Gerhard von Eppenstein, Erzbischof von Mainz, Teil 1: Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Philosophischen Doktorwürde an der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg 9783111569406, 9783111197869


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German Pages 70 [72] Year 1880

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Einleitung
I. VON GERHARDS ERHEBUNG BIS ZUM TODE RUDOLFS VON HABSBURG
II. DIE ZEIT KÖNIG ADOLFS
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Gerhard von Eppenstein, Erzbischof von Mainz, Teil 1: Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Philosophischen Doktorwürde an der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg
 9783111569406, 9783111197869

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GERHARD VON E P P E N S T E I N ERZBISCHOF VON MAINZ. ERSTER

THEIL.

INAUGUßAL - DISSERTATION ZUR ERLANGUNG

DER PHILOSOPHISCHEN DOCTORWÜRDE A N DER

KAISER -WILHELMS - UNIVERSITÄT STRASSBURG.

VON

FERDINAND HEYMACH.

STRASSBURG. KARL

J.

TRÜBNER. 1880.

B u c h d r u c k e r e i von G. Otto in D a r m s t a d t .

Während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vollzieht sich in den inneren deutschen Verhältnissen ein bedeutsamer Umschwung: die Reichsgewalt geräth fast vollständig in die Abhängigkeit einer kleineren Anzahl von Fürsten, welche aus dem Gesammtadel der Nation bestimmend in den Vordergrund treten. Vor Allem die Wahl eines neuen Königs, die anfangs dem ganzen Volke zugestanden hatte, dann ein Vorzug der Pürsten überhaupt gewesen war, wird ihr ausschliessliches Vorrecht. Indem sie dasselbe aber ausüben, lassen sie sich von rein egoistischen Motiven leiten. Die neue Prärogative eröffnet ihnen eine unerschöpfliche Quelle zur Befriedigung ihrer individuellen Wünsche, und Bestrebungen: sie können ihre Wahlstimme um einen möglichst hohen Preis an den jedesmaligen Thronbewerber verkaufen und so den König zu einer Creatur ihres Eigennutzes herabwürdigen. Und auch nach der Wahl ist das Reichsoberhaupt noch keineswegs ihrem Einflüsse entzogen: hier sind es ihre Willebriefe, welche zu allen wichtigen Staatsacten eingeholt werden müssen. Der oberste Lenker des Reiches ist dadurch an jeder freieren Ausübung seines Herrscherberufs gehindert. Dass sich aber solch ein oligargisches Regiment ausbilden und in die angestammten Rechte der Krone eintreten konnte, hatten in erster Linie die Staufer verschuldet; denn ihre Vorliebe für Italien hatte sie zu keiner wahren Würdigung der deutschen Verhältnisse gelangen lassen. Im Dienste des Südens vergeudeten sie fruchtlos ihre beste Kraft; den deutschen Angelegenheiten konnten sie daneben nur eine ganz vorübergehende Beachtung schenken. Natürlich hiessen die Grossen des Reiches, unter ihnen dann ganz besonders die 1*



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späteren Kurfürsten, die günstige Gelegenheit zur Ausbeutung ihrer Sonderinteressen willkommen; in schrankenloser Willkür beanspruchten sie Rechte, welche ihnen vordem niemals zugestanden. Dann kamen die Jahre des Interregnums, und in den nun folgenden Wirren ging, bei der gänzlich mangelnden Controle einer höheren Instanz, auch das Wenige verloren, was die schon so tiefgesunkene Reichsgewalt von ihrer alten Macht und Herrlichkeit noch aus der staufischen Periode hinübergerettet hatte. Rudolf von Habsburg und seine nächsten Nachfolger machten allerdings den Versuch, das Königthum allmählig wieder aus seiner lästigen Abhängigkeit zu befreien, aber zäh hielten die Kurfürsten das einmal Gewonnene fest; selbst den offenen Kampf mit dem Reichsoberhaupte scheuten sie nicht, um ihr vermeintliches Recht zu wahren. Das gilt namentlich auch von Mainz, welches in den letzten Dezennien des 13. und im Anfang des 14. Jahrhunderts mehr als einmal der Reichsgewalt entgegentrat, wenn partikularistische Interessen wider die Ansprüche des Königthums zu verfechten waren. Schon Werner von Mainz, so bereitwillig er anfangs den Habsburger unterstützt hatte, bis dieser erst allgemein anerkannt war, so auffällig zog er sich nachher von Rudolf zurück; er schloss sich aufs Engste an Cöln und Trier, weil ein weiteres Emporkommen der königlichen Macht die usurpirten Rechte seines Stuhles gefährdete. In ihrer Vereinigung boten die drei rheinischen Erzstifter allen Reformversuchen des Königs erfolgreich die Spitze, und hauptsächlich durch die Bemühungen dieser geschlossenen Opposition im Westen des Reiches sollte auch die bedeutende Hausmacht, die Rudolf mit grösserem Glücke bereits im Osten geschaffen hatte, für das Erstarken der gesunkenen Reichsgewalt wenigstens keine ununterbrochene, keine dauernde Bedeutung gewinnen. Einen Augenblick hatte es freilich den Anschein, als wollten sich dem Königthum günstigere Aussichten eröffnen. Es war zu jener Zeit, da der Mainzer dem Trierer Erzbischof rasch im Tode folgte, und nur noch Siegfried von



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Cöln von den Häuptern der rheinischen Coalition zurückblieb. Aber die Hoffnung, welche Rudolf besonders an die Neubesetzung des Mainzer Stuhles geknüpft hatte, wurde bitter getäuscht, als sein Freund Heinrich von Isny schon bald nach seiner Erhebung starb, und Gerhard II., ein neuer Gegner Rudolfs, auf den Erzstuhl gelangte.

Gerhard war ein Spross des thatkräftigen Geschlechtes der Eppensteiner, welches für Mainz eine ähnliche Bedeutung erlangt hat, wie die Herren von Berg-Altena für Cöln.1 Vier Erzbischöfe gingen aus dem eppensteinischen Hause im Laufe des 13. Jahrhunderts hervor: ausser dem schon genannten Werner und unserem Gerhard auch noch der zweite und dritte Siegfried; und ihre Regierungsdauer war eine ausserordentlich lange: während des ganzen 13. Jahrhunderts finden wir nur 12 Jahre hindurch den Mainzer Krummstab in anderen Händen, als denen eines Eppensteiners. So beherrschten sie von der Erhebung Siegfrieds II. im Jahre 1201 bis zum Tode Gerhards II. im Jahre 1305 fast ausschliesslich nicht nur die Geschicke des Erzstiftes, sondern übten als die ersten Fürsten zugleich auch auf die deutschen Verhältnisse überhaupt den grössten Einfluss aus. Keiner von ihnen jedoch hat eine politisch bedeutendere Rolle gespielt, als Gerhard, der Letzte seines Stammes auf dem Mainzer Stuhle. Ehrgeizig, voll Eigennutz und Herrschsucht, dabei listig und verschlagen, keineswegs immer auf die Unbescholtenheit der Mittel bedacht, bald zur einen, bald zur andern Partei hinneigend, wie es gerade seinen Interessen entsprach: das waren die hervorstechenden Züge dieses Mannes, der an den wechselvollen, seine Zeit bewegenden Kämpfen den entscheidendsten Antheil genommen hat. Sein 1 Von den Eppensteinern im Allgemeinen handelt: H. B. "Wenk Dipl. Nachrichten von den ausgestorbenen Dynasten von E. Programme des Pädagogs zu Darmstadt. 1775 — 1776. — Eigenbrodt Urkundl. Nachrichten von d. Dynasten von E. Archiv f. Hess. Gesch. u. Alterthumskunde. 1837. I 479—540. — Schliephake Gesch. von Nassau II. 109-126.

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weiter staatsmännischer Blick und seine ausserordentliche diplomatische Gewandtheit wurden von einer seltenen Energie in der Durchführung des einmal gefassten Planes unterstützt — als Würdenträger der Kirche eine wenig anziehende Erscheinung, aber gross als Politiker und Reichsfürst. 1

Ueber das Leben und die Wirksamkeit Gerhards, ehe er zur erzbischöflichen Würde gelangte, sind wir nur spärlich unterrichtet. Besonders hat sich keine Kunde erhalten, in welcher Beziehung er etwa zu seinem Verwandten, dem Erzbischof Werner von Mainz, gestanden hat. Zunächst finden wir ihn gar nicht in der Mainzer Diöcese, sondern in der Trierer. Als Trierer Archidiakon in Ditkirchen, der alten Colonie des heiligen Lubentius an der Lahn, begegnet er uns das erste Mal im Jahre 1268: 2 er muss also schon ein reiferer Mann gewesen sein, als er einundzwanzig Jahre später auf den Mainzer Stuhl berufen wurde. 3 Sein ausgedehnter Sprengel, welcher alle trierischen Kirchen auf der rechten Seite des Rheins umfasste, 4 grenzte unmittelbar an die eppensteinischen Besitzungen, und Ditkirchen selbst war nahe genug bei seiner Stammburg gelegen, um den Verkehr mit seiner Familie, für deren Wohl und Wehe er allem Anschein nach immer das lebhafteste Interesse hatte, 5 so leicht als möglich zu machen. Während einer langen Reihe von Jahren hören wir nichts von einer über das Mass seiner geistlichen Stellung hinausgehenden Bedeutung; erst mit dem Tode Erzbischof Werners am 2. April 1284 tritt Gerhard aus dem entlege1

Meine Darstellung wird für die gegebene Charakteristik den Beleg bringen. 1 Guden Cod. dipl. Mog. I. 726. 728. Joannis spicil. vet. tab. 289. 3 Nach den Bestimmungen des 3. later. Concils durfte Keiner vor dem 25- Jahre Dekan oder Archidiakon werden. Thomasini vet. et nov. eccles. discipl. part. I. lib. II. cap. 20 § 4 und cap. 70 § 3. 4 Vogel Topographie von Nassau 218. Schliephake 1. c. I. 70. 5 Guden I. 726. 738. 862. II. 277. Joannis spioil. 289. 324. 828. Guden Sylloge varior. dipl. 277.



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neren Wirkungskreis seines Archidiakonats mehr in den Vordergrund der Ereignisse. 1 Denn jetzt richtete die eppensteinische Partei im Domkapitel auf ihn, den Yetter des Verstorbenen, ihre Blicke, stiess jedoch bei der Neuwahl auf den entschiedenen Widerstand einer anderen, ebenfalls festgeschlossenen Fraction, welche den Mainzer Dompropst Peter Reich von Reichenstein als Candidaten aufstellte. Da keiner von Beiden weichen wollte, so kam die Sache auf dem Rechtswege zur Entscheidung: sie wurde an den Papst gebracht, und Martin IY. betraute den Cardinaldiakon Benedikt von St. Nicolaus in carcere Tulliano mit der Leitung der bezüglichen Yerhandlungen. Indess begaben Gerhard und sein Rivale sich selbst nach Rom, um ihre Ansprüche mit grösserem Nachdruck verfolgen zu können. Aber obgleich beide Bewerber alle nur erdenkliche Mühe daransetzten und in der Aufwendung grosser Geldsummen mit einander wetteiferten, gelangten sie nicht zum Ziele. Von einem Monat zum andern verschleppte sich die Entscheidung, bis dann am 15. Mai 1286 Martins Nachfolger, Honorius IV., den Baseler Bischof Heinrich von Isny für Mainz bestimmte und damit der mehr als zweijährigen Sedisvacanz des Erzstiftes ein Ende machte. Gerhard wurde für seine vergeblichen Bemühungen — wie es scheint — durch ein Mainzer Canonicat und die Propstei der Bärstadter Kirche entschädigt, 2 während Peter von Reichenstein das erledigte Bisthum Basel erhielt. 1

Ueber das nun Folgende vgl. die Bulle Honorius IV. vom 15. Mai 1286. Schunk Cod. dipl. 66 ff. — Chr. Sampetr. Geschichtsquellen d. Provinz Sachsen I. 119. — Annal. Colmar. M. G. ss. XVII. 213. 2 Noch in der letzten vor den Mainzer Wahlvorgängen ausgestellten Urkunde, welche wir von G. besitzen, vom 11. Februar 1283, kommt derselbe einfach als Trierer Archidiakon vor. Guden Sylloge varior. dipl. 277. Wir haben desshalb die Thatsache, dass er zuerst in der bereits erwähnten Bulle vom 15. Mai 1286 auch als Mainzer Canonikus erscheint, mit seinen "Werbungen in Zusammenhang gebracht und dabei den analogen Fall bei Emerich von Schöneck aus dem Jahre 1289 im Auge gehabt. Vgl. Böhmer Päpste n. 260. Für die zweite Annahme, G. habe bei dieser Gelegenheit die Propstei an der Bärstadter Kirche erhalten, lassen wir eine Urkunde vom 11. Mai 1289 sprechen. Würdtwein Dioecesis Mog. III. 89. Darin setzt Eber-



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Dieser allgemein überraschende Abscbluss der lange schwebenden Verhandlungen erweckte bald den Verdacht, als habe Heinrich, welcher sich damals gerade als Abgesandter Rudolfs von Habsburg am römischen Hofe aufhielt, um wegen der Kaiserkrönung mit der Curie zu verhandeln, neben seiner officiellen Mission insgeheim die eigne Erhebung aufs Eifrigste betrieben; 1 wie man hinzufügte, sei er darin von dem deutschen Könige nach Kräften ermuntert und gefördert worden. Und allerdings war es für die Absichten Rudolfs von dem höchsten Interesse, einen Mann auf dem ersten geistlichen Stuhle seines Reiches zu wissen, welcher auf seine Wünsche und Projecte bereitwilliger einging, als dies bei Werner der Fall gewesen und von einem neuen Repräsentanten desselben Geschlechtes zu erwarten stand. Es ist desshalb nur zu wahrscheinlich, dass Rudolf seinen nicht geringen Einfluss auf den damaligen Papst zu Gunsten seines treuergebenen Gesandten in die Wagschale warf und dadurch das Schicksal der beiden Mainzer Candidaten entschied. Missmuthig kehrte der Eppensteiner über die Alpen zurück; seine stolzen Hoffnungen waren fürs Erste wenigstens gescheitert. Von vornherein kein grosser Verehrer Rudolfs, wird er jetzt einen unversöhnlichen Hass auf ihn geworfen haben. Es war daher einer der härtesten Schläge, welcher den greisen Herrscher am Ende seiner Regierung betraf, als der neue Mainzer Erzbischof, dessen Beistand ihm in so mancher Hinsicht unerlässlich war, nur allzubald starb, und Gerhard jetzt unter wesentlich günstigeren Verhältnissen seine Erhebung bei der Curie wirklich durchzusetzen wusste. hard Propst und Archidiakon der Mariengredenkirche in Mainz das dortige Domkapitel in den Besitz der Kirche zu Bärstadt, que et promotione venerabilis Domini Gerhardi de Eppinstein in aep. Mogunt. iam nunc vacat. 1 Chr. Sampetr. 1. c. Qui omnia callide agens, quantum . . . sibimet ipsi diligentius eundem archiepiscopatum obtinere conabatur. Die Nachricht, Heinrich habe sich im Auftrage Rudolfs scheinbar für den Beichensteiner beworben, ist daneben wohl nur eine Vermuthung des Erfurter Chronisten, welche auf seine Unkenntniss über den factischen Zweck der Mission Heinrichs zurückgeht.

I.

VON GERHARDS ERHEBUNG BIS ZUM TODE RUDOLFS VON HABSBURG.

Bei den Verhandlungen welche bald nach Heinrichs Tode, d. h. nach dem 17. März 1288, 1 bezüglich seines Nachfolgers eingeleitet wurden, wiederholten sich im Domkapitel die Vorgänge des Jahres 1284, obgleich die aus den Differenzen nach dem Tode Werners erwachsenen Schäden noch frisch in Aller Gedächtniss sein mussten und den Domherren als warnendes Beispiel hätten dienen sollen. Die Wahl der Einen fiel auf den Mainzer Scholastikus Emerich von Schöneck, während die Gegenpartei ihrem früheren CaDdidaten Gerhard von Eppenstein getreu blieb. Dieser aber war kurz vorher auch in Trier von einem Theil des Wahlcollegiums als Oberhaupt für die ebenfalls verwaiste Diöcese aufgestellt worden. Wie in Mainz hatten sich auch in Trier nach dem Tode Heinrichs von Vinstingen 2 verschiedene Meinungen über die Nachfolge geltend gemacht. Gegen Boemund von Warnesberg, für den sich der grössere und, wie es heisst, vernünftigere Theil des Kapitels erklärte, wurden noch der Cantor Ekbert von Villreche und der Archidiakon Johann von Sirk in Vorschlag gebracht. Da Letzterer jedoch alsbald die ihm zugedachte Würde ablehnte, so hoffte Ekbert gegen Boemund erfolgreich eintreten zu können. Wie Gegenbischöfe zu thun pflegten, machten sich Beide ungesäumt nach Rom auf, um dorten persönlich für die Bestätigung ihrer Wahl 1 8

Ueber seinen Todestag vgl. Joannis rer. Mog. I. 625. 26. April 1286. Görz Regg. d. Erzbb. von Trier. 56.



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aufs Nachdrücklichste zu wirken. Aber nicht so bald sollte die päpstliche Entscheidung erfolgen: ungünstige Zwischenfälle verzögerten dieselbe wider Erwarten bis zum Anfang des Jahres 1289. Denn Papst Honorius IY. war am 3. April 1287 gestorben, und erst nach längerem Interim schritten die Cardinäle zur "Wahl seines Nachfolgers, der am 22. Februar 1288 als Nicolaus IY. den Stuhl Petri bestieg. Dazu hatte der Tod Ekbert von Yillreche während seines Aufenthaltes am römischen Hofe mitten aus seinen hochfliegenden Bestrebungen gerissen, und bei einer zweiten Wahl entschieden sich die Anhänger des Yerstorbenen eben für Gerhard von Eppenstein. Dieser folgte jedoch seinem Trierer Rivalen nicht sogleich nach Rom, sandte vielmehr zunächst vertraute Boten, welche seine Sache bei der Curie vertreten sollten. 1 Was ihn zur Yerzögerung der anscheinend drängenden Reise bewog, liegt klar zu Tage. Der inzwischen erfolgte Tod Erzbischof Heinrichs von Mainz stellte auch hier eine baldige Neuwahl in Aussicht. Dies veranlasste Gerhard, seine Bewerbungen um Trier mit geringerem Eifer zu betreiben, dagegen in Mainz Alles aufzubieten, auf dass er mit Hülfe der immer noch starken eppensteinischen Partei im Domkapitel durchdringe; versprach ihm doch das neuerledigte Erzbisthum gerade in nächster Zeit, bei dem bald zu erwartenden Tode des Habsburgers und den sich daran knüpfenden Yerhandlungen über die Nachfolge, in der zu gewinnenden Stellung als Primas und Erzkanzler des Reiches eine Machtsphäre und einen Einfluss auf die deutschen Verhältnisse, wie er ihn von Trier niemals erhoffen durfte. Seine Bemühungen in Mainz blieben auch nicht erfolglos, wenngleich, wie wir bereits wissen, die W a h l zwiespältig ausfiel; das vorerst Mögliche war damit erreicht. So trat denn der zweifach Gewählte den entscheidenden W e g nach Rom an, um dorten das glücklich Begonnene zum guten Ende zu führen^ er durfte diesmal mit um so grösserer Bestimmtheit auf Erfolg rechnen, als mit dem Tode Honorius IY. 1 Vgl. über diese Vorgänge Gesta Trevirorum et Müller II. 131 f.

ed. Wyttenbach



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der deutsche König seinen massgebenden Einfluss auf die Curie verloren hatte, und damit das wesentlichste Hemmniss für Gerhards Erhebung beseitigt war. Trotzdem waren die pecuniären Opfer nicht gering, welche er der römischen B e stechlichkeit bringen musste, und da seine eigenen Mittel hierbei nur zu bald erschöpft waren, so sah er sich gezwungen, eine Anleihe bei florentinschen Kaufleuten zu machen. Den nöthigen Credit zur Aufnahme dieser gewiss erheblichen Summe sicherte ihm die Curie selbst; überdies kam sie seinen dringendsten Bedürfnissen durch ein Darlehn von 326 Mark zu Hülfe und ermöglichte damit eine nachdrücklichere Fortsetzung seiner Bewerbungen. 1 Die gespannt erwartete Entschliessung des Papstes erfolgte nach längeren Yerhandlungen am 6. März 1 2 8 9 . 2 An demselben Tage wurde Gerhard in das Mainzer, Boemund in das Trierer Bisthum eingesetzt, und auf Palmsonntag, den 3. April, empfingen Beide aus den Händen des Papstes das Pallium, worauf sie mit dem apostolischen Segen in ihre neuerworbenen Sitze entlassen wurden. Den anderen Mainzer Candidaten Emerich von Schöneck, welcher ebenfalls nach Rom gekommen w a r , 3 fand Nicolaus I Y . am 21. März mit einem Canonicat und der Propstei an der Frankfurter Stiftskirche a b . 4

W a s Gerhard schon einmal vergeblich erstrebt, hatte er jetzt erreicht. Aber wenn ihm auch seine neue Stellung ein hervorragendes Ansehen unter den deutschen Fürsten sicherte und seinem Ehrgeiz ein weites Feld eröffnete, so waren doch die Verhältnisse, in welche der Neugewählte eintrat, wenigstens vorerst keineswegs beneidenswerth. Das Erzbisthum befand sich in einem höchst verwahrlosten Zu-

1

Würdtwein Diplomataria Mog. I. 10 ff.

