - Verlust Oberschlesien", 30.1.1945 (dies ist offenbar ein Entwurf für die an Hitler übergebene Denkschrift „Zur Rüstungslage Februar-März 1945", v. 30.1.1945, in BAP, FS, Film 1732; s. Kap. VII im vorl. Bd.); s. a. The Effects, S. 99. 113 The Effects, S. 99. 114 BÄK, R 13 1/1138, J. W. Reichert an Ernst Poensgen, 3.11.1943. Siehe auch II, S. 362 ff.

Kriegswirtschaft in Zahlen

127

und E-Bedarfs (Unterhaltung und Erweiterung), enthielt. Trotz steigender Produktion gab es stets zu wenig Stahl, um allen Anforderungen Genüge zu tun. So „verteilte" man in der Zentralen Planung schließlich in der Regel „diejenige Monatsmenge, die bei Erfüllung aller Voraussetzungen im günstigsten Falle zu erreichen" war." 5 1942/43 war zwar Ordnung in die Kontingentvergabe gebracht und die Inflation der vergebenen Kontingente (Kontrollnummern, später Eisenschecks) rigoros eingedämmt und abgebaut worden, so daß die Lieferzeiten von neun bis zehn Monaten auf durchschnittlich 2,8 Monate heruntergingen" 6 ; aber schon im ersten Halbjahr 1943 begannen die Zuweisungen die Produktion wieder zu übersteigen, und im dritten Quartal lagen sie bereits zehn Prozent darüber." 7 Im November stellte sich heraus, daß allein die Schwerpunktprogramme der Rüstung, wenn sie erst alle ihre „Programmspitze" erreicht hätten, „in ihrem Bedarf an Gesamteisen, [besonders] aber auch [an] legiertem Stahl und Blechen, die Erzeugungs- und damit Kontingentsmöglichkeiten weit übertreffen. Es ist deshalb eine Führerentscheidung darüber herbeizuführen, welche Programme in welchem Umfange einzuschränken sind."118 Tabelle 34 Rohstahlproduktion,

1941-1945 (in 1000 t) Produktion („Großdeutschland")

Produktionsausfall*) durch Luftangriffe

Produktion („Großdeutschland" und okkupierte Gebiete)

1941

28 233

31 819

1942

28 744

32 126

1943

30 603

2 279

2 688 2 569 2 805 2612 2 489 2 431 2 590 2 455 2 507 2 548 2 458 2 451

78 88 133 111 327 317 205 214 155 203 262 186

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 115 116 117 118

34 644 2 2 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2

971 858 127 926 833 795 953 802 868 913 801 797

ZPE, 40. Sitzung, 4.5.1943. ZPE, 38. Sitzung, 22.4.1943. WieAnm. 114. ZPE, 49. Sitzung, 19.11.1943. - Legierte Stähle waren stets ein besonderer Engpaß; dennoch gab es manche Möglichkeiten der Einsparung und des Ausweichens auf weniger hoch veredelten Stahl, selbst bei der Panzerproduktion (s. z. B. FB, 19. - 22.6.44, Punkt 27). Zur Lage hinsichtlich der Legierungsmetalle s. Jäger; ferner II, S. 366 ff. u. Kap. IV, Abschn. 2 im vorl. Bd.

128 Tabelle 34

1944 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen (Fortsetzung) Produktion („Großdeutschland")

Produktionsausfall*) durch Luftangriffe

Produktion („Großdeutschland" und okkupierte Gebiete)

25 853

4 226

28 501

558 488 672 494 487 506 568 139 000 696 253 992

166 145 200 189 256 256 185 180 201 562 834 1052

3040 2 981 3 171 2 912 2 778 2 731 2 766 2 155 2 007 1 703 1 259 998

825 597

1 155 937

(825) (597)

2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1

1945 Januar Februar

*) Minderproduktion durch (Alarm-)Ausfallzeiten und durch Schäden und Zerstörungen. Quelle: The Effects, S. 252, Tab. 72; S. 253, Tab. 73; S. 254, Tab. 75; S. 257, Tab. 77. Für 1942 abweichend Jäger, S. 305, Tab. 47.

Immerhin funktionierte das System der Eisenkontingentierung und der „Zentralen Auftragssteuerung Eisen und Stahl"119 bis Mitte 1944, als die strategische Luftoffensive der Alliierten die deutsche Wirtschaft in Kernbereichen anzugreifen und zu zerstören begann. Die letzte jener Sitzungen der Zentralen Planung, die sich mit der Eisenkontingentierung befaßte, fand am 7. Juni 1944 statt, zu einem Zeitpunkt, als die Katastrophe über die Treibstoffwerke hereinzubrechen begonnen hatte und die Invasion in Westeuropa geglückt war. Ziffernmäßig war die zu ziehende Bilanz sehr positiv, besonders für das erste Quartal. Hatte man aber damals im März unter dem Eindruck dieses Ergebnisses vorausschauend für das dritte Quartal die Marke so hoch wie nie gesetzt, nämlich auf 2,7775 Millionen t Kontingentgewicht monatlich,120 so setzte man sie jetzt - was ebenfalls noch nie passiert war - auf 2,44 Millionen t herab, „unter einem erheblichen Unsicherheitsfaktor auf Grund der nicht absehbaren Entwicklung der tatsächlichen Lage".121 119 Eingerichtet am 1.2.1943 im Rüstungslieferungsamt des RMRuK unter Willy Schlieker; Weyresv. Levetzow, S. 104. 120 ZPE, 55. Sitzung, 11.3.1944. 121 ZPE, 59. Sitzung, 7.6.1944.

Kriegswirtschaft in Zahlen

129

Bis zum Juni/Juli 1944 war zugleich aber noch immer die Rede vom „Eisenschnellplan", der, vom Hauptring Eisenerzeugung vorbereitet und vom Rüstungsministerium mit Verordnungscharakter ausgestattet, am 18. Januar 1944 in erster Fassung, am 20. Februar in zweiter Fassung122 und am 10. oder 11. Juni in dritter Fassung123 in Kraft gesetzt wurde. Er sollte - im Hinblick auf den exorbitanten Eisenbedarf für die Schwerpunktprogramme, für die Beseitigung der Fliegerschäden und für die anlaufende Industrieverlagerung großen Stils die Voraussetzungen für eine Produktion von 3,5 Millionen t, später von 3,3 Millionen t (einem Kontingentgewicht von 2,8 bzw. 2,75 Millionen t entsprechend) sicherstellen. Diese Voraussetzungen betrafen „verschiedene Ergänzungen der Produktionsanlagen der eisenschaffenden Industrie", besonders „für die Produktion von Qualitätsstahl, Fein-, Mittel- und Grobblechen sowie Röhren"124, zusätzliche Erzeinfuhren aus dem Minette-Revier, aus Krivoj Rog und Nikopol (im Februar 1944 bereits von der Wehrmacht aufgegeben), aus Norwegen und Südfrankreich (Pyrenäen) und aus dem Balkanraum (Manganerz), die rücksichtslose Nutzung der norditalienischen Hüttenkapazitäten und aller greifbaren Schrottreserven, Rationalisierungsmaßnahmen in den deutschen Werken und drakonische Maßnahmen zur „Leistungssteigerung" der Arbeiter. Die Realität holte diesen Plan spätestens im August/September 1944 ein; immerhin behauptete Rohland noch im Dezember, er sei im ersten Halbjahr „gesichert" gewesen.125 Tabelle 35 Walzwerkserzeugnisse,

1941-1944

(in Mill. t)

.Großdeutschland"

1941 1942 1943

122 123 124 125

19,7 19,2 21,3

„Großdeutschland" und okkupierte Gebiete 22,5 21,8 24,2

Weyres-v. Levetzow, S. 127 f. Siehe Haniel-Archiv, 400101331/2, Rohland an Hermann Kellennann (VV derGHH), 12.6.1944. BAP, RMRuK, Nr. 54, Bl. 58, RErl. (ZAmt) betr. „Eisenschnellplan", 25.5.1944. Archiv Thyssen AG, VSt/3025, Rede Walter Rohlands (VV der Vereinigte Stahlwerke AG; Leiter des Hauptrings Eisenerzeugung; stellv. Leiter der RVE; usw.) auf der Gesamtvorstandssitzung der Vereinigte Stahlwerke AG, 19.12.1944. - Noch am 18. Januar 1945 beschwerte sich Rohland über die „stiefmütterliche Behandlung" des Eisenschnellplans und verlangte Ausführung des Restplans: „Erst seit zwei Jahren sei man in der Lage gewesen, Neubaupläne aufzustellen, und das sei sehr spät gewesen. So sei der Eisenschnellplan entstanden, der große Zusätze bringen sollte. Zu Beginn des Jahres 1943 lagen Pläne vor, deren Verwirklichung insgesamt 200 Millionen RM kosten sollte. Nach wiederholten KUrzungen auf 110 und Streichungen auf 82 Millionen sei man allmählich auf 52 und schließlich auf 33 Millionen heruntergekommen. Er verstehe nicht, warum dieser kleine Sektor so stiefmütterlich behandelt worden sei. ... Nach der neuerlichen Kürzung könnte man mit insgesamt 13 000 Arbeitern auskommen. Ferner seien 12 000 t Baueisen und 38 000 t Zement erforderlich. Eine weitere Einschränkung sei nicht zu rechtfertigen." (BÄK, R 7/2252, Rede Rohlands auf der Eisentagung in Berlin, 18.1.1945).

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

130 Tabelle 35

(Fortsetzung) „Großdeutschland"

Quartal I. II. III. IV. 1944 Quartal I. II. III. IV.

„Großdeutschland" und okkupierte Gebiete

5,8 5,3 5,1 5,2

6,4 6,0 5,8 5,9

17,2

19,2

5,2 4,9 4,5 2,6

6,3 5,6 4,6 2,6

Quelle: The Effects, S. 249, Tab. 70; Summenfehler durch Rundung.

Mit der Produktion selbst konnten die Rüstungsgewaltigen noch bis weit in den Sommer hinein recht zufrieden sein. Das erste Quartal 1944 schloß mit einer nur geringfügigen Unterschreitung des Plans ab. Im März wurde die höchste Produktionsziffer des Jahres, eine der höchsten der Kriegszeit überhaupt, registriert. Bis einschließlich Juli hielt die Produktion ein durchaus gutes Niveau. Erst im August/September 1944 fielen im Verlauf der alliierten Offensive im Westen die Produktionskapazitäten in Frankreich, Belgien und Luxemburg einschließlich des Minette-Reviers aus. Die lothringischen Hütten lagen Anfang/Mitte September, soweit sie nicht verloren waren, unmittelbar im Frontbereich. Am 15. September erreichten die alliierten Truppen die Linie Trier - Metz - Nancy. Die Saarhütten produzierten vorerst noch weiter, wenn auch in stark eingeschränktem Umfang.126 Rohland rechnete später die Verluste auf (in Prozent): ,,Thomas[stahl] 37 Siemens-Martin 9 Elektro 8 Granatstahl 20 Grobbleche 17 Draht 27 Halbzeug 30 126 Siehe Archiv Thyssen AG, VSt/651, Bericht über Besprechungen im Saargebiet, 17.9.1944: „In Völklingen reicht der Erzbestand des Hochofenbetriebes für drei bis vier Wochen. Verschiedene Walzstraßen wurden stillgelegt, die Arbeitskräfte zu Schanzarbeiten eingesetzt. Es ist beabsichtigt, das Werk und besonders die Kokerei wegen der Benzolerzeugung so lange als irgend möglich in Betrieb zu halten. Bei einer durch die militärische Lage bedingten Betriebsstillegung sollen die Werksanlagen durch eine Notbelegschaft in Stärke von etwa 300 Mann instand gehalten werden."

Kriegswirtschaft in Zahlen

131

Außerdem Ausfall der Minette, wodurch das Saargebiet 50 Prozent verliert und der Nordwesten 10 Prozent der Thomasstahlerzeugung."127 Tabelle 36 Rohstahlproduktion

nach Distrikten, 1943-1944

.Groß deutschland"

1943 1944 Quartal I. II. Juli August September Oktober November Dezember

davon: Nordwest (Ruhr)

(in I 0001)

Südwest Mittel(Saar, deutschLothr., land Luxemb.)

Schlesien

Protektorat

Südost (Österreich)

30 603 25 853

13444 11 745

7 478 4 527

4 072 4 018

2 821 2 878

1 733 1 676

1 055 1 007

7718 7 487

3 430 3 334

1 876 1 684

984 1 058

720 718

451 425

257 268

2 568 2 139 2 000 1 696 1 253 992

1 170 1 160 1 098 768 495 290

569 182 118 98

351 340 337 363 314 271

248 235 230 246 243 238

140 136 127 129 138 130

88 86 90 92 63 63

-

Quelle: The Effects, S. 253, Tab. 73.

In einer geheimen Rede vom 28. September 1944 bezeichnete Rohland diese Verluste kommentarlos als „sehr bemerkenswert". Inzwischen hatte auch Schweden seine Häfen gesperrt, so daß Erzfracht nur noch über Narvik bezogen werden konnte. Gefahren sah Rohland darin, „daß die fortgesetzten Zerstörungen rheinisch-westfälischer Bahnhöfe durch die feindlichen Flieger zu einer Art Blockierung geführt hätten, so daß das Ruhrgebiet weder seine volle Produktion abgeben noch seinen Bedarf an Rohstoffen empfangen könne". Trotz allem hoffe man, so schloß er zweckoptimistisch, „eine Monatsproduktion von 2 000 000 t bis 2 150 0001 Stahl bis zur Mitte des Jahres 1945 aufrechterhalten zu können."128 Zu dieser Zeit war es anscheinend schon zu drastischen Umdispositionen und zu Kürzungen alles dessen gekommen, was nicht unmittelbar dem dringendsten Rüstungsbedarf diente. „Der gesamte Versand", meldete z. B. die Gutehoffnungshütte am 27. September, „erfolgt heute fast ausschließlich für die Sonderprogramme auf militärisch abgestempelten Frachtbriefen mit Stichwort 'Panzer', 'Geilenberg', 'Eilbau' usw." 129 127 Wie Anm. 125 (19.12.1944). Prozentzahlen berechnet auf den Durchschnitt des ersten Halbjahres 1944. 128 BAP, FS, Film 3654, AN (Reichert) über Rede Rohlands „Zur Lage" vor Bezirksbeauftragten der RVE und der Wigru Esl, 28.9.1944; dass. in BÄK, R 7/2247. 129 Haniel-Archiv, 400003/3, AN für GHH-Aufsichtsratssitzung am 28.9.1944, 27.9.1944.

132

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Von Oktober 1944 an brachen die Produktionsgrundlagen zusammen. Das Transportnetz im Westen und Nordwesten Deutschlands bis weit nach Mitteldeutschland hinein zerriß unter den Luftangriffen an vielen Stellen. Auch die Werke an der Ruhr selbst lagen unter vernichtendem Bombenhagel.130 Die Transportkrise traf die Eisen- und Stahlerzeugung weit weniger beim Bezug von Eisenerz als vielmehr bei den Lieferungen von Kohle bzw. Koks. An Erz waren seit Mitte 1943 in Voraussicht erhebliche Vorräte angelegt worden, von denen gezehrt werden konnte. Aber die Kokszufuhr von Rhein und Ruhr zu den Hüttenwerken, besonders den mitteldeutschen, ging empfindlich zurück, was zu folgenschweren Produktionsrückgängen führte.131 Die fortgesetzten Luftangriffe auf das Industriegebiet und seine Zufahrtswege begannen am 29. September, also am Tage nach der zitierten Rede Rohlands. Bis zum März 1945 trafen über 20 schwere Angriffe unmittelbar die Stahlstandorte des Ruhrreviers, mit Schwerpunkt im letzten Quartal 1944 und im Februar 1945.132 „Von irgendeiner aktiven Abwehr", so hieß es in einem Brief vom 3. November aus Oberhausen, „ist schon seit Wochen keine Rede mehr, weder durch Jäger, noch durch Flak."133 Die zeitgenössischen Berichte und Reden gaben wegen der Geheimhaltung „die wirkliche Lage nur andeutungsweise wieder..., insbesondere fehlt darin jeder Hinweis auf die Produktionsverhältnisse in den Monaten November und Dezember, die geradezu ungeheuerlich anmuten." Nach dem Silvesterangriff lagen die Hüttenbetriebe der Gutehoffnungshütte zuerst völlig still, die Produktion lief aber Mitte Januar 1945 wieder langsam an. „Die größten Schwierigkeiten liegen in der Wiederinstandsetzung des vernichteten Wohnraums, und da weiß ich beim besten Willen nicht, wie wir da weiterkommen sollen. Die Menschen hausen in geradezu unvorstellbaren Verhältnissen trotz Kälte, Frost und Schnee."134 Wohl machten sich die Rüstungsindustriellen noch immer Mut mit markigen Beteuerungen, sie würden die zweite „Schlacht um die Ruhr" ebenso bestehen wie die erste anderthalb Jahre zuvor. Aber diesmal hatten sie schon von Anfang an verloren. Auf der letzten Gesamtvorstandssitzung der Vereinigten Stahlwerke am 19. Dezember 1944 herrschte jene merkwürdige Mischung aus Erfolgsbewußtsein, forschem Zweckoptimismus und nur noch schlecht verhohlener Endzeitstimmung, die viele Quellen aus jener Zeit widerspiegeln. Rohland zog die gewohnte Erfolgsbilanz bis August/September 1944, nannte dann eine Fülle von Daten über den katastrophalen Zustand des Reviers und über die Produktionausfälle („Kohle 60 Prozent Ausfall; Gas 75 Prozent; Strom 50 Prozent, dazu Lei130 Die USSBS-Behörde stellte nach dem Krieg fest, daß die Luftangriffe hauptsächlich Schäden am Energie- und Gasleitungsnetz und an den binnenbetrieblichen Transportanlagen der Stahlwerke angerichtet hätten, „erstaunlich wenig Schaden" dagegen an den Hochöfen, Walzstraßen und anderen maschinellen Einrichtungen (The Effects, S. 108). 131 USSBS, The Effects of Strategie Bombing on German Transportation, S. 87 ff. 132 Haniel-Archiv, 4001016/11, Bericht von Napp-Zinn (GHH-Archiv), o. D. (Herbst 1945). 133 Haniel-Archiv, 40010131/101, Kellermann an Otto Meyer (MAN), 3.11.1944. 134 Haniel-Archiv, 400100/99, Kellermann an Julius Curtius, 10.1.1945 und an Curt-Berthold Haniel, 15.1.1945. Rohland stellte zur selben Zeit fest, „daß in wichtigen Städten des Ruhrgebiets bis zu 80 Prozent der Arbeiterwohnungen zerstört sind. Infolgedessen sind viele Arbeiter nicht wieder heranzubringen. ... Die Fehlziffem sind von 14 auf 30 Prozent gestiegen." (18.1.1945; wie Anm. 125).

Kriegswirtschaft in Zahlen

133

tungsschäden; Verkehr, gemessen an Kohlewaggons, 60-75 Prozent; Stahl und Eisen 85 Prozent Stillstand")135 und verbreitete dann Illusionen darüber, wie man die „zweite Schlacht an der Ruhr" gewinnen und damit den Krieg entscheiden werde. Tabelle 37 Erzeugungsausfall der Gutehoffnungshütte 1940-1945 (in Prozent) Mai 1 9 4 0 - M ä r z 1943 April 1943-Juli 1943 August 1943 - September 1944 Oktober 1944 - März 1945 darunter: Januar 1945 - März 1945

bei Rohstahl durch Fliegeralarme

und

Fliegerschäden,

4,3 26,3 9,1 74,8 82,3

Quelle: Haniel-Archiv, 4001016/2, Ausarb. des GHH-Archivs (Napp-Zinn): „Der Einfluß des Luftkrieges auf die Roheisen- und Rohstahl-Erzeugung der Gutehoffnungshütte während des Zweiten Weltkrieges 1939 - 1945"; abgeschlossen Juli 1945.

Hans-Günther Sohl, stellvertretender Vorstandsvorsitzer, erklärte zur Rohstofflage, man werde „die vorhandenen Bestände an Schwedenerzen und Minette so strecken, daß wir nach Möglichkeit noch über den nächsten Winter hinwegkommen, d. h. bis etwa Anfang März 1945 durchhalten". Bei entsprechender Förderung von Inlanderzen und anderen Aushilfen, so versicherte er, sei, vorbehaltlich der Lösung der Transportfrage, „die Aufrechterhaltung der vollen Rohstoffproduktion bis mindestens Sommer 1945 und zum Teil erheblich länger möglich". Rohland sprach vorher sogar von „mindestens zehn Monaten", für die die „Bestände in P-armen Erzen und Legierungen bei voller Produktion" ausreichen würden.136 Am 18. Januar 1945, auf einer Tagung der Stahlindustriellen mit den Verantwortlichen des Rüstungsministeriums, wurde Rohland gegenüber Saur deutlicher. Bei „normalen Verhältnissen", besonders im Verkehrswesen und im Energiesektor, könnten die Hüttenwerke der Ruhr in Tag- und Nachtarbeit „in spätestens sechs Monaten ausgebessert werden". Die „Aussichten in den nächsten Monaten" könne man aber eben nur beurteilen, wenn man von einer sicheren Verkehrs- und Rohstofflage ausginge und davon, daß Oberschlesien und Österreich „für unsere Kriegswirtschaft erhalten" blieben.137 135 Archiv Thyssen AG, VSt/3025, Vortragsnotizen von Rohland und Sohl, 19.12.1944 (Gesamtvorstandssitzung der Vereinigten Stahlwerke). Hiernach auch das Folgende. 136 Speer hatte schon Ende August/Anfang September 1944 auf Anforderung Hitlers berechnen lassen, wie lange sich die deutsche Rüstung mit Eisenerz und Stahllegierungsmetallen versorgen ließe, wenn Westeuropa, Skandinavien, der Balkan, die Slowakei und Ungarn als Lieferanten ausfiel e n - w a s im Herbst eintrat (mit Ausnahme Norwegens, der Slowakei und Ungarns). In der Denkschrift Speers, der über die gleichen Quellen wie Rohland und Sohl verfügte, wurde die Versorgung der verbleibenden Hüttenwerke mit phosphorarmen Erzen bis 1. Juni 1945, die mit phosphorreichen Erzen bis 1. April 1946 für gesichert gehalten (BÄK, R 3/1525, „Denkschrift Metalle", 5.9.1944). Siehe auch Jäger, S. 306 ff.; ferner im vorl. Bd. Kap. IV, Abschn. 2. 137 BÄK, R 7/2252, Protokoll der Eisentagung in Berlin, 18.1.1945. Hiernach auch das Folgende.

134

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Wenn das für den Zeitgenossen auch weder zynisch noch provokatorisch geklungen haben mag, so können die Anwesenden in ihrer Mehrheit doch nicht übersehen haben, wie realitätsfern solche Forderungen waren. Für die Energie- und Brennstoffsituation war bezeichnend, daß alle Hütten und Werke außerhalb der Kohlenbergbaureviere größte Not litten. „Von 34 000 Kilowattstunden bei Böhler", berichtete Franz Leitner, „sind 20 000 in Vor- und Nachmittagsstunden abzuschalten. Bei Schoeller liegt es ähnlich, ebenso in Donawitz. Das Werk in Lietzen [richtig vermutlich: Linz] steht ganztägig und kann nur nachts mit einem Ofen fahren.... Wir fallen leider in der Produktion stark ab, denn wir haben eine außerordentlich schlechte Spannung. Wir brauchen zum Schmelzen die doppelte Zeit." Für die mitteldeutschen Werke gehe es um den Herantransport von 420 000 t Koks monatlich. „Eine Belieferung ist erfolgt zu 60 Prozent bei den Hermann-Göring-Werken, zu 35 bis 40 Prozent bei Lübeck, zu 60 bis 70 Prozent bei den reinen Stahlwerken der Mitte." Sicher ist, daß der rapide Abfall der Produktion von Stahl und Eisen auf die Produktion von Waffen und Gerät im Herbst 1944, Anfang 1945 und selbst danach noch keine automatisch durchschlagende Wirkung hatte; nicht hierin bestand die wesentliche Ursache für den Zusammenbruch schließlich auch dieses Produktionssektors.' 38 Die Produktion von wichtigen Waffen, einigen Munitionsarten und verschiedenem anderen Kriegsgerät lief noch bis Januar/Februar 1945 in erheblichen Zahlen weiter. Die verarbeitende Industrie konnte sich auf ein Polster von „Lagervorräte(n) an nicht angearbeitetem Material in Höhe von rd. 5 Mill. t und von angearbeitetem Material von mehr als 10 Mill. t" stützen. 139 So ordneten die Zentrale Planung und das Rüstungsministerium an, „daß zunächst die Fertigungsprogramme unverändert weiterlaufen." 140 In den letzten Kriegsmonaten griffen ferner zahlreiche Maßnahmen, die das Stahlaufkommen streckten und die Erzeugung möglichst ohne Umwege der Rüstungsendfertigung zuführten. Schon im September 1944 wurden alle Lieferaufträge für den Export (mit Ausnahme des Exports nach Dänemark, Ungarn und der Schweiz) und ins bisher besetzte Westeuropa bis zur Linie Xanten - Krefeld - Pirmasens gesperrt bzw. storniert.141 Bauten wurden in großem Stil gestoppt und stillgelegt, darunter Investitionsbauten und die meisten der vielen aufwendigen Bauten für Unter- und Übertageverlagerung. Die laufenden Lieferverträge für Stahl wurden nach strengen Maßstäben überprüft. Ein Beauftragter des Rüstungsministeriums (Schlieker) legte Mitte Dezember gemeinsam mit den Vertretern der Konzerne und Verbände fest, „welche Aufträge den dringendsten Bedarf darstellen und unter allen Umständen geliefert werden müssen. Eine Zusammenstellung der Programme ... soll jeweils einem maßgebenden Herrn der Werke bekanntgegeben werden, der die Haftung dafür trägt, daß diese Zusammenstellung geheimgehalten und nicht allgemein bekanntgegeben wird. Alle übrigen Aufträge werden zurückgestellt,... Sie werden praktisch auf Eis gelegt." 142 138 139 140 141

Siehe The Effects, S. 105 ff. Haniei-Archiv, 4000000/45, Protokoll der Esge-Vorstandssitzung, 10.11.1944. Ebenda. Anordnungen des Rüstungslieferungsamtes vom 14. und 22.9.1944; zit. in Haniei-Archiv, 400003/3, A N für GHH-Aufsichtsratssitzung am 28.9.1944, 27.9.1944. 142 Haniei-Archiv, 4000000/54, Protokoll der Esge-Vorstandssitzung, 15.12.1944.

Kriegswirtschaft in Zahlen

135

Schließlich kamen der Waffenproduktion die Früchte langjähriger Werkstofforschung und Rationalisierung zugute. Saur lobte auf der Eisensitzung am 18. Januar 1945 „die Einführung neuester methodischer Mittel", die es im Laufe von zwei Jahren dahin gebracht hätten, „mit unvorstellbarer Mindestmenge an Material auszukommen". Der Waffenausstoß sei, so behauptete er, maßlos übertreibend, bei gleichem Rohstahlaufwand versiebenfacht worden. Trotz Einsparung oder Austauschs knapper Legierungsmetalle hätten die legierten Stähle sehr an Qualität gewonnen. Seit sechs Monaten käme man bei Panzerstahlplatten „ohne ein Kilo Nickel" aus. „Früher haben die Kanonenrohre nur etwa 500 Schüsse ausgehalten, heute stehen wir dagegen bei 1 800 Schüssen."143 Freilich zeigte die Stahlkrise zu dieser Zeit Wirkung dort, wo weitaus am meisten, nämlich etwa 30 Prozent des erzeugten Stahls verbraucht wurde: auf dem Munitionssektor. Speer berichtete Hitler am 14. Januar 1945 über katastrophale Deckungslücken infolge Stahlmangels; an Munition für Pak und Kampfwagenkanonen würden nur noch 31 Prozent des Bedarfs produziert, an Munition für leichte Artillerie nur 47 Prozent und an Nebelwerfermunition nur 37 Prozent.144 Anfang Februar kumulierten Transport-, Energie- und Brennstoff-(Koks-)krise derart, daß das Rüstungsministerium von sich aus anordnete, die Eisen- und Stahlerzeugung auch in noch produktionstüchtigen Werken zugunsten der Walzwerksleistung zurückzufahren: „Vor neuer Eisenproduktion steht die Fertigstellung von Walzmaterial aus vorhandenen Rohblock-, Vorblock- und sonstigen Halbzeugbeständen. Die zugeteilte Energie- und Brennstoffmenge ist deshalb in erster Linie zur Erfüllung dieses Zweckes zu verwenden. ... Erst wenn diese Möglichkeit der Realisierung der Halbzeugbestände voll ausgeschöpft ist, stehen Brennstoffe und Energie für die Erzeugung von neuem Rohstahl zur Verfügung." 145

c) Mineralöl Deutschland hätte den modernen Krieg der Schnellen Truppen, der Panzer, Flugzeuge und U-Boote nicht führen können, wenn die große Treibstofflücke, die nach Ausfall der Überseeimporte seit 1939 entstanden war, nicht durch die synthetische Produktion mittels des IGFarben-Hydrierverfahrens lange Zeit hinreichend geschlossen worden wäre.146 Im Jahre 1943 standen insgesamt 11,3 Mill. t Mineralöl zur Verfügung; davon entstammten 51 Prozent der - in allen anderen kriegführenden Ländern außer Japan unerheblichen oder gar nicht existierenden - synthetischen Produktion, 24 Prozent dem Import von Erdölprodukten und 17 Prozent der eigenen (vor allem österreichischen) Erdölförderung.147 Flugzeugbenzin wurde so gut wie ausschließlich in den Hydrierwerken erzeugt, zu 94 Prozent allein von sechs der zwölf großen Werke.148 143 144 145 146 147 148

WieAnm. 137. Boelcke, Deutschlands Rüstung, S. 460. AO zit. in Haniel-Archiv, 400101331/13, Rs. RVE, 9.2.1945. Siehe II, S. 353 ff. II, S. 354, Tab. 72. Pölitz, Gelsenberg, Leuna, Brüx, Scholven und Wesseling; nach dem Stand von April 1944 (Birkenfeld, Treibstoff, S. 228, Tab. 17).

136

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 38 Kapazität der Synthesetreibstoffwerke Hydrierwerke Leuna Böhlen Magdeburg Zeitz Scholven Gelsenberg Welheim Pölitz Lützkendorf Wesseling Ludwigshafen-Oppau Moosbierbaum Brüx Blechhammer Heydebreck Auschwitz Zusammen

gegen Kriegsende (in t je Monat) Synthesewerke (Fischer-Tropsch)

50000 25 000 20 000 25 000 20000 35 000 12 500 50 000 4 000 17 000 4000 7 500 50 000 13 750* 3 330* 2 500 339 580

Ruhrchemie Victor Rheinpreußen Krupp Essener Steinkohle Hoesch Schwarzheide Schaffgotsch Lützkendorf Zusammen

5 000 3 330 5 500 5 500 7 080 4000 14 170 3 333 1000 48 913

*) Geplante Kapazität: Blechhammer 33 0001; Heydebreck 7 5001. Quelle: USSBS, Oil Division, Final Report, S. 74/75; S. 88, Tab. 34.

Die besondere Verwundbarkeit der deutschen Kriegswirtschaft an diesem Punkt war beiden kriegführenden Seiten schon länger bewußt, in der englisch-amerikanischen Luftkriegsstrategie allerdings bis weit nach 1944 hinein umstritten.149 Als die alliierten Bomber, ausgerüstet mit neuen Zielsuchmitteln, in den ersten Monaten des Jahres 1943 Großangriffe auf industrielle Ziele in Norddeutschland, im Berliner Raum und im Rhein-Main-Gebiet flogen und mit dem Angriff auf Essen am 4./5. März 1943 die „Schlacht um die Ruhr" einleiteten, schlug man in der Zentralen Planung Alarm. Der GB Chemie, Carl Krauch (IG Farben), wies schon damals eindringlich auf die Luftgefahrdung der chemischen Großindustrie hin, auf „das außerordentliche Schutzbedürfnis" der großen Werke, „in erster Linie Ludwigshafen, Oppau und Leuna". Feldmarschall Milchs Worte hatten durchaus etwas Prophetisches: „Die Hydrierwerke sind das Schlimmste, was uns treffen kann; damit steht und fällt die Möglichkeit der ganzen Kriegführung. Es stehen ja nicht nur Flugzeuge, sondern auch Panzer und U-

149 Seit Kriegsende wird in der Literatur darüber diskutiert, um wieviele Monate früher die westlichen Alliierten bei einem konsequent gegen die Mineralölindustrie gerichteten Luftkriegskonzept die deutsche Luftwaffe und die anderen motorisierten Kräfte der Wehrmacht hätten ausschalten können. So etwa schon in The Effects, S. 82 f. Nach wie vor informativ Birkenfeld, Treibstoff, S. 183 ff. Neuerdings Groehler, Luftkrieg, S. 397 ff., S. 426 ff.; derselbe, Bombenkrieg, S. 122 ff., S. 210 ff.; Mierzejewski, S. 61 ff.

Kriegswirtschaft in Zahlen

137

Boote still, wenn die Hydrierwerke wirklich getroffen werden sollten."150 Derartige Befürchtungen beschäftigten die Teilnehmer und Gäste der Zentralen Planung seitdem mehrfach.151 Allen Beteiligten war spätestens seit jener Zeit klar, daß durchgreifende Luftschutzmaßnahmen nötig waren. Doch die Abwehrmittel (Flak und Jäger, Vernebelung, Schutzbauten innerhalb der Werke) waren in Zahl bzw. Kapazität beschränkt, ihre Wirkung begrenzt. Schließlich gingen Aufbau und Ausbau der Produktionsanlagen stets der Luftschutzvorsorge vor, die Eisenkontingent und Baukapazität nur belasten mußte. Tabelle 39 Erzeugungsprogramm des GB Chemie für Mineralöl, 1943-1945 (in Mill. t)

1942 1943 1944 1945

Flugzeugbenzin

und

Hochleistungstreibstoff,

Mineralöl

davon: Flugzeugbenzin

darunter: Hochleistungstreibstoff

6,3 7,6

_

_

9,9

1,6 normal 2,32 2,58

maximal 3,1 3,39

0,56 normal 1,8 2,46

maximal 2,0 2,72

Quelle: ZPE, 37. Sitzung, 22.4.1943.

Die Planer steckten sich gerade zu dieser Zeit hohe Ziele. Das Programm des GB Chemie sah für 1945 eine deutsche Erzeugungskapazität von fast zehn Tonnen Mineralöl vor; die Kapazität für Flugbenzin sollte maximal auf mehr als das Doppelte steigen, für Hochleistungstreibstoff (DHD-Benzin) auf das Fünffache. Der „Mineralölplan. Stand 5.12.1944" bewegte sich immer noch in ähnlichen, jetzt vollständig illusorischen Größenordnungen (1945/46 = 9,2 Mill. t Mineralöl).152 Nach der Luftoffensive des Winters 1943/44 und besonders nach der „Big Week" von Ende Februar 1944153 wurden die nun unübersehbaren Gefahren auch in der Luftwaffenführung erörtert. Der Generalstab der Luftwaffe stellte sich in einer Denkschrift vom 15. April 1944 „die bis jetzt noch völlig ungeklärte und undurchsichtige Frage", warum der Gegner die Hydrierwerke noch nicht zerschlagen habe, „wozu er bei seiner in letzter Zeit so hoch entwickelten Angriffstechnik ohne weiteres in der Lage wäre. Mit der Vernichtung unserer

150 ZPP, 37. Sitzung, 22.4.1943. 151 ZPP, 44. Sitzung, 29.7.1943: „Der größere Ausstoß an Jägern und Zerstörern ist die einzige Möglichkeit, um zu verhindern, daß uns alles zerschlagen wird. ... dann kann man sich erschießen." (William Werner); ZPP, 49. Sitzung, 19.11.1943: „Der (britische) Staatssekretär für Luftfahrt hat erklärt, es würden die Vorbereitungen getroffen, zunächst die Stickstoff- und Treibstoffanlagen anzugreifen." (Kehrl). 152 BAP, FS, Film 10764. 153 Siehe Kap. I im vorl. Bd.

138

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

wenigen großen Raffinerien und Hydrierwerke könnte er einen Erfolg erringen, der tatsächlich die Möglichkeit einer Fortsetzung des Krieges durchaus in Frage stellen würde." 154 Tabelle 40 Erzeugung und Import von Mineralölprodukten, 1943,1. Quartal 1944, April 1944 (in 1 0001) Quartalsdurchschnitt 1943 Hydrierung Fischer-Tropsch-Synthese Kohlenteerdestilation y und Steinkohlenschwelung Benzol Alkohol (Kraftspiritus) > Erdölverarbeitung Import von Mineralölprodukten Insgesamt

I. Quartal 1944

April 1944

945' 127 1437

471 691 2 599

225 176 9. 512 750 2 744

y

1482

505

*) Ohne Import; mit Erdgas (0,6) und Altöl (1,1). Quelle: The Effects, S. 75, Tab. 37 (1943); S. 76, Tab. 38 (1/44); BÄK, R 25/128, GB Chemie: „Mineralölsicherungsplan. 1. Abschnitt. Stand 1.8.1944" (April 1944). Siehe auch Birkenfeld, Treibstoff, S. 223, Tab. 8 und 9. Am 21. April forderte Göring den GB Chemie auf, sofort zu prüfen, „wie empfindlichste Teile der Hydrierwerke und Bunawerke noch nachträglich unter 2 m Beton gelegt werden können". 155 Krauch antwortete am 5. Mai, daß sich bei Abdeckung nur der eigentlichen Betriebsanlagen - ohne Rohrbrücken, Gleisanlagen usw. - „die notwendigen Aufwendungen für die wichtigsten 14 Treibstoff- und vier Bunawerke auf rd. sechs Milliarden RM (beliefen). 1 200 000 Bauarbeiter müßten ein Jahr lang für diese weitgehend bombensichere Luftschutzsicherung tätig sein." Krauch nannte weitere haarsträubende Zahlen für ein solches Projekt: 11 Mill. t Zement, 70 Mill. t Kies, 1,1 Mill. t Baustahl, 1,8 Mill. Kubikmeter Holz. Abschreckend genug war auch noch die von Krauch errechnete Minimalvariante: Selbst bei 154 Zit. nach Groehler, Luftkrieg, S. 426 f., der auch die Wahrscheinlichkeit der im Zitat folgenden Vermutung erörtert: „Bei der großzügigen und auf lange Sicht eingestellten Politik der Engländer ist es durchaus denkbar, daß er (der Gegner - D. E.) es vielleicht deshalb nicht tut, um Deutschland nicht außerstande zu setzen, den Krieg gegen Rußland weiterzuführen, da ein Abringen der deutschen und russischen Kräfte gegeneinander in seinem Interesse liegt." - In einem umfangreichen Reisebericht zweier Offiziere des WFSt/OQu „Betr. Mineralöl Rumänien und Ungarn" aus der zweiten Maihälfte tauchte bereits die Forderung auf, unter „Erklärung des Großnotstandes für alle Werke der Treibstoffproduktion ... sofort die Verlagerung wenigstens einiger Treibstofferzeugungsstätten, besonders für Flugbenzin, unter die Erde zu veranlassen." (BAP, FS, Film 4564, Bericht Dereser/Cartellieri üb. Reise v. 9. bis 13.5.1944). Die Erörterungen im OKW seit etwa Anfang 1944 s. in KTB d. OKW, Bd. IV/1, S. 942 ff.; S. 783 ff. 155 BÄK, R 25/64, Göring an GB Chemie, 21.4.1944.

Kriegswirtschaft in Zahlen scharfer Auswahl „nur einzelner Glieder der zusammenhängenden Kette des Produktionsganges" seien eine Milliarde RM an Aufwendungen und 200 000 Bauarbeiter - fast zweimal so viel wie für den gesamten „Chemischen Erzeugungsplan" tätig (107 000) - auf ein Jahr hinaus erforderlich. Ihm, dem GB Chemie, sollten aber im Gegenteil gerade 14 000 Bauarbeiter für den Jägerstab abgezogen werden. Damit wären die Produktionstermine gefährdet, und das laufende Luftschutzprogramm (beschränkt auf Splitter- und Brandschutz für die Anlagen und auf den Bau von Luftschutzbunkern für die Belegschaften) würde „praktisch undurchführbar".156 Eine Woche später begann die alliierte Treibstoffoffensive, die kriegswirtschaftlich wahrhaftig eine Wende bedeutete. Am 30. Mai waren nach den schweren Angriffen auf acht Werke „vorerst" 56 Prozent der Flugbenzinkapazität (allein die Hälfte davon in Pölitz) und 20 Prozent der übrigen Kapazität der Mineralölindustrie ausgefallen, insgesamt 34 Prozent.157 Nach den erfolgreichen alliierten Angriffen im Mai setzte sich die hiermit praktizierte Luftkriegsstrategie allgemein durch. „Zur gleichen Zeit, zu der die Deutschen die Sicherstellung ihrer Treibstoffversorgung an die Spitze ihrer Gesamtrüstung setzten, machten die Alliierten deren Vernichtung zu ihrem wichtigsten luftkriegsstrategischen Ziel. Die zentrale Stellung innerhalb der Absichten und Maßnahmen auf beiden Seiten nahmen die Hydrierwerke ein."158 Bei dem gegebenen Kräfteverhältnis im Luftkrieg war damit das Schicksal dieser Werke in absehbarer Zeit besiegelt. Umstritten und unsicher ist nach wie vor die Antwort auf die Frage, ob es bei den Westalliierten, besonders in US-Wirtschaftskreisen, Kräfte gab, die nicht an der Zerstörung der deutschen Treibstoffwerke interessiert waren und eventuell Einfluß auf die späte Zielorientierung genommen haben. Von Leuna-Direktor Heinrich Bütefisch (MV IG Farben) ist überliefert, daß er nach dem ersten Angriff auf das Leunawerk gegenüber deutschen Atomforschern heftig gegen das schwebende Projekt auftrat, in Leuna Schwerwasser zu erzeugen. Dieses Projekt, so meinte er, habe den Angriff provoziert, obwohl es doch ein „gentlemen's agreement" mit den amerikanischen Industriellen darüber gebe, „daß die Hydrierwerke, für die die alliierten Länder so erhebliche Investitionen geleistet hatten, nicht zerstört würden."159 Es ist jedoch anzunehmen, „daß spätestens seit Ende 1942 sogenannte Zielaussparungen aus Gründen der Kapitalverflechtung aufgegeben worden waren".160 Der am 30. Mai für die Reparatur der Schäden an den Hydrierwerken eingerichtete „Stab Geilenberg"161 war mit allen Vollmachten versehen, mit Material und Arbeitskräften unverhältnismäßig gut ausgestattet und konnte rücksichtslos in andere Betriebe, Bauvorhaben und Läger eingreifen. Trotz außergewöhnlicher Anstrengungen gelang es ihm aber bis Oktober nicht, die rasende Talfahrt der Mineralölindustrie aufzuhalten. Die schwärzesten Sommertage lagen für die deutschen Verantwortlichen in der zweiten Junihälfte, in der zweiten und vierten Juliwoche und in der letzten Augustwoche. 156 157 158 159 160 161

Ebenda, GB Chemie an Göring, 5.5.1944. Gemessen am Märzergebnis; BÄK, R 25/129, AN GB Chemie, 30.5.1944. Birkenfeld, Treibstoff, S. 190. Irving, David, Der Traum von der deutschen Atombombe, Gütersloh 1967, S. 247 f.; s. a. S. 352. Groehler, Bombenkrieg, S. 227. Siehe Kap. I im vorl. Bd.

140

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 41 Auf Treibstoffziele abgeworfene Bombenlast (USAAF und RAF; Europäischer Januar 1944 - April 1945 (in t)

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

1944

1945

103 73 0 517 4 668 16 054 19 417 23 877 9 976 11 378 31 772 12 610

11 344 20 534 28 065 5 852

Kriegsschauplatz),

Quelle: The Effects, S. 78, Tab. 40; short tons umgerechnet in metrische Tonnen. Nach dem 19. Juli gelang es drei Monate lang nicht mehr, die tägliche Flugzeugbenzinerzeugung auch nur ein einziges Mal über die 1 000-Tonnen-Grenze zu bringen. Der Tiefpunkt war im September erreicht, ausgerechnet in dem Monat, in dem die deutsche Rüstung die höchste Zahl von Jagdflugzeugen während des ganzen Krieges produzierte. Tabelle 42 Wirkung der Luftangriffe auf die und Flugbenzinerzeugung, Mai - September 1944 (in t je Tag) Mai 1944 1.-11. 5 645 t 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27.

4 821 4 875 4 842 4 775 4 980 4 839 4 920 5 010 4 975 5 025 5 075 5 051 5 073 5 487 5 541 5 550

(Tagesdurchschnitt)

Leuna kommt mit 20% wieder in Betrieb

Kriegswirtschaft in Zahlen Tabelle 42 (Fortsetzung) 28. 29. 30. 31.

5 526 2 775 2 743 2 794

Juni 1944 1. 2 476 2. 2 535 3. 2 580 4. 2 555 5. 2511 6. 2 226 7. 1 823 8. 3 718 9. 2 756 10. 2 873 11. 3 052 12. 2 120 13. 1 078 14. 1587 15. 1 527 16. 1275 17. 1214 18. 1 323 19. 1278 20. 1 392 21.

1268

22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.

632 868 1 268 1 223 1 204 1 252 1 241 1 237 1218

Juli 1944 1. 1043 2. 1086 3. 954 4. 1065 5. 1 393 6. 1 645 7. 916 8. 600

2.Angriff auf Leuna; Ausfall 100% Angriff auf Pölitz; Ausfall 100%

Gelsenberg fällt 100% aus; Welheim kurze Störung Scholven kurze Störung

Scholven erneut angegriffen; geringer Produktionsausfall Durch Angriff auf Pölitz Inbetriebnahme des Werkes bis August hinausgeschoben Scholven Produktionsausfall 20%; Wesseling 40% Leuna kommt mit 20% wieder in Betrieb Moosbierbaum Produktionsausfall 100%

Angriff Scholven Angriff Scholven Angriff Scholven Angriffe auf Scholven, Leuna, Lützkendorf, Böhlen, Heydebreck Angriff Scholven

141

142

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 42 (Fortsetzung) 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.

870 961 751 1133 1278 1271 1714 1 588 2 307 1378 856 970 120 140 140 609 417

August 1944 1.-31. 2. 6. 14. 16. 18. 20. 22. 24. 25. 26. 27. 28. September 1944 1. 2. 80 3. 4. 5. 720 6. 38 7. 529 8. 375 9. 427 10. 303 11. 12. -

Angriff Scholven Angriff Scholven Angriff Scholven Anlauf von Leuna

Steigerung in Leuna In Leuna Umstellung auf Sonderkraftstoff Steigerung in Leuna Angriffe Wesseling,Scholven Angriff Leuna Angriffe Welheim, Brüx

Anlauf von Leuna

ca. 4001 (Tagesdurchschnitt) Angriff auf: Ludwigshafen Blechhammer; Heydebreck Ludwigshafen Magdeburg; Böhlen; Zeitz Ludwigshafen Auschwitz Blechhammer; Heydebreck Leuna; Brüx Pölitz Scholven Ludwigshafen; Blechhammer; Heydebreck Moosbierbaum

Angriff Ludwigshafen-Oppau

Angriff Böhlen, Gelsenberg Angriff Scholven

Kriegswirtschaft in Zahlen

143

Tabelle 42 (Fortsetzung) 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.

360

Anlauf Gelsenberg

176 186 385 216

260 261

Angriff Welheim

258

626

Quelle: Hydrierdenkschriften Albert Speers, gedr. in: Birkenfeld, Treibstoff, S. 238 ff. (Mai u. Juni = 1. Denkschrift, 30.6.1944; Juli = 2. Denkschrift, 28.7.1944; September = 4. Denkschrift, 5.10.1944); BAP, FS, Film 3384, Aufstellung GB Chemie üb. „Luftangriffe auf Hydrierwerke" f. d. Zeit v. 1.5.-18.10.1944, v. 19.10.1944 (August). Vor der Treibstoffoffensive lieferten, nach den Zahlen vom März 1944, von insgesamt 181 000 t Flugzeugbenzin: Pölitz 27,7 Prozent, Gelsenberg 17,4 Prozent, Brüx 13,2 Prozent, Leuna 10,2 Prozent, Böhlen 4,4 Prozent (BÄK, R 25/64, GB Chemie an RMRuK, 12. u. 15.5.1944).

Seit Ende August 1944 fiel schließlich auch Rumänien sowohl für den Erdölexport nach Deutschland als auch für die Versorgung der deutschen Truppen mit Treibstoff vollständig aus.162 Auch die Heizölerzeugung für die deutsche Kriegsmarine in Estland hörte auf. So lag, was Importe und Truppenversorgung betraf, jetzt „der Hauptnachdruck auf der ungarischen Produktion und den dortigen Exportmöglichkeiten." Doch auch gegen Ungarn flogen die alliierten Bomber schwere Angriffe. Im Oktober und November hatte für die alliierten Luftflotten das deutsche Verkehrswesen de facto die gleiche Priorität wie die Ölindustrie; Ölziele wurden nur bei günstigem Wetter angegriffen. 163 So brachte der November einen sichtbaren Erfolg: Die Produktionskurve in allen Treibstoffarten zeigte ein wenig nach oben. Doch noch im gleichen Monat setzten wieder schwere Angriffe ein. Der ungleiche Kampf ging weiter, bis am 13. Januar 1945 eine Serie von Angriffen Pölitz, Leuna, Brüx, Blechhammer und Zeitz längerfristig ausschalteten, nachdem die im Westen gelegenen Werke schon längere Zeit ausgefallen waren.164 162 BAP, FS, Film 1775, FWiAmt/Abt. Mineralöl, „Beitrag zum Monatsbericht" (f. Sept. 1944), 13.10.1944. Hiemach auch das Folgende. 163 Siehe Mierzejewski, S. 98 ff. 164 Birkenfeld, Treibstoff, S. 261,5. Hydrierdenkschrift Speers v. 19.1.1945.

144

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Die Rüstungsverantwortlichen konnten mindestens seit Jahresmitte 1944 die Augen nicht mehr vor dem offensichtlichen Niedergang verschließen. Doch sie ließen nicht davon ab, ein immenses materielles und Arbeitskräftepotential daran zu verschwenden, in wahrer Sisyphusarbeit die Katastrophe hinauszuzögern. Inwieweit sie selber noch Hoffnung auf einen durchschlagenden deutschen Erfolg hatten, läßt sich wahrscheinlich nur von Fall zu Fall klären. Immerhin brachen im Sommer/Herbst 1944 alle Fronten ein. Die Ressourcen Ost-, West- und Südosteuropas gingen verloren, darunter die Ölschieferproduktion in Estland (Abbruch der Landverbindung Ende Juli), die erwähnten Erdölimporte aus Rumänien (August) und diejenigen aus Albanien (September). Ende Juni stand fest, daß der Wiederaufbau der Werke „ohne Erfolg" geblieben sei.165 Speer sagte Hitler am 30. Juni „tragische Folgen" voraus, wenn Hydrierwerke und Raffinerien zukünftig nicht besser durch Jagdflugzeuge, Flak und Vernebelung geschützt und überall, auch bei der Luftwaffe, „schärfste Maßnahmen" zur Treibstoffeinsparung getroffen würden. Illusionen über die künftige Kriegführung sollten besser abgebaut werden: „Dabei ist vorausschauend festzulegen, wie der Krieg weitergeführt werden kann, wenn nur noch ein Teil der jetzigen Treibstoffmengen zur Verfügung stehen sollte." Am selben Tag war in der Zentralen Planung festgelegt worden, daß für den zivilen Verbrauch einschließlich Wirtschaft im Juli nur 42 Prozent der im Mai zugeteilten Treibstoffmenge zur Verfügung ständen.166 Es sollte ein „Führererlaß" darüber erwirkt werden, „daß die Verfügung über den Einsatz von Straßenverkehrsmitteln, Straßenbahnen, Kraft- und Gespannfahrzeugen dem Reichsverkehrsminister für die Dauer des Krieges in voller Verantwortung zu übertragen ist" und „daß der Reichsverkehrsminister die Verteilung des Kraftstoffes und der Reifen regelt".167 Die „Rationalisierung" des auf Treibstoff angewiesenen Verkehrs sah jetzt so aus: „Wir sind bereits gezwungen, LKW-Züge an die Straßenbahnen anzuhängen" (Ganzenmüller). „Es müssen die Leerfahrten beseitigt werden. Es muß der Transportraum in vollem Umfang ausgenutzt werden. Es müssen Anhänger eingesetzt werden. Es muß im Schlepp gefahren werden. Es müssen die Transportwege, die mit LKW gefahren werden, reduziert werden usw." (Kehrl). Nicht nur die Wirtschaft, auch die Wehrmacht sollte die Kraftfahrzeuge weitgehend auf Holzgasgeneratoren umrüsten. „Die Holzversorgung", so Speer in der zitierten Denkschrift vom 30. Juni, „wird durch Kahlschläge sichergestellt."168 Der Chef des Heeresgeneralstabs, Generaloberst Heinz Guderian, drohte in einem Befehl vom 11. August 1944, Offiziere und Soldaten, die „nicht kriegswichtige" Fahrten mit Kraftfahrzeugen unternähmen, „als Betriebsstoff-Saboteure vor ein Kriegsgericht zu stellen".169 165 Ebenda, S. 241, 1. Hydrierdenkschrift Speers v. 30.6.1944. Hiernach auch das Folgende. 166 ZPP, 60. Sitzung, 30.6.1944. 167 Zunächst reklamierte hiergegen der Reichswirtschaftsminister noch erfolgreich seine Zuständigkeit. 168 Birkenfeld, Treibstoff, S. 241, 1. Hydrierdenkschrift Speers v. 30.6.1944. - „Im August liefen ungefähr 100 000 Fahrzeuge mit Gasgeneratoren und verbrauchten rund 4,34 Mill. m3 Holz und andere Brennstoffe, z. B. Anthrazit, im Wärmewert von 2,2 Mill. m 3 Holz (auf das Jahr berechnet). Etwa 500 000 t Benzin wurden 1944 auf diese Weise gespart." (USSBS, Oil Division, Final Report, S. 27; Kubikfuß in Kubikmeter umgerechnet). 169 BAP, FS, Film 713.

Kriegswirtschaft in Zahlen

145

Ende Juni begann auch der GB Chemie, Carl Krauch, sich auf die neue Lage langfristig einzustellen. Seine Dienststelle war seit den Vorkriegsjahren damit beschäftigt, den Krieg um die deutsche globale Vorherrschaft wirtschaftlich zu ermöglichen. Er und sein Team sowie die Führungskreise des IG-Farben-Konzerns, dessen Aufsichtsratsvorsitzer er seit 1940 war, gehörten zu jenen Kräften der wirtschaftlichen Elite, die offenbar auch jetzt noch nicht bereit waren, einer deutschen Niederlage ins Auge zu sehen. Den - durchaus unrealistischen - Gedanken, „eine wirklich grundlegende Sicherung zum mindesten für einen Teil (der) wichtigsten Treibstoffversorgung zu bieten"170, setzte Krauch mit seinen Mitarbeitern im Laufe des Juli in den sogenannten Mineralöl-Sicherungsplan vom 1. August 1944 um.171 Nach seinen Vorschlägen sollte eine „große Anzahl kleiner Anlagen" zur Verarbeitung von Erdöl und zur Gewinnung von Schieferöl im Reich, die meisten und wichtigsten davon „im Berg", d. h. unterirdisch in Höhlen und Stollen, wenigstens aber in getarnten Steinbrüchen aufgebaut werden. Die ehrgeizigsten Teile des Projekts waren eine „bombensichere Großraffinerie" für Schmierölerzeugung aus Raffinerierückständen gröberer Verarbeitungsstufen (Deckname „Dachs"), „eine wirklich bombensichere Anlage" zur Hochdruckhydrierung für Düsenjägertreibstoff (J2) („Schwalbe") und eine ebenfalls unterirdische Hydrieranlage (nach dem DHD-Verfahren = Dehydrierung) zur Erzeugung von klopffestem Flugtreibstoff („Kuckuck").172 Tabelle 43 Auflösung der Decknamen im Mineralöl-Sicherungsplan,

Stand 4. August 1944

1. Ofen [geplant 40 Anlagen]: Kleindestillationen, in denen Rohöl lediglich destillativ zerlegt wird. Autobenzin und Dieselkraftstoff werden gewonnen, der Rückstand wird an andere Stellen zur Verarbeitung gegeben. 2. Rost (5): Reservebehelfsdestillationen bei Ausfall von „Ofen"-Anlagen. Zur Zeit stilliegende Dampfkesselanlagen werden zu Destillationen ausgebaut. Die Dampfkessel selbst dienen als Destillierblasen. 3. Dachs (3): Durch Lösungsmittelbehandlung werden die Rückstände der Erdöldestillation auf Schmieröl aufgearbeitet, indem Paraffin und Asphalte abgeschieden werden. Sonderqualitäten, wie Flugschmieröle, fallen dabei gleichzeitig an. [Standort für 4. Anlage steht noch nicht fest.] 4. Taube (1): Erdöldestillationsrückstände können durch Wärmebehandlung bei ca. 500° und mittleren Drücken (bis 70 atm. Krackung) auch in leichtere Produkte, z. B. Autobenzin, umgewandelt werden, jedoch unter Verzicht auf Schmierölgewinnung.

170 BÄK, R 25/128, GB Chemie an RMRuK (Kehrl), 29.6.1944. 171 Siehe ebenda, „Vorschläge zur Weiterführung des Mineralölprogramms auf Grund einer Besprechung mit den beteiligten Dienststellen am 11.7." (Dr. Ritter), 12.7.1944; „Protokoll zur Mineralölbesprechung am 11.7.1944", 13.7.1944; Bericht Geilenberg an Speer, 26.7.1944; u. a. Dokumente. Detaillierte Darstellung bei Birkenfeld, Treibstoff, S. 198 ff. 172 Ebenda (BÄK), „Vorschläge ...", 12.7.1944. Hiernach auch das Folgende.

146 Tabelle 43

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen (Fortsetzung)

5. Wüste (15): In 3 m hohen Wandermeilern wird durch gemäßigte Temperaturbehandlung, wobei das Schieferöl selbst durch teilweise Verbrennung die nötige Wärme liefert, aus dem Ölschiefer das Öl abgeschwelt; die Öldämpfe werden durch in den Meiler ragende Sonden abgesaugt und kondensiert. Der Rückstand bleibt an Ort und Stelle liegen. Standorte: Neben den Ölschiefervorkommen in Württemberg. 6. Kuckuck (1): DHD = Dehydrierverfahren. Wärmebehandlung von Benzin bei etwa 60 atm. Wasserstoffdruck in Gegenwart von Kontakten. Dadurch Anreicherung aromatischer Kohlenwasserstoffe im Benzin, die einen klopffesten Flugtreibstoff ergeben. 7. Schwalbe (1): Verarbeitung von Braunkohlen- und Steinkohlenteer in Hochdruckhydrieranlagen (300 bzw. 700 atm.) zu Flugtreibstoffen für Flugzeuge mit Strahlantrieb. Auch sonstige Rückstände und Asphalte können verarbeitet werden. Verarbeitung des anfallenden Autobenzins auf Hochleistungsflugbenzin (wie in Kuckuck). 8. Meise: Katalytische Krackung. Direkte Überführung von Erdölmittelölen bei etwa 420° in Gegenwart von Katalysatoren in Flugbenzin. [Ursprünglich auf 10 Kleinanlagen geplant; im August als eine „größere Anlage" zusammen mit „Kuckuck" für den Standort Niedersachswerfen (Mittelbau) vorgesehen.] Quelle: Nach BÄK, R 25/128; „Mineralöl-Sicherungsplan ...", 1.8.1944. Siehe auch (unvollständige) Lagekarte in DZW, Bd. 6, S. 371.

Durch die 40 „Ofen"-Anlagen und durch „Rost" sollte „ein gewisses Versorgungsminimum an Autobenzin (14 000 moto) und an Dieselkraftstoff (40 000 moto) gesichert" werden, durch „Dachs" monatlich 38 0001 Schmieröl. Zusammen mit „Taube" sollten diese Anlagen jährlich zwei Millionen t Erdöl zu rund 240 000 t Benzin, 670 000 t Dieselkraftstoff und 670 000 t Schmieröl verarbeiten; dazu sollte „Wüste" in Württemberg 240 000 t Schieferöl erzeugen (einsetzbar als Traktorentreibstoff). Das kritischste Produkt freilich, Flugzeugbenzin, mußte aus Kohlenteer bzw. Rohbenzin unter hohem Druck synthetisch, durch Hydrierung bzw. Dehydrierung, hergestellt werden. In den unterirdischen Anlagen „Kuckuck", „Schwalbe" und „Meise" sollte - mit insgesamt jährlich 768 0001 - „von einer im wesentlichen als gesichert anzusehenden Rohstoffbasis ein immerhin wesentlicher Teil der Versorgung der Jagdwaffe sichergestellt werden". Obwohl noch Anfang August in verschiedenen Positionen zunächst einmal nicht unerheblich zurückgestutzt - Rückstufung der ursprünglich veranschlagten Größe und Leistung von Anlagen; Streichung von Projekten („Schwalbe II"); Verlegung der „Ofen"-Anlagen nicht mehr „größtenteils völlig geschützt in Höhlen" (12. Juli), sondern „möglichst getarnt, z. B. in Steinbrüchen oder an Berghängen" (1. August) -, blieb der unter der Federführung von Krauchs engstem Mitarbeiter, Gerhard Ritter, entstandene Mineralöl-Sicherungsplan ein denkwürdiges, auch weil völlig illusionäres Dokument.

Kriegswirtschaft in Zahlen

147

Tabelle 44 „ Umfang der durch die Maßnahmen des Mineralöl-Sicherungsplanes 1. Abschnitt geschaffenen Sicherung der Treibstoffversorgung" (in t je Monat) Gesicherte Endproduktion

Schieferöl (für Glühkopfmotoren) Flugtreibstoffe davon: DHD1 Flugbenzin J2-Treibstoff2 Autobenzin Dieselkraftstoff Heizöl Schmieröle einschl. Flugöle Paraffin Gesamt

20 000 97 000* 43 000 6 000 48 000 24 000 54 000 88 000 54 000 18 000 355 000

davon „im Berg"

Aus vorhandenen Werken, sofern voll in Betrieb

Gesamt

_

_

(97 000)*

179 000**

20 000 276 000**

100000 26 000 31 000 8 000 9000 353 000

124 000 80000 119 000 62 000 27 000 708 000

(8 000) -

(24 000) (38 000) (9 000) (180 000)

') DHD-Verfahren (= Dehydrierung) ergab Hochleistungstreibstoff. 2) J2 = Treibstoff für Strahltriebwerke. *) Durch Streichung von „Schwalbe II" (bespr. v. 3./4.8.1944) auf 64 0001 vermindert. **) „Diese Kapazitätszahl erniedrigt sich um etwa 30 000, da Apparate für den Aufbau der gesicherten Anlagen aus den derzeitigen entnommen werden müssen." Quelle: BÄK, R 25/128, „Mineralöl-Sicherungsplan. 1. Abschnitt. Stand: 1.8.1944". - Durch die Streichung von „Schwalbe II" und „Taube II" am 3./4.8.1944 wurden offensichtlich auch die Planzahlen für die übrigen Treibstoffe und für Schmieröl herabgesetzt; in dem später ausgearbeiteten, bisher nicht aufgefundenen 2. Abschnitt des Mineralöl-Sicherungsplans wurden neu die Projekte „Schwalbe II-VI" aufgenommen und die entsprechenden Zahlen wiederum erhöht (s. The Effects, S. 234, Tab. 44; vgl. auch Birkenfeld, Treibstoff, S. 232, Tab. 23). Krauch, Geilenberg als Baubeauftragter und ihre Helfer rechneten mit kürzesten Baufristen. Ihre Vorhaben hatten in der Regel die Sonderstufe „Dringlichkeit vor allem anderen" für ihre Beschaffungen. Die Anlagen „Ofen", „Rost" und „Wüste" sollten plangemäß schon zwischen Ende August und Ende Oktober 1944 fertiggestellt sein, „Dachs" im Februar und „Taube" im April 1945. Die Flugzeugbenzinanlagen aber brauchten auch bei optimistischsten Vorgaben fünf bis zwölf Monate: „Kuckuck" bis Januar 1945, ,Meise" bis März 1945 (beide in den Höhlen von „Mittelbau" Niedersachswerfen), „Schwalbe" bis Juni/August 1945 (in zwei Baustufen). Die Ziffern und Daten des später, wahrscheinlich im Frühherbst 1944 verfaßten zweiten Abschnitts des Mineralöl-Sicherungsplans sind nicht näher bekannt. Allerdings läßt der Schlußbericht des USSBS (Oil Division) vermuten, daß sie ihm zugänglich waren: „Das ganze Programm erforderte 140 verschiedene Produktionsanlagen sehr unterschiedlichen Typs und Umfangs und sollte 1,4 Mrd. RM kosten. Bau, Ausrüstung und Unterhaltung dieser

148

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Anlagen hätten wenigstens 200 000 Arbeitskräfte für ein ganzes Jahr in Anspruch genommen", das heißt, „mehr Leute als in der gesamten erdölverarbeitenden Industrie der USA im Jahre 1944 beschäftigt waren".173 Dem würden die dort angeführten Angaben über die Erzeugung entsprechen, die man - im Verhältnis zur Januarproduktion 1944 - dem Plan zugrundegelegt hatte: 82 Prozent des Flugbenzins, 25 Prozent des Autobenzins, 88 Prozent des Dieselkraftstoffs und die Hälfte des Schmieröls.'74 Die vorgegebenen Termine konnten mit Sicherheit je länger, desto weniger eingehalten werden. Nur wenige Angaben über die Realisierung des Mineralöl-Sicherungsplanes sind überliefert. Eine Reihe von „Ofen"- und „Rost"-Anlagen und drei „Wüste"-Anlagen sind fertiggestellt worden; unsicher bleibt, wieviele davon tatsächlich in Betrieb genommen wurden. Die früheste bisher vorliegende Nachricht über die Fertigstellung von Ausweichanlagen durch die Bau- und Montageabteilungen Geilenbergs besagt, daß „im September die ersten erdölverarbeitenden Werke angelaufen" seien.175 Doch wenig später wird auch für den Mineralöl-Sicherungsplan gegolten haben, daß, wie Speer Ende November Hitler meldete, „durch die außergewöhnlichen Transportschwierigkeiten, den Kohlenmangel für Zement und den Rückgang der Eisenerzeugung, vor allem (aber) durch den erforderlichen Einsatz geschlossener Baugruppen mit Gerät für den Wiederaufbau im Ruhrgebiet der Umfang der Bauarbeiten zur Sicherung des Rüstungsprogramms stark eingeschränkt werden mußte."176 Der GB-Chemie-Bericht vom 13. März 1945 (Stand: 1. März) bezog sich auf „die im 2. Halbjahr 1944 erfolgte Erstellung der Anlagen 'Ofen' und 'Rost'", die nunmehr eine Verarbeitungskapazität von rund 140 000 t monatlich aufwiesen, „so daß unter Zuhilfenahme von bereits vorhandenen Anlagen die gesamte Förderung an deutschem Erdöl von rd. 160 000 moto zumindest durch Destillation aufgearbeitet werden konnte. Durch das Ausbleiben von Nachverarbeitungsanlagen ist es vorerst notwendig, sehr große Mengen an Erdölrückständen auf Lager zu nehmen und einen entsprechenden Einbruch bei der Schmierölerzeugung in Kauf zu nehmen." Im Bau wären „Kapazitäten im Ausmaß von rd. 50 000 moto Flugbenzin, 45 000 moto Autobenzin und 70 000 moto Dieselöl... Der Hauptzuwachs an diesen Neuanlagen wird beim Autobenzin und Dieselkraftstoff Anfang April, beim Flugtreibstoff dagegen erst Anfang Juli 1945 erwartet."177 173 USSBS, Oil Division, Final Report, S. 31. 174 Ebenda, S. 29. 175 Wie Anm. 162. - Die reichhaltige Dokumentation zum Mineralöl-Sicherungsplan im Aktenbestand des GB Chemie (BÄK, R 25) enthält Aufstellungen und Berichte bis März 1945, die Aufschluß über die gegen Kriegsende immer stärker aufgeblähte Planung (z.B. allein bis zu fünf „Schwalbe"- und acht ,,Dachs"-Anlagen), über die vorgesehenen Standorte und die geplante Kapazität der Anlage geben, nicht aber über den erreichten Ausbauzustand. 176 FB, 28./29.11.1944, Punkt 19. 177 BÄK, R 25/36, Bericht GB Chemie: „Die Produktionsentwicklung auf den wichtigsten Gebieten der chemischen Erzeugung. Stand: 1. März 1945, nach Ausfall der Industrie in 0[ber]S[chlesien] und in Auswirkung der schweren Luftangriffe auf Produktionsstätten und Verkehr" (13.3.1945). Nach The Effects, S. 81, belief sich die Märzproduktion der genannten Anlagen auf 52 000 t, was Birkenfeld (Treibstoff, S. 204), der die Zahl wohl fälschlich nur auf „Ofen"-Anlagen bezieht, schon sehr hoch erscheint.

Kriegswirtschaft in Zahlen

149

Die Gesamtkosten des Programms wurden, wie erwähnt, mit 1,4 Md. RM veranschlagt, davon für unterirdische Bauten 868,5 Millionen RM. Ausgegeben wurden bis Kriegsende etwa 382 Millionen RM, davon für unterirdische Bauten 269 Millionen RM - 85 Millionen für „Schwalbe I" (Oberrödinghausen bei Menden/Westfalen), 70 Millionen für „Kuckuck" und „Meise" (Niedersachswerfen) und 61,5 Millionen für „Dachs I-III" (Porta Westfalica; Ebensee am Traunsee; Deutsch Brod im „Protektorat Böhmen und Mähren").178 Die Gesamtzahl der beschäftigten Arbeitskräfte belief sich auf maximal 53 000, davon durchschnittlich 33 000 auf den unterirdischen Baustellen. 56 Prozent der Gesamtzahl waren ausländische Arbeitskräfte179, unter Tage wahrscheinlich wesentlich mehr. Die Zahl der beschäftigten Konzentrationslagerhäftlinge - etwa in Niedersachswerfen, in Mauthausen („Ofen") und in Ebensee, ist nirgends besonders ausgewiesen. Kriegswirtschaftlich erheblich waren nicht so sehr die wenigen hunderttausend Tonnen Autobenzin und Dieselkraftstoff, die der Mineralöl-Sicherungsplan seit Spätherbst 1944 tatsächlich erbrachte; eher waren es das Arbeitskräftepotential und die materiellen und finanziellen Mittel, die er von August 1944 an band. Anfang 1945 lagen bis auf Pölitz alle großen Mineralölwerke still; am 13. Januar fiel auch Pölitz aus. Die Folgerung sei wohl, hieß es im OKW, „daß das Heer weitgehend entmotorisiert wird, daß also die Panzergrenadiere zu Fuß oder mit Rad bewegt werden und nur Panzerbrigaden voll motorisiert bleiben."180 Die Produktion von Flugbenzin im Februar schätzte der Rüstungsminister auf 9 000 t; der vordringliche Bedarf betrug dagegen, laut OKW, 40 000 t. Die OKW-Reserve belief sich auf maximal 20 000 t. Am 11. Februar befahl der Chef des Wehrmachtführungsstabes „die rücksichtslose Beschränkung aller Luftwaffeneinsätze" auf solche „an den jeweils entscheidenden Schwerpunkten und nur da, wo andere Mittel keinen Erfolg versprachen." In den zehn Monaten von Mai/Juni 1944 bis März 1945 hatten die alliierten Bomber die stolze deutsche Syntheseindustrie, für die 17 Jahre lang, seit dem Bau des ersten Hydrierwerks in Leuna, riesige Kapitalsummen, ungeheure Mengen an Material und Arbeitskraft verausgabt worden waren, in ein nutzloses Wrack verwandelt. Damit waren Wirtschaft und Wehrmacht weitgehend lahmgelegt. Schon im September 1944 wurden das Pilotentraining der Luftwaffe radikal eingeschränkt, Übungsflugplätze geschlossen, Luftwaffensoldaten in Infanterieeinheiten eingereiht. So konnten die in immer noch steigender Zahl produzierten Jagdflugzeuge nicht effektiv eingesetzt werden. Unfälle und Abstürze häuften sich schon beim Einfliegen und bei der Überführung zur Front. Auch im Luftkampf selbst hatte der Mangel an Flugerfahrung böse Folgen. In den letzten Kriegsmonaten flogen die Piloten schon nach 40 bis 45 Übungsstunden Fronteinsätze - „sitting ducks" für die wohltrainierten alliierten Flugzeugbesatzungen.181 178 The Effects, S. 234, Tab. 44; nach späteren Aussagen Geilenbergs. 179 The Effects, S. 81. 180 KTB d. OKW, Bd. IV/2, S. 1317. Hiernach (ff.) auch das Folgende. - Das OKW förderte noch im Februar 1945 ein „neues Herstellungsverfahren für Flüssigkeitskraftstoff', mit dem aus je einem Festmeter Holz neben 100 kg Generatorkohle 20 bis 25 Liter Kfz.-Benzin gewonnen werden sollten (1319 f.). 181 USSBS, Oil Division, Final Report, S. 2; S. 39.

150

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 45 Erzeugung von Mineralölprodukten, 1943, 1944/45 (in 1 0001)

1943 1944 1944 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 1945 Januar Februar

Flugzeugbenzin

Übrige Treibstoffe*

Schmieröl u. übrige Produkte

Zusammen

Insgesamt**

1 788 1 045

4 008 2 988

1 824 1445

7 620 5 478

11000 6 829

159 164 181 175 156 52 35 17 10 20 51 25

345 306 364 326 287 252 208 206 170 164 173 187

165 160 178 161 164 125 102 95 86 82 67 60

669 630 723 662 607 429 345 318 266 266 291 272

11 2

148° 166°

37° 47°

196° 215°

900 886 968 810 734 511 438 345 281 316 337 303 ? ?

*) Autobenzin, Heizöl, Dieselkraftstoff, Treibgas (Gemisch aus Propan und Butan; Hydrierprodukt). **) Einschließlich Import und Produktion in besetzten Gebieten (nicht quellenkongruent). °) Geschätzt. Quelle: BÄK, R 25/36, GB Chemie: „Die Produktionsentwicklung auf den wichtigsten Gebieten der chemischen Erzeugung. Stand: 1. März 1945", Anlage (Diagramme, v. 13.3.1945); The Effects, S. 75, Tab. 37; S. 79, Tab. 41 (Gesamtzahlen incl. Import und Produktion aus besetzten Ländern). An der Westfront gab es schon seit Juli 1944 Benzinkürzungen beim Heer; ab September reduzierten sich die Zuteilungen dann fast täglich. Pferde und Mannschaften transportierten Artillerie und Munition von Stellung zu Stellung, wie in alten Zeiten, ohne Hilfe von Motorfahrzeugen. Gegen Ende des Krieges wurden Panzerwagen mit Ochsen an die Front gezogen, um Treibstoff zu sparen. Für die 1 200 Panzer, die Anfang 1945 für einen Großangriff gegen den sowjetischen Brückenkopf bei Baranöw an der Weichsel zusammengezogen waren und damit die Gefahr von Oberschlesien abwenden sollten, stand so wenig Benzin zur Verfügung, daß sie faktisch unbeweglich blieben.182

d) Buna. Kriegswichtige

Chemikalien. Pulver und Sprengstoff

182 Ebenda; nach Aussagen Speers, v. Rundstedts, Görings u. a. Siehe auch The Effects, S. 81 (1 200 bis 1 500 Panzer); ferner Speers Aussage („etwa 1 500 Panzer") in IfZ, ED 99, NL Speer, Bd. 11, Vernehmg. v. 22.6.1945.

Kriegswirtschaft in Zahlen

151

Die Luftangriffe der Alliierten auf die Treibstoffwerke leiteten die Katastrophe für die chemische Kriegsproduktion ein. Die Hydrierwerke produzierten Schlüsselrohstoffe und -Vorprodukte sowohl für synthetischen Kautschuk (Wasserstoffgas) als auch für Pulver und Sprengstoff (Stickstoff; Methanol). Seit 1943 hing Deutschland in der Versorgung mit Kautschuk nach Verlust aller Einfuhrmöglichkeiten einschließlich der sogenannten Blockadebrecher-Importe aus Japan und Brasilien ganz von der synthetischen Produktion ab. Unmittelbar gegen die Bunawerke (Schkopau, Hüls, Ludwigshafen), die aus der Luft höchst verwundbar waren, richtete sich nur der große Angriff auf Hüls am 22. Juni 1943. Hingegen waren sie ganz abhängig von Wasserstoff- und Heizgaslieferungen aus den benachbarten Hydrierwerken: Schkopau von Leuna, Hüls von Scholven und Gelsenberg, Ludwigshafen vom dortigen Hydrierwerk. Tabelle 46 Ausfälle in der Bunaerzeugung durch Luftangriffe, Mai 1944 (in t) Werk

Planung

Erzeugung

Ausfall in Prozent

Bemerkungen

Schkopau Hüls Ludwigshafen Leverkusen Zusammen

5 810 3 300 2 500 440 12 050

3 829 2 947 1 732 374 8 882

34 11 31 15 26

Ausfall von Wasserstofflieferungen aus Leuna Ein Treffer in der Kontaktanlage Wirkung ständiger Störangriffe auf L. Ausfall von Butadienlieferungen aus Hüls

Quelle: BÄK, R 25/149, GB Chemie an RMRuK und Reichsbeauftragten für Kautschuk, 6.6.1944.

So beliefen sich die geschätzten Produktionsverluste durch direkte Angriffe nur auf 16 0001 Buna, diejenigen durch Angriffe auf die Hydrierwerke (seit Mai 1944) dagegen auf 75 000 t - nicht gerechnet den Ausfall der geplanten Kapazitätsaufstockung.183 Ernsthafte Rohstoffschwierigkeiten in der gummiverarbeitenden Industrie traten aber erst von September 1944 an auf und führten bald zu erheblichem Produktionsausfall bei Reifen für schwere Nutzkraftwagen, Flugzeuge und PKW.184 Der Einbruch in die PSVR-Produktion datierte ebenfalls vom Mai 1944, besonders von den Angriffen auf Leuna. Die Werke in Leuna und Oppau produzierten bis dahin die Hälfte des deutschen Stickstoffs.185 Von Juli an fiel die Stickstoffproduktion in Leuna für mehrere Monate total aus. Seit Anfang August gelangte daraufhin der gesamte produzierte deutsche synthetische Stickstoff an die Wehrmacht. Die Landwirtschaft, die bisher noch immer 50 000 bis 60 000 t monatlich, davon etwa 40 000 t aus deutscher Produktion, in Form von Stick-

183 The Effects, S. 84; USSBS, Oil Division, Final Report, S. 51 u. Fig. 52. 184 USSBS, Oil Division, Final Report, S. 52. 185 The Effects, S. 87. - PSVR = Pulver, Sprengstoff, Vorprodukte, Raketentreibstoff; auch PSVCR (C-Stoff = Giftgas; auch K-Stoff = Kampfstoff).

152

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

stoffdünger erhalten hatte, wurde bis Jahresende auf 8 000 t und bis März 1945 auf 1 500 t gekürzt.186 Tabelle 47 Produktion von synthetischem Kautschuk, 1943 - Februar 1945 (in t) Insgesamt

Monatsdurchschnitt 1943 1944 1944 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 1945 Januar Februar

9 600 8400 11 000 11 000 13 000 12 000 8 900 11 000 10 000 6 000 5 300 5 700 5600 1 800 3 000 3 000

davon: Schkopau

Hüls

?

?

4 096

3 248

6 121 (= Monatsdurchschnitt Januar-April) 3 939 5 240 4 931 2 282 1427 2 133 4486 226

3 884

1426

3 227

?

2 944 3 278 3 149 3 216 3 585 3 555 2 251 1464

?

Quelle: BÄK, R 25/36, „Die Produktionsentwicklung auf den wichtigsten Gebieten der chemischen Erzeugung. Stand: 1. März 1945 nach Ausfall..." (wie Anm. 177; Gesamtzahlen); The Effects, S. 84, T. 48. - Keine Übereinstimmung zwischen den Quellen für einzelne Monate (November 1944; Januar 1945).

Als die Zentrale Planung Anfang November noch einen „Stickstoffverwendungsplan" beschloß, erwiesen sich dessen Zahlen zwar, bevor noch die Unterschriften trocken waren, als vollständig illusorisch; aber die drohende Katastrophe in der Munitionsversorgung und die zu erwartende Misere der Landwirtschaft standen den Teilnehmern schon deutlich vor Augen, so daß Speer und Backe mit einer Denkschrift darüber bei Hitler vorstellig wurden. „Der indirekte Wehrmachtsbedarf (d. i. Verbrauch der Rüstungsindustrie - D. E.) ist auf das äußerste eingeschränkt, und auch der direkte Wehrmachtsbedarf liegt rund 15 Prozent unter der Sprengstoff- (48 000 t) und Munitionseisenkapazität (450 0001). Da der Wehrmachtsbe186 Ebenda, S. 87 f., Tab. 52 u. 53. Siehe auch BAP, FS, Film 10763, „Übersicht über den PSVRPlan. Stand: 1.9.1944", v. 6.10.1944.

