Gesammelte Werke 1 : Dichtungen - Dramatische Dichtungen

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KARL WOLFS KEHL GESAMMELTE WERKE

ERSTER BAND

Dichtungen

Dramatische Dichtungen

Claassen 1960

Herausgegeben von Margot Ruben und Claus Victor Bock

DICHTUNGEN

Gesammelte Dichtungen An Stefan George

N Ä NI E N GESÄNGE

ERINNERUNGEN

HYMNEN UND GESICHTE

DIE DUMPFEN LIEDER/ NIRWANA

AN DEN ALTEN WASSERN

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Dichtungen

NÄNIEN

UNSREM TOTEN BRUDER

In deinem dunklen haar ein kranz, So schwer geflochten so wirr und schwer, Ohn anfang, quillend schwül und trübe: Dein murmelnd leben rankt um deine stirne Und kost und flüstert mit den roten wunden Die immer brennen, nie vernarben wollen. Du ruhst ganz still doch schlummerlos und lächelst. . . Im schatten der nacht die wasser gehen Von schwarzen Strassen flackerts herein Und streift vorbei und glättet deine linnen Und schliesst die wunden und dein kranz erbebt Und deine weisen müden lippen schweigen.

ZARATHUSTRA

Stumm throntest du am torweg jalire jalire, An dir vorbei lief leiden tust und lärm, Am torweg drinn du mit dem zwerg geflüstert Ehe du dich entrückt. . . nun sassest du Tief innen dein blick und dein wissen tief innen. Das höchste leben sass reglos und sann Gebannt vom eignen ruhbereiten sehnen. Mein ist die wähl! du wähltest, einsamkeit Hielt dich umfangen - goss ihrem trunkenen Ein stetes abendglühen um die schlafe. Zur flamme lodert nun dein glühn empor Die dich Gebahrten raubend dich uns gibt.

Gesammelte Dichtungen

DER MEISTER UND DER TOD

(Böcklin)

Zu meinem nachen hast du dich gefunden An meinen wassern wartest du verhüllt. Lebt wohl, so blickt dein aug, ihr bunten stunden Die mich erfüllten - die ich ganz erfüllt. Du Reicher du Erlesener im reigen Hörst du ihr wehe? aller gluten hort Willst du dem staunen dich der Untern zeigen? Du lächelst leise bittend: nimm mich fort! Zu deines weiten reiches leztem strande Lass mich hinab - kein schacht ist mir zu tief. Wach war ich wie kein andrer dort im lande So darf ich schlafen fest wie keiner schlief.

N. G.

Wahrlich ihr wäret, himmlische Griechenlands! Im ewigen schauen liebelächelnd trunkenen Euch glänzt ein feiernd beten w’eit die weit. Vom überfliessenden lichte hingewiegt Schwamm euer goldner nachen ob den gründen, Blumengefüllt weinträufend flötentönig. Ihr himmlischen ihr seligen der sonne! Von euren alten malen, den bestaunten, Dringt uns zu sinn und seele leichter rauch. Aus weissen blüten hebt sich ein gedüft Ein schwanker schattentanz sät silbersterne, Nektargelezte ätherzarte schaaren Grüssen traumklar traumfern in unsern tag.

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Dichtungen

Sie ziehen fremd im fronenden gelärm Die stumm erstandenen die ganz gelösten, Der meister fremd der sinnend sie beschwor Versunkener Hellas nachgeborner sohn. Pygmalion Pygmalion! auch wir Die wir das wunder frommer inbrunst sehn Wir dürfen nur zu kurzer totenwacht Die urne gramvoll rastend dir bekränzen. Denn deines lebens zitternde abendspur Ist unser weg nicht, ruhe du im hain! Der erde rote gluten brechen aus Ein uralt neu geschlecht von gott-dämonen Rollt seine donner über uns, blutqualm Schwält aus den höhlen auf in flackernde nacht Die von gebärens wehen schwer erstöhnt. In rausches reigen schlürfen wir das dunkel: Doch unser dankgedenken ehrt dich ewig Der ein elysisch schaun uns noch gegönnt.

Gesammelte Dichtungen

GESÄNGE

ZUM klaren berg der blauen Seligkeiten Vergessene müde pilger schreiten, Die pforte schloss, sie pochen pochen. Verlorner töne himmlisch sehnend schweifen Schlingt sich um sie in elfenzauberreifen Sie pochen pochen.

An ihrem leihe fremde gluten rinnen Der berg der Seligkeiten strahlet innen Sie aber pochen pochen . . .

DES SCHWANES SANG

Brandet im lezten schlage ihr purpurwogen, Müder schwingen lüftekosen wich. Sie trogen trogen Auch mein träumen blich.

Du weisses Licht, ihr sehnsuchtblassen rinnen Die durch den äther sickern auf die tale, Mit schneeigem linnen Hüllt mir die male! Ihr dunklen gärten gegürtet von welken mauern Mit leisem schlummersange fächelt o fächelt! Scheuchet o scheuchet des nächtigen Fürsten trauern, Dass er mir lächelt . . .

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Dichtungen

DIES WAR DAS ZIEL?

Welcher ferne eherne torc springen? Keine träume - du kennst sie - trennen die riegel. Trotzige recken rasen und Schilde klingen, Rote feuer strömen aus dunkelem tiegel, Locken leuchten im tau der morgenstrahlen Goldene locken gezäumt von seidenen vliesen, Widderhörner jubeln und tuhen prahlen Köstliche steine hangen in dumpfen Verliesen.

Ernst und flehend genaht auf blumigen pfaden Bieten sic dir die kröne, die herrenspangc. Aller lande gehäufte garben laden . . . Aber du neigest die stirn und lächelst lange.

DAS OPFER

In schwerer schale rauchende brande Duften schwellend am altar, Betend ring ich betend die hände, Meine seele bring ich dar.

Wo im golde die büsser singen Blüht sie und lohet zum heiligen preis. Seele seele ich darf dich bringen Küssen das dornengekrönte reis. Meine seele, im opferklange Schimmert der weihen verheissenes gut, Glanz gebäre, glanz empfange, Jubelnd stirb in himmlischer glut.

Gesammelte Dichtungen

AN MEINE LAUTE

Aus sternengold in heiliger nacht geschlagen, ]\Iit späten kränzen träumerisch geziert Genezt mit tiefem duft betaut von klagen Birgst du die wunder die der tag verliert.

In keuschem harren heimlich buntem spriessen Ruht leben dort und tod in wirrem bund: Die herrin träumt im rebengrünen rund Verderbens blumen blaun im qualm der wiesen. Erlösen darf ich deiner seele schwingen Der unsre sonne glanz und klang verliehn, Hör ich nicht schon das leise liebe singen Vom weissen säulenhof herüber ziehn?

I) IE E R L Ö S U N G

Am sklavenherde muss die glut ermatten, Im zähen moder strauchelte und glitt Der zage fuss der einst zur kuppe schritt, Gesenkt das haupt in schlimmer schwellen schatten.

Die band die keine rosenbande litt Lässt sich in ehrneni fron der schwestcr gatten, Die weissen zelter weiden auf den matten Da nimmer sie zum sieg der könig ritt. Die saiten gar vergassen ihre lieder Sie beben ohne laut - gelöst der bann, Die fessel fällt, der trübe spuk zerrann.

In heiliger stille er die huld gewann Die gnade die kein flehn erringen kann. Die lande grüssen ihren fürsten wieder.

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Dich tungen

WEISSE HÄNDE

Über den sprossen tanzen die winde, Seliges suchen huschet im hain, Weisse hände locken so linde, Offnen den wunder bergenden schrein: Weisse hände weisse hände

Die sich wie falter im blauen wiegen Schillernde wünsche hascht ihr in hast, Schleier und hülle weicht euerm schmiegen, Lachende wimpel hisst ihr am mast Zitternd und stolz erfüllt ihr die gnaden, Rufet die göttin von heimlicher bucht, Strahlend schon reifet an lichten gestaden Goldenen zaubers gehütete frucht: Weisse hände weisse hände.

BLONDEL

I

In meinen saiten zaget Die ungewohnte süsse, Mit lichter chöre stimmen Durchbeben - fernes glimmen Die jungen liebcsgrüsse Den tag der neu mir taget.

Dürft ich so ganz erraten Ihr Guten eure gnade ? In fernen zaubersälen Sollt ich geschmeide wählen, Mir klafft die goldene lade, Mir reift die Saat der Saaten.

Gesammelte Dichtungen

Zur ernte darf ich rüsten In lichten träumen hegen Die reiche pracht der garben In reinsten himmelsfarben Prangt meines suchens segen An meiner heimat küsten.

ii Im blau erschimmernden gewande Schmiege dich in der barke rund Im grünen sund.

Kein wehen mehr, die satten lande Erschlummerten im reinen licht Das dich umflicht

Und mich dir gattet - blumenbande Schon winkt das ufer dich heran, Weiche mein kahn.

in Weisse weisse blüten tauen Lenz und lied, Lauten laden, hehre frauen Sehnend von dem söller schauen, Lied und lenz. Müde müde glieder beben, Lied und leid, Von dem söller schwalben schweben, Bergen ferne sich in reben, Leid und lied.

Schwarze schwarze linnen laben, Lust und lied, Schöner frauen stolzer knaben Schlanke hände ihn begraben Lied und lust.

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Dichtungen

ERINNERUNGEN

ERINNERUNGEN

Wo sich die späten reigen runden Im klaren saale fiel der tau, Wo sich die späten reigen runden Aus schwülen sonnenschwülen stunden Quoll kühlend das ersehnte blau. Die tagesmüden schatten steigen Erzitternd im geborgten glanz, Die tagesmüden schatten steigen Die lebensroten lieder schweigen Die königin befiehlt den tanz.

Ihr naht in zagen und in klagen, Geflohn aus trüben traumes rast, Ihr naht in zagen und in klagen Aus purpurbächen elfenhagen In des gedenkens banger hast.

Von lichter stirne glitten schleier, Ein lächeln lauscht, ein scheiden bebt, Von lichter stirne glitten schleier In mattem schein erstrahlt die feier Die ihr aus duft und welken webt.

CORONA I

Blau in düften blau in weiten Unsrer seelen opferbrand,

Gesammelte Dichtungen

Bräutlich die vereinten schreiten Durch das morgengoldne land Bis der weit gedehnte gassen Dänimerschön herüber wehn, Bis im dunklen glanz die blassen All die blassen blumen stehn. ii

In deinen äugen schwammen die weiten, Im roten wallen wiegte sich glanz, Im wehen schwoll der duft der Zeiten, Vom altar hoben wir den kranz. Wie zittern milde die fernen strahlen! Dem schweigen lauschet, dem schweigen lauscht! Zum grossen opfergruss im fahlen Dämmer der stille banner rauscht. . . III

Sie war ja tot, sie rief mir heute In grau und düster ganz gehüllt, Von goldener grabesglocken geläute War rings die schwere lüft erfüllt. Komm komm, der riegel fiel vom tore, Sie war ja tot, so klar die bahn, Der nachtwind dehnt sich dumpf im rohre, Im weissen schein die toten nahn. Ach wie die blassen lippen kosen: »Weisst du noch ... an der firne rand . . . Komm komm, die mutter harrt mit rosen«

Vom raine lief der glanz zu tale Im bache trieb ein rotes band . . . Ich knie am weissen totenmale.

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Dichtungen

IV

Mir war so bang und wie ein wehes raunen Glitt leise durchs gemach der dolden hauch, Zitternd entsandt vom weissen fliederstrauch, Und in mir wuchs ein staunen

Ein grosses staunen das mit bleichen lippen Die stirne küsste die der duft umspült Wie wellenschaum die nachtgehüllten klippen Mit todeskühle kühlt.

»Aus deinem bunten haus ist sie gegangen Erschlummre nimmer da die milde schied« Das bleiche küssen streifte meine wangen Als wie ein leztes lied. v

So stehst du da, ganz ohne klagen, Ganz stille, immer schwieg dein mund. Zu vieles hattest du zu sagen Ich kann dein schweigen nicht ertragen D u bildnis was verschweigt dein mund?

Du warst das licht das eine reine Ich trug dich meiner bahn voraus Den trüben pfad mit weichem scheine Lind mir zu lösen . . . und ich weine: Ich löschte selbst das licht mir aus. Zu vieles hattest du zu sagen Mein äuge zittert. . . bleiches bild Verboten bist du meinen tagen Nur meine nächte dürfen wagen Dich zu begrüssen, bleiches bild.

Gesammelte Dichtungen

VI

Verboten bildnis deine blicke bluten Die lippen blichen die erhörung warben Deiner flechten rollende fluten Nie gedämmte, deine flechten starben. Verboten bildnis aus beglänztem tale Zu müdem grusse mit beringter rechte Neigest die flutende goldene schale Im reigen meiner schwülen mitt ernächte. Berauschte stille, deine kränze sinken, Und unser lächeln, toten ein geleit, Aus früh versiegtem borne will es trinken Im grünen haine unserm lenz geweiht. VII

Des tags geborgte hüllen sanken, Gewaltige nacht, mit purpurranken Hältst du die bebenden die frohen, Die in des tages lauter flut versanken Die heiligen feuer wieder lohen! O dürft ich eilen euch zu loben! Des tages flammen in mir toben Es fiel die binde der geweihten Die priester sind, da ich genaht, zerstoben Auf dürrem grase muss ich schreiten.

Nur ring und stab dem pilger blieben Dem waller der vom heil vertrieben Doch traut er seines ringes segen: Er führ ins schwarze schloss ihn wo die sieben Jungfraun die tote herrin hegen.

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Dichtungen

VIII

Ich stehe stumm im düstern gewölbe Das träumende Zwielicht lüftet die schleier Vom brausen der ferne, herüber in bunter Schwärmender feier schwingt und prangt Euer reigen ihr tage der mich bekränzt Mit dir bekränzt, ich grüss euch alle, D en schwellenden tag in der sonneninsel Den tag am wasser der schweigenden feier Den tag der im gold bleich schwimmenden liebe. Schüttet ihr tage aus euren krönen Gluten herüber, purpurne funken Tanzende, dass ich vom berge wieder Wie einst - o weisst du - das opfer zünde, Spendet ihr, ich bin müde müde Weisst du noch einst - ich stehe stumm.

ix Du weisst es, keine Zeichen irrten Wir schieden unsern heiligen bund. Nachtvögel unser haupt umschwirrten. Da wir der trennung rosse schirrten Log unserm herzen unser mund. Wir haben uns zurückgefunden Im herbstlaub, wie’s in flammen steht! Vom höchsten Schicksal überwunden Sind wir ob aller zeit verbunden Noch eh das fest zu enden geht.

ULAIS

I

Vom bösen bäume flüstertest du heute In dessen schweigen weisse scheinen kauern, Den schläfer küssend in geheimen schauern Den nimmermehr die neue sonne freute.

Gesammelte Dichtungen

Mit der entthronten stummem höhnen Sieht er die reigen sich am bach verteilen, Sein leben zittert in gebrochnen tönen Sein fuss will fürder und muss weilen. Aus seinen locken sinken schwarze sterne Ein grosses büssen faltet ihm die hände Dem blick erstrahlt in nie ereilter ferne Das eden, da er die genesung fände.

n Sie schwebt im blau des morgenwindes Im zweifellicht von tag und nacht, Im aug das lächeln eines kindes Dem eine kröne sie gebracht. Von ihren lippen fliesst ein schweigen In schwerer falten heiligem chor. Der sich die lilien schauernd neigen Die rote rose sich erkor.

in Ihren sitz umflossen die roten reigen Über den wassern wiegt sich ihr blick In die wiesen schmiegte sich ihr schweigen Draus die kleinen goldenen engel steigen.

Aber die reigen der dienenden hehren frauen Flüstern, vom blassen hauche der nacht geschreckt Der das schwere leben der tiefe weckt. Scheu zum monde die goldenen engel schauen. Ihre blicke taumeln und schwarze klänge Wogen zum rande der wiese, der herrin thron Wankt und den reigen welken die blumengehänge. Ferne vertonen der goldenen engel sänge.

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Dichtungen

IV

Verträumter wünsche ränke Glimmen um ihr zögernd leben, Dass sie vom weine tränke Eh noch die frist gegeben, Dass sie sänke sänke Durch blüten vom dämmernden grün gewiegt In ewig regem schweben Zum weissen teich der nacht Der tot vor leben liegt, Indes die weich gerührten wipfel sacht Das lied vom werden weben.

v Du hast ins leben stumm gesehn Mit deinen blicken die vergehn In denen alle weiten schäumen In denen alle lenze träumen Vom auferstehn. Wer mag den frühling dir befrein? Wer wird der weiterloser sein? Bings licht und hall in den geländen Schwer ruht dein haupt in deinen händen, Ewig allein.

vi GEBET

Dass du stürbest Im waldgeflüster Wo durch die buchen Der wind sich drängt, Wo schimmerndes grün und schimmernde lieder Schmeichelnd den faltigen fels bekränzen Dass du stürbest!

Gesammelte Dichtungen

Siehe die blüte Die fruchtverheissende Siehe ein schrein Drin kleinode scheinen Siehe ein türm Drin könige bangen: Ein grosses harren War bis heute dein heil Und deine schritte nimmer im staube.

Aber ein dräuen wandelt herauf Und deine tage Sind bald nicht mehr dein, Deine nächte - weh deinen nächten! Weh dir Ulais! Siehe dein leben Wankt und zittert und nimmer in glut Wird sich dein äuge wandelnd verklären, Schauen durftest du Nimmer erfassen Keinem himmel reifen Deine tiefen schlummernden wunder -

Wissend macht uns dein wunder blick Ahnen liess dich dein loos, Aber nimmer Naht der flammende Der dich löse da er dich bindet Der dich huldigend zwänge Nimmer. Entsagen heisse dein stolz . . . Ehe du siechest in dumpfem verdämmern Stirb o stirb vor allem erfüllen Stirb o stirb, dein leben lösche Wie der fackelbrand im weine versprüht.

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Dichtungen

HYMNEN UND GESICHTE

OSIRIS

Strenger Gott mit segen träufelnden händen Ährenzeugender Flutenherr, wir spenden Schalen und düfte aus fernen schönen geländen. Halt uns Fürst mit den lebengebenden händen. Sieh wir dürsten o Herrscher sieh wir darben, Brennende gluten würgen und Gele starben, Alle trauern wir bang in des todes färben Hilf o Mächtiger gnädig, sieh wir darben.

Sollen wir frauen dir weihen und lockige knaben? Dein ist ja alles Gütiger was wir haben, Kühlung gewähre und schatten uns zu laben, Dass die mädchen herrlicher blühn und die knaben, Dass nicht dein garten dorre dein tempel falle Dass auf ewig dein goldenes lob erschalle: Wahre dich - oder der tod vernichtet uns alle Wahre dich Herr dass nicht du und dein reich zerfalle.

OPFERKÖNIG

»Dich hat die glut geblendet Die den geweihten gütig küsst. Dir wird kein trunk gespendet Dich sehret irdisches gelüst. Von unsern stufen steige In unserm sänge schweige.«

Gesammelte Dichtungen

Die weissen knaben lieben Den grünen stab zu schirm und wehr. Die stolzen vögel schweben In lichtem reigen uni sie her. Er lauscht am heiligen stamme Er lauscht der opferflamme.

Sie schmiegt sich seinen füssen Die noch zum himniel aufgeloht, Mit götterschwingen grossen Die aare froh des herrn gebot, Der stab entfällt den bänden Fällt vor den heiligen bränden. >Muss euch die flamme künden Den nahen König armer chor? Bergt euch in tiefsten gründen Denn keiner lebt den ich erkor In blumenfrohen auen Mein neues reich zu schauen.«

ERFÜLLUNG

Goldene tage verhallen - schnitterlieder Segnend schreitet der Meister über gefilde Blaugewandet mit dem blick der milde Mit dem tiefen reichen lächeln der milde.

Hirt und herde lagern auf den matten, Mohnesgluten schlummern in den ähren, Von den halden steigen wehende schatten Weben um die garben tauende Schleier. Heilig erntefroh erbebt das Leben Küsst sich stumm und rüstet sich zur Feier

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Dichtungen

Harrt des Nahenden mit dem blick der milde Kränzet einmal noch die reifen glieder: Blaugewandeter du beugst dich nieder Beugest lächelnd dich zum Leben nieder.

IM DOME

I

Sünderin die Schwestern weinen

- Glomm ein schweben durch die hallen? Blonde Schwester flieht dein fuss ? Birgst dich scheu im dämmerwallen Unserm winken unserm gruss »Meinen mantel fühl ich beben.«

- Stolze stirn dich kühlt die stufe, Sucht dein beten Unsre Frau? »Die in bittrer pein ich rufe Gnädige in strahl und blau Wolle mich zur magd erheben.« - Blonde Schwester, bang im dienen Bang im heischen zagt die hand, Seit das wunder dir erschienen Küssest du das goldne band »Herrin Herrin lass mich leben.« Sünderin die Schwestern weinen.

ii

Zum feierlichen amt geweihte schreiten, Die sänge dröhnen dumpf: »in ewigkeiten Gelobt gelobt. . .« geschmückte kerzen gleiten.

Gesammelte Dichtungen

Der schwarze zug verschleiert in gebeten! Darf Sie im kreis der Schwestern vor dich treten Der lenz und nacht den weissen kranz verwehten?

Darf heut ihr äuge ruhn auf deinen wangen? Der gestern alle nachtigallen sangen Darf sie bei des altares lilien prangen? Im heiligen rauch verhauchen leise schritte, Die Schwestern knien: »erhör der bräute bitte, Ist eine sünderin in unsrer mitte

In glut vertilge sie ...« die dämpfe wallen, Aus goldner weite weht ein lichtes schallen: Die sünderin erheb ich ob euch allen. In grosser liebe durfte sie gesunden Die himmelskrone hält ihr haupt umwunden An ihrem leibe strahlen meine wunden.

ELEUSIS CH

Das Licht verlöscht, die weise Zerrinnt im blauen duft, Gezogen sind die kreise Geborsten gähnt die gruft. Hilf uns Jakchos

D er Meister naht, die ähren Erschauern seinem schritt, Er zieht auf weissen fähren Wie nimmer eine glitt. Heil dir Jakchos

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Dicht ungen

Das Licht verlischt, im tale Versank der lezte stern, Nun lagert euch zum mahle Willkommen ruft dem Herrn Heil dir Jakchos Dem ungelezten schmachten Giesst er der gnade wein, Er naht er naht in prachten Willkommen lasst ihn ein . . . Hilf uns Jakchos!

DITHYRAMBE

Golden und trüb um schwarze gestade Sprüht ihr im rauche sühnender lieder, Wangen schmieget euch heiligem bade, Schwarze gestade Bebt ihr im taumel singender glieder? Täler der stille, banget dem hehren, Heil dir Dionysos ! brich das reis! Bändiger Endiger, wonne der lehren, Jubelt dem hehren Fachet die gluten und schlinget den kreis. Dunkel im brande, ruhen im rasen, Hüllen fallen, Du Bräutlicher werbe, Kränz uns mit küssen! alle genasen, Ruhen im rasen Berget uns flammen, weiss strahlet das erbe!

Gesammelte Dichtungen

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EIN CHOR

Wo bist du wo bist du im tale verloren? Dich suchet die liebe, dich suchet die wut Schläfst du noch hinter den erzenen toren? Aus blut und flammen werde geboren! Wir sind die flammen genährt im blut. Wo bist du wo bist du? dein kommen künde, Der becken gellen lärme dich wach Aus unsern wehen - du heiland der sünde Erhell uns die dunkel triefenden gründe! Wir suchen ohn ende, o werde wach! Jezt... ist es ein brennen sinds ströme der zähren? Es schlingt sich und schäumet den pfad herzu. Die tore klirren . . . blutflammen gebären, Wir mütter begnadet den gott gebären: Dein leib unser leben, vater du!

EPITHALAMIUM

Geschmückte braut birg deine wangen! Die zeit ist voll, der werber naht. Verschleiert musst du ihn empfangen Er löset selbst die goldnen spangen.

Dein gatte naht dich zu umwinden Vernimmst du was der rufer mahnt: In einem andern dich zu finden Auf ewig dich dem herren binden!

Was ehe war bleibt dir verloren Von heute beginnet deine bahn Heut bist geboren und erkoren Zaudre nicht länger an den toren!

oO

Dichtungen

Ein neu geheimnis wird gedeihen Aus wunderbar gestreuter saat: Du musst den leib dem tode weihen Das dunkle leben zu befreien. Die zeit ist voll, der Werber naht.

GLOCKEN

Du stimme des abends, du ruf zum rasten, Der Schnitter vernimmt dich und schweigt und kniet.

Durch reifen getreides getürmte lasten Ein träufelnder segenschauer zieht.

Tiefatmend schlingen frauen die arme, Wandeln langsam übers land

Ins dunkel hinunter, zu lust zum harme, Des todes boten des lebens pfänd.

P H ÄA K EN

Fremder kamst du von den bergen Deren Stirnen silbern schweigen, Schwammst du über weite meere Tanzend mit den blauen reigen: Lass dich von den bunten beeten Grüssen und den süssen reben, Darfst vor unsre götter treten Frei in heitren lauben leben.

Magst um unsre frauen werben Heiss die zögernden umfassen Einsam fremder musst du sterben Unbeweinet uns verlassen.

Gesammelte Dichtungen

ADONIS

Um schlanke glieder schwanken lichte blüten Gebogne ampeln deinen schlummer hüten Ein roter mantel deckt verborgnes grauen, In denen träumerische gluten glühten In deinen äugen schwer vom küss der frauen Die lezten blassen finsternisse tauen.

Vor deiner zier die lieblichen epheben Die greisen büsser müde arme heben Zu deiner bahre dringt kein ruf der schaaren, Nur einen weissen falter seht ihr schweben Er schmiegt sich zitternd deinen weichen haaren Er fächelt und er schmeichelt lind den klaren

Und welkt. Den die Geweihten schweigend loben Adonis schied, die wilden gluten stoben, Adonis wandelt aus den lichten hallen, Den schleier hat er von dem sein gehoben Vom bäum der erde ist die frucht gefallen Zum toten herrn die bangen heere wallen. Im weiten haine wogt das grosse trauern Das wehe stöhnen pocht an weisse mauern Durch alle reihn verhüllte schrecken schleichen In allen häusern schwarze schatten lauern Im opferrauche will die lust erbleichen Vom leben trunken will das leben weichen.

NARCISS

Du aus dem quelle tauchender lieber Siehe dir neig ich - du hebst dich entgegen Wink ich dir - winkest du - flutendes fieber Färbt dir die wange wie rosenregen.

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Dichtungen

Holder geselle in welligem pfühle Lächelst dass du mir gluten entfachet. . . Flehenden leibes zehrende schwüle Berg ich nicht länger - dein leib wie er lachet!

Wie dir die glieder schlank sich dehnen Dürft ich dir näher - dein atem fliegt Zu dir hinab, o drängendes sehnen! Stillt dich die welle die linde wiegt ?

HERODIAS

Den bleichen finger hebt er und lacht im höhne Die toten blicke starren und klagen mich an Sie raunen vom schauernden hain und vom knospenden lohne Von küssen und küssen und schwarzer todesbahn.

Sie raunen und lachen und ob ich die lippen schürze Tief tief im schachte des lebens bettet sich quäl Und ob ich mit schläferndem gusse den becher würze Ins dickicht der träume dringet der richtende strahl. Vernehmet alle, der heilige ward geschlagen Um meines hasses willen verstummte sein mund Um meiner liebe willen liess ich ihn schlagen Um meiner gluten willen erblasste sein mund. In seinen locken schlummerten meine gnaden Licht glänzten die lieben wenn er zur frühe schied Nun wird nimmer sein sehnender sang mich laden Nimmer nimmer harrt er im lauschenden ricd

Aber die blicke drohen . . . wohin ich schreite Flimmert der locken wehende goldene flut Deine arme Segnender Sühnender breite: Dein ist der sieg du Herrlicher! Blut um Blut!

Gesammelte Dichtungen

SEMELE

Am quell der schwüle, tief verschwiegen Gebeugt gebeugt zum blutigen born Am säume des lebens muss ich liegen Verdorrt und lästernd muss ich liegen, Schwer wogt um mich das gelbe körn. Von meinen küssen, irrem tasten Zuckt lialm und ähre, weh und wild Will ich in deinen blicken rasten, Wann wiegst du mich in rausch und rasten? Wann bebt dein kommen durchs gefild? Hülle mich ringendes erfassen Brautfackeln qualmende seid entfacht, In deinem purpur will ich erblassen In rosenflocken will ich erblassen Du tau der Sterne du blut der nacht

Du goldner pfeil aus dumpfer ferne Glanz ist dein nahen, sturm ist dein pfad Erlöser du, wie leb ich gerne! Gewaltiger, wie sterb ich gerne! Herr halte mich. O glut . . . o bad . . .

ARIADNE

Still geht das licht . . . am fernen himmelsbogen Ziehn weisse vögel, leise brausen die wogen Dunkles geschehen wandelt um mich her.

Halt ich ihn nicht den Fäller der mich küsste Den gnaden giessenden - o meine brüste Ihr zittert noch und meine brauen schwer.

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Dichtungen

So warm und süss erglühten mir die glieder . . . Ein junges rauschen weckt die wipfel wieder Das goldne horn klingt übers helle meer

Scheu lockt das wild sich hin zu nahen tränken Rötlich entstrahlt der tau den felsenbänken Um meine seele fliesst ein weicher schein. Nun gährts und dröhnt und grüne funken stieben, Das fest beginnt wo ist mein fürst geblieben? Bereit - o komme - wartet kelch und wein.

Entgürtet wart ich an des reiches toren Wann nahst du seliger zum gott erkoren? Wer zu mir gehet geht ins leben ein. Das goldne horn ... so weit... du willst verklingen In dämpfen schwebt es her, die schatten singen Kein fest beginnt, kein fest, die weit ist leer. PIIÖBUS

Eine strasse baun wir unseren rühme Die am säume der bucht sich weithin windet Immer nächst dem meere dem liebenden Mit den hellen segeln den flimmernden inseln. Durch cypressengeäst und graue oliven Blicke scheu und selten der menschen mühsal Wie ein träum versinkt wie der abendwolke Tieferer schatten am blau vorüberweht. Doch auf unsrer weissgedehnten strasse Dürfe nie das belastete saumtier keuchen, Unsre brüder nur die leichten freien Zielin dahin und grüssen uns und scheiden Und dem schönsten gott in der träufelnden grotte Wo die felsen sich neigen zur wegesmarke Opfern die schönsten sterblichen ihre seele.

Gesammelte Dichtungen

HELIOS

Über alle giebel steigst du auf Strahlender und wir genesen in dir. Von dem tode wollen wir genesen Der aus tiefem erdverliese kriechend Aufs gefild mit dürrem fusse trat Um sich griff mit hagren riesenarmen Der das grauen jagte vor sich her Seines schlimmen kommens schlimmren boten Das in fesseln fühllos uns geschmiedet Ungelöst, unlöslich . . . doch du lösest! Heilig werbender du weisst zu lösen Und dir dehnt sich unser dank entgegen Brauset donnernd unverhülltes jauchzen: Selbst dem tod schwillt unser jubel zu Selbst das grauen schwingt in unserm reigen. P E R S E P H O NIA

Du grüner anger sonnenlos schattenlos Du der unendlichen überfahrt gestade Im matten schimmer deiner duftigen schauer. Gelöschter opferbrände dürrer bäche Du aller brunnen born und ruhestatt: Wie dein golddunkler schlummer lädt und täubt! Irrfernen ihr, sturm du, blutfanfare Ein feuchter frühhauch der herüber fröstelt Und ihr verbleicht und weht und weht wie er Und weht um uns kranzträger dass wir willig Zur wiese abwärts ziehn reglosen zugs, In des gestades wellen uns zu baden In dein verrinnend rauschen uns zu lösen So weit wie du so blumenlos wie du Vom lezten bande frei, ganz eins geworden Mit dir du grüne wiese der gestade Mit dir stumm träumende gebieterin.

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36

d ichtungen

SÜHN-OPFER I

Er kam bekränzt und lächelte so frei Denn seines meisters reiche gnade winkte Mit vielen farbigen Worten, warm im glanz Der jugend wiegt er sich, im herzen lieder, Des sieges sicher den er nicht erstritt Der wie ein lenzeswallen ihn umwarb. Da stob ein rabe jählings ihm vorbei Mit schweren fittichen den kranz berührend Und dunkle tropfen fielen aus der wolke. II

Der meister stand, sein werk erglühte tief Des Gottes fülle sättigte sein äuge Vollendung weitete zum dom die halle . . . In ihre feierstille trat er ein Und hob die hand und bog wie sonst das knie Doch dann den kranz von wirren locken reissend Drückt er ihn auf des bildes reine stirn Dass es erdröhnend schwankt - der sünder flieht Von wahn und wissen bleich - der meister stand. III

Das hatten ihm die Waltenden verkündigt Dass er nun sterben müsse, alle weinten Ob seines fehls und dass er sterben müsse Er wusst es - denn die Seele sang ihm nicht Verhängt und trübe fror ihr goldnes haus Drin sass und starrt einsam die schweigende. Bevor die sieben roten knechte kamen War er schon bleich, und als die sieben kamen Da lächelt er: den toten wollt ihr töten?

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IV

Ein träumender dem morgenblick entgegen Zum lezten reigen wandelnd bog er lässig Die daunenzarten neu entsühnten glieder. Dass er ein opfer auf dem altar dufte Hingebend sich dem strengen richter schenkte Und alle lüfte seine liebe trügen Zu allen landen als ein flötenlied, Das lieh ein selig glänzen seiner stirn Und seine lippen die verzückten beben.

v So klar und kühl im herbstbelaubten hain Aus strahlend weitem raum die winde spielen, Den lächelnden der nimmer ihr gehört Erleuchtet feierlich und mild die sonne So mütterlich ihn hegend wie den knaben Wenn er in scheuer dumpfheit sich verlor Die ahnin sänftigend zur ruhe lenkte. Sein friede dehnt sich eine stille see Und weich auf blauen pfaden in die ferne Mit lichten segeln hin sein leben zieht. DER BÜSSER I

Die nie jung gewesen Die neidend leidend auf die gasse starren Und abends atemlos im dunklen gefieder Des lieblingsvogels wühlend den herzschlag prüfen Und dann ihn küssen eh sie ihn langsam töten Die wähl ich mir zur schaar und geh mit ihnen Durch alle wüsten und in alle städte Und zeige ihnen den tanz und zeige die toten Und aller freuden tiefsten qualenquell Und schenke jedem meiner armen brüder Ein grabscheit und ein steinern brot.