2

Gesta Trevir. 1. c. II. 134.

Ueber das J a h r vgl. Acta Sanctor.

Boll. April II. 703. 3 Gesta Trevir. II. 132. < Böhmer Codex dipl. Moenofr. 242.



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stände, und es bedurfte der thätigen und weisen Umsicht eines energischen Geistes, um wieder einigermassen Ordnung in die verwirrte Lage zu bringen. Die zweijährige Sedisvacanz zwischen dem Tode Werners und der Ernennung seines Nachfolgers hatte grosse Schäden im ganzen Umfange der Mainzer Kirche nach sich gezogen. Die Bande strenger Zucht und Sitte waren allenthalben gelockert, Recht und Herkommen schwankend geworden oder ganz in Vergessenheit gerathen. Jeder that, was ihm gut dünkte, und bereicherte sich, soviel er vermochte auf Kosten der erzbischöflichen Macht. Natürlich hiessen die Nachbarn, wie Braunschweig und Hessen, welche noch von früher her mit Mainz in Fehde lagen, diese Wirren willkommen, um das herrenlose Gebiet ungehindert zu schädigen und die Rechte und Besitzungen desselben zu schmälern. Wohl sehen wir Heinrich während seiner kurzen Regierung eifrig bemüht, den herrschenden Uebelständen abzuhelfen, aber an durchgreifenden Reformen irn Innern und Wiederherstellung der früheren Macht nach Aussen hinderte ihn sein baldiges Ende. Besonders auch unter der Geistlichkeit war die allgemeine Anarchie zu einer bedenklichen Höhe gediehen; das bezeugen die Statuten, welche Gerhard bald nach seinem Regierungsantritt gegen die in der Mainzer Kirche eingerissenen Missbräuche erliess. f Es sind Bestimmungen, welche nothwendigerweise die allerungünstigsten Vorstellungen über die Moralität des damaligen Clerus in uns erwecken müssen. Dazu kamen die zerrütteten finanziellen Verhältnisse des Erzstiftes, die sich infolge der kostspieligen Bewerbungen Gerhards in Rom natürlich nur noch schlechter gestaltet hatten. Der neue Erzbischof versäumte auch nicht, schon während seiner Anwesenheit am römischen Hofe dem Papste desshalb Vorstellungen zu machen und ihn um eine Gunst zu bitten, welche die drückende Schuldenlast in Etwa erleichtern sollte. Nicolaus IV. willfahrte: am 28. Juli 1289 stellte er zwei Privilegien für Gerhard aus, von denen das eine ihm auch die Wiederverleihung aller, schon länger als sechs Monate erledigter Pfründen überlies: nach den Be* Guden I. 907.



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Stimmungen des dritten lateranensischen Concils hätten sie zur Disposition des P a p s t e s gestanden. Daran anknüpfend räumte das zweite Privileg dem Erzbischof das Recht ein, von den wiederverliehenen Benefizien nicht, wie üblich, nur im ersten J a h r e eine bestimmte Abgabe zu erheben, sondern dieselbe auf die ersten fünf J a h r e auszudehnen. 1

Nach seiner R ü c k k e h r von R o m , die spätestens im August 1289 erfolgte, 2 war Gerhard zunächst darauf bedacht, die Verhältnisse in Thüringen zu ordnen, wo sich das Erzstift von Alters her so ausgedehnter Besitzungen und Rechte erfreute, dass seine Stellung in diesen Gegenden ein fast landesherrliches Gepräge trug. Einen grossen Theil ihres reichen Besitzes hatten die Erzbischöfe den Landgrafen von Thüringen, ihren Marschällen, zu Lehen gegeben; ein anderer blieb unter ihrer unmittelbaren Verwaltung. Besonders in E r f u r t besass die Mainzer Kirche bedeutende Jurisdictionen. Iiier verwaltete der Erzbischof die höhere Gerichtsbarkeit, zu deren H a n d h a b u n g er einen Schultheissen sowie dessen Unterbeamte, die Schöffen, ernannte; hier standen ihm ferner die Freizinsen, das Münzrecht, die verschiedenen Zölle, die E r haltung der öffentlichen Sicherheit und sonstige Rechte und Einkünfte zu. 3 Wiederholt seit den unruhigen Tagen des Interregnums hatte E r f u r t , dem Beispiele so vieler anderer Städte folgend, die lästige Abhängigkeit von sich zu werfen und sich eine selbstständige Verfassung zu geben versucht, indess alle ihre Bemühungen scheiterten an der Wachsamkeit der Mainzer Oberherrn, welche nicht geneigt waren, auch nur das Geringste von ihren alten Ansprüchen gutwillig aufzugeben. Aber nicht bloss war es Erfurt, welches die Aufmerki "Würdtwein Dipl. Mag. I. 7. 8. Am 28. August urkundet Q. wieder in Mainz. Crollius De cella S. Mariae in Offenbach. 43. 8 Vgl. über die Rechte des Erzstiftes Mainz in Erfurt das älteste uns erhaltene urkundl. Verzeichnis« Gerhards aus dem Jahre 1289. Höfer Auswahl der ältesten Urkunden deutscher Sprache. 39 ff.



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samkeit der Erzbischöfe nach Thüringen lenkte. Nach dem Tode des letzten Landgrafen aus salischem Stamme war hier ein Erbfolgestreit ausgebrochen; wiederholte Aufstände und Räubereien waren sein Gefolge. Da war denn die andere Aufgabe der Erzbischöfe, friedliche Zustände zurückzuführen, — eine Aufgabe, in welcher der Vorgänger Gerhards durch seine Eigenschaft als Reichsstatthalter in Thüringen wesentlich unterstützt wurde. An Einem Tage gelang ihm, nach beiden Seiten einen vorläufigen Abschluss zu erzielen. Im J a h r e 1287 trat nämlich unter seinem Vorsitz in E r f u r t selbst ein Landfriedensgericht aus zwölf thüringischen Edelleuten zusammen, welches R u h e und Ordnung stiften und zugleich das frühere, während der zweijährigen Sedisvacanz gelockerte Yerhältniss von Erfurt zu Mainz wiederherstellen sollte. 1 Aber kaum hatte Heinrich die Augen geschlossen, als die alten Emancipationsgelüste Erfurts zu neuen Differenzen mit dem Erzstift führten. 2 Gerhard konnte unmöglich lange müssig zusehen, wollte er nicht die ganzen Errungenschaften seiner Vorgänger in Thüringen aufs Spiel setzen. Und dass er sich des Ernstes der Situation wohl bewusst war, dafür spricht die Eile, mit welcher er bereits in den ersten Monaten seiner Regierung gegen die drohende Bewegung der thüringischen Hauptstadt vorging. Am 10. October 1289 sandte er den Mainzer Dekan Gebhardt und seinen Bruder Gotfried von Eppenstein mit ausgedehntester Vollmacht nach E r f u r t . 3 Gerhard mag wohl erkannt haben, dass ein Versuch, E r f u r t mit Waffengewalt zu bemeistern, nicht an der Zeit wäre. Und auch die Bürger zeigten sich einem Compromiss nicht abgeneigt, schon im November kam ein Vertrag zum Abschluss: der Erzbischof überliess den Erfurtern die höhere Gerichtsbarkeit,

1 Guden hist. Erford. ap. Joannis rer. Mog. III. 161. Chr. Sampetr. Gschtsquellen d. Provinz Sachsen. I. 119. 2 Guden ]..c. 162. Vgl. hierfür auch die Urkunde Gs. vom 12. November 1289. Falkenstein Gesell, von Erfurt 128. 3 Falkenstein 127.



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das Münzrecht, sowie das Schöffenamt für 800 Mark Silbers auf sechs Jahre. 1 Der Vertrag musste Gerhard doppelt wilkommen sein, indem die Stadt darin einerseits die wichtigsten Mainzer Privilegien thatsäclilich anerkannte und ihm andererseits Gelegenheit gab, die drängenden Schuldforderungen der römischen Curie, von denen wir hören werden, fürs erste zu beschwichtigen. 2 Gleichzeitig mit der Bestätigung desselben, am 24. November liess der Erzbischof seinen Bevollmächtigten von Mainz aus ein genaues Yerzeichniss über die sämmtlichen Rechte des Mainzer Stiftes in Erfurt zugehen. 3 Das höchst wichtige, in deutscher Sprache abgefasste Schriftstück wurde der erzbischöflichen Weisung zufolge dem Magistrat vorgelegt und am 2. December von demselben bestätigt. 4 Mag Gerhard darin der Stadt auch einige Concessionen gemacht haben, immerhin musste er nach dem ganzen Stand der Dinge mit dem Resultat der Yerhandlungen zufrieden sein; er hatte wenigstens die wichtigsten und am meisten gefährdeten Privilegien dem Mainzer Stuhle erhalten und durch Anerkennung der urkundlich aufgezeichneten Rechte seitens der Stadt zugleich eine sichere Basis für die Zukunft geschaffen.

Jetzt stand dem Besuche des Reichstages, den König Rudolf auf Weihnachten 1289 gerade nach Erfurt berufen hatte, Nichts mehr im Wege. Bei dieser Gelegenheit konnte er sich persönlich von der Lage der thüringischen Verhältnisse überzeugen. Am 14. December hielt der König seinen feierlichen Einzug in die Stadt — sechs Tage später folgte ihm der Erzbischof nach. 5 Es verdient unsere volle Beachtung, dass Gerhard in

» Schunk Cod. dipl. 170. 2 Würdtwein Dipl. Mag. I. 10. 3 Falkenstein 1. c. 128. 4 Höfer Auswahl ver ältesten Urkunden deutscher Sprache. 39 ff. 5 Chr. Sarapetr. 1. c. I. 122.



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die erzbischöflich-mainzische Stadt nicht gleichzeitig mit dem Könige eintritt oder ihn vielmehr dort nicht empfing. Ein besonderes Hinderniss zur Rechtfertigung der späteren Ankunft ist nicht zu erweisen: gewiss haben wir schon hier eine Aeusserung des Gegensatzes und der Abneigung zu erkennen. Und diesem Anfange entspricht der weitere Verlauf: die Erfurter Begegnung hat die Beiden sich keineswegs näher gebracht. Der Grund ist aber auf Seiten des Mainzers zu suchen. Man wird nicht zweifeln können, dass er einen tiefen Groll gegen den Köuig im Herzen trug: hatte er doch hauptsächlich seinen einflussreichen Bemühungen für Heinrich von Isny die frühere herbe Zurücksetzung zuzuschreiben! Die hatte er nicht vergessen, und er vergass sie auch jetzt nicht, obwohl der König gewiss eine Annäherung suchte. Dazu nöthigte ihn eine Reihe wichtiger Fragen, wie diejenige um die Nachfolge im Reiche, die bald darauf zur Entscheidung kommen sollte. W a s Rudolf aber auch versucht haben mag, — Gerhard wich jeder persönlichen Berührung aus. Zahlreiche Urkunden hat Rudolf in Erfurt ausgestellt: es ist gewiss kein Zufall, dass Gerhard nicht eine als Zeuge unterfertigt. Was aber die Situation am Meisten bezeichnet, was zugleich wohl annehmen lässt, dass die Feindschaft nur noch verschärft wurde, — Gerhard verliess Erfurt, als noch keiner der übrigen Fürsten an Aufbruch dachte. 1 Allerdings ist er doch noch einmal während des fast ein Jahr dauernden Aufenthaltes, den Rudolf zu Erfurt nahm, ans königliche Hoflager zurückgekehrt, aber, wie wir sehen werden, unter Umständen, welche die Annahme einer Gesinnungsänderung nicht eben begünstigen. Erfurt so schnell zu verlassen, mochte ihm neben der

1

Am 27. Januar urkundet G. in Battenburg, Würdtwein Dioec. Mog. III. 334. und am 30 d. Mts. wieder in Mainz. Die letztere Urkunde ist noch ungedruckt: ich verdanke die Kenntniss derselben Herrn Archivrath Will in Regensburg, der meiner Bitte, mir aus dem betreifenden Theile der Mainzer Regesten ungedruckte oder in seltneren Werken gedruckte Urkunden mitzutheilen, auf das Liebenswürdigste entsprach.

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Regelung mancher innerer Angelegenheiten auch die erneute Fehde mit Hessen und Braunschweig einen erwünschten Yorwand bieten.

Siegfried III. hatte nacli Heinrich Raspes Tode sämmtliche Lehen der Mainzer Kirche in Hessen und Thüringen für erledigt erklärt. Darüber war der Kampf mit dem neuen Landgrafen entbrannt. Für Zeiten hatte man sich wohl wieder vertragen, aber zu einem dauernden Frieden war es auch unter Siegfrieds Nachfolgern nicht gekommen. Zuletzt war es Erzbischof Heinrich erst durch Yermittlung König Rudolfs möglich geworden, sich der Uebergriffe des hessischen Landgrafen in die Besitzungen und Rechte der Mainzer Kirche zu erwehren. 1 Ebenso hatte er am 12. Februar 1287 zu Mühlhausen mit Braunschweig einen Compiomiss geschlossen. Es handelt sich auch hier um einen Streit schon sehr alten Datums; das vornehmste Objekt desselben war Schloss und Stadt Gieselwerder; man weiss aus der Reichsgeschichte, wie Erzbischof Gerhard I., ein Gefangener Albrechts des Grossen von Braunschweig, dem Grafen Richard von Cornwallis seine Wahlstimme zusagte, damit derselbe einen Theil der für seine Lösung bedungenen Summe zahle. Auch hier waren denn, wie in der hessischen Angelegenheit Verträge geschlossen und gebrochen worden. Eben jetzt wurde bestimmt, dass acht Schiedsrichter — darunter auch Gerhard, damals noch als Trierer Archidiakon und Mainzer Canonicus — auf dem in nächster Zeit zu Würzburg zusammentretenden Nationalconcil beider Fürsten Streitsachen entscheiden sollten. 2 Der tumultuarische Verlauf desselben liess es jedoch zu keinem Ausgleich kommen, und so erneuten sich, als Heinrich bereits im folgenden Jahre starb, die Streitigkeiten auf dieser, wie auf hessischer Seite. Und wie sich ganz von selbst verstand, hatten die gemeinsamen Gegner von Mainz unter sich gemeinsame Sache gemacht. 1 2

Böhmer Reg. Rud. 893. Guden I. 822. Schunk Cod. dip]. 125.

2

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Gerhard ging hier wie überall entschlossen vor. Mit den Waffen in der Hand trat er den Raubgelüsten Hessens entgegen, jedoch ohne besonderen Erfolg. Für einen Einfall in das feindliche Gebiet rächte sich der Landgraf, indem er die Mainzer Besitzungen verheerte und mehrere feste Plätze wegnahm. 1 Bei Wicher kam aber dann, ohne dass vorher ein entscheidender Schlag gefallen, ohne dass auch ein anderes Moment als Grund des plötzlichen Wechsels zu erkennen wäre, eine Einigung zu Stande, worin sich Beide zur gegenseitigen Erhaltung des Friedens ihrer Länder verbanden. Am 19. August 1290 wurde zwischen Naumburg und Wolfhagen auch Bischof Otto von Paderborn, wohl der Genosse Gerhards in dem eben beendigten Kampfe, als Bundesglied aufgenommen. 2 Gleichzeitig wurden auch mit Braunschweig, dem Verbündeten Hessens, Unterhandlungen eingeleitet. Noch während des Erfurter Reichstags, am 2. Juli 1290, führte die Vermittlung des Landgrafen Heinrich, der nun auch die Bundesgenossen mit dem eigenen ehemaligen Feinde versöhnen wollte, einen Vergleich zwischen dem Erzbischof und den Söhnen des verstorbenen Herzogs Albrecht des Grossen von Braunschweig herbei. 3 Hierin wurde festgesetzt, dass beiderseitig gewählte Schiedsrichter die schwebenden Streitfragen zum Austrag bringen sollten. Aber es blieb bei den Vorverhandlungen: ein wirkliches Resultat erzielte Gerhard wenigstens vorläufig und auf diesem Wege gegen Braunschweig nicht. Dagegen gelang es ihm noch im November desselben Jahres, den

1 Die Excerpta Chronici Riedeseliani hassiaoi ebenso wie die Supplemente zur Riedeselschen Chronik bei Kuchenbecker Analecta Hassiaca Coli. III. 12 und VI. 261 setzen diese Fehde ins Jahr 1293, aber man wird sie im Einklang mit den erhaltenen Urkunden hierher zurückdatiren müssen; denn Anfang 1293 schliesst Landgraf Heinrich, weit entfernt, in Streitigkeiten mit G. verwickelt zu sein, mit diesem sogar ein Bündniss gegen Braunschweig, Guden I. 868, nachdem ihm wenige Tage zuvor der Erzbischof die von Wiegand, gen. Fratz erkauften Lehen übertragen. Wenk Hess. Landesgesch. Urkdb. II. 233.

2 Würdtwein Dipl. Mag. I. 17. 3 Guden I. 840.

-

19



mächtigen Abt Heinrich von Fulda durch ein Bündniss enger an sein Interesse zu ketten. 1

Um dieselbe Zeit erfolgte die Wiederherstellung des rheinischen Bundes; es geschah auf Anregen des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg. W o h l von Keinem war der Wechsel in Mainz freudiger und hoffnungsvoller begrüsst worden, als vou Siegfried. Die Lage dieses kühn strebenden Fürsten, der neben dem Krummstab das Schwert aufs trefflichste zu führen verstand, hatte sich in den letzten Jahren immer ungünstiger gestaltet. Yon dem grossen Bunde, den die drei rheinischen Erzbischöfe auf sein Betreiben gleich im ersten J a h r e seiner Regierung auf einer Rheininsel bei "Vallendar zur gegenseitigen Wahrung ihres Interesses geschlossen, war er allein übriggeblieben: seine Mitverbündeten, W e r n e r von Mainz und Heinrich von Trier waren bald nacheinander gestorben. In beiden Territorien führten dann zwiespältige Wahlen zu längeren Sedisvacanzen, bis Papst Honorius I V . den Baseler Bischof Heinrich von Isny für Mainz bestimmte, während in Trier die herrenlose Zeit noch fortdauerte. Siegfried fand mit seinen, Rudolf allezeit feindseligen Bestrebungen bei dem neuen Mainzer Erzbischöfe, dem treuesten V e r fechter der königlichen Sache, natürlich keine Unterstützung; dazu hatte der unter so grossen Erwartungen begonnene niederrheinische Kampf für den Erzbischof höchst verhängnissvoll mit der Niederlage bei Woringen geendet. Der Erzbischof selbst gerieth in eine elfmonatliche Gefangenschaft, aus welcher ihn nur drückende Zugeständnisse befreiten. Da brachte der schnelle Tod Heinrichs von Isny in die wahrhaft verzweifelte Lage des Kölners eine Wendung, wie sie günstiger für ihn gar nicht gedacht werden konnte: dem königstreuen folgte ein königsfeindlicher Mann, unser Gerhard, und in ganz ähnlichem Sinne erhielt endlich auch der lang erledigte Stuhl von Trier einen neuen Erzbischof, in Boemund von Warnsberg. Die Erhebung Gerhards in Mainz

1

Würdtwein Dipl. Mag. I.

15.

