129 96 20MB
German Pages 225 Year 1999
JENS WÜSTEMANN
Generally Accepted Accounting Principles
Schriften zur wirtschafts wissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von
Heinz Grossekettler, Münster· Bernhard Großfeld, Münster Klaus 1. Hopt, Hamburg . Christian Kirchner, Berlin Dieter Rückle, Trier· Reinhard H. Schmidt, FrankfurtlMain
Band 37
Generally Accepted Accounting Principles Zur Bedeutung und Systembildung der Rechnungslegungsregeln der USA
Von Jens Wüstemann
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Wüstemann, Jens: Generally accepted accounting principles = Zur Bedeutung und Systembildung der Rechnungslegungsregeln der USA / von Jens Wüstemann. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts; Bd. 37) Zug!.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09339-9
D30 Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 1999 Duncker &
ISSN 0935-5065 ISBN 3-428-09339-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
e
Geleitwort Eine herausragende Arbeit, brilliant fonnuliert, von der ersten bis zur letzten Seite geradezu spannend zu lesen, gleichennaßen geeignet, Rechnungslegungstheorie und Rechnungslegungspraxis nachhaltig zu befruchten. Basierend auf einer umfassenden Kenntnis des deutschen GoB-Rechts sowie einer überaus gründlichen Analyse von US-Rechtsprechung und US-Literatur wird gezeigt, was die US-GAAP im Vergleich zu den deutschen GoB leisten. Sie sind, anders als die deutschen Gewinnermittlungs-GoB, nicht an der Konkretisierung von Gewinnansprüchen orientiert und können daher jedenfalls insoweit nicht unbesehen auf den deutschen Rechtskreis übertragen werden. Ihren Sinn und Zweck sieht man vielmehr in der Sicherstellung des von Jahresabschlüssen vennittelten Einblicks in die wirtschaftliche Untemehmenslage. Diese nonnative Aufgabe wird indes durch die empirisch geprägte Art ihrer Ennittlung in unerträglicher Weise relativiert; abgesehen von wenigen Einzelregelungen erschöpfen sich GAAP in höchst unbestimmten Kompromißformeln: Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sind in einer solchen Anhäufung flexibler Regeln nicht erreichbar. Es fehlt den GAAP die theoretische Durchdringung und die hierdurch im Zusammenwirken mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu erreichende Detailkonkretisierung - das sog. conceptualframework bildet nicht viel mehr als eine Zusammenstellung allgemeiner Postulate. Daher überrascht es nicht, daß die US-Rechtsprechung dazu tendiert, dem Gebot der fair presentation - unabhängig von den GAAP - Geltung zu verschaffen: Der hierzulande verbreitete GAAP-Fanatismus ist schwer verständlich.
Adolf Moxter
Vonvort Die (von vielen als drängend empfundene) Notwendigkeit einer Reformierung des deutschen Rechnungslegungsrechts, die sich etwa in der Einrichtung eines sogenannten Deutschen Rechnungslegungs Standards Committees ftlr die Entwicklung von Konzernrechnungslegungsgrundsätzen äußert, wirft viele grundsätzliche Fragen nach Sinn und Funktion von Rechnungslegungsregeln auf. Ziel dieser Arbeit, die in leicht veränderter Form im Sommersemester 1997 vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen wurde, ist es, durch eine Würdigung der Rechnungslegungsordnung der USA den Blick daraufhin zu schärfen, was in der deutschen Rechnungslegungsordnung bewahrenswert und was verbesserungswürdig ist. Meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Adolf Moxter, gilt mein tief empfundener Dank ftlr die umfassende Betreuung der Arbeit und persönliche Förderung in vielfachem Sinne; er gilt ihm darüber hinaus auch grundsätzlich ftlr die (An-)Leitung zur cartesianischen "puissance de bien judger, et distinguer le vrai d'avec le faux". Herrn Prof. Dr. Dieter Ordelheide danke ich ftlr die Übernahme des Zweitgutachtens und die vielfältigen Anregungen sowie seine stete Gesprächsbereitschaft. Interdisziplinär angelegte Arbeiten haben meist viele Väter: Bedanken möchte ich mich ftlr wertvolle Kritik und Anstöße insbesondere bei Herrn Prof. Dr. Michael Hammel, Herrn Prof. Dr. Peter Hommelhoff, Herrn Prof. Dr. Dr. Christian Kirchner, Herrn Prof. Dr. Friedrich Kübler und Herrn Prof. Dr. Reinhard H. Schmidt. Für die vorbildhafte Kollegialität stehe ich in der Schuld meiner Kolleginnen und Kollegen am Treuhandseminar in Frankfurt, namentlich bei Herrn Dr. Thomas Berndt, Frau Gerlinde Borkhataria, Frau Monika Hammel, Herrn Dipl.