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Dichtungen

II

O dass die wehen gieriger kämen Flackernde die nie zu zähmen, Jauchzende wunden klaffend loht Trinket geisseln, blut ist rot, Gischtet gischtet! ich spüre noch schatten Und bäche spür ich und duft und matten, Nur näher ihr bösen auf gelben pferden Ihr müsst mich zertreten noch schreit ich auf erden Ihr pfeile da bin ich, zum himmel weit Mein mund um schmerzen in schmerzen schreit. III

Ruhe find ich die ich nimmer suchte Klare sterne perlen liebesgrüsse Meine lippen netzet einmal wein Und die flammen und die grauen brüder? Ach die flammen scheinen heilandskerzen Sie beglänzen selig selige. Berge täler schmelzen mir zusammen Warmes blau erglüht vom born der gnade Und es hebt mich und es hüllt mich ein.

UM DIE MUTTER

I

Du harrest auf dem stein in der mittagsglut. Du Mutter harrest und singst das traurige lied Auf dem stein am weg und schauest ins land hinaus. Tränenlos starrest du - wie lange schon Wie lange noch ? die Zeichen wandeln im ring Die Zeiten reichen sich still die hände, Du singst und wartest ohne tröst und hoffen. Denn in der einen nacht da der tempel barst Da sich die erde auf tat neben dir

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Da fiel dein loos dass du einsam harren müsstest Dass deine kinder untreu werden müssten Untreu unselig! ii

Was immer bereitet ist Ob friede ruht Ob das feld wankt im wetterdampfe: Wir entrinnen nicht Der einen not. Uns rollte die todeskugel ins haus Die greisin mit dem roten blick Die uns allen gram ist seit alten tagen Seit ihr sitz verödet, seit ihr lob Unser wehruf erstickte rings im volk: Nun ist unser röcheln ihr Opferrauch Nun würgt sie wen sie geboren. Hl

Wir stehen gereiht Entboten fernher, Zum lezten gericht Die hände verschränkt,

Um die feuerstätte stehn wir gereiht. Und die flammen sind tot Und die asche rinnt, Hebt keiner das haupt noch Führt keiner das wort? Wir wissen im schweigen die flammen sind tot.

Der blutige speer Geht um im runde Uns heillosem heer Die dunkle wunde, Rufest zur Mutter blutiger speer!

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Dichtungen

SCHATTEN-MÄHDER

Es ist kein feld bereitet Die saat ist nicht gediehn Kein heisser Schnitter schreitet Durch wogende Auren hin.

In langen büsserchören Durchziehen sie die Aur, Nicht um ein spät erhören Sie wandeln wandeln nur.

Sie beten nicht ums sterben Die saat ist nicht gediehn All sterben ist erwerben Ein suchen alles Aiehn. Vor ihren blicken breitet Die öde weite bahn: Es ist kein feld bereitet Kein tagwerk ist getan.

GESPENSTER

Scheu blicket ihr um euch, verwehte schaaren Der toten die ewig verweilen müssen Verfemt und heillos dort und hier. Ob alles sich wandelt - ihr wallet weiter. In gewaltigem zuge durch dunkels bann Und nie beglänzt durchzieht ihr den ring So öde so fremd und verloren. Ihr schwebt an den grünenden gründen vorüber Gespenstischer rauch der die saat verdirbt Der nirgends steht und nimmer rastet In eisigem dämmern fröstelt.

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Wer wollte das grässliche loos euch deuten? Kein zauber so stark euch zu bannen zu lösen, Kein zauber so fest vor den giftigen Schwaden Das blühen zu schirmen - und gäb es einen Wer möchte den wagen - wer wüsste den Auf strahlendem sitz der höchsten kuppe In der tiefsten nacht, am lichtesten tag Furchtlos und furchtbar zu sagen?

DAS FEST

Den stein türmt zum blutherd Tränkt ihn mit wein Den jungstier führet gebunden. Zerreisst das gewand zum opfergruss Steht stumm im kreis Bis der springende strahl eure stirn entsühnt Bis die brust euch trieft vom dampfenden quell. Gelöst dann der bann, entbunden der taumel Wie wild er wühlt im nächtlichen gründ! Er schwillt euch ums haupt Mit roter flut ums klingende haupt Nun engt euch kein leib mehr, Ein zuckender ring Versinkt im donner der gluten.

DIE FLAMME

Dort in der weissen wüste steht die flamme, Die ungeschürte flamme lodert hoch Aus fernem herde: kennt ihr die quelle der flamme ? Sie trinkt von allem purpur eures blutes Sie trieft von allen saften, öl und wein. Die schwärzesten nächte voll graun und todesgefunkel Die heissesten mittags-sonnen schmelzen drin

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Dichtungen

In starrer flamme der flamme ohne glut Die ehern steht klar steht in stummer lüft. Es ist kein glanz vor ihrem licht geblieben Das zwingt das lähmt, der gierige totenvogel Wagt nicht die schwinge drüber hin zu tragen: Derweil die weisse wüste wächst und wächst Die grosse grabstatt in die runde rieselt Bis alles weisse grabstatt weisses licht.

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DIE DUMPFEN LIEDER / NIRWANA

AN DEN NACHT WIND

Lasse die wasser zerrinnen, Alten gedenkens flut, Trunken in schwebendes sinnen Wiege mich gut.

Von dem bühle der berge Grüsse kein licht, Nachtwind schweifender ferge Hülle mich dicht

Wiege mich gut vor tage, Harre schwelgende nacht, Jüngling mit goldener wage Halte wacht.

IM BILDE

Von mondestau von schreiten und siegen Und von den heimlichen glocken Die tief ins wundertolle dunkel locken Zittert dein lied verschwiegen.

Doch tagfremd ein flügelnd scheinen Trägt dich ob trüber welle Ins haus der schweigenshelle O heil o weinen.

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Dichtungen

Übers AUGE mir, feucht leer, Streicht der abschied mit kalter hand. Trüb in kühler früh versinkt das land Nur eine biene summt honigschwer Nur ihr leises streifen bleibt wach, Alles stumm alles öd alles fahl. Rinne rinne gut roter bach Trag das müde kind sanft ins tal.

ICH HATTE eine nacht voll gram Voll gram den mir kein morgen nahm. Denn aus der einen schwarzen nacht Bin ich nie mehr emporgewacht.

Die ewig eine dunkle stunde Liegt wie ein sarg auf meinem munde. So dumpf so schwül so schwer die glieder Die ganze nacht liegt auf mir nieder.

zu scheiden weiss ich nicht, Wohl wär es zeit Dass ich das scheiden lerne, Und doch, ich lausche deinem lied so gerne Mein bruder singe nicht! Im heissen erntewind Stehn wir gebannt Vom lodernden gedenken Doch leerer hand - wie wußten wir zu schenken So toll SO blind.

Der lezte tag Weisst du den ersten Da du mich entboten

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In heilige stille höhenfeuer lohten. Singe mein bruder dass ich scheiden mag!

BETEN betend klagen

Am gesunknen thron, Dorngewinde tragen Sei mir lust und lohn! Röter glühn die male Kreise kreise schale Jubelnden gelagen Fern im saale!

Rauschst du nacht in düften Ferner weiterglut ?

Treu ob meinen grüften Wach ich: ruhet gut! Will euch frieden wahren Bleiche stille schaaren, Früh in herben lüften Mit euch fahren . . .

DEN TRAUM sah ich stieben

Er flog durchs hohe haus, Wo ist der träum geblieben? Die lichter loschen aus.

Es hallt so dumpf so trocken Wie grabschollen durchs haus. Dichter fallen die flocken Die lichter loschen aus. Die weite weite leere Wirbt schäum und wirbt schein Dass unsre tote pein Glühend wiederkehre.

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Dich tungen

IN DEN trüben gassen

Braust es und will ins licht, Ist es der reigen Den ich verlassen?

Sind es schwül ende träume Die zum leben ich zwang Zu meinem leben Zu meinem drang? Wärt ihr schatten geblieben An der schwelle der nacht Ihr und ich erwacht Ihr und ich vertrieben!

WEL K E N

Dürft ich durchs schweigende wasser streifen, Gebrochnen augs im schw*arzen nachen Der grossen stille becher greifen, O gab es kein erwachen

Kein harren fragen flammend ringen Kein opfern am entweihten stein Botin mit mohnbetauten schwingen Wann rufst du mich zum reilin?

lauscht er, mohnesgüsse Fliessen auf die weissen glieder, Dass er heute sterben müsse Singen ihm die quellen wieder. bebend

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Von den pinien das rauschen Schwebt heran auf schwarzen schwingen, Weisse mäntel drüben bauschen Und die fernen saiten klingen. Milde lieder, fromme laute Labet ihn mit lindem schatten Streuet rosmarin und raute, Todesblumen um den matten.

Meister eile ihn zu krönen Schlinge ihm die purpurbinde Dass auch um die Stirn dem schönen Eppich sich und flieder winde!

EINZUG

Lastet ihr auf unsern brauen Späte kränze, fahles rot Mahnend lockt des tages grauen Am gestade harrt das boot Säumt ihr bang? die flamme loht.

Zündet sie des firstes sprossen Reift die stolze unser grab, Auf vom lager ihr genossen Weg den keich, zersplittre stab. Hebt die fackeln, gebt geleite! Fürst der fahrten sieh uns nahn Einsam ziehn wir in die weite, Nächtig auf besternter bahn, Starker nimm uns gnädig an.

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Dichtung en

Keines herrn gedungne sklaven Freie bieten ihren arm, Dumpf im niedren zwinger schlafen Knechte, ein geduldiger schwärm. Winkest du uns herr der hürden Lobest die sich froh dir weihn ? Kühn und ledig alter bürden Schreiten wir zur ruhe ein Hüllt uns, Herrlicher, dein hain.

noch kommen da das Eine kam? Die stürme ruhn, sie schlafen bei den sonnen Ich habe wachend deine gift gewonnen O tod, die lächelnd dunkles wirren nahm.

was kann

So lenkt gewissheit eines Schläfers züge Der sich auf unerstiegne zinnen "wagt, D ie firn zu sonnennah für adlerflüge Nie seinem fuss den leichten sieg versagt.

Das sind versunkener Städte Seligkeiten So ragt Vineta ewig unbewegt Von seinen türmen schallt es in die Zeiten Hohn allem wahn der sich begehrend regt. Also dem sinnen seltsam ohne schäm Wie in des späten jahres mittagsscheinen Spiegeln die bunten lüste sich und peinen Was kann noch kommen da das Eine kam?

GRÜSSE dich der naht mit dunklen krügen Der acker dampft ich dürft ihn nimmer pflügen.

ich

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Ich grüsse dich, ich rief dich und ich zage Noch auf der schwelle drängen sich die tage.

Ich grüsse dich, die trügenden zerrinnen Ich lieg und flieg und sinke, bin von hinnen.

mir die lezten glocken Vor mir noch all mein unbebautes land Von keiner ernte weiss noch diese hand Und meines herzens ströme stocken. schon läuten

Ein wehes wehr staut sich zurück Sie bäumen sich vergebens an die wände Kein einziger der ein entrinnen fände Und draussen pocht und lockt das glück. Ich fass dich nicht, mein arm ist schwer Auf immer muss ich deine gaben missen Aus träum und staunen werd ich weggerissen Schon weht es mild und schaurig um mich her.

SIE GEHEN auf den zehen

Und reden leis Dahinter seh ich stehen Den grämlichen greis.

Willst du mich erwarten? Dir komm ich noch lang In deinen grünen garten, Mir ist vor dir bang. Ihr pfühle ihr wände Seid ihr sein gesicht? Da sind seine hände Da löscht er das licht.

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Dichtungen



NOCH halt ich mich am starken stab Ich fühle noch kein wehe Was lockest du geborstnes grab Eh ich den mittag sehe?

Aus deinem wehn ein leiser chor Wiegt mir die seele trunken, Nur noch das eine offne tor Sonst alles weit versunken.

Gesammelte Dichtungen

AN DEN ALTEN WASSERN

PSALM

Errette Herr! der sand im land Häuft sich empor, vom meer der sand Rieselt und rinnt in unsre saat. Zeihest du uns der missetat An deinem haupt an deiner hand? Errett uns Herr, grau rieselt sand. Berg’ uns, der höchste sei dein knecht! Sind unsre opfer dir zu schlecht? Such dir die sühne deiner wert Dir herd und haus dir unser schwert Dein unsrer frauen haargeflecht Ist dir dein volk o Herr zu schlecht?

Verstoss uns nicht! du warst der hirt, Wo bliebst du da wir abgeirrt Wir waren deines schirms gewiss Der fackel in der finsternis, Wann hat dein schild dräuend geklirrt? Fern warst du da wir abgeirrt.

Nun ziehn wir fahl im grauen tal, Hinauf zu dir schwillt unsre quäl, Wir wissen nimmer was geschah Wir wissen unser ende nah Wir rufen Herr zum lezten mal Herr, wie du willst! sieh unsre quäl!

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Dicht ungen

WIR SIND GEWANDERT zum abend nieder,

Auf heissen lippen uralte lieder

Lieder der wüste lieder der meere Lieder der sternen-nacht leuchtende schwere, Wir sangen und sangen vom höchsten hort Der mit uns gewandert zur ferne fort Vom dreimal heilig verheissenden wort.

In allen landen ein angstsieches gasten An allen tagen qualbitteres fasten, Wo ist das erbe du der uns erkoren? In singen und wandern sind wir verloren Nun nicken wir blicken wir heimweh wund Ein lied nur flieht vom bebenden mund Das lied vom ewigen todesbund.

wann find ich r AST ? Unholde lachen Zu mir weht frost vom heissen hang, Im frost der wüste muss ich wachen Der tag war lang Die nacht ist bang.

Weiter und weiter harter Strassen, Das zaubersingen klingt und klang, Wann wars dass wir zusammen sassen? Der tag war lang D ie nacht ist bang.

IM abendschatten

Steh ich bei euch Gruss-geneigt. Schaut auf den weg-heissen Verhüllten gast, Ehret sein kommen Hört seine rede.

Gesammelte Dichtungen

Denn was ich fand In wald und wüste Will ich verkünden D er fremde mann fremdem gesinde. Mir wacht kein freund Ob meinem haupte Kein bruder stüzt mich Tot ist die mutter, Der lezte Wandrer Steht und fleht: Lasst mich baden Im quell der ruhe Der eure heilige bürg bespült Bleiben will ich mit euch.

MIR IST es nie verblichen

Was mir ganz leise rief Ganz leise als ich schlief.

Durchs zimmer kams geschlichen Das dunkelglühende wort Und immer glimmt es fort Im schatten jeder stunde In jubel und in gram: Das wort mir keiner nahm.

Ob ich von ihm gesunde? Ob ich gesunden will? Das wort... es wimmert.. . still. . .

ES war kein menschenruf - ich hab ihn gehört Mit meinem blute und ich bin nicht gekorrimen. Vom wein und vom singen war ich betört. Niemehr hab ich den ruf vernommen.

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Dicht ungen

Doch wenn der träum schläft im herzen der nacht Dann will mein glück sich gespenstisch gebären, Dann ist der tote ruf über mir erwacht Dann rauscht es wie von goldsatten ähren.

Da hebt sich - und ich sehs nicht - ein gesicht Leben um leben drängt sich im gemache . . . Rufe mich .. . rufst du - ich höre dich nicht Nur meine eigne stimme . . . weh ich wache!

HERBST

Die nebel eilen Auf breiten strassen Zum singen des wassers Die nebel eilen.

Blaudunstig und leise Entfliehen die tage Mit weichem geflüster Blaudunstig und leise. Am ufer verschwiegen Schlummern die harken Der fährten müde Am ufer verschwiegen.

Der dich dürfte lenken Du boot meiner träume Du harrest des starken Der dich dürfte lenken!

0 wär ich der ferge Zum eden zum eiland In heilige lenze 0 wär ich der ferge!

Gesammelte Dichtungen

mein Schwert mein Schwert wer badet dich rein? Dort rüsten sie das fest im hain Die holde winkt, es flutet der wein.

Es ist nicht blut, o wär es blut Das dich befleckt! ich hiess es gut, Sieh ihre Schwerter blinken. Es ist nicht rost, du kennst nicht ruh, Mit flammengierde kämpfest du, Doch nimmer magst du blinken. Das treibt mich fort von hain und haus, Von freundes Seite, hinaus hinaus Bis meine glieder sinken.

Mein Schwert mein Schwert wer badet dich rein?

die bürde Mir aufgelastet Wer hat mich getrieben Herr in dies land Dem meine hände Nichts entrungen Dem mein mund Keine lust entküsst . . . Wie hab ich geküsst! Frevel und heilig Ihr nächte stumme zeugen Tut kund wie ich küsste, Still - wie ich gerast Ich heimlicher beter Ich heimlicher eifrer Der frohen frohster Ich - ich! Wem hab ich zu danken wer hat

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Dich tungen

Dass ich ihm fluche Wer hiess mich fremdling Zu sein mit euch?

zu dem wir schrein im blitze der nacht Im flatternden wirbel schrein, Hör uns du Dunkler höre uns! Kein erhören - was gab uns gewährung? Nur dass wir wissen, dein hauch ist um uns, Facht unser herz wenn es nieder flackert. Nur dass wir wissen, wenn du willst Stehen die stürme - lass sie fliegen! Erhör uns nicht, dass wir flehen können, Flehen können . . . Schenk uns, wir betteln ums Beten!

ICH BIN ferne gewesen,

Der Mutter fern, Wie könnt ich da genesen Von mir wie könnt ich genesen!

Sie lachten und sangen, Ich sang wohl mit, Rot glühten mir die wangen Doch weh tat jeder schritt. Zu mir wie könnt ich genesen! Mein leib war nicht mein Mein leben war nicht mein Mein herz war ein stein: Der stein erklingt Licht schimmert der stein Der stein zerspringt So süss die ferne Mutter singt.

Gesammelte Dichtungen

AM ENDE

Ihr seid von dumpfer glut genesen Und euer sehnen perlt wie wein. Des blühens ist genug gewesen Die ernte bergt! die frucht herein!

Nun sollt ihr gläubig offenbaren Was euch die heimlichkeit vertraut. Nun teilt euch mit, euch zu bewahren! Ihr freier huldigt nun der braut!

DAS ZEICHEN

Aus den wölken dumpfer klagen Ballt sich nieder wunderwende Strömet dröhnend wundersagen: Sei heut eurer tränen ende, Wie ich meine boten sende So das Zeichen vor euch tragen. Goldnes Zeichen, klar im blauen, Sternenlicht ins tal gefallen, Du verheissest all zu schauen Unsre heilig alten hallen Die von lobessängen schallen Aus der Zeiten erstem grauen. Ja die botenschaaren winken, Gürtet euch ihr fahrtgenossen! Tausend trübe jahre sinken Freudenfluten sind ergossen, Wo die Alten Wasser flössen Flelle morgenblitze blinken.

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Dich tungen

AUFBRUCH

Sammelt euch drüben am heiderand Wo die päppeln stehen! Lang ist der weg zu eurem land Unverwandt Müsst ihr fürder gehen.

Eilet vertriebene, fasset mut! Lasst euch die fahrt nicht grausen! Seid ihr beisammen? so ist gut: Nimmer ruht Bis ich euch heisse zu hausen! Mit dir mit dir rüstige schaar Ist das gute geschehen. Sehet, die nacht blickt sternenklar. Blumen im haar Dürft ihr von dannen gehen.

VOM NEBO

Leises geräusch dringt bis zu mir herauf: Ein lufthauch bringt die düfte der Verheissung Von unserm land dahin ich euch geleitet Dahin ich selber nie gelangen soll. Wie weit mein blick! er segnet eure tracht Fruchtschwere niederungen grüne weiden. Ich hätte gerne meiner brüder herd Auflodern sehen, auf der heimatscholle Ihr tagwerk noch geweiht - doch ich erkenne Die dunklen wege die Du mich geführt Bis hierher auf die lezte bergeshöhe Zur abschiedsschau . . . die weit der Wanderung

Gesammelte Dichtungen

Geht nächtend unter und ein neu gesetz Heischt neuen herrn. Ich seh im fernen land Ferne geschicke wundersam gespiegelt Die ich nicht wissen will. Gesättigt reif Bette mich berg der lezten abendrast!

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Dichtu ngen

FÜR MELCHIOR LECHTER

Traumkönig du auf purpurnäclitigem türme, Süss-sinnender, getränkt von weissen lohen, In rausch und rauchen rühret dich der hohen

Huldweiche hand, und trunkenem strahlensturme Mit ihr entschweben deines blickes schwingen, Um deine Stirne reiner bläue singen

Und lenzeswehen fern von deinem türme.

DER MEISTER

Ich weiss den willen der in euch ruht, Geblendet träumt im schäumenden blut, All was in euch quillt und sich selber nicht kennt Verworrnen flackerns düster brennt Lös ich in scheinen die euer sind D ie mein sind: ihr mir mutter und kind! Mit euch ich enthoben dumpfem geheg Euch dank ich mein wissen : mir danket den weg !

Aus der Zeit der Gesammelten Dichtungen

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Dichtungen

AUS DER GROSSEN WÜSTE

Der schlimmen herrin hand und lippe Hält mich gebannt, gebannt allein Sie lacht und droht von jäher klippe Sie winkt und blinkt im roten schein. Hinauf hinan! Die kniee wanken Zu.ihrem sitz! Der arm erschlafft Aus meiner hand die fackeln sanken Von meinem leibe floh die kraft.

Sie winkt und blinkt im roten scheine Doch ich gedenke grambenezt Der stunde da mit goldnem weine Sie mir die heisse Stirn gelezt.

HIRTENLIED

Wahret euch zeitlose blüten Noch ist Sonnentag und sang Meine lämmer darf ich hüten Ohne sorg am grünen hang

Tanzt um sie in frommer acht Meiner jungen lieder reigen Höher sollt ihr höher steigen Vor dem bühle haltet wacht Scheucht und drängt und stürzt die schlimmen Bis sie kauern eng geschart! Meine lämmer wollen klimmen Leitet sie auf luftiger fahrt.

Aus der Zeit der Gesammelten Dichtungen

DER KÖNIG SCHEIDET

Wimmernd in nächtiges lauschen versunken Bangen die Auren banget der saal Schwer, todesfahl Ehernen hufen entsprühen die funken Toset ein lediges ross durchs tal.

Mädchen senket die Aöten. Bekränzte Nimmer lauschet der gäste bund. Bleich, lebenswund Starrt, der in jauchzenden schauern glänzte Starrt ihr blick ins erwachte rund. Greiser könig, die schale leere Gürte dich, hebe die schirmende hand Blick übers land Deinen kriegern entfallen die speere Stärke dorret und Schönheit schwand. Aus den stürmen quellen die stimmen Flammende züge nimmer gesehn Dunkle Strassen gehn Aus den klüften rauchet ein glimmen . . . Siehst du des rosses mähne wehn?

Wehe schon dröhnt es auf heiliger schwelle »Schweiget alle die Zeichen lohn Brich, goldner thron Meinem dürsten schäumet die quelle Vater du rufest, müd ist dein sohn.« - Herr du verlässest deine getreuen? »Feierklänge umschweben mein haupt Lust- und leidberaubt Ruh ich bald und schlummer streuen Haines wipfel, dunkelbelaubt.«

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Dichtungen

DAS ENDE

Von seiner stirne floss ein fahles glimmen Wie ein gewitter das zu tale sinkt Hoch im gewölk verwehten frühlingsstimmen Und seine hand zum lezten scheiden winkt.

Sie nickte leise zu der wellen träumen Versunken alle sonnen - ihre hand Spielte mit des gewindes schwarzen säumen Aus ihrem äuge nie die träne schwand.

Der Umkreis Dis - Magistro - Amicis

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d ich tungen

FIMBULWINTER

I

Über alle Strassen wurlt die kugel Über alle ufer springt der bogen Über jede schwelle tritt der fuss. Alles vieh verschmachtet auf der weide Aller weiber mutterschösse dörren Alle herde schimmeln unterm russ.

Alle türen drücken aus den fugen Alle saat bekrächzt der wintervogel Über jede schwelle tritt der fuss.

Alle Schwerter rosten in der scheide Alle glocken schmähen ihren herrgott Alle kreuze brechen Heilands eide Jeder gruft entgärt die drachenbrut. ii

DIE STADT

Dein sterben ist ein schwärmen und ein küssen Ein taumeln in den tanz, ein singenmüssen Ein bechersturz nach tausendfältigem nachten. Bettlerin alles gold für deinen stecken, Du königswild gejagt auf tausend strecken, Heilbad und geisel unstillbarem schmachten.

Ruhstatt, der fackeln frech im tag geleuchtet, Du rosensanktuar dahin ihr keuchtet Fetisch stark wie des Sohnes liebesmahl: Du hast die erde über sich geschoben Hast Gottes schwelle lachend ausgehoben Aus seinem himmel stahlst du einen strahl.

Der Umkreis

Dein lästern gellte in der Heiligen bitte Dein haupt war hohn, dein leib war sieg: als ritte Der Gegen-Herr vor allen seinen kriegern So throntest du auf bunten sieben tigern lind vor dir rollten krönen in den stank. Und deiner rahlenden tiere blutiger geifer Zu boden tropfend liess die saaten reifer Von deinem gift beblühn in geilen lilien Zum weihrauchzauber brünstiger vigilien: Im körn frass brand, im wein wurm - ihr geprank Scharrt aus des grundes stummem mutterschoss Geheim geweide wider deinen blick Und das geweide würgte dein genick, Zerrieb geraubten strahl - fiebrisch umkrallt, Dein mähnig haupt erknirscht, dein tolles lachen lallt, Und deine tiere wühlten dir im schoss. Da trat der Eine über dich und trieb Lustgrimme rachen mit dem geisselhieb Und beugte sich und bog dich giergezaust Grub sich in dich und hat in dir gehaust Und ward dein hund und leckte deine schramme Schlug als dein herz in dir dass er verging. Du sogst ihn tod in dich der dich befing Den nackten tod in deinen purpurring. Vom todeshauch geschwellt verschwelst du flamme.

Nun todes braut und brüt, sühne und richter, Bestelle dich, nachtschatten dringen dichter . . . Bald schreit der hahn auf dir geschüttet grab. Du tanzest taumelst zuckend in den liüften Reisst schattenfetzen wimmernd aus den lüften In deine mulde bohrst den bettelstab, Mischst dich und dich in wirren wonnegüssen: Dein sterben ist ein schwärmen und ein küssen.

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Dichtungen

in Aus gefällen der verdammten, Unkenlöchern grundverschlammten Aus den dorngezackten klammern Aus den spukbesprizten kammern Aus den wehn von morschen muttern Teufelsmäulern die sich füttern Braust die brunst und schwenkt die fahne Windes buhle sturmes ahne. Sengt den schöpf von stolzen scheiteln Jagt die satten, schlägt die eiteln, Fegt die thronen, stürzt die reiter, Schichtet überm gottshaus scheiter. Im gefüge knarrn die rippen, Brüll auf erde schnappt ihr klippen Roter vogel flügelnd kreisch! Reif und grün fällt - dorre fleisch! Vollgeschüttet sind die schlünde Überschwer das bett der sündc Wahnesqualm ist hochgedünstet Hohles äuge ringgerünslet Blut ist stickig wein ist bitter Tier der tiefe sprengt das gitter Kotes fluten sind entspündet In den tod das leben mündet.

* N O V A APOCALYPSIS*

Endchrist endchrist du wurdest zum spott Statt deiner kommt der fliegengott.

Larven aus faulenden hirnen gekrochen Sind nun ins leben hereingebrochen

Der Umkreis

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Breiten sich dreist über alle gassen: »Das reich ist unser: wir kommen in massen.

Der geht noch aufrecht - reisset ihn um Der hat noch ein antlitz - zerret es krumm ! Der schreitet noch - er schleiche und hinke Der schaut noch - macht dass er schiele und zwinke! Kein arm : wir brauchen nur taster und greifer Kein blut: wir brauchen nur gallert und geifer. Hinweg mit seelen und höhen und himmeln Wir brauchen nur staub: wir die kriechen und wimmeln.«

FINIS I NITI UM

Wenn sonn und mond alle beide scheinen Wenn blumen blühn aus den dürren steinen Wenn alle engel warten und weinen Wenn alle dornen trauben tragen Wenn alle glocken ave schlagen Wenn alle pforten amen sagen Dann ist das ende aller irrefahrten Dann blickt der Herr in seinen erdengarten Davor die vielen engel weinen und warten

Dann wird der Herr in seinen garten gehen Dann wird die kreatur ihn leibhaft sehen Dann wird die kreatur zu ihm eingehen.

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Dichtungen

DIE ZEICHEN I

Wisst ihr was Zeichen sind, was winke sind? Ihr stiert mit aufgerissnen lidern Bluträndigem und fauligem blick, Spürt um die kehle nicht den strick Die würmer nicht in morschen gliedern Hört auf kein murren im verschlossnen spind.

Um Sterngeburten fahren eure zahlen Das weltbuch lesen eure gaukler Beschwörend, törige, Gog Magog Und welcher euch am frechsten log D er feilste bunteste der Schaukler Der prahlt, prophet, in euren schlammigen talen. Wisst ihr was Zeichen sind, was winke sind? Der Erste rechte seher wies den knaben Des goldne gondel wogen brennt Vom Zweiten seher flammt advent Der Dritte wird die reiche haben Er ist ein lamm ein kaiser und ein kind. Und ihre Zeichen: dass den ersten schied Der wüste würgerisches starren. Und dass des andern psalterruf Grünland mitten im öden schuf Wo beter des geliebten harren Und wo allein aufrauscht das gotteslied.

Am dritten Zeichen, dritten wink geschwind Verstummt ihr dunklen laute. Tote sind tot. Lasst sie daheim. Die erde selber schwillt als keim Der in sich himmel schaute Himmel die voll demantner stürme sind.

Der Umkreis

II

Böser bäumen sich die glieder Unerträglich engt der bund: Dieser schlägt das äuge nieder Dieser presst den stummen mund.

Diesen zerrt die starre binde Diesen würgt der lendengurt Dass er sich dem bann entwinde Einer lauert einer knurrt.

Raucht die lang verhaltne tücke Schäumt begehren übern rand? Eisgang donnert an die brücke Die schon ein Jahrtausend stand.

Leer und windig alle tennen: Sucht beim Schinder was euch nährt Bis euch die geweide brennen Bis euch aberwitz durchgärt !

Also ist der tag gerichtet Den ihr jahr um jahr vertan: Wenn der Herr das wirre schlichtet Bricht er erst dem tod die bahn. ui

Sie stehn wie aufgereckte leuen Nicht der und der aus voriger schicht : Die ewig alten ewig neuen Die götter rufen ins gericht! Doch eurer not wird kein erhören Ihr brach’t den bund - euch wandelt nicht Das wort voll zeugen und zerstören, Die götter rufen ins gericht!

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Dichtungen

Sie stehn auf ihren goldnen leitern Die ferne wächst die nähe bricht Die Zeichen flammen von den scheitern Die götter rufen ins gericht! IV

Herr betast uns, Herr du hast uns, Nimm uns endlich auf, Blutes lachen Teilt dein nach en Rache heisst sein lauf.

Herr wo warst du? Herr wann scharst du Uns zum baun und sä’n? Gib den spaten, Von den graten Tönt das morgenkrähn. v

Unter den Strassen wo gelänne wankt, Russgrauer riese kauert eingeprankt Die fäuste überm knie, er starrt Mit leerem äuge. Sein gegrinse knarrt Sein röcheln schnarrt:

Sie brüsten sich an ihren halftersträngen Sie trauen ihren gläsern und gestängen Sie hüpfen hoch wie flöhe überm hunde Und jeden plagt dieselbe giftige wunde Kein ruf der runde Ihr habt den himmel selber ausgebrannt Staubt über Gott. Herz öd. Der mut entmannt. So wollt ich, söldner, meine weltkasern! Spürst du noch trutz mensch? Duck dich hartem herrn Tot leben lern!

Der Umkreis

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VI

Du weisst, Herr, wenn die Schwaden trächtig wanken Wenn sich dein himmel auftut, auszuspein Geronnenen sud, wenn du mit schwarzen pranken Zu brocken mörtelst dürrer erde schrein: Auch deiner marken jungwuchs, dir gehörig Dein eigen körn - dein atem fuhr hindurch Sie stehn in dir Herr - auch die. saaten törig Verducken dann sich zitternd im gefurch.

Es ist dein sturm dein guss dein speerezücken Aus schwefeldampf dein heilig heilen bricht Doch erst beim spannen deiner sieben brücken Erheben deine saaten ihr gesicht.

UR-OCIN

Bist du noch wirrst du noch fährst noch im sturm, sturm ? Bist du noch irrst du noch bohrst noch den türm, wurm? Bist du noch schwirrst du noch runenumzuckten speers ? Schmilzt du noch weiten wie werg, rneer kochenden teers? Weisel brummst du noch kreissend im honigbade? Werwolf bestreunst du noch grenzen und pfade Und jede diele? Wir wollen dich. Spiele In unserm blut. Ist dein schlund noch gross Uns einzuschlingen? Ist dein prangender schoss Noch deiner beter wiege, säumender Am lezten abhang ewig träumender: Du standest lang, schöpf dich wie rahm Und schlürfe dich. Die stunde kam Du nicht mehr gott du nicht mehr tier Verschwind in dir erschein in dir!

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Die h t u ii g e n

SCHI WA

Zuckendes rund, schlürfend gesperrter rachen Am drachenhauch wirr aufgebogener pein: Dir aus dem lefzen sickert schäum in lachen Dir in den hauern knirscht das Urgestein.

Du stöhnst und fernster himmel flanken klaffen, Du wälzt und abgrund sprizt flaumig ins licht, Du heckst und unstillbare brünste schlaffen, Du hockst und häufst zum äther schicht um schicht. Vielaugiger blindwurm, mutterkuh und farren, Kristallbaum luftklar, überflossener kot, Gebärend mannsglied, schmelzen und erstarren, Schwinger und schwirren, kneter backtrog brot: Um-kreisender, in dich verschlungne schlänge Nimm unser blut dadurch dein atem frisst Schling uns. Durchseim uns. Dau. Wir dorren lange Wir du, wir du. Würg zeug Gott was du bist. DIE SCHLANGE

Eins und eines: ewige kehr Strang der grenze, gurt der leere Schwarz gebannt in starrer sicht Einsam zwischen nicht und nicht,

Vor der frist zeitbares währen Endes ruhen hinteren sturm Eisig ungeweinte zähren Rund in rund gewundner wurm: Wölbet sich der kreis zum schilde? Schaukelt bette, rollt der bach? Auge schaust dein bild im bilde Fluten spiegeln purpur-wach.

