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German Pages 229 [240] Year 1873
Erzählungen. (Zwei
Theile.)
Herausgegeben von
o& H. K . Koffmann.
Erster Theil.
Mit Federzeichnungen von Theodor Hosemann.
Berlin.
Druck und Verlag von G eorg R eim er.
1873.
c&
T- U. Koffmann's
gesammelte Schriften.
E l f t e r Ba nd.
M i t Federzeichnungen von Theodor Hosemann.
Berl i n. Druck und Verlag von G e o rg R e im e r .
1873.
E. T. A. H o f f m a n n ' s
Er-ahlungen aus
s e i n e n l et zt en L e b e n s j a h r e n .
Er s t e r
Thei l .
E r k lä r u n g . D ie in den beiden folgenden Bänden enthaltenen Erzählungen erschienen zuerst einzeln in Taschenbüchern, Taschenkalendern rc., dann zusammen unter dem T ite l: „D ie letzten E r zählungen von E. T. A. H o ffm a n n . Vollständig gesammelt und m it Nachträgen zu dem Werke: „A u s Hoffmann's Leben und Nach la ß " herausg. von dessen Verfasser sJ. E. H itz ig ) . B e rlin , 1825 (F. D üm m ler)." Davon eine neue Ausgabe u. d. T. „E . T. A. H o f f m a n n ' s Erzählungen aus seinen letzten Lebensjahren, sein Leben und Nachlaß. Herausg. von M ic h e lin e H o f f m a n n , geb. R o r e r . S tu ttg a rt, 1839 (Fr. Brodhag'sche Buchhandlung)."
Die DoppeltgSnger. E in e
E rz ä h lu n g * ).
Er s t e s
Ka p i t e l .
D er W irth zum silbernen Lamm riß seine Mütze vom Kopf, w a rf sie auf die Erde und rief, mit beiden Füßen darauf herum stampfend: „ S o — so — trittst du alle Rechtschaffenheit, alle Tugend, alle Nächstenliebe mit Füßen, du ehrvergessener Gevatter, du gottloser W irth zum goldnen Bock! — Hat der Kerl nicht lediglich mir zum Tort seinen verwünschten Bock über dem Thor m it schweren Kosten so gleißend neu vergülden lassen, daß mein niedliches silbernes Lämmlein n u n ganz ärmlich und bleich dagegen absticht, und alle Gäste m ir vorbei nach dem funkelnden Thier ziehen? Alles mögliche Gesindel von Seiltänzern Komödianten und Taschenspielern reißt der Spitzbube an sich, dam it lein Haus nur immer von Menschen wimmle, die sich erlustiren und seinen essigsauren doppelt geschw selten Wein saufen, statt daß ich meinen vortrefflichen Hochbeimer und Niersteiner selbst aussaufen m u ß, um ihn nur los zu werden an einen M a n n , der ächten Wein zu schätzen weiß. K aum verläßt die Komödianten bande den vertrakten Bock, als die kluge F ra u einkehrt mit dem R aben, und Alles strömt wieder hin und läßt sich wahrsagen und *) S ie steht in den „ Feierstunden rc. herausg. von F. v. Biedenfeld und Chr. Kuffner. Brünn, 1 8 2 2 . * Bd. II. S . 2 1 5 - 3 2 8 .
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D ie D oppeltgänger.
r u in irt sich m it Essen und Trinken. Und wie der heillose Nachbar oft seine Leute, die bei ihm einkehren, behandeln mag, kann ich m ir wohl denken, denn der junge hübsche Herr, der erst vor wenigen Tagen dort war und heute zurückkam, ist doch richtig nicht bei ihm sondern bei m ir eingekehrt. — Aber er soll auch bedient werden fürst lich. — Ach! — Ach! — Teufel! — Da geht er ja h in , der junge Herr, nach dem goldenen Bock — die verfluchte weise Frau, die wird er sehen wollen. Es ist M ittagszeit — der Hochwohlgeborne strebt nach dem goldnen Bock —- verschmäht alle Speisung des silbernen Lämmleins! — Gnädiger Herr! — I h r Gnaden! " — So schrie der W irth zum offnen Fenster hinaus, aber Deodatus Schwendy (das war der junge M ann) überließ sich dem S trom der Menschenmenge, der ihn unaufhaltsam fortriß in das unfern gelegene W irthshaus. Dicht gedrängt stand Alles in F lu r und Hofraum , ein leises erwartungsvolles Geflüster lie f hin und wieder. Einzelne wurden in den S a a l gelassen, andere traten heraus, bald m it verstörten, bald m it nachdenklichen, bald m it frohen Gesichtern. „Ic h weiß n ich t," sprach ein alter ernster M a n n , der sich m it Deodatus zugleich in eine Ecke geflüchtet hatte, „ich weiß nicht, weshalb diesem Unfug nicht von Obrigkeitswegen gesteuert w ird ." W a rum ? " fragte Deodatus. „Ach," fuhr der M ann fort, „ach! Sie sind fremd, Ih n e n ist daher unbekannt, daß von Zeit zu Z eit ein altes Weib herkommt, die das Publikum äfft m it wunderbaren Prophezeihungen und Orakelsprüchen. S ie hat einen großen Raben bei sich, der den Leuten über Alles, was sie wissen wollen, wahr- oder vielmehr falsch sagt. Denn ist es auch richtig, daß mancher Ausspruch des klugen Raben e in trifft auf sonderbare Weise, so bin ich doch überzeugt, daß er dagegen hundertmal in 's Gelag hineinlügt. Sehn S ie nur die Leute a n , wenn sie herauskommen und Sie werden leicht merken, daß das Weib m it dem Raben sie ganz und gar berückt. — M uß denn in unserm, dem Himmel sey Dank! — aufgeklärten Zeitalter solch ein verderblicher Aberglaube" — Weiter hörte Deodatus nichts von dem, was der in vollen Eifer gerathene M ann schwatzte, denn eben tra t der bildschöne J ü n g lin g , todtenbleich, helle Thränen in den Augen aus dem S a a l heraus, in den er vor wenigen M in ute n heiter, frohlächelnd hineingegangen.
D ie Dovpeltgcinqer.
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D a war es dem Deodatus, als sey hinter jenen Vorhängen, durch die die Menschen hineinschlüpften, wirklich eine dunkle, unheimliche Macht verborgen, die dem Fröhlichen die unheilbringende Zukunft ent hülle und so schadenfroh jeden Genuß des Augenblicks tobte. — Und doch stieg in ihm der Gedanke auf, selbst hinzugehen und den Raben darum zu befragen, was ihm die nächsten Tage, ja die nächsten Augenblicke bringen könnten. A u f geheimnißvolle Weise w ar Deodatus von seinem Vater, dem alten Amadeus Schwendy, aus weiter Ferne nach Hohenflüh geschickt worden. Hier auf die höchste Spitze des Lebens gestellt, sollte sich seine Zukunft entscheiden durch ein wunderbares Ereigniß, das ihm der Vater in dunklen geheimnißvollen Worten verkündet. M it leiblichen Augen sollte er ein Wesen schauen, das sich nur wie ein Traum in sein Leben verschlungen. E r sollte nun prüfen, ob dieser Traum, der aus einem, in sein Inneres geworfenen Funken immer frischer und strahlender emporgekeimt, wirklich heraustreten dürfe in sein äußeres weltliches Treiben. E r sollte, war dieses, eingreifen m it der That. — Schon stand er an der Thüre des Saals, schon wurden die Vorhänge gelüpft. Gr hörte eine w idrig krächzende Stimme, ein Eisstrom g litt durch sein Inneres, es war als dränge ihn eine unbekannte Gestalt zurück, andere kamen ihm zuvor und so geschah es, daß er, ohne daran zu denken, unwillkürlich die Treppe emporstieg und in ein Zimm er gerieth, wo man das M ittagsm ahl für die zahlreichen Gäste des Hau ses bereitet hatte. Der W irth kam ihm freundlich entgegen. „ E i sieh da! Herr Haberland! — Nun das ist schön. S in d Sie gleich da drüben in dem schlechten Hause, in dem silbernen Lamm eingekehrt, so können S ie sich doch nicht der weltberühmten W irthstafel des goldnen Bocks entziehen. Ich habe die Ehre, diesen Platz fü r Sie zu belegen." Deodatus merkte wohl, daß sich der W irth in seiner Person irrte, allein ganz und gar befangen von der großen Unlust zu sprechen, die jede heftige Anregung aus dem In n e rn heraus erzeugt, ließ er sich nicht darauf ein, den Irrth u m aufzuklären, sondern setzte sich stillschweigend an seinen Platz. D ie weise Frau war der Gegenstand des Tischgesprächs und es herrschten die verschiedensten M einungen, indem manche alles fü r ein kindisches Gaukelspiel erklärten, andere dagegen ih r in der That die vollkommenste Erkenntniß der geheimnißvollen Der-
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Die Doppeltgänger.
schlingungen des Lebens zutrauten und d arau s ihre Sehergabe her leiteten. E in kleiner, alter, etw as zu dicker Herr, der sehr oft au s einer goldenen D ose, nachdem er sie auf dem Rockärmel gerieben, Tabak nahm und dabei ungemein klug vor sich hinlächelte, meinte, der Hoch weise R ath, dessen geringes M itglied zu seyn er die Ehre habe, werde bald der verdammten Hexe das Handwerk legen, vorzüglich weil sie eine Pfuscherin sey und keine wahre ordentliche Hexe. D enn daß sie Jedes Lebenslauf in der Tasche habe, und in n u c e , wiewobl in absonderlichen schlecht stylisirten R edensarten, durch den Raben her sagen lasse, sey übrigens kein solch großes Kunststück. W äre doch noch zum vorigen Jah rm arkt ein M aler und B ilderhändler am O rte gewesen, in dessen Bude ein Jeder sein wohlgetroffenes P o rtra it habe finden können. Alles lackte la u t auf. „ D a s ist," rief ein junger M an n dem D eod atu s zu, „das ist etw as für S ie, Herr H aberland. S ie sind ja selbst ein tüchtiger P o rtraitm aler, aber so hoch haben S ie Ih re Kunst doch wohl nicht gesteigert!" D eodatus schon zum zweiten M a l a ls Herr Haberland, der wie er nun vernommen, ein M aler seyn mußte, angesprochen, konnte sich eines innern Schauers nicht erwehren, indem es ihm plötzlich vor kam, a ls sey er m it seiner Gestalt und seinem Wesen der unheimliche S p u k jenes ibm unbekannten H aberlands. Aber bis zum Entsetzli chen wurde dieses innere G rauen gesteigert, als in dem Augenblick, noch ebe er dem, der ihn als Haberland angeredet, antw orten konnte, ein junger Mensch in Reisekleidern a u f ihn zustürzte und ihn heftig in seine Arme schloß, lau t rufend: „H aberland — liebster bester George, bad' ich dich endlich getroffen! R u n können w ir fröhlich u n sern Weg fortw andern nach dem schönen J ta lia ! Aber du siehst so blaß und verstört?" — D eodatus erwiederte die U m arm ung des ihm unbekannten Frem den, als sey er in der T h at der längst gesuchte und erwartete M aler George H aberland. E r merkte wohl, daß er n u n wirklich in den K reis der w underbaren Erscheinungen trete, die ihm sein alter V ater in mancherlei A ndeutungen verkündet hatte. E r m ußte sich bingeben allem dem, w as die dunkle M acht über ihn beschlossen. Aber jene Iro n ie des tiefsten G rim m s gegen fremde unerreichbare W illkür, in
D ie Doppeltgänger.
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der man Eignes zu bewahren und zu erhalten strebt, erfaßte ihn ge w altig. Zn verzehrendem Feuer erglüht hielt er den Fremden fest bei beiden Armen und rie f: „ E i du unbekannter Bruder, wie sollt' ich nicht consus aussehen, da ich soeben m it meinem Ich in einen an dern Menschen gefahren bin, wie in einen neuen Ueberrock, der hin und wieder zu eng ist oder zu weit, der noch drückt und preßt. E i du mein Junge, bin ich denn nicht wirklich der M aler George Haberland?" „Ic h weiß nicht," sprach der Fremde, „w ie du m ir heute vor kommst, George. Bist du denn wieder einmal von deinem wunderlichen Wesen befangen, das über dich kommt wie eine periodische Krankheit? Ueberhaupt w o llt' ich fragen, was du denn m it all dem unverständ lichen Zeuge haben willst, das deinen letzten B rie f a n fü llt." D a m it holte der Fremde einen B rie f hervor und schlug ihn aus einander So wie Deodatus hineinblickte, schrie er auf, wie von einer unsichtbaren feindlichen Macht schmerzhaft berührt. D ie Handschrift des Briefes war ja ganz genau seine eigene. Der Fremde w a rf einen raschen Blick auf Deodatus und las dann langsam und leise aus dem Briefe: „Ach lieber Kunstbruder Berthold! D u weißt nicht, welch eine düstere, schmerzende und doch wohlthuende Schwermuth mich besängt, je weiter ich fortwandere. Sollst D u es wohl glauben, daß m ir meine Kunst, ja all' mein Leben, Thun und Treiben oft schal und d ürftig vorkommt? Aber dann erwachen süße Träume aus meiner fröhlichen frischen Jugendzeit. Ich liege in des alten Priesters klei nem Garten in 's Gras hingestreckt und schaue hinauf, wie der holde F rü h lin g auf goldnen Morgenwolken daher gezogen kommt. D ie B lü m le in schlagen von dem Schimmer geweckt die lieblichen Augen auf und strahlen ihre Düste empor, wie ein herrliches Loblied. Ach Berthold! — m ir w ill die Brust zerspringen vor Liebe, vor Sehn sucht. vor brünstigem Verlangen! Wo finde ich sie wieder, die mein ganzes Leben ist, mein ganzes S e yn ! — Ich gedenke Dich in Hohenflüh zu treffen, wo ich einige Tage verweile. Es ist m ir als müsse m ir eben in Hohenflüh was Besonderes begegnen, woher dieser Glaube, weiß ich n i c h t ! " -------„N u n sage m ir," sprach der Kupferstecher Berkhold — das war eben der Fremde — weiter, nachdem er dies gelesen, „n u n sage m ir nur, Bruder George, wie du in frischer fröhlicher Jugend auf der vergnüg-
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Die D oppelgänger.
lichen Reise nach dem K unstlande solcher weichlicher Schwärm erei nachliängen magst." „ J a lieber K u nstbruder/' erwiderte D eodatus, „es ist m it m ir ein ganz tolles absonderliches D in g. S o wie das nun gleich gar pos sierlich ist, daß ich recht au s der tiefsten Seele das geschrieben, w as du eben lasest, und daß ich dennoch gar nicht der George H aberland bin, den du" — I n dem Augenblick tra t der junge M an n herein, der schon früher den D eodatus a ls Georg H aberland begrüßt hatte, und meinte, Georg habe Recht gethan, daß er der weisen F ra u halber noch einm al zu rückgekehrt sey. E r solle sich an all das Geschwätz bei Tische gar nicht kehren, denn wollten auch die W eissagungen des Raben eben nicht viel bedeuten, so sey es doch höchst merkwürdig, wenn sie, die weise F rau selbst auftrete, wie eine zweite S ybille oder P y th ia und in beinahe wilder Begeisterung geheimnißvolle Sprüche hersage, indem dumpfe gckeimnißvolle S tim m en sie um tönten. S ie gebe heute in dem geräumigen D ostet des G artens eine solche D arstellung, die Georg durchaus nicht versäumen müsse. Berthold ging, um manches Geschäft, das ihm in Hohensiüh ob lag, abzuthun. D eodatus ließ es sich gefallen, m it jenem jungen M a n n ein paar Flaschen zu leeren und so die Z eit bis zum S o n nenuntergang hinzubringen. D ie Gesellschaft, die im Zim m er versammelt, brach endlich auf, um sich nach dem G arten zu begeben D a strich a u f dem F lu r ein langer hagrer, vornehm gekleideter M ann . der eben angekommen schien, bei iunen vorüber. I m B egriff tn die Zim m er hineinzutreten, w andte er sich noch einm al um, sein Blick fiel au f D eodatus und den T h ür drücker in der H and, -lieb er wie eingewurzelt stehen. W ildes Feuer blitzte au s seinen düstern Augen, während Todtenblässe sein krampf haft zuckendes Antlitz überzog. E r tra t einen S c h ritt vorw ärts au f die Gesellschaft zu, doch wie plötzlich sich besinnend, kehrte er wieder um, rann te hinein in das Zim m er und w arf dröhnend die Thüre hinter sich zu. W as er zwischen den Z ähnen murmelte, konnte nie m and verstehen. M ehr a ls dem jungen Schwendy w ar dem Andern d as Betragen des Frem den aufgefallen, D eodatus hatte nicht sonderlich d arau f ge achtet. M a n begab sich nach dem D ostet. —
D ie Doppeltgänger.
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D ie letzten Strahlen der Abendsonne fielen auf eine hohe, von K opf bis zu Fuß in ein weites erdgelbes bewand gehüllte Gestalt, die den Zuschauern den Rücken zugewendet hatte. Neben ih r auf der Erde lag ein großer Rabe wie todt, m it gesenkten Flügeln. Alle wurden von dem fremden grauenbasten Anblick erfaßt, das leiseste Ge flüster verstummte und in dumpfem, die Brust belastendem Schweigen erwartete man, was die Gestalt beginnen werde. E in Säuseln strömte, wie Wellengeplätscher wunderbar klingend, durch das dunkle Gebüsch und wurde zu Tönen, zu vernehmbaren W orten: „Pbosphorus ist bezwungen. Der Feuerkessel glüht auf im We sten! — Nachtadler! schwing dich empor zu den erwachten Träumen." D a erhob der Rabe das gesenkte Haupt, schlug m it den Flügeln und stieg krächzend in die Höbe. D ie Gestalt breitete beide Arme aus, das Gewand fiel herab und eine hohe wunderherrliche Frau stand da im weißen faltenreichen Kleide m it einem G ürtel von funkelnden Steinen und schwarzen, hochaufgenestelten Haaren. Hals, Nacken und Arme zeigten entblößt jugendlich üppige Formen. „D a s ist ja nicht die A lte !" so flüsterte es durch die Reihen der Zuschauer. — Jetzt begann eine ferne dumpfe S tim m e: „Hörst du, wie es im Abendwinde heult und ja m m e rt?" Eine noch fernere Stim m e murmelte: „D ie Klage beginnt, wenn der G luthw urm leuchtet!" D a ging ein entsetzlicher, herzzerschneidender Zammer durch die Lüste. D ie Frau sprach: „ I h r fernen Klagetöne, habt ih r euch losgewunden aus der Brust des Menschen, daß ih r vermöget, frei euch zu erheben im gewaltigen Chor? - Aber verhallen müßt ih r in Lust, denn die in segensreichen Himmeln thronende Macht, die Euch gebietet, ist ja die Sehnsucht." D ie dumpfen Stim m en heulten stärker: „D ie Hoffnung ist gestorben! Der Sehnsucht Lust war die Hoff nung. Sehnsucht ohne Hoffnung ist namenlose Q u a l!" T ief auf seufzte die Frau und rie f wie in Verzweiflung: „D ie Hoffnung ist der Tod! — Das Leben dunkler Mächte grauses S p ie l!" Da schrie Deodatus unwillkürlich aus dem Innersten heraus: „N a ta lie !"