2*



20



und Boemunds in Trier gab Siegfried die schon geschwundene Hoffnung auf Wiederherstellung des alten Bündnisses mit Einem Male zurück, und der unternehmende Prälat säumte auch keinen Augenblick, die beiden Neugewählten für seine Verschwörung zu gewinnen. Yon den Gesinnungen Gerhards war er so vollkommen überzeugt, dass er den Anschluss desselben als selbstverständlich annehmen mochte; es galt Trier zu bestimmen. So finden wir denn Siegfried, bald nach Boemunds Rückkehr von Rom, bei dessen Einzug in Trier anwesend, 1 und bereits am 10. März des folgenden Jahres (1290) traten die drei rheinischen Erzbischöfe zur Erneuerung des alten Bündnisses in Engers zusammen, 2 — der beste Beweis für den Eifer, mit dem Siegfried an der Realisirung seines Planes gearbeitet hatte. In dem Vertrag verpflichteten sich die Theilhaber eidlich zur gegenseitigen Hülfeleistung wider Jedermann, mit Ausnahme der römischen Kirche und des Reiches, — Rudolfs wird darin mit keiner Silbe gedacht: unverkennbar war die Spitze des Bundes gegen ihn und das den Ausschreitungen kurfürstlicher Willkür drohende Erstarken der königlichen Macht gerichtet. Gerhard und Boemund erfüllten alsbald die Bedingungen des neuen Bundes. Wir sehen sie zu Gunsten Siegfrieds gegen die Stadt Köln vorgehen. Man weiss, wie der Erzbischof von Köln im Jahre 1288 einer Coalition namentlich des Herzogs von Brabant und der Stadt Köln erlegen, wie er selbst in Gefangenschaft gerathen war und sich zuletzt nur durch Bedingungen nicht eben rühmlicher Art befreit hatte. Von den damals eingegangenen Eiden und Verpflichtungen hatte ihn aber Nikolaus IV., den er darum ersucht, am 19. Januar 1290 losgesprochen; am 31. desselben Monats forderte eine weitere Bulle die Erzbischöfe von Mainz und Trier auf, Siegfried in seinen früheren Besitz- und Rechtsstand zurückzuführen, die zum Nachtheil des Kölner Erzstiftes errichteten Burgen nötigenfalls mit gewaffneter Hand zu zerstören und die Widersetzlichen mit 1

Görz R e g g . d. Erzbb. von Trier. 57.

2

Lacomblet Nifiderrheinisehoa Urkundenbuph. II. 527.



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Exeommunication undlnterdict zu bestrafen. 1 Die Folgen dieser päpstlichen Bullen trafen nun die Stadt Köln, gegen welche sie wohl vornehmlich erwirkt waren. Auf Grund derselben auch wider Andere einzuschreiten, — eine derartige Absicht würde wohl die ganze Coalition neuerdings in Waffen gebracht haben. Nur umsomehr sollte Köln büssen! es sollte wegen der Verschwörung gegen seinen Herrn, wegen der Bekriegung desselben, wegen der Beraubung des Erzbisthums, wegen aller nur erdenklichen Schädigung einen vollgültigen Ersatz leisten. So liess denn der Mainzer mit dem Trierer an die Vertreter der Kölner Bürgerschaft kraft apostolischer Vollmacht die "Weisung ergehen, sich den 4. Juli in Bonn ihrem geistlichen Spruche zu stellen. Die Kölner mussten in den Händen solcher Schiedsrichter ihre Sache natürlich von vornherein verloren geben und schickten desshalb zu dem angesetzten Termin auch nur einen Stellvertreter, welcher jede Auskunft auf die an ihn gerichteten Fragen beharrlich verweigerte. Alsdann wurden sechsundzwanzig Belastungszeugen vernommen, und nachdem diese übereinstimmend zu Gunsten des Erzbischofs ihre Aussagen gemacht, verurtheilten Gerhard und Boemund die Stadt in contumaciam, unter Androhung des Kirchenbannes und anderer schweren Strafen, zum Ersatz des ihrem Erzbischof zugefügten Schadens, der auf 20,000 Mark Heller veranschlagt wurde. 2 Als erschwerendes Moment für die Stadt war von Siegfried ein eidlicher Revers vom 13. Juli 1287 eingebracht worden, welchen Gerhard noch am T a g e der Gerichtsverhandlungen beglaubigte. 3

» Lacomblet II. 523. Der ganze Hergang wird ausführlich geschildert in dem Entscheid der Erzbischöfe von Mainz und Trier. Lünig R . A. spicil. eccl. I. 388 ff. Ennen Gesch. d. Stadt Köln II. 252 ff. hat in seiner Darstellung auf dieses Schriftstück gar nicht Bezug genommen. Die Aussagen der Zeugen theilweise abgedruckt Lacomblet II. 531. 2

3 Lünig spicil. eccl. I. 387. Ennen Quellen zur Gesch. d. Stadt Köln III. 350. In dem angeführten Schiedsspruch heisst es darüber: quamquam ipsi cives per suas patentes littoras — - antea promiserint juramento super hoc ab ipsis praestito corporali, quod cum aliquo alio Domino quocunque con.jurationem, confpederationem aliquam facere



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Das Verfahreil gegen die Stadt Köln eröffnete die Thätigkeit des Triumvirats, scheint sie aber auch schon zu beschliessen. Wenigstens lassen sich keine anderen Spuren seiner Thätigkeit nachweisen. Der Bund bedeutete ja in erster Reihe den Kampf des kurfürstlichen Partikularismus gegen das königliche Interesse; aber wenn dieses eben jetzt einmal geschädigt wird, — die Schädigung ist derart, dass sie auch wohl ohne den Bund geschehen sein würde. Und wenigstens zuletzt steht einer der Bündner, der Erzbischof von Trier, gerade in der betreffenden Angelegenheit auf Seiten Rudolfs. Es handelt sich um die "Wahl von des Königs ältestem Sohne Albrecht. Noch in Erfurt hatte den König die Kunde getroffen, dass sein Sohn Rudolf plötzlich gestorben sei. 1 Diesen Zweitgeborenen hatte der Yater aber zum Erben seines Thrones ausersehen; über dessen Nachfolge war er auch schon mit den Kurfürsten nicht ohne Erfolg in Unterhandlungen getreten. Mit dem Tode desselben, der wie ein düsterer Schatten in das oft glänzende Gepränge des noch immer währenden Aufenthaltes zu Erfurt fällt, sah Rudolf seine langgenährten Wünsche und Hoffnungen gescheitert, er musste jetzt für den einzig überlebenden ältesten seiner Söhne, für Albrecht, die deutsche Königskrone zu gewinnen suchen. Gewiss hat er schon in Erfurt diesbezügliche Schritte gethan, wie denn auch das Eintreffen Albrechts zu dem Reichstage am 19. August 1290 damit in engsten Zusammenhang gebracht werden muss. Aber das stolze, herrische Auftreten und der reiche Landbesitz desselben setzten seiner Candidatur, trotz aller Bemühungen seines Yaters, die grössten Hindernisse entgegen; dem selbstsüchtigen Interesse der Kurfürsten entsprach es, einen möglichst schwachen, besitzlosen Herrscher an der Spitze zu sehen. Dazu kamen sehr zur Unzeit für Albrecht die Klagen, welche Erzbischof Rudolf

contra ipsum Dominum non deberent, prout in litteris exinde confectis sigillo commani civitatis Coloniensis sigillatis plenius vidimus contineri . . . Lünig 1. c. I. 390. » Böhmer R e g g . Kud. S. 147.

— 23

-

von Salzburg in Erfurt gegen ihn vorbrachte: sie konnten nicht verfehlen, die Bedenken der Wahlherrn gegen seine Person noch zu mehren. Es ist wohl nicht zufällig, dass wir während der Anwesenheit des Salzburgers auch Gerhard von Mainz noch einmal auf dem Reichstage begegnen. 1 Zweifelsohne haben sich Beide hier eng aneinander geschlossen und mit vereinten Kräften der Nachfolge Albrechts entgegengearbeitet. So ging der Erfurter Reichstag zu Ende, ohne dass König Rudolf irgend etwas bei den Kurfürsten erreicht hätte; von keinem derselben konnte er eine bindende Zusage für Albrecht erlangen. Einen grossen Theil der Schuld trug unzweifelhaft Gerhard. Seinem Unmuthe über ihn gab der König auch offenen Ausdruck, indem er bei seinem Weggang von Erfurt Gerlach von Breuberg zum Landfriedenshauptmann in Thüringen ernannte, 2 d. h. zu einer Würde, die Gerhards Yorgänger bekleidet hatte: dass dieselbe jetzt nicht auch ihm übertragen wurde, war eine nicht misszuverstehende Aeusserung der königlichen Missstimmung. Auf dem Hoftage zu Frankfurt im Mai des folgenden Jahres machte Rudolf im Vorgefühl seines baldigen Todes noch einen letzten Yersuch, die Kurfürsten für die Nachfolge seines Sohnes zu gewinnen. Es ist nicht bestimmt, welche von den weltlichen Wählern sich eingefunden; dagegen wird die Anwesenheit der drei rheinischen Erzbischöfe ausdrücklich erwähnt. 3 Aber der König drang bei einem Theil der Wahlherren nicht durch, 4 und nach längerem nutzlosem Hin- und Herreden ging die Versammlung ohne Resultat wieder auseinander. Vielleicht war nur der Trierer gewonnen worden: wenigstens finden sich nur für ihn einige 1 Am 5. Juni stellt G. in Erfurt mit 4 anderen Bischöfen dor Domkirche in Salzburg Ablässe auf verschiedene Festtage aus. Mittheilungen der Gesellschaft für Salzb. Landeskunde. Jahrg. 1870. 143. Nach Will. 2 Chr. Samp. Geschtsquellen d. Prov. Sachsen I. 126. s Chr. Samp. I. 129. • Chr. Samp. 1. c. - Ann. brev. Worm. M. G. XVII. 78. - Ann. Colm. major. M. G. XVII. 218.



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Privilegien aus der Zeit des Frankfurter Reichstages; Rudolf redet da sogar von Boemunds „reiner Treue". Doch eines bisher nicht beachteten Umstandes, der zu der Annahme veranlassen könnte, auch unser Erzbischof habe sich nun doch dem Könige weniger feindlich gezeigt, muss hier Erwähnung geschehen. Bevor Rudolf in Frankfurt einritt, am 19. Mai, finden wir ihn in Mainz, und ebendort verweilte er am 2. und 4. Juni, unmittelbar nach dem Frankfurter Hofe. 1 Mag es sich das erste Mal nur darum gehandelt haben, den Erzbischof umzustimmen, — sollte Rudolf abermals nach Mainz gekommen sein, wenn nicht eine Annäherung stattgefunden hätte? Oder ist Rudolf etwa ohne den Erzbischof in Mainz gewesen? Jedenfalls hat Gerhard am 30. Mai, also zwei Tage bevor Rudolf das zweite Mal kam, in seiner Residenz geweilt. 2 Eine sichere Deutung wird sich schwerlich geben lassen; ich begnüge mich mit der Hervorhebung der Thatsachen, und meine im übrigen nur behaupten zu dürfen, dass Gerhard im Ernste gewiss nicht auf die Candidatur eines Mannes wie Albrecht eingegangen sei. Wenige Wochen nach dem Frankfurter Tage, am 15. Juli 1291, starb der König, und der Schmerz über die trüben Erfahrungen der letzten Jahre, nicht die Hoffnung auf Erfüllung seines Lieblingswunsches folgten ihm ins Grab. Alsbald traten die Sonderinteressen der einzelnen Fürsten ungescheut hervor und vernichteten in kurzer Zeit wieder, was Rudolf in jahrelangem Ringen mühsam erreicht. » Böhmer Regg. Rud. 1113. 1114. 1125-1130. Würdtwein Dioec. Mog. III. 335.

2

II.

D I E ZEIT KÖNIG ADOLFS.

So verdienstvoll die Regierung Rudolfs von Habsburg auch in mancher Hinsicht, besonders für die Wiederherstellung des Landfriedens gewesen war, so wenig hatte sie doch alle Schäden heilen können, welche die Stürme des Interregnum über Deutschland gebracht hatten. Aber auch der thatkräftigste Herrscher hätte eine solche Aufgabe nicht ganz zu bewältigen vermocht, selbst dann nicht, wenn er in seinen Entschliessungen weniger von dem Interesse des eigenen Hauses bestimmt worden wäre, als Rudolf. In ängstlicher Yorsicht hatte er die wichtigsten Fragen der inneren Verwaltung unentschieden gelassen, weil eine durchgreifende Reform nothwendig auf die ernstesten Schwierigkeiten bei den Grossen des Reiches stossen musste, zumal bei den Kurfürsten, deren Beistand ihm doch zur Realisirung seiner specifisch habsburgischen Politik unerlässlich war. Wir haben gesehen, wie Rudolf das Endziel langjähriger Bestrebungen, die Nachfolge seines Geschlechtes auf dem deutschen Throne, nicht erreichte. Nach Rudolfs Tode hatte sein Sohn Albrecht natürlich noch weniger Aussicht, die Königskrone zu erlangen. Jetzt, wo es dem Heimgegangenen einen Nachfolger zu bestimmen galt, war Jeder darauf bedacht, sich möglichst weitgehende Concessionen von dem neuen Thronkandidaten machen zu lassen. 1 Vor allen Mainz 1

Für die Wahlvorgänge überhaupt vgl. Droysen Albrechta mühungen um die Nachfolge im Reich. 1862. — Ennen Die Wahl Königs Adolf von Nassau. 1866. — Preger Albrecht von Oestreich Adolf vpn Nassau. 1869. — Lorenz Ueber die Wahl des Königs Adolf

Bedes und von



26



und Köln stellten an denselben die schamlosesten Forderungen. Nicht nur die während des Interregnum usurpirten Rechte suchten sie sich durch Brief und Siegel für ewige Zeiten zu sichern: sie wollten den zukünftigen Träger der Krone überhaupt in vollständiger Abhängigkeit von sich erhalten. Beide gehörten desshalb auch von vornherein zu den entschiedensten Gegnern der habsburgischen Succession: 1 einmal, weil ihnen der stolze Oestreicher nicht der geeignete Mann schien, sich ihren Wünschen und Interessen bereitwillig zu fügen, dann weil sie durch directe Uebertragung der Krone von Vater auf Sohn nicht den Grund zur allmähligen Entwicklung einer deutschen Erbmonarchie legen wollten. Sie mussten sich für ihre Zwecke nach einem tauglicheren Candidaten umsehen und ausserdem darauf bedacht sein, der habsburgischen Agitation entgegenzuarbeiten. Diese hatte in dem rheinischen Pfalzgrafen Ludwig einen warmen Anwalt: auch Erzbischof Boemund von Trier war anfänglich wenigstens der Nachfolge Albrechts nicht abgeneigt. 2 Wenzel von Böhmen sodann verlangte allerdings die östreichischen Herztgthümer, 3 Nassau. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissensch. Bd. 55. S. 195 ff. — Schmid Die Wahl des Grafen Adolf von Nassau zum römischen Könige. 1870. — Schliephake Gesch. von Nassau. II. 297 ff. 1 Der steirische Reimchronist und Johann von Yictring erzählen, G. sei vorübergehend für Albrecht gewesen. Dieser Ueberlieferung schliessen sich von neueren Darstellern Droysen 8 und Schliephake II. 365 an, doch scheinen mir ihre Gründe nicht stichhaltig. Die Verhandlungen zwischen G. und Albrecht, welche nach J . von Victring durch Eberhard von Katzenellenbogen geführt wurden, müssten in den Februar und März 1292 fallen; denn um diese Zeit lässt sich Eberhard allerdings am Hofe Albrechts urkundlich nachweisen. Dem widerspricht aber die antihabsburgische Stellung Gerhards schon zu Ende 1291, wie sie zur Genüge aus der Ladung des Pfalzgrafen vom 7. December erhellt, die offenbar im Gegensatze zu Mainz erlassen wurde. Schon der Umstand, dass Beide das Berufungsrecht für sich beanspruchen, widerlegt die Ansicht Droysens 16, Ludwigs Ausschreiben habe auf einer ungefähren Verabredung Beider beruht. Vgl. Lorenz 212. Preger 17. Ennen 11. Schmid 16. 2

Gesta Trevirorum ed Wyttenbach et Müller II. 149. Vgl. hierfür auch die dem Trierer zu Frankfurt noch von Rudolf ertheilten Privilegien. Böhmer Regg. Rud. 1118—1120. 1124. 3 Preger 9. 50.



27



aber auch durch geringere Concessionen mochte ihn A l b r e c h t immer

noch

Sachsens

für

sich zu gewinnen hoffen.

und B r a n d e n b u r g s

Die Stimmung

dürfte fürs Erste noch zweifel-

haft g e w e s e n sein. So lagen die Dinge, als G e r h a r d von Mainz am 7. S e p tember 1 2 9 1

den B ö h m e n k ö n i g und wohl

übrigen K u r f ü r s t e n

"Wahltage nach F r a n k f u r t beschied. 1 Kundgebung

liefen

ebenso auch die

auf den 2. Mai kommenden J a h r e s zum vermuthlich

Neben dieser officiellen

nähere

Mittheilungen

ver-

traulicher A r t h e r : sie w e r d e n dazu beigetragen haben, dass eine Zusammenkunft, welche L u d w i g bei R h e i n mit W e n z e l A n f a n g October in E g e r hatte, um den Böhmen f ü r A l b r e c h t zu gewinnen, ohne E r f o l g b l i e b . 2

Damals

w a r e n also V e r -

handlungen mit den G e g n e r n A l b r e c h t s schon im Gange, nur lässt sich nicht entscheiden, ob dieselben durch G e r h a r d gef ü h r t w u r d e n oder durch Böhmens.3

den K ö l n e r ,

Gewiss unter Y o r w i s s e n

einen

alten

Freund

seiner rheinischen Col-

legen t r a t W e n z e l dann seinerseits mit Sachsen und B r a n d e n b u r g in U n t e r h a n d l u n g e n , und zwar mit dem besten E r f o l g e : Ende November

schlössen sie den Zittauer V e r t r a g , 4 worin

1 Urkunde Gerhards dd. Neuenhaus 7. Sept. 1291. Hagecius Böhmische Chronika 472. Nach dieser bereits aus dem J a h r e 1541 stammenden Publikation auch von Goldast Politische Reichshände] 2 und Commentatio de regno Bohemiae II. 190 edirt. Damit ist der Verdacht Böhmers Rss. 163 widerlegt, dass Goldast gefälscht habe. — Sommersberg Scriptor. rer. Siles. I. 947 hat zuerst den latein. Originaltext mitgetheilt, und zwar mit anderem Ort u. Datum. (Noricum VII. id. Novemb.) Trotzdem möchte ich bis zu einer besseren Veröffentlichung dieses Schriftstücks vorläufig noch an den älteren Angaben festhalten, da wenigstens der Ausstellort bei H. u. G. sehr wohl zu Gerhards übrigem Itinerar stimmt, nicht aber das von S. mitgetheilte Noricum. 2 Preger 16. 3 Für die letztere Annahme spricht der eingeschobene Passus der Wahlcapitulation Adolfs mit Köln vom 26. April, wo es heisst, der Graf werde mit den zum Reiche gehörigen Herzogtümern Oestreich und Limburg ohne die ausdrückliche Zustimmung des Erzbisehofs Keinen belehnen oder anderweit über dieselben verfügen. Bnnen 63. Schmid 27. • Urkunde Albrechts von Sachsen dd. Zittau 29. November 1291. b. Riedel Cod. dipl. Brandenbg. II*. 199; die des Brandenburgers ist vollständig gedruckt b. Voigt Das Formelbuch des Heinr. Italus 50. Dass beide chronologisch zusammengehören, sieht man aus der Ver-



28

-

sich beide Kurfürsten verpflichteten, bei der Neuwahl ebenso wie Böhmen stimmen zu wollen. Dadurch erhielt Letzteres für die Wahlvorgänge eine geradezu ausschlaggebende Bedeutung. Aber Pfalzgraf Ludwig liess sich durch seinen ersten misslungenen Versuch in E g e r nicht abschrecken, weiter für Albrecht zu agitiren. Am 7. December 1291 erliess auch er ein Wahlausschreiben, das den 25. April des nächsten Jahres als Wahltermin ansetzte, 1 und noch am 13. April 1292, als sich Böhmen doch gewiss längst gegen Albrecht entschieden, hatte er die Hoffnung auf die Stimmen der weltlichen Kurfürsten, d. h. also besonders auch auf den Beitritt Wenzels, nicht aufgegeben. 2 Damals versprach er nämlich dem Herzoge von Oestreich, allen Fleiss zur Gewinnung seiner Collegen vom Laienstande aufwenden zu wollen. Diese Unkenntniss des factischen Thatbestandes zeigt, mit welcher Vorsicht die Verhandlungen zwischen Mainz und Köln einer- und Böhmen andererseits geführt wurden; der Pfalzgraf scheint nur zu wissen, dass Trier damals schon für die antihabsburgische Sache gewonnen w a r : 3 er redet eben nur von der Gewinnung der weltlichen Kurfürsten. Inzwischen war der Erzbischof nach Kräften bemüht gewesen, seine Position im Reiche zu verstärken, auch wohl sich für die Eventualität eines Kampfes zu rüsten. So verpflichtete er sich am 13. September 1291 die Reichsburgmannen von Friedberg durch einen leiblichen Eid, bis nach erfolgter Königswahl ihm treu und gehorsam zu sein. 4 Dann verstärkte er die Besatzung der Mainzer B u r g e n : 5 er war gewappnet, was da kommen mochte. pflichtung, die in der zweiten der Brandenburger gegen den Austeller der ersten, den Sachsen übernimmt.