Der Umkreis

wo ist das dunkel noch Der jungen quelle Im tiefgerissnen tal? Wo lockt die schwelle Zum goldgewölbten saal? Wo ist das dunkel noch Verhängter wiege Am blankgestrichnen pfähl? Wo lädt die stiege Zum bankumstelltcn saal ? Wo ist das dunkel noch Der steilen kimme Verheissner gral? Dass ich erklimme Den lachenden hochzeitssaal?

DREI SIND vom feuer Gottes gepackt Einer der greis war Einer der heiss war Einer der jung war und nackt.

Einer kam irr durch den wald geschritten Einer sang in marktes mitten Einer hat vorm spiegel gekniet Gott der aus der helle sieht

Schlug den spiegel: blick in dich Schlug den markt: zu dir selber sprich Schlug den wald: die wirre wich.

Drei traf Gott in drei drang Gott ein Goss aus ihnen ein fleisch ein bein Stehn nun in Gott, stehn allein.

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Dichtungen

DEM BRUDER I

Er geifert unterni tor, er ist die schwelle Die dich befletscht, er schnaubt an dich hinauf. Der hund der hölle quert an jeder stelle Immer ein tor und deine hand am knauf.

Mit hartem fuss und heissem blick, versehen Mit heiligem öl das Ungetüme duckt So sollst du grausam deines weges gehen Zertritt die schwelle wo sie dich umzuckt. Von tor zu tor, erkorner, musst du morden Vor alle pflichten setzen diese wir: Nur frei von dir kommst du in unsern orden Du selber bist die schwelle und ihr tier. II

Was weisst du ? Nichts. Was bist du? Alles, Herr frag nicht mehr! Dein loos -

des blätterfalles,

Dein glück tag des gerichts Oh Wiederkehr! Dein wünsch wünsch abzubiegen, Dein amt ohn unterlass. Herr bist du Er?

Der Umkreis

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Dein streit -

mir obzusiegen. Dein weg der alpenpass Zum lezten meer.

Dein heischen fron. Dein will im bunde In Seiner wehr.

Du liebst bin sohn

Du lebst der wunde: Herr Du bist Er!

HINSCHMOLZEN krusten, schlacke schlämm und ballen. Wo wir uns recken wölbt das weltenblau Wo wir uns lagern, hauchen tönende hallen: Unser der schritt die lampen und die schau! Unser der schritt wir finden stuf um stufe Erstlinge die entrissne zauberspur Unser der schritt umrauscht>vom Gottesrufe Der wie ein adler in die herzen fuhr Unser die lampen heilig alter salben Und neu entzundene noch pralleren lichts Wir mischen weisses strahlen mit dem falben Im lezten schein vermengend Nun und Nichts.

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D ichtungen

Unser die schau, die lezte sterne brachen Wir leuchten uns. die lenden sind gewiss, Rein steigen wir aus riemen ringen rachen, Wir selbst geborner glanz der finsternis

Auf dass die öde aufjauchzt, dass in chören Die lang versiegten borne sich befrein Auf dass sich leib und lippen zugehören Auf dass wir schlüssel sind und ihr der schrein.

ES IST ein feuer angegangen Glut bleckt befreit Die flammen laufen, die langen Zerrissnen garbenschlangen Züngeln in die zeit.

Es ist ein feuer von den kimmen Herabgesät dem auf den herd Dem in das herz. Gewirr von stimmen Rasende reiter klimmen Zum feuerberg . . . laut schreit ihr schemenpferd.

Es ist ein feuer grell gezackt Gier die sich krönt Die schmilzt - morscht was verschlackt: Kristallen nackt Der demant lichtleib tönt.

GRABBRECHER du mein Herr und Gott der wende Gedenke meiner kreisender Übergang Brau erstling, dreh dich mitte, wieg uns ende, Führe mich ein und aus und stets entlang,

Weil du uns weiter drängst bist du begnader Von bett und herd das zeugerische salz

Der Umkreis

Dein flüchtiger fuss entküsst dein fels die ader Des puren golds, lustsprung des Wasserfalls,

Du spannst auf der gevögel wanderschwiugen Lässt feuer uns sehn und sein im selben nu Die wir an deinem stab als kränze hingen Wir wachsen dir als ewiger morgen zu !

TAGDERTOTEN

DIVO MAXIM IN 0 I

D ie seelen gehn um: Ihr spürt im hauche An ström und Strauche Das sicker-gesumm.

Auf dächern der dunst Auf wiesen das zittern Ein wittern und flittern Vermoderter brunst. Die seelen gehn um Von bahre zu bahre. Euch sträuben die haare . . . Steht stumm steht stumm. II

Schaut nicht ins tal da ziebn die Schwaden: Die hagren malire schmatzen laut, Am totentag im licht zu baden Hat sie der moder ausgebraut. Schaut nicht aufs gaukeln überm bronnen Da wirbelt die verlorne zunft Dem zähen hefendunst entronnen . . . Beschwört nicht ihre Wiederkunft!

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Dichtungen

Schauen erwärmt ihr mürbes flattern, Gespenstisch Hämmchen flackert rasch. Denkt ihrer hinter kirchhofsgattern : Leben zu leben! asch zu asch!

in Aber den Einen Lasst weisser sohle Auf schwanker bohle Unter uns scheinen. Er im tod verloren Er aus uns geboren.

Ihm zum feste zündet die altäre Dass er sich aus unsrer flamme nähre! Er in helle Trat die brücke Er verrücke Grenz und sehwelle!

TECTUM MUNDI FÜR M. L.

Harrend überm bilderkreise Lauschen, schauen sieben weise Höchst auf blaubehauchtem dache Unbewegte immerwache. Zur befruchtung eingefastet Büsserstirnen dornumtastet Eingebogen dass er träfe In die heiligblasse Schläfe Jeder stachel. Doch kein funken Wehs in ihnen die versunken Beten allerleztes wesen

Der Umkreis

Aus dem schweigen abzulesen. Nacht bleibt ihnen zugewendet Dauerdunkels trunk gespendet. Sind den Zeiten lang entglitten Hier und eben, stets inmitten. Alle schauen keiner sieht: Achse allem was geschieht Nadir sind sie und Zenit.

FÜR F. w.

Aus Aus Aus Aus

ihren nebeln wuchs die hallende nacht seinen wölken säugte sich das meer seinen wäldern rang sich bäum um bäum seinem grauen brach der himmelsspeer

In seine bilder niedertaucht der träum In glied und Windung wandelt sich der stein In strahlenbögen steigt der untre schacht

Entbunden ist des reigens gegenregung Die mitte rundet, blut ist aller wein Im Zeichen stehn die Götter der bewegung!

NUR WIR

Aus rot und blau und gelb gezirkten beeten Marschwiesen brückchen hügelchen kanälchen Aus dem gezirp verspäteten behagens Alit mattem hausglück stand ein Junger auf Dem wärmte glühende welle noch das herz Dem war das steilste leicht und suchen war Sein tag und seine nächte waren licht Vom beten uni die gnade um erfüllung. So ging er gläubig hohen muts und fand Du fandest, dichter - die verworrnen stimmen

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Dichtungen

Zerstoben oder schallten nur von fern Du sahst dich um und abgefallen war Herbstrost von deinem land und morgen stand. Weil du dich umsahst findender gefundner Sahst du uns tiefrcr doch verwandter Schickung Uns dichter eines volks das sich verriet Das gleich den andren Völkern götzen diente . . . Doch darin einzig dass in dunkler zelle Heimliche glut die priester wahrten, einzig Darin dass unter allen es Dich sah. Wir tauschten handschlag herzschlag und den blick Der aus der ewigkeit gesättigt kehrt. Dein blick war flamm und spiegel wie der unsre Erkennen war er, biene, blumenkelch. Sein honig hat berauscht in dir gegärt Beschattung war er, golden süss, davon Ein blonder sohn der abgedämmten brache Des heiligen Wortes herrschaft du empfingst. Also gesalbt, derselbe doch gewandelt Tratst du dein erbe an. Der grossen jähre Lebendiger abglanz wies zum hort den nachfahr Ein walter warst, vermehrer und noch mehr: Du fingst von irgendwo von nirgendwo Den schönen schein der nur geweihten zuglänzt Den nur der Leichte der Erwählte fasst - schein Von keinem tag, von gott und immerdar. Den fingst du, unsere deinen schönen schein Den gingst du, unsere deinen zaubertanz Jahrlang mit uns den brüdern, unser bruder Bis endlich tanz nicht taugte, schein erfror, Bis götter, müd zu schauen, in säens urlust Absteckten und abschritten neue grenzen Ein ungebornes land der seele schufen Im fernsten, rein, ungestrig, bis welt-ende Zum welten-anfang furchtbar überbrach. Und wir die dichter aus den Zeichen sahn Dass keine wähl ist dass kein heiliger nachlass

Der Umkreis

Kein liebstes und verwandtestes mehr fruchtet. Damaskus’ stunde, Saulus’, Paulus’ stunde Zerbrach und schloss die zeit und kam und rief Kam und verwarf. Da standen wir, im herzen Wohl zitternd, denn der ruf drang tief ins mark. Doch sprachen unsre lippen: wir sind da, Bereit und nüchtern, da für volk und reich Und stehn für uns, weil wir fürs leben stehn, Weil lezte not das lezte heil verspricht! Dies wissend sahn wir nach dem bruder aus Dies wissend hoben wir die hand hinüber Dichter zum dichter: Keiner oder du ! Du einziger von drüben wrarst mit uns Zu innrer schau vereint im heiligtum Dasselbe licht dein altar wie dei- unsre, Jezt sieh uns, unser bruder liebesnackt Abfalle deinem äuge lezte trübung, Leben sei! Leben sieh! Die Wirklichkeit Umfängt im ring was ist: sieh sieh und sieh! So drang es zu dir, also drang zu Gott Die Zuversicht, das flehn, der schrei: dass Einer Ein Einziger im erdrund säh wie wir, Uns sähe, das wahrhaftige geschieh, Dass keine wähl ist dass kein heiliger nachlass Dass Einer iiberm schütt steh: Eigenwahl Gesellungslüge, schuld und völkertrug Abschüttle? Nein, niemals vom tauben dunst Umnebelt sei gewesen, so wie uns Despotentrotz und -prunken hohl gestelz Nicht irren konnten - dass er unsre lüft In unsrer hellen doch geheimen frühe Mit uns einatme schicksalsnah, bei uns!

So ging der ruf, so rangen wir mit Gott Um dich. Gott lenkte nicht so und die stunde Traf dich nicht bei dir an, da sie gepocht.

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Dichtungen

Auch du vom alten abgeflauten klang Mit eingenommen eingesponnen merktest Uns nicht, sahst nahmst warst Stellung und partei Standst gegen uns die da und dort nicht standen, Standst gegen uns weil wir des todes recht Um lebens willen ehren, nur dem leben Verschworne das wir selige schon sehn Im blauen schimmer wachsend hinterm tod Dem grössten tod - dem unsern auch, wer weiss Siegerisch wachsend, jünglinghaften Schwungs. Zwar dieses leben das du nicht glaubst, tod Der dir nur gräuel ist - trennte uns nicht.

Das sagte bloss: Ihr Schicksal! Aus euch selber Eur heil! Kein helfer hoffbar wenn nicht der! Doch anderes weheres richtenderes steigt Näher und höher, überschwillt den sinn, Wenn er im dunkel seiner stimme lauscht, Und murmelt: du geblendeter, wann sahst du ? Du liebtest du besangest uns die freien Du wusstest eigner würde uns, den machtherrn Fremd oder schaurig. Nur uns selber pflichtig, Meister im wehren, wählen. Deine brüder. Was frommt dies wissen dir? Das einzige mal Da dus bewähren musstest deinetwillen, Um deiner Wahrheit willen zeigen musstest Vor dir dem dichter dass du dichter kennst Dass über allen aussenschein hinaus Der blick des dichters trifft in gottes herz Und seinen bruder sieht, jenseits wie sich Und traut und jauchzt: ob er sich mir verhüllt Mein bruder ist und ist der je er war! Der einzigen schar die noch am banner hält Der gilt mein ja und handschlag, was sie tut Geschieht aus eigner unverrückter Satzung Aus eignem zeugerischem lebensstrom,

Der Umkreis

Aus dem ihr ruf ihr reim sich strahlend hebt Wie schaumgeborne götter leicht und wirklich. So muss - nur er! - der dichter dichter spüren Gewiss sein wo ein spähender verwirrt Die äugen reibt, wo tasten und erwäger Berechner straucheln, scheu sind, musstest du Vor unserm gott - eh deinem auch! - bekennen: Weiss nicht was sich begiebt, doch wer hier wirkt Ist meiner art und was er schafft ist recht.

NUR ER

Vom morgen brech ich auf, durchs heute schreit ich In blick und blut aufglühender ferne morgen Der wissende kommt stets vom morgenland Der wissende wandert stets in morgens land. Woher er zog war zucken und zerrinnen Wohin er wallt? Ins selbe mückenspiel Und lächelnd scheidet er wo er nie weilte Und lächelnd tauscht er Strasse rast und rede Und lächelnd spendet er der nie empfängt Weiss er doch: dies gezirp erbraust als urchor Dies staubsein dieser augenblick und abfall Ist weit ist Gott wenn es sich ganz erfüllt, In sich ersättigt bis zu berstens rand, Wenn es sich hinschenkt bis zur lezten faser Wenn es ganz einmal, eigenmal, opfer wird! So allem was sich wandeln mag verschwistert Denn es kann siegel sein und fingerzeig Kann wahrbild sein und wende sein So geht der wissende vereint und einsam Und sucht das Eine sucht und sucht das Eine Das Eine Irgendwann das Eingewisse. Von seinem stern heraufgeführt zum wunder Zum wunder einer nacht Davon zu reden viel zu schweigen mehr.

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Dicht ungen

Nachtwunder nachtverwandlung die sich auftut Das kind Licht bringt das kind Von Je das kind Nun Das kind Allseligkeit das kind Urstände. In dessen Zeichen seht mich heute nacht In dessen Zeichen seh ich euch gereiht, Das kind ist in euch, ihr seid es, wenn ihr wollt Die wirre weicht aus euch, Splitter und aschen Verwehen wenn ihr wollt! Hinein in euch So tief ihr könnt! Heraus aus euch so weit Der flügel Sehnsucht trägt! Seid dom! Seid ström! Denn euer herz ist ein geheimes tor Selten entriegelt, aber sprang es einmal So schallt ein lobgesang wie feur alläuternd Der eure angst und abgestandne müde Der tun und ruhn durchdringt dass als gesalbte Ihr in des rufes liebeswogen badet, Zu hindern werdet heiligen ernst im spiel, Dann ist kein bracher tag mehr, alles beblümt sich ! Wer keuchend steiniges tal durchschlich schwingt selig Im tanz wenn du dich öffnest herzenstor. Ja seid bereit dem morgen jedem morgen, Dem morgenfrühland das euch grüsst - ich grüss euch Und nehm euch mit nehmt mich nehmt rauch des morgens, Dämpfe, des morgenlandes spezerein Wie sie die weisen bringen dieser nacht, Die andachtsdüfte die dem kind gebühren Die dumpfes drängen fromm zum himmel tragen Ein nebel leicht der kaum die helle wölkt, So wie ihn morgen atmet um das licht: Des herzens schlag der ablauf der gezeiten Alles ein hauch ein dunst: die strenge myrrhe D er herbe gram ums unerbringliche Wird leises mahnen, Schleier, tröstung - abprall Gewaltiger gesichte die den sinn Einst sprengten winden um gesenkte schlafe Den Schleier träum der nicht bedroht nicht lockt: Nur lächeln macht die süsse benzoe.

Der Umkreis

Und du gewürz, samtbraun wie warme leiber In urwalds glutasyl, du storax lege Den schleier trunkenheit um dunkles weh. Du endlich hocherkornes körn du heilig Vor allen duften, seele des gebets Du dankesreigen am altar der gnade Der weihe rauch, du schleier nicht noch beschwichten Ganz feier du ganz friede, wache stille, Nimm alle wohlgerüche in dein erglühn: Der weihe rauch vereine alle Schwestern Du ewiger morgen tilge leztes gestern. LEGENDEN

I

LILITH

Spätling Adam erdentrungen Griffst in die lüft aufstampfend und standest fest. Brunst der schölle schnob aus den lungen: Aber ich Lilith ich bin asbest, Von mir strömt alle hitze rück ins heisse Dein feuergischt war deines röchelns speise Um trieb ich dich im eignen flammenkreise Bis dich der schwindel stier gepresst. Schriest laut. Lägest. Hoch schlug dir jede ader Da schwamm um dich mein mähnengoldgeschwader Und löschte löste deinen krampf. Warm aus der schölle stieg der wirbeldampf. Und wieder standst gen mir, warfst dich an boden Und wieder fauchte mich dein ödem Der trocken stiess, quäl war und brunst Und keucht um Liliths Wiederkunft Und war was ich nicht weiss und mich bedräng Mich die mit allen Ungeheuern rang Was klimmt und springt und kriecht und suhlt Mit allen hab ich umgebuhlt, IMlith jauchzte in aller brüllen

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Dich t u n g e n

Warf zum adler das lamm zum leu das füllen Und jauchzte wenn sie geifernd bleckten Wenn sie winselnd sich versteckten. Doch wenn der hochhauptige nach mir ging Der tastend sich in jedem dickicht fing, Schwächer wie alle zottigen waldgesellen Da wars als sprängen quellen Aus meinem herzen und ich sänke Zum Adam dass er aus der quelle tränke Und bot den quell, schenkt Liliths tolles tosen Adam dem mann dem blöden blossen. Ich Ungcborne ich Iminerda Lüstern flog ich wenn ich Adam sah Der kaum den zähen brocken sich entwand Ich bog mich willig wohlig seiner hand Und seinem ruf der mich vom himmcl scheuchte. Erd-adam lüft und feuer mir und feuchte. Und viele sonnen hatten so getagt Da lag ich heiss-gelöst lag gier-geplagt Und hört. . . schon hob ich mich . . . ein kreischen Adams stimme schwer vom heischen. Drauf ein getön so leis und weich Keinem erdentone gleich. Das tönen ging von dem blumenhag Wo Adam der mann im schlafe lag Nimmer schlief, er hockt er kniet Blickt weiten augs und sein äuge sieht Sich selbst als ein weib und die männin haucht Weil seine lend in ihre taucht Und seine hand in ihre strähnen Nass von küssen nass von tränen. Adam und du die mir ihn stahl Hütet euch vor Liliths strahl! Lilith über eurem haupt! Lilith hat sich den Tod geklaubt, Vom grundgeklipp seine ketten gezerrt Nun seid ihr in todes höhle gesperrt.

Der Umkreis

Lilith heult nicht, Lilith krallt Adam dein kreischen und ihrs verhallt! Komm Tod würger sollst dich letzen Will dich wolf auf die heute hetzen. Kommst du zurück sein gemächt in den zähnen Auf den lefzen der männin strähnen, Dann ist Lilith Todes magd. Rüste den sprung Tod, Tod zur jagd! ii

LED A

Hast du den schmeichlerischen hals gebogen Schmiegest ihn badentzognem bein: Nie kam ein schwan in unser tal geflogen! D u hebst dein Schlangenhaupt, wie schmal und klein! Von meiner feuchten hand träufeln die flaunie Die glattgelegten, Schwan Du schaust mit schwarzen lidern aus dem schäume Des federnmeers mich an Und über seinem atmen perlt verwogen Ein junger strahlenschein. Du schling den hals durch meine nackcnlocken Mit riesenschwingen fächle dich herbei, Schwan-schlange. gacli die adern stocken Ersticke mich. Hörtest den schrei? ?>Tein mund wars, schliess ihn, deine schnabelweide. Stumm. Nur mein blut wird laut und spült Und über ihm glanz. Des gefieders seide Die wehrt und wühlt: Und lügnerlippen schluchzen trocken: Lass Leda frei! Hastige tropfen springen von den ranken Horch! mittag droht. Beschatte mir die heissgepeitschten flanken . . . Wer wacht . . . mein schwan ist tot.

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Dichtu ngen

Von schlaffen schultern rascheln ihm in strähnen Die Hügel auf den welkgewälzten gründ . . . Hoch in der lüft verdorrt ein ruf von Schwänen. Leer lechzt mein mund. Lass meine brüste auf dich niederschwanken: Mein schwan ist tot. III MARIA

Es war ein Zeichen und es war ein wort. Ich stand und ward verwandelt und ein hort Von seligen flammen ringte sich zur kette. »Dies ist dein brautkranz, und dein siegesbette Ist sturmes stille« sangs und ob dem singen Hört ich in mir weither ein flötenklingen Und war doch nah und wie ein held so stark Und fuhr durchs haupt und glühte mir im mark. Ich fiel aufs knie und blieb doch ungetroffen Verschlossner erdenschrein dem himmel offen, Der immer dringt und zeugt bis ich versinke Und aus dem tau des eignen blutes trinke Wie es mir schäumend unterm herzen kreist Des Wunderbundes dunkles keimlein speist. Im blute seh ichs leuchten und sich regen Im blute spenden seines blutes segen. Mein blut hat blutes Zeichen aufgespürt Seit ich im wachen meinen träum berührt. Der hat entrückt mich, meine äugen brachen Mein herz hielt ein, doch meine lippen sprachen Das wort das aufging und das niederging Aus dem ich tod und leben mir empfing. Kein menschenwort, doch solches wort ersteht Im menschenleib aus mir. Ich bin das beet Darauf die rose blüht, bin die zisterne Vom himmelsheilbad, schale höchstem kerne. Ich bin die magd und trag geheime kröne Ich bin die mutter drin der vater wohne.

Der Umkreis

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ES ist des sturmes lust im blauen sich verlieren Es ist der wölken lust im grauen sich zerstreuen Es ist die lust des sternfalls zu zerstieben Es ist die lust des irrlichts auszuzittern Und unser herzschlag alles flüchtigen lust. Wir binden uns ans unbindbare nichts Wir schatten ewig wechselnden gesichts Wir spüren keinen tag und keine nacht Wir gären um den rand von jedem schacht.

Wir wollen nicht. Es will uns auf den bahnen Bald zuckt ein obrer strahl uns in die schwemmen Bald kocht ein herd uns aus den essen über Ihr greift, schon ist der falterstaub verflogen Ihr ruft, an eurem anhauch seht uns welken.

die honigsüssen Tiefen küsse zum gebet Wollen opfernd uns verbüssen Eh die nacht im graun vergeht streuen wir

Eh der gott auf wölken jagend Seine goldnen locken bauscht Ehe blut und blick versagend Überreif zusammenrauscht Eh vom aufgesparten körne Blau gedünste steil entsprizt Reiter tod mit hartem dorne Dir und mir die flanke rizt.

hast du den flug verspürt? blinzleicht wie das streichen Schattenstreichen wenn halb die lampe rückt Wie dir die hand sank als ich die hand gedrückt Sahst du starr ihn ohne spur entweichen.

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Dichtu ngen

Kreisten dann taumelschwärme der wanderbienen? Säulen surrenden Hauches, wirbelnde fahnen Sogen unser licht in neue bahnen Unser blut stand stark, vom licht beschienen.

Wirbel, wiege uns, altar und amme: Stille wird wirbel, innenmark wird rinde In den angeln orgeln die gewinde Wurzel grünt verwipfelt überm stamme.

KEHRT ER wieder? still Ein andrer und der gleiche. Wenn die stunde will Dreht des tagrads speiche

Nach ehdem im flimmer Das war und besteht Wie gestern im zimmer Immer neu umgeht

An wänden und spinden, Wie wolkenstrich, Wie ein nächtig finden Das morgens verblich Doch nie sich vergisst: Wo blieb es? Wie weilt’ es? Bei uns? Nein cs ist Ein ewig Enteiltes Ein ewig Zerteiltes.

ÜBER DEN giebeln schmilzt der rauch D en wolkenhauch Und drückt sich in die scharte. Der harte

Der Umkreis

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Essenbaum sucht das schummrige licht, Nachtblau zerbricht. Drunten sielen Die fetzen von alten stunden, Im eckenrinnsal spielen Huren mit hunden: Stolpern und toben. Aus fettschwarzen koben Geschieh und gebrumm: Die gulen gehn um.

ICH

Nun muss ich krampfig an den rand geschmiegt Das andre und mich andren ganz verlieren. Noch wie ein schütteres flimmern ferner stadt Noch wie blutswellenschlag abends vorm einschlaf Noch wie den lezten liebesblick beim abschied Abdrängen alles, nichts mehr bleibt! Wahn flamme Versprühn, der kelch birst bittersüssen weins, Die lippen fasern, nebelbilder, meins Zerreisst wie todesschrei von tieren.

PERL EN

Wir aufgereiht an lasser schnür Der welken nonne handgespiel Wir rollen ewig gleicher spur Und drelin uns nur.

Wir klirren kaum. Ein blätterfall Im herbst gibt lautern Widerhall. Wir stossen, kugeln, wer zersprengt, Ist staub der sich dem staube mengt.

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Dichtungen

Bis der gequälte faden spleisst, Die nonn ihn ungeduldig reisst, Dann gibt es bunter perlen viel Und jed ist ziel!

VITA IN MORTE

Ganz einsam sei, ganz nackt, ganz leib du seele Stille dein herz, dein hauch eis, stumm die kehle,

Im eignen quell steh, zwing den quell, er spiegel’ In dir sein aug, umzirkt vom schwarzen tiegel:

Dann bist, ein widerschein, zusammenronnen Dann hat sich Gott und träum zu dir besonnen

Auf dass der tiegel tod an dir zerspringe, Du endlos nu seist, mitte seist im ringe.

DIE SCHWELLE

I

Noch wähnten wir uns heil und eines Und waren lange lang beäugt Vom mahre knisterroten Scheines Den uns die feindin zugesäugt

Bis er auf schlackenkahler esse Sich geil an unserm blut behagt Beim rabenschrei der argen messe Das heilige bildnis wüst zernagt Dass sich das bild der leib verkehre Eh er sich selber zugereift . . . Wie eine süsse wunderbeere Als haariger wurm die lippe streift

Der Umkreis

Dann, fortgespieen, nicht frucht nicht larve Nichtsnutzig faul in lauer schmach: So wars als unser herz, die harfe, In mir und dir mälig zerbrach. II

Rückst du aus verschränktem daum Pochst im dürrholz »ja« und »ich« Huschst und pirschst aus unserm kaum Übers blatt gewischten strich? Bist du wer ? Her! komm her!

Streichst im wachschlaf übers haar Ziehst die ferse leis so leis Sagst aus dummem sude wahr Blühst zur hellnacht taubes reis? Bist du wer? Her! komm her!

Bist du Schemen bist du wicht? Zuckst noch puppe ? warst schon draus ? Armer abglanz? wirklich licht? Bist du bote? bist du graus? Bist du wer? Her! komm her! III

Nun war die kette zugezogen Nun stiess und quoll und sprang gefunk Nun wölbte straffte sich der bogen Nun gor im blut der zaubertrunk.

Geschlossnes aug fand innenhelle Die mächtig aus der mitte floss Bis glut an unsrer herzen stelle Blauklar und gross ins leuchten schoss.

Und aus den gluten wuchs ein spiegel Und in dem spiegel springt der strahl

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Dichtungen

Da brachen schwellen, rückten riegel Da wurde name frei und zahl:

Sieben schlägt an, die Worte rinnen Die kette kreist, entbundne stehn Geboren aus geheimen minnen . . . Abdel wir haben dich gesehn.

HERBSTHALLEN

I

Du bleibst als goldner staub An meinem herzen haften Wie flimmern im müden laub Wie spitzen am gerafften Zu lang getragnen kleide, Das netz vom ungewissen, Schein neuer augenweide Schrei’n aus verdeckten rissen. II

Du warst meines Schrittes Zu dumpfes geleit Dich hielts mir, mich litt es Nicht lang dir zur seit. »Wer ist der vermeinte« >Du nicht< scholls zurück Was einmal uns einte Fiel ab stück um stück,

Vernäh nur die schramme Und birg dich im schrein: Dich schreckte die flamme Mich tränkt sie wie wein.

Der Umkreis

HI

Weil nun das ende müde fäden zieht Zittert dein atem einmal, noch einmal Ich lehne an der wand den atem hör ich: Kein laut aus deinem mund -

Ich habe keine ruh, die fäden spinnen, In strähnen klebt dein haar Und was uns war ist tot und schon vermodert: Zittert dein atem einmal noch einmal. IV

Stehst du wieder, wahn in den wimpern, fragend Immer nah uns? Keiner der unsern immer Überwach von gierden und quäl geschüttelt? Wehrende tore Öffnen endlich: siehe dein Herr hält einzug Efeuschlingen triefen vom schweren haupt ihm Stark erbraust sein rufen: heran mein heervolk Rausches getreue! Äste glühn und brechen im grünen scheine. Flimmrig rieseln goldenen schäum erlösend Wirbel schwillt und lächelt aus tanz und tränen Schwinget und hüllt dich.

Ruh in uns, wir ruhen in dir verronnen Nun die stunde blinzelnd und scheu hereinlugt So die stillen bräutlichen laken glättet Minnern und göttern: Eh das licht lischt wachsen die schatten länger Traum steht auf, altewige grenzen schwanken Wir vom dampf vom träufeln genährt erblühen Ehe das licht lischt.

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Dichtungen

IHR HABT den tag zu lehn: die trunkenen Sterne Erbrausen uns, ziehn uns brüder in ihre reihn Aus ihren dolden fallen entfesselte kerne In unsere herzen: wie kalt du sonne, wie klein! Euch alles was ihr greift, uns alles was wir spüren Die wände strahlen durch, die grenzen wölben türen. Wir fliessen unstillbar, unser ist das schlürfen, Unser kein bauen unser kein schürfen, Die wetter sind uns gut, schenken uns gurgelndes lachen Lachen im wirbelrund uns wellen uns nachen.

DER BRUNNEN

Geruhig haus, vom eignen blut getauft, Triefendes wölbdach über dunklem äuge: Uralten efeus vorgebogne ranken Blicken ins kühle herz dir, deiner trauer Lautlosem atem fromme hüt . . . verwehren Dem strahl hinabzuflattern und zu tauchen In deinen dumpfen ewig steten sund. Hast du in dich gebannt verlorne flammen? Sind üppige tänze tief in dich versenkt? Schlangst des gewaltigen felsensprengend lachen In deiner stille unerbrochnen sarg? Der Herr der Wandlung hat dich angeschaut Und schwarze traubenbündel schwellen auf Am efeugitter und ein neuer schein Schwimmt überm blinden spiegel, mattem stein Entjubelt offner blütenmund, die götter Tasten im schlaf einander schlanke lenden: Erwachen schreitet um dich stummer quell.

Der Umkreis

DIE KUPPE

Mantel der bucht, die lieblich liegt am meer! Eisblaue flammen deiner starren falten Hinterm zypressental schrecken und wahren: Wachtfeuer so die heilige grenze schürt. Den blick verwirrend wollt er drüber jagen Gnädig dem blick der sich beschied. Die stürme Der ferne splittern ab an dir. Dein land Ist unter solchem kühlen flammenanhauch Innig gebunden, birgt geheime süsse Im schatten deiner strengen mutterschaft. Dich und dein kind grüsst er der Herr der Wandlung Der alten götter reine bilder kränzend Verlornen inseln alter Sendung winkend Das ende wissend aller alten prac|it. Doch Seine trauer sieht dich zwiefach schön Dich himmelsrand - dankt, ruht an deinen bö’n Steigt über sanfte ölbestellte stufen Bis Ihn das neue wunder weiterruft.

DIE BUCHT

Dir in den äugen war das licht, es brach Wie brandung um die steile Stirn und heller Entrückter schien dein wissend haupt irn licht. Hoch auf gefugten stein warst du getreten Aus wildem lorbeerschatten dornumzackt Und übers meer weit streifend ging dein wehn. Segel um segel zogen gleissend kreise Wie schwäne auf den ruf des wechselmonds Noch einmal um die frühem schatten fahren Zum abschied mit gedenken sich den blick Ersättigen - dem ungebornen morgen Nur breit-geschwingter heilige brust zu weiten. So unter deine atemsmacht versammelt

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100 ’ Dichtungen

Stand meer und klar gebirg in der Bereitschaft. Und was von sklaven murrte oder schnob Und was geduckt die schweren rüder schob Floss tönend mit in Einer Grossen Glorie.

DIE KELTER

Grad ob dem meere stand ich, seine haut Weit ausgespannt zerrieb sich hell am himmel Und sein gepresster atem keuchte laut, Doch lauter schrie die stimme Die über wogen wölken zu mir flog Mit adlerprall und zornigem gerüttel Die pforten aufbrach und die seelen sog: Ihr herzen in die Bütte!

Trauben in eigner flamme gar gekocht Der winzer ist erwacht, der erntebrüller Fährt in den wingert, euer saft erpocht Zersprengt die hülle.

Ich will euch stampfen hochgeschürzten beins Quellt über, gischt im kelternden gewitter, Ertränkt und schwängert heilige fluten weins Mich Heilige Mitte!

BERUFUNG

Banne mich nicht. Vom anhauch deiner liebe Entflammten meine scheiter und in dünsten Schlägt nieder toter träum vor wahrer helle. Verwandelter banne mich nicht ... du weisst: Wen einer sich erschuf zu seinem gleichnis Den hält er bei sich über wähl und wollen.

Der Umkreis

Für eine zeit die keiner ausgezählt Stehn Petrus und der Herr verschlungner hand, Der Petrus der dreimal vor hahnes schrei Derselben armen nacht den Einen abschwor Und dieses Einen Andrer immer ist Sein schatten auf der rundbahn immer ist Sein grundgewachsner fels sein lukenturm Gewölbtes haus mit herd und bettgespreite, Verwunderlicher pfleger ist des Einen, Im innersten der Sendung und des leibs Dunkel gedächtnis schirmend trägt und tränkt: Ich bin dein knecht ich will dein Petrus sein Denn heute hab ich deinen Gott gesehn Im fleische vor mir stehn und du warst fort Wie ich dich sah als deinen gott und meinen: Und habe dich in mir gespürt.

die stufen treiben Wir tasten treten sacht Und unsre lamp ist nacht aber

Aber die stufen hallen Wollen die seelen fallen Der stufen-engel hat acht Aber die stufen sind scheiben Wir drehn und drehn und treiben Und keines wird gedacht.

MENS C HENDÄM MERUNG

Die lezten leben auf steinen Lassen die sterne weinen Sind seelenallein

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Dichtungen

Die lezten leben im kalten Wollen warm sich halten Bein reibt bein Die lezten sind magre glatzen Krallen mit welken tatzen Zirpen grillenfein.

GESPENSTER

Zermürbter niederschlag an simsen und grauen fliesen Tropfende seelen zappeln am fensterbug Müde laternen zucken im geisterzug, Seelen verblassen Wieder in die gräber unter wiesen, Drunten im gewurzel wuseln sie lieber Hassen der falschen lichter züngelndes fieber Hassen was sie gemahnt, hassen was sie verwiesen Hassen das hassen.