-Kfm. Karlo D. Fresl, Herrn Dipl.-Kfm. Karsten Larenz, Herrn Dipl.-Kfm. Andreas Rüdinger und Herrn Dipl.-Kfm. StefJen Wagner, MSG, sowie den Ehemaligen. Für die Forschungsmöglichkeiten und die sprichwörtliche Gastfreundschaft während eines Aufenthaltes an der Wharton School der University of Pennsylvania in Philadelphia im Herbst 1995 schulde ich Dank Herrn Prof. Peter Knutsan, PhD, Herrn Prof. Stanley Baiman, PhD, und Herrn Prof. Robert Verrechia, PhD. Für großzügige Förderung während der Promotionszeit gilt mein Dank der Dr. Max E. Pribilla-Stiftung und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, fur die Druckkostenunterstützung Herrn Dr. Thomas Macken-
VIII
Vorwort
thun von der Interessengemeinschaft Frankfurter Kreditinstitute sowie für vielfache Förderung der Studienstiftung des deutschen Volkes und Herrn Dr. Klaus Heinrich Kohrs. Schließlich danke ich den Herausgebern der "Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts" für die Aufnahme in die Reihe sowie Frau Anke Kleingeist und Frau Birgit Müller vom Verlag Duncker & Humblot für die gute Verlagsbetreuung. Die (erheblichen) Residuallasten hatten sich Julia Ludwig, Tim Wagner und Sybille Springer zu teilen. Ihnen gilt mein besonderer Dank; naheliegenderweise nicht nur hierfür.
Jens Wüstemann
Inhaltsübersicht Problemstellung ............................ ..... .......... .. .......... ............. ....... .. .. ................ .. ... . Erstes Kapitel
Bedeutung der generally accepted accounting principles
§ I Begriff................................................................................................................
5
§ 2 Gewinnanspruchsregelungen ........................................................ .. ...................
45
§ 3 Informationsregelungen ....... ....... .................. .......................... ...... ............... ......
69
§ 4 Vergleich mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung .............. .... .. ...
91
Zweites Kapitel
System bildung der generally accepted accounting principles
§ 5 Zwecke...............................................................................................................
124
§ 6 Regeln .............................................................................................. .. ................
138
§ 7 Vergleich mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung .................... .. .
156
Zusammenfassende Thesen ...................... .......... ........................ ........... .......... ... ...
167
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Schriften ... ,......................... ........................
171
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen ............................................................
176
Verzeichnis der zitierten Schriften.............................. .. ................ .. ... .. ...... .. .........
179
Personenregister ..... ......... .. ....................................... ........................ ........... .. .........
202
Sachregister ... .......... ............. ..... ............. ..................................... ........ ....... ............
206
Inhaltsverzeichnis Problemstellung .................................................................. .. ................................. .
Erstes Kapitel
Bedeutung der generally accepted accounting principles
§ I Begriff................................................................................................................
5
Relative Bedeutung der generally accepted accounting principles ..............
5
I. Verweise auf die generally accepted accounting principles .................. a) Fehlende Legaldefinition ................................................................ b) Verweis durch das American Institute of Certified Public Accountants ......................................................................................... c) Verweis durch die Securities and Exchange Commission........ .. ..... 2. Einschränkungen des Geltungsbereiches............................................... 3. Verwendungszusammenhang und Gerichtsfestigkeit............................