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Die Doppeltgänger.
Rasch wandte sich die Frau um und ein altes fürchterlich ver zerrtes Weiberantlitz starrte ihn an m it glühenden Augen. Grimmig m it ausgespreizten Armen auf ihn losfahrend, kreischte das Weib: „W as willst du hier? — Fort! Fort! — Der M ord ist hinter dir her! — Rette N atalien !" — Der Rabe rauschte durch die Bäume herab auf Deodatus und krächzte gräßlich: „M ord — M ord !" Don wildem Entsetzen gepackt, halb sinnlos, rannte D eodatus fort nach seiner W ohnung. Der W irth sagte ihm, daß während dessen ein fremder reich ge kleideter Herr mehrmals nach ihm gefragt, indem er seine Person ge nau beschrieben, ohne seinen Namen zu nennen, und endlich ein Billet zurückgelassen habe. D eodatus erbrach das Billet, das ihm der W irth einhändigte und das richtig an ihn adressirt war. E r fand folgende W orte: „Ich weiß nicht, ob ich es unerhörte Frechheit oder W ahnsinn nennen soll, daß. S ie sich hier blicken lassen. S in d S ie nicht, wie ich es jetzt glauben muß, ein ehrloser Bösewicht, so entfernen S ie sich augenblicklich aus Hohenflüh oder erwarten Sie, daß ich M ittel finden werde, S ie von Ih rer Tollheit auf immer zu heilen. G raf Hektor von Zelies." „D ie Hoffnung ist der Tod, das Leben dunkler Mächte grauses S p ie l!" — S o murmelte D eodatus dumpf in sich hinein, als er dies gelesen. E t w ar entschlossen, sich durch die D rohungen eines Unbe kannten, die noch dazu auf irgend einem unerklärlichen Irrth u m be ruhen mußten, durchaus nicht aus Hohenflüh vertreiben zu lassen, sonder« m it festem M uth, m it männlicher K raft dem entgegen zu tre ten, w as irgend eine dunkle Macht über ihn verhängt. S ein ganzes In neres war erfüllt m it banger A hnung, die Brust wollte ihm zer springen. hinaus sehnte er sich aus den M auern in 's Freie. Die Nacht war eingebrochen, als er eingedenk des unbekannten bedrohlichen Verfolgers seine geladenen Pistolen einsteckte und forteilte durch das Neudorfer Thor. Schon war er auf dem freien Platz, der vor die sem Thore befindlich, als er sich von hinten gefaßt und zurückgezogen fühlte. „Eile — Eile, rette N atalien, die Zeit ist d a!" — S o m ur melte es ihm in die Ohren. E s war das gräßliche Weib, die ihn gefaßt hatte und die ihn unaufhaltsam m it sich fortriß. Ein Wagen hielt in geringer Entfernung, der Schlag war geöffnet, die Alte half
ihm hinein und stieg nach. Er fühlte sich von weichen Armen um fangen und eine süße Stim m e lispelte: „M ein geliebter Freund! endlich! — endlich kommst d u !" — „N atalie, meine N atalie!" S o schrie er auf, indem er halb ohnmächtig vor Entzücken die Geliebte in die Arme schloß. Rasch ging es nun fort; im dicken W alde schimmerte Plötzlich Heller Fackelglanz durch das Gebüsch. — „S ie sind es," rief die Alte; „noch einen Schritt weiter und uns trifft Verderben! " — Deodatus, zur Besinnung gekommen, ließ halten, stieg aus dem Wagen und schlich leise, die gespannte Pistole in der Hand, auf den Fackelzug zu, der augenblicklich verschwand. E r eilte zurück zum W a gen, aber erstarrt vor Entsetzen blieb er eingewurzelt stehen, als er eine männliche Figur erblickte, die m it seiner Stim m e sprach: „die Gefahr ist vorüber!" und dann einstieg. Nachstürzen wollte D eodatus dem schnell fortrollenden Wagen, als ihn ein Schuß aus dem Gebüsch zu Boden warf. —
Zweites
Ka p i t e l .
E s ist nöthig, dem geneigten Leser zu sagen, daß der ferne Ort, von dem her der alte Amadeus Schwendy seinen S ohn nach Hohenflüh schickte, ein Landhaus in der Gegend von Lucern war. D as S tädtlein Hobenflüh im Fürstenthum Reitlingen lag aber ungefähr sechs bis sieben S tunden von Sonsitz, der Residenz des Fürsten Remi gius, entfernt. G ing es in Hohenflüh laut und lustig her, so herrschte dagegen in Sonsitz solch ein allgemeines Piano, wie etwa in Herrnhutb oder Neusalz. Alles trat leise wie auf Socken daher und selbst ein noth wendiger Zank wurde mit gedämpfter Stim m e geführt. Don den gewöhnlichen Vergnügungen der Residenz, von Bällen, Conzerten, Schauspielen w ar gar nicht die Rede und wollten sich die Armen, zur Traurigkeit verdammten Sonsitzer einmal vergnügen, so mußten sie hinüber ziehen nach Hohenflüh. D ies alles kam daher. Fürst Re m igius, sonst ein freundlicher, lebenslustiger Herr, w ar seit mehreren
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D ie Doppeltgänger.
Ja h re n , es konnten w o h l über die zwanzig seyn, in furchtbar tiefe, an W ahnsinn grenzende Melancholie versenkt.
Ohne Sonsitz zu verlassen,
sollte sein A u fe n th a lt einer Einöde gleichen, in der das düstre S t i l l schweigen der lebensmüden Trauer herrscht.
N u r seine vertrautesten
Räthe und die nothwendigste Dienerschaft möcht' er sehen und selbst diese dursten es nicht wagen zu angeredet.
In
sprechen,
wenn der Fürst sie nicht
einer dicht verschlossenen Kutsche fu h r er daher und
niem and durste auch n u r durch eine Geberde merken lassen, daß er den Fürsten in der Kutsche wisse. Ueber die Ursache dieser M elancholie gab es n u r dumpfe Gerüchte. S o v ie l w a r
gew iß ,
den E rbp rinzen
daß
d a m a ls ,
als die G em ahlin
des Fürsten
geboren und das ganze Land von freudigem Ju b e l
ertönte, wenige M o nate nachher M u tte r und K in d verschwanden a u f unbegreifliche Weise.
Manche m einten,
G em ahlin und S o h n wären
a ls O pfer einer unerhörten Cabale en tfü h rt worden, andere behaup teten dagegen, der Fürst habe beide verstoßen.
Diese bezogen sich, um
ihre B ehauptung zu unterstützen, a u f den Umstand, daß zu derselben Z e it der G ra f von T ö rn y .
erster M in is te r und entschiedener Lieb ling
des Fürsten, vom Hofe en tfernt worden, der Fürst ein
verbrecherisches V erh ä ltn iß
und es scheine gewiß,
daß
zwischen der F ü rstin und
dem Grasen entdeckt und an der Aechtheit des gebornen Sohnes ge zweifelt. A lle ,
die die F ü rs tin näher gekannt, w aren aber im Innersten
überzeugt, daß bei der reinsten unbeflecktesten Tugend, wie sie die F ü r stin bewährt, ein solcher F e h ltritt ganz undenkbar, ganz unm öglich sey. N iem and in Sonsitz
durfte bei harter A h nd ung auch n u r ein
W o rt über das Verschwinden der F ü rs tin
äußern.
Aufpasser laue r
ten überall und plötzliche Verhaftungen derer, die n u r irgendw o an ders a ls inne rha lb ihres Z im m e rs davon gesprochen, zeigten, wie man, ohne es zu ahnen, belauscht, behorcht wurde.
Eben so durfte auch
über den Fürsten, über seinen K um m er, über sein ganzes T h u n und Treiben kein W o rt gesprochen werden und dieser tyrannische Z w a n g w a r die ärgste B edrängniß der Bewohner einer kleinen Residenz, die eben nichts lieber im M u nde führen a ls den Fürsten und den H of. — Des Fürsten liebster A u fe n th a lt w a r ein kleines, dicht vor den Thoren von Sonsitz gelegenes Landhaus m it einem w e itlä u ftig e n ein gehegten P ark.
Die Doppeltgävget.
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I n den düstern wildverwachsenen Gängen dieses Parks w an delte eines Tages der Fürst, sich ganz hingebend dem zerstörenden Gram, der in seiner Brust wühlte, als er plötzlich ganz unfern ein seltsames Geräusch vernahm. — U nartikulirte Töne — ein Aechzen — Stöhnen, dazwischen wieder ein widriges Quicken — Grunzen — und dann wie in erstickter W uth dumpf ausgestoßene Schimpfwörter. — Erzürnt, wer es gewagt, dem strengsten Verbot entgegen einzudringen in den Park, trat der Fürst schnell aus dem Gebüsch und es bot sich ihm ein Schauspiel dar, das den griesgrämigsten Sm elfungus zum Lachen hätte reizen können. — Zwei M änner, der eine lang und knochendürr, wie die Hektik selbst, der andere ein kleines glaues Fall stafflein in den schmuckesten Sonntagskleidern des idealen Spießbür gers angethan, waren int heftigsten Faustkampf begriffen. Der Große säbelte m it den langen Armen, die m it den geballten Fäusten mäch tigen Streitkolben nicht unähnlich, so unbarmherzig auf den Kleinen los, daß jeder fernere Widerstand unnütz und nichts anders rathsam schien, als schnelle Flucht. Doch M uth im Herzen wollte der Kleine, gleich den Parthern, noch fliehend fechten. D a krallte sich aber der Große fest in das H aupthaar des Gegners. Schlechte In te n tio n ! — Die Perücke blieb ihm in der Hand, der Kleine nützte strategisch die Puderwolke, die ihn einhüllte, duckte schnell nieder und unterlief m it vorgestreckten Fäusten so behende und geschickt den Großen, daß dieser m it einem gellenden Schrei rücklings überstürzte. N un w arf sich der Kleine auf den Großen, enterte sich fest, die linke Hand m it geboge nen Fingern zweckmäßig als Enterhaken brauchend, in der Halsbinde des Gegners und arbeitete m it den Knieen und der rechten Faust so schonungslos auf den Großen ein, daß dieser, kirschblau im gan zen Antlitz, gräßliche Laute ausstieß. Doch plötzlich fuhr nu n der Große dem Kleinen m it den spitzen Knochenfingern so gewaltig in die Seiten und gab m it der letzten Kraft der Verzweiflung sich selbst einen solchen Schwung, daß der Kleine in die Höhe geschleudert wurde wie ein Ball und niederstürzte, dicht vor dem Fürsten. „Hunde! " rief der Fürst m it der Stim m e eines ergrimmten Löwen, „Hunde, welch ein S a ta n hat euch eingelassen? W as wollt ih r? " M an kann denken, m it welchem Entsetzen die beiden ergrimmten Gymnastiker sich aufrafften vom Boden, wie sie nun gleich armen
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D ie D oppelgänger.
verlorenen Sündern, bebend, zitternd, keines W orts, keines LautS mächtig vor dem erzürnten Fürsten standen. „ F o r t," rief der Fürst, „ fo r t auf der Stelle, hinauspeitschen lasse ich euch, wenn ih r noch einen Augenblick w e ilt." Da fiel der Große nieder auf die Knie und brüllte ganz Ver zweiflung: „Durchlauchtigster Fürst — gnädigster Landesherr — Ge rechtigkeit — B lu t fü r B l u t ! " Das W ort Gerechtigkeit war noch eins von den wenigen, das stark anschlug an des Fürsten Ohr. E r faßte den Großen stark in 's Auge und sprach gemäßigter: „W a s ist's, sprecht, aber nehmt Euch in Acht vor allen dummen Worten und macht's kurz." — Vielleicht hat es der geneigte Leser schon geahnt, daß die bei den tapfern Kämpfer niemand anders waren als die beiden berühmten Gastwirthe zum goldnen Bock und zum silbernen Lamm aus Hohenflüh. I n dem immer höher gesteigerten G roll gegen einander, wa ren sie zu dem wahnsinnigen Entschluß gekommen, da ihnen der hochweise Rath nicht genügte, dem Fürsten selbst allen T ort zu klagen, den jeder vom andern erlitten zu haben glaubte, und der Z u fa ll ließ es geschehen, daß beide in demselben Augenblick zusammentrafen vor dem äußersten Gattertbor des Parks, das ein einfältiger Gärtner bursche ihnen öffnete. Beide können fernerhin sehr schicklich m it ihren Schildnamen bezeichnet werden! — Also! — der goldne Bock, ermuthigt durch des Fürsten ruhigere Frage wollte eben beginnen, als ihn vielleicht in Gefolge des feind lichen Enterns ein solch fürchterliches krächzendes Husten überfiel, daß er kein W ort hervorzubringen vermochte. Diesen verderblichen Z u fa ll nützte augenblicklich das silberne Lamm und stellte m it nicht geringer Beredsamkeit dem Fürsten all die Un b ill vor, die ihm der goldne Bock zufüge, der alle Gäste anlocke, in dem er alle nur mögliche Hanswürste, Marktschreier, Wahrsager und anderes Gesindel bei sich aufnehme. E r beschrieb die weise Frau m it dem Raben, er sprach von ihren schnöden Künsten, von ihren Orakel sprüchen, m it denen sie die Leute hinter's Licht führe. Das schien die Ausmerksamkeit des Fürsten zu fesseln. E r ließ sich die Gestalt der Frau von Kopf bis zu Fuß beschreiben, er fragte, wann sie gekom men, wo sie geblieben.
Das Lamm meinte, er seinerseits halte das
Weib für nichts anders, als fü r eine betrügerische halbwahnflnnige
D ie D oppeltgänger.
Zigeunerin, die ein Hochweiser Rath zu Hohenflüh hätte sogleich fest* nehmen lassen sollen. Der Fürst heftete den funkelnden durchbohrenden Blick auf das arme Lamm, das, als hätte es in die Sonne geschaut, sogleich aus brach in ein heftiges Niesen. Dies nützte sofort der goldne Bock, der sich indessen vom Husten erholt und nur auf den Moment gelauert hatte, dem Lamm die Rede abzuschneiden. Der Dock berichtete in süß und sanft tönenden W or ten, daß alles, was das Lamm von der Aufnahme schädlichen p o li zeiwidrigen
Gesindels berichtet,
die schändlichste Verläumdung sey.
Insonderheit rühmte der Bock die weise Frau, von der die gescheutesten brillantesten Herren, die größten Genies von Hohenflüh, die er täglich an seiner Tafel zu bewirthen die Ehre habe, behaupteten, sie sey ein überirdisches Wesen und höher zu achten, als die ausgebildetste S om nambüle. Ach, gar arg ginge es aber zu bei dem silbernen Lamm. Einen artigen, schönen, jungen Herrn habe das silberne Lamm von ihm weggelockt, als er nach Hohenflüh zurückgekehrt und gleich in der folgenden Nacht sey er aus seinem Zimmer mörderisch angefallen und durch einen Pistolenschuß verwundet worden, so daß er hoffnungslos darnieder läge. Jede fernere Rücksicht, jede Ehrfurcht vor dem Fürsten in der W uth vergessend, brach das silberne Lamm los und schrie: derjenige, welcher behaupte, daß der junge Herr George Haberland auf seinem Zimmer angefallen und verwundet worden, sey der niederträchtigste Spitzbube und abgefeimteste Hallunkenkerl, der jemals Beinschellen ge tragen und die Gassen gekehrt. Vielmehr habe die wohllöbliche Polizei in Hohenflüh ermittelt, daß er in selbiger Nacht vor das Nendorfer Thor spaziert, daß dort ein Wagen gehalten, aus dem eine weibliche Stim m e gerufen: „rette N a ta lie n ," daß darauf der junge Herr in den Wagen gesprungen. — „W er war das Weib im W a gen?" fragte der Fürst m it strengem Ton. „M a n s a g t/ stotterte der goldne Bock, um nur wieder zum W ort zu kommen, „m an sagt, die weise Frau habe" — Die Rede blieb dem goldnen Bock in der Kehle stecken vor dem furchtbaren Blick des Fürsten, und als dieser ihm ein tödtendes „N u n ? was weiter?" zurief, fiel das silberne Lamm, das gerade außer der Richtung jener Strahlen im Schatten stand, leise stammelnd ein:
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D ie D op p elgän ger.
„ J a , die weise Frau und der Herr M aler George Haberland — Im W alde hat er den Schuß erhalten, das weiß ja die ganze S ta d t — aus dem Walde haben sie ihn geholt und zu m ir gebracht am frühen M orgen — er liegt noch bei mir — wird aber wohl genesen, denn die Pflege bei mir — und der fremde Herr G raf — ja der Herr G raf Hektar von Zelies" — „W as? w er?" rief der Fürst auf, daß das silberne Lämmlein ein paar Schritte zurückprallte. „G enug," sprach dann der Fürst weiter m it rauhem gebieterischen Ton, „genug! packt euch Beide fort augen blicklich. — Der wird den mehrsten Zuspruch haben, der seine Gäste am besten bedient! — Hör' ich noch das mindeste von einem Gezänk unter euch, so soll der Rath euch die Schilder von den Häusern rei ßen und euch fortbringen lassen aus den Thoren von Hohenflüh!" Nach diesem kurzen kräftigen Bescheid ließ der Fürst die beiden W irthe stehen und verlor sich schnell in 's Gebüsch. Der Zorn des Fürsten hatte die aufgebrachten Gemüther besänf tigt. I m Innersten zerknirscht schauten sich beide, das silberne Lämm lein und der goldne Dock, wehmüthig an, Thränen entquollen den verdüsterten Augen und m it dem gleichzeitigen A usruf: „O G evatter!" sielen sie sich in die Arme. Während der goldne Bock das silberne Lamm fest einklammernd und über dasselbe weggebeugt häufige Schmer zestropfen in 's G ras fallen ließ, schluchzte dieses vor herber Welimuth leise an der Brust des versöhnten Gegners. E s w ar ein erhabener M oment! Die zwei herbeieilenden fürstlichen Jäger schienen aber dergleichen pathetische Scenen nicht sonderlich zu lieben, denn ohne Weiteres pack ten sie den goldnen Bock sowohl als das silberne Lamm, wie m an zu sagen pflegt, beim Fittig und warfen beide ziemlich unsanft zum G atterthor hinaus.