- ich seh euch wie von weitem Noch ein kurz blitzen deines augs, ein lächeln Schneidet zu mir, ein kinderarm zuckt hoch versinkt

Ich blicke blöd verwirrt denn in mir brennt Ein weisser schein der alles dunkel macht. Ich war den scharen nah verbündet, frauen Drängten im flur vor und mein name klang. Jezt hab ich Schleier übers haupt geschlagen Jezt stopf ich wachs ins ohr, nur mir gehör ich Ich mir geliebte, land ich mir und sonnlicht.

Der Umkreis

OB DU am sumpfrand stockiger weiher Die müdgewühlten furchen ziehst Und durch der zitterhecken Schleier Der argen abendangst entfliehst -

Brand schlägt dir tief in die gesichte Vom wassernebel unverjagt Aus rotem hexenstamm der flehte Ein gierig flimmern dich benagt; Blattrascheln aus des dunkels keuchen Ein vogelruf der ahnt und droht Wollen dich schütteln dich verscheuchen: Der teicli wirft blasen bläulich tot.

FAUBOURG

Hier hat die sieche gier den gelben zahn In ihrer lefzen schwammiges fleisch gewühlt Hier hat der ekel selber sich vertan. Im winkel ächzt der tod und will nicht dran.

An rot besprizter mauer aufgepflockt Ein mann? ein mantel? Eine kommt angesockt Die dunkle Striemen mit der hand befühlt Und wimmernd in der estrichlache hockt. . .

GESPENSTER

Im mond die schatten doppeln Gespenster ziehn auf stoppeln Sie krabbeln aus den gängen Leis raschelnd mit den fängen Rund durmelt über rund, Hüben und drüben wund

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Dichtungen

Schweisst der zernagte rand Bröckelt die bodenwand.

Das reich ist überflossen Von lüsternen grabgenossen Von Schwaden flockenwollig Halb düster und halb drollig Ein kugelig geleucht Gewöll, erdatem-feucht Ein fledermausgeschwirr Ein gackern und gegirr.

Sie schnobern über dielen In volle Schüsseln schielen Mit kauz und ratz und käfer, Schwer röcheln alle Schläfer Die glocken sind verstummt, Wo je der schwärm gemummt Dorrt aus der quell im gründ Verfahlt der rote mund. ANRUFUNG

Ich bin gewärtig dessen der niederreisst Komm über mich wer immer du seist Wenn du mir wunden leihst Wenn du mir wunder leihst Will ich verschwimmen Will ich ergrimmen Will ich schimmern :

Du bist und ich soll dich gebären Aus mir. Du grenzenloser hilf! Noch bin rauchgrau mein gewand ist hären Der ström der ström treibt saft in dürres schilf! Die berstenden kolben stäuben brunst Auge sonnt aus zerstobnem dunst.

Der Umkreis

stechen zieht die stirne kraus Hinter mir fällt die tür: das alte haus Ist wie ein sarg kahl - obs gespenster hehlt? Aus fugen bröckelts, an den fenstern fehlt Hauchblinde scheibe.

ein giftig

Bin ich da heimisch? Ist mein stab noch gut? Die haare wirrn, an schläfen klebt der hüt Wie mir der frühwind sonst im nacken lag! Nun quält die schwüle, zahnlos schnappt der tag Nach meinem leibe.

alles erbe in dich fassen Einhüllen dich in dich, den Gott verprassen Mit angebornem glanze dich umlenden End stierst allein Lass deine rosse wenden du wolltest

Sie scheuen. Halte heisser lenker Pfadferner. Das gestänge splittert Der wagen schleudert. Siehst Gott Henker Den deine tiere schäumend vorgewittert. Lass los, sie schleifen dich, der greis am galgen Grinst dem verlornen, seine raben balgen Sich um dein schwärend fleisch im falschen schein Verrufner gassen.

der winter weiss gesalbt Unwirsche schwüle dich verfalbt Hast mit den ratzen dich verstaubt Hat dohle dich ins nest geklaubt? Du rollst und rüttelst ruhvergessen Als hättest nie am herd gesessen Als hättest nie vor Gottes stufen hat dich

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Dichtungen

Gestanden segen anzurufen Als wüsstest nichts von bergen, keltern Du kinderbar du ohne eitern: Allein ein losgerissen blatt Das nimmer seines gleichen hat.

IST einander weh zu tun Der tod lässt tote nimmer ruhn Keinen toten die toten begraben, Mit stumpfen messern schaben zeit

Sie sich vergilbte knochen blank. Der tod ist an sich selber krank Schwer schleppt er an der sense, Vom schlaffen maul die trense Fällt seinem abgetriebnen gaul Der tod ist krank der tod ist faul Denkt nimmer an ernten an lesen Nun muss alles wesen verwesen.

im dunst - die blicke gleiten ~ Uber der grauglitzernden stadt hart scheinen Aus dem schattenspiel von lachen und weinen Dir dein feld bereiten.

ich seh dich

Tod mir freund, gruss dir trauriger mäh er Wartest saat nicht ah, stampfst in die keime Stehst frühauf und lugst hlutaugiger späher Nach dem quillenden seime. Tod machs gut. Dein werk ist mehr denn der Schwaden Deiner helfer zug die lüft und land verpesten. Falle was stand, tod, alles frass der maden Heil den unheilfesten.

Der Umkreis

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DER HERR ZUM HELDEN

Gegürtet mit dem dornkranz den ich trug Verbissen in die geissel die mich schlug Im faulen stroh der sieche eingerollt Des tods gewärtig der dich holen sollt: Goldblut und Strudel du, der brünste krater, Kochende Wurzel, honigtrunkner vater Lachender gaukler mit dem ball der weit Du liegst zerschellt.

Hast du die wende aus dem kreis gehoben Als toller deine rosse schnoben schnoben Du viel vor ihnen stürmen zugesellt? Du liegst zerschellt. Hast du die ewige wage quer gebogen Als stolzer deine adler flogen flogen Hoch über sie dein sprung ins licht geschnellt? Du liegst zerschellt. Werber des Ringes der das schwarz umzirkt Meister des webstuhls der sein werk zerwirkt Dich lieb ich, äuge in des wahnes rachen Du Nu draus funkelnde flammenschlangen stachen Du knäul von opferfackeln strahlen schalen Du leere fülle dich mit Meinen quälen Nimm mich mich, nimm wahn was dem weh entquellt Liege zerschellt.

WELT-ENDE I

Als wäre die lüft gemahlen glas Verwestes dürrhaar laub und gras Als wollten die berge beissen

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Dichtungen

So rasselts kräht und krazt und zischt Um kaltgenezte schlafe wischt Ein geierflügelkreisen. II

Am lezten tag herunter fallt Ein tropfen in die urn Das schrillt wie sprung im urbasalt Wie tausend Spindeln surrn

Klingt wie ein schwert auf bein und stahl, Gerissner glockenstrang Wie spätnachts ersten hahns geprahl Wie jungen eises gang: Und über fliesst der urnenrand Urn ist voll blutigen weins Einbricht die blaue himmelswand Und nacht und tag sind eins. lampen Sind wir verschwistert Die leise geknistert Verglimmend am dach SEHNSÜCHTIGEN

Wir fliehen und blinken Wir winken und blinken Vermählen den hauch

Sie dämpfen das dunkel Gebären das dunkel Aus rausch und rauch Wir schwimmenden lampen Enttauchen, versinken Süss klingen die zinken Den wirbel nach.

Der Umkreis

1CH I

Ich habe himmels himmel durchgespäht Ich hab in alle erden mich gesät Ihr brecht mich euer täglich brot Und lasst mich in den untern feuern schwülen Verstosst mich in dem mörser eurer seelen Ich bleibe der ich war einnächtiger spross Vom vater ausgetragen, aus zerrissnem schoss, Der mutter mörder, ungestüm entsprungen Ich bin von dem das erste wort gesungen Der kalte stein im herz des niedern tiers Der schwarze stab des zeugenden paniers. II

Du mund der weit rotstarrend vorgebirg Ins blau hinaus gebogen und gebannt Den Schiffern arg die aus dem dunkel dich Suchend umgehn mit quergestelltem steuer Was bist du mir ruhlosem angekrampft An deinen nackten abhang, mund der weit? Verheissend schlürfst du oder atmest schwer Ob unsre gier dir nah ob unsre vorangst Offenen gähnens, hall-los wie die stimme Die sich uns ausschweigt seit Jahrtausenden. Greift ihr nach neuem frass zerrissne ränder? Du mund dein lachen ist verdorrt und fahl Dein weinen springt scharf ab, der mittag steht Vor dir, ein ausgespannt verloren segel. Der lezte ferge furchte dir den meersbug Und hinter dir, sag ichs?, verstummen zeuge: Ich und das riff gut feind! einander wert!

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D ichtungen

SPREU geworfelt auf den brettern Ja zu staub gemahlen von dem stein Aschendürr gesengt von gottes wettern Muss dein leib dein blut dein lachen sein.

ja zur

Stirb in andern, in dir stirb, verfallen Im besprizten winkel, schandbehaust, Knirsche niedriger, bespien von allen, Schlaggeballt ob dir der rache faust. Ist das tal der quälen abgetastet Bist nur du verstossner ausgewählt: Fahn aus nacht, der nacht ins herz gemästet Wehst tagstrahlend, ewigem tag vermählt. I

GEHE HINÜBER, deiner harrt die brücke Gehe hinaus, die pforte lockt dich fast Geh geh, zerschlag die tasterin die krücke Sie ist ein totenfinger der dich fasst Der dich verhaftet an das unhaftbare Wo du noch einmal willst, greifst du das nichts Wo du dich streckst, dampft die verwesungsbahre Und wo du rückschaust: wie ein spiegel brichts. Alles ist blume blatt aus blatt erfaltet Stets weht erneuter pollen jüngster staub Die welle, eingefangen, ist entstaltet: Wirf in die freie dich! der brise glaub! DIE MAUER

In der verschollnen klosterstadt ein mittag Am weg zum schmerzensberg. Schon firner helle, Die lezte überjährig warme klarluft Umklang, umschwieg hüglig bebüschtes land

Der Umkreis

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Das wie vergangne falirten weitab lächelnd Nicht mehr verführte. Unser äuge hing, Innig ihr zugekehrt, an blanker wand Die, ein gefüg atmender strenge, einschloss Erschloss geheimnis, selber ein geheimnis. »Mauern erfühl ich. Mauer mein gesetz. Mein lebensstrom ist mauern eingemündet. Alles ist mauer.« Seele, sprachst du so? Verstummtest du so ... völlig einbezogen Ragendem aufschwung, Umschwung, starrer brüstung Im strahl-entfesselten schimmer. Alles ist mauer. Mauer menschenleib. Lockung und abstand, mehrend und betörend. Kein einlass einblick. Fugenlos. Versperrt. Du tatest dich nicht durch. Dir ist versagt Was hinter schmeidiger mauer blüht, versprüht Sich staut und abtropft. Im verwesungsdampf Das spiel erneut, was springend sich genügt An rundlaufs Wiederkehr, was faltert, flattert, Sich würgt und wirbt im fricdhof, lusthof leib: Alles der mauer eigen labyrinth Der gottesmauer. Äusser ihr ist leere Ist schrei, der ungehört an wölken bricht. Alles ist mauer. Mauer menschengeist. Er baut sein haus, wohnt in sich, alle weiten Zieht er sich ein. Sein licht ist seine wand. Denn geist ist grenze, schnitt, ist Scheidewand Für hier und drüben, schranke, schwellen-ernst, Der schicksallosen, uferlosen welle Verheissungs-muschel und gebieter dämm, Strahlender fackelturm, gewölbte zelle Vielhalliger dom und schwarzer katafalk. Birgt sich, gibt sich, ist glühenden eises mauer Ist menschenmauer. Äusser ihm ist leere Ist schrei, der ungehört an wölken bricht.

112

Dichtungen

Alles ist mauer, stellt am weg zum berg Zum schmerzensberge der Verklärung. Seele Der mauer einverleibt und einvergeistet, Ganz mauer: werde weg! Und alle mauern Verschmelzen und bewahren und verwandeln Von bild zu bild geboren ihr gesicht. Weg ist die lust der mauer, ist ihr kreissen, Ihre erlösung. Siehe, wie sie ringt, Sich hinstreckt klimmt und ungeduldig drängt, biegt, Am gipfel tanz um heilige mitte schlingt, Umgeht der bilder bild. Die mauer weg Ist einsamkeit und innerstes gesellen, Vereinigung, ziel und überschwillt die schwellen. Die mauer weg ist gottcsmenschenmauer, Blutreigen seligen blutens.

Aus der Zeit des Umkreises

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Dichtungen

PANDORA

I

Meine Schwester! wie wild War der steig und wie steil Bis das heilige heil Bis gerettet das bild.

Meine Schwester - das bild Warst das bild - hebst die hand Bist das land unser land: Morgen glüht im gefild. II

Wie die grüfte bang krachen Hörs, aller seelen seel Des starren angers lachen. Der nachen Der tod nachen Siehe fährt fehl.

Dem tod geheimen kranz Hast du gebunden Aus drang und glanz. Der tanz Der tod tanz Ringt blum und wunden.

Königin dein erwachen Ruft wende dem lauf. Ihr tanz und krön und nachen: Das lachen Der gäste lachen Bricht die siegel auf.

Aus der Zeit des Umkreises

III

Die schatten schleissen Das dunkel ringt Wildwasser kreissen Windwolke schwingt.

Baum bäum der tiefen Wurzelwank Nachtgrund versank Irrlichter liefen. Baum bäum der wiesen Blüh frühlingsschlank Vom träufeltrank Aus Sternverliesen.

In weh und wellen Atmet der brand Land wird zerschellen Flut ist land.

OB die Sterne stehn ob die wasser gehn Mag die lider nicht heben zum sehn Tot mein mund, kein schrei zerrisse Schnürende finsternisse. Bis die wimpel flaggt steil übers meer Bin ich gereiht in der unholde heer Muss an den tau-benezten grenzen Harren herbsten und lenzen Bis mein meer seine segel hisse.

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Dichtungen

roten tor 0 wie kranken wir Bricht ein feuer vor Sengt stab und flor 0 wie wanken wir!

aus dem

Die zum herd erlöst Zum dampfenden schlund Wir in suchte gekost Vom grimmigen rost Wir sinken im sund.

BRÜDER

Mein bruder lass ich dich, mein bruder lässt du mich ? Wer warf die schlimme saat aus ob uns beiden? Nachklingt das saitenspiel der träum entwich Verruchtes grauen schlich Zu tränken seine gier aus unsern leiden. Da wir uns eingebahnt Wildnis und tann Ihr wehrenden die uns sorgsicher hegten: Entweiht auch ihr wer brach in euren bann Den nie ein strahl durchrann Durch den nur unsere tanzenden stürme fegten. Das saitenspiel erklingt mein spiel klingt und dein spiel Aus dem seellosen dickicht gramverworren Nah brannt o bruder unser wunderziel Vorabend fiel Giftiger tau und wald und wir verdorren.

Aus der Zeit des Umkreises

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DER TAG-MAHR

Wann kommst du nieder nacht wann endest nacht Des immerwachen tagbrands glutenschacht? Jahrlange quälen wie sie furchen ziehn Seit unser leib lezt sprang von kühler streu Und golden in den morgenschimmer schien Er, neu gelabt, gelobt die sonne neu Wir wollten, denkt euch? unsre lieder brausen! Und als die ersten sich zur runde schwangen Lachend geschmückt heiss kam ein greis gegangen Hären und rauch, am stabe, den die wucht Riesigen Wuchses abbog, böse sucht Stach ihm aus stierem aug, fezt ihm den bart Sich selbst zur last war er dem glanz gespart Der sah uns an und stand und sah und stand Und flehte: »Lasst mich bei euch hausen Ich bin wie ihr« . . . »weg du aus unsrem land Das ist des jammers schildknapp will uns küren Von blumiger halde fraun und freunde führen Durchs tor hinab die lichterfahle fahrt. Die tollsten die zur höchsten kuppe sprangen Will er . . .« »ich will nichts mehr lebt wohl sterbt wohl« Er wankte weg sein ruf klang weit klang hohl Sein stab war da er sich gewandt zerborsten.

Wir sahn ihn nimmer doch seit er gebannt Sind wir in wahneskrämpfe festgespannt Drängende gier versengt und bohrt und zehrt Schlangen spein unsre küsse, wild verkehrt Taumeln die tänze und die lieder kreischen Kein schlummer füllt den blick, heilloses heischen Bleckt auf zur sonne ewig starres horsten.

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Dichtungen

GASTGABE

Lichtsee breithin rastend im klaren Spiegel der wölken, der sonne seim Fergen und Schwimmer die dich befahren Trage sie lichtsee zum schimmrigen heim!

Süchten und schauen enttrieft dein glänzen Du aller schlacken lauter-tiegel. , , Liebliches brausen über den grenzen Sturmnacht von eh, ein säuseln dein siegel. Taue du nieder, erquicke quille Dass wir geweiteten auges sehn Wie sie sich baden im leuchten der stille, Silbergewinde sich selige drehn.

NIRWANA

I

Bin am gestade, hinter mir das branden Hinter mir fratzen Schemen ungeheuer Die kiel und mast umschossen, mich vom steuer Zu drängen sich im wahnestanze wanden.

Gehobner fuss du zögerst noch zu landen Noch sträubt das herz in seiner bilder banden Noch träumt der blick in ausgeglühte feuer Noch summt die biene mir zu früh. Ein neuer

Bin ich, bin der ich war. Die lezte scheide Dünkt mich die steilste: in die leere fassen. Ich lernte auszulieben auszuhassen. Ab wandt ich mich vom Schleier und vom kleide Nackt in das nackte mich hinabzulassen, Nun sinn ich traurig über meer und heide.

Aus der Zeit des Umkreises

II

Da steht im halbkreis weiss und bunt von flore Unbändige schar vor mir: männer und frauen Erhobner hände, mächtig auf den brauen Ein wetterleuchten über ihrem chore. Und wie mein aug erwacht in ihres bohre Tritt Einer königlich geschützt im blauen Sternmantel näher mir. Sein schild zerhauen, Einäugiger held, des bart beginnt zu grauen:

»Ich war bei dir im heulen nächtiger brise Dich hat mein ruf genährt, gewaltiger ringer, Wie viele recken zwang dein eisenfinger! Wie vielen mägden sprengtest du die schliesse! Klagt raben klagt. Der lezte speereschwinger Brach seinen schäft. Leer ist die Wodanswiese.«

in Und einer jung und nackenflaumig breitet Die hellen arme wie aus wölbiger kühle: Nie mehr wirst in das schwangre tal geleitet Wo du hinlagertest auf zottigem pfühle. Über dir sternlicht, das die weite weitet Rings fackeln wimpeln wehruf lustgewühle Und der den elefanten schwelgrisch reitet, Zwei kelche hält. Er selber. Und er leitet Den katarakt zur goldnen keltermühle. Brachst ihm die treue dass er dich verstosse? Bar stehn des taumels der erneuung bänke Der tränker selber fällt der keinen tränke.

Bacchus mit dir welkt efeu reb und rose. Du sänkest hiess es wenn dein spiegel sänke. Erfüll unsterblicher des sterbens lose.

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Dichtungen

IV

»Du hast dich losgerungen, glaubst, ins wissen Von klarerm strahle denn des geistes leuchte, Willst schwach und zag vergilbte segel hissen.« Ein greis grollts - »Dem ich einst die dünste scheuchte Vor dessen hämmer alte götzen splissen Dem urgeweides seim und innre feuchte Zur frucht gerann, der sich aus finsternissen Eisklares licht jubelnd ans herz gerissen, Der grub in alle gräher seine schachte Schatzfinder, kronenhrecher du, umkehrer Der hoch stieg bis er rausch und wahn verachte Mit menschenmaass die schöpfungstat vollbrachte Der mich erröten liess, der menschen lehrer: Am ende rufst die nacht dass sie dir nachte.«

v »Erkennst mich Idis« haucht sie weisser wangen Gesenkter wimper zitternd in den hüften »Wie du die sträubende am bach gefangen Wie unsre pulse ineinandersprangen

Das war ein flimmern ausgestreut in lüften Da sehnten staubige schemcn sich aus grüften Da wollten Ewige erdenart erlangen, Blühn eine wende lang, strömend verdüften Im Übergang. Und drang und tränen flössen Gelöst wie schmelze von gebirges klammen Talab, wir standen sicbenfarbne flammen Die flammen sanken, asch ist ausgegossen Zersplittert sind des himmclsbogens sprossen: Du wendest dich, wer kann die trümmer rammen ?«

Aus der Zeit des Umkreises

Vi

Hoch wie ein nebelberg der schwarze schatten Wuchs über licht und see und die gestalten Zergingen in dem schatten. Seine faken Umwandeln die sich nie ersättigt hatten.

Ein riesenarmgerippe hat gehalten Den schatten über mich, mich einzugatten. Poch unbewegt stand ich auf dünen-matten. Der schatten wuchs - wich ab, die himmel schallten:

Entrückt entrannst dem dunkel und der lichtung, Kein gründ so gähnend tief dich einzuschlingen, Dich zu gebären. Du enttauchst den ringen. Vor dir abmattend fallen meine schwingen Du Einer musst den Endiger bezwingen, Vernichtet hast, Un-Endiger, die Vernichtung. VII

Und meer und strand und schattenberg verwittern In dunstlos schweben dünn zerdehnter sonnen Zu stundenleeren fristen ausgesponnen Drin aller stimmen stille stimmen zittern, So ein und rein wie da vorm weitensplittern Allwaltend Eingeborner unversonnen Sich schlafend wach sah, vor ein gott zum bittern Zu zeugens weh verstiess traumbare wonnen. Ich bin in mir, bin äusser mir. Die stelle Da ich gestanden schlürft die lezten wenden Weit hinter mir verebbt die lezte welle.

Von meinem tränlos süssen gram verenden Die stufen und die grenzen und die enden: Dunkelstes dunkel ich als hellste helle.

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Dichtungen

SEHT IHR MICH NICHT...

Seht ihr mich nicht? Sind eure blicke blöd Vom stumpfen lichte? Seht ihr nicht den knaben Im unverhüllten zug der Tausende? Mitten durch eure reihn geht kühle leise Geborgne fahrt woher wohin wir reisen. Der lässt mit schwerem fusse kaum den boden, Den treibt ein feuer um, die tanzen, Die stehn und reden, drüben schlummert wer Das haupt im arm - und keiner bleibt zurück Und keiner ist der erste bei den marken Der ruhevollen regung . . . Doch ihr merkt nicht An eurem karg bewachsnen uferrand Der gräser rascheln, aller kreatur Wollüstig frieseln, wisst das wunder nicht, Im immergleichen zug den schmalen krug Der mir zuteil ward. Rückgebognen leibs Halt ich den triefenden, ich hortes herr . . . Die andern tragen nichts die mit mir sind . . . Rührt euch mein wehn noch nicht: ich hauch euch an Vor dem ihr betetet als dem Verheissnen, Ich euer einig kind und kronenerbe, Der euch entschwand, ich darf nun - weint ihr noch? Ich darf nun euch und alles was da war Und wacht und west im schoss mit ewiger netze Fruchtend besprengen . . . Hoch heb ich den krug Den tränenkrug der immer überquillt Vom segen der in heiligem fliessen rinnt Von eurer trauer und von jungem wein Von himmelstau und blut - hört ihr - und blut.

MUSS ICH FALLEN seis durch dich.

Dein versippt gesinde Dürstet nach dem lanzenstich Nahmst von uns die binde

Aus der Zeit des Umkreises

Hast die sehenden gereiht Gabst uns leib den funken Machtest uns in dürrer zeit Blühend, schwanger, trunken. Unser herz will vor dir knien Unser hauch dich fachen Sollst auf unsenn blutmeer ziehn Stern im goldnen nachen.

IHR ruft ihn nicht er sei denn eurer mitte Herabgesenkt die seine sohle rührte, Ihr ruft ihn nicht er sei denn eurer bitte Zuvor genaht, eh euer dürsten spürte. Ihr ruft ihn nicht es ist kein mund zu weit Den retter herzuheischen dass er kam. Doch seid gewiss er kommt, schenkt sich der zeit Im weissen wehen der erneuungsscham.

dieser STUNDE gnädig schenken

Kam aus tiefstem atemzug, Mussten dunklen blick versenken Der zu dir in flammen schlug.

Du die kelter wir die trauben Wir die bliiten du das reis Wie der Göttin schwebetauben Zogen wir um dich den kreis Heiligen kreis von feuerkronen Höchstes herz an dir entfacht: Musst in unsrer mitte wohnen Bist uns mittag, mittenacht.

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Dichtungen

die goldncn zacken überm hüt Stolziert als lierrn am schätzereichen hafen, Ob ihr mit gellendem orlog-getut Den feisten schlummer fortblast von den braven: ob ihr

Euch und den braven ist das ziel gesezt Die meute geifert, gleich wird sie gehezt. Die wölfe wittern blutgeruch Der stier rast: weh euch rotes tuch!

WIRR HABER überwuchert alle zäune

Der worfler schüttelt taubsamfall durchs sieb Der mürbe staub zerflattert im getrieb. Wir gutes körn, umhegt, verborgne scheune, Korn ungesät nicht matter wurf der väter, Gottkorn erkeimt auf ungepflügter brach Im erstlingswunder sonder zeugensschmach: Wir sind das licht in uns erklingt der äther!

Wir sind der kern, darin die wende leise Umkehrt, sich anblickt lezter not bereit. Schon quillst du über, Scheune Ewigkeit, Schon strömt der segen liebend durch die kreise.

die weichen Hart knarren die speichen Die gäule brechen aus Scharren und bocken. Kein faden trocken An hemd und flaus. schon bluten

Ein mähneschütteln Trotz zerren und knütteln. Knechte lasst und weicht:

Aus der Zeit des Umkreises

Eure tiere spüren Stimmen die sie rühren Hände die heimführen, Folgen fromm und leicht.

Schlimmer Grinsender wie ein gespenst Schwirrten im heissen zimmer Schemen die du kennst. abend kam.

Fuhren aus bröckligen rahmen Vor wie die viper sticht Alle hatten namen Keiner ein gesicht. Standen pressten fezten Luft ward schleimig dick Hockten auf dem entsezten Bliesen aus den blick. Nun mit dem blöken von lämmern Greint in mir was du weisst Hör deine pulse hämmern Alles andre vereist.

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Die Stimme spricht

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Dichtungen

VORSPRUCH

Sein ist Schweben zwischen Polen Tod ist Leben unverhohlen Traum ist innigstes Erwachen Liebe ist des Weltalls Lachen Sinn ist Licht und ist Versenkung Schicksal Reinigung und Lenkung.

Die Stimme spricht

herr! ich will zurück

Herr! Ich ■will zurück zu Deinem Wort. Herr! Ich will ausschütten meinen Wein. Herr! Ich will zu Dir, ich will fort. Herr! Ich weiss nicht aus und nicht ein! Ich bin allein. Allein in leerer, atemleerer Luft, Allein im Herzen, vor mir selber scheu. Alle meine bunten Bälle sind verpufft. All meine Weisheit ward Dunst und Spreu. Ich bin arm, Gott! Neu

Neig Dich her wie den Vätern, Oder triff mich mit Deinem Strahl: Auch den ärgsten Tätern Warst Du nah einmal. Zeig Dich, Gewölk oder Feuer, Hol uns zur Wüstenfahrt Herr, sind wir Dir nicht teuer: Warum hast Du uns auf gespart?

Ist der falsche Tag nun verstrichen? Brach die Nacht hinter uns entzwei? Alle Sterne sind blind, sind verblichen: Ruf uns, wir rufen Dich herbei Noch vorm Hahnenschrei Kommen Deine Boten geschlichen, Ohne Laut geschlichen -

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Dichtungen

DIE STIMME ZUM MENSCHEN : WO BIST DU?

Wo bist du? »Ich verstecke mich . . . Sieh, ich fürchte mich sehr!« Ich fasse dich, Ich recke dich. Sei wach! Steh, heiliges Heer!

Aus unterstem Angstgrund fisch Ich dich, Winde dich nicht so im Hamen! In stahlenem Flutenbad frisch Ich dich, Du bleibst in Meinem Namen! Ich fahr dir durchs Herz, wie einer durch seine Ähren glitt, Wenn sie schwer sind und ausfallen müssten Und spricht: getrost seid, bereit seid, morgen ist Schnitt, Euch Ernte will Ich mir rüsten.

Aus deiner Seele schäl Ich dich, Aus taubem Geröll und Moder. Wider dich selber wähl Ich dich, Läutre dich im Geloder!

Mein Wort ist Schild, Mein Wort ist Geschoss, Führs gut! Zur Schlacht bestimm Ich Dich, Meinen Knecht und Bundsgenoss »Hier bin ich, Herr! Herr! nimm mich!«

DIE STIMME ZUM MENSCHEN : DEINEM HERZEN

Deinem Flerzen warm und traut, Deinem Herzen schlicht, Hab Ich heimlich eingetaut Dein Mein neu Gedicht.

Die Stimme spricht

Einmal fuhrst du auf vom Schlaf Ganz in Angst gezerrt, Als Ich dich am Torweg traf, Dir den Weg versperrt.

Ja du schriest und warst allein, Allen Trostes bar, Darum presst Ich dein Gebein, Fuhr dir weh durchs Haar. Wie wer Harfenstränge strich, Dumpf Heerpauken schlägt, Liess Ich dröhnen, Menschen, dich. Der Mein Siegel trägt.

Und der Torweg, als ein Meer, Brandete verzückt, Und die Pforten ehern schwer Trümmerten zerstückt.

Denn dein Dröhnen überwand, Denn dein Dröhnen zwingt: Bist die Orgel Meiner Hand, Graun, das Aufgang singt. Licht losch, Todes Stille spricht Tauber Wüstenei: Dröhne bis das Dunkel bricht Du Mein Hahnenschrei!

MENSCH UND EPv

Standhielt ich, wenn auch ich wankte, Drum entbotest Du mir Gruss Ob ich tobte, ob ich dankte Denn Du wusstest ja ich tu’s

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Dichtungen

Unterm Stern nur Deiner Satzung, Unterm Griff nur Deines Fugs, Heut und Hier war Trunk und Atzung, Doch Dein Wort, hinübertrugs. So wie alle bunten Steine Fasst und bindet der Demant, Fand ich rings im All das Eine, Hab in Jedem Dich erkannt.

Dich erkannt? Auch nur Dich spüren Wollen, wär vermessener Spott, Aber vor den tausend Türen Sprach doch jede Schwelle: Gott!

Jeder Abweg war der nächste Ganz gewisse Pfad nach Haus, Deines Lauts voll noch der schwächste Vogelruf im Wetterbraus. Hatt ich von Gedörn und Schlehen Bittern Leides mich genährt, Pries ich Meister Dich der Wehen, Der zu mir mich ausgegärt. War am Herzen und in Händen Tiefer Lust das Blut verraucht, Blies Dein Odem von den Wänden, Warst Du’s, drin ich eingetaucht. Du umfängst mich, nach Dir greif ich Wild, Dir nach durch Furt und Schlucht. Dir, der Kelche Kelch, entreif ich, Dein Gesäme, Deine Zucht!

Die Stimme spricht

HERR, LASSE MICH NICHT FALLEN

Herr, lasse mich nicht fallen, Ich kam aus dem Geheg Bin ich auf Deinem Weg? Ists bloss, dass ich entrinn? Es wirft mich her und hin. Wer sagt mir, dass ich bin Und bin auf Deinem Weg?

Noch bebt ein Widerhallen Der Abendflöte nach Und leis süsser Ruch Doch preis ich den Spruch, Doch reiss ich das Tuch: Die letzte Schwelle brach. Ich geh, nichts lass ich nach. Was wars, das mir gefallen, Was wars, das nun verging? Wem war ich zugesellt Im bunten Zelt? Zerspellt, entstellt, Wie Glas zerspringt die Welt. Scherben erklirrn. Ich bring Ins Land nur meinen Ring.

Ins Land? Bin ich zum Wallen Gerecht nach so viel Irregang?

Die Stimme: Ich sah dich lang. Ich war die Hand, Ich hielt das Licht Du sahst Mich nicht, Warst doch am Weg, im Angesicht,

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Dichtungen

In Meinem Angesicht. Du bist, ja, denn Ich Bin! Du zogst ins Land, Ich zog dich hin, Ich liess dich nimmer fallen. ER WARTET

Ich stürmte hin, ich schleiche her, Erst gings im Flug, nun fällt so schwer Die letzte kurze Strecke. Wer wartet? Nun wird es stumm, kein Hauch, kein Laut Um mich, der feuchte Nebel braut Ums Auge dicht und dichter. Wer wartet?

Treu blieb der alte Wanderstah, Den in die Hand der Vater gab, Da er ihm fast entsunken. Wer wartet? Im Stahe zuckts, er zieht mich fort, Fernher verweht ein Losungswort, Am Wege sprühen Funken. Wer wartet? Wer ists, der mir den Nebel reisst? Wer ist es, der mich weiter weist? O Lichter, tausend Lichter! Wer wartet?

Bist du der Letzte Ferge, hist Weltwürger du’s, der arger List Liegt grinsend im Verstecke? Wer wartet?

Die Stimme spricht

Die Stimme: Ich bin der Tod drin Leben kreisst, Der Endiger, der Sich verheisst, Der Tagstrahl der dich wecke Und wartet.

Wartet bis du Ihn funden hast. Vom letzten Abstieg wink Ich fast Am liebsten, denn den späten Gast Lenkt zu Mir, was ihn schrecke. Halt stets am selben Flecke »Heil Dir, Der meine Nacht durchsonnst«

Die Stimme: Heil Müder dir, hab nicht umsonst Gewartet!

SCHECHINA

Ein Körnlein ist verscharret Im Irgendwo der Welt. Wer auf das Körnlein harret Mit dem ists recht bestellt.

Darf keiner nach ihm graben, Und wär er noch so zart, Mit seinen Wundergaben Bleibts allen aufgespart.

Das Körnlein hat mehr Gnade Wie Gold und Edelstein, Aus Gottes reichster Lade ' Fiels in ein Herz hinein.

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Dichtungen

Da lag es wohl geborgen, Obs rings auch tobt und schrie, Und glaubt an seinen Morgen. Sein Morgen graute nie. Und als des Körnleins Wiege Abliess vom Lebensspiel Da wars, als ob es fliege, Und sucht’ein neues Ziel. So gings viel tausend Jahre Von Herz zu Herzen um, Die Wiegen wurden Bahre, Das Körnlein ruhte stumm.

Jetzt ist die Frist verstrichen. Es dröhnt. Die Zeit ist reif. Schlafdunkle Träume blichen. Heil Ostens Silberstreif! Das Körnlein darf sich rühren. Von langem Rasten satt Treibt es aus Herzens Türen Schössling und grünes Blatt.

Doch dann erst mag es blühen Wenn Jedermann es braucht, Wenn aller Menschen Mühen Im Harren still verhaucht.

Dann Kelch um Kelch erstehst Du Körnlein zu Gottes Ruhme, Dann tagt das Ewige Nun, Duftend in Gott vergehst Du Dann, aller Herzen Blume: Eins ist dann Ruhn und Tun.

Die Stimme spricht

AM SEDER ZU SAGEN:

Immer wieder, wenn vom Wanderstaube Müde, wir geruht in Andrer Laube, Riss der /Indern Faust uns auf voll Drohn: Ihr gehört nicht her, macht euch davon! Immer wieder. Immer -wieder wenn, in Werk und Taten, Helfer Deuter wir zu Andern traten, Liessen sie sichs eine Zeit gefallen, Sperrten danklos dann uns Haus und Hallen.

Immer wieder wenn wir uns vergassen, Selig singend mit den Andern sassen, Fiel in unsern Wein ein Tropfen Lauge, Traf uns böser Blick aus kaltem Auge. Immer wieder wenn wir gläubig trauten, Hart am Abgrund unsere Hütten bauten, Wankt’ uralter Fels, zerbrach der First: Merke, dass du nirgends heimisch wirst Immer wieder! Immer wieder bei der Hölle Sieden Schreien wir zum Herrn, uns zu befrieden Will Dein Wort nicht Wurzel in uns schlagen, Endlich die gelobten Früchte tragen? Die Stimme: Immer wieder, wohl, und immer wieder Schüttl’ Ich Meines Zornes Sturmgefieder, Immer wieder habt ihr Mich verraten, Wettert’ Ich ob eurer Frevel Saaten.

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Dichtungen

Immer wieder doch, und immer wieder Steigen auf zum Himmel eure Lieder, Immer wieder such Ich das zerstreute Israel, nie wirds der Andern Beute! Immer wieder, nun und immer wieder Samml’ Ich Meines Volks verworfne Glieder Zu der Zeltnacht Meiner Passahstunde, Schlag’ und schone, treu dem ewigen Bunde, Ziehe immer wieder, wieder immer Vor euch, tags Gewölk und nächtens Schimmer, Nächtens Schimmer!

DIE STIMME SPRICHT AM S E D E R :

Bindet bindet euch ans Wort! Findet endlich euer Wort! Frevelnd wähnte irres Tasten, Was die Andern sannen, fassten, Mit zu erben. Haltet haltet euer Mahl, Faltet zu Gebet und Wal Eure Faust, ihr müsst sie brauchen, Dämme bersten, Tempel rauchen, Männer sterben.

Weitet euren Blick zu Mir, Schreitet, Boten, durchs Revier, Rufet auf, was eurer Art, Wenige sinds noch, aufgespart, Aus den Scherben. Preiset eurer Leiden Jahr, Reisset los euch, macht euch bar

Die Stimme spricht

Aller Schätze, die verrucht Ihr den Andern abgesucht Zum Verderben. Füllet füllt das Herz zum Rand, Hüllet euch, schürzt das Gewand. Durch die Wüste zu Mir tönen Lasst die Lieder, eure schönen Todesherben.

Schürfet schürft in Meinem Schacht, Schlürfet Wein der Wundernacht, Dass Ich schone Mein Gesinde Schlagend in des Weltbaums Rinde Neue Kerben.

DIE STIMME SPRICHT ZU ISRAEL AM JOM H AKI P P URI M

I

£r naht

Wohl! Ich will wieder-kehren, Habt ihr auch nicht gewirkt, Zum Garten Meiner Lehren, Den heiliger Zaun umzirkt. Und Ich will wieder suchen, Habt ihr auch nicht geweint, Heilen ging aus vom Fluchen, Weil Ich um euch geweint. Und ich will wieder fahren, Habt ihr auch nicht geweilt, Zu euch, versprengte Scharen, Lang Meiner Hand enteilt.

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Dich tungen

Und Ich will wieder weben, Habt ihr auch nicht gewalkt, Am Teppich Meiner Reben Sein Steinhang wird gefalkt! Und Ich will wieder rufen, Habt ihr auch nicht gewacht, Gärt doch in Meinen Kufen, Ich Kellermann hab Acht! ii

Er sühnt

Edom! Ich hör Gestöhne! Ich weiss wie Edom tut. Heim such Ich Edoms Söhne Um Meiner Kinder Blut. Ich sättige Mein Dürsten Nach Edoms langem Tag. Nacht wächst um Edoms Fürsten, Rüstnacht für Mein Gelag,

Da Ich Grimms vollste Traufen, Gewürzt mit Weh, kredenz. Edom soll dran ersaufen, Vergehn, ein Schnee im Lenz.

Wer sonst der Edom schwächte? Ich senke Kleine Hand, Ich reiss Edoms Gemächte, Sein Sam rinnt aus im Sand. Aus Vesten, Meeren, Lüften Kommt Rache. Rache komm! Ich scheuch aus Scheols Schlüften Edom Edom Edom!

Die Stimme spricht

III

Er versöhnt

Dich aber will Ich grüssen, Hast du auch nicht gewinkt, Bis dir von Haupt und Füssen Die letzte Fessel sinkt. Will wiederum dich führen, Hast du auch nicht gewagt, Von allen Meinen Türen Bleibt keine dir versagt. Und will, will -wieder brausen, Hast du auch nicht gewallt, Bald siedet drin und draussen Altneuen Sturms Gewalt. Und will nun wieder hausen, Hast du auch nicht geweisst, In deines Herzens Klausen, Dass es demanten gleisst,

Will wieder und wieder segnen, Dass Ich dich Mir geweiht, Bis wir uns ganz begegnen, Endtags in Ewiger Zeit.

JOM HAKIPPURIM

Weisst du weisst du Wer da kreist? Weisst du was Versöhnung heisst? Weisst du Wer nach dir gespäht Morgens früh und nächtens spät? Weisst du wem Versöhnung naht? Weisst du Wer Sich offen tat

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Dichtungen

Als dein Herz umlagert war Weisst du noch von welcher Schar? Weisst du wie Er west und wohnt ? Weisst du wie Versöhnung front? Weisst du wann Er dich vergisst? Weisst du wann Versöhnung ist? Weisst du wo der Ferge schifft? Weisst du wo Versöhnung trifft? Weisst du Wer Versöhnung mahnt, Dir die Eine Strasse bahnt, Bundschaft immer wieder plant? Weisst du Wer Versöhnung will ? Weisst du Wer in Welten still Seine Furchen zieht und samt Unerkundet unbenamt? Weisst du? Weinst du?

DIE WAND

Heut ist ein neu Gesicht: die Weit und Breite, Alle Triften, Hänge, Schroffen sind verlegt. Wo ihr nur hindrängt, steht als schwarze Wand Der Erde Stahlgeweid getürmt zum Himmel, Blind macht sie jeden Blick, würgt allen Hauch, Fugenlose, unverrückliche Wand, Undurchstössliche, unbetastbare Wand, Jeder Schritt gebiert dich, jedem Schrei entsteigst du Kälter immer in Flammen unsres Wehs. Ehdem scholl es: Gehetzte, ruht bei uns ! Hiess es: Hütten stehn für euch in Gassen! Völker winkten, Zwingherrn riefen uns, Fürchtend oder huldigend. Viele Hände Wollten heilsam sein Uns, dem Volke des Bunds, dem Volke des Buches, Weil wir I^ehre wahrten und Gesetz, Weil Gesetz noch Gottes Grüssen war,

Die Stimme spricht

Weil die Lehre Gottes Amen war, Weil Gott selbst noch über der Erde war, Mit Sich Selber sprach . . . dann brach die Zeit Auseinander . . .

DIE STIMME SPRICHT : ICH WAR BEI DIR

Ich war bei dir in düstern Gassen, Nahm in Mich, Juda, deinen ganzen Gram. Wie sprang dein Herz auf Meiner Weide Froh, leicht, gelöst von allem Leide! Wie Meine Zucht dir wohlbekam!

Dann sollte dir Mein Glanz verblassen, Nach andrer Helle lugtest aus. Verzückt entflohst geweihter Enge Motte, hab acht, dass dichs nicht senge, Du fändest nimmermehr nach Haus. Du wolltest prahlen prangen prassen, Viel Torheit troff vom weisen Mund, Buhltest mit Magiern und mit Massen, Griffst alles, selber nicht zu fassen, Treu allem - nur nicht Meinem Bund! So musstest du den Tag verpassen, Die letzte Frist, von Mir gesetzt »Wer mag in welken Brocken wühlen, Ein frischer Strom treibt unsre Mühlen!« So sprachst du, doch was hast du jetzt?

Nun hat Mein Leuchten dich verlassen, Weil dus nicht ansahst, Stab und Hürde brach, Ins Leere hast du dich vertrieben, Mein Bote kommt, dich zu durchsieben: Weh dir! nur wenige bleiben nach.

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Dich t u n g e ii

DIE STIMME SPRICHT: JA JA JA

Ja ja ja ihr habt euch verwirkt! Tote Faust Mein Gebot umzirkt, Toter Mund leiert lästernd Mein Lob, Toter Sinn wie Sand zerstob, Totes Knie vor Mir niederfiel, Toter Blick stiert ohne Ziel.

Muss euch drum immer vom Baume brechen, Unreife Frucht, die hier nicht saften darf, Muss euch raufen mit flammendem Rechen, Weil Mein Saatkorn hier nicht haften darf. Muss euch roden aus Enden und Wenden, Muss euch die furchtbaren Zeichen senden, Pressen im Stachelgurt euch die Lenden, Weil ihr Erwählte euch verwarft. Muss euch marken mit brandigen Schorfen Dass Ich erkenne Meine Herde, Euch zu Mir sammeln vom Saum der Erde, Muss euch stampfen auf bittrer Tenne, Klingt Mir gefällig euer Geflenne Mehr als ein Jubel der zu Mir harft. Schwarze Würfel sind ob euch geworfen, Sinken musst ihr, auf dass ihr euch hebt, Untergang leiden, auf dass ihr lebt. SIE KOMMEN

Keine Zeit zum Zaudern! Boten warten nie. Ist der Ruf ergangen: Mach dich auf! Musst du rüstig sein. Botenbrauch ist nie, Erst sich anzusagen. Ein Mal kommen sie.

Die Stimme spricht

Kannst sie überhören, Denn sie meinen dich, Denn sie meiden dich Leicht genug. Führen, nicht betören Ist ihr Fug. Kannst sie nie vertauschen, Einer nur ist deiner, Einer, sonsten keiner Dass er dich erreicht ! Und dir weist ein Rauschen Tief im Blut, Dass er hergekommen Kaum ein Silberstrich Dort am Strassenbug, Wo er hingekommen, Da sein Ruf verblich, Als er von dir wich. »Wem, wem gleicht er, sprich!«

Deiner dumpfsten Stunde, Deiner reifsten Kunde, Deiner kleinsten Frist, Deinem klarsten Stern, Deiner vollsten Schale, Deinem wehsten Ach, Wenn du wankst die schmale Treppenbahn zum Port Und die Segel hissest Und Sie lässt dich fort: Allem was du missest, Allem was dir brach, Deinem echten Kern, Allem was dir fern, Allem was du bist.

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Dichtungen

Wenns so dich zerreisst Also in dir kreist, Wendet sich die Not. Lautlos fiel dein Los. Flugs durchmiss den Flur, Siehst Ihn auf der Schwelle, Ganz in Morgenhelle Lächeln und Gebot! Doch er hält am Haus Einen Hauchlang nur. Sei zur Stelle! Ewig bleibt er aus, Wenn er weiterfuhr. Ewig botenlos Treibst du auf der Zeit Dunkler Flut, ein Scheit, Hin zum toten Schoss Weisst du was das heisst?

HERB. DU SUCHST MICH

Herr Du suchst mich wieder und wieder. Wo ich mich auch unterducke Fährt Dein Strahl durch jede Lucke, Und ich weiss, dann willst Du mich. Willst mich, weil ich Dich einst erkannt, Mich, dem Du Dich einst genannt, Mich, der von Dir gerannt Doch Dein Ruf, wohin beschied er? Soll ich zurück zum Berg der Gebote, Wo die Dornbuschflamme lohte, Und Du Herr uns Dir geschart, Kürst Du neue Wüstenfahrt? Soll ich Deinen Zaun Neu pfählen und verschragen,

Die Stimme spricht

Selber die Wasser staun, Die den mürben zernagen, Da Dein Feuerzeichen Mich aus allen Reichen Trieb in Deine Enge? Willst, dass ich mich nicht menge, Dass ich einsam klimme Auf zu Deiner Kimme?

Vor Dir soll ich erstaunen, Vor Dir will ich bestehn, Drum riefen die Posaunen, Ward mir Dein Wort zum Lehn. So stand all mein Verlangen Ohn Unterlass nach Dir, Dich erspäht ich im Tier Des heimischen Tals, Du warst das Väterhaus das mich umfangen, Warst Korn und Würze meines Mahls,

Warst jedes Netz, darin ich hing, Du warst das süsse Lustgesing Junger Zeit, ich war auf Deiner Suche Allerwege - in Heil und Fluche. Dich fand ich in jedem Auf und Ab, Du wurdest geboren, Du sankst ins Grab Mit Liebesweh und Liebeskuss. Die Wolke warst Du und ihr Guss. Herr hab ich Dich denn je vergessen? Mich, durch und durch von Dir besessen, Mich nimm, lasse den Dorn ergrünen, Wolle wolle mich entsühnen.

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Dichtungen

Die Stimme:

Wohl wohl und aber wehe! Du sahst Mich hier und überall, Doch spürst du Meinen Finger, Spürst du, dass Ich dich zu Mir zwang, Dich armen Allumschlinger? Besteh vor Mir, bestehe! Du fandest Mich in Wurm und Blatt, In jedem Kiesel wellenglatt, In jedem Sprung und bunten Ball, Im Jubel und im Widerhall.

Doch also war nicht Gottes Gang Ich, Ich will nicht gefunden sein, Du bist nicht Stahl, Ich bin nicht Stein! Ich Funke sprüh aus Mir in Mich, Ich bin der stillsten Stunde Drang. Bin nicht der Dolch, Ich bin der Stich, Ich bin Ich, nur Ich Und Ich will dich Und dich allein: Drum schuf Ich dir notselige Pein. Drum reiss Ich dich von allem los. Heut stehst du vor Mir öd und bloss. Heut hab Ich dich allein!

UND DENNOCH SIND WIR DA !

Von je vertrieben, immer vom Sturm erfasst War denn auf Erden schwerere Lebenslast? Hat je ein Joch Nacken schwieliger gebogen, Dunkler Führung Pflug Furchen tiefer gezogen? War irgend Tod und Grausen je so nah ? Und dennoch sind wir da!

Die Stimme spricht

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Und dennoch hob die Stirn sich wieder und wieder, Und dennoch stiegen Gebet, Lobsang und Dankeslieder. Drang nur ein Spalt Luft Licht in stickigen Kerker: Er fand uns überm Buch, an Gottes Werken Werker. Nie brach das Herz entzwei, was auch geschah: Und dennoch sind wir da!

Furchtbarer Fug du der Tränen und Würgergier, Alle Tage durch kauerst du, dräuend im Winkel stier, Alle Nächte lang stehst du knirschend an unseren Lager. Auf Wehruf, Schwur und Flehn warst stets du der Antwortsager. Nichts sprach uns zu als wilden Hasses Ha Und dennoch sind wir da!

Ja dennoch sind wir da und müssen bleiben, Saugend am Drangsal als wie an Honigscheiben. Hingehn die Andern, dürfens. Unsre Stunde Blüht einmal aus gebärerischer Wunde. Dann wissen wir warum Er unsre Qualen sah, Dann, dann in des Posaunenschalles heilgem Ja, Dann sind wir da!

ERNEUUNG

Alles ein Aufgang, wie Du ihn auch bereitest, Aufgang, Morgenverheiss - Licht noch im Grauen. Alles ein Aufgang Vor uns schreitest Du Teiler der Wogen, Ob wir Dich schauen, ob die Knie uns zittern: Vor uns schreitest Du Und bist auch das Grauen, denn Alles bist Du, Du unsrer Herzen, unsrer Väter, Unsrer Tausendjahre Siegel und Pfand. Solch Leidenspfad der Huld, wer sonst noch birgt es? Solch Ijebenspfad des Siegs, wen sonst noch führt es? Denn so wills das Gesetz, dass Angstschrei,

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Dichtungen

Todröcheln und Verstümmelter Gestöhn Schwur und Gebet und Lobgesang Dir bedeuten . . . Hier auch hier ist Schweigen Gebot. Hier gehn die Boten einzeln durch die Herzen, Durch zuckende Herzen in der Nacht, Immer einen Erstgebornen schlagend, Immer einen Erstgebornen schonend, Immer immer Erstgeborne kürend Aus der Zeltnacht zur Wüstenfahrt Sammeln sie heut die Säumigen? Ists so weit? Zerren sie uns am Halfter vor Deinen Stuhl, Gott, zu Dir, da wir entrinnen wollten, Jeder für sich lief, hier und da und dort, Einer den Nächsten kaum verspürt, Keiner den Nächsten des Wegs geführt Hand blieb der Hand fern, Blick glitt vom Blick. Wahrlich Boten mussten uns an Halftern In die fürchterliche Schwemme zerren, Deinen Flutprall über uns zu stürzen, Welle um Welle, Welle Blutes, Welle aller Qualen, Welle der Peinigung, Welle der Reinigung Welle der Gottespfeile, Welle die heile, Welle Deiner Helle Welle, Welle aus Welle -

EUREN RUF IM HERZEN . . .

Was wusst ich von alle dem Alten? Rascheln im Winde Näher wars, wahrlicher wars, leibhafter. Tote Zeichen, Toten Zeichen gesellt und Zeiten, verlöschten Hinter dem Tag der ich war, der Nacht die mich heischte. Urbeginn, Urtat, Urgebot, Überzitterten opalenen Rieselns

Die Stimme spricht

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Flammenwunder, Plagen- und Wogen-Wunder. Nichts war gewaltig, nichts stand auf in mir, Nichts trat vor mich, mahnte oder riet, Aufruf war nicht noch Wahl, nichts, nichts bis heute, Da Verschollenstes wach wird, frühestes Raunen Von den Qualen im Fremdland laut mit mir spricht, Nie geglaubter kaum mehr erlauschter Wahrspruch Tröstlich und streng am verkrampften Herzen rüttelt. . . Rüttelt bis es die Tore öffnet dem Einzug. Nun das ewige Schicksal mich, mich anspringt, Dass ich versteh und spür, was die Väter waren, Väter litten, Väter vollführten - Väter All Ihr meine Väter erwacht in mir Ich Euer aller Erbsohn, jetzt kenn ich Euch, Bin wie Ihr der immerdar Vertriebene, Bin wie Ihr der Verheissungen Hort und Schatzhaus. Immer wieder bindet mich zur Folgschaft Unerbittlich Euer Auferstehn. Aus der Wüstenfahrt der Jahrtausende Hergeschritten, Väter, umsteht Ihr mich, Auge starr auf mich und alle Hände Daum zu Daum an den Brauen. Segen? Fluch? Väter, in die weissen Mäntel gehüllte, Heut entrinn ich Euch nicht, ich bin im Ring. Väter, Wüstenwaller, zeichnet den Nachfahr Mit Eures Schicksals Siegel, Segen oder Fluch. Wüstenwaller, heute weiss ich den Fug. Heute weiss ich den Gang und will nicht wanken, Alles lass ich im Nebel zurück. Vorüber. Ledig muss ich sein vor dem Einen Gesetz.

DIE STIMME ZUM BOTEN

Frag nicht: was ist wahr? ICH BINDER. ICH BIN. Nur dies sag der Schar: Er ist drauss, Er ist drin. Euch muss Leid sein, eh’r dürft ihr nicht glauben.

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Dich t u n g e ii

Mich zu glauben steht keinem frei. Keinen los’ Ich der erkoren sei Das Ohr zu weiten den Tauben.

Was euch knickt und trifft, ist Mein Geheiss, Mein Ruf, dass euch abströmt Blut wie Schweiss. So will Ich euch Mir rauben!

Das will Mir Gier, dass die Welt euch packt, Das war Gnade, dass ihr nackt Fliehn müsst aus bunten Lauben.

Kein Hiob war je so sätzig am Leib, Kein Bettelmann hockt, der nicht Spott mit euch treib, Auswerf euch wie stichige Trauben. Denn nun erst zieh Ich in euch ein. Denn nun erst seid ihr tempelrein. Denn nun erst bin Ich euer.

Nun seid ihr Zeugenschaft genug, Nun hält die Sonne ihren Flug Schamvoll vor eurem Feuer. Ihr flammt aus eurer Scharten Bug, Euch führt, der euch zu Schanden schlug, Euch wies aus satter Scheuer.

Hab Ich den Brand zu hoch geschürt? Ich wahr’ und kür’ was Mir gebührt, Ehdem, dereinst und heuer! So sprich zu der Schar. So künd ihr den Sinn. Die Rede ist wahr. Denn ICH BIN DER ich bin. Bald verstatt Ich, gewähr Ich Glauben.

Die Stimme spricht

MENSCH UND STIMME

STIMME UND MENSCH

Kann ich überwinden? Mit Liebe überwinden? Mit Liebe Frieden finden? »Wenn du fragst - nein!« Kann ich mich entbehren, Mich von mir entleeren, Kann ich aus den schweren Nachtschatten herein, Ein Mal herein? »Wenn du fragst - nein!« Kann ich ohne Grausen, Ohne Blutes Grausen Schauen, bauen, hausen? Wie die Andern sein? Entbunden sein? »Wenn du fragst - nein!« Wer mich zu mir brächte! Wer mich zu Ihm brächte! Wachend Nacht um Nächte, Ringend dass Er käme, Siegel bräch und nehme Meinem Herz das Nein! Die Stimme: Ist dir nicht verliehen, Dir allein verliehen Ewiges Weiterziehen? Ist nicht wieder da Was eh geschah? »Fragst nun Du - Ja!«

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Dich tungen

Darfst du durch der Zeiten Wüste, durch der Zeiten Ebb und Fluten schreiten? Rief ich je: vergiss? Schreitest du bis -? »Fragst Du? Gewiss!«

Bist du von den Reichen, Von der Andern Reichen Ausgesprengt zum Zeichen Dass Ich dich erhol, Einzig dich hol ? »Fragst Du? Wohl, wohl!«

Alles musst du lassen, Musst Sonnen, Monde lassen, Willst du, Mensch, Mich fassen, Mein Ja, Mein Nein!

Die Stimme spricht

ED OM

I WIR SIND GEFEIT

»Neuer humiliated. only elated.« Hebe Rakel 1934

Das letzte Korn vom Menschentume Reisst euch heraus mit Stumpf und Stiel, Zertretet nur die letzte Blume Der Herzen, nie kommt ihr ans Ziel! Treibt uns aus allen euren Werken, Dass Keiner blick in euer Spiel: Was ihr beginnt, wer solls nicht merken? Noch unsre Blinden sehn zu viel! Ihr könnt uns nimmermehr versehren, Und wenn ihr unser Letztes rafft Wir stehn vorm Gotte unsrer Lehren, Erwählt, gesalbt von Seiner Kraft. Ihr könnt uns nimmermehr verblöden, Verschliesst ihr uns des Wissens Tor: Er überleuchtet unsre Öden, Hebt uns in Seinen Glanz empor.

Ihr könnt uns nimmermehr entehren, Wie Orgelsang braus eu’r Geschmäh. Gern wollen alles wir entbehren, Denn alles bleibt uns - Seine Näh!

Kein Fluch steht an, noch taugt Gestöhne. Not, Tod sind Stufen, wir gefeit! Uns, Seine Erstgebornen Söhne, Uns traf Sein Ruf: macht euch bereit!

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Dichtungen

Frei ziehn wir weiter, auserkoren, Ob unserm Weg Sein Himmel weit, Sein Bund mit uns aufs neu beschworen, Von Seinem Wort das Ziel geweiht! ii

ICH TRAGS MIT EUCH

Ich trags mit euch Ich sag für euch Von Sünd und Angst und Hoffen. Bin Aller Mund Tu Allen kund: Wollt nur! Das Tor ist offen!

Ihr riefet nach Ihr liefet nach Wie ich des Landes Söhnen: »Verhüllt die Zeichen! Wir sind die Gleichen, Die gleichen Bräuchen fröhnen!« So ging es lang, Verfing es lang, Bis unsres Frevels Schale War übervoll, Und seinen Zoll Er hob mit Einem Male. Zersplissen sind Gerissen sind Gespinste, Fäden, Bande. Verruf, Hohn, Hassen Wir stehn verlassen, Gebannt im Vaterlande.

Die Stimme spricht

Doch schwerste Not, Doch hehrste Not Zerbrach des Truges Scherbe. Im Vaterlande Erfuhrt ihr Schande. Auf zu der Väter Erbe! Obs würgt und webt Er bürgt und weht Um uns in sanftem Sausen: »Nun seid getrost, Erlöst, erlöst: Daheim heiss ich euch hausen!«

ui KALON BEKAWOD

NAMIr!

Den Brüdern sei Dank

Schon lodert der Schulen Brand, Schon leiden die Gräber Schänd, Schon reisst der Zertretnen Schrei Der Erde Geweid entzwei. Gedenke der Würgergier: Kalon bekawod namir! Gelb flammt überm Herz das Band. Wir schwörens uns Hand auf Hand: Zum Leben du gelber Fleck! Bald bist du der Andern Schreck . . . Was Schimpf dort - hier wird es Zier: Kalon bekawod namir!

Das Makelmal - Ehrenmal. Wir tragens aus Gottes Wahl, Wir tragens als Feiertracht, Wir tragens zur Weiheschlacht,

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Dichtu ngen

Wir tragens, ein Siegspanier: Kalon bekawod namir! Gelb, holdeste Honigfarb! Gelb sämt sich der Blume Narb, Gelb woget das Feld, ist reif. Gelb-Leu mit dem Kronenreif Bricht aus von Seinem Revier: Kalon bekawod namir.

Aug um Aug und Schmach um Schmach! Zahl Edom was Edom verbrach! Jahrtausende ziehn uns vor, Gewaltiger Ahnen Chor . . . Der Eine, die Zwölf, die Vier: Kalon bekawod namir! Voraus in fliegendem Haar Ein Blinder, der Rächer war, Und der König, gesalbt vom Herrn, Psalter, Schwert, Stern. Mit euch Helfern, euch Helden, wir: Kalon bekawod namir! Die Stimme, die Stimme spricht: Ich nahe, Ich halte Gericht. Das Land der Lüge vermilbt, Sein Schwarz und sein Braun vergilbt. Den Drachen zerstösst der Stier: Hedad! Dass Gelb triumphier!

'

IV

Mit unsern Gesängen habt ihr euren Gott gesucht, Mit unsern Sätzen, Worten habt ihr gesegnet, habt ihr geflucht, Mit unsren dunklen Mären seid ihr gross geworden: Wo blieb durch tausend Jahre euer Norden?

Die Stimme spricht

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Eure Lippen, die durstigen, labt’ unser Lebenswasser, Eure Herzen, die harschen, ölten wir linder und lasser, Tausend Jahre hüben an und enden in unserer Weise, Tausend Jahre zerrannen und wenden sich leise.

Eure Kniee stemmten sich nicht vor Büssern und Frommen, Nieder warf euch das heilige Wort, fernher zu euch gekommen. Halleluja jubelt’s in euch wenn die Priester kamen, Immer Gewähr und Flehn und Schwur hiess ihr heisses Amen.

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Dichtun gen

WIR ZIEHN

Fraget nicht: wohin? Wir ziehn. Wir ziehn, so ward uns aufgetragen Seit Ur-Urvätertagen. Abram zog, Jakob zog, Alle zogen, Zogen ins Land, zogen vom Land, Alle gebogen Überm Pfad der Fahrenden, Nimmer sich Bewahrenden. Alle zogen, Stab in wegharter Hand, » Verheissung im Herzen, im Blick Ihn, Unsern Gott, der uns hiess, fürder und fürder ziehn. Ziehn nach dem einen einzigen Ziel Schauriges Rasten, wos Ihm gefiel, Seltsames Wandern zum Rhein vom Nil. Wandern lange im Bangen, Bis Quellen sprangen, Karge Quellen Für unstet ruhlose Rast Und doch hatt ich vor jenen Fuss gefasst Die nun mich jagen, blieb ich doch Gast, Im Land der Andern Gast. Unausdenkbar lang hab ich dort geruht, Weiss doch nie wie Ruhen Ruhen tut. Unsre Ruh war getränkt mit Tränen Schweiss und Blut: Ein jäher Blitz brach sie entzwei In einem Schrei: Vorbei vorbei! Eben als mitten die Sonne schien Wir ziehn. Wieder drängt Er uns, Wieder verhängt Er uns Seinen ewigen Fug: Den Weiterzug, Den Weiterzug.

Die Stimme spricht

EWIGER AUSZUG

Die dunklen Bürden. Die dunklen Würden. Wir keuchen unter ihrer Last, Wir Herde sonder Hürde. Zur Unrast wird uns Rast um Rast. Den Andern wüst, uns selbst verhasst 0 dass uns Frieden würde! Und doch die Krücke leicht der Faust, Weil Seine Losung uns enthältst. Und doch ein Glanz um uns gebreitet, Weil Er vor unsern Wegen schreitet. Und doch hält aus des Herzens Schrein, Weils drinnen ruft: so muss es sein! Ihr seid als Pforten aufgetan, Ihr immer neu Geschürten, Zum Stamm erstarkt der Splitterspan, Ihr einst und stets Gekürten, Durch Wogen und Wust Geführten: Stern-Augen schaun euch an!

VOR AUSFAHRT / DIE ALTEN

Schattend, unser Aug ist matt, Heben wir die Hände: Lass uns schauen tränensatt, Herr, Dein hehr Gelände.

Silbern flimmriges Gebreit, Wein und Milch und Honig, Opferguss erfüllter Zeit, Keiner Keinem fronig.

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Dichtungen

Morgen, Herr, ist Erntegang, Endet alles Darben, Doch wir stehn und schauern lang, Wie vergessne Garben. Uns zerbrach die arge Qual Harrens in der Leere. Gruss Dir, Land der Gotteswahl, Vor der letzten Kehre!

Segen eurem tapfern Schritt, Wir sind wandermüder. Unsre Herzen nehmt ihr mit, Mit ins Land, ihr Brüder!

VOR. AUSFAHRT / DIE JUNGEN

Wir schreibens an die Pfosten Mit unsrer Väter Blut Gedächtnis soll nicht rosten In uns, der Löwen Brut. Es tagt, tagt auf im Osten. Die morschen Pfosten spalten Bei jedem Namenszug. Sie haben lang gehalten, Nun haben sie genug. Gärt in uns, gärt ihr Alten!

Und mit den Pfosten krachen Die Türen aus der Wand. Was solln die drin jetzt machen? Sie heulen in die Hand! Wir aber lachen, lachen.

Die Stimme spricht

Die müden Türme bersten Und stürzen in den Fluss. Wir sahn sie lange wanken Und jauchzten, wie sie sanken: Falle, was fallen muss! Wir stehn, wir stehn, wir Ersten! Was Pfosten, Türme, Türen! Wir sind die Schwellenhut. Bis wir das Bündel schnüren Hält jeder Herd die Glut! Wir schüren, ja wir schüren.

Zerrissen alle Binden! Vorwärts den Blick gekehrt! Mit Morgengrün umwinden Wir Spaten, Stab und Schwert Und finden, finden, finden! An uns ists Trauben mosten. Der sie vom Berge trug Wollt ihre Süsse kosten Heil dem, der ihn erschlug! Es tagt, hell tagts im Osten!

Ob unser Trunk euch mundet Statt abgestandnem Seim? Wenn nur der Kern verjüngt ist, Mit starkem Saft gedüngt ist, Trutzig die Wurzel gründet: Ihr Gestern dorrt daheim. Uns Osten ein Lechaim! Den Flammenwein entspundet!

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Dichtungen

AUFBRUCH, AUFBRUCH Nach dem Sternfall Oktober 1933

I

O dürft ich Stimme sein, das Volk zu rütteln, Das Samkorn, tief in jede Brust versenkt, Der Arm, die Schläfrigsten noch wach zu schütteln, Wegnadel sein, die unser Steuer lenkt: Wär ich als Anruf, Vorbild, Opfer gross,

Dass wir aufbrechen müssten wie die Schollen Im Lenzsturm, noch vereist und schon durchkeimt, Ein Drang uns eine, Drang der Liebestollen, Die nur im Herzen ihrer Wahl beheimt, Aufbrechen müssten froh zu Zeugenschaften, Draus dunkler Blutstrom rollt der Neugeburt, Auf brech en ins Verhängte, Schänd ist Haften. Wohl euch - und wenn ihr nur von dannen fuhrt.

Was euch erwartet? Gleich ists, weiter, weiter! Denkt nie: was liessen wir? es geht zu Ihm Durch Furt, Schlucht, Wüstenei zur Gottesleiter, Zum Ab- und Aufstieg Seiner Cherubim!

Saht ihr den Goldflug himmelüberstäubend? Sternregen über uns! das Zeichen gilt, Wenns in euch strahlt und dröhnt, wenns übertäubend Posaunisch eure Nachtgesichte stillt. Stern-Regen, Himmelsaufbruch, wer bereit war, Ins Herz ihn nahm, dem geht als Gottesschein Leuchtend er auf, der Herr, der einst Geleit war Den Vätern, seht, lässt uns nicht fahrtallein!

Die Stimme spricht

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Fahren mit Ihm! hinaus ! Allruf der Stimmen, Alldrängen unsrer Sehnsucht, jedes Arms Stahlgriff. Was Steu’r? die Woge trägt. Wir schwimmen In Morgens Meer, wie schwillts von Fluten Harms. Meer, Meer wir selber, wogend in Morgens Schoss. II

Schaut nicht zurück. Was säht ihr auch? Was war, ist Rauch, Ihr schreitet frank In Morgens Hauch. Horcht nicht zurück Lauschen macht krank, Was war, versank. Euch ruft das Wort Von morscher Bank.

Denkt nicht zurück, Was war, verdorrt. Ein einziger Hort Ist euch gereift, D er Hort heisst: Dort!

Sehnt nicht zurück, Den Stab ergreift! Was war, bereift Vereisten Hang, Der Nordsturm pfeift. Liebt nicht zurück, Was war, zersprang. Der Tag ist lang Verronnen, seit Ein Bild euch zwang!