153

Kriegswirtschaft in Zahlen

darf in der vorgesehenen Höhe unabdingbar ist, geht die Hauptlast der Unterversorgung zu Lasten der Landwirtschaft; ihr Bedarf wird gegenüber der Zuteilung im letzten Friedensjahr von 790 0001 nur zu 24 Prozent gedeckt. Da der Mindestbedarf der Intensivfrüchte (Gemüse, Öl, Kartoffeln, Zucker) allein 340 000 t erfordert, besteht bei der verringerten Zuteilung die Gefahr der Einschränkung der Anbauflächen." 187 „Ab Herbst setzen systematische Angriffe auch auf die übrigen Stickstoffwerke - die nicht gleichzeitig Treibstoff produzieren - ein, so daß im Februar (1945) vorübergehend kein Stickstoffwerk mehr in Betrieb war." 188 Methanol, ein weiterer wichtiger Grundstoff für die Pulver- und Sprengstofferzeugung, war in der Hauptsache ebenfalls ein Produkt der Hydrierwerke. Die Produktion in Leuna und Oppau fiel ab Mai 1944 ab; dasselbe geschah in Heydebreck und Auschwitz, seit im Juli/ August auch diese Werke zunehmend von Luftangriffen heimgesucht wurden. Im Januar 1945 fielen beide Werke wegen der sowjetischen Offensive gänzlich aus. Tabelle 48 Produktion von Stickstoff und Methanol, 1943 - Februar 1945 (in 1000 t) Stickstoff (N)

davon: synthetischer Stickstoff

Methanol

Monatsdurchschnitt 1943 1944

75 54

55 37

23 17

1944 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

68 70 82 84 67 61 54 42 39 36 22,3 19,5

52 53 62 64 48 42 36 24 19 19 12,4 10,5

29 25 20 24 20 23 16 11 6 12 13 5,3

187 ZPE, 61. Sitzung, 8.11.1944. Vgl. The Effects, S. 88. Die Alternative „Fressen" (Milch) oder Schießen, die schon früher eine große Rolle spielte (ZPP, 57. Sitzung, 18.5.1944), war inzwischen nicht mehr einfach durch die Umverteilung von Stickstoff zugunsten der Wehrmacht zu lösen. Die Denkschrift Speer/Backe für Hitler v. 6.12.1944 in BÄK, R 3/1530. 188 Wie Anm. 177 (Bericht GB Chemie).

154 Tabelle 48

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen (Fortsetzung)

1945

Januar Februar

9* 6,5*

2,8 2,3

3,2 2,5

*) Geschätzt. Quelle: BÄK, R 25/36, „Die Produktionsentwicklung ... Stand: 1. März 1945" (wie Anm. 177); für 1944 etwas höhere Zahlen („Greater Germany") in The Effects, S. 88, Tab. 53. - Ende Februar 1945 liefen Leuna und Oppau, die stillgelegen hatten, wieder an; so ergab sich im März in der Stickstofferzeugung „erstmalig wieder eine Erhöhung gegenüber dem Vormonat"; Oppau wurde allerdings am 22. März „vom Feind besetzt" (ebenda, „Produktionsentwicklung Stickstoff. Stand 27.3.45").

Anfang Oktober 1944 stellte man im Reichsamt für Wirtschaftsausbau fest, daß die gesamte PSVR-Produktion immerhin „bis zum Juni 1944 planmäßig" gelaufen sei. „Bei den P- und S-Betrieben traten keine direkten nennenswerten Einwirkungen durch Fliegerschäden ein." Dann habe aber Stickstoff- und Methanolmangel eingesetzt. „Diese beiden Vorstoffe sind heute der Schlüssel für die gesamte Pulver- und Sprengstofferzeugung. Seit Juli ist die obere Grenze der Pulver- und Sprengstofferzeugung durch die verfügbaren Mengen an technischem Stickstoff und Methanol gezogen."189 Anlagen für die unterirdische Produktion von Buna, Stickstoff, Methanol und anderen Chemikalien wurden seit Herbst 1944 vielfach geplant, bei einigen auch der Bau in Angriff genommen. Doch sämtliche Kapazitäten waren bereits durch Jägerprogramm, Geilenbergprogramm und Mineralöl-Sicherungsplan derart strapaziert, daß bis Kriegsende keine Anlage fertig wurde. Anfang 1945 wurde eine unterirdische Anlage für Buna- und Reifenproduktion bei Mühldorf/Inn in die Planung aufgenommen. In Mettenheim, nicht weit entfernt davon, wurde eine komplette Azetaldehyd-Anlage und eine Äthylbenzol-Anlage installiert; beide gingen aber nicht mehr in Produktion.190 Pläne lagen auch für eine große unterirdische Anlage vor, die monatlich 4 000 t Stickstoff oder 5 000 t Methanol erzeugen und am 1. Juli 1945 betriebsbereit sein sollte („Orion"). Neun kleinere Anlagen für Stickstoffverflüssigung mit zusammen 15 000 t und vier Methanolanlagen (über Tage) mit zusammen 2 000 t Monatskapazität waren 1944/45 in Planung oder im Bau.191 Es sollte ferner eine Bleitetraäthyl-Anlage für 200 t Monatsproduktion in einer Höhle bei Brixlegg/Tirol („Rabe") errichtet werden. Ähnliche Pläne existierten auch für andere kriegswichtige Chemikalien (Azeton, Cyanid, Lignol).192

189 BAP, FS, Film 10763, „Übersicht über den PSVR-Plan. Stand: 1.9.1944", v. 6.10.1944. 190 USSBS, Oil Division, Final Report, S. 55 u. S. 116. Siehe z. B. den Vorschlag von Otto Ambros (IG Farben) für eine Buna- und zwei Kybolanlagen „im geschützten Raum und unter Bedingungen des absoluten Fliegerschutzes" (BÄK, R 3/1854, Bl. 116, Ambros an Kehrl, 16.12.1944). 191 Ebenda, S. 46 f.; s. a. The Effects, S. 88. 192 USSBS, Oil Division, Final Report, S. 47.

155

Kriegswirtschaft in Zahlen

Binnen wenigen Monaten war fast die gesamte chemische Industrie vom Niedergang erfaßt worden. Von Neuinvestitionen und von Kapazitätserweiterungen, die bisher - seit den Zeiten des Vieijahresplans - eine hervorragende Rolle gespielt hatten, konnte keine Rede mehr sein. Der laufende „Chemische Erzeugungsplan" des Reichsamts für Wirtschaftsausbau bzw. des GB Chemie war seit dem Sommer zu Makulatur geworden. „Dementsprechend", so hieß es zusammenfassend in einer Plananalyse des Reichsamts vom Oktober 1944, „mußten die im Sommer des Jahres noch für untragbar angesehenen Einschränkungen des gesamten Chemischen Erzeugungsplanes systematisch weiter fortgeführt werden, so daß nunmehr praktisch nur noch das Mindestbauprogramm (M) und ein Teil des sogenannten Zusatzprogramms (Z) in Durchführung begriffen sind." Aber selbst von dort würden die Arbeitskräfte immer wieder zur Reparatur von Bombenschäden abgezogen. „Durch die Fliegerschäden in den Großwerken haben sich alle dort laufenden Ausbauprogramme von selbst erledigt, da alle Kräfte restlos für die Fliegerschädenbeseitigung eingesetzt sind und von Neubauten keine Rede mehr sein kann." 193 Tabelle 49 Produktion von Pulver und Sprengstoff, 1943 - Februar 1945 (in 1 0001) Pulver

Sprengstoff (mit Streckmitteln)

davon: Steinsalz

Monatsdurchschnitt 1943 1944

19 21,5

34 41,2

1944 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

21,7 21,6 24,7 22,5 24,7 22,5 21,1 22,4 22,1 20,6 17,3 16,3

38,5 43,6 48,6 46,0 49,6 51,0 49,3 33,6 32,3 35,9 35,2 31,3

4,1 8,6 9,2 8,5

1945 Januar Februar

16,2 11,0

24,9 17,6

7,5 5,6

Quelle: The Effects, S. 89, Tab. 54; Monatsdurchschnitte 1943: BÄK, R 25/36, „Die Produktionsentwicklung ... Stand: 1. März 1945" (wie Anm. 177). 193 BAP, FS, Film 10765, „Weiterführung des Chemischen Erzeugungsplanes ab IV/44. Stand 1.10.1944".

156

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Die Produktion von Pulver und Sprengstoff war ausschließlich Sache der Großchemie und beschäftigte große Teile dieser komplizierten Industrie. Die wichtigsten Vorprodukte hierfür waren hochkonzentrierte Salpetersäure (Hokosäure), Toluol, Glykol, Hexogen, Glyzerin bzw. Diäthylenglykoldinitrate als Ersatz für Nitroglyzerin, und Stabilisatoren. Bis Mitte 1944 waren Pulver und Sprengstoff - Sprengstoff mit Ausnahme der Zeit der Sommeroffensiven 1941-1943 - stets weit über den Verbrauch produziert worden, so daß erhebliche Vorräte existierten. Das änderte sich radikal im Sommer 1944. Die Wehrmacht mußte sich seit der Invasion im Westen und der sowjetischen Offensive in Belorußland im Westen und im Osten gegen Großangriffe nach zwei Seiten verteidigen, später auch in Italien und in Südosteuropa. Der Verbrauch stieg von einem Monat auf den anderen (Mai/Juni) auf mehr als das Zweifache (Sprengstoff) bzw. auf das Zweieinhalbfache (Pulver).194 Zur gleichen Zeit setzte die alliierte Luftoffensive auf die Hydrierwerke ein. Tabelle 50 Verbrauch und Vorräte an Sprengstoff, 1940-1944/45 Durchschnittlicher monatlicher Verbrauch 1940 1941 1942 1943 1944 1945

(in 1000 t) Vorräte (in Monaten) (jeweils am 1. Januar)

5,9 13,7 21,4 29,0 52,0 -

17 12 9 7 1,9

Quelle: USSBS, Oil Division, Final Report, S. 60, Tab. 29.

Die Pulver- und Sprengstoffwerke selbst wurden aus der Luft erst Anfang 1945 angegriffen, obwohl sie höchst empfindliche Ziele darstellten und Angriffe auf die wichtigsten Fabriken nachhaltigen Schaden hätten anrichten können: In sieben von insgesamt 35 Werken waren 70 Prozent der TNT-Kapazität und in zweien (Wolfen; Uerdingen) die ganze Stabilisatorenerzeugung konzentriert. Am 15. Februar 1945 waren noch 87,7 Prozent der TNT-Kapazität intakt. Der Niedergang setzte nicht durch Bombenangriffe ein, sondern durch Mangel an Rohstoffen und Vorprodukten, besonders an Stickstoff und Methanol; „die Bombardierung von vier großen Mineralölwerken (Leuna, Oppau, Linz195 und Heydebreck) 1944 brachte die Sprengstoffindustrie praktisch zum Stillstand." Ende August kündigte Rüstungsminister Speer dem „Führer" für September wegen Methanolmangel (Rückgang der Produktion im August auf 26 Prozent der „Sollproduktion") „schwere Einbrüche ... bei den wertvollen Sprengstoffen (Hexogen und Trinitrotoluol)" an;

194 USSBS, Oil Division, Final Report, Fig. 58 u. 59. Das Folgende nach ebenda, S. 60 ff. Siehe auch Abschnitt „Munition" im vorl. Kap. 195 Gemeint ist die Anlage Moosbierbaum in Österreich (bei St. Pölten).

157

Kriegswirtschaft in Zahlen

der Ausfall an Stickstoff könne „zunächst ausschließlich zu Lasten der Landwirtschaft (gehen), die zur Zeit nur ca. 45 % ihrer Voijahrszuteilung erhält"196 Tabelle 51 Betriebsfähige Kapazitäten für die Erzeugung von Chemikalien (Vorprodukte für Pulver und Sprengstoff), Stand 15. Februar 1945 Gesamtkapazität (t je Monat) Stickstoff (Ammoniak) Oleum Hokosalpetersäure Chlor Ammonsalpeter Methanol Nitrozellulose Formaldehyd Toluol Äthylenoxyd Dinitrobenzol Hexamethylentetramin Diglykol Guanidinnitrat Stabilisatoren Pentaerythrit Myrol Nitroguanidin MAN-Salz Dinitroanisol

davon betriebsfähig (Prozent)

71 300 93 000 62 500 46 600 30 000 30 575 19 000 15 750 12 500 7 100 3 450 4 650 3 850 1 950 1 120 1025 1 010 1 000 1 000 350

6,9 68 81,5 82 46,8 15,5 74 19,7 28 64,8 66,4 38,7 51,8 100 51 70,8 1 40 0 100

Quelle: BAP, FS, Film 3383, Tabelle „Chemikalien", 16.2.1945.

Bis Juli hielt die Produktion ein hohes Niveau, bei Pulver sogar bis September, konnte aber keinesfalls mehr mit dem Verbrauch der Wehrmacht Schritt halten. Infolgedessen sanken die Vorräte, besonders an Sprengstoff, in katastrophaler Weise. Einsparungen (von Stickstoff in der Landwirtschaft; von Sprengmitteln im Bergbau) und Aushilfen (Einschränkung der Hexogenproduktion zugunsten von TNT; Einsatz von Streckmitteln, besonders Steinsalz, ferner verschiedene stickstoffsparende Mischungen mit Natronsalpeter, Aluminiumpulver und Zinkstaub, bis zu 70 Prozent der Sprengstoffmenge, d. h. 70 Prozent Streckmittel auf 30 Prozent TNT) verlangsamten nur den Abstieg und verschlechterten die Qualität. Eine drastische Notmaßnahme etwa war die Produktionsumstellung von 10,5-cm- auf 7,5cm-Haubitzen, „weil die kleineren Geschütze doppelt so viel Geschosse mit der gleichen Menge Sprengstoff verschießen konnten".197 196 Birkenfeld, Treibstoff, S. 251, 3. Hydrierdenkschrift Speers v. 30.8.1944. 197 USSBS, Oil Division, Final Report, S. 60.

158

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Gegen Jahresende ordnete Hitler „wiederholt" an, „daß zur Streckung der Pulver- und Sprengstofflage niederwertigere Pulver auch für die Flak eingesetzt werden müssen unter Inkaufnahme des dadurch entstehenden höheren Verschleißes (der Flakrohre - D. E.)'\ und befahl auf Speers Betreiben, „daß ein Schwerpunkt gebildet wird auf dem Gebiete der technischen Mobilisierung aller Möglichkeiten zur Ersparnis für Pulver und Sprengstoff." 198 Nach dem Krieg vermerkten die Mitarbeiter des USSBS, daß die Produktion spezieller Chemikalien, die im letzten Kriegsjahr höchst wichtig waren für den Einsatz neuer deutscher Waffen, fast ganz unbeeinträchtigt von Bombenangriffen geblieben waren, obwohl ihre Erzeugung auf ganz wenige, äußerst verwundbare Werke konzentriert war. Es handelte sich um Spezialtreibstoffe für Raketen wie die A 4 (V 2) und die Flugzeugabwehrrakete C 2 („Wasserfall") und für die Turbinentriebwerke von Flugzeugen und U-Booten. Mit diesen Stoffen und mit ihren Mischungen wurde bis Kriegsende noch ständig experimentiert. Sie liefen unter Codebezeichnungen wie R-Stoff (verschiedene Treibstoffe für das Raketenprogramm), TL-Stoff (Treibstoff für Turbinenlaufwerke), C3, B4, J2-Stoff (spezielle Flugzeugbenzine) usw. Die beiden wichtigsten Chemikaliengruppen für diese Stoffe waren Sauerstoffträger (in erster Linie Wasserstoffperoxyd; auch flüssiger Sauerstoff in Mischung mit Methyl- oder Äthylalkohol), genannt T-Stoff, und Brenn-/Treibstoffe von zum Teil recht einfacher Zusammensetzung (in erster Linie Hydrazinhydrate; auch Rohöl, Methanol- und Bertolingemische), genannt B-Stoff.199 Hydrazinhydrate kamen aus den IG-Farben-Betrieben in Leverkusen und Ludwigshafen, vor allem aber aus dem nach der Planung großangelegten Werk in Gersthofen/Bayern, das noch im März 1945 „befriedigend" lief.200 Wasserstoffperoxyd wurde ähnlich ungestört vor allem in Lauterberg/Harz, ferner in Höllriegelskreuth/Bayern produziert, da „das Herzstück (core) der Raketentreibstoffindustrie, die Werke, die 85 Prozent des Wasserstoffperoxyds erzeugten, von Bomben fast unversehrt blieb".201 Der allgemeine, unaufhaltsame Niedergang der chemischen Kriegsproduktion seit Mai 1944 war offensichtlich. Die Verantwortlichen im Reichsamt für Wirtschaftsausbau waren sich darüber spätestens im Herbst 1944 im klaren. Und doch schrieben sie aberwitzige Planzahlen fort in das Jahr 1945 und 1946 hinein. Unter den Zahlen, die sie anvisierten, waren Monatsmengen von - 27 3001 Trinitrotoluol (ab Ende März 1945) - 34 3001 Ammonsalpeter (ab Jahresende 1944) - 21 7001 Nitrozellulose (ab Ende März 1945) - 92 5001 Hokosalpetersäure (ab Ende September 1945) - 34 575 t Methanol (ab Ende März 1945) - 20 6001 Formaldehyd (ab Ende Oktober 1945) - 60 4001 Chlor (ab Ende September 1945) - 81 6001 Primärstickstoff (ab Ende September 1945).202 198 199 200 201 202

FB, 28./29.11.1944, Punkt 28; FB, 5.12.1944, Punkt 3. USSBS, Oil Division, Final Report, S. 72 f. Wie Anm. 177 (Bericht GB Chemie). USSBS, Oil Division, Final Report, S. 73; s. a. ebenda, Fig. 76 u. 77. Wie Anm. 189; s. a. Anm. 193.

Kriegswirtschaft in Zahlen

159

Die Zahlen für T-Stoff (Wasserstoffperoxyd) liefen für Ende 1945 auf das Vierfache, für 1946 auf das Fünffache des Standes von der Jahreswende 1944/45 hinaus, diejenigen für BStoff (Hydrazinhydrate) für Ende 1945 auf das Dreifache.203

e) Elektroenergie Der Zuwachs an neuen Kapazitäten für die Erzeugung von elektrischem Strom war 1944 noch etwa ebenso groß wie in den Vorjahren. Anlagen für 965 000 kW wurden ans Netz gebracht, davon 877 000 kW von öffentlichen Erzeugern; das bedeutete im öffentlichen Sektor ein Wachstum von nahezu sieben Prozent an Nennleistung gegenüber 1943. 204 Die verfügbare Leistung der öffentlichen Kraftwerke205 lag bis zum Frühjahr 1944 um etwa 20 bis 25 Prozent unter der Nennleistung206 und ging danach erheblich zurück. Tabelle 52 Kapazität und Erzeugung der öffentlichen Elektrizitätswerke, 1943 - Februar 1945 (in 1 000 kW) Nennleistung

Verfügbare Leistung

Spitzenbelastung

Stromerzeugung (Mrd. kWh) 47,3 (Jan.-Dez.) 48,7 (Jan.-Dez.)*

Monatsdurchschnitt 1943 1944

12 277 13 017

9 725 9 800

8 934 8 880

1944 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

12 700 12 700 12 700 12 700 12 800 12 820 13 300 13 300 13 300 13 300 13 300 13 300

10 300 10 320 10 070 10 160 9 620 9 600 9 820* 9 950 9 670 9 540 9 560 8 990

9 770 9 460 9 030 9 140 8 710 8 870 8 820 9 040 8 780 8 500 8 440 7 990

4,2(monatl.) 4,0 („) 4,2 („) 4,2 4,0 3,8

203 USSBS, Oil Division, Final Report, Fig. 76 u. 77. 204 The Effects, S. 116; nach RMRuK-Berichten. Andere Zahlen ebenda, S. 117, Tab. 85 und II, S. 390, Tab. 106; s. a. Diskussion in der angegebenen Quelle (The Effects, S. 116, Anm. 43). 205 Nur für diese liegen Angaben vor. 206 Die tatsächliche Spitzenbelastung (höchste ans Netz gelieferte Leistung) lag stets noch unter der verfügbaren Leistung, da nicht jedes Kraftwerk immer die volle Leistung fuhr, sei es aus (regionalem) Mangel an Bedarf, wegen der Notwendigkeit, Kapazität für Spitzenbedarf bzw. als Reserve zu speichern, aus Kohlenmangel (hauptsächlich wegen der Zerstörungen im Transportwesen) oder aus Laufwassermangel.

160 Tabelle 52

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen (Fortsetzung)

1945 Januar Februar

Nennleistung

Verfügbare Leistung

Spitzenbelastung

13 300 13 300

7 500 7600

6 100 5 580

Stromerzeugung (Mrd. kWh)

*) Von Juli 1944 an incl. Warthegau und Elsaß. **) Öffentliche und private Kraftwerke zusammen erzeugten 1943 86 Mrd., im Januar 1945 4,3 und im Februar 3,8 Mrd. kWh. Quelle: The Effects, S. 118, Tab. 71; S. 123, Tab. 76; S. 265, Tab. 85; S. 267, Tab. 88; Wagenführ, S. 102. Zum Teil abweichende Werte in USSBS, German Electric Utilities Industry Report, Exh. R.

Gezielte Luftangriffe auf die Elektrizitätswerke gab es bis in den Herbst 1944 nicht. In den USSBS-Analysen und anderen Untersuchungen wurde dies später kritisch vermerkt. Die deutschen Rüstungsverantwortlichen sprachen indessen schon früh über die hohe Gefährdung der Elektrizitätswirtschaft aus der Luft. Staatssekretär Günter Schulze-Fielitz (GIWE) hielt mögliche Luftangriffe auf die großen Kraftwerke - „fünf bis sechs Kraftwerke" - für genau so folgenschwer wie solche auf die Hydrierwerke.207 „Die großen Leistungseinbußen der öffentlichen Energieversorgungsbetriebe wurden zumeist durch Flächenangriffe (auf Städte) verursacht, durch Angriffe auf industrielle Ziele wie Mineralölwerke und durch den Zusammenbruch des Transportsystems, der die Kohlelieferungen unterbrach."208 Von den 2 238 t Bomben, die 1944 auf Elektrizitätswerke abgeworfen wurden, fielen 1 989 t in den letzten vier Monaten des Jahres. Die Zeitspanne gezielter Angriffe drängte sich mehr oder weniger im Oktober 1944 und im Februar/März 1945 auf je ein bis zwei Wochen zusammen. Tabelle 53 Alliierte Luftangriffe auf Elektrizitätswerke,

September 1944 - April 1945

Angriffsdatum

Kraftwerk

Kapazität (kW)

1944 28. Sept. 15. Okt. 21. Okt. 23./24 .Okt. 28. Okt. 28. Okt. 28. Okt. 29. Nov. 5. Dez.

Zukunft Reisholz Goldenberg Essen Zentrale Goldenberg Vereinigte Ville Zukunft Fortuna Berrenrath

123 115 496 45 496 60 123 190 100

207 ZPP, 37. Sitzung, 22.4.1943. 208 The Effects, S. 121. Hiemach auch das Folgende.

700 000 000 000 000 000 700 000 000

Jeweils ausgeschaltete Kapazität (Prozent) 100 100 90 100 100 100 100 17 20

161

Kriegswirtschaft in Zahlen Tabelle 53

(Fortsetzung)

Angriffsdatum

Kraftwerk

Kapazität (kW)

1945 10. Jan. 16. Jan. 10. Feb. 20./21. Feb. 24. Feb. 24. Feb. 11. März 20. März 20./21. März 23. März 7./8. April

Fortuna Thalheim Fortuna Reisholz Fortuna Frimmersdorf Essen Zentrale Hattingen Böhlen Köpchenwerk Espenhain-Molbis

190 000 75 000 190000 115 000 190 000 55 000 45 000 95 000 319 000 128 000 300 000

Jeweils ausgeschaltete Kapazität (Prozent)

68 100 90 100 90 95 100 30 95 25 100

Quelle: USSBS, German Electric Utilities Industry Report, Exh. M-3.

Seit Oktober 1944 nahmen die Bombenschäden den mehrfachen Umfang der bisherigen an. Die Energieeinbußen durch „außerplanmäßige Reparaturen" an den vielfach älteren Kraftwerken stiegen allerdings schon seit 1942/43 und kamen Ende 1944 dicht an die Zehn-Prozent-Grenze heran. Von da an ging schließlich mit der Besetzung deutschen Gebiets Kapazität auch unmittelbar an den Gegner verloren; im Januar 1945 von 3,1 Mill. kW insgesamt ausgefallener Leistung schon 1,2 Mill., im Februar fast die Hälfte (1,7 Mill. kW). Die Katastrophe im Februar spiegelte sich in der Ziffer des Kohlenverbrauchs der Kraftwerke wider - gewissermaßen ein zusammengefaßter Index für den Zusammenbruch der Kohlenversorgung und des Transportwesens. Er sank von 1,03 Mill. t im Vormonat auf 494 0001.209 Das entwickelte deutsche Hochspannungsverbundnetz bot in der Regel die Möglichkeit, eine stark betroffene Region durch Stromlieferungen aus einer anderen - vor allem das Ruhrgebiet durch Lieferungen aus Mitteldeutschland - zu entlasten.210 Nach späterer Aussage des Reichslastverteilers war die Reparaturorganisation seines Amtes bis Ende 1944 in der Lage, Störungen und Ausfälle meist schnell zu beheben. 2 "

209 BAP, FS, Film 3385, Ausarb. „Entwicklung der Kohlenlage", Reich und Protektorat, o. D. (Ende März 1945). 210 Das Verbundnetz wurde allerdings auch angegriffen; die Alliierten setzten z. B. Störballons ein, die Schäden an den 100- und 200-Kilovolt-Leitungen anrichteten (The Effects, S. 123). 211 Ebenda. - Das Amt des Reichslastverteilers bekleidete Richard Fischer aus dem Stab von Staatssekretär Günter Schulze-Fielitz, dem ständigen Vertreter Speers als GIWE (Generalinspektor für Wasser und Energie).

162

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 54 Leistungsausfall (öffentliche Kraftwerke), Juni 1943-März 1945 (in 1 000 kW) Insge- Nenn- davon: samt • leistung „Feindein(absol.) (%) Wirkung (absol.

%)

Außerplanmäßige Reparaturen (absol. %)

Instandhaltung

Kohlen- Laufwassermangel mangel

(absol.

%)

1943 Juni Dez.

2 670 2 440

21,9 19,2

345 350

2,8 2,8

640 820

5,2 6,5

1 210 440

9,9 3,5

1944 Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.

2 400 2 380 2 630 2 540 3 180 3 200 3 480 3 350 3 630 3 760 3 740 4310

18,9 18,7 20,7 20,0 24,8 25,0 26,2 25,2 27,3 28,3 28,1 32,4

290 270 230 220 700 630 770 890 1020 1 360 1 670 2040

2,3 2,1 1,8 1,7 5,5 4,9 5,8 6,7 7,7 10,2 12,6 15,3

940 1 070 1 000 970 1000 920 920 820 920 1 000 820 1 050

7,4 8,4 7,9 7,6 7,8 7,2 6,9 6,7 6,9 7,5 6,2 7,9

410 420 490 860 1 120 1 190 1 270 1 120 1 090 840 610 490

3,2 3,3 3,9 6,8 8,8 9,3 9,5 8,4 8,2 6,3 4,6 3,7

1945 Jan. Feb. März

5 800 5 700 6 280

43,6 42,9 47,2

3 110 3 720 4090

23,4 28,0 30,1

1 200 1 010 1 100

9,0 7,6 8,2

400 360 590

3,0 2,7 4,4

-

430* (Mai) 630 (Sept.)

-

630

-

-

210 -

40 200 400 450 800 1 000 ?

400

600 670(1.2.) 470(1.3.)

*) Angaben nur für die angegebenen Monate vorhanden. Quelle: The Effects, S. 117, Tab. 70; S. 123, Tab. 76; S. 265 ff., Tab. 85, 87, 89 u. 90; USSBS, German Electric Utilities Industry Report, Exh. R; Wagenführ, S. 101 (1. März 1945).- Wegen der Unterschiedlichkeit und Unvollständigkeit der Quellen Unstimmigkeiten zwischen Einzelposten und Gesamtsumme. Verbrauchseinschränkungen für Energie und Stromabschaltungen („Stromsperre") waren in der deutschen Kriegswirtschaft ebenso wie bei der Bevölkerung eine altbekannte Erscheinung. Doch erst im Herbst 1943 nahm die Lücke zwischen Bedarf und verfügbarer Kapazität solche Ausmaße an, daß die verordneten Verbrauchskürzungen erhebliche Produktionseinbußen auch in so kriegswichtigen Zweigen wie der Erzeugung von Stickstoff und Elektrostahl nach sich zogen. Von der damals beschlossenen allgemeinen Kürzung des Energieverbrauchs um zehn Prozent wurden nur die dringlichsten Wehrmachtsfertigungen, die Erzeugung von Mineralöl, Elektroden und einigen „Engpaßchemikalien" ausgenommen. Außerdem genehmigte die Zentrale Planung einen , Abschaltungsplan für Großverbraucher",

Kriegswirtschaft in Zahlen

163

von dem zwar Stickstoff und Flugbenzin ausgenommen, aber Aluminium, Karbid und Kalkstickstoff, Elektrostahl und sogar Mineralöl betroffen wurden.212 Ein Jahr später, am 8. November 1944, unmittelbar nach den Luftangriffen auf die E-Werke von Ende Oktober, wurde ein erweitertes System von Abschaltungen beschlossen, das den Spitzenbedarf („ungedrosselter Bedarf") im November und Dezember 1944 um 14,2 bzw. 17,7 Prozent, im Januar 1945 um 29,1 Prozent herabdrückte.213 „Zur Energieverteilung wird die Ausdehnung der ab 1.11.1944 erfolgten zehnprozentigen Allgemeinen Abschaltung auf die Eigenkraftwerke, soweit sie an das Verbundnetz angeschlossen sind, beschlossen. Außerdem wird der vorgelegte Generalabschaltplan (liegt dem Protokoll nicht bei - D. E.) von der Zentralen Planung als allgemeine Weisung genehmigt; ausgenommen sind von der Generalabschaltung Treibstoff, Stickstoff und weitgehend Buna und Methanol. Ferner wird die sog. Gefahrenabschaltung (tageweise Abschaltung größerer Energieverbraucher in regelmäßigem Turnus) genehmigt. Von der Allgemeinen Abschaltung und der Gefahrenabschaltung sind die Bahnkraftwerke auszunehmen."214 Die Reparatur der Kraftwerke und die Wiederherstellung ihrer „betriebsbereiten Leistung" gehörten von nun an zum Geilenbergprogramm.215

f ) Flugzeuge Die deutsche Flugzeugindustrie wies 1944 Produktionszahlen auf, an die ein Jahr vorher noch nicht zu denken war. Hochfliegende Programme gab es in der Luftrüstung zwar genug; besonders die vom April und vom Oktober 1943 hatten schon Ziele von 6 000 und 7 000 Flugzeugen je Monat gesteckt (zu produzieren ab Herbst 1944 bzw. ab Anfang Januar 1945).216 Bis Februar 1944 war aber noch nicht einmal die 1 500-Stück-Grenze erreicht. Nach dem Februar, in einer Zeit, als die Flugzeugindustrie ein bevorzugtes Ziel alliierter Bombenangriffe war, stieg nun aber die Produktion auf über 4 000 (Juli bis September) und sank auch bis Januar 1945 nicht unter 3 000. Allerdings war der Produktionsanstieg von 1944 schon seit Sommer 1943 gedanklich und praktisch von den Flugzeugindustriellen und vom RLM (Generalluftzeugmeister) vorbereitet worden. Die Auslastung der Kapazitäten hatte sich verbessert. Die Einsicht, man müsse mehr Jäger produzieren, setzte sich, wenn auch langsam und gegen massiven Widerstand in der Luftwaffenführung, durch. Typenbeschränkung wurde erörtert. Heinkel, Messerschmitt und andere Firmen verlagerten bereits wichtige Produktionsabschnitte. Nach dem Februar 1944 konnte sofort auf nicht unerhebliche Materialreserven, angearbeitete Teile usw. zurückgegriffen werden.217

212 213 214 215 216

ZPE, 50. Sitzung, 22.11.1943. The Effects, S. 120, Tab. 73. ZPE, 61. Sitzung, 8.11.1944 (in: BÄK, R 3/1690). Ebenda; s. a. BÄK, R 43 11/1157, Erlaß RMRuK, 8.11.1944 (s. Kap. I). USSBS, Aircraft Division Industry Report, 1945, 1947 (im folgenden Aircraft Industry Report), Exh. II. 217 The Effects, S. 154 ff. Hiernach auch das Folgende.

164

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Die „Big Week" selbst218 verursachte keinen entscheidenden Einbruch in der deutschen Flugzeugproduktion, obwohl 90 Prozent der Werke für Jägerfertigung angegriffen und 75 Prozent ihrer Baulichkeiten beschädigt oder zerstört wurden. Der Schaden an den maschinellen Einrichtungen war sehr viel geringer; oft beeinträchtigte der Gebäudeschaden nicht einmal die Produktion. Sie erlitt im ganzen Februar 18 Prozent Einbuße gegenüber Januar, die Produktion von einmotorigen Jägern 23 Prozent. Schon im März stieg die Erzeugungskurve wieder steil an. Nach dem Februar mangelte es den alliierten Luftangriffen auf die Flugzeugwerke an der Kontinuität und Nachhaltigkeit, wie sie seit Mai die Treibstoffoffensive auszeichneten. Alliierte und deutsche Experten waren sich überdies nach dem Krieg einig in der Ansicht, daß die Schlagkraft der Luftwaffe weit mehr gelitten hätte, wenn statt auf die Zellenwerke konzentrierte Angriffe auf die Flugmotorenwerke geflogen worden wären. Tabelle 55 Flugzeugproduktion

nach Zahl und Gewicht,

1940-1944/45

Zahl aller produzierten Flugzeuge

Gewicht (Flugzeugzellen) (t)

Durchschnittl. Gewicht je Flugzeug (Zelle)

13 666 25 527 39 807

81460 141 610 174 938

5,96 5,55 4,39

1944 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

2 445 2 015 2 672 3 034 3 248 3 626 4219 4 007 4 103 3 586 3 697 3 155

12 150 10 128 13 240 15 087 15 471 17 291

4,97 5,03 4.96 4.97 4.76 4.77 4,74 4,20 3,61 3,93 3,88 3,63

1945 Januar Februar März

3 188 2 249 1 930

1941-1942 (Jh.-Durchschnitt) 1943 1944

20 008 16 840 14811 14 107 14 359 11446

Quelle: The Effects, S. 276 f. Tab. 101 u. 102; Groehler, Bombenkrieg, S. 216 (1945). . 218 Siehe Kap. I im vorl. Bd. Zweifelhafte Einschätzung der Wirkung der Big Week bei Murray, S. 79: „Die Luftwaffe erholte sich nie wieder von dem schweren Angriff."

Kriegswirtschaft in Zahlen

165

Bis Juni/Juli 1944 trat noch kein radikaler Wandel im Verhältnis zwischen Angriffs- und Verteidigungsrüstung, zwischen der Produktion von Bombern und Jagdflugzeugen ein. Bis Juli stieg die Zahl der produzierten Bombenflugzeuge noch erheblich an, allerdings in keinem Vergleich mehr zu derjenigen der Jagdflugzeuge, die schon seit Anfang 1943 höher war und im ersten Halbjahr 1944 etwa beim Dreifachen lag. Erst Ende Juni lagen Vorschläge „höheren Orts", d. h. von der Luftwaffenführung, vor, die scharfe Einschnitte in das Bomberzugunsten des Jägerprogramms vorsahen, entsprechend „dem eindeutig geäußerten Willen des Führers, daß man aus dem Gedanken der Schwerpunktbildung endlich einmal wirklich entscheidende und harte Folgen ziehen muß". 219 Da der „Wille des Führers" aber nun gerade in dieser Frage keineswegs immer eindeutig war, nutzten die Verantwortlichen des Jägerstabs die Gunst der Stunde und setzten Typen und Zahlenvorgaben in der Bomberproduktion drastisch herab. Anfang Juli bestätigte Hitler dem Rüstungsminister ein entsprechendes Programm: „Dem Führer in Anwesenheit des Herrn Reichsmarschalls das auf Grund der Schwerpunktbildung bei der Luftwaffe unter Abstimmung von taktischer Forderung und technischer Leistungsmöglichkeit aufgestellte Flugzeugprogramm vorgelegt. Um nunmehr eine sichere Produktionsgrundlage für die Industrie zu schaffen, befiehlt der Führer, daß dieses Programm in seiner Grundlage für das Jahr 1944/1945 nicht geändert werden darf.... Um mit aller Beschleunigung den Schwerpunkt der Jägerfertigung praktisch verwirklichen zu können, befiehlt der Führer auf Vorschlag des Reichsmarschalls, daß die zum Auslauf bestimmten Muster, selbst auf die Gefahr hin, angefangene Teile verschrotten zu müssen bzw. für Ersatzzwecke zu verwenden, mit sofortiger Wirkung in der Fertigung gestoppt werden und die dafür tätigen Führungskräfte, Arbeiter, Maschinen, sonstige Kapazitäten und Transportmittel für den Hochlauf der derzeitigen Jäger und insbesondere den Neuanlauf der neu befohlenen Muster umgesetzt werden." 220 Nach Darstellung Saurs genehmigte Hitler „auf Vorschlag Göring neues Flugzeugprogramm mit 7 400 Maschinen in der Spitze mit Ziel Ende 1946 (Programmdatum 15.7.1944)" 221 . Von August an - nun unter dem Rüstungsstab - erfolgte eine „krasse Absetzung der Kampfflugzeuge und der meisten übrigen Muster - soweit sie nicht Jäger, Zerstörer und Aufklärer sind" 222 . Eingestellt wurde buchstäblich von einem Monat auf den anderen die Produktion von ein- und viermotorigen Bombern, bei zweimotorigen wurde stark gekürzt, und auch alle Transportflugzeuge und Lastensegler wurden gestrichen. 223 Unmittelbar nach der Bildung des Rüstungsstabs ordnete Hauptausschußleiter Karl Frydag an, sofort 20 000 Arbeitskräfte aus der Bomber- in die Jägerfertigung umzusetzen. 224 Die Produktion der Ju 88 und

219 220 221 222 223

BÄK, R 3/1756, Schnellbericht d. Jägerstabs, 27.6.1944, Punkte 2 u. 3. Siehe auch Schabel, S. 236. FB, 6.-8.7.1944, Punkte 23 u. 25. Säur, 8.7.1944. BÄK, R 3/1749, AN Gen.-Ing. Hertel, 3.10.1944. Göring sah sich zu einer „Erklärung" den Gauleitern gegenüber veranlaßt, da „die bereits entstandene Unruhe innerhalb der Gefolgschaften zu beseitigen" war (zit. ebenda). Der Rüstungsminister teilte den Gauleitern mit,„daß durch die Umstellung im Flugzeugprogramm Verschrottung im größeren Maße zum Teil von fast fertigen alten Mustern erfolgen muß und falsche Klagen deshalb zurückzuweisen sind." (Saur, 14.10.1944). 224 Groehler, Luftkrieg, S. 417.

166

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

ihrer weiterentwickelten Typen, des Flaggschiffs der deutschen Bomberflotte, wurde von September an radikal zusammengestrichen. „Die Fertigung von Ju 88 Kampf, Ju 188 Kampf Lufttorpedo und Ju 388 Kampf und Lufttorpedo wird mit dem heutigen Tage gestrichen", beschloß der Rüstungsstab am 7. September.225 Tabelle 56 Produktion von Jagd- und Bombenflugzeugen, 1940-1944 (in Stck.)

1940-42 (Jh.-Durchschn.) 1943 1944 1944 Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez.

Jäger insges.

% d.Gesamtprod.

Bomber Soninsstige ges.

Jäger einmotorige

zwei-

Bomber einzweimotorige

4 017 11 738 28 926

30,8 46,0 72,7

4 962 8 589 6 468

3 740 5 200 4413

3 088 9 626 25 860

929 2 112 3 066

668 1 844 909

4 178 6 254 5 041

116 491 518

1 555 1 104 1 638 2 021 2212 2 449 2 954 3 020 3 375 2 973 2 995 2 630

63,6 54,8 61,3 66,6 68,1 67,5 70,0 75,4 82,3 82,9 81,0 83,4

522 567 605 680 648 703 767 548 428 326 412 262

368 344 429 333 388 474 498 439 300 287 290 263

1 315 1 016 1 377 1 696 1 907 2 177 2 627 2 779 3 031 2 735 2 776 2 424

240 88 261 325 305 272 327 241 344 238 219 206

92 158 140 140 129 90 90 49 21

368 354 389 474 448 534 598 469 407 326 412 262

62 55 76 66 71 79 79 30

-

drei-

-

Quelle: The Effects, S. 277, Tab. 102; Aircraft Industry Report, Exh. III A-D. Insgesamt verschob sich das Gewichtsverhältnis zwischen Jägern und Bombern bis Jahresende 1944 so, daß auf Jäger fast drei Viertel, auf Bomber 25 Prozent des produzierten Flugzeuggewichts entfielen (Verhältnis im Januar 42 : 45; im Juli 48 : 43; im Dezember 72 :25). 2 2 6 Im Sommer 1944 wurde damit die Offensivstrategie der Luftwaffe endgültig begraben. Das entsprach dem akuten Interesse der Industrie und der Leiter der Kriegswirtschaft, die 225 BÄK, R 3/1749, Prot. d. Rüstungsbespr. v. 7.9.1944 (R 3/1749). - Hintergründig spielte bei dieser Wende in der Luftrüstung zweifellos auch der drohende Aluminiummangel eine Rolle, da inzwischen mit Frankreich einer der beiden großen Bauxitlieferanten (Frankreich und Ungarn) ausgefallen war. 226 The Effects, S. 162; S. 276, Tab. 101.

Kriegswirtschaft in Zahlen

167

hoffnungslos der Zerstörung aus der Luft und dem raschen Niedergang ausgeliefert war und deren einzige Chance sie darin sehen mußten, die Luftherrschaft zumindest über dem Reichsgebiet wiederzugewinnen. Sicherlich rechneten manche der Verantwortlichen, vor allem klarer blickende Industrielle, damals schon mit einer baldigen Niederlage und sahen in einer wirksamen Luftverteidigung das Mittel zur Erhaltung der industriellen Substanz über das Kriegsende hinaus. Die schnellen Produktionserfolge versetzten die Jägerstabsverantwortlichen in Euphorie. Speer rühmte sich am 12. Oktober vor Hitler, „daß nach einer noch zu Beginn des Jahres bestehenden Unterlegenheit - unsere Zahlen lagen unter der Hälfte, zum Teil nur auf einem Drittel der Erzeugung des Gegners - im Monat September erstmalig sowohl auf dem Gebiet der einsitzigen Jäger wie auch auf dem Gebiete der gesamten sogenannten vom Jägerstab betreuten Flugzeuggruppen die Erzeugungsziffern Englands, Amerikas, Kanadas und Australiens zusammen zahlenmäßig von der deutschen Produktion überschritten worden sind." Das war eine völlig haltlose Behauptung. Auch die deutsche technische Qualität sei bei den „neuen deutschen Flugzeugmustem" mit Turbinentriebwerk höher, so daß die „unbedingte Überlegenheit" über den Gegner gesichert werden könne.227 Einen Monat später las man in einer verschämten Aktennotiz des Rüstungsstabs den Widerruf der dem „Führer" vorgetragenen Zahlen, der aber diesmal vermutlich nicht zu Hitlers Kenntnis gelangte.228 Erklärungsbedürftig bleiben zwei so widersprüchliche Tatsachen wie die große Produktionssteigerung über elf Monate (März 1944 bis Januar 1945) und ihre verzweifelt geringe Wirkung auf den Verlauf des Luftkrieges. Die scharfe zentrale Regulierung der Luftrüstung durch den Jägerstab war die wichtigste Vorbedingung für die Produktionserfolge. Es ging ja beim, Jägerprogramm" keineswegs nur - wie bei bisherigen Sonderprogrammen, etwa dem Adolf-Hitler-Panzerprogramm229 - um die Konzentration vorhandener Produktionskapazitäten, um die Rationalisierung und Vereinfachung der Fertigung bzw. Reduzierung der Typen, um die Bereitstellung von Arbeitskräften und Material mit höchster Dringlichkeit, sondern auch um die Schaffung umfangreicher zusätzlicher Kapazitäten durch ein in Umfang und Aufwand bisher einmaliges Verlagerungsprogramm (zusätzlich zum Wiederaufbau zerstörter und beschädigter Betriebsteile) und - seit Sommer 1944 - um eine scharfe Umsteuerung der Produktion, die Kapazitäten, Material und Arbeitskräfte der Bomber- für die Jägerfertigung freimachte, womit sich die Gesamtzahl der produzierten Flugzeuge theoretisch mehr als verdoppeln lassen mußte. Ohne Zweifel war der Rationalisierungsschub in der Luftrüstung bedeutend. Modernste Fließfertigung gab es freilich nur in wenigen neuen Großwerken. Eindrucksvoll war der Fortschritt dagegen in der Typenrationalisierung. Bei Bildung des Jägerstabs waren 47 Flugzeugtypen mit 171 Varianten „im Bau oder in Vorbereitung", wie Speer berichtete; acht Monate später waren davon 15 Typen mit 36 Varianten übriggeblieben.230 Doch auch in den Betrieben liefen Rationalisierungskampagnen des Jägerstabs, etwa die „Sondermaßnahmen Aktion 227 228 229 230

FB, 12.10.1944, Punkt 1. Siehe auch Boelcke, Deutschlands Rüstung, S. 417 f. BÄK, R 3/1749, AN v. 14.11.1944. Zu den tatsächlichen Zahlenverhältnissen s. Abschn. 2. Siehe II, S. 121 ff.; S. 334 ff. BÄK, R 3/1615, Speer an Bormann, 3.11.1944.

168

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Jot" zur „Entfeinerung" und „Entrümpelung" der Produktion. Die Richtlinien des FockeWulf-Konzerns für diese Aktion führten beispielsweise auf: ,,a) Herabminderung der Toleranzen, b) Einsparung von Entgraten speziell bei Blechaußenkanten, c) Vereinfachung von Schweißkonstruktionen .,."231 Aufs Ganze gesehen, trifft wohl das Urteil der USSBS-Experten zu, die Effektivität des Jägerstabs unter den schwierigen Bedingungen des Jahres 1944 belege die Organisationsmängel und den geringen Rationalisierungs- und Arbeitsdruck („little pressure") sowie die Überschußkapazität in der Luftrüstung der vorangegangenen Jahre.232 Tabelle 57 Häftlinge und ausländische Zivilarbeiter als Arbeitskräfte in Werken der deutschen Flugzeugindustrie, Oktober 1944 (in Prozent aller Arbeitskräfte) Firma*

Junkers Messerschmitt - Augsburg - Regensburg Arado Focke-Wulf Dornier - Norddt. (Wismar) - Friedrichshafen Wiener-Neustädter Flugzeugwerke Heinkel - Rostock - Oranienburg - Wittenberg Erla Maschinenwerke (Leipzig) Weserflug (Bremen) Fieseier Henschel Ago (Oschersleben) ATG (Leipzig) Märkischer Metallbau (Oranienburg)

Ausländische Zivilarbeiter

Häftlinge (politische Häftl., Kriegsgefangene, Juden)

Zusammen

34

11

45

28 45 49 59

35 11 8 2

63 56 57 61

27 21

19 1

46 22

48

4

52

26 10 16 40

29 53 41 23

55 63 57 63

38 52 42 57 39 67

3 12 7 8 8 3

41 64 49 65 47 70

*) Nach Beschäftigtenzahl geordnet. Mit Liefervertragsfirmen. Quelle: USSBS, Aircraft Industry Report, Exhibit IV. 231 BÄK, R 3/3113, Richtlinien v. 5.4.1944. 232 The Effects, S. 155; S. 158; S. 162.

Kriegswirtschaft in Zahlen

169

Unter dem Jägerstab wurde ferner jenes ausgeklügelte und besonders brutale Arbeits- und Ausbeutungssystem eingerichtet, dem viele hunderttausend deutsche und ausländische Arbeiter unterworfen wurden und das durch Prügel und Totschlag, Erschöpfung, Hunger und Krankheit Zehntausenden KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und anderen Zwangsarbeitern den Tod brachte. Im Bereich des Hauptausschusses Triebwerke war der Arbeitsaufwand je Motor gegenüber Anfang 1942 auf 55 Prozent gesunken. Dabei hatte der Anteil ausländischer Arbeitskräfte früher (Januar 1942) 10,6 Prozent betragen und lag dagegen im März 1944 schon bei 41,4 Prozent; bei BMW in München-Allach war er sogar auf 71 Prozent angestiegen. Das „Rüstungswunder" war hier also „nur durch Rationalisierungen erreicht worden, die den Einsatz eines modernen Sklavenheeres ermöglichten". 233 Nach der „Big Week" im Februar 1944 nahm die Verlagerung der Rüstungsproduktion, die seit 1943 in Gang gekommen war, neue Dimensionen an. Karl-Otto Saur stellte im Jägerstab ein Programm auf, nach dem die 27 wichtigsten Flugzeugwerke in 729 kleine Betriebseinheiten verlagert werden sollten. Bis Kriegsende wurde die Produktion tatsächlich in etwa 300 kleinere Fabriken und Baulichkeiten verlagert. In der Flugmotorenindustrie wurden zwischen April und August 1944 51 Fabriken, von denen einige schon das Resultat früherer Verlegungen waren, in 249 kleinere Betriebsstätten ausgelagert. 234 Von den Werkzeugmaschinen der Flugmotorenindustrie waren im März 1944, nach USSBS-Angaben, 21 Prozent, im September 50 Prozent ausgelagert. Den weiteren Plänen zufolge sollten es schließlich 70 Prozent sein. Die Zahl für September enthielt zu 15 Prozent unter Tage verlagerte Maschinen.235 Den größten Aufwand an Arbeitskräften und Baukapazität erforderten die unterirdischen Großbunkerbauten, die im Sommer und Herbst 1944 der „Sonderbaustab Kammler" und die OT mit weit über 100 000 Arbeitskräften, vorwiegend KZ-Häftlingen, errichteten. Mitte Mai 1944 begann auf 200 000 m2 Betriebsfläche versuchsweise die unterirdische Produktion. Zwischen Juni und August verfünffachte sich diese Fläche. 236 Gegen Ende des Krieges entstanden schließlich eine ganze Reihe von sogenannten Waldfabriken, die vom Rüstungsminister angesichts der Einschränkung der Beton- und Untertagebauten als „brauchbare Ausweichlösung" 237 bezeichnet und später in den Analysen des USSBS als „eine der interessantesten und effektivsten Methoden" der Verlagerung hervorgehoben wurden. 238 Der Messerschmitt-Konzern baute mehr als ein Dutzend solcher Fabriken, nicht weit vom Augsburger Hauptwerk entfernt. Die in den Wald gebauten, mit Tarnanstrich versehenen Holzgebäude und -baracken lagen möglichst nahe der Autobahn, zu der sorgfältig getarnte Zufahrtstraßen führten. Naturgemäß nicht sehr ausgedehnt, konnten die Waldfabriken doch zur Montage bzw. Teilmontage von Jagdflugzeugen, besonders der Me 262, genutzt werden. In der Fabrik bei Horgau beispielsweise wurden Flügelpartien, Bug- und 233 234 235 236 237 238

Schabel, S. 207/209. Aircraft Industry Report, S. 24 f.; s. a. Groehler, Bombenkrieg, S. 286 ff. The Effects, S. 50. Groehler, Luftkrieg, S. 415. Siehe auch Kap. I im vorl. Bd. FB, 28.-29.11.1944, Punkt 19. Aircraft Industry Report, S. 30 ff. Hiernach auch das Folgende.

170

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Schwanzsektionen der Me 262 montiert; eine weitere derartige Anlage in der Nähe besorgte die Endmontage. Die Autobahn diente als Startbahn für Versuchs- und Überführungsflüge. Die Bauzeit der Waldfabriken betrug etwa zwei Monate, nur einen Bruchteil derjenigen einer unterirdischen Anlage. Die alliierte Aufklärung entdeckte keine einzige Waldfabrik. Nur auf der Autobahn wurden Flugzeuge fotografiert. Daraufhin griffen alliierte Jäger neben der Autobahn halb verborgen stehende Me 262 an und zerstörten viele von ihnen. Tabelle 58 Die meistproduzierten

deutschen Kriegsflugzeuge,

Me 109

FW 190

1939 1940 1941 1942 1943 1944

1540 1 868 2 628 2 664 6418 14212

1 2 224 1 878 3 208 11 411

Insgesamt

29 350*

16 724

Ju 88

1939-1944 (in Stck.)

He 111

Me 110

Ju 87

Ju 52

Fi 156 Storch

110 2 184 2 619 3 094 3 301 3013

1 399 827 930 1 337 1408 714

315 1 231 786 581 1509 1 518

557 611 476 917 1 844 909

593 401 451 504 900 380

227 216 430 605 884 396

14 321

6615

5 940

5 314

3 229

2 758

*) Fehlerhafte Summe Quelle: Aircraft Industry Report, Exh. III-B bis III-E. - Im Vergleich mit der vorliegenden USSBS-Statistik sind die Zahlen aus Ploetz, Geschichte des Zweiten Weltkrieges, 2. Aufl., Würzburg 1960,2. Teil, S. 128, vielfach fehlerhaft; jedoch sind sie in Bd. II verwendet worden (II, S. 341, Tab. 62).

Die Produktion von Flugzeugen verdoppelte sich 1944 während weniger Monate, die von Jagdflugzeugen stieg auf das Dreifache. Noch im Februar 1945 unterschritt die Erzeugung nicht diejenige von Anfang 1944 und blieb bei Jägern sogar auf einem weit höheren Niveau. Trotzdem wuchs die alliierte Luftüberlegenheit zahlenmäßig und technisch unaufhaltsam. Das allein erklärt aber nicht, warum die 40 000 im Jahre 1944 produzierten deutschen Flugzeuge - davon 30 000 Jagdflugzeuge - eine so außerordentlich geringe Wirkung im Luftkrieg über Deutschland und an den Fronten hatten. Die USSBS-Behörde stellte nach dem Krieg fest, daß von Januar bis September 1944 zwar etwa 18 000 einmotorige Jäger erzeugt wurden, die Zahl der in operativen Luftwaffeneinheiten kämpfenden Jäger dieser Typen aber in derselben Zeit nur um 1 000 (eintausend) anstieg.239 Während der Ardennenoffensive vom 16. bis 26. Dezember 1944 flog die - angreifende deutsche Luftwaffe 5 000 Einsätze; die alliierten Luftstreitkräfte flogen hingegen 30 OOO.240 1945 verschlechterte sich das Verhältnis der tatsächlichen Kampfeinsätze so dramatisch, daß schließlich 4 000 täglichen Angriffsstarts der Alliierten (wahrscheinlich ohne UdSSR) nur 239 The Effects, S. 159 (ff.). Hiernach auch das Folgende. 240 DZW, Bd. 6, S. 133. In den Tagen der Invasion hatte das Verhältnis sogar noch 46 : 1 betragen (Schabel, S. 180).

Kriegswirtschaft in Zahlen

171

300 von deutscher Seite gegenüberstanden und die Flugzeugverluste beider Seiten sich wie eins zu sechs oder sieben verhielten. Die Gründe hierfür sind komplex und im einzelnen schwer bezifferbar. Sie lassen sich aber in drei Faktoren zusammenfassen, nämlich in der Luftherrschaft und Luftüberlegenheit der Antihitlerkoalition, im zunehmenden deutschen Treibstoffmangel und im Fehlen von ausreichend ausgebildeten deutschen Piloten. Die Luftüberlegenheit der Alliierten führte nicht nur zu einem gewaltigen Verschleiß von kämpfenden Maschinen der Luftwaffe an vier Fronten im Westen, Osten, Süden und Südosten Europas und über Deutschland selbst241, sondern auch zu enormen Verlusten schon auf dem Boden, bereits auf den Werksflugplätzen, dann auf den Fliegerhorsten, vor und nach der Invasion besonders auf den frontnahen Feldflughäfen der Westfront. In einem Fall blieben auf einem Werksflugplatz von 1 000 fertigen Flugzeugen, die gerade abgenommen worden waren, nach einem Luftangriff nur 92 unzerstört übrig. Große Verluste entstanden während der Überführungsflüge zu den Einflug- bzw. Einsatzflugplätzen. Sie sollen sich auf ein Fünftel, gegen Ende auf ein Viertel der Produktion und mehr belaufen haben. Hier war die Ursache aber nicht nur Feindeinwirkung, sondern vielfach auch Ungeübtheit und Unerfahrenheit der Piloten. Die erfahrenen Piloten waren im Kampfeinsatz, so daß gerade bei Überführungsflügen unglaublich viel Flugzeuge zu Bruch gingen. Der Treibstoffverbrauch der Luftwaffe sank bei steigender Flugzeugproduktion drastisch von 195 000 Tonnen im Mai auf 60 000 im September 1944 und auf 27 000 im Februar 1945. Unter dem Mangel litt zuerst das Pilotentraining, das schon 1943 gekürzt worden war, um Benzin zu sparen. Später mußten auch die Kampfeinsätze eingeschränkt werden. „Nach dem September machte der Benzinmangel Operationen großen Maßstabs unmöglich."242 Aus Treibstoffmangel fielen auch Tausende Einsätze der fast ausnahmslos noch in der Erprobung befindlichen sogenannten Hochleistungsflugzeuge aus, eingeschlossen die Me 262. „Nur 2 000 Maschinen dieses Typs wurden fertiggestellt, aber mehr als tausend von ihnen standen unbenutzt auf den Einsatzhäfen herum, da ihnen der Treibstoff fehlte." 243 Der Mangel an Piloten ergab sich sowohl aus den schweren Verlusten als auch aus den hohen Ausstoßzahlen an neuen Flugzeugen. Ende März 1944 erwog man im Jägerstab sogar, ob nicht das „Personal der höheren Stäbe" der Luftwaffe herangezogen werden könne, um der Knappheit an Einfliegern zu begegnen.244

241 Je 1 000 Jagdflugzeuge gingen im Februar und im März 1944 verloren, davon fast die Hälfte an der Ostfront (Groehler, Luftkrieg, S. 405). Größere Luftschlachten wurden 1944 zur Ausnahme: „Die Regel war, daß die amerikanischen und britischen Bomben-, Jagd- und Jagdbombenflugzeuge, ohne auf großen Widerstand zu stoßen, jedes beliebige Ziel angreifen konnten." (Ebenda, S. 439). Für das Folgende s. IfZ, ED 99, NL Speer, Bd. 7, Vernehmg. v. 18.5.1945. 242 The Effects, S. 161. - Im Pilotentraining sank die Zahl der Gesamtübungsflugstunden seit Juli 1944 auf 120, während sie früher (1939-1942) das Doppelte betragen hatte (Juli 1943 - Juni 1944 = 170 Std.; Juli 1944 bis Kriegsende = 120). Dagegen lagen diejenigen der amerikanischen und britischen Piloten zwischen 300 und 400 (Schabel, S. 198). 243 Lusar, Rudolf, Die deutschen Waffen und Geheimwaffen des Zweiten Weltkrieges und ihre Weiterentwicklung, 2. Aufl., (München 1958), S. 67. 244 BÄK, R 3/1755, Schnellbericht d. Jägerstabs, 27.3.1944, Punkt 3.

172

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Besondere Schwierigkeiten machte es den Piloten, auch erfahrenen, die neuen turbinengetriebenen Flugzeuge zu fliegen, was ein langfristiges, reorganisiertes Pilotentraining vorausgesetzt hätte. „Es sind alles neue Muster", so hieß es in der Rüstungsstabssitzung vom 11. September, „die nicht die übliche Erprobung durchgemacht haben, sondern gleich in die Serie gegangen sind".245 Konstruktions- und Betriebsmängel machten jeden Flug noch lange Zeit zu einem Risiko. Die Junkers-Triebwerke TL-004 für die Me 262 waren erst im Juni 1944 serienreif. Dennoch blieben sie störanfällig. Start und Landung waren kritische Phasen für dieses Flugzeug, die die feindlichen Jäger oft zum Angriff ausnutzten. 246 Dem Rüstungsstab wurden Horrormeldungen zugetragen, etwa daß der Me 262 bei hoher Geschwindigkeit das Kabinendach wegflog, oder daß in einer Me 163, einem raketengetriebenen Abfangjäger, „der Mann bei der Landung beinahe verbrannt wäre". 247 „Die Hauptsache wäre doch", so beklagte sich Saur, „daß man wirklich Flieger auf die Maschinen setzt. Wenn man junge Soldaten nimmt, die nur einmal geflogen haben, geht es nicht." 248 Kurz, die Angriffe auf die deutsche Flugzeugindustrie im Februar 1944 leiteten zwar den Untergang der Luftwaffe ein; aber die Wirkung der Treibstoffoffensive - der Benzinmangel - war schließlich viel entscheidender. „Der Erfolg des Angriffs auf die Mineralölerzeugung", so das Urteil der USSBS-Experten - immerhin nicht ganz frei von Übertreibung - , „hat alle weiteren Attacken auf die Flugzeugproduktion überflüssig gemacht." 249 „Hochleistungsflugzeuge" Am 12. Oktober 1944 legte Hitler in einem Befehl die „äußerste Forcierung des Hochlaufs" der sogenannten Hochleistungsflugzeuge fest.250 Die „Anlaufbeauftragten" und Sonderbeauftragten des Rüstungsministeriums/Rüstungsstabes (Degenkolb für die Me 262, Keßler für die He 162, Krome für den T-Stoff usw.) erhielten darin alle Vollmachten, die betreffenden Typen zur Serienproduktion bzw. die entsprechenden Werke zur Höchstleistung zu bringen. Die Hochleistungsflugzeuge waren die letzte Hoffnung der Machthaber, eine Wende im Luftkrieg herbeizuführen. Soweit ein strategisches Konzept hinter dieser Hoffnung zu erkennen war, sollte mit vier bis fünf Jagdflugzeugtypen (Me 262, Me 163, Ta 152, Do 335, He 162) die Herrschaft der alliierten Bomber gebrochen und mit einigen wenigen Bombertypen (vor allem der Ar 234) ein erfolgreicher Angriffsluftkrieg gegen entfernte Ziele, etwa gegen Großkraftwerke der UdSSR im Raum Moskau und am Ural, geführt werden. Technisch gesehen, handelte es sich bei den „Hochleistungsflugzeugen" um eine bunte Mischung von Bombern, Femaufklärern, Jagdbombern und Jägern, von Flugzeugen mit Kolbenmotor-, Strahl(turbinen)- und Raketentriebwerk. 251 245 246 247 248 249 250 251

BÄK, R 3/1749, Protokoll der Rüstungsstabbespr., 11.9.1944. Groehler, Luftkrieg, S. 443 f.; Aircraft Industry Report, S. 102; DZW, Bd. 6, S. 159. W i e A n m . 245. Ebenda, Protokoll d. Rüstungsstabbespr., 6.11.1944. The Effects, S. 162. FB, 12.10.1944, Punkt 1. Ausführlicher etwa bei Kens, Karlheinz/Nowarra, Heinz J., Die deutschen Flugzeuge 1933-1945. Deutschlands Luftfahrtentwicklung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 3. Aufl., München 1968 (neuestens Nowarra,..., 4 Bde., Koblenz 1985-1988).

Kriegswirtschaft in Zahlen

173

Tabelle 59 „Hochleistungsflugzeuge" (auch „Führerflugzeuge"), Stand September/Oktober 1944) Flugzeug

Gattung

Triebwerk

Erstflug

Insgesamt produziert (1944/1945)

Me 262

Jäger, Jagdbomber Abfangjäger

Zwei Gasturbinen Jumo 004 Raketentriebwerk, ersatzweise Argus-Schubrohr (V 1) Gasturbine BMW 003

18.7.1942

1 280 (1 433)* 364

Me 163

He 162 Ta 152

Kleinstjäger (Einsitzer) Jäger

Ar 234

Fernaufklärer, Bomber

Do 335

MehrzweckeJagdflugzeug, Nachtbomber LangstreckenFernaufklärer

Do 635

Sommer 1941

Kolbenmotor Jumo 213 od. DB 603 Zwei (Variante: vier) Gasturbinen Jumo 004 od. BMW 003 Zwei Kolbenmotoren DB 603

6.12.1944 (Saur: 4.12.) Herbst 1943

128

15.6.1943

214

67

23.10.1943

11

Vier Kolbenmotoren (Zwei Rümpfe Do 335)

*) Nach Schabel, S. 284. Quelle: Groehler, Luftkrieg, S. 442; Boelcke, Deutschlands Rüstung, S. 442 u. passim. Abbildungen in DZW, Bd. 6 (nach S. 160).

Für die drei meistgebauten Muster liegen detailliertere Zahlen (Stand 10. April 1945) vor.

Tabelle 60 Fertigung und Verluste von Me 262, He 162 und Ar 234, Stand 10. April 1945 Me 262 Fertigung Bis 31.12.1944 1945 Januar Februar März l . - l O.April Insgesamt

564 167 296 295 47 1 369

He 162

-

-

82 34 8 124

Ar 234

150 35 15 14 -

214

174 Tabelle 60

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen (Fortsetzung) Me 262

Verluste und Bestand Von der Luftwaffe übernommen Verluste durch Feindeinwirkung Sonstige Verluste Bestand Davon am Feind

1 039 186 402 297 181

He 162

56 56 -

Ar 234

219 38 57 100 44

Quelle: Schabel, S. 284. Einige abweichende Produktionszahlen bei Boelcke, Deutschlands Rüstung, S. 470 f., der auch die letzten Planzahlen (von März 1945) für die drei Typen anführt: 1 000 Stck. Me 262 (Oktober 1945); 530 Stck. He 162 (monatl. ab Juli 1945); 75 Stck. Ar 234 (Anfang 1946).

In der Technologie des Strahlturbinen- und des Raketentriebwerks hatte die deutsche Forschung und Industrie einen bestimmten, aber keineswegs entscheidenden Vorsprung vor den westlichen Alliierten. Eine Umrüstung der Luftwaffe auf diese Technologien in der Situation des Herbstes 1944 war ein verzweifeltes Unterfangen, das auf unlösbare Probleme stieß. Außer den zu erwartenden Produktionseinbrüchen bei einer Umstellung der Rüstungswerke handelte es sich vor allem um die Unausgereiftheit der BMW- und Junkers-Strahltriebwerke und den Mangel an Kapazität für deren Erzeugung, um Treibstoffmangel und um den Mangel an Zeit und Kräften für ein solides Umschulungsprogramm für Piloten.252 Die einzige der genannten Maschinen, die noch in größerer Zahl zum Kampfeinsatz und - unter günstigen Bedingungen253 - zu Erfolgen gegen feindliche Bomber kam, war die Me 262. Der erste Einsatz von vier Exemplaren dieses Typs datiert vom 4. Oktober 1944. Bis Ende 1944 wurden 564 Maschinen gebaut, von Januar bis April 1945 noch über 800.254 Der Abfangjäger Me 163 („Komet") diente wegen seiner geringen Flugdauer nur dem Schutz von wichtigen Objekten, etwa von Leuna und Pölitz. Im November 1944 klagte man im Rüstungsstab immer noch über die schlecht schießenden Waffen (MK 108) des Jägers und über die schlechte Qualität der Munition. Jedoch sei es „viel entscheidender", so hieß es, „daß von 37 Maschinen wegen Betriebsstoffmangel nur 14 überhaupt zum Einsatz gekommen sind."255 Produziert wurden die ersten kampffähigen Maschinen seit Mai/Juni 1944, bis Ende 1944 insgesamt 327; im Januar 1945 weitere 30, im Februar/März ganze sieben.256 Die Erfolge, die dieser Jäger erzielt haben soll, sind zweifelhaft.257 252 Siehe auch Groehler, Luftkrieg, S. 440 f. 253 Über die Störanfälligkeit und die taktischen Schwächen der Me 262 s. ebenda, S. 442 ff. 254 Grundlegend zur Me 262 Schabel (hier: S. 284). Insgesamt niedrigere Zahlen für 1945 (716 Stck.) bei Boelcke, Deutschlands Rüstung. S. 470. - Die in der älteren Literatur (etwa Lusar, S. 65 ff.) regelmäßig weit überschätzte Me 262 („Königin der Luft") kam nach amerikanischen Recherchen auf insgesamt 150 Abschüsse bei 100 eigenen Verlusten (Schabel, S. 245). 255 BAK, R 3/1749, Prot. d. Rüstungsstabbespr., 6.11.1944. 256 Groehler, Luftkrieg, S. 446; widersprüchl. Angaben b. Boelcke, Deutschlands Rüstung, S. 424 u. 442. 257 Groehler, Luftkrieg, S. 446; Saur, 5.1.1945: „(Me) 163 wird von AH gestrichen, da mit bisher 217 Maschinen nur fünf Abschüsse."

Kriegswirtschaft in Zahlen

175

Der Heinkel-Entwurf für die He 162 gewann Ende September 1944 die binnen drei Wochen abgewickelte Ausschreibung für einen Strahltriebwerk-Jagdeinsitzer, der nur bis 2000 kg schwer (Holzbauweise), kurzstartfähig und mit ein bis zwei MK 108 bewaffnet sein sollte. Hitleijungen sollten den „Volksjäger" (auch „Salamander") in Massen fliegen können.258 Die He 162 wurde „aus dem ersten Entwurf heraus zum Sofortanlauf der Serienfertigung freigegeben und mit einer vorläufigen Stückzahl von 1 000 monatlich befohlen." 259 Nach dem Erstflug am 6. Dezember endete der zweite Versuchsflug am 10. Dezember mit einem Absturz. Insgesamt wurden etwa 130 Maschinen gebaut. Zum Kampfeinsatz kam das Flugzeug nicht mehr. Die Ar (Arado) 234 sollte, Hitler und Göring zufolge, die „Endlösung" als Strahlturbinenbomber darstellen.260 Erprobt wurde sie ursprünglich als Aufklärer mit großer Reichweite. Die Maschine flog noch eine Reihe von Einsätzen vor Kriegsende. Von ihr blieb der Ruf, der erste im Kampf gewesene Düsenbomber der Welt zu sein. 1944 wurden 150 Exemplare gebaut, 1945 noch etwa 70. Die Ta 152 (benannt nach Kurt Tank, dem Generaldirektor und Chefkonstrukteur von Focke-Wulf) entstand aus einer Version der Fw 190, ausgerüstet mit einem Junkers-Reihenmotor statt mit dem Sternmotor von BMW, als. schneller und wendiger Jäger („Sturmjäger"). Auch die Do (Dornier) 335 mit je einem Kolbenmotor in Bug und Heck trug als „schnellstes Kolbenmotorflugzeug des Zweiten Weltkrieges"261 die Hoffnungen der Jagdflugzeugexperten. Die eigentliche Obsession Hitlers und der meisten Luftwaffenstrategen war aber bis zuletzt der Wunschgedanke, wieder mit der Angriffswaffe, den schweren Bombern, den Gegner treffen und „Vergeltung" üben zu können. Außer der Do 635 waren gegen Kriegsende noch verschiedene andere Großflugzeugtypen, vor allem Bomber, auf dem Reißbrett. Noch am 20. Januar 1945 verlangte Hitler nachdrücklich „die Entwicklung eines Hochgeschwindigkeits-Großbombers mit weiter Flugstrecke und großer Bombenladung."262

g) Panzer Die Produktion von Panzern (Panzerkampfwagen, Sturmgeschütze/Panzeijäger, Selbstfahrlafetten) erreichte in der letzten Kriegsperiode ihren Höhepunkt. Schon 1943 auf das Doppelte, gewichtsmäßig auf das Zweieinhalbfache angewachsen, stieg sie 1944 noch einmal um 60 Prozent, dem Gewicht nach um fast 70 Prozent. Die drei erfolgreichsten Monate lagen um die Jahreswende 1944/45 (November - Januar). 258 259 260 261 262

Kens/Nowarra, S. 283 f. Ausführlich Schabel, S. 248 ff. FB, 21.-23.9.1944, Punkt 1. FB, 19.-22.6.1944, Punkt 35. Boelcke, Deutschlands Rüstung, S. 378. FB, 20.1.1945, Punkt 3. - Nach Speer (Reif (Hrsg.), Albert Speer. Technik und Macht, S. 23 f.) teilte Messerschmitt Hitler daraufhin noch im März oder April 1945 mit, „daß er innerhalb sehr kurzer Zeit in der Lage wäre, Bomber zu bauen, mit denen man Städte in den USA angreifen könnte" - eines der vielen „Beispiele der absoluten Realitätsverweigerung" gerade in der Luftrüstung (Schabel, S. 282).

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Kriegswirtschaft in Zahlen

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Im Jahre 1943 war die Panzerwaffe in den Plänen Hitlers und der Generalität jene besondere Waffe, mit der sie im Osten die strategische Initiative wiedererlangen wollten. Jetzt, 1944, hofften sie, mit ihr die Rote Armee, den offensivsten und in den Augen der politischen und wirtschaftlichen Führung gefährlichsten Gegner, wenigstens von den deutschen Grenzen fernzuhalten. Charakteristisch für den Wandel der Situation und der strategischen Orientierung war der Übergang vom Panzerkampfwagen, der schnellen Offensivwaffe, zum Sturmgeschütz als bevorzugtem Panzertyp. Sturmgeschütze und die aus ihnen entwickelten Jagdpanzer (mit langrohrigen Geschützen) waren ebenfalls schnell und beweglich, aber auch dafür geeignet, mit ihrem meist starr eingebauten Geschütz aus der Stellung heraus den Angriffen der überlegenen sowjetischen - später auch der englisch-amerikanischen - Panzertruppen zu begegnen.263 In der zweiten Jahreshälfte 1944 wurde sogar die Produktion der seit 1942 immer stärker forcierten schweren Panzer zugunsten von Sturmgeschützen und leichteren Panzeijägern zurückgenommen, was sich in der Abnahme des durchschnittlichen Panzergewichts widerspiegelte.264 Tabelle 62 Panzerproduktion

nach Gewicht, 1939—1945 (in t) Gewicht (Monatsdurchschnitt)

1939 (Sept.-Dez.) 1940 1941 1942 1943 1.Hälfte 2.Hälfte 1944 1.Hälfte 2. Hälfte 1945(Jan- März)

1 375 2 902 6 393 10 368 27 115 21 223 33 007 45 715 43 345 48 085 33 353

Durchschnittsgewicht je Panzerfahrzeug 22,2 21,2 20,2 20,1 27,0 25,5 28,1 28,9 29,1 28,6 25,4

Quelle: The Effects, S. 278 ff., Tab. 104 und 105. Dort ungenaue Berechnung einiger Monatsdurchschnitte.

263 Zu den Panzertypen und ihrer technischen Ausstattung s. v. Senger und Etterlin; Spielberger, Walter J./Wiener, Friedrich, Die deutschen Panzerkampfwagen III und IV mit ihren Abarten 1935 1945, München 1968. - Speer erklärte dem japanischen Botschafter Oshima, man wolle durch die Sturmgeschütze „die jetzige Pak ablösen, also gewissermaßen nur noch eine fahrende Pak produzieren, weil die stehende zu große Verluste hat." (BAP, FS, Film 1740, Rede Speers v. 8.8.1944). 264 Hierbei hat anscheinend auch der Stahlmangel eine Rolle gespielt. Speer erwirkte Ende September 1944 Hitlers Zustimmung zur Produktionsumstellung von den StG III und IV, soweit mit kurzem Geschütz, auf den 38(t)-Jagdpanzer, der nur ein Einsatzgewicht von 14,5 t Stahl hatte (gegenüber 241); FB, 21.-23.9.1944, Punkt 10; Boelcke, Deutschlands Rüstung, S. 412.

178

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Neun Panzerfirmen hatten 1943 einen Produktionsanteil von über 90 Prozent an fertig montierten Panzern: Alkett (Berlin-Borsigwalde), Miag (Braunschweig), das österreichische Nibelungenwerk von Steyr-Daimler-Puch (St. Valentin), Vomag (Plauen), Krupp-Gruson (Magdeburg), MNH (Maschinenfabrik Niedersachsen, Hannover), Henschel (Kassel), Daimler-Benz (Berlin-Marienfelde) und MAN (Nürnberg).265 1944 schoben sich die tschechischen Firmen Skoda und BMM (Böhmisch-Mährische Maschinenfabrik, Brünn) als Produzenten des Sturmgeschützes 38 (t) (Jagd-38) auf vordere Plätze. Die größten Panzermotorenwerke waren Maybach (Friedrichshafen) und Daimler-Benz (Berlin-Marienfelde). Als Zulieferer für die Panzerwerke (Wannen, Türme, Geschütze, Fahrwerk, Ausrüstung) arbeiteten große Teile der deutschen Industrie, besonders der Stahlindustrie und des Maschinenbaus. Verlagerungen gab es in den Werken der Panzermontage nur vereinzelt, etwa im Fall Vomag, wo im Sommer 1944 die Fertigung von Kleinteilen mit 50 Prozent der Werkzeugmaschinen verlagert wurde, oder im anders gelegenen Fall von Alkett (Tochter von Rheinmetall-Borsig). Nach Bombenschäden bei Alkett im Herbst 1943 entstanden in Falkensee (Montage) und in Berlin-Spandau (Wannen) große Ausweichwerke. In weit größerem Umfang verlagerten wichtige Zulieferer ihre Produktion (Motoren, Getriebe, Kugellager). Maybach-Motoren produzierte inzwischen in wachsender Zahl das Auto-Union-Werk in Chemnitz-Siegmar, so daß der schwere Angriff auf Friedrichshafen in der Nacht vom 27. zum 28. April 1944266 keinen gefährlichen Einbruch nach sich zog. Als das Werk in Siegmar am 11. September 1944 schwer angegriffen wurde, war Friedrichshafen wieder voll in Produktion.267 Tabelle 63 Produktion von Maybach-Panzermotoren 1944 Januar - April insges. Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

bei Auto-Union AG, Werk Chemnitz-Siegmar, 1944/45 (in Stck.) 1945

245 361 700 800 800 198 312 210 293

Januar Februar

250 350

Quelle: USSBS, Munitions Division, Auto-Union AG, Chemnitz und Zwickau, 1945, 1947, S. 6. 265 USSBS, Tank Industry Report, S. 11, Tab. 3; führend: Alkett (26,6 Prozent), Miag (14,3), Nibelungenwerk (13,7). 266 Saur, 28., 29. u. 30. 4. 1944: „Schwerster Angriff auf Friedrichshafen (Panzermotoren und -getriebe und [Do] 335). ... Besuch in Friedrichshafen. Umfassende Hilfsaktion notwendig. Deshalb Weiterflug zum Berghof. ... Bericht an AH (Hitler - D. E.) über Friedrichshafen. Erforderliche Unterstützung wird in vollem Maße befohlen. Motor- und Getriebefertigung sowie Sturmgeschütze werden in die gleiche Dringlichkeit wie das Jägerprogramm eingereiht." 267 Siehe USSBS, Munitions Division, Auto-Union AG, Chemnitz u. Zwickau, 1945, 1947, S. 2 f.

Kriegswirtschaft in Zahlen

179

Erst im August 1944 und in den folgenden beiden Monaten wurden die meisten großen Panzerwerke und verschiedene Motorenwerke gezielt bombardiert und damit bis Jahresende, nach Schätzungen des USSBS, 18 bis 20 Prozent der Kapazität, etwa der Produktion von 2 000 Panzern entsprechend, ausgeschaltet.268 Seit Januar/Februar 1945 trafen weitere Angriffe die Werke. Die Luftangriffe auf die Panzerwerke waren „im ganzen kein Erfolg". Den USSBS-Experten fiel besonders auf, wie resistent die Produktion in vielen Fällen gegen Gebäudeschäden war. Wirksamer sei die Lahmlegung des Verkehrswesens ab Oktober/November 1944 gewesen, der hauptsächliche Grund für den Produktionsabfall Anfang 1945.269 Die chaotischen Transportverhältnisse erschwerten schließlich auch die Auslieferung der Panzer an die Fronten. Die Treibstoffsituation machte schließlich die volle operative Ausnutzung der Panzerbestände unmöglich, was sich während der Ardennenoffensive im Dezember 1944270und während des Kampfes um Oberschlesien in der zweiten Januarhälfte zeigte. Tabelle 64 Schäden durch Luftangriffe in drei Panzerwerken, unbenutzbar gemachten Werksfläche) Henschel, Kassel („Tiger") 1944 August September Oktober November Dezember 1945 Januar Februar März

-

48,0 45,3 -

MAN, Nürnberg („Panther")

-

23,6 37,0 -

0,2 34,4 -

9,0

August 1944 - März 1945 (in Prozent der jeweils

Krupp-Gruson,Magdeburg (Panzer IV)

42,2 7,5 10,9 -

14.'? 2,6 -

4,6 6,6 -

Quelle: USSBS, Tank Industry Report, S. 16, Tab. 6. - Den Berechnungen lag nur die für die Panzerproduktion eingesetzte Fläche zugrunde, bei Krupp-Gruson z. B. 17 Prozent (USSBS, Munitions Division, Friedrich Krupp Grusonwerke Magdeburg, 1945, 1947).

Wenn die Produktion bis zum Januar 1945 ständig stieg bzw. ihre Höhe hielt, so lag das nicht zuletzt an ihrer Regulierung und Rationalisierung durch den Hauptausschuß Panzerwa268 USSBS, Tank Industry Report, S. 15; S. 19; The Effects, S. 170 (hier wird behauptet, daß „alle elf Montagewerke" angegriffen und getroffen worden seien). 269 USSBS, Tank Industry Report, S. 19. 270 DZW, Bd. 6, S. 127: „Anstelle der für notwendig gehaltenen fünf Verbrauchssätze für Treibstoff standen durchschnittlich nur 1,5 bis 1,8 Verbrauchssätze zur Verfügung, d. h., die Fahrtstrecke der Panzerverbände war auf 70 bis 90 Kilometer beschränkt." (Nach einer Notiz (Gen.Qu.?) vom 15.12.1944, dem Vortag der Offensive).