D r i t t e s Ka p i t e l . B in ich hin und hergezogen Ueber W iese, Flur und Feld, H at manch Hoffen mich betrogen, Zst mir manche Luft entflogen I n der bunten lauten W elt.
D le Doppeltgänger.
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W aS nur stillt dies bange Sehnen, W as den Schmerz in dieser B rust! B ittre Q u a len ! herbe T h ränen! Leere- Trachten! — falsches W ähnen! Flieht mich ewig jede Lust? D a rf Ich noch zu hoffen wagen, D äm m ert noch mein Lebensstern? S o tt ich's länger dulden, tragen, W ird mein Schmerz mir selbst nicht sagen, Ob sie nah ist, ob sie fern? S i e die ist mein innig Leben, S i e die ist mein ganzes Glück, S üßen Träum en hingegeben, Schaut m it wonnigem Erbeben S i e mein liebetrunkner Blick. Doch in Nacht ist bald verschwunden D er Geliebten Lichtgestalt! Kann ich nimmermehr gesunden? Freunde- Trost, Balsam den Wunden, I s t auch der für mich verhallt?
D er Kupferstecher Berthold hatte flch, während er dies Lied, das sein Freund der M aler George Haberland gedichtet, leise vor stch sang, auf einer Anhöhe unter einem großen Baum gelagert und w ar be müht, eine P arthie des Dorfes, das vor ihm im Thale lag, getreu nach der N atur in sein Malerbuch hineinzuzeichnen. Bei den letzten Versen schossen ihm aber die Thränen aus den Augen. E r gedachte lebhaft seines Freundes, den er oft durch ein lustiges W ort oder durch ein heitres Kunstgespräch aus der düstren trostlosen S tim m ung gerissen, in die er seit einiger Zeit versunken und den nun ein unerklärliches Unheil von ihm getrennt. „N ein," rief er endlich, indem er schnell seine Geräthschaften zusammenpackte und hastig aufsprang, „nein, noch ist Freundes Trost nicht verhallt für dich, mein George! — Fort, dich aufzusuchen und nicht eher dich zu verlassen, bis ich dich im Schooße der Ruhe sehe und des Glücks." — E r eilte zurück in das D orf, das er vor wenigen S tund en ver lassen und wollte dann weiter fort nach Hohenflüh. XI.
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Die DoppeltgänAtt.
E s w ar gerade S o nntag, der Abend fing an einzubrechen, die Landleule eilten nach der Schenke. D a zog ein seltsam gekleideter Mensch durch's Dorf, einen lustigen Marsch auf der Papagenopfeife blasend, die ihm aus dem Busen hervorragte, und dazu derb die Trom mel schlagend, die er umgehängt. Ih m folgte ein altes Zigeunerweib, die tapfer auf dem Triangel klingelte. Hinterher schritt langsam und bedächtig ein stattlicher Esel m it zwei vollgepackten Körben belastet, au f denen zwei kleine posfierliche Aeffchen hin und her hüpften und fich herum balgten. Zuweilen ließ der Mensch vom Blasen ab und begann einen seltsamen kreischenden Gesang, in den das Zigeuner weib, sich aus ihrer niedergebeugten Stellung ein wenig aufrichtend, m it gellenden Tönen einstimmte. Begleitete nun der Esel den Ge sang m it seinen klagenden N aturlauten, quickten die Aeffchen dazu, so gab es einen angenehmen lustigen Chor, wie m an sich ihn wohl genügend denken mag. Bertholds ganze Aufmerksamkeit fesselte der junge Mensch, denn jung w ar er, das war sichtlich, unerachtet er sein Antlitz m it allerlei Farben häßlich beschmiert und durch eine große Doktorperrücke, auf der ein winziges Tressenhütlein saß, auf widrige Weise entstellt hatte. D azu trug er einen abgeschabten rothen Sammtrock m it großen goldstoffnen Aufschlägen, einen offnen Hamletskragen, schwarzseidne Unter kleider nach der letzten Mode, auf den Schuhen große bunte B and schleifen und ein zierliches Ritterschwert an der Seite. E r schnitt die tollsten Gesichter und sprang hin und her in den lustigsten C apriolen, so daß das Bauernvolk übermäßig lachte, doch Bertholden erschien das ganze Wesen wie der unheimliche Spuk des W ahnsinns und überdem regte der tolle Mensch, wenn er ihn genau in 's Auge faßte, in ihm Em pfindungen auf, die er sich selbst nicht zu erklären wußte. D er Mensch blieb endlich in der M itte eines Rasenplatzes vor der Schenke stehen und schlug auf seiner Trommel einen langen star ken W irbel. A uf dies Zeichen schloß das Landvolk einen großen Kreis und der Mensch verkündete, daß er jetzt gleich vor dem vereh rungsw ürdigen Publikum ein Schauspiel aufzuführen gedenke, wie es die höchsten Potentaten und Herrschaften nicht schöner und herr licher geschaut. D ie Zigeunerin ging nun im Kreise umher, bot unter närri-
D ie D oppelgänger.
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scheu Redensarten und Geberden bald Korallenschnüre, Bänder, Hei ligenbildchen u. a. zum Kauf aus, bald wahrsagte sie dieser, jener D irne aus der Hand und trieb ihr, von B räutigam und Hochzeit und K indtaufe sprechend, das B lu t in die W angen, während die an dern kicherten und lachten. Der junge Mensch hatte indessen die Körbe ausgepackt, ein klei nes Gerüste gebaut und m it kleinen bunten Teppichen behängt. Berthold sah die Vorbereitungen zum Puppenspiel, das denn auch nach gewöhnlicher italienischer A rt erfolgte. Pulcinell w ar von besonderer A ktivität und hielt sich tapfer, indem er sich aus den bedrohlichsten Gefahren m it Gewandtheit rettete und über seine Feinde stets die Ober hand gewann. D a s S p iel schien geendet, als plötzlich der Puppenspieler sein, zur furchtbaren Fratze verzerrtes Antlitz emporhob in den R aum der Puppen und m it todtstarren Augen gerade hin in den Kreis blickte. Pulcinell von der einen Seite, der Doktor von der andern, schienen über die Erscheinung des Riesenhaupts sehr erschrocken, dann erholten sie sich aber, beschauten sorglich m it Gläsern das Antlitz, betasteten Nase, M und, die S tirn , zu der sie kaum hinauflangen konnten, und begannen einen sehr tiefsinnigen gelehrten S tre it über die Beschaffen heit des H aupts und auf welchem Rum pf es sitzen könne oder ob überhaupt ein R um pf als dazu gehörig anzunehmen. D er Doktor stellte die aberwitzigsten Hypothesen auf, Pulcinell zeigte aber dagegen viel Menschenverstand und hatte die lustigsten Einfälle. D arin w ur den sie zuletzt einig, daß, da sie keinen zum Kopf gehörigen Körper wahrnehmen könnten, es auch keinen gäbe, nur meinte der Doktor, die N atur habe sich, als sie diesen G iganten ausgesprochen, einer rhe torischen F igur, einer Synekdoche bedient, nach der ein Theil das Ganze bezeichnet. Pulcinell behauptete dagegen, daß das H aupt ein Unglücklicher sey, dem vor vielem Denken und tollen Gedanken der R um pf abhanden gekommen und der nun bei dem gänzlichen M an gel an Fäusten sich gegen Ohrfeigen, Nasenstüber u. dgl. nicht anders wehren könne als durch Schimpfen. Berthold merkte bald, daß hier nicht der Scherz galt, der ein schaulustiges Volk ergötzen kann, sondern daß der finstere Geist einer Iro n ie spuke, die dem m it sich entzweiten In n e rn entsteigt. D as konnte sein frohes freundliches Gemüth nicht ertragen, er begab sich weg 2*
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nach der Schenke und ließ sich an einem einsamen Plätzchen hinter derselben ein mäßiges Abendbrot auftragen. B ald vernahm er aus der Ferne Trommel, Pfeife und Triangel. D ie Landleute strömten nach der Schenke, das S p ie l w ar geendet. I n dem Augenblick, als Berthold fortwandern wollte, stürzte m it dem lauten A u sru f: „B erthold — herzgeliebter B ru d e r!" jener tolle Puppenspieler herbei. E r riß die Perrücke vom Haupt, wischte schnell die Farben vom Antlitz. — „W ie? — George! — ist es m öglich?" S o stammelte Bert hold mühsam, beinahe zur Bildsäule erstarrt. „W a s ist dir, kennst du mich denn nicht?" So fragte George Haberland vo ll Erstaunen. Berthold erklärte nun, daß, wenn er nicht an Gespenster glauben wolle, er freilich nicht zweifeln könne, seinen Freund vor sich zu sehen, wie dies aber möglich wäre, das könne er durchaus nicht enträthseln. „W arst du," so sprach Berthold weiter, „warst du nicht unserer Abrede gemäß nach Hohenflüh gekommen? — tra f ich dich nicht dort, begegnete d ir nicht Seltsames m it einem geheimnißvollen Weibe im Gasthof zum goldnen Bock? W ollten Unvekannte dich nicht dazu ge brauchen, ein Frauenzimmer entführen zu helfen, das du selbst N a talie nanntest? Wurdest du nicht im Walde durch einen Pistolenschuß schwer verwundet? —- hab' ich nicht von d ir Abschied genommen m it schwerem Herzen, da du entkräftet, todwund auf dem Lager lagst? — Sprachst du nicht von einem unerklärlichen Ereigniß — von einem Grafen Hektor von Zelies?" — „H a lt' ein, du durchbohrst mein In n re s m it glühenden D olch e n !" so rie f George im wilden Schmerz. „ J a , " fuhr er dann ruhiger fort, „ ja Bruder Berthold, es ist nur zu gewiß, es giebt ein zweites Ich, einen Doppeltgänger, der mich verfolgt, der mich um mein Leben betrügen, der m ir Natalie rauben w ir d ! " I n voller Trostlosigkeit verstummt, sank George auf die Rasenbank. Berthold setzte sich neben ihm h in und sang leise, indem er sanft des Freundes Hand drückte: Freunde- Trost, B alsam den Wunden, Is t noch nicht für dich v e rh a llt!
„ I c h , " sprach George, indem er sich die Thränen wegtrocknete, die ihm aus den Augen strömten, „ich verstehe dich ganz, mein ge-
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liebter Bruder Berthold! — E s ist Unrecht, daß ich dir nicht schon längst meine ganze Brust erschloß, nicht schon längst dir alles, alles sagte. — D aß ich in Liebe bin, konntest du längst ahnen. Die Ge schichte dieser Liebe — sie ist so einfältig, so abgedroschen, daß du sie in jedem abgeschmackten Rom an nachlesen kannst. — Ich bin M a ler und so ist nichts mehr in der hergebrachten O rdnung, als daß ich mich in ein schönes junges Frauenzimmer, die ich abkonterfeie, sterb lich verliebe. S o ist es m ir denn auch wirklich gegangen, als ich während meines A ufenthalts in S traßburg meine Proviantbäckerei — du weißt, daß ich darunter das Portraitm alen verstehe — mehr trieb a ls jem als. Ich bekam den R uf eines außerordentlichen Portraitisten, der die Gesichter recht aus dem Spiegel stehle in der schönsten M i niatur, und so geschah es, daß eine alte D am e, die eine Penflonsanstalt hatte, sich an mich wandte, und mich ersuchte, ein Fräulein, das bei ihr, zu malen für den entfernten Vater. Ich sah, ich malte N atalien — o ihr ewigen Mächte, das Geschick meines Lebens w ar entschieden! — N un nicht wahr, Bruder Berthold, da ist nichts Be sonders daran! — Doch höre, manches mag doch bem erkensw ert seyn. — Laß es mich dir sagen, daß mich seit meiner frühen Knaben zeit in Ahnungen und Träum en das B ild eines himmlischen Weibes umschwebte, dem all mein Sehnen, all mein Lieben zugewandt. Die rohesten Versuche des malerischen Knaben zeigen dies B ild eben so a ls die vollendeteren Gemälde des reisenden Künstlers. — N atalie, sie w ar es! — D as ist w underbar, Berthold! — Auch mag ich dir sagen, daß derselbe Funke, der mich entzündet, auch in N ataliens Brust gefallen, daß wir un s verstohlen sahen. — O zerronnenes Glück der Liebe! — N ataliens Vater, G raf Hektor von Zelies w ar gekommen, das Dildlein der Tochter hatte ihm ausnehmend gefallen, ich wurde eingeladen, ihn auch zu malen. A ls der G raf mich sah, geriety er in eine seltsame Bewegung, ich möchte sagen Bestürzung. E r fragte mich m it auffallender Aengstlichkeit über alle meine Lebensverhältnisse aus, und schrie dann mehr als er sprach, indem seine Augen glühten, er wolle nicht gemalt seyn, aber ich sey ein wackrer K ünstler, müsse nach Ita lie n und das auf der Stelle, er wolle m ir Geld geben, wenn ich dessen bedürfe!" — „Ich fort? — ich mich trennen von N atalien? — N un es giebt Leitern, bestechliche Zofen — w ir sahen uns verstohlen. S ie lag in.
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meinen Armen, als der G ra f eintrat. — „H a , meine Ahnung — er ist r e i f ! " — so schrie der G raf wüthend auf und stürzte auf mich lo s m it gezogenem S tile t. Ohne daß sein Stoß mich treffen konnte, rannte ich ihn über den Haufen und entfloh. — S p u rlo s w ar er andern Tages m it Natalien verschwunden!" — „E s begab sich, daß ich auf die alte Zigeunerin stieß, die du heute bei m ir gesehen. Sie schwatzte m ir solch' abentheuerliche Prophe zeihungen vor, daß ich gar nicht darauf achten, sondern meinen Weg fortsetzen wollte. D a sprach sie m it einem T o n , der mein Innerstes durchdrang: „George, mein Herzenskind, hast du N atalien vergessen?" — M ag es nun Hexerei geben oder nicht, genug, die Alte wußte um meinen Liebesbund, wußte genau, wie sich alles begeben, betheuerte m ir, daß ich durch sie zu Nataliens Besitz gelangen solle und gab m ir auf, mich zu einer bestimmten Z eit in Hohenflüh einzufinden, wo ich sie, wiewohl in einer ganz andern Gestalt, finden werde. — Nun, Berthold, laß mich nicht alles w eitläuftig erzählen — m ir brennt die Brust — ein Wagen ro llt auf mich zu — hält — die Reiter kommen näher — Jesus! ru ft eine Stim m e im Wagen — es ist Nataliens Stim m e. — E ile — eile, ru ft eine andre Stim m e — die Reiter biegen seitwärts ein. — D ie Gefahr ist vorüber, spreche ich, und steige in den Wagen — in dem Augenblick fä llt ein Schuß, fo rt geht es! — Meine Ahnung hat mich nicht betrogen, es ist Natalie, es ist die alte Zigeunerin — S ie hat W ort gehalten." — „Glücklicher George!" sprach Berthold. „Glücklicher?" wiederholte George, indem er eine wilde Lache aufschlug, „h a ! noch im Walde holten uns Polizeisoldaten ein. Ich sprang aus dem Wagen, die Zigeunerin m ir nach, packte mich m it Riesenkraft und schleppte mich in 's finstre Dickicht. — N atalie war verloren. — Ich war in W uth, die Zigeunerin wußte mich zu be sänftigen, mich zu überzeugen, daß kein Widerstand möglich, und daß noch keine Hoffnung verloren. Ich vertraue ih r b lin d lin g s und wie du uns hier siehst, das ist ih r P la n , ih r R ath, um der Verfolgung eines mordsüchtigen Feindes zu entgehen." — I n dem Augenblick tra t die alte Zigeunerin hinzu und sprach m it krächzender Stim m e: „George, schon leuchtet der Nachtwurm, w ir müssen fo rt über die Berge." D a wollte es Berthold bedünken, die Alte treibe leeres loses
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Gaukelspiel m it Georgen, den sie an sich gelockt, um durch ihn m it jenen Possen mehr Geld zu gewinnen. Zornig wandte er sich zur A lten, erklärte, daß er als Georges bester innigster Freund es nicht länger zugeben werde, daß er schnöder Landstreicherei und niedrigen Possen sein Kunstleben opfere, m it ihm solle er nach Ita lie n und fragte dann, w as sie überhaupt für ein Recht habe auf den ihm verbundenen Freund. D a erhob sich die Alte, die Züge des Antlitzes schienen sich zu veredeln, aus den Augen strahlte ein dunkles Feuer, plötzlich w ar ihr ganzes Wesen die Würde und Hoheit selbst, sie sprach m it fester voll tönender Stim m e: „D u fragst, w as für ein Recht ich habe auf diesen Jü n g lin g ? — Ich kenne dich wohl, du bist der Kupferstecher Berthold — du bist sein Freund, aber ich — o ihr ewigen Mächte! — ich bin — seine M u tter!" D am it faßte sie Georgen in ihre Arme, und drückte ihn stürmisch an ihre Brust. Doch plötzlich überfiel sie ein krampfhaftes Zittern, sie stieß Georgen von sich m it abgewandtem Gesicht, sie ließ sich er schöpft, halbohnmächtig auf die Rasenbank, sie wimmerte, indem sie sich m it dem weiten M antel, den sie umgeworfen, das Antlitz verhüllte: „S tarre mich nicht so an, George, m it seinen Augen — w arum wirfst du mir immer und ewig mein Verbrechen vor? — D u m ußt fort — fo rt!" — „M utter!" rief George, indem er der Zigeunerin zu Füßen stürzte. Diese schloß ihn nochmals heftig in ihre Arme, indem sie keines W ortes mächtig aus tiefer Brust aufseufzte. S ie schien in Schlaf zu versinken. Doch bald erhob sie sich m ühsam, sprach wieder ganz Zigeunerin m it krächzender Stim m e: „George, schon leuchtet der Nacht w urm , w ir müssen fort über die B erge!" und schritt langsam von dannen. George w arf sich sprachlos an die Brust des Freundes, dem auch das bis zum Entsetzen gesteigerte Erstaunen die Zunge band. B ald vernahm Berthold das Trommeln, Pfeifen, K lingeln, den schauerlichen Gesang, das Geschrei des Esels und das Quicken der Affen und den Ju b el des nachziehenden Landvolks, bis alles dumpf verhallte in der weiten Ferne.
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V i e r t e s Kapi t el . Förster, welche am frühen M orgen den W ald durchstrichen, fan den den jungen D eodatus Schwendy ohnmächtig in seinem B lute liegend. Der B ranntw ein, den sie in Jagdflaschen bei sich führten, that gute Dienste, ihn in 's Leben zurückzurufen, sie verbanden, so gut sie es vermochten, die Brustwunde, packten ihn auf einen W agen und brachten ihn nach Hohenflüh in das W irthshaus zum silbernen Lamm. Der Schuß hatte nur die Brust stark gestreift, ohne daß die K u gel eingedrungen war, der W undarzt erkärte daher, daß an Lebens gefahr nicht zu denken, wiewohl der Schreck und die Kälte der Nacht den erschöpften Zustand herbeigeführt, in dem sich D eodatus befand. Kräftige M ittel würden aber auch diesen bald heben. Hätte D eodatus nicht den Schmerz der W unde gefühlt, das ganze unerklärliche Ereigniß wäre ihm nichts gewesen als ein Traum . E s schien ihm gewiß, daß jenes Geheimniß, von dem der Vater in dunklen W orten gesprochen, sich zu enthüllen begann, daß aber irgend ein feindliches Wesen dazwischen getreten, und seine Hoffnung vernichtet. Dieses feindliche Wesen, wer konnte es anders seyn. als der M aler George Haberland, der ihm so durchaus ähnlich, daß er überall m it ihm verwechselt worden. „Und w ie," sprach er zu sich selbst, „w enn jene N atalie, jener schöne Liebestraum, der in süßen Ahnungen durch mein Leben ging, nu r ih m angehörte, meinem unbekannten D oppeltgänger, meinem zweiten Ich , wenn er sie m ir geraubt, wenn all mein S ehnen, all m ein Hoffen ewig unerfüllt bliebe; ' D eodatus verlor sich in trübe Gedanken, immer dichtere Schleier schienen seine Zukunft zu verhüllen, jede A hnung w ar dahin, er sah ein, daß er nu r aus den Zufall hoffen dürfte, der ihm vielleicht Ge heimnisse erschließen konnte, welche gar verhängnißvoll, gar gefährlich seyn müßten, da sein Vater, der alte Amadeus Schwendy, es selbst nicht gewagt, sie ihm zu offenbaren. — — Der W undarzt hatte den kranken D eodatus eben verlassen, er befand sich allein, als die Thüre leise geöffnet wurde und ein gro ßer in einen M antel gehüllter M ann hereiutrat. Als er den M antel zurückschlug, erkannte D eodatus in ihm augenblicklich jenen Fremden
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wieder, den er im Gasthause zum goldnen Bock auf dem F lu r ge troffen und er errieth, daß es derselbe sein mußte, der ihm das u n erklärliche B ille t geschrieben, nämlich der G ra f Hektar von Zelies. E s war dem so. Der G ra f schien sich Mühe zu geben, den finstern stechenden Blick, der ihm eigen, zu mildern, et zwang sich sogar zu einiger Freundlichkeit. „W ahrscheinlich," so begann er, wahrscheinlich erstaunen Sie, mich hier zu sehen, Herr Haberland, noch mehr werden S ie erstaunen, wenn ich Ih n e n erkläre, daß ich hier bin, um Ih n e n Frieden, Ver söhnung anzubieten, im F a ll S ie gewisse Bedingungen" — Deodatus unterbrach den Grafen, indem er m it Heftigkeit ver sicherte, daß er keineswegs der M aler George Haberland sey, daß hier ein unglücklicher Irrth u m vorwalten müsse, der ihn in ein Labyrinth unerklärlicher Ereignisse stürzen zu wollen scheine. S ta rr schaute der G ra f ihm in 's Gesicht und sprach dann m it einem Blick, aus dem ein wenig der Teufel lächelte: „ S ie haben, mein Herr Schwendy oder mein Herr Haberland oder wie Sie sich sonst zu nennen belieben mö gen, Natalien entführen w ollen?" — „N a ta lie, o N a ta lie ," seufzte Deodatus tie f aus der Seele. „H o h o ," sprach der G ra f m it dem bittersten In g rim m , „ S ie lieben Natalien wohl sehr?" „M e h r," erwiderte Deodatus, indem er vor Schwäche zurücksank auf sein Lager, „mehr als mein Leben. — S ie w ird mein werden, sie muß mein werden, in meinem Innersten glüht die Hoffnung, das V e rla n g e n !" — „Welche unerhörte Frechheit," fuhr der G raf aus im flammenden Zorn, „he warum tr a f" — plötzlich innehaltend, seinen Zorn m it G ewalt niederkämpfend, sprach der G ra f, nachdem er einige Augen blicke geschwiegen, m it erkünstelter Ruhe: „Verdanken S ie Ih re m Z u stande, daß ich S ie schone, unter andern Umständen würde ich Rechte geltend machen, die S ie vernichten könnten. Aber ich verlange nun, daß sie m ir augenblicklich sagen, wie es geschehen konnte, daß S ie N atalien sahen hier in Hohenflüh?" Der Ton, in dem der G ra f sprach, erfüllte den Deodatus Schwendy m it dem tiefsten Unwillen. Sich trotz seiner Schwäche ermannend, richtete er sich auf und sprach m it festem männlichen T o n : „ E s kann n u r das Recht der Unverschämtheit seyn, das S ie geltend machen zu
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können glauben, wenn S ie in mein Zimm er dringen, wenn Sie mich m it Fragen belästigen, die ich nicht beantworten kann. Sie sind m ir völlig unbekannt, niemals hatte ich m it Ih n e n etwas zu schaffen, und diese Natalie, von der S ie sprechen, wissen S ie denn, daß diese das Him m elsbild ist, das in meinem Herzen lebt? — Weder in Hohenflüh noch sonst irgendwo sahen meine leiblichen Augen, die — doch es ist Frevel, zu Ih n e n von Geheimnissen zu reden, die ich bewahre tie f in meiner innersten B ru s t!" Der G ra f schien in Staunen und Zweifel zu gerathen, er lispelte kaum hörbar: „N iem als hätten S ie Natalien gesehen? — Und als S ie sie malten? — Wie wenn dieser Haberland — dieser Schwendy" — „G enug," rief Deodatus, „genug! — Entfernen S ie sich, nichts habe ich zu schaffen m it dem finstern Geist, den ein wahnsinniger I r r thum hinter m ir hertreibt und der mich a ngriff auf den Tod! — Es giebt Gesetze, welche schützen gegen hinterlistigen Meuchelmord — S ie verstehen mich, Herr G r a f ! " — DeodatuS zog stark die Glocke. — Der G ra f biß die Zähne zusammen und maß den Deodatus m it furchtbarem Blick. „Hüte dich," sprach er dann, „hüte dich, Knabe! D u hast ein unglückliches Gesicht — hüte dich, daß dein Gesicht nicht noch einem andern mißfalle als m ir." — D ie Thüre ging auf und herein tra t der kleine alte etwas zu dicke Herr m it der goldnen Dose, den der geneigte Leser als M itglie d des hochweisen Rathes an der W irthstafel im goldnen Bock gesehen und sehr klug raisonniren gehört hat. Der G ra f entfernte sich m it einer drohenden Bewegung gegen Deodatus zur Thüre hinaus und zwar so w ild und heftig, daß der kleine Rathsherr und seine Begleitung darob etwas erstaunt und ver b lü fft schienen. Dem Rathsherrn folgte nämlich ein ganz kleines winziges ver wachsenes M ännlein, das einen großen Stoß Papier unter dem Arm trug und hinterher traten zwei Rathsdiener herein, die sich sofort als Wachen an der Thüre postirten. Der Rathsherr grüßte den Deodatus m it ernster Amtsmiene, das M än n le in rückte m it Mühe einen Tisch vor das Bett, legte die Papiere darauf, holte ein Schreibzeug aus der Tasche, erkletterte den ebenfalls
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m it Mühe herangerückten S tu h l und setzte sich in schrei-fertige Posi tur, während der Rathsherr sich auch auf einen S tu h l dicht vor dem Bette niedergelassen hatte und ihn m it weit aufgerissenen Augen anstarrte. D eodatus wartete ungeduldig, w as aus dem allen nun endlich werden sollte. Endlich begann der Rathsherr pathetisch: „M ein Herr Haberland oder mein Herr Schwendy, denn Sie, mein Herr, der S ie da vor m ir im Bette liegen, belieben zwei diverse Namen zu führen, unerachtet das ein Luxus ist, den keine tüchtige Obrigkeit dulden darf. — N un! — ich hoffe, S ie werden, da der hochweise Rath schon von Allem auf das Genaueste unterrichtet ist, nicht durch unnütze Lügen, Ränke und Schwänke Ih ren Arrest verlängern. D enn arretirt sind S ie in diesem Augenblick, wie S ie aus der Postirung jener treuen und ehrlichen Rathswächter m it mehrerem ersehen werden." D eodatus fragte verwundert, welches Verbrechens m an ihn denn anklage, und welches Recht m an habe, ihn als durchreisenden Frem den zu verhaften. D a hielt ihm aber der Rathsherr vor, daß er wider das erst neuerdings emanirte D uell-M andat des gnädigsten Herrn Fürsten auf das Schrecklichste gesündigt, indem er sich wirklich im W alde duellirt, welches denn schon die Pistolen, die man in seiner Rocktasche gefun den. hinlänglich bewiesen. E r möge daher nur ohne Weiteres den frechen M itduellanten, so wie die etwanigen Sekundanten nennen und hübsch erzählen, wie sich alles begeben von A nfang an. Dagegen versicherte nun D eodatus sehr ruhig und fest, daß hier nicht von einem Duell, sondern von einem meuchelmörderischen A n griff auf seine Person die Rede. Ein Ereigniß, das ihm selbst u n erklärlich, und das einem hochweisen Rath noch viel unerklärlicher seyn werde, habe ihn ganz ohne seinen vorbedachten W illen in den W ald geführt. Die gefährliche D rohung eines ihm ganz unbekannten Verfolgers sey die Ursache, warum er sich bewaffnet und der hochweise Rath würde viel besser thun, seine Pflicht, fü r Ruhe und O rdnung zu sorgen, viel besser erfüllen, wenn er, statt auf eine grundlose Ver m uthung hin Arrest und Untersuchung zu verfügen, jenem Meuchel mörder nachforschte. D abei blieb D eodatus stehen, unerachtet der Rathsherr noch hin und her fragte, und bezog, als dieser mehr von seinen Lebensverhält-
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Nissen wissen wollte, sich lediglich auf seinen Paß, der, so lange nicht ein gegründeter Verdacht der Falschheit vorhanden, dem hochweisen Rath genügen müsse. Der Rathsherr wischte sich den Angstschweiß von der S tirne. D er Kleine hatte schon einmal übers andere den grandiosen Gänse kiel in das Tintenfäßlein getunkt und wieder ausgespritzt, schreibbe gehrliche Blicke auf den R athsherrn werfend. Der schien aber verge bens nach W orten zu trachten. D a schrieb der Kleine keck und las m it krächzender Stim m e: „Aktum Hohenflüh den — A uf Befehl eines hiesigen hochweisen R aths hatte sich der unterschriebene D eputirte" — „Recht," rief der Rathsherr, „recht, liebster Drosselkopf, recht, himmlischer Aktuar, der unterschriebene Deputirte hatte sich — der unterschriebene D eputirte — das bin ich — ich hatte mich" — E s war im Rath des Himmels beschlossen, daß der unterschriebene D eputirte sein Werk nicht vollenden, nicht unterschreiben, D eodatus vielmehr von dem unseligen Zuspruch befreit werden sollte. Herein trat nämlich ein Offizier von der Leibgarde des Fürsten, in Begleitung des W irths, den er, als er D eodatus erblickte, fragte, ob das wirklich der junge M ann sey, der im Walde verwundet w or den. A ls der W irth es bejaht, näherte sich der Offizier dem Lager des D eodatus und erklärte m it bescheidner Artigkeit, daß er Befehl habe, den Herrn George Haberland sogleich zum Fürsten nach S o n sitz zu bringen. E r hoffe, daß sein Zustand kein Hinderniß in den Weg legen würde; übrigens seyen alle Vorkehrungen getroffen, daß die F ahrt ihm durchaus nicht nachtheilig seyn könne, und es werde auch übrigens der Leibchirurgus des Fürsten beständig an seiner Seite seyn. D er Rathsherr, auf einm al des A uftrags enthoben, der ihm Angstschweiß ausgepreßt, näherte sich, vollen Sonnenschein im A nt litz, dem Offizier und fragte m it submisser Verbeugung, ob er viel leicht den Arrestanten schließen lassen solle, größerer Sicherheit halber. D er Offizier blickte ihn aber ganz verwundert an und fragte dann seinerseits, ob der gestrenge Rathsherr wahnsinnig sey, w as er denn für einen Arrestanten meine? Der Fürst wolle den Herrn Haberland selbst sprechen, um alle Umstände eines Ereignisses zu erfahren, das seinen Zorn gereizt. Nicht begreifen könne der Fürst, wie in seinem Lande und vorzüglich ganz in der Nähe von Hohenflüh noch ein ver-
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ruchter Meuchelmörder sein Wesen treiben dürfe, und werde desbalb die Obrigkeit, der die Sorge für die Sicherheit der Bürger obliege, zur schweren V erantw ortung ziehen. M an kann denken, wie dies dem dicken R athsherrn in alle Glie der fuhr, der kleine Schreiber purzelte aber sofort vom S tuhle herab und wimmerte unten: er sey nichts als ein armer höchst unglücklicher A ktuarius, dem es ganz schrecklich ergangen seyn würde, wenn er jem als die Zweifel hätte lau t werden lassen, die er schon längst gegen die W eisheit des hochweisen R aths im In n e rn gehegt. — D eodatus betheuerte, um jedem Irrth u m vorzubeugen, daß er nicht der M aler Haberland sey, m it dem er nu r große Aehnlichkeit haben müsse, vielmehr, wie er hinlänglich auf die glaubhafteste Art nachweisen könne, D eodatus Schwendy heiße und aus der Schweiz Hergereiset sey. Der Offizier versicherte dagegen, daß es hier auf den Namen gar nicht ankomme, da der Fürst nur eben den jungen M ann zu sprechen verlange, der im W alde verwundet worden. N un erklärte D eodatus, daß er denn in jedem Fall der sey, den der Fürst gemeint, und daß er, da die Wunde nicht im mindesten bedeutend, sich stark genug fühle, mitzugehen nach Sonsitz. Der Leibchirurgus des F ü r sten bestätigte dies, D eodatus wurde sogleich in den bequemsten Rei sewagen des Fürsten gepackt und fort ging es nach Sonsitz. Ganz Hohenflüh war in Bewegung, als D eodatus durch die S traßen fuhr, und des D erwunderns kein Ende, da es unerhört, daß der Fürst einen Fremden nach Sonsitz holen lassen. Eben so, ja noch mehr verwunderten sich aber die Hohenflüher, als sie die beiden seit vielen Jahren tödtlich entzweiten Gevattern und W irthe zum goldnen Bock und zum silbernen Lamm erblickten, wie sie m itten auf der Straße, auf dem sogenannten breiten S tein freundlich m it einander konversirten, ja zutraulich sich in die Ohren zischelten. Der geneigte Leser weiß bereits, wodurch der goldne Bock und das silberne Lamm versöhnt wurden, einen noch wirkungsvolleren G rund dieser augenblicklichen Versöhnung fanden beide aber jetzt in der gemeinschaftlichen brennenden, verzehrenden Neugierde, wer wohl der Fremde seyn könne, dem das Außerordentlichste geschehn. —
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Fünftes
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A uf den Schwingen des S tu rm s w ar das tobende Gewitter schnell entflohn über die Berge und nur noch aus weiter Ferne zürnte murmelnd der D onner. D ie finkende S onne blickte feurig durch die dunklen Büsche, die tausend blinkende Krystalltropfen abschüttelnd fich wollüstig badeten in den Wogen der lauen Abendluft. — A uf einem von babylonischen Weiden umschlossenen Platz in jenem Park bei Sonsitz, den der geneigte Leser schon kennt, stand der Fürst m it über einander geschlagenen Armen wie eingewurzelt und blickte hinauf in das Azur des wolkenlosen Himmels, als wolle er verschwundene Hoff nungen, ein in G ram und Schmerz verlorenes Leben herab erflehen. — D a wurde in dem Gebüsch der Gardeoffizier fichtbar, den der Fürst nach Hohenflüh geschickt. Ungeduldig winkte er ihn heran und be fahl den jungen Menschen, dessen Ankunft der Offizier ihm meldete, sogleich vor ihn zu bringen und sollte m an fich dazu eines T rag sessels bedienen. — E s geschah wie der Fürst geboten. S o wie der Fürst den D eodatus in 's Auge faßte, schien er auf das Heftigste bewegt, unwillkürlich entflohen ihm die W orte: „O G ott! — meine A hnung! — ja — er ist es!" D eodatus erhob sich langsam und wollte sich dem Fürsten nähern in ehrfurchtsvoller Stellung. „Bleiben S ie," — rief der Fürst „blei ben Sie, S ie find schwach, ermattet, Ih re W unde ist vielleicht gefähr licher als S ie glauben — meine Neugierde soll Ih n en auf keine Weise nachtheilig seyn. — M an bringe zwei Lehnsessel." — Alles dieses sprach der Fürst mit halber Stim m e, abgebrochen, m an merkte, daß er m it G ew alt des S tu rm s mächtig werden wollte, der in seinem In n e rn tobte. A ls die Lehnsessel herbeigebracht, als sich auf Geheiß des Fürsten D eodatus in den einen hineingesetzt, als alles fich schon entfernt hatte, ging der Fürst noch immer m it starken Schritten auf und ab. D ann blieb er vor D eodatus stehen und in dem Blick, m it dem er ihn an schaute, lag der lebendigste Ausdruck des herzzerreißendsten Schmerzes, der tiefsten Wehmuth, dann w ar es, als ginge alles wieder unter in der G luth eines schnell auflodernden Z orns. — Eine unsichtbare Macht schien fich feindlich zu erheben zwischen ihm und D eodatus, und voll
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Entsehen, ja voll Abscheu, prallte er zurück und schritt wieder heftiger auf und ab, indem er nur halb verstohlen hinblickte nach dem Jü n g ling, dessen S taun en m it jeder Sekunde stieg, der gar nicht wußte, wie sich ein A ustritt enden werde, der ihm die Brust zuschnürte. Der Fürst schien sich an D eodatus Anblick gewöhnen zu müssen, er rückte endlich den Lehnsessel halb abw ärts von D eodatus und ließ sich ganz erschöpft darauf nieder. D ann sprach er m it gedämpfter beinahe weicher Stim m e: „S ie sind fremd, mein Herr, S ie betraten als Reisender mein Land. — W as gehen den fremden Fürsten, dessen Ländchen ich durchreise, meine Lebensverhältnisse an? S o können S ie fragen — aber Ih n en selbst unbekannt, giebt es vielleicht gewisse Ver hältnisse, gewisse geheimnißvolle Beziehungen — doch — genug. — Nehmen S ie mein fürstliches W ort, daß mich nicht leere kindische Neu gierde treibt, auch sonst keine unlautere Absicht, aber — ich will, ich muß Alles wissen! " Die letzten Worte sprach der Fürst im Zorn entstammt heftig auffahrend von dem Lehnsessel. Doch bald sich besinnend, sich zusam menfassend. ließ er sich auf's Neue nieder und sprach so weich wie vorher: „Schenken S ie m ir I h r ganzes Vertrauen, junger M ann, verschweigen S ie m ir keines Ih re r Lebensverhältnisse; sagen S ie m ir insbesondere, woher und wie S ie nach Hohenflüh kamen, in welcher A rt das, w as Ih n en in Hohenflüh begegnete, m it früheren Ereignissen in Bezug stand. Vorzüglich wünschte ich genau zu wissen, wie es m it der weisen F ra u " — D er Fürst stockte, dann fuhr er fort — wie sich selbst beschwich tigend: „E s ist tolles, wahnsinniges Zeug — aber eine A usgeburt der Hölle ist dies Blendwerk oder — nun — sprechen Sie, junger M ann, sprechen S ie frei, kein Geheimniß, keine L ü" — Eben wollte der Fürst wieder heftig auffahren, er besann sich schnell und sprach das W ort nicht aus, das er auf der Zunge hatte. A us der tiefen Bewegung, die der Fürst zu unterdrücken sich ver gebens mühte, konnte D eodatus wohl abnehmen, daß es sich hier um Geheimnisse handle, in die der Fürst selbst verflochten und die ihm auf diese oder jene Weise bedrohlich seyn müßten. D eodatus seinerseits fand gar keinen G rund, nicht so aufrich tig zu seyn, wie es der Fürst verlangte, und begann von seinem V a ter, von seinen Knaben- und Jünglingsjahren, von seinem einsamen
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Aufenthalt in der Schweiz zu erzählen. E r gedachte ferner, wie ihn der Vater nach Hohenflüh geschickt und ihm in geheimnißvollen W o r ten angedeutet, daß dort der Wendepunkt seines ganzen Lebens ein treten, daß er selbst zu einer That sich angeregt fühlen werde, die über sein Schicksal entscheiden würde. Getreu erzählte er nun weiter alles, was sich m it ihm, m it der weisen Frau, m it dem Grafen in Hohenflüh begeben. Mehrmals äußerte der Fürst das lebhafteste Erstaunen, ja er fuhr auf, wie im jähen Schreck, als Deodatus die Namen Natalie — G raf Hektor von Zelies nannte. Decdatus hatte seine Erzählung geendet, der Fürst schwieg m it niedergebeugtem Haupt in tiefes Nachdenken versunken, dann erhob er sich, stürzte los auf Deodatus und rie f: „H a der Verruchte, dieses Herz sollte die Kugel durchbohren, die letzte Hoffnung wollte er tödten, Dich vernichten — Dich, m e in " —E in Thränenstrom erstickte des Fürsten Worte, er schloß ganz Wehmuth und Schmerz den Deodatus in seine Arme, drückte ih n hef tig an seine Brust. Doch Plötzlich prallte wie vorher der Fürst vo ll Entsetzen zurück und rief, indem er die geballte Faust emporstreckte: „F o rt, fort, Schlange, die sich einnisten w ill in meiner Brust — fo rt! D u teuflisches T rug bild, D u sollst meine Hoffnung nicht tödten, D u sollst m ir mein Le ben nicht verstören!" D a rie f eine ferne, seltsam dumpfe S tim m e: „D ie Hoffnung ist der Tod, das Leben dunkler Mächte grauses S p ie l! " und krächzend flatterte ein schwarzer Rabe auf und hinein in 's Gebüsch. S in n lo s stürzte der Fürst zu Boden. Deodatus zu schwach, ihm beizustehen, rief la u t um Hülfe. Der Leibarzt fand den Fürsten vom Schlage getroffen und in dem bedenklichsten Zustande. Deodatus wußte selbst nicht, welches unnennbar schmerzhafte Gefühl des tiefsten M itle id s seine Brust durchdrang, er kniete nieder bei der Tragbahre, auf die man den Fürsten gelegt, er küßte seine welk herabgesunkene Hand und benetzte sie m it heißen Thränen. Der Fürst kam zu sich, die wie zum Tode erstarrten Augen hatten wieder Sehkraft. E r er blickte Deodatus, winkte ihm fo rt und rief m it bebenden Lippen kaum verständlich: „W eg — weg! "
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Deodatus tie f erschüttert von dem A u ftritt, der in das Innerste seines Lebens zu dringen schien, fühlte fich der Ohnmacht nahe und auch seinen Zustand fand der Leibarzt so bedenklich, daß es nicht rathsam war, ihn zurückzubringen nach Hohenflüh. Habe auch, meinte der Leibarzt, der Fürst den W illen geäußert, daß der junge Mensch sich wegbegeben solle, so könne er doch fü r's Erste in einem entfernten Flügel des Landhauses untergebracht werden, und es sey gar nicht zu befürchten, daß der Fürst, der wohl in la n ger Z eit nicht aus dem Zimm er kommen dürste, seinen Aufenthalt im Landhanse erfahren sollte. Deodatus, in der That so erschöpft, daß er keines W illens, keines Widerspruchs fähig, ließ es sich gefallen, im Landhause des Fürsten zu bleiben. W ar es schon sonst im Landhause still und traurig, so herrschte jetzt bei der Krankheit des Fürsten das Schweigen des Grabes und Deodatus gewahrte nur dann, wenn ein Diener ihn m it den nöthi gen Bedürfnissen versorgte oder der Wundarzt ihn besuchte, daß noch außer ihm Menschen im Landhause befindlich. Diese klösterliche E in samkeit that indessen dem von allen Seiten bestürmten Deodatus wohl und er hielt eben das Landhaus des Fürsten fü r ein Asyl, in das er sich vor dem bedrohlichen Geheimniß, das ihn umgarnen wolle, gerettet. Dazu kam, daß durch die schmucklose, aber freundliche bequeme Einrichtung der beiden kleinen Zimmer, die er bewohnte, vorzüglich aber durch die herrliche Aussicht, die er genoß, sein Aufenthalt jenen Reiz wohlthuender Behaglichkeit erhielt, der das verdüstertste Gemüth aufzuheitern vermag. E r übersah den schönsten Theil des Parks, an dessen Ende auf einem Hügel die malerischen Ruinen eines alten Schlosses lagen. Hinter diesen stiegen die blauen Spitzen des fernen Gebirges empor. — Deodatus nutzte sogleich die Zeit, als er ruhiger geworden und als ihm der W undarzt dergleichen Beschäftigung erlaubte, um seinem alten Dater ausführlich zu schreiben, was sich alles m it ihm be geben bis zum letzten Augenblick. E r beschwor ihn, nicht länger zu schweigen über das, was ihm in Hohenflüh bevorgestanden und ihn so in den Stand zu setzen, seine eigene Lage ganz zu übersehen und sich gegen die Arglist unbekannter Feinde zu rüsten. —Bon dem alten verfallenen Schloß, dessen Ruinen Deodatus aus seinen Fenstern erblickte, stand noch ein kleiner Theil des Hauptgex i. 3
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D te D o p p e lg ä n g e r.
bäudes ziemlich unversehrt da. Dieser Theil schloß sich m it einem herausgebauten Erker, der, da an der andern Seite die Hauptmauer eingestürzt, frei und lustig heraushing wie ein Schwalbennest. Eben dieser Erker war, wie sich Deodatus durch ein Fernrohr überzeugte, m it Gesträuch, das sich aus den Mauerrihen hervorgedrängt, bewachsen und eben dieses Gesträuch bildete ein Laubdach, welches sich ganz hübsch ausnahm. Deodatus meinte, daß es dort recht wohnlich seyn müsse, wiewohl es unmöglich schien, hinaufzugelangen, da die Trep pen eingestürzt. Um so mehr mußte daher Deodatus erstaunen, als er in einer Nacht, da er noch zum Fenster hinausschaute, ganz deut lich ein Licht in jenem Erker bemerkte, das erst nach einer Stunde wieder verschwand. Nicht allein in dieser, sondern auch in den fo l genden Nächten gewahrte Deodatus das Licht und man kann denken, daß der in unerklärliche Geheimnisse verflochtene J ü n g lin g auch hier wieder ein verbängnißvolles Abentheuer vermuthete. E r theilte seine Beobachtung dem Wundarzte m it, der meinte aber, das Erscheinen des Lichts in dem Erker könne seinen natürlichen einfachen Grund haben. Eben in dem unversehrten Theil des Haupt gebäudes und zwar im Erdgeschoß, wären einige Zimmer fü r den Förster eingerichtet, der die Aufsicht habe über den fürstlichen Park; könne nun, wie er sich bei dem Beschauen der Ruinen oftm als über zeugt, auch nicht w ohl oder wenigstens nicht ohne Gefahr der Erker bestiegen werden, so sey es doch möglich, daß vielleicht die Jägerbursche das Schwalbennest dort oben erklettert, um ih r Wesen ungestört zu treiben. Deodatus w ar m it dieser Erklärung durchaus nicht zufrieden, er ahnte lebhaft irgend ein Abentheuer, das sich in den Ruinen des Schlosses verborgen. Der Arzt verstattete ihm endlich, in der Dämmerung den Park zu durchwandern, wobei er aber m it Behutsamkeit jeden O rt vermei den mußte, der aus den Fenstern des Zimmers, in dem der kranke Fürst befindlich, übersehen werden konnte. Der Fürst war nämlich so weit hergestellt, daß er am Fenster zu sitzen und hinauszuschauen vermochte, seinem Scharfblick wäre Deodatus nicht entgangen und fo rt hätte dieser müssen ohne Widerrede. Wenigstens glaubte der Leib arzt bei der A rt, wie der Fürst damals m it dem Ausdruck des Abscheues den Jü n g lin g von sich fortwies, dies voraussetzen zu müssen.
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D eodatus wanderte, als ihm der Arzt Freiheit gegeben, sogleich nach dem verfallnen Schloß. Er traf auf den Förster, der über seine Erscheinung sehr verwundert that, und,, als D eodatus ihm des brei teren sagte, wie er hergekommen und wie sich dann alles begeben, ganz unverholen meinte, daß die Herren, die ihn ohne Dorwissen des Fürsten einquartiert hätten in 's Landhaus, ein gewagtes S p iel spiel ten. Erführe nämlich der Fürst etwas davon, so könne es seyn, daß er für's Erste den jungen Herrn zum Tempel hinauswerfen ließe und alle seine Beschützer hinterher. D eodatus wünschte den innern, noch unversehrten Theil des Schlosses zu sehen, der Förster versicherte dagegen trocken, daß dies nicht wohl angehe, da jeden Augenblick irgend eine morsche Decke oder sonst ein Stück M auer einstürzen könne, überdem sey aber die Treppe so verfallen, daß kein sicherer T ritt möglich und m an jeden Augenblick Gefahr laufe, den H als zu brechen. A ls nun aber Deo datus dem Förster bemerkte, daß er oftm als Licht im Erker erblickt, da entgegnete dieser im groben barschen Ton, daß das ein einfältiger Irrth u m seyn müsse und daß der junge Herr auch übrigens wohl thun werde, sich um nichts anderes zu kümmern, als um sich selbst, und auch nicht auf Beobachtungen auszugehen. Er könne dem Him mel danken, daß er, der Förster, M itleiden m it ihm habe und nicht gleich hinginge, und dem Fürsten rein heraussage, wie man gegen seinen strengsten Befehl gehandelt. D eodatus gewahrte wohl, daß der Förster unter dieser Grobheit ein gewisses verlegenes Wesen zu verstecken sich mühte. Bestätigt fand aber D eodatus die Vermuthung, daß ein Geheimniß hier verborgen, a ls er, über den Schloßhof schreitend, in einem ziemlich verborgenen Winkel des Gemäuers eine schmale hölzerne Freitreppe gewahrte, die neu erbaut und eben in den obern Stock des Hauptgebäudes zu führen schien.
Sechstes
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D es Fürsten Krankheit, die immer bedenklicher wurde, erregte nicht geringe Bestürzung, nicht geringe Besorgniß. Schon früher er fuhr nämlich der geneigte Leser, daß die Gemahlin des Fürsten nebst dem Kinde, das sie geboren, auf unbegreifliche Weise verschwand. 3*
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Der Fürst w ar daher ohne Erben und sein Nachfolger auf dem T hron ein jüngerer Bruder, der sich durch sein übermüthiges Betragen, durch lasterhafte Neigungen jeder Art, denen er auf freche Weise stöhnte, dem Hof und dem Volk verhaßt gemacht hatte. E in dumpfes Gerücht klagte ihn des freventlichsten D erraths an dem Fürsten an und fand darin die Ursache, daß er sich aus dem Lande entfernen müssen, ohne daß jemand seinen jetzigen verborgenen A ufenthalt kannte. D ie Hohensiüher zerbrachen sich weidlich die Köpfe, wie es denn nu n gehen würde, wenn der Fürst gestorben. S ie zitterten vor dem tyrannischen Bruder und wünschten, er läge, wie es schon einmal geheißen, wirklich in dem tiefen G runde des Meeres. An der W irthstafel im goldnen Bock w ar nun eben von diesen D ingen stark die Rede, jeder sagte seine M einung und der bekannte Rathsherr urtheilte, ein Hochweiser Rath könne ja bei der Regierung der S ta d t auch ein wenig die Regierung des Landes m it übernehmen, bis sich das weitere finde. E in alter M an n , der in sich gekehrt, so lange geschwiegen, sprach nun m it dem Ton der tiefsten R ührung: „Welch ein herbes Ungemach trifft unser armes Land; den besten F ü r sten erfaßt irgend ein unerhörtes V erhängniß und raubt ihm alles Lebensglück, alle Ruhe der Seele, bis er dem entsetzlichen Schmerz erliegt! W ir haben von dem Nachfolger alles zu fürchten und der einzige M ann, der feststehen, wie ein Fels im Meer, der unser Hort, unser Heil seyn würde, dieser einzige M ann ist d ah in !" — Zeder wußte, daß der Alte keinen andern meinte, als den G ra fen von Törny, der bald, nachdem die Fürstin verschwunden, sich vom Hofe entfernte. G raf Törny w ar in jeder Hinsicht ein ausgezeichneter Mensch. M it dem schärfsten Verstände, m it der freien G enialität, die den festen Takt giebt, nur das Richtige zu w ollen, und die K raft es zu voll bringen, verband er das edelste Gemüth, den regsten S in n für alles G ute und Schöne. E r w ar der Beschützer des Unterdrückten, der rast lose Verfolger des Unterdrückers. S o mußte es kommen, daß der G raf nicht allein die Liebe des Fürsten, sondern auch die Liebe des Volks gewann und nur ein sehr kleiner Theil wagte es, dem Gerücht G lau ben beizumessen, das ihn als schuldbar darstellte und das, m an wußte es, der Bruder des Fürsten, der den Grafen in der tiefsten Seele haßte, auszustreuen sich bemüht hatte. —
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W ie aus Einem Munde rie f alles an der W irth s ta fe l: „ G ra f T ö rn y ! — unser edler G ra f T ö rn y! — O wäre er noch bei uns in dieser Z eit der Bedrängniß !" — M an trank auf des Grafen W ohl. Wurde nun weiter von des Fürsten bedenklicher Krankheit gesprochen, die ihn in das Grab b rin gen könne, so war es natürlich, daß man des jungen Mannes ge dachte, in dessen Gegenwart den Fürsten der böse Z u fa ll getroffen hatte. Der kluge Rathsherr witterte die abscheulichsten Dinge. Es sey gewiß, meinte er, daß der junge Mensch, der thöricht genug gewesen, den hochweisen Rath durch zwei diverse Namen über seine Person täuschen zu wollen, ein Spitzbube im Hähern S t y l gewesen, der A r ges im S in n getragen. Nicht umsonst habe der Fürst ihn nach Sonsitz und heraus nach dem Landhause bringen lassen, um ihn selbst über allerlei höllische Anschläge zu befragen, und die Artigkeit des Offiziers, der bequeme Wagen, der Leibarzt, alles sey nur Maske gewesen, um den Verbre cher lustig zu erhalten und guter Dinge, damit er alles gleich gestehe. Gewiß würde es dem Fürsten gelungen seyn, alles heraus zu bringen, wenn ihm nicht die kalte nasse Abendlust den Schlagfluß zugezogen und der junge Mensch nicht die Verw irrung benutzt hätte, um schnell zu entfliehen. E r wünschte nur, daß der Taugenichts stch wieder sehen lasse in Hohenflüh, da solle er nicht zum zweiten M a l der Gerechtig keit des hochweisen Raths entrinnen. — Eben hatte der Rathsherr dies gesprochen, als der junge M ann, von dem die Rede, hereintrat, stillschweigend und ernst die Gesellschaft grüßte und sich an die Tafel setzte. „Schönstens willkommen, bester Herr H ab e rla n d ," sprach der W irth , der des Rathsherrn böse M einung gar nicht theilen konnte, „schönstens willkommen! — N u n ! — Sie dürfen gewiß keine Scheu tragen, sich in Hohenflüh sehen zu lassen?" Der junge M a n n schien über des W irth s Anrede sehr befremdet, da setzte sich der kleine dicke Rathsherr in Positur und begann sehr pathetisch: „M e in Herr, ich erkläre Ih n e n h ierm it" — da faßte ihn aber der junge M an n m it einem'scharfen durchdringenden Blick so fest in 's Auge, daß er ver stummte und unwillkürlich m it einer Verbeugung herausstotterte: „G anz gehorsamster D ie n e r!" — Vielleicht hat der geneigte Leser auch schon die Bemerkung ge-
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macht, daß es Leute giebt, die, faßt man sie scharf in 's Auge, sogleich wie im Gefühl schuldiger Demuth zu grüßen Pflegen. Der junge M ann aß und trank nun, ohne ein W ort zu reden. A u f der ganzen Gesellschaft lag ein schwüles erwartungsvolles S t ill schweigen. Der Alte, der vorhin gesprochen, redete endlich den jungen M en schen an, indem er ihn fragte, ob die Brustwunde, die er im Walde bei Hohenflüh erhalten, schon wieder ganz geheilt sey. Der junge M an n erwiderte, daß man sich in seiner Person irren müsse, da er nie in der Brust verwundet worden. „Ic h verstehe," fuhr der alte M ann schlau lächelnd fort, „ich verstehe, Herr Haberland, Sie sind wieder völlig hergestellt und wollen von dem unangenehmen V o rfa ll nicht ferner reden. — Aber da Sie gegenwärtig waren, als unsern guten Fürsten der Schlag traf, so werden Sie ^uns am besten sagen können, wie sich alles begab und was man von dem Zustande des Fürsten zu hoffen oder zu fürchten hat." Der junge Mensch erwiderte, daß derselbe Irrth u m auch hier im Spiele seyn müsse, da er nie in Sonsitz gewesen, nie den Fürsten Remigius gesehen habe. Indessen sey ihm die Krankheit des Fürsten bekannt geworden und er wünsche Näheres darüber zu erfahren. „Vielleicht," meinte der Alte, „wolle oder dürfe der Herr Haberland von seinem Aufenthalt bei dem Fürsten nicht viel sprechen, vielleicht habe auch das Gerücht vieles von dem entstellt, was sich in Sonsitz begeben, so viel sey aber gewiß, daß der Fürst den jungen M ann, der hier verwundet worden und fü r den er den Herrn Haberland nun einmal halten müsse, nach Sonsitz herausholen lassen und daß ihn bei einem einsamen Gespräch m it diesem jungen Manne im Park der Schlag getroffen. Entfernte Diener hätten auch eine seltsame dumpfe S tim m e rufen gehört: „D ie Hoffnung ist der Tod, das Leben dunkler Mächte grauses S p ie l! " " Der junge Mensch seufzte tie f auf, wechselte die Farbe, alles verrieth die tiefste innere Bewegung. E r stürzte schnell einige Gläser Wein hinunter, bestellte eine zweite Flasche und entfernte sich aus dem Zimmer. D ie Tafel war geendet, der junge Mensch kam nicht wieder. Der Portier hatte ihn schnell dem Neudorfer Thor zueilen gesehen. Die Bezahlung für das Couvert lag auf dem Teller.