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Dichtu ngen

Grollt nicht zurück! Was war - verzeiht! Holt aus befreit, Winkt mit der Hand Gen Abend weit! Wollt nicht zurück. Jung lenzt das Land. Was war, ist Tand, Ist Tod - ihr seid Im Wanderkleid: Fortgehn ist Leid, Fortgehn ist Glück Bleibt nicht zurück! in

Ein Krumenkorn vom Grab der Ahnen Bewahrt als Letztes was euch bleibt, Bald flattern ungeduldige Fahnen Im Frühwind, der euch weiter treibt. Ade du Wipfelhall im Walde, Du Bachschlucht, Rehes flüchtige Spur. Du trautes Runlied, dran der Skalde Urewiger Wandlung Gang erfuhr. Schon ist euch fern der Andern Trachten, Der Drang entfuhr, der Gram verflog. Lernt Dank und Gnadenwink verachten, Handschlag der Freundschaft auch, er log. Müsst euch von Gau und Frau befreien, Als wärs ein Fetzen der zerschliss, Von Erntedank, von Ringelreihen Fletschend, unheilsam klafft der Riss.

Die Stimme spricht

Vergesst die Türme Unsrer Frauen, Die gnadlos sahn eur Schmachgeschick. Euphon zerbrach in Krampf und Grauen. Weh Glück! Weh Kleine Nachtmusik!

Vergesst ihr einst im Knäuel Verschlungne Klampfen und Dudelsack, vergesst Wes Huldin war die höchst Geschwungne Im Fasching, am Oktoberfest. Vergesst die Keller, Hallen, Gassen, Zuruf und Einkehr, Wirt und Gast. Leicht ists der Andern Trunk zu lassen, Wenn Gottes Rausch die Seele fasst. Wo blieb, woran ihr glühend dachtet? Was gestern galt, ist heute Trug. Wem eine Nacht wie diese nachtet Erstarre, bis die Stunde schlug. Doch keiner, keiner von uns allen Vergisst, zieht er gen Morgen fort, Was einmal ihm ins Herz gefallen: Der Liebe Du, der Worte Wort.

Der Worte Wort, vom Meister stammend, Der Liebe Du aus junger Zeit Ihr beide, heilig in uns flammend, Seid Stern und Stärkung und Geleit.

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Dichtungen

TRAUBE NICHT!

FÜR M. S.

Was spricht dein Zittern, meine Seele, Die angstvoll äugt, die schreiend flieht? Was ist dir Seele, meine Seele, Von welchem Fehle, meine Seele, Bist du bedrängt? »Dass alles missgeriet. »Zu lugen triebs mich und zu lauern, Ich war verzaubert und betört, Ob flatternd über Tempelmauern, Ob eingesperrt in fremden Bauern, Nie weilt’ ich wo ich hingehört.

»Unstät zirpt’ ich im wilden Laube, Tat mit, wies schmettert, dröhnt und ruckt, Bis ich, nicht Aar noch Fink noch Taube. Allen ein Ärgernis, im Staube Des Aschenwinkels mich geduckt.«

Traure nicht, traue, meine Seele! Der dich aus Rast und Reigen reisst, Der alle auf dich loslässt, Seele, Der selbst dir nachgestellt, o Seele: Er ist es, Der Sich dir verheisst.

Bestossner Fittich, rauch Gefieder: So bist du Ihm gerecht und rein. Dich Aschenvogel dich beschied Er, Du warst verflogen, immer wieder Lockt Er, und heut fängt Er dich ein.

Die Stimme spricht

169

Er hält dich in den Flammenhänden : Wies dich entzündet, dich durchbraust! Leuchtend entsteigst du Seinen Bränden, Schwebst heiligen Sangs ob den Geländen: Frei bist du Seele, gottbehaust.

SO HAT ES KOMMEN MÜSSEN

Wir warens nicht wert für Dich, für Dein heiliges Wehn Als Deines Bundes Zeugen in den heiligen Tod zu gehn. Wir warens nicht wert, vergessend, dass wir ewig warten, Tollten tanzten wir im bunten Garten, Und unser Lachen, über quolls aus trunknem Munde In jeder Stunde - bis zu Deiner Stunde. Herr, bis Du aufstandest und uns nahe kamst, Die Blitze Deines Zorns in Deine Hände nahmst, In Deine beiden Hände - weh wie trifft Dein Zorn! Wohl wohl, wie wählt Dein Zorn. Im Racheborn Des Ewigen erneut, entsteigen Eherner Heerbann wir, wir neu Dein Eigen. Nun darfst Du Tod gewähren, Nun schneid und wähl und worfle Deine Ähren !

GOTTES WORT ÜBER ALLEEWIGKEIT

Lasst das Wort stehn! Lasst das Wort stehn! Sonst brechen euch die Finger. Das Wort steht, steht am Tor: Graut euch nicht davor? Das Wort hat andres ausgehalten. Andere Blitze prallten Von des Wortes Rand.

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Dichtungen

Verzischten stumpf In Brodel und Sumpf.

Das Wort wird nicht euer, Ob ihr euch auch vermesst: Das Wort ist Feuer Und ist Asbest.

Das Wort ist Steuer Und ist der Kiel. Das Wort ist Wurzel und Stern, Herr ob allen Herrn. Wo ist des Wortes Zwinger?

Verschüttets - es blüht! Umnachtets - es sprüht! Verwerfts - es ist Ziel . . . Nur das Wort gilt. Ohne des Wortes Band Fiele des Himmels Dach, Würde die Sonne schwach.

Das Wort ist ausgegangen Eh die Gründe trächtig schwangen, Ehe der Himmel Scharen sangen Hat das Wort sich erkannt, Sich aufgerufen, sich genannt, Sich in sich gestillt. Das Wort ist zu sich gewillt Vor Aufgang und Vergehn, Lasst es stehn! Lasst es stehn!

Die Stimme spricht

ER ER ER

ER ist nicht alles, sondern: alles ist nicht ER. Das Absolute ist die vollkommene Exemption.

Er war zuvor, Er war danach, Als erster Strahl ins Finster stach, Welt endlich an der Zeit zerbrach. Er ist nicht alt, Er ist nicht früh, Er ist nicht Ich, Er weiss kein Du, Er ist nicht offen, nimmer zu. Er ist nicht wann, Er ist nicht wer, Ist ohne Wucht und mehr als schwer, Er ist nicht Flut, Er ist kein Wehr, Ist unbekümmert, nimmer froh, Er ist nicht hier, ist nirgends wo. Er ist nicht anders, ist nicht so.

Denn Er ist nicht wie einer wär, Denn Er ist nie von Ungefähr, Sein Name steht in keiner Mär.

Denn Er ist ober aller Kür, Zu Ihm nicht Weg, zu Ihm nicht Tür, Zu Ihm kein Gegen und kein Für. Wen gäb es, der Ihm angehör? Wen, der Ihn je zu sich betör? Sein unbewegtes Kreisen stör? Ist Er doch ganz und ungeteilt, Hat Er doch überall geweilt, Hat Sich in Sich gepeilt, gestellt,

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Dichtungen

Sich Selber augenlos beschaut, Sich Selber tränenlos betaut, Mit Sich geredet ohne Laut. Er Aar und Äther, Lamm und Leu, Unwandelbarlich, immer neu. Er will uns nicht, will unsre Treu.

Denn dennoch sind wir in Ihm drin, Denn dennoch ziehts uns zu Ihm hin, Ist Er uns Einziger IC H BIN, Uns Lohn und Opfer, Gier und Sinn, Er unser Schaudern, unsre Minn.

Die drei Weiten

und das Lebenslied

PRÄLUDIUM

MITTEL M E E R INRI HIOB

AN DIE DEUTSCHEN BANN

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D ichtungen

DIE DREI WELTEN

PRÄLUDIUM i DAS GESICHT

Drei auf dem Berg stehn der Gebote, Vom Horeb brach der Fels wie Griess. Sie kamen her von Wein und Brote, Von Feur und Quell, vom Paradies.

Der Alte trug des Bundes Lade, Barfuss, das Auge voller Groll. Sein Antlitz glänzt in Gottesgnade, Sein Wort vom Mund in Milde quoll. Dann, den nicht Tod nicht Hölle schreckte, Jesus Marias, ohne Fehl, Und er, den Gott der Wüste weckte, Rasul, Prophet von Ismael.

Jesus, sternwunde Hand am Holze, Hat still das Dornenhaupt gesenkt, Da der Prophet im Botenstolze Der Sendung grüne Fahne schwenkt. Moscheh allein in ihrer Mitten Sprach, und sein Wort war wie ein Ring, Der, was sie schauten, schufen, litten, Demantenklar in sich befing. Was ward geschwiegen, was gesprochen Am Horeb heute von den Drei’n? Hat ewiger Rundlauf abgebrochen? Entschwinden Schrein und Wein und Stein?

Die drei Welten und das Lebenslied

Ists dass die Drei sich selbst entboten, Sich auszukunden nach der Schrift, Weil nun aufgeht der Tag der Toten, Weil nun zerspringt die dürre Trift, Weil er... verdorre meine Rechte! Ob auch das Himmelreich vergeh: Die höchsten Drei sind seine Knechte, ER heisst: ICH BIN VON JE ZU JE-

Verhüllt die Stirn, verstummt das Fragen. Und doch hab ich die Drei geselin Zum Horeb ihre Zeichen tragen Und droben beieinander stehn. II

Von umflorten Berges Kimme Dröhnt hernieder wie Gericht Eines Rufers dunkle Stimme. Hört sie oder hört sie nicht. Krypte Kaiserlicher Gnaden, Dir entsteigen, Schicht auf Schicht, Heiligen Reichs verweste Schwaden. Ahnt sie oder ahnt sie nicht. Über die verruchte Heide Fährt ein gelb und fahles Licht. Tages Anbruch? Tages Scheide? Seht es oder seht es nicht.

Auf dem lang entseelten Meere Eine schwarze Barke sticht In das Starre, glanzlos Leere, Eine Barke, lang in Sicht. Heisst sie Ausfahrt? Heisst sie Kehre? Fragt die Barke, fragt sie nicht.

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Dichtun gen

Dumpfen Aufschlags aus dem Äther Fallen Vögel bunt und dicht Auf die Grabstatt eurer Väter. Rührt sie oder rührt sie nicht. All den brachen Lärm der Gasse Überschrillt ein irrer Wicht: Lieb ist Gift! Wer Mensch ist, hasse! Scheucht ihn oder scheucht ihn nicht. Weiter! Weiter! Bis vor Grauen Steinern Herz im Leib zerbricht hinter bösen Feindes Klauen. Spürt ihn spürt ihn spürt ihn nicht III DES MENSCHEN WORT VERGEHT

Das Wort hat seine Zeit gehabt, Hat alle seine Zeit gehabt, Das Wort ging aus und ein. Es war ein Rad, das ungenabt Lief über Stock und Stein.

Das Wort hat seinen Tag gehabt, Den allerhellsten Tag gehabt, Darauf je Sonne stund. Die Sonne sank, wieviel ihr grabt Nie hebt ihr sie vom Grund. Das Wort hat seine Nacht gehabt, Die allertiefste Nacht gehabt. Nun fällt die Nacht wie Schnee. Ein Reiter durch die Flocken trabt, Der Hufschlag klappt: vergeh. Das Wort hat seine Lust gehabt, Die allervollste Lust gehabt,

Die drei Welten und das Lebenslied

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Blut war des Wortes Trank. Nun hat das Wort sich ausgelabt, Vor Dürsten ward es krank. Das Wort hat seine Qual gehabt, Die allerbangste Qual gehabt, Mit aller Wesen Ach War immerdar das Wort begabt, Bis es vor Ach zerbrach.

Das Wort hat seinen Fug gehabt, Den allerhehrsten Fug gehabt, Dann ward das Wort verdammt. Ein Grillenschrill, am Weg geschabt, Höhnt heute Wortes Amt. Das Wort hat seine Schmach gehabt, Die allerärgste Schmach gehabt, Das Wort ist dran verwest: Nun stehn die Männer ungestabt, Ist keiner der genest.

Das Wort hat seinen Ruhm gehabt, Purpurnen Königsruhm gehabt, Feil wards und faul wie Kot. Und ob ihr tausend Worte habt: Das Wort, das Wort ist tot.

Wort hat das Wort im Wort gehabt, Das Ewige Wort im Wort gehabt. Das Ewige Wort entfloh. Der Immenstock ist ausgewabt: Wo ist der Weisel? Wo?

sind unsre Sterne Licht geblieben Und doch zwingt Höll und Tod gewaltiges Lieben Und doch bewacht und lenkt die Heilige Sieben.

UND DOCH

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Dicht ungen

MITTELMEER

ODER DIE FÜNF FENSTER

VORSPRUCH

Dulder, Eurer Ewe Leides Weiher: Dulder Du am Fels, zernagt vom Geier, Der das Licht bringt, Du Titan Befreier. Dulder Du am Stoss, zernagt vom Schleier, Rein im Flammenbad, Du Mann Befreier. Dulder Du im Kot, der Seele Schreier, er erlas, zerbrach Dich Knecht Befreier. Dulder Du am Kreuz, des Kelchs Verleiher, Lanz und Kranz zerstach Dich, Sohn Befreier. Dulder, überschäumend Mittmeers Weiher, Du zerstückt im KnäuT der Wendefeier, Braus gebiert, zerstiebt Dich Purpurleier: Todestraum, Du bist es, Gott Befreier, Werdeschauer, bist es, Gott Befreier, Du Vergeber, Du Gedeiher! Dulder, Leides Freier und Verzeiher, Dulder, Leides Heiler und Verteiler. Fünfter Du, Enteiler und Verweiler Und Ihr Vier, in Euch verglühende Meiler, Mittmeer-Tempels Opferrauch und Pfeiler.

DAS ERSTE FENSTER : EXULES AMBO

Beim Taggang oft durch üppiges Gelände Regst du dein weit Geäst und ringst dich quer. Als ob ich einen Bruder wiederfände, Liebend greift meine Hand dir grüne Hände, Feigenbaum vom azurnen Mittelmeer.

Die drei Welten und das Lebenslied

Zypressenchors, Felsufers, bräunlich lauer Atmender Nymphengrott’ im Olivet: Du birgst ihn, all der Götterspuren Schauer, Anhauch der Heimat, die mir untergeht,

Der fern auch du. Der Heimat! Mütterlicher Scholle vertraut im schönsten Himmelsstrich, Prangtest an Wuchs, an Schwung gerecht und sicher, Mit Arm und Lippe winkend: hier bin ich! Schwellend zur Süsse zwischen Öl und Reben Bogst deine Last du über weisse Streben, In Spendens Wonnen lächelnd hingegeben. Leben um Leben heischte dein Gedeihn: Das Immlein sog sich fruchtend in dich ein, Am breiten Laubwerk äste still der Mule, Schwarzfeigen brach Amante seiner Buhle. Hier taugst du schlecht. Gewaltiger Blätterkrone Scheinst schwacher Zwergling, überblühtem Strauch Ein dürftiges Gestrüpp: »Bescheiden! ohne Dich Krausen, Ungebärdigen geht es auch.«

Bist in der Fremde, Freund. Meerinselkinder, Die dich verpflanzten, hassen dein Gezack. Gestutztem Rasenplan fügst du dich minder, Und Feigen sind doch wohl nicht ihr Geschmack. Darbst nicht allein. Wir beide sind gestrandet. Wir zwittern, halbwach, halbbetäubt, am Saum. Was hält uns noch im Licht? Wir wissens kaum! Anders geweiht, gewachsen, ja gewandet . . . Wer in der Heimat kärgstem Karst versandet Zog bessres Los. Ists nicht so, Feigenbaum?

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Dichtung eil

DAS ZWEITE FENSTER: APPELLATIO

Wahlheimat, unser hellstes, unser freistes Festlichstes Lachen klang wenn wir im Schein Der Frühe dir zujauchzten, wir, du weisst es, Aus tausend Bechern tranken deinen Wein. Wahlheimat, wahre Heimat, wo umbrandet Der Felsdom in der Tramontana flammt, Da drin im Kerzenduft, heilig gewandet, Der greise Priester übt das Höchste Amt. Wahlheimat, wo im Licht auf Griechischem Hügel Bei Vorgebirgs delphinisch reinem Bug Der Meister stand, umrauscht vom Schwanenflügel O welche Frucht der Griechische Hügel trug!

Wahlheimat, brichst du Fug vom Mittelmeer? O sieh dich vor, noch sagt der Mund den Segen. Dein Erster Echtester Cäsar war uns hehr Geneigt, darf uns sein letzter Schatte fegen? Wahlheimat, du barbarisch, irr und brünftig? Ward deiner Dichter Wort, Dantes, Virgils, Das Wort, dass du gerecht und allvernünftig, Ein leerer Schall vor Gott? Steh auf, befiehls Kurzatmigen Machthabern, dein zu achten! Sie, deine Söhne, schänden selber sich, Da sie zur Metze dich des Fremdwahns machten. Wahlheimat, Mittelmeeres Mutter, sprich!

Den Spruch, wie er auch gehe, hör die Schwüre, Ich nehm ihn an, ich der dir einst genaht, Ein Liebender, beschenkt, dankvoll: die Türe Sperrst du sie, öffnest du sie, Wahlheimat?

Die drei Welten und das Lebenslied

DAS DRITTE FENSTER: TABEL LAE I

Frühst, da der Halbgott dir die Sperre brach, Drang Abendozeansflut in deine Brach, Erstand der Archipel: vom Westen her Erwuchsest du zum Meere, Mittelmeer. ii

Dann taucht’, umjauchzt von Satyr und Mänad, Silen-gestützt der Ostgott in dein Bad, Das golden trüb in deinen Mischkrug floss: Erdblut ward Wein, Jakchos Dionysos.

in Bald ward der Thyrsus Herrscherstab und Wehr Des Grössten. Bis an Indiens Stromgefünfte Vortrug er deine Götter, Mittelmeer: Weltmitte wurdest du für alle Künfte. IV

Doch an sich zog Sie alle Zauber, Flora, Amor und Urbs : idäischen Mutterstein, Sibyllas Buch in Vestas Feuerschein, Schlang in sich Lupa Elohims Menorah.

v Aufgingst du erntesatt und überschwer. Dann sang aus deinen Höhlen neue Sende, Das Kreuz erstand aus überreifer Lende: Roma blieb deine Mutter, Mittelmeer. VI

Gedenkst du dessen nicht? Höhnst deinen West, Verleugnest deinen Ost? Wer seinen Ahn Beschmäht, verschmäht, dem stockt des Lebens Fest, Er sinkt ins Dunkel, nach ihm kräht kein Hahn.

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Dichtungen

VII

Der Erste Dulder hob dich aus der Nacht, Der Zweite hat sein Kreuz dir zugebracht. Was sich begab, geschah um dein Gestad, Bist du verwaist, steht still der Zeiten Rad. VIII

Du trugst Homer, trugst Cäsar, trugst Sankt Peter, Die Seher und die Täter und die Beter: Der schweigt, der stirbt nun, täppisch äffen jene Welkt, die zu blühn schien, letzte Ökumene?

ix Ein Leben schufst du, schenktest uns das All, Das Wort erstand aus deiner Wogen Schwall, Wort Wein, Wort Wille, Ewigkeit Du Wort: Erbleicht dein Purpur weil das Wort verdorrt? X

Von deinen Pinien, deinen Campanilen, Darum kristallnen Lichtes Flügel spielen, Nichts mehr zu sehn, ich wusst es lang vorher, Daran vergeh ich, Heimat Mittelmeer. XI

Das Römische Reich bleibt ewig, doch nicht Roms! Lang, dass der Stab vom Tiber kam zum Rhein. Fragt nach dem Namen nicht des Dritten Stroms, Er gäbe fürchterlichen Feuerschein! XII

Einst schon entführte dir den Königskranz Der Ost auf ein Jahrtausend nach Byzanz. Am Goldhorn thront’ Selbstherr im Goldnen Saal. Ein Ostrom kommt, fürcht ich, zum Andern Mal.

Die drei Welten und das Lebenslied

XIII

Dein letzLer Grosser war ein Inselsohn. Klein-Insel weit im West sein letzter Thron. Spielt um den Preis der Macht, Würfel fiel lang Siels sind euch Inseln Aufgang, Untergang! XIV

Augurium Osvaldi Blutroter Ab- und Abendglanz der Macht Du flammst noch einmal vor der ganzen Nacht. Eh weisse Färse Thanatos verfällt, Noch ein Kronid Beilager mit ihr hält. XV

Nie kann, was ewiges Walten sich erschaffen, Als Bild vergehn. Sein Blühen, sein Erschlaffen, Gezeiten, leise, sinds vom Mittelmeer. Ists nun entrückt? Wer fragt die Frage, wer? XVI

Binder und Löser der, der Lenker, Weiser, Zweifaltige Kür, Eins unterm Einen Kreuz, Heiliger Vater und gesalbter Kaiser: Das Mittelmeer war Petri und war Teuts! XVTI

Gewinne nur, Kugel rollt doch in Zero. Wer warten kann, hat Recht. Am besten lacht Wer letztlich lacht. Schon wintert deine Macht: Ein Piodomonte rundet kein Impero! XVIII

Weinstock, Ölbaum, wo ihr im Ring gedeiht, Weht mildre Weise. Die Barbaren-düstern Trübseelen hellt ein Schein, und noch die wüstem Stirnwulste weichen: Lippe lacht befreit.

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Dichtungen

XIX

Ob dein Poseidon rast’ im Gotteszorn, Ob deine Skylle dräut’ und die Karybde Treu leitete Selenens Silberhorn Zum Port den Fergen, hielt er ihr Gelübde. XX

Zur Gott-Dämonen-Dämmerung vertrauten Meerswogen Andrer Jungfrau, der Umblauten. Wachsbild und Kerze bot der Ferge, dass er schare Dein Engelsheer ums Boot, Stella del Mare. XXI

Wohl! Schnürt antikisch eure Marter-Ruten, Steckt drein die Metzelaxt: o tot Symbol! Nie steigt, ob wahllos Unschuldsopfer bluten, Ein Konsul Sieger auf zum Kapitol! XXII

Wisset, seit Imperator Theodos Die Nike riss aus müder Kurie Schoss, Trotz Symmachi Flehn, des Fürsten vom Senat, Gedieh kein Weltsieg mehr als Romas Tat. XXIII

Und da dem Mittelmeer zu letztem Adlerstosse Ein Kaiser noch erwuchs, Napollion, gab der Grosse Sich Selbst und Glanz und Ruhm dem heilgen Volk der Franken, Das er »so sehr geliebt«, tief bis in Tods Gedanken. XXIV

Was hat hienieden noch für mich Gewicht, Welch Tun bei Tag, nachts welches Traumgesicht? Die Welt scheint nur ein Minder oder Mehr Von dir und deinen Ufern, Mittelmeer!

Die drei Welten und das Lebenslied

XXV

Der Mensch vergeht. Schon brüllt formlose Masse, Nach Zwängerwahn gepresst, und rühmt sich Rasse? »Schon eure Zahl ist Frevel« - droht der Meister, Und fürchterlichsten Untergang verheisst er. XXVI

Doch unter wüsten Nordbrands Gräueltromben Wuchs himmelauf Geistiges Reich aus Katakomben. Der Grösste Gregor ältesten Romgeschlechtes Legt auf der Welt Heilsbann des Kirchenrechtes. XXVII

Um unsres Mittelmeers erhabnen Fels Spielen Delphine tänzrischen Geschnells. Hier vor Exils barbarischer Klippenbai Balgen sich Krakel. Schnäpper, Menschenhai.

xxvni Laurus in Ezilio

Auch hier des Phöbus-Lieblings griechische Züge: Der schlanke Stamm, feinästig, schmal umlaubt. Herbstsüsse Jungheit dunstend. Doch wer trüge Sein Haupt so hoch, dass du als Kranz erlaubt? XXIX

Du Mutter der Geschichte wie der Mythen, Artmutter du all unsres Menschentums, Bei dir blüht, Tucht zu höhen und zu hüten, Myrte der Freiheit, Lorbeer wahren Ruhms.

xxx Gern teilten Götter mit euch Wein und Brot, Gern führten Zwillinge das Schifferboot, Platon zog gern den Nachwuchs, dass er grüne In Kalokagathie und Sophrosyne.

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Dich t u n g e n

XXXI

August von Platen-H aller münd Augustus, hallender Mund, zerschlägt die Leier: Was gält ein hymnisch Lied im Chor der Schreier? Lang war er »satt von seinem Vaterlande«, Nun treibt ihn aus der wahren Heimat Schande. XXXII

Das Gleiche?Nein. Das Andre? Nein! Zwei Seiten Sind immer eines, doch der dritte braucht Die übervolle Schale, die wir weiten, Vor der verruchten Buhlung Lust verraucht. XXXIII

Die Mitte bodenlos, der Rand verspleisst, So geht der Krug umher und jeder meint Er letze noch, und grade ihn, und reisst Den Scherben an sich: kein Gott-Auge weint. XXXIV

Wer darf aussprechen was er sieht und wers Verschweigen? Tretet vor ihr, Mann auf Mann, Bis sich der Urvergelter selbst besann, Den Rachen schloss blutrauschenden Begehrs. xxxv

Zwei Dichter eint die Gottesschau: den Weisen Der Kabbala, den Waller in drei Kreisen. Dante beugt sich zu Manoell Ebreo: Wir knien, Freund, in des Einen Empireo! XXXVI

Von Manoell ermahnt, gewiesen, kannte Das Rätsel des Bezugs Weltwirker Dante: Zum Korn im Mutterschoss kommt Wecker Strahl, Urgärens Allheit richtet Maass und Zahl.

Die drei Welten und das Lebenslied

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XXXVII

Dies Geisterbündnis deine Wiege schuf, So dein Geschick, so dein Gesetz. Wer blöde Sie stört, zerstört des Mittelmeers Beruf, Er macht dich hörig, blühende Welt zur Öde. XXXVIII

Einst maassen Schwert an Schwert die blanke Schärfe, Ruhm blieb dem Sieger, dem Geschlagnen Ehre. Heut fleucht, kreucht, paddelt Überzahl der Kerfe, Nagt, was noch sprosst’ und schwoll, Laub, Blum und Beere. XXXIX

Meister verhiess und pries Krieg, Wahnsinn, Seuchen, Fall dem Zerfall, dem Wimmeln, Schwirren, Kreuchen. Doch wann ersteht der Bare, dass er werfe Sengende Wetter auf die Brut der Kerfe? XL

Dann freilich grünt, der tausend Jahre dorrte. Dann schlägt der Berg sich auf zur Kaiserpforte. Dann, dann entsteigt Wer dem kristallnen Schrein, Hebt Stab und Reis aus hortentsühntem Rhein. XLI

Ob uns schon dieses Aufgangs Feuer rauchten? Nicht Frage ziemt noch Klage den Erlauchten, Die unser Meister sich befahl zum Heer, Zur Schutzwacht Neuem Reiche Mittelmeer.

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Dichtungen

DAS VIERTE FENSTER : VATICINIUM

In deiner Tiefe gärt es, Mittelmeer. Versunknes strudelt auf, titanisch bäumt Gottlose Brut, in Fetzen überschäumt Blutroter Gischt auf Wellen schwarz wie Teer. Zittern durchfährt das Meer, Meer dehnt sich trächtig. Ein Ruf, ein Riss. Nacht gähnt der ganze Spalt. Die Nacht gebiert Gestalten marmormächtig, Verschränkten Arms Drei Mütter, todesalt: Cornelia, ihren Gracchen starrt sie nach, Rustikiana, leidend bittre Schmach Nach höchstem Glanz, Laetizia, Madame Mère Des Kaisers, tauchen aus zerrissnem Meer. Cornelia, Scipios hocherlauchtes Kind, Bürgerin Mutter, weihte herb und lind Erglühte Söhne ganz dem Freien Staat. Blutsaugergier Wirker und Werk zertrat.

Wittib Rustikiana, Altroms Bahre Ahnen, Gemahl und Söhne Konsulare Bettelt’ um Brocken Brots beim Neugezücht : »Da schleicht die Vettel Urbs« - drosch das Gerücht.

Laetizia, der fünf Könige entstammten, Sprach stets, und ihre römischen Augen flammten, Wenn sie von neuem Glück, Ruhm, Reich erfuhr, In korsischem Franzisch : »Pourrvou que ça dourr’ !«

O Madame Mère, Laetizia, sonder Zähren Wusstest dus, Sein Imperium darf nicht währen, Erkanntest wahrlich : der Crapule erliege Der Einzling, Kaiser-Held der letzten echten Kriege!

Die drei Welten und das Lebenslied

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So reihten die zwei Brachen die Versteinte Ihrem Kabirendienst zur Niobe, Die Dritte, sie die nie vorm Schicksal weinte, Unrührbar starr wie Klio war im Weh.

Niobe libertatis, stolz im Los, Niobe gloriae, geschmäht und bloss, Fortunae Niobe, die Kaiser-Rose, Verwelkteste der Mütter, tränenlose. Tränenlos murmeln sie: gebeut der Gauch Tränenlos summen sie: fahlt Glanz im Rauch Tränenlos schauern sie: geht Geist ins Leere, Dann wehe, wehe, weh dem Mittelmeere! Lang thronten zwei, wie heiligen Un-Heils Nomen, Die Schicksalsfäden reglos in der Hand, Schwarz fliessen Schleier, ihr Gestühl ist hörnen, Und jeder Stab ein eiserstarrter Brand, Entrückt in sich bis nun, bis sie die Dritte, Die fürchterliche Rose sich gesellt. Nicht will die rulm in der Kabiren Mitte, Noch einmal drängt sies zur verwesten Welt:

»Spürt ihr das Rauschen über unserm Haupte? Das sind nicht Meere. Blut ists. Eure Schnur Zerreisst. Geschichte war. Den Griffel raubte Ich ihren Tafeln. Pourrvou que ca dourr’!« Auf heben sich zu letztem Zug die Schwestern In letzter Einung. Dann zerbricht die Drei. Sie wissen: Götter keltern nicht aus Trestern. Nackt stehn sie. Lippe raunt: »Vorbei! Vorbei!

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Dichtungen

»Vorbei mit Rumpf und Gliedern, Kluft und Kuppe, Vorbei mit Gold und Kot, mit Kron und Frohn. Eros ward Hurenvogt, der Heros Puppe. Gott tot? Mensch starb! Wehklagt des Menschen Sohn.

»Ist, war Er? Wir? Verstummt!« Drei Felsgestalten Kristallisch, hart, Klarwasser wie Demant, Grell angeflammt, die einzeln sich umkrallten, Drei Letzte sind im Allzerfall verbrannt. Kein Aschenkrum bezeugt sie. Mittelmeeres Verworfne Woge spült sie Spur um Spur. Ihr Untergang dröhnt weiter als ein schweres Gurgeln der Unsal: Pourrvou que ca dourr’!

Die drei Welten und das Lebenslied

DAS FÜNFTE FENSTER:

U LTIMU S VATUM

Zu Lucca sass ich lang im Land Tuskan, Seit unsres Tempels Fall. Dann zog der Ahn, Wie einst zum Nil Ur-Jakobs Karawan - Grosskarl gebots - zum Rhein. Für ein Jahrtausend Sass ich am Rhein, in Ried und Städten hausend, Im Dienst des Herrn, der Herren, hoffend, grausend. Am Frankenrhein sog ich lateinischen Hauch, In Rheins Wein löscht’ ich, mit der Väter Rrauch Das Sabbathlicht. Den Kaisern zubehörig, Heimlich und aufrecht, weltweis, gottestörig

Verblieb ich, jüdisch, römisch, deutsch zugleich, Ein Mann des Altreichs, bis ins Neue Reich Der Wandlung Herr mich rief: »Du ganz von eh, Ganz Ursprung, Gestern - Jüngst im Morgen steh! »Die Tracht und Pracht von Damals bringst du mit. Entbürde, gürte dich zum Tänzerschritt. Vorfahr, nun Unser Sohn, liebend verspür Was euch vertraut ist, obliegt: Sende, Kür lkein Halten« - >malme Hammer«. Was bin ich taub nicht vor Geröhr und Jammer?

Die drei Welten und das Lebenslied

Schutz? Wem? Dem nie kein Schutz geziemt? Drum hat mich Welt verschnürt, verstriemt. Hab drum in Wind und Wettergüssen Ausharren müssen. Bin drum von Gottes Faust Zerstrobelt und gezaust. Und hab an Blum’ und Früchten darben müssen, Verschmachten müssen. Drum sind mir alle Äste krausverzackt, Drum ist in meinen Splint der Wurm gepackt, Also dass mein Gezweige bar und nackt. Ihr meine Klauen, was lasst ihr nicht los? Was greift ihr schirmend in den morschen Schoss? Heut besser denn morgen soll der verwittern. Was brüllt ihr, Flutleuen, hinter windigen Gittern? Stosst ein. Setzt über. Euch lass ich den Lauf. Keine Kiefer hält euch auf. Ich Hüter brech euch selbst die Bahn: Heran! Heran! Brünstiger Untergang Gottes: vorbei! Drang - Drang -« Blutsang verdämmert, das Gewölbe kracht. Ein Tod stösst alles Leben mit zur Nacht.

DER DRITTE SPIEGEL: HIOB NABI

I

Wüsstet ihr was ich weiss, Euer Lachen klänge leis, Leis wie vertrocknetes Weinen Über Grabsteinen, Wo die Schrift verblich »Was weisst du? Sprich!«

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Dichtungen

Wüsstet ihr was ich weiss, Euch ränne kalter Schweiss Über Stirn und Lider, Euch schlotterten die Glieder Wie vom Rutenstrich »Was weisst du? Sprich!«

Wüsstet ihr was ich weiss, Euer Gesicht wär weiss, Ihr kämt in wimmelnden Haufen Aus euren Häusern gelaufen, Alles liesset ihr im Stich »Was weisst du? Sprich!« Weh eurem geilen Gefrag! Lasst mich . . . »Bleib, sag!«

Schaut auf die Ähren da vorn: Jede Granne ein kralliger Dorn, Jedes Korn ein Krebsgekrös. Alles was gut war, bös »Sprich doch! Was weisst du noch?« Weh! Alle Wasser verbracken. Weh! Alle Feuer verschlacken. Weh! Alle Luft ist Getös. Alles was gut war, bös. »Sprich doch! Was weisst du noch?«

Fluch euch, weil ihr noch heckt! Besser, die Brut verreckt, Als dass sie wider euch schrie, Mutter, Vater bespie. »Sprich doch! Was weisst du noch?«

Die drei Welten und das Lebenslied

Weh, er backt euch zu Stein, Kot sein Mörtel und Pein. Blind du für den! Taub du für den! Stumm du für den! Alles ein Geseufz, ein Gesehn, Leeres, leeres Gesehn. Keiner für keinen. Qual, nicht Weinen Nein! Nur Nein! Hohles Totengebein Ohne Schrein Seh ich im Sturm verwehn Klappernd querfeldein: Im Sturm der aus dem Winkel kroch, Im Sturm der grossen Rachewoch, Im Sturme sein! »Sprich nicht, du! Schweige doch!«

All das und mehr, ihr Geschmeiss, Wein wärs, darnach euch lüstet, Honig wärs euch, wenn ihr wüsstet, O ! wenn ihr schon wüsstet, Leben müsstet, Sterben müsstet, Grün oder greis, Was ich weiss! Was ich weiss! II

Ihr seht mich nicht. Wie könntet ihrs? Hättet ihr Wittrung des Getiers, Aufgings euch, wie ein Licht. Ihr rücktet nicht verlegen und, Wie Mägde, Finger überm Mund, Drängtet euch um mich dicht.