180

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

gen und das Technische Amt des Rüstungsministeriums. Sie steuerten die gesamte Produktion einschließlich Zulieferungen, Materialfluß und Arbeitskräftenachschub offensichtlich sehr effektiv und elastisch, obwohl sie in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 nicht mehr in der obersten Dringlichkeitsstufe rangierte, was sich im Januar 1945 im „Notprogramm" freilich wieder änderte, wenigstens für die wichtigsten Panzertypen, so für den „Panther".271 Erfolgreich war die Arbeit des Hauptausschusses und seiner Unterausschüsse und Kommissionen auch darin, Material einzusparen. Als in der zweiten Hälfte 1944 die wichtigsten Chrom- und Nickelimporte ausfielen, war zum Beispiel das Problem des Ersatzes dieser Legierungsmetalle durch andere, besonders durch Mangan, bereits gelöst. Daß die von Hitler vorgegebenen Planzahlen gerade für Panzer besonders weit über den tatsächlich erreichten lagen272, hatte seine Ursache kaum in mangelnder Effizienz der Industrie, auch weit weniger in Kriegseinwirkungen, als vielmehr darin, daß inzwischen - auf dem Hintergrund der ungeheuren Anspannung der gesamten deutschen Wirtschaftskraft im Jahre 1944 - die Kapazität dieses Zweiges der Rüstung weitgehend erschöpft war und daß Hitler dessenungeachtet die Erfolgszahlen des „Adolf-Hitler-Panzerprogramms" aus der ersten Hälfte 1943 immer weiter hochrechnete. Die Katastrophe für die deutsche Panzerwaffe hatte freilich ihren letzten Grund in den nicht wieder gutzumachenden Verlusten an den Fronten und in der vielfachen Überlegenheit der Alliierten. Schon 1943 hatten die drei alliierten Mächte 68 000 Panzer produziert, weit mehr als das Fünffache der deutschen Erzeugung; allein die UdSSR erzeugte mehr als das Doppelte (24 100).273 Von Juni 1944 an hatten auch die deutschen Verluste - obwohl schon seit Stalingrad rapide anwachsend - eine neue Dimension. In fünf Monaten gingen 10 000 Panzer verloren. Der Heeresbestand, vorher auf 14 000 angewachsen, ging damit bis zum 1. November auf 12 000 zurück - in einer Zeit, wo an vier Fronten mehr Panzer denn je gebraucht worden wären.274

h) Kriegsschiffe Großkampfschiffe wurden seit 1942/43 nicht mehr gebaut bzw. nicht mehr zu Ende gebaut. Auch Zerstörer und Torpedoboote erwiesen sich als Waffen, die stumpf geworden waren. Ihre artilleristische Bewaffnung war schwach, die Gelegenheit zum Torpedoschuß nurmehr seltener Zufall.275 Wo sie sich blicken ließen, waren sie eine leichte Beute der überlegenen gegnerischen Luftwaffe und Marine. Obwohl durch hohe Verluste in den Vorjahren dezimiert, wurden 1944 nur noch zwei Zerstörer und sechs Torpedoboote gebaut. Schnellboote und Minenräumboote entstanden 1944 noch in wachsender Stückzahl, außerdem Küstensicherungsboote und Lastschiffe (Prähme).276 Die Produktion von Schnell271 272 273 274 275 276

USSBS, Tank Industry Report, S. 18 f. The Effects, S. 168 f. Ebenda, S. 168. Ebenda, S. 169 f. Siehe Breyer, Siegfried, Die deutsche Kriegsmarine 1935-1945., Bd. 2, Friedberg/H. 1986, S. 8. Ausführliche Statistik s. II, Anh. 1, S. 668 f. („Ausstoß-Übersicht 1940-1944. Waffen, Geräte und Munition", Stand 6.2.1945).

Kriegswirtschaft in Zahlen

181

booten wollte der Rüstungsminister von monatlich drei Stück in den Vorjahren auf 17 Stück im Dezember 1944 steigern und behauptete, man werde „zweifellos ohne weiteres 30 bis 40 Stück im Monat schaffen", freilich nur, wenn die „außerordentlich schwer herzustellenden, komplizierten Motoren" in ausreichender Zahl bereitstünden.277 Tatsächlich stieg die Produktion auf je sechs bis acht Boote zwischen Mai und September 1944, fiel aber danach mit einem Schlag auf drei Boote zurück. Im Frühjahr 1944 ging eine Reihe rasch entwickelter sogenannter Marine-Kleinkampfmittel in Produktion. Hierbei handelte es sich um Kleinst-U-Boote („Seehund", „Molch", „Biber", „Hecht") von neun bis zwölf Meter Länge, mit wenigen Tonnen Wasserverdrängung und Elektroantrieb, die Torpedos - bei einigen Typen seitlich angehängt - an den Feind bringen sollten; ferner um Ein-Mann-Doppeltorpedos („Marder", „Neger") und um Sprengboote („Linse", „Wal"), die als geballte Ladung erst von einem Fahrer, dann, nach Absprung des Fahrers, von einem Leitboot ins Ziel gesteuert wurden.278 Die ersten nennenswerten Auslieferungen aus der Serienproduktion scheinen im Juli erfolgt zu sein: „Auf dem Gebiet der Kleinkampfmittel ist die Serienfertigung für 'Hecht' und 'Molch' angelaufen. Es werden abgeliefert: 7 Stück 'Hecht' und 38 Stück 'Molch' ... 'Linse' werden bis Ende des Monats 75 Stück fertiggestellt." Für „Biber" galt ähnliches: „19 Stück werden abgeliefert."279 In den letzten Kriegsmonaten wurde vorrangig „Seehund" produziert. Den Schwerpunkt der Marinerüstung bildete der U-Boot-Bau. Die deutsche Führung sah sich 1943 gezwungen, die U-Bootwaffe gänzlich auf neue Bootstypen (XXI und XXIII) mit Elektroantrieb umzurüsten, da die herkömmlichen Boote wegen ihres häufigen Auftauchens und ihrer geringen Unterwassergeschwindigkeit von den alliierten Flugzeugen und Schiffen mittels neuartiger Ortungs- und Abwehrtechnik zu Dutzenden, ja zu Hunderten versenkt wurden.280 Die Umrüstung auf die neuen U-Boot-Typen hatte hohe Priorität für das Rüstungsministerium, dem die Marinerüstungsdienststellen seit Juni/Juli 1943 weitgehend untergeordnet waren. Im Juni war ein letztes Flottenbauprogramm des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine für fünf Jahre verkündet worden, das reichlich utopische Ziele enthielt, so den Bau von acht Zerstörern im Jahr und von 40 U-Booten monatlich.281 Im September 1943 übertrug Dönitz Entwicklung und Bau der neuen U-Boote „mit vollständig neuen Unterwassereigenschaften"282 dem Rüstungsministerium und dessen Hauptausschuß Schiffbau, der die Fachleute der großen Werften und der Zulieferindustrien auf diese Aufgabe konzentrierte. „Bereits im November des Jahres [1943]", so Speer, „haben wir trotz des Risikos, das auf uns lastet, wenn diese neuen U-Boote große Änderungen [nötig] haben sollten und damit die Investition 277 BÄK, R 3/1553, Rede Speers vor den Gauleitern der NSDAP, 3.8.1944. 278 Siehe Breyer, Siegfried/Koop, Gerhard, Die deutsche Kriegsmarine 1935-1945, Bd. 3, Friedberg/H. 1987, S. 86 ff. Zum Einsatz dieser Waffen s. DZW, Bd. 6, S. 179 ff. 279 Chronik, 11.7.1944. 280 Siehe DZW, Bd. 4, S. 105 ff. 281 Lakowski, Richard, U-Boote. Zur Geschichte einer Waffengattung der Seestreitkräfte, 3. Aufl., Berlin 1989, S. 259. 282 So Speer in seiner Rede vor den Gauleitern der NSDAP, 3.8.1944 (s. Anm. 277). Hiernach auch das Folgende.

182

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

in diese neue Fertigung umsonst gewesen wäre, auf meine Verantwortung die Serienfertigung aus der Zeichnung heraus befohlen". Im Dezember sprach Dönitz vor den Befehlshabern der Kriegsmarine in den höchsten Tönen von den „genialen Maßnahmen" Speers, „der die Produktion Europas in der Hand hat". Die Übergabe der Marinerüstung und der Werftindustrie in den Bereich des Rüstungsministeriums einschließlich der Privatisierung der marineeigenen Werften werde sich lohnen: „Wir werden im kommenden Sommer 60 U-Boote im Monat gebären. Schnellboote ... werden wir hochziehen auf 17, 25, 30 pro Monat".283 Im Laufe des Frühjahrs und Sommers 1944 wurde dann der Bau aller anderen Typen eingestellt, bis auf wenige Versuchsboote auch deijenige von sogenannten Walter-U-Booten, die mit einem neuen, zusätzlichen Wasserstoffperoxyd-Antrieb des Ingenieurs Walter ausgerüstet waren (XVII, XVIII und XXVI W). Der forcierte U-Boot-Bau verknappte bestimmte Rohstoffe und Produktionskapazitäten bedenklich. Was Blei für die Akkumulatorenbatterien der neuen U-Boote betraf, so sah Speer langfristige „drakonische Maßnahmen" vor, „in der Hauptsache auf dem Gebiet des Buch- und Zeitungsdruckes, auch für die Jahre 1945 und 1946" 284; der dort befindliche Bleisatz sollte Schritt für Schritt beschlagnahmt und eingeschmolzen werden. Schon im Dezember 1943 hatte der Rüstungsminister die Produktion von Elektrolokomotiven (außer Industrieloks) einstellen lassen, um die gesamte Motorenbaukapazität auf die Erzeugung der neuen U-Boot-Elektromotoren zu konzentrieren.285 Die neuen U-Boote, so beschied er Ganzenmüller (Reichsverkehrsministerium) in der Zentralen Planung, „die schon in kurzer Zeit... in größerer Serie kommen sollen, benötigen zum Übergang ziemlich fast die gesamte Kapazität der elektrotechnischen Industrie auf dem Gebiete." Hauptausschußleiter Lüschen (Siemens) erklärte es für „völlig ausgeschlossen", im Jahre 1944 neben der U-BootFertigung noch E-Loks zu produzieren. Hitler selbst, meinte Speer, werde auf der U-BootBesprechung am 2. Januar 1944 entscheiden müssen.286 Diese Entscheidung fiel auch, als Hitler am 2. Januar Speer, Lüschen und eine ganze Reihe anderer Experten empfing.287 Noch ein Jahr später scheinen wesentliche Probleme der technischen Ausrüstung der Boote offen gewesen zu sein. So war etwa „die Frage, ob das neue U-Boot Typ 21 mit einem modernen Funkmeßperiskop in getauchtem Zustand versehen werden kann, noch lange nicht gelöst". Damit, so das Urteil der Experten, hinke das Boot „weit hinter dem modernen Stand der Technik" hinterher.288 Die Fertigung der Elektromotoren und -akkumulatoren erwies sich als eines der gegen Luftangriffe besonders empfindlichen Glieder der sonst mit Hilfe der Technologie des Sektionsbaus in verschiedene Vorfertigungs- und Montagestätten auseinandergezogenen Produk283 284 285 286 287

IMG, Bd. 35, Dok. D-443, S. 110; S. 113, Rede Dönitz' v. 17.12.1943. BÄK, R 3/1576, Speer an Dönitz, 26.7.1944. Ebenda, Speer an Degenkolb, 15.12.1943. ZPP, 52. Sitzung, 21.12.1943. FB, 1.-4.1.1944, Punkt 5. Die ausführliche Besprechung mit Lüschen und anderen höchstrangigen Spezialisten erstreckte sich auch auf das Problem der Ortung und Flugzeugabwehr der U-Boote (ebenda, Punkt 6). Siehe auch Saur, 2.1.1944. 288 BÄK, R 3/1956, Speer an Dönitz, 6.1.1945.

Kriegswirtschaft in Zahlen

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71 3 895

1 834

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221

Von den aufgeführten industriellen Investitionen müssen mit Ausnahme von denen in der Bauindustrie und in der Konsumgüterindustrie - der Einfachheit halber soll hier von dem hohen Wehrmachtanteil an deren künftiger Produktion abgesehen werden - sowie in bestimmten Grenzbereichen mit unerheblichem Anteil alle übrigen als Rüstungsinvestitionen, das heißt als Kriegsverbrauch angesehen werden, also wohl über 95 Prozent. Damit sind eindeutig zum Kriegsverbrauch zu rechnen: - 18 Mrd. RM Wehrmachts-"Verbrauch", - 38 Mrd. RM Kriegsgerät, - sieben Mrd. RM „sonstige Leistungen und Dienste" für die Wehrmacht, - vier bis fünf Mrd. RM für den Unterdrückungs- und Vernichtungsapparat, - 5,5 Mrd. RM Industrieinvestitionen, - über drei Mrd. RM an Investitionen in Energiewirtschaft, Verkehrswesen, „Verwaltung" und für „Umsiedlung". Die Summe der reinen Kriegsausgaben für „Verbrauch" und Investitionen belief sich demnach auf schätzungsweise 76 Mrd. RM, zusammen mit den Investitionen im „Protektorat" (6 Mrd. RM), die ausschließlich Kriegs- und Rüstungszwecken gedient haben dürften, auf 82 Mrd. RM. Vom „Gesamtaufkommen" an Volkseinkommen und Auslandsleistungen in Höhe von 188 Mrd. RM betrug also der nur dem Krieg und der Rüstungswirtschaft zufallende Anteil im Jahre 1943 fast 44 Prozent.

Kapitel III

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter (Studien)

1. Krise des „Arbeitseinsatzes" Jahrelang hatten die deutschen Behörden und Rüstungskonzerne aus dem Ausland, vor allem aus den besetzten Gebieten Polens, der UdSSR und Frankreichs, wie aus einem unerschöpflichen Reservoir Arbeitskräfte nach Deutschland hineingepumpt, ganz überwiegend als zwangsweise Rekrutierte oder als Kriegsgefangene. Daß diese Quellen im dritten Quartal, genauer: seit August 1943 ä tempo zu versiegen begannen, nahmen sie sehr wohl wahr; es hinderte sie aber nicht daran, für 1944 ein gewaltiges neues Aushebungsprogramm vorzubereiten. Seit September/Oktober 1943 eröffnete sich den Deutschen die unerwartete Möglichkeit, mehrere hunderttausend italienische „Militärinternierte" in die deutsche Rüstungswirtschaft einzuschleusen. Als Italien am 8. September aus dem Krieg ausschied, wurden die ehemals verbündeten italienischen Soldaten zu deutschen Kriegsgefangenen und gerieten als Arbeitskräfte in den Mahlstrom der deutschen Kriegswirtschaft. Als „Militärinternierte" - ein von Hitler geprägter Begriff, der den Deutschen die Verpflichtungen der Genfer Konvention von 1929 für Kriegsgefangene ersparte - waren sie fortan ein Objekt „für Inhumanität, Menschenverachtung, Erniedrigungen, die eine sadistische Phantasie zu nicht enden wollenden Exzessen trieb, für seelische und körperliche Qualen sowie erbarmungslose Ausbeutung".1 600 000 „Imis" - das war der größte, wichtigste Arbeitskräftezufluß für die deutsche Kriegswirtschaft in der letzten Kriegsperiode. Der Rüstungsminister hatte sich in großer Eile Hitlers Plazet dafür verschafft, sämtliche italienischen Gefangenen in der Rüstungsindustrie einzusetzen. In einem offiziellen Schreiben erteilte die Zentrale Planung dem GBA am 16. September 1943 die entsprechende Auflage: „Auf ausdrückliche Anweisung des Führers müssen die anfallenden italienischen Kriegsgefangenen ausschließlich der gewerblichen Kriegswirtschaft zugeführt werden. Hierzu bestimmt die Zentrale Planung, daß 1.) alle bergbautauglichen italienischen Kriegsgefangenen vorweg dem Bergbau, 2.) für die Schwerindustrie geeignete Kräfte zur Abdeckung des dort von mir anerkannten Bedarfs zu verwenden sind. 3.) Es ist notwendig, daß die Gauar1 Siehe das grundlegende Werk von Schreiber, Gerhard, Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943 bis 1945. Verraten - Verachtet - Vergessen, München 1990 (hier: S. 578); ferner Cajani, Luigi, Die italienischen Militär-Internierten im nationalsozialistischen Deutschland. In: Europa und der „Reichseinsatz". Hrsg. Ulrich Herbert, Essen 1991, S. 295 ff.; Herbert, Ulrich, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes" in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Berlin/Bonn 1985, S. 259 ff. Siehe auch Abschnitt 2 und 3 im vorl. Kap.

224

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

beitsämter angewiesen werden, die italienischen Kriegsgefangenen grundsätzlich zunächst nur zur Abdeckung des Bedarfs an Rotzetteln und Listen einzusetzen." 2 Die RüstungsWirtschaft erhielt hiervon schon am 18. September durch Runderlaß Speers Kenntnis.3 „Lichtblick: Italiener. ... Ausdrücklicher Wunsch RMin Speers, daß sich die Außenstellen der RVE bei Sichtung der zur Verfügung stehenden Italiener einschalten." 4 Die Rüstungskonzerne sahen nun, nach dem Ausscheiden Italiens als Bundesgenosse, auch Möglichkeiten, ungehemmter in Italien selbst Arbeitskräfte zu werben: „Lichtblick: Zivil-Italiener in Italien." 5 In oberschlesischen Bergbaukreisen war man von der Aussicht, italienische Kriegsgefangene zu bekommen, anscheinend nicht allzu begeistert. Von den Italienern sei, so räsonierte man im Schaffgotsch-Konzern, „voraussichtlich nur eine ganz geringe Leistung zu erwarten"; man werde wohl drei Italiener für einen deutschen Bergmann nehmen müssen. „Herr Dr. Verres meint aber trotzdem nicht, daß diese drei Italiener auch nur annähernd einen deutschen Bergmann in seiner Leistung ersetzen werden." 6 Nichtsdestoweniger wurden in den folgenden Wochen und Monaten Beschwerden gerade aus dem Steinkohlenbergbau und vom GB Chemie laut, daß ihnen zu wenig italienische Militärintemierte zugewiesen würden.7 Hoffnungen auf mehr „Ostarbeiter" zerschlugen sich rasch. Noch Anfang Oktober 1943 rechneten die Ruhrkonzerne mit vermehrter Zufuhr. „Weitere Lichtblicke sind dadurch gegeben, daß im Zuge der Absetzbewegungen unserer Heere im Osten Zivilrussen mit zurückgeführt werden. Ausmaß dieser neuen Kräfte noch nicht zu übersehen." 8 Mitte November - die Rote Armee hatte inzwischen Kiev genommen und war über den Dnepr weiter nach Westen vorgestoßen - war die Enttäuschung allgemein: „Aus Rußland ist entgegen den Erwartungen im Zusammenhang mit geplanten Rückführungen bei Absetzbewegungen keine Arbeitskraft hereingekommen." 9 2 BÄK, R 3/1597, Bl. 12, Zentrale Planung (Funk/Milch/Speer) an GBA, 16.9.1943. 3 BAP, Siemens AG, Nr. 5624, RErl. RMRuK, „Betr. Einsatz der Italiener", 18.9.1943. Rotzettel und Listen = jeweils mit dem GBA abgesprochene Arbeitskräfteanforderungen für vorrangige Rüstungsfertigungen. 4 BÄK, R 13 1/592, Prot. d. Sitzung des Engeren Beirats Nordwest der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie am 8.10.1943. 5 Ebenda, Sitzung am 17.11.1943. - Nach Goebbels war die italienische Beute, besonders an Arbeitskräften, ein „gutes Geschäft"; s. II, S. 242. Generaloberst Alfred Jodl, Chef des Wehrmachtführungsstabes, sah einen Ausweg aus dem „Dilemma des Menschenmangels": „Glücklicherweise zeigt sich der Verrat Italiens hier von seiner guten Seite. Der Zustrom von Militär-Internierten und Arbeitern aus Italien wird eine erhebliche Erleichterung auf diesem Gebiet bringen." (IMG, Bd. 37, S. 662, Dok. L-172, Rede vor den Reichs- und Gauleitern der NSDAP (Entwurf), 7.11.1943). 6 WAP Katowice, Oberschlesisches Institut für Wirtschaftsforschung, Nr. 2, AN üb. Bespr. mit Dr. Verres/Schaffgotsch in Gleiwitz, 9.11.1943. 7 BAP, FS, Film 8322, AN üb. Bespr. GB Chemie/HA Bau, 8.12. 1943; Thyssen-Archiv, VSt/619, AN Vereinigte Stahlwerke üb. Bespr. beim GauAA Essen, 6.1.1944: „Obwohl eine viel höhere Zahl an italienischen Militärinternierten zugesagt wurde, seien nur 7 500 dem Bezirk zur Verfügung gestellt, die aber zu 90 Prozent der Eisen schaffenden Industrie zugeteilt seien." 8 WieAnm. 4. 9 WieAnm. 4; Sitzung am 17.11.1943.

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Krise des „Arbeitseinsatzes" Tabelle 85 Verteilungsplan Speers und Sauckels flir italienische Ende September/Anfang Oktober 1943 Zusammen („zunächst") davon Schwerindustrie Sonstige gewerbliche Kriegswirtschaft Kohlenbergbau Sonstiger Bergbau Ernährungswirtschaft, Emtenotstände Be- und Entladekolonnen Reichsbahn Reichspost Bausektor

Militärintemierte,

440 000 30 000 150 000 115000 5000 60000 11000 15 000 10000 25 000

Quelle: Demps, Zwangsarbeiter 1943, S. 839; Bericht des GBA v. 5.10.1943, „Der Arbeitseinsatz im III. Quartal 1943".

a) Das Fiasko des GBA Im ersten Halbjahr 1944 brach die Position des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zusammen, und andere Bedingungen und Machtstrukturen bildeten sich in dem vielschichtigen Organisationsgefüge des deutschen und ausländischen „Arbeitseinsatzes" heraus. Der Absturz des europäischen „Menschendiktators" Sauckel in die Unbedeutendheit und die Ausbreitung der Machtbefugnisse von Speer, Himmler, Goebbels, der DAF und der Wehrmacht auf diesem Gebiet kann hier nur grob skizziert werden. Am 20. Dezember 1943 berichtete Sauckel dem „Führer" über den drastischen Rückgang der Arbeiterrekrutierung, besonders in Westeuropa. In den ersten sieben Monaten des Jahres 1943 seien noch 391 000 Franzosen, 117 000 Belgier und 138 000 Niederländer nach Deutschland gekommen; von August bis Dezember waren es nur noch 26 000 Franzosen (6,8 Prozent), 13 000 Belgier (11 Prozent) und 20 800 Niederländer (15 Prozent).10 Der GBA gab mehrere „Gründe für den Zusammenbruch des Westarbeiter-Einsatzes" an: „1.) Verstärkung des Widerstands der einheimischen Bevölkerung. 2.) Uneinheitliche Auffassung ... bei den deutschen Dienststellen". Die Militärbefehlshaber in Frankreich und Belgien „befürchten z. B. Verstärkung der Widerstandsbewegung, insbesondere Gefährdung der Transporteinrichtungen"; die Rüstungsdienststellen „befürchten Leistungsrückgang in den deutschen Rüstungsbetrieben der besetzten Gebiete und Streiks." An dritter Stelle nannte Sauckel die „mangelnde Aktionsfähigkeit und mangelnde Autorität wie unzureichende Exekutivmittel, aber auch mangelnde Entschlossenheit der französischen Regierung." Der Rüstungsminister hielt es für erforderlich, daß Hitler sich mit der Arbeitskräftesituation befaßte und vor allem eine Entscheidung zu seinen Gunsten über die sogenannten Sperr10 BÄK, R 43 11/651, Bl. 188 ff., GBA-Bericht v. 20.12.1943. Hiernach auch das Folgende.

226 betriebe traf. Die Spannungen zwischen ihm und dem GBA in dieser Frage hatten sich seit dem Speer-Bichelonne-Abkommen von Mitte September 1943 angebahnt; doch in den ersten Monaten des Jahres 1944 brach der offene Streit um die sogenannten Schutzbetriebe oder Sperrbetriebe (S-Betriebe) in Frankreich und anderen Ländern (Belgien, Niederlande) - manchmal auch als Speerbetriebe bezeichnet - aus, in denen die Arbeiter vor dem Abtransport nach Deutschland geschützt waren." Speer erklärte Hitler Mitte Dezember 1943, es komme „in der Hauptsache darauf an, die Industrie Frankreichs für Deutschland mehr auszunutzen, um dort etwa eine Million Arbeitskräfte zusätzlich unterzubringen. Demgegenüber stehe Sauckel auf dem Standpunkt, daß in erster Linie Arbeitskräfte nach Deutschland gebracht werden müßten." Es gehe dabei auch um die Einheitlichkeit der deutschen Okkupationspolitik, „da sonst ein Prestigeverlust Deutschlands und eine Unordnung im französischen Arbeitseinsatz unvermeidlich sei".12 In der Zentralen Planung war das Thema am 21. Dezember Gegenstand ausführlicher Erörterungen. Es bestand Einigkeit darüber, daß in Frankreich und anderen besetzten Ländern für Deutschland produziert werden müsse, wenn nur irgend deutsche Arbeitskräfte dafür in Deutschland frei würden. „Speer: Wir stehen mit Sauckel wegen Frankreich in einer Differenz, weil ich der Meinung bin, in Frankreich müssen die französischen Arbeitskräfte für Fertigungen aktiviert werden, die für Deutschland gemacht werden, damit wir in Deutschland die freiwerdenden Arbeiter in die Rüstung stecken. Die deutsche Arbeitskraft ist in Deutschland viel mehr wert. Ich kann zum Beispiel Textilarbeiter viel schneller anlernen für andere Industrien als einen französischen Arbeiter. Funk: Dasselbe ist mit der italienischen Produktion der Fall, die Schieber uns versprochen hat und die uns auch schon die Arbeiter wegzog."13 Speer kündigte an, daß am 4. Januar 1944 die Probleme des „Arbeitseinsatzes" Hitler vorgetragen werden sollten und daß eine Vorbesprechung zwischen ihm, Sauckel, Himmler, Keitel und Lammers verabredet sei, „in der die Frage einer Exekutive bei einer Sauckelaktion in Frankreich, Holland und Belgien geklärt werden" solle.14 Die Beratung bei Hitler, an der außer den Genannten Milch und Backe teilnahmen, verlief äußerlich ohne die Dramatik, die ihrem Gegenstand innewohnte.15 Die Bedarfsrechnung, die aufgemacht wurde, wies über vier Millionen neu zu gewinnende Arbeitskräfte aus: ,,a) zur Erhaltung des Beschäftigtenstandes in der gesamten Kriegswirtschaft einschließlich Landwirtschaft bzw. zur Ersetzung von Abgängen infolge Einziehung zur Wehrmacht, Tod, Krankheit, Vertragsablauf usw.... 2 500 000 ... 11 12 13 14

Siehe II, S. 160 f.; S. 241 f.; Kehrl, S. 344 ff.; Herbert, Fremdarbeiter, S. 253 ff. FB, 16./17.12.1943, Punkt 8. ZPP, 52. Sitzung, 21.12.1943; teilweise auch als Dok. Speer-9 in IMG, Bd. 41, S. 414 f. Wie Anm. 13. Ähnlich schon in der Besprechung mit Hitler (s. Anm. 12). Abweichend Speer, Erinnerungen, S. 333 (nur Himmler und Keitel). Nach Speer (ebenda, S. 564, Anm. 21) hieß es am 4.1.1944 in der Chronik: „Der Minister hofft, daß er mit Hilfe von Himmler und Keitel den gefährlichen Wiederanlauf der Sauckel-Aktionen vermeiden könne ...". In der Quelle (BÄK, R 3/1739) ist diese Stelle nicht zu finden. 15 Hier ist DZW, Bd. 5, S. 370, zu korrigieren. Siehe auch Homze, Edward L., Foreign Labor in Nazi Germany, Princeton, N. Y„ 1967, S. 147 ff.

Krise des Arbeitseinsatzes"

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b) für zusätzliche Rüstungsaufgaben bzw. für besondere Führerprogramme... 1 300 000... c) zur Erfüllung von Führerforderungen bzgl. Luftschutzbauten ... 250 000 ... zusammen 4 050 000." 16 Der gesamte Plan verriet eine Euphorie, die kaum von allen Anwesenden geteilt worden sein kann. Sauckel erklärte, er wolle „mit fanatischem Willen den Versuch machen", den von Hitler bestätigten Auftrag zu erfüllen. Allerdings sei er diesmal, anders als sonst, „mit dem besten Willen nicht in der Lage, eine feste Zusage zu geben." Nach seinen Vorstellungen sollten aus Italien anderthalb Millionen, aus Frankreich eine Million, aus den besetzten sowjetischen Gebieten und dem Generalgouvernement zusammen 600 000, aus Belgien und den Niederlanden je 250 000 Arbeitskräfte nach Deutschland deportiert werden. Aus „inneren deutschen Reserven" sollte „bei äußerster Anstrengung" eine halbe Million, der Rest (100 000) aus anderen europäischen Ländern geschöpft werden (insgesamt 4,2 Millionen). Der GBA wurde von Hitler ausdrücklich dazu verpflichtet, „daß die von Reichsminister Speer in den französischen Rüstungsbetrieben beschäftigten Arbeitskräfte vor einem Abzug geschützt werden". Der Rüstungsminister erhob unter diesen Umständen keine Einwände gegen das GBAProgramm und schien sich ganz hinter die von Hitler autorisierten Zahlen zu stellen. Demgegenüber gab es Stimmen aus seinem eigenen Ministerium, etwa dem Planungsamt, die das GBA-Programm in seiner Höhe als „vollkommen abwegig" bezeichneten. Kehrl nannte es „eine Utopie und darüber hinaus eine schwere politische Gefahr für Deutschland" I7 , ließ aber nichtsdestoweniger bis Mitte Februar eine Bedarfsliste über mehr als 4,4 Millionen Arbeitskräfte berechnen, in der allerdings auch die Fluktuation durch Arbeitsplatzwechsel („unechte Fluktuation") mit etwa einer Million Arbeitskräfte enthalten war. Immerhin übermittelte Speer nach Schluß der Konferenz, noch aus dem Führerhauptquartier, der Rüstungsinspektion Paris die „Führerweisung" in der Form, daß die Sperrbetriebe „beschleunigt und bevorzugt" mit Arbeitskräften aufzufüllen und „die jetzt tätigen und in Zukunft durch freie Werbung oder durch Vermittlung hereinfließenden Arbeitskräfte in den Sperrbetrieben in den besetzten Gebieten und Italien vor jedem Abzug nach Deutschland zu schützen sind." 18 Seine eigentliche Strategie formulierte der Minister wenig später in seiner „Führervorlage 1" vom 25. Januar in Gestalt der Forderung, gerade auch der GBA müsse „wirklich bedingungslos" seinen fachlichen Weisungen entsprechen und sich ausschließlich „als Helfer für die Aufgaben der Rüstung" ansehen.19

16 IMG, Bd. 27, S. 108, Dok. PS-1292, Sauckel an Lammers, 5.1.1944. Hiernach (S. 107 ff.) das Folgende; s. a. ebenda, S. 104 ff., AN Lammers, 4.1.1944. 17 BAP, Fall XI, Nr. 188, Protokoll, Vernehmg. Werner Bosch (PlAmt), 20.9.1948; s. a. Kehrl, S. 344; S. 346 ff. 18 IMG, Bd. 41, S. 415 f., Dok. Speer-10, Fernschr. Speers an General Studt, 4.1.1944. Anscheinend gingen solche Schreiben auch an die Rüstungsdienststellen in Belgien, den Niederlanden und Italien. 19 BAP, FS, Film 3385. Siehe auch Kapitel I im vorl. Bd.

228 Tabelle 86 Arbeitskräfteprogramm

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

des Planungsamtes für 1944 (in 1 000) I. Quartal

Landwirtschaft Forst- u. Holzwirtschaft Rüstung u. Kriegsproduktion Luftschäden Verkehr Verteilung Öffentliche Verwaltung Wehrmachtsverwaltung Summe

70 40' 544 2 100 854 —

625 130 1 031

II.-IV. Quart. 70 —

3 000 50 265 — — —

3 385

Insgesamt 140 40 3 544 1503 350 —

62 130 4416

') Davon 25 000 für die Forstwirtschaft und 15 000, davon 8 000 Frauen, für die Holz Wirtschaft gegenüber einem Friedensbedarf von 150 000 männl. und 40 000 weibl. Saisonarbeitern bei jetzt bedeutend erhöhtem Einschlag (1943: 70 Mio fm; 1944: 80 Mio fm) und besonders starker Auskämmung durch Einberufung. 2 ) Zusammen mit dem GBA ermittelt als Sofortbedarf für Februar.3) 150 000 sind der Minimalbedarf; zusätzlich zu den bis jetzt eingesetzten 70 000 OT, 100 000 GB Bau und 118 000 Handwerkern im Orts- und Gaueinsatz und 42 000 zentral eingesetzten Kräften. Die beweglichen Formationen sind zu vermehren und jeweils zu verstärken durch örtliche Unterstützung, insbesondere durch die durch Fliegerschäden Freigesetzten. 4) Davon 75 000 Reichsbahn, 1 000 Binnenschiffahrt, 7 000 Kraftverkehr, 2 000 Kleinbahn. 5 ) Davon 27 000 Reichspost und 35 000 Rotes Kreuz. Quelle: ZPE, 53. Sitzung, 16.2.1944.

Sauckel dachte nicht daran, sich mit einer derartigen Rolle zufriedenzugeben, und so kam es am 1. März 1944 auf einer Sitzung der Zentralen Planung zu heftigen Auseinandersetzungen. Der GBA ging angesichts des sich deutlich abzeichnenden Fiaskos seines Programms, das er auf Biegen oder Brechen durchsetzen wollte, in die Offensive und griff die S-Betriebe frontal an. Er sehe, sagte er, „in dem überspitzten Schutzbegriff in Frankreich eine schwere Gefahr für den Einsatz für Deutschland.... Der S-Betrieb in Frankreich ist nichts anderes als eine Abschirmung vor dem Zugriff Sauckels! ... Wenn wir in Deutschland, wo wir die Betriebe in der Hand haben, wo wir auch noch eine andere Arbeitsdisziplin haben und andere Arbeitsleistungen hervorbringen als in Frankreich selber, auf diese Leute (aus den S-Betrieben - D. E.) verzichten, dann verzichten wir auf die Qualität, und ich kann nur die minderwertigen Elemente ... nach Deutschland bringen. ... Ich bin der Ansicht, daß überhaupt die Einführung der S-Betriebe ein großer, das gesamtdeutsche Interesse schädigender Fehler gewesen ist." 20 Er müsse die S-Betriebe kontrollieren, die überflüssigen Arbeitskräfte, besonders Fachkräfte, herausholen und brauche dafür ausreichende Exekutivgewalt, vor allem die Unterstützung durch die Besatzungstruppen. Milch, der die Sitzung leitete, erinnerte sich später, die Kontrahenten seien „wie bissige Hunde" aufeinander losgegangen.21 Speer war abwesend; trotzdem stand der GBA offen20 ZPP, 54. Sitzung, 1.3.1944. Hiernach auch das Folgende. 21 BAP, Fall XI, Nr. 215, Vemehmg. Milch, 13.10.1948.

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sichtlich auf verlorenem Posten. Die Amtschefs des Rüstungsministeriums (Kehrl, Schieber, Waeger) lehnten kategorisch „eine Durchlöcherung des Prinzips der S-Betriebe (als) völlig ausgeschlossen" ab und beriefen sich auf Hitlers Votum vom 4. Januar.22 Kehrl hatte ein weiteres getan und sich schon unmittelbar nach der Besprechung bei Hitler auf eigene Faust mit den Okkupationsbehörden in Frankreich, Belgien und den Niederlanden darüber verständigt, Sauckels neuerlichen Aktionen zuvorzukommen und „alles, was nicht niet- und nagelfest ist", zu Sperrbetrieben zu erklären.23 Die genannten Stellen waren angesichts der wachsenden Krise des Okkupationsregimes und in Erwartung der Invasion selbst dringend daran interessiert, Kräfte zu sparen und die Bevölkerung ruhigzuhalten, und reagierten prompt.24 Große Differenzen gab es auch in der zweiten zentralen Frage der Arbeitskräftebeschaffung, die die verfügbaren „inneren deutschen Reserven" betraf, besonders die Dienstverpflichtung nichtarbeitender deutscher Frauen. Sauckel leugnete die Möglichkeit, die deutsche Bevölkerung durch Arbeitspflicht, Umsetzung und „Auskämmung" in wesentlich größerem Umfang als bisher zur Rüstungsarbeit heranzuziehen. Seine These, „daß es praktisch einen deutschen Arbeitseinsatz männlicher- und weiblicherseits nicht mehr gibt; er muß als erschöpft angesehen werden"25, versuchte er durch eine Aufrechnung des deutschen gegen den britischen Fraueneinsatz zu stützen; danach waren in Deutschland fast 60 Prozent aller Frauen im Alter von 14 bis 65 Jahren „beschäftigt" (eingeschlossen Selbständige, mithelfende Familienangehörige, Wehrmachthelferinnen u. a.) - nach seiner Rechnung ebenso viele wie in England. Die Zentrale Planung und das Rüstungsministerium beklagten dagegen schon seit längerem „ein völliges Versagen der Mobilmachung der deutschen Frau für die Arbeit und Rüstung" und hatten andere Rechnungen aufgemacht (46 Prozent beschäftigte deutsche Frauen).26 22 ZPE, 54. Sitzung, 1.3.1944. 23 Kehrl, S. 347 f. Siehe auch IMG, Bd. 41, S. 415 f., Dok. Speer-10, Speer an General Studt, Paris, 4.1.1944. 24 Siehe BAP, Fall XI, Nr. 374, Dok. NG-1838, Affid. Abetz, 30.5. 1947. - Jodl notierte auf seiner „Großen Besichtigungsreise West" am 13.1.1944: „General v. Stülpnagel. ... 2) Gefahr der Aktion Sauckel, muß man auf freiwilliger Basis hinhalten bis zur Landung (der Alliierten - D. E.)." (IfZ, ED 115, NL Jodl, TB Jodl, Bd. III). 25 ZPP, 54. Sitzung, 1.3.1944. Hiemach auch das Folgende. 26 ZPP, 53. Sitzung, 16.2.1944. Nach den Berechnungen des USSBS standen 45 Prozent der weiblichen arbeitsfähigen Bevölkerung in Deutschland per 31.3.1944 im Beschäftigungsverhältnis, hingegen nur 35 Prozent im nichtlandwirtschaftlichen Sektor (The Effects, S. 38, Tab. 16). Der Erfolg der britischen Frauenmobilisierung stand dazu in „bedeutsamem Kontrast". Ein Charakteristikum war die Zahl der Hausgehilfinnen, die in Deutschland gegen 1939 nur wenig abnahm (1939: 1,58 Mill.; 1943: 1,44 Mill.; Sept. 1944: 1,3 Mill.), in Großbritannien dagegen zwischen 1939 und 1943 von 1,2 auf 0,5 Mill. sank. Stark angewachsen und weit über doppelt so groß war auch der deutsche Behördenapparat. (Ebenda, S. 34; S. 215, Tab. 15). Bei den Hausgehilfinnen handelte es sich anscheinend gerade bei den Nazi-Emporkömmlingen um einen neuralgischen Punkt; so argumentierte Sauckel auf einer Besprechung bei Hitler am 25.4.1944: „Wenn in Deutschland jetzt zum Beispiel die Hausmädchen eingezogen werden, wird vieles absurd, zum Beispiel daß ein verantwortlich tätiger Mann sich die Stiefel selbst putzen muß ..." (BÄK, R 43 11/651, Niederschrift Bormanns, 25.4.1944).

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

Den Beteiligten schien damals der Ausgang des Kampfes noch ungewiß, zumal da Speer langwierig erkrankt und seine Position zeitweilig geschwächt war. „Es überschneiden sich", so urteilte man in der Reichskanzlei, „zwei Totalitätsansprüche, nämlich der des GB A auf die Bewirtschaftung der gesamten Arbeitskraft Europas zugunsten der deutschen Kriegswirtschaft und der des Rüstungsministers auf Führung der Kriegsproduktion. Die Entscheidung, welcher Anspruch vorgeht, kann nur der Führer treffen." 27 Der Rüstungsminister blieb unterdes nicht müßig. Er setzte Sauckel unter Druck. Die Rüstungsprogramme (neue U-Boote, Torpedos, Pak, Fliegerbordwaffen, Infanteriegeschütze und andere) könnten nicht erfüllt werden, schrieb er ihm, wenn Mitte März trotz der üblichen Erfolgsmeldungen des GBA noch nicht einmal die Januar-Rotzettel und die Februarzettel kaum zur Hälfte mit Arbeitskräften beliefert worden wären.28 Wenn Ostarbeiter kämen, so beständen die Transporte bis zur Hälfte, verschiedentlich noch darüber, aus Kindern unter 14 Jahren, Altersschwachen, Kranken und Verwundeten.29 Er müsse seine Zusage wahrscheinlich zurücknehmen, „die durch den Mangel an Arbeitskräften in den einzelnen Rüstungszweigen hervorgerufenen Programmverzögerungen bei meinen Vorträgen beim Führer nicht auf diese tatsächliche Ursache zurückzuführen".30 Hitler verhielt sich vorsichtig, wohl weil er auf den Rüstungsminister und seinen eingespielten und erfolgreichen rüstungswirtschaftlichen Apparat zu sehr angewiesen war. Mitte April schickte er Sauckel von einer Audienz wieder unverrichteterdinge nach Hause und beriet sich erst am 25. April, als Speer wieder in Berchtesgaden erscheinen konnte, mit beiden unter Anwesenheit von Lammers, Bormann, Ley, Fischböck, Abetz und Liebel (Zentralamt RMRuK). Den wichtigsten Besprechungspunkt bildeten die S-Betriebe. Speer handelte einen für sich sehr günstigen Waffenstillstand mit dem GBA aus. Er gestand ihm zu, sich an „Besichtigungen" der S-Betriebe zu beteiligen. „Vereinbart wird Kommission, die französische Betriebe besichtigen soll, aus Männern von Speer und Sauckel, unter Vorsitz von Speers Männern." 31 Neue S-Betriebe sollten von nun an unter Beteiligung des GBA eingerichtet werden. Dafür bekräftigte Hitler es vor allen Anwesenden als sein letztes Wort, „daß im Zweifelsfalle die endgültige Entscheidung von Reichsminister Speer zu treffen sei".32 Während die Auseinandersetzungen zwischen Rüstungsminister und GBA in den ersten Monaten des Jahres 1944 recht gut bekannt sind33, ist kaum untersucht worden, wie sie im Sommer beigelegt wurden. Ihr Ausgang kann in zwei Phasen beschrieben werden. Die erste 27 BÄK, R 43 11/651, AN f. Lammers, 18.4.1944. Siehe auch Rebentisch, S. 512 f. 28 BAP, FS, Film 3857, Speer an Sauckel, 22.3.1944 (1. Fassung 14.3.1944). - „Von 63 000 Rotzetteln im Januar und Februar wurden 20 000 nicht abgedeckt, obwohl nach Gauleiter Sauckel im selben Zeitraum über 300 000 Arbeitskräfte der Kriegswirtschaft zugeführt wurden. Herr Minister Speer hat die Aufklärung dieses Widerspruchs persönlich in die Hand genommen." (BÄK, R 70 Polen/78, Ndschr. üb. Bespr. der Vorsitzer der Rüstungskommissionen, 16.3.1944). Siehe auch IMG, Bd. 41, S. 442 f., Dok. Speer-32, Speer an Sauckel, 11.3.1944. 29 BÄK, R 3/1597, Speer an Sauckel, 25.1.1944. Siehe II, S. 274. 30 WieAnm. 28. 31 BÄK, R 43 11/651, Niederschrift Bormanns, 25.4.1944. 32 Ebenda, Niederschrift Lammers', 27.4.1944. 33 Siehe Milward, Kriegswirtschaft, S. 88 f.; Janssen, S. 125 ff.; Homze, S. 194 ff., S. 223 ff.; Herbert, Fremdarbeiter, S. 251 ff. Ferner Speer, Erinnerungen, S. 333 f. u. Kehrl, S. 341 ff.

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umfaßte die Zeit bis Mitte des Jahres. In dieser Zeit entzogen die militärischen und politischen Ereignisse im Westen (Invasion), im Osten (Belorussische Operation der Roten Armee) und weitgehend auch in Italien dem GBA die Grundlagen für seine Tätigkeit in den besetzten Gebieten. Die zweite Phase ist durch die Unterwerfung des GBA unter die Entscheidungsgewalt des Rüstungsministers, durch seine schleichende Entblößung von allen wesentlichen zentralen Funktionen und, während der letzten Kriegsphase, durch seinen Rückzug in die relative Bedeutungslosigkeit seines Gauleiterpostens charakterisiert. Nichtsdestoweniger produzierte er als GBA noch bis zuletzt zahlreiche „Programme" und zweifelhafte Berichte. Im Mai 1944 brachte Sauckel mit Hilfe der Okkupationsbehörden und des Auswärtigen Amtes zwar noch Abkommen mit der französischen und der italienischen (Mussolini-) Regierung über den jahrgangsweisen Aufruf zur Arbeit in Deutschland zustande.34 Aber die Ereignisse gingen über diese Pläne und Verträge hinweg. Am 28. Juni signalisierte Sauckel bereits, daß die Ergebnisse der deutsch-italienischen Vereinbarung „außerordentlich zu wünschen übrig" ließen. „Die bisherigen Aufrufe ganzer Jahrgänge sind nur zu einem ganz geringen Bruchteil befolgt worden." 35 Zur gleichen Zeit meldeten auch die deutschen Rüstungskonzerne, daß ihre Freiwilligenwerbung de facto zusammengebrochen sei. Die Werber eines in Frankreich eingerichteten Betriebs des Zeiss-Konzerns berichteten: „Unter den heutigen Umständen ist eine Werbung von Arbeitern für Deutschland nicht nur sehr schwierig, sondern fast unmöglich. Alles, was freiwillig hatte gehen wollen, ist abgereist. Soweit ich übersehen kann, können Arbeiter nur noch mit starken polizeilichen Mitteln ins Reich geschafft werden, aber auch da wird jede Ausweichmöglichkeit genützt. ... Es ist beispielsweise einem Herrn (von Zeiss - D. E.) in Orléans gelungen, 35 geeignete Arbeiter durch Auskämmen kleiner und kleinster Betriebe zu finden, aber es haben sich am Bahnhof schließlich nur drei Mann eingefunden, der Rest war verschwunden."36 In Italien blieben alle Bemühungen um Freiwillige gleichfalls „zwecklos", wie der für die deutsche Flugzeugindustrie verantwortliche Werber dem Chef des Focke-Wulf-Konzerns meldete, „insbesondere nachdem durch die m. E. vollständig unzweckmäßigen und verfahrenen Methoden der zwangsweisen Einziehung der Arbeiter zum deutschen Arbeitseinsatz und zur Wehrmacht eine Meldung freiwillig für den deutschen Arbeitseinsatz überhaupt nicht mehr erfolgt." 37 Unter dem Druck der Ereignisse scheint Sauckel die Annäherung an Speer betrieben zu haben. Am 21. Juni 1944, kurz vor der für den Rüstungsminister triumphalen Rüstungstagung in Linz, in deren Rahmen Hitler selbst auftrat, fand in Berchtesgaden ein „Versöh34 BÄK, R 43 11/651, Sauckel an Lammers, 14.5.1944; Lammers an Ribbentrop, 14.5.1944; „Vereinbarung mit der italienischen Regierung über Ausmusterung bestimmter Jahrgänge für den Einsatz im Reich" v. 20.5.1944; Sauckel-Laval-Abkommen v. 12.5.1944. 35 Ebenda, Sauckel an Lammers, 28.6.1944. 36 Ehem. BA des VEB Pentacon Dresden, Ernemann-France, Nr. 162, Ernemann-France an ZeissIkon, 28.6.1944. 37 BA/MA, FS, Film 3956, AN Franz Haberstolz (Stab RMRuK in Italien) für Kurt Tank (FockeWulf), 6.7.1944.

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

nungsgespräch" statt, das Speer am 24. Juni in seiner Linzer Rede erwähnte: „Ich habe mich vor drei Tagen mit dem Pg. Sauckel zusammengesetzt und in einer mehrstündigen schweren Schlacht mit Sauckel verständigt und versöhnt, wie man so sagt. Ich mußte allerdings auf meinem Standpunkt bestehen." 38 Nach der „Berchtesgadener Vereinbarung" vom 22. Juni 1944, dem „Ergebnis langer mühseliger Besprechungen mit und ohne Einschaltung der Reichskanzlei"39, erhielten die Vorsitzer der Rüstungskommissionen sehr weitgehende Befugnisse in bezug auf den „Arbeitseinsatz", insbesondere das Weisungsrecht gegenüber den Präsidenten der Gauarbeitsämter. Sie hatten über den Einsatz aller der Rüstung und Kriegsproduktion zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte zu entscheiden; die Präsidenten der Gauarbeitsämter hatten diese Entscheidungen „in allen Fällen der Bedarfsprüfung, der Bedarfsanerkennung und der Umsetzung von Arbeitskräften ohne Aufschub durchzuführen." 40 Mit seiner Unterschrift unter diese Vereinbarung, die am 21. Juli im Nachrichtenblatt des Rüstungsministeriums veröffentlicht wurde, signalisierte Sauckel offenbar seine Bereitschaft, in der Frage der S-Betriebe zu Kreuze zu kriechen, wenn diese auch mit keinem Wort darin erwähnt wurden. Am 2. Juli 1944 mußte Sauckel Hitler mitteilen, die Arbeitskräftebeschaffung aus Italien und Westeuropa sei „in den letzten Wochen ... praktisch zum Stillstand gekommen" 4 '. Im letzten Quartal (April - Juni) seien aus Italien nur noch 19 140, aus Frankreich 19 160 Arbeitskräfte gekommen. Die inzwischen abgelaufenen Gestellungstermine für zwei für den „Reichseinsatz" aufgebotene italienische Jahrgänge wären nur von 1,8 Prozent der Aufgerufenen wahrgenommen worden - ein „völliger Mißerfolg", den der GBA auf das „Versagen der italienischen Regierung" zurückführte. In Frankreich habe Feldmarschall v. Rundstedt den Jahrgangsaufruf (1924) angesichts der Lage im Lande „ausgesetzt". Dort gebe es jetzt, wo überall Kurzarbeit herrsche, Hunderttausende verfügbare Arbeitskräfte. Aber: „Nur ein verschwindend geringer Bruchteil der französischen Arbeitskräfte leistet der Dienstverpflichtung Folge." Hitler befahl immerhin, sofort eine Sitzung aller beteiligten Ressorts einzuberufen.42 Lammers beraumte für den 11. Juli 1944 eine „Chefbesprechung" in der Reichskanzlei an. Vier Tage zuvor legte Sauckel eine Halbjahresbilanz vor, mit der er für Eingeweihte das Fiasko des „Reichseinsatzes" offenbarte.43 Die aufgeblähten Posten der deutschen Arbeitskräfte (mit Halbtagskräften und Heimarbeiterinnen) und der aus der UdSSR Deportierten (mit Kindern, alten Leuten und anderen „Rückgeführten") sowie die Kriegsgefangenen, die nicht in sein Ressort fielen, machten 83 Prozent des Gesamt"erfolgs" aus.

38 BÄK, R 3/1550, Rede in Linz, 24.6.1944. 39 Chronik, 22.6.1944. 40 IMG, Bd. 34, S. 44 f., Dok. PS-4006, Vereinb. üb. „Gemeinschaftsarbeit des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion", 22.6.1944. 41 BÄK, R 43 11/651, Sauckel an Hitler, 2.7.1944. Hiernach auch das Folgende. 42 Ebenda, Persönl. Adjutant des „Führers" an Lammers, 3.7.1944. 43 BAP, FS, Film 3353, Bericht des GBA, „Der Wirtschaft neu zur Verfügung gestellte Arbeitskräfte vom 1.1. bis 30.6.1944", 7.7.1944. Siehe auch Homze, S. 150.

Krise des .Arbeitseinsatzes" Tabelle 87 Arbeitskräftebeschaffung

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im ersten Halbjahr 1944 (in 1 000) Plan des GBA für das erste Halbjahr 1944

Deutsche Arbeitskräfte Italienische zivile Arbeitskräfte Französische Arbeitskräfte Belgische Arbeitskräfte Niederländische Arbeitskräfte Arbeitskräfte aus den besetzten Gebieten der UdSSR, dem Generalgouvernement, dem Protektorat und den übrigen europäischen Ländern Kriegsgefangene Zusammen

Gemeldete Erfüllung

In Prozent vom Plan

250 1 125 455 125 125

848 37 33 16 15

339 3 7 13 12

350

436 97 1482

125



2 430



61

Quelle: BAP, FS, Film 3353, Bericht des GBA üb. „der Wirtschaft neu zur Verfügung gestellte Arbeitskräfte vom 1.1. bis 30.6.1944", 7.7.1944 (Erfüllung); IMG, Bd. 27, S. 109 f., Dok. PS-1292, Sauckel an Lammers, 5.1.1944 (Plan).

Auf der „Chefbesprechung" vom 11. Juli versuchte der GBA zunächst, Schuldige zu finden. Er sprach von einem „Skandal", von dem „völligen Bankrott der deutschen Autorität in Italien und Frankreich".44 Man habe, so beklagte er sich, „nicht die nötige Härte aufgebracht". Der „Krebsschaden" sei der, daß man seine, Sauckels, „weitgehenden Zuständigkeiten und Vollmachten zur Diskussion gestellt" habe. Er forderte mehr Militär und Polizei zu seiner Unterstützung an und verlangte, mehr Druck auf die landeseigenen Regierungen auszuüben. Es sei notwendig, endlich „Exempel zu statuieren", beispielsweise renitente französische Behördenleiter zu erschießen oder „einen großen Teil der ausstehenden ausgezeichneten italienischen Ernte abzutransportieren, um damit die Rationen der deutschen und ausländischen Arbeiter zu verbessern." Nur der Vertreter des OKW, General Walter Warlimont, sagte dem GBA umfangreichere Unterstützung zu. Er versprach, ihm bei der Zwangsevakuierung großer Städte und bei der Räumung frontnaher Gebiete die arbeitsfähigen Einwohner zuzutreiben, vor allem aber Arbeitskräfte aus den „Bandengebieten" herauszuholen. Kaltenbrunner beklagte die Schwäche der Sipo in den besetzten Gebieten. Eggert Reeder (MV-Chef Belgien/Nordfrankreich) erwog die Verstärkung der Feldgendarmerie auf ganze 200 Mann. Die Mehrheit der Redner, außer Speer und Funk besonders die hochrangigen Vertreter der Okkupationsbehörden in Frankreich und Italien (Michel, Abetz, Rahn, Landfried), stellten sich Sauckels Linie entgegen. Gewaltsame Methoden würden nur „völlige Unordnung und Störung der Produktion" hervorrufen (Rahn), das Erschießen von französischen Funktionären „die Bevölkerung nur um so eher ins maquis treiben" (Abetz). Rahn kritisierte in die44 IMG, Bd. 33, Dok. PS-3819, S. 186 ff., AN für Lammers üb. Chefbespr. am 11.7.1944 betr. „Verstärkte Heranziehung ausländischer Arbeitskräfte", 12.7.1944. Hiernach auch das Folgende.

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

sem Zusammenhang ausdrücklich „die vom Führer wegen der Streiks in Turin angeordnete Vergeltungsaktion, durch die zehn Prozent der Belegschaften als Arbeitsunwillige hätten erfaßt werden sollen." 45 Funk resümierte nach der Sitzung: „Es bestand Klarheit darüber, daß die in der Chefbesprechung in Aussicht genommenen Maßnahmen, insbesondere in den Widerstandsgebieten, keine ins Gewicht fallenden Ergebnisse zeitigen würden ...".46 Diesem Eindruck konnte sich auch Sauckel nicht entziehen. Es war wohl der entscheidende Anstoß für ihn, sich mit dem Rüstungsminister endgültig zu arrangieren. Schon am 16. Juli sprach Speer als Sauckels Gast auf der Wartburg vor den Repräsentanten der GBA-Dienststellen. In Sauckels „Meldung" an Hitler hieß es anläßlich Speers Teilnahme: „Es besteht in allen grundsätzlichen Fragen volles Einvernehmen." 47 Auf der Wartburgtagung verkündete der GBA ein neues „Arbeitseinsatzprogramm" für das zweite Halbjahr in Gestalt von 15 Punkten, das nur noch eine einzige konkrete Zahl enthielt (250 000 „auszukämmende" deutsche Kräfte) und einen einzigen, zudem noch unklaren Hinweis an untergeordneter Stelle auf die „verstärkte Mobilisierung von Arbeitskräften in den besetzten Gebieten und in den befreundeten Staaten".48 Soweit sich das 15-Punkte-Programm nicht in Allgemeinplätzen erschöpfte, war es in seinen beiden Schwerpunkten mit Speer abgestimmt worden; das betraf die radikalere Heranziehung der innerdeutschen Reserven und die Leistungssteigerung der deutschen und ausländischen Arbeitskräfte durch gewisse Zugeständnisse (Lohn und Lohntransfer, Ernährung, Bekleidung). Inzwischen hatten Speer und Goebbels wesentlich weitergehende Maßnahmen des „Totalen Krieges" vorbereitet, die Hitler mehrfach vorgeschlagen und vorgetragen wurden. Diese Verhandlungen, an denen Sauckel keinen Anteil mehr hatte, mündeten schließlich in Goebbels' Ernennung zum „Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz" am 25. Juli 1944.49

b) Letzte

Arbeitskraftreserven

Die Ereignisse an den Fronten und in den besetzten Gebieten hatten zur Folge, daß die Machthaber in Deutschland im Verlauf der Sommermonate des Jahres 1944 ganz andere Arbeitskräfteressourcen als bisher vorrangig zu erschließen gezwungen waren und daß die Arbeitskräftebeschaffung für die deutsche Kriegswirtschaft dementsprechend eine ganz andere Struktur aufwies. An die erste Stelle rückte die Mobilisierung deutscher, besonders 45 Rahn fuhr laut Protokoll fort: „Man habe zu diesem Zweck 4 000 deutsche Kräfte zusammengezogen. Das Ergebnis sei die Abschnürung der Lebensmittelzufuhren nach Turin durch die Widerstandsbewegung und die Unterbrechung der Energieversorgung gewesen, so daß 250 000 Arbeiter hätten feiern müssen. Dies könne im Hinblick auf den beachtlichen Kriegsbeitrag der italienischen Rüstungsindustrie nicht verantwortet werden." (Ebenda). 46 BÄK, R 7/3007, Funk an Lammers, 13.7.1944. 47 BÄK, R 43 11/651, „Meldung" Sauckels an den „Führer", 17.7.1944. 48 BÄK, R 41/237a. Weitere GBA-Programme bzw. Entwürfe vom Juli 1944 s. BÄK, R 43 11/651. 49 Siehe Kap. I im vorl. Bd.; DZW, Bd. 6, S. 222 ff. Quellen v. a. in BÄK, R 43 II/664a.

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Krise des „Arbeitseinsatzes"

weiblicher Arbeitskräfte. Im Juli und August gab Hitler nach langem Sträuben die Genehmigung, das Dienstpflichtalter für Frauen von 45 auf 50 bzw. auf 55 Jahre heraufzusetzen. 50 Reserven in ebenfalls nicht unerheblicher Höhe erschloß der Wirtschaft die „Einschränkung von Verwaltungen und Betrieben". Von den hier frei- und „umgesetzten" Arbeitskräften (455 052) stammten rund 24 Prozent aus dem Haushaltsbereich, 23 Prozent aus dem Bereich des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (vor allem Schulen), 9,5 Prozent aus der Verwaltung der Rüstungswirtschaft, 8 Prozent aus dem Bereich der Reichskulturkammer, 6 Prozent aus dem Innen- und 5 Prozent aus dem Postministerium.51 Tabelle 88 Statistik zur Arbeitskräftebeschaffung für den „totalen Kriegseinsatz", Stand: 31.12.1944 1. Zweite und Dritte Meldepflichtverordnung a) Eingegangene Meldungen b) abschließend bearbeitete Meldungen c) von b) sind einsatzfähige und einsetzbare Personen d) eingesetzte Personen 2. Gewinnung von Arbeitskräften durch die Einschränkung von Verwaltungen und Betrieben a) Für kriegswichtigen Einsatz vorgesehene Kräfte b) umgesetzte Arbeitskräfte

1 783 351 1391 136 899 626 582 884

608 449 455 052

Bemerkungen: GauAA Ostpreußen ohne Goldap, Gumbinnen, Insterburg, Memel, Scharfenwiese, Sudauen und Tilsit.- GauAA Köln-Aachen (ohne AÄ Aachen, Düren, Erkelenz u. Eupen) Stand v. 14.10 - GauAA Essen (für AÄ Duisburg, Essen, Kleve u. Moers v. 23.10.) Stand v. 25.11. - GauAA Düsseldorf Stand v.28.10.- GauAA Baden Stand v. 18.11. - GauAÄ Westfalen-Süd u. Moselland (für AÄ Gerolstein v. 9.9. u. Koblenz v. 18.11.) Stand v. 25.11. - GauAÄ Westfalen-Nord (für AÄ Gelsenkirchen v. 28.10. u. Bielefeld v. 2.12.) u. Westmark (für AÄ Saarbrücken v. 31.10. u. Saarlautern v. 15.11.) Stand vom 9.12. - GauAÄ Kurhessen, Franken u. Salzburg Stand v. 16.12. - GauAÄ RheinMain (für AÄ Gießen v. 25.11. u. Niederlahnstein v. 2.12.) u. Württemberg Stand v. 23.12. - GauAA München-Oberbayem für AÄ München u. Traunstein v. 15.12. Quelle: BÄK, R 41/290a, Bl. 14. Verschiedene andere kleinere und größere Zugänge an Arbeitskräften flössen 1944 aus den deutschen Arbeitskraftreserven in die Rüstung. Relativ bedeutend, wenn auch in ihrem Ausmaß nicht exakt zu erfassen, war die Heimarbeit. Die Erlasse des Rüstungsministers über die „Verlagerung der heimarbeitsfähigen Fertigungen aus den Betrieben der Rüstungsindustrie und der gewerblichen Kriegswirtschaft in die Kriegsheimarbeit" nahmen in Laufe des Jahres 1944 einen immer dringlicheren Tonfall an: „Es müssen alle geeigneten Arbeiten ver50 Siehe Vorgänge in BAP, FS, Film 19482; „Zweite VO über die Meldung von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung", 10.6.1944, in: RGBl. 1944 I, S. 133 f.; „Dritte VO über die Meldung von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung", 28.7.1944, in: RGBl. 19441, S. 168; s. a. DZW, Bd. 6, S. 375. 51 BÄK, R 41/290a, Bl. 15. - Die „Erfassung" der Hausgehilfinnen regelte erst ein GBA-Erlaß vom 11.9.1944 (v. Gersdorff, Ursula, Frauen im Kriegsdienst 1914-1945, Stuttgart 1969, S. 443 f.).

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

lagert werden."52 Dennoch griff die Industrie die Initiative des Ministers nur widerwillig und zögernd auf, da ihr bei Heimarbeit manch zusätzlicher Aufwand entstand. In geeigneten Industriezweigen, etwa der elektrotechnischen, der feinmechanischen und der Textilindustrie, konnten aber durch Vergabe von Heimarbeit zusätzliche Arbeitskräfte in die Rüstung einbezogen werden, vor allem wohl Frauen, die zwar durch die Meldepflicht erfaßt, aber wegen ihrer Kinder oder pflegebedürftigen Familienangehörigen nicht in Betrieben einsetzbar waren. Zu einem hohen Prozentsatz wurde der weibliche Arbeitsdienst in der Rüstungsindustrie eingesetzt. Gering war dagegen die Zahl der für diesen Zweck zu mobilisierenden Studenten und Studentinnen, und gänzlich scheiterte die Absicht, Schüler und Schülerinnen zur Arbeit in der Rüstung zu verpflichten. Zur gleichen Zeit wurden die Schutzbestimmungen für arbeitende Jugendliche weitgehend abgeschafft. Reichsjugendführung, Reichsarbeitsministerium und Rüstungsministerium einigten sich auf eine 56-stündige Wochenarbeitszeit; bei über 16Jährigen seien, so hieß es, auch 60 Stunden vertretbar.53 Im April 1944 regte das Rüstungsministerium „Arbeitsbehandlung" für Insassen von Lazaretten und Krankenhäusern an. Sie sollten gegen Bezahlung Arbeit in der Rüstung leisten, gegebenenfalls auch als Aufsichtspersonal; so könne „eine große Menge zusätzlicher Arbeitsstunden" gewonnen werden. Auch in Tuberkuloseheilstätten sollten, Amtschef Saur zufolge, „leichtkranke Fälle" derartige Arbeit tun.54 In diesem Fall liegt ein Erfolgsbericht des Rüstungsministers vom Jahresende vor. Speer teilte dem Befehlshaber des Ersatzheeres am 15. Dezember 1944 mit, daß von Lazarettinsassen monatlich sieben Millionen Arbeitsstunden für die Rüstung geleistet würden; das entspreche der Leistung von 28 000 Vollarbeitskräften.55 Eine beträchtliche Arbeitskraftreserve waren die in Zuchthäusern und Gefängnissen verwahrten Justizhäftlinge. Ihre Anzahl hatte sich seit 1939 mehr als verdoppelt und betrug im September 1944 fast 200 000, darunter 73 000 Ausländer, meist Jugendliche (etwa 70 Prozent)56. Im Mai waren der Rüstungs- und der Justizminister übereingekommen, alle Strafgefangenen, auch kurzfristig festgesetzte und solche aus kleinen Haftanstalten, „nach Möglichkeit mit größter Beschleunigung für die Rüstungsfertigung einzusetzen."57 Im September befanden sich, wie Justizminister Thierack berichtete, bereits 90 Prozent der Gefangenen „im unmittelbar kriegswichtigen Arbeitseinsatz", entweder in den Gefangnissen selbst oder auf Außenstellen und Baustellen der Rüstungsbetriebe und -dienststellen.58 Seit Ende 1943, als die SS sich mit der unterirdischen Verlagerung der V-Waffen-Produktion beauftragen ließ59, und besonders seit der Bildung des Jägerstabs begann die Beschäfti52 B A Sachsenwerk, vorl. Nr. 55 I, RErl. RMRuK, 17.7.1944; mit Bezug auf Erlasse v. 12.11.1943 u. 13.3.1944. 53 BAP, FS, Film 1729, Erl. RMRuK üb. Jugendarbeitszeit im Rüstungsprogramm", 29.11.1944; hierin zit. Erl. RArbM, 5.9.1944. 5 4 BÄK, R 3/3035, RMRuK (Saur) an Wehrkreisbeauftragte, 8.4.1944. 55 BÄK, R 3/1956, Speer an Jüttner, 15.12.1944. 56 DZW, Bd. 6, S. 2 6 6 f., Bericht Thieracks, Sept. 1944. 57 BÄK, R 22/5022, gemeinsame Erlasse RMRuK u. RMdJ, 12. u. 26.5.1944. 58 W i e A n m . 56. 59 Siehe II, S. 154 ff.

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gung von Konzentrationslagerhäftlingen neue Ausmaße anzunehmen. Die Zahl der „Nebenlager" und „Außenkommandos" wuchs auf ein Mehrfaches, von 165 im April auf über 500 am Jahresende 1944.60 Die Zahl der arbeitenden Häftlinge überschritt eine halbe Million. Ein großer Teil arbeitete unter unbeschreiblichen Bedingungen an der Fertigstellung und Einrichtung der Unter-Tage-Bauten, besonders für die Jagdflugzeug-, Flugmotoren- und V-WaffenProduktion, ein wachsender Teil auch in der Rüstungsproduktion selbst. Kaum ein Rüstungskonzern, der schließlich nicht auch KZ-Häftlinge für sich arbeiten ließ. Unter dem Druck der Arbeitskräftesituation war die SS zunehmend an arbeitsfähigen Häftlingen interessiert. Im August 1944 erwartete das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt noch über 600 000 „Neuzugänge" aus den bisher besetzten Gebieten, darunter 400 000 Einwohner des aufständischen Warschaus, 90 000 ungarische Juden und 60 000 polnische Juden und andere Häftlinge. 61 Was die jüdischen Häftlinge betraf, so vollzog die SS im Frühjahr 1944 tatsächlich eine Wendung vom strikten Verfolg der „Endlösung" zur Aussonderung der Arbeitsfähigen für die Zwangsarbeit in Deutschland. Zweifellos nicht ohne das Plazet Hitlers und, wie Speer bezeugt 62 , mitunter gegen den heftigen Widerstand der Gauleiter geschah es, daß seit Mai/ Juni 1944 Zehntausende Juden, wenn auch bei scharfer Isolierung und Bewachung, in großen und mittleren Rüstungsbetrieben, auf den Baustellen des Jägerstabs usw. in ganz Deutschland eingesetzt wurden, freilich unter mörderischen Arbeits- und Lebensbedingungen.

c) Jüdische Deportierte

aus Ungarn

Ein besonderer, wenig erforschter Teil dieser Tragödie ist die Deportation ungarischer Juden und Jüdinnen zur Arbeit nach Deutschland. In kaum elf Wochen, von Ende April bis Anfang Juli 1944, sind, nach den deutschen „Erfolgs"meldungen, 437 402 von etwa 800 000 ungarischen Juden nach Auschwitz transportiert worden. 63 Die Deportierten sollten - als letzte 60 DZW, Bd. 6, S. 377. Über das Thema ist inzwischen eine umfangreiche Literatur erschienen, darunter viele regionalgeschichtliche Arbeiten; neuestens Struve, Walter, Aufstieg und Herrschaft des Nationalsozialismus in einer industriellen Kleinstadt. Osterode am Harz 1918-1945, Essen 1992 (S. 452 ff.); Wysocki, Gerd, Arbeit für den Krieg, Braunschweig 1992 (S. 136 ff.); Kaienburg, Hermann, „Vernichtung durch Arbeit". Der Fall Neuengamme, Bonn 1990; Fröbe, Rainer, u. a., Konzentrationslager in Hannover, 2 Bde., Hildesheim 1985. Siehe DZW, Bd. 5, S. 221; Bd. 6, S. 273, S. 377; s. a. Abschnitt 3 im vorl. Kap. 61 DZW, Bd. 6, S. 269 (zit. Schreiben des SS-WVHA, 15.8.1944). 62 Speer, Sklavenstaat, S. 402 f. 63 Hilberg, Raul, Die Vernichtung der europäischen Juden, Frankfurt a. M. 1990, Tb-Ausgabe, Bd. II, S. 863 ff. (S. 915). Varga (Varga, Läszlö, Ungarn. In: Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Hrsg. Wolfgang Benz, München 1991, S. 340; S. 351) schätzt die Zahl der ungarischen Juden am 19. März 1944 (nach der Qualifizierung der ungarischen Gesetzgebung) auf 795 000. Nach Varga (ebenda S. 344) erhöhte sich die Zahl der Deportierten durch „Sonderaktionen" u. ä. auf 444 152. - Unmittelbar nach dem 19.3.1944, der Einsetzung der Marionettenregierung Sztojay und der Infiltration Ungarns durch ein Heer deutscher Kommissare und „Berater", hatte das SS-Sondereinsatzkommando Ungarn unter Adolf Eichmann mit seiner Arbeit an der „Endlösung" in Ungarn begonnen.

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter Opfer der „Endlösung" - unmittelbar ermordet werden. Trotzdem „erwachte bei der SS neue Hoffnung auf das große Geschäft" mit jüdischen Arbeitskräften64, besonders da die riesigen Bauvorhaben des Jägerstabs, an denen die SS direkt beteiligt war, ohne große Mengen zusätzlicher Arbeitskräfte nicht ausführbar waren. Erstmals sind ungarische Juden als Arbeitskräfte in der „Führerbesprechung" (Hitler Saur) schon am 6./7. April 1944 erwähnt.65 Hitler erklärte, er werde „persönlich sich mit dem Reichsführer SS in Verbindung setzen und diesen veranlassen, aus Ungarn die erforderlichen etwa 100 000 Mann durch Bereitstellung entsprechender Judenkontingente aufzubringen", wenn für den Bau des von ihm gewünschten großen Unter-Tage-Flugzeugwerks im „Protektorat Böhmen und Mähren" Arbeitskräfte fehlten.66 Im Mai und später war im Jägerstab sehr häufig die Rede von den ungarischen Juden, die man dringend als Arbeitskräfte bei den Bunker- und Höhlenbauten für die Flugzeug-, Flugmotoren-, elektrotechnische usw. Industrie einsetzen wollte. Fröbe bemerkt zu Recht, daß die Vertreter der Industrie schon zu dieser Zeit „genaue Kenntnisse über den Verlauf der Deportationen" besaßen.67 Die Absichten Himmlers, Pohls, Kammlers und des SS-Sondereinsatzkommandos Ungarn unter Adolf Eichmann, um den Preis eines zeitweiligen Aufschubs der „Endlösung" einen Teil der ungarischen Juden zur Zwangsarbeit nach Deutschland zu schaffen, haben anscheinend ständig im Widerstreit mit ihrem grundsätzlichen Ziel gelegen, die „Endlösung" mit der Ermordung aller ungarischen Juden zum erstrebten Abschluß zu bringen, worauf auch Hitler drängte. Für den „Arbeitseinsatz" ungarischer Juden in Deutschland setzten sich dringend der Rüstungsminister, der GBA, die OT und zahlreiche andere Institutionen und Organisationen ein, die nach Berichten aus dem Auswärtigen Amt „zwecks Erfassung von jüdischen Arbeitskräften (aus Ungarn - D. E.) Vertreter nach Berlin entsandt" hatten.68 Unter diesen „Organisationen", die in Berlin im WVHA nach solchen Arbeitskräften geradezu Schlange standen, kann man mit großer Sicherheit die Reichsvereinigung Kohle und die Reichsvereinigung Eisen, aber auch einzelne große Konzerne vermuten. Das Auswärtige Amt beteiligte sich rege sowohl am Zusammentreiben der Juden, an ihrer Deportation und an der Bearbeitung der ungarischen Stellen in dieser Frage als auch an der Diskussion über ihr allernächstes Schicksal. Schon Mitte April scheint, dem Bericht des „Reichsbevollmächtigten und Gesandten des Großdeutschen Reiches in Ungarn", Edmund Veesenmayer, zufolge, zwischen AA, SS, Horthy, dem Honved und dem ungarischen Innen64 Hilberg, S. 998. 65 Schon im Jahre 1943 hatte der Rüstungsminister über das Auswärtige Amt mit der ungarischen Regierung 6 000 Juden für die Arbeit in den serbischen Kupferminen in Bor gegen Kupfer „getauscht" (ebenda, S. 872 f.); s. a. Chronik, 19.7.1943. 66 FB, 6.-7.4.1944, Punkt 17. Die von Hitler genannte Zahl von Arbeitskräften für die große unterirdische Flugzeugfabrik war möglicherweise identisch mit der Forderung der OT, die „für Arbeitseinsatz im Reich ... 100 000 ungarische Arbeitskräfte" bestellte. Diese Arbeiter müßten, so Veesenmayer, „bei dem SS-Verwaltungs- und Wirtschaftshauptamt (SS-Gruppenführer Glücks) angefordert werden, das über die aus Ungarn zum Abtransport kommenden Juden verfügt." (BAP, Fall XI, Nr. 375, Bl. 217, Dok. NG-2059, Tel. Veesenmayer an AA, 8.5.1944). 67 Fröbe, Rainer, Der Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen und die Perspektive der Industrie. In: Herbert (Hrsg.), Europa und der „Reichseinsatz", S. 360 (S. 359 ff.). 68 AdaP, E, Bd. VIII, S. 77, Dok. 39, Aufzeichn. f. Sts., 26.5.1944.

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ministerium Einvernehmen darüber geherrscht zu haben, „daß seitens Ungarns bis Ende April mindestens 50 000 arbeitsfähige Juden dem Reich zur Verfügung gestellt werden. Die praktischen Maßnahmen sind durch eingeleitete Aktion von SD und ungarischer Polizei bereits im Gange." In Kürze würde die ungarische Regierung die Juden zwischen 36 und 48 Jahren zur Arbeit aufrufen und „einziehen"; hierdurch „dürfte es möglich sein, im Laufe des Monats Mai weitere 50 000 Arbeitsjuden dem Reich zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig die Zahl der in Ungarn in Arbeitsbataillonen zusammengefaßten Juden auf 100 000 bis 150 000 zu steigern." 69 Ob und in welchem Umfang diese erste Aktion durchgeführt wurde, ob und wann Transportmittel zur Verfügung standen, ist nicht geklärt. 70 Inzwischen hatte das Eichmann-Kommando Mitte April mit Hilfe der ungarischen Verwaltung und Polizei begonnen, die Juden in großen Sammellagern zu konzentrieren, und am 15. Mai rollte der erste Todestransport nach Auschwitz. Von nun an fuhren täglich vier Züge mit insgesamt 12 000 bis 14 000 Menschen dorthin. Am 9. Juli 1944 waren aus Ungarn 437 402 Juden abtransportiert. 71 Einer der Juden„spezialisten" des Auswärtigen Amtes, Legationsrat Eberhard v. Thadden, besuchte im Mai in Budapest die maßgebenden deutschen Stellen und berichtete über den Gesamtplan Eichmanns, bis Ende Juli 900 000 bis eine Million Juden zu „erfassen". „Nach den bisherigen Feststellungen sind etwa ein Drittel der abtransportierten Juden arbeitseinsatzfähig. Sie werden sofort nach Eintreffen im Sammellager Auschwitz auf die Dienststellen von Gauleiter Sauckel, die OT usw. verteilt." 72 Es ist nicht bekannt, wieviele ungarische Juden in Auschwitz für die Zwangsarbeit in Deutschland (bzw. im Protektorat oder auch im Generalgouvernement) gemustert und reklamiert wurden. Die bei v. Thadden angeführte Größenordnung wird jedenfalls nicht im entferntesten erreicht worden sein, auch wenn man die im Oktober/November 1944 noch im Fußmarsch von Budapest über die nächstgelegene Grenze ins Reich, d. h. nach Österreich, getriebenen Jüdinnen und Juden, nach Varga 76 209, nach anderen Quellen 30 000 bis 50 000, hinzuzählt. 73 Doch die Frage war nicht nur existentiell wichtig für die Betroffenen, für die die Zwangsarbeit einen Aufschub, möglicherweise die Rettung vor dem Tod bedeutete, sondern sie stellte zugleich ein bezeichnendes, besonders düsteres Kapitel der deutschen Zwangsarbeitspolitik dar. Einen allgemeinen Anhaltspunkt geben zunächst die Zahlen über diejenigen, die die Deportation überlebt haben. Varga, der den „Arbeitseinsatz" der ungarischen Juden in Deutschland gar nicht ausdrücklich behandelt, beziffert die Gesamtzahl der Deportierten auf 508 861; davon seien 121 500 bis Ende 1945 nach Ungarn zurückgekehrt, etwa 5 000 hätten überlebt, ohne dorthin zurückzukehren. 74 Muß man hier auch diejenigen abrechnen, die als 69 BAP, Fall XI, Nr. 375, Bl. 212 f., Dok. NG-1815, Tel. Veesenmayer f. Ribbentrop, 14.4.1944. Siehe auch Varga, S. 342. 70 Varga, S. 342 f. 71 Hilberg, S. 914 f. Vor dem 15.5. gab es zwei Voraustransporte mit insgesamt 4 000 Opfem (27. und 28.4.1944; ebenda, S. 901). 72 Wie Anm. 68 (S. 74 ff.). 73 Varga, S. 348 f.; Hilberg, S. 922 ff. (niedrigere Zahlen nach unterschiedlichen Quellen); s. a. AdaP, E, Bd. VIII, Dok. 275; 280; 298. 74 Varga, S. 351. Die Addition der oben angegebenen Zahlen Vargas ergibt allerdings 520 361.