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Nun gerieth der Rathsherr in gewaltigen Amtseifer, sprach von Nachsetzen, Steckbriefen rc. Der Alte erinnerte ihn aber an einen gewissen V orfall, der ihm, als er bei ähnlichem Anlaß eine unzeitige Thätigkeit bewiesen, eine tüchtige Nase von der Landesbehörde zuge zogen, und meinte, es möchte wohl besser seyn, sich um den jungen M an n gar nicht weiter zu kümmern und die Sache ruhen zu lassen. D ie ganze Gesellschaft stimmte dieser M einung bei und der Raths herr ließ wirklich die Sache ruhen. — Während sich dies in Hohenflüh begab, war Haberlands Doppelt gänger, der junge Deodatus Schwendy, in einen neuen Zauberkreis bedrohlicher Abentheuer gerathen. M it magischer G ewalt hatte es ihn immer hingezogen nach dem verfallenen Schlosse. A ls er einst, da es schon dämmerte, vor dem geheimnißvollen Erker stand und m it einer Sehnsucht, die er selbst nicht zu deuten wußte, hinaufblickte nach den erblindeten Fenstern, war es ihm , als gewahre er eine weiße Gestalt, und in demselben Augenblick fiel auch ein Stein zu seinen Füßen nieder. E r hob ihn auf und löste das Papier lo s, m it dem er umwickelt. E r fand folgende Worte m it B le istift kaum leserlich hingekritzelt: „G eorg! — mein Georg! — ist es möglich? täuscht mich nicht mein aufgeregter S in n ? D u hier! — o ih r ewigen Himmels mächte! — Zn diesen verfallenen M auern liegt der Vater wie im H interhalt — ach! n llr Böses brütend! Fliehe, fliehe, Georg! ehe des Vaters Z orn Dich erreicht! Doch nein — bleibe noch! — Ich muß Dich sehen — und ein. einziger Augenblick seliger Wonne, dann fliehen! — bis M itternacht ist der Vater abwesend. Komme! — über den Schloßhof — die hölzerne Treppe! doch nein, es ist nicht möglich. Des Försters Leute — schlafen sie auch, die wachen Hunde fallen Dich an! A u f der Südseite steht noch eim Treppe, die nach den Zimmern führt, doch ist sie morsch und verfallen — D u darfst es nicht wagen, aber ich komme herab! — O Georg, was vermag alle Arglist der Hölle gegen ein liebendes Herz. Natalie ist Dein — Dein auf e w ig !" — „S ie ist es," rief Deodatus ganz außer sich, „es ist kein Zweifel mehr, ja sie ist es, der Traum des Knaben, die glühende Sehnsucht des J ü n g lin g s ! — H in zu ih r — um sie nie wieder zu lassen, auf-
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gehen, lichtvoll aufgehen soll des Vaters dunkles Geheimniß! — Aber! — bin ich es denn? — bin ich der G eorg?" — Wie ein tödtender K ram pf erfaßte den armen D eodatus der Gedanke, daß ja nicht er, daß es jener unbekannte Doppeltgänger sey, den N atalie liebe, den sie wiedergefunden zu haben glaube. Und doch, so sprach das glühende Verlangen der Liebe aus dem In n e rn heraus, und doch, kann nicht eben jener Doppeltgänger der seyn, der sie täuscht, kann ich nicht der seyn, dem sie angehört, m it dem sie geheimnißvolle Bande verknüpfen? H in zu ihr! — S o wie die Nacht eingebrochen, schlich D eodatus hinaus aus seinen Zimmern. I m Park, unfern des Landhauses, hörte er Stim m en flüstern, schnell duckte er sich nieder in 's Gebüsch. D a schritten zwei, in M äntel gehüllte, M änner dicht bei ihm vorüber. „Also," sprach der eine, „also noch lange könnte es dauern m it dem Fürsten, meinte heute der Leibarzt?" „ S o ist es, gnädigster H err," erwiederte der andere. „N u n ," fuhr der erste fort, „so muß m an zu andern M itteln" — die Worte wurden undeutlich. D eodatus richtete sich in die Höhe, dem Sprechenden fiel der volle G lanz der leuchtenden M ondesstrahlen in 's Gesicht, D eodatus erkannte m it Entsetzen den G rafen Hektor von Zelies. — Erbebend vor dem Gedanken, daß der Hölle schwarze Ausgeburt, daß der M ord hier im Finstern lauere, zu gleicher Zeit m it unwider stehlicher G ewalt fortgetrieben von glühender Sehnsucht, von dürsten dem Verlangen, schlich D eodatus fort. I m M ondlicht fand er die verfallne Treppe an der Südseite, doch wollte er verzweifeln, als er, kaum einige Stufen hinaufgeklettert, die Unmöglichkeit einsah, in der tiefen Finsterniß, die ihn umgab, weiter fortzukommen. Doch plötz lich leuchtete ein fernes Licht aus dem innern Gebäude ihm entgegen. E r kletterte nicht ohne Gefahr vollends die Treppe herauf, kam in einen hohen weiten S a a l. — I n blendendem Liebreiz, in hoher A n muth stand das holde W under seiner Träum e vor ihm. „N atalie!" rief D eodatus und stürzte dem herrlichen Frauenbilde zu Füßen. Doch m it süßem W ohllaut lispelte N atalie: „M ein George!" und schloß den Jü n g lin g in ihre Arme. Keine Worte — nur Blick, nur Kuß, die Sprache heißer stürmischer Liebesgluth. D a rief D eodatus im W ahn sinn tödtender Angst, inbrünstiger W onne: „M ein — mein bist du, N atalie! — glaube an mein Ich — ich weiß, mein Doppeltgänger hat dir die Brust zerspalten wollen, aber er traf mich — es w ar nur
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eine Kugel, die Wunde ist geheilt und mein Zch lebt. — Natalie, sage m ir nur, ob du an mein Ich glaubest, sonst ersaßt mich der Tod vor deinen Augen! — Ich heiße auch nicht George, aber doch bin ich selbst mein Ich und kein anderer." — „W eh m ir," rie f Natalie, sich aus des J ü n g lin g s Armen loswindend, „George, was sprichst du? — Doch nein, n e in ! — ein bedrohliches Derhängniß hat deine S inne aufgeregt! — Sey ruhig, sey ganz mein, G eorge!" Natalie breitete die Arme aus und Deodatus umfing sie, drückte sie an die Brust, indem er la u t rie f: „ J a Natalie, ich bin es, ich bin der, den du liebst. — Wer w ill es wagen, wer vermag es, mich aus diesem Himmel voll Seligkeit zu reißen! — N a ta lie — laß uns fliehen, laß uns fliehen — fo rt — daß mein Doppeltgänger dich nicht erreiche — fürchte nichts — es ist mein Ich, das ihn to b te t!" — I n dem Augenblick ließen sich dumpfe T ritte hören un d : „N a talie, N a ta lie !" erscholl es durch die hohen Gemächer. — „ F o r t," rief Natalie, indem sie den J ü n g lin g nach der Treppe drängte und ihm die Lampe, die sie mitgebracht, in die Hand gab, „fo rt, sonst sind w ir verloren, der Vater ist gekommen. — Morgen um diese Zeit komme wieder, ich werde d ir folgen." — Halb sinnlos kletterte Deodatus die Treppe hinab, es war ein Wunder zu nennen, daß er nicht hinstürzte über die verfallenen S tu fen. Unten löschte er die Lampe aus und w a rf sie in 's Gebüsch. Kaum war er einige Schritte fortgegangen, als er hinterw ärts von zwei M ännern gepackt wurde, die m it ihm schnell davon rannten, ihn in den Wagen hoben, der vor dem Gatterthor stand, und m it ihm davon fuhren im sausenden Galopp. Eine gute Stunde mochte Deodatus gefahren seyn, als der'W agen still hielt im dicksten Walde vor einer Köhlerhütte. M änner m it Fackeln traten aus der Hütte, man bat den J ü n g lin g auszusteigen, er that es. E in alter stattlicher Herr kam schnell heran, und m it dem A u s ru f: „M e in V a te r!" stürzte ihm Deodatus an die Brust. „A u s den Schlingen," sprach dev alte Amadeus Schwendy, „aus den Schlingen der Arglist und Bosheit habe ich dich gerettet, dem Morde habe ich dich entrissen, mein theurer Sohn! B ald enthüllt sich nun das Verborgene, bald tagt nun das herauf was du in deiner Brust nicht zu ahnen vermagst." —
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Die Doppeltgänger.
Siebentes
Ka p i t e l .
Am frühesten M orgen erwachte der Fürst aus tiefem ruhigen Schlummer. E r schien erquickt, die Krankheit gebrochen, m it Unge duld verlangte er den Leibarzt. Nicht in geringe Verwunderung gerieth dieser, als der Fürst ihm in dem mildesten Ton befahl, den Jü n g lin g , den er, wie er sehr gut wisse, im Landhause verborgen, so gleich zur Stelle zu bringen. Der Leibarzt wollte sein Verfahren m it dem Zustande des Jü n g lings, der Ruhe und die sorgsamste ärztliche Behandlung erfordert, entschuldigen, der Fürst unterbrach ihn aber m it der Versicherung, daß es keiner Entschuldigung bedürfe, da er, der Leibarzt, ihm, ohne es zu ahnen, die größte W ohlthat erzeigt. Uebrigens sey ihm gestern erst der A ufenthalt des Jü n g lin g s durch den Förster verrathen worden. — D eodatus war nun aber spurlos verschwunden, und als der Fürst dies erfuhr, gerieth er in sichtliche Bewegung. M it dem schmerzlich sten Tone wiederholte er m ehrm als: „W arum entfloh er, warum ent floh er? — Wußte er nicht, daß jede Bethörung weicht im T ode?" — A uf Befehl des Fürsten kam der Präsident des S taatsrath s, außerdem aber noch der Präsident der obersten Justizkammer m it zwei Räthen. Die Thüren wurden sogleich verschlossen, m an konnte ver muthen, daß der Fürst testire. Am folgenden M orgen verkündete der dumpfe Ton der Glocken den Sonsitzern den Tod des Fürsten, der in der Nacht nach einem wiederholten Anfall des Schlags sanft und ruhig entschlummert war. Der S taatsrath , die obersten Behörden, versammelten sich im Schloß, der letzte Wille des Fürsten sollte eröffnet werden, da man m it Recht vermuthen konnte, daß bei dem M angel eines Thronfol gers darin Bestimmungen enthalten seyn würden, wie wenigstens augenblicklich die V erw altung des S ta a ts fortgesetzt werden solle. Der feierliche Akt sollte beginnen, als plötzlich, wie durch einen Zauberschlag hervorgerufen, der verschollene jüngere Bruder des F ü r sten hereintrat und erklärte, daß er nun als regierender Fürst allein zu gebieten habe und daß jede Verfügung des Fürsten, die des B ru ders Rechte auf den Thron auch nur im mindesten schmälere, unwirk-
D ie Doppeltgänger.
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sam seyn und bleiben müsse. M it der Eröffnung des Testaments habe es daher Zeit. — Allen war die unerwartete Erscheinung des Fürsten Isid o r ein unerklärliches Räthsel, denn niemand wußte, daß Fürst Isidor, durch das Alter, überdem aber noch durch falsches Haar, durch Schminke entstellt und auf diese Weise unerkannt im Lande hauste, daß er in den letzten Tagen in jenem verfallenen Schloß auf den Tod des F ü r sten lauerte. Gleich nachdem er das Fürstenthum Reutlingen verlassen, hatte er den Namen eines Grafen Hektor von Zelies angenommen und überhaupt jede S pur, wo er geblieben, geschickt zu vertilgen gewußt. — Der Präsident des Staatsraths, ein ehrwürdiger Greis, versicherte betn Fürsten Is id o r fest in 's Auge blickend, daß, bevor nicht der letzte W ille des Fürsten eröffnet, er den Bruder nicht fü r zur Thronfolge berechtigt halten könne. Gewisse Geheimnisse würden vielleicht kund werden und die Dinge sich anders gestalten. D ie letzten Worte sprach der Präsident m it erhöhter starker Stimme, und man sah den Fürsten Isid o r plötzlich erblassen. D ie Eröffnung des Testaments geschah nun m it den gewöhnlichen Förmlichkeiten und alle, den Fürsten Isid o r ausgenommen, geriethen über den In h a lt in das frohste freudigste Erstaunen. Der Fürst hatte erklärt, wie er erst auf dem Todbette das heillose Unrecht eingesehen, das er der tugendhaften Gemahlin angethan, die er, auf den bloßen Verdacht der Untreue hin, den ihm ein arglistiger Bösewicht beizu bringen gewußt, sammt dem Kinde, das sie ihm geboren, verstoßen und in ein fernes ödes Grenzschloß einsperren lassen, aus dem sie entflohen, ohne daß es möglich gewesen, auch nur die mindeste S p u r weiter von ih r zu erforschen. Den Sohn, Dank sey es der h im m li schen Macht, habe er gefunden, denn die innerste Ueberzeugung sage es ihm, daß der J ü n g lin g , der unter dem Namen Deodatus Schwendy zu ihm gebracht worden, kein anberer sey, als eben sein Sohn, den er in satanischer Verblendung von sich geworfen. Jeden Zweifel, der über die Id e n titä t dieses J ü n g lin g s und seines Sohnes entstehen könne, werde der G ra f von T örny heben können, der den Sohn gerettet und erzogen und der unter dem Namen Amadeus Schwendy in tiefer Ver borgenheit auf einem Landhause bei Lucern wohne. — Daß übrigens der böse Verdacht, den er gehegt gegen die Rechtmäßigkeit der Geburt
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D ie Doppelgänger.