Das gegen Lorenz Wahl 225 u.

Böhmer Rss. 164. 166. 1

Böhmer Rss.

167.

Den hier ausgesprochenen Zweifel an der

Echtheit hat Böhmers Addit. secund. S. X X X I X zurückgenommen. Vgl. dazu oben S. 27, Anm. 1. 2

Böhmer Rss. 171.

» Lorenz 213. • Mader Burg Friedberg I. 73. 5

Vgl

die drei Reverse

Pipl. Mog. I. 23 ff.

vom 28. Februar 1292 bei Würdtwein



29

-

W a n n sich Gerhards Parteigenossen über die Candidatur des nassauischen Grafen einigten, wann die Verhandlungen mit demselben eingeleitet w u r d e n , 1 lässt sich nicht ermitteln. Hur beweisen verschiedene P u n k t e der umfangreichen Zugeständnisse, welche Adolf den Kurfürsten nach seiner E r hebung verbriefte, dass die vorhergegangenen Wahlcapitulationen nicht das W e r k weniger Tage, vielmehr erst die Frucht eines längeren, diplomatisch regen Verkehrs mit den einzelnen Theilhabern, besonders auch mit Böhmen w a r e n . 2 Siegfried von Köln wird also wohl spätestens im Anfang des Jahres 1292 den Nassauer als passenden Kroncandidaten in Vorschlag gebracht haben; denn dass er und nicht der Mainzer zuerst auf Adolf hingewiesen, hat neuere Forschung zur Evidenz erhoben. 3 Ob Gerhard nun den Nassauer sofort willkommen hiess? — Leider fehlt jeder Anhalt zur Beantwortung der aufgworfenen F r a g e , zumal frühere Beziehungen des Erzbischofs zu Adolf sich nicht nachweisen lassen; nur soviel ist gewiss, dass er sich enorme Vergütungen für seine Stimme ausbedungen hat und auch vor der W a h l noch verbriefen liess. Freilich haben sich für Gerhard nur Urkunden aus den der W a h l folgenden Zeiten erhalten. Aber für den Erzbischof von Köln haben wir Urkunden sowohl vor, als nach der W a h l , und es stellt sich heraus, dass die einzelnen P u n k t e des vor der W a h l geschlossenen P a k t e s ganz genau denen des nach der W a h l geschlossenen entsprechen. 4 Hier wird man nun gewiss nach Analogie schliessen dürfen : auch die uns vorliegenden Bewilligungen, die Mainz und natürlich ebenso Trier nach der W a h l erhalten h a b e n , ent1

Bodmann R h e i n g a u i s c h e Altertbümer 547 will wissen. G. habe

durch seinen Vertrauten, den R h e i n g a u e r Y i z d o m L u d w i g von Idstein mit Adolf u n t e r h a n d e l t ,

bringt

aber k e i n e n weiteren B e l e g für seine

A n g a b e bei. - Schon der Heirathsvertrag, den A d o l f nach seiner K r ö n u n g mit Böhmen

abschliesst,

voraus

Guden I. 859. 3

setzt längere

Unterhandlungen

E n n e n G3.

* Vgl. die U r k u n d e n bei E n n e n 56. 63. 65

zwischen Beiden



30

-

sprechen den verlorenen, vor der Wahl von Adolf übernommenen Verpflichtungen. Wenigstens im Allgemeinen. Ob Adolf jeden einzelnen der vielen Gunstbeweise, worüber er unserem Erzbischofe nach der Wahl verschiedene Urkunden ausstellte, schon vor der Wahl zugesichert hat, ob er nicht vielmehr manche Gabe, durch den Erzbischof überredet oder in Anbetracht seiner Dienste, erst später hinzufügte, mag dahin gesteint bleiben. Beim Erzbischof von Köln liegt die Sache insofern einfacher, als er weniger erhielt; wenigstens erfolgten die Schenkungen nicht in mehreren Urkunden; 1 auch hat der Kölner dem neuen König nicht unmittelbar nach der W a h l so dankenswerthe Dienste geleistet, wie wir es von Gerhard hören werden. W i e aber auch immer, — die wesentlichsten Vergünstigungen Hess Gerhard sich gewiss schon vor der W a h l verbriefen. Ich werde an der Stelle, wo die Daten der uns erhaltenen Ueberlieferung einsetzen, auf die Einzelheiten zurückkommen; hier genüge die Bemerkung, dass Gerhard geradezu Halsabschneiderei trieb, dass er verlangte: resoluten Besitz und nutzbare Rechte, namentlich auch Rechte, die seiner politischen Stellung als Erzkanzler erst recht Bedeutung geben sollten.

Der 2. Mai des Jahres 1292 war gekommen, ohne dass sich auch nur einer von den Kurfürsten auf des Pfalzgrafen Einladung am 25. April in Frankfurt eingefunden hätte. Damit war Albrechts Sache schon verloren. Auf das Ausschreiben Gerhards dagegen waren bereits am vorhergehenden Tage fünf Kurfürsten in Person mit grossem Gefolge erschienen: die drei rheinischen Eizbischöfe, Albrecht von Sachsen und Otto von Brandenburg. Pfalzgraf Ludwig hielt sich fürs E i s t e noch grollend der Wahlstadt fern, während Wenzel von Böhmen durch vier Bevollmächtigte vertreten war, 2 ' Die nach der W a h l a u s g e s t e l l t e n Urkunden für Mainz datiren vom 1. bis '¿8. J u l i ; für Köln haben wir nur die U r k u n d e vom 13. September

1292. 2

tores rer

V g l . G e r h a r d s U r k u n d e vom 10. Mai 1292. S o m m e r s b e r g S e r i p Siles. I. 9 4 6 .



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an deren Spitze der staatsgewandte Propst Bernhard von Meissen, der damalige Leiter der böhmischen Politik stand. Sie sollten die Abwesenheit ihres Herrn entschuldigen und die Unterhandlungen zum Abschluss bringen. Desshalb, und weil Gerhard auch noch den Pfalzgrafen zu gewinnen dachte, schob er im Einverständisse mit seinen Mitkurfürsten die Entscheidung vom 2. Mai, einem F r e i t a g , bis zum nächsten Montag hinaus. 1 D i e so gewonnene Zeit wusste er für seine Zwecke aufs Trefflichste auszubeuten. Nicht nur vermochte er die böhmischen Gesandten, ihm die Stimme ihres Künigs zu übertragen, 2 d. h. ausser dem böhmischen noch das Wahlrecht des B r a n d e n b u r g e r s und Sachsen, — aucli Köln und Trier cornpromittirten auf ihn, und Pfalzgraf L u d w i g , da er wohl einsehen mochte, dass seine W e i g e r u n g nur das Signal zu einem für Deutschland verderblichen K a m p f e sein werde, liess sich zuletzt doch noch herbei, in die E r h e b u n g seines Cauber Burgmanns einzuwilligen: am Vorabend des Wahltages ritt er ohne j e d e s Aufsehen in die Stadt e i n . 3 J e t z t hatte Gerhard gewonnenes Spiel. Um jedoch vollkommen sicher zu gehen, liess er sich noch in letzter Stunde durch eine Handveste die Ernennung des neuen K ö n i g s von den Kurfürsten urkundlich übertragen. Trotzdem mochte er Unruhen befürchten; denn neben seinem und der übrigen W a h l herren zahlreichen G e f o l g e brachte er in der dem entscheidenden T a g e vorhergehenden Nacht noch zweihundert B e waffnete in die Stadt und versicherte sich ausserdem für den Nothfall der F r a n k f u r t e r B ü r g e r s c h a f t . 4

1

qni terminus u s q u e a d s e c u n d a m f e r i a m post festum dictorum

A p o s t o l o r u m a nobis et comprincipibus nostris extitit p r o r o g a t u s

Som-

m e r s b e r g 1. c. 2 3

S o m m e r s b e r g I. 947. L o r e n z 231. — U e b e r

die S t e l l u n g des P f a l z g r a f e n zu Ailolfs

W a h l b r i n g e n die Chroniken g a n z g e g e n t e i l i g e Berichte.

Doch wird

seine Zustimmung

dass Adolf

dadurch

sehr wahrscheinlich

gemacht,

a l s b a l d nach seiner E r h e b u n g ein P r i v i l e g f ü r L u d w i g ausstellt. mer R e g g . Ad. 6. 4 Ottocar c. 545.

Böh-



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Am Morgen des 5. Mai traten die Kurfürsten in der Dominikanerkirche zusammen, wo sich ausser vielen Rittern und Grafen bereits eine grosse Volksmenge eingefunden hatte. Die Letzteren alle sahen der nahen Entscheidung mit um so grösserer Spannung entgegen, je weiter die Yermuthungen und Wünsche der Einzelnen über die Person des zukünftigen Königs auseinandergingen. Nachdem die böhmischen Gesandten sich noch einmal als Bevollmächtigte ihres Herrn öffentlich legitimirt und dessen Ausbleiben entschuldigt hatten, wurde die Handveste über die Abtretung sämmtlicher Stimmen an Mainz verlesen. Dann erhob sich Gerhard und hielt eine Ansprache an die Versammlung. W e n n der steirische Reimchronist einen wahrheitsgemässen Bericht erstattet, dann wollte Gerhard die W a h l nicht als vor langer H a n d vorbereitet, sondern als spontane Eingebung des hl. Geistes erscheinen lassen. Demnach gedenkt er der eigenen und seiner Mitkurfürsten treuer Sorge um die Wohlfahrt des Reiches, und wie er selbst in der Messe zum heiligen Geist gebetet, auf dass dieser in seiner Gnade ihm den bezeichne, welcher am tauglichsten sei, der hohen E h r e gewürdigt zu werden. Nun habe er einen Mann ausersehen, ehrbar und tüchtig, das Reich vor allem Argen zu bewahren: er ernenne im Namen der heiligen Dreifaltigkeit den unter ihnen anwesenden Grafen Adolf von Nassau zum römischen König. — Und alsbald stimmte er das übliche Tedeum an, in welches der versammelte Klerus bereitwillig einfiel. 1 Damit war die Ceremonie beendet. Gerhard hatte die lange vorbereitete und doch für Jedermann mit Ausnahme der Kurfürsten ganz unerwartete Proclamation des Nassauers vollzogen und so den Bann der Ungewissheit gelöst, der zehn bange Monate hindurch auf den deutschen Landen gelastet. — Unter Vorbereitungen für die Krönungsfeierlichkeiten und Verhandlungen mit Herzog Albrecht, 2 in dessen Händen 1 2

Ottocar c. 547. Ottocar c. 549.

Von der Erzählung fies Reimchronisten wird



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sich noch die Reichsinsignien befanden, ging der Mai und der grösste Theil des Juni dahin. Während dieser ganzen Zeit blieb Gerhard vermuthlich in Adolfs Nähe, denselben in seiner neuen, noch keineswegs angenehmen Stellung mit Rath und That unterstützend und ihm über manche Yerlegenheiten glücklich hinweghelfend; 1 dabei wird der schlaue Prälat seine eigenen Interessen natürlich nicht hintan gesetzt haben. Vor allem war die finanzielle Nothlage des Neugewählten ein geeignetes Moment, denselben noch abhängiger von sich zu machen, als es durch die "Wahlkapitulation bereits geschehen war. Als die Frankfurter für ihre Unkosten bei der Wahl Ersatz von Adolf verlangten, und der Yersuch, zu diesem Zwecke eine Judensteuer zu erheben, an der Weigerung des Frankfurter Schultheissen gescheitert war, wandte sich der arme König in seiner Bedrängniss an Gerhard, der dann auch eine Anzahl Burgen und Dörfer seines Stiftes im Betrage von 20 000 Mark für ihn zum Pfand setzte. 2 Wenige Tage später als der Ehevertrag Adolfs mit Wenzel von Böhmen abgeschlossen wurde, fand Gerhard sich bereit, die Pfandschaft noch um einige weitere Besitzungen der Mainzer Kirche zu vermehren. 3 Dass die Yerbriefungen, welche sich Gerhard hierfür von dem Könige ausbedang, die geleistete Hülfe mit reichen Zinsen vergalten, steht ausser jedem Zweifel. Am 24. Juni nung Adolfs und bischof von Köln fürsten und dem

1292 wurde zu Aachen die feierliche seiner Gemahlin Imagina durch den vollzogen. 4 Ausser den geistlichen Markgrafen Otto von Brandenburg

KröErzKurhatte

aber nur die einfache T h a t s a c h e b e s t e h e n bleiben, dass unmittelbar nach A d o l f s W a h l V e r h a n d l u n g e n mit Albreclit e i n g e l e i t e t wurden, von dessen H a l t u n g zunächst sehr viel abhing. Alle näheren Details, bes o n d e r s auch über G. sind als tendenziös habsburgiseh zu verwerfen. 1

D i g n a r e c o l e n t e s animadversionc, quanta efficacia et fidei p u n tate Nobis astiterit Y e n e r a b i l i s Gerii. A. M. — — nos ad r e g a l e promovendo fastigium et promotos in ipso firmando. U r k u n d e A d o l f s dd. B o n n 5. Juli 129*2. L ü n i g X Y I . 44. 2 Chr. Colmar. M. Cr. X V I I . 257. » U r k u n d f A d o l f s dd. A a c h e n 30. Juni 1292. 4

Guden I. 859.

U e b e r d ( n K r ö n u n g s t a g s. Schliepliake II. 3 8 0 A n m .

3



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sich noch eine glänzende Versammlung von Grossen des Reichs in der Krönungsstadt eingefunden, um dem neuen Könige zu huldigen und von ihm die Belehnung zu empfangen. Jetzt hielt es Gerhard an der Zeit, den nunmehr gekrönten König an die Erneuerung der Wahlkapitulation zu mahnen: Adolf sollte als König bestätigen, was er als Candidat bewilligt hatte; vielleicht auch sollte er in Anbetracht der ihm inzwischen geleisteten Dienste neue Gaben hinzufügen. Und es gelang dem Erzbischofe auch, schon während der Festlichkeiten zwölf wichtige Verbriefungen, denen sich in der Folge noch eine ganze Reihe der weitgehendsten Zusagen anschloss, von dem Könige zu erwirken. 1 Bei diesan vielen Privilegien Adolfs für Mainz tritt zunächst in den Vordergrund „die Bestätigung der erzkanzlerischen Würde im ganzen Umfang aller damit verbundenen Rechte, Ehren und Freiheiten". 2 Gewiss stand diese höchst wichtige Verbriefung in erster Linie unter den Bedingungen, welche Gerhard an seine Stimme vor der Wahl geknüpft hatte. Denn dadurch erlangte er, wie wir aus einer entsprechenden, „die Rechte, Ehren und Freiheiten" schärfer umgränzenden Urkunde König Albrechts erfahren, 3 ausser dem Zehnten aller Judeneinkünfte des Reichs und den nicht unwesentlichen Kanzleigefällen — ganz besonders das Recht, den königlichen Kanzler zu ernennen. Gerhard machte von der neuen Befugniss auch sofort Gebrauch, indem er seinem Vertrauten Ebernand von Offenbach die Leitung der königlichen Kanzlei übertrug. 4 Waren schon die materiellen Vortheile der Zusage bedeutend, so treten sie doch vollständig zurück hinter den massgebenden Einfluss, welchen der Erzbischof auf den Gang der Reichsgeschäfte gewann, wenn ihm das Recht eingeräumt » Urkunde Adolfs dd. Aachen 1. Juli 1292. Guden I. 861. Böhmer Regg. Ad. 10. 2 Urkunde Ad. dd. Bonn 5. Juli 1292. Lünig XVI. 44. 3 Lünig XVI. 45. * Guden-1. 884. — In einer Urkunde Adolfs vom 23. Aug. 1292 begegnet uns schon: Ebernandus scolast. Aschaff. aule nostre prot. Lncomblet II. 412 Anm.



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wurde, den ersten Minister des Königs zu bestimmen. W a r daan nicht anzunehmen, dass dieser den "Winken seines Gönners bereitwillig folgte und ihm über die Yorgänge in der königlichen Kanzlei jederzeit getreulich Bericht erstattete? So konnte das Erzkanzleramt eine höchst unliebsame Controle ausüben; es erhielt eine politische Bedeutung von grossester Tragweite, während es bis dahin blos ein leerer Name gewesen war. Rudolf von Habsburg wenigstens hatte, unabhängig vom Erzkanzleramte, Rudolf von Hoheneck zu seinem Hofkanzler ernannt und nach dessen Erhebung auf den Salzburger Stuhl Heinrich von Klingenberg als Protonotar mit der Führung der Reichsgeschäfte betraut. 1 In diesem Zusammenhange erklärt es sich auch, wenn der Erzbischof weiter verlangte, Adolf solle ohne seine Zustimmung den Magister Heinrich von Klingenberg nicht unter seine Räthe und an seinen Hof aufnehmen. 2 Wie ich gleich anschliessen will, erhielt Gerhard dieselbe Zusage betreffs Ulrich von Hanau : diesem feindlichen Nachbar des Erzstiftes war das Grafengericht über den Bachgau, 3 das der Erzbischof jetzt für die Mainzer Kirche beanspruchte, von König Rudolf zugewiesen worden. Gerade die beiden genannten Männer musste Gerhard seinen selbstsüchtigen Absichten gegenüber für ganz besonders gefährlich halten: die nämliche Zusage liess er sich für Beide wiederholt verbriefen. 4 Weiter verpflichtete sich Adolf, den Erzbischof in seinen thüringischen Interessen zu unterstützen. — Wir haben schon früher gehört, dass König Rudolf bei seinem Weggang aus Thüringen dem Freien Gerlach von Breuberg die durch Erzbischof Heinrichs Tod erledigte Stelle eines Landfriedenshauptmanns übertragen hatte. 5 Aber auch Gerhard möchte schon früher, als Nachfolger Heinrichs auf dem erzbischöflichen Stuhle und Erbe seiner Aemter und Würden, darauf Anspruch

1 2 3

Lorenz "Wahl 207 ff. Böhmer R e g g . Ad. 10.

Steiner A l t e r t h ü m e r u. Gesell, des Bacligaucs. I • Böhmer 1. c. 20. Siehe oben S. 23, Anm. 2.

87.

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erhoben haben, doch vergebens. Jetzt sollte ihm Adolf zum ersehnten Ziele verhelfen. Dieser ernannte denn auch den Erzbischof „in unbegrenztem Vertrauen auf seine erprobte Tüchtigkeit" — wie es in der Urkunde heisst 1 — zu seinem und des Reichs Yicar in Thüringen. Am 15. Juli 1292 forderte er demnach alle Einwohner der thüringischen Lande, Fürsten und Städte auf, den Anordnungen seines Statthalters zu folgen und ihn bei der Aufrechthaltung des Landfriedens zu unterstützen. Schon vorher hatte der König die thüringischen Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen dem Erzbischof übertragen und ihm die dortigen Bürger zu Treue und Gehorsam verpflichtet. 2 In zweiter Linie suchte Gerhard durch die Erhebung Adolfs der Mainzer Kirche alle früheren, theilweise nicht genügend verbürgten Privilegien und zweifelhaften Ansprüche durch neue Yerbriefuugen zu sichern und daneben weitere Yortheile für dieselbe zu erwirken. Desshalb liess er sich von dem Könige nicht nur wiederholt alle von dessen Vorgängern dem Mainzer Stuhle verliehenen Privilegien insgesammt bestätigen: 3 Adolf musste ihm noch besonders die grossen Vergünstigungen Friedrichs II. für die geistlichen Kurfürsten vom Jahre 1220 aufs Neue verbriefen 4 und ferner versichern, die geistliche Gerichtsbarkeit des Erzstifts in keiner "Weise anzutasten, auch nicht zu gestatten, dass ein Geistlicher der Mainzer Diöcese vor ein weltliches Gericht gezogen werde, — er wolle vielmehr den Clerus in all' seinen Freiheiten und Rechten schützen und demselben Burgen und Liegenschaften oder sonstige Güter, welche er bis dahin friedlich besessen, nun und nimmer entziehen, es sei denn auf dem Rechtswege. Damit im Zusammenhang verpflichtete der König sich weiter, die Stadt Seligenstadt und die Graf-

4

Preger 51. Böhmer R e g g . Ad. 10. — Herquet Urkundenbuch der Stadt Mühlhausen. 164. Ein gleiches Schreiben erging gewiss auch an Nordhausen. 3 Böhmer 1. c. 10. 19. 62. • Böhmer 61. 2



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schaft Bachgau, die Gerhards Behauptung zufolge der Mainzer Kirche gehörten, König Rudolf aber nach Werners Tode als erledigtes Reichslehen eingezogen hatte, wieder an das Erzstift zu bringen und den Erzbischof im ungestörten Besitz derselben zu erhalten und zu schützen: für die Wichtigkeit, welche Gerhard dieser Schenkung beilegte, ist es sehr bezeichnend, dass er sich dieselbe an dem nämlichen Tage zweimal verbriefen Hess. 1 Ferner wurde bestimmt, dass der Zoll zu Boppard auf ewige Zeiten bei Mainz verbleiben solle, und Adolf versprach ausserdem noch, sich bei den Reichsfürsten für die Ueberführung desselben nach dem gelegeneren Lahnstein verwenden zu wollen. Auch die von Gerlach von Breuberg an Mainz verpfändete Reichsburg Ballenhausen werde er nur gegen Entrichtnng von 1000 Mark Silbers wieder einlösen ; und sechs beliebigen Ortschaften des Erzstifts, die ihm Gerhard benennen würde, wolle er Stadtrechte verleihen. 2 Ausser diesen allgemeineren Privilegien gestand ihm der König noch eine Reihe persönlicher Vergünstigungen zu. Dabei nahmen die Geldzahlungen nicht die letzte Stelle ein. Adolf musste versprechen, die sämmtlichen Schulden des Erzbischofs am römischen Hofe und Alles, was damit im Zusammenhang stehe, zu tilgen, auch die Auslagen vor, nach und während der W a h l in Frankfurt nebst Zinsen zurückzuerstatten. F e r n e r solle die Vogtei in Lahnstein dem Erzbischof auf Lebenszeit überlassen bleiben. Gerhards Neffen, Siegfried von Eppenstein, versprach Adolf zum Burgmann in Friedberg zu ernennen und ihm zwölf Mansen in der Ockstädter Mark als Burglehen zu überweisen. 3 Auch für die Möglichkeit eines Zerwürfnisses mit dem Könige, die er schon damals ins Auge fasste, traf der umsichtige Mann seine Vorkehrungen. — Adolf musste ihm desshalb die für die Reichsfürsten im Allgemeinen geltende Versicherung geben, er wolle Keinen derselben vorladen, ohne eine oder mehrere

> B ö h m e r 19. 2 1 . 2

Böhmer 10.

Zur Anwondung b r a c h t e G.,

dieses P r i v i l e g nur bei Sobernheim. 3

Böhmer

10.

soviel uns bekannt,

B ö h m e r 1. c. 8 1 .



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der üblichen Berufungsfristen von achtzehn Wochen einzuhalten. 1 Vor Allem aber glaubte Gerhard, er dürfe die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, mit Hülfe des Reichs erstens die Herzöge von Braunschweig, die alten Feinde des Erzstifts zu demüthigen und zweitens die Widersetzlichkeit der Mainzer Bürger zu brechen. 2

Um von der Braunschweiger Angelegenheit auszugehen, — die Präliminarien vom 2. Juli 1 2 9 0 3 hatten nicht zur erwünschten "Verständigung geführt, - die Streitigkeiten dauerten fort. Da starb am 29. September 1290 Herzog Wilhelm, der Schwiegersohn des Landgrafen Heinrich von Hessen, und sein Tod veränderte mit Einem Schlage die Situation. Herzog Heinrich, der ältere der beiden überlebenden Brüder suchte nämlich mit Umgehung des jüngeren Albrecht die ganze Hinterlassenschaft an sich zu bringen. 4 Da vertrug er sich mit dem Erzbischof, um freie Hand gegen seinen Bruder zu haben. E s kam sogar die Verabredung zu W e g e , dass Adelheid, die Tochter Herzog Heinrichs dem Neffen des Erzbischofs, Gerhard von Eppenstein, vermählt werden solle. 5 So musste denn Herzog Albrecht den Kampf gegen das Erzstift auf eigene Faust fortsetzen; — es geschah ohne den gehörigen Nachdruck; zunächst wollte er seinen Rechtsansprüchen gegen den älteren Bruder Geltung verschaffen, und wirklich gelang es ihm auch schon bald, Heinrich durch einen Handstreich zur Herausgabe des grössten Theils vom Erbe Wilhelms zu zwingen. 6 Nach dieser unerwartet schnellen Beilegung des Bruderzwistes nahm, wie es scheint, auch Herzog Heinrich wieder eine feindselige Haltung gegen das Erzstift a n : von der früher 1

Böhmer 19.

8

Böhmer 10. 19-

3

Siehe oben S. 18.

4

Havemann Gesch. der braunschweigisch-lüneb. Lande I. 4 1 0 . 4 1 4 . Guden I. 882. — Havemann I. 422. Havemann I. 420.

s 6



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verabredeten Verbindung seiner Tochter mit dem gleichnamigen Neffen Gerhards ist nicht mehr die Rede. Derselbe vermählte sich vielmehr im Jahre 1294 mit der verwittweten Tochter des hessischen Landgrafen, deren Ehe mit Herzog Wilhelm kinderlos geblieben war. 1 Schon jetzt aber finden wir zwischen dem Oheim Gerhards und dessen späterem Schwiegervater intime Beziehungen, und zwar Beziehungen, die sich gegen Braunschweig richten: am 31. Januar 1293 schlössen sie zu Fritzlar ein Bündniss gegen Herzog Albrecht. 2 Gerhard war jedoch fürs erste zu sehr von näherliegenden Dingen in Anspruch genommen, um den Krieg efiergisch verfolgen zu können. Gerade damals hatte er, wie wir hören werden, reichlich mit den Unruhen in seiner eigenen Hauptstadt zu thun, und auch Adolf zeigte keine grosse Eile, durch entschiedenes Auftreten zu Gunsten des Mainzers sich mit den mächtigen Weifen zu verfeinden. Allerdings verhängte er im September 1294 die Acht über Herzog Albrecht und stellte ein gleiches Verfahren auch gegen Heinrich in Aussicht, 3 — ein Moment, das uns in dem Glauben bestärken muss, Letzterer habe die Waffen gegen das Erzstift nicht lange ruhen lassen. Aber die Braunschweiger Hessen sich durch die Aechtung des Königs ebenso wenig einschüchtern, wie kurz vorher die Mainzer Bürgerschaft. W a s hatte ein solches Verfahren auch im gegebenen Augenblick zu bedeuten, wo Adolf, vollauf mit Thüringen beschäftigt, nicht daran denken konnte, seinen Ausspruch durch die That zu stützen? Zudem gab es damals auch schon für Gerhard brennendere Fragen, welche die braunschweigische Fehde mehr und mehr in den Hintergrund drängten. Missmuthig über die Nutzlosigkeit seiner bisherigen Mühen übertrug er die Verfolgung seiner Ansprüche an Braunschweig dem königlichen Küchenmeister Leupold von Nordenberg, 4 und nahm

1

Kuchenbecker Analecta Hass. XII 401. Guden I. 868. Einige Tage früher hatte G. dem Landgrafen ein Lehen gegeben, S. oben S. 18 Anm. 1. 3 Schunk Beiträge zur Mainzer Gesch. III. 256. 4 Schunk 1. c. III. 258. 2



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auch erst unter Adolfs Nachfolger die Sache wieder selbst in die Hand. Adolf hatte einmal die Acht ausgesprochen; — man kann nicht eigentlich sagen, dass er etwas Besonderes gethan hätte, um dem Erzbischof in der Braunschweiger Angelegenheit zum Siege zu verhelfen. Freilich, im weiteren Verlaufe war er durch sein Streben, Thüringen zu gewinnen, an jedem energischen Eingriffe verhindert.

Sehen wir zu, wie er sein zweites Versprechen erfüllte, nämlich den Erzbischof gegen die Stadt Mainz zu unterstützen. Die Nachricht, in Syrien sei ein neuer Heiland erstanden, hatte im Jahre 1285 ganze Schaaren deutscher Juden veranlasst, heimlich mit Weib und Kind über das Meer zu fliehen, um sich in der Nähe ihrer Stammlande ein erträglicheres Loos zu schaffen. In Mainz, das von dieser Bewegung ebenfalls nicht unberührt geblieben war, zog die Bürgerschaft die im Stiche gelassene Habe der Flüchtlinge zum Gemeingut. Während der Sedisvacanz des Erzstiftes forderte sie auch Niemand desswegen zur Rechenschaft; als aber der neuernannte Erzbischof Heinrich aus Rom zurückgekehrt war, verlangte er unverzüglich die Herausgabe des confiscirten Gutes, welche der städtische Rath jedoch beharrlich verweigerte, selbst dann noch, als König Rudolf die Ansprüche Heinrichs unterstützte und dite Stadt desshalb zu einer Geldbusse von 6000 Mark verurtheilte. ] Die Misshelligkeiten dauerten fort und übertrugen sich nach Heinrichs baldigem Tode auch auf seinen Nachfolger. Aber Gerhard war in der ersten Zeit nach seinem Regierungsantritt zu sehr von wichtigeren Dingen in Anspruch genommen, um an eine sofortige Verfolgung seiner bezüglichen Forderungen denken zu können. Er wartete einen günstigeren Zeitpunkt ab, und dieser schien ihm mit der Erhebung Adolfs gekommen. Wie so vielfach sollte ihm der königliche Vetter auch hier zum Ziele ver1

Vgl. Sohaab Gesch. der Juden in Mainz. 58 ff.



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helfen, und Adolf zögerte mit seinem Versprechen auch nicht lange. Nachdem er bereits am 1. Juli 1292 dem Erzbischof seinen Beistand für das Eintreiben der noch rückständigen 6000 Mark zugesagt, spricht er ihm und seinen Nachfolgern am 28. desselben Monats noch das Recht zu, über die Juden der Stadt Mainz in gleicher Weise, wie im übrigen Erzstift, als Reichslehen zu verfügen, und verpflichtet sich, ihm gegen die Bürger, wenn sie die Partei der Juden ergriffen, seine königliche Unterstützung zu gewähren. 1 Trotzdem beharrten die Mainzer in ihrer Opposition. Ja, der Streit nahm in Folge der Urkunde vom 28. Juli nur noch grössere Dimensionen an; und zwar nach einer doppelten Richtung. Einmal haben sich die Mainzer Juden gesträubt, wie ein Lehen vom Erzbischof behandelt zu werden. Dann geschah, was der Erzbischof vorausgesehen hatte, als er sich gegen die Bürger, welche etwa seinen Absichten auf die Juden entgegentreten würden, vom Könige dessen Unterstützung versprechen liess. So erklärt sich, dass Gerhard zugleich gegen Bürger und Juden klagte, dass Juden und Bürger zusammen verurtheilt werden. In dem Prozesse, der nun begann, ernannte der Erzbischof den Ritter Heinrich von Hammerstein zu seinem Vertreter. Die Sache nahm einen schnellen Verlauf. Wie Gerhard wünschte, gab Adolf am 20. April 1293 zu Nürnberg sein Urtheil dahin ab, dass seine Klage gegen Bürger und Juden der Stadt Mainz begründet sei, wesshalb er ihm ausser den bereits seinem Vorgänger von König Rudolf zugesprochenen 6000 weitere 10000 Mark von Seiten der Bürgerschaft und von den dortigen Juden 4000 Mark Silbers als Schadenersatz zuerkenne. 2 Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Mainzer dieses Urtheil wesentlich beeinflusst hat; denn noch war dem Könige das Verdienst, welches sich der Erzbischof um seine Erhebung erwo»ben, zu frisch im Gedächtniss, und ausserdem bedurfte er gerade in der ersten Zeit seiner Regierung zu 1

Guden I. 861 u. 866. ' Böhmer 115. Die näheren Bedingungen bei Schliephake II. 443.

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häufig der Hülfe desselben, um sich wegen fremder Interessen mit ihm zu überwerfen. Aber wenn nun auch ein König gegen Bürger und Juden entschieden, — der Prozess hatte darum doch keineswegs sein Ende erreicht. Bald darauf verlautet von der Angelegenheit, die der Erzbischof „verfolgt habe und noch verfolge". Einerseits werden sich Bürger und Juden nicht gefügt haben, anderseits nahm der Erzbischof weit höhere, als die bisherigen Pläne wider seine Gegner auf. Zu dem Zwecke aber verband er sich neuerdings mit dem Könige: man wird Beiden nicht Unrecht tlmn, wenn man den merkwürdigen Vertrag, den sie am 9. Juli 1293 bezüglich der Mainzer Bürger und Juden eingingen, 1 ein nicht eben reinliches Compagniegeschäft nennt. Adolf bekennt darin, mit dem Erzbischof übereingekommen zu sein, dass aller Gewinn, welcher aus dem Rechtsstreit mit den Bürgern und Juden schon entfallen sei und noch entfallen werde, zwischen ihnen gleich getheilt werden solle. Für den Fall eines Ausgleichs mit den Mainzern bleibe die Bestimmung doch noch zwei weitere Jahre zu Recht bestehen, und zwar vom Tage der Sühne an. Wie den Gewinn aus dem Rechtsstreite, wollten sie auch die etwaige Kriegsbeute theilen, während der Eine für den Kriegsschaden des Andern nicht mithaften solle. Wenn König und Erzbischof sich über die von den Juden zu erhebende Steuer nicht einigen könnten, so werde der König die Entscheidung vier näher bezeichneten Rittern anheimgeben. 2 Sei die festgesetzte Frist von zwei Jahren um, so könne der Erzbischof über die Juden frei verfügen. Weiter gaben sich Beide die feierliche Zusage, Keiner werde ohne des Andern Genehmigung einen einseitigen Yergleich mit den Mainzern eingehen. Die nun folgenden Bestimmungen geben einen Begriff, wie gross der pecuniäre Vortheil war, den man aus der ganzen Angelegenheit zu ziehen dachte: sonst hätte Gerhard nicht 1 Guden IL 277. Gerlach von Breuberg, Ludwig von Idstein, Burggraf Diether von Starkenburg und Ritter Heinrich gen. Fritz. 2



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versprechen können, falls Adolf einen freiwillig von ihm angenommenen Vergleich zu Stande bringe, König und Reich aller gegen ihn und seine Kirche eingegangenen Geldverpflichtungen zu entheben, mit Ausnahme zweier geringen, bereits fällig gewordenen Beträge. Sei aber ein Vergleich nicht möglich, müssten vielmehr die Waffen entscheiden, so bleiben die früheren Geldversprechungen Adolfs in K r a f t , jedoch wird Gerhard auf die Dauer des Streites oder inzwischen eingeleiteter Unterhandlungen seine Forderungen ruhen lassen. Was König und Erzbischof geplant haben, vermag ich nicht zu sagen. Genug, dass der Gewinn, welchen man sich versprach, ein ausserordentlicher war, dass man ihn verfolgen wollte selbst mit den Waffen in der Hand. Das Resultat sollte den Einen von seinen Versprechungen befreien: die Stadt Mainz sollte dem Erzbischof den Preis für seine Wahlstimme zahlen; es sollte den anderen aus all' seinen Verlegenheiten retten, denn unter den Geldverpflichtungen, denen Adolf für den Fall einer von ihm vermittelten, dem Erzbischof annehmbar erscheinenden Sühne enthoben wurde, erscheint auch die Deckung der Schulden, welche Gerhard am römischen Hofe eingegangenen war. Wenn das Project durchgeführt wurde, war Beiden geholfen. Darin besteht die materielle Bedeutung; — in eine moralische Schätzung braucht man nicht einzugehen. Gerhard war schlecht und der König nicht eben gut. Ob Mainz von dem Geschäfte erfahren hat? Ich bemerke nur, dass es am 9. Juli 1293 abgeschlossen wurde, dass Mainz am 12. August desselben Jahres mit Worms und Speyer, welche mit ihren Bischöfen ebenfalls nicht im besten Einvernehmen standen, zur Erneuerung des alten Landfriedensbundes vom Jahre 1254 zusammentrat und sie sich gegenseitigen Schutz ihrer Rechte, Gewohnheiten und Freiheiten, die sie von Päpsten, Kaisern und Königen erhalten, wider Jedermann versprachen. 1 Gerhard kam das Bündniss der Städte höchst ungelegen; denn Adolf traf gerade seine Vorkehrungen für einen Kriegs1

Sflhaab Gesch. dea rheinischen Städtebundes II 68 ff.



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zug nach dem Elsass und konnte den Erzbischof desshalb augenblicklich nicht weiter unterstützen, als dass er die Reichsacht über die widersetzlichen Mainzer verhängte. 1 Dieses Yerdict scheint auf die Bürgerschaft aber ebenso wie alles Yorhergegangene wenig Eindruck gemacht zu haben: der Erzbischof, der dem Könige nach dem Elsass Heeresfolge geleistet hatte, 2 musste zuletzt doch nachgeben und Adolfs Yermittlung anrufen. Dieser liess sich auch dazu bereit finden und brachte am 2. Februar 1294 einen Ausgleich mit Mainz zu Stande, worin Gerhard seine ursprünglichen Forderungen allerdings um ein Bedeutendes ermässigen musste. 3 Alle königlichen Erlasse, welche er früher gegen die Stadt erhalten, verloren ihre Rechtskraft und sollten ausgeliefert werden. Dafür verpflichteten sich die Bürger ihrerseits, dem Erzbischof 5500 Mark, auf drei bestimmte Raten zahlbar, zu entrichten. Neben dieser einmaligen Zahlung der Bürgerschaft sollten dann die Mainzer Juden Gerhard lebenslänglich eine jährliche Summe von 200 Mark zu entrichten haben. Die Yorgänge sind höchst dunkel; vergebens sucht man nach einer Aufhellung. Einerseits sind wir allerdings in der glücklichen Lage, nach Urkunden erzählen zu können, aber den Urkunden fehlt anderseits die nöthige Ergänzung aus Chroniken und Annalen. Im Laufe weniger Monate geht der Erzbischof von Plänen, die ihm enorme Summen verschaffen sollten, auf sehr kleine Forderungen zurück; und der König, der gleichberechtigte Compagnon des Erzbischofs, welcher für den Erfolg des Geschäftes schon einmal mit der Acht dreingefahren war, — auch er hatte sich zu bescheiden gelernt. Nach dem Vertrage vom 9. Juli, wenn man ihn beim Worte nimmt, konnte er die Hälfte der einmaligen 1 8. Adolfs Urkunde vom 2. Februar 1294: praetextu cujus ad instanciam ipsius Archiepiscopi in . . . regalis proscriptionis sentontiam tuleramus. "Würdtwein Dipl. Mag. I. 41. 2 Am 22. October 1293 urkundet G. im königl. Lager vor Colmar Böhmer Acta Imp. 377 u. am 16. December ist er zusammen mit Adolf in Landau. Falkenstein Copialb. fol. 145 b . Nach Will. 3 "Würdtwein 1. c. I. 41 u. 43. Böhmer Regg. Ad. 181 hat irrthümlich 3. Februar.



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Zahlung von 5500 und der jährlichen von 200 Mark beanspruchen. Ob nun allein die E r n e u e r u n g des rheinischen Bundes den Umschwung herbeigeführt hat, ob noch andere Momente bestimmend einwirkten ? Die F r a g e muss ohne Antwort bleiben; — das Einzige, was sich noch sagen lässt, betrifft nicht die politische, sondern die geschäftliche Seite: dieser von Adolf vermittelte Ausgleich deckt gewiss nicht jene Bestimmung des Vertrages vom 9. Juli, dass der König, wenn er mit freier Genehmigung Gerhards eine Sühne zwischen den streitenden Parteien zu Stande bringe, aller Geldverpflichtungen ledig sei, für welche er die Mainzer Wahlstimme erkauft hatte. Aber mit dem geschilderten Rückzüge war es noch nicht genug. Am 18. Juni 1295 erlässt er den Mainzer Bürgern auf ewige Zeiten alle Abgaben von ihren unter erzbischöflicher Gerichtsbarkeit stehenden Gütern und ermässigt seine Ansprüche an die Mainzer Juden auf 112 Mark jährliche Rente. Im Uebrigen räumt er dem Magistrat das Recht ein, von den in Mainz ansässigen Juden nach Belieben Collecten und Steuern zu erheben und diese in städtischem Interesse zu verwenden. 1 Um welchen Preis Gerhard den Mainzern ein so wichtiges Zugeständniss, wie die Befreiung von allen Abgaben, dazu noch für ewige Zeiten feierlich verbriefte, und ausserdem zu ihren Gunsten auf seine Anrechte an die städtischen Juden so gut wie vollständig verzichtete, erfahren wir aus der Urkunde nicht: es ist darin nur von Verdiensten der Bürgerschaft im Allgemeinen die Rede. "Was liegt aber näher, als unter diesen Verdiensten ein geheimes Abkommen zu verstehen, wodurch die Stadt dem Erzbischof ihre unbedingte Hülfe gegen Jedermann zusicherte? W i r müssen dabei die gespannte H a l t u n g berücksichtigen, wie sie Gerhard unzweifelhaft schon seit den Octobertagen des Jahres 1294 gegen den König einnahm. Von da an behielt er die Eyen-

i "Wurdtwein 1. c. I. 59 und 62.