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Untergetauchte oder Kranke dem „Arbeitseinsatz" entgingen, so sind als Zwangsarbeiter in der deutschen Kriegswirtschaft wiederum jene Zehntausende hinzuzuzählen, die während der Arbeit in Deutschland, in den Lagern bzw. Krankenrevieren oder in den letzten Kriegswochen auf Todesmärschen gestorben sind - angesichts der unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen, besonders bei den Unter-Tage-Bauten75, jedenfalls eine sehr bedeutende Zahl. Die Todesrate der ungarischen Juden, wie die der jüdischen und KZ-Häftlinge überhaupt, war weniger hoch in der eigentlichen Rüstungsproduktion, besonders hoch dagegen bei Bauarbeiten, an erster Stelle bei den Untertagebauten. In den Außenlagern des Konzentrationslagers Mauthausen, über die Untersuchungen existieren, lag sie weit über dem Durchschnitt. In Melk zum Beispiel, beim Bau eines unterirdischen Werks für die Kugellagerproduktion von Steyr-Daimler-Puch, starben von Juni 1944 bis Mai 1945 von etwa 3 500 ungarischen Juden 1 432 (41 Prozent); in Ebensee, beim Bau einer ähnlichen Höhlenanlage, 1 849 von etwa 4 000 (46 Prozent). In Melk raffte der Tod die meisten im Winter 1944/45 dahin, in Ebensee noch im März/April 1945.76 Wer nach konkreten Angaben über die Arbeit ungarischer Juden in der deutschen Kriegswirtschaft sucht, findet schließlich eine ganze Reihe von Belegen. Seit dem Sommer 1944 sind sie offenbar überall in Deutschland und auch im Generalgouvernement77, oft in erheblicher Anzahl, in Rüstungsbetrieben und auf Rüstungsbaustellen über und unter der Erde beschäftigt worden. Zuerst scheinen sie vorwiegend beim „Sonderstab Kammler" in den Großbunker- und Höhlenbauten des Jägerstabs gearbeitet zu haben.78 Fritz Schmelter, der Beauftragte des Jägerstabs für Arbeitskräftefragen, hatte sich frühzeitig in Auschwitz umgesehen und war skeptisch in bezug auf die Fähigkeit der Deportierten zu schwerer Arbeit: „Bisher sind zwei Transporte angekommen, die in das SS-Lager Auschwitz gekommen sind. Angeboten wurden für die Jägerbauten Kinder, Frauen und Greise, mit denen sehr wenig anzufangen ist. Wenn nicht schon die nächsten Transporte Männer im arbeitsfähigen Alter bringen, dürfte die ganze Aktion nicht sehr erfolgreich werden."79 14 Tage später bot er den interessierten Firmen außer „etwa 20 000 deutschen KZ-Häftlingen

75 Siehe Fröbe, Der Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen, S. 365 ff.; Kärny, Miroslav, „Vernichtung durch Arbeit" in Leitmeritz. Die SS-Führungsstäbe in der deutschen Kriegswirtschaft. In: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, H. 4/1993, S. 37 ff. 76 Melk: Perz, Bertrand, Projekt Quarz. Steyr-Daimler-Puch und das Konzentrationslager Melk, Wien 1991, S. 316 u. passim; Ebensee: Freund, Florian, Arbeitslager Zement. Das Konzentrationslager Ebensee und die Raketenrüstung, Wien 1989, S. 161; S. 461 u. passim. 77 BÄK, R 70 Polen/78, AN HSSPF/GG, „Punkte für die Besprechung mit dem Präsidenten der Hauptabteilung Arbeit am 3.7.1944": „Grundsätzliches Verbot des RFSS für den Einsatz weiterer jüdischer KL-Häftlinge aus dem Reich oder aus Ungarn im Generalgouvernement." Hieraus kann auf Transporte ungarischer Juden zur Arbeit ins GG bis Juni geschlossen werden. Siehe auch Speer, Sklavenstaat, S. 388 f. 78 Speer, Sklavenstaat, S. 401 f. Über Kammler, der im Jägerstab für Bauangelegenheiten verantwortlich war, zugleich aber auch Himmler unterstand und Beauftragter von Göring war, s. ebenda, S. 331 ff. 79 Hilberg, S. 999; zit. stenogr. Bericht üb. d. Jägerstabsbesprechg. v. 26.5.1944.

241 ... 10 000 bis 20 000 ungarische Jüdinnen" an.80 Damals war das Interesse der Rüstungsunternehmen noch gedämpft, „da die Bewachungs- und Unterbringungsprobleme fast unüberwindlich waren".81 Später mag sich das gegeben haben; Anfang Juni aber, so stellt Hilberg fest, ließ sogar „die I.G.(Farben), Himmlers treuester Kunde,... diesen nun im Stich."82 Noch zwei Monate später fehlten dem IG-Betrieb Agfa Landsberg (Warthe) die „vorgeschriebenen Unterbringungsmöglichkeiten" für 1 000 ungarische Juden, die ihm angeboten wurden. Insgesamt bot der Konzern Anfang August 1944 mehrere tausend ungarische Juden an seine Werke aus. „Die Juden könnten aber nur in Blocks von je 500 Mann übernommen werden. Die Juden würden von SS bewacht, ihre Unterbringung müßte in geschlossenen Baracken erfolgen, der Arbeitseinsatz hinsichtlich getrennter Arbeitsräume usw. entspräche dem von KZ-Angehörigen." 83 Seit Juni/Juli 1944 liefen Transporte mit ungarischen Juden in alle Regionen und Rüstungsbezirke Deutschlands. Um diese Arbeitskräfte und andere Häftlinge jüdischer oder sonstiger Herkunft aus Konzentrationslagern unterzubringen, entstanden häufig werkseigene KZ. Die Bewachung übernahmen immer öfter Werksangehörige, die hierzu eigens bei der SS ausgebildet wurden. Die jüdischen Arbeitskräfte aus Ungarn in den deutschen Rüstungsbetrieben waren, nach den Quellen zu urteilen, überwiegend Frauen. Ein Teil der Männer war von der ungarischen Armee in Arbeitsbataillone eingezogen worden und stand nicht unter deutschem Zugriff. Der größte Teil der männlichen Deportierten wird zur Arbeit bei den unterirdischen Bauten des Jägerstabs unter SS- und OT-Regime gepreßt worden sein. Die betrieblichen Quellen belegen im Sommer und Herbst 1944 häufig einen Zugang an (jüdischen) KZ-Häftlingen, ohne nähere Auskunft über ihre Nationalität zu geben. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelte es sich zu beträchtlichen Teilen um ungarische Juden. Jeweils Hunderte von ungarischen Juden und Jüdinnen arbeiteten in Großbetrieben des Ruhrgebiets, so bei Krupp84 und beim Bochumer Verein.85 Die Henschel Flugzeugwerke hielten sich in Schönefeld bei Berlin ein eigenes Werks-KZ für einige hundert Häftlinge.86 Die Württembergische Metallwarenfabrik in Geislingen erwirkte im Juli, daß ihr das WVHA 700 Jüdinnen aus Ungarn zuteilte.87 Seit Ende Juli verhandelte die Osram GmbH mit dem 80 81 82 83 84

HSG-Archiv, Hamburg, Stenogr. Bericht üb. d. Jägerstabsbesprechg. v. 9.6.1944. Hilberg, S. 1000. Ebenda. BAP, IG Farben, NW 7, Vermittlungsstelle W, vorl. Nr. 44, AN 8.8.1944. DZW, Bd. 6, S. 273 (August 1944). Siehe auch IMG, Bd. 35, S. 55 ff., Dok. D-258 u. D-288, Affid. Trees/Hubert Karden u. Wilhelm Jäger, 17.9. u. 15.10.1945. (erschütternde Berichte üb. d. Lebensumstände der Häftlinge); Hilberg, S. 1000. Ausführlich über das Schicksal von 520 ungarischen Jüdinnen bei Krupp: Manchester, William, Krupp. Zwölf Generationen, München 1968, S. 515 ff., S. 555 ff. 85 Seebold, Gustav-Hermann, Ein Stahlkonzern im Dritten Reich. Der Bochumer Verein 1927-1945, Wuppertal 1981, S. 172 f. (Häftlinge aus Buchenwald; ab Juni 1944). 86 Budraß, Lutz/Grieger, Manfred, Die Moral der Effizienz. Die Beschäftigung von KZ-Häftlingen am Beispiel des Volkswagenwerks und der Henschel Flugzeug-Werke. In: JfW, 1993/2, S. 122 f. 87 Hilberg, S. 1000; Schäfer, Annette, Das Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler in Geislingen/Steige. In: 1999. Zeitschr. f. Sozialgesch. d. 20. und 21. Jahrh., H. 3/1990, S. 98 ff.

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

WVHA wegen 1 750 KZ-Häftlingen für ihre Produktionsstätten in Sachsen und für den Ausbau des Höhlenwerks in Leitmeritz. Seitdem bot das SS-Amt dem Konzern ständig ungarische Juden und andere Häftlinge an, die die Osram-Vertreter sich eigenhändig in Auschwitz und in den KZ-Lagern Flossenbürg und Groß-Rosen aussuchen konnten. Am 13. November meldete die SS beispielsweise, daß wieder 1 200 ungarische Juden in Groß-Rosen zur Auswahl ständen.88 Ende Dezember wiederholte sich das gleiche in Flossenbürg. „Bei den uns zur Verfügung gestellten Häftlingen", berichteten die Osram-Leute ihren Vorgesetzten, „handelt es sich um ungarische Juden, welche fast durchweg im Alter von 20 bis 40 Jahren stehen und körperlich gut aussehen. Der Lagerarzt hatte alle vorher untersucht und in Gesundheitsklassen eingeteilt, so daß es für mich leichter war, kranke und anfallige Leute zurückzuweisen." 89 In einem Werks-KZ in Osterode/Harz gab es „viele ungarische Juden".90 Aus Dresden, Kassel, Thüringen meldeten die Rüstungsdienststellen die Ankunft von Tausenden.91 Die Daimler-Benz-Motorenwerke in Genshagen holten sich im September/Oktober 1 000 ausgesuchte weibliche KZ-Häftlinge aus Ravensbriick, darunter ungarische Jüdinnen.92 Auch unter den 800 KZ-Häftlingen, die der zum Flick-Konzern gehörenden Waggon-Fabrik in Bautzen avisiert wurden, befanden sich sehr wahrscheinlich Ungarn aus Auschwitz.93 Der Weg dieser geschundenen Opfer, die auf solche Weise immerhin dem sofortigen Tod in der Gaskammer entgingen, dürfte vielfach über die Konzentrationslager, meist wohl über Ravensbriick, Groß-Rosen oder Buchenwald, geführt haben. Die SS überließ sie den Rüstungsbetrieben schließlich nur noch unter der Bedingung, daß sie die Bewachung stellten. Ein Vertreter der Vereinigten Stahlwerke berichtete von einer „Arbeitseinsatzbesprechung" Anfang August im Ruhrrevier, „daß es mit dem Einsatz neuer Arbeitskräfte schlecht bestellt ist.... Demnächst sollen ungarische Jüdinnen auf den Werken eingesetzt werden. Der Einsatz ist sehr schwierig, da entsprechende Frauenbewacher zur Verfügung gestellt werden müssen.

88 Kärny, „Vernichtung durch Arbeit", S. 50. Nach Kärnys Angaben zu urteilen, profitierte auch die Auto Union AG in großem Maßstab von solchen Arbeitskräften beim Ausbau ihres Höhlenwerks bei Leitmeritz, besonders nach dem schweren Luftangriff auf das Panzermotorenwerk des Konzerns in Chemnitz- Siegmar am 11.9.1944 (ebenda, S. 47 f.; S. 51 ff.). 89 Demps, Ausbeutung von KZ-Häftlingen, S. 430, Dok. 9. 90 Struve, S. 457. 91 Speer, Sklavenstaat, S. 402 f.; dort zit. AN Rüln IX Kassel, 6.9.1944: „Es sind bis jetzt 2 000 Jüdinnen in den Bezirk hereingekommen ..." Unter den verstreuten Quellen s. auch Vaupel, Dieter, Zwangsarbeiterinnen für die Dynamit AG. In: 1999. Zeitschr. f. Sozialgesch. d. 20. und 21. Jahrh., H. 1/1987, S. 50 ff. Siehe auch Kogon, Eugen, Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, München 1988 (19. Aufl.), S. 235 (6 115 ungarische Juden in Buchenwald). 92 Siehe Abschnitt 3 im vorl. Kap. - Einer Augenzeugin (ungarische Jüdin) zufolge waren nur etwa 80 Jüdinnen unter den 1 000 Häftlingen; 60 von ihnen (Ungarinnen) kamen erst im Dezember 1944 ins Werk. Die Zeugin berichtete, daß sie mit anderen aus dieser Gruppe zu den Deportierten gehörte, die im November im Fußmarsch von Budapest nach Wien und von dort mit der Bahn über Nürnberg und Weimar (in Buchenwald blieben die Männer zurück) nach Ravensbriick kamen (Roth, Karl Heinz/Schmid, Michael/Fröbe, Rainer, Die Daimler-Benz AG 1916-1948. Schlüsseldokumente zur Konzerngeschichte, Nördlingen 1987, S. 322 (Bericht von Eva Fejer). 93 Fall 5, S. 191, Dok. NI-3026, Waggon-Fabrik Bautzen, Monatsbericht August 1944.

243 Diese sollen drei Wochen in Mecklenburg in einem SS-Lager (Ravensbrück - D. E.) geschult werden." 94 Eine Aufstellung über ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft aus dem zweiten Halbjahr 1944 nach den Zahlen des Reicharbeitsministeriums ist, wenn auch bestimmte Proportionen sichtbar werden, in zweierlei Hinsicht ungenau. Die erwähnten, bisher in der Literatur vernachlässigten deportierten ungarischen Juden und die KZ-Häftlinge aller Nationen sind darin nicht enthalten, und nach dem Zeugnis von Zeitgenossen sind noch zwei bis zweieinhalb Millionen Bürger aus der UdSSR (außer „Ostarbeitern" und Kriegsgefangenen vor allem „Evakuierte") hinzuzurechnen.95 Tabelle 89 Ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft nach Herkunftsländern, August 1944 Land

Insgesamt

davon: Zivilarbeiter

UdSSR Polen Frankreich Italien Protektorat Böhmen und Mähren Niederlande Belgien Insgesamt

2758312 1 688 080 1 254 749 585 337

2 126 753 1 659 764 654 782 158 099

280273 270 304 253 648 7 651 970

280 273 270 304 203 262 5 721 883

Kriegsgefangene 631 559 28 316 599 967 427 238

— —

50 386 1 930 087

Quelle: Herbert, Fremdarbeiter, S. 271, Tab. 42 (nach: Der Arbeitseinsatz in Großdeutschen Reich, Nr. 10, 31.10.1944). Gesamtzahl bei Herbert: 7 615 970 (= Druckfehler; s. ebenda, S. 270, Tab. 41). Die Differenz zwischen Einzelsummen und Gesamtzahl enthält Arbeitskräfte aus Südost- und Nordeuropa. Ungeachtet der insgesamt erheblichen Zuflüsse an Arbeitskräften aus den genannten Quellen befürchtete der Rüstungsminister von den in immer kürzeren Abständen erfolgenden Einziehungen zur Wehrmacht, die gerade den dahinschmelzenden Kern der Facharbeiter und Vorarbeiter trafen, ernste Rückwirkungen auf die Rüstungsproduktion.96 Das anfängliche 94 Thyssen-Archiv, VSt/620, AN üb. „Arbeitseinsatz"-Bespr. in Witten am 4.8.1944, 8.8.1944. Siehe auch Budraß/Grieger, S. 127. 95 Herbert, Fremdarbeiter, S. 271; S.430 Anm. 3. Allerdings befanden sich unter den Letztgenannten zweifellos eine große Zahl Arbeitsunfähiger. 96 Schon die SE-III-Aktion im Winter 1943/44 hatte emstliche Befürchtungen in der Industrie ausgelöst. Krupp-Stahlbau, schon damals mit 60 Prozent ausländischer Belegschaft, sah bei weiterem Abzug deutscher Arbeitskräfte besonders den U-Boot-Bau gefährdet: „... daß mit Rücksicht auf die besondere Eigenart in der U-Boot-Fertigung verschiedene wichtige Schweißarbeiten nur von deutschen Arbeitskräften ausgeführt werden können ... Das Einsetzen von fremdländischen Arbeitskräften bzw. Kriegsgefangenen müßte hier wegen der Sicherheit des Bootes grundsätzlich verboten wer-

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

„Einvernehmen" mit Goebbels als „Reichsbevollmächtigtem für den totalen Kriegseinsatz" wich allmählich hartnäckigen Auseinandersetzungen um das Arbeitskräfteproblem („lieber mehr Soldaten oder mehr Waffen?").97 Anfang Oktober 1944 sah Speer schließlich „Einbrüche in den Kohlenbergbau, in den Wiederaufbau der chemischen Betriebe und in der Rüstung" als für Oktober und November unvermeidbar voraus, nachdem die SE-IV-Aktion vom 10. Juli bereits empfindlich in die Rüstung eingegriffen hatte, und „nachdem seit dem 20. Juli 1.) zunächst von mir 50 000 Mann freiwillig, dann 2.) durch den Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz 150 000 Mann zum größten Teil ohne mein Einverständnis und nun 3.) weitere 60 000 Mann auf Befehl des Führers eingezogen werden sollen, (und) 4.) im November eine weitere Einziehungsquote von mindestens 80 000 Mann aus der Rüstung und Kriegsproduktion vorgesehen ist." Das wären allein seit Juli insgesamt 340 000 Uk-Gestellte, „fast ausschließlich Spezialkräfte".98 Am 12. Oktober warnte er Hitler vor den Folgen: „Die zunehmenden Einziehungen haben derart schwerwiegende Folgen für die gesamten neu anlaufenden Waffen und Geräte, daß sämtliche unter den bisherigen Verhältnissen abgegebenen Hochlaufzahlen sich in der Praxis in immer stärkerem Maße als undurchführbar erweisen. Genannt wurde von mir dabei als Beispiel der Hochlauf des Karabiners 43 und der MP 44, des I.G. 42, der Flak 3,7/43 und 8,8/41, des Sturmgeschützes 38 t, der Flugzeuge 262, 335, 163 u.a.m."99 Zur gleichen Zeit verschaffte er sich von Hitler die Vollmacht, künftig allein über die Zuteilung von Konzentrationslagerhäftlingen an die Rüstungswirtschaft zu entscheiden möglicherweise ein, wenn auch schwaches, jetzt schon nicht mehr sehr lohnenswertes Äqui-

den." In der Montageabteilung gäbe es nur noch 18 Prozent deutsche Stammarbeiter: „Dieser Prozentsatz an sich ist schon zu gering, um die ausländischen Arbeitskräfte so zu beaufsichtigen, wie es eigentlich sein müßte." (BAP, Fall X, Film 615, Dok. NIK-10490, Krupp an RüKdo Essen über „Mutmaßliche Auswirkung der Aktion 1943/44 auf die Rüstungsproduktion", 9.2.1944). Die Industrie versuchte verstärkt und vielfach mit Erfolg, mit gezielten Anreiz- und Anlernmethoden ausländische Arbeiter für qualifizierte Arbeiten zu gewinnen (Herbert, Fremdarbeiter, S. 274). Die SEIV-Aktion vom 10.7.1944 riß ein besonders großes Loch in den Facharbeiterbestand (Abgabe von 20 Prozent aller Uk-Gestellten vom Jahrgang 1906 und jünger); die SE-VI-Aktion (12.1.1945) zog noch einmal bis zu zwölf Prozent der restlichen Uk-Gestellten vom Jahrgang 1901 und jünger aus der Rüstungsindustrie ab (BÄK, R 10 III/28, Rs. der RVE vom 29.8.1944 u. 2.2.1945). 97 Chronik, 25.8.1944; ausführlicher Janssen, S. 274 ff. 98 BÄK, R 3/1576, Speer an Dönitz, 3.10.1944; lt. Janssen, S. 404 Anm. 105, gingen gleichlautende Schreiben an Göring, Himmler, Guderian u.a.HitlererhieltamselbenTageinausführlicheresSchreiben gleichen Inhalts (BAP, FS, Film 1732, Speer an Hitler, 3.10.1944). Am 6.12.1944 schrieb Speer an Hitler im gleichen Sinn, jetzt schon ganz offensichtlich zur eigenen Absicherung (ebenda). 99 FB, 12.10.1944, Punkt 15. Bei den Flugzeugen handelte es sich um die sogenannten Hochleistungsflugzeuge Me 262 (zwei Strahltriebwerke), Do 335 (zwei Kolbenmotoren) und Me 163 (Flüssigkeitsraketenmotor). - Im Dezember resümierte Speer Hitler gegenüber, es seien seit dem „Schlüsselkräfte-Erlaß" vom 19.2.1942 (s. II, S. 196 ff.) 687 000 Uk-Gestellte, fast alle vom Jahrgang 06 und jünger, eingezogen worden, darunter 254 000 allein seit 1.8.1944 (BAP, FS, Film 1732, Speer an Hitler, 6.12.1944, „Dkschr. an d. Führer üb. Einziehungen aus d. Rüstung").

Krise des „Arbeitseinsatzes"

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valent für den Aderlaß an deutschen Fachkräften, jedenfalls aber „eine empfindliche Machteinbuße" für die SS.100 Im Übergang vom Sommer zum Herbst 1944 bahnte sich eine wesentliche Änderung auf dem Arbeitskräftesektor an, die die Streitfrage der Einziehung aus der Rüstung, um die so heftig gerungen wurde, zunehmend entschärfte. In dem sogenannten Tomberg-Bericht wurde eine weitgehende und sehr früh datierte Aussage hierüber getroffen: „Trotz der weiteren Einberufungen, die auch aus der Rüstungsindustrie erfolgt sind, verfügt diese seit August 1944 erstmalig in diesem Kriege über genügend Arbeitskräfte, zumindest insgesamt gesehen." Tomberg, Mitarbeiter des Feldwirtschaftsamtes, nannte drei Gründe: die Maßnahmen des „Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz" (Erweiterung der Frauenmeldepflicht, zivile Auskämmungsaktionen, Schließung der Fachschulen, Drosselung der kulturellen Aktivitäten), die „erhebliche Mengen von Arbeitskräften" für die Rüstung freimachten; die Räumung bisher besetzter Gebiete in Ost, West und Südost, aus denen „ein starker Zustrom von Arbeitskräften in das Reich" floß; und schließlich insgesamt „eher eine Schrumpfung" des Gesamtvolumens der Rüstungsfertigung. Aus der Sicht des Berichterstatters waren im November Arbeitskräfte „in ungewöhnlich hohem Ausmaß" für die Rüstungsund übrige Industrie verfügbar, so „daß zahlreiche Betriebe für neu zugeführte, unausgebildete Kräfte, vor allem für nur halbtags zu beschäftigende, wenig Interesse zeigen." 101 Die Kehrseite der Medaille war freilich ein häufig außerordentlich akuter örtlicher und betrieblicher Arbeitskräftemangel jeweils dort, wo günstige Produktionsbedingungen herrschten oder wiederhergestellt waren. Am 30. Dezember 1944 sandte Sauckel seinen letzten „Erfolgs"bericht an Hitler.102 So skeptisch seine Zahlen im einzelnen zu beurteilen sind, so machte er doch die gründlich veränderte Arbeitskräftesituation des Jahres 1944 deutlich. Der Bericht stellte mehr oder weniger eine Pflichtübung dar und war wesentlich knapper und ungenauer gehalten als üblich. Die ausländischen Arbeitskräfte wurden nicht mehr nach Ländern aufgeschlüsselt. Sie kamen, nach Sauckel, ganz überwiegend aus den „Ostgebieten", wo das Kontingent vom Januar 1944 angeblich voll erfüllt worden war. In West- und Südeuropa war dagegen „noch nicht einmal ein Zehntel des Aufbringungssolls erreicht" worden. An deutschen Arbeitskräften war das Aufkommen mit „Umsetzungen" viermal so hoch wie vorgesehen. Auch hier gab der Bericht keine genaue Auskunft über die Zusammensetzung der „Inländer", so daß unklar blieb, ob KZ- und Justizhäftlinge mitgezählt waren. 100 Kaienburg, S. 293; s. a. BAP, Fall VI, Film 419, Dok. NI-638, Rs. RMRuK, 9.10.1944; ausführlicher Trials, Bd. 9 (Krupp-Prozeß), S. 836 ff., Vernehmg. Walther Schieber, 27.5.1948. 101 BAP, FS, Film 4571, Bericht v. ORR Walter Tomberg, FWiAmt (?), „Wehrwirtschaftliche Erkenntnisse von fünf Kriegsjahren", Nov. 1944. Hiernach auch das Folgende. Siehe auch Janssen, S. 225; zu spät angesetzt und unterbewertet ebenda, S. 281 f. - Allerdings wirkte der Arbeitskräftemangel regional und in bestimmten Schwerpunktbereichen der Wirtschaft wenigstens noch im dritten Quartal unvermindert weiter, etwa im Bereich der Rüln III (Berlin-Brandenburg): „Die Entwicklung an den Fronten infolge des Generalansturms der Feindmächte im Westen, Süden und Osten zwang im 3. Viertel 1944 erstmalig dazu, tatsächlich alle irgendwie für kriegswichtige und kriegsentscheidende Aufgaben verwendbaren Kräfte zu mobilisieren." (BAP, FS, Film 3386, KTB der Rüln III, „Überblick" über das III. Quartal). 102 BAP, FS, Film 3353, Sauckel an Hitler, 30.12.1944. Hiernach auch das Folgende.

246 Tabelle 90 Arbeitskräftebeschaffung

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter 1944 (in 1 000) Plan vom 4. Januar

Neugewonnene „Inländer" „Umgesetzte": - Aus ziviler Produktion - Aus Verwaltung und öffentlichem Leben Ausländer Kriegsgefangene Zusammen

500 —



3 550 —

4 050

Ergebnis per 30. Dezember

In Prozent vom Plan

1 440

288

225 438 1 024 186 3 313





29 —

82

Quelle: BAP, FS, Film 3353, Sauckel an Hitler, 30.12.1944.

Das Gesamtergebnis pries Sauckel als unter den gegebenen Umständen „noch durchaus günstig". Seine Unterordnung unter Goebbels und Speer umschrieb er geflissentlich: In „Abstimmung" mit Speer habe er sein 15-Punkte-Programm aufgestellt, und Goebbels habe er seine Erfahrungen „zur Verfügung" gestellt.

2. Die „Krautaktion". Ruhrindustrie, Ernährungswissenschaft und Zwangsarbeit Im Frühsommer 1944 begann in einer Reihe von Rüstungsbetrieben des Ruhrgebiets ein Großversuch von Ernährungswissenschaftlern aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie an zivilen und kriegsgefangenen Zwangsarbeitern aus der UdSSR und aus Italien. Dieser Versuch, nach dem leitenden Wissenschaftler Krautaktion, in den Betrieben auch Butterbrotaktion genannt, lief gegen Jahresende wegen der inzwischen chaotischen Luftkriegs- und Wirtschaftslage aus. Seine Hintergründe und Ergebnisse sind nicht nur belangvoll für die Geschichte der Lage eines sehr großen Teils des Millionen zählenden „Fremdarbeiter"heeres, sondern aufschlußreich auch in bezug auf die militärische, politische und wirtschaftliche Gesamtlage, der sich das Naziregime damals gegenübersah. Auch in der Nachkriegszeit spielte seine Auswertung im Westen Deutschlands noch eine gewisse Rolle. Die Diskussionen in den herrschenden Kreisen des NS-Regimes über Methoden und Perspektiven der Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften, vor allem von Zwangsarbeitern, hatten früh eingesetzt und waren eigentlich nie ganz eingestellt worden. Ihre Stadien spiegeln getreulich, deutlicher noch als die diesbezügliche Arbeits- und Sozialgesetzgebung bzw. die - zögernd unternommenen, oft hinausgeschobenen oder auch verhinderten Änderungen des Zwangsarbeitsregimes, die jeweilige Situation auf dem Zwangsarbeiter"markt" und damit auch die Situation in den besetzten Gebieten Europas als dem Reservoir für Zwangsarbeiter wider. Eine umfassende Analyse und Darstellung jener Diskussionen und programma-

247 tischen Vorstellungen steht noch aus103; sie würde zweifellos wichtige Aufschlüsse über den Charakter des Regimes und die Interessen und Ziele seiner Eliten geben. An dieser Stelle soll ein Vorgang verfolgt werden, der ein Schlaglicht auf die dramatische Rolle wirft, welche die Ernährungsfrage seit 1942, d. h. seit Einrichtung des Systems der Massenzwangsarbeit in der deutschen Kriegswirtschaft, spielte. Seit Beginn der Massendeportationen und der Massenbeschäftigung sowjetischer Kriegsgefangener und ziviler Arbeitskräfte aus den besetzten Gebieten der UdSSR im Frühjahr 1942 gab es Auseinandersetzungen über das erbarmungswürdige Hungerdasein dieser Menschen. Der Grund war einfach und hatte nichts mit Humanität zu tun: Die zu tausendfachem Tod durch Hunger und Erschöpfung führende Minderernährung der sowjetischen Arbeitskräfte war es in erster Linie - neben ihrer brutalen Behandlung und erbarmungslosen Unterdrückung - , die die Rüstungsgewaltigen daran hinderte, „aus den zweifellos tüchtigen und brauchbaren ... Arbeitskräften die höchstmögliche Leistung herauszuholen".104 Diese Ernährungspolitik, für die die faschistischen Behörden, voran die Vierjahresplanorganisation (Göring) und das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Backe), verantwortlich zeichneten und bei der eine hohe Todesrate durchaus einkalkuliert war, möge, so räumte die Reichsgruppe Industrie, das industrielle Anliegen zusammenfassend, im März 1942 ein, „aus politischen Gründen erwünscht" sein; aber vom „Standpunkt des Arbeitseinsatzes" aus, „der nach Lage der gegenwärtigen Verhältnisse u. E. nicht weniger berücksichtigt werden darf, erscheint die Gestaltung der Verpflegung nicht zweckmäßig, da statt einer Leistungssteigerung eine Leistungsminderung erreicht wird, die im Hinblick auf das Endziel nicht vertretbar ist." 105 Das Oberkommando der Wehrmacht brachte seine Einwände schon damals mit der gleichen Argumentation vor, die zwei Jahre später das Grundanliegen der Krautaktion war: „Die Begriffe 'Arbeit', 'Schwerarbeit' und 'Schwerstarbeit' müssen von der völkischen Zugehörigkeit losgelöst objektiv betrachtet werden als Umsatz von Kalorien in Muskelkraft. Es ist ein Trugschluß, daß man mit 200 ungenügend ernährten Menschen dieselbe Arbeitsleistung vollbringen könne wie mit 100 vollernährten. Im Gegenteil: die 100 vollernährten schaffen weit mehr, und ihr Einsatz ist wesentlich rationeller. Dagegen sind die zur bloßen Erhaltung des Lebens ausgegebenen Mindestrationen, da ihnen kein Gegenwert an Arbeitsleistung gegenübersteht, volks- und kriegswirtschaftlich als reiner Verlust zu buchen, der sich um die aufgewendeten Transport- und Verwaltungsmittel noch erhöht."106 Im Herbst 1942, als die Rekrutierungszahlen im Osten drastisch zurückgingen, schlug selbst der als „Sklaventreiber" berüchtigte „Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz", Gauleiter Sauckel, ähnliche Töne an und verschärfte seine Kritik nach der Niederlage bei Stalingrad noch. In „voller Übereinstimmung" mit der Reichsgruppe Industrie richtete Sauckel am 9. Januar 1943 eine „Inspektion des Ostarbeitereinsatzes" und gemeinsam mit der Reichsgruppe einen „Ausschuß für Ostarbeiterangelegenheiten" ein. Abgesprochen wurde eine Linie, die die Reichsgruppe Industrie Ende Februar 1943 bekanntgab: „Der Arbeits103 Quellen und erste Analysen bei Eichholtz (I; II) und bei Herbert, Fremdarbeiter. 104 BAP, FS, Film 1737, Elfi Hildesheim an RArbM, 22.4.1942. Ausführlicher s. II, S. 214 ff.; S. 168 ff.; Herbert, Fremdarbeiter, S. 161 ff. u. passim. 105 BAP, FS, Film 1737, RGI an RMEL, 5.3.1942. 106 Ebenda, Chef OKW an GBA, 25.3.1942.

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einsatz, der bisher in erster Linie quantitativen Lösungen zugeführt wurde, muß jetzt sowie künftig immer stärker nach der qualitativen Seite ausgerichtet werden." Das Hauptanliegen der Rüstungsgewaltigen war deutlich formuliert: „Unsererseits ist dafür zu sorgen, daß die Entwicklung in eine Bahn gelenkt wird, die der Leistungssteigerung der Betriebe dient."107 Während des Jahres 1943 scheint diese Linie weitgehend und mit besonders schwerwiegenden Folgen auf dem Wege der abgestuften „Leistungsernährung" praktiziert worden zu sein. Die Lebensmittelrationen zu erhöhen, kam für das Regime, das gerade das Kubangebiet und große Teile Südrußlands und der Ukraine hatte aufgeben müssen, nicht in Frage; hier trat, wie wir sehen werden, erst im Sommer 1944 eine Änderung ein. Das abgefeimte System der Hungerpeitsche als Mittel der „Leistungssteigerung", das sich binnen eines Jahres rapide in der Industrie ausgebreitet hatte, wurde Ende 1943 vom Rüstungsminister offiziell sanktioniert, der es allen Betrieben dringend nahelegte, „durch die Ausgabe von zweierlei Essen den schlechter arbeitenden Teil der Kriegsgefangenen zu erziehen bzw. zu strafen".108 Bei dem allgemeinen Hungerniveau der Rationen mußte dieses System katastrophale Folgen haben, nicht nur für die „Leistungsuntüchtigen", sondern auch für viele derjenigen Zwangsarbeiter, die sich aus Hunger zu äußerster Kraftanstrengung zwangen. Ausdrücklich gegen die Erhöhung der Lebensmittelrationen für Zwangsarbeiter, besonders für Ostarbeiter, wandten sich noch im Frühjahr 1943 Backe und Kehrl in der Zentralen Planung, assistiert von Ernährungswissenschaftlern (Flößner, Berlin, und Emil Woermann, Halle), mit dem Argument, eine Aufbesserung der Rationen müsse die Ernährung der deutschen Arbeiter und damit deren Leistung schmälern und bringe daher mehr Verlust als Gewinn.109 Im Sommer und Herbst 1943 gelangten - letztmalig - mehrere hunderttausend Arbeitskräfte aus der UdSSR nach Deutschland, die auf den deutschen Rückzügen mitgetrieben wurden. Die beklagenswerten Menschen, die schon unter der deutschen Besetzung oft jahrelang ein Hungerleben geführt hatten, wurden in der Industrie untergebracht und angelernt. Ihre Arbeitsproduktivität war von Anfang an gering, meist wohl weit geringer als die der anderen Kategorien von Zwangsarbeitern einschließlich der Kriegsgefangenen. Die Klagen 107 BÄK, R 13 XX/299, Rs. RGI an die Industrieabteilungen d. Gauwirtschaftskammern und Wirtschaftskammern und an die Wirtschaftsgruppen, 6.3.1943. Betreffend Sauckel s. II, S. 219 f. Die erwähnte Inspektion ist nicht zu verwechseln mit der „Zentralinspektion für die Betreuung der ausländischen Arbeitskräfte", die durch Vereinbarung vom 2.6.1943 zwischen dem GBA und der DAF errichtet wurde (IMG, Bd. 29, S. 95 ff., Dok. PS-1913, Vereinb. v. 2.6.1943; mit Durchführungsbestimmungen vom 20.9.1943). - „Wissenschaftliches" Interesse an der Frage zeigte das Arbeitswissenschaftliche Institut der DAF (AWI), das um jene Zeit mit der Ausarbeitung über „Arbeitseignung und Leistungsfähigkeit der Ostarbeiter in Deutschland" begann. Ein Vorbericht hierfür lag im Mai 1943 vor (BÄK, R 41/274), der Bericht selbst im März 1944 (BAP, FS, Film 2348, Ausarb. d. Inst. f. Weltwirtschaft (1945), „Der kriegswirtschaftliche Beitrag Osteuropas für das Reich 1936-1944"; hierin nur zit. Beide Ber. vollständig im HSG-Archiv). 108 BÄK, R 3/1818, Rs. RMRuK, „An die deutschen Betriebsführer!", 23.12.1943. Siehe II, S. 277 f.; Herbert, Fremdarbeiter, S. 267; Streit, S. 268 ff. - Speers Rs. bezog sich auf die Kriegsgefangenen, darunter besonders die sowjetischen; jedoch wandte die Industrie das System schon länger und auch gegenüber Ostarbeitern an. 109 ZPP, 39. Sitzung, 24.3.1943.

249 der Betriebe rissen nicht ab, daß viele der neu zugewiesenen Arbeitskräfte Kinder und alte Leute und überhaupt nicht arbeitsfähig seien. Zur selben Zeit gerieten einige hunderttausend italienische Soldaten, ehemalige „Verbündete", als „Militärinternierte" in das Zwangssystem von industrieller Schwerarbeit (überwiegend im Bergbau), von Hunger, Terror und Drangsalierung. Auch unter ihnen waren die Ausfälle außergewöhnlich hoch, die Arbeitsproduktivität unter den ungewohnten, schweren, diskriminierenden Bedingungen niedrig. Den Ernährungszustand der sowjetischen und italienischen Kriegsgefangenen beleuchtet der Bericht einer Zeche des Flick-Konzerns („Monopol" in Kamen), auf der 500 sowjetische und 300 italienische Gefangene arbeiteten. Die sowjetischen Gefangenen nahmen danach von Ende Oktober 1943 bis Ende Februar 1944 durchschnittlich um 4,63 kg ab, die Italiener in der gleichen Zeit um 4,41 kg.110 Noch erheblich schlimmere Zahlen finden sich in einem Bericht der Firma Krupp an das Rüstungskommando Essen vom 29. März 1944: „Bei 300 willkürlich herausgegriffenen Militärinternierten sind seit Dezember 1943, also innerhalb eines Vierteljahres, Gewichtsverluste bis zu 22 kg eingetreten. Der mittlere Gewichtsverlust der gewogenen 300 Mann betrug im selben Zeitraum 9,1 kg."" 1 Der Krankenstand im Bergbau in Nordrhein-Westfalen (Wehrkreis VI) betrug am 1. Juni 1944 bei den „Russen" 18 Prozent, bei den Italienern 14 Prozent. Nach wie vor gebe es „in bedenklichem Maße" weitere Einweisungen „an kranken, insbesondere abgemagerten, völlig erschöpften, mit Ödemen und Lungentuberkulose behafteten Russen und Italienern" in die Lazarette und Krankenreviere. „Eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit dieser meist stark reduzierten Menschen für den Bergbau benötigt, wenn sie überhaupt möglich ist, viele Monate."" 2 Seit dem Winter 1943/44 wurde in den führenden Kreisen der Rüstungswirtschaft angesichts steigender Unkosten, sinkender Leistung, hohen Krankenstandes, zunehmender „Abgangs"ziffern und der Ungewißheit neuen Arbeitskräftezuflusses dringender als bisher nach Abhilfe gesucht. Die Initiative zur „Krautaktion" ging von dem denkbar renommiertesten Repräsentanten des deutschen Finanzkapitals aus, nämlich von Albert Vogler, Aufsichtsratsvorsitzer des Konzerns der Vereinigte Stahlwerke AG, des größten deutschen Montankonzerns. Vogler, der Mentor und enge Vertraute des Rüstungsministers, hatte im August 1943 als leitende Persönlichkeit des Ruhrstabs" 3 eine zentrale Position in der Kriegswirtschaft übernommen. Vorstandsvorsitzer des Konzerns war seit Oktober 1943 Walter Rohland, Voglers rechte Hand auch im Ruhrstab, der nach dem Krieg angab, er sei zu eben dieser Zeit (7. Oktober) bei Hitler selber mit einer Denkschrift vorstellig geworden, in der er unter anderem die Ernährungssituation der Zwangsarbeiter kritisch erwähnt und sich auf Gutachten des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie in Dortmund bezogen habe." 4 110 Fall 5, S. 207 f., Zeche Monopol an Walter Tengelmann, 9.3.1944 (Dok. NI-3420). 111 Zit. nach Cajani, S. 299. 112 Fall 5, S. 204 f., Ärztlicher Bericht (Wehrkreisarzt VI) an die Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau Ruhr, 22.6.1944 (Dok. NI- 3037). 113 Siehe II, S. 143 f., u. Kap. I im vorl. Bd. 114 BAP, Fall XI (Wilhelmstraßenprozeß), Nr. 724, Bl. 148 ff., Dok. Pleiger-416, Eidesstattl. Erkl. Rohlands v. 22.4.1948, Anlage v. 16.4.1948: „Inhaltsangabe über meine Denkschrift zum totalen Kriegseinsatz, Herbst 1943".

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

Vogler war es, der kraft seiner maßgeblichen Position in Rüstungswirtschaft, kriegswirtschaftlichem Apparat und Forschungslenkung (er war seit Carl Boschs Tod 1940 Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) den eingangs erwähnten wissenschaftlichen Großversuch anregte und förderte. Er griff dazu auf das wissenschaftliche Potential und die Erfahrungen des genannten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie zurück. Dieses Institut war der Großindustrie und besonders den Ruhrmonopolen bestens bekannt und hatte schon seit den Jahren der Weimarer Republik für das RheinischWestfälische Kohlensyndikat, den Verein für die bergbaulichen Interessen, die Harpener Bergbau AG und für andere Wirtschaftsverbände und Unternehmen Untersuchungen angestellt. Erster Fachmann des Instituts auf dem Gebiet der Ernährungsphysiologie war Heinrich Kraut." 5 Als offizieller Berater des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in „Arbeiterernährungsfragen" hatte Kraut, gemeinsam mit dem Statistischen Reichsamt, seit Kriegsbeginn 1939 Daten über Gewicht und Ernährung von deutschen Fabrikarbeitern gesammelt. Die Wissenschaft sei hierauf, so schrieb er nach dem Krieg, „durch den ersten Weltkrieg schon vorbereitet" gewesen.116 Im Jahre 1943 wurden auf Einspruch des Propagandaministeriums die Wägungen verboten, die Untersuchungen eingestellt. Inzwischen aber waren schon Versuche an Zwangsarbeitern angelaufen. Der erste dieser Versuche erstreckte sich auf eine Gruppe sowjetischer Kriegsgefangener (25 Mann), die auf der Friedrich-Alfred-Hütte Rheinhausen (Krupp-Konzern) einfache, schwere Arbeiten (Bauschutt abladen u. ä.) ausführten. Er begann, nach den spärlichen Quellen zu urteilen" 7 , im Mai/Juni 1942, und Kraut berichtete dem Reichsernährungsministerium darüber am 23. März 1943.118 Vertreter des Krupp-Konzerns bzw. der Hütte und Partner Krauts bei diesem Versuch war Helmut Spitzer, der zugleich Bezirks-Arbeitseinsatzingenieur des Rüstungsministeriums war. In der Versuchsgruppe war bisher eine Leistung von 2 t pro Mann und Stunde erbracht worden, bei einer Verpflegung, die pro Kopf gerade den Kalorienwert der Zuteilung für deutsche „Normalverbraucher" (2 400 Kalorien) erreichte." 9 Gegeben werden sollte eine Zulage an Brot, Fleisch, Fett und Zucker, insgesamt 500 bis 600 Kalorien. Krauts Anweisung an 115 Kraut, Heinrich Albrecht, Prof., 1893-?, 1928-1956 Abteilungsleiter im Kaiser-Wilhelm-Institut bzw. Max-Planck- Institut für Arbeitsphysiologie, 1956-1965 Direktor des Max-Planck-Instituts für Ernährungsphysiologie; 1963 Großes Bundesverdienstkreuz, 1973 mit Stern. 116 Kraut, Heinrich, Ernährung und Leistungsfähigkeit. In: Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, H. 3 (3. Sitzung am 19. Sept. 1950 in Düsseldorf), Köln/Opladen 1951, S. 48. Siehe auch Archiv Thyssen AG, VSt/158, Briefwechsel Bezirksgruppe Nordwest d. Wigru Esl/Vereinigte Stahlwerke AG mit KWI für Arbeitsphysiologie (Kraut) wegen Ernährungsversuch mit dt. Nachtarbeitern und Nachtarbeiterinnen (1940/41). 117 Hierüber nur: Nachlaß Heinrich Kraut (im BÄK). Die Bestände des Historischen Archivs der Fried. Krupp GmbH sind mir für die Kriegszeit nicht zugänglich gewesen. 118 BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 18, div. AN Kraut, April/Mai 1942; ebenda, Nr. 4, Bericht vom 23.3.1943 (f. RMEL); ebenda, Nr. 33, Kraut an RMEL, 3.5.1943. 119 Kraut, Ernährung und Leistungsfähigkeit, S. 48. - Allen Untersuchungen lagen folgende physiologischen Normen des Kalorien Verbrauchs zugrunde: 1800-2000 = Grundumsatz + nötigste Körperbewegungen; 2400 = „Normalverbraucher"; 3600 = Schwerarbeiter; 4500 = Schwerstarbeiter.

251 Spitzer lautete: „Zulage nicht sofort geben, sondern Leistung genau registrieren. Zulage aufsparen. Nach 14 Tagen genauer Registrierung Zulagen geben, weiter registrieren."120 Das Ergebnis des Versuchs brachte Kraut auf den einfachen Nenner, „daß jeder Schwankung der Kalorienzufuhr eine Änderung der Leistung folgt". Eine Steigerung des Kalorienhaushalts der Ernährung um 24 Prozent (jene Zulage von 500 bis 600 Kalorien) habe 62 Prozent mehr Leistung erbracht, da „nur die über die Deckung des Ruhestoffwechsels (Grundumsatzes) hinausgehende Kalorienzufuhr für die Leistung von körperlicher Arbeit nutzbar werden kann. Bei einer Vermehrung der Kalorienzufuhr erhöht sich aber dieser Anteil in weit größerem Maße als der Gesamtbetrag an Kalorien."121 Dieser Elastizität der Leistungsfähigkeit entsprach übrigens eine - für die sowjetischen Zwangsarbeiter weit typischere - Elastizität des Hungers, die den körperlichen Abbau bei Unterernährung im Verhältnis zum Nahrungsentzug zeitweise verlangsamte und die Kraut an anderer Stelle wissenschaftlich ganz „objektiv" erklärte: „Mit dem Körpergewicht vermindert sich der Grundumsatz, und zwar vermindert er sich mehr als dem Betrag entspricht, um den der Grundumsatz eines normalerweise leichteren Menschen geringer sein würde; rund 15 Prozent sind als 'Mehr' des Absinkens einzusetzen. Mit dem Körpergewicht aber vermindert sich zugleich die Masse des bei der Arbeit mitzubewegenden Körpers, die bei vielen Arbeiten eine große Rolle spielt. Außerdem wird automatisch der Mensch geneigt, seine Körperbewegung möglichst einzuschränken. ... Und schließlich, wenn diese drei Momente nicht ausreichen, um den Gewichtsstillstand auf[recht]zuerhalten, dann wird die Arbeit selbst beschränkt. Diese Einschränkung der Arbeitsleistung erfolgt ebenfalls automatisch durch eine Herabsetzung der Leistungsbereitschaft."'22 Die Unterernährung der „Ostarbeiter" ging aus den in diesem Fall zweifellos ungeschönten Zahlen Krauts nur allzu deutlich hervor. (Tab. 91) Tabelle 91 Arbeitskalorien

nach Abzug des Normalverbraucher

Deutsche „Ostarbeiter"

340 340

Grundumsatzes Lang-und Nachtarbeiter 620 370

Schwerarbeiter 1030 700

Schwerstarbeiter 1 750 1 100

Bergleute 1 750 1 160

Quelle: BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 33, Kraut an RMEL, 3.5.1943. Der Versuch wurde zwar an sowjetischen Kriegsgefangenen durchgefühlt, die Kalorienberechnungen gehen aber überwiegend von den amtlich festgelegten Zuteilungen an „Ostarbeiter" aus. - Als Grundumsatz nahm Kraut für deutsche Arbeiter 1 700, für Ostarbeiter „infolge ihrer geringeren Größe und ihres geringeren Gewichtes" 1 600 und für die Kriegsgefangenen 1 500 Kalorien an; das mindert den Aussagewert der Tabelle erheblich.

Der auf die Dauer am schwersten wiegende Mangel war die krasse Unterversorgung mit Nahrungseiweiß. (Tab. 92) 120 BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 18, AN Kraut, betr. Telefongespr. mit Spitzer v. 6.5.1942. 121 Ebenda, Nr. 33, Kraut an RMEL, 3.5.1943. Hiernach auch das Folgende. 122 Kraut, Ernährung und Leistungsfähigkeit, S. 51.

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

Tabelle 92 Verbrauch an ausnutzbarem Eiweiß (in Gramm pro Tag)

Deutsche „Ostarbeiter" davon tierisches Deutsche „Ostarbeiter"

Normalververbraucher

Lang- und Nachtarbeiter

Schwerarbeiter

Schwerstarbeiter

Bergleute

47,9 43,6

56,7 44,9

66,1 52,9

79,5 62,3

79,5 64,8

19,7 6,3

23,7 7,5

26,5 10,1

32,3 12,6

32,3 15,1

Eiweiß

Quelle: Wie Tabelle 91.

Schon in den Rationen der deutschen Arbeiter, so Kraut, bewege sich die Eiweißmenge „an der unteren Grenze des Erforderlichen". Sein wissenschaftlicher Befund lautete hier: „Die Wirkung einer ungenügenden Eiweißkost äußert sich nach unserer Erfahrung zuerst in einem Nachlassen des Arbeitswillens, [das] einen physiologisch bedingten Schutz des Körpers vor zu weitgehender Einschmelzung der Eiweißbestände des Körpers darstellt. Erzwingt man trotzdem eine höhere körperliche Arbeitsleistung, so tritt durch Abbau der Muskulatur eine fortschreitende Entkräftung und damit eine Verminderung der zu bewältigenden Arbeitsmenge ein.... Das Gesamtergebnis der Untersuchung ist, daß die Kost der russischen Kriegsgefangenen und der Ostarbeiter in bezug auf Kalorien, Eiweiß, Fett und Vitamine nicht ausreicht, um ihnen eine so hohe körperliche Arbeitsleistung auf die Dauer zu ermöglichen, wie sie ihrer Konstitution entsprechen würde. Eine Kürzung der Rationen in irgendeiner Beziehung muß notwendig zu einem weiteren Abfall ihrer Leistung führen. Solange es nicht möglich ist, von seiten des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für die ausländischen Arbeiter größere Nahrungsmengen zur Verfügung zu stellen, stehen einer Vermehrung der Zahl der ausländischen Arbeiter von der Ernährungsseite her die größten Bedenken entgegen. Schon bei den Rationen der deutschen Arbeiter wird die Leistung weitgehend durch die Ernährung begrenzt. Sie würden bei einer reichlicheren Kost sicher mehr leisten. Die uns zur Verfügung stehende Nahrungsmenge ermöglicht bei richtiger Verteilung entsprechend der Berufsschwere nur eine bestimmte maximale Menge körperlicher Arbeit. Sie liegt zweifellos unter der von demselben Personenkreis bei optimaler Ernährung zu erhaltenden Arbeit. Vermehrt man in dieser Situation die Zahl der aus derselben Nahrungsmenge zu Verpflegenden, so ist die notwendige Folge nicht eine Vermehrung, sondern Verminderung der zu erhaltenden Arbeitsmenge." Die Gesamteinschätzung und die Schlußfolgerungen aus dem Versuch unterschieden sich in ihrer Quintessenz nicht von dem, was auch in Kreisen der Rüstungsindustrie damals diskutiert wurde123, und nahmen im wesentlichen schon die Untersuchungsergebnisse der Krautaktion von 1944 vorweg. Doch der frühe Zeitpunkt dieser Einschätzung bzw. der Diskussion ist

123 Siehe z. B. BAP, Fall XI, Nr. 727, Dok. Pleiger-465, Denkschrift von Wilhelm Tengelmann (Berg-

Die „Krautaktion"

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wichtig. Es handelte sich um eine Phase des Krieges (Frühjahr/Sommer 1943), in der die deutschen Machthaber für die Zukunft durchaus noch mit neuem Massennachschub an Arbeitskräften aus der UdSSR rechnen konnten und rechneten und in der den Rüstungsgewaltigen auch noch nicht unterstellt werden kann, daß sie Unruhen unter den Zwangsarbeitern bei einem für Deutschland ungünstigen Kriegsausgang oder, nach einer Niederlage, die Forderung der Sieger nach Rechenschaft für ihre Verbrechen befürchtet hätten. Erst recht handelte es sich nicht um humane Regungen angesichts des so minutiös analysierten Hungerregimes oder um eine Kritik der Zwangsarbeitspolitik in Erkenntnis ihres verbrecherischen Charakters. Die beschriebenen wissenschaftlichen Versuche und die Folgerungen daraus waren vielmehr ausschließlich an der wirtschaftlichen Effektivität des Zwangsarbeitereinsatzes orientiert und verfolgten nichts anderes als das Ziel der optimalen Nutzung sowohl der verfügbaren menschlichen als auch der materiellen, d. h. der industriellen und Ernährungsressourcen im Interesse einer besser funktionierenden Kriegswirtschaft. Eine weitere Untersuchung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie betraf im Zeitraum von Herbst 1943 bis Frühjahr 1944 auf der Zeche Friedrich der Große in Herne (Konzern der Ilseder Hütte) 13 (in der letzten Phase 31) sowjetische Zwangsarbeiter, die als Kohlehauer unter Tage bei einer Verpflegung von 2 780 Kalorien pro Tag, darunter 66 g Eiweiß, je sieben Tonnen Kohle förderten. Man gab diesen Arbeitern „eine Zulage in Form eines belegten Brotes (400 Kalorien - D. E.) ... gegen das Versprechen, im Laufe von 4 Wochen ihre Leistung auf 12 Wagen pro Mann und Schicht (9,6 t - D. E.) zu erhöhen."124 Das Pensum wurde in der vierten Woche erreicht, „die Russen ... verloren aber bis zum Beginn der 6. Woche durchschnittlich 1,2 kg an Gewicht." Die Zulage wurde daraufhin auf 660 Kalorien angehoben. Mittels Kartoffeln und Roggenschrots stieg die Ernährung der Versuchsgruppe ab Februar 1944 schließlich auf einen täglichen Kalorien wert von 3 600 (75 g Eiweiß). Damit lag sie „nur noch um ungefähr 200 Kalorien unter der heutigen Ernährung des deutschen Bergmannes." Das ursprüngliche Körpergewicht der sowjetischen Arbeiter wurde wieder erreicht und gehalten. „Es geht aus diesen Versuchen mit Sicherheit hervor", so hieß es im Ergebnisbericht abschließend, „daß die Leistung der russischen Bergleute von ihrer Ernährung begrenzt wird. Die Steigerung der zugeführten Kalorien um 30 % von 2 800 auf 3 600 bewirkte eine Leistungssteigerung von 8,7 auf 13 Wagen = 50 %. Rechnet man den Grundumsatz der Russen zu 1 600 Kalorien, so standen für die gesamte körperliche Betätigung ursprünglich 1 200, jetzt 2 000 Kalorien zur Verfügung, also 67 % mehr. Der Mehraufwand an Kalorien ist somit zum größten Teil der Kohlenförderung zugute gekommen. Die Ausnutzung der Arbeitskraft und der aufgewendeten Nahrungsmenge ist jetzt weit günstiger als früher. Pro Wagen wurden anfangs 320 Kalorien aufgewendet, heute 280 Kalo-

werksgesellschaft Hibernia AG Herne) über „Erfahrungen aus dem Arbeitseinsatz der Fremdvölkischen im Ruhrbergbau ...", 1.5.1943: „Im Gesamthaushalt des Staates ist es am billigsten und ernährungsmengenmäßig am sparsamsten, weniger, aber dafür voll einsatzfähige und gut ernährte Arbeitskräfte anzusetzen." (Bl. 102). 124 BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 26, Ausarbeitung des KWI für Arbeitsphysiologie über „Die Abhängigkeit der Leistung ausländischer Bergleute von der Ernährung", 22.5.1944.

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

rien, das sind 12,5 % weniger. Es ist wohl in bezug auf die Produktion wie auf die Ausnutzung der uns zur Verfügung stehenden Nahrungsmenge erheblich günstiger, die Zahl der ausländischen Bergleute einzuschränken, aber ihre Ernährung der der deutschen Bergleute anzunähern." Das Untersuchungsergebnis wurde als offizielles Papier des Instituts am 22. Mai 1944 herausgegeben. Es sieht ganz so aus, als ob der Bericht als wichtige Unterlage für die denkwürdige Sitzung am nächsten Tag gedient hat, die den Auftakt zur Krautschen Großaktion bildete. Den Anlaß zu seiner Aktion schilderte Kraut nach dem Kriege so: „Im Winter 1943/44 häuften sich die Beschwerden der Industrie über den schlechten Gesundheitszustand und die geringe Leistungsfähigkeit der russischen Kriegsgefangenen, der Ostarbeiter und der italienischen Militärinternierten als Folge ihrer unzureichenden Ernährung. Dr. Albert Vogler, den ich in seiner Eigenschaft als Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften über unsere Beobachtungen (bei den bisherigen Untersuchungen - D. E.) orientierte, machte mich auf diese Beschwerden aufmerksam und veranlaßte im Mai 1944 eine Aussprache zwischen dem Reichsernährungsminister Backe, den beiden Gauleitern von Westfalen, Vertretern der Industrie und mir. Es wurde beschlossen, die ... Untersuchungen in großem Maßstab zu wiederholen."125 Die Sitzung vom 23. Mai 1944, betreffend „Gesundheitszustand, Ernährung und Leistung der ausländischen Arbeitskräfte", war demnach eine Idee Voglers. Er bewog den Ernährungsminister, der übrigens Erster Vizepräsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und somit dort Voglers Stellvertreter war, selber den Vorsitz der Besprechung zu übernehmen, die im Hause der Kreisbauemschaft Wiedenbrück stattfand. Er hatte offenbar auch dafür gesorgt, daß die beiden eingeladenen Gauleiter, zumindest Albert Hoffmann, sachkundig mitredeten und sein und Krauts Anliegen uneingeschränkt unterstützten. Als weiterer Gast war Kurt Schmitz vom Vorstand der Ruhrstahl AG geladen, ein Vertrauter Voglers, der die Industrieseite verstärkte und zugleich in seiner Eigenschaft als Mitglied des „Gauführungsrats", eines Beratungsorgans der Gauleitung (Westfalen-Süd), protokollierte.126

Tabelle 93 Teilnehmerliste der Besprechung am 23. Mai ¡944 Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft Reichsminister Herbert Backe Reichsobmann Behrens Gau Westfalen-Süd Gauleiter Albert Hoffmann Pers. Referent Gebhardt

125 BAP, Fall V (Flick-Prozeß), Film 596, Dok. Weiß-1030, Eidesstattl. Erkl. Prof. Krauts v. 7.6. 1947. 126 BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 33, AN betr. die Besprechung v. 23.5.1944. Hiernach auch das Folgende.

Die „Krautaktion" Tabelle 93 (Fortsetzung) Gau Westfalen-Nord Gauleiter Dr. Alfred Meyer Stabsamtsleiter Bertelmann Gauwirtschaftsberater Mittag KWI für Arbeitsphysiologie Prof. Dr. Heinrich Kraut Generaldirektor Dr. Albert Vogler Gaufiihrungsrat Kammer I „Sozialwirtschaft " Direktor Kurt Schmitz Quelle: BÄK, NL Kraut, Nr. 33, AN betr. Bespr. v. 23.5.1944.

Hoffmann und Vogler schilderten eingangs die „unhaltbare" Situation, nämlich „den schlechten Gesundheitszustand und die ungenügende Leistung der ausländischen Arbeitskräfte infolge unzureichender Ernährung". Die offiziellen Verpflegungssätze, besonders die der sowjetischen Kriegsgefangenen und der italienischen Militärinternierten, reichten nicht aus, „um aus den Ausländern die Leistungen herauszuholen, die zur Durchführung der betrieblichen Aufgaben von ihnen verlangt werden müßten". Sie führten einige drastische Beispiele an: „In einem Konzern der Eisen schaffenden Industrie mit umfangreichen Verarbeitungsbetrieben liegt z.Zt. die Krankenziffer der russischen Kriegsgefangenen bei 15 %, der italienischen Militärinternierten bei 11 %. Von etwa 12 000 zugewiesenen ausländischen Arbeitskräften sind allein 2 600 durch Krankheit oder Tod abgegangen. Fachärztliche Untersuchungen im Bochumer Bezirk haben ergeben, daß 10% der russischen Kriegsgefangenen an Tuberkulose (davon 30 % offene Tb) erkrankt sind. In anderen Bezirken sind ähnliche Feststellungen getroffen worden. Auf die große Gefahr für die ... deutsche Bevölkerung wird hingewiesen." Die Zahlen sind offensichtlich unverfälscht; denn den Referenten lag daran, die reale Lage zu schildern. Demgegenüber fallt auf, daß z. B. Kraut, nach den Quellen zu urteilen, seit Ende April 1944 Kenntnis von weit höheren Krankenziffern (25 %) hatte, die die FriedrichAlfred-Hütte Rheinhausen (Krupp) für ihre 750 italienischen Militärinternierten gemeldet hatte. „Auf zahlreichen Werken des Ruhrgebietes", so hieß es in dem betreffenden Bericht aus dem Krupp-Konzern, „z.B. bei der Firma Mannesmann in Duisburg-Huckingen und Großenbaum, bei der Firma Hoesch in Dortmund, bei der Gutehoffnungshütte in Oberhausen und bei der Firma Krupp in Essen ist die Krankenziffer ähnlich hoch."127 Hoffmann und Vogler verlangten „eine Verbesserung der Verpflegungssätze und eine grundsätzliche Änderung des bisherigen Arbeitseinsatzverfahrens". Es habe keinen Zweck, „ständig neue ausländische Arbeitskräfte einzusetzen, die man nicht ausreichend ernähren 127 Ebenda, Nr. 18, Fried. Krupp/Friedrich-Alfred-Hütte an KWI für Arbeitsphysiologie, 28.4.1944. In dem Schreiben berichteten Lwowski und Spitzer von Krupp über eine durchschnittliche Gewichtsabnahme bei den Italienern von 8,7 kg in drei Monaten (darunter in einzelnen Fällen Gewichtsverluste bis zu 24 kg!). Vgl. auch Cajani, S. 299.

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könne". Stiege dagegen die Leistung der vorhandenen Zwangsarbeiter durch zusätzliche Verpflegung, so könne die Rüstungsindustrie Arbeitskräfte „vielleicht sogar ... an andere Betriebe der gewerblichen Wirtschaft oder an die Landwirtschaft" abgeben. Kraut trug vor, daß sein Versuch auf der Zeche Friedrich der Große in Herne „eine Leistungssteigerung von 50 % und damit ungefähr die Leistung deutscher Bergleute" erbracht habe, und Schmitz berichtete, „daß ein Betrieb der Eisen schaffenden Industrie 300 körperlich und leistungsmäßig schlecht beurteilte italienische Militärinternierte aus verschiedenen Betrieben zusammengezogen und besser ernährt hat. Die Leistung ist auf annähernd 100 % der deutschen Leistung gestiegen, die Krankenziffer von 10 % auf 1,5 % zurückgegangen." „Ein einwandfrei durchgeführter Großversuch", so schlug Kraut vor, „würde die allgemeine wirtschaftspolitische Auswirkung der vorgeschlagenen Ernährungsänderungen erkennen lassen." Backe, der von Anfang an für die Hunger- und Sterberationen Hauptverantwortliche, behauptete, „daß auch er von Anfang an den Standpunkt vertreten habe, die Leistung der im Einsatz befindlichen ausländischen Arbeitskräfte durch bessere Verpflegungssätze zu heben, statt unbegrenzt neue Ausländer zu werben, die man doch nicht ausreichend ernähren könne." So kam folgender Beschluß zustande: „1) In verschiedenen Werken der Gaue WestfalenSüd und Westfalen-Nord wird unter Führung des KWI für Arbeitsphysiologie ein Großversuch mit 5 - 10 000 ausländischen Arbeitskräften durchgeführt. 2) Die in der gewerblichen Wirtschaft der beiden Gaue eingesetzten ausländischen Arbeiter erhalten zur Besserung des Gesundheitszustandes die Verpflegungssätze des deutschen Arbeiters abzüglich eines noch festzusetzenden Prozentsatzes. Führt diese Maßnahme nach einer gewissen Anlaufzeit zu der erwarteten Senkung der Krankenziffer, so sollen nach Maßgabe der erzielten Mehrleistung die erübrigten ausländischen Arbeitskräfte der Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden." Die an zweiter Stelle genannte Maßnahme hätte allein im Gau Westfalen-Süd 207 000 Zwangsarbeiter betroffen, nämlich 125 000 Zivilarbeiter und 82 000 Kriegsgefangene. In den Quellen gibt es keinen Hinweis darauf, daß dieser weitreichende zweite Teil des Beschlusses realisiert oder daß seine Realisierung auch nur in Angriff genommen worden wäre. Anscheinend zog Backe es vor, ab Ende Juni 1944 (zuerst für zwei Zuteilungsperioden, ab 21. August - durch Erlaß vom 24. Juli - dann endgültig) „reichseinheitlich" für sowjetische Kriegsgefangene und Ostarbeiter eine Ernährungszulage zu verordnen („Reichszulage"), die den Verlauf des Versuchs, wie wir sehen werden, nicht unerheblich beeinflußte. Zwischen dem 24. Mai und dem 4. Juni besichtigte Kraut mit seinen Helfern die in Frage kommenden, von den Konzernen vorgeschlagenen Werke. Am 5. Juni gab das KWI für Arbeitsphysiologie die „Richtlinien für die Durchführung der Ernährungsaktion bei russischen Kriegsgefangenen, italienischen Militärinternierten und Ostarbeitem" heraus.128 Zur gleichen Zeit erhielt Backe über Gauleiter Hoffmann das Programm für die Durchführung der Aktion und bestätigte diese am 17. Juni. Das Landesernährungsamt Münster stellte über die Ernährungsämter die Zulagen bereit.129 128 Als Anhang abgedruckt. 129 BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 4, „Erster Bericht über den Emährungsgroßversuch an ausländischen Arbeitskräften", 1.9.1944; für die Zeit v. Mitte Juni bis Mitte August. Im folgenden im Text zit. als

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Die „Krautaktion"

Von vornherein waren solche Konzernwerke für den Versuch ausgewählt worden, in denen sämtliche oder annähernd alle in Frage kommenden Zwangsarbeiter einbezogen werden konnten. Krankenstand und Unfallhäufigkeit wurden bei allen untersucht, die Leistungssteigerung hingegen nur bei entsprechend geeignetem Arbeitsprozeß an ausgesuchten Gruppen gemessen. Folgende Daten über die Beteiligung von Konzernen bzw. Konzernwerken liegen vor: Tabelle 94 An der „Krautaktion" beteiligte Werke 1) Ruhrstahl AG, Werk Henrichshütte in Hattingen 2) Ruhrstahl AG, Wittener Gußstahlwerk in Witten 3) Ruhrstahl AG, Annener Gußstahlwerk in Witten-Annen 4) Union Sils van de Loo & Co., Werk Werl 5) Union Sils van de Loo & Co., Werk Fröndenberg 6) Gelsenkirchener Bergwerks AG, Zeche Fürst Hardenberg in Dortmund 7) Hoesch AG, Zeche Radbod in Bockum-Hövel 8) Steinkohlenbergwerk Friedrich der Große in Herne 9) Bergbau AG Ewald König Ludwig, Zeche Ewald Fortsetzung in Erkenschwick 10) Fried. Krupp AG, Friedrich-Alfred-Hütte in Rheinhausen Quelle: BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 4, „Erster Bericht...", 1.9.1944. - Die ersten sechs Werke gehörten zum Konzern der Vereinigten Stahlwerke, Werk Nr. 8 zum Konzern der Ilseder Hütte, Werk Nr. 9 zum Konzern der Reichs werke „Hermann Göring". Das Hydrierwerk Scholven ebenfalls zur Beteiligung vorgesehen, fiel wegen schwerer Schäden durch Luftangriffe als Versuchswerk aus. Daß sich insgesamt die Untersuchung besonders im Hinblick auf die Leistungsmessung etwas bescheidener ausnahm als geplant, zeigen die Zahlen der schließlich beteiligten Arbeitskräfte. Tabelle 95 An der „Krautaktion" beteiligte Zwangsarbeiter Sowjetische Kriegsgefg.

Italienische Militärint. 360

Ostarbeiter

Insgesamt

216

Versuch I und II Nur Versuch I Nur Versuch II

2 343 672 1 893

1 155

163

2 919 672 3211

Insgesamt

4 908

1 515

379

6 802

-

-

Quelle: Wie Tabelle 94. - Versuch I = Feststellung der Leistungssteigerung; Versuch II = Feststellung der Verbesserung des Krankenstandes und der Unfallhäufigkeit. I/mit Seitenangabe. Entsprechend wird als II zitiert: „Zweiter Bericht über den Ernährungsgroßversuch an ausländischen Arbeitskräften", 4.11.1944 (ebenda); Stand v. Ende September.

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter Die Verteilung auf die Werke bietet folgendes Bild: Tabelle 96 Zahl derart der „Krautaktion" beteiligten Zwangsarbeiter nach Werken Sowjetische Kriegsgefg. 1) Henrichshütte in Hattingen (Beginn der Lebensmittelzulage: 31.7.) 2) Gußstahlwerk in Witten (21.8.) 3) Gußstahlwerk in Annen (24.8.) 4) Union Sils van de Loo & Co. Werk Werl (24.7.) 5) Union Sils van de Loo & Co. Werk Fröndenberg (21.8.) 6) Gebag, Zeche Fürst Hardenberg (21.8.) 7) Hoesch AG, Zeche Radbod (24.7.) 8) Zeche Friedrich der Große in Herne (10.7.) 9) Zeche Ewald Fortsetzung in Erkenschwick (30.8.) 10) Friedrich-Alfred-Hütte in Rheinhausen (weiterlaufend)

Italienische Militärint.

Ostarb.

907

332

25

804 415 -

32 305 104 102

24

-

540 1090 140 330 672 480 (sowj.Kriegsgfg.u.Ostarb.) 500 -

Quelle: BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 4, „Erster Bericht...", 1.9.1944.

Die Ernährungszulagen wurden erst ausgegeben, nachdem eine bestimmte Zeitlang - drei bis vier Wochen - Arbeitsleistung und Krankenstand überprüft und auf Karteikarten verzeichnet worden waren, also frühestens Ende Juli (mit Ausnahme von Rheinhausen und Herne), spätestens Ende August. Der Rüstungsminister propagierte die Aktion indessen schon auf der Linzer Rüstungstagung. Es würden, so tat er dort kund, angesichts der unzulänglichen Ernährung und Leistung, zum Beispiel der italienischen Militärinternierten, „zur Zeit gerade im Ruhrgebiet von Herrn Minister Backe auf Anregung von Herrn Vogler Großversuche gemacht, wieviel mehr Arbeitsleistung durch eine vernünftige Ernährung herauskommt."' 30 Kraut und seine Mitarbeiter kannten Lage und Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter aus langer intensiver Beobachtung. Daher stellten sie den Werken beispielsweise die Bedingung, daß die Leistungssteigerung bei den Versuchsgruppen und -personen „nicht durch Antrieb zu erzwingen" sei.131 Doch wie unbefangen wissenschaftlich und moralisch unanfechtbar sich diese Wissenschaftler in ihren Berichten auch gaben, so schlug bei ihnen doch die herrschende Sklavenhalter- und Rassistengesinnung durch. Sie scheuten sich nicht, den Zwangsarbeitern vorher ansagen zu lassen, „daß nach 4 Wochen eine Steigerung ihres Ar130 BÄK, R 3/1551, Rede Speers vom 24.6.1944. Zur Linzer Tagung s. Kap. I. Hans-Joachim Riecke (RMEL), Vertreter und rechte Hand Backes, erwähnte in seinem Redebeitrag die diesbezügliche „Unterhaltung (mit Speer) wegen der Imis und der Ostarbeiter. Da wird sich ein Weg finden lassen." (Ebenda). Speers Aussage findet sich wörtlich auch in anderen seiner Reden aus dem Sommer 1944. 131 Siehe Anhang. Hiernach auch das Folgende.

Die „Krautaktion"

259

beitspensums um einen bestimmten Betrag verlangt wird". Die Werke hatten Anweisung, die Zulage zu entziehen, „falls innerhalb 4-6 Wochen die verlangte Leistungssteigerung ausbleibt". Während des Versuchs (wahrscheinlich zweite Hälfte September) wurde „veranlaßt, daß von den Ausländern, die eine erhebliche Gewichtsvermehrung erhalten und ein normales Durchschnittsgewicht erreicht hatten, eine höhere Leistung, wenn nötig unter Androhung des Entzugs der Zulagen, gefordert wird". (II/l) Die Wissenschaftlichkeit des Experiments war von Anfang an schon deswegen in Frage gestellt, weil die sämtlich hungernden und meist eingeschüchterten Arbeitskräfte eben aus Hunger und auch aus Angst - vor Gewalt und Terror ebenso wie vor dem Entzug der Zulage - ihren geschwächten Körpern offenbar ein Äußerstes an Arbeitsleistung abverlangten. Das kann den Experimentatoren nicht verborgen gewesen sein. Tatsächlich war fast überall „schon in der Anlaufzeit vor der Ernährungszulage eine Leistungssteigerung zu beobachten, die auf die intensivere Beobachtung der ausländischen Arbeitskräfte zurückzuführen ist. Sie betrug an manchen Stellen bis zu 10 Prozent, war aber meist von einer geringen Körpergewichtsabnahme begleitet." (II/3) In Werl (Union Sils van de Loo & Co.) kam es zu einem Extremfall: „Entgegen unserem Versuchsplan war den italienischen Militärinternierten bereits Anfang Juli mitgeteilt worden, daß sie, um in den Genuß einer Ernährungszulage zu kommen, ihre Leistung erheblich zu steigern hätten. Tatsächlich wurden daraufhin Leistungssteigerungen zwischen 20 und 70 Prozent herausgeholt. Sie waren aber von nicht unerheblichen Gewichtsverlusten begleitet. In einigen Fällen mußte sogar die Arbeit wegen Erschöpfung für kürzere Zeit unterbrochen werden." (1/8) Die Zulage sollte ursprünglich überall in Form einer warmen Suppe während der Schicht ausgegeben werden. Bei den Bergleuten unter Tage entschied man sich statt dessen wegen des geringeren organisatorischen Aufwands für ein „Butterbrot" in der Frühstückspause. Im Durchschnitt stiegen die Kalorienmengen infolge der Zulage um 16 Prozent. Krauts Bericht enthielt folgende Zahlen: Tabelle 97 Ernährungszulagen

der „Krautaktion" (in Kalorien)

Normalverbraucher Langarbeiter Schwerarbeiter Schwerstarbeiter Schwerstarbeiter unter Tage

Erhöhung bei ital. Militärinternierten von auf

Erhöhung bei Sowjet. Kriegsgfg. u. Ostarb. von auf

1 2 2 2 2

1 2 2 2 2

870 090 330 650 800

2 2 2 3 3

180 390 650 350 380

940 040 420 750 810

2 2 2 3 3

190 410 690 380 410

Quelle: BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 4, „Zweiter Bericht ...",4.11.1944.

Eine absolut zuverlässige Aussage über die Verbesserung der Ernährung läßt sich aus den Kalorienwerten schon deshalb nicht gewinnen, weil ihr Nährwert auch von der Beschaffenheit der Lebensmittel und von der Art der Essenszubereitung abhing. Vor allem aber war,

260

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

selbst wenn die Rechnung stimmte, „noch nicht entschieden ..., ob sich diese Rationserhöhung auch im Teller des einzelnen Ostarbeiters wiederfand".132 Kraut selber stellte bei einer Überprüfung auf „Friedrich der Große" fest, daß an jedem „Butterbrot" mit - vorschriftsmäßig - 175 g Brot, 15 g Fett und 25 g Wurst jeweils etwa fünf Gramm Brot, Fett und Wurst fehlten.133 Mitten in die anlaufende Aktion fiel als „Erschwerung" des Versuchs die von Berlin aus verfügte „Reichszulage", zunächst für zwei Zuteilungsperioden (26. Juni - 20. August); hiervon waren, nach Leistungskategorien gestaffelt, sowjetische Kriegsgefangene und Ostarbeiter betroffen. „Vollends hat die unsere Zulage fast erreichende Regelung der Ernährung der russischen Kriegsgefangenen seit der 66. Ernährungsperiode (Beginn 21.8.44) und die Überführung der italienischen Militärinternierten in das freie Arbeitsverhältnis am 1.9.44 den Ernährungsversuch in psychologischer Hinsicht erschwert, da der Anreiz der Zulage für die am Versuch beteiligten Arbeitskräfte hiermit wegfiel." (II/2)134 Mit Mühe und Not scheint das Krautsche Großexperiment, wesentlich behindert auch von zunehmend chaotischen Zuständen, insbesondere von den „vermehrten Luftangriffen auf das Industriegebiet und ihren Begleiterscheinungen, wie gehäufte Arbeitsunterbrechungen, Verminderung der Ruhezeit, Ausfall von Betriebsmitteln, Materialstockungen, Zerstörung von Unterkünften" (II/2), noch bis Jahresende 1944 weitergeführt worden zu sein. Anfang Februar 1945 forderte Kraut letzte Ergebnisberichte von den Werken ein.135 Ein Abschlußbericht hat augenscheinlich nicht mehr abgefaßt werden können. Ende März besetzten die Amerikaner Bad Ems, die Ausweichstelle des KWI für Arbeitsphysiologie; seit dem 1. April entbrannte der Kampf um den Ruhrkessel, und am 13. April stürmten amerikanische Truppen Dortmund, den Sitz des Instituts. Der Nachlaß von Kraut enthält allerdings Hinweise darauf, daß der weiter amtierende Wissenschaftler nach dem Krieg (1948 ?) eine Publikation über den Gesamtversuch herausgebracht hat.136 Das Ergebnis des „Großversuchs" fiel erwartungsgemäß aus, d. h., es war dem aus den vorhergehenden Versuchen ganz ähnlich. Das frühere Bild der „unbefriedigenden Leistung" und der „schlechten körperlichen Verfassung" der Zwangsarbeiter, so hieß es im Bericht vom 4. November, habe sich überall „schon jetzt (d. h. Ende September - D. E.) grundlegend geändert. Die Leistungen der ausländischen Arbeitskräfte lagen bei Versuchsbeginn meist zwischen 60 und 80 % der deutschen Normalleistung. Jetzt liegen sie zwischen 80 und 100 %; an einzelnen Stellen wurden sogar 100 % der deutschen Leistung überschritten. Neben der 132 Herbert, Fremdarbeiter, S. 267. 133 BÄK, NL Kraut, NR. 33, Kraut an Direktion des Steinkohlenbergwerks Friedrich der Große, 24.7. 1944. 134 Nach dem Krieg las man es anders: „Die gemeinsamen Bemühungen der Industrie und unseres Instituts um eine bessere Ernährung der russischen Kriegsgefangenen, der Ostarbeiter und der italienischen Militärinternierten waren insofern erfolgreich, als durch Erlaß des Reichsernährungsministers vom 24.7.1944 die Ernährung der russischen Kriegsgefangenen und der Ostarbeiter vom 21. August ab deijenigen der anderen Kriegsgefangenen gleichgestellt wurde." (Siehe Anm. 125). 135 Siehe z. B. Bergbauarchiv Bochum, 10/525, Schachtanlage Friedrich der Große (Ilseder Hütte) an Kraut, 16.3.1945. 136 Vgl. BÄK, NL Kraut, Nr. 35.

261

Die „Krautaktion"

Leistungssteigerang ist fast überall eine Körpergewichtsvermehrung eingetreten, die im Durchschnitt mehr als 1 kg pro Mann beträgt." (II/l) Bei einer Gewichtszunahme von einem Kilo konnte allerdings in Anbetracht des starken Untergewichts so vieler - wahrscheinlich der meisten - Arbeiter von einer „grundlegenden Änderung" nicht die Rede sein. Vielmehr war typisch, was aus der Zeche Radbod, dem Werk mit den meisten Versuchspersonen, mit besonderer Befriedigung gemeldet wurde, daß nämlich „die gewährte Zulage fast restlos in Arbeit umgesetzt" wurde. „An einigen Stellen (Zeche Radbod, Union-Fröndenberg, Gußstahlwerk Witten) war die Grenze der durch die Zulage erreichbaren Leistungssteigerung bei Langarbeitern, Schwer- und Schwerstarbeitern deutlich erkennbar. Leistungssteigerungen von 2 2 - 3 1 % führten zu Gewichtsstillstand, 38 % Steigerung bereits zu einer Gewichtsverminderung." Im Gußstahlwerk Witten und anderswo „wurde beobachtet, daß trotz mangelnder Leistungssteigerang eine Gewichtszunahme ausblieb. Hier handelt es sich um besonders schwere Arbeitsformen, die die Kräfte der ausländischen Arbeiter bisher weit überstiegen, wie aus der Krankheitsstatistik und der Notwendigkeit häufigen Wechsels der eingesetzten Arbeitskräfte hervorgeht." (II/5) Für Ende September schätzte Kraut, „daß ... die durchschnittliche Leistungszunahme mindestens 15 % beträgt" - was mit den eingangs des Berichts genannten Zahlen in der Höhe nicht übereinstimmte. Berücksichtige man weiter, „daß nach erreichtem Normalgewicht die jetzt noch beobachtete Gewichtszunahme ebenfalls in Leistung umgesetzt werden kann, so wird der Kalorienerhöhung von 16 % eine Leistungssteigerung von mindestens 25 % gleichzusetzen sein". (II/2) Der Krankenstand der ausländischen Zwangsarbeiter, der ausgangs des Winters 1943/44 „eine beunruhigende Höhe erreicht" hatte, war schon seit April im Abnehmen begriffen. Die Ernährungszulage hatte bei ausgesprochenen Mangelkrankheiten, etwa Hungerödemen, eine nachweisbare, zusätzliche Wirkung; der Krankenstand ging hier in erheblich rascherem Tempo zurück. (II/6) Für die Zeit von Juli bis Mitte Oktober liegen Zahlen aus der FriedrichAlfred-Hütte vor, wo der Krankenstand der italienischen Militärinternierten Mitte März mit 25 Prozent seinen Höhepunkt erreicht hatte137: Tabelle 98 Krankenstand der italienischen Militärinternierten 3. 7. 10. 7. 17.7. 24.7. 31.7. 7. 8. 14. 8. 21.8. 28. 8.

Prozent 17,8 16,2 17,9 12,5 14,0 13,0 13,0 13,8 14,2

auf der Friedrich-Alfred-Hütte,

Prozent 4. 9. 14,2 (50 % werden freie Arbeiter) 11.9. 9,5 (Rest wird frei) 18. 9. 8,0 25.9. 5,0 2.10. 6,7 9.10. 8,0 16.10. 5,2

Quelle: BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 33, hs. Tabelle v. 18.10.1944. 137 Siehe Anm. 127.

Rheinhausen, 1944

262

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

Bezeichnend für den körperlichen Zustand der Versuchspersonen war, daß mit der Ausgabe der Ernährungszulage „fast an allen Stellen eine rasch vorübergehende Häufung der Verdauungskrankheiten" auftrat. Kraut wußte durchaus, worin das Problem lag: „Selbst an solche verhältnismäßig geringen Änderungen der Ernährung muß sich also der Körper erst gewöhnen." (tl/5) An bestimmten Betriebspunkten setzte das Produktionsmittel - etwa die 1500-t-Presse in der Henrichshütte - der Leistungssteigerung Grenzen. Als die Zwangsarbeiter dort Gewichtszunahmen aufwiesen, aus denen keine Erhöhung der Arbeitsleistung mehr resultierte, kam Kraut zu einer charakteristischen Schlußfolgerung: „Hier zeigt sich mit aller Deutlichkeit, daß die zusätzliche Belastung durch Hitzeeinwirkung noch keine Schwerstarbeiterration rechtfertigt, wenn nicht zugleich hohe Anforderungen an die Muskeln gestellt werden." (II/4f.) Vom Steinkohlenbergwerk Friedrich der Große in Herne liegt für die Monate September bis Dezember 1944 eine Leistungstabelle für durchschnittlich 317 an 15 Betriebspunkten (Strebe) arbeitende Ausländer (sowjetische Kriegsgefangene) vor. Gegenüber dem Ausgangswert von 75 Prozent der Leistung der deutschen Arbeiter ergab sich in den erfaßten vier Monaten eine Durchschnittsleistung von 92,84 Prozent; das bedeutete, nach Berechnung des Konzerns, eine Leistungssteigerung auf 112 Prozent138. Die Variationsbreite reichte allerdings von 46 Prozent bis zu 185 Prozent der vergleichbaren deutschen Hauerleistung. Im November und besonders im Dezember sank die Leistung unter anderem infolge von Betriebsstörungen (z. B. Luftangriff vom 6. November) gegenüber September und Oktober (September = 94,1; Oktober = 95,5; November = 93,0; Dezember = 88,8 Prozent).139 Am 5. März 1945 trat eine allgemeine Rationenkürzung in Kraft. Danach galten für die 72. Kartenperiode (5.2. bis 4.3.) rückwirkend folgende Bestimmungen: - Verlängerung der Geltungsdauer von vier auf viereinhalb Wochen - Kürzung der Käseration von 125 g auf 62,5 g - Ankündigung, daß im April kein Zucker ausgegeben werde: also Verminderung der Zuckerration um ein Drittel. Für die 73. Kartenperiode (5.3. bis 1.4.) wurde verfügt: -

Geltungsdauer viereinhalb Wochen, d. h. vom 7. März bis 8. April Kürzung der Brotration um 1 000 g Kürzung der Nährmittelration um 250 g Kürzung der Butterration um 125 g Kürzung der Zuckerration um 292 g (= ein Drittel durch den Ausfall im April).140

138 Falsch berechnet. Richtig = 124 Prozent. 139 Wie Anm. 135 (Schreiben v. 16.3. mit Tabelle v. 15.3.1945). 140 BÄK, NL Kraut, Nr. 4, Kraut an RMEL, 12.3.1945. - Die gestrichene Zuckerration sollte offensichtlich zu je einem Drittel zuungunsten der 72., 73. und 74. Zuteilungsperiode verrechnet werden.

Die „Krautaktion" Der tägliche Kalorienwert der an Ostarbeiter und sowjetische Kriegsgefangene offiziell zugeteilten Lebensmittel sank in dieser Zeit bei - „Normalverbrauchern" von 1 774 auf 1 305 (73. Zuteilungsperiode); dagegen Deutsche auf 1 289 - Schwerarbeitern von 2 207 auf 1 690; Deutsche auf 1 877 - Schwerstarbeitern von 2 497 (Bergarbeiter unter Tage: 2 657) auf 1 968 (2 234); Deutsche auf 2 461 (2 719).141 Die Karten für die 73. Zuteilungsperiode waren überhaupt die letzten, jedenfalls im Ruhrgebiet, die noch ausgegeben wurden. An eine Auswertung der Krautaktion im Sinne einer allgemeinen Neufestsetzung der Rationen für sowjetische Kriegsgefangene und Ostarbeiter oder gar einer Neuordnung des gesamten Rationierungssystems für ausländische Arbeitskräfte war demnach nicht mehr zu denken. Nachzutragen wäre, daß Kraut und die anderen leitenden Wissenschaftler des KWI für Arbeitsphysiologie ihre Karriere nach dem Krieg augenscheinlich ohne Unterbrechung fortsetzten, wogegen ihre Gönner Vogler und Backe sich das Leben nahmen - der eine beim Einmarsch der Amerikaner ins Ruhrrevier, der andere wenig später im Nürnberger Gefängnis. Als erstes fabrizierten Kraut und sein Team Berichte für die Besatzungsmacht, nach denen die ausländischen Arbeitskräfte „ausreichend ernährt worden" seien; ja, es hieß darin, daß es ihnen, zumindest den Zivilarbeitem, besser gegangen sei als den deutschen: „Die ausländischen Zivilarbeiter bekamen vor der Besetzung eine bessere Verpflegung als die deutschen Arbeiter."142 In der folgenden Zeit erschien es den Nachfolgern der Vogler und Konsorten, etwa Walter Rohland, besonders wichtig, entlastende Unterlagen „für einen evtl. Industriellenprozeß" beizubringen. Hierbei spielten die „Großuntersuchungen" des KWI für Arbeitsphysiologie von 1944 eine große Rolle: „Etwa im August 44", so hieß es, den Tatbestand zweckvoll zurechtbiegend, in einem Exposé aus den Vereinigten Stahlwerken, „wurde auf Grund dieser Untersuchungen eine Erhöhung der Lebensmittelzuteilungen für Arbeiter - auch für Ausländer - vorgenommen." Insgesamt sei die Ernährung der Arbeiter durch die Fürsorge der Rüstungsbetriebe so verbessert worden, daß die Folge „ein annähernd normales Durchschnittsgewicht aller Beschäftigten bis zum Waffenstillstand" gewesen sei. Für die Anfertigung entsprechender Unterlagen durch das KWI sollten einzelne Werke dem Institut „möglichst vollständige Küchenberichte" zur Verfügung stellen. „Das KWI wird von de Militärregierung auf diesem Gebiet anerkannt und laufend zu Rate gezogen."143

141 Nach ebenda, Nr. 38, „Bericht über die unterschiedliche Ernährung zwischen den deutschen und den ausländischen Arbeitern" (Wehag Westdeutsche Haushaltsversorgung AG Bochum), 15.8.1945; von Kraut mit Anschreiben v. 23.8.1945 „im Auftrag von Herrn Generaldirektor Dr. Rohland" an die Ruhrstahl AG, Witten, übersandt. 142 Ebenda. 143 Archiv der Thyssen AG, VSt/1406, Aktenvermerk üb. „Besprechung mit den Professoren Lehmann, Kraut und Graf', 19.8.1946 (unterschrieben: E. Linz).

264

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

Für den IG-Farben-Konzern und den Flick-Konzern fungierte Kraut später tatsächlich als Prozeßgutachter. Dem Verteidiger des IG-Auschwitz-Verantwortlichen Walther Dürrfeld lieferte er im März 1948 eine eidesstattliche Erklärung, die die Verkommenheit derartiger Wissenschaft drastisch charakterisiert: „Da die KZ-Häftlinge pro Arbeitstag 3 080 Calorien erhielten, ist eine calorische Überforderung bei der Höhe der ausgeführten Leistung nicht festzustellen. Der Werksleiter hatte also keine Veranlassung, aus ernährungsphysiologischen Erwägungen heraus gegen die Beschäftigung der Häftlinge zu protestieren." Kraut erörterte auch „den Gehalt der Nahrung an den einzelnen Nährstoffen, entsprechend den Bedürfnissen des menschlichen Körpers" und befand sie als „ausreichend", nur „knapp" an Fett: „Immerhin genügten die Rationen der Häftlinge an Eiweiß und an Fett, um Ernährungsschäden durch Eiweiß- oder Fettmangel zu verhindern."144 Meines Wissens tauchte dieses Affidavit im IG-Farben-Prozeß selbst - im Unterschied zu dem im Flick-Prozeß - nicht auf; es wird in seiner pharisäerhaften Verlogenheit auch der Verteidigung als zu kompromittierend erschienen sein. In den letzten beiden Kriegsjahren nahm die Regionalisierung der Zwangsarbeiterpolitik zu: „In dem Maße, in dem die militärischen Ereignisse aber zu immer neuen Zugeständnissen zwangen, verloren die Verhandlungen auf höchster Ebene ebenso wie die laufend produzierten Erlasse fortschreitend an Realitätsbezug, während der Ausländereinsatz in der Praxis längst eine eigengesetzliche Dynamik gewonnen hatte. Die Initiative ging mehr und mehr an die regionalen, lokalen und betrieblichen Regimevertreter über".145 Diese Beobachtung ist richtig, wenn unter „Regimevertreter" sowohl die Repräsentanten des Staats, der Partei und der DAF als auch diejenigen der Rüstungsindustrie und der „Selbstverantwortung" der Kriegswirtschaft verstanden werden. Bei unserem Beispiel waren es gerade die Aktivitäten Voglers, des Ruhrstabs und der beteiligten Ruhrkonzerne, die die Tendenz zur Regionalisierung der Zwangsarbeiterpolitik erkennbar machten. Daran änderte die Tatsache nichts, daß der der Krautaktion zugrundeliegende Plan auf lange Sicht eine Änderung des Gesamtkonzepts dieser Politik vorsah. Es scheint allerdings so, als ob die deutschen Rüstungswerke gegen Kriegsende immer willkürlicher bei der Zuteilung von Lebensmitteln an ihre Zwangsarbeiter verfuhren. Sie lösten das Problem der „Leistungssteigerung" anstatt durch reale Ernährungszulagen viel eher durch das betriebliche System der „Leistungsernährung"146, das die Schwächeren und Kranken durch Verweigerung von Nahrungsmitteln, selbst solchen, die ihnen offiziell zustanden, in ihrer physischen Existenz bedrohte und tatsächlich viele Tausende Todesopfer („Abgänge") forderte.147 144 145 146 147

BÄK, NL Kraut, Nr. 58, Eidesstattl. Erklärung Krauts, 17.3.1948. - Siehe auch Anm. 125. Herbert, Fremdarbeiter, S. 351. Siehe Anm. 108. Vorreiter dieser mörderischen Methode, körperlich leistungsschwache Ausländer als „lebensunwertes Leben" zu behandeln, war seit Jahr und Tag die oberschlesische Schwerindustrie. Beispielhaft für die letzten Kriegsmonate ist ein Bericht aus dem Konzern der Königs- und Bismarckhütte, nach dem das im Werk Falvahütte angewandte Verfahren sich „hervorragend bewährt" habe: Man sei „dazu übergegangen, sämtliche Lang-, Schwer- und Schwerstarbeiterzulagen, die den Ostarbeitern bewilligt wurden, zusammenzufassen" und nach zwei Leistungsstufen (100 bzw. 80 Prozent der Leistung eines deutschen Arbeiters) nur noch „an die besten Arbeitskräfte" nach der

Die „Krautaktion"

265

Anhang 5.6.1944

Richtlinien für die Durchführung der Ernährungsaktion bei russischen Kriegsgefangenen, italienischen Militärinternierten und Ostarbeitern Die Aktion besteht aus zwei Versuchsreihen und zwar I Prüfung der Mehrleistung infolge Ernährungszulage, II Prüfung der Verbesserung des Krankenstandes durch die Ernährungszulage. Über den gesamten Versuchsverlauf ist von jeder beteiligten Firma ein genaues Protokoll zu führen, woraus die wichtigsten Angaben und Versuchsbedingungen ersichtlich sind, unterteilt nach Anzahl der beteiligten Personen, Auswahl der Betriebe und Betriebsplätze, Kennzeichnung der allgemeinen Betriebsbedingungen und etwaiger Änderungen während der Versuchsdauer, Änderungen der Fertigung, Störungen durch Fliegerangriffe, klimatische Bedingungen, psychologische Beeinflussungen allgemeiner Art. Im Schlußbericht wird unter Beifügung der weiter unten erwähnten Kartei das Gesamtergebnis zusammengestellt und ausgewertet. Für die Durchführung der Aktion sollen einheitlich folgende Richtlinien eingehalten werden: 1. Von allen beteiligten Personen ist zu Beginn Alter, Größe, Gewicht und maximaler Umfang der rechten Wade festzustellen. Die Wägungen sind alle 2 Wochen zu wiederholen, die Feststellung des Wadenumfangs alle 4 Wochen. Die Wägungen und Wadenmessungen sollen morgens vor der Schicht wenn möglich nüchtern, auf jeden Fall immer unter den gleichen Bedingungen - erfolgen, die Wägungen entweder nackt oder leicht bekleidet mit Hemd und Hose, immer ohne Schuhe. Die Empfindlichkeit und Richtigkeit der Waagen ist zu kontrollieren und nachzueichen. Die mit der Wägung beauftragten Personen sind eingehend zu instruieren (wenn möglich, die ausländischen Ärzte heranzuziehen). Die Ergebnisse der Wägungen und Messungen sind wöchentlich dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie in Bad Ems/Lahn, Haus Vier Türme, mitzuteilen. 2. Das Gesundheitsbild der Versuchspersonen wird in einer gemeinsamen Untersuchung des Lagerarztes und des Herrn Dr. Droese vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie festgestellt. Bei den späteren Untersuchungen sind dieselben Maßstäbe für die Beurteilung des Krankenstandes anzuwenden. Für den Versuch I (Leistungssteigerung) ist neben der Beurteilung nach dem Körpergewicht auch der allgemeine Zustand der Arbeiter festzustellen. Beim Versuch II (Besserung der Krankenziffer) muß die Entlassung aus der Krankenbehandlung nach einheitlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden. Krankheiten, die mit der Ernährung nicht in Zusammenhang stehen, z. B. Unfälle, scheiden aus. Zur Gruppierung der Krankheiten liegt ein Schema bei, das sich an die amtliche Krankheitsstatistik anschließt. 3. Die Ernährung der Versuchspersonen ist genau zu kontrollieren durch die Einsendung der Wochenspeisezettel an das Kaiser- Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie. Durch genügende Vorratshaltung sind Schwankungen der Versorgung zu vermeiden. Die Tätigkeit der Werksküchen wird durch 2 technische Assistentinnen des Kaiser-Wilhelm-Instituts laufend überprüft. 4. Die Zulage soll möglichst in Form einer warmen Suppe zum ersten Frühstück gegeben werden, bzw. bei Nachtschicht als warme Suppe in der Mittemachtspause. Ein kleiner Teil der Zulage kann auch in Form eines Butterbrotes zum 2. Frühstück gegeben werden. 5. Die Verpflegung der Versuchspersonen ist von der der Nichtbeteiligten völlig getrennt zu halten, Arbeitsleistung und nach „Führung und Haltung" zu verteilen. (BAP, FS, Film 1780, Falvahütte an RVE, 12.12.1944); s. a. Herbert, Fremdarbeiter, S. 294 f., mit zu positivem Urteil über die Wirkung der „Leistungsernährung".

266 damit ein Austausch der Nahrungsmittel unterbleibt. Die Ausgabe und der Verzehr sind genau zu überwachen. Wenn möglich, sind die am Versuch Beteiligten auch unterkunftsmäßig getrennt zu halten und in irgendeiner Form zu kennzeichnen. 6. Zur genauen Überwachung des Versuches ist für jeden Beteiligten eine Karteikarte anzulegen, aus der die Hauptdaten des Mannes, seine Beschäftigung, sein Arbeitsplatz, seine bisherige Leistung und deren Änderungen hervorgehen. Weiterhin ist vorzusehen Raum für Bemerkungen über äußere Einflüsse, Gesundheitszustand, etwaige Fehltage, betriebliche Umsetzungen und allgemeine Kennzeichnung der physischen und psychischen Einstellung des Mannes während des Versuches. 7. Die Auswahl der Arbeitsplätze hat nach dem Gesichtspunkt einer möglichst genauen Kontrolle der Leistung und der Leistungssteigerung zu erfolgen. Anstelle einer maschinell nicht möglichen Leistungssteigerung kann auch die Einsparung von Arbeitskräften bei gleichbleibendem gesamten Arbeitspensum als Maß des Erfolges betrachtet werden. Bei gebundenen Arbeitsverhältnissen, z. B. Tempo der Maschine, kann in besonderen Fällen auch eine Steigerung der Arbeitszeit erfolgen. Größter Wert ist von den Betrieben auch auf Vermeidung von Fehlzeiten durch Reparaturen, Materialmangel und sonstige Ausfalle zu legen. Alle solche Vorkommnisse sind genauestens festzuhalten. 8. Der Umfang und die Art der zu gewährenden Zulage wird bis zum 10.7.1944 vom Kaiser-Wilhelm-Institut festgelegt und den beteiligten Firmen mitgeteilt und der Termin für den Beginn der Zulage mit ihnen verabredet. Bei Beginn der Zulage ist den beteiligten Ausländern mitzuteilen, daß nach 4 Wochen eine Steigerung ihres Arbeitspensums um einen bestimmten Betrag verlangt wird. Bindungen in bezug auf Dauer der Zulage sind nicht einzugehen. Falls innerhalb 4-6 Wochen die verlangte Leistungssteigerung ausbleibt, ist die Zulage zu entziehen. Die Höhe der verlangten Leistungssteigerung wird von den beteiligten Werken mit dem Kaiser-Wilhelm-Institut vereinbart. Auch schon in der Anlaufzeit ist eine Leistungssteigerung zu erwarten und muß verfolgt und festgehalten werden. Sie ist aber nicht durch Antrieb zu erzwingen. Der Beginn des Versuches, die Durchführung und die zu erwartenden Ergebnisse sind in geeigneter Form den Betrieben einschließlich der mit den Versuchspersonen arbeitenden Meister, Vorarbeiter und Arbeiter mitzuteilen. Diese werden angewiesen, die Leistungen zu verfolgen und dem Versuch im notwendigen Umfang Interesse und Unterstützung zuzuwenden. 9. Zur Beurteilung, ob das geforderte Mehr an Leistung bzw. die Verminderung der Arbeiterzahl bei gleichbleibendem gesamtem Arbeitspensum richtig angesetzt war, dient in erster Linie die Kontrolle des Gewichtes und des Wadenumfangs. Als weiterer Anhaltspunkt für die Wirkung der Ernährungszulage dient die Beobachtung des Verhaltens der Versuchspersonen vor und nach der Schicht (Haltung beim Antreten, Erschöpfung am Schichtende), ferner der Vergleich des Verhaltens bei Tag- und Nachtschicht. 10. Es bleibt vorbehalten, nach genügender Dauer des Versuches I die Zulage noch zu erhöhen. Quelle: BÄK, NL 198, Kraut, Nr. 4.

3. Rüstungswirtschaft und Arbeiterleben in der Provinz Brandenburg. Eine regionalgeschichtliche Studie Die Industriestadt Berlin, die „Reichshauptstadt", hatte ihr Umland schon während der Vorkriegsjahre in die Aufrüstung einbezogen. Das geschah aber, abgesehen von einigen Werken der Großchemie (Premnitz, Landsberg/Warthe, Schwarzheide, Wittenberge), hauptsächlich an der Berliner Peripherie. 1944 war Brandenburg dagegen geradezu vollgestopft mit Rüstungsindustrie, und zusammen mit Berlin bildete das Land ein Rüstungszentrum, das, mit

Rüstungswirtschaft und Arbeiterleben in der Provinz Brandenburg

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Ausnahme des Ruhrgebiets, seinesgleichen in Deutschland nicht hatte. Geographisch und rüstungstechnisch hatten sich zwar Schwerpunkte herausgebildet, aber es fand sich fast jede Art von Rüstungsproduktion: Eisen und Stahl (Brandenburg; Hennigsdorf), die genannten Chemiewerke, zahlreiche Munitionsfabriken, Flugzeug- und Flugmotorenbau (Heinkel/Oranienburg; Focke-Wulf/Cottbus, Sorau, Gassen; Henschel/Schönefeld; Arado/PotsdamBabelsberg, Brandenburg, Rathenow; Daimler-Benz/Genshagen-Ludwigsfelde), Panzerwagen (Demag/Falkensee), Torpedo- und Unterwasserwaffen (Julius Pintsch KG/Fürstenwalde), Giftgas (Auergesellschaft/ Oranienburg; IG Farben/Falkenhagen).

a) Berlin „verlagert"

nach Brandenburg

Wellen von Bombenangriffen der britischen Luftwaffe gegen Berlin setzten Anfang 1943 ein, erreichten im März und im August/September erste Höhepunkte und gingen Mitte November in die sogenannte „Schlacht um Berlin" über. Bis Ende 1944 flog das Bomber Command während dieser Luftoffensive 14 schwere Angriffe, meist nachts, bei denen die Bomber insgesamt zu über 7 400 Einsätzen starteten. Von März 1944 an nahm auch die US-Air Force mit vielen tausend Einsätzen an den Angriffen teil, die fast ohne Unterbrechung bis Ende Mai die Bevölkerung Berlins und der umliegenden brandenburgischen Gebiete in Angst und Schrecken versetzten, Tausende töteten, Zehntausende verwundeten, Hunderttausende obdachlos machten und schwere Schäden in der Industrie anrichteten. 148 Die Berliner Industrie reagierte schon auf die Angriffe im August/September 1943 mit großer Vehemenz. Sie drängte in die Provinz, um der tödlichen Luftbedrohung zu entgehen und ihre wertvolle Maschinerie vor der Zerstörung zu retten. Industrieverlagerung großen Stils - das beschäftigte seit dieser Zeit alle Rüstungsdienststellen Brandenburgs, das wegen der Nähe zu Berlin und der zentralen Lage in Deutschland ein bevorzugtes Ziel der Verlagerung war. Hunderte von Betrieben und Betriebsteilen aus Berlin und sogar aus dem sächsischen und anhaltinischen Raum fanden in Brandenburg Aufnahme. Natürlich suchten diese Betriebe bezugsfertige Fabrikräume, und hieran herrschte im fünften Kriegsjahr nirgends Überfluß, auch nicht in Brandenburg. Umfangreiche Stillegungen, besonders in der Konsumgüterindustrie, sollten Platz schaffen. Die Stillegungsaktionen waren schmerzlich weniger für die betroffenen Unternehmer, die ihre Maschinerie sorgfältig magazinierten oder aber günstig verpachten konnten, die entschädigt und deren Familien teils von Staats wegen, teils durch die Reichsgruppen (Industrie, Handel) unterhalten wurden, als für die Arbeiter, die für Rüstungsbetriebe, oft in neuen Berufen, dienstverpflichtet wurden. Benachteiligt war in der Regel auch die breite Bevölkerung, deren Versorgung sich infolge der Schließungen und Produktionseinstellungen verschlechterte. Stillegungen waren freilich nichts Neues in dieser Zeit. Der Krieg brachte von Anfang an Stillegungen von Tausenden Klein- und Kleinstbetrieben besonders in Handwerk und Handel 148 Groehler, Olaf, Berlin im Bombervisier. Von London aus gesehen, 1940 bis 1945, Berlin 1982, S. 18 ff.

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

mit sich, oft schon, weil der Geschäftsinhaber zur Wehrmacht eingezogen wurde. Seit Kriegsbeginn hatten Betriebe ferner ihre zivile Produktion oder Teile davon stillgelegt, um Rüstungsaufträge bzw. Zulieferungen für die Rüstungsproduktion zu übernehmen. Die Stillegungsaktionen des „Totalen Krieges" hatten jedoch eine neue Dimension. Die Ausrufung des „Totalen Krieges" gab dem Rüstungsminister Mittel an die Hand, systematische Stillegungen in größeren Industrie- und Handwerksbetrieben durchzusetzen, obwohl dagegen außer den Betroffenen auch die örtlichen und regionalen Stellen bis zum Gauleiter oft starken Widerstand leisteten. Hitler stimmte Ende Juli Speers Plan zu, durch die „Umwandlung großer Betriebe der Konsumgüterindustrie in solche der Rüstung ... nicht nur 500 000 deutsche Arbeiter, sondern auch deren Führungsstäbe und die Fabrikeinrichtungen als Einheiten dringenden Programmen" zuzuführen.149 Die geschlossene „Umsetzung" der Arbeitskräfte ganzer Betriebe in die Rüstungsindustrie war das eigentliche Ziel dieser Aktion, für die der Minister eigens einen „Generalbeauftragten für Betriebsumsetzungen" einsetzte.150 Mit verschärfenden Erlassen drang Speer darauf, daß die Umsetzungen der Belegschaften einschließlich des Leitungspersonals „grundsätzlich vollständig" erfolgte.151 Die Umsetzungsaktion ging in verschiedenen deutschen Regionen, vornehmlich auch in Brandenburg, von Anfang an in eine andere Art von Stillegung und Umsetzung über, die etwa zur gleichen Zeit eingeleitet und mittels „Führererlassen" durchgesetzt wurde.152 Sie war durch die wachsende Luftbedrohung der Rüstungsindustrie erzwungen und bestand in der Verlagerung der in Industriegebieten und Großbetrieben konzentrierten Rüstungsproduktion in weniger bombengefährdete Gebiete.153 So belegten in Brandenburg Hunderte von Berliner Betrieben, die schon seit August/September massenweise aus Berlin herausdrängten, nahezu alle verfügbaren Kapazitäten und Arbeitskräfte mit Beschlag. Monat für Monat berichteten die Rüstungskommandos Potsdam und Frankfurt/Oder listenweise über solche Verlagerungen. Eine der ersten Listen stammt schon von August 1943 und enthielt allein für den Bereich der Luftwaffenrüstung des Rüstungskommandos Frankfurt/Oder 34 Fälle, darunter154:

149 150 151 152

Speer, Erinnerungen, S. 287 (26.7.1944). Siehe II, S. 150 ff. BÄK, R 3/1877, RErl. RMRuK „Betr. Betriebsumsetzungen", 15.12.1943. BÄK, R 3/1988, zwei Hitler-Erlasse, 28.6.1943 („Erlaß zur Sicherstellung von Räumen zur Aufnahme von Rüstungsfertigungen aus luftgefährdeten Gebieten und zur Unterbringung von Rüstungsarbeitern in luftgeschädigten Gebieten"; Erlaß über „Industrieverlagerung nach dem Protektorat, dem Generalgouvernement und den besetzten Ostgebieten"). 153 Über die Probleme und die zahlreichen „Unstimmigkeiten in der organisatorischen Durchführung der Verlagerung" s. den SD-Bericht vom 4.10.1943 (Meldungen aus dem Reich, Bd. 15, S. 5842 ff.; desgl. Bd. 14, S. 5686 ff., Ber. v. 26.8.1943); s.a. Kap. I im vorl. Bd. 154 BA/MA, FS, Film 8253, Bericht d. Rüstungskommandos Frankfurt/Oder, betr. Aug. und Nov. 1943. Die im folgenden verwendeten Kürzel und Quellenangaben im Text beziehen sich auf die verfilmten Kriegstagebücher der Rüstungsinspektion III Berlin-Brandenburg (Rüln III), der Rüstungskommandos Potsdam (RüKdo Potsdam) und Frankfurt/Oder (RüKdo Frankfurt/O.). Es handelt sich um folgende Filme des BAP und des BA/MA: 2328; 3386; 8253; 8261; 8263 (siehe Konkordanz im Quellenanhang).

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verlagert in Eltron, Dr. Th. Stiebel Berlin-Tempelhof Eresburgstr. 22/23

Tuchfabrik AG Sommerfeld N. L. Werk II und Tuchfabrik Kulcke & Moll, Sommerfeld

Dürener Metallwerke AG Berlin-Borsigwalde Eichhorndamm 141/65

Sommerfelder Textilwerke Fritz Tillmann, Sommerfeld N. L. und Traugott Schulze, Finsterwalde N. L.

Heiion Präzisions-Optik Hertel, Urban & Co. Berlin-Weißensee Franz-Joseph-Str. 140 Luftfahrtapparatebau GmbH Berlin SO 36 Schlesische Str. 26 Fritz Volk, Luftbildgeräte Berlin SO 36 Schlesische Str. 31 Neumann & Borm, Apparatebau-Ges. Berlin W 35 Bülowstr. 56 Franz Rasemann, Elektroakustische Geräte Berlin SW 68 Ritterstr. 76 Friedrich Bollemann Ing. Masch.-, Vorrichtungs- und Apparatebau, Bremen

W. und F. Baumgarten Neudamm, 3. Stock

Speicher Vierguts, Königsberg/Nm. und Brauerei Falkenthal, Königsberg/Nm. und Viehstall Klauswalde Bahn Bottschow (Lager) Tuchfabrik v. Müffling & Co. Cottbus Tuchfabrik Hugo Pürschel, Werk II und Tuchfabrik Högelheimer, Forst/Lausitz Tuchfabrik Paul Altner, Forst/Lausitz

Wilhelmshütte b. Sorau und Ziegelei Albrechtsdorf b. Sorau

Im Monat November standen beispielsweise auf der Liste: Minervastahl Scheffels & Wolf Hagen/Westf. Elberfelder Str. 48 Wintershall AG Spritzgußwerk Fusor Berlin-Rudow Kanalstr. 103/115

Halle RAD-Lager, Züllichau und Tischlerei Günther, Züllichau und frühere Spinnerei & Weberei, Eigentümer Stadt Züllichau Glaswerk Welzow, Germaniahütte, Bienefeld & Co. GmbH, Welzow N. L.

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Adrema Maschinenbau GmbH Berlin NW 87 Gotzkowskystr. 20

Georg Wissinger, Spremberg, Roßplatz 4 und Alfred Hanke, Spremberg Bautzener Str. 10

Argus Motorenwerke GmbH Berlin-Reinickendorf Ost Flottenstr. 39/42

Vereinigte Lausitzer Glashüttenwerke AG, Werk F, Glasfabrik Fürstenberg/Oder

Telefunken Ges. f. drahtlose Télégraphié mbH Berlin-Zehlendorf Vierter Ring - Ostweg

Turnhalle und anschließd. Sportplatz Eigentümer Stadt Bomst Bomst Krs. Züllichau

Rheinmetall-Borsig AG Berlin-Tegel

Neue Glashütte, Vereinigte Glashüttenwerke AG, Werk F, Fürstenberg/Oder

Dieser Phase massenhafter Verlagerungen in die Provinz waren in früheren Jahren bestimmte Einzelverlagerungen, sogar in großem Maßstab, vorausgegangen, die aber einen anderen Charakter trugen; sie waren langfristig vorbereitet, und als ihr Resultat entstanden neue Zweigwerke, darunter Großbetriebe, auf der „grünen Wiese", die nicht notwendig mit der Stillegung von ansässigen Firmen einhergingen, jedenfalls aber zahlreiche Arbeitskräfte aus den betroffenen Orten und ihrer Umgebeung anzogen. Einer der bedeutendsten Fälle dieser Art war der des Focke-Wulf-Flugzeugkonzerns aus Bremen, der nach den ersten alliierten Luftangriffen 1940/41 eine großzügige , Ausweichplanung" entwickelte. Diese Planung firmierte offiziell als „Verlagerung des Serienbaus ... östlich der Linie Stettin - Berlin - München", lief aber im Grunde auf den Bau mehrerer großer neuer Serienwerke hinaus, die im wesentlichen das Reich bezahlte. So entstanden in Brandenburg die Werke in Cottbus und Sorau mit den Zweig- und Zulieferbetrieben in Gassen und Sommerfeld, ferner große Betriebe in Posen und Marienburg/Westpr. Vorsicht und Vorausschau der Focke-Wulf-Manager waren ausnehmend entwickelt: „Ein Zweitsatz Betriebsmittel ist bereits vorsorglich vor anderthalb Jahren (d. h. Mitte 1941! - D. E.) angefertigt worden und lagert in einem Schuppen in Fürstenberg/Oder." Ende 1942 verlangte Focke-Wulf vom RüKdo Frankfurt, „die Steingutfabrik Nieder-Ullersdorf als Ausweichplatz für Cottbus (zu) reservieren."155 In Frankfurt/Oder tagten am 15. Oktober 1943 Rüstungs- und Wirtschaftsdienststellen, Wirtschaftsgruppen, die DAF und andere und faßten weitreichende Stillegungsbeschlüsse für den Bezirk: „Die Textilbetriebe weben ab, dann Stillegung. Glashütte Germania wird vollkommen stillgelegt. Aus Lehrlingen und einzelnen Kräften der stillgelegten Holzbetriebe wird eine Arbeitsgemeinschaft Holz zur Durchführung von Fimag156-Unterlieferungen gegründet." (RüKdo Frankfurt/O.) 155 BAP, FS, Film 3957, Bericht Focke-Wulf an RLM/GL-Planungsamt betr. „Ausweichplanung der dem SA F4 angehörenden Firmen bei Fliegerschäden", 28.11.1942. 156 FIMAG = Finsterwalder Maschinenbau AG; produzierte u. a. Maschinensätze für die Munitionserzeugung und Scheinwerfer.

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Nun setzte ein langwieriger, oft heftiger Kampf um Fabrikräume, Arbeitskräfte und Unterkunftsmöglichkeiten ein. Die Berliner Betriebe benutzten die Verlagerungen nach Brandenburg „in den meisten Fällen ... zu Betriebserweiterungen" (RüKdo Potsdam, 19.11.43), obwohl das nicht mehr zugelassen war. Sie hielten auch Arbeitskräfte in Berlin zurück. „Durch die Verlagerung Berliner Betriebe in den Bezirk Frankfurt/Oder ist... der Bedarf an Arbeitskräften außerordentlich gestiegen, da die verlagerten Firmen niemals die volle Zahl benötigter Arbeitskräfte aus ihrem bisherigen Standort mitgebracht haben und eine Auffüllung durch die jetzt zuständigen Arbeitsämter im Bereich Frankfurt/Oder verlangten." (RüKdo Frankfurt/O., Nov. 1943) Ebenso knapp waren Unterkunftsmöglichkeiten für die verlagerten bzw. dienstverpflichteten Belegschaften. Stillgelegte Ladengeschäfte, Gaststättenräume und Schulen (Turnhallen) waren gefragt. Oft verzögerte sich der Produktionsanlauf, weil die Finnen selber Unterkünfte ausbauen oder neu bauen lassen mußten. Das Rüstungskommando Potsdam meldete, „daß die Vorsorge des Gauleiters für den Katastrophenfall sowie die Ansprüche der Partei auf Versammlungsraum selbst in kleinsten Dörfern nur die zur Unterbringung von Gefolgschaftsmitgliedern durchaus ungeeigneten Objekte übriggelassen haben." (RüKdo Potsdam, 10.3.1944) Die Brandenburger Unternehmen waren darauf bedacht, im Geschäft zu bleiben, zumindest aber ihren Maschinenpark sicher über den Krieg zu bringen. In den Textilbetrieben der Lausitz hatten die einheimischen Firmen es anscheinend durchgesetzt, daß bis zu 40 Prozent ihrer Räumlichkeiten ihnen für die Einlagerung ihrer „hochwertigen Maschinen" überlassen blieb. Soweit möglich, wollte man aber am Rüstungsgeschäft partizipieren und sich einen, wenn auch meist bescheidenen Teil der Kriegsprofite sichern. Da gab es, je nach Kapazität und Spezifik der Produktion, verschiedene Möglichkeiten, sich mit den großen Rüstungsfirmen zu arrangieren. So arbeiteten bei der Firma F. W. Schmidt, Tuchfabrik in Guben, seit April 1944 „75 Prozent der Gefolgschaft zugunsten der Fa. Lorenz (Berlin) und 25 Prozent für eine Fremdfertigung in eigener Regie." Kurios mutet es an, wenn diese Firma noch im September 1944 den Antrag stellte, „mit den 40 [seit April wegen Überalterung ausgeschiedenen] Arbeitskräften wieder 30 Webstühle für die Eröffnung einer Textilecke in Betrieb zu nehmen." Tatsächlich wurde es genehmigt, diese „Textilecke" „mit in der Rüstungsfertigung anderweitig nicht einsatzfähigen Arbeitskräften und ungefähr 19 französischen Kriegsgefangenen" einzurichten. Zu dieser Zeit, als die Stillegung und „Umsetzung" der Textilindustrie im Bezirk Frankfurt mehr oder weniger vollzogen war, zog das Rüstungskommando das traurige Fazit, daß die Produktion von ziviler Bekleidung „auf ungefähr ein Sechstel der bisherigen Fertigung" absinke. (Rüln III, III. Quartal)

b) Unterirdische

Verlagerung

Als Hitler im Frühjahr 1943 „auf weite Sicht" anzustreben befahl, „daß empfindlichste Fertigungen wie Kurbelwellen, Kegelräder, elektrische Einrichtungen usw. in Werken erstellt werden, die voll unter Betonschutz stehen"157, kündigte sich die chaotische Phase der Unter157 FB, 11.4.1943, Punkt 4. Siehe II, S. 154. Für das Folgende vgl. auch Kap. I im vorl. Bd.

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

tageverlagerung und Einbetonierung der Rüstungsproduktion an, die mit der Gründung des Jägerstabs im Frühjahr 1944 einsetzte. Die Rüstungsverantwortlichen und Industriellen waren zuerst durchaus skeptisch gegenüber Hitlers Höhlen- und Bunkerphantasien. Die deutsche Wirtschaft schien Zeit und Kraft für den erforderlichen Aufwand nicht übrig zu haben. Außerdem ließen sich etwa das Ruhrgebiet und die Hydrierwerke schlechterdings nicht unter die Erde oder unter Beton bringen. Die „Schlacht um Berlin" und die „Big Week" (eine Woche - Ende Februar 1944 schwerste Angriffe auf die deutschen Flugzeugwerke) ließen die Stimmung offenbar weithin umschlagen. Selbst in Brandenburg griff bei den Unternehmen Furcht um ihre Produktionsmittel um sich. „Auf Grund der in letzter Zeit stärkeren Luftangriffe haben verschiedene Firmen die Absicht, ihre wertvollsten Maschinen in den Keller zu bringen und sie so nach Möglichkeit vor vollem Verlust zu bewahren. Am weitesten fortgeschritten [sind die Pläne der] Fa. Mansfeld-Werk Prenzlau. ... Die Fa. List, Teltow, hat Antrag bei der Baupolizei gestellt, einen dementsprechenden Bunker mit etwa 100 qm schnellstens zu errichten." (RüKdo Potsdam, 29.2.1944) Doch das waren lächerliche Maßstäbe im Vergleich zu dem, was der Jägerstab plante. Nach Hitlers Befehl sollten eine Reihe gewaltige Bunkerfabriken, sogenannte Jägerfabriken, von je 600 000 bis 800 000 qm Betriebsfläche entstehen, wo die jetzt so gefährdete Produktion von Jagdflugzeugen vervielfacht werden sollte. Kein einziger dieser Betontürme wurde fertig. So konzentrierten sich NS- und Wirtschaftsführung auf Möglichkeiten, die „empfindlichsten Fertigungen" unter die Erde zu verlagern: in Bergwerke, vorhandene Bunkeranlagen (Maginotlinie), Tunnel, Höhlen, überdachte Täler und Schluchten. Die erste große unterirdische Anlage, schon im Herbst 1943 in Angriff genommen, war diejenige bei Nordhausen („Mittelwerk"), vorgesehen für die Produktion der Wunderwaffe V 2. Die Brandenburger Geographie bot hierfür wenig Möglichkeiten. Die Berliner Industrie mußte, soweit unterirdische Anlagen in Frage kamen, anderswohin ausweichen; im letzten Kriegsjahr wurde schließlich in Berlin selbst noch eine Anzahl besonders wichtiger Fertigungen in Brauereikeller, Untergrundbahnstrecken und Kellergaragen verlegt. Bisher sind für Brandenburg zwei größere unterirdische Projekte bekannt geworden, die dem Daimler-BenzKonzem für die Verlagerung seiner Produktion in Genshagen/Ludwigsfelde und in BerlinMarienfelde zugewiesen worden waren, sowie eines für die Kugellagerwerke in Erkner. Das große Daimler-Benz-Flugmotorenwerk in Genshagen wurde am 25. März 1944 zum ersten Mal von alliierten Bombern angegriffen, und dies beschleunigte die Verhandlungen im Jägerstab über seine Verlagerung. Außer einem Gipsbergwerk bei Obrigheim am Neckar und der Minettegrube „Rothe Erde" bei Esch (Luxemburg) wurden Teile der unterirdischen Befestigungsanlagen von Hochwalde bei Meseritz ins Auge gefaßt, die von 1937 an im Oder-Warthe-Bruch in der Nähe der ehemaligen deutsch-polnischen Grenze errichtet und später als Bunker für Treibstoffreserven genutzt wurden.158 Außerdem war die Rede von den ober- und unterirdischen Anlagen der Giftgasfabrik in Falkenhagen, nur 25 km östlich von Frankfurt/Oder. Nach Hochwalde sollte zugleich das Daimler-Benz-Werk in Berlin-Marienfelde Teile seiner Panzermotorenproduktion verlagern. 158 BÄK, R 3/1576 ff., Jägerstabprotokolle v. 8., 11. u. 15.4.1944.

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Am 12. April tagte der Jägerstab im Werk Genshagen. „Unterirdische Verlagerung muß schnellstens erfolgen", beschlossen die Anwesenden. Der Termin war allerdings von vornherein unrealistisch: „I. Hochwalde [bei Meseritz/Obrawalde, Deckname „Schachtelhalm"] Unterbringungsmöglichkeit für 500 bis 600 Maschinen. 10 000 qm. Mit Maschinen für Belüftung hilft Genshagen selbst. Zwischenausgänge und Feuerschotten erwünscht. Drei in der Nähe befindliche Lager sollen mit Hilfe des Gauleiters für Unterkunft freigemacht werden. Beginn der Verlagerung 1.5., Abschluß der Verlagerung und Beginn der Fertigung 15.5. gefordert. II. Falkenhagen [nicht realisiertes Projekt] Unterbringungsmöglichkeiten für 650 große Maschinen mit Zubehör. 7 500 qm unterirdisch, 1 500 qm oberirdisch. Nach Aussagen von Oberst Wolf (Rüstungskommando Potsdam) ... verfügbar. Klärung, ob Falkenhagen Daimler-Benz zugewiesen werden kann, bis 14.4. Termin wie für Hochwalde gefordert."159 Die Verlagerung aus Genshagen nach Hochwalde fand statt, wenn auch mit etwa einem Vierteljahr Verspätung. Ende Juli berichtete das Rüstungskommando Frankfurt/Oder: „Im Anschluß an die Verlagerung von Schachtelhalm I nach Hochwalde aus Genshagen erfolgt jetzt noch die Verlagerung von Schachtelhalm II nach Hochwalde aus Marienfelde. Es müssen 1 200 Gefolgschaftsmitglieder untergebracht werden", außerdem 200 zusätzlich „zugeteilte" sowjetische Kriegsgefangene. (28.7.1944). Im August nahm „Schachtelhalm I" die Produktion auf. (RüKdo Frankfurt/O.; Lagebericht f. August). In Hochwalde „befand sich ein Teil der Kleinfabrikation sowie die vollständige Laderproduktion. Der Betrieb war teilweise unterirdisch, zum größten Teil aber in Baracken und großen Holzhallen untergebracht. Er galt als bombensicher, da er sehr schwer auffindbar war."160 Über die geplante Stärke und Zusammensetzung des Werks existiert eine Notiz von Karl C. Müller (Daimler-Benz Genshagen; Leiter des Sonderausschusses für Daimler-BenzFlugmotoren), die dieser vermutlich als Unterlage für die Besprechung vom 12. April benutzte. Tabelle 99 Für „Schachtelhalm l" (Daimler-Benz Hochwalde) vorgesehene Belegschaft, April 1944 Deutsche(Männer) Deutsche(Frauen) Ausländer(Männer) Ausländer(Frauen) ,,Ostarbeiter"(Männer) ,,Ostarbeiter"(Frauen) Ital. Militärinternierte KZ-Häftlinge(nur Männer) Zusammen

602 173 484 22 507 69 452 270 2 579

= Prozent 23,3 6,7 18,8 0,9 19,6 2,7 17,5 10,5

Quelle: Das Daimler-Benz-Buch, S. 411, AN Karl C. Müller, 5.4.1944. 159 Das Daimler-Benz-Buch. Ein Rüstungskonzern im „Tausendjährigen Reich". Hrsg. v. d. Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jh., Nördlingen 1987, S. 413. 160 Palm, Friedrich, Aufzeichnungen über den Luftangriff am 6. August 1944 auf das Daimler-Benz-

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

In Erkner bei Berlin produzierte ein großes Werk der Vereinigte Kugellagerfabriken AG. Als nach einer Serie von Luftangriffen auf die deutsche Kugellagerindustrie - „furchtbare Angriffe", „schwerste Einbrüche" 161 - die vier Hauptwerke Schweinfurt, Cannstatt, Erkner und Steyr Ende Februar 1944 fast vollständig stillagen, wurde die Verlagerung der Industrie forciert. Das Werk in Erkner ging mit wichtigsten Produktionsabschnitten unter die Erde bzw. unter Beton (Deckname „Dorf I"; „Dorf II"): „Für Erkner werden in den Rüdersdorfer Kalkbergwerken maximal 5 000 qm in Stollenform erschlossen. In einem Tunnelabschnitt konnten bereits die ersten Automaten in Betrieb gesetzt werden. Die bei den letzten Angriffen in Erkner erhalten gebliebenen großen Karusselldrehbänke und Schleifmaschinen für die Herstellung der großen Schwenklager für die Panzerkuppeln werden umbunkert und die wichtigsten Schleifmaschinen in dort vorhandene Kellerräume von etwa 4 000 qm gebracht, die von oben eine entsprechende Betonverstärkung erhalten. Der übrige Teil der Fertigung wird nach Fertigstellung von Neckarzimmern dorthin unter Tage verlegt." Der Ausbau des Kalkbergwerks machte anscheinend große Schwierigkeiten. Noch im dritten Quartal berichtete die Rüstungsinspektion über Verzögerungen: „Im Dorf I dieses Werkes verzögerte sich die Fertigstellung der Stollen für die Fertigung, weil der nachdrückende Berg durch Ausmauerung der Stollen abgefangen werden muß." (Rüln III, III. Quartal 1944)

c) Das „Dilemma des

Menschenmangels"

Im Laufe des Jahres 1943 begann bis zum letzten brandenburgischen Rüstungsbetrieb durchzuschlagen, was Generaloberst Alfred Jodl, Chef des Wehrmachtführungsstabes, am 7. November 1943 in einer Geheimrede das „Dilemma des Menschenmangels" nannte, nämlich „die Wechselwirkung und der Konflikt zwischen dem Bedarf an Soldaten an der Front und dem Bedarf an Arbeitern in der Heimat."162 Mehrere Umstände wirkten zusammen, die zu drückendem Arbeitskräftemangel führten und 1944 sogar bestimmte Produktionseinschränkungen in der Rüstung erzwangen. Den schweren Niederlagen der Wehrmacht an der Ostfront und - seit Mitte 1944 - auch an der Westfront folgten prompt sogenannte Sondereinziehungsaktionen (SE-Aktionen). Da ging es an den vom Rüstungsminister sorgsam gehüteten und bisher mit Erfolg geschützten, für unentbehrlich gehaltenen Bestand an Fach- und Schlüsselkräften in der Produktion. Noch während der Schlacht um Stalingrad ordneten Hitler und die Wehrmacht eine solche SEAktion an. Die zweite, noch tiefer greifende folgte im Herbst und Winter 1943. Im Herbst 1944 schließlich sagte Speer „Einbrüche in den Kohlenbergbau, in den Wiederaufbau der chemischen Betriebe und in der Rüstung" als unvermeidbar voraus, weil ohne sein Einverständnis aus der Wirtschaft noch einmal fast 300 000 Mann eingezogen werden sollten.163 „Totalschutz" vor den Einberufungen gab es nur in den seltensten Fällen, im Wehrkreis PotsFlugmotorenwerk Genshagen Krs. Teltow. Nach Tagebuchaufzeichnungen v. Sommer 1945, Ms., bearb. u. gekürzt von Gerhard Birk, S. 4. 161 BAP, FS, Film 3857, Bericht Philipp Keßler an Speer, 6.4.1944. Hiernach auch das Folgende. 162 IMG, Bd. 37, S. 662, Dok. L-172. 163 BÄK, R 3/1576, Speer an Dönitz, 3.10.1944. Siehe auch Abschn. 1 im vorl. Kap.

Rüstungswirtschaft und Arbeiterleben in der Provinz Brandenburg

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dam nur in drei Betrieben, nämlich die Vereinigten Kugellagerfabriken in Erkner und zwei Munitionsfabriken (Hohensaaten; Döberitz). Die Waffen-SS hatte noch eine zusätzliche Rekrutierungsmethode: Sie warb Freiwillige unter 16- und 17-Jährigen. Brandenburger Finnen klagten darüber, „daß Lehrlinge von WELagern [Wehrertüchtigungslagem - D. E.] nicht mehr in ihre Betriebe zurückkehren, weil sie inzwischen als Freiwillige zur Waffen-SS geworben wurden und ihre Freiwilligenmeldung ohne Rücksicht auf den Betrieb und auf ihre meist noch nicht abgeschlossene Lehre abgegeben haben. ... sie hören durch Zufall von anderen Gefolgschaftsmitgliedern oder Angehörigen, daß ein Lehrling bereits bei der Waffen-SS dient." (RüKdo Frankfurt/O., Juli 1943) Unternehmer, die angesichts des Mangels an Facharbeitern und Aufsichtspersonal Ausländern, besonders polnischen und russischen Arbeitern Aufsichts- und Kontrollfunktionen übertragen wollten, mußten vorsichtig sein, daß sie nicht den Naziideologen ins Gehege kamen. „Geheime Staatspolizeistelle teilt Verhaftung des Betriebsführers Gnädig der Fa. Kunz & Gnädig, Birkenwerder, mit. G. hatte einem Polen die Aufsicht über deutsche Gefolgschaftsmitglieder übertragen." Gnädig wurde nach etwa zehn Tagen wieder aus der „Schutzhaft" entlassen, „mit der Verpflichtung, den Betrieb nicht mehr zu betreten und aus der Firma auszuscheiden." (RüKdo Potsdam, 13. und 26.3.1943) Erheblich trug die Verlagerung der Berliner Industrie nach Brandenburg zum Arbeitskräftemangel bei. Die Berliner Belegschaften zogen, wie erwähnt, selten in der erforderlichen Zahl mit ihrem Betrieb um. „Während sich einerseits eine Anzahl der Gefolgschaftsmitglieder weigert, von Berlin wegzugehen, sieht sich andererseits das Berliner Arbeitsamt außerstande, diese Arbeitskräfte hierher dienstzuverpflichten. ... Diese Kräfte müssen daher aus dem Bezirk [Frankfurt/Oder] gestellt werden. Abgesehen davon sind weitere Kräfte erforderlich, um die Einrichtungen für die Verlagerung zu treffen. Da bereits durch den früheren Abzug von Arbeitskräften aus der Provinz nach Berlin diese erheblich geschröpft wurden, tritt jetzt eine zweite Schröpfung zu Lasten der heimischen Industrie für die Berliner Rüstungsindustrie ein." (RüKdo Frankfurt/O., Okt./Nov. 1943) Die Luftangriffe auf Berlin hatten einen doppelten, wenn auch zeitweiligen Abzug von Arbeitskräften zur Folge. Zu „Katastropheneinsätzen" wurden Arbeiter in die Hauptstadt geschafft. Brandenburger Betriebe wiederum warteten nach Angriffen oft tagelang auf ihre Berliner Fachkräfte. „Durch die Fliegerangriffe am 22., 23. und 26.11.1943 konnten infolge der Verkehrsverhältnisse mehr als 50 Prozent der Belegschaft des Werkes Genshagen nicht zum Dienst erscheinen." (RüKdo Potsdam, 2.12.1943) Waren diese Kräfte unersetzbar, wie in unserem Fall allein 18 Prüfstandführer, so stockte der Produktionsausstoß. ,,[K. C.] Müller: Nach jedem Angriff auf Berlin fehlen 2 000 bis 2 500 Arbeiter, die aus der Stadt kommen müssen. Wir schicken schon nach jedem Angriff Leute zu den Hauptbahnhöfen in Berlin, die mit großen Tafeln bewaffnet sind und Anweisung geben, wie die Arbeiter zu fahren haben. Wir setzen auch unsere wenigen Omnibusse ein, wobei wir uns der Gefahr aussetzen, daß sie durch die Polizei für den Katastropheneinsatz beschlagnahmt werden. Trotzdem fehlen nach schweren Angriffen auf Berlin 2 000 bis 2 500 Mann, die dann nach 2, 3 Tagen langsam ankommen, je nachdem ob sie selbst beschädigt sind oder in einem stark beschädigten Stadtteil wohnen. Saur: Könnten Sie dann nicht mit Daimler-Benz in Marienfelde eine gegenseitige Hilfelei-

276 stung vereinbaren, indem die Panzer, die von da aus nach dem Süden hingefahren werden, Probefahrten mit Anhängern zu Ihnen [machen]? Müller: Die Hauptschwierigkeit war, daß bei den letzten Angriffen die südlichen Bahnhöfe mehr oder weniger zerstört wurden. Es ist deshalb sehr schwer, einen Sammelpunkt für unsere Leute vorher zu bestimmen. Wir haben schon Sammelpunkte in den einzelnen Betrieben ausgemacht. Nach jedem Angriff sind aber andere Stadtteile durch Schläuche verbarrikadiert, so daß schließlich LKWs noch durchkommen, aber nicht der schwere Panzer. Wir haben sofort in der Nacht Leute von Genshagen auf alle Bahnhöfe geschickt, damit der Eisenbahn gesagt wurde, welche Strecken besonders eilig repariert werden müssen. Wir haben diesmal im Gegensatz zu früher auch erreicht, daß die zerstörten Bahnlinien der Strecke Lichterfelde-Süd - Anhalter Bahnhof sehr schnell wieder in Gang gesetzt worden sind."164 Die Brandenburger Industrie litt selbst zunehmend unter Angriffen, besonders im Berliner Randgebiet. Viele Tote waren zu beklagen. 63 tote und 35 schwer verletzte „Ostarbeiter" lagen Anfang Dezember 1943 unter den Trümmern des Luftschutzbunkers der Firma Heinrich List in Teltow. „DAF wird den Gauverbindungsmann als Redner [zur Beerdigung] hinschicken, damit die beabsichtigten Ansprachen der Ostarbeiter selbst und der Firma vermieden werden." (RüKdo Potsdam, 4.12.1943). Am 6. August 1944, bei einem der schwersten Angriffe, die die Brandenburger Industrie erlebte, wurden allein in den Opel-Werken in Brandenburg 32 Belegschaftsmitglieder getötet und 8 verletzt. Im Daimler-Benz-Werk Genshagen lag die Ziffer mehr als dreimal so hoch. „Die Fa. E. Müller, die Panzerwagenund Sturmgeschützteile fertigt, hat zum Beispiel bei einem Angriff 30 Prozent der Belegschaft durch Tod und Verwundung verloren." (Rüln III, III. Quartal 1944) Aus den Meldungen des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion über Luftangriffe, Mai und August 1944165 I. „Meldung über Auswirkungen feindlicher Luftangriffe auf kriegswirtschaftlich wichtige Anlagen", vom 29. Mai 1944 (betr. Angriff vom 28. Mai mittags): „Schwarzheide b. Ruhland: Brabag, 5-600 Bomben. Getroffen: Gasbehälter, Schaltwerke, sechs von sieben Koppersanlagen, Generatorenanlage, Bau 30, 106 und 118. Magazin ausgebrannt. Hauptwerkstatt Splitterschäden. Noch 20 Blindgänger. - Infolge des Ausfalls der Gaserzeugung liegt das Werk still. Fertigungsaufnahme voraussichtlich in etwa vier Wochen mit zehn Prozent." II. „Meldung über Auswirkungen ... in der Zeit vom 29. zum 30. Mai 1944", vom 30. Mai (betr. Angriff vom 29. Mai mittags): „Kottbus: Flugplatz: Halle 1 (Endmontage) mit 20 Maschinen [Focke-Wulf-Jagdflugzeuge] vernichtet. Halle 2 zu etwa 80 Prozent, Halle 3 (Vormontage und Zurichterei) zu 100 Prozent zerstört, Halle 4 (Zwischenmontage) leichter beschädigt. Halle 5 (Malerei) in Ordnung. Halle 6 (Einflugbetrieb) und Halle 8 und 9 (Einflugbetriebe) stark beschädigt. Halle 7 zu 80 Prozent beschädigt. Halle 9a (Kleinteillager) zerstört, ebenso Halle 10 (Lager Focke-Wulf 200) und 164 Roth/Schmid/Fröbe, S. 302, Dok. 114a, Jägerstabprotokoll, 26.3.1944. - Karl C. Müller war Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG, Direktor des Flugmotorenwerks Genshagen und Leiter des Sonderausschusses des Rüstungsministeriums für die Daimler-Benz-Flugmotoren. 165 BAP, FS, Film 3383; Meldung V nach Film 3386.

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Schießstand zerstört. Weiter wurden zerstört acht Baracken und Kommandanturgebäude. 50 Flugzeuge vernichtet. Strom- und Wassserversorgung gestört. Sorau: Focke-Wulf (Flugplatz): Bombenteppichabwurf. Halle 4 fast ganz zerstört. Halle 5 (Endmontage) und Halle 3 schwer beschädigt. Einige Baracken in Brand geworfen. Montage bis auf weiteres nicht mehr möglich." III. „Meldung Nr. 10 über Auswirkungen ... in der Zeit vom 6. zum 7. August 1944", vom 7. August (betr. Tagesangriff vom 6. August): „Rü In III Berlinf-Brandenburg]: Als besonders beworfen wurden folgende Orte bzw. Ortsteile gemeldet: Teltow, Genshagen, Großbeeren, Stahnsdorf, Ober- und Niederschöneweide, Johannisthal, Baumschulenweg, Neukölln, Marienfelde, Priesterweg, Friedenau und Schöneberg. ... Brandenburg: Arado-Flugzeugwerke Bombenteppichabwurf. Eine wichtige Fertigung verhältnismäßig wenig beschädigt. Sonst schwere Schäden im Werk. Zufahrtstraßen unpassierbar. Opel-Werke: Schwerer Schaden - zunächst 100 Prozent Ausfall. Elisabeth-Hütte: Erhebliche Schäden, zunächst 100 Prozent Ausfall. Eberswalde: Waldbrand nördlich Ardelt-Werke. Wittstock: Tuchfabrik [vier Wörter unleserlich] Lager in Brand geworfen." IV. „Meldung Nr. 11 über Auswirkungen ...", vom 7. August 1944: „... Ergänzung zum gestrigen Tagesangriff: Rü In III: Daimler-Benz, Genshagen (Nur noch Montage von Flugzeugmotoren): Zahlreiche Werkhallen beschädigt. Zahlreiche Langzeitzünder auf Gelände. Stärkere Personenverluste. Fertigungsausfall noch nicht zu übersehen. Arado-Flugzeugwerke, Werk Brandenburg: Südfront des Konstruktionsgebäudes beschädigt. Flugleitungshalle und Werkhalle T schwer beschädigt. Weitere Schäden an anderen Werkhallen. Werk Neuendorf: Eine Werkhalle (Entwicklung) zerstört, fünf weitere Werkhallen beschädigt. Fliegertechnische Vorschule abgebrannt. Werkbahn unterbrochen. Einige Flugzeuge zerstört bzw. beschädigt. Fertigungsausfall voraussichtlich gering. Adam Opel, Brandenburg (Kraftfahrzeuge, LKW 1,5 t): Verwaltungsgebäude zerstört. Eine Werkhalle eingestürzt, übrige Hallen schwer bzw. leichter beschädigt. Ausländerlager abgebrannt. Fertigungsausfall vorübergehend 100 Prozent. 15 Tote, zahlreiche Verletzte. Elisabeth-Hütte O. Wiederholz (Metallguß), Brandenburg: Werkhalle und Ausländerlager schwer beschädigt. Vorübergehend 100 Prozent Fertigungsausfall. Lederfabrik August Spitta Söhne, Brandenburg: Werkgebäude schwer beschädigt. Fertigungsausfall noch nicht zu übersehen." V. Aus dem „Überblick" der Rüstungsinspektion III über das III. Quartal 1944; betr. Angriff auf Schwarzheide (Brabag-Mineralölsynthesewerk) am 24. August 1944: „Infolge der über längere Zeit durchgeführten Vernebelung kreisten die feindlichen Kampfflugzeuge 1 Std. 10 Min. über dem Werksgelände, ohne Bomben zu werfen. Anschließend erfolgte der Abwurf innerhalb 16 Minuten durch 10 Wellen bei fortgesetzter Vernebelung. ... Von den zum Schutz des Werkes eingesetzten insgesamt 8 Flakbatterien wurden 5 400 Schuß ohne erkennbaren Erfolg abgegeben.... Durch den Angriff wurde das Werk wieder vollkommen stillgelegt." Im September 1944 meldeten den höchsten Arbeiterstundenausfall aller Betriebe der Provinz166: 166 BÄK, R 121/336, Aufstellungen RGI f. Sept. 1944 lt. Beschäftigtenmeldung v. 31.10.1944.

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

Niederbarnimer Flugmotorenwerke, Basdorf Auergesellschaft AG, Werk Oranienburg Julius Pintsch KG, Werk Fürstenwalde Kurmärkische Zellwolle und Zellulose AG, Wittenberge Dreilinden Maschinenbau GmbH, Kleinmachnow Brabag AG, Werk Schwarzheide-Ruhland Adam Opel AG, Werk Brandenburg AEG, Werk Hennigsdorf

Prozent 21,3 17,9 16,3 14,3 14,2 14.0 13,6 12.1

Das Chaos nahte schon im Sommer 1944, als Sonderstäbe wie der „Stab Geilenberg", der in Feuerwehreinsätzen die zerbombten Hydrierwerke in Deutschland wiederaufbauen sollte, mit Hitlers Sondervollmachten überall ,Rücksichtslos" Arbeitskräfte herausholen und „notfalls" auch „in Fertigungen höchster Dringlichkeit" eingreifen konnten; als „Sonderaktionen" (Schnellaktionen, Gewaltaktionen) das Rüstungs- und Arbeitskräftepotential immer wieder durcheinanderbrachten. Oft befahl Hitler selbst solche Aktionen, die sich je nach dem kurzfristigen Rüstungsbedarf der Front mal auf Waffenarten (Infanteriegeschütze, Flak, Infanteriewaffen, Flugzeugbordwaffen), mal auf Munition für diese Waffen, auf „Panzerfäuste" usw. richtete. Schwierigkeiten, passiver Widerstand und das Trägheitsmoment machten manche dieser Aktionen schon obsolet, ehe sie durchgeführt wurden. Aber alles in allem führten sie zu „schwersten Belastungen" der Rüstungswirtschaft und zu chaotischen Schwierigkeiten „infolge mangelnder Abstimmung in der Oberinstanz", d. h. von den Wehrkreiskommandos und Rüstungsinspektionen bis hinauf zum „Führer". (Rüln III, III. Quartal) Als im Juli 1944 die Rote Armee zur Weichsel vorstieß und nicht mehr sehr weit vor der deutschen Grenze stand, meldete das Rüstungskommando Frankfurt/Oder den „Abzug von deutschen Arbeitskräften durch Parteidienststellen, unter anderem aus Rüstungsbetrieben, für Schanzarbeiten im Osten. Abzug von Schlüsselkräften konnte vorerst noch rückgängig gemacht werden." (31.7.1944) Im Spätsommer und Herbst steuerte die deutsche Rüstungswirtschaft unaufhaltsam in die Krise. Seit August und September 1944 war in den Berichten der Rüstungsdienststellen über die Arbeitskräftelage ein neuer Ton unüberhörbar. Zum ersten Mal war von „Einbrüchen" in der Produktion die Rede, die nicht mehr abgefangen oder ausgeglichen werden konnten. Die wichtigsten Ursachen, genannt im Lagebericht für August (RüKdo Frankfurt/Oder), waren die „Aktion Zielenzig" (Schanzarbeiten im äußersten Osten der Provinz), die „Umsetzungen" unter dem Stichwort „SM" - Sonderaktion Mineralöl (Wiederaufbau Brabag/Schwarzheide), die massenhaften Einberufungen zur Wehrmacht und die Produktionsverluste durch vielerlei „Überprüfungen" und „Umsetzungen", die mit der zunehmenden Beschäftigung produktionsunerfahrener deutscher Frauen, zum Teil in Heimarbeit, im Zusammenhang standen. „Diese Aktionen haben in ihrer Gesamtheit zu einem Einbruch in die Fertigung geführt. Die gesamten Auswirkungen sind noch gar nicht zu übersehen. Darüber hinaus laufen die Umsetzungen von Fertigungen in Heimarbeit und Gruppenarbeit, in RAD-Lager, Zuchthäuser, Gefängnisse, militärische Strafanstalten und Luftschutzpolizei." Im September und in den folgenden Monaten die gleiche Lage - nun verschlimmert

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„dadurch, daß die Zulieferungen in vielen Fällen stockten". Zu dieser Zeit war das deutsche Eisenbahnnetz, besonders in seinen Hauptverbindungen vom Ruhrgebiet nach dem Osten und dem Süden, Hauptangriffsziel der Luftangriffe. Damit trat aber eine paradoxe, gegensätzliche Wirkung ein: Arbeitskräfte wurden beschäftigungslos, weil den Betrieben Material, Halbzeug und Zulieferteile fehlten.

d) Arbeiterleben Innerhalb der Arbeiterschaft verschoben sich seit 1943 die Verhältnisse mit großer Schnelligkeit. Die Zahl der deutschen Arbeitskräfte in der Industrie ging zurück; in der Rüstungsindustrie hingegen scheint sie 1943 noch geringfügig zugenommen zu haben (durch „Umsetzungen", Einbeziehung nichtbeschäftigter Frauen und durch geburtenstarke nachwachsende Jahrgänge) und sank erst 1944. Von den deutschen Facharbeitern blieben schließlich nur die älteren, überwiegend im Alter von 50 Jahren und darüber. Frisch angelernte junge Leute und Lehrlinge kamen und gingen bald wieder, wenn sie - in zunehmend jüngerem Alter - einberufen wurden. Die Schicht der Ungelernten wurde hauptsächlich durch kinderlose und ältere Frauen aufgefüllt, die sich zum „totalen Kriegseinsatz" hatten melden müssen. Die soziale Struktur der arbeitenden Bevölkerung wurde in den späteren Kriegsjahren stark verändert und beschädigt. Kaum eine Familie, in der nicht Vater oder Sohn zur Wehrmacht eingezogen oder „dienstverpflichtet" war. Der eiserne Besen des „Totalen Krieges" holte mehr und mehr Frauen und Mütter aus dem Haushalt in die Betriebe oder zur Heimarbeit für die Rüstung. Viele verschafften sich eine Ausweichtätigkeit oder eine Bescheinigung für Halbtagsarbeit. Hunderttausende von Frauen und Kindern wurden aus bombengefährdeten Städten und Gebieten evakuiert, Schüler und Lehrer mit ihren Schulen in „Kinderlandverschickungslager" geschickt. Eine Substruktur bildeten die sieben Millionen ausländischen Arbeiter (mit Kriegsgefangenen), künstlich gespalten in vielerlei „Klassen" und Schichten und alle als zweitklassig unterhalb des deutschen Arbeiters eingestuft. Fast 60 Prozent kamen aus der UdSSR und Polen, weitere 20 Prozent waren „freie" und kriegsgefangene Franzosen; die übrigen kamen aus einem Dutzend anderer besetzter Länder Europas. In der deutschen Industrie waren im September 1942 von den Beschäftigten etwa 15 Prozent Ausländer, Ende Mai 1944 waren es über 40 Prozent; in der Rüstungsindustrie waren es ungefähr 25 bzw. 50 Prozent. In einzelnen Zweigen und neuen Werken stieg der Ausländeranteil sogar auf 60 Prozent und mehr; im Daimler-Benz-Werk Genshagen zum Beispiel im März 1944 auf 63 Prozent. Die Rüstungsproduktion stieg weitaus schneller als die Zahl der Arbeitskräfte. Produktionsverbesserungen und -Vereinfachungen, neue Maschinen, Konzentration auf weniger Waffentypen - also Produktivitätssteigerung und Rationalisierung in vielerlei Form - spielten hierbei keine geringe Rolle. Aber wirksamer war wohl die scharfe Gangart im Betrieb, die Antreiberei und vor allem die bis zur 72-Stunden-Woche ausgedehnte lange Arbeitszeit, von der fürchterlichen Ausbeutung und Schinderei der Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ganz zu schweigen. Ferner war die physische und seelische Belastung durch die Luftangriffe 1943/44 ungeheuer.

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter Dennoch berichteten die Rüstungsdienststellen regelmäßig von „ruhiger" und „zufriedener" Stimmung unter den deutschen Beschäftigten. „Stimmung der Gefolgschaftsmitglieder überall der Zeit entsprechend gut. Der Ausfall durch Krankheit beträgt im Durchschnitt 5 bis 6 Prozent." (RüKdo Frankfurt/Oder; Juli 1944) „Stimmung der Gefolgschaftsmitglieder zufriedenstellend. Krankheitszustand im Durchschnitt 5 Prozent." (August 1944) „... ist die Stimmung in den Betrieben bei den deutschen Gefolgschaftsmitgliedern wohl ernster geworden, aber im allgemeinen ruhig." (RüKdo Potsdam; III. Quartal 1944) Die durchschnittlichen Krankenziffern waren freilich trügerisch. Die gleichen Berichte aus dem Bezirk Berlin-Brandenburg enthalten auch ganz andre Zahlen, ohne Namen von Firmen zu nennen: „In einzelnen Werken sind die Krankenziffern bis zu 13 Prozent gestiegen." (Rüln III; III. Quartal 1944) „... bei einzelnen Firmen [erreicht der Krankenstand] bis zu 20 Prozent der Belegschaftsstärke. Die Gründe hierfür sind folgende: a) Erkältungskrankheiten, bedingt durch Witterungseinflüsse und ungenügende Heizung; b) größere Anfälligkeit im Hinblick auf die zum Teil ungenügende Ernährungslage (Fehlen von Gemüse); c) Überbeanspruchung durch lange Arbeitszeit." (RüKdo Berlin V; III. Quartal 1944) Was machte die deutschen Arbeiter so schweigsam, arbeitsam und folgsam? Sicher, der NS-Terror bedrohte jeden, der auch nur eine abweichende Meinung äußerte. Arbeitsverweigerung und Streik hätten zu Gestapo- und Konzentrationslagerhaft geführt. Aber die überwältigende Mehrheit der Deutschen unterstützte das Regime, nicht zum wenigsten durch fleißige, genaue Arbeit. Es hatte halb Europa erobert, ihre Versorgung mit erbeuteten und geraubten Lebensmitteln und anderen Waren aufgebessert und ihre Köpfe mit seinen Propagandaphrasen von Sozialismus und Volksgemeinschaft, von deutscher Herrenrasse und jüdischem und slawischem bzw. bolschewistischem Untermenschentum vernagelt. Die Arbeiter erlebten in ihrem Betrieb täglich eine Situation, in der sie nach und nach daran gewöhnt wurden, als „Herrenmenschen" auf ausländische Zwangsarbeiter herabzusehen, sie zu kommandieren und zu schikanieren, ja zu prügeln. Wer weichherzig war und gar Solidarität zeigte, wurde bestraft. Daher die unermüdliche, disziplinierte Arbeit so vieler Arbeiter und Angestellter für die Rüstung, die den Krieg verlängerte. Oft blieben die Arbeiter nachts im Werk, um die ermüdende Fahrerei nach und von Hause zu sparen - p besonders an den Monatsenden, wenn die geplante Produktionsziffer erfüllt werden sollte. Ein Konstrukteur bei Daimler-Benz Genshagen berichtet: „Oder wir haben in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag durchgemacht und kamen am Sonntagnachmittag nach Hause. Für uns war das eine Selbstverständlichkeit, wenn Eile geboten war, aber auch eine Notwendigkeit, denn wir wollten uns unabkömmlich machen, um nicht eingezogen zu werden."167 Als nach einem Luftangriff die Maschinenbau und Bahnbedarfs AG in Potsdam-Babelsberg vollkommen stillag, weil das elektrische Hauptzuleitungskabel zerstört war, sollten KZHäftlinge herbeigeschafft werden, um einen Bombenblindgänger auszugraben, ehe das Elektrizitätswerk zur Reparatur schritt. Doch es kam anders. „Aus der Gefolgschaft der Firma erklärten sich sofort zwei Leute bereit, den Blindgänger freizulegen, so daß ein herbeigeholter Feuerwerker dessen Entschärfung vornehmen konnte. Bis zum Eintreffen der KZ-Häftlin167 Palm, S. 16 f.

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ge war schon jede Gefahr beseitigt, und das Elektrizitätswerk konnte sofort mit der Instandsetzung des Kabels beginnen." (RüKdo Potsdam, 21.6.1944) Ein bemerkenswerter Fall mißgeleiteten Diensteifers und Enthusiasmus! Im „Totalen Krieg" unterwarf das NS-Regime nun auch die deutschen Frauen (von 17 bis 45 Jahren; bis August 1944 erhöht auf 55 Jahre) einer Melde- und Dienstpflicht „für Aufgaben der Reichsverteidigung". Von nun an gab es zwei Kategorien von deutschen Rüstungsarbeiterinnen, nämlich Frauen, die schon jahrelang, im Krieg und meist auch schon vor dem Krieg, gearbeitet hatten und von denen sehr viele schwere Rüstungsarbeit machten, etwa in der Munitionsindustrie, und Frauen aus der „Meldepflichtaktion", die merkwürdig zaghaft angefaßt wurden, besonders wenn sie aus „besseren Kreisen" stammten. Hierfür hatten die NS-Führer verschiedene Gründe, vor allem die Furcht vor einem Stimmungsverfall sowohl bei der weiblichen Bevölkerung als auch bei den Frontsoldaten, deren Frauen bisher, vom Staat unterhalten, zu Hause saßen. Das beliebteste Argument war allerdings die „Notwendigkeit der Erhaltung seiner (des deutschen Volkes - D. E.) biologischen Gesundheit", um „unter allen Umständen zu verhüten, daß auch bei neuem Einsatz die deutsche Frau oder das deutsche Mädchen hinsichtlich ihrer körperlichen als auch ihrer seelischen Gesundheit Schaden erleiden könnte." (Sauckel) 168 So hatten Rüstungsdienststellen und Betriebe ihre liebe Not mit der Beschäftigung der neuen weiblichen Arbeitskräfte. Diesen Frauen vor allem galt der Stoßseufzer der dem Rüstungsminister für „Arbeitseinsatz" und Arbeitsleistung in den Rüstungsbetrieben verantwortlichen „Arbeitseinsatzingenieure", es gebe jetzt in den Betrieben immer mehr neue Arbeitskräfte, „die vom betrieblichen Leben, von Maschinen, Werkzeugen, Bearbeitungsvorgängen und Fertigungsgrundlagen keine Ahnung haben". 169 Die Frauen durften - so im Arbeitsamtbezirk Oberbarnim - nicht in der dritten Schicht eingesetzt werden, obwohl andere deutsche Frauen „seit langer Zeit" auch nachts arbeiteten. „Firma Frieseke & Höpfner hat auf ihren Antrag, deutsche Frauen in 12-stündiger Nacht- und Tagschicht zu beschäftigen, vom Gewerbeaufsichtsamt eine Ablehnung erfahren", obwohl es sich, laut Auskunft der Firma, „um freiwillige Meldungen von acht bis zwölf deutschen und 20 bis 24 ausländischen Frauen in jeder Schicht handelt(e)." (RüKdo Potsdam, 18.11.1943) Die Arbeitsämter konnten es den Betrieben weder recht machen, wenn sie „nicht mit der genügenden Schärfe" gegen die überaus häufigen Anträge und Wünsche der Frauen auf Halbtagsarbeit entschieden, noch wenn sie den „Totalen Krieg", wie die Betriebe meinten, „zu scharf auffaßten und darauf drangen, die Frauen in die Produktion und nicht in die Verwaltung zu stecken. Es stellte sich nämlich sehr bald heraus, daß die neu verpflichteten Frauen nicht in der Lage oder nicht willens waren, schwerere Arbeiten zu übernehmen, und daß zumal „in den deutschen Frauen älterer Jahrgänge ein vollwertiger Ersatz für schwerarbeitsfähige Arbeitskräfte nicht gesehen werden kann." (RüKdo Potsdam, Sept. 1944) So blieben Rüstungsdienststellen und Betriebe ständig damit beschäftigt, deutsche Männer und ausländische Arbeiter, vor allem Ostarbeiterinnen, aus leichteren in schwere Arbeiten „umzusetzen" und so „geeignete Arbeitsplätze für deutsche Frauen" freizumachen. 168 IMG, Bd. 27, S. 611, Dok. PS-1739, Rede Sauckels auf der Reichs- und Gauleitertagung am 5./6. 2.1943. 169 BÄK, R 3/3035, Rs. Bezirks-AEI Oberrhein an Obmänner AEI, 7.9.1944.

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Für die vom Rüstungsministerium 1944 stark propagierte Heimarbeit konnten sich die Betriebe auch nicht erwärmen, weil ihrer Meinung nach „die Leistung der deutschen Frau im Betriebsgefüge wesentlich größer sein dürfte, als wenn ihr dieselbe Arbeit als Heimarbeit zugewiesen wird." (RüKdo Potsdam, Sept. 1944) Hingegen bemühten sich die Rüstungsbetriebe schon früh um „Maiden" des Reichsarbeitsdienstes, die von ihrer Organisation untergebracht und betreut wurden und für die ein untertariflicher Lohn und eine geringfügige Abgabe an den RAD zu zahlen waren. Für die Norddeutsche Maschinenfabrik Luckenwalde waren im März 1943 80 Arbeitsmaiden vorgesehen; sie sollten das HJ-Heim des Ortes beziehen, das eigens zu diesem Zweck fertiggebaut werden sollte. Es scheint aber bei den Verantwortlichen Unbehagen und die Befürchtung geherrscht zu haben, daß die Mädchen und jungen Frauen, deren durch die NS-Ideologie vorbestimmtes Schicksal es war, „Lebensborn" für eine neue Soldatengeneration zu sein, in der Rüstung verschlissen würden. Nach einem schweren Unfall in einer Fabrik für Leuchtspurmunition nahm man Abstand davon, sie weiter in der Munitionsindustrie zu beschäftigen: „Wegen der mit der Fertigung der Fa. Deleu, Schönhagen, verbundenen Gefahr und mit Rücksicht auf den kürzlich erfolgten tödlichen Unfall einer Arbeitsmaid dürfen in Zukunft mit Einverständnis der Rüstungsinspektion keine Arbeitsmaiden mehr beschäftigt werden. Rüstungskommando Potsdam hat der Fa. ein Angebot gemacht, als Ersatz gegebenenfalls 40 bis 50 weibliche Justizgefangene einzustellen." (RüKdo Potsdam, 18. u. 22.3.1943) Rüstungsdienststellen und Justizbehörden vereinbarten etwa seit Mitte 1943, daß mehr und mehr Zuchthausinsassen „in vordringlichste Rüstungsfertigungen" gesteckt wurden: Männer aus Sonnenburg und Brandenburg und Frauen aus dem Frauenzuchthaus Cottbus. In Cottbus ständen „reichlich Zuchthäuslerinnen zur Verfügung" für die Munitionsindustrie, hieß es in den Akten des Rüstungskommandos Frankfurt/Oder. Auch in den Zuchthäusern selbst lief Rüstungsproduktion an. „AEG-Hennigsdorf wird Betriebseinrichtungen für Herstellung von Kunstharzlagerbuchsen (Adolf-Hitler-Panzerprogramm) dem Zuchthaus Sonnenburg zur Verfügung stellen." (9.8. und 1.10.1943) In der kritischen Zeit des Herbstes 1943, als Rüstungsarbeiter an allen Ecken und Enden immer knapper wurden, machten Wehrmacht und Wirtschaft ein, wie Goebbels es ausdrückte, „gutes Geschäft" mit der Arbeitskraft von 600 000 italienischen Soldaten.170 Die Nachricht von den unverhofften neuen Arbeitskräfteressourcen erreichte die Betriebe in BerlinBrandenburg noch im September. „Betr.: Italienische 'Militärinternierte' als Arbeitskräfte. 1. In den nächsten Tagen ist mit dem Eintreffen größerer Transporte italienischer 'Militärinternierter' und deren Überweisung an die Betriebe als Arbeitskräfte zu rechnen. 2. Zuteilung erfolgt unter Berücksichtigung nachfolgender Richtlinien: ... Unterbringung hat in eigenen Lägern zu erfolgen. Holz- bzw. Drahtumzäunung in 2,00 m Höhe wird gefordert. Bewachung in beschränktem Umfang stellt der Kommandeur der Kriegsgefangenen, zusätzlich Wachmannschaften der übernehmenden Betriebe.... 3. Die Betriebe werden auf die einmalige Gelegenheit, sich Arbeitskräfte zu beschaffen, ausdrücklich hingewiesen." (RüKdo Berlin V, 27.9.1943)

170 Siehe Abschn. 1 im vorl. Kap.

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Schon am 1. Oktober meldete der IG-Farben-Konzern für sein Werk in Landsberg/Warthe großen Bedarf an. Es sollten versuchsweise „sofort 750 Italiener eingesetzt werden." Die Firmenvertreter hatten nur Bedenken, daß die Gefangenen für die Arbeit in der Perlonspinnerei ein geringeres „Fingerspitzengefühl" hätten als die sonst dort arbeitenden Frauen. (RüKdo Frankfurt/O., 1.10.1943) Wenige Tage später (6. Oktober) waren schon Tausende Italiener „verteilt" (hier nur: Rüstungskommando Frankfurt/Oder): „Im Rahmen der Italiener-Aktion wurden den Luftwaffenfirmen eine erhebliche Anzahl Arbeitskräfte zugeführt, und zwar: Focke-Wulf, Sorau Focke-Wulf, Cottbus Lorenz, Guben Eltron, Sommerfeld Pelzer, Gassen Focke-Wulf, Gassen Rheinmetall-Borsig, Guben verschiedene Spremberger Firmen verschiedene Gubener Firmen Hirth AG, Neudamm I. G. Farben, Landsberg/Warthe Rekord-Gummifabrik, Schwiebus Nettelbeck, Räschen Schlegel, Golssen Fliegerhorst Königsberg/Neumark

600 120 200 100 100 150 515 200 250 35 750 150 80 100 100"

Das rasche Verfahren in Brandenburg war durchaus nicht allgemein üblich. Der „Generalbevollmächtigte für Sonderfragen der chemischen Erzeugung" beschwerte sich im Dezember beim Hauptausschuß Bau (Rüstungsministerium), daß die „Imis" nicht so zahlreich wie angekündigt nach Deutschland geschafft und daß sie Wochen und Monate bei Aufräumungsarbeiten in zerbombten Städten beschäftigt worden seien, „oft nicht sehr zweckmäßig ..., indem sie einerseits in ihrer Arbeitstätigkeit zu wenig straff überwacht würden und andrerseits auch die Art der Arbeit nicht immer als besonders dringend erscheine."171 Kamen die italienischen Soldaten nach längerem Lageraufenthalt und Transport und nach solchen Einsätzen in die Betriebe, so waren sie meist in einem erbärmlichen Zustand, hungrig und abgerissen, oft krank. „Fa. Märkisches Walzwerk Strausberg meldet, daß die kriegsgefangenen Italiener stark verlaust und eventuelle Krankheitserscheinungen auf Übertragung zurückzuführen seien." (RüKdo Potsdam, 17.11.1943) „Bei den Überprüfungen wurde ... festgestellt, daß der Einsatz der Imis in geschützten Räumen und an Maschinen befriedigende Arbeitsleistungen zeigt (in kleineren Betrieben ist sogar eine 80- bis lOOprozentige Arbeitsleistung gegenüber der Leistungsfähigkeit des deutschen Arbeiters erreicht worden). Bei Außenarbeiten in der kühlen, feuchten Witterung sind die Leistungen denkbar schlecht und der körperliche Verfall der Imis auffallend. Die Süditaliener sind also unserem Klima nicht gewachsen. Es reichen auch in diesen Fällen die zuge171 BA/MA, FS, Film 8322, AN betr. Sitzung GB Chemie/HA Bau, 8.12.1943.