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Dichtungen

Mir wedeln beide, Wolf und Hund. Die Hindin äugt vom wiesigen Grund, Bis es sie zu mir trieb. Meerschwalbe rührt des Hutes Rand, D er Faller wiegt mir auf der Hand, Den Fischen bin ich lieb.

Ihr aber schaudert, scheut und zagt: »Was will der, dass er höher ragt? Heissts: ihr seid unter mir? Wer rief ihn auf? Glänzt seine Seel Echter als unsre ? Israel Ist ers ? Wir sind es - wir!« Und ich? tu ich nicht alles um Unmerklich mich zu machen, stumm, Ganz stumm bei eurem Schrei’n: »Wir sind gerecht, wir gehn in Schul!« Doch heischt der Geist, wehts von euch kühl: »Mit Geist wer lässt sich ein?«

Horts saurer oder schlauer Mien: Erbschatz ist Geist, euch zugediehn Von Moscheh bis Maschiach. Geist weht als Ewiger Brand im Dorn, Den er nicht rührt, Geists Morgenhorn War ich. War ichs? Eh? Nie? Ach! Das Horn versagt, sein Schall versiegt: Ein Becher, der am Boden liegt, Ein Becher ohne Wein. Wie, dass es heute übergärt, Als Blitz von meinen Lippen fährt? Das Herz in heisser Pein

Die drei Welten und das Lebenslied

Erglühnd fast sein Gehäuse sprengt, Seh ich euch dumpf, stumpf eingeengt Da schon die Stimme schrie. Schwer stöhnt es in mir: neue Saat Aus tauber Ahr? Heil aus Verrat? Verziehe Zorn, verzieh!

Weiss doch Ruf kennt nicht Widerruf, Weiss doch Er jätet was Er schuf, Will wieder Furchen ziehn. Weiss doch: nur aus Tods Nöten kam Von je zu Keim verjüngter Sam. Wohin fliehn? Fliehn wohin? Zu spät. Feig säumt auch ich. Verhielt Sein Wort. So bin ich mitverspielt. Abkehrt Er sein Gesicht. Ich darf nicht sehn, wie sichs erfüllt An euch, an mir. Das Haupt verhüllt Erwart ich Sein Gericht.

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Dichtungen

DER VIERTE SPIEGEL: HIOB MASCHIACH Wer wenn nicht du

Wann wenn nicht heut Wo wenn nicht hier

I

Du, der Ruf, horch! Dir gilt er, dich trifft er: Bist du nicht Siegel, bist du nicht Stifter? Seid ihr nicht alle von Erst an Eins ? Jeder ein Kein-Ich, jeder dein Sein, Deins, Jeder: Faser im Wimpel. Eins: Zettel und Schlag, Weintröpflein alle in Gotts Gelag. Fährst du nicht, Abram, jetzt übern Phrat? Bist du nicht Moscheh, wirfst aus der Tora Saat? David nicht, herziehnd zur Königstat? Nicht der Gaon, Stimmenschlichter im Rat? Oder der Baal Schern im Tanz aus dem die Schechinah trat? Hiob immer, empfangen im Schoss der Not. Hiob immer, erkoren zum Hocken im Kot. Hiob immer von der Stimme umloht! Und drum am End der Gesternlos, der von Nirgendher naht, Weil die Gotteswelt wartet auf ihn droben und drinnen, Stund um Stund, früh und spat! Auf Ihn Urständ, Ihn Aufbruch, Ihn Demant aus der Truh. »Wer ist denn der Ihn, der unnambare Ihn? Wer ist das der Ihn, das macht uns verwirrt. Meint das jenen Ihn der die Tirza kirrt, Oder den Ihn, der, ein Spielball, am Estrich verklirrt? Oder den Ihn, der sich im Wald verirrt, Im Bannwald so voller Schedim schwirrt, Drin Er sich verliert. Nie kriegt verziehn Der irrende Ihn. Ist Der der Ihn? Er oder Wer? Dem Heil-Unheil verliehn? Der Nein und der Ja, der verdorben gediehn ?« Der Ihn ist nicht Wahl, der Ihn ist nicht Wahn, der Ihn ist Fug. Ist Der und ist mehr. Der Ihn ist Dabei, Vereinung ist er.

Die drei Welten und das Lebenslied

Der Ihn ist immer Einer von Zwein, Doch allweil der Andre - wie einst wer frug: Bin ich es? Da wusste man: dieser ist Fluch und Trug. Fang an zu wundern, fang an zu schrein. Dann hist du’s. Brenn’s ganz in dich ein. Dann hist du’s. Der Ihn dann dein Du. Der Ihn dann Du, dein Du’stes Du. Wer wenn nicht Du? ii

Seid ihr bereit? seid ihr gerüstet? Weh wenn er da wär, ohn dass ihr wüsstet, Dass er nimmer die Sach ist, mit der ihr euch brüstet, Dass er irgendwas ist danach euch gar nicht lüstet. Dann, just dann kommt er euch in die Quer Ja er ist da, fragt nicht woher. Ist doch schon da, da, wie alles von eh. Ist doch schon da, ist das Wasser im Schnee. Ist der Nagel in der Nuss, ist der Honig im Klee. Alltagsdust ist er, vom Besen gefegt. Im Essig der Wurm ist er, der aalig sich regt. Am End der verwetterte Stein ist er, an Wegrands staubigster Stell ? Ach gar der Kräh am Kahlast, was rahlt er so grell ? Schaut nur genau auf des Rebben Tür: Rückt der Knauf nicht? Oh wer dran rühr? Bleibt dem Nowi sein Stuhl auch diesen Seder leer? Wer stösst grad in den Schofar, wer? Mitten am Werktag kein Krach in der Gass ? Mausstill die Jeschiwa - was heisst denn das? Schule und Schul-Hof blitzblank gescheuert Habt ihr euch den Golem geheuert? Wunder! Der Schlot qualmt und Keiner feuert! Täts wer am Jontef, Faust wär ihm verdorrt.

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Dichtungen

Unfehlbar, wenn ihr zum letzten Geleite Einen von euch fahrt, zu bringen ihn fort, Steht ein Bettler und benscht am Guten Ort, Rostig rasselt seines Kiddusch Gekeuch. Für den Alten der Heller keinen reute. Ihr lupft schon den Beutel: »Nun? ist er dasmal nicht dort? Ist er siech, ist er faul, ward ihm bessre Beute?« Sie ward ihm, er schwingt sie hoch über euch, Singt, wie ein Chasan seine Stimme so weich, Schaufäden schwingt er mitten unter euch Als einer von euch - dass ihn keiner verscheuch ! Ist einer von euch, der Neue zugleich, Der Neue, der Erstling, der bringet das Reich. Lugt, horcht, ausharrt, ihr alle Leute, Reift doch, begreift doch, was das bedeute: Nimmer wärs wenn nicht hier, wenn nicht heute: Wo wärs wenn nicht hier? Wann wärs wenn nicht heute? Wo wenn nicht hier? Wann wenn nicht heute? III

Und herbei zog ein Wind und der Wind wars nimmer. Und bog leinend Einer sich im Zimmer, War es nicht - ob sein Nigen auch klagend pries, Ringend beschwor, indes der Wind herum blies und blies. Der Wind muss doch wehn, der Beter muss doch Hehn, Je und je hats so zu sein, so zu geschehn. Tage kommen, Tage gehn, So lang Welt steht auf der Eckpfeiler Zehn. Und auf einmal ist heut Das Heut, auf einmal wird Heut Hier. Auf einmal bist du Helle, bist Zier, bist Der Wir. Was heisst das? das heisst: du darfst Dich sehn, Das heisst: du darfst Dich Maschiach sehn, Ihn, Dich wallen sehn, der Verheissung Panier. Ihn, Dich schreiten sehn, Glitzglanz Dein Schuh. Maschiach Odem haucht Heilsam, Maschiach Fuss blümt die Fluh. Heilig dann Getier und Getier. Beim Wolf ruht das Lamm, Leu’n kost die Kuh.

Die drei Welten und das Lebenslied

Prallen Korns voll siebenfach alle Schütten Stroh. Segen um Segen, Du willst es so, D enn da ist Dein Wann. Da ist Dein Wo Und Dein Du, Dein Du bist Du. Lautlosen Rufs kommst, ganz in Bundes Ruh. Pforten, Pforten weit offen, Ein Tor schlug zu: Ein Tor schlug zu. Ein Tor schlug zu, schlug die Augen zu. Ein Tor schlug zu und war froh dazu. Ein Tor schlug zu. Das Tor hiess: ich tu. Weil Ich Mir zerstob, ein Nirgendwo. Wohl, du kommst zu Dir. Wohl, du wirst Du. Aufgang rundum, alles Ein Ja-Hallelu. Sphären schmelzen in Baruch Hu. Himmel, Erden Ein Einig Schemah. Wieder geschieht was be-reschitii geschah. Da dann Du, Du dann da. Ja: nun Du Er. Ja Er nun Du. Er der Andre, der Jeder, der Allzeit-Unzeit-Nu. Halt dich - Er Du. Vergeh - Er Du. Gegenwart, Opferstatt, Du Du Du. Hiob-Du. Maschiach-Du. WER-ER - DU.

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Dich tungen

»DAS LE BENS LI ED«

AN DIE DEUTSCHEN Die weltzeit die wir kennen schuf der geist

(Stefan George)

DAS LIED Kein stern und kein jahr

Vernichtet den geist

Allmächtig so wahr Er noch wundert und preist.

(Stefan George)

Euer Wandel war der meine. Eins mit euch auf Hieb und Stich. Unverbrüchlich was uns eine, Eins das Grosse, eins das Kleine: Ich war Deutsch und ich war Ich. Deutscher Gau hat mich geboren, Deutsches Brot speiste mich gar, Deutschen Rheines Reben goren Mir im Blut ein Tausend] ahr. Stürzebach und Stürme rauschten. Um mich unsrer Wälder Grund, Frauen schauten, Knaben lauschten Auf mein Schreiten, meinen Mund. Zu mir traten eure Besten, Zu mir, den die Flamme heisst Ob im Osten, ob im Westen: Wo ich bin ist Deutscher Geist.

Die drei Weiten und das Lebenslied

Eure Kaiser sind auch meine. Grosskarl, mild gestreng und fron, Unter Seiner Sonnen Scheine Zog der Ahn zum Frankenthron Nach Magonz. Sein Spross, der klare Ritter, Raw Kalonymos Gab, auf dass er Treue wahre, Treue kaiserlichem Aare, Anderm Otto, da furchtbare Not ihn bog, sein eigen Ross. Und zum wahrsten Gibellinen Friedrich, aller Kronen Kron, Eilten, Guts und Bluts zu dienen, Jude, Christ und Wüstensohn.

Eure Dichter sind auch meine. Auf rief ich Held Hildebrand, Mit dem Schwelg sass ich beim Weine, Mit Herrn Walther auf dem Steine, Fuhr mit dir durchs welsche Land, Erzpoet, zu Reinalds Ruhme, Flocht den vollsten Blütenstrauss, Wählend, wägend Blum auf Blume, Mir und euch für unser Haus. Eure Mär ist auch die meine. Vom helldüstem Bruderpaar, Blindem, der den Blanken töte, Hoeder-Vult, von Speer und Flöte Flüstert’ ich euch, mir in Reine Rauschte Schwangotts Flügelschar. Nun im Mantel, nun als Rüde Lockte, grollte lärmumwogt Zweimal Wer: ich sah, mich lüde Ursturm, Einaug, Runenvogt !

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Dichtungen

Eure Sprache ist auch meine Liebe Muttersprache, seit Jener Ahn kam, sie ward seine, Blieb den Kindern, fränkisch breit. Einverleibt zur Gottesstunde Sann ich, sang ich, sing ich heut, Deut und höre frühste Kunde, Hüte mit in heiliger Runde Deine, meine Seele, Teut.

Denn dein Traum ist auch der meine. Vom geheimen deutschen Fug, Von der Braut im Zauberschreine, Vom Kristallnetz, das die Feine Selbst gewirkt und um sich schlug, Bis, erwacht, sie’s über Weiten Ausspannt in gewaltigem Zug, Sterne fängt und Gang der Zeiten, Weiss auch meines Traumes Flug. Und dein Tag gar ist der meine. Auch um meine Stirne wand Stefan, Flammenhort vom Rheine, Heil der Herzen, Er der Eine, Unsres Stromes Silberband, Duft des schönen, Schau des neuen Lebens schenkend, der Gebühr, Weihend mich, den Immertreuen, Seiner Sende, seiner Kür, Seiner Sende, auszustreuen Junges Gotteslicht im Lied, Seiner Kür, die goldnem Leuen Dunkle Fittiche beschied. Morgens Meister, Stern der Wende Hat Ihn lang mein Sang genannt: Sohn der Kür, Bote der Sende Bleib ich, Flamme, Dir Trabant!

Die drei Welten und das Lebenslied

DER ABGESANG Nur aus dem fernsten her kommt die erneuung (Stefan George)

Dein Weg ist nicht mehr der meine, Teut, dir schwant, erkoren seist Du am Nordgrat, nicht am Rheine, Lug sei, was dich Andern eine, Lug das Lamm in Kreuzespeine, Blut sei Same, Gift der Geist. Borgst dir Zeichen, Zucht und Richter, Löschest aus die eignen Lichter, Fährst vom Weltentempelhaus Deiner Kaiser, deiner Dichter Brüllend, Teut, ins Dunkel aus: Wüsstest du was drinnen kreist! Nacht hat auch zu mir gesprochen, Gottesnacht, schwer dröhnt das Wort: Losgebrochen! Losgebrochen! Alle meine Pulse pochen Von dem Rufe: auf und fort! Und ich folge, und ich weine Weine, weil das Herz verwaist, Weil ein Tausendjahr vereist. Aber ob zum Morgenscheine Hindrängt das gewaltige Wort, Wo ich mich Altvätern eine, Harrnd, dass Hagadol erscheine Ob der Ruf mich fernhin reisst: Kür verheisst und Sende weist. Weit aus heilig weissem Feuer Reckt die Hand und heischt der Meister: Überdaure! Bleib am Steuer! Selige See lacht, Land ergleisst! Wo du bist, du Immertreuer, Wo du bist, du Freier, Freister, Du der wahrt und wagt und preist Wo du bist, ist Deutscher Geist!

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Dichtungen

BANN

HINFAHRT

I

Du bist allein, entrückt, gemieden, sag es Nur tiefer stets dir in den düstern Sinn. Du wolltest dich, nur dich, Hiob ertrag es, Nun unter andern Sternen wirf dich hin Ins Ungewisse das wie Mondlichtnähe, Wie Mondlichtwolke farbig fahl dir droht, Droht oder lockt. Die Nacht ist duftwarm. Spähe Den leeren Himmel aus von deinem Boot.

Hier ein Geleucht. Ist das ein Stern gleich jenen Die deiner Väter Gang gewiesen und Den Edlen Halt und Gunst - uns und Hellenen Gottschimmer, Kairos, Tucht und Ewigen Bund?

Ein Himmel, sprachst du, hält uns allumfangen. Ist dem so, Hiob? Neues Firmament, Abweisend, einsam. Bist zu dir gegangen In eine Ferne da kein Gott dich kennt. Weisst du nun, spürst du nun, Hiob, dich selber? Hast furchtbarn Ringens Preis du dir erbracht? Schleier und Schlacken schmelzen. Abendgelber, Wie Sonnenrüste brennst du vor der Nacht.

Umbreite dich als deinen Mantel, innen Du selbst dir Herzpunkt, rings von dir umwallt, Und willig einzugehn. Doch nicht verrinnen Wie Höhnrauch sollst: sink in dich, Nam, Gestalt

Die drei Welten und das Lebenslied

Völlig bewahrend, und der Mantel fahre Spät erst dir nach, den Späten ein Gesicht, Zeugnis und Abbild langer Leidensjahre, Bis blauer Meerwind seinen Glimmer bricht.

n ALBATROS

Grossschwingen, flach gebreitetes Gegleit, Riesige Schwingen, tragend, hingerissen Hoch über Flut und Boot, schwärzlich und weit, Lichtleicht, doch lichtdurchschneidend, unbeflissen

Als gält es Spiel - kein Spiel: als sei der Lüfte Uratemdrang zur Schwinge ausgeschwenkt. Und doch, wer Blick hat, merkt: von straffster Hüfte Die Steuerfedern scharf und hart gelenkt.

Und hier, hier, fast zum Greifen nah, ein Grösster Pfeilt streifend mir ans Haupt, entschwebt und peilt Sich lässig bei, und immer wieder stösst er Ins Unmessbare - Wunsch und Traum enteilt. Das bist du, Albatros! von meiner Fähre Schau ich dich in mich ein und grüsse lang, Weitschwingend das Barett, dich, den Bodläre Als Dichters Bild erhöht im Lobgesang.

Freisten dich, ihn den Künder, meine Lippe Ist stark euch vorzurufen. Sturm und Wahn Sind mir vertraut wie euch. Von selber Sippe Durchmess ich, Hiob, Leids zeitlose Bahn.

ui Weh Hiob weh ! noch bist du nicht am letzten, Am einsamst letzten Fels, noch grünt ein Rand Von Heim und Gestern. Doch sie, die dich hetzten, Jagen dich weiter an die Schwarze Wand.

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Dich tungen

Wer steht und droht und brüllt, wes Geifer, Lüsten Bist du verfalln, wen hast du so erbost, Dass er dich stosse noch von fernsten Küsten, Von jedem Fleck, den du zur Rast erlöst? Als ob des ganzen Stamms uralte Sünde Tn dir verbüsse bis zum kleinsten Deut, Bis alles abgetragen, bis die Gründe Der Schuld ganz ausgejätet sind - dann erst wird Heut!

NOCH WAGICH mir nicht lautbar zu gestehen Dass neues Land aus neuen Meeren blaut, Doch in der Nacht entführt des Traumherrn Wehen Mich oft an ein Gestade. Wie vertraut

Scheint zackige Küste nie gekannter Risse, Daneben hüglig überblühter Hang, Draus gehts wie Vogellied: Getriebner wisse Dass eine Raststatt winkt. Was jahrelang Dich überkam, gärende Finsternisse, Blutfleckige Gespenster blassen - Tang, Korallenes Geröll und ungewisse Scherben und Hadern so die Flut verschlang! So klingt der Traumsang wohl. Gewiegt in schmaler Schiffsklause lauscht das Herz, gibt sich bewegt Für einen Nu der Wende, glaubt aus kahler Wüste seis nun entrückt und wohl umhegt.

Lass deinem Herzen gern, Hiob, die Pause, Das rosenblättrige Lächeln einer Nacht, Erbarm dich, gönns dir, dass sie im Gesäuse Des Ewigen Wehs ein Glück dir zugedacht.

Die drei Welten und das Lebenslied

223

NUN, was mich forttrieb? Ihr begreift es Schwer, Freunde, dass ich eure Hände liess. Von eures Worts Herzuäh mein Leid nun schweift es Zur Bucht, dahin nie Gottes Atem blies.

ahnt ihr

Nie? Oder lang entfuhr? Noch nie? Und will Er Schaffend auch hier wehn? Wann? Das fragt sich nicht, Mir ists nicht kündbar. Aber dass ich stiller Im ganz Entlegnen bin, weist ein Gesicht

Tröstlich der Stunde zwischen Traum und Grauen, Vor der ich schaudernd Jahr um Jahr gebangt. Mag tote Nacht hier toten Tag betauen: Sie kommen mir nicht bei. Bin angelangt. Anker schlug ich bei mir. Als rostiger Schrunde Die Kette hinfuhr ins verzückte Herz, Wandelte sichs im Leuchten letzter Wunde, Wandelte sichs in zwiegehärtet Erz.

Und wie das Ur-Eis brütender Kristalle Im Mutterschacht ertragen und erstarrt, So harr ich aus in stummer Innen-Halle, Ruh aus in scheinlos blanker Gegenwart. Ruh aus befreit. Doch was dies Herz erfahren, Bis es sich selber grabesstill gemacht, Euch Freunden darf ichs nimmer offenbaren. Ihr liebtet meinen Tag - ehrt nun die Nacht!

NICHT DIE Wunderblume des verklungnen Letzten Lenzes, der nie Frucht gebar, Neu zu finden, trug ich zum verschlungnen Dickicht müdes Herz und greises Haar.

224

Dichtungen

Trete darum nicht die letzte Zinne Andrer Thule, dass die Seele leicht Mich beschwing und glüh in neuer Minne. Minne starb und Sehnen ist erbleicht.

Nicht einmal mich selber aufzuschrecken Hab ich Nacht um Nacht mich wach geschrien, Querte bahnlos, planlos Haus und Hecken, Nicht weil ich mir, ein Gespenst, erschien. Nicht einmal mich selber aufzuspüren, Nicht einmal mir selber zu entfliehn Lief ich langen Weg und sprengte Türen Mit dem Schwert, von Wunsch und Wahn entliehn.

- Hoffen, Harren, Lieben, Alles was den Menschen Menschen eint. Auge sticht, als hätt ich diese sieben Jahre der Verbannung durchgeweint. hinter mir weit

Meiner Väter Ruf droht und verpflichtet, Lauter braust der Sturm im eignen Kern. Ödem Himmel, wolkenlos verdichtet, Losch für blinden Blick der letzte Stern. Scharfer Zug durch Tür und Fenster fährt, Klamme Finger Griff und Bitte weigern. Dennoch ists, als sei Alt-Schuld verjährt Nun da Zeitblatt tickt, entblösst von Zeigern. Nein, ich fühls, noch viel ist vor dem Ende Abzutun, ein Sandberg riesengross, Bis erfüllt Hiobs geheime Sende, Bis ich endlich von mir selber los.

Die drei Weiten und das Lebenslied

225

Erdballs letztem Inselriff Begreif ich was ich nie begriff. Ich sehe und ich überseh Des Lebens wechselvolle See. Ob mich auch Frohsinn lange mied, Einschläft das Weh, das Leid wird Lied. Bin ich noch ich? Ich traue kaum Dem Spiegel, alles ■wird mir Traum. Traumlächeln lindert meinen Gram, Traumträne von der Wimper kam, Traumspeise wird mir aufgetischt, Traumwandernden Traum-Grün erfrischt, Hab auf Traumhellen einzig Acht. So ward der Tag ganz Traumesnacht, Und wer mir Liebeszeichen gibt D er fühle sich, wisse sich traumgeliebt!

AUF

NICHT was ich will. Will nicht was ich muss. Die Trän ist trocken, verstaubt der Kuss.

will

Weiss nicht was ich weiss. Weiss nicht was ich soll, Und schien doch aller Gnaden voll. Ich schweige nicht, schweig ich. Sing ich, wenn ich sing ? Den sie tief und gewiss darin befing, Ich fiel aus der Mutter Zauberring.

Hab nicht was ich hab. Gehr nicht wes ich gehr: Der über floss, ist leerer denn leer. Bin nicht der ich bin. War ich der ich war? Doch Einer lacht bald auf der Totenbahr.

226

Dichtungen

ULTIMA POETAE

So einsam, so allein, so ganz verlassen Hock ich, verschlagen unter fremde Sassen, Dass selbst ein Nachtmahr zur Gesellung freut. Du würgst mich? Hast dich nicht vor mir gescheut?

Die Hand nicht mehr zu Griff und Halt geweiht, Das Ohr durchrauscht vom Meer der Ewigkeit, Das Auge dunkelnd: Seele, sei bereit.

das Leben, weiss um Lebens Wert? Er nur, der lacht und ihm den Rücken kehrt, Verachtend spürt: Schmach ist, sich anzuklammern, Aufrecht versinkt, wo Knechte knien und jammern. wer liebt

»Ein überlanger Weg hat ihn entrückt, Nicht rührt ihn mehr, was uns berückt, bedrückt.« Kennt ihr den Preis für furchtbar stille Schau? Des Kraters denkt in eisiger Gipfel Blau ! Ihr seht unsagbarn Grauens schwarzes Zelt Von Eines Worts Schein flüchtig überhellt Und brecht wie Glas entzwei. Was teilt ihr mit Der Seele, die nachtein nachtaus das Zelt betritt?

Ein König weiss um Königs Pflicht und Maass. Glaubt ihr, dass der Gebannte sich vergass? Dein Ruf schallt ehern zu mir durchs Gezisch: Dank Dir! Ich komme, Bruder, Sohn des Kisch!

Die drei Welten und das Lebenslied

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NACH FÜNFZIG JAHREN

Die beiden ersten Strophen beginnen ein Gedicht

des Neunzehnjährigen

Ich war ein fahrend heimatloser Schweifer, Und achtlos ging am Schönen ich vorbei, Doch da ergriff mit wildem Liebeseifer Das junge Herz mir eine mächtige Fei.

Urplötzlich sah ich bunte Blumen spriessen Und eine Heimat, eine Ruhestatt Umgab mich. In entzückendem Geniessen Trank ich am Kelch der Liebeslust mich satt. So stammelte ein Vierjahr vor Erweckung Durch seinen Herrn der Knabe ungelenk, Doch stolz mit überreichlichem Geschenk, Und schaudernd ob des Glücks gorgonischer Schreckung.

Wie war ich seit der Jahre halbes Hundert Andächtig nah Allgottes goldner Welt, Vorm Meister still, verrufen und bewundert, Trunkenstem Augenblicke beigesellt. Heut, heimlos zwar, greis, wider Recht gebannt, Schatzhalter doch den unser Meister braucht Heb ich den Kelch, der Flamme ganz Trabant, Bis Schall und Schau in bracher Nacht verraucht.

o Geist des Menschen, allem Erdenjahr Warst Lichtspur du. Wenn du dich je verhülltest Verstreut in Höhlen sorgt die gläubige Schar, Von dir erwählt. Komm, dass du sie erfülltest!

228

Dichtungen

Dies Fähnlein, Wahrer, Künder, Preiser, Schauer, Dir eingeweiht, dir nur und deinem Dienst, Hat ausgeharrt in feierlicher Trauer, Bei Not und Bangnis treu, bis du aufschienst.

Sie lugten aus, doch in sich, weiter, tiefer. Glitt ab der Blick den Sinnen, hinterm Schein, Wo sie dich suchten, wars manchmal als schlief er, Der Geist, in ihres Herzens Kämmerlein. Wer das erfuhr, leis Atemwallen spürte Des Geistes, selber ward er stiller, bis Der Halberwachte heilige Finger rührte, Mahnende, tröstende: Du, sei gewiss!

Du warst der langen Schlummernacht ein Hüter, Sei nun den ich zum Helfer mir ersehn! Dir winken keine Kronen, feile Güter Flecken dich nie, allein das Abendwehn

Kühlt Stirn und Lippe leis mit Himmelswürze, Mit meinem Manna, das euch Sucher feit, Die unterm Zauber, über Stein und Stürze Hinauf, geschmäht, gehetzt, nur mich umfreit. Dies Manna, Lohn für Fron und Bann, den bittern, Sei dir verliehn, dem Wächter meiner Ruh. Vor schrittest meinen Säern, meinen Schnittern: Wer darf die Glieder lösen wenn nicht du?

IN EIN BUCH

Trunkenen Lebens kreisender Tanz ist Sprache. Tods verhaltnes Schweigen: welche Sprache! Funkeln in der Nacht ist Sternes Sprache. Düften ist der Blumen stille Sprache.

Die drei Welten und das Lebenslied

Nachtigallen, Bülbül, Tuitui: Euer süss Getön was wär es? Sprache! Menschenherz, Weltmitte: Wort des Dichters Löst dir deine, aller Sprachen Sprache.

WEG

Welches Tags Strahl auch der letzte, Welche Nacht die längste sei, Welcher Wein am Ende netzte Heisser Lippe heisren Schrei Wenn mir dann das Glas zerschelle, Trinkglas, Stundenglas in eins, Wenn der Finsternisse Welle Spült sich ein das Fünklein Scheins:

Eh der Aushauch ganz verstocke Schrill gepresst, Abfahrtssignal, Dröhnt er stark als Osterglocke: Kein Ade, ein: Noch Einmal!

WANDLU NG

Das Spiel vorüber, die Reigen verstreut. Wölkchen um Uferweiden: Die Dolden im Garten, dein Gestern und Heut, Du Flattrer, Scheiden heisst Meiden.

Hinaus! Wo die Farbe geistiger flammt Wie im Halblicht mulmiger Grotte. Du Flatterer Ich, nun übe dein Amt, Ob du Falter, ob du Motte.

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250

Dichtungen

Bist du Falter, Entfalter aus ewiger Brut, Dann fliegst du dir selber entgegen, Bist du Motte, versprühst, auch das ist gut: Gleich darfst du wieder dich regen. Nur im maasslosen Nu, wo Zeit verschwelt Zum Ring, nur im Nu der Schwelle, Scheint euch Wandlung Rast, euch, beseligt entseelt, Wie ein Nachten Aufgang der Helle. WESEN I

Wachsend mag wer Eigenform erreichen: Ewige Wiederkehr des Nimmergleichen

Heisst die Spülung dieses Laufenden Bandes. Leben lacht vertragnen Ichgewandes. Mit dem Licht löscht Farbe, Tönung, Strich. Denn man nimmt nichts mit, nicht einmal Sich. ii

Fühlst doch, dich befreit ein ganz Geheimes Ganz unsäglich Selbes, das bist du, Welliges Un-Williges. Eignen Seimes Ölt es, ist es Bahn der Kugel Nu.

Wandlig? Ja! Ganz Abkehr? Ja! Ein Rinner? Raster? Verstumm! Kein Zagei, keine Schoss. Sonder Prall und Brut west ewiger Minner: Stoss und Zug in eins schwingt Los sich los.

Kugel unter Kugeln. Alle rollen Auseinander, immer Einer zu, Eingepresst in, sprengend ewigen Stollen. Wehender Leere Lustring Das Bist Du.

Die drei Welten und das Lebenslied

in Einmal nämlich bist du angebrochen. Einmal hat Er mit Ihm urgesprochen: Kreise! Laut umrundete das Taube. Leere barst als rebenlose Traube.

Übervoller Süsse gor die Nacht. Einmal hat Er Sich Ihm dargebracht.

ZWEI - EINS - DREI

Ich fand Euch nie, doch unterm Brückenbogen, Strömend, der Zeit, bin ich Euch nachgezogen.

Seid Ihr die selben? Seid Ihr Zwillingspaar? All-Ein Euch schau ich von der ganzen Schar.

Leitet den Abstieg von der steilen Bösche, Dass endlich mir der fahle Tag verlösche,

Dass mir das Ende echten Aufgang brächte, Ich mit Euch leuchte durch die Nacht der Nächte, Ich mit Euch töne, dröhne, Dreigestirn, Einklang vorsingend allem Irrn und Wirrn.

Dass ich mit Euch, Ihr Weisel, ich der Drohne, Vergehnd erfliege Nächsten der Äone.

GLOCKE VOM STRAND

Wie ich beseligt bei dir hocke! Dein wölbiges B.und betast ich lang, Du gotischer Vorwelt Beterglocke, Hub aus Sankt Ileliers steilem Uferhang!

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Dichtungen

Rauten umschliessen quer die Haube, Masswerk verjüngt den schrägen Schaft, Am Rand prangt frei im Lorbeerlaube Das Kreuz der Johanniterschaft. Stumm nun, denn Zeit hat dich verwittert, Rufst keinen auf zur Liturgie Doch die nie mehr vor Wohllaut zittert Schweigt in der Demut Harmonie. Verschlagne, mahnst den Schicksalsgleichen! Ich lausche, deine Stille spricht: Heil den aus Armut Über-Reichen, Heil Überwindenden, Heil dem Verzicht!

Aus Nachlass

und Gelegentlichem

ZURUF UND SANG AUS DEN DIARIEN GELEGENTLICHES

SARCASTICA

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Dichtungen

ZURUF UND SANG

DEM ERBEN DER KABBALA

ARIEL BENSION, GESTORBEN 1952

Bist du nur Erbe? Hüter? Haucht der Abglanz Untergetauchter Sonne noch den gelben Schon fahleren Schein auf dich, von dir auf uns ? Auf uns unwillige Knechte trüben Tags? Bist du nur Erbe? Wärst dus, nimmer könnte Viel Trost in deinem Lächeln sein, deine Müde Wäre so goldsatt nicht, so sammtenen Glühens Dein Auge nicht, die Hand nicht so gebogen, Als halte sie den Becher, der uns labe! Nicht so viel Licht wär um dich, Geistlicht, Gottlicht, Du Seele von Heut und Gestern - ewiger Morgen Wiegt dich, aus dem du kommst, in den du gehst, Aufgehst, du Morgens Bote und Verkünder, Du Morgenwandrer, immer auf der Fahrt, Auch wenn du ruhst, denn Wandrung ist deine Bahre, Wandrung dein Bette, liege still, du wanderst. Liege nur still, umsummt von Wanderns Bienen Du sendest sie, hist ihnen Herr und Haus: Die Bienen deiner immer regen Sehnsucht Schwärmen aus, saugen tief, holen ein - liege nur still! Honig des Lichtes, Äthers heiligen Blühstaub Holen sie ein und tragen ihn rück ins Herz dir, Des Keimens süss geheimen Seim ins Herz dir, Das Summen und den Seim, du birgst die Beute Des schwärmenden Schwarms, sie wandelt sich in dir. Sie trägt, die zugetragne, mystische Frucht -

Aus Nachlass und Gelegentlichem

255

Frucht die ersteht, haucht, tönt, dass du erschauernd Dich frauenhaft zu ihr hinbeugst und sie einlullst In deines Herzens Wiege, deine Frucht Gezeugt von Sehnsucht, Inbrunst, ausgetragen Von deiner Inbrunst, also dass du Vater Dich Mutter weisst, zwiefalt in Fug und Gnaden, Und deine Schmerzen als ein Zeichen spürst Der Wandlung, die empfängt und nährt und schenkt Und weiterzeugt - fortschenkend, was ihr verliehn. Der Wandlung, die gebärerische Schmerzen Wie Hoffnung singen lässt, dich preisen lässt, Lobpreisen lässt die Schmerzen. Sendlinge sind sie, Siegspalmen schwingend, Rosen um die Schläfe, Der Überwindung Sendlinge, der Erhöhung. Weiser zum Ziel des Wanderns sind die Schmerzen, Wegzeiger, Willkommswinke, Wimpel der Stadt, Der urerstandnen neuerbauten Stadt, Der fernen nahen goldnen Morgenstadt, Der Stadt am Scheitelgrad von End und Ur, Die dich entsandt, die dich erwartet, dahin du Rückkehrst auf immer, du ihr Sohn, Ben Zion.

ALBERT VERWEY/ HOLLANDS GROSSEM DICHTER

ZUM 70. GEBURTSTAG

Einen weiss ich noch, der mit dem Gotte rang. Einer übt noch den Süssen, den Neuen Sang. Einer geht noch, Sturm und Gestirn, den Gang.

Einer noch - Du der Eine schirmt mit des Schildes Stetigem Blank Deines Volks und Deines Gefildes Zucht und Zier, und Schau und Schauer des Bildes. Einst im Bezirk, den kristallne Garne umspinnen, Wo die Wasser fallen der Helferinnen, Tauchtest Du täuferisch tief in den Strom, ins Minnen -

236

Dichtungen

Bliebst bis Gruss Dir bot ein Anderer Mann, Der wie Du im Strome den WUNSCH gewann, Bliebst bis an Dem und an Dir die Welle zerrann

Und entstiegst, überm Mund ein Lächeln, ein lindes, Um die Stirn die Würde goldnen Gewindes, Aber ein Staunen im Blick, im Blick des Kindes. Seit ist Ernte Dein Tag und Werk Dein Wille, Sämann der Geister Du, lauschend in wacher Stille, Lauschend dem Rauschen des Aars, dem Schrill der Grille. Du an der Grenze, Du an des Urdamms Rand, Tönende Muschel Du in der Ewigen Hand, Bleib Du Einer uns lang, da der Andre schwand!

DEM BILDNER DER »FANTASTICA«

Zier aus verwunschnem Wunderwald, bedroht, bekirrt Von blinkenden Vipern, Mahren, Zaubersingern, Biegst, trauriger Prinz, ins Freie, lauschst verwirrt, Spürst zeugerisches Rieseln in den Fingern.

Ihr Finger fahrt um schmaler Hexin flüsternde Flanken, Ihr Finger greift des Kelchs, der Flechten süsses Nichts: Selige Finger, knüpft das Netz gestufter Ranken, Gläsernes Fadenwerk nachtklaren Lichts,

Beschwörerischer Angst, in herber Minne Aufrufend was enschlief, nie war, zu Nus Zeitlosem Wirbel, traumiger Prinz: die Spinne Die lauernd webt, die unentrinnliche - bist du’s?

Aus Nachlass und Gelegentlichem

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SPRÜCHE

M.

I

JE UND JE

Gedenke, was der Herr zu Juda sagt: »Wer liebt, verschwendet!« - Wer verschwendet, wagt. Wer wagt, setzt alles ein. Wer wagt, gewinnt, Nur er, den Preis. Dem Herrn gefällt, wer minnt. ii

Wenn meine Hand am Herz ihr liegt Dann bin ich ganz in Ruh gewiegt, Und ganz und gar gehör ich ihr In alle Ewigkeiten schier -

W. ST.

Eh ich dich kannte, hatt ich dich erkannt: Dahin der Grosse Gott den Bogen spannt, Zum Herzpunkt hat Er dir den Blick gewandt, Zu Schaffen-Wunders heimlichstem Juwel: Wie liebt ich dich früh schon im Raffael!

E. M.

I

Jetzt erst versteh ich wie dein Bild Ihn spiegelt, Jetzt erst wie dein Wort siegelt, Ihn besiegelt, Jetzt erst versteh ich deinen reinen Gang, Dich, Seines Sangs Nachklang und Abgesang!

Dichtungen

2ö8

n

Mit römischem Denar

recto: bärtiges Haupt nach rechts verso: Tempel mit Flammenornament an den Giebelkatheten

Ob mich der Fug nie still im Ringe litte: Gen Osten schaund umschreit ich stets Die Mitte, Wo Unsres Tempels Giebelflamme spricht Wie einst die Loh im Dorn: Ich äschre nicht!

DICHTER DEM DICHTER: J-

Einen fand ich hier, griechischen Zweiges wert, Einen hielten die Waltenden unversehrt: Einer hütet und zeugt Geheimnis der Lippe, Einer fand dich Einen auf einsamer Klippe! POET TO POET : J.

One I found, born for the laurel of Greeks. One, the Gods enamelled his forehead, his cheeks. One is here, knowing, growing the mystery of lips. This one found his one on solitaire’s cliffs.

E. p.

I

Entrückt, allein, weit wie ich nur gekonnt, Umwölbt von Andrer Thule Horizont, Nicht drin noch drauss, kein Starrer, kein Zerstieber: So Liebe sucht, trifft Liebe mich, den Lieber. II

Um dich hab ich gerungen, dir geflucht. Verruchten halfst du, die mich ausgebucht, Feind-Freund, des Herzens Schlag hat immer dich gesucht. Dein Ruf lag, Klag’, Anklage mir im Ohr. Dich find ich neu, dich den ich nie verlor.

Aus Nachlass und Gelegentlichem

in Schwingen Wie Wolken vorm Frühwind Ins Tal zu mir? WER KOMMT

Ein Wehen um ihn Ein Wehen aus ihm Er ist wie Atem

Der jungen Erde, Er ist wie Hauch Vom glatten Meere Frisch und frohmut! Nun senkt er sich nun sieht er nieder, Nun blinkt und schwimmt, nun blinkt und schwillt

Sein Fittich zu mir, O Leda, o Leda mir zu! Nun weilt er um mich, O Leda, o Leda, Nun bin ich Umschwüngen, Nun ist die Wolke, Nun ist der Frühtau, Nun ist Licht, Licht In mir!

ZEITLOSE

Nackte Kelche aus moosig verwachsner Scholle, Hier einer, dort einer, ärmliche, ahnungsvolle, Wissend dass sie Vorboten des Dunkels sind, Jahrmüder Mutter allerletztes Kind.

Bleich und fast vergehend steht ihr Hauch Auf den gilbenden Wiesen, nebeltrüber.

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240

Dichtungen

Keine Biene summt mehr suchend darüber, Ach, und sie bergen heimliche Süsse doch auch.

Denn die schmalen verlassenen Lippen dürstet Nach Erschauern. Sie schmachten, sie flüstern: komm! Und der Wind der die Wipfel zaust und bürstet Streichelt sie leise scheu wie ein Bub und fromm.

MEINE Schwester, nun geschahs Dass sich unsre Hände gaben, Dass ein Morgen uns verwob. Meine Schwester, durchs Geras Bracher Zeit gehst du erhaben, Und zum Sange wird Getob. Goldne Imme, wer besass Wissens schwerste Honigwaben So wie du, und lachte drob?

Demant über blindem Glas Funkeln deine wahren Gaben Hell ob allen Wissens Lob.

Meine Schwester, seit erlas Deine Scheu mich, und vom Graben Tiefer Schwermut mich erhob Meine Schwester, da genas Ich im Du, zwei Seelen haben Sich erkannt, die Nacht zerstob.

Aus Nachlass und Gelegentlichem

ich den Inseln Wo die Toten leben, Lauschte Winseln Kleiner Wölfe neben? entkam

War ich kaum gestorben? Viel zu früh erwacht? Hab ich ums Licht geworben Und gehör, dir, Nacht.

FILIA DOLOROSA

Ich sah dich kaum und wusst es gleich: Nah atmest einem bösen Reich, Dich drängen finstre Sassen. Sie knicken deinen jungen Hag, Der dort, der hier, wo jeder mag. Ob sie dich selber fassen?

Du zogst das Los der Qual, der Angst, Lob es - wenn Lächeln du verlangst Trifft zwiefach dich der Zauber. Darfst nie wie Schwestern auf der Matt Hinstrecken dich, vom Glücke satt, Dir gurrt kein junger Tauber. Einsame Turtel, scheu im Busch, Lausch nicht aufs Rascheln und Gehusch, Lupf eilig deinen Fittich. Ist dein Gefieder kummernass, In Wehmut sieh verstumm ich bass . . . Bis ich begriff, wie litt ich!

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Dichtungen

Dir Turtel, fast am Andern Rand, Ist ja der Erden Ernst und Tand Verboten und verleidet: Doch was dich anfällt, Zeichen sinds Geheim erkürten Gotteskinds. Ich seh dich eingekleidet In Tränenhemdleins Silberguss, Seh Schmerzengurts demantnen Schluss Um deine reinen Hüften. Dein Mantel ist ein Perlgewirk, Auf deine Stirn das Dorngezirk Sinkt gülden aus den Lüften.

Bei uns, gezaust und irr und wild, Bleibst du ein Weilchen, weisses Bild, Im Dampf und Hall der Gassen, Und zeigst mit Fingern blank und licht Den rechten Weg, dein Auge spricht: Ich lieb euch, muss euch lassen! Frag Turtel nie: währts lang, wirds bald? Um dich wird Lebens dunkler Wald Durchbraust von Osterglocken. Gott weiss um dich - dir seis genug. Dass wir dich sehn, ist Gnadenfug Wie leuchten deine Locken!

wo geister schweben, Bilder wundern, Immer das Leben steigt und funkelt, Heilig Unheil um uns dunkelt: Bist du ein Sucher, bist du ein Gast? Immer Genährter, hier ist Rast, Findest dich hier, nimm was du hast!

Aus Nachlass und Gelegentlichem

245

Geister, zu tönendem Dasein geronnen, Werkstätte habt ihr hier gewonnen, Werkstatt und Halle heiligem Tanze, Schleierleuchtendem Mummenschanze. Bist du ein Sucher, bist du ein Gast Immer Gespeister, hier wird dir Rast. Findest dich hier, empfängst was du hast: Der Geister Schweben, der Bilder Wundern.

DIE PERLE

Yes, pearls mean tears, but tears, I will you teil Are pearls growing in heaven's golden shell.

Für trübe Liebe weint’ ich Jahr um Jahr, Bis all mein Traum ein Meer von Tränen war. Du bringst Lächeln dem Meer, ich dir die Zähre Des Ozeans, als ob sie meine wäre.

Sie trägt Meers Stoss und Sturm in ölig feine Resedne Haut geschmiegt wie einen Leib, Haucht, schaumentstammt, aus der Gezeiten Scheine, Rollendem Wellenschlag ein Ruhverbleib. Wer sie zum Stirn-, zum Nackenbande reihte, Als wie zum Reigen, übt’ an ihr Gewalt, Doch wer die lässig Einzlne einzeln freite: Die Mondgespielin, wie sies ihm vergalt! Wie sie den Brand von glüher Wange scheuchte, Zärtliche Lippen achtsam überlief, War sie der Wahnnacht unbeirrte Leuchte Wo meergewiegt des Menschen Gram entschlief.

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Dichtungen

Mit deiner Hand im trauten Zwiegeflüster, Als Schwester weiss sie sich erfühlt, und kost Der Freund geliebte Fingerlein, so küsst er Die Zähre mit, die er, die ihn erlöst.

Kaiserin von Trebisonde Müsstest du schimmern ganz in Musselin, Hauchleicht umflossen wie vom flehenden Monde Von dem Gewirk aus Feenland entliehn.

gleich jener

Doch wie, Geliebteste geliebter Frauen, Möcht ich, ein taubenblütiger Rubin, Vom Hügel der Erwartung niedertauen, Bis du dem Mond entbietest abzuziehn,

Bis er, Selenos, leibhaft vor dir stünde, Der daunenzarte, eins mit dem Rubin! Den senkt er tief in deine wehenden Gründe, Du selbstgewandelte, du Musselin.

ich wach im ersten Morgen, Meiner Freundin Wort vertrauend, dass sie käme Mich besuchen auf dem Bett der Sehnsucht.

LANGE LAG

Lange lag ich, sinnend in der Seele, Doch im Herzen Zittern der Erwartung. Drüber stand der unverrückte Stern.

Wie der Atem von Gezeiten zogen Bilder auf- und abwärts. Ehdem, Heute Durcheinander wogt in Schauens Mischkrug.

Aus Nachlass und Gelegentlichem

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QUATTUOR ELEMENTA

Ignis Olim carus amor mihi, cur fugis amicum? »Flammae flexibilis scintilla est unica lex.«

Aqua

Vita florescens adhuc, cur hésitas hodie? »Aequori flexibilis unda est unica lex.« Aer Mens hominis victrix, jubilans, descendis ad umbras? »Coelo flexibilis lux est unica lex.« Terra

Omnipotens tu mors, stas qui, tu horrida vultu? »Humui inflexibilis moles est unica lex.«

PARAP HRASIS

Media in vita in morte sumus. In vere viridi putrescit humus. Via quam vado vallis aut mons est? Arcus invitans Humen aut pons est? E conviviis ad portam clamor: Tremor dulcissime, letum es, es amor?

246

Dichtu ngen

AUS DEN DIARIEN

nur noch

die welke

Zähre hing Einen Abend lang an den Lidern, Vor sie zitternd fiel Auf Blatt und Stiel Erstorbener Nelke. Dann brach der starre Ring Verkrampften Gliedern. Leer nun Lippe und Glas Wie lang, und das Leid Schwer wie Geschmeid Sinkt ins dürre Gras.

FINGERGERAUN

Daum mischt Zeiger fischt Dritter wischt Ringling tischt Kleiner lischt Die Lose.

der Wunsch in Stille Bis er stark ersteht als Wille, Brechend Traumes Bildgeheg Und wird Tat, und wird Weg. LANGE WÄCHST

Aus Nachlass und Gelegentlichem

247

DU findest Sonn und Mond und Wind und Wellen Am Weltenende im gewohnten Chor, Die Welt ist da, und ihre Wunden quellen In deine Seele, öffnest du ihr Tor. Ist dort die Nacht vielsterniger, sind spärlich Um mich die obern Lichter aufgesteckt, Sind andre Mächte hold, andre gefährlich: Du bleibst dir Ziel, im Schutzbild aufgereckt. Und über Fernen in das Fernste weisend Die Eine Loh, des Meisters Zeichen brennt Aus unsren Herzen, und die Loh umkreisend Bleibt jeder jedem nah im Element.

SIND alle leichten Kindes Schatten-Abglanz, Kranzgewindes Bänder wehn durch unsre letzten Träume von der Seele Festen, Ehmals da sie knospengleiche Reifte für die Erdenreiche. wir

Fug und Qual verblieb, ein Schimmer, Halbverweht erhellt er immer Mühvoll ahnungsschweres Steigen Wieder auf zum Geisterreigen: Alle pochen wir an Toren, Unser Weg ist vorgeboren.

AUF SCHWARZEM Plan zieht schwarzer Kahn: Ists Meer, ists Luft, ists Land ? Lang her, da starb der grosse Pan Nun, der ihn überwand.

248

Dichtungen

und Trauer will ich dich Umarmen, du erfahre: Viel Licht aus unserm Leben blich, Doch blühn noch unsre Jahre.

IN LIEB

selber hab ich mir mein Sein geliehen, Will nun ich-entbürdet weiterziehen. Ich verhielt, ertrug mich überlang, Atmete mit tänzrisch leichtem Gang.

Endlich schwindet Qual und Trug des Seins, In den Allkreis schmilzt die starre Eins. Luft ist noch zu schwer, zu dicht der Äther. Alter Sämann Zeit ins Leere sät er!

versurrt, ein Immenschwarm, Nur die Todessucht hält mich im Arm. Herze mich, dein bin ich bis zum Schluss, Denn ich bin des Lebens Abschiedskuss.

LIEB UND HASS

GRABSCHRIFT

I

Viel Leben hat mein Leben aufgespeichert, Doch erst der Tod hat kränzend mich bereichert. II

Wandel war ich, Wunsch und Minne. Ob ich je zum Sein gerinne?

Aus Nachlass und Gelegentlichem

HEN KAI PAN

Ich war gewiss von Ewigkeit, Gewisslich bin ich in der Zeit. Ins All bin ich hineingereiht Drum bin ich jederzeit bereit! Ich bin, was ich zuguterletzt Von meinem Ich mir zugesetzt. Ich habe mich an mir geletzt, Den Geist am eignen Geist gewetzt. So bin ich denn, ich werde sein, So fass ich euch, weil ich allein. Im Schein des Ich blinkt Weltenschein, Zum Meer des Ich strömt das All herein.

? Ausbreiten und Zerfallen. Was Geist? Sinn, Name, Sonderung, Gesicht. Und was das Nichts? Kristallnen Worts Verhallen. Das All, das All: Er Selbst als Sein Gedicht! WAS IST natur

Sünden gibt es: Zweifel, Furcht und Reue. Furcht macht nur blind, Reue zernagt die Treue. Der Zweifel doch ist Lebens Urgefahr, Weib Zweifel würgt das Kind vor sie gebar!

drei

D. M.

Immer war ich Bundsgenoss. Adorant und Mage, Castellan auf seinem Schloss, Sein in Sang und Sage.

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250 Dichtungen

GELEGENTLICHES

GRUSS UND LADUNG

Erster März Faschingsverweser Locket gesellig gleich und gleich Zu dem Turme der Chineser In das TAUSENDJÄHRIGE REICH. Fehden schweigen, Freuden brausen Wollen Stern wie Blumen streun Schwabing eins mit Bogenhausen Reiches Anfang: halber neun.

Keine Sorge um Gewänder! Was euch ansteht ziert das Fest Seid geladen alle Länder Einst und Jetzt, Nord, Süd, Ost, West. München

1907

Tanten, ältern Schwestern Lächerlich im Spinde hing Wahrt es treu! Das Modegestern Schätzt kein Wissender gering. was von

Wespentaille, pralle Glieder, Hüften wie bei Grossmama Schon ist das verulkte Mieder Samt dem Busen wieder da. Gestern Taft und heute Kreppe, Morgen wieder steifer Taft,

Aus Nachlass und Gelegentlichem

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Kniefrei gestern, heut die Schleppe, Gestern glitzglatt, heut gerafft. Freu dich, liebe alte Base, Stelzend im verstaubten Chik: Alles staunt, keins rümpft die Nase, Wirkst als letzter Modetrick! München 1930

ZUM FASCHINGSFEST DER KAMINKEHRER-INNUNG

Der schwarze Mann hats heute fein, Tanzt über First und Dächer, Den Schornsteinfegerjuxverein Lockts nicht in Prunkgemächer.

Der »Jonny«, unser Ehrengast, »Spielt auf« mit russigen Geigen. Geschoben, gedreht und untergefasst! Wir wollens Euch Weissen zeigen! Hoch stehn wir überm Grosstadtsumpf Die Zukunft zu erhaschen. Das Schwarze ist heut allerwärts Trumpf : Wer wollte sich noch waschen?

Aus des Wolfs Kehle München 1929

TRIUMPH DER EITELKEIT

Eitelkeit zum vierten Male Winke, spende, wandle, strahle! Heut ist jeder ganz der Deine, Huldigend dem schönen Scheine, Ganz des Augenblickes Beute,

252

Dichtungen

Eingeschworen ewigem Heute. Pflicht ist heute hoch zu prangen Ganz von Eitelkeit umfangen: Freudenmeere brausend locken Heut ist nur der Henckel trocken! Eitel, eitel, alles eitel Von der Sohle bis zum Scheitel! Kaiserin Eitelkeit, Weltendame, Allerlaubte Lichtreklame, Uns zum viertenmal entglommen; Ewig sollst du wieder kommen Uns mit neu- und immer neuern Graden locken und besteuern. Ach wer will nicht gerne zahlen Stolz mit Deiner Gunst zu prahlen Trommeln, Hupen, Saxophone Alles ruft nach Deinem Lohne. Eitel, eitel, alles eitel Von der Sohle bis zum Scheitel! Eitelkeit der Eitelkeiten! Weltallweit Dein Reich verbreiten Hilf uns zaubermächtig heute. Deine Kleider machen Leute. Eitelkeit nimm Dich zusammen, Dass sie rauchen, schüre Flammen. Eitelkeit, die blauen Dünste Sind die kühnsten Deiner Künste. Eitelkeit, Irrwisch überm Sumpfe, Lodre, wachse zum Triumphe! Eitel, eitel, alles eitel Von der Sohle bis zum Scheitel!

Lehr uns schmeicheln, schmollen, schmunzeln, Kräusle Locken, glätte Runzeln. Meisterin der Flimmerschminken Lass als Seelensekt Dich trinken.

Aus Nachlass und Gelegentlichem

Gib dem Fadian Würz und Beize, Leih Verschwendung dürrem Geize, Madie Trüffeln aus Kartoffeln, Seladons aus blöden Stoffeln. Augenfunkeln schenk und Linie, Jede Nessel werde Pinie: Von der Sohle bis zum Scheitel Eitel, eitel, alles eitel.

»Kommt!« So hören wir Dich rufen, »Schlürft aus meinen vollsten Kufen! Nimmer werdet ihr sie leeren, Nimmer meinen Rausch entbehren, Nimmer trinken übers Dürsten: Werdet meines Reiches Fürsten! Kommt in meine bunten Säle Sorgt nicht, wenn ich mir erwähle: Jeden nehm ich in die Arme Küss ihn frei von Not und Harme. Eitel, eitel, alles eitel, Von der Sohle bis zum Scheitel.« »Mir die allerschlanksten Beine«, »Mir die teuersten Edelsteine«, »Mir verführerische Posen«, »Mir die bestgeschnittnen Hosen«, »Mir die weitaus schnellsten Auten«, »Weltruf mir, den überlauten«, »Grosses Los, Rekord und Preise«, »Mondwärts die Raketenreise«, »Mir . . .«, »Mir . . .«, »ich verheiss euch Allen Überfluss an Wohlgefallen!« Eitel, eitel, alles eitel Von der Sohle bis zum Scheitel!

Wieder will es Dir gelingen Erdenschwere zu bezwingen. Rosen blühn am dürrsten Stocke,

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254

Dichtungen

Keiner maule, keiner hocke: Alle Eulen werden niedlich, Gar Hyänen mild und friedlich. Jeder muffige Siebenschläfer Hascht sich heut den nettsten Käfer, Jeder Gockel übt das Balzen, Jeder Elefant lernt walzen. Eitel, eitel, alles eitel, Eitel Sohl und eitel Scheitel.

Eitelkeit, erhöh und kröne Eitle Töchter, eitle Söhne! Eitelkeit, Du Tuberose, Eitelkeit, Du Goldmimose, Eitelkeit, Du Rad der Pfauen, Eitelkeit, Du Frau der Frauen, Eitelkeit, Du Ruhmesbase, Eitelkeit, Du Seifenblase, Eitelkeit, Du Irrwisch überm Sumpfe, Eitelkeit: Auf zum Triumphe. Eitel, eitel, alles eitel, Eitel Sohl und eitel Scheitel. München 1930

EIN SCHÖN NEW LIED / VON DER LILGEN /

IN SEYNEM EYGEN THON

Ich weis nit was der lügen brist jr farwe gar erblichen ist in diesem meyen schalle und sten doch alle in farwen hell die andren blümelein alle.

Die kle und veiel allesamt seynd alss von lawter lieb entbrant

Aus Nachlass und Gelegentlichem

und lachent gen der sunnen du lüge meyn wess feit dein blat wess hastu leyds gewunnen.

Ob dz ein wurm deyn wurtzel beyst dz meyen reif dich welken heyst dz ab dein liawpte hanget du bist eyn pild meyns trawrens schier dz mir das hertze banget.

Mein junges leben gaht schabab jch wen man mach mir bald mein grab und bin noch jung an jaren das macht deyn kelt du arges lieb so ich von dir erfaren. Ich warte deyn du lieber Gsell und machs mirs äuge wieder hell und bring der lügen heyle du bist der reif dran sie verdirbet durch dich wirds wieder geile. um 1927

PHILO-VERSE I

Der du dies liest empfiehl oh So viel du kannst den Philo! Warum? Der Philo-Nenner Erweist sich sehr als Kenner. II

Philomele, die Nachtigall, rührt das Herz, Philo Vance blickt in die Seelen. Die eine weiss von Liebesschmerz, Der andre - von Morden und Stehlen!

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Dichtungen

I

Philo fiel uns vielmals ein, Männern, Frauen, Gross und Klein: »Sagt uns doch wer Philo ist!« Wartet his ihrs selber wisst. II

Philo sag offen: wer hist denn du, Bist ein Filet du oder ein Filou? Oder ein Philo-Philosuph? Ach was gibst du zu raten uff! III

Ach wer kann denn nur Philo sein? Ist es was Weibliches? Philo? Nein! Wo man hinschaut steht Philo da! Wird man ihn selbst sehn? Den Philo? Ja! IV

Ist es Einer, sind es mehr? Wo kommt die Philo-Fülle her?

v Viel, viel, viel oh Viel Leute ballen die Fäuste: »Wer ist der ewige Philo?« Wer? Das Allerneuste!

ZODIAKUS

Vorspruch Zwölf Zeichen hat dem Jahresring Zu Waltern Gott bestellt. Dein Leben wär ein armes Ding, Wärs nicht dem Kreis gesellt.

Du kamst ans Licht aus dunklem Zwang, Nicht Wunsch, nicht Fug war Dein.

Aus Nachlass und Gelegentlichem

Der Schickung unerforschter Gang Erhält und bricht Dein Sein.

Dein Leben war ein armes Ding, Wenns starrem Radlauf glich. Dein ist die Tat! Sing, ring und schwing Ums Schicksal wie um Dich.

Steinbock Wohl bedacht und kühlen Sinns Sind des Steinbocks Kinder, Sicher Zieles und Gewinns Doch des Wunders minder! Wassermann Wellenfroher Wassermann, Lächelst voll Erbarmen. Der da steht in Deinem Bann Will die Welt umarmen. Fische Dunkles Suchen hinterm Schein Ist der Fug der Fische. Wer ihr Kind ist, geht allein, Isst am eigenen Tische.

Widder Wen der Widder sich erkor Wird ein Lebensritter, Kühn und siegrisch stürmt er vor: Muhammed war Widder.

Stier Stapfig, störrisch, ohne Hirt, Fest gebannt ans Hier Aber stark und unbeirrt Stehn wir unterm Stier.

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258

Dichtungen

Zwillinge Leichtes Leben, Tanz und Tand, Spiel mit Mensch und Dingen, Kränze über dunkler Wand Dankt Ihr den Zwillingen.

Krebs Seid ein weich und seidenzart Stück des Weltgewebs. Fühlsam Herz und linde Art Leiht und hegt der Krebs.

Löwe Aus düsterm Mähnenwalde strahlt Erhabne Stirn dem Leu: Ihr seine Kinder dräut und prahlt, Lebt jäh, verweht wie Spreu ! Jungfrau Wer in der Jungfrau Zeichen wuchs, Nie Sehnens Wahn erfuhr, Er zählt die Fäden jedes Tuchs Und folgt gebotner Spur. Waage Um festen Fug, doch auf und ab Schwingt unverwandt die Waage: Im Gleichmaass von Geburt zum Grab Gehn ihrer Kinder Tage.

Skorpion Ins Höchste reckt, ins Tiefste sticht Sein Bild der Skorpion: Heischst Alles, nur die Mitte nicht, Bist Du sein echter Sohn.

Aus Nachlass und Gelegentlichem

Schütze Wohl weisst Du, wie man zielt und wie Man trifft, was schad’ und nütze Doch horch! Das ewige Halali Auch Dich rufts zu sich, Schütze! München 1930

LOBGESANG

Büchern bin ich zugeschworen, Bücher bilden meine Welt. Bin an Bücher ganz verloren, Bin von Büchern rings umstellt. Zärter noch als Mädchenwangen Streichl ich ein geliebtes Buch, Atme bebend vor Verlangen Echten Pergamentgeruch. Inkunabeln, Erstausgaben, Sonder-, Luxus-, Einzeldruck: Alles, alles möcht ich haben Nicht zum Lesen, bloss zum Guck!

Bücher sprechen ungelesen Seit ich gut mit Büchern stand Weiss ich ihr geheimstes Wesen: Welch ein Band knüpft manchen Band! Bücher, Bücher, Bücher, Bücher Meines Lebens Brot und Wein! Hüllt einst nicht in Leichentücher Schlagt mich in van Geldern ein! München 1932

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Dichtungen

COLOPHON ZU »DIE TRUNKENE METTE«

Wer dieses Mettenbuch Verschachert, tauscht sich ein Bacchus und Venus Fluch, Und wird Sankt Ulrichs Schwein. i9o9

HOU

Nun schäfergrün, nun lilienblank, Halb Rokoko, halb gotisch, Umhegt vom Ur-Ur-Ahnenschrank, Schlank, schwingend und erotisch! Nach aussen kühle Menthe So sieht dich chère Amante

Charles Mit grün und weissen Minze-Zeltchen ! Florenz i92j.

IN EIN ALBUM

Kann denn ein Dichter sich besser geben Als indem er ins All verrauscht? Wer ihn spürt kann mit ihm schweben, Ich und Du sind ewig vertauscht.

Künd ich von Liedern und Sternen und Keimen Ists, weil Gemeinschaft ins All mich trug, Pocht, sprüht aus allen Klängen und Reimen Herz das mit Herzen zusammen schlug.

Was ich auch streife, wo ich auch weile Eines nur lebt mir: der menschliche Kreis. Alle Strahlen sind Liebespfeile, Alle Kränze der Freundschaft Preis. Florenz i92f

Aus Nachlass und Gelegentlichem

SEMPER ALIQUID HAERET! Emil Hirsch zum sechzigsten Geburtstag Im Ton der jungen Lindenwirtin

Heil Emilio, heil dem Hirsch! Stets auf fröhlicher Bücherpirsch Jagdglück bleib ihm gewähret. Was erbeutet im Schreine gleisst Alles alles wird gern verschleisst: Semper aliquid haeret. Hast du wirklich schon Sechzig Jahr? Wange glühend und Auge klar Hört nur wies in ihm gäret: »Diese Type und dies Papier! Ach und die reizende Bilderzier . . .« Semper aliquid haeret. »AIeine Herren, Sie wissen ja Bin den Jahren nach Grosspapa. Wenn das Fell sich schon häret Führt man nicht mehr Erotica, Steht nicht mehr an, was sonst gern geschah: Semper aliquid haeret.« »Heute sag ich, ein Wiegendruck, Wenn verkauft, ist des Lebens Schmuck, Der sich lohnt und uns nähret: Mister Yankee, that comes for you Thousand dollars.« >1 take it, too !< »Semper aliquid haeret.«

Hirschlein klage nicht, bist ja jung, Warm dein Herz, und der Geist voll Schwung, Der so gerne erkläret. Heil Hirsch, am Karolinenplatz Hüte weiter den Bücherschatz Semper aliquid haeret! München 1926

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Dichtungen

VON GRETEN ZU GRETEN...

Von Greten zu Greten Fliegende Fäden zittern Über blühenden Beeten . . . Wie leicht sie wehten Wie fern sie glitten Leuchtend inmitten Von Lenzgewittern. Waren es Schleier? Wart ihr es Frauen? War ich der Freier? Wars blosses Schauen? Bebtest du Seele Im heiligen Grauen, In dumpfem Geschwele? War es? Ist es? Frage wird Bescheid. Von Grete zu Grete Wiegt sich die stete, Unsre Einsamkeit. München 1930

DER GEIST VON GÜNSBACH

ALBERT SCHWEITZER INS GÄSTEBUCH

Du Geist von Günsbach lind umfriedet Vom Hügelring, Du Geist der Liebesbande schmiedet Um Mensch und Tier und Ding, Du Geist des immer frischen Morgens, Der schnellen Tat,

Aus Nachlass und Gelegentlichem

Des stillen Sinnens und des Sorgens Für grüne Lebenssaat,

Du Geist der zürnen kann mit Lachen, Geist wahr und nackt, Du Geist der hasst das Sprüchemachen Und den »infamen Takt«! Du Geist des Mühens, des Behagens, Geist der betreut, befreit, Geist des Bewahrens, Geist des Wagens: Wie machst du meine Seele weit!

Du Geist von Günsbach, dich zu spüren Welch Seinsgewinn! Du sollst mich meine Strasse führen So wie ich selber bin!

GU

FÜR HANS UND GERTRUD OETTINGER-BURCKHARDT

Mög ob des Spritzigen Man sich entzwein, Beim Uberhitzigen Nichts uns gedeihn: Heilig ist Wein!

Goldene Leuchte Schein ist der Wein! Purpurne Feuchte Traum ist der Wein! Glüht durch der Nächte Schaurigste Schächte: Flamme ist Wein!

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Dichtungen

Leuchtet dem Wagen, Fährlichsten Tagen, Badet uns rein: Leben ist Wein! Basel um

19^2

WIDMUNG IN »DAS BUCH VOM WEIN«

FÜR M. H.

Mit den Frohen sollst du leben Lustiges Buch vom Wein, Mit den Schlanken himmlisch schweben Dickes Buch vom Wein, Nur die Kargen lass daneben Schwärmend Buch vom Wein. Sollst uns B.ausch und Himmel geben, Uns in ein Nirwana heben Wie dein Vater Wein. Florenz 1932

EINEM GASTLICH-GEISTIGEN HAUSE ZUGESUNGEN

I FÜR E. D.

Tu was du musst, Bleibe wer du bist: Heilig jede Lust, Alle Segel hisst Aber wisst! Aber wisst! ii

FÜR G. UND E. D.

Greifen ist das echte Schauen, Glück bei Büchern, Glück bei Frauen! Liebe alles was du sannst:

Aus Nachlass und Gelegentlichem

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Heiligen Brücken überm Grauen, Regenbögen, Mädchenbrauen, Allem Flüchtigen sich vertrauen Heisst es - lächle weil du lernst. Wenn du nicht mehr spielen kannst

Flieht dich stumm auch Meister Ernst. Meilen 1933

FÜR R. I. M. IN JERUSALEM ZUR BAR MIZWAH

Kind, noch erfuhrst du Fall der Erdengüter, Umbruch, und fuhrst ins Land auf Gotts Befehl. Nun ruft, Gesetzes Sohn, er dich zum Hüter Des Ewigen Wortes: Höre Israel! Rom 1934

WIDMUNG IN »ÄLTESTE DEUTSCHE DICHTUNGEN« FÜR M. R.

Aus Einem Urborn steigen hier und dort Der Väter s t 1 m M E und der Heimat WORT. Camogli 1933

FÜR M.

Noch grünt ein Land in Gott und ungefreit Vom Wüsten-Teufel brauner Affenzeit, Letzt über See, südnah, geheimst, ein Nord: Reislein gedeihn dort neu. Glaubs! Auf an Bord! Recco i