Der entsprechende Consens des

Domkapitels theilweise a b g e d r u c k t b. Schaab Gesch. d. J u d e n in Mainz. 64. A n m e r k u n g 2.



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tualität eines ernstlichen Conflictes mit demselben unverrückt im Auge und sah sich demgemäss bei Zeiten nach Bundesgenossen um.

Die Veranlassung zu dem so verhängnissvollen Umschlag in Gerhards Gesinnung gab die Verpfändung von Mühlhausen und Nordhausen. Diese Städte, wie wir hörten, hatte Adolf kurz nach seiner E r h e b u n g dem Mainzer zugesprochen, 1 jetzt gingen sie in den Besitz des Landgrafen Albrecht von Thüringen über. Man weiss, wie Adolf die Landgrafschaft ans Reich oder vielmehr an sein Haus zu bringen suchte. Ihm fehlte jetzt nur noch ein Rest jener Summe, um welche er den Handel abgeschlossen hatte. Da setzte Adolf die genannten Reichsorte zum P f ä n d e , ohne sich weiter an sein früheres Versprechen zu k e h r e n . 2 Schon Adolfs Streben, in den Besitz Thüringens zu gelangen, musste den Erzbischof im höchsten Grade missstimmen. Nicht bloss, dass er einen machtlosen König gewollt hatte, während Adolf nun auf Gründung einer Hausmacht ausging; — viel bedenklicher erschien die E r w e r b u n g Thüringens unter einem specifisch Mainzer Gesichtspunkte. Einen grossen Theil der ausgedehnten Liegenschaften, welche das Erzstift in Thüringen besass, hatten die Landgrafen bisher zu Lehen getragen. W i e wenn der König nun das Land selbst in Besitz n a h m ? Sollte er auf die L e h e n seiner Rechtsvorgänger verzichten wollen ? Gewiss nicht; — der Mainzer wollte sogar ausdrücklich wissen, und er wusste dabei unzweifelhaft das Richtige, dass die Mainzer Kirchenlehen in den Verkauf mit eingeschlossen seien. 3 Einen König aber als Lehensmann annehmen zu müssen, namentlich einen erstarkenden, vielleicht gar mächtig werdenden, war keine erfreuliche Aussicht. Dazu k a m nun die offenbare Rechtsverletzung, die dem Mainzer mit jener Verpfändung widerfuhr. 1 S. oben S. 36 Anm. 2. 2 Vgl. Wegele Friedrich der Freidige 192. 3 Nach der später noch zu erwähnenden Protestation bei Wegele 210 Anm.



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Noch mancher andere Grund mag mitgewirkt haben, König und Erzbischof zu entfremden, dann sie zu Feinden z u m a c h e n . Freilich, wenn man gesagt hat, dass Adolf „ohne alle Rücksicht auf die Mainzer Kanzlei seine Politik geführt habe", wenn man in dem U m s t ä n d e , dass Ebernand von Offenbach 1293 noch als Protonotar und Yicekanzler vorkomme, dann aber 1294 Hofkanzler heisse, eine Ernancipation der Kanzlei vom Erzkanzler erblickt, 1 also einen Bruch mit der Wahlkapitulation, so möchte man aus Titeln doch zu viel herausgelesen h a b e n : ich sehe da nur die Beförderung von niederer zu höherer W ü r d e , die mir noch nicht die angedeutete Ernancipation zu beweisen scheint. Anderseits soll es gewiss nicht geleugnet werden, dass die Ansprüche Gerhards als Erzkanzlers keineswegs voll und ganz befriedigt wurden: noch im J a h r e 1297 beklagte sich Gerhard, dass ihm der König den Judenzehnten, eben ein Erträgniss des Erzkanzleramtes vorenthalte. 2 Ein weiterer Stein des Anstosses war unzweifelhaft die Gunst, welche der König dem Ulrich von Hanau erwies, 3 jenem Feinde des Erzbischofs, dessen wir uns aus der Wahlcapitulation entsinnen. Auch ist nicht zu vergessen, dass Adolf der Schuldner Gerhards blieb, dass dieser eben darum dem — wie wir hören werden — drängenden Papste seinerseits die eingegangene Schuld nicht zahlen konnte. Die Hauptdifferenz blieb allerdings Thüringen; sie allein würde schon die folgenden Ereignisse erklären. Noch ehe Adolf sich förmlich zur Verpfändung an den Landgrafen entschloss, 4 verliess Gerhard das königliche Lager, welches sich damals in Mittelhausen befand. 5 Zunächst wandte er sich nach Erfurt, und nachdem er hier und dann in Heiligenstadt einen mehrwöchentlichen Aufenthalt genommen. t Lorenz a. a. O. II. 624. 2

W ü r d t w e i n Dipl. Mag. I. 73, II. 82. 3 Böhmer 148. 191. 261.

Böhmer B e g g . Ad. 353.

* Am 4. October erfolgt erst die V e r p f ä n d u n g , (Böhmer R e g g . Ad. 221) u schon am 2. October ist G. in Erfurt. Hartzheim Concilia Germaniae IV. 586. 1

Sohunk Beiträge zur Mainzer Gesch. III. 256. Böhmer 1. c. 220.



48



kehrte er durch Hessen nach Mainz zurück. 1 Schon in Heiligenstadt legte der Erzbischof wenn keinen geschriebenen, so einen thatsächlichen Protest gegen Adolfs Verfahren ein, indem er den königlichen Dispositionen zuwider noch weiter über das Reichsschultheissenamt in Mühlhausen veifügte: am 23. October 1294 verpachtete er dasselbe — zur Deckung einer Schuld — dem dortigen Rath auf ein Jahr. 2 Dabei wurde ausdrücklich bestimmt, dass wenn besondere Umstände die Ausführung des Contractes verhinderten, der Aussteller für die Schadloshaltung seiner Gläubiger aufkommen wolle. Dann sorgte Gerhard für Bundesgenossen. Wir haben schon gehört, wie er sich im Jahre 1293 mit dem Landgrafen Heinrich von Hessen verband. 3 Damals handelte es sich vor Allem um die Bekämpfung der Braunschweiger: jetzt trat er mit dem Hessen in noch innigere Beziehungen. Die Verlobung seines Neffen Gerhard mit einer Tochter des Herzogs Heinrich, jenes älteren der Braunschweiger Brüder, mit welchem er vorübergehend sich verbündet hatte, war rückgängig geworden. Zu Ende November fand nun Gerhards Vermählung mit Elisabeth von Hessen statt; es war zu Amoeneburg, wohin auch der Erzbischof gekommen war. 4 Einige T a g e später, am 6. December schloss er dann ein neues Bündniss mit dem L a n d g r a f e n 5 : hinter längeren Bestimmungen über die Aufrechterhaltung des Friedens in ihren Ländern versteckte sich auch die Verpflichtung, einander mit ganzer Macht beizustehen, vorbehaltlich nur der Treue gegen das römische Reich — von Adolf ist dabei nicht die R e d e . 6 1 Am 16. O c t o b e r u r k u n d e t G. noch in E r f u r t , Guden I. 884 am 18. bereits in H e i l i g e n s t a d t Zeitachr. d. V e r e i n s f ü r hess. G e s c h . V I . 245, wo wir ihm zuletzt am 5. N o v . b e g e g n e n . Guden S y l l o g e v a r i o r . dipl. 324. 2 3

H e r q u e t U r k u n d e n b . d. S t a d t M ü h l h a u s e n Siehe S. 3 9 A n m . 2.

184.

4 Urkunden G e r h a r d s d d . A m o e n e b u r g 29. Nov. und 1. Deeemb. 1 2 9 4 : K u c h e n b e c k e r A n a l e e t a H a s s i a e a Coli. X I I . 401. — W e n k H e s s . L a n d e s g e s c h . U r k d b . II. 239. 5

"Würdtwein Dipl. M a g . I. 51 ff.

Wir han och b e i d e n t h a l p g e s w o r n uf G o d e s l i c h n a m e n und tun d a s k u n t allen den die lebent, d a z wir . . . ein a n d e r beholfon sulen 6



49



Ein halbes Jahr später, am 6. Juni 1295, schloss er einen ähnlichen Vertrag mit dem Schenken von Schweinsberg und nun begreift man, wesshalb er am 15. desselben Monats in seinem Streite gegen die Stadt Mainz auf allen Punkten den Rückzug antrat. Zumal unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Bürger später wirklich auf Seiten des Erzbischofs gegen den König kämpften, 2 wird man wohl annehmen dürfen, dass der Preis seiner Zugedändnisse ein Bündniss war, wie das, welches er mit dem Landgrafe.n von Hessen geschlossen hatte.

Aber noch wurde wenigstens in anderen Richtungen der Schein des Einverständnisses aufrecht erhalten. Eben zu Mittelhausen, wo Adolf doch, die Interessen des Erzbischofs missachtend, über Mühlhausen und Nordhausen verfügte, ächtete er dessen Gegner, den Herzog Albrecht von Braunschweig und wenn er auch die Achtung des Herzogs Heinrich hinausschob, so geschah es doch mit ausdrücklicher Genehmigung Gerhards. 3 Dieser hinwider kümmerte sich zwar nicht, wie wir sahen, um die Verpfändung der beiden Städte; aber im Herbste 1295 verweilt er sogar noch einmal über einen Monat bei Adolfs zweitem thüringischen Feldzuge in dessen Lager vor Kreuzburg. 4 "Wiederholt an ihn ergangene Aufforderungen des Papstes, den König von dem gegen Frankreich geplanten Kriege abzuhalten, 5 mögen ihm nicht unwillkommen gewesen sein. Er scheint sich da nicht eben als

sin g e i n aller menlichen die nu l e b e t mit aller unser mäht, mit g a n t z e n truwen,

die wile wir leben

an das R ö m i s c h e Riehe.

"Wurdtwein 1. c.

I. 54. 1

P r e g e r 1. e. 4 4 Ànm. 5.

2 Ottocar cap. 678. 3 Siehe S 39. Anm. 3. • Siehe Gerhards U r k u n d e n vom 21. Sept., 6. u. 29. Octbr. 1295. "Wurdtwein 1. o. I. 391. — Guden I. 890. — B o c z e e k Cod. dipl. Moraviae V. 56. s Bullen dd. Velletri 23. u. 26. Mai und s e i n e Zeit. 305. 309.

1295.

Kopp

König

4

Adolf



50



einen eifrigen Mahner gezeigt zu haben; umso eindringlicher konnte er noch einmal in der Thüringer Angelegenheit das "Wort ergreifen. Aber es kam zu keiner Verständigung. Der König, sonst so leicht zu Zugeständnissen bereit, blieb in der thüringischen Frage gegen die Vorstellungen des Mainzers taub, und so trug die Zusammenkunft, weit entfernt die Verstimmung zu heben, nur dazu bei, die schon vorhandenen Gegensätze noch zu verschärfen. In einem Schreiben an den Landgrafen, dessen Spitze sich aber direct gegen Adolf richtete, erhob der Erzbischof, — wie es doch scheint: eben jetzt, — energischen Protest gegen den Nürnberger Vertrag, worin über die Mainzer Lehen in Thüringen ohne seine Zustimmung verfügt sei. Auch wandte er sich klagend nach Rom und rief den Schutz des apostolischen Stuhles für die in ihren Rechten und Besitzungen bedrohte Kirche an. 1 Nunmehr glaubte der König ein so wichtiges Amt, wie das thüringische Reichsvicariat, ohne eigene Gefahr nicht länger in den Händen eines Mannes belassen zu dürfen, der seine feindselige Gesinnung so offen bekundete. Desshalb gab er im Mai 1296, als 'er Thüringen verliess die Statthalterschaft an König Rudolfs früheren Verweser Gerlach von Breuberg. 2 Um den Erzbischof noch mehr zu strafen, trat Adolf, seiner früheren Haltung entgegen, jetzt entschieden zu Gunsten der Erfurter ein. Die Beziehungen zwischen Erfurt und Gerhard, wie ich hier einschalte, hatten folgenden Verlauf genommen. Dem im Jahre 1289 geschlossenen Vertrage waren schon im Jahre 1293 neue Zwistigkeiten gefolgt. Der Versuch des Erfurter Magistrats, das schon oft vergeblich angestrebte Besteuerungsrecht über die Geistlichkeit und ihre Liegenschaften in der Stadt endlich zur Ausführung zu bringen, hatte die Veran-

i "Wegele Friedrich der Freidige 210 Anm. Der hier begründeten Datirung des Schriftstücks muss ich mich durchaus anschliessen. Den seltenen Druck, aus welchem "Wegele Auszüge giebt, habe ich mir leider nicht verschaffen können. * Chr. Sampetr. Geschichtsquell. d. Prov. Sachsen I. 136. auch Adoifa Urkunde vom 2. Juli 1296. Böhmer 319.

Vgl.



51



lassung gegeben. 1 Einen solchen Eingriff in die geistlichen Rechte glaubte der Erzbischof auf keinen Fall gestatten zu dürfen. Desshalb verhängte er, als der Rath auf seiner Forderung bestand, das Interdict über Erfurt, und als auch das nichts fruchtete, als selbst die städtische Geistlichkeit mit geringen Ausnahmen sich der Opposition gegen ihn anschloss, rief Gerhard die Hülfe des Königs an. Anfangs schritt dieser auch gegen die Stadt wenigstens init Drohungen ein, 2 aber auch das half nichts. Ein letzter Versuch Gerhards, den Rath persönlich zur Umkehr zu bewegen, 3 hatte ebenfalls einen, wie es scheint, nur momentanen Erfolg, und je gespannter des Königs Yerhältniss zu dem Erzbischof wurde, desto mehr neigte er auf die Seite der Erfurter, die seinem Vorgehen in Thüringen mit den lebhaftesten Sympathien folgten, weil sie durch ihn Bürger einer freien Reichsstadt zu werden dachten. Nachdem Adolf ihnen bereits im Januar 1295 alle ihre Privilegien in weitester Ausdehnung bestätigt, nahm er sie am 27. Mai des folgenden Jahres sogar förmlich gegen den Erzbischof in Schutz. 4 Dennoch finden wir den Erzbischof noch zweimal am Hofe des Königs. 5 Trotz aller Hintansetzungen, j a Herausforderungen, die er erfahren hatte, wollte er noch immer nicht vollständig brechen. Er hatte seine guten Gründe zu dieser Politik der Nachgiebigkeit und Fügsamkeit. Nicht nur der König war sein Gegner, auch in Rom, wohin er sich gewandt hatte, um seine thüringischen Güter vor Uebertragung an den König zu retten, fand er kein Yerständniss, vielmehr die heftigste Feindschaft. Gerhard scheint der wiederholten Aufforderung Bonifaz VIII. in Betreff der deutsch-französischen Zwistigkeiten nicht 1 Chr. Sampetr. I 130. — Vgl. Lambert Die ältere Gesch. und Verfassung der Stadt Erfurt 90 ff. 2 Böhmer Regg. Ad. 313. 3 S. Gerhards Urkunde vom 10. Oetober 1294. Guden I. 884. • Böhmer 1. o. 240. 313. 5 Im Juni 1296 zu Frankfurt. Böhmer Reg. Ad. 457. Reichss. 426, und im August zu Staufenberg an der Lahn Reg. Ad. 326. 4*



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allzu eifrig nachgekommen zu sein: noch am 27. Juni 1296 unterzeichnete er zu Frankfurt den Rechtsspruch des Landgrafen von Hessen gegen Otto von Burgund, der eine Herausforderung Frankreichs bedeutete; und zwar unterzeichnete er denselben, obgleich sich damals auch schon das letzte Schreiben des Papstes vom 31. März, worin Bonifaz ihn noch einmal aufs dringendste von jeder Unterstützung des römischen Königs gegen Frankreich abmahnt, 1 in seinen Händen befinden musste. Aber diese Lässigkeit mochte die Curie verstimmen, — sie kann nicht ihre offene Feindschaft gegen Gerhard erklären. "Wahrscheinlich waren es die noch immer nicht abgetragenen Schulden, die Bonifaz nach wiederholtem Drängen endlich vermochten, den schon früher angedrohten Bann über den Erzbischof wirklich auszusprechen. 2 Der Mann bezahlte der Curie seine Schulden nicht, überdies hatte sie für ihn bei Florentiner Kaufleuten gutgesagt. Ihr Credit stand auf dem Spiel und ihre Cassen blieben leer! Man kann sich keinen triftigeren Grund zur Excommunikation denken. Dem armen Erzbischof aber konnte der Conflict mit dem Papste nicht ungelegener kommen, als gerade jetzt, wo auch sein Yerhältniss zu dem deutschen Könige ein immer gespannteres wurde, — er musste den Pontifex zu versöhnen suchen, und so entschloss er sich noch im Spätjahr 1296 über die Alpen zu gehen, um mit Bonifaz persönlich in Unterhandlungen zu treten. 3 Aber den Erwartungen, die er an diese Romreise geknüpft haben mochte, entsprach keineswegs 1

Raynald Annal eccles. ed. Theiner XXIII. 196. Chr. Aulae reg. bei Loserth Die Königsaaler Geschichtsqu. 149. — Vergl. Würdtwein Dipl. I. 10 ff. 3 Dass G. um diese Zeit am päpstl. Hofe anwesend war, erfahren wir aus einer bei Frank Geseh. von Oppenheim 269 mitgetheilten Urkunde dd. Rom 1297. — Ein genaueres Datum fehlt, ergibt sich jedoch annähernd aus einer Durchsicht des übrigen urkundl. Materials. Zwischen 7. Nov. 1296 dd. Aschaffenburg Böhmer Electa juris feudalis II. 121 und 13. März 1297 dd. Mainz Guden III. 803, lässt sich nämlich keine von dem Erzbischof selbst ausgestellte Urkunde nachweisen. Diese viermonatliche Lücke in Gs. Itinerar wird für die Romreise in Anrechnung gebracht werden müssen und unsere Urkunde demnach in den Januar oder Anfang Februar 1297 zu setzen sein. 2

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der Erfolg; denn auch im nächsten Jahre bei "Wenzels Krönung in Prag begegnet uns der Mainzer noch immer als Gebannter, dem der Papst nur speciell für den Krönungstag auf Bitten des Böhmenkönigs die Ausübung seiner kirchlichen Punktionen in ihrem ganzen Umfang gestattet.

Yom Papste gebannt, vom Könige befeindet, wird der Erzbischof nicht eben heitere Tage verlebt haben. Zunächst sehen wir ihn bemüht, sich wenigstens gegen den König zu sichern. Schon aus den ersten Tagen des Zerwürfnisses konnten wir einige Bündnisse nachweisen: zunächst mit dem Landgrafen von Hessen, dann mit dem Schenken von Schweinsberg; jetzt mehren sich solche Schutz- und Trutzverträge; bis zum Juni 1296 kommen vier andere hinzu. 1 Dann vertraute der Erzbischof auf die mannigfachen Gegner, die Adolf im Reiche hatte. Yor Allem würde sich ein Erzbischof von Mainz ja gern seinen Collegen von Trier und Köln angeschlossen haben. Die Erneuerung des rheinischen Kurfürstenbundes vom Jahre 1290 hatte zunächst die Tendenz, gegen das kurfürstlicher Willkür gefährliche Erstarken der königlichen Macht anzukämpfen. Aber die Coalition war bald zerfallen: Boemund von Trier hatte sich mehr und mehr zu König Rudolf hingeneigt, und dann hat er Adolf geliebt „wie ein Yater den Sohn". Um so mehr konnte Gerhard auf Siegfried von Köln rechnen, einen Mann ganz von seiner Art. Aber dieser Siegfried starb im Mai 1297, und sein Nachfolger "Wicbold ward unter Adolf Gunst gewählt. Nimmt man hinzu, dass der Pfalzgraf bei Rhein, der zunächst Adolf j a gar nicht begünstigt hatte, ihm nun desto treuer ergeben war, so konnte Gerhard allerdings von seinen nächsten Nachbarn Nichts für sich erwarten. 1

12 Decbr. 1295 mit Hermann von Sabershausen. — 20. Decbr. mit Graf Johann von Sayn Würdtwein Dipl. Mag. 1.65.67. — 26. Febr. 1296 mit Friedrich von Rosdorf und Dietrich von Hardenberg. Schunk Beitr. z. Mainz. Gesch. III. 259. — 21. Juni mit Wipert gen. Rüde u. seinen Söhnen Würdtwein 1. c. I. 71.

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Aber Adolf hatte andere und mächtigere Feinde, die dann natürlich Gerhards Freunde waren oder wurden. An der Spitze steht Albrecht von Oesterreich, zwar kein Kurfürst, aber ein Mann von überragender Macht. Wie sich der von vornherein gegebene Antagonismus immer mehr verschärft hat, ist nicht hier auszuführen. Genug, schon im Juni 1296 warb Albrecht einen Bundesgenossen „besonders wider den König* von R o m " . 1 Es war zur Zeit, für welche eine Entfremdung Gerhards und Adolfs gewiss anzunehmen ist, wahrscheinlich schon eine Feindschaft bestand. Dass alsbald eine Annäherung Gerhards und Albrechts stattfand, scheint eine selbstverständliche, wenn auch keine beweisbare Sache. Schwager bezüglich Schwiegersohn Albrechts waren sodann die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, und man begreift danach den Colmarer Chronisten: „Der Erzbischof von Mainz und der Herzog von Sachsen, sowie der Markgraf von Brandenburg erkannten, dass der König das Reich nicht nach ihrem Willen regieren wolle". Ein Schwager Albrechts war weiter auch der König von Böhmen; er war nicht immer Albrechts Freund gewesen: welch' ein Umschwung erfolgt war, — die Erforschung der Gründe gehört nicht in eine Biographie Gerhards, — zeigt das Prager Pfingstfest vom Jahre 1297. Gerade am Böhmischen Hofe finden wir da den ersten Ausdruck einer gegen Adolf gerichteten 1

Böhmer Rss. 201. — Vergl. auch die Vollmacht Albrechts vom 29. Juni 1296 für seine Vertreter bei der Curie. Chmel Formelbuch K. Albrechts 287. Darin wird diesen das Recht der Vertretung zugestanden: in omnibus nostris causis et controversiis, quas habemus vel habituri sumus in Romana Curia vel alibi ubicunque et specialiter cum . . . archiep. Salisburg. . . Also nicht die Streitfrage mit Salzburg allein soll zur Sprache gebracht werden! — Nun war aber bei der Stellung, welche der König zu dieser Angelegenheit eingenommen, das Vorgehen Albrechts mit einer Anklage Adolfs bei dem Papste gleichbedeutend, und es konnte nicht fehlen, dass die Gesandten bei Erörterung der hauptsächlich betonten salzb. Präge auch auf den König zu sprechen kamen. Damit stimmt auch die Nachricht der Colmarer Chronik M. Gr. XVII. 264. von der Sendung Haigerlochs im Wesentlichen überein, wenn wir nämlich ihn als den Ueberbringer jenes Schreibens von 29. Juni ansehen. Preger 1. c. 45 f.



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Coalition, deren einzelne Fäden gewiss schon früher angeknüpft waren.

Am 2. Juni 1297 empfing König Wenzel zu Prag aus den Händen des Mainzer Erzbischofs die Krone Böhmens. 1 Ausser Gerhard, dem der Papst — wie schon bemerkt — speciell für diesen Tag Dispens vom Banne ertheilt, hatte die glänzende Feier noch eine stattliche Zahl deutscher Prälaten und Fürsten in der böhmischen Haupstadt versammelt. Allein das Wahlcollegium war durch fünf seiner Mitglieder vertreten: neben Mainz und Böhmen erscheinen noch Sachsen und Brandenburg, aber auch der eben erst gewählte Erzbischof von Köln. 2 Dazu kamen dann noch manche Andere, 3 kam besonders Wenzels Schwager, Herzog Albrecht von Oestreich: durch sein zahlreiches Gefolge und den verschwenderischen Aufwand, den er bei solchen Gelegenheiten mit Yorliebe entfaltete, trug er nicht wenig dazu bei, den Glanz dieser Pfingsttage zu erhöhen. Aber kaum war der erste Taumel der Festesfreude verrauscht — noch hielten Zerstreuungen und Genüsse mancher Art die Menge in staunender Bewegung, — als auf Betreiben Gerhards ein grosser Theil der anwesenden Fürsten sich insgeheim zu den ernstesten Berathungen vereinigte. Die Zerfahrenheit der deutschen Yerhältnisse nahm der verschlagene Mainzer, zweifelsohne die Seele des Ganzen, zum Yorwand seiner selbstsüchtigen Bestrebungen; denn dass bei Erörterung dieser Frage das 1 Chr. Aulae regiae bei Loserth Die Königssaaler Geschichtsquellen 149. — Ottocar c. 652. 653. — Chr. Sampetr. I. 136. — Cont. Ratisb. M. GL XVII. 418. 2 Auf dessen Anwesenheit hat meines Wissens kein Chronist aufmerksam gemacht, aber auch kein Neuerer; sie ist indess nach der Urkunde, welche aus Grasshof Comment. de originib civitatis Muhlhusae 188 von Schöttgen et Kreysig Diplomat. I. 778, Riedel Cod. dipl. Brand. II». 492 und Kopp. a. a. O. III». 285 wiederholt wurde, in keiner "Weise zu bezweifeln. 3 Mehrere Theilnehmer der Versammlung lernt man aus einer Urkunde Gerhards d. d. Pragae 1297 Juni 4 kennen Regesta Bohemiae et Moraviae II. 753.

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Reichsoberhaupt für alle Uebelstände verantwortlich gemacht werden würde, dafür bot schon der einseitige Charakter der Versammlung genügende Garantie. Oder ist wohl anzunehmen, dass Gerhard, welcher die Theilnehmer zu bestimmen hatte, 1 andere als gesinnungsverwandte Elemente zur Berathung zuliess ? Schwerlich möchte namentlich der eben erst unter der Gunst Adolfs gewählte Erzbischof von Köln hinzugezogen sein. So fehlte es denn nicht an mancherlei Klagen über Adolf und seine politische Unfähigheit, denen man alle und jede Schuld an der traurigen Lage des Reiches beimass. Zuletzt kamen die Yersammelten dahin überein, dass dem Uebel nur mit vereinter Kraft begegnet werden könne. Unter des Erzkanzlers Protectorat verbanden sie sich zu einmüthigem Vorgehen und versprachen einander, im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt die gemeinsame Sache in jeder Hinsicht zu fördern. Mehr wurde in Prag nicht erzielt. Alle weiteren Beschlüsse sollten einer späteren Yersammlung vorbehalten bleiben, die zuerst nach Eger anberaumt und dann — wir werden sehen: aus welchem Grunde — nach Kadan verlegt wurde; hier fand denn im August auch wirklich eine neue Vereinigung s t a t t , 2 ohne jedoch die Sache wesentlich zu fördern, wohl hauptsächlich desshalb, weil im Mainzer, dessen Ausbleiben sich später erklären wird, der bestimmende 1 Ottocar o. 653: die wollte all dazu han von Maincz der Bischolf. "Wenn Lorenz a. a. 0 . II, 611 gegen Droysen a. a. O. 44 bemerkt : „Von einer Verschwörung wird sieh da mit Nichten reden lassen"; so muss ich doch widersprechen. Mit Ottocar stimmt die Cont. Ratisp. M. 6 . ss. XVII. 418: condixerunt (Pragae) diem, in quo nput Bgram convenire deberent, ut contra predictum Romanorum regem c o n s p i r a c i o n i s s u e i n t e n t u m p e r f i c e r e n t . Und in gleichem Sinne ist doch chron. Sampetr. 1. c. 137 aufzufassen. 2 Urkunden Ottos von Brandenburg und "Wenzels von Böhmen d. d. Kadan 17. und 23. August 1297. Riedel Cod. dipl. Brandenbg. II". 217. Kopp Gesch. d. eidg. Bünde I. 633 Anm. 1. Dazu Cont. Ratispon. 1. c., nicht aber auch S. S. IX. 814. "Wenn Lorenz a. a. 0 . 611. Anm. 2 rügt, dass Droysen das letzte Citat übergangen habe, so hat er nicht bemerkt, dass es mit dem ersteren eine und dieselbe Quelle darstellt.



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Mittelpunkt fehlte, um den sich das ganze Unternehmen drehte. 1 Gerhard hatte seinen Plan sehr geschickt zu einer Zeit in Scene gesetzt, wo der König, dem erneuten Drängen seines englischen Verbündeten endlich nachgebend, im Begriffe stand, sämmtliche verfügbaren Streitkräfte rheinabwärts nach Flandern zu dirigiren, um gemeinschaftlich mit England den Uebergriffen Frankreichs zu begegnen. Geschah dies wirklich, so blieb das Reich in seinem Rücken ohne die nöthige Deckung, und die Opposition gewann damit vollständig freie Hand. Es kam also nur darauf an, Adolf über die Absichten seiner inneren Gegner wenigstens solange zu täuschen, bis er seine streitbaren Contingente gegen den westlichen Nachbar in Bewegung gesetzt hatte. Eben zu dem Zwecke, wie ich meine, gab man sich alle Mühe, dem Könige auch den leisesten Argwohn fernzuhalten 2 : in einer ostensibeln "Weise stellten die Kurfürsten, theils insgesammt, theils einzeln, zu Prag und dann zu Kadan verschiedene "Willebriefe aus, und keine andere Bewandtniss hat es doch, wenn unser Erzbischof sich nach seiner Rückkehr aus Prag, zu Anfang Juli, sogar wieder einmal persönlich am königlichen Hoflager zu Oppenheim einfand, um in anscheinend harmloser "Weise über geringfügige Dinge, wie die Yorenthaltung des Judenzehnten, Klage zu führen. 3 Dennoch erhielt Adolf schon von den Prager Vereinbarungen Kunde, und seine Operationen gegen Frankreich geriethen infolge davon natürlich ins Stocken: schon am 31. Juli, noch vor der Versammlung zu Kadan, schrieb er dem Grafen von Flandern von der Empörung mehrerer Grossen und deren hochverräterischen Umtrieben, 4 die ihn von der Verfolgung des französischen Krieges abhielten. Die Nachricht von den Intriguen im eigenen

Lande

1 Cont. Ratisb M. G. XVII. 418. "Vgl. die beiden Willebriefe Gs. u. seiner in Prag anwesenden Mitkurfürsten vom 4. Juni 1297. oben S. 55 Anm. 2 und Lang Reg. Boica IV. 646. Die in Kadan ausgestellten Briefe s. S. 56. Anm. 2. 3 Böhmer Regg. Ad. 353. 4 Böhmer J. o. 364. 2



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versetzte ihn in die heftigste Bewegung. Am meisten war er über das tückische Gebahren des Mainzers aufgebracht, der sich noch eben erst nicht entblödet, unter der Maske treuer Ergebenheit vor ihm zu erscheinen. Im ersten Zorne gab der König einer Schaar Bewaffneter den strengen Befehl, sofort gegen.die Empörer auszuziehen und deren Vereinigung in Eger zu verhindern. Aber wie diese Massregel eine Eingebung des Augenblicks war, hatte sie auch nur einen momentanen Erfolg. Allerdings erfüllte sie ihren nächstliegenden Zweck vollkommen: seine Feinde konnten in Eger nicht zusammentreten, und der Erzbischof musste auch von Kaden fernbleiben. 1 Als der König es hierbei jedoch bewenden liess und nicht, wie zu erwarten stand, seine gegen das Ausland gerüsteten Truppen unverzüglich gegen den inneren Feind kehrte, erholte sich die Opposition sehr bald von ihrem ersten Schrecken. Während Albrecht im Osten der gemeinsamen Sache immer neuen Anhang gewann und durch einen Frieden, den er mit seinem bisherigen Feinde, dem Erzbischof von Salzburg, im September 1297 abschloss, Adolf eine wichtige Stütze entzog, 2 setzte Gerhard seine agitatorische Thätigkeit in den Rheingegenden fort. Besonders im Elsass führte ihm der Unwille über die von dem Könige neueingesetzten Landvögte zahlreiche und mächtige Verbündete zu. 3 Dann möchte er vor Allem den Erzbischof von Köln zu gewinnen versucht haben: Wicbold überträgt ihm später seine Stimme, — ein Umstand, den man wohl dahin deuten darf, dass Gerhard ihn zum Abfall überredet hat. Aber Näheres ist uns weder über Zeit noch Verlauf des 1

Cont. Ratisb. M. G. XVII. 418: per maliciam regis obsessus; natürlich muss es milieiara heissen, wie auch in der Ableitung M. G. SS. IX. 814 steht. Es sind also Soldaten Adolfs, und mit dieser ausdrücklichen Hervorhebung scheint doch angedeutet zu sein, dass es nicht der König selbst war. Und wäre dem nicht so, — jedenfalls zwingt uns Nichts, eine persönliche Aktion Adolfs anzünehmen. Lorenz a. a. O. II. 611, Anm. 2 scheint mir danach im Unrecht, wenn er das Faktum bestreitet, weil Adolf im August 1297 zu Esslingen, Gengenbach, Kaisersberg und Schlettstadt nachzuweisen sei. 2 3

Böhmers Regg. Herzog Albrechts S. 494. Ellenhard M. G. XVII. 135.



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Uebertrittes bekannt. Natürlich wird Gerhard mit Herzog Albrecht und den übrigen Häuptern der Prager Coalition nur immer eifriger verhandelt haben. Ja, seine Anwesenheit an der böhmischen Grenze am 31. December 1297 lässt sogar auf eine nochmalige persönliche Zusammenkunft um die Jahreswende schliessen. 1

Heber die Absetzung Adolfs war man einig; eine andere Frage war die, wer sein Nachfolger werden sollte. Als Thronbewerber war Albrecht von Oostreich aufgetreten. Seine Bemühungen zu schildern, kann nicht unsere Aufgabe sein. W a s er erreicht hatte, zeigt ein Hof, den er im Februar 1298 zu Wien hielt: ausser vielen Anderen umgaben ihn damals die Kurfürsten von Böhmen, Sachsen und Brandenburg. Zwei Wahlkapitulationen, durch welche er Böhmen gewann, lassen keinen Zweifel, dass er schon damals als Prätendent aufgetreten war. Gerhard fehlt in der Reihe der anwesenden Fürsten. Ob er nur in der Negative mit den Herren des Wiener Hofes einig war? Früher hatte er der Candidatur Albrechts widerstrebt: es ist doch mehr als wahrscheinlich, dass er auch jetzt nicht freudig auf dieselbe einging. Ein so mächtiger Mann an der Spitze des Reiches, wie dieser Albrecht, — darin lag ja für Gerhards Ehrgeiz die grösste Gefahr. Und so möchte sich sein Wegbleiben von Wien doch nicht blos dadurch erklären, dass er einen Einfall Adolfs in die Stiftslande gefürchtet habe. Ausdrücklich heisst es denn auch, „er habe sich in Hinsicht auf die Beförderung von Albrechts Wahl ebenso wenig wohl behalten, als während des Streites." 2 1

Urkunde Gs. d. d. in Curia apud Regnitz = Hof. Mencken S.S. III. 660. Albrechts Itinerar hat hier eine grössere Lücke. Böhmer Reg. H. Albrechts S. 494. Auch von Böhmen sind aus dieser Zeit keine Aufenthaltsorte bekannt: am 10. und 11. Januar 1298 ist der Herzog in Brünn. Reg. Bohemiae II. 764 ff. 2 Namentlich im Hinblick auf Ellenh. M. G. XVII. 138muss ich mich durchaus der Meinung von Lorenz II. 631 Anm. 1 anschliessen: „Mich

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Dann hat allerdings schon am 21. Februar, also unmittelbar nach dem Wiener Hofe, der Herzog von Böhmen eine Vollmacht für Gerhard ausgestellt, 1 dass er in seinem Namen den Habsburger wählen solle; er heisst da genehm, was immer vor, während und nach der Wahl Gerhard thun würde, um Albrecht zu befördern. Aber musste er sich darum schon für Albrecht erklärt haben? Kann die Yollmacht nicht bloss unter der Yoraussetzung ertheilt sein, dass er noch gewonnen würde? Das schmeichelhafte Vertrauen, dass er wenigstens für Böhmen alle Dispositionen treffen möge, falls dieselben nur Albrecht gelten, hätte doch als ein geeignetes Mittel erscheinen können, ihn den Plänen der Wiener geneigt zu machen. 2 Wie aber auch immer, — ob damals, ob schon früher, ob erst später, — zuletzt hat der Erzbischof der Candidatur Albrechts zugestimmt, indem er allerdings, wie ein Chronist sagt, „aus der Noth eine Tugend machte". 3 Gerhard befand sich in einer Lage, wie einst Innocenz III. Der hatte den Weifen gegen den Staufer begünstigt; der Weife war ihm über den Kopf gewachsen; da musste Innocenz bei einem Staufer Rettung suchen. So hatte Gerhard den Nassauer erhoben, den Habsburger verschmäht: jetzt sollte ihn der Habsburger vor dem Nassauer retten. Aehnlich wie Innocenz, wird sich dann auch der Mainzer vor

dünkt, da8S man rung zu machen, schlossen gehabt 418: machinatio anführt, habe ich

danach a u f g e b e n sollte, ihn zur Seele einer Verschwödie v o n A n f a n g nur die Erhebung Albrechts behätte." Aber weshalb Lorenz auch Cont. Ratispon. in ridiculum conversa est als Stütze seiner Meinung nicht begriffen.

1 Würdtwein Dipl. Mag. I. 82. 2 Gerhardo etc. elegendi etc. in regem Romanorum etc. Albertum ducem etc. una cum aliis principibus etc., qui eundem ducem in regem R o m elegerint, committimus vocem nostram, ratum et firmum habituri, quicquid per ipsum aepum in electione huiusmodi de persona dicti ducis et aliis, que ad ipsius electionis negotium sive ante sive in ipsa electione pertinere noscuntur, suo et nostro nomine ista vice fuerit ordinatum. Nebenbei bemerkt, ist der Satz dadurch, dass die zusammengehörenden W o r t e eligendi und vocem soweit auseinander gesetzt sind, etwas verzwickt geworden.

' EJlenhard 1. c.



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dem anbequemen, aber unumgänglichen Thronkandidaten zu sichern gewusst haben: in die Zeit, da Gerhard gewonnen wurde, setze ich die Wahlkapitulationen für ihn, die Albrecht dann als König wiederholt hat. Im Wesentlichen bestätigen sie die Zugeständnisse Adolfs, nur dass sie Einzelnes genauer fassen: wir werden auf dieselben zurückkommen. Wie es heisst, hätten sich die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg unmittelbar vom W iener Hofe zu Gerhard begeben und ihn nun „in bestimmter Weise zum Handeln gedrängt". 1 Was nun that der Erzbischof? — Dem rechtmässigen König ohne Weiteres den Gehorsam zu kündigen und sich offen für den Oestreicher zu erklären, in einem Augenblick, wo sich der Ausgang ihres Unternehmens noch gar nicht absehen liess, widerstrebte durchaus seiner Yorsicht. Das Waffenglück konnte gegen ihn und seine Parteigenossen entscheiden, und aus diesem Grunde wünschte sich der Erzbischof den Rückzug offen zu halten. Ueberdies wollte er den Schein des Rechtes wahren. Beiden Zwecken zu entsprechen, empfahl sich ein prozessuales Verfahren. Siegte inzwischen der Habsburger, dann ward gegen den Nassauer entschieden. Anderenfalls liess sich dem Prozesse wohl eine glimpflichere Wendung geben. Die Welt aber konnte dem Mainzer nicht vorwerfen, er habe mit Hintansetzung aller Rechtsformen die Sache seines Königs verlassen. So sollte denn der König vor den Kurfürsten erscheinen, um sich über die schlechte Verwaltung des Reiches zu rechtfertigen: zum 1. Mai beschied er ihn zur Versammlung der Kurfürten nach Frankfurt. 2 Ein gleiches Ausschreiben 3 erging an Albrecht unter dem Vorwande, seine Differenzen mit Adolf zu entscheiden. Die Art und Weise, wie der Her1

Lorenz» a. a. O. redet davon als von einer dunklen Nachricht; seine Quelle aufzufinden, ist mir leider trotz ernsten Suchens nicht gelungen. 2 Chr. Colmar. M. G. XVII. 264. — Ellenh. M. G. XVII. 135. 3 S. Albrechts Rechtfertigungsschreiben an den Papst. Lichnowsky II. Beil. XI. CCXCII.



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zog erschien, würde die Situation mit Einem Schlage erhellen, wenn es überhaupt der Aufhellung bedürfte: froh des willkommenen Yorwandes setzte er seine Schaaren ungesäumt gegen den Rhein in Bewegung.