seines Sohnes, durchaus nichts vermögen könne, verstehe fich von selbst. — Den Rest des Testaments füllten Ausbrüche der tiefsten Reue, Betheuerungen, daß aller Argwohn ve rtilgt sey aus seiner Brust, und an den Sohn und künftigen Herrscher gerichtete kräftige väter liche Worte. Fürst Is id o r sah ringsumher m it lächelndem Hohn und meinte dann, daß das alles auf einer Vision des sterbenden Fürsten beruhen könne, und daß er durchaus nicht geneigt sey, wohlerworbene Rechte wahnsinnigen Phantasien aufzuopfern. Wenigstens sey der vermeint liche Thronerbe nicht da und es werde sehr darauf ankommen, was der G ra f von Törny sagen, und wie es ihm gelingen möchte, jene Umstände, die der Fürst angeführt, so glaubhaft in 's Klare zu stellen, daß kein Zweifel gegen den Jü n g lin g , der plötzlich als Thronerbe vom Himmel gefallen und der vielleicht ein Abentheurer, aufkommen könne. Z u r Zeit werde er daher sogleich den Thron besteigen. Kaum hatte Fürst Isid o r diese Worte gesprochen, als in voller Würde, reich gekleidet, den funkelnden S tern auf der Brust, der alte Amadeus Schwendy oder vielmehr der G raf von Törny hereintrat und an seiner Hand den jungen Menschen führte, der so lange fü r seinen Sohn Deodatus Schwendy gegolten. Aller Blicke waren auf den J ü n g lin g gerichtet. Alle riefen wie aus Einem M unde: „E s ist der Fürst, es ist der F ü rs t!" Roch waren aber die Wunder des Tages nicht erschöpft, denn so wie G raf Törny die Lippen geöffnet zum sprechen, so unterbrach ihn der Jubel des Volks, der sich unten auf der Straße vernehmen ließ. „E s lebe die Fürstin — es lebe die F ü rs tin !" so tönte es herauf, und bald trat eine hohe majestätische Frau in den S aal, der ein J ü n g lin g folgte. „ I s t es möglich," rie f der G ra f von Törny ganz außer sich, „ist es kein Traum? — die Fürstin — ja es ist die Fürstin, die w ir ver loren g la u b te n !" — „Glückseliger Tag, segensreicher Augenblick, M u t ter, Sohn, sie sind gefunden!" — So rief die ganze Versammlung. „ J a , " sprach die Fürstin, „ja , der Tod eines unglücklichen Ge mahls giebt Euch, I h r Treuergebenen, Eure Fürstin wieder, doch noch m ehr! erblickt den Sohn, den sie gebar, erblickt Euern Fürsten, Euern Landesherrn! " D a m it führte sie den J ü n g lin g ,
der
ih r gefolgt, mitten in
den
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S aal. Ih m tra t rasch der J ü n g lin g , der m it dem Grafen von Törny gekommen, entgegen und beide, sich nicht n ur gleichend, nein, einer des andern Doppeltgänger in A n tlitz, Wuchs, Geberde, rc. blieben vor Entsetzen wie erstarrt in den Boden festgewurzelt stehen!-------Es möchte hier der O rt seyn, dem geneigten Leser zu sagen, wie sich alles begab am Hofe des Fürsten Remigius. Fürst Remigius w ar m it dem Grafen von Törny aufgewachsen, beide sich gleich an hohem Geist und edlem Gemüth fühlten sich eng verkettet und so geschah es, daß, als der Fürst den Thron bestieg, der Freund, den er in n ig im Herzen trug, den er nicht lassen konnte, der erste nach ihm wurde im S taat. Daß der G ra f sich in seiner Stellung überall Vertrauen und Liebe gewann, hat der geneigte Leser bereits erfahren. Beide, der Fürst und G ra f von Törny waren, als sie einen benachbMen H of besuchten, zu gleicher Z eit in Liebe gekommen und der Z u fa ll wollte, daß Prinzessin Angela, welche der Fürst, und Grä fin Pauline, die der G ra f gewählt, eben so von Kindheit an in Lieb' und Freundschaft verbunden waren, als sie selbst. Sie feierten beide ihre Vermählung an einem und demselben Tage und nichts in der W elt schien ein Glück verstören zu können, das in ihrem tiefen I n nern begründet. E in dunkles Derhängniß wollte es anders! — Je länger die Fürstin den Grafen Törny sah, je mehr sich ih r sein ganzes inneres Wesen glanzvoll entfaltete, desto stärker, desto wunderbarer fühlte sie sich hingezogen zu dem herrlichen M ann. D ie reinste Himmelstugend, die vorwurffreieste Treue selbst, gewahrte die Fürstin endlich m it Entsetzen, daß die flammendste Liebesgluth sie verzehre. S ie dachte, sie empfand n ur ihn, Todesöde w ar in ihrer Brust, wenn sie ihn nicht sah, alle Wonnen des Himmels stiegen herab, wenn er kam, wenn er sprach! — Trennung, Flucht w ar nicht möglich und doch der furchtbare Zustand, in dem sie m it der glü hendsten Leidenschaft, m it den qualvollsten Vorwürfen rang, nicht zu ertragen. Es schien oft, als wolle sie ihre Liebe und m it dieser ih r Leben aushauchen in den Busen der Freundin. Kram pfhaft schloß sie in Thränen gebadet die G räfin in die Arme und sprach m it herzzer schneidendem T o n : „ D u Selige, d ir glänzt ein Paradies, aber meine Hoffnung ist der T o d !" —
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D ie Gräfin, weit entfernt zu ahnen, was im In n e rn der F ü r stin vorging, fühlte sich doch von dem namenlosen Schmerz der F ü r stin so tie f ergriffen, daß sie m it ih r klagte und weinte und sich auch den Tod wünschte, so daß der G ra f über die plötzliche Melancholie der sonst heitern unbefangenen Frau nicht wenig in Verlegenheit gerieth. An beiden, an der Fürstin und an der G räfin, hatte man schon in ihrer früheren Jugend zu Zeiten eine an Hysterismus grenzende Ueberspannung bemerkt; m it so größerem Recht glaubten daher die Aerzte, alle seltsamen Ausbrüche eines krankhaften Ueberreizes, die vorzüglich bei der Fürstin jedem Beobachter auffallen mußten, dem Zustande zuschreiben zu müssen, in dem sich beide Frauen befanden. Beide waren in guter Hoffnung. E in seltnes S p ie l des Z u fa lls — Derhängniß genannt werden — fügte die Gräfin, in derselben Stunde, ja Söhnen entbunden wurden. — Noch
oder mag es ein wunderbarees, daß beide, die Fürstin und in demselben Augenblick von mehr! M it jeder Woche, m it
jedem Tage offenbarte sich deutlicher eine solche Aehnlichkeit, ja eine solche völlige Gleichheit beider Kinder, daß es ganz unmöglich, sie von einander zu unterscheiden. Beide trugen in ihren kindischen Ge sichtern aber schon deutlich die Züge des Grafen von Törny. Konnte hier noch ein Irrth u m , eine Täuschung statt finden, so entschied der ganz ausgezeichnete Bau des Schädels, so wie ein kleines, wie die Mondessichel geformtes M a l auf der linken Schläfe jene Aehnlichkeit ganz und gar. D as feindliche M ißtrauen, der böse Argwohn, der jederzeit in einem verderbten Herzen zu wohnen Pflegt, hatte dem Fürsten Isid o r das Geheimniß der Fürstin verrathen. E r war bemüht gewesen, das G ift dem Fürsten einzuflößen, das er gesogen, doch der Fürst wies ih n m it Verachtung zurück. Jetzt war der Zeitpunkt da, der dem Fürsten Isid o r gelegen schien, seinen A n g riff auf den Grafen Törny und auf die Fürstin, die er beide tödtlich haßte, da sie überall seiner bösen E inw irkung entgegenstanden, zu erneuern. Der Fürst wankte, doch nimmermehr hätte jene bloße Aehnlich keit des Kindes m it dem Grafen Törny den Fürsten zu irgend einem entsetzlichen Entschluß gebracht, hätte das Betragen der Fürstin nicht den Ausschlag gegeben. Keine Ruhe fand die Fürstin, wie von dem tiefsten Schmerz,
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ja von namenloser Q u a l zerrissen, durchjammerte sie die Tage, die Nächte. B ald bedeckte sie das K in d m it den zärtlichsten Küssen, bald gab sie es m it abgewandtem Gesicht, m it dem Ausdruck des tiefsten Abscheus zurück. „Gerechter G ott, so hart strafst du das Verbrechen!" diesen A u s ru f der Fürstin hatten mehrere gehört und auf nichts an ders konnte dies deuten, als auf eine verbrecherische That, der nun die bitterste Reue folgte. Mehrere Monate vergingen, endlich kam der Fürst zum Entschluß. I n der Nacht ließ er M utter und K in d nach einem öden entfernten Grenzschutz bringen und verwies den Grafen Törny vom Hofe. Aber auch der Bruder, dessen Anblick dem Fürsten unerträglich, mußte fort. — N u r der Geist hatte gesündigt, irdische Begierde keinen Theil daran, fest stand die Treue, aber auch jene Sünde des Geistes galt der Fürstin als ein strafwürdiges Verbrechen, das nur die tiefste Reue zu sühnen vermochte. Der Aufenthalt in dem öden Schlosse, die strenge Bewachung, alles trug dazu bei, den krampfhaften Zustand, in dem sich die F ü r stin befand, beinahe bis zum Wahnsinne zu steigern. D a begab es sich, daß eines Tages m it S p ie l und Gesang ein Zigeunertrupp daher zog und sich hinlagerte dicht vor den M auern des Schlosses. D e r Fürstin war es, als fielen plötzlich dichte Schleier und sie vermöge hinauszublicken in ein helles buntes Leben. Eine unaus sprechliche Sehnsucht erfaßte ihre Brust. — „H in a u s — hinaus in 's Freie! — Nehmt mich auf — nehmt mich a u f ! " — so rief sie, indem sie die Arme ausstreckte durch das geöffnete Fenster. E in Zigeuner weib schien sie zu verstehen, denn freundlich winkte sie ih r zu, und blitzschnell hatte ein Zigeunerbube die Mauer erklettert. D ie Fürstin nahm ih r Kind, rannte hinab, die Pforte w ar offen, der Zigeuner bube schaffte geschickt das K ind herüber. Trostlos stand die Fürstin vor der Mauer, die sie nicht zu erklettern vermochte. Doch alsbald senkte sich eine Strickleiter herab, wenige Sekunden und sie w ar in Freiheit. — M it Jubel empfing sie die Zigeunerhorde, die ihrem Glauben gemäß in der vornehmen Frau, die dem Gefängnisse entflohen, einen Glücksstern fand, der ihnen aufgegangen. „H o ho ," sprach ein altes
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Die Doppeltgänger.
Zigeunerweib, „seht ihr denn nicht, wie die Fürstenkron' auf ihrem Haupte funkelt! — solch ein G lanz kann nie verbleichen." D as wilde nomadische Herumstreifen der Zigeuner, ihr Treiben dunkler Wissenschaft, geheimnißvoller Kunst w ar der Fürstin wohlthä tig, denn indem ihre, beinahe bis zum wirklichen W ahnsinn gestei gerte, Ueberspannung frei in 's Leben treten konnte, wurde sie versöhnt m it dem Leben. D as Kind w ußten die Zigeuner geschickt unterzu bringen bei einem alten frommen Landpriester. E s ist kaum nöthig zu sagen, daß es die Fürstin war, die, als sie ruhiger geworden und des wilden Lebens satt, sich von der Horde getrennt hatte, auftrat als weise Frau m it dem Raben u. s. w. und eben so ist es nun er klärt, warum Fürst Isidor, den M aler Georg Haberland und den jungen D eodatus Schwendy für eine und dieselbe Person und zwar für den jungen Fürsten haltend, sich d e n auf jede Weise vom Halse zu schaffen suchte, der allein ihm jede Hoffnung auf den Thron ver eiteln konnte. W underbar ist es, daß beide, Haberland und Schwendy, das ge liebte Wesen längst träum ten, das ihnen dann in vollem Leben ent gegentrat; wunderbar, daß eben dieses Wesen N atalie, die Tochter des Fürsten Isidor w ar, welche beide, der G raf von Törny und die Fürstin, als auserw ählt ansahen, in der Verbindung mit dem F ü r sten das dunkle Derhängniß, das bis dahin gewaltet, aufzuhalten, daß beide daher alle M ittel, die ihnen zu Gebote standen, aufbietend, da hin strebten, ein P a a r zu vereinen, welches, wie sie wähnten, eine geheimnißvolle Verkettung der D inge für einander bestimmt hatte. M an weiß, wie nun alle P läne scheiterten, weil die Doppelt gänger auf ihren Wegen sich durchkreuzten, m an weiß auch, wie, als der Fürst tödtlich erkrankt, sich alle die, welche sein Gebot vertrieben hatte, wieder sammelten in seiner Nähe.
Ac ht e s K a p i t e l . Also! — vor Entsetzen erstarrt, in den Boden festgewurzelt stan den die beiden Doppeltgänger sich gegenüber. Eine dumpfe Gewitter schwüle lag auf der ganzen Versammlung, jeder fragte im Herzen: „Welcher von beiden ist der F ü rst?"
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Der G raf von Törny brach zuerst das Stillschweigen, indem er dem J ü n g lin g , der der Fürstin gefolgt, entgegen trat und wie in schmerzlicher Wonne rie f: „M e in S o h n !" — Da blitzten die Augen der Fürstin von strahlendem Feuer, und sie sprach m it niederschmetternder Hoheit: „D e in Sohn, G raf Törny? — Und wer ist der, der neben d ir steht? — Der Räuber eines Tyrons, der diesem geführt, der an meiner Brust gelegen?" Fürst Jsidorus wandte sich an die Versammlung und meinte, daß, da über die Person des jungen Fürsten und Thronfolgers voll kommene Ungewißheit herrsche, so sey es natürlich, daß weder der eine noch der andere der beiden Prätendenten den Thron besteigen könne, vielmehr werde es darauf ankommen, wer von beiden seine rechtmäßige Geburt am besten und glaubhaftesten ausführen werde. Einer solchen Ausführung, versicherte der G ra f von Törny, be dürfe es ganz und gar nicht, da er im Stande sey, in wenigen M i nuten die Versammlung-davon zu überzeugen, daß sein Z ög lin g der Sohn des verstorbenen Fürsten Remigius, m ithin dessen rechtmäßiger Thronfolger sey. Das, was der G ra f von Törny der Versammlung jetzt vortrug, bestand in Folgendem: Z u sehr war die vertrauteste Dienerschaft des Fürsten Remigius dem Grafen ergeben, als daß dieser nicht von dem Entschluß des Fürsten unterrichtet seyn, ja nicht den Augenblick hätte wissen sollen, der zur Fortschaffung der Fürstin und ihres Kindes bestimmt worden. Der G raf übersah die Gefahr, in die der Thronerbe gerieth, die Ver w irrung. die vielleicht künftig die Aehnlichkeit des Kindes m it dem feinigen veranlassen, das Unglück, welches nach dem Tode des Fürsten einbrechen konnte. E r beschloß allem vorzubeugen. Es gelang ihm in später Nacht in Begleitung zweier vertrauter Räthe, des Vorstehers des geheimen Archivs, des Leibdoktors, des Wundarztes und eines alten Kammerdieners in das Vorzimmer der Fürstin zu gelangen. D ie alte, ebenfalls in 's Vertrauen gezogene W ärterin brachte das K ind herbei, während die Fürstin eingeschlum mert, diesem, das in einem durch narkotische M itte l hervorgebrachten Schlaf lag. wurde nun von dem W undarzt ein kleines Zeichen auf die linke Brust gebrannt, dann nahm es der G raf Törny, und über gab der W ärterin sein eignes Kind. Ueber den ganzen Hergang der x i. 4
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Sache wurde ein genauer Akt aufgenommen und derselbe, dem eine Abbildung des eingebrannten Zeichens beigefügt, von allen gegen wärtigen Personen unterschrieben und besiegelt, dem Archivarius über geben zur Aufbewahrung im geheimen fürstlichen Archiv. S o geschah es, daß der Sohn des Grafen Törny m it der F ü r stin fortgebracht und der junge Fürst von dem Grafen von Törny auferzogen wurde, fü r seinen Sohn geltend. D ie G räfin, niedergebeugt von Gram, trostlos über das heillose Geschick ihrer Herzenssreundin starb nach ihrer Ankunft in der Schweiz. Von den Personen, die damals bei dem Akt gegenwärtig gewe sen waren, lebten noch der Wundarzt, der Archivarius, die W ärterin und der Kammerdiener; aus G raf Törny'S Veranstaltung hatten sich alle eingefunden auf dem Schlosse. Der Archivarius brachte nun den Akt herbei, der im Beiseyn der vorhin genannten Personen geöffnet und von dem Präsidenten des Staatsraths la u t verlesen wurde. Der junge Fürst entblößte die Brust, das Zeichen wurde gefun den, jeder Zweifel war gehoben und heiße Segenswünsche ertönten aus der Brust der treusten Vasallen. M it dem Ausdruck des tiefsten In g rim m s hatte sich Fürst Jsidorus entfernt, während der Akt verlesen wurde. — A ls nun die Fürstin sich allein befand m it dem Grafen von Törny und den bei den Jünglingen, da war es, als wollte ihre Brust zerspringen, nicht mehr vermögend, den S tu rm der mannigfachsten Gefühle zu bergen. Ungestüm w a rf sie sich an die Brust des Grafen und rief wie ganz aufgelöst in schmerzlicher Wonne: „O T ö rn y! dein Kind, deinen Sohn hast du verstoßen, um den zu retten, der unter diesem Herzen lag! — Aber ich bringe ihn d ir wieder, den Verlornen! — O Törny, w ir gehören nicht mehr der Erde an, kein irdischer Gram hat h in fo rt Macht über u n s! — Laß uns die Ruhe, die Seligkeit des Himmels genießen! — Ueber uns schwebt sein versöhnter Geist! — Doch was vergaß ich! — sie harrt, sie harrt, die selige B r a u t!" D a m it ging die Fürstin in ein Nebenzimmer und kam zurück m it der bräutlich geschmückten Naralie. Keines Wortes mächtig, hat ten sich bis jetzt die Jünglinge angestarrt m it Blicken, in denen sich ein unheimliches Grauen abspiegelte. I n dem Augenblick, als die Jünglinge Natalien erblickten, schien ein zündender Blitzstrahl sie zu
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beleben; m it dem lau ten A u sru f: „ N a ta lie !" stürzten fle beide los a u f das holde Engelskind. Aber auch N atalien faßte tiefes Entsetzen, a ls sie die beiden Jü n g lin g e gewahrte, ein D oppeltbild des Gelieb ten, den fie im Herzen getragen. „ H a ! " rief n u n w ild der junge Törny, „ha! Fürst, bist du der der Hölle entstiegene D oppeltgänger, der m ir m ein Ich gestohlen, der m ir N a ta lie n zu rauben, der m ir das Leben au s der zerfleischten Brust zu reißen trachtet? — E itler, w ahnflnniger Gedanke! S ie ist mein, m e in ! " D a ra u f der junge Fürst: „ W as drängst du dich in mein Ic h ? — W as habe ich m it dir zu schaffen, daß du mich äffst m it meinem Antlitz, m it meiner G estalt! — F o rt! hinweg — mein ist N a ta lie !" „Entscheide, N a ta lie !" schrie n u n Törny, „sprich — schwurst du nicht Treue m ir tausendm al in jenen seligen S tu n d en , a ls ich dich m alte, a ls " — „H a," unterbrach ihn der Fürst, „gedenke jener S tu n d e in dem verfallenen Schloß, als du m ir folgen wolltest" — und n u n riefen beide w ild durch einander, „entscheide, N atalie, entscheide," u nd dann wieder einer zum and ern: „Laß sehen, wem es gelingt, fich den D oppeltgänger vom Halse zu schaffen — bluten, bluten sollst du, bist du kein satanisches T rugbild der H ölle!" D a rief N atalie im Jam m erton trostloser Verzw eiflung: „Gerech ter G o tt! wer ist es, wer von beiden, den ich liebe? - I s t dies Herz zerspalten und kann doch leben? — Gerechter G ott — laß mich sterben, sterben in diesem Augenblick!." — Thränen et fliesten ihre S tim m e — D a n n beugte ste das H aupt, hielt beide Hände v or's Gesicht, es w ar, a ls ob ste hinein schauen wollte in ihre eigne innerste Brust. D a n n sank sie nieder a u f die Knie, erhob den tbränenschweren Blick, die gefalteten Hände, wie brünstig betend und sprach leise, m it dem T on der innigsten herzdurchbohrendsten W ehm uth: „ E n tsa g e t!" „ E s ist," sprach die Fürstin m it verklärter Begeisterung, „es ist der Engel des ewigen Lichts selbst, der zu Euch spricht." Noch starrten sich die Jü n g lin g e an, wilde Flam m en im Blick — da quoll plötzlich ein Thränenstrom ihnen a u s den Augen, sie fielen sich in die Arme, ste drückten sich an die Brust, sie stam m elten: „ J a ! — entsagen — entsagen — vergieb — vergieb m ir, B ruder! " — dann der Fürst zum jungen T ö rn y : „Um meinetw illen verstieß dich der V ater — um meinetw illen hast du gelitten — ja ich entsag e!"
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Dle Doppeltgänqer.
— D ann der junge Törny zum Fürsten: „W as ist meine Entsagung gegen die deine! — J a du, du warst es, du der Fürst des Landes, dem die Prinzessin bestimmt." — „Habe D ank," rief N atalie, „habe Dank, o ewige Macht des Himmels, es ist vorüber!" — D ann drückte sie den Abschiedskuß auf die S tirn e beider Jünglinge und entfernte sich wankend auf der F ü r stin Arm gestützt. — „Ich verliere dich auf's Neue," sprach der G raf von Törny mit tiefem Schmerz, als der S o hn fort wollte. „V ater," rief dieser, „V a ter, laß m ir Zeit, laß m ir Freiheit, daß ich nicht untergehe, daß die ses zerrissene Herz gesunde!" — D am it um arm teer schweigend noch m als den Fürsten, den Vater und eilte schnell d a v o n .-----N atalie begab sich in ein weit entferntes Fräuleinstift, dessen Aebtissin sie wurde. Die Fürstin, in ihren letzten Hoffnungen ge täuscht, ließ das Grenzschloß, in dem sie sonst gefangen, bequem ein richten und wählte es zu ihrem einsamen Aufenthalt. G raf Törny blieb bei dem Fürsten. Beide sahen es gern, daß Fürst Isidor wie der außer Landes gegangen.
Ganz Hohenflüh w ar berauscht in Ju bel und Freude. Die Tischlerzunft, unterstützt von würdigen Zimmerleuten, kletterte an der stattlichen Ehrenpforte, jede Gefahr verhöhnend, hin und her, und klopfte und hämmerte rüstig darauf lo s, während die M aler, jeden Augenblick des Losstreichens gewärtig, in den Farbentöpfen rührten und die Gärtnerbursche unabsehbare Kränze flochten von Taxus und buntleuchtenden Blum en. Die Waisenknaben standen schon in die Sonntagskleider gepreßt auf dem M arkt, die Schuljugend plärrte: „Heil dir im Siegerkranz," als Vorübung, dazwischen schrie dann und w ann eine Trompete, wie die Heiserkeit ausräuspernd, und der ganze Mädchenflor gutdenkender Bürger prangte in neugewaschenen Kleidern, während Bürgermeisters Tinchen allein in weißen knisternden A tlas angethan, Schweißtropfen vergoß, da der junge Candidat, der zu Hohenflüh der Dichter von Profession, nicht nachließ, ihr die in Versen abgefaßte Anrede an den Fürsten einzustudiren und dabei keinen einzigen deklamatorischen Effekt vernachlässigt haben wollte.
D ie D oppelgänger.
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A rm in Arm gingen die beiden versöhnten W irthe zum goldnen Bock und zum silbernen Lamm die Straße auf und ab, beide sich sonnend in dem Gedanken, daß sie den gnädigsten Landesherrn be w irthet, beide behaglich hinaufschauend zu dem gewaltigen: V i v a t P r i n c e p s ! das eben über ihren Hausthüren eingeölt wurde, um Abends bei der Illu m in a tio n mächtig zu flammen. — M an erwartete den Fürsten in wenigen Stunden. — I n Reisekleidern, Reisebündel und Mappe auf dem Rücken, schlich der M aler George Haberland (kein anderer wollte der junge G ra f Törny zur Z eit seyn) durch das Neudorfer Thor. — „ H a ," rief ihm Berthold entgegen, „herrlich getroffen! — Glück auf, Bruder George! — Ich weiß alles! — G ott sey gedankt, daß du kein regierender Fürst bist, da wäre freilich Alles vorbei gewesen. Aus dem Grafen mache ich m ir ganz und gar nichts, denn ich weiß, du bist und bleibst Künstler. Und die, die du liebst? — S ie ist kein irdisches Wesen, sie lebt nicht auf der Erde, aber in d ir selbst als hohes reines Id e a l deiner Kunst, das dich entzündet, das aus deinen Werken die Liebe aushaucht, die über den Sternen th ro n t." — „H a Bruder B e rth o ld ," rief George, indem seine Augen auf strahlten in himmlischem Feuer, „ha Bruder Berthold, du hast Recht, sie — sie selbst ist die Kunst, in der mein ganzes Wesen athmet. — Nichts habe ich verloren, und w ill mich, abgewendet vom Himmlischen, irdischer Schmerz erfassen, mich niederbeugen — du — dein unwan delbar heitres Gemüth — Freunde- Trost, Balsam den W unden, Is t noch nicht fü r mich verhallt! — "
D ie Jünglinge zogen weiter fo rt über die Berge! —
Die Räuber. Abentheuer zweier Freunde auf einem Schlosse in Böhmen *).
Zwei junge Leute, mögen sie Hartmann und W illib a ld genannt werden, hatte von Kindbeit auf ein gleicher S in n verbunden. Beide in B e rlin hausend, Pflegten, von jugendlicher Lebenslust beseelt, jedes Ja h r wenigstens auf kurze Zeit dem drückenden Dienstgeschäfte, das sie belastete, zu entfliehen und gemeinschaftlich irgend eine Reise zu unternehmen. Wie es den Norddeutschen überhaupt eigen, sehnten fie flch stets nach dem Süden, und so hatten sie schon das südliche Deutschland in manchen Richtungen durchstrichen, die herrliche Rhein fahrt gemacht und die vorzüglichsten Städte gesehen. Dasm al war es ihnen aber gelungen, das Dienstjoch abzuschütteln auf längere Z e it, als gewöhnlich, und nun sollte der P la n ausgeführt werden, m it dem sie sich längst herumgetragen. Italienische Luft wollten sie einathmen, wenigstens bis M aila nd vordringen. Sie wählten den Weg über Dresden, Prag und W ien nach dem Wunderlande, dessen Erscheinungen so mancher im träumenden S in n he^, wie ein buntes romantisches M ärlein. Das Herz ging ihnen erst recht auf in frischem Lebensmuth, als sie hinaus waren aus dem Thore der Residenz, wie es denn zu ge schehen pflegt, daß w ir das schöne Z iel der Reise erst dann recht le bendig vor Augen erblicken, wenn der Wagen h inausrollt in 's Freie. *) Rheinisches Taschenbuch auf das Jahr 1822. S-uerländer. S . 23—ie S inne, ich stürzte ohnmächtig zu Boden. Ein starker Knall weckte mich aus der Betäubung, ich fühlte mich von Mannesarmen umschlungen und versuchte, mich mit der Gewalt der Verzweiflung loszuwinden. „Gnädiger Herr Lieutenant, ich bin es ja!" so sprach es mir in die Ohren. E s war mein ehr licher P au l, der fich bemühte, mich vom Boden aufzuheben. — Ich ließ ihn gewähren. P aul wollte erst nicht recht mit der Sprache herxi.
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D e r ElernentargeiK.
aus. wie sich Alles begeben, endlich versicherte er geheimnißvoll lächelnd daß er wohl besser gewußt, zu welcher gottlosen Bekanntschaft mich der M a jo r verlockt, als ich ahnen können; die alte fromme Liese habe ihm Alles entdeckt. Nicht schlafen gegangen sey er in voriger Nacht, sondern habe seine Büchse scharf geladen und an der Thüre gelauscht. A ls er nun mich laut aufschreien und zu Boden stürzen gehört, habe er, u «erachtet ihm gar grausig zu Muthe gewesen, die verschlossene Thüre gesprengt und sey eingedrungen. „ D a , so erzählte P a u l un gefähr in seiner närrischen M a n ie r: da standen der Herr M ajor O 'M alley vor m ir, gräßlich und scheußlich anzusehen, wie in der Kaffeetasse, und grinseten mich schrecklich an, aber ich ließ mich gar nicht irre machen und sprach: Wenn du. gnädiger Herr M a jo r, der Teufel bist, so halte zu Gnaden, wenn ich dir keck entgegen trete als ein frommer Christ und also spreche: Hebe dich weg, du verfluchter Satan M a jo r, ich beschwöre dich im Namen des Herrn, hebe dich weg, sonst knalle ich los. Aber der Herr M ajor wollte nicht weichen, sondern grinsete mich im merfort an und wollte sogar häßlich schimpfen. D a rief ich: soll ich losknallen? soll ich losknallen? Und als der Herr M a jo r immer noch nicht weichen wollte, knallte ich wirklich los. Aber da war Alles verstoben — Beide eilfertig abgegangen durch die Wand, der Herr M a jo r Satan und die Mamsell Beelzebub!" — D ie Spannung der verflossenen Z e it, die letzten, entsetzlichen Augenblicke warfen mich auf ein langwieriges Krankenlager. A ls ich genas, verließ ich P., ohne O 'M alley weiter zu sehen, dessen weiteres Schicksal mir auch unbekannt geblieben. Das B ild jener verhängnißooÖen Tage trat in den Hintergrund zurück und verlosch endlich ganz, so daß ich die volle Freiheit meines Gemüths wieder gewann, bis hier — „N u n , fragte Albert,
gespannt von Neugierde und Erstaunen,
und hier hast du diese Freiheit wieder verloren? Ich begreife in aller W elt nicht, wie h ie r — " O, unterbrach Viktor den Freund, indem sein Ton etwas Feier liches annahm, o m it zwei Worten ist dir Alles erklärt. — I n den schlaflosen Nächten des Krankenlagers, das ich hier überstand, erwachten alle Liebesträume jener herrlichsten und schrecklichsten Zeit meines Lebens. Es war meine glühende Sehnsucht selbst, die sich gestaltete — Aurora — sie erschien m ir wieder,
verklärt,
geläutert in
dem
Der Etementargetft.
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Feuer des Himm els; kein teuflischer O'M alley hat mehr Macht über sie — A urora ist — die B aronesse!----- „W ie? — w as? rief Albert, indem er ganz erschrocken zurückfuhr. — Die kleine, rundliche H aus frau m it dem großen Schlüsselbunde, ein Elementargeist — ein S a lam ander!" murmelte er dann vor sich hin und verbiß m it Mühe das Lachen. — I n der Gestalt, fuhr Viktor fort, ist keine S p u r der Aehnlichkeit mehr zu finden, d. h. im gewöhnlichen Leben; aber das geheimniß volle Feuer, das aus ihren Augen blitzt, der Druck ihrer Hand — „D u bist, sprach Albert sehr ernst, du bist recht krank gewesen, denn die Kopfwunde, die du erhieltest, w ar bedeutend genug, um dein Leben in Gefahr zu sehen; doch jetzt finde ich dich so weit hergestellt, daß du m it mir fort kannst. Recht aus innigem Herzen bitt' ich dich, mein theurer, innig geliebter Freund, diesen O rt zu verlassen und mich morgen nach Aachen zu begleiten." M eines Bleibens, erwiederte Viktor, ist hier freilich länger nicht. — E s sey darum, ich gehe m it dir — doch Aufklärung — erst Aufklärung — Am andern M orgen, so wie Albert erwachte, verkündete ihm Viktor, daß er in einem seltsamen, gespenstischen Traum jenes Be schwörungswort gefunden, das ihm O'M alley vorgesprochen, als der Teraphim bereitet worden. Er gedenke zum letztenmale davon Ge brauch zu machen. Albert schüttelte bedenklich den Kopf und ließ Alles vorbereiten zur schnellen Abreise, wobei P a u l Talkebarth unter allerlei närrischen Redensarten die freudigste Thätigkeit bewies. „Zackernam thö, hörte ihn Albert für sich m urmeln, es ist gut, daß den ir ländischen Diafel F u s der Diafel B är längst geholt hat, der hätte hier noch gefehlt!" — Viktor fand, so wie er es gewünscht hatte, die Baronesse allein auf ihrem Zimmer m it irgend einer häuslichen Arbeit beschäftigt. Er sagte ihr, daß er nun endlich das H aus verlassen wolle, wo er so lange die edelste Gastfreundschaft genossen. Die Baronesse versicherte, daß sie nie einen Freund bewirthet, der ihr theurer gewesen. D a faßte Viktor ihre Hand und fragte: W aren S ie jem als in P .? — K annten S ie einen gewissen irländischen M ajor? — „V iktor, siel ihm die Baronesse schnell und heftig in 's W ort, w ir trennen un s heute, w ir werden uns niem als wiedersehen, w ir dürfen das nicht! — E in dunkler Schleier liegt über meinem Leben! — Lassen S ie es
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D e r E le m e n t« rgetst.
genug seyn, wenn ich Ih n en sage, daß ein düstreS Schicksal mich dazu verdammt, beständig ein anderes Wesen zu scheinen, als ich wirklich bin. I n dem verbüßten Verhältnisse, w orin S ie mich gefunden, und das mich geistige Qualen erdulden läßt, deren mein körperliches W ohl seyn spottet, büße ich eine schwere Schuld — doch nun nichts mehr — leben S ie w o h l!" — D a rief Viktor m it starker Stim m e: Nehelmiahmiheal! und m it einem Schrei des Entsetzens stürzte die Baronesse bewußtlos zu Boden. — Viktor, von den seltsamsten Gefühlen erfaßt, ganz außer sich, gewann kaum Fassung, die Dienerschaft herbei zu klingeln; dann verließ er schnell das Zimmer. „F o rt, auf der Stelle fo rt," rief er dem Freunde Albert entgegen und sagte ihm m it wenigen W orten, was geschehen. Beide schwangen sich auf die vorgeführten Pferde und ritten von dannen, ohne die Rückkunft des Barons ab zuwarten, der auf die Jagd gegangen. Alberts Betrachtungen auf dem R it t von Lüttich nach Aachen haben gezeigt, m it welchem tiefen Ernst, m it welchem herrlichen S in n er die Ereignisse der verhängnißvollen Zeit aufgefaßt hatte. Es ge lang ihm auf der Reise nach der Residenz, wohin beide Freunde nun zurückkehrten, seinen Freund V iktor ganz aus dem träumerischen Zustande zu reißen, w orin er versunken, und indem Albert alles Ungeheure, welches die Tage des letzten Feldzuges geboren, noch mals vor Viktors Blicken in den lebendigsten Farben aufgehen ließ, fühlte sich dieser von demselben Geiste beseelt, der Alberten ein wohnte. Ohne daß Albert sich jemals auf lange Widerlegungen oder Zweifel eingelassen, schien V iktor selbst sein mystisches Abentheuer bald fü r nichts Höheres zu achten, als fü r einen la n g e n , b ö se n T r a u m . -------E s konnte nicht fehlen, daß in der Residenz die Weiber dem Obristen, der reich, von herrlicher Gestalt, fü r den hohen Rang, den er bekleidete, noch ju n g , und dabei die Liebenswürdigkeit selbst war, gar freundlich entgegen kamen. A lbert meinte, daß er ein glücklicher Mensch sey, der sich die Schönste zur G a ttin wählen könne; da er wiederte V iktor aber sehr ernst: M ag es seyn, daß ich mystificirt, auf heillose Weise unbekannten Zwecken dienen sollte, oder daß wirklich eine unheimliche Macht mich verlocken wollte; die Seligkeit hat es mich nicht gekostet, wohl aber das Paradies der Liebe. Nie kann jene Z eit wiederkehren, da ich die höchste irdische Lust empfand, da
Der Elementargeist.
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das Id e a l meiner süßesten, entzückendsten Tränme, die Liebe selbst, in meinen Armen lag. D ahin ist Liebe und Lust, seitdem ein entsetz liches Geheimniß m ir die geraubt, die meinem innigsten Gemüthe wirklich ein höheres Wesen w ar, wie ich es aus Erden nicht wieder finde! — D er Obrist blieb unvermählt. —
Inhalt des elfte« BandeS.
Erzählungen aus Hoffmann's letzten Lebensjahren. (Zwei
Theile.)
Er s t e r T h e il. Seite
D ie D o p p e l g ä n g e r . Eine Erzählung............................. 3 D ie R ä u b er. Abentheuer zweier Freunde auf einem Schlosse in Böhmen............................................. 54 D ie I r r u n g e n . Fragment aus dem Leben eines Phantasten. Verloren und Gefunden........................................................... 94 D as Blättlein aus der Brieftasche...................................... 98 Die Reise nach Griechenland.................................................. 104 Traum und Wahrbeit.............................................................116 Der Zauber der Musik........................................................... 122 Der griechische Heerführer. Das Räthsel................................ 125 D ie G e h e im n isse. Fortsetzung der vorhergehenden Erzählung. 135 D e r E le m e n ta r g e is t . Eine Erzählung................................. 187