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Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

standenen Verpflegungsrationen nicht aus. Es sind bereits in mehreren Betrieben Hungererscheinungen (Ödem) festgestellt worden. Ca. 150 Imis mußten wegen totaler Erschöpfung zur Aufpäppelung den Stalags zugeführt werden." (RüKdo Frankfurt/O., Januar 1944) „Fa. Ebeling, Prenzlau, hat festgestellt, daß die Arbeitsleistung der Imi's sehr gering ist und durch kleine Versuche festgestellt wurde, daß die Verpflegung vollständig unzureichend ist. In besonderen Fällen wurden Zulagen für besonders tüchtige Arbeitskräfte gegeben, die eine Erhöhung der Arbeitsleistung um 100 Prozent zur Folge hatten. (29.2.1944) ... hat mit Verpflegungszulage bei den Imi erhöhte Arbeitsleistung erzielt, bedauert aber, dieses Verfahren nicht fortsetzen zu können." (RüKdo Potsdam, 11.3.1944) Das Hauptreservoir an ausländischen Arbeitskräften bildeten seit 1942 zivile Zwangsarbeiter („Ostarbeiter") und Kriegsgefangene aus der UdSSR. Sie wurden, von den Nazis als „minderwertige Rasse" behandelt und beschimpft, weitaus schlechter ernährt, schlechter die Kriegsgefangenen gar nicht - bezahlt und schärfer angetrieben und drangsaliert als alle anderen ausländischen Arbeitskräfte, auch die Polen. „Obwohl die Leistungen der Ostarbeiter trotz schlechterer Verpflegung besser als die der Polen sind", klagte das Rüstungskommando Potsdam (I.Quartal 1943), würde ihnen mehr Lohn für Unterkunft und Verpflegung abgezogen. Im Laufe des Jahres 1943 bemerkte man sogar in Kreisen von Wehrmacht und Partei, daß das erbarmungswürdige Dasein der sowjetischen Arbeiter, vor allem Hunger und Erschöpfung, ihre Leistung drastisch abfallen ließen. Die bezirklichen Rüstungsdienststellen mußten sich ständig Klagen der Betriebe über den „Rückgang der Arbeitsleistung der Ostarbeiter" anhören, „wegen der aus Kartoffelmangel verschlechterten Verpflegung", wie die Firma Seiffert & Co. meldete. Wie manche anderen Firmen, versuchten Seiffert & Co., in der Umgegend Kartoffeln hinzuzukaufen; Kartoffeln waren schließlich das hauptsächliche und zeitweise einzige Nahrungsmittel der Ostarbeiter und sowjetischen Kriegsgefangenen. Doch in ihrer Absicht, so berichtete die Firma, stieß sie auf das Hindernis der „geradezu unerhört hohen Preise", die die Landwirte forderten. (RüKdo Potsdam, 2.12.1943) Eine derartige „Privatinitiative" sahen die NS-Behörden im allgemeinen gar nicht gern. „Das Provinzialernährungsamt muß jeden Versuch einer Verbesserung der Ostarbeiterkost als zu Lasten der deutschen Bevölkerung gehend ablehnen." (RüKdo Potsdam, 31.1.1944) Schließlich war kein anderer als Staatssekretär Backe vom Reichsernährungsministerium, der sich mit dem Titel des deutschen „Ernährungsdiktators" schmeicheln ließ, zusammen mit Göring von Anfang an verantwortlich für die Ostarbeiterrationen gewesen.172 Backe, Speer und die Rüstungsindustriellen inaugurierten später das berüchtigte System der „Leistungsernährung". Zu den Erfindern und Einpeitschern der „Leistungsernährung" gehörte der Flick-Konzern (Lauchhammer; Hennigsdorf). Ende 1943 empfahl der Rüstungsminister das System allen deutschen Firmen zur Anwendung.173 Auch im letzten Kriegsjahr gab es keine durchgreifende Besserung der Ernährung der Ostarbeiter, wenngleich viele Unternehmer immer wieder daran Kritik übten. „Obwohl sie (die Ostarbeiter - D. E.) unter den Ausländern die besten Arbeitskräfte darstellen, werden sie am schlechtesten verpflegt", beschwerte sich beispielsweise im Sommer 1944 die Julius Pintsch 172 Siehe dazu Abschn. 2. 173 Siehe II, S. 277.

285

Rüstungswirtschaft und Arbeiterleben in der Provinz Brandenburg

KG (Fürstenwalde/Spree). Daher ist es nicht verwunderlich, daß nach wie vor in den Ostarbeiterlagern Fälle von Flecktyphus auftraten und Kriegsgefangenenlager wegen Seuchengefahr unter Quarantäne gestellt werden mußten. Mehr KZ-Häftlinge für die Arbeit in der Rüstung forderten die vom Rüstungsminister berufenen industriellen Sonderausschußleiter für die in Brandenburg vertretene Rüstungsproduktion - zum Beispiel Karl C. Müller von der Daimler-Benz Motoren GmbH Genshagen (für die Flugmotorenindustrie), Heinrich Nordhoff von den Opel-Werken Brandenburg (für die Kraftfahrzeugindustrie) und Dietrich Stahl von der Fa. Bergmann & Co. KG (für die Munitionserzeugung): „Bei der Verengung des Arbeitsmarktes an deutschen und ausländischen Arbeitskräften wird auf die bisher völlig ungenügende Ausschöpfung der Arbeitskraft von vielen tausend KZ-Häftlingen hingewiesen, mit denen Heinkel, Oranienburg, die allerbesten Erfahrungen gemacht hat. Rüstungskommando wird gebeten, sich nachdrücklich bei der Inspektion [der Konzentrationslager] für den Einsatz der männlichen und weiblichen KZ-Häftlinge zu verwenden. Der Reichsführer SS dürfte seine Bereitwilligkeit schon aus dem Grunde erklären, weil ihm die Überwachungsmaßnahmen durch ständigen Abzug von Mannschaften hierfür erhebliche Schwierigkeiten bereiten, während die Betriebe diese Aufgabe auch bei den weiblichen Häftlingen leichter lösen können. Im Lager Ravensbrück bei Fürstenberg in Mecklenburg sollen allein rund 10 000 Menschen greifbar sein. Der Einsatz lohnt sich nur bei größeren Anforderungen, doch sind in diesem Falle vom Anlernling bis zum Wissenschaftler durchaus brauchbare Kräfte und natürlich eine Vielzahl von Hilfsarbeitern greifbar." (RüKdo Potsdam, 26.3.1943) Im März 1944, ein Jahr nach dieser Sitzung, meldete Himmler, daß allein in der Luftwaffenrüstung 36 000 KZ-Häftlinge arbeiteten. „Die Erhöhung auf insgesamt 90 000 Häftlinge ist vorgesehen." Er nannte namentlich die Heinkel-Werke in Oranienburg als denjenigen Betrieb, der mit fast 6 000 Häftlingen weitaus an der Spitze lag. „Damit stellen wir 60 Prozent der Gesamtbelegschaft des Werkes." 174 Tabelle 100 Konzentrationslagerhäftlinge Lager und Betrieb

Ravensbrück: Erprobungsstelle des RLM, Peenemünde-West Gerätewerk Pommern GmbH, Stargard Heinkel-Werke AG, Barth

aus Brandenburger Lagern in der Luftwaffenrüstung, März 1944 Zahl d. Häftlinge vorgeeingesehen setzt

Geleistete Arbeitsstd. Jan. 1944

Arbeitsleistung

600

598

125 000

Baumaßnahmen

550

283

81 129

Herstellung von Lufttorpedos

2 000

1 721

435 155

Flugzeugfertigung

174 IMG, Bd. 27, S. 356 f., Dok. PS-1584 (III), Himmler an Göring, 9.3.1944.

286

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

Tabelle 100 (Fortsetzung) Lager und Betrieb

Zahl d. Häftlinge eingevorgesehen setzt

Mechanische Werkstätten GmbH, Neubrandenburg

4000

1981

529 126

Fertigung von Bombenabwurfgeräten u. Fz. G. 76 Prod. Ergebnis Jan.: 23 000 Schloß 50/X 1 500 Schloß 2 000 150 PVC 1006 500 Rudermasch. 400 ER 4 L->2- Prozent-Schatzanweisungen 1945 Folge I sollten am 16. Februar 1967 (!) fällig werden. Diese Folge I von 1945 diente gleichzeitig als Ablösung der Vier-Prozent-Schatzanweisungen von 1940 Folge I, deren Laufzeit nur fünf Jahre betragen hatte.67 Der Gesamtbetrag der einzelnen Folgen von Schatzanweisungen ist in Ankündigungen nicht genannt worden. Das Gesamtvolumen 1939-1945 überstieg die 70-Milliarden-Grenze.68 Die Anleihen des Deutschen Reiches, die in den Kriegsjahren aufgelegt wurden, hatten Laufzeiten von 20 Jahren (Vier-Prozent-Anleihe 1940) bis 27 Jahren (4'/2-Prozent-Anleihe 1940). Die 3'A-Prozent-Anleihe von 1941 war auf 25 Jahre berechnet. Die Anleihen waren als Liquiditäts-Anleihen (Li-Anleihen) qualifiziert, d. h. 50 Prozent der gesetzlich vorgeschriebenen Liquiditätsreserven der Sparkassen und Versicherungen durften bzw. mußten in Li-Anleihen gehalten werden. Sie waren lombardfähig, an den Börsen aber nicht zugelassen.69 Im übrigen wurden die Anleihen nicht angekündigt oder bekanntgemacht; ihre Auflegung konnte nur den regelmäßigen Bekanntmachungen der Reichsschuldenverwaltung entnommen werden. Danach erreichten die Anleihen, gerechnet von der 1. Ausgabe der 4'/2-Prozent-Anleihe von 1939 bis zur 3'A-Prozent-Anleihe von 1944, ein Gesamtvolumen von über 53 Mrd. RM. Neben der Erhöhung des Rentenbankdarlehens in den ersten Kriegsjahren von 408,8 Mill. RM (Mitte 1939) auf 1 549,9 Mill. RM kam zu den aufgelegten Anleihen und Schatzanweisungen 1944 noch ein 3 '^-Prozent-Darlehen in Höhe von 100 Mill. RM im Reichsschuldbuch zur Eintragung. Insgesamt erhöhte sich die eingetragene fundierte Reichsschuld von 23 642,0 Mill. am 30. Juni 1939 auf 134 960,4 Mill. RM am 31. Dezember 1944. Die Titel 67 BAP, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 15556, Rundschreiben Nr. 1 der Wirtschaftsgruppe Privates Bankgewerbe/Centraiverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes, v. 5.1.1945. 68 Hier wie im folgenden s. Anlage: Die von der Reichsschuldenverwaltung ausgewiesene Reichsschuld (Faltblatt). 69 Siehe Born, Karl-Erich, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1976, S. 542.

708

Die Kriegsfinanzierung

aus der Vorkriegszeit waren je nach ihrer Laufzeit bzw. Tilgungsfrist Bestandteil dieser fundierten Schuld, wurden aber nach und nach getilgt, wozu die nachfolgenden fundierten Schuldtitel herangezogen wurden. Die Aufnahme langfristiger Kredite stieg vom zweiten Kriegsjahr an rasch, erreichte 1943/44 mehr als 33,5 Mrd. RM. In diesem Jahr fielen mit 6,3 Mrd. RM auch größere Kredittilgungsbeträge an (vor allem Schatzanweisungen und Anleihen aus den dreißiger Jahren). Die Emission von staatlichen Schuldpapieren im stückelosen Verkehr entsprach der von der NS-Führung in allen Bereichen angestrebten straffen Rationalisierung. Mit ihr wurden auch technische Hemmnisse in der Kreditfinanzierung beseitigt. Mit wenigen Federstrichen statt mit einer „Unsumme von Arbeit und Kosten ..., die durch Druck, Transport, Einlagerung, Prüfen, Zählen, Sortieren und Verpacken vieler Millionen Stücke entsteht", wurden die Finanzmittel für den Krieg bereitgestellt.70 Der Vereinfachung des Verfahrens diente auch, daß nach Festlegung des Diskontsatzes der Reichsbank auf 3 'h Prozent und des Lombardsatzes auf 4 'A Prozent am 9. April 1940 die Zinssätze der Anleihen und verzinslichen Schatzanweisungen ab 1941 - bis auf eine Ausnahme - bei 3 lh Prozent konstant gehalten wurden. „Seit 1942 war Zinsstetigkeit erreicht."71 Die ersten Monate der Quartale brachten, wie die Reichsbank in einer Analyse vom Februar 1941 feststellte, jeweils die größten Nettoverkäufe, weil die besondere Geldflüssigkeit nach Quartalsschluß (kein großer Steuertermin, wie im letzten Quartalsmonat) sich auswirkten. Die größten Umsätze wies natürlich stets der Januar - und in ihm die erste Woche - auf, weil dann die am Jahresschluß für besondere Bilanzposten und für Zins- und ähnliche Zahlungen bereitgestellten Gelder freiwurden. „Bemerkenswert ist der regelmäßige Rhythmus, der sich darin ausdrückt, daß in der ersten und dritten Woche die höchsten Beträge erzielt werden, während sich in den Zahlen der zweiten Woche der Steuertermin am 10. sowie der Mediobedarf und in denen der letzten Woche der Ultimobedarf abzeichnen. Stets liegt der Absatz in der ersten Monatshälfte höher als in der zweiten." 72 So hatten die vom Reich aufgenommenen Kreditmittel auch terminlich durch den laufenden Absatz der Schuldverschreibungen im Wechsel mit den Steuereinnahmen des Reiches einen festen, planbaren Platz in der Finanzierung der Reichseinnahmen und -ausgaben. Es bestand demgemäß insgesamt kein Grund zu einer Änderung im Verfahren der Kreditaufnahme. Gegenüber hin und wieder geäußerten Wünschen nach direkter Unterbringung der Reichsschuldpapiere beim Publikum verhielt man sich in der Reichsbank ablehnend, „und zwar besonders aus folgenden Erwägungen: 1) Die Reichstitel sind bei den Trägern des organisierten Kredits dauerhafter untergebracht als beim Publikum (leichtere Durchführung von Lenkungsmaßnahmen). 2) Nach den Erfahrungen vom ersten Weltkrieg ... verbürgt eine stärkere Unterbringung von Reichsanleihen im Publikum auf lange Sicht keine Entlastung der Notenbank. 3) Die deutschen Sparer haben sich nach den trüben Erfahrungen der Inflations70 Federau, S. 43. F. war damals Generalsekretär der Deutschen Girozentrale, die als Wertpapiersammelbank im System der Unterbringung von Reichsschuldpapieren eine große Rolle spielte. Die Rationalisierungseffekte des stückelosen Verkehrs sah er aus dieser praktischen Sicht. 71 Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 105. 72 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6549, Bl. 517 f., „Vertrauliche Reichsbanksache. Der Absatz von verzinslichen Schuldverschreibungen des Reiches und von Geldmarktpapieren", 17.2.1941.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

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zeit vom Anleihebesitz weitgehend entwöhnt und pflegen ihre Ersparnisse auf Sparkonten bei Banken und Sparkassen einzuzahlen. Diese Entwicklung wird neuerdings durch den stückelosen Effektenverkehr noch gefördert. Eine Änderung der Finanzierungsmethode könnte beim Sparer, dessen Sparfreudigkeit erhalten bleiben muß, zu Mißtrauen Anlaß geben. Mit dem Festhalten an der bisherigen Emissionstechnik entfällt auch der Anlaß zu einer andersartigen und abwechslungsreicheren Gestaltung der Reichsemissionen."73 Die gegenüber der inländischen Schuldenaufnahme wenig bedeutungsvolle auf fremde Währungen lautende Schuld des Deutschen Reiches blieb während des Krieges ohne große Veränderungen. Soweit eine vertragsgemäße Tilgung fällig war, wurde stets offiziell folgender Vermerk gemacht: „Die infolge Mangels an Devisen nicht transferierten, auf ein Sonderkonto bei der Reichsbank überwiesenen Tilgungsbeträge für den amerikanischen, schweizerischen, italienischen, belgischen, holländischen und deutschen Anleihebesitz wurden vom Schuldkapital abgesetzt".74 Da aber die Tilgungsbeträge nicht transferiert wurden, sind sie letztlich auch nicht als Tilgung realisiert worden. Wenn auch die Reichsschuldenverwaltung sich als um diese Beträge entlastet betrachtete, so stellten die Beträge auf dem Reichsbanksonderkonto dennoch nach wie vor Schulden gegenüber ausländischen Gläubigern dar. Möglicherweise haben einzelne Gläubiger für Zahlungen innerhalb Deutschlands über Beträge des Sonderkontos verfügt; denn - unveränderte Umrechnungskurse unterstellt - die Summe aller Posten wies von 1939 bis 1944 einen Rückgang um knapp 35 Mill. RM auf.

b) Die schwebende Reichsschuld Unter dem Einfluß der wachsenden finanziellen Anforderungen der deutschen Kriegführung stieg die Aufnahme von Krediten mit kurzer Laufzeit und ohne Fundierung durch den Kapitalmarkt in allen Phasen des Krieges absolut und prozentual schneller als die Aufnahme fundierter, mittel- und langfristiger Kredite. Der Anteil der kurzfristigen Schuld an der gesamten beurkundeten Reichsschuld hatte im Juni 1939 etwa 25 Prozent betragen. Ende Dezember 1944 betrug er mehr als 60 Prozent. Es ist dies nicht etwa auf vermeidbare Versäumnisse in der Kriegsfinanzierung zurückzuführen, sondern vielmehr darauf, daß trotz enormer Geldkapitalbildung bzw. Einkommensentwicklung (einschließlich Kaufkraftüberhang) die Kapitalbasis für die Konsolidierung der geforderten Kredite fehlte. Solche Summen, wie sie das Reich in das bodenlose Faß des Krieges hineinwarf, konnte der Kapitalmarkt einfach nicht aufbringen. Selbst die Unterjochung großer Teile Europas und ihre wirtschaftliche und finanzielle Ausbeutung konnte auf Dauer die Mittel in solcher Dimension nicht heranschaffen. Die Finanzierung war daher von vornherein in hohem Maße auf die blanke Geldschöpfung angewiesen.

73 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7132, Bl. 86 ff., „Unterlagen für eine Ansprache des Herrn Vizepräsident Puhl vor dem Bezirksbeirat der Reichsbankhauptstelle Wien", 14.9.1943. 74 Hier nach der Bekanntgabe der Reichsschuldenverwaltung im Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger, 15.3.1945.

710

Die Kriegsfinanzierung

Tabelle 156 Stand und jährliche Zunahme der fundierten und der schwebenden Reichsschuld, (in Mrd. RM) Datum

30.6.1939 31.3.1940 31.3.1941 31.3.1942 31.3.1943 31.3.1944 31.12.1944

Fundierte Schuld* Stand Zunahme

23,64 28,64 46,52 69,60 90,87 118,04 134,96

5,0 17,88 23,08 21,27 27,17 16,92

Zunahme in Prozent

21,1 62,4 49,4 30,5 29,9 14,3

Schwebende Schuld** Stand Zunahme

9,58 22,16 41,84 71,20 105,54 155,98 212,19

12,58 19,68 29,36 34,34 50,44 56,21

1939-1944

Zunahme in Prozent

131,3 88,8 70,2 48,2 47,8 36,0

*) Nur auf RM lautende Inlandsschuld.**) Einschl. Steuergutscheine, Betriebsanlage- und Warenbeschaffungs-Guthaben, aber ohne Mefo-Wechsel. Quelle: Bekanntmachungen der Reichsschuldenverwaltung.

Die wichtigsten Posten der kurzfristigen Verschuldung waren unverzinsliche Schatzanweisungen - sogenannte U-Schätze, die nach einigen Monaten Laufzeit einzulösen waren - und Reichswechsel. Die unverzinslichen Schatzanweisungen wurden mit einer Laufzeit von drei bis sechs Monaten, zuletzt bis zu 20 Monaten verkauft. Der Zinssatz betrug 2 'h Prozent bei sieben Monaten und drei Prozent bei 18 Monaten Laufzeit, nach der sie zum Nennwert wieder eingelöst wurden. Im Dezember 1944 wurden an die Reichsbank 5 351,1 Mill. RM Schatzanweisungen verkauft und 6 000,0 Mill. RM Schatzanweisungen eingelöst.75 Einen weiteren Hauptposten der schwebenden Reichsschuld bildeten die Reichswechsel. Sie wurden mit einem Zinssatz von 2'/»bis 2 3A Prozent in Umlauf gesetzt und waren nach 90 Tagen fällig.76 Schwerin von Krosigk bezeichnete die Reichswechsel mit dem Hinweis auf die Zinssätze als billigstes Finanzierungsinstrument. Insgesamt seien 130 Mrd. RM in Umlauf gesetzt worden.77 Im Statistischen Reichsamt wurden per 31. Dezember 1944 102 407,4 Mill. RM unverzinsliche Schatzanweisungen und 98 226,6 Mill. Reichswechsel registriert, zusammen über 200 Mrd. RM. Nach dem Reichsbankausweis befanden sich davon 61614 Mill. RM in den Tresoren der Reichsbank. Bis 7. März 1945 erhöhte sich der Reichsbankbestand an Schatzanweisungen und Reichswechseln auf 70 192 Mill. RM.78 75 BAP, Statistisches Reichsamt, Nr. 2441, Bl. 57, „Vorläufige Feststellung des Standes der schwebenden Schuld des Reichs", 31.12.1944. 76 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6549, Bl. 497, „Die zur Zeit wichtigsten Typen von Reichsschuldverschreibungen", 20.1.1941. 77 Schwerin v. Krosigk, Wie wurde der Zweite Weltkrieg finanziert?, S. 326. 78 Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975, Frankfurt a. M. 1976, S. 36 f.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

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Zur schwebenden Schuld wurden offiziell „Kurzfristige Darlehen" gerechnet. Dabei handelte es sich um die Reichskreditkassenscheine, das von der deutschen Wehrmacht in fast allen besetzten Gebieten in Umlauf gebrachte Besatzungsgeld. Sie repräsentierten einen Kredit der Hauptverwaltung der Reichskreditkassen an das Reich. Je nach der im Umlauf befindlichen Menge des Besatzungsgeldes richtete sich die Höhe dieser „kurzfristigen Darlehen". Im Polenfeldzug 1939 waren es etwa 45 Mill. RM, die in der öffentlichen Bekanntmachung der Reichsschuldenverwaltung damals noch nicht enthalten waren. Im Status der Hauptverwaltung der Reichskreditkassen wurden an Krediten bzw. Guthaben beim Reich ausgewiesen - Ende 1941: 4 778,2 Mill. RM; - Ende 1942: 7 433,5 Mill. RM; - Ende 1943: 9 133,0 Mill. RM; am 30. September 1944: 9 885,0 Mill. RM.79 80 In der Literatur werden meist nur die 3,0 Mrd. RM am Kriegsende nicht eingelösten Reichskreditkassenscheine als Schuldposten bzw. als vom Ausland erbrachte Finanzleistung genannt. Das ist stark korrekturbedürftig. Die Reichskreditkassenorganisation - nachdem sie auf der Basis eines Kredits an das Reich aus dem Nichts ihre Reichskreditkassenscheine in Umlauf gesetzt und mit ihnen auch eine eigene Banktätigkeit entfaltet hatte - verwies in ihrer Bilanz per 30. September 1944 bei 12 326 Mill. RM Aktiva auf Guthaben beim Reich bzw. gewährte Kredite von 9 885 Mill. RM. Das Statistische Reichsamt führte als Posten der schwebenden Reichsschuld per 31. Dezember 1944 unter „Darlehen von der Hauptverwaltung der Reichskreditkassen (bis zum Stichtag bei der Reichshauptkasse gebuchte Beträge)" 9 043,9 Mill. RM und unter „sonstige Darlehen" 89,0 Mill. RM auf.81 Im weiteren sind die laufenden Betriebskredite der Reichsbank für das Reich als ständiger Posten in der nicht fundierten Reichsschuld zu nennen. Nach dem Gesetz über die Deutsche Reichsbank vom 15. Juni 1939 war es dem „Führer und Reichskanzler" überlassen, die Höhe der Betriebskredite zu bestimmen. Sie erreichten zumeist am Jahresende den höchsten Stand; mit Fortdauer des Krieges beliefen sie sich auch zu anderen Terminen auf mehrere hundert Millionen Reichsmark. Schatzanweisungen zum Zwecke von Sicherheitsleistungen, gebunden an bestimmte langfristige Investitionsvorhaben, wurden immer mehr abgebaut und waren während des Krieges insgesamt unerheblich. Die letzte Anweisung für ein Vorhaben im Wartheland in Höhe von 1,1 Mill. RM wäre 1950 fällig gewesen.82 Ihrer ganzen finanztechnischen Anlage nach müssen der schwebenden Reichsschuld die Steuergutscheine zugeordnet werden. Die Anleihestock-Steuergutscheine waren 1937 ausgegeben worden, als nach der dreijährigen ersten Geltungsperiode des Anleihestockgesetzes die Anleihestockbeträge nicht erstattet, sondern in spezielle Steuergutscheine umgetauscht wurden. Der Bestand an diesen Steuergutscheinen nahm noch bis in das Rechnungsjahr 79 Oertel, Manfred, Über die Deutsche Reichsbank im zweiten Weltkrieg, Dissertation, Rostock 1979, Anlage F, Bl. 2. 80 Beispielsweise Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 100 ff. 81 Wie Anm. 75. 82 BAP, Statistisches Reichsamt, Nr. 2441, Bl. 58, Tab. betr. Schatzanweisungen zum Zwecke von Sicherheitsleistungen.

712

Die Kriegsfinanzierung

1940/41 zu. Erst dann wurde er abgebaut. Die Steuergutscheine waren der Form nach vorweg geleistete Steuerzahlungen, die sich das Reich nun selbst berechnete, jährlich allerdings nur reichlich 20 Mill. RM. Die anderen Steuergutscheine - zwei verschiedene Typen - machten zu Kriegsbeginn den Betrag von etwa vier Mrd. RM aus. Insgesamt wurden 4,8 Mrd. ausgegeben. Sie waren nach dem „Neuen Finanzplan" 1939 bei der Bezahlung öffentlicher Aufträge, insbesondere Rüstungsaufträge, zu 40 Prozent des Rechnungsbetrages in Zahlung gegeben worden, je zur Hälfte als Typ I und als Typ II. Der erste Typ war unverzinslich nach sechs Monaten bei Steuerzahlungen einzulösen; Typ II wurde jährlich zu vier Prozent verzinst und konnte nach drei Jahren mit 112 Prozent des Nennwertes zur Steuerzahlung verwendet werden. Beide Typen stellten einen vom Reich erzwungenen Kredit dar, den das Reich dann in der Folgezeit bei der Steuereintreibung durch Verzicht auf Barzahlung einlösen mußte. In den Bekanntmachungen der Reichsschulden Verwaltung erschienen ferner ab 1942 die „Betriebsanlage-Guthaben" und die „Warenbeschaffungs-Guthaben", die ihrem Wesen nach ebenfalls der nicht fundierten, schwebenden Reichsschuld zuzuordnen sind. Beide Posten gingen - Betriebsanlage-Guthaben unmittelbar und Warenbeschaffungs-Guthaben mittelbar - auf die „Verordnung über die Lenkung von Kaufkraft" vom 30. Oktober 1941 (RGBl. I, S. 664) zurück. In der Kaufkraftlenkungsverordnung war die Bildung von „Betriebsanlage-Guthaben" verordnet worden. Die Unternehmer wurden aufgefordert, „bei den Finanzämtern durch Einzahlung von Geldbeträgen Guthaben zu bilden, die für die Anschaffung abnutzbarer Anlagegüter des beweglichen Betriebsvermögens in der Nachkriegszeit bestimmt sind (Betriebsanlage-Guthaben)". Die Guthaben durften bis zur Hälfte des beweglichen Betriebsvermögens an Anlagen ausmachen; die Einzahlungen sollten nur bestimmte Zeit möglich sein. Die nach dem Krieg angeschafften Anlagen aus diesem Guthaben sollten dann nicht steuerlich belastet werden. Während des Krieges wurden diese Beträge aber auch nicht verzinst. Sie konnten nur vorzeitig zurückverfügt werden, wenn ihr Inhaber „aus wehrwirtschaftlichen Gründen oder infolge einer besonderen wirtschaftlichen Notlage den Rückzahlungsbetrag dringend braucht". Die Betriebsanlage-Guthaben sollten Unternehmens-Rücklagen darstellen, waren aber de facto eine unbefristete und unverzinsliche Anleihe an das Reich mit der Perspektive, irgendwann Zinsen zu bringen und bei zweckgebundener Verwendung später einen Steuervorteil zu genießen. Die Begrenzungen nach Höhe und Zeitpunkt der Guthabenbildung waren psychologisch-taktischer Natur; die Einzahlungen sollten möglichst schnell erfolgen und der Eindruck einer besonderen Attraktivität dieser Guthaben erreicht werden. Der Gesamtbetrag an Betriebsanlage-Guthaben erreichte nicht die 600-Millionen-Grenze. Ähnlich angelegt war die im November 1941 verordnete Bildung von Warenbeschaffungs-Guthaben. 83 Diese sollten „für die Beschaffung von Waren in der Nachkriegszeit bestimmt" sein. Sie durften 20 Prozent des Wertes der in der Bilanz 1938 ausgewiesenen Fertigwaren, Halberzeugnisse, Rohstoffe und Hilfsstoffe nicht überschreiten; die Einzahlungen mußten bis spätestens 10. Januar 1942 vorgenommen werden. Offenbar sollte zum Jahreswechsel 1941/42 der „Ultimo-Bedarf der Reichskasse gedeckt werden. 83 RGBl. I 1941, S. 739, Verordnung über Warenbeschaffungs-Guthaben (VWBG), v. 28.11.1941.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

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Während des Krieges unverzinst, sollten die Warenbeschaffungs-Guthaben nach dem Kriege eine steuerfreie Rücklage für Warenbeschaffungen werden, die, beginnend mit dem fünften Jahr nach Kriegsende, in acht gleichen Jahresbeträgen aufgelöst werden sollte. Die Rückzahlung dieser „Anleihe" war also bis zum Ende des zwölften Nachkriegsjahres in Aussicht gestellt. Vorzeitige Rückzahlungen wurden nur zu gleichen Bedingungen und aus gleichen Gründen wie bei den Betriebsanlage-Guthaben eingeräumt. Im ersten und eigentlichen Einzahlungszeitraum gingen etwas mehr als 160 Mill. RM ein, durch zugelassene spätere Zahlungen erhöhte sich der Gesamtbetrag noch auf 177 Mill. RM, von denen dann offenbar wieder 100 000 RM vorzeitig zurückgezahlt wurden (1943/44). Steuergutscheine, Betriebsanlage- und Warenbeschaffungs-Guthaben waren Mischformen zwischen Steuern und Anleihen/Zwangsanleihen und sollten neben den traditionellen Methoden der Steuern und Anleihen auch auf andere Weise Geldmittel für die Kriegsfinanzierung mobilisieren. In diesem Zusammenhang müssen auch die schon erwähnten Gewinnabführungsbeträge nach GAV ab 1942 genannt werden; waren sie doch formell keine Steuern und definitiv mit der Abführung noch nicht konfisziert. Allerdings war die spätere Rückzahlung auch nicht zugesichert. Schon in der Periode der forcierten Aufrüstung war schließlich ein Schuldposten entstanden, der ungedeckt bei der Reichsbank zu Buche stand und bis Kriegsende 1945 die Finanzlage des Reiches belastete: die Mefo-Wechsel. Mit diesen als Warenwechsel getarnten Finanzwechseln wurde in der Vorkriegszeit mehr als ein Drittel der Rüstungsaufträge finanziert. Sie waren auf die Scheinfirma „Metallurgische Forschungsanstalt GmbH" (Mefo) gezogen, hatten eine Laufzeit von fünf Jahren und die volle Rediskontzusage der Reichsbank. Das Reich hatte die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Verbindlichkeiten der Mefo übernommen und auch deren Verwaltungspersonal gestellt. Mefo-Wechsel wurden bis 1938 in einer Gesamthöhe von zwölf Mrd. RM in Umlauf gesetzt und gelangten schließlich alle in den Bestand der Deutschen Reichsbank, die sie als Aktiva vereinnahmte. Sie wurden nicht als Teil der Reichsschuld ausgewiesen, sind ihr aber zuzuordnen; denn in ihnen verkörperte sich - in Gestalt von Reichsbankforderungen an das Reich - die Zahlungsverpflichtungen des Reichs aus der Vorkriegszeit gegenüber den Rüstungslieferanten.

c) Quellen für die

Schuldenauftiahme

Die Reichsschuld setzte sich, wie gezeigt, aus sehr verschiedenartigen Posten zusammen. In den letzten Wochen des Krieges ist vieles nicht mehr korrekt verbucht worden. Dennoch läßt sich die Gesamtsumme der inneren Verschuldung des Reiches am Kriegsende mit ziemlicher Sicherheit auf 390 bis 400 Mrd. RM beziffern.84

84 BAP, Statistisches Reichsamt, Nr. 2441, Bl. 49 ff., Aufstellung und handschriftliche Chronik (o. V. o. D.); schätzt die Reichsschuld per 30.4.1945 auf 406,0 Mrd. RM, davon 242,9 Mrd. RM kurzfristige Schuld. Die Reichsschuld überschritt die 100-Milliarden-Grenze im Juli 1941, die 200-Milliarden-Grenze im Juli 1943 und die 300-Milliarden-Grenze im Juli 1944. Bei teilweisen Schätzungen

714

Die Kriegsfinanzierung

Die Reichsschuldpapiere (sowohl lang- als auch kurzfristige) verteilten sich auf Geschäftsbanken, Sparkassen, Versicherungen und Unternehmen und zu nicht geringem Umfang auf die Reichsbank. Tabelle 157 Verteilung der Reichsschuld per 30. September 1944 (in Mrd. RM) I Inland:

Sparkassen

85,6

Postsparkasse und Postscheckamt

10,0

Kreditbanken Genossenschaftsbanken Versicherungen

51,8 19,1 25,0

Reichsbank und Golddiskontbank

45,0

Publikum, Unternehmungen (Markt)

47,1

Inland gesamt II Ausland:

Clearingsalden u. ä.

Gesamte Reichsschuld

283,6 40,0 323,6

Quelle: BÄK, R 3/1003, Bl. 7 ff., „Zur Wiederherstellung der geldwirtschaftlichen Ordnung in Deutschland", Denkschrift v. Reichspreiskommissar Hans Fischböck, zugleich stellv. Amtschef des Planungsamts, für Rüstungsminister Speer, 27.2.1945; nach Herbst, S. 412. In den letzten Kriegsmonaten vollzogen sich jedoch in der Verteilung der Reichsschulden noch große Veränderungen. Insbesondere nahm der Anteil der bei der Reichsbank untergebrachten Reichsschuld weiter zu. Die Deutsche Reichsbank hatte die zentrale Rolle im System der geräuschlosen Kriegsfinanzierung inne. Sie war der Hauptkommissionär bei der Unterbringung der Anleihen und und unterschiedlicher Einbeziehung einzelner Schuldposten kommen Autoren zu folgenden Beträgen: - 387 Mrd. RM (Schwerin v. Krosigk, Wie wurde der Zweite Weltkrieg finanziert?, S. 326); - 377,5 Mrd. RM (nur Anleihen, Schatzanweisungen und -Wechsel als Neuverschuldung im Kriege: Federau, S. 42); - 397 Mrd. RM (einschl. Mefo-Wechsel und Steuergutscheine: Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 102); - 379,8 Mrd. RM (Andexel, S. 113); - 388 Mrd. RM (Zumpe, S. 413); - 378 Mrd. RM (Herbst, S. 415); - 389,9 Mrd. RM (Born, S. 543). Siehe auch Köllner, Lutz, Militär und Finanzen. Zur Finanzgeschichte und Finanzsoziologie von Militärausgaben in Deutschland, München 1982, S. 50 und S. 56 ff.

715 Schatzanweisungen des Reichs. Der stückelose Verkehr war bei ihr zentralisiert. Sie leistete den Banken und anderen Geldinstituten Liquiditätshilfe durch den Ankauf von Schuldpapieren des Reiches. Sie diskontierte in wachsendem Maße selbst unverzinsliche Schatzanweisungen und Reichswechsel. Ihre Kredite an das Reich erhöhten sich von 12,6 Mrd. RM Ende 1939 auf 64,2 Mrd. Ende 1944 - darunter 61,6 Mrd. RM Schatzwechsel und unverzinsliche Schatzanweisungen. Am 7. März 1945 waren diese Kredite weiter auf 72,72 Mrd. RM angewachsen, darunter 70,19 Mrd. RM Schatzwechsel und unverzinsliche Schätze.85 Die Reichsbank handelte während der ganzen Dauer des Krieges nach der Linie, die sie in ihrem Verwaltungsbericht für 1939 programmatisch formuliert hatte: „Die Deutsche Reichsbank hat es bei Kriegsausbruch als ihre selbstverständliche Aufgabe angesehen, nicht nur mittelbar durch Ausnutzung der in der deutschen Geldmarktverfassung liegenden Möglichkeiten, sondern unmittelbar durch Einsatz ihrer eigenen Kreditkapazität sich dem Reiche bei der Finanzierung der Reichsvorhaben zur Verfügung zu stellen."86 Die Reichsbank deckte den Kreditbedarf des Reiches zu reichlich 25 Prozent. Die Banken, Sparkassen und anderen Kredit- bzw. Geldinstitute steuerten mehr als 50 Prozent bei, der Rest wurde von den Versicherungs- und anderen Unternehmen getragen.87 Die Einlagenbestände bei den verschiedenen Geldinstituten und das Anwachsen des Geldkapitals insgesamt bildeten das Deckungspotential.88 Da die Kredite zur Finanzierung der Reichsausgaben fast ausschließlich bei den Banken und Kreditinstituten aufgenommen wurden, war die Ersparnisbildung durch die Bevölkerung von eminenter Bedeutung. Die sich bei den Sparkassen und anderen Geldinstituten ansammelnden Sparguthaben bildeten einen wesentlichen Bestandteil des wachsenden Geldkapitals. Die Ersparnisse der Bevölkerung über den Kreditweg für die Kriegsfinanzierung zu mobilisieren, war ein Hauptanliegen der deutschen Kriegsfinanzierung. Das NS-Regime konnte sich dabei auf in den Kriegsjahren steigende Beträge stützen und unternahm erhebliche Anstrengungen, die Sparbewegung zu fördern. Die fortschreitende Verminderung des Warenangebots tat ein übriges. Was konnten die Leute kaufen? Die Rationierung setzte Grenzen. Wertvollere Konsumgüter waren kaum zu haben. War die Lebensmittelversorgung auch bis in die letzte Periode des Krieges relativ gesichert, so wurde die Versorgung mit Textilien und den meisten anderen Ausstattungsgütern immer lückenhafter. So stiegen die Sparguthaben im Verlaufe des Krieges auf mehr als das Vierfache.

85 Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975, S. 43; Federau, S. 48, schätzt „auf Grund zuverlässigen Zahlenmaterials" per 8.5.1945 die Kredite der Reichsbank an das Reich auf 84 Mrd. RM. 86 Verwaltungsbericht der Deutschen Reichsbank für das Jahr 1939, Hauptversammlung am 19. 4. 1940, Berlin, S. 5. 87 Federau, S. 48. 88 Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 103.

716

Die Kriegsfinanzierung

Tabelle 158 Die Entwicklung der Sparguthaben Jahres) Spareinlagen gesamt

in Deutschland, 1939-1944

(in Mrd. RM; Stand jeweils Ende des

darunter: bei Sparkassen in Prozent

1939 1940 1941 1942 1943 1944

29,092 38,071 51,922 72,965 96,356 116,719

21,532 27,838 37,750 51,232 66,941 80,411

74,0 73,1 72,7 70,2 69,5 68,9

Quelle: Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975, S. 18 und S. 102.

Die deutschen Machthaber legten großen Wert darauf, daß alle freien Geldbeträge als Sparguthaben zur Bank oder Sparkasse gebracht wurden. Funk, Schwerin von Krosigk, Goebbels und andere propagierten immer wieder das Sparen als hohe Verpflichtung für alle Deutschen zur Erringung des „Endsieges" und beteuerten die Stabilität der deutschen Währung. Banken und Sparkassen bemühten sich ihrerseits, alles freie Geld zu sammeln. Selbst kleinste Beträge wurden erfaßt. Dazu liehen die Sparkassen auch kleine stählerne Sparbüchsen an ihre Sparkunden aus, die nur am Kassenschalter geöffnet werden konnten. Sie dienten zur Einzahlung der - vorwiegend von Kindern - gesammelten Kleinbeträge. Angesichts der schnell steigenden Kriegskosten und entsprechend der Scheu, die Steuerfinanzierung stärker zu nutzen, wurden ab 1941 diese Anstrengungen verstärkt. Mit dem „Eisernen Sparen" wurde eine besondere Form des Zwangssparens ins Leben gerufen. Zuvor erläuterte Reichsbankvizepräsident Kurt Lange intern vor den Gauobmännern der „Deutschen Arbeitsfront" die Argumente der Regierung: „Die Lage der deutschen Währung am Ende des zweiten Kriegsjahres und der derzeitige Stand der Kriegsfinanzierung erfordern unumgänglich die beschleunigte Durchführung einer währungs- und finanzpolitischen Sondermaßnahme ... Es ist beabsichtigt, eine neue planmäßige Sparaktion größeren Ausmaßes ins Leben zu rufen ... Was über den lebensnotwendigen Bedarf an Arbeitseinkommen anfällt, darf nicht zum Konsumgütermarkt drängen, sondern muß voll und ganz der Kriegsfinanzierung zur Verfügung gestellt werden. Es darf nicht verschwendet, sondern es muß gespart werden. Unsere Rüstungs- und die Kriegskosten können letzten Endes nur von den Ersparnissen des Volksganzen bestritten werden." Der Kriegsverlauf ließe den sicheren deutschen Sieg und eine große wirtschaftliche Zukunft erwarten. „Mit jeder Reichsmark hilft der Sparer den Sieg erringen und sichert sich dadurch selbst sein Erspartes. Außerdem hat er, und das ist das Wichtigste, des Führers Wort, daß der deutsche Sparer nie enttäuscht werden wird." 89 Mit viel demagogischem Aufwand wurde die Parole des „Eisernen Sparens" unter die 89 BAP, Deutsche Reichbank, Nr. 7007, Bl. 367 ff., „Entwurf einer Ansprache des Herrn Vizepräsident Lange vor den Gauobmännern der DAF", 22.10.1941.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

717

arbeitende Bevölkerung getragen. Nach den Festlegungen der „Verordnung über die Lenkung von Kaufkraft" vom 30. Oktober 1941 und der wenige Tage danach erscheinenden Durchführungsverordnung über das „Eiserne Sparen" (RGBl. 11941, S. 664 und S. 705) sollten regelmäßig „Eiserne Sparbeträge" abgeführt werden. Nur „Arbeitnehmer deutscher Volkszugehörigkeit, die der Lohnsteuerpflicht unterliegen", sollten sparberechtigt sein. Die abgeführten Sparbeträge waren von Lohnsteuer- und anderen Abgaben frei. Sie wurden zu den üblichen Zinssätzen verzinst, sollten aber erst zwölf Monate nach Kriegsende kündbar sein. Die Beträge sollten „auf Verlangen des Arbeitnehmers" vom Unternehmer auf ein „Eisernes Sparkonto" eingezahlt werden. Den Nachweis der Einzahlung hatte der Unternehmer zu führen. Nur einmal im Jahr erfolgte die Eintragung in das „Eiserne Sparbuch", das bei einem vom Unternehmer bestimmten Kreditinstitut geführt wurde. Allerdings durfte sich der Sparer zwischenzeitlich nach der Höhe des Guthabens erkundigen. Es wurden Festbeträge für das „Eiserne Sparen" bestimmt: bei täglicher Lohnzahlung: bei wöchentlicher Lohnzahlung: bei monatlicher Lohnzahlung:

1,- RM oder 6,- RM oder 26,-RM oder

0,50 RM pro Tag 3,- RM pro Woche 13,- RM pro Monat.

Bei Mehrarbeits-, Überstunden- u. a. Zuschlägen war das Eineinhalbfache dieser Beträge vorgesehen. Weihnachtszuwendungen und ähnliches sollten mit der Hälfte oder zum vollen Betrag gespart werden, soweit sie weniger als 500,- RM betrugen, bzw., soweit sie 500,RM überstiegen, mit 500,- oder 250,- RM dem „Eisernen Sparkonto" zugeführt werden. Der Erfolg dieser großangelegten Aktion blieb aber offensichtlich unter den Erwartungen ihrer Urheber. Bis Ende Februar 1942 waren bei den größeren Banken, Genossenschaften und bei den Sparkassen insgesamt 174 Mill. RM eingegangen. Zehn bis 14 Millionen wurden bei kleineren gewerblichen Kreditgenossenschaften vermutet, bei ländlichen Genossenschaftsbanken, kleinen Aktienbanken und Privatbankiers nur kleinere Beträge.90 Im Oktober 1942 wurde mit einer „Dritten Durchführungsverordnung über das Eiserne Sparen" (RGBl. I, S. 611) das „Eiserne Sparen" modifiziert, um die Ergebnisse weiter zu steigern. Andere als die bisherigen einmaligen Zuwendungen wurden als sparfähig erklärt; es wurden sowohl niedrigere als auch höhere Festbeträge als bisher zugelassen; auch „laufende Bezüge aus einem früheren Arbeitsverhältnis" wurden sparfähig. Schließlich wurde bestimmt, daß der Empfänger von Bezügen die Verpflichtung zur Abführung auf ein „Eisernes Sparkonto" übernehmen konnte, auch wenn der eigentliche Bezieher „infolge der Kriegsverhältnisse (z. B. als Internierter, Kriegsgefangener ... oder Vermißter) oder aus ähnlichen Gründen eine im Eisernen Sparverfahren vorgesehene Willenserklärung (z. B. Abgabe ... der Eisernen Sparerklärung) nicht selbst abgeben" konnte. Das betraf beispielsweise Wehrmachtsangehörige, denen die „Friedensgebührnisse" weitergezahlt wurden, wenn sie in Kriegsgefangenschaft oder auf neutralem Gebiet in Internierung gerieten. Für Vermißtgemeldete wurden diese Bezüge noch ein bis drei Monate weitergezahlt (Ledige einen, Verheiratete drei Monate).91 90 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7008, Bl. 274, Schreiben an den Reichsminister der Finanzen, 28.2.1942. 91 Siehe Albath/Kretschmer/Petzold, S. 33 ff.

718 Die Ergebnisse blieben aber auch nach dieser erneuten Ankurbelung des „Eisernen Sparens" bescheiden, obwohl die normalen Spareinlagen anstiegen. Gesamtangaben über die Ergebnisse der „Eisernen-Spar"aktion liegen nicht vor. Das ist auch der ganzen Anlage dieser Erfassung von Geldmitteln für den Krieg zuzuschreiben. Sie waren wahrscheinlich in den Angaben über die Entwicklung der Sparguthaben seit 1941 enthalten. Bei der Währungsreform 1948 wurden die „Eisernen Sparkonten" in den Westzonen und Westberlin den anderen Bank- und Spareinlagen gleichgestellt.92 Obwohl das Sparvolumen insgesamt weiterhin anstieg, wurde seit Mitte 1942 ein verstärktes Abheben von normalen Sparkonten registriert.93 Die unabsehbare Dauer des Krieges, die auffällige Sparpropaganda, die Schließung von Sparkassenfilialen u. a. ließen unter der Bevölkerung verschiedenartige Gerüchte aufkommen, was solche Tendenzen förderte. Zwei Drittel aller deutschen Sparguthaben wurden in Wertpapieren angelegt. Nach dem Stand von Ende September 1944 waren 95 Prozent davon Staatsschuldpapiere. Nie zuvor in der Geschichte der deutschen Sparkassen hatten diese ihre Mittel so einseitig auf Staatspapiere festgelegt.94 Mit der Heranziehung der Ersparnisse zur Kriegsfinanzierung über den Kreditweg wurden große Teile des Volksvermögens verpulvert, wurde der Tod auf den Schlachtfeldern finanziert. In den Westzonen, wo sich nach der deutschen Niederlage die kapitalistische Marktwirtschaft neu formierte, blieben nach der Währungsreform von 1948 den Sparern lediglich 6,5 Prozent ihrer Ersparnisse und ihres Bargeldes; die Unternehmen aber realisierten ihre Kriegsund Nachkriegsgewinne vollständig und endgültig. Mehr als die Hälfte aller westdeutschen Aktiengesellschaften werteten ihre Aktien im Verhältnis 1 : 1 von Reichsmark in deutsche Mark um. In ihren Eröffnungsbilanzen in der neuen Währung erklärten damals 367 Aktiengesellschaften ihr Aktienkapital für höher als vordem in RM.95 Vierzig Jahre später hieß es in einer aktuellen Betrachtung einer Wirtschaftszeitschrift, „langfristig sei die Aktie als Vermögensanlage grundsätzlich sowieso immer zu empfehlen ... Aktien verbriefen Sachvermögen, Anleihen nur Geldforderungen, die - unbewältigter Schrecken deutscher Vergangenheit - von Abwertungsschnitten bedroht sind ... Denn schließlich fing Otto Normalverbraucher 1948 mit 40 Mark und ein paar jämmerlichen Resten auf dem Sparbuch an. Friedrich Flick jedoch konnte ins Wirtschaftswunder mit passablen Aktienpaketen starten, die von den Nachfahren später für ein paar Milliarden Mark versilbert wurden." 96

92 Bank-Lexikon, Wiesbaden 1963, Sp. 477 f. 93 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7009, Bl. 211 ff., Aktenvermerke v. 5.6.1943 und 12.6.1943 über verstärkte Abhebungen von Sparguthaben. 94 Krafft, Herbert, Immer ging es um Geld. Einhundertfünfzig Jahre Sparkasse in Berlin, Berlin 1968, S. 170. 95 Deutsche Woche, München, v. 11.11.1953. In: Dokumentation der Zeit, Berlin 1954, Heft 62, S. 3903 ff. 96 Behrens, Bolke, Bullen, Bären, Schafe. In: Wirtschaftswoche, Düsseldorf, Nr. 20/88, S. 53.

Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen

719

4. Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen Die Hauptformen der Finanzierung - Steuern und Kredite - wurden im Inland durch weitere Formen und Methoden - wenn auch in deutlich geringerem Gesamtumfang - sowie durch die Heranziehung beachtlicher äußerer Finanzierungsquellen ergänzt. Handfeste Resultate, die der Kriegsfinanzierung direkt und indirekt zugute kamen, brachten das „Winterhilfswerk des Deutschen Volkes" und die von dieser Organisation getragenen „Kriegs-Winterhilfswerke" (Kriegs-WHW): Geld- und Sachwertsammlungen, die dazu beitrugen, Einkommen und Sachvermögen so umzuverteilen, daß die materiellen Belastungen des Krieges unter der Bevölkerung und auch bei den Soldaten an der Front weniger spürbar gemacht werden konnten. Auch propagandistisch konnten sie als Beweis für das Funktionieren der „Volksgemeinschaft" im Krieg ausgeschlachtet werden. 1939 hatte die Organisation des Winterhilfswerks 27 397 Ortsgruppen, 106 715 Zellen und 552 446 Blocks im Reich. Bei der Sammelaktion 1939/40 gingen mehr als eine halbe Million Sammler mit der Sammelbüchse auf die Straße und sammelten auch Kleinstbeträge. Das Winterhilfswerk gab dann an Bedürftige zweckgebundene Gutscheine zum Bezug bzw. zur Bezahlung von Textilien, Kohlen, Lebensmitteln u. a. aus. Die Gutscheine lauteten auf feste Beträge: 50 Pfg., 1,-, 5,- und später, ab „2. Kriegs-WHW, Serie C", auch auf 10,- RM.97 Die Gutscheine wurden den Einzelhändlern, die sie bei der Zahlung statt Geld entgegengenommen hatten, innerhalb bestimmter Fristen eingelöst. Bis zur Einlösung kreditierten die Händler ihrerseits diese Beträge. Zusammenfassende Angaben über die Höhe der WHW-Spenden liegen nicht vor. Das unter der Regie des Reichsministeriums für Propaganda und Volksaufklärung von der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt" durchgeführte Winterhilfswerk wurde jedenfalls mit viel Propagandaaufwand und recht attraktiv aufgezogen. So wurden die Geldsummen mit Abzeichenverkäufen gekoppelt, die sich nicht nur bei Kindern großer Beliebtheit erfreuten. Die WHW-Beiträge erreichten während des Krieges insgesamt mit Sicherheit mehrere hundert Millionen RM. Wenn sie zu einem Teil auch sozialen Zwecken dienten, so sind sie doch im Zusammenhang mit den Aufgaben der Kriegsfinanzierung als nicht über die Reichskasse laufende Finanzmittel unbedingt zu berücksichtigen. Die Gutscheine des WHW stellten in ihrer Gestaltung als zweckgebundene Wertscheine mit begrenzter Verwendungsmöglichkeit und Gültigkeit spezifische Zirkulationsmittel dar.

a) Finanzierungsfragen

bei der Judenverfolgung

und der

KZ-Verwaltung

Zur Finanzierung des NS-Regimes und seines Krieges sind auch Methoden der brutalen Beraubung von Teilen der Bevölkerung angewandt worden, bzw. es wurden Gewaltmaßnahmen der Diktatur zur Aufbesserung der Staatsfinanzen ausgenutzt. So waren die Einziehung des Vermögens von Juden nach dem Novemberpogrom von 1938 und überhaupt die Beschlagnahme und Enteignung des Vermögens von „Staatsfeinden", „Volksschädlingen" und ähn97 Mehl, Manfred, Die Gutscheine des „Winterhilfswerkes des Deutschen Volkes" (WHW) 1939-1944. In: Der Geldscheinsammler. Zeitschrift für Papiergeld, Nr. 3/1987, S. 109 ff.

720

Die Kriegsfinanzierung

lieh eingestuften Personen geeignet, im Rahmen der „sonstigen Einnahmen" den Reichshaushalt zu bereichern. Dabei läßt sich eine scharfe Trennung zwischen Inland und Ausland nicht vornehmen. Juristische Grundlage bildeten - neben den Bestimmungen über das Reichsfluchtgesetz einige bereits in den ersten Monaten der Hitlerdiktatur erlassene Verordnungen98 sowie der „Erlaß des Führers und Reichskanzlers über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden" vom 29. Mai 1941 (RGBl. I, S. 303). Obwohl die Finanzierung der Naziverbrechen in Konzentrations- und Vernichtungslagern, der Judenverfolgung und des Massenmords an der jüdischen Bevölkerung im eigentlichen Sinne keinen Bestandteil der Kriegsfinanzierung bildete, muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden. Maßnahmen der beschriebenen Art wurden nicht immer über den staatlichen Haushalt finanziert. So wurde beispielsweise die „Beschaffung der Mittel für die Abschiebung der Juden" über „Heimeinkaufsverträge" realisiert, nach denen die Juden vor ihrer „Abschiebung" mindestens ein Viertel ihres beweglichen Vermögens an die dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD unterstellte „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" abzutreten hatten. Nach diesen Verträgen gewährte man den Juden „lebenslänglichen Unterhalt im Altersghetto Theresienstadt", wie es in einer geheimen Aktennotiz vom 17. März 1943 im Reichsministerium der Finanzen hieß." Die Vertreter des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD seien „schon bei früherer Gelegenheit auf die Möglichkeit hingewiesen worden, die Mittel für die Abschiebung der Juden über den Haushalt anzufordern. Der Chef der Sicherheitspolizei ist dieser Anregung nicht gefolgt... Die Beträge, die durch den Abschluß der Heimeinkaufsverträge aufkommen, [seien] enorm und wider Erwarten hoch." Mit spürbarem Bedauern konstatierte man im Reichsfinanzministerium, daß die der Reichsvereinigung der Juden übertragenen Vermögenswerte nicht vom Reich eingezogen werden könnten. „Sie werden demgemäß nicht Reichsvermögen ... Der Reichsminister der Finanzen hat keinen Einfluß darauf, ob und welche Vermögenswerte zugunsten des Reichs eingezogen werden. Es muß deshalb in Kauf genommen werden, daß der Chef der Sicherheitspolizei und des SD gewisse Teile des Vermögens von der Einziehung ausnimmt". Folge könnte sein, daß „arische Gläubiger der Juden benachteiligt werden,... wenn das Vermögen, das dem Reich zufließt, überschuldet ist." Im unmittelbaren SS-Herrschaftsbereich der Konzentrationslager gab es spezielles Lagergeld. Charakter und Einordnung dieses Zahlungsmittels in das System der Kriegswirtschaft und Kriegsfinanzierung ließ die „Dienstvorschrift für die Gewährung von Vergünstigungen an Häftlinge (Prämien-Vorschrift)", die ab 15. Mai 1943 gültig war, mit erschreckender Deutlichkeit erkennen. Es hieß dort: „Alle in der Arbeit eingesetzten Häftlinge sollen künftig die Möglichkeit haben, sich durch Leistung eine Geldprämie zu erarbeiten. Sie wird in Form von Prämienscheinen, die innerhalb der Konzentrationslager Geldeswert darstellen, als Belohnung denjenigen Häftlingen gegeben, die sich durch gute Leistung, Fleiß und besonde98 Besonders RGBl. I 1933, S. 293, Gesetz über die Einziehung kommunistischen Vermögens v. 26.5. 1933; ebenda, S. 479, Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens v. 14.7. 1933. 99 BÄK, R 2/21778, AN RMdF „Beschaffung der Mittel für die Abschiebung der Juden", v. 17.3. 1943. Hiernach auch das Folgende.

Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen

721

res Interesse hervortun. Es wird die Mehrleistung belohnt. Die Höhe der Belohnung richtet sich nach dem Wert der Mehrleistung und darf vorläufig im Einzelfalle RM -,50, RM 1,-, RM 2,-, RM 3,- oder RM 4,- sowie in besonderen wenigen Ausnahmefällen bis zu RM 10,- je Woche im Höchstfalle betragen ... Die Häftlinge haben die Möglichkeit, ihre Prämienscheine zum Kauf von Zigaretten, zu sonstigen Einkäufen in den Kantinen sowie zum Besuch des Bordells zu verwenden ... oder sich die erarbeiteten Prämienbeträge auf ihren Sparkonten gutschreiben zu lassen." Die Vorschrift sah folgende Kostenverteilung für diese Prämienzahlungen vor: „Die prämienzahlenden Stellen (Bauleitungen, Wirtschaftsbetriebe und Rüstungsfirmen) kaufen für eine gewisse Zeit im voraus und nehmen hiervon am Ende einer jeden Woche die Ausgabe der Scheine an die zu belohnenden Häftlinge vor ... Die Prämien werden durch Kauf von denjenigen Stellen bezahlt, denen die Häftlinge zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden. Für die in den Konzentrationslagern selbst im Lagerbetrieb eingesetzten Häftlinge erfolgt die Bezahlung der Prämienscheine aus Reichsmitteln über Kapitel 21/7 b (sächliche Ausgaben)".100 Gold, Schmuck, Antiquitäten und andere Wertgegenstände waren als Vermögenswerte zur Auffüllung der Staatskasse besonders gefragt. Nach den Bestimmungen der Devisenzwangswirtschaft, die in den Jahren des Krieges immer mehr verschärft wurden, waren alle Goldund Devisenwerte an die Reichsbank abzuführen, bzw. sie unterstanden, soweit sie in der Wirtschaft verwertet wurden, der direkten Kontrolle und Verwaltung durch die Reichsbank. Unter die Ablieferungspflicht fielen auch alle Werte, die im Zuge der Eroberungen von der Wehrmacht oder anderen Organen des Reichs in anderen Ländern „erbeutet" wurden. Den Reichsbankbeamten in Berlin, besonders im Kassendezernat und in den Tresorabteilungen, war der Begriff „Beute" durchaus geläufig. In zunehmendem Maße und regelmäßig lieferte auch die SS „im Osten abgelieferte oder beschlagnahmte Werte" bei der Reichsbank ab. 1942 wurde hierüber zwischen SS und Reichsbank ein geheimes Abkommen geschlossen (Melmer-Abkommen), das speziell die SS-Beute aus Konzentrationslagern und Vernichtungslagern betraf.101 Nach Bearbeitung der „Melmer"-Einlieferungen in der Reichsbank, bzw. danach in der Preußischen Staatsmünze, wurde der Gegenwert dem Reichsfinanzministerium gutgeschrieben (Sonderkonto „Max Heiliger"). Zu geringeren Teilen wurden Schmucksachen, goldene Uhren u. ä., die Häftlingen abgenommen worden waren, auch an die Berliner Pfandleihanstalt „zur bestmöglichen Verwertung" gegeben.102

100 Zit. bei Pick, Albert, Das Lagergeld der Konzentrations- und D. P.-Lager 1933-1945, München 1967, S. 49 ff. 101 BAP, Fall XI, Protokoll, Bd. 61, S. 5707 ff. (Vemehmg. Reichsbankvizepräsident Puhl) und Bd. 80, S. 7946 f. (Vernehmg. Reichsbankrat Thoms). 102 IMG, Bd. 13, S. 666 ff.

722 b) Zur Rolle äußerer

Die Kriegsfinanzierung

Finanzierungsquellen

Die Ausschöpfung äußerer Finanzierungsquellen wurde differenziert vorgenommen, in Abhängigkeit vom Kriegsverlauf, von den unterschiedlichen Potenzen der einzelnen besetzten und abhängigen Länder und von den Kriegszielabsichten Deutschlands gegenüber den betreffenden Ländern. Sie erfolgte sowohl zur Deckung des äußeren Finanzbedarfs als auch zur Begleichung finanzieller Verpflichtungen innerhalb des Reiches, d. h. für Kriegsausgaben im weiteren wie im engeren Sinne. So dienten die Mittel zur Deckung von Ausgaben im Außenhandel, zur Kostendeckung bei Käufen und zur Inanspruchnahme von Leistungen im besetzten Gebiet, soweit Wehrmacht und Besatzungsorgane die Kostenträger waren. Die auswärtigen Finanzmittel flössen teilweise unmittelbar in die Reichskasse und von dort zu verschiedensten Empfängern. In der Folge führten sie zur Verlagerung inflationärer Prozesse Währungsverfall, Preiserhöhungen - in die besetzten Länder und in abhängige Staaten. Die Ausschöpfung äußerer Finanzquellen umfaßte: - die direkte finanzielle Ausplünderung der Überfallenen und okkupierten Länder durch Raub von Gold, Wertpapieren sowie Bargeld, durch die Eintreibung von Besatzungskosten, Kontributionen und anderen Finanzbeiträgen; - die Ausgabe von Besatzungsgeld und die Festsetzung von Währungskursen zur Reichsmark, die für Deutschland vorteilhaft waren; - die strenge Überwachung und faktische Leitung des Währungs-, Kredit- und Bankwesens der besetzten Länder im deutschen Interesse. Eine große Rolle spielten die von besetzten Ländern und Satellitenstaaten im Rahmen des Clearingverkehrs erzwungenen Kredite. Schließlich ist die Zusammenarbeit der Reichsbank mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel sowie mit der Schweizerischen Nationalbank in den Dienst der deutschen Kriegsfinanzierung gestellt worden.

c) Requisitionen und

Besatzungskosten

Requisitionen wurden zumeist nur in den Frontgebieten vorgenommen. Nach der Errichtung von Besatzungsorganen - gleichgültig ob als Militär- oder Zivilverwaltung - waren in der Regel die Lieferungen und Leistungen der Wirtschaft und Bevölkerung der besetzten Gebiete für die Wehrmacht, für Truppen, Stäbe, Besatzungsorgane und andere deutsche Stellen durch Geld zu vergüten, wenn auch unter den Bedingungen der Besatzung unter Wert.103 Die Ausplünderung besetzter Gebiete durch bloßen Raub wurde jedoch auf höherer Ebene auch weiterbetrieben, wie es am Beispiel des belgischen Goldes zu demonstrieren ist, das nach erpresserischen Manipulationen der deutschen Waffenstillstandsdelegation für Wirtschaft in Wiesbaden aus französischen Depots in Schwarzafrika auf abenteuerlichen Wegen über Marseille nach Deutschland transportiert wurde.104 103 Siehe Blumhoff, Onno, Der Einfluß der deutschen Besetzung auf Geld- und Bankwesen in den während des zweiten Weltkrieges besetzten Gebieten, Diss., Köln 1961, S. 49 ff. 104 Oertel, Manfred, Über die Deutsche Reichsbank im zweiten Weltkrieg, Anlage C, Dokumentation: Der Raub des belgischen Goldes; Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 117 f.

Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen

723

Für den Unterhalt und die Versorgung der Truppen und Organe der Besatzungsverwaltung wurden Käufe direkt in den besetzten Gebieten vorgenommen. In der Praxis zeigte es sich bald, daß dies nicht nur für die Versorgung im jeweiligen Besatzungsgebiet geschah, sondern auch zur Versorgung anderer Gebiete. Riesenhafte Schwarzmarktkäufe im besetzten Frankreich für den Wehrmachtsbedarf anderer Besatzungs- und Frontgebiete stehen dafür.105 Aus anfänglich meist improvisierten Maßnahmen entwickelte sich im in Nord-, Westund Südosteuropa eine ziemliche Routine. Sie fand Eingang in die Planung für den Überfall auf die UdSSR und wurde auch dort - abhängig vom militärischen Verlauf - praktiziert. Die größten Posten an auswärtigen Finanzquellen wurden durch die Abforderung von Besatzungskosten und anderen „Beiträgen" zur Finanzierung des Krieges sowie durch die Inanspruchnahme von Clearing-Krediten für die deutsche Kriegswirtschaft erschlossen. Bei den Besatzungskosten handelte es sich formell um die Finanzierung des Aufenthalts deutscher Truppen als Besatzungsmacht in den betreffenden Ländern, einschließlich der Finanzierung von Militärbauten und anderen kriegswichtigen Investitionen, auch infrastruktureller Art. Tatsächlich war die Eintreibung von Besatzungskostenzahlungen aber nicht auf diese Zwecke begrenzt. Auch weiterführende und in anderen Ländern anfallende Bedürfnisse der Wehrmacht wurden aus ihnen finanziert, wie es sich besonders an der Verwendung der Zahlungen Frankreichs zeigte. Formell sollte die Höhe der Zahlungen von der zahlenmäßigen Stärke der Besatzungstruppen im jeweiligen Land bestimmt werden. In der Realität hatten aber auch die strategische Lage, die langfristigen militärischen und wirtschaftspolitischen Absichten Deutschlands gegenüber dem betreffenden Land sowie dessen ökonomisches Leistungsvermögen Einfluß darauf, daß der Grad der finanziellen Belastung, gemessen pro Kopf der Bevölkerung oder anteilig am Volkseinkommen, in den einzelnen Ländern unterschiedlich war. Der Gesamtbetrag an Besatzungskosten belief sich auf 85 bis 90 Mrd. RM.106 Tabelle 159 Zahlungen von Besatzungskosten, 1940 (2. Halbj.) Frankreich Holland Belgien Dänemark Italien Übrige Summe

1940-1944

(in Mrd. RM)

1941

1942

1,75 0,80 0,35 0,20

5,55 1,90 1,30 0,20

8,55 2,20 1,50 0,25

-

-

-

1943

0,90

1,05

4,50

11,10 2,20 1,60 0,55 2,00 7,55

4,00

10,00

17,00

25,00

1944 (bis Sept.)

Summe gesamt

8,30 1,65 0,95 0,80 8,00 8,30

35,25 8,75 5,70 2,00 10,00 22,30

28,00

84,00

Quelle: Alexejew, S. 267. 105 Bei diesen Käufen wurde ausgenutzt, daß das Besatzungsgeld - die Reichskreditkassenscheine in den verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Kursrelation zur jeweiligen Landeswährung hatte. Siehe Alexejew, A. M., Die Kriegsfinanzen der kapitalistischen Staaten, Moskau 1952 (russ.), S. 300 ff.; Blumhoff, S. 62. 106 Vgl. Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 109; Federau, S. 32 f.

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Die Kriegsfinanzierung

Die Zahlungen flössen jedoch nicht in einem Gesamtkonto zusammen, etwa in der Reichskasse oder in Verfügung des Reichsministers der Finanzen. Anders als bei den „Wehrbeiträgen" oder anderen Zahlungen, die von einigen Ländern abgefordert wurden und politisch erpreßte Tributzahlungen waren, handelte es sich bei den Besatzungskostenzahlungen (bzw. -krediten) um die Übernahme der militärisch bedingten Kosten durch die besetzten Länder. Die Zahlungen erfolgten zugunsten der Besatzungsorgane bzw. der Wehrmacht direkt. Wenn aus den Zahlungen eines Besatzungsgebietes die Sicherstellung militärischer bzw. logistischer Maßnahmen für andere Kriegsschauplätze finanziert wurde, so geschah das unmittelbar in Verantwortung der Wehrmachtsführung im Zusammenspiel mit den Reichskreditkassen und beispielsweise der im Dezember 1940 gegründeten „Rohstoffhandelsgesellschaft m.b.H." (Roges), die für „Erfassung und Verwertung der Beute in allen besetzten Gebieten sowie Einkauf, Lagerung und Wiederverkauf von kriegswichtigen Rohstoffen" zuständig war.107 So wurden große Summen der auf dem Besatzungskostenkonto in Frankreich angesammelten Beträge von der Wehrmacht für umfangreiche, systematisch organisierte (aber nicht koordinierte) Schwarzmarktkäufe für Wehrmachtsbedürfnisse an der Ostfront und in Südosteuropa ausgegeben.108 In den betroffenen Ländern waren die Besatzungskosten eine der Hauptursachen der inflationären Entwicklung. Da in diesen Ländern keine derart umfassende Reglementierung von Markt und Verbrauch existierte wie im Reichsgebiet, kam es bei den Preisen und im Geldumlauf zu offenen Inflationserscheinungen, von extremem Ausmaß beispielsweise in Griechenland. Nicht alle besetzten Länder hatten Besatzungskosten im strengen Sinne des Wortes zu zahlen. Die zeitweilig besetzten Gebiete der UdSSR waren zu einem großen Teil Frontgebiet; das Gebiet um Bialystok-Grodno und die Reichskommissariate Ostland und Ukraine waren rechtlich nicht „Besatzungsgebiet", sondern reichsunmittelbares Gebiet. Ihr Status war der von Kolonien, war aber entsprechend dem Kriegsverlauf zugleich noch unfertig. Auch in bezug auf Währung und Finanzen wurde das beabsichtigte Regime nicht voll realisiert. Die in den besetzten sowjetischen Gebieten operierenden bzw. stationierten Truppen der Wehrmacht waren insofern keine Besatzungstruppen. Die finanziellen Aufwendungen für sie waren de jure unmittelbare Reichsausgaben. In den Reichskommissariaten Ostland und Ukraine wurden Steuern und Abgaben direkt eingetrieben, entsprechende Anteile dem Reichshaushalt zugeführt.109

d) Reichskreditkassenscheine

als Besatzungsgeld

Wichtigstes Instrument zur finanziellen Ausbeutung der besetzten Länder und Gebiete war die Reichskreditkas senorgani sation. 107 Oertel, Über die Deutsche Reichsbank, S. 214 ff. Siehe auch Kap. V. 108 Arnoult, Pierre, La France sous l'occupation, Paris 1959, S. 39: „Sie haben uns an Lebensnotwendigem nichts gewaltsam weggenommen; sie haben von uns alles korrekt gekauft; aber sie haben alles mit dem Geld bezahlt, das sie uns vorher weggenommen hatten." 109 Oertel, Über die Deutsche Reichsbank, S. 158 ff.; Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 110 f.

Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen

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Die Reichskreditkassen waren Organe der Reichsbank, auch „Soldatenbanken" oder „Bankstellen der Wehrmacht" genannt, „die Schnellen Truppen der Deutschen Reichsbank"." 0 1942 existierten auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen mehr als 60 Reichskreditkassen sowie viele ihnen angeschlossene Wechselstellen. Ausschließlich Reichsbankbeamte bildeten die Vorstände. Das übrige Personal der Reichskreditkassen bestand ebenfalls überwiegend aus Beamten und Angestellten der Reichsbank." 1 An der Spitze der Reichskreditkassenorganisation stand ein Verwaltungsrat mit Sitz in Berlin. Als leitendes Exekutivorgan berief der Verwaltungsrat eine aus höheren Reichsbankbeamten bestehende „Hauptverwaltung"." 2 Die Reichskreditkassen setzten besondere Geldzeichen in Umlauf, die Reichskreditkassenscheine, die auf Reichsmark lauteten und schon seit Jahren bereitgelegen hatten."3 Sie wurden in den zeitweilig besetzten Gebieten zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt, hatten aber im Reichsgebiet selbst keine Gültigkeit. Die Deckung dieser Währung war in Gestalt eines Darlehens der Hauptverwaltung der Reichskreditkassen an das Reich nur fiktiv."4 In Wirklichkeit waren die Reichskreditkassenscheine - nach einer Charakterisierung durch Reichsbankdirektor Kretzschmann - „in Zahlungsmittelform gekleidete Requisitionsscheine" " 5 , und die deutschen Panzer und Kanonen waren ihre Deckung.116 Die ersten Reichskreditkassen wurden 1939 in Polen errichtet; sie wurden später in Reichsbankstellen umgewandelt bzw. aus ihnen entstand im Generalgouvernement die „Emissionsbank in Polen". Während in Dänemark und Norwegen die Reichskreditkassenscheine nur kurzzeitig in Umlauf waren, wurden sie in Belgien, Frankreich und den Niederlanden in großem Umfang eingesetzt. Ab Mitte Mai 1940 bestanden zeitweilig bis zu 30 Reichskredit110 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7014, Bl. 279 f., „Arbeitseinsatz bei den Reichskreditkassen" (Aufsatz für die Werkzeitschrift), 28.2.1941. 111 In einer Namensliste von 1943 sind 542 Beamte und 101 Angestellte der Reichsbank als zu den Reichskreditkassen „abkommandiert" aufgeführt (BAP, Hauptverwaltung der Reichskreditkassen, Nr. 21, Bl. 18 ff.). 112 Verordnungsblatt für die besetzten Gebiete in Polen, Nr. 5 und 6 (1939); Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Berlin, 28.9.1939. - In der Anfangszeit gehörten zum Verwaltungsrat unter dem Vorsitz von Reichsbankvizepräsidenten Puhl die Reichsbankdirektoriumsmitglieder Kretzschmann, Lange (zugleich Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums) und Bayrhoffer (zugleich Vertreter des Reichsministeriums der Finanzen) sowie der Bankier Otto Chr. Fischer von der Reichskreditgesellschaft AG (als Leiter der Reichsgruppe Banken und ständiger Vertreter des Reichsbankpräsidenten im Vorsitz des Beirats der Deutschen Reichsbank). 1940 wurde Ministerialdirektor Tischbein als Vertreter der Wehrmacht hinzugezogen. An Stelle von Lange vertrat später Ministerialdirigent Riehle das Reichswirtschaftsministerium. IMG, Bd. 36, S. 197 ff., Dok. EC-128, RWiM, „Bericht über den Stand der Arbeiten f. eine wirt113 schaftliche Mobilmachung", v. 30.9.1934. Die Verordnung über Reichskreditkassen v. 3.5.1940 (RGBl. I, S. 743) setzte für das Darlehen ei114 ne Begrenzung auf 500 Mill. RM fest; schon zwei Wochen später wurde das Darlehen auf bis zu drei Mrd. RM heraufgesetzt (Verordnung zur Änderung der Verordnung über Reichskreditkassen, v. 15.5.1940 (RGBl. I, S. 770). 115 Kretzschmann, Max, Die Reichskreditkassen. In: Deutsche Geldpolitik, Berlin 1941, S. 117. 116 Alexejew, S. 301.

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Die Kriegsfinanzierung

kassen im Westen. Auch in Jugoslawien und Griechenland wurden die Scheine als Besatzungsgeld in Umlauf gebracht. In Ungarn, Rumänien und Bulgarien wurden Kassen zur Geldversorgung der Wehrmacht im Durchmarsch- und Aufmarschgebiet unterhalten. Auf dem besetzten Territorium der Sowjetunion nahm die Tätigkeit von Reichskreditkassen einen großen Umfang an.117 Von den dort geschaffenen etwa 50 Kassen wurden ein Teil zur „Notenbank im Ostland" und andere zur „Zentralnotenbank Ukraine" umgebildet; im Gebiet der Heeresgruppen blieben sie bestehen, mit der Bestimmung, „Vorläufer und Platzhalter künftiger Gebietsnotenbanken"118 zu sein. Im Reichskommissariat Ukraine führte die dortige Zentralnotenbank den Karbowanez als neue Währung ein. In den übrigen Ostgebieten existierten die Reichskreditkassenscheine weiter, im Ostland als einziges Zahlungsmittel, in den Frontgebieten neben der Rubelwährung.

e) Clearingkreditnahme Beträchtliche Mittel des Auslandes wurden über das in Berlin bei der Deutschen Verrechnungskasse abgewickelte Clearing für die deutsche Kriegswirtschaft nutzbar gemacht. Das geschah formell als Kredit im laufenden Verrechnungsverkehr, in Wirklichkeit handelte es sich um die Nichtbezahlung fälliger Beträge. Der multilaterale Verrechnungsverkehr bot die Möglichkeit, auch bei beständig passiver Handels- und Zahlungsbilanz Deutschlands immer weiter Importe zu tätigen, sowohl aus besetzten Ländern (soweit diese dem Clearing angeschlossen waren) und abhängigen Staaten als auch aus neutralen Ländern. Der Clearingkredit betraf dabei die devisenmäßige Verrechnung, nicht die Bezahlung der Lieferfirmen. Die Exporteure erhielten zumeist seitens der jeweiligen Notenbank den Lieferwert in der Währung ihres Landes gutgeschrieben. Solche Bevorschussung des Außenhandels wurde vor allem von Exportländern praktiziert, die unter Aufsicht und Diktat der deutschen Besatzungsmacht standen. Bei den Ländern, mit denen ein mehr oder weniger echter Außenhandel betrieben werden mußte, gelang eine solche Regelung naturgemäß nicht ohne weiteres. Hier mußte unter Umständen wirklich bezahlt werden, mit Warenlieferungen oder auch mit Devisen und Gold. Andernfalls mußten die Exportfirmen auf die Bezahlung warten." 9 Im Statistischen Reichsamt wurde per 18. April 1945 ein deutsches Clearing-Minus-Saldo von 20 386,8 Mill. RM registriert. Es ergab sich aus 21 225,7 Mill. RM Schulden gegenüber 21 Clearing-Partnern und einem Guthaben-Saldo von 838,9 Mill. RM gegenüber sechs anderen Verrechnungspartnern, darunter fiktiven 474,9 Mill. RM bei den beiden schon längst nicht mehr existierenden Reichskommissariaten Ostland und Ukraine.120 117 Oertel, Manfred, Zur Beteiligung der Deutschen Reichsbank an der faschistischen Aggression gegen die Sowjetunion. In: Militärgeschichte, 5/1981, S. 579 ff. 118 BAP, Hauptverwaltung der Reichskreditkassen, Nr. 4, Bl. 218, Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrats vom 2.12.1942. 119 Benning, Bernhard, Europäische Währungsfragen. In: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Berlin 1942, S. 168 ff. Siehe auch Kap. V; ferner II, S. 509 ff. 120 BAP, Statistisches Reichsamt, Nr. 3552, Bl. 1, „Die Entwicklung der Clearingsalden im Zahlungs-

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Die Preise und die Währungskurse im Clearingverkehr wurden in den meisten Fällen deutscherseits mit Vorteilen für Deutschland diktiert. Die Clearingsalden wurden zu einzelnen Ländern so „bereinigt", daß die Verschuldung formal in bestimmten Grenzen gehalten oder weitgehend eliminiert wurde. So wurde Bulgarien, wo die Forderungen an die Verrechnungskasse in Berlin ausdrücklich als Deckungsmittel für die Geldemission betrachtet wurden, dazu bewogen, für diese Forderungen Reichsschuldpapiere zu erwerben. Damit wurden die Clearingkonten zwar entlastet, aber die Verschuldung blieb in anderer Form bestehen. So stieg von Ende 1942 bis Ende 1943 der Clearing-Minus-Saldo zu Bulgarien von 108, 6 nur auf 111,6 Mill. RM an, die Anlage von bulgarischen Forderungen in unverzinslichen Schatzanweisungen dagegen von 305 auf 567 Mill. RM, weil „im Berichtsjahre die einen Saldo von 100 Millionen RM übersteigenden Beträge wie schon im Vorjahre der Deutschen Reichsbank zur verzinslichen Anlage überwiesen wurden." Für das Generalgouvernement wurde eine Erhöhung solcher Verschuldung von 1 676 Mill. auf 2 785 Mill. RM registriert.121 In der Literatur wurden die Clearingkredite bzw. -schulden oft als Beiträge für die deutsche Kriegsfinanzierung gewertet. Das ist nur im allgemeinen Sinne richtig. Präziser ist es, sie als Finanzbeiträge für die deutsche Wirtschaft im Kriege zu betrachten, wobei sich versteht, daß die gesamte Wirtschaft in den Dienst der Kriegführung gestellt war. Der zwischenstaatliche Verrechnungsverkehr stand „auch 1943 im Zeichen der wehrwirtschaftlichen Erfordernisse. Die weiterhin starke Einfuhr von Rohstoffen und Gütern für Kriegszwecke [führte] erneut zu einer starken Zunahme der Clearingverschuldung".122 Unmittelbar wurde die Kriegsfinanzierung dann berührt, wenn in verschiedenen Fällen auch die Besatzungskosten über das Clearing abgerechnet wurden, zumindest zeitweilig - in Norwegen und Serbien beispielsweise. Auch die Überweisung von Wehrsold aus Front- und Besatzungsgebieten nach Deutschland erfolgten teilweise über Clearingverrechnung. Die Clearingkreditnahme war insofern direkte Quelle der Kriegsfinanzierung, als sie unmittelbar für Kriegszwecke vom Reich in Anspruch genommen wurde, insbesondere für Ausgaben der Wehrmacht. Für Deutschland war die Ausschöpfung des Clearings als Finanzquelle unerläßlich, sowohl für die dem Kriege verpflichtete Wirtschaft als auch für die Wehrmacht unmittelbar. Behandeln wir sie als Bestandteil der für den Krieg aufgewendeten Mittel, so ist aber „zu beachten, daß diese Salden, soweit die Güter und Dienste dem Reichsfiskus zugutekamen, bereits in den Haushalts- und Schuldenzahlen des Reichs enthalten, ihnen also nicht nochmals zuzählbar sind."123 Andererseits geben die aus den Besatzungskostenzahlungen und den Clearingschulden bei den besetzten Ländern herrührenden Summen bei weitem keinen vollständigen Überblick über den Geldwert der erzwungenen ökonomischen Leistungen, weil enorme Lieferungen und Leistungen durch Requisition oder als Naturalleistung im verkehr mit den einzelnen Ländern", 18.4.1945. Die Clearingsalden für das Ostland und für die Ukraine spiegelten interne finanzielle Beziehungen zwischen innerdeutschen und Besatzungsbehörden bzw. -Wirtschaft wider, nicht die ausbeuterischen ökonomischen Beziehungen zur Wirtschaft der betreffenden Gebiete insgesamt. 121 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6779, Bl. 416, Geschäftsbericht der Deutschen Verrechnungskasse für 1943. 122 Ebenda, Bl. 412. 123 BAP, Statistisches Reichsamt, Nr. 2441, Bl. 71, Ausarbeitung „Die Kriegsfinanzierung 1943".

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Front- bzw. rückwärtigen Gebiet eingetrieben wurden, die weder als Clearingposten oder Besatzungskosten noch als Kredit bei den jeweiligen nationalen Notenbanken verrechnet worden sind. Das gleiche trifft auf die ins Reich transportierten Gewinne deutscher Unternehmen in den besetzten Gebieten zu, etwa der „Ostgesellschaften" in den besetzten sowjetischen Gebieten.

5. Zur währungspolitischen Konzeption der Reichsbank Analysen, Denkschriften und Berichte der Reichsbank und anderer Stellen verdeutlichen das pragmatische Bemühen zur Lösung der Finanzierungs- und Währungsfragen im Kriege. Sie zeugen von anfangs großer Selbstsicherheit. Später wird die Ohnmacht eingestanden, an Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten etwas ändern zu können. Großspurige Expansionsprogramme wurden von der bangen Frage nach den währungspolitischen Zielen der Alliierten verdrängt und danach, wie man sich in die Nachkriegszeit retten könnte. Infolge der langfristigen Vorbereitung des Krieges auf finanz- und währungspolitischem Gebiet war zu Kriegsbeginn 1939 das Geld-, Kredit- und Währungswesen in Deutschland nicht solchen stürmischen Belastungen ausgesetzt wie im Juli/August 1914. Zudem war die Deutsche Reichsbank 1939 auf die Anforderungen, die mit Mobilmachung und Kriegsbeginn zusammenhingen, praktisch-organisatorisch weitgehend vorbereitet. Funk stellte am 2. September 1939 in der Sitzung des Reichsbankdirektoriums fest, daß auf dem Gebiete des Geldund Bankwesens sowie auf dem Kapitalmarkt im Gegensatz zum Ausland nicht die geringste Beunruhigung aufgetreten sei, die Deutsche Reichsbank daher zu irgendwelchen Sondermaßnahmen keine Veranlassung habe. Die Mobilmachungsaufgaben seien „dank dem gut funktionierenden Apparat der Reichsbank glatt abgewickelt worden." 124 Die Reichsbankdenkschrift „Grundfragen der Kriegsfinanzierung" vom 3. Oktober 1939 kam zusammenfassend zu dem kritischeren Schluß, „daß eine Geldentwertung immer unvermeidlicher wird, je länger der Krieg dauert. ... Die primäre Aufgabe der Währungspolitik kann nur sein, das Geld so weit intakt zu halten, daß es den Güterumschlag zu erleichtern vermag; nicht aber die, den Geldwert um jeden Preis zu erhalten." Entgegen allen öffentlichen Beteuerungen über den unantastbaren Wert der Reichsmark richteten sich die zuständigen Stellen des Reiches im ganzen Kriegsverlauf nach dieser Leitlinie, war es schon am Anfang des Krieges für sie klar, daß „am Ende des Krieges ... immer eine Wertverringerung der Geldeinheit" stehe.125 Bei Vergleichen mit den Methoden der Kriegsfinanzierung in den Ländern der Kriegsgegner, besonders Großbritanniens, war man sich in dieser Zeit der deutschen Überlegenheit völlig sicher.126 In einem Schreiben an das Wirtschaftsreferat des Goebbels-Ministeriums vom 10. November 1939 empfahl die Reichsbank, „daß die Zeitungen mehr als bisher herausstellen, in welchem Umfange die demokratisch regierten Länder und Horte des Liberalismus England und Frankreich wirtschaftliche und wehrwirtschaftliche Maßnahmen des autoritären 124 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7004, Bl. 156 f. 125 Ebenda, Bl. 213 ff. 126 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7004-7006.

Währungspolitische Konzeption der Reichsbank

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Deutschlands nachgeahmt haben. ... Eingehende Betrachtungen in der Presse müssen zwangsläufig zu dem Ergebnis führen, daß die ... deutschen Maßnahmen der bisherigen Praxis in den Feindstaaten offensichtlich überlegen sind." 127 Solange die faschistische Führung noch im Siegestaumel schwelgte, wurde nicht viel unternommen, um die Kriegsfinanzierung weiterzuentwickeln und effektiver zu gestalten. Im Sommer 1940 ließ Funk die Möglichkeit von Zinssenkungen auf dem Kapitalmarkt prüfen. Die Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank hielt jedoch nur eine Verlängerung der Laufzeit der vierprozentigen Reichsschatzanweisungen und Begebung von 3 1/2prozentigen Reichsschatzanweisungen für vertretbar 128 : „Auf diese Weise würde das Reich für seine künftigen Kreditbedürfnisse die unbedingt erstrebenswerten Zinseinsparungen erzielen, und die Wirtschaft gewänne die notwendige Zeit für eine allmähliche Anpassung an ein niedrigeres Gesamtniveau. Die verschiedenen Kapitalmarktwerte würden wieder ein stärkeres Zinsgefälle und die neu ausgegebenen Reichstitel die ihnen zinsmäßig zukommende Sonderstellung erhalten." Dementsprechend blieben die am 9. April 1940 festgesetzten Zinssätze (Reichsbankdiskont 3 1/2 Prozent; Lombardsatz 4 1/2 Prozent) unverändert; die Zinssätze und Laufzeiten der Anleihen und Reichsschatzanweisungen wurden entsprechend gestaltet. Mitte 1940 wurden zeitweilig Fragen einer künftigen „Neuordnung Europas" in den Vordergrund konzeptioneller Arbeiten gerückt. Funk hatte von Göring den Auftrag erhalten, die zusammenfassende Planung für den Aufbau der deutschen und europäischen Wirtschaft nach der - so die unmittelbare Erwartung - siegreichen Beendigung des Krieges vorzubereiten. Nach der von der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank im Auftrag von Funk ausgearbeiteten vertraulichen Reichsbanksache „Probleme der äußeren Währungspolitik nach Beendigung des Krieges" (20. Juli 1940)' 29 sollte die Reichsmark zur führenden Währung in einem deutschen „Großwirtschaftsraum" werden; Deutschland werde eine Kriegsentschädigung in Form von Rohstoffen, Schuldenübemahme und Geld fordern; schließlich sollten die Beziehungen der Reichsmark zum Gold erhalten bleiben, aber stark gelockert werden. Innerhalb des deutschen Währungsblocks sollten feste Kursrelationen den Ausbau zu einer Währungs- und Zollunion erleichtern. Anfang Dezember 1940 schrieb Reichsbankdirektor Einsiedel, Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank, in einer vertraulichen Einschätzung, daß sich die Währungs Schutzmaßnahmen der Kriegswirtschaftsverordnung bewährt hätten. 130 „Trotzdem erfordert der Übergang in das zweite Kriegsjahr eine Prüfung der Frage, ob sie auch für eine längere Kriegsdauer ausreichen werden. ... Der Reichsbank stehen während des Krieges nur unzureichende Mittel zur Verfügung. ... An den eigentlichen Gefahrenherd kann die Reichs127 Ebenda, Nr. 7004, Bl. 295. 128 BAP, Deutsche Reichsbank. Nr. 6549, Bl. 359 ff. „Die Möglichkeit einer weiteren Zinssenkung auf dem Kapitalmarkt", Gutachten für das Reichsbankdirektorium vom 22.8.1940. 129 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7015, Bl. 49 ff.; desgl. Bl. 224 ff., „Zur Frage der Neuordnung der deutschen Währung nach dem Kriege unter besonderer Berücksichtigung des Geldproblems", 4.7.1940. 130 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7006, Bl. 317 ff., „Zur Währungslage im 2. Kriegsjahr", 9.12.1940.

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bank überhaupt nicht heran." Das betraf vor allem die Schere zwischen der Geld- und Kreditmenge und der sinkenden Konsumgüterproduktion. Das Gutachten regte eine Überholung der Kriegswirtschaftsverordnung, schärfere Besteuerung und straffere Lohnpolitik an. In der Folge kamen, wie beschrieben, die Dividendenabgabeverordnung, der Kriegszuschlag zur Körperschaftssteuer und die Maßnahmen der Kaufkraftlenkungsverordnung heraus. Spürbar durchgreifende währungspolitische Auswirkungen traten jedoch nicht ein. Ausgangs des Sommers 1941 begannen in der Reichsbank eingehende Erörterungen darüber, welche Veränderungen nötig seien, um die Weiterführung des Krieges finanz- und währungspolitisch abzusichern. In einer Analyse, die im September 1941 für Vizepräsident Puhl erarbeitet wurde, hieß es: „Die deutsche Währungslage zu Beginn des 3. Kriegsjahres charakterisiert sich auf den ersten Blick durch zwei lapidare Tatsachen: Gegenüber der Friedenszeit hat sich 1.) die Konsumgüterversorgung halbiert, 2.) der Geldumlauf verdoppelt. ... Die Folgen einer Fortsetzung dieser Entwicklung sind nach allen Erfahrungen als sicher anzunehmen ... eine solche Entwicklung könnte um den Preis des Sieges notfalls hingenommen werden, wenn man nur noch mit einer kurzen Kriegsdauer zu rechnen hätte. Diese Annahme ist jedoch unwahrscheinlich. ... Bei der Klarheit, mit der sich diese Entwicklungstendenzen übersehen lassen, werden Gegenmaßnahmen unaufschiebbar."131 Eine weitere Analyse „Zur inneren Währungslage" vom 4. Oktober 1941 für Vizepräsident Lange132 kam zu drastischen Aussagen. Die Rede war von Störungen im Wirtschaftsrhythmus, von Sachwertpsychose, Schleichhandel, Lähmung des Sparwillens und Geringschätzung des Geldes, von bedenklichen Schäden auf sozialem Gebiet und unausdenkbaren politischen Folgen. Als Gegenmaßnahmen wurden in der Ausarbeitung für Puhl in Betracht gezogen: „1. Einschränkung der Kriegsausgaben durch rücksichtslose Senkung der Preise für Rüstungsgüter, 2. verstärkte Abschöpfung der Massenkaufkraft durch entsprechende Erhöhung der Steuern, 3. weitere Einkommenskürzung durch wirksame Sparpropaganda, evt. Einführung einer Zwangssparrate mit langfristiger Bindung, 4. endliche Ausräumung der These: 'Geld spielt keine Rolle' durch Aufklärung aller einschlägigen Stellen über die Gefahren der derzeitigen Währungslage ... 5. verstärkte Bekämpfung des Schwarzhandels in allen seinen Formen." In der Ausarbeitung für Lange wurde der massive Einsatz aller staatlichen Mittel dahingehend gefordert, „daß Gegenmaßnahmen getroffen werden, die stärker sind als die Verfalltendenzen." Weiter hieß es: „Bis jetzt ist noch kein Kriegslieferant Hungers gestorben ... In einer Zeit, in der alle Rüstungsbetriebe im Geld schwimmen, ist es einfach lächerlich, zu behaupten, sie könnten ihre Preise nicht mehr senken." Bezüglich der Steuern wurde darauf verwiesen, „daß die Engländer den Inflationsgefahren durch allmähliches, aber konsequentes Anziehen der Steuerschraube mit beachtlichem Erfolg entgegengetreten sind, ohne daß ihre Wirtschaft dadurch geschädigt wurde oder sonstige Nachteile aufgetreten sind." Zwei Jahre zuvor hatte man die Kriegsfinanzierung in Großbritannien noch ganz anders beurteilt. Nun aber hieß es: „Solche Maßnahmen ... zu unterlassen, bedeutet... eine Gefahr von unübersehbarer Tragweite. Lassen wir die Dinge weiter treiben, so werden wir bald erleben, daß der Arbeiter Lohnerhöhungen ablehnt und statt dessen mehr Lebensmittel fordert." 131 Ebenda, Nr. 7007, Bl. 266 ff., „Kriegsfinanzierung und Währung", 17.9.1941. 132 Ebenda, Bl. 330 ff.

Währungspolitische Konzeption der Reichsbank Die schon erwähnte „Verordnung über Lenkung von Kaufkraft" vom 30. Oktober 1941 war aber schon das Äußerste, was die Reichsregierung zur schärferen Regulierung der Währungssituation beschloß. Sie erlegte sich auch jetzt, als im Osten die „Blitzkriegs"illusionen über den Haufen geworfen wurden, eine starke Zurückhaltung und vermittelnde Vorsicht auf, wie stets, wenn es galt, das eigene Volk materiell schwerer zu belasten und ihm größere Entbehrungen aufzuerlegen.133 Ein weiteres Problem kam im Verwaltungsrat der Reichskreditkassen am 13. November 1941 zur Sprache: Die Soldaten der Wehrmacht im besetzten Rußland könnten nicht viel kaufen und überwiesen ihren Sold in wachsendem Maße per Feldpostanweisung nach Hause, so daß die im Osten nicht betätigte Kaufkraft nun im Reich als zusätzliche Kaufkraft auftrete, was monatlich 100 Millionen RM ausmache. Der Wehrsold, mit dem die Angehörigen der Wehrmacht eigentlich ihren persönlichen Tribut von den Völkern der UdSSR abfordern sollten, trat damit als Forderung an das Reich in Erscheinung. Das veranlaßte den Verwaltungsrat zu der bitteren Bemerkung: „Wir sind im Inland dabei, freie Kaufkraft irgendwie zu binden ... und müssen bei diesen Überlegungen nunmehr auch die aus dem Felde kommende überschüssige Kaufkraft berücksichtigen."134 Wie in vielen anderen Fällen, so konnte auch hier an der Sachlage nichts geändert werden. Der Verwaltungsrat mußte in seiner Sitzung am 16. Februar 1942 einräumen: Der Gedanke, den Wehrsold zu senken, „weil er seinen Zweck, zu zusätzlichen Käufen benutzt zu werden, nicht erfüllt, wird gerade den Frontsoldaten in Rußland gegenüber nicht für tragbar gehalten. Die Gelder fließen infolgedessen weiterhin nach dem Reiche ab ..."135 Seitens der Reichsbank und anderer Reichsstellen wurden im Verlaufe des Krieges immer wieder die Kreditentwicklung und speziell das Verhältnis lang- und kurzfristiger Kredite erörtert, mitunter auch mit einem vergleichenden Blick auf den Ersten Weltkrieg. Die Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank stellte im April 1942136 zwar die steigende Tendenz des Finanzbedarfs des Reiches, der Kreditaufnahme des Reiches und der kurzfristigen Reichsverschuldung fest, trat aber zugleich eventuellen Befürchtungen entgegen: „Im Vergleich zu der Gesamtverschuldung des Reiches seit Kriegsbeginn kommt dem Notenbankkredit als unmittelbare Finanzierungsquelle ... keine entscheidende Bedeutung zu. ... Der erhöhten Reichsschuld steht eine Ausdehnung unseres Wirtschaftsraumes und Steigerung der Leistungs-(Steuer-)Kraft des deutschen Volkes gegenüber. Auch ist die Reichsschuld immer noch geringer als z. B. in England. Die jährliche Zinslast des Reiches beträgt gegenwärtig etwa 4 'h Mrd. RM und ist somit im Verhältnis des Steueraufkommens bis jetzt noch mäßig." Zur Währungslage hieß es: „Dank des umfassenden Systems zur Lenkung der Geld- und Güterströme konnte bisher nicht nur die Bevölkerung mit den lebensnotwendigen Gütern reibungslos versorgt, sondern auch der Preis für zahlreiche Nahrungs- und Genußmittel sowie

133 Vgl. I , S . 2 0 . 134 BAP, Hauptverwaltung der Reichskreditkassen, Nr. 2, Bl. 234, Bericht über die Sitzung des Verwaltungsrates am 13.11.1941. 135 Ebenda, Nr. 3, Bl. 109, Bericht über die Sitzung des Verwaltungsrates, 16.2.1942. 136 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7008, Bl. 249 ff., „Die Lage der deutschen Kriegswirtschaft", 25. 4.1942.

732 sonstige wichtige Waren und Leistungen ... einigermaßen gehalten werden. Das darf natürlich nicht dazu verleiten, über die währungspolitischen Spannungen hinwegzusehen ... Nach außen ist unsere Währung durch die lückenlose Devisenbewirtschaftung und Außenhandelskontrolle wirksam geschützt. Insofern enthält die äußere Währungslage zur Zeit für uns keine schwerwiegenden Probleme." Bemerkenswert ist, daß in den ersten Kriegsjahren kaum ein Widerspruch zwischen internen Einschätzungen und öffentlichen Verlautbarungen über Kriegsfinanzierung und Währung bestand. In einer Anzahl streng vertraulicher Analysen wurden mögliche Gefahren und Konfliktherde nicht übersehen, doch kamen Zweifel an der grundsätzlichen Richtigkeit dieser Politik und ihrem schließlichen Erfolg nicht auf. Daran änderte sich auch nach der grundlegenden Wende im Osten um die Jahreswende 1942/1943 nichts, obwohl es als unerläßlich erkannt wurde, die Finanzierungs- und Währungsfragen erneut zu prüfen. „Auch auf finanziellem Gebiet" so hieß es zwar in einem Gutachten der Reichsbank, „gelten die Erfordernisse der totalen Kriegführung. Die bisherige Reibungslosigkeit des gegenwärtigen Finanzierungsmodus darf nicht dazu verleiten, das heiße Eisen der Steuererhöhung nicht anzurühren";137 aber insgesamt blieb der von Goebbels verkündete Übergang zum Totalen Krieg in der finanziellen Sphäre ohne Entsprechung.138 In dem zitierten Gutachten wurde immerhin die Frage gestellt, ob angesichts der weiter anwachsenden überschüssigen Kaufkraft „bei der zu erwartenden längeren Dauer des Krieges das derzeitige Abschöpfungssystem ausreicht, schädliche Folgen für die Kriegs- und Nachkriegswirtschaft nach Möglichkeit zu vermeiden." Gegen die „in der Regel vorgebrachten Einwände" wurde „die Notwendigkeit von Steuererhöhungen grundsätzlich dargetan", wobei „als geeignetster und den besten Erfolg versprechender Weg eine Erhöhung der Lohnund Einkommensteuer" genannt wurde. Die Autoren vermuteten, daß die „bisher gegen Steuererhöhungen vorgebrachten politischen Bedenken ... nunmehr zurückgestellt" worden seien. „Reichsminister Funk hat kürzlich in der Hauptversammlung der Reichsbank ausdrücklich betont, daß noch nicht alle Steuerreserven ausgeschöpft sind, und bekanntgegeben, daß ein neues Steuerprogramm vorbereitet wird." Es blieb alles beim alten.139 Bis in das Jahr 1944 hinein war die Tendenz der Verantwortlichen vorherrschend, sich selbst zu bestätigen, daß die Kriegsfinanzierung nicht besser zu realisieren sei. Im Januar 1944 erarbeitete die Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank einen „Rückblick auf die Kriegsfinanzierung im Jahre 1943".140 Darin wurde die Kriegsfinanzierung insgesamt weiterhin positiv beurteilt: „Im Kriegsjahr 1943 wurde an der bereits bewährten Methode der lautlosen Kriegsfinanzierung nichts geändert." Weiter hieß es: „Wenn es auch bisher gelang, etwa 50 v. H. der Reichsausgaben statt nur 13 v. H. im ersten Weltkrieg aus laufenden Einnahmen zu decken, so birgt doch der in wachsendem Tempo steigende Umlauf an kurzfristigen Reichswerten und des Zahlungsmittelumlaufs gewisse Gefahren, die die ständige Aufmerksamkeit der zuständigen Stellen erfordern." Neben der sichtbaren Reichsschuld wachse 137 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7009, Bl. 116 ff., „Zur Frage von Steuererhöhungen", 24.3.1943. 138 Brackmann, Michael, Vom totalen Krieg zum Wirtschaftswunder Die Vorgeschichte der westdeutschen Währungsreform 1948, Essen 1993, S. 34. 139 Siehe hierzu ausführlich ebenda, S. 50 ff. 140 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7009, Bl. 438 ff.

Währungspolitische Konzeption der Reichsbank

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noch „eine erhebliche unsichtbare Reichsschuld aus den unbeglichenen Verpflichtungen des Reiches gegenüber der bombengeschädigten Bevölkerung" heran. „Die Kriegsfinanzierung geht in gut eingefahrenen Bahnen und - anders als im Weltkrieg - ziemlich geräuschlos vor sich", hieß es im „Entwurf einer Gedankenführung für Herrn Vizepräsident Lange" zum Thema „Aufgaben und Bewährung der deutschen Kreditwirtschaft im Kriege", der im April 1944 in der Reichsbank verfaßt wurde.141 Zu neuen finanz-, währungs- oder steuerpolitischen Maßnahmen reichten Kraft und Courage der Reichsregierung nicht mehr aus. In verzweifelt anmutenden Appellen wurde mit demagogischen Versprechungen und Täuschungen versucht, die Bevölkerung zu erhöhten Sparleistungen und zum Durchhalten zu veranlassen. So auch in einer Rundfunkrede des Reichsministers der Finanzen am 8. April 1944, der sich intern sehr wohl anders äußerte, hier aber beteuerte, daß die Führung sich der Verpflichtung bewußt sei, „die Gefahr einer Inflation mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen und abzuwenden." Er versuchte glauben zu machen, daß der deutsche Sparer kriegsmäßig richtig und auch klug handele, der sein Geld nicht für überflüssige Dinge zu überhöhten Preisen ausgebe, sondern zur Sparkasse bringe. „Denn einmal ist das Gerede, daß Sparguthaben jetzt oder später weggenommen werden könnten, lediglich eines der bösen Gerüchte aus der Giftküche der feindlichen Propaganda. Zum anderen wird sich nach Beendigung des Krieges zeigen, welche ungeheuren Möglichkeiten in der Umstellung unserer Kriegs- und Friedensproduktion stecken. Hat unsere Industrie in der Herstellung von Waffen für den Krieg organisatorisch und technisch Wunder vollbracht, so wird sie in der Herstellung von Waren für den Frieden - auch was die Preise anbetrifft - gleiche Wunder vollbringen. Dann wird sich zeigen, daß das Sparen sich gelohnt hat und daß das Gerede von der Entwertung des Geldes ein Unfug war."142 Mitte 1944 wurde unter der Parole „Siegverbundenes Sparen" noch einmal der Versuch einer Großaktion zur Sparwerbung gestartet. Am 2. Juni 1944 fand in der Reichsbank dazu eine Direktoriumsbesprechung statt, auf der die Idee eines Films erörtert wurde, der den Kreislauf des Geldes und der Güter, die angebliche Währungssicherheit und unnötige Inflationssfurcht sowie den Wert des Sparens behandeln sollte. Nach dieser Idee sollte es im Abspann des Films heißen: „Die Gelegenheit war noch nie so günstig. Du entbehrst heute kaum etwas, wenn Du sparst. Vermeide darum jede unnötige Ausgabe! Der Sieg ist uns sicher, wenn alle sparen! Sei darum auch Du ein siegessicherer Sparer! Glaube und spare!"143 Diese Linie der Verbreitung von Zweckoptimismus und der Durchhalteparolen wurden beharrlich bis zum Ende des Krieges fortgesetzt.144 In der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank mehrten sich in dieser Zeit jedoch Ausarbeitungen über die wirtschaftlichen Kriegsziele und Nachkriegspläne der Staaten der Antihitlerkoalition.145 Während beispielsweise Funk im Juli 1944 die Ergebnisse der 141 Ebenda, Bl. 441 ff. 142 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 1608, Deutscher Handelsdienst, Pressemitteilung vom 8.4.1944, „Die Methodik der deutschen Kriegsfinanzierung". 143 BAP, RWiM, Nr. 8444/1, AN und div. Material „Siegverbundenes Sparen". 144 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7010, Bl. 168 ff., „Entwurf einer Rede des Vizepräsidenten Lange im Rundfunk, Oktober 1944". 145 Ebenda, Nr. 7010 und 7015.

734

Die Kriegsfinanzierung

Währungs- und Finanzkonferenz von Bretten Woods öffentlich wütend attackierte,146 wurde diese Konferenz von der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank ziemlich sachlich eingeschätzt. Man verzichtete auf eine generelle Verächtlichmachung der westlichen Vereinbarungen über den Gold- und Dollarstandard, den internationalen Währungsfonds und die Weltbank.147 Als die Frontlinien auf deutschem Reichsgebiet verliefen, gerieten das Währungs- und Finanzwesen und der Zahlungsverkehr zunehmend durcheinander. Die Deutsche Reichsbank veröffentlichte letztmalig zum 7. Februar 1945 einen Ausweis. Für ihren internen Geschäftsbetrieb konnte sie noch bis zum 7. März 1945 einen schon lückenhaften Ausweis zusammenstellen.148 Aussagen über die Gesamtausgaben Deutschlands für den Krieg müssen zwangsläufig auf Schätzungen beruhen, weil erstens keine wirklich exakte Übersicht über alle kriegsrelevanten Ausgaben existiert. Zweitens ist die Grenze zwischen Militär- bzw. Kriegsausgaben und Zivil- und Nachkriegsausgaben fließend, besonders unter den Bedingungen des von Deutschland verkündeten und praktizierten „Totalen Krieges". Gleiches gilt für die Gesamtkriegskosten, in die auch die Vorkriegsausgaben und die Kriegsfolgelasten einzubeziehen sind, in deren weiten Rahmen sowohl die Aufwendungen für Kriegsschädenüberwindung und Wiedergutmachung als auch die laufende Hinterbliebenenversorgung und Kriegsgräberfürsorge gehören. Bei einer Berechnung speziell der Kriegsfolgekosten fällt ferner ins Gewicht, daß mit den Währungsreformen in Deutschland 1948 die alte Reichsmarkwährung und die auf Reichsmark lautenden Verbindlichkeiten unterschiedlich liquidiert wurden, und daß zwei grundverschiedene Währungen an die Stelle der RM-Währung traten. Von den 1949 gegründeten beiden deutschen Staaten wurden darüber hinaus Verbindlichkeiten aus dem Krieg und aus der Nachkriegszeit - gegenüber den anderen Staaten und Völkern, aber auch gegenüber Kriegsopfern und Kriegsgeschädigten in Deutschland - in sehr unterschiedlichen Umfang übernommen und erfüllt.

146 Siehe Berichte in der deutschen Tagespresse am 8./9.7.1944. 147 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7015, Bl. 609 ff., „Die Ergebnisse der Währungs- und Finanzkonferenz in Bretton Woods", 9.8.1944. Vgl. Kap. VI im vorl. Bd. 148 Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975, S. 23 u. 36 f.

Anhang: Steuereinnahmen 1938/39-1943/44

735

6. Anhang: Tabellen über die Steuereinnahmen des Deutschen Reiches, 1938/39-1943/44 (in Mill. RM) Tabelle 160 Die einnahmestärksten Steuern (einschließlich der jeweiligen Kriegszuschläge) Rechnungsjahr:

Einkommensteuer darunter: Lohnsteuer Körperschaftssteuer Umsatzsteuer gesamt

Summe 1939/40 bis 1943/44

1938/39

1939/40

1940/41

1941/42

1942/43

1943/44

5 352

8 225

10726

13 121

12 875

13 384

58 330

2 091

2 646

2 979

4 223

4 540

5 001

19 390

2417 3 357 11 126

3 228 3 735 15 187

3 485 3 929 18 140

5 087 4 149 22 356

6956 4 160 23 991

6 655 4 177 24 216

25 410 20 150 103 890

Quelle: Statistisches Handbuch von Deutschland 1928-1944, hrsg. v. Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebiets, München 1949. Summendifferenzen infolge Rundung.

Tabelle 161 Ausgewählte Steuern von Einkommen und Vermögen Rechnungsjahr:

VermögensSteuer Aufbringungsumlage Gewinnabführung (GAV) Dividendenabgabe(DAV) Erbschaftssteuer Wehrsteuer Reichsfluchtsteuer Feuerschutzsteuer

1938/39

1939/40

1940/41

1941/42

390,6

417,2

552,8

144,5

167,9

221,9

Summe 1939/40 bis 1943/44

1942/43

1943/44

615,7

646,0

674,2

2 905,9

249,2

269,1

289,2

1 197,3

316,6

1 304,3

1 217,7

2 838,6

23,0

7,2

5,5

35,7

104,2 16,6

117,2 9,5

123,8 6,4

153,4 2,0

130,9 -1,1

130,9 -1,0

656,2 15,8

342,6

216,2

47,8

36,5

31,5

8,8

340,8

1,5

21,0

21,8

22,8

25,9

26,2

117,7

Quelle: Wie Tabelle 160.

736

Die Kriegsfinanzierung

Tabelle 162 Die Steuern vom Vermögensverkehr und Verkehr (Umsatzsteuer siehe Tab. 160) Rechnungsjahr: 1938/39 Steuern vom Vermögensverkehr (gesamt)* 436,1 Beförderungssteuer (Personen und Güter) 342,9 Kraftfahrzeugsteuer 140,8

1939/40

1940/41

1941/42

1942/43

1943/44

Summe 1939/40 bis 1943/44

473,7

483,2

463,0

463,8

382,6

2 266,3

376,3

442,3

531,0

618,4

737,3

2 705,3

115,5

92,5

0,1

85,6

74,7

368,4

*) Hierunter fallen: Kapitalverkehrssteuer (= Gesellschaftssteuer + Wertpapiersteuer + Börsenumsatzsteuer), Grunderwerbssteuer a), Versicherungssteuer, Totalisatorsteuer, andere Rennwettsteuern, Lotteriesteuem, Wechselsteuer, Urkundensteuer. Quelle: Wie Tabelle 160.

Tabelle 163 Die mit Kriegszuschlag belegten Verbrauchssteuern Rechnungsjahr:

Tabaksteuer Biersteuer Kriegszuschlag auf Bier, Tabak u. Schaumwein Einnahme aus dem Branntweinmonopol* Steuereinnahme gesamt

Summe 1939/40 bis 1943/44

1938/39

1939/40

1940/41

1941/42

1942/43

1943/44

1 002,6 413,8

1 240,1 642,8

1 558,1 638,0

1 633,7 682,5

1 515,8 660,9

1 340,0 637,2

7 287,7 3 261,4

782,3

1 608,4

2 180,0

2 743,9

2 581,4

9 896,0

318,9

497,8

705,9

669,6

342,0

433,0

2 648,3

1 735,3

3 163,0

4 510,4

5 165,8

5 262,6

4 991,6

23 093,4

-

*) einschließlich Kriegszuschlag. Quelle: Wie Tabelle 160.

737

Anhang: Steuereinnahmen 1938/39-1943/44 Tabelle 164 Auswahl weiterer Steuern auf Verbrauch und Aufwand Rechnungsjahr:

Zuckersteuer Mineralölsteuer Salzsteuer Zündwarensteuer Leuchtmittelsteuer

1938/39

1939/40

1940/41

1941/42

1942/43

1943/44

Summe 1939/40 bis 1943/44

377,6

509,2

512,7

598,2

519,6

553,4

2 693,1

107,2 59,9

134,4 77,0

129,7 85,1

147,6 95,3

177,2 131,4

203,9 118,3

792,8 507,1

13,2

17,0

19,1

20,2

20,3

21,1

97,7

15,6

19,7

20,6

23,3

24,3

20,6

108,5

Erhoben wurden ferner die Essigsäuresteuer und die Süßstoffsteuer. Beide brachten jährlich weniger als 10 Mill. RM, ebenso die Spielkartensteuer. Im Verlaufe des Krieges fielen die Fettsteuer (letztmalig 1940/1941 erhoben) und die Schlachtsteuer (letztmalig 1942/1943 erhoben) fort. Quelle: Wie Tabelle 160.

Anhang

1. Koautoren des Buches Hagen Fleischer, Prof. Dr., Universität Athen Manfred Oertel, Dr. phil., Stralsund Berthold Puchert, Prof. em. Dr., Potsdam Karl Heinz Roth, Dr. med. Dr. phil., Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts

2. Verzeichnis der Tabellen 1 Zusammensetzung des Jägerstabes, Stand 1. März 1944 2 Festlegungen des Generalluftzeugmeisters/Amt C (Technisches Amt) über „Vereinfachung des Luftwaffenprogramms", März 1944 3 Industrielle Verlagerung über und unter Tage (nur Rüstungsendfertigung; nach Hauptausschüssen), 1943/44 4 Zusammensetzung des .Arbeitsstabes Geilenberg", Stand 8. Juni 1944 5 Hauptsächliche Angriffe auf die Hydrierwerke und ihre Wirkung auf die Flugbenzinerzeugung, März-Juni 1944 6 Unterlage (Stichpunkte) für die Rede des Rüstungsministers in Linz am 24. Juni 1944 betr. „Konzentration der Rüstung beim Reichsminister" 7 Militärische Ereignisse zur Zeit der Linzer Rüstungstagung 8 Militärische Ereignisse Mitte August bis Anfang September 1944 9 Frontreisen des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion, September-Dezember 1944 10 Reihenfolge der zu bombardierenden Verkehrszonen (transportation zones) in der alliierten Planung, 7. November 1944 11 Indexziffern der Rüstungsendfertigung, Januar 1944—Februar/März 1945 12 Planzahlen des „Siegesprogramms" für Dezember 1944 und Produktionszahlen von März, Juli und Dezember 1944 13 Anteil von Gruppen an der Rüstungsendfertigung, 1943-1944 14 Anteil der Rüstungsproduktion (Waffen und Gerät) an der Industrieproduktion, 1941-1944 15 Großangriffe alliierter Bomber auf Wirtschaftsziele, 1943 (Auswahl) 16 Über dem europäischen Kriegsschauplatz abgeworfene Bombenlast (USAAF und RAF), 1943-April 1945 17 Verluste durch Bomben- und Tieffliegerangriffe auf die Deutsche Reichsbahn, 1943-1944

17 20 25 35 36 46 48 53 59 64 80 82 85 85 87 88 91

740

Anhang

18 Jahresproduktionskapazität des „europäischen" und des „angelsächsischen" Wirtschaftsraumes, Stand Mitte 1941 19 Verhältnis der deutschen zur alliierten Produktion an Grund- und Rohstoffen, 1942-1945 und 1944 20 Arbeitsproduktivität j e Industriearbeiter in ausgewählten Zweigen der US-Industrie gegenüber der deutschen (1936/37) 21 „Kriegspotential in Rohstahl" nach Berechnungen der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, 1914, 1917, 1939 und 1943 22 Weltproduktion von Bauxit, Aluminium und Magnesium, 1938-1943 23 „Rüstungsendfertigung. Deutsches Reich und Feindmächte", 1942-1944 24 Produktion von Waffen und Kriegsgerät in Verhältniszahlen, 1942-1945, 1944 (deutsche : alliierte Produktion) 25 Flugzeug- und Flugmotorenproduktion der Mächte, 1942-1945 26 NE-Metallerzeugung (Hüttenproduktion) im deutsch-japanischen und im alliierten Machtbereich, 1943 und 1944 27 Index der Grundstoffproduktion, 1943 und 1944 28 Produktionsziffern von Grundstoffen, 1943-Februar/März 1945 29 Beschäftigte im Bergbau, 1941-1944 30 Kohleförderprogramm für 1944/1945, April-März 31 Ausfall von Steinkohletransporten, August 1944-Januar 1945 32 Kohleförderung und Kokserzeugung, 1942/43,1943/44, Januar 1944-Februar 1945 33 Bombenangriffe auf Verkehrseinrichtungen in Westdeutschland, November 1944 (Auswahl) 34 Rohstahlproduktion, 1941-1945 35 Walzwerkserzeugnisse, 1941-1944 36 Rohstahlproduktion nach Distrikten, 1943-1944 37 Erzeugungsausfall der Gutehoffnungshütte bei Rohstahl durch Fliegeralarme und Fliegerschäden, 1940-1945 38 Kapazität der Synthesetreibstoffwerke gegen Kriegsende 39 Erzeugungsprogramm des G B Chemie für Mineralöl, Flugzeugbenzin und Hochleistungstreibstoff, 1943-1945 40 Erzeugung und Import von Mineralölprodukten, 1943,1. Quartal 1944, April 1944 41 Auf Treibstoffziele abgeworfene Bombenlast (USAAF und RAF; Europäischer Kriegsschauplatz), Januar 1944-April 1945 42 Wirkung der Luftangriffe auf die Flugbenzinerzeugung, Mai-September 1944 43 Auflösung der Decknamen im Mineralöl-Sicherungsplan, Stand 4. August 1944 44 „Umfang der durch die Maßnahmen des Mineralöl-Sicherungsplanes 1. Abschnitt geschaffenen Sicherung der Treibstoffversorgung" 45 Erzeugung von Mineralölprodukten, 1943, 1944/45 46 Ausfälle in der Bunaerzeugung durch Luftangriffe, Mai 1944 47 Produktion von synthetischem Kautschuk, 1943-Februar 1945 48 Produktion von Stickstoff und Methanol, 1943-Februar 1945 49 Produktion von Pulver und Sprengstoff, 1943-Februar 1945 50 Verbrauch und Vorräte an Sprengstoff, 1940-1944/45 51 Betriebsfähige Kapazitäten für die Erzeugung von Chemikalien (Vorprodukte für Pulver und Sprengstoff), Stand 15. Februar 1945 ; 52 Kapazität und Erzeugung der öffentlichen Elektrizitätswerke, 1943-Februar 1945 53 Alliierte Luftangriffe auf Elektrizitätswerke, September 1944-April 1945 54 Leistungsausfall (öffentliche Kraftwerke), Juni 1943-März 1945

97 98 99 101 102 104 107 108 110 114 115 119 121 123 124 125 127 129 131 133 136 137 138 140 140 145 147 150 151 152 153 155 156 157 159 160 162

Verzeichnis der Tabellen

741

55 Flugzeugproduktion nach Zahl und Gewicht, 1940-1944/45 164 56 Produktion von Jagd- und Bombenflugzeugen, 1940-1944 166 57 Häftlinge und ausländische Zivilarbeiter als Arbeitskräfte in Werken der deutschen Flugzeugindustrie, Oktober 1944 168 58 Die meistproduzierten deutschen Kriegsflugzeuge, 1939-1944 170 59 „Hochleistungsflugzeuge" (auch „Führerflugzeuge"), Stand September/Oktober 1944 173 60 Fertigung und Verluste von Me 262, He 162 und Ar 234; Stand 10. April 1945 173 61 Panzerproduktion nach Typen, 1940-1945 176 62 Panzerproduktion nach Gewicht, 1939-1945 177 63 Produktion von Maybach-Panzermotoren bei Auto-Union AG, Werk Chemnitz-Siegmar, 1944/45 178 64 Schäden durch Luftangriffe in drei Panzerwerken, August 1944-März 1945 179 65 Kriegsschiffbau, 1943-Februar 1945 (Auswahl) 183 66 „Notprogramm" der Marinerüstung für 1945 184 67 Waffenproduktion und Waffenverluste (Heer), Januar-September und November 1944 186 68 Waffenproduktion 1940-1945 187 69 Infanterie- und Flakwaffenprogramm für 1944 (Soll und Ist) 188 70 Erzeugung von Munition, 1940-Februar 1945 190 71 Produktion und Verbrauch an Heeresmunition 1944 und Vorräte am 1. Januar 1945 191 72 Produktion von Waffen und Munition, Januar 1943, September 1944, Dezember 1944 193 73 Produktion von V 1, Ende September 1943-März 1945 198 74 Produktion von V 2, 1942-1945 201 75 Produktion von Kampfstoffen, Oktober 1939-Januar 1945 206 76 Vorräte an Kampfstoffmunition (Auswahl), 1. September 1939-Juni 1944 207 77 Produktion von Möbeln, 1942-1944 209 78 Leder-und Schuhproduktion, 1938, 1942-1944 212 79 Produktion von Haushaltsgerät, 1943-Januar 1945 212 80 Produktion von Flachglas, 1942-1944 213 81 Vorschläge für Tauschwaren gegen Alttextilien und Lumpen, Dezember 1944 215 82 „Gesamtaufkommen an Gütern und Diensten nach Erzeugnisgruppen. Deutsches Reich (einschl. Böhmen und Mähren). Vorläufige Größenordnungen in Mrd. RM für 1943" 216 83 Maschinen- und Bauinvestitionen, 1943 („Großdeutsches Reich ohne Protektorat") 219 84 Industrieinvestitionen, 1943 („Großdeutsches Reich ohne Protektorat") 220 85 Verteilungsplan Speers und Sauckels für italienische Militärintemierte, Ende September/ Anfang Oktober 1943 225 86 Arbeitskräfteprogramm des Planungsamtes für 1944 228 87 Arbeitskräftebeschaffung im ersten Halbjahr 1944 233 88 Statistik zur Arbeitskräftebeschaffung für den „totalen Kriegseinsatz", Stand 31.12.1944 ... 235 89 Ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft nach Herkunftsländern, August 1944 243 90 Arbeitskräftebeschaffung 1944 246 91 Arbeitskalorien nach Abzug des Grundumsatzes 251 92 Verbrauch an ausnutzbarem Eiweiß in Gramm pro Tag 252 93 Teilnehmerliste der Besprechung am 23. Mai 1944 254 94 An der „Krautaktion" beteiligte Werke 257 95 An der „Krautaktion" beteiligte Zwangsarbeiter 257 96 Zahl der an der „Krautaktion" beteiligten Zwangsarbeiter nach Werken 258 97 Ernährungszulagen der „Krautaktion" 259

742

Anhang

98 Krankenstand der italienischen Militärintemierten auf der Friedrich-Alfred-Hütte, Rheinhausen 99 Für „Schachtelhalm I" (Daimler-Benz Hochwalde) vorgesehene Belegschaft, April 1944 ... 100 Konzentrationslagerhäftlinge aus Brandenburger Lagern in der Luftwaffenrüstung, März 1944 101 Produktion von Daimler-Benz-Flugmotoren, 1936-1944 102 Belegschaftsstärke von Daimler-Benz Genshagen, 1937-1945 103 Produktion von Flugzeugmotoren im Daimler-Benz-Werk Genshagen, 1944 104 Großangriffe alliierter Bomber, Februar bis April 1945 (Auswahl) 105 Transporte niederländischer Arbeitskräfte in die besetzten sowjetischen Gebiete, l.April-10. Mai 1943 106 Auslauftermine für die Produktion im „Minimal- Wirtschaftsraum" 107 Deutsche Chromerzeinfuhr, 1936-1939 108 Deutsche Chromerzeinfuhr, 1939-1941 109 Chromverbrauch und -einfuhr Deutschlands 1938,1940-1944 110 Förderung und Abtransport von Chromerz aus Griechenland, 1942-August 1944 111 Förderung und Abtransport von Chromerz aus Albanien, Oktober 1943-August 1944 112 Chromerzförderung und -abfuhr aus Jugoslawien (Mazedonien), Griechenland und Albanien, Januar bis August 1944 113 Der deutsche Export und Import, 1932-1937 114 Prozentuale Anteile einiger Länder am türkischen Außenhandel, 1939, 1940 115 Im deutsch-sowjetischen Wirtschaftsabkommen vom 10. Januar 1941 vereinbarte gegenseitige Lieferungen 116 Die deutsche Ausfuhr in die UdSSR, Januar 1940-Juni 1941 117 Die deutsche Einfuhr aus der UdSSR, Januar 1940-Juni 1941 118 Skandinavische ErzVerschiffungen nach Deutschland, Januar 1942-Oktober 1943 119 Die deutsche Einfuhr aus Finnland, 1939-1943 120 Die deutsche Einfuhr aus Südosteuropa und der Türkei, 1941-1943 121 Die deutsche Ausfuhr nach Südosteuropa und der Türkei, 1941-1943 122 Einfuhrüberschuß (-) bzw. Ausfuhrüberschuß (+) des deutschen Außenhandels gegenüber Südosteuropa und der Türkei, 1941-1943 123 Die Einfuhr der Schweiz aus Deutschland, Großbritannien und den USA, 1938-1942 124 Wichtige Warenarten der deutschen Einfuhr aus der Schweiz, 1938, 1942 und 1943 125 Deutschlands Eisenerzimport aus Schweden, 1935-1944 126 Preiskennziffern für den Austausch rumänischen Benzins gegen deutsches Rüstungsgerät, 1939-1943 127 Planzahlen des „Notprogramms", März, Juni, August 1945, und Ist-Zahlen Dezember 1944, Januar und März 1945 128 Produktion und Vorräte der Vereinigte Stahlwerke AG, 4. Quartal 1944 129 Wagengestellung der Reichsbahn, Juli 1944-März 1945 130 Kohletransport und Reichsbahnvorräte an Steinkohle, Juli 1944-März 1945 131 Eisen- und Stahlerzeugung, März 1943, März 1944, September 1944-März 1945 132 Rüstungsbevollmächtigte des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, Stand Mitte März 1945 133 Zahlenangaben über Flüchtlinge und aus luftgefährdeten Gebieten Evakuierte, Januar-März 1945 134 „Meldung über die der Wirtschaft neu zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte", 1944, Januar- Februar 1945

261 273 285 288 291 298 298 326 346 349 350 351 355 357 358 400 440 446 447 448 468 473 476 476 477 482 483 497 501 618 620 622 623 625 631 633 642

Verzeichnis der Tabellen

743

135 Lebensmittelversorgung der deutschen Bevölkerung 1945 136 Verhandlungen des Ruhrstabs im Ruhrkessel von der Einschließung durch die Alliierten (1. April 1945) bis zum Ende der Kampfhandlungen (17. April 1945) nach Aufzeichnungen von Walter Rohland 137 Volkswirtschaftliche Anlageinvestitionen, 1928, 1932-1944 138 Industrielle Anlageinvestitionen, 1928, 1932-1944 139 Maschineninvestitionen, 1943 140 Anteil der Industrieabteilungen an den industriellen Anlageinvestitionen, 1936-1944 141 Volumenindex der Industrieproduktion, 1939 und 1944 142 Brutto- und Nettoanlageinvestitionen in der westdeutschen Industrie, 1933-1945 143 Brutto- und Nettoanlagevermögen der westdeutschen Industrie, 1933-1945 144 Brutto- und Nettoanlagevermögen der westdeutschen Industrie, 1. Januar 1935, 1. Januar 1944,1. Mai 1945 145 Ausgaben des Reichshaushalts nach Rechnungsjahren, 1939/1940-1944/1945 146 Ausgaben des Reichshaushalts nach Kriegsjahren, 26.8.1939-8.5.1945 147 Preise von Flugzeugzellen, 1941 148 Wehrsold für die Wehrmachtsangehörigen bei „besonderem Einsatz" 149 Ausgaben des Reiches für Familienunterhalt, 1. September 1939-8. Mai 1945 150 Finanzielle Belastung der Stadt Stralsund für Familienunterhalt, 1940/1941 bis 1943/1944

645

151 Kriegsbedingte Sonderausgaben in Stralsund, 1940/1941 bis 1943/1944 152 Reichshaushalt, Einnahmen aus Steuern und Zöllen nach Rechnungsjahren, 1939/1940 bis 1944/1945 153 Reichshaushalt, Einnahmen aus Steuern und Zöllen nach Kriegsjahren, 1. September 1939 - 8. Mai 1945 154 Kreditaufnahmen und-rückzahlungen des Reiches, 1.9.1939-8.5.1945 155 Verzinsung der Reichsschuld nach Rechnungsjahren, 1939/1940-1944/1945 156 Stand und jährliche Zunahme der fundierten und der schwebenden Reichsschuld, 1939-1944 157 Verteilung der Reichsschuld per 30. September 1944 158 Die Entwicklung der Sparguthaben in Deutschland 1939-1944 159 Zahlungen von Besatzungskosten, 1940-1944 160 Die einnahmestärksten Steuern (einschließlich der jeweiligen Kriegszuschläge) 161 Ausgewählte Steuern von Einkommen und Vermögen 162 Die Steuern vom Vermögensverkehr und Verkehr 163 Die mit Kriegszuschlag belegten Verbrauchssteuern 164 Auswahl weiterer Steuern auf Verbrauch und Aufwand

668 669 670 671 673 674 676 677 678 683 684 686 686 689 690 691 692 692 704 705 710 714 716 723 735 735 736 736 737

744

Anhang

3. Quellen- und Literaturverzeichnis (einschließlich einer Literaturauswahl aus den Bänden I und II) a) Ungedruckte Quellen Staatliche und Kommunalarchive Bundesarchiv Koblenz (BÄK) R2 R3 R5 R6 R7 R9I R I O III R 11 R 12 I R 13 I R 13 III R 13 V R 13 VI R 13 XII R 13 XIII R 13 XV R 13 XX R 22 R 25 R 26 IV R 28 R 41 R 43 II R 58 R61 R 63 R 70 Polen R 87 R 106 R 176 NL113 NL 118 NL 141 NL 198 NL 200 All. Proz. 1, 2, 3,9 All. Proz. 4 ZSg 115

Reichsfinanzministerium Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion Reichsverkehrsministerium Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete Reichswirtschaftsministerium Reichsstelle für den Außenhandel Reichsvereinigung Eisen Reichswirtschaftskammer Reichsgruppe Industrie Wirtschaftsgruppe Eisenschaffende Industrie Wirtschaftsgruppe Maschinenbau Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie Wirtschaftsgruppe Feinmechanik und Optik Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie Wirtschaftsgruppe Lederindustrie Wirtschaftsgruppe Bekleidungsindustrie Wirtschaftsgruppe Bergbau Reichsjustizministerium Reichsamt für Wirtschaftsausbau Beauftragter für den Vieijahresplan, Geschäftsgruppe Ernährung Dienststellen der Reichsbank Reichsarbeitsministerium Reichskanzlei Reichssicherheitshauptamt Akademie für Deutsches Recht Südosteuropa-Gesellschaft Polizeidienststellen in eingegliederten und besetzten Gebieten (Polen) Reichskommissar für die Behandlung feindlichen Vermögens Mittwochsgesellschaft Kontinentale Öl AG Goerdeler, Carl Goebbels, Joseph Krohn, Johannes Kraut, Heinrich Westrick, Gerhard Nürnberger Prozesse Falkenhausen-Prozeß Nadler, Fritz

Quellen- und Literaturverzeichnis

745

Für einige Quellenkomplexe werden Kürzel verwendet: Chronik der Dienststellen des Reichsministers Speer = Chronik (R 3/1735-1740) „Führerbesprechungen" (Konferenzen Hitler-Speer) = FB (R 3/1507-1511) Zentrale Planung, Stenographische Niederschriften = ZPP (R 3/1710-1727) Zentrale Planung, „Ergebnisse" der Sitzungen (Ergebnisprotokolle) = ZPE (R 3/1689 u. 1690) Karl-Otto Säur, Stichworte für die Rüstungskartei (des Technischen Amtes) = Saur, Stichworte (R 3/1989) Bundesarchiv/Militärarchiv, Freiburg (BA/MA) RH 15 OKW, Allgemeines Heeresamt RH 19 VII Armeeoberkommando 12 RH 26-22 22. Infanterie-Division RM 7 Seekriegsleitung RW 6 OKW, Allgemeines Wehrmachtsamt RW 19 OKW, Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt R 40 Territoriale Befehlshaber Südost Bestände der Filmsammlung (ehemalige FS des Militärarchivs Potsdam), insbesondere OKW, Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt und nachfolgende Einrichtungen (s. Konkordanz) Bundesarchiv, Abteilungen Potsdam (BAP) Reichswirtschaftsministerium Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion Reichsfinanzministerium Reichsbank Statistisches Reichsamt Auswärtiges Amt Reichskredit-Gesellschaft Hauptverwaltung der Reichskreditkassen Deutsche Bank (F) IG-Farben Wirtschaftsfacharchiv (WFA) der Kaliindustrie, vorm. VVB Kali Staßfurt Flick-Konzem Salzdetfurth AG Siemens AG, jetzt Siemens-Archiv, München Nachlaß Herbert von Dirksen Nürnberger Nachfolgeprozesse: Fall n Milch-Prozeß Fall V Flick-Prozeß Fall VI IG-Farben-Prozeß Fall X Krupp-Prozeß Fall XI Wilhelmstraßenprozeß Fall XII OKW-Prozeß Bestände der Filmsammlung (s. Konkordanz), insbesondere Mischbestand Wirtschaft (Wehrwirtschaft und Rüstung) Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion Reichswirtschaftsministerium

746

Anhang

RFSS, Persönlicher Stab Goebbels-Tagebuch Kürzel: Nachrichten des Reichsministers für Bewaffnung und Munition bzw. für Rüstung und Kriegsproduktion (Ministerialblatt) = Nachrichten (Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 51) Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Bonn Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Weimar Reichsstatthalter Stadtarchiv Stralsund

Wirtschaftsarchive Archiv Daimler-Benz AG Archiv Thyssen AG Bergbau-Archiv, Bochum Haniel-Archiv Siemens-Archiv, München 35-44/Lc 168, Gerald Klein, Dokumentation zur Geschichte des Luftfahrtgerätewerks Hakenfelde LGW 1930-1945, München 1980 35-70/La 856, K. W. Fieber, Zur Geschichte der deutschen Raketenrüstung, Klagenfurt, Mai 1965 Betriebsarchiv des ehem. VEB Pentacon Dresden Betriebsarchiv des ehem. VEB Sachsenwerk Dresden Betriebsarchiv des ehem. VEB Arzneimittelwerk Dresden

Archive von Stiftungen und Instituten Archiv flir Christlich-Demokratische Politik (ACDP), St. Augustin NL Lampe, Adolf Archiv der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte (HSG) Bestand Siemens-Konzern Archiv des Instituts ftir Zeitgeschichte (IfZ), München ED 99 NL Speer, Albert ED 115 NLJodl, Alfred Zs/A-20 NL Schwerin von Krosigk, Lutz Graf ZS 565 Saur, Karl-Otto ZS 1186 Lüer, Carl ZS 1217 Messerschmitt, Willy ZS 1230 Milch, Erhard ZS 1432 Schmelter, Fritz

747

Quellen- und Literaturverzeichnis Ausländische Archive Archives Nationales, Paris (Arch. Nat.) AJ 40 Archives Diplomatiques, Paris (AD) Guerre 1939-1945, Vichy-Europe Historisches Archiv Kreta (IAK) Präfektur Iraklion (NI bzw. PI) Präfektur Rethymnon (NRe bzw. PRe) Archiv der Universität Kreta, Rethymnon Public Record Office, London (PRO) FO 371 FO 837 N 6292 Wojewódzkie Archiwum Paristwowe w Katowicach, Katowice Oberschlesisches Institut für Wirtschaftsforschung Dresdner Bank, Filiale Kattowitz National Archives, Washington (NA) Record Group Nr. 84 226 260 Franklin Delano Roosevelt Library (FDRL), Hyde Park, NY Henry Morgenthau Diaries Harley Martin Kilgore Papers Filmkonkordanz Konkordanz zwischen den Filmnummern der oben genannten Filmsammlungen (BAP und BA/MA) und den T- und Roll-Nummern der National Archives, Washington Film-Nr.

T-Nr.

713 1727 1729 1730 1732 1733 1734 1737 1740 1772 1775 1780 2328 2348

175 73 73 73 73 73 73 77 77 77 77 77 77 84

Roll-Nr. 130 2 13 30 180 181 182 4 10 140 332 347 278 72

748 3353 3365 3375 3381 3383 3384 3385 3386 3399 3568 3570 3575 3609 3642 3654 3661 3716 3857 3956 3957 4564 4571 4605 4640 4650 4660 5273 5884 8253 8261 8263 8322 10604 10609 10611 10612 10613 10614 10629 10630 10631 10632 10636 10638 10642 10655 10660 10709

Anhang 175 71 501 73 73 73 73 73 73 73 175 175 175 73 71 175 120 81 83 83 77 77 71 73 73 73 71 120 77 77 77 77 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84

71 23 165 4 14 15 19 20 179 193 119 194 103 105 34 146 Ser. 5685 59 6 17 489 429 105 21 37 50 94 Ser. 4646 354 363 365 430 41 46 48 49 52 53 69 70 71 73 77 80 84 97 102 155

749

Quellen- und Literaturverzeichnis 10738 10746 10759 10763 10764 10765 10784 10785 10809

84 84 84 84 84 84 84 84 84

b) Gedruckte Quellen und zeitgenössische

188 198 211 216 217 218 239 242 266

Literatur

Abelshauser, Werner/Faust, Anselm/Petzina,Dietmar, Deutsche Sozialgeschichte 1914-1945. Ein historisches Lesebuch, München 1985 Abs, Hermann J., Aktive Kapitalpolitik. In: Die zukünftigen Aufgaben der deutschen Kreditwirtschaft. Vortragsveranstaltung am 25. Oktober 1940. Hrsg. Deutsches Institut für Bankwissenschaft und Bankwesen, Berlin o. J. Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945. Aus dem Archiv des deutschen Auswärtigen Amtes, Serie D: 1937-1945, Bd. I ff. Hrsg. Internationales Bearbeitergremium, Baden-Baden u. a. 1953 ff. Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945. Aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes, Serie E: 1941-1945, Bd. I ff. Hrsg. Hans Rothfels u. a„ Göttingen 1969 ff. Albath, Max/Kretschmer, Karl/Petzold, (Hans), Abfindung bei besonderem Einsatz der Wehrmacht, Bd. II, Berlin 1940 Albrecht, Karl, Einige Zukunftsfragen der Außenwirtschaft. In: Stahl und Eisen 64 (1944), Nr. 46/47 Anatomie der Aggression. Neue Dokumente zu den Kriegszielen des faschistischen deutschen Imperialismus im zweiten Weltkrieg. Hrsg. u. eingel. v. Gerhart Hass u. Wolfgang Schumann, Berlin 1972 Anatomie des Krieges. Neue Dokumente zur Rolle des deutschen Monopolkapitals bei der Vorbereitung und Durchführung des zweiten Weltkrieges. Hrsg. Dietrich Eichholtz u. Wolfgang Schumann, Berlin 1969 Anglo-amerikanische Währungsdiskussion in der Auflösung. In: Bankwirtschaft, 1943, Nr. 12 Arzet, Robert, Die Hintergründe der anglo-amerikanischen Währungskontroverse. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 5 Derselbe, Ausländische Sorgen um die Finanzierung des industriellen Investitionsbedarfs. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 13 Derselbe, Die wirtschaftspolitischen Gegensätze im anglo-amerikanischen Lager (VII): Die Verdrängung Englands aus Ibero-Amerika. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 1 Auschwitz-Prozeß, Frankfurt am Main. Schlußvortrag und Erwiderung des Prof. Dr. Friedrich Karl Kaul, Prozeßvertreter der in der DDR ansässigen Nebenkläger im Strafverfahren gegen Mulka u. a. vor dem Schwurgericht beim Landgericht Frankfurt am Main, Berlin 1965 Bank-Lexikon, Wiesbaden 1963 Beck und Goerdeler. Gemeinschaftsdokumente für den Frieden 1941-1944. Hrsg. Wilhelm Ritter v. Schramm, München 1965 Benning, Bernhard, Abschöpfung durch Anleihebegebung. In: Bankwirtschaft, 1943, Nr. 6 Derselbe, Aktuelle Fragen der bankmäßigen Liquidität. In: Bank-Archiv, 42 (1942)

Anhang Derselbe, Europäische Währungsfragen. In: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Hrsg. Verein Berliner Kaufleute und Industrieller/Wirtschaftshochschule Berlin, Berlin 1942 Derselbe, Die wirtschaftspolitischen Gegensätze im anglo-amerikanischen Lager (VI): Konfliktsherde im Leih- und Pachtsystem. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 17 Beretning til Folketinget afgivet af den af Folketinget under 8. Januar 1948 nedsatte Kommission i henhold til Grundlovens 45, Bd. V, Kobenhaven 1948 - Bilag til Beretning til Folketinget..., Bd. XIII/1-6, T. 1-3, Kopenhagen 1954 Bergler, Georg/Erhard, Ludwig (Hrsg.), Marktwirtschaft und Wirtschaftswissenschaft. Eine Festgabe aus dem Kreise der Nürnberger Schule zum 60. Geburtstage von Wilhelm Vershofen, Berlin 1939 Bevölkerung und Wirtschaft 1872-1972. Hrsg. Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Stuttgart u. a. 1972 Bichelonne, (Jean), Französische Wirtschaftspolitik im Rahmen des neuen Europa. In: Die Deutsche Volkswirtschaft, 11 (1942), Nr. 36 Binder, Paul, Aufgaben der Preispolitik in der Nachkriegszeit. In: Bankwirtschaft, 1945, Nr. 1 Bleyer, Wolfgang, Der geheime Bericht über die Rüstung des faschistischen Deutschlands vom 27. Januar 1945. In: JfW, 1969, T. 2 Derselbe, Pläne der faschistischen Führung zum totalen Krieg im Sommer 1944. In: ZfG, 10/1969 Blumenberg-Lampe, Christine (Bearb.), Der Weg in die soziale Marktwirtschaft. Referate, Protokolle, Gutachten der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath 1943-1947, Stuttgart 1986 Borkin, Joseph/Welsh, Charles A., Germany's Master Plan. The Story of Industrial Offensive, New York 1943 Brech, John, Die wirtschaftspolitischen Gegensätze im anglo-amerikanischen Lager (IV): Der Streit um die Rohstoffe. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 15 Collotti, Enzo, L'amministrazione tedesca dell'Italia occupata 1943-1945. Studie e documenti, Milano 1963 Czollek, Roswitha/Eichholtz, Dietrich, Die deutschen Monopole und der 22. Juni 1941. In: ZfG, 1/1967 Daitz, Werner, Lebensraum und gerechte Weltordnung. Grundlagen einer Anti-Atlantikcharta, Amsterdam 1943 Derselbe, Wiedergeburt Europas durch europäischen Sozialismus. Europa-Charta, Amsterdam 1944 Das Ende des Schreckens. Dokumente des Untergangs Januar-Mai 1945. Hrsg. Erich Kuby, München 1955 Das Urteil im IG-Farben-Prozeß, Offenbach a. M. 1948 Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozeß. Hrsg. Robert M. W. Kempner u. Carl Haensel, Schwäbisch Gmünd 1950 Der Generalquartiermeister. Briefe und Tagebuchaufzeichnungen des Generalquartiermeisters des Heeres, Generals der Artillerie Eduard Wagner. Hrsg. Elisabeth Wagner, München/Wien 1963 Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, 42 Bde. Nürnberg 1947 ff. (IMT) Der zweite Weltkrieg. Dokumente. 2. Aufl., ausgew. u. eingel. v. Gerhard Förster u. Olaf Groehler, Berlin 1974 Deutsche Geldpolitik (Schriften der Akademie für Deutsches Recht, Gruppe Wirtschaftswissenschaft, Nr. 4), Berlin 1941 Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975. Hrsg. Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1976 Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg. Hitlers Konferenzen mit Albert Speer 1942-1945. Hrsg.

Quellen- und Literaturverzeichnis

751

u. eingel. v. Willi A. Boelcke, Frankfurt a. M. 1969 Die Befreiung Berlins. Eine Dokumentation. Hrsg. u. zus.gest. v. Klaus Scheel, Berlin 1985 Die Daimler-Benz AG 1916-1948. Schlüsseldokumente zur Konzerngeschichte. Hrsg. Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, bearb. v. Karl Heinz Roth u. Michael Schmid unter Mitarb. v. Rainer Fröbe, Nördlingen 1987 Die deutsche Wirtschaftspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten 1941-1943. Der Abschlußbericht des Wirtschaftsstabes Ost und Aufzeichnungen eines Angehörigen des Wirtschaftskommandos Kiew. Hrsg. u. eingel. v. Rolf-Dieter Müller, Boppard 1991 Die Dresdner Bank und der Reichsführer SS. Hrsg. Peter-Ferdinand Koch, Hamburg 1987 Die Neuregelung des deutschen Außenhandels. Ein praktischer Wegweiser durch die geltenden Bestimmungen unter Mitwirkung von Sachbearbeitern der amtlichen Stellen und des Reichsstandes der deutschen Industrie. Hrsg. Franz Reuter, Berlin o. J. (1934) Die Ostwirtschaft. Zeitschrift für Wirtschaftsfragen des Ostens. Hrsg. im Auftrag der Reichsgruppe Industrie Die Räumung des „Reichsgaus Wartheland" vom 16. bis 26. Januar 1945 im Spiegel amtlicher Berichte. Hrsg. Ludwig-Petry-Institut Mainz, bearb. v. Joachim Rogall, Sigmaringen 1993 Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, 4 Bde. Hrsg. Elke Fröhlich, München u. a. 1987 Die Vergangenheit warnt. Dokumente über die Germanisierungs- und Austilgungspolitik der Naziokkupanten in der Tschechoslowakei. Zus.gest. v. Václav Král, Auswahl d. Dokumente v. Karel Fremund u. Václav Král, Prag 1960 Die Verwaltung feindlichen Vermögens im Zweiten Weltkrieg. Bericht des Dr. Johannes Krohn, Staatssekretär a. D., Reichskommissar für die Behandlung feindlichen Vermögens (von 1941 bis 1945), Heiligenkirchen 1949 Donner, Otto/Benning, Bernhard, Kriegskosten und Grenzen der Staatsverschuldung, Jena 1942 Derselbe, Die Grenzen der Staatsverschuldung. In: Weltwirtschaftliches Archiv 56 (1942 II) Derselbe, Staatsform und Staatsverschuldung. In: Bankwirtschaft, 1943, Nr. 1 Drescher, Leo, Die Währungs- und Finanzkonferenz von Bretton Woods. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 160 (1944) Drobisch, Klaus, Dokumente zur direkten Zusammenarbeit zwischen Flick-Konzern und Gestapo bei der Unterdrückung der Arbeiter. In: JfW, 1963, T. 3 Eichholtz, Dietrich, „Wege zur Entbolschewisierung und Entrussung des Ostraumes". Empfehlungen des IG-Farben-Konzerns für Hitler im Frühjahr 1943. In: JfW, 1970, T. 2 Derselbe, Die „Großraumwehrwirtschaft" für den großen Krieg. In: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", 1^/1986 Derselbe, Die Norwegen-Denkschrift des IG-Farben-Konzerns von 1941. In: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", 1-2/1974 Derselbe, Die Richtlinien Görings für die Wirtschaftspolitik auf dem besetzten sowjetischen Territorium vom 8. November 1941. In: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", 1-2/1977 Derselbe, Zum Anteil des IG-Farben-Konzems an der Vorbereitung des zweiten Weltkriegs. In: JfW, 1969, T. 2 Erhard, Ludwig, Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung. Faksimiledruck der Denkschrift von 1943/44 mit Vorbemerkungen v. Ludwig Erhard, Theodor Eschenburg, Günter Schmölders, Frankfurt a. M. 1977 Derselbe, Marktordnung. In: Die Führung des Betriebes. Festschrift zum 60. Geburtstag von Wilhelm Kalveram. Hrsg. Karl Theisinger, Berlin/Wien 1942 Derselbe, Der Staatshaushalt in der volkswirtschaftlichen Bilanz. In: Bankwirtschaft, 1945, Nr. 1

752

Anhang

Derselbe, Kapitalexport und Welthandel. In: Bankwirtschaft, 1945, Nr. 5/6 Es spricht der Führer. Sieben exemplarische Hitler-Reden. Hrsg. Hildegard v. Kotze u. Helmut Krausnick unter Mitarb. v. F. A. Krummacher, Gütersloh 1966 Eucken, Walter, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Jena 1940 Derselbe, Die zeitliche Lenkung des Wirtschaftsprozesses und der Aufbau der Wirtschaftsordnungen. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 159 (1944) Derselbe, Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Hrsg. Edith Eucken u. K. Paul Hensel, Bem/Tübingen 1952 Europa unterm Hakenkreuz. Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus (1938-1945). Achtbändige Dokumentation. Hrsg. Kollegium unter Leitung v. Wolfgang Schumann u. Ludwig Nestler (von Bd. 6 an: Bundesarchiv), Berlin, Heidelberg 1988 ff.) Bd. 1: Österreich/Tschechoslowakei. Hrsg. Helma Kaden, Berlin 1988 Bd. 2: Polen. Hrsg. Wemer Röhr, Berlin 1989 Bd. 3: Belgien/Luxemburg/Niederlande. Hrsg. Ludwig Nestler, Berlin 1990 Bd. 4: Frankreich. Hrsg. Ludwig Nestler, Berlin 1990 Bd. 5: Besetzte Gebiete der Sowjetunion. Hrsg. Norbert Müller, Berlin 1991 Bd. 6: Jugoslawien/Griechenland/Albanien/Italien/Ungarn. Hrsg. Martin Seckendorf, Berlin/Heidelberg 1992 Bd. 7: Dänemark/Norwegen. Hrsg. Fritz Petrick, Berlin/Heidelberg 1992 Ergänzungsbd. 1 (s. Okkupation und Kollaboration) Europastrategien des deutschen Kapitals. Hrsg. Reinhard Opitz, Köln 1977 u. 1994 Fall 5. Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des Rick-Prozesses. Hrsg. Karl-Heinz Thieleke, eingel. v. Klaus Drobisch, Berlin 1965 Fall 6. Ausgewählte Dokumente und Urteil des IG-Farben-Prozesses. Hrsg. u. eingel. v. Hans Radandt, Berlin 1970 Fall Barbarossa. Dokumente zur Vorbereitung der faschistischen Wehrmacht auf die Aggression gegen die Sowjetunion (1940/1941). Ausgew. u. eingel. v. Erhard Moritz, Berlin 1970 Fischer, Guido, LSÖ. Kosten und Preis, Erkenntnisse und Folgerungen aus der Praxis der LSÖ-Rechnung, Leipzig 1941 Fischer, Otto Christian, Die Weltwährungspläne im Zwielicht. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 2 Foreign Relations of the United States (FRUS), Diplomatie Papers 1944, Vol. II, Washington 1967 Foreign Relations of the United States (FRUS), The Conferences at Malta and Yalta 1945, Washington 1955 Fortgang der englisch-amerikanischen Währungskontroverse. In: Bankwirtschaft, 1943, Nr. 5 Funk, Walther, Die Länder des Südostens und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Rede gehalten vor der Südosteuropa-Gesellschaft in Wien am 10. 3. 1944, Wien 1944 Derselbe, Wirtschaftsordnung gegen Währungsmechanismus. Rede in Königsberg/Pr. am 7. 7. 1944. In: Die Deutsche Volkswirtschaft, Nr. 21/1944 Generalny Plan Wschodni. Zbiör dokumentöw. Hrsg. Czesiaw Madajczyk, Warschau 1990 Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Hrsg. Elke Fröhlich,Teil II, Bd. 10-15 (Okt. 1943-April 1945), München 1994-1996 Goebbels, Joseph, Tagebücher 1945. Die letzten Aufzeichnungen. Einführung v. Rolf Hochhuth, Hamburg 1977 Goebbels, Joseph, Tagebücher. Bd. 4: 1940-1942; Bd. 5: 1943-1945. Hrsg. Ralf Georg Reuth, München/Zürich 1992 Goebbels. Tagebücher aus den Jahren 1942-1943, mit and. Dokumenten. Hrsg. Louis P. Lochner,

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Register zur Gesamtausgabe

1. Filmkonkordanz Von Helma Kaden Konkordanz zwischen den Filmnummern der oben genannten Filmsammlungen (BAP und MA) und den Tund Roll-Nummera der National Archives, Washington

Film-Nr. 376 381 713 1571 1726 1727 1729 1730 1732 1733 1734 1735 1737 1740 1741 1742 1746 1748 1752 1758 1772 1775 1777 1780 1781 1783 1784

T-Nr.

Roll-Nr.

84 81 175 175 71 73 73 73 73 73 73 73 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77

8 2 130 91 109 2 13 30 180 181 182 183 4 10 14 17 64 50 81 94 140 332 335 347 352 404 441

Film-Nr. 1788 1791 1811 1818 1826 1828 1829 2297 2312 2313 2317 2324 2325 2328 2348 2353 3315 3345 3353 3361 3365 3368 3375 3381 3383 3384 3385

T-Nr.

Roll-Nr.

77 77 77 77 77 77 77 84 77 77 77 77 77 77 84 84 77 175 175 175 71 81 501 73 73 73 73

445 450 482 545 635 659 667 25 15 16 84 167 204 278 72 195 360 57 71 93 23 600 165 4 14 15 19

780 Film-Nr. 3386 3398 3399 3567 3568 3570 3575 3608 3609 3642 3643 3654 3661 3716 3854 3857 3956 3957 3961 3962 3964 3965 3966 4141 4184 4186 4564 4566 4571 4605 4638 4640 4649 4650 4660 4667 4742 4788 4826 5273 5381 5382 5386

Register

T-Nr.

Roll-Nr.

73 73 73 175 73 175 175 175 175 73 73 71 175 120 81 81 83 83 83 83 83 83 83 175 73 73 77 73 77 71 73 73 73 73 73 120 73 73 73 71 77 77 77

20 144 179 39 193 119 194 90 103 105 140 34 146 Ser.5685 42 59 6 17 74 75 80 81 94 94 22 34 489 16 429 105 10 21 35 37 50 Ser.4688H,ff 187 94 142 94 189 190 198

Film-Nr. 5465 5474 5548 5675 5682 5683 5884 8253 8261 8263 8273 8274 8288 8290 8297 8322 8398 8630 8651 10604 10609 10611 10612 10613 10614 10616 10629 10630 10631 10632 10634 10636 10637 10638 10642 10649 10655 10660 10667 10699 10707 10709 10738

T-Nr.

Roll-Nr.

77 120 175 77 77 77 120 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84

178 Ser.2885 122 203 37 40 Ser.4646 354 363 365 376 377 670 673 400 430 649 38 440 41 46 48 49 52 53 56 69 70 71 73 75 77 78 80 84 91 97 102 109 142 153 155 188

Filmkonkordanz Film-Nr. 10746 10749 10759 10763 10764 10765 10784 10785 10799 10801 10803

781 T-Nr.

Roll-Nr.

84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84

198 201 211 216 217 218 239 242 255 258 260

Film-Nr. 10804 10807 10809 10869 10975 11246 13380 14155 18429 57586

T-Nr.

Roll-Nr.

84 84 84 84 81 81 77 580 311 77

261 264 266 65 219 76 594 18 151 234

2. Personenverzeichnis Von Helma Kaden

Abelshauser, Werner III 677 Abetz, Otto III 229-230, 233 Abs, Hennann Josef 1 105,154, 176-177, 235,237238; II 295, 393, 396-397, 400, 403, 410, 424, 426-427. 479, 482, 524; III 319, 533, 535, 538539, 546,566,598,610 Achenbach III 547 Adam II 143 Ahlfeld III 540, 575 Ahlfen, Hans v. III 669 s. a. Alvern Albers II 406 Albrecht, Carl III 539, 57S Albrecht, Gerhard III 522 Albrecht, Karl 1 165,169,339; II 47, 67, 201,404, 514, 516; III 537-546, 558, 562-563, 566567,570-571, 573-574, 577, 581, 586-589, 591593,597,601 Alpers, Friedrich 1234,240 Altenburg, Günther III 362, 370,459 Alvern v. III 669 richtig: Ahlfen, Hans v. Amann, Felix Johann II 221 Ambros, Otto I 44, 205; II 220, 226; III 154, 205207 Andrae, Alexander III 361-362, 364, 370 Antonescu, Ion II 481; III, 53,443, 480-481, 500501 Arendt, Hans-Jürgen II, 210,229 Arikan, Saffet III 478 Arvanitakis, Nikolaus III 389 Arzet, Robert III 551 Ashton-Gwatkin. Frank T. 160

Aubrun, Jules III 528 Avieny, Wilhelm III 539 Bach- Zelewski, Erich von dem II 433,453 Backe, Herbert I 102, 231, 234, 240-245; II 214, 441, 454-457, 502, 573-574, 578, 580, 583-603, 608-609, 612, 616, 620, 642; III 45, 152-153, 226,247-248, 254, 256, 258, 263, 284, 316, 630, 648, 658-659 Backenköhler, Roman III 664 Bader III 450 Badoglio, Pietro III 374 Ballin. Albert I 54 Bandouvas, Manolis III 376-377 Balkhausen, Franz II 94 Barth, Johannes 1235 Bati, Jan III 528 Baudisch, Roman III 531 Bayrhoffer, Waither III 725 Becht, Ernst II 158,481 BechtolÇ Erich III 610 Beck, Ludwig 11177,399 Becker, Hans 1202 Becker, Karl Emil 1131 Beckerath. Erwin v. 111517-519,556 Beckerle, Adolf III 480 Bedaux, Charles Eugène III 529 Behn, Sosthenes III 530 Behrens, F. III 470-471 Behrens, Gustav II 589; III 254 Below, Nicolaus v. III 662

782 Benkert Hanns II 51, 65,302-303, 556; III 40 Benning, Bernhard 111524-525,531,536,602 Benthack, Hans III 380 Bentz, Alfred 11487-488 Berckemeyer, Hans 1323 Bergemann, Günther 1250,291-292 Bergengrün III 593 Berger, Gottlob III 69 Bertelmann III 255 Bertsch, Walter III 70 Berve, Otto 1 134, 295, 305; II 103 Besser III 415 Best, Werner I 384; III 330-331,471-472,493-494 Bethmann-Hollweg, Theobald v. II 442 Beutler, Otto I 104 Bichelonne, Jean II 160,426; III 226,308,310, 336-337, 526-528, 532, 564 Bicken 111,531,587, 5 9 1 - 5 9 2 Bielinski III 531

Binder, Paul III 563, 586-587, 589, 592-593, 595 Bingel, Rudolf 1116,122; II 226, 556 Birk, Karl II 408 Birkenfeld, Wolfgang I 40, 110, 113, 209, 233, 385; II 17, 47,489 Birkenholz, Carl III 17, 35 Bismarck, Otto Fürst v. III 362 Bismarck, Otto v. 111407,428 Bjarner, Bue III 330 Blaicher, Ernst III 7 Bleckmann, Heinrich 1202 Blehr, Eivind III 332 Blessing, Karl I 117, 237; II 426, 479480, 482484; III 490, 523, 531, 533-534, 536, 538-540, 542, 546, 566, 574-576,603 Bleyer, Wolfgang II 233, 507 Blohm, Rudolf 1116; II 65, 80, 134,163 Blomberg, Werner v. 1108 Blücher, Wipert v. III 435,473-174 Bock, Fedor v. II 206 Boden, Hans III 538-540, 543-544 Boelcke, Willi A. II 73, 79, 328, 416; III 62, 174, 403, 684 Böhm, Franz III 519 Bohemann, Erik III 495 Boi III 338 Boog, Horst III 189 Borbet, Walter 1 119,122-124; II 71, 514 Borggreven, A. W. J. III 318-319 Boris III., König von Bulgarien III 480 Bormann, Martin II 59, 61, 73, 76-77, 100-101, 112-113, 125, 128, 147, 153, 166, 168, 176, 202, 227, 229, 232, 237, 275-276, 285, 326, 397, 429, 452, 478, 500, 585, 589, 608; III 11, 29, 39, 57,

Register 61-62, 68-69, 76-77, 103-104, 167, 229-230, 599,633,639,655,665 Bora 1291-293 Bomitz, Hans I 299 Bosch, Carl I 39-40, 52, 58, 205; II 553; III 111, 250 Bosch, Robert III, 111 Bosch, Werner 111227,531 Bracht Wilhelm III 540 Brandt, Karl III 35 Brandt, Rudolf II 458, 619; III 28 Brass, Walther 1134 Bräutigam, Otto 1383-385 Brauchitsch, Walther v. 1105; II 26,481; III 199 Brauer, Bruno 111362,364 Braun, Otto III 538-540 Braun, Wernher v. II 155; III 200 Brecht Gustav 1133, 136 Breithaupt II 469 Brochhaus, Hans II 479 Brocke, Wilhelm III 325 Brockhüs, Friedrich II 403 Broz-Tito, Josip III 353 s. a. Tito Bruck, Fritz von dem I 124, 202, 301, 304-305, 308, 311,320-321,323, 325, 328, 332,335-336 Brüninghaus, Alfred 1312 Bruhn, Richard I 202; II 12 Brummenbaum, Albert II 575 Buchheim, Hans 11445,456 Buclc, Kurt A. III 329-330, 343 Budin, Paul II 75,226 Bücher, Hermann I 52, 116, 119; II 71-72, 108, 117, 554,559; 11176,111 Büchting, Karl III 540, 575 Bührmann, Robert 1308 Bürckel, Josef I 299, 301-302, 304, 307, 330; III 550 Bürger, Eckhard 11630,664 Bütefisch, Heinrich I 39, 236-237; II 221, 351, 479; III 33-34, 139 Buhle, Walter III 50 Bulauka, Rudolf II 271 Bulle, Georg 1295; II 405,461; III 64 Burckhardt Carl J. 1156 Burkart, Odilo I 164; II 412, 466 Buskühl, Ernst 1 133-134,136; II 143, 539 Cälinescu, Armand III 418 Carl, Rudolf II 146; III 34, 531 Carlowitz, Adolf v. II 472; III 103 Carroll, Berenice A. II 76 Cartellieri, Wolfgang III 138 Cassel, Gustav III 553

Personen Cathala, Pierre III336 Chamberlain, Arthur Neville 160; III414 Chantsidakis, Evangelos III389 ChaumetI 295 Churchill. Winston Spencer II 141, III 203, 444, 469 Ciano, Galeazzo III405 ClaJJ, Heinrich II442 Clodius, Cari I 176; III 404, 406, 416, 424, 429, 441-442, 450, 456, 460, 470, 478, 480-482, 487, 489, 500-503,511 Coste III319 Crâne 139 Croneiû, Théo II211 Croon, Hans I 117; II 103, 393; III 531, 537-540, 566, 573 Currie, Lauchlin III600 Curtius, Julius III132 Curzon, George Nathaniel II477 Czimatis, Albrecht 1110 D'Agostino III459 Dallin, Alexander 1232,238; II431,479 Darré, Richard Walther II 186, 571, 574- 575, 578, 580, 583-585,588, 596, 616, 625; III428 Daskalakis, G. E. III 386 Dechamps, Gustav 1323 Decken, Hans von der III 587, 593 Degenkolb, Gerhard II65, 154, 156, 169,317; III, 172,182,199 Deichfischer, Helmut II 521, 525-526, 539, 563 Delbrdck, Clemens II442 Denckers, Carl-Heinrich II 585 Dereser, Karl III138 Dieckhoft Hans Heinrich III491 Dieckmann, GOtz III74 Diehn, August 137, 198; II396 Diels, Rudolf II 549 Diercks, Richard II394 Dierig, Gottfried 152 Dietrich 1291 Dietrich, Kurt 167 Dietze, Constantin v. III 518-519 Dimitriuc III442 Dinkelbach, Heinrich III 585-587 Dirksen, Herbert v. I 60-61, 102, 163, 168, 211; III. 5 Disperakis, Manolis III390 Dithmer 1349 Dobre 111442,501 Dodd, William E. 149 DOnitz, Karl II 123, 133-134, 177; III 93, 104, 181-182,184,244,274, 507,643, 664

783 Dörr, Herbert II 277 Dörr Richard Eugen III 34, 533 Donner, Otto III 555-556, 583 Dorn Friedrich II 149, 383; III 103, 524. 526, 531, 534, 539, 575 Dornberger, Walther II 135, 155 DorpmOller, Julius II 61,66 Dorsch, Xaver II 226; III 11,26, 30-32, 34, 664 Drescher. Leo III 520, 551-552, 577, Dretaki, Olga III 373 Droese III 265 DOrrfeld, Walter III 264 Duisberg, Carl 139, 198,221; II 442, Dulles, Allan W. II 173 Dvof&ek, Jan 156-57 Ebbecke, Max III 586-587 Eberhardt. Karl III 604 Ebner, Franz Walther III 471 Egger. Rudolf (Rolf) II 12. 314 Ehlich, Hans II 432 Ehrhardt Karl III 539, 575 Eichmann, Adolf II 447; III 237-238 Eicke, Rudolf 111423,515 Eigruber, August II 275; III 46, 77 Einsiedel, Eugen III 729 Eisenbl&tter, Gerhard II 437 Eisenlohr, Ernst III 405, 425,465,478 Eisenmeier, Robert II 103 Eisentraut 1349 Elbers, Wilhelm III 215 Elkmann, Gerhard II 393 Ellis, John III 107, 113 Engelberg, Fritz v. II 149; III 531 Epp, Franz Xaver Ritter v . II 445, 579 Erdmann, Gerhard III 70 Erdmann, Kurt II 94,99, 143 Erhard, Ludwig III 540, 545-546, 549-563, 586590, 592-595, 598,601 Ermisch III 531 Eitel, Hermann II 573 Eucken, Walter III 518-519, 522 Ewing, Homer H. 139 Faingar, I. M. II 531, 548, 563, 569 Falkenhahn, Günther 1134; II 277 Farquharson, John E. II 570 Faulhaber, Ulrich 1202; II 461 Faust, Erich 1295,313, 330, 334, 337; II 103 Feder, Gottfried 139 Federau, Fritz III 708 Fegelein, Hermann II 177

784 Fejer, Eva I I I 2 4 2 , 3 0 4 - 3 0 5 Fellgiebel, Erich II 52, 66, 297 Fellinger, Hermann I 156; II 3 9 6 , 4 0 4 Fellmeth, Hermann I 117 Fermor, Nikolaus Frhr. v. III 335 Fest, Joachim C. II 443, 449; III 73 Fey I I I 531 Fickert III 646 Fieandt, Rainer v. 111435,473 Fiegler, Elisabeth III 645 Fischböck, Hans II 149,426, 517; I I I 56, 230, 318, 321, 324, 523, 531, 535, 602, 714 Fischer, Ernst Rudolf I 236-237; II 149, 479-484, 487-488; III 33, 531, 533 Fischer, Otto Christian III 520, 551, 577 Fischer, Richard I I I 17. 161 Fitzner, Otto 1 3 4 9 ; II 6 7 , 7 1 Flach III 669 Flick, Friedrich I 38, 50-52, 55-56, 100, 116, 134, 136, 139, 142, 164-165, 190, 196, 203, 294-295, 312, 323, 326, 329-331; I I 12, 86, 89, 412-113, 466-467, 538-539, 545-546, 564; III 42, 586587, 6 0 2 , 6 0 4 , 7 1 8 Florian, Friedrich Karl III 43, 665 Flos III 35 Flößner III 248 Flottmann, Erich 174 Förster, Gerhard II 334; III 95 Fourneau 1264 Franco, Francisco III 4 1 1 , 4 3 0 , 463, 493 Frank III 75 Frank, Hans II 94, 479, 501: III 42 Frank, Karl Hermann II 159; III 599 Frank-Fahle, Günther I 289; II 165, 167,458, 541 Freister, Roland I I I 2 9 0 Frotheim, ThorolfFjeld III 332 Freund, Florian III 27 Freyer 11272,281-282 Frick, Wilhelm II 326 Fricke, Kurt III 443 Friedensburg, Ferdinand 1227 Friedrich, Adolf 111641,650 Friedrich II., König von Preußen II 47 Fröbe, Rainer III 238 Frohwein, Hans III 510 Fromm III 531 Fromm, Friedrich I 128; II 19-20, 26-27, 31, 6162, 72, 162, 177, 184; III 10 Frydag, Karl II 12, 62, 65,130, 169,174-175; III 19-20, 4 0 , 1 6 5 Fürst, Gerhard III 576 Fürstenberg, Carl II 534 Fudickar III 531

Register Fuglesang, Rolf Jorgen III 332 s. a. Vuglesang Funk, Walther I 50, 52, 61, 92-93, 102, 106, 108110, 113-114, 121, 132, 136, 139, 178, 181, 190191, 194, 236-237, 244, 294, 298-299, 333, 365, 367; II 53, 56, 59, 61-62, 84, 86-88, 90, 99- 102, 136, 147, 165-168, 423, 425-126, 483, 534; I I I 223-224,226, 233-234, 416, 427, 461, 492, 495, 540-541, 546, 566, 580, 600, 693, 698, 716, 729, 732-733 Gabel, Oskar 11151,353 Gärtner 1 2 0 2 Gärtner, Bruno W. III 31 Gärtner, Friedrich II 143 Gailani, Raschid Ali el III 485 Galland, Adolf III 188 Galopin, Alexandre 1337, 377; III 308 Ganzenmalier. Albert II 66, 304; III 144, 182,664 Gaspar, Georg 1 1 1 7 Gattineau, Heinrich 1 3 9 Gaus, Friedrich I I I 443 Gebhardt III 254 Geilenberg, Edmund I I 65, 71, 148, 169, 310, 465, 472, 551; III 34-35, 37, 145, 147-148, 659 Geist, Friedrich III 52 Gerald III 425 Giannini, Amadeo III 429,461 Gies, Horst II 570 Gilot, Mathieu III 338 Gips, F. B. J. III 320-321 Gladenbeck, Friedrich II 347 Globocnik, Odilo II 439 Glücks, Richard II 222; III 328 Gnädig III 275 Gneisenau, August Wilhelm Anton Graf Neithardtv. III 62 Gobbers, Emil 1 1 2 4 ; II 154 Gochtmann III 469 Gockel, Hermann 1322 Goebbels, Joseph I 69, 80. 83, 86; II 56 61. 112, 119, 124-125, 145, 168-169, 202, 223, 227-228, 230, 242, 254-255, 276, 347, 425-126; III 2, 1314, 29, 37, 50, 53, 57-58, 71, 76-77, 81,103, 224225, 234, 244, 246, 282, 287, 598-599, 627, 629, 635-637,647, 662,664-667, 716, 732 Goerdeler, Carl 162; II 177, 3 9 9 , 4 2 6 , 4 2 9 Goerens, Paul 1 1 8 9 , 3 6 9 , 5 4 4 Göring, Herbert 1 3 0 4 Göring, Hermann I 29, 37-38, 40-44, 46- 48, 5052, 55, 58, 60-61, 70, 80, 92-93, 99, 107-111, 113-114, 118-120, 129- 130, 132-138, 140-142, 155, 178,180- 182, 191, 199, 2 0 1 , 2 0 8 , 2 1 0 , 214, 217, 230-236, 238-240, 244, 299, 301, 304, 321,

Personen 325, 331, 333, 374-375; II 2, 12, 14, 17-19, 2122, 29, 32, 34-35, 48-49, 53, 56, 58, 60-61, 6366. 74-79, 81-84, 88, 90, 93-94, 97, 99-100, 106, 137, 147-148, 168-169, 177, 180-182, 185-192, 198-200, 202, 204-205, 212, 214, 250, 255, 272, 283, 300, 303-304, 347-349, 40M04, 407-409, 412-416, 419-421, 426, 441, 449-450, 452, 456, 458, 462-463, 465, 477-181, 483-485, 487, 489, 502, 514-516, 545, 547-551, 553, 574, 584-585, 587; III 8, 15-16, 18, 21, 26, 31, 33, 38, 50. 7476, 89. 103, 119, 138-139, 150, 165, 175, 175, 204-205, 240, 244, 247, 284-285, 293, 309, 350, 359, 362,399,408, 426- 427,443,445,451, 460, 522, 529,614,614, 648-649,683, 698,729 Göranert, Fritz II 77 Gocrz, Paul II 163 Goetz, Carl II 77,403; III 586-587 Goldsmith, Raymond W. 133 Göll, Günter II 520, 561 Goltz, Georg Conrad von der III 571, 598 Gossweiler, Kurt 1153 Gotovich, Josi III 313 Gotsamanis, Satirius III 459-460 Gräbner, Georg III 473 Graeg Friedrich III 410 Graevenitz, Kurt v. III 355 Graf III 263 Gra£ Julius II 138 Granisch, Friedrich 1304,321-322 Grebe II 406 Grecianu III 442 Greiko, Andrej A. II 484 Greifelt, Ulrich II 432,441: III 316 Greim, Johann III 601 Grenzebach jr., William S. III 418 Grigoleit, Joachim II 41 Gritzbach, Erich 144,11545 Grobba, Fritz II 408 Groehler, Olaf II 5, 12.159; III 29. 138,171 Groener. Wilhelm II 515 Groos, Otto III 504 Gross, Herbert III577 Grote, Franz Graf III 316 Grube 1347 Gruchmann, Lothar 1146 Grübele III 292 Gritnig, Ferdinand III 523,554, 559-560, 583, 587, 589, 591-594,598 Guderian, Heinz II 123, 177; III 56,144, 244, 664665, 668 Gundelach, Herbert III 664 Gunschemann II 143 richtig: Gunschmann, Wilhelm

785 Gurow, A. 119 Gutermuth III 35 Guth, Karl I 95, 164; III 70, 539, 553, 563, 587, 592 Györfiy-Bengyel, F. M. v. III 441 Haarlem van III 327 Haberland, Ulrich III 603 Haberstolz, Franz III 231 Hacker, Oskar II 20 Haefliger, Paul 156,349 H&ggloC Gunnar III 466,495 Hagert, Werner II 553 Hahi, Hans 1330,334,337 Hahn, Walter III 539, 575 Haindl, Georg 1117 Halder, Franz I 105, 107; II 3, 42, 119, 455, 480481 Hallgarten, George F. W. 1386 Hammerstein-Equord, Kurt v. 1157 Hanauer. Ernst III 544, 597 Hane III 582 Haniel, Curt-Berthold III 132 Hanke, Karl II 76, 174; III 68-69,184 Hanneken, Hermann v. I 81, 109, 119, 164, 195196, 231, 234, 240, 298-301, 304, 306, 312-313, 322-328,330-332, 335-337; II 59, 62, 64, 79, 87, 403,413,548 Härder v. III 322 Harnack, Arvid II 396 Harpe. Josef III 668 Harten, K.P. II 62 Hartmann III 35 Hartmann 111531,599 Haspel, Wilhelm 111567,605 Hassel v. III 411 Hasseil, Ulrich v. II 399-400, 426, 428-129; III 512 Hasslacher, Franz III 539, 544 Haßmann, Heinrich II 99,104 Hast, Paul F. 1349 Hauser III 544 Hauser, Harald III 314 Haushofer, Karl II 444 Hausleiter III 532 Hausser, Paul 111664-665,668 Hayek, Friedrich v. III 553 Hayler, Franz I 117, 133; II 99, 165-167; III 30, 70, 537-538, 540, 572-574, 579-582, 584, 589600, 655 Heck, Hans II 271 Hecker, Ewald II 103 Hedding, Otto 174-75; II 529;

786 Hedler, Walter II 25,29 Heerema, P. S. III 322 Heiber, Helmut II 431,433,437,449-150; III 52 Heider, Karl v. 1169 Heim, Heinrich III 339-340 Heinkel, Emst III 19 Heinrichsbauer, August III 329-330, 343-344,475, 480, 512 Heinrici, Gotthardt III 668 Helfferich, Emil II 396 Hellmuth, Otto III 665 Hemmen, Johannes 1187,250, 290 HempeU.C- III 328-330 Henke III 34-35 Henlein, Konrad III 77 Henrichs, Paul 1169,201,338; II 559; III 571 Henschel, Oscar R. 11396-397 Herbert, Ulrich 111243,265,647,651,653 Herbst, Ludolf III 45,47, 68,103, 546 Herle, Jacob II 398 Hermann III 301 Heitel, Heinrich III 165 Heske, Franz III 539 Heß, Rudolf II 584 Hettlage, Karl Maria II 69, 85, 132, 164, 517-518, 522; III 12, 606, 667 Heydrich, Reinhard II 212,433,447,450; III 318, 331,341 Heyne, Hans II 66, 130,169, 559; III 51-52 Hildebrand, Klaus II 449 Hilgenfeld, Erich II 287 Hillgruber, Andreas 1 147,384 Hillmann, H. C. 1 14, 26,31, 33, 35 Himmler, Heinrich I 90, 99, 113; II 17, 69, 99, 112-113, 156, 165-167, 169, 173, 175-178, 185, 212-214, 221-223, 242, 249, 251, 275-276, 283, 285-287, 349, 43 M33, 435-136, 438-441, 443, 445-447, 449-453, 456, 458-459, 545, 556, 583, 585; III XI, 11, 18, 28-29, 31, 39, 50, 53, 68-69, 71, 73-76, 120, 225-226, 238, 240-241, 244, 285, 293, 309, 316-320,322, 340-341, 357, 648, 652 Hirschfeld, Gerhard 111314,317,320 Hirschfeld, Hans Max III 315,317, 320 Hitler, Adolf I 7, 16, 25, 30, 36, 39-43, 48-49, 53, 55, 61, 86, 90, 93, 105, 108, 112-113, 118-119, 121, 130, 139, 146-147, 155-159, 183, 191, 197199, 206-208, 210, 212-214, 216, 218-220, 229231, 233,238,240, 300, 337, 383; II 2^t, 13, 1820, 22, 26, 28-29, 35-36, 39, 44-50, 53, 55-59, 61, 63-64, 66, 70-78, 81-82, 85, 87-88, 91-93, 101, 106-110, 112, 121-124, 129, 131-135, 137, 141, 147-148,151,153-156, 158-160, 168-169,

Register 174, 176-178, 184-187, 189, 191, 193, 195-205, 222, 226-228, 232-234, 236-239, 241-242, 254255. 258, 278-279, 283, 297-298, 300, 303-304, 309, 325-326, 330, 333-335,343, 354, 364-365, 371, 382, 386-387, 392, 397, 409, 415^16, 420, 427-429, 433, 436, 439, 441, 443-146 449-452, 454-457, 459, 464-466, 471, 474, 476, 478-481, 483-485, 487, 489, 517, 519, 528-529, 534, 541, 543-545, 549, 567,608; III XI, 2, 5, 7-18,21-22, 26-27, 29-35,37-41,44,47-50, 52, 54-60, 62, 6465, 69-71, 73-78, 81. 84, 90, 103-104, 111-13, 120, 125-126, 133, 135, 144, 148, 152-153, 156, 158, 165, 167, 172, 174-175, 177-178, 180, 182, 187-189, 192, 194-196, 199-202, 204-205, 208, 223, 225-227, 229-232, 234-235, 237-238, 244246, 249,268,271-272, 274, 278, 293, 309, 316318, 327-328, 331, 333-335, 339-341, 345-349, 353-354, 360-361, 365, 393-394, 398-400, 405409, 415, 417, 421-423, 434, 444, 457, 459-462, 478, 480-481, 483, 489, 492, 494 503, 506, 522, 579, 614-616, 629, 633, 636-637, 656-659, 662669,675,711 Hochhaus III 292 Hölting, Alfred III 610 Hörner II 144 Höß, Rudolf II 225 Hoff 1124 Hoffmann (Wigru Chem. Ind.) III 478 Hoffmann III 531 Hoffinann, Albert III 43, 65, 68,254-256,665,668 Hoffinann, Stanley III 314 Hejgaard, Knut III 328-329 Hohenlohe-Langenburg, Maximilian Egon Prinz zu II 173 Holtz, Wolfgang II 412 Holzhauer II 130 Homberger, Heinrich III 455,481, 570 Homburg, Erich II 483 Homze, Edward L. I 85, 93, 96; II 76, 206,267 Horten, Helmut I 193 Horthy von Nagybänya, Miklos III 328 Hotz III 505 Houdremont, Ed(o)uard II 369, 544 Hubatsch, Walter II 119 Huber, Walther III 17 Hudson, R.S. 160 HOnermann, Rudolf II 39 Hatten II 144 Hattenberger, Peter II 96 Hugenberg, Alfred 1198; II 442, 573 Humbert, Hans III 531 Hunke, Heinrich I I , 103,425-126; III 343, 525

Personen Hunscha, Kurt III 552 Hupfauer, Theodor II 61, 144, 233, 264, 305-306; 11167,667 Huppert III 531 Iatrakis, E. III 368 ligner, Max 139, 62; II 399,426,428-429,479; III 511-512, 514-517, 538-540, 544-546, 566, 572576, 597 IUgner, Hans III 30 Imhot Paul 1291 Imhog Fritz II 144 Irving, David II 61, 347; III 21 Jacobsen, Hans-Adolf 1146,384 Jaeckel, Eberhard II 448 JSger III 582 JAger, Jörg-Johannes II 368, 494; III 346, 349, 355, 358 Jager, Wilhelm III 241 Jahne, Friedrich II 350 Jäzosch, Wilhelm II 89 Jahnke 1291 Jaissle, J. 1322 Jakob, Reinhaid II 251-252,264 Jander, Walter II 151 Jansen, Rudolf II 79 Janssen, Gregor I, 385; II 50,61, 65, 76, 79-81, 83, 174, 328,334, 522; III 43,62,73,75, Jernert III 330 Jessen, Fritz III 586-587 Jodl, Alfred I 216, 230, 240; II 121, 477, III 1-2, 4-5, 55-56, 89,192, 224,229,274,345,353. 625627 Joeden, Johann II 529 John 1331 Jong, Louis de III 311-312, 314-315, 317, 320, 322-324 Josten, Paul 174-75 Jünger, Ernst III 509 JQttner, Hans 11150,236 Juncker, Thorkild III 327-330 Kahn III 473 Kaiser, Peter M. II 450 Kaldor, Nicholas 119,220 Kaletsch, Konrad 156; II 413, 564 Kailay, Mildos III 480 Kalsadakis, Matthaus III 390 Kaltenbiunner, Emst III 69,233,653 Kammler, Hans II 156-157; III 17-18, 28, 74-75, 202,204,238,240,665 Kanakosakis, Jos III 390

787 Kannapin, Hans-Eckardt 1385; II 108,190 Kapp, Wolfgang II 442 Karden, Hubert III 241 Kárny, Miroslav II 224,430-431,435,446 Karoli, Richard III 533 Kaselowski, Theodor II 103 Kasper, Hanns-Heinz II 482 Kastl, Ludwig III 603 Kauert, Herbert 1134 Keesmann II 250 Kehrl, Hans 1220, 383, 385; II 49, 84-86, 99, 115, 135, 147-150, 162-163, 177, 231, 241, 243, 269, 328, 349, 370, 382-383, 393, 425-426, 489, 548, 588; III 42-43, 45^6, 48, 55-56, 60, 67. 70, 73, 79, 81, 103-104, 119, 122, 137, 144-145, 154, 208, 210, 226-227,229- 230, 248, 522-524, 526536, 538, 543-544, 566, 579-580, 603, 630, 656, 658-659,667 Keiser, Günter III 539, 546, 551-554, 560-562, 585-587, 589, 592-593, 596-597 Keitel, Wilhelm I 106, 108, 110, 112, 115, 119, 130-131, 138, 183, 212-214, 216, 229-230, 233; II 6, 11, 13-14, 19, 26-28, 30, 35-36, 39, 43-45, 61, 74-75,125, 128,132,168, 183-184,191, 197, 199-200, 227, 229,232, 272, 297, 355, 452, 477479, 484; III 50, 103-104, 120, 208, 226, 462, 495, 501,633,636, 664 Kelchner, Heinrich III 58,631, 664-665 Kellermann, Hermann 192; III 70,129,132 Kemp£ Annemarie III 60 Kennes, Werner III 35 Keppler, Wilhelm I 42, 55-57, 62, 155, 199-200, 237, 240; III 404 Kesselring. Albert III 664-665 Keßler, Philipp I 122, 125-128,; II 50, 60-61, 65, 71-72, 116-117, 124, 142, 172, 556. 559; III 172, 274 Keynes, John Maynard III 512-514, 516, 577 Kiechle, Emilio III 567 Kiegel, Walter 1299 Kiehl, Johannes 11403,420 Kiesewetter, Anton I 58; II 103 Killy, Leo II 158,567 Kimmich, Kart I 51, 294, 321-323, II 393, 557-558 Kirchfeld, Franz 1117; II 165,167; 11130,401, 537-541,543-544,568-569 Kirdorf; Emil I 54, 198; II 442 Kirschner, Otto II 189 Kissel 1349 Kissel, Wilhelm I 116; III 540 Kivimaki III 435 Klaue, Hermann 1117 Klein III 628

788 Klein, Burton H. 117,26; II 573 Klein, Hugo 1335:11398 Kleinmann, Wilhelm 1240; II 62, 66 Klesper 1291 Klessen III 410 Klingspor, Walter 129, 78, 95, 99, 349 Klöckner, Peter I 51-52, 116,165,294, 308, 330 Klönne, Moritz II 103, 143-144 Klopfer, Gerhard III 664 Kluy, Hans II 67 Knepper, Gustav 1133-134 Knieriem, August v. 1105; II 189 Knolle I 82 Koch, Erich 197; II 439,457; III 322,332,334 Koch, Lutz III 192 Koclc van Leeuwen, de III 320 Köhle, Julius II 144 Köhn, Otto II 557 König III 506 Koenigs, Gustav I 377 Koeppen, Werner III 335,340 Körner, Paul 142,44,136, 181, 231-234, 240, 244245, 320, 322, 325-326; II 64, 76, 82-83, 188, 198-200,202,416,462, 488, 547-548, 553, 586 Köster, Arnold III 70,77, 524-526, 531, 533-534 Kogon, Eugen II 225 Kolb, August II 149, 526; III 531 Koller, Kart III 89 Kolsrud, Ole III 331 Komuro, T. III 486 Koppenberg, Heinrich I 116; II 12, 15, 32, 401402, 545 Korherr, Richard III 72 Korschan, Heinrich 1202; II 463 Korten, Ganter III 8 Kost, Heinrich II 103 Kotthaus, August 1116 Kovpak, S. A. II 498 Kranefuß, Fritz II 226; III 68 Krantz, D. III 322 Kratz, Rudolf III 512 Krauch, Carl I 16„ 20, 24, 4 0 ^ 7 , 59, 61, 106-107, 109-111, 113, 116, 118, 121, 140-141, 155, 199, 201, 205, 217, 236-237, 385; II 9,14, 16-17, 40, 48, 65, 81, 109, 146, 155, 169, 173, 189, 192, 243, 348-350, 352, 357, 402, 407-408, 473, 479, 483-484, 489, 515, 553, 603; III 32-33, 35, 49, 96, 136-139, 143,145-148,202-204, 659 Krause, Reinhold III 534 Krausskopf III 342 Kraut, Heinrich Albert II 279; III 250-264,266 Krekeler, Karl 1261 Krengel, Karl-Heinz III 569

Register Krengel, Rolf II 383; III 675-676 Kretsehmer II 144 Kretzschmann, Max III 725 Kreutzwald, Reiner III 435 Krömer, Fritz III 51 Krohn, Johannes III 529-530 Krome III 16-17, 172 Kronsbein III 364 Krüger, Friedrich Wilhelm II 439,441, 452-453 Krüger, Kurt 1117, 172,178,250 Krupp, Bertha II 528-529 Krupp von Bohlen und Halbach, Alfried I 116, 133-134, 136, 139, 163, 326, 331; II 72, 88-90, 117, 143, 283, 363, 365, 418, 519, 528-529, 543544 Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav I 38, 5052, 54-55, 198, 295, 300, 308, 326, 331; II 88, 529, 543-544; III 605 (a. Kropp, Gustav) Krutikov, Aleksej III 449 Kuckhof£ Greta II 254 Kuczynski, Jürgen I 14, 32, 148, 153, 161; II 179, 247, 254,294, 512, 534, 539-540, 547, 572 Kügelgen, Carlo v. II 264 Kühn, Emst III 290 Küpfmüller, Karl II 71, 130-131, 556; III 7-8 Küppenbender, Heinrich II 162-163, 241,274, 559 Küppers, Gustav 1187 Küttner, Carl I 202, 321, 324, 328-332; II 398, 461, 466-467 Kufuß 1171 Kugler, Hans I 57, 171, 187 Kuhlmann, Heinrich III 467, 469 Kulczak, Thomas III 644 Kunze III 51 Kurzmeyer, Alfred 1335 Kutz, Martin II 571 Ladwig, Arthur III 290 Lahs, Rudolf II 32, 265 Lambrakis, Emm. III 390 Lammers, Hans-Heinrich I 83, 199; II 78, 100, 128, 147, 167-168, 204, 227-230, 232, 259, 326, 452, 529, 579; III 22, 49, 226-227, 230-234, 648, 698 Lammertz, Maximilian II 144 Lampe, Adolf III 518-522, 556 Landfried, Friedrich I 189, 234, 240; II 61, 99, 101-102, 113, 115, 158, 163, 165, 359; III 233, 440 462,489 Landwehr, Hermann III 441 Lange 111539,575 Lange, Karl I 117; II 12, 62, 65, 71, 130,300, 316, 601; III 99-100

Personen Lange, Kurt III 514, 716, 725,730, 733 Lange, Otto III 16-17, 634 Langelütke, Hans III 531 Langen, Eugen II 89 Larsen, Gunnar III 327-329 Laukisch, Fritz III 541, 563 Launois, Baron de 1337,377 Lauterbacher, Hartmann II 429 Laval, Pierre 1229-230; 111231,336,526 Leeb, Emil I 131; II 31, 61-62, 71-72, 136, 309, 326-327,424, 548 Leer van 1376 Legers, Paul 1117 Lehideux, François III 308,335-336, 528 Lehmann, Gunter III 263 Leipersberger, Georg III 539-540 Leitner, Franz III 134, 631 Lemaire 1295 Lenin, W. I. (eigentlich: Uljanow) 12,4, 7, 9,1213,25,147; II 85,110, 519; III XI, 313, 681, Lenze, Hans III 544, 597 Leon III 442 Leopold, Josef I 55 Ley, Robert 148, 75, 86, 133, 135,137, 234; II 56, 59, 61, 76-77, 142-143, 168, 202, 252-254, 258259,279,642; III 29,230,626,662 Leyers, Hans II 158 Liebel, Willy II 164; III, 12, 67, 69, 230 Lillig, Peter Wilhelm II 463 Lindemann, Kart I 105, 117; II 167, 396; III 533, 538-539, 566-567,572-573 Linden, Alfred 1117 Lindner II 226 Linz, E. III 263 Lipp, Carl 1328 List, Wilhelm II 455 Löb, Fritz 143-44 Lohr, Alexander III 355 User, Ewald 1123,294; II 403-404,420-421 Lohmann III 563-564, 587, 601, 650 Lohmann, Martin III 531 Lohmeyer II 260 Lorch III 580 Louwes, S. L. III 317 Lucht, Roluf II 130; III 40, 51 Ludendorf£ Erich II 444 Ludwig, Karl-Heinz II 21. 23, 55, 80, 109, 131, 296,333-334, 559; III 32 Ludwig, Waldemar III 415,435,469,472 Lübsen, Georg 1294 Lück, Willy III 539, 573, 582-584, 599 Lüdinghausen, Reinhold v. 157 Lüer, Carl II 103; III 7,319

789 Loschen, Friedrich II 66-67, 71, 130, 164, 172, 554,556; III 7-8,12, 182,659 Lüttichau, Folmer III 328 Lüttwitz, Heinrich Frhr. v. III 669 Lund, Georg III 333 Lundby, Kaj III 330 Lurtz, Siegmar III 470 Lwowski, Walter III 255 Mackensen, Hans-Georg v. III, 404,408, 428, 460461 Madajczyk, Czesiaw 11492,111307 Mahnke III 531 Make. Otto II 103 Mallet, Mireille III 301-304 Malletke, Walter III 320,324-325, 327, 335-336, 341-342 Maltzan, Vollrath Frhr. v. 1187 Malzacher, Hans II 72, 88, 164; III 631, 664 Mann, Wilhelm Rudolf II 403 Mansfeld, Werner I 71, 73-75, 240; II 75-76, 199202, 205-206,250; III 587, 592-593 Manstein (Lewinski), Erich v. II 239,471,474-475 Maravgaki, Eleni III 388 Maravgakis, Georg III 388 Marquardt III 531 Marrenbach, Otto 1235; II 61 Marx, Karl 18; II 248, 263, 539; III XI Masi, Manlio III 426 Mason, T. W. I 52.147 Matsushima, F. III 487 Matthias, Erich II 71 Maulick, Paul 1124 Maurer, Gerhard 11135,37 Mavrakis, N. G. III 373 Mecklin III 473 Medlicott, William N. III 407 Meendsen-Bohlken, Wilhelm 1 125-126; II 75,180 Meier, Max Paul 1295,305 Meinberg, Wilhelm II 226; III 563 Melzer, Rolf II 571 Mencke, Gerhard 11240 Menemencioglu, Numan III 478 Merker, Otto II 134, 148,163,174-175,311; III 51 Merton, Richard II 515 Messerschmitt, Willy III 15-16, 21, 52, 75, 175, 664 Metzner, Viktor III 586-587, 592-593, 601 Meyer II 313 Meyer, Alfred III 43,255,319, 326, 330, 665 Meyer. Aloyse 1295; II 103 Meyer, Otto III 132 Meyer-Burckhardt III 433

790 Meyer (-Hetüng), Konrad II 432-433,435^41, 446-447,450,456,458 Michael, Edgar III 538-539, 575, 587, 591 Michel, Elmar III 233. 337 Mikojan, Anastas III 420-421,444,446 Milch, Erhard I 40-41, 183; II 14, 21-22, 27, 3234, 48, 52, 56-62, 72. 80-83, 124, 177, 182, 235, 248. 253, 265, 272, 339, 341, 402, 513, 553; III 8, 15-18, 20, 23, 29, 32, 38-39, 50, 52. 136, 153, 223-224,226,228 Milward, Alan S. I 128-129, 221, 385; II 46, 56, 108, 113,296,401,493, 514; III 79, 95 Mischke, Lothar 142 Mittag II 104 Mittag, Adolf III 255 Model, Walter III 664-665, 668-669 MOller, Alfred III 601 Moeller, Hero III 157, 588 Mössner, Karl Eugen III 588, 593 Mohr, Otto III 315, 327-328, 340 Moise 1335 Molotow, Wjatscheslaw (eigentlich: Slcijabin) III 444-445,450 Momm. Theodor III 533, 535 Monden, Herbert 1204; II 463.473 Morath, Hans III 439,477,480 Morgenthau, Henry III 530, 565, 609 Moschel, Wilhelm 1349; II 401 Maller II 144 MOller, Erich 1128; II 50,71,122,130, 169, 544 MOller, F. E. III 320 MOller, Friedrich Wilhelm 111364,380,389 Maller, Heinrich II 289 Maller, Heinz III 517 Maller, Karl C. III 273, 275-276,285 Müller, Max C. 1134 Müller, Paul II 71, 130; III 407 Müller, Rolf-Dieter II 450 Müller-Armack, Alfred III 531-532, 540 Müller-Zimmermann, Karl II 85,149, 370; III 531 MOncks, H.E. 111571,598 Muleit, Botho 1250 Murray. Williamson III 86, 164 Mussehl. Fritz II 158, 567 Mussert, Anton Adrian 111309.317-319,343 Mussolini, Benito II 121,141,158; 111231,405406,457,460,488 Mutschmann, Martin I 83 Myrdal, Gunnar III 545, 577, 599 Naasner, Walter III 77 Nagel, Hans II 461 ^»62, 467

Register Nagel, Will II 143; III, 17, 35 Nallinger, Fritz III 567 Napolski, Fritz v. III 570-571 Napp-Zinn III 132-133 Nee£ Hermann II 52,107,201 Nestler, Ludwig II 422 Neubacher, Hermann I 55; II 177, 428, 479, 482483; III 70.355, 369,419,439,442-443,459 Neubaur, Otto III 523 Neuhausen, Franz II 496; III 350,354 Neukirch, Eberhard II 15-16 Neumann. Erich I 37, 74, 181, 224, 231-232, 235, 237,240; II 76-77 Neurath, Konstantin Alexander Frhr. v. II 141 Nickel v. III 441 Nieschlag III 531 Nimtz, Erwin III 318 Nobel, Ernst III 17 Nöll, Albert 1167-68 Nöll von der Nahmer, Robert III 555-557 Nolte, Ernst 1386 Nordhoft Heinrich III 285 Nowacke, Agathe II 274 Nussbaum, Helga II 110 Oberlander, Theodor II 458; III 510 Ohlendorf; Otto II 99. 165-167, 174; III 70, 72, 74, 537-538, 540, 545, 573-575, 578-585, 588-590, 599-600, 602, 646,654 Olk. Friedrich III 563 Olscher, Alfred III 586-587 Oppenheimer, Franz III 549 Opitz, Reinhard II 451 Osenberg. Werner III 201 Oshima, Hiroshi III 2,177 Ostermann, Heinrich 1202 Otte, Carlo III 473 Overdiek 1313 Overy, Richard J. III 108-109 Pabst III 429 Pacyna, Günther II 584 Pätzold, Kurt 11113,249 Painvin, Georges III 528 Palm, Friedrich III 273, 280, 295-297 Palm. Max 1134 Pape, Hans-Martin II 324 Papen, Franz v. III 499-500 Paschke 1304 Passadakis, Ionnis III 365 Paterakis, Manolis III 368 Paulus, Friedrich II 484 Paulus, Gottlieb II 68

Personen Paulus, Nikolaus II 334 Pauwde III 338 Petz, Bertrand III 27 Pétain, Henri Philippe 1229; III 452-453, 564 Petala III SOI Peter, Hans III 518 Petersen, Waldemar II 130,154, 559; III 199 Petit III 338 Petrick, Fritz III 331 Petrov, I. E. 11140,490 Petzina, Dieter 137, 59; II 18 Petzold, Joachim II 444 Peuckert, Rudolf II 608-610, 612 Pfahlmann, Hans 1385; II 190 Pfleiderer, Otto III 560 Philipps, Wilhelm II 335 Pichmann III 582-583 Pietzsch, Albert II 99,101,103, 167, 396; III 519, 554, 559 Pilja III 440 Pleiger, Paul I 51, 116, 133-139, 141-142; II 62, 65. 72, 81. 89, 92-93, 117, 143, 146, 169, 174, 186, 188-189, 191-192, 219, 226, 237, 252, 255, 265, 290, 306-307, 416, 427, 429, 450, 462-463, 465-467, 470-472, 474-475, 519, 530, 541, 547551; III 10, 34,49,120, 122, 249, 252,624, 662, 664 Plessen, Hans v. III 410 Poensgen, Ernst I 15, 28, 50-52, 123, 165, 190, 294-295, 298, 304, 306-314, 323-329, 331-333, 336; II 67, 71-72, 87-89,172, 257,283,320, 363, 413,546; 111111,126 Poensgen, Helmuth 1117-119 Pohl 175 Pohl, Oswald II 221-223,225; III 18, 74, 122,238 Poll, Friedrich v. III 538-539,544,572, 574-575 Pollale, Isidor 155 Porsche, Ferdinand 1128; II 20, 71, 122, 130, 169, 226,335; III 7, 616 Poschmann, A. III 17 Poser, Manfred v. 11160,663-665 Posse, Hans Ernst 174-76,109, 113; II 79 Posthuma, F. E. III 343 Pott, Alfred 1134,204-205; II 89 Predöhl, Andreas 111517,532,538 Prentzel, Alexander Felix 1117-118 Prinari, Marie III 389 Prinaris, Johann N. III 389 Pritzkoleit, Kurt II 383, 535 Probst, G. III 424 Prytz, Fredrik III 331 Psaldalcis, Angelika III 388

791 Pückel III 17 Puhl, Emil II 396; III 426, 515-516, 570, 600, 709, 721,725,730 Purucker, Georg 1180,11151 Puttkammer, Walter III 588, 592 Puvogel III 540 Quandt, GOnther II 524 Quisling, Vidkun III 309,331-334,432 Raabe, Artur III 540 Raabc, Carl II 398 Raabe, Paul 1298, 304, 306, 324,330; II 548 Rachner, Ganther 1235 Radkau, Joachim II 92. 110 Radtke III 441 Raeder, Erich III 361,405, 423, 443 Rafelsberger, Walter II 164; III 523, 535 Rahn, Rudolf II 158-159, 423; III 233-235, 510-511 Rasche, Karl I 58, 237; II 421; III 335-336, 533 Rathenau, Walter 154 Raumer, Friedrich Wilhelm v. III 540 Rauschning, Hermann II 445 Rauter, Hans 111319,321 Razmerita III 501 Rechberg, Arnold 1198 Redieß, Wilhelm III 318,331 -332,341 Reeder, Eggert III 233, 337 Reemtsma, Philipp F. III 533, 586-587 Regul, J. III 539 Reichard, Ernst II 412 Reichenau, Walter v. II 58 Reichert, Jakob Wilhelm I 52, 174, 295, 299, 305, 307-311, 321, 323-327, 332; II 88, 90, 363, 398, 405, 417; III 100, 103, 126, 131, 575, 595,653-654 Reinecke, Hermann II 186, 188 Reinel, Johann III 504 Reinhardt, Fritz I 84,240; II 567 Reinhardt, Hermann II 424 Reinhardt, Klaus 1120,42,47,50 Reinhart, Friedrich II 98, 100 Reithinger, Anton II 426; III 512, 514-517,

335, 523,

301362539,

538-

540, 546, 567, 575-576 Renaud III 593 Renthe-Fink, Cecil v. II 423; III 328, 330, 340, 411,471,510-511 Reusch, Paul I 52, 165; III 111 Reuter, Hans II 144; III 544 Reyss, Hermann I 117, 154; II 394

792 Ribbentrop, Joachim v. II 137, 177, 395, 408, 423, 491; III 231, 239, 408^09, 415, 427, 429, 443, 450,461,472,480,494, 503, 510 Riccardi, Raffaelo III 408,428,461 Richter III 336 Rickhey, Georg II 23,156 Riecke, Hans-Joachim I 234, 240-241, 243-245, 383; II 454, 484, 502, 582, 588, 600-601, 642; 11145,258,630,658 Riedberg, G. III 570-571 Riedel, Matthias II 466 Riedl, Richard II 121, 423, 427-429, 489; III 512514, 516, 553, 566-567, 572, 653, Riehle, Joachim III 725 Riepka, Hellmuth C. II 411 Rigler 174 Rintelen, Emil v. III 510 Ripken III 416, 478-180,485,498 Rischka, Kurt v. III 475 Ritter, Gerhard II 17, 52,201; III 34, 145-146 Ritter, Karl I 176; III 428,436,472-478 Rittershausen, Heinrich III 588, 592-593 Röchling, Hermann I 38, 61-62, 116, 165, 190, 199, 295, 298-304, 306-308, 311, 323-324; II 68, 72, 86-93, 103, 117, 169, 283, 363, 365, 442, 465, 519; III 33, 42, 49, 58-59, 201, 643, 664665 Roehnert, Hellmuth 1 122-123; II 72, 85, 396, 526, 548 Röpke, Wilhelm III 549, 553 Roesicke, Gustav II 442 Rösler, Oswald I 58; II 520, 534, 555, 562; III 551,586-587 Roeyvan III 338 Rohdewald, August 1237; II 396; III 523, 533534, 538, 546 Rohland, Walter I 121,128; II 49, 51, 53, 55, 59, 65, 68, 71, 79-80, 88-90, 108-109, 121-122, 142144, 146, 158, 164, 169, 172, 174-175, 236237,253, 261, 264, 334-335, 363, 365, 465, 513, 519, 541, 544; III 10, 32, 34, 38, 42-43, 45, 47, 60, 70, 100,129-133,249,263,657, 663-669 Roosevelt, Franklin Delano II 141; III 422, 599 Rosenberg. Alfred I 201, 238, 240, 244-245; II 276, 285, 419, 427, 432, 446, 449, 452,465, 500; III 317-319, 326, 328,335, 340-342 Rosterg, August 1237 Rost van Tonningen, Meinoud Marinus III 315, 318-325 Rothschild, Robert II 545 Rottenberg, Franz I 55 Rottgardt, Karl III 8 Rudelsdorff II 481

Register Rudorf; Fritz II 149; III 628 Radt von Gollenberg, Kurt Frhr. v. II 469 Ramann, Arthur II 544 Rater, Emst III 404,427,432 Ruhl, Klaus-Jörg III 410,464 Rundstedt, Gerd v. III 59, 89,150,232 Saage, Richard II 108 Saager, Gerhard 1291, 374; II, 149 Saalwächter, Alfred 111361,381 Sabath, Hermann III 425,455,483 Sachs, Otto 11600-601 Salazar, Antonio Oliveira 111411,493 Sarrazin, Otto II 68 Sauckel. Fritz I 55, 83; II 69, 74-79, 96, 125, 198, 202-207, 209-210, 219, 227-229, 232, 234, 238, 240-242, 246, 255-256, 275, 277-278, 609, 614; III 11, 13-14, 22, 29, 31, 41. 45, 49, 58, 68, 76, 225-234, 238-239, 244-248, 281, 592, 633, 639640, 655 Sauer, Hans III 35 Säur, Karl-Otto I 124; II 56, 69, 80, 122, 164, 169, 382, 544; III 7-8, 11, 14-17, 19-22, 26, 30, 32, 43, 50-52, 54, 56, 59, 67, 133, 135, 165, 169, 172-175, 179, 182, 184, 187-189, 192, 194-195, 236, 619,627,666-667 Saxon III 530 Sayn und Wittgenstein, Friedrich Theodor Prinz zu II 429 Scavenius, Erik 111315,327,330,340 SchaaC Wilhelm II 65, 148, 164, 313-314, 316, 335; III 18 Schabet, Ralf III 86 Schacht, Hjalmar 1 14-15, 19, 30, 41-42, 48-50, 52, 55, 61-62, 67, 70-71, 108,151,191, 198; II, 445; III 111, 394, 396,398-400, 549, 583 Schade, Hans II 543 Schaede, Hans-Joachim II 61 Scharowski, Günther III 608 Scheer-Hennings, Rudolf 1124 Scheid, Friedrich II 129; III 12,43 Schell, Adolf v. I 240; II, 53, 62, 64, 66, 283, 313314 Scherpenberg, Albert Hilger van 111415,433,435, 472 Schieber, Walther II 62, 69, 77, 81, 95, 101, 116, 138, 146-147, 155, 159, 164, 169, 173, 307, 320, 466-467, 489, 544; III 12, 34, 51, 69, 202-203, 226, 229,245 Schielin, Irma I 84 Schindler, Max III 48, 59 Schirach, Baidur v. III 512 Schirner, Karl I 237

Personen

Schleier, Rudolf III 526 Schlempp, Walter III 17,28 Schiessmann, Fritz III 665 Schlicht, GOnter II 486 Schlieker, Willy H. II 149, 158, 174-175; III 57, 64, 128, 134 Schlieper, Gustav III 394 Schlotterer, Gustav I 164, 170, 172, 178-184. 191, 235, 240, 245, 248, 290-292, 321-322, 365, 367, 374; II 167,414,417; III 342,423,502, 572 Schmelter, Fritz III 17,27-28,34-35, 240 Schmid, Max III 523, 533, 535 Schmidt, Ernst Wilhelm III 30, 514, 551, 577 Schmidt, Fritz 111317,319-321,341 Schmidt, Matthias II 55, 178; III 3 8 , 4 M 2 , 72-73 Schmidt, ROdiger II 143-144 Schmitt, Heinrich 1302, 304-308 Schmitz, Eduard III 568 Schmitz, Hermann 111547,586-587 Schmitz, Hubert 168 Schmitz, Kurt III 254-255 Schmölders, Günter 111517,522,577 Schneider, Wolfgang III 62 Schnitzler, Georg v. I 61, 163-164, 168, 171-172, 186-187, 193, 206, 211, 250, 289; II 396, 521, 552; III 5,429 Schnitzler, Lilly v. 1163,211 Schnurre, Karl III 328-329, 415, 434, 446, 472473,480,488-489,491,494,496, 505 Schoeller, Philipp v. II 103; III 514, 538-539, 576 Schoen, Ludwig 1299,310 Schoen von Wildeneck, Emst III 602 Schönleben, Eduard 1125-126 Schoorens III 338 Schottky, Walter III 608 Schramm, Percy Ernst II 465 Schreiner II 578 Schröder, Carl v. III 538-539, 575 Schroeder, Kurt Frhr. v. I 7, 52, 134; II 100, 103, 173; III 319 Schubert, Wilhelm 1234,239-240,244 Schale III 531 Schulenburg, Friedrich Werner Graf v. der III 421 Schulte, Eduard 1349 Schultze-Schlutius, Carl-Gisbert I 291, III 426, 490,504 Schulze- Fielitz, Günter II 61, 101, 390; III 160161,664,667 Schumann, Wolfgang II 159,166-167 Scbwandt, Johannes III 605 Schwede, Walter 1203,295 Schweitzer, Arthur 1 3 1 , 4 0 , 4 3 , 4 8 , 386 Schwendemann, Heinrich III 420,422,444,449

793 Schwerin von Krosigk, Lutz Graf 130, 70,72, 383; II 421, 528-530; III 319, 324, 510, 598-599, 635, 648,698,710,716,733 Schwitzkowski III 402 Sedlaczek, Herbert II 103 Seebauer, Georg II 150,164, 301, 518; III 70, 631 Seeber, Eva 11243,289 Seifert, Arnold v. III 475 Seldte, Franz 170-72, 76, 80, 83; II 285 Selzam, Eduartv. 111414,419 Sempell, Oskar II 396 Servais III 338 Seyß-Inquart, Arthur II 177; III 316, 318-319, 321 Siebert, Hubert 1133 Siemens, Carl Friedrich v. I 52; III 111 Siemens, Ernst v. III 608 Siemens, Hermann v. III 547 Simon, Gustav 1329-330 Simons II 408 Sippell, Karl Ernst II 482 Sklavaki, Evangelia Johanna III 383-384 Skrodski, Bernhard II 398; III 586-587, 590-594, 601 Slavescu 111419,442 Söhring, Eduard III 540 Sogemeier, Martin III 664 Sohl, Hans-GOnther II 89, 144, 403; III 133 Solveen, Walter Heinrich II 67 Sommer. Josef III 295 Sommer, Karl II 225; III 286,291 Spaatz, Carl A. III 35 SpUter-Oswald (Oswald, Kurt v.) 1312, 330 Spannagel, Walter 1310 Speer, Albeit I 111, 113-115, 120, 128-130, 142, 184, 385; II 14, 21, 24-25, 44, 49-50, 53-64, 6673, 75-84, 86-89,92-93, 95-97, 99,101, 106-108, 110-113, 116-117, 121-127, 129, 131-135, 139, 142-145, 147-148, 151-152, 154-160, 163, 165178, 196-198, 201-204, 223, 226-227, 229, 231233, 236-237, 240-242, 251-256, 272 296, 300304, 309, 311, 313, 319, 321, 325-326, 328, 334335, 341, 347, 349-350, 355, 363, 365, 371, 382, 386, 409, 416-417, 425^26, 450, 464-466, 470474, 476, 516-519, 522, 541, 544, 549, 551, 556, 559, 601, 608; III 4, 8, 19, 21-24, 26-62, 64-78, 81, 83-84, 86, 89-90, 92-93, 99-100, 103, 111113, 121-122, 125-126, 133, 143-145, 148, 150, 152-153,156,158, 161, 167, 171, 175, 177, 181182, 184, 187-189, 200, 208, 214, 223-224, 236238, 244,246, 248, 258, 268, 274,284,293, 309310, 345-348, 354, 357, 462, 488, 495, 498, 503504, 522, 525-527, 544, 579, 590, 599-600, 613-

794 618, 621-622, 624-625, 627, 629-633, 637, 639. 651, 655-660, 662-669, 714 Speh, Hermann III 17 Sperrle, Hugo II 56 Spitzer, Helmut III 250-251,255 Stackelberg, Heinrich v. III 519 Sta£ Cletq van III 317 Stahl. Dietrich II 164; III 285,664 Stahl, Rudolf 129, 78, 99, 116, 133, 160, 189-190, 194; II 115, 257, 403, 528; III 70. 539, 547, 551, 553-555, 559-560, 562, 573, 585-590, 601-602, 604, 654-656 Stalin, Josef W. (eigentlich: Dschugaschwili) III 421-422,443-444,446 Stamm, Oskar II 130 Stapf; Otto 11462,483,488 Steck II 461 Steengracht von Moyland, Gustav Adolf III 330 Steinbruck, Otto I 133-134, 136, 294-295, 297298, 300-301, 304, 306, 325, 330; II 541; III 533,664 Steinmann, G. III 650 Steinwarz, Herbert II 305 Stellwaag, Alfred 1185 Stemberg, Fritz I 33; III 549 Sthyr, Knud S. III 328-329 Stieler von Heydekampfc Gerhard II 94, 130; III 7 Stinnes, Edmund 1198 Stinnes, Hugo I 54, 198; II 482; III 336, 533-534 Stobbe-Dethleffsen, Carl III 31-32 Stock, Jürgen III 479 Stoeger III 443 Stöhr, Werner II 103 Stöhr, Willi III 664 Stoffregen, Heinrich III 17, 531 Storck, Walter III 506 Staren, Finn Sofiis III 331-334 Streit, Christian II 186,190,221, 277 Stresemann, Gustav II 442 Strohm, Gustav 1176 Strubberg. Ferdinand I 56 Stnibe, JensJuhl II 103 Strass, Ernst II 220, 552-553 Stuckart, Wilhelm I 81; III 633 Stud, Erich 1126; III 221229 Student, Kurt III 361 Stuebel, Heinrich 114, 31 StOlpnagel, Karl Heinrich v. III 229 Sudeck, Halvor III 529 Sandermann, Helmut III 111 Süflkind-Schwendi, Alexander Frhr. v. III 417, 498-499

Register Syrup, Friedrich 174-75, 80, 106, 109, 234, 240; II 75, 188-189,199-200,285 Szpilfogel, Maurycy 1193 Sztojay, D0me III 237 Tank, Kurt III 175, 231 Tannenberg, III 470 Tanner, Väinö Alfred III 415 Taidieu, Andri 1271 Tarot III 336 Tassinari III 428 Taylor, A. J. P. 117 Tempelhoff, Friedrich v. II 158 Tengelmann, Emst 1133,136 Tengelmann, Walter II 413,463-464; III 249 Tengelmann, Wilhelm 1134; II 270,286, 428, 458, 463; III 252 Terboven, Josef 1298; II 402; III 331-332,334 Terhaar, Jost 1164,289 ter Meer, Fritz II 220, 226, 349 Tgahrt, Erich I 123, 125, 294, 301-305, 307-308, 311,321,323-331,335 Thadden, Eberhard v. III 239 Thalheim, Karl C. III 584, 586, 588 Thiel, Reinhold II 103 Thierack, Otto Georg II 223; III 236 Thode, Hans II 409; III 342 Thomale, Wolfgang 111664,668 Thomas, Georg I 15, 18, 28, 48, 74, 76, 85, 101102, 105-107, 109-110, 112-119, 126, 130-131, 183, 210, 212-213, 215-219, 221, 230-235, 237, 239-240, 244, 385: II 2-4, 13, 17, 19, 21-22, 2628, 30, 33, 36, 39, 43-44, 46, 48, 52, 57, 61-62, 70, 72, 76, 79-81, 112, 119, 125, 132, 179, 181, 183, 186, 188-189, 197, 297, 384, 477-479, 481484, 487-488,517, 519-520, 548, 567,609 Thomsen, Erich III 315 Thomsen, H. III 439,469,494^95 Thost, H. II 145 Thyssen, August I 54,198, 316 Thyssen, Fritz I 15, 48-52, 62, 155. 198-200; II 541; III 111 Timm, Max III 650 Tischbein III 725 Tito III 353 s. a. Broz-Tito, Josip Tix, Arthur II 65, 71, 85,169,172; III 57 Tobies, Edmund 1133,136 Todt, Fritz I 85,109,118-126,128-132, 183, 218, 385; II 14, 19-23, 25, 27, 31, 35-36, 39,47,4961, 63-64,67,69-71, 73-75, 79-80,104, 108-110, 112, 115-117,129,173, 180-181, 193,196,200, 219, 262,296-300,303, 320-321, 333-334, 513514, 516, 541, 549, 556, 559; III 327, 340

Personen Toepfer, Alfred C. III 509, 533, 535 Töpfer, Bruno III 531 Tomberg, Walter II 32,407, 505; III 245 Topp, Karl II 130 Tosse 1309 Trendelenburg, Emst 1104; III 539 Trcsckow, Henning v. II 455 Treue, Wilhelm 1383; II 108 Trevor-Roper, Hugh Redwald II 445 Tron, Walter II 429 Troosters III 338 Trotha, Ivo Thilo v. III 531, 664 Trfltzschler von Falkenstein, Heinz III 328 Tschiang Kai Shelc 111,485 Udet, Ernst II 12,27,32-33 Uhrig III 292 Ulrich, Franz Heinrich II 429 Ungewitter, Claus 1250-251,290-292 Unnih, Walter v. 11226,567 Varga, Eugen 11294-295 Varga, Läszlö 111237,239 Varvaressos III 439 Veesenmayer, Edmund III 238-239, 544 Veitjens, Joseph III 434 Venianakis, Emm. III 388 Verres, Hans III 224 Vershofen, Wilhelm III 549 Vidakis, Emm. III 390 Villemer III 336 Vitry, Raoul de III 528 Vits, Ernst Hellmuth II 149; III 523, 531, 533 Vögler, Albert I 40, 50, 52, 122, 124, 165, 294, 307-308; II 32-33, 57, 59-61, 63, 67, 71-72, 85, 87, 89, 108-109, 117, 143-144, 146, 158, 172, 177, 237, 279, 283, 300, 347, 541-542, 553; III 3, 33, 42, 45-46, 49, 63, 66, 279, 283, 300, 347, 541-542, 553; III, 3, 33, 42, 45-46, 49, 63, 66, 70, 76, 249-250, 254-255, 258, 263, 547, 630631, 657-658, 665,667-669, Vögler, Eugen II 57,103 Vogelsang II 221-222 Volkmann, Hans-Erich II 108 Vosgerau, Hans Hero 1336 Voss, Wilhelm II 550; III 523, 533-535, 544 Voûte, E.J. III 320 Vuglesang, Rolf Jergen III 332 richtig: Fuglesang Vygen III 69-70 Waeger, Kurt II 70, 146, 164; III 46, 67, 69-70, 122, 229 Wagener, Carl III 669

795 WagenfÄhr, Rolf I 33, 220, 383, 385; II 17, 267, 328-329, 368, 380-382, 386, 389; III 83, 112, 523,526,531 Wagner, Eduard 125,70; II 462 Wagner, Josef 130,72 Wagner, Raimund II 4,48 Wagner, Robert III 665 Waibel, Hermann 1 107, 117-119,156; III 544 Walb, Ernst III 555 Walter 111335,433,466,494 Walter, Hellmuth III 182 Walter, Paul I 133, 135-137, 139-141 Wang Ching Wei III 485 Wangenheim, Hans Frhr. v. 1102 Warlimont, Walter I 183, 230; II 20, 455,481; III 233 Weber III 407 Weber, Max 1385-386 Wegener, Heinz III 17 Weichs, Maximilian v. III 348-349, 353, 359 Weigelt, Kurt 162-63,154, 175-176; II 410, 479 Weiss II 406 Weiß III 254 Weiß III 582 Weiß, Bernhard 1139 Weißbecker, Manfred II 113 Weizsäcker, Ernst Frhr. v. III 315, 327, 408, 415, 429,435,439,462,480 Welker, Johannes W. II 103 Welter, Erich 1383, 385; III 524, 531, 534, 566 Weltzien, Hans 1237 Wenkel, Curd III 533 Wentzel (-Teutschenthal), Cari I 117 Werlin, Jakob II 52-53 Werner, William II 12, 33, 62, 66, 72, 80, 117, 148, 169,514; 11120,51, 137 Werners, Paul 1165,313 Wesemann, Friedrich (Fritz) 1202,295; II 461 Westermann, Hermann v. II 68 Westrick, Gerhard A. III 529-530 Westrick, Ludger I 349; II 32,401; III 523, 533, 535 Wetzel, Erhard II 432-135,437,450,454 Weyres-von Levetzow, Hans-Joachim II 109, 131, 267, 329; III 52 Wiehl, Emil III 335, 404, 408-109, 415-417, 425, 433, 457, 460-461, 465, 470, 473, 478-179, 483, 487,491,498,503-504 Wilhelm, Hans-Heinrich II 440 Wilhelmsen, Nils Erik III 330 Will, Erich II 482-483 Willfort III 35 Willing, Hermann 1305, 314,328

796 Wilmowsky, Tilo Frhr. v. I 55, 163; II 399, 111474-475,511 Wilson, Horace 160 Wingen, Oskar III 410 Winkelmann, Henri Gerhard III 317 Winkhaus, Hermann 1133-134, 294; II 306 Winkler, Max 1326,11415 Winnacker, Erich II 463 Winter de III 338 Wirsing, Giselher II 427 Wisselmann, Heinrich I 133, 135-136, 237; II 417, 548 Wissmann, Karl II 151, 153 Witting, R.J. III 435 Wittke, Wilhelm 1298,304,306 Wittmann, Klaus III 495 Witzeil, Carl 1161-62,72 Witzleben, Wolf-Dietrich v. II 556 Wlassow, Andrej III 649 Wöckener, Hans III 580 Woermann, Emil II 573, 588, 603-605, 626, 642; 111248,538-539,575 Wohlfahrt, Wilhelm II 103, 396 Wohlthat, Helmuth I 60-61; II 228; III 424, 451 Wolf III 273 Wolfes III 582

Register 428;

416-

628, 450-

Wolffc Albert 1171,130,169 Wolft Karl 11221,545 WolfiC Otto 1 154, 322, 325-326, 330,337; III 631 Wolken, Otto II 221 Woitersom, Henri Louis III 320-321 Woizogenv. II 79 Wolzt, Leonhard III 533 Wunderlich, Frieda II 97 Wunsch II 144 Wurster, Carl II 103 Zangen, Wilhelm I 52-53, 121-126, 139, 165, 178, 191, 294, 300; II 47-48, 51, 55. 59-63, 65, 67, 71-73, 89-91, 95, 102, 108-109, 113, 115-117, 131, 163, 172, 200, 229-230, 307, 318-320, 399, 399, 403, 413, 424, 426, 567; III 70, 474-475, 547, 563-564,585-587 Zeitzier, Kurt II 119,177,309, 326,476 Zerbel, Heinrich III 17, 35 Ziehm, W. 1124 Zinßer, Hugo III 610 Zitzewitz-Muttrin, Friedrich Karl v. 1101-102; II 609 Zonev III 441 Zschintzsch, Wilhelm II 103 Zumpe, Lotte II 107,515, 534, 542, 568-569, 572

3. Ortsverzeichnis Von Helma Kaden

Aachen II 103; III 53,63,126, 235 Addis Abeba 1176 Aden III 404 Agios Ioannis III 388 Agram (heute: Zagreb) III 353,457 Aken II 525 Alagni III 383 Albrechtsdorf b. Sorau III 269 Altenberg 1349 Amberg II 186 Amersfoort III 322 Amsterdam 111316,320 Ankara III 428, 440,478,480,498^199 Annam 1313 Ano Archane III 373-375, 379, 388 AnoAssites III 383 Antwerpen III 198, 200. 202

Apscheronskaja II 486 Arkalochori III 390 Armavir II 489 Arnstadt III 608 Aitern II 186 Artois 1324 Athen III 353, 439,459-460 Auboui 1309-310,330,332-333 Augsburg II 260; III 14, 616,623 Auschwitz I 113; II 17, 220-221, 225, 277, 356357, 524-525; III 136, 142, 153, 203, 207, 239, 242, 287 Aussig s. a. Usti 156-57,245 Axioupolis III 356 Bad Darrenberg II 186 Bad Ems/Lahn 111260,265

Ort Bad Nauheim 111609,664 Bad Salzungen III 600 Bad Schachen 11452,458 Bagdad III 439 Baku I 156, 206, 210; II 428, 453, 464, 481, 485; 111323,513 Baltoje Voice III 326 BaranoviCi III 333-334 Baranovka III 323 Baranów III 150 Barth III 285 Basdorf III, 278 Basel 1260,289 Basra III 439 Batumi 11407,481 Bautzen III 242 Bayreuth III 548 601 Beauvais 1231-232 Belgrad 111353,440 Berchtesgaden 1213; III 33, 76 Berlin I 37, 39, 51, 72, 156, 258, 312, 327, 349; II 58, 99, 103, 142, 160,163, 201, 337, 425; III 29, 133, 185, 238, 248, 266-267, 269-272, 275, 280, 282-283, 287, 290, 298-299, 304, 327-328, 333, 335, 362, 406, 410, 415, 425-426, 433-134, 444445, 457,460,469, 478, 481, 490,496, 503, 527, 548, 568, 599-601, 604, 608-610, 620-621, 623, 631, 645,651.664-665, 676, 725 Berlin-Borsigwalde III 178, 269 Berlin-Friedenau III 277 Berlin-Hakenfelde III 286 Berlin-Johannisthal III 277 Berlin-Karlshorst III 507 Berlin-Lichterfelde-SQd III 276 Berlin-Marienfelde II 310, 337; III 15, 178, 202, 272-273,275,277,290 Berlin-Neukölln III 277 Bertin-Niederschöneweide III 277 Berlin-Oberschöneweide III 277 Berlin-Oberspree III 287 Berlin-Reinickendorf III 269 Berlin-Rudow III 269 Berlin-Schöneberg III 277 Berlin-Schönefeld III 241.267,287 Berlin-Spandau III 178 Berlin-Tegel III 270 Bcrlin-Tempelhof III 269 Berlin-Weißensee III 269 Berlin-Zehlendorf III 270 Bern 111457,505-507,564 Bernau III 660 Berrenrath III 160 Biatystok III 724

797 Biarritz III 430 Bielefeld II 103; III 125,235,621 Birkenwerder III 275 Bitterfeld 1349; II 525 Blankenburg/Harz II 311; III 599 Blechhammer III 136, 142-143 Bobrujsk III 48 Bochum 1123; III 125 Bockum-Hövel III 257 Böhlen III 32, 136, 141-143, 161 Bomst Krs.Züllichau III 269-270 Bor I 166 Bordeaux 1152,221 Bottschow III 269 Brandenburg 111267,276-278,282,299 Brandenburg-Görden III 290 Braunschweig II 103, 314; III 14, 90, 178, 277, 607 Bremen III 269-270,620-621, 647 Breslau 1 170, 204, 349; II 76; III 91,197,609,620 Bretton Woods III 564, 577, 734 Brieg III 616 Briey 1 174, 331; II 399 Broken Hill 1166, 348 Brügge III 338 Brünn III 178 Brüssel 1 164,336 Brüx II 16; III 32, 36,135-136, 142-143 Buchenwald II 156; III 200,242 Budapest III 239,242,457,480, 502 Bukarest II 482; III 53, 419,439,442,457 Caen 1316; III 48 Calais III 198 Cannes III 53 Cannstadt III 14,274 Casablanca II 141; III 86,308 Celjabinsk II 407 Celkar II 407 Cham III 198 Champigneulles 1309 Chania III 383 Char'kov 11 162,471,474,490 Chemnitz II 152; III 621 Chemnitz-Siegmar III 178,242 Cherbourg III 48 Cherzon II 482,489; III 335 Öiatura II 494 Constanta III 439 Cottbus III 267,269-270,282-283,299 Dakar III 484 Danzig 1156; II 217

798 Darmstadt III 58 Den Haag III 200, 316, 320,414,419 Dessau III 288 Deutsch-Brod III 149 Diedenhofen 1309-310,323 Differdingen 1295, 298, 308-310,312, 332 Dillingen 1304,330 Dinant III 613 Dneprodzerlinsk (Kamenskoje) II 468 Dnepropetrovsk II 460,462,468,47M72; III 1 Döberitz II 524; III 275 Domokös III 356 Donawitz III 134 Dortmund I 295, 320, 328; III 31, 65, 249, 255, 257,260,649,665 Dortmund-Hörde II 194 Dresden I 56; II 289,313; III 242 609,620 Dubnica III 610 DQnkirchen 1212; II 119 Daren III 235 Düsseldorf I 123, 294, 300; III 235, 604, 620, 665, 700 Düsseldorf-Derendorf III 125 Duisburg 1193; II 103; III 123, 235 Duisburg-Huckingen III 255 Dyhernfurth II 523-524; III 207 Ebensee III 149,240 Eberswalde III 277 Eisenach II 186 Eisleben 198 Embaros III 374 Enakievo (Rykovo) II 468 Erewan 1206; II 407 Erfurt III 609-610 Erkelenz III 235 Erkenschwick III 257-258 Erkner III, 272, 274-275 Esch III 272 Espenhain-Molbis III 161 Essen I 123; II 103 , 141, 250; III 49, 125, 136, 160-161,224,235,244, 249, 255, 665 Essen-Kettwig III 631 Eupen III 235 Falkenau 156-57 Falkenhagen II 523-524; III 207, 267,272-273 Falkensee II 335; III 178,200,267 Fallersleben III 198 Finsterwalde III 269 Flensburg III 600 Flossenbürg III 242 Forst/Lausitz III 269

Register Frankfurt/Main 1187; III 64,610 Frankfurt/Oder III 268, 270-273, 275, 278, 280, 282-284,287 Friedrichshafen III 22, 178, 200 Frimmersdorf III 161 Fröndenberg III 257-258 Fürstenberg/O. 111270,285 Fürsten walde 111267,278,285 Fürth III 601 Gassen III 267,270, 283,614 Geislingen III 241 Gelsenberg III 36, 135-136, 141-143, 151 Gelsenkirchen III 235 Gendorf 11523-524; III 207 Genshagen III 242-247,267,272-273,275-277, 280, 285,287-290,292, 610 Genshagen/Ludwigsfelde III 267, 272, 287, 300305 Genthin III 286 Genua 111405,410 Gera III 601 Gerolstein III 235 Gersthofen/Bayern III 158 Gießen III 235 Gleiwitz III 224 Godbrange 1309 Göteborg III 437 Goldap III 235 Goldenberg III 160 Golssen III 283 Gomel II 139 Gorcy 1309,329,332 Gorki III 33 Goslar 1349 Gotenhafen III 614 Gotha III 14 Grafenwöhr II 459 Gravenhorst III 125 Grodno 111334,724 Gröditz II 277 Grosny s. a. Groznyj II 481, 485 Großbeeren 111277,289 Groß-Rosen III 242 Groznyj s. a. Grosny II 478, 481, 486 Grüneberg III 287 Guben 111271,283,287 Gütersloh III 125 Gumbinnen III 235 Hagen III 269 Hagendingen I 303-304, 309-311, 323, 330, 332333

Ort Haifa III 404 Halle II 186,250; III 2 4 8 , 6 2 1 , 6 2 3 Hamburg II 144, 163; III 410, 506, 600, 609-610, 620,631 Hamm III 6 3 , 1 2 3 , 1 2 5 Hannover II 103,271, 520; III 125, 178, 620 Harburg III 90 Hattingen 111 161,257-258 Hayingen 1 1 9 5 , 3 0 9 . 3 3 0 Heidelberg III 29, 617, 631, 664-665 Helsingfors III 415 Helsinki III 415,434-435,457,472-474 Hennigsdorf III 2 6 7 , 2 7 8 , 2 8 2 , 2 8 4 , 2 8 7 Heraklion s. Iraklion Herne III 253, 257-258,262 Hersbruck III610 Heydebreck II 525; III 136. 141-142,153,156 Hildesheim II 215; III 610 Hirtenberg 155 Hochwalde b. Meseritz III 272-273,293 HOllriegelskreuth/Bayern III 158 Hof III 608 Hohenlehen 11129,38 Hohen saaten III 275 Homécourt 1 3 0 9 - 3 1 0 , 3 1 3 , 3 2 3 , 3 3 0 , 3 3 3 , 3 3 6 - 3 3 7 Horgau III 169 Hüls I 23; II 141, 356-357, 523-525 ; III 87, 151152 Hussigny 1 3 0 9 , 3 3 0 Ia$i 11153,346 Ilmenau III 601 Insterburg III 235 Iraklion III 376, 389 Istanbul 111439,564, Jalta III 597 Jena 1 3 4 2 ; II 141 Joeuf 1 3 0 9 , 3 3 2 , 3 3 6 Kairo II 410 Kaiseroda II 186 Kaiserslautern III 620 Kalessa III 391 Kamares III 390 Kamen III 249 Karaganda II 435 Karlsruhe III 6 4 . 6 2 0 Kasan' 1 2 0 6 Kassel II 337; III 64,178-179,198, 242, 288, 620 Kassel-Bettenhausen II 281 KatoArchane III 379 Kato Assîtes III 383

799 Kattowitz 1190, 277; III 647 Kauen s. a. Kaunas III 333, 338 Kaufering III 2 Kaunas s. a. Kauen II 436 Kavrochori III 391 Kerü 11 139,474 Kettwig II 143; III 45 Kiel 1 1 3 1 3 , 1 1 1 2 0 2 , 5 2 5 , 6 2 0 Kiev s. a. Kiew II 139, 162, 206, 4 0 0 , 4 3 9 , 4 5 4 ; III 1, 9 , 2 2 4 , 3 2 3 , 3 3 6 - 3 3 7 Kiew s. a. Kiev 1202; II 2 5 , 4 5 6 ; III 326, 336 Kirkuk 11407,485 Kirkwall III 404 Kirov III 331 KiSinev 11153,346 Klaipeda s. a. Memel II 436 Klauswalde III 269 Kleinmachnow III 278 Kleve III 235 Kneuttingen 1309-311, 330, 333 Koblenz III 64, 235, 620-621 Köln II 103; III 64, 123, 125,235,410, 620 Königsberg III 333 Königsberg/Hm. 111269,283 Kolosjoki III 434 Konstantinovka II 4 6 8 , 4 7 4 Konstanz III 600 Kopenhagen III 3 2 7 - 3 2 9 , 4 1 1 , 4 3 3 , 4 5 7 , 471 Korosten II 439 Kottbus III 276 Krakau II 437; III 53, 613 Kramatorsk 11468,474 Krasnodar 11486,488 Krasnyj LuC II 460 Krivoj Rog II 189, 460,468, 470, 475^76; III 1, 346 Krussona III 391 KQstrin 11191,287 Kursk II 121,162, 239,278, 346,473 Kuzneck II 435 LaChiers 1 3 0 9 - 3 1 0 , 3 2 1 - 3 2 2 , 3 2 9 , 3 3 2 Ladbergen III 125 Landsberg/Warthe 111241,266,283 La Roche-de-Rame 1 2 7 0 Lauchhammer III 284 Lauterberg/Harz III 158 Leipzig II 103; III 1 4 , 6 4 , 6 2 1 Leitmeritz 111242,610 Leningrad s. a. Petersburg I 202; II 25, 406, 454456 Leuna III 32-34, 36, 135-136, 139-143, 151, 153, 156, 174

800

Register

Leverkusen 1261; II 357; III 151, 158 Libau (Liepaja) III 324, 328 Liebenau II 216 Liebenwalde III 287 Lille 1324 Linz I 324; III 45-16, 49, 60, 76, 112, 134, 156, 232, 258,620 Lissabon 111432,465,564 Litzmannstadt III 614 Lòdi 1184; III 613 London 160; III 197-198,200,405,431, 451, 453, 484, 576 Longwy I 309-310, 313, 323, 325-326, 329, 331; II 309 Lublin 11437,459 Luckenwalde III 282 Ludwigsfelde s. a. Genshagcn/Ludwigsfelde III 288-290 Ludwigshafen II 103, 356, 525; III 136, 142, 151, 158, 649 Ludwigshafen-Oppau III 136, 142 Lübeck 1295 ; III 90,134, 638 Lüttich 11137,198 Lützkendorf III 32, 136, 141 Lule III 469 Luxemburg II 103; III 37,202

Meseritz III 272-273 Mettenheim III 154 Metz 1336; II 103; III 37, 58,130,631 Micheville 1309-310, 330, 332, 336-337 Minden III 63 Mitrovica III 354 Moers III 235 Moosbierbaum II 525; III 136, 141-142, 156 Monowitz II 220 Montoire 1183 Mont-Saint-Martin 1332 Moskau I 132, 202, 241; II 28-29, 41, 43, 47, 50, 58, 74, 85, 94, 188, 190, 193, 203, 220, 295, 400, 405-407, 410, 438, 454-456, 460, 482, 499, 584; III 33. 308, 332, 415, 420-421, 428, 445-308, 332, 415,420-421,428,446,450 Mostar III 353 Mosul II 485 Moyeuvre 1309 Mahldorffinn 11127,154,610 Mahlheim III 608 München II 103, 272; III 235, 270, 608, 620, 623624,631,652 München-Allach III 169,288, 608, 623 Münster II 143, 289; III 63, 123, 125, 215, 620, 665

Maastricht III 200 Mackatica III 353 Madrid 111410,428,491,564,567 Magdeburg II 16, 103, 250; III 64, 136, 142, 178179, 298, 620,629 Maikop s. a. Majkop II 400,481-482,487,489 Mailand II 141; III 407, 4 2 8 ^ 2 9 Majkop s. a. Maikop II 478,481,486,488-489 Maizières 1309 Makeevka 11468,474 Malgobek II 486 Mallia III 374 Malmedy III 200 Mannheim III 64 Mansfeld I 202 Marienburg III 87, 270, 614 Marseille 111484,722 Mariupol'(Zdanov) 11467-468,472,474 Maremme 1260 Maubeuge 1324, 332 Mauthausen III 149, 240 Meiningen III 609-610 Melk III 240

Nancy 1331; III 130 Narva II 139 Narvik III 130, 413-414,436 Neckarelz III 301 Neubrandenburg III 286 Neudamm 111269,283 Neuendorf III 277 Neunkirchen 1310 Neuves-Maisons 1309, 330 New York III 576 Niederlahnstein III 235 Niedersachswerfen II 157; III 147, 149 Nieder-Ullersdorf III 270 Nikopol* II 371, 460, 470, 476, 494-195; III 1, 9, 346 Ni2nedneprovsk II 468 Nordhausen II 156; III 26, 198, 200, 272 Novorossijsk' II 490 Novosibirsk s. a. Nowosibirsk II 407 Nowosibirsk s. a. Novosibirsk II 435 Nürnberg I 36, 41,142, 163; II 194, 221, 246, 289, 350-351, 433, 484; III 32, 38, 60, 178-179, 242, 286, 548-549,623

Memel s. a. Klaipeda III 235 Meran 11129,38 Merseburg II 525

Oberhausen II 291; III 132, 235, 255, 624 Oberrödinghausen III 149

801

Ort Obersalzberg 1 1 5 6 ; III 21, 33-34,47 Obrigheim/Neckar 1 1 1 2 9 , 2 7 2 , 2 9 1 , 2 9 3 , 6 1 0 Odessa II 16,482 Oeningen 1333 Ommen III 322 Oppau 141, 288; III 136, 151,153, 156 Oppeln 111614,616 Oranienburg II 272; III 267, 278,285-287,299 Oranienburg/Sachsenhausen III 304 OrdZonikidze II 486 Orel II 481 Oschersleben III 14 Oslo 111333,473 Osnabrück III 125 Osterode/Harz III 242 Ottawa III 398 Ougrie-Marihaye I 303, 310, 322 Paderborn III 125 Panajia III 390 Paris I 174 295; II 93, 315; III 37, 53, 200, 227, 405, 484, 509, 530, 569 Pas de Calais 1324 Peenemünde II 57, 141,156, 346; III 87, 199-203,

606

Peenemünde-West III 285 Petersburg s. a. Leningrad 1 1 7 4 , 2 4 1 ; II 4 0 0 , 4 5 4 Petsamo III 346,435-436 Pirmasens III 134 Plauen III 178 Pleskau III 326 Ploiejti III 33 Pölitz II 16, 306, 525; III 33, 36, 135-136, 141, 149, 174,625 Pompey 1309-310,330 Pont-4-Mousson 1 3 0 9 - 3 1 0 , 3 3 0 , 3 3 3 Posen II 170, 174, 176, 244, 287, 313, 386, 452, 459, 602,616; III 56,77, 2 7 0 , 6 1 4 Potsdam II 288, ; III 268, 271, 273-276, 280-283, 287, 299-301 Potsdam-Babelsberg III 267, 280 Prag 1 5 7 - 5 8 , 9 2 ; III 608, 631 Premnitz III 266 Prenzlau III 284 Providence 1 3 0 3 , 3 1 0 Preßburg 111457,490 Pskov II 139 Raduäa III 354 Räschen III 283 Rastenburg II 174, 237 Rathenow III 267, 538 Raty 1 3 3 0

Ravensbrück III 242-243,285-287, 291,298, 301, Rechlin II 151; III 46 Regensburg II 272; III 14-15, 87,198, 623 Rehon I 309-310,321, 329, 332, 336-337 Reichenberg III 620 Reisholz III 160-161 Rendsburg III 638 Rethymnon III 369, Rheinhausen III 257-258,261 Riga III 329 Rodingen 1 3 3 0 , 3 3 3 , 3 3 7 Rom II 158; III 1-2, 404, 406-408, 410, 426, 428429, 457,46