Jetzt endlich begann sich auch Adolf zu regen. Auf die Kunde von des Herzogs Anmarsch rückte er eiligst auf Ulm, entschlossen demselben hier die Strasse nach der alten Wahlstadt zu verlegen. 1 Aber dieser wich dem beabsichtigten Zusammenstoss aus und bewerkstelligte trotz aller Gegenbemühungen des Königs bei Freiburg seine Vereinigung mit den Strassburgern und anderen Anhängern aus den oberen Landen. Inzwischen war der April bereits zur Hälfte verstrichen, der festgesetzte Termin also nahe genug gerückt, um Albrecht an den Aufbruch zu mahnen, wenn er Frankfurt noch rechtzeitig erreichen wollte. In solcher Absicht schickte er sich denn auch an, die Rheinstrasse hinabzuziehen, sah sich aber bei Kenzingen von Adolf plötzlich aufgehalten und gezwungen, demselben gegenüber am Ufer der Elz ein Lager zu beziehen, weil es ihm nicht räthlich erscheinen mochte, den Flussübergang zu forciren. Ein anderes Missgeschick kam hinzu, ein Unfall ernstester Art, der die Opposition in Schwaben betroffen hatte. Bei Oberndorf am oberen Neckar war Graf Albrecht von Haigerloch, einer ihrer tapfersten und wärmsten Yerfechter im Kampfe mit Herzog Otto von Niederbaiern völlig geschlagen worden. Unsern Erzbischof selbst aber bedrängte der Pfalzgraf Rudolf bei Rhein, jener Fürst, der früher der Wahl Adolfs, nun aber auch seiner Absetzung widerstrebte. Gerhard wandte sich hülfeflehend an den Habsburger. 2 Im Augenblick ohne Erfolg. Unter solchen Umständen war der Frankfurter Tag unmöglich geworden, und 1

V g l . D r o y s e n Albrechts B e m ü h u n g e n 60 ff. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich die Stelle in dem R e c h t f e r t i g u n g s s c h r e i b e n A l b r e c h t s : a memorato aep. Mag. ad praestandum eidem subsidium contra illustrem R u d o l p h u m ducem Bawarie — seriosius invitati (sumus) hierher ziehe. 2



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es hätte dabei wohl nicht noch der besonderen Aufforderung Albrechts bedurft, um den Erzlcanzler zur Verlängerung der ursprünglichen Vorladungsfrist zu bestimmen. 1 Am 1. Mai, an welchem die Kurfürsten mit Adolf und Albrecht eigentlich in Frankfurt zusammentreten sollten, liess Gerhard neue Einladungen an dieselben ergehen, 2 und zwar von Mainz aus, wohin diesmal auch die Versammlung auf den 15. Juni anberaumt wurde. In einem Schreiben an den König, dessen gefällige Sprache seltsam mit den wahren Absichten des Ausstellers contrastirt, verweist er zunächst auf das althergebrachte Recht und die Verantwortlichkeit seiner erzkanzlerischen Stellung, die ihn dazu ermächtige, es ihm sogar zur Pflicht mache, nicht nur die Wähler eines römischen Königs, sondern auch diesen selbst zur bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort zu berufen, wenn es im Interesse des Gemeinwohls geboten erscheine. Es sei die gegenwärtige Nothlage des Reichs, welche ihn auf wiederholte Anregung seitens der Fürsten und aus eigenem Herzensdrange an eben jene Fürsten die Aufforderung habe richten lassen, zur Hebung der königlichen Wohlfahrt ebenso, wie zur Wiederherstellung des Friedens und der Eintracht, am 15. Juni unwiderruflich in Mainz zu erscheinen, um die Störungen und Gebrechen in gemeinsamer Berathung zu erwägen und darüber in Gott und den Menschen wohlgefälliger Weise zu beschliessen. Und so wende er sich denn auch in schuldiger Ergebenheit an den König mit der Bitte, er möge doch an genannten und den darauf folgenden Tagen als Haupt der Fürsten bei den heilsamen Verhandlungen zugegen sein. Unverkennbar hat sich dem Schriftstück der peinliche Eindruck mitgetheilt, den die letzten Ereignisse auf den Autor gemacht hatten. Er wurde in seinen Wendungen noch vorsichtiger, noch zurückhaltender mit seinen Andeutungen, wie

1 Chr. Colra. M. G. X V I I . 264. 2 D a s Schreiben an den K ö n i g

b. Chmel

Das Formelbuch

K.

Albrechts 2*28. — Die R e n i f n n g der Kurfürsten P a l a c k y U e b e r Formelbücher I. 235.



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dies schon im ersten Ausschreiben der Fall gewesen sein °

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wird. Ueberall tritt das Bestreben zu Tage, das Demüthigende, welches in der Citation für den Empfänger lag, durch die verbindlichsten Formen so wenig empfindlich zu machen, wie nur möglich. Allgemeine Redensarten müssen über die momentane Verlegenheit hinweghelfen. Yon dem eigentlichen Zweck der projectirten Yereinigung ist natürlich keine Rede; das Schreiben wagt sogar die Behauptung, es sei darauf abgesehen die persönlichen Interessen des Königs zu fördern. 1 Auch in seinem Erlass an die Kurfürsten wird nur ganz im Allgemeinen die Besserung der deutschen Verhältnisse als Gegenstand der Berathung angegeben. Aber hier bedurfte es auch keines näheren Hinweises auf die eigentlichen Ziele der Berufung mehr: waren doch die meisten dieser Fürsten seit der Prager Versammlung Freunde und Vertraute der erzkanzlerischen Politik, und bei den anderen that ebenso wie dem Könige gegenüber die grösste Vorsicht noth.

Alles hing zunächst davon ab, welchen Vortheil Albrecht für seine Operationen aus der gewonnenen Frist zu ziehen wusste. Bei Kenzingen hatte ihm Adolf die Rheinstrasse verlegt, und da der Herzog ein weiteres .Vordringen auf dem betretenen Wege nicht von dem zweifelhaften Ausgang eines Kampfes abhängig machen wollte, so blieb ihm nur noch eine Möglichkeit, sein Ziel zu erreichen: er musste die feindliche Stellung umgehen und in ihrem Rücken nach Mainz zu gelangen suchen. Dieser Plan ward auch im östreichischen Hauptquartier beschlossen und, Dank der Unbesonnenheit des Gegners, ohne jede weitere Störung seinerseits ausgeführt. 2 Doch war durch die Verproviantirung der Truppen und die übrigen Vorbereitungen für eine möglichst schleunige Beförderung derselben durch die feindlichen Territorien eine unliebsame Verzögerung im Elsass entstanden, welche Albrecht veranlasste, seinem Heer mit einer kleineren Abtheilung 1

pro excellencie vestre salutis augmento. 2 Lorenz D. G. II. 645 ff.



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vorauszueilen, um Mainz noch rechtzeitig zu erreichen. 1 Hier traf er denn auch wohl noch vor Ablauf der Verlängerungsfrist ein, während das Gros seiner Armee erst einige T a g e später nachfolgte und in nächster Nähe des Versammlungsortes Stellung n a h m . 2 Es war bei Alzei, einer Stadt des Pfalzgrafen Rudolf, gegen welchen Gerhard des Herzogs Hülfe angerufen h a t t e . 3 So stand denn die östereichische Armee zum Schutze der Berathungen fast unmittelbar unter den Mauern von Mainz: nachdem sie auf ihrem Marsche noch bedeutende Verstärkungen, besonders aus Schwaben an sich gezogen, liess sie auch in numerischer Beziehung die königlichen Streitkräfte weit hinter sich zurück. 4 Gerhard hatte inzwischen den Termin abermals um eine W o c h e hinausgeriickt. 5 wahrscheinlich weil die Verhandlungen mit dem jüngeren Pfalzgrafen Ludwig und mit Wicbold von Köln noch nicht zum Abschluss gediehen waren und deren Vollmachten noch ausstanden 0 , — doch lassen sich die Gründe dafür nicht bestimmt ermitteln. Nur soviel ist gewiss, dass bei dieser zweiten Verlängerung andere Motive als die Abwesenheit des Königs massgebend w a r e n ; sie mochte der Mainzer wohl zum Vorwand nehmen, 7 aber wie die Dinge sich gestaltet hatten, konnte er erst recht nicht daran denken, Adolf werde seinem Rufe folgen. W i e gesagt, war es wahrscheinlich der Umstand, dass man zuerst noch das persönliche Erscheinen des Kölner Erzbischofs und des jüngeren Pfalzgrafen, dann deren Vollmachten abwartete, — war es dieser U m s t a n d , der eine abermalige Verzögerung bewirkte. Leider entzieht sich das

1 Chr. Colmar. M. G. XVII. 265. Annal. Wormat. M. G. XYII. 69. 3 apud Alseiam predicti ducis oppidum castra metati fuimus in ipsius auxilium et ecelesiae Moguntinae. 4 Vgl. Schmid Der Kampf um das Reich. 39. 54. 5 Ellonh. M. G. XVII. 137. 6 So wird sich am besten die absencia quorundum principum electorum erklären, von der G. später redet. Kopp Gesch. der eidg. Bünde I. 907. ' propter predicti regis contumaciam Kopp 1. e. 907. 2

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Verhalten beider Männer unserer Kenntniss. Bei Ludwig wird der Gegensatz, in dem er zu seinem Bruder stand, d. b. zu Adolfs treustem Anhänger, von Einfluss gewesen sein; ihn möchte dann der Sachse, den er zuletzt mit der Führung seiner Stimme betraute, 1 für Albrecht gewonnen haben. Die Stimme des Kölners führt Gerhard, und wie schon bemerkt, 2 ergibt sich danach für ihn die entsprechende Vermuthung. Was Wicbold aber zum Abfall bestimmte, lässt sich nicht sagen. Immerhin mag erwähnt werden, dass sein ehemaliger Freund, unter dessen Gunst er gewählt worden, eben König Adolf, sich in letzter Zeit den Städten gar gnädig erwies; Wicbold aber lebte mit seinen Bürgern keineswegs in ungetrübter Freundschaft. So fehlten der ältere Pfalzgraf bei Rhein und der Erzbischof von Trier; blos vertreten waren der Erzbischof Wicbold von Köln, der jüngere Pfalzgraf, aber auch der Böhmenkönig: wir hörten schon, wie er bereits vor Monaten den Mainzer mit seiner Stimme betraut hatte. 3 Da Köln seinem Beispiele gefolgt war, verfügte Gerhard über drei unbestreitbare Kuren: er beherrschte die Versammlung. Die Abwesenheit des Trierers mochte man verschmerzen; bedenklicher war das Fehlen des älteren Pfälzers, denn wenn ein förmlicher Prozess gegen Adolf angestrengt werden sollte, so gebührte ihm nach dem Schwabenspiegel der Vorsitz. An seine Stelle trat nun der junge Ludwig oder vielmehr der von ihm bevollmächtigte Herzog von Sachsen. Dieser war aber auch zugleich Kläger: es wären also Kläger und Richter, wenn man wirklich die prozessualen Formen beachtete, in Einer Person vereint gewesen. In der Frühe des 23. Juni, 4 mit welchem die letzte Verlängerungsfrist ablief, fand die erste und einzige offizielle 1

Chmel Formelbuch König Albrechts 231. Siehe oben S. 58. Die Vollmacht liegt nicht vor, sie erhellt nur aus der Proclamation bei Kopp I. 907. 3 Würdtwein Dipl. Mag. I. 82. 4 Dass die Absetzung Adolfs nicht den 22. Juni Abends erfolgte, wie Ottocar berichtet, geht aus der Absetzungsurkunde Gs. deutlich hervor: Adveniente itaque termino predicto eodemque propter . . . us2



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Sitzung im Mainzer Thiergarten statt. 1 E s wird nicht lange verhandelt sein: bald erhob sich Gerhard, die schon bereit gehaltene Absetzungsurkunde des Königs zu verlesen. 2 Sie enthält ein langes Register von Anklagen. E s lohnt sich nicht, dieselben des Einzelnen zu erörtern. Eigentlich bietet das Aktenstück nur Einen Punkt von greifbarer Realität; in ihm aber liegt dann auch, soweit es Mainz angeht, der Schwerpunkt des ganzen Prozesses: der König habe alle, von ihm doch beschworenen Rechte der Mainzer Kirche in den Wind geschlagen! Daneben ist von der göttlichen Gerechtigkeit, die sich in dem Prozesse so recht äussern soll, und anderen schönen Dingen die Rede. Zuletzt spricht Gerhard nach einstimmigem Beschluss der Wahlfürsten die Absetzung des Reichsoberhauptes aus, indem er alle ihm durch Treuschwur Verpflichteten feierlich ihres Eides entbindet und jedes feinere Ausharren bei demselben aufs Strengste untersagt.

W i e nun erfolgte die W a h l Albrechts? W i e er später selbst berichtet, wurde er in Person zu Alzei vom Mainzer und anderen Kurfürsten e r s u c h t 3 : „da Adolf wegen seiner que in vigiliam sti Johannis Baptiste proximam (23. Juni) c o n t i n u a t o . . . convenerunt loco et terminis supradictis. 1 Nach Ottooar c. 673—676 und Chr. Colmar. M. G. X V I I . 266 geschah die Absetzung im Dom, aber nach den Annal. Mag. ap. Böhmer F o n t . I I . 2 5 2 : in orto ferarum. 2 Wahrscheinlich mit dem noch vorhandenen Schriftstück vom 23. J u n i 1298 identisch. Kopp I. 905 ff. Alles Weitere lasse ich bei Seite. Die vielen Unrichtigkeiten, namentlich in der Chronik von Colmar, hat Droysen 7 8 — 8 0 gekennzeichnet. 3 Ubi ab eodem aepo Maguntino et aliis quibusdam prineipibus imperii electoribus presencialiter fuimus requisiti etc. Dazu bemerke ich, 1) gegen Droysen 78 Anm. 3 : presencialiter fuimus requisiti heisst nicht, „die Kurfürsten hätten ihn ersucht, persönlich bei der Wahl zu erscheinen - ; es heisst vielmehr, „die Kurfürsten hätten ihn in Person ersucht, seine Wahl zu gestatten". 2) gegen Lorenz 6 5 5 : wenigstens einer in Mainz vorzunehmenden Wahl hat Erzbischof Gerhard nicht widerstrebt. Weshalb sollte er, wie Lorenz will, einer dort wirklich vorgenommenen Wahl ferngeblieben sein ?

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Excesse von der Regierung entfernt werden müsse, so möge er doch, wenn die Entsetzung erfolgt sei, seine W a h l gestatten." 1 Danach hat also der Erzbischof mit seinen Kurfürsten schon vor der Absetzung Adolfs und zwar zu Alzei dem Herzoge die Krone angeboten. W i e der Herzog später dem Papste schrieb, hätte er abgelehnt, weil er alsdann zu Lebzeiten Adolfs gewählt worden wäre. Es galt ihm, den Schein des Prätendententhums von sich fern zu halten; er wollte den Glauben erwecken, dass er von Anfang an erst aus einer allgemeineren W a h l , die am 28. Juli 1298, d. h. nach Adolfs Tode erfolgte, sein Königthum hergeleitet habe. Man wird seine Behauptung, abgelehnt zu haben, um so energischer zurückweisen dürfen, als er bereits am 5. Juli 1298, also noch geraume Zeit vor jenem Akte, den er späterhin als Rechtsbasis seiner Regierung bezeichnete, an den Bischof von Passau schrieb: „Adolf habe gegen ihn, der einmiithig zu seinem Nachfolger gewählt worden sei, den Kampf beg o n n e n . " 2 Albrecht hat nicht abgelehnt, und die Kurfürsten haben ihn gewählt und zwar zu Mainz. 3 Ob unmittelbar nach der Absetzung, 4 muss dahin gestellt bleiben: jedenfalls geschah es unter dem bestimmenden Einfluss des Mainzers, 5 der bei vielen Autoren recht als der Königsmacher erscheint. 6 1

So muss doch übersetzt werden; die von Kopp III" 267 gegebene Deutung scheint mir ganz verfehlt. 2 Dum contra nos, qui concorditer electi in regno gibi successimus, cornu contentionis erigeret. Kopp III*. 286. Dieser Stelle gegenüber wird man die Ausführungen von Lorenz II. 653, Albrecht habe staatsmännischer Weise die "Wahl nicht anerkannt, doch durchaus preisgeben müssen. 3

Ygl. Droysen 78, der zugleich S. 80 zeigt, wie der Irrthum entstand, dass die Wahl zu Alzci oder Schafhausen erfolgt sei. 4 Nach Ottokar lag zwischen Absetzung und Wahl eine Nacht. 5 Archiep. — elegit — Albertum ducem. Annal. Wormat. — a Moguntino et sibi adhaerentibus in regem constituitur. Annal. Osterhov. — Moguntinus — ducem praedictum — eligit. Chron. Sampetr. — Moguntinus — pronunciat — attolit — promulgavit. Johannes Yictoriens. Selbstverständlich wird er überall genannt, wenn überhaupt noch Wähler genannt werden. 6 Dem entgegen behauptet Lorenz II. 652 ff., der Herzog von Sachsen habe im Gegensatz zu Gerhard die Wahl vorgenommen,



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So hatte Deutschland zwei Könige; — was sich ohne Kampf erreichen liess, war durch die Opposition geschehen; die letzte Entscheidung lag in dem Schwerte. Gerhards eigentliche Thätigkeit war zu Ende: er begab sich in den Schutz der österreichischen Armee, 1 dieser das fernere Schicksal seiner Sache anvertrauend. Im Hauptquartier Albrechts verfolgte er aufmerksam die kriegerischen Operationen der

eine B e h a u p t u n g , zu deren E n t k r ä f t u n g ich verweise a) auf die S. 68 Anm. 1 erwiesene T h a t s a e h e , dass der Erzbischof schon vor Adolfs Absetzung dem Habsburger die "Wahl angeboten h a t ; b) auf Anm. 2, wonach A l b r e c h t selbst b e h a u p t e t , er sei dem N a s s a u e r in e i n m ü t h i g e r "Wahl entgegengestellt w o r d e n ; c) auf die Uebereinstimmung der Quellen in Anm. 5, dass Gerhard recht eigentlich der Königsmacher sei. "Wenn Lorenz f ü r seine Ansicht auf folgende Stelle in einem Briefe des H e r zogs von Sachsen verweist: Albertum ducem etc. nos u n a cum ceteris principibus electoribus, videlicet "Wicboldo Col. aep., "Wenzeslao Bohemie rege, Ludovico com palat., quorum vices cum pleno mandato nobis ab eisdem (tradito) gerimus in h a c p a r t e , elegimus votis concordibus et unanimi volúntate, so spricht doch eben nur der Schein f ü r eine Nichtbetheiligung des Mainzers. Dass unter nos und nobis nicht der Sachse allein zu verstehen sei, zeigt doch schon das votis concordibus et unanimi volúntate. Oder sollte der Herzog wirklich etwas P r e i s e n s werthea in der Uebereinstimmung seiner W ü n s c h e mit denen seiner A u f t r a g g e b e r g e f u n d e n haben ? F e r n e r f ü h r t e der Herzog nur die Stimme des j ü n g e r e n P f a l z g r a f e n , während der Böhme und Kölner unseren Ersbischof bevollmächtigt hatte. Daher sind in dem quorum vices etc. g e r i m u s Mehrere begriffen, als nur e r : es sind dieselben, von denen der Herzog eben vorher gesagt hat, — freilich auch ohne ihre Namen zu n e n n e n , — dáss sie mit ihm den Nassauer abgesetzt hätten. Dann führt Lorenz I I . 655 Anm. 2 noch a n : Ellenhard habe eine Andeutung hinterlassen, wie der Erzbischof der "Wahl entgegeng e s t r e b t und eben nur gezwungen aus der Noth eine T u g e n d gemacht habe. Aber die Stelle bezieht sich auf eine f r ü h e r e Zeit: Ellenhard selbst sagt S. 135, der Erzbischof habe mit Zustimmung von Böhmen, Sachsen und B r a n d e n b u r g den H a b s b u r g e r berufen, ipsum electurus in regem Romanorum, und dann S. 137 : 23. J u n i 1298 dominus Magunt. u n a cum principibus electoribus videlicet supradictis, primo amoto domino Adolfo, elegerunt Dominum Albertum. 1

Annal. "Wormat. M. G. X V I I . 69. Diese Nachricht wird auch durch eine im Idsteiner Staatsarchiv befindliche U r k u n d e Gs. dd. in castris a n t e Alzei am 30. J u n i 1298 bestätigt.

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nächsten Tage; 1 bei dem entscheidenden Kampfe, der schon am 2. Juli 1298 mit dem Tode Adolfs und der Niederlage seines Anhangs endete, war er selbst zugegen. 2 i Ottooar c. 679. — Chr. Colmar. M. G. XVII. 266. ä Matth. Neoburg. ehr. ed. Studer 32. Pontes IV. 170.