5 5 6 8 9 16
11. Bestimmung der gene rally accepted accounting principles ...... ....... ............
17
I. Entwicklung des Begriffs ............................ ...... .................................... a) Die Zeit vor der Kodifizierung der Verweise auf generally accepted accounting principles ........................................................... b) Die Zeit nach der Kodifizierung der Verweise auf generally accepted accounting principles ................................................ ...... ..... 2. Entwicklung der normsetzenden Institutionen ...................................... 3. Morphologie der Normen ...................................... .. .............................. 4. Kennzeichen der Bestimmung.................. ............................................. a) Induktive Normermittlung.................. .. ...... .. ...... .. ...... .. ...... ... .... ...... b) Politisierung der Normsetzung........................................................ c) Normsetzung im privaten Sektor..... .. ................ .. ... .........................
17
23 29 31 35 35 36 41
§ 2 Gewinnanspruchsregelungen ................................... ...... ....................................
45
Einlageregelungen für business corporations ........................................ ......
45
I.
I.
17
11. Ausschüttungsregelungen ......................................... ...... .... .......... ......... .. ....
48
I. Uniform Limited Partnership Act...................................................... .. .. 2. Business corporations ....... .................. ......... ...... .................. ........... ....... a) Ausschüttungspolitik und Dividendendefinition ...... .......................
48 49 49
b) Schutz der Aktionäre vor Gewinnverkürzungen .............................
51
XII
Inhaltsverzeichnis c) Prüfung der Legalität von Ausschüttungen .................... .. ... ...... .. ... . aa) Verschiedene tests und legal capital ......................................... bb) Grundzüge der Tests .............................. .. ...... .. ...... .. ................
52 52 55
aaa) Insolvency tests... ................ ................ ........ ................ ..... bbb) Die älteren gesetzlichen Ausschüttungssperren: surp Ius statutes ................................................................ ccc) Die neueren gesetzlichen Ausschüttungssperren: non-surplus statutes ........................................................ cc) Bedeutung der generally accepted accounting principles für die Ausschüttungsbegrenzung .. .................................... ............ dd) Kritik an den gesetzlichen Regelungen zur Gewinnanspruchsermittlung ..... .............. ............. ........................... ee) Konsolidierter lahresabschluß ..................................................
55
63 66
d) Einzelvertraglich geregelte Ausschüttungssperren ........................ ..
67
§ 3 Informationsregelungen ........ ............................ ...................... .......... .................
69
Gesellschaftsrechtliche und wertpapierrechtliche Rechnungslegung...........
69
I.
Gesellschaftsrechtliche Rechnungslegung und generally accepted accounting principles............................................................................. 2. Wertpapierrechtliche Rechnungslegung................................................ a) Regulierung der Wertpapiermärkte und Effizienzthese der Gerichte................................................................................................ b) Einzelstaatengesetze ......... ..................................... ................. ......... c) Bundesgesetze ............................................................................ .. ... aa) Securities Act of 1933 .................... .......................................... bb) Securities Exchange Act of 1934 ................... ..... ........ ... ... .. ... ..
58 59 60
I.
69 70 70 75 75 75 77
11. Zur Generalnorm der fair presentation............................................... ..........
80
I. Ableitung der Forderung nach fair presentation .................................... a) Regelungen des AICPA................................................................... b) Regelungen im Wertpapierrecht des Bundes............................ .... .. . 2. Generalnorm der fair presentation und overriding principle .. ............... a) Verhältnis von Einzelnorm und Generalnorm............................ .. ... b) Auslegung durch den AICPA.......................................................... c) Auslegung durch die Gerichte...... .. ....................... .. .. .. ............ .. ...... 3. Diskussion .............................................................................................
80 80 81 82 82 83 85 89
§ 4 Vergleich mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung .......................
91
Rechtsnormcharakter und Ermittlung .................................................. ........
91
I. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung als Rechtsnormen............. 2. Vergleich mit den generally accepted accounting principles................. a) Unterschiede im Rechtsnormcharakter der Rechnungs-
91 96
legungsregeln ..................................................................................
96
I.
Inhaltsverzeichnis
XIII
b) Unterschiede in der Ermittlung von Rechnungslegungsregeln............................................................................................. ..
101
11. Gewinnanspruchsregelungen . ........ .......... ......................... ..................... ......
107
I. Prinzip der Maßgeblichkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchftihrung für die Gewinnanspruchsermittlung......................................... 2. Vergleich mit den generally accepted accounting principles................. a) Unterschiede in der Maßgeblichkeit der Bilanzierungsgrundsätze ftir die Gewinnverteilungsfunktion des lahresabschlusses.................................................................................................... b) Unterschiede im Gewinnbegriff......................................................
107 116
116 117
111. Informationsanspruchsregelungen ...............................................................
118
I. Prinzip der Maßgeblichkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchftihrung ftir die Informationsanspruchsermittlung................................. 2. Vergleich mit den generally accepted accounting principles.................
118 121
Zweites Kapitel Systembildung der generally accepted accounting principles § 5 Zwecke............................................................................................ ............. ......
124
Das conceptual framework als Bestimmungsgrundlage .............. .......... ......
124
11. Regelungszwecke im conceptual framework ......... .. ..................... .. ............ .
126
I. Rechnungslegungsinstrumente ................................ .. ............................ a) Basic financial statements ............................................... ......... ....... b) Financial reporting ...................................... .................................... 2. Rechnungslegungsinteressenten ............ ............. .. .. ................ ...... ......... 3. Regelungszwecke des financial reporting................................. ............. a) Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen .............. ........ b) Vermittlung von Informationen zum Zweck der Zielstromprognose .......................................................................................... c) Vermittlung von Informationen über die Ressourcen des Unternehmens, Ansprüche an diese und deren Änderungen........ ..... ....... 4. Keine Besonderheiten der Regelungszwecke von financial statements.
126 126 127 128 128 128
129 130
111. Bedeutung und Bedeutungsgrenzen des conceptual framework..................
13 I
I. Rechnungslegungsinteressenten versus Rechnungslegungsadressaten....................................................................................................... 2. Prinzip der Entscheidungsnützlichkeit ............................. ............... ...... 3. Zielpluralismus und funktionale Bilanzierungsprinzipien..... .. .... .. .. .... .. 4. Wertungsabhängigkeit des Einblickgebots............................................
131 134 135 137
I.
128
XIV
Inhaltsverzeichnis
§ 6 Regeln ................................................................... .............................................
138
Aktivierungsregeln: recognition of assets................................. .. .................
138
I. Allgemeine Kriterien: Ansatz und Zugangsbewertung....... .. ... ... .. ... ...... 2. Einzelnormen.........................................................................................
138 140
11. Passivierungsregeln: recognition ofliabilities.............................................
143
I. Allgemeine Kriterien: Ansatz und Zugangsbewertung....... .. ................. 2. Einzelnormen.........................................................................................
143 144
III. Erfolgswirksame Bilanzierungsregeln: recognition of income ....................
149
I. Positive Erfolgsanteile.................................................................. .. ... .. .. a) Allgemeine Kriterien ....................................................................... b) Einzelnormen ........................... .. ...................... .. ............................. 2. Negative Erfolgsanteile ...... .............................................. ..................... a) Allgemeine Kriterien ................................................ .. .... ................. b) Einzelnormen .......................................... ........................................
149 149 150 152 152 153
§ 7 Vergleich mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ........ .. .............
156
Systembildung .. .................................................. .........................................
156
I. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung als System ................. a) Leitbild des Systems.................................................................. ...... b) Skizze des Systems.............. ............................................................ aa) GewinnanspruchsermiUlungsprinzipien.. ...... ....................... ..... bb) Informationsvermittlungsprinzipien ......................................... 2. Vergleich mit den generally accepted accounting principles ...................
156 156 158 158 160
11. Ausblick..................................................................................... .. ................
166
Zusammenfassende Thesen .............. ................................................... .. ........... .. ...
167
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Schriften .....................................................
171
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen ............................................................
176
Verzeichnis der zitierten Schriften........................................................................
179
Personenregister ............................... ............................................... ............. .... ......
202
Sachregister ........................ ....................................................... .. ...................... .. ...
206
I.
I.
163
Abkürzungsverzeichnis AccRev AER AG AICPA AktG Aufl. BB BdF bearb. BFH BFHE BFuP BGB BGH BGHZ BStBl BusLawyer BVerfG BVerfGE C.F.R. CPA OB DBW DÖV DStR EAR EStG EuGH FASB FGO FR FS GbR GG GmbH GmbHG GoB
The Accounting Review (Zeitschrift) The American Economic Review (Zeitschrift) Aktiengesellschaft American Institute of Certified Public Accountants Aktiengesetz Auflage Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesminister der Finanzen bearbeitet Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundessteuerblatt The Business Lawyer (Zeitschrift) Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Code of Federal Regulations Certified Public Accountant Der Betrieb (Zeitschrift) Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) European Accounting Review (Zeitschrift) Einkommensteuergesetz Europäischer Gerichtshof Financial Accounting Standards Board Finanzgerichtsordnung Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung)
XVI GrS HGB h.M. hrsg. lAS IASC IRLE lbFfSt lofAcc lofAccLit lofAccRes lofBus JofCBCML lofF lZ KG KWG MB CA N1W OHG RFH RFHE RIW RMBCA SA of 1933 SEA of 1934 SEC Stblb StGB StPO StuW U.S.c. WPg ZfB ZfbF ZfhF ZGR ZHR ZPO
Abkürzungsverzeichnis Großer Senat Handelsgesetzbuch herrschende Meinung herausgegeben International Accounting Standard International Accounting Standards Committee International Review of Law and Economics (Zeitschrift) Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht The lournal of Accountancy (Zeitschrift) lournal of Accounting Literature (Zeitschrift) lournal of Accounting Research (Zeitschrift) The lournal of Business (Zeitschrift) lournal of Comperative Business and Capital Market Law (Zeitschrift) The Journal of Finance (Zeitschrift) luristen-Zeitung (Zeitschrift) Kommanditgesellschaft Gesetz über das Kreditwesen Model Business Corporation Act Neue luristische Wochenschrift (Zeitschrift) Offene Handelsgesellschaft Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofes Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Revised Model Business Corporation Act Securities Act of 1933 Securities Exchange Act of 1934 Securities and Exchange Commission Steuerberater-lahrbuch Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) United States Code Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Zeitschrift für Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Zeitschrift) . Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung (Zeitschrift) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Zivilprozeßordnung
Problemstellung Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind die Rechnungslegungsregeln der USA, die in ihrer Gesamtheit von verlautbarten und nicht-verlautbarten Regeln dann als generally accepted accounting principles bezeichnet werden, wenn sie den entsprechenden Verweis des American Institute 0/ Certified Public Accountants (AICPA) und der Securities and Exchange Commission (SEC) abdecken. Ziel der Arbeit ist ein systematischer Vergleich der US-amerikanischen Rechnungslegungsregeln mit den deutschen handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. I Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung konkretisieren zwei Rechnungslegungszwecke: Einerseits die Zahlungsbemessungsfunktion, das heißt die Zuweisung von Gewinnansprüchen/ andererseits die Informationsvermittlungsfunktion, mit dem Ziel, den Adressaten von Informationen "interessengerechtere Entscheidungen zu ermöglichen".) Zentral für einen Vergleich der beiden Rechnungslegungsordnungen ist, wie die generally accepted accounting principles diese Zwecke der Rechnungslegung erfüllen und wie regelungs-
I Unter Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung werden im folgenden die Regeln zur Gewinnanspruchsermittlung (Ansatz- und Bewertungsvorschriften bzw. Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung) und die Regeln zur Informationsvermittlung (Informations-GoB) verstanden. Vgl. zum Begriff der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung insbes. Adolf Moxter: Das System der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, in: FS von Wysocki, S. 17-28, hier S. 19-21; Dieter Ordelheide: Externes Rechnungswesen, in: Vahlens Kompendium, S. 219-314, hier S. 259; Ulrich Leffson: Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl., Düsseldorf 1987, hier S. 17-27. Vgl. zur Geschichte insbes. Balduin Penndorf Geschichte der Buchhaltung in Deutschland, Frankfurt am Main 1966 [1913], hier insbes. S.235-245; und Kuno Barth: Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts. Band I. Handelsrechtlich, Stuttgart 1953, hier S. 61-113. 2 Vgl. Adolf Moxter: Betriebswirtschaftliche Gewinnermittlung, Tübingen 1982, hier S.206-219.
) Adolf Moxter: Zur Prüfung des "true and fair view", in: FS Ludewig, S. 671--682, hier S. 675; vgl. insbes. auch Winfried Mellwig: Rechnungslegungszwecke und Kapitalkonten bei Personengesellschaften, in: BB, 34. Jg. (1979), S. 1409-1418, hier S. 1409 ff.; Wolfgang Ballwieser: Zum Nutzen handelsrechtlicher Rechnungslegung, in: FS Clemm, S. 1-25, hier S. I und S. 8 f.
2 Wüstemann
2
Problemstellung
scharf die Vorschriften 1m Vergleich zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sind. In einem ersten Kapitel wird daher die Bedeutung der generally accepted accounting principles zu bestimmen und mit derjenigen der deutschen Grund-
sätze ordnungsmäßiger Buchführung zu vergleichen sein. Bedeutung ist hierbei im zweifachen Wortsinn zu verstehen: als Denotation (§ 1) und als Relevanz (§§ 2, 3). Nach einer inhaltlichen Bestimmung der generally accepted accounting principles (§ 1) folgt die Gliederung den beiden dargelegten Rechnungslegungszwecken "Gewinnanspruchsbemessung" (§ 2) und "Informationsregelung" (§ 3); ein abschließender Teil (§ 4) vergleicht die generally accepted accounting principles mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Den Vorrang in der Darstellung hat jeweils eine de-Iege-Iata-geleitete Darstellung und Auslegung der gesetzlichen Normen, im Gegensatz zu einer de-Iegeferenda-Argumentation oder zu einer Fokussierung auf einzelvertragliche Normen.
Im zweiten Kapitel werden die bestehenden generally accepted accounting principles hinsichtlich ihres System charakters gewürdigt: Wenn auch nicht als (anspruchsvolle) normative Deduktionsgrundlage, so ist das conceptual framework immerhin ein artikuliertes Vorverständnis des Normsetzers in den USA; § 5 untersucht das conceptual framework auf seine Tauglichkeit als Auslegungsgrundlage für einzelne, abzuleitende Normen. Die Regelungsschärfe und die zweckgeleitete Auslegung der generally accepted accounting principles werden danach anhand ausgewählter Ansatz- und Bewertungsregeln analysiert (§ 6). Es folgt im (mit Ausnahme der zusammenfassenden Thesen) abschließenden Abschnitt (§ 7) eine Gegenüberstellung der US-amerikanischen Normen und der deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung hinsichtlich ihres Systemcharakters. Die Arbeit ist der Neuen Institutionenökonomik 4 und der Ökonomischen Analyse des Rechts; hierbei in dem Sinne verpflichtet, daß sie einer ökonom i-
4 Vgl. zum Begriff insbes. Dieter Ordelheide: Institutionelle Theorie und Unternehmung, in: HWB, Sp. 1838-1855, hier Sp. 1839-1846 m. w. N. 5 Vgl. zum Begriff insbes. Richard A. Posner: Recht und Ökonomie: Eine Einführung. [Kapitel I und 2 (Auszüge) der Economic Analysis of Law, 2. Aufl., Boston, Massachusetts: Little, Brown & Co.], in: Ökonomische Analyse des Rechts, hrsg. von Heinz-Dieter Assmann, Christian Kirchner und Erich Schanze, Tübingen 1993, S. 7998, hier S. 90-98; Christian Kirchner: Ökonomische Analyse des Rechts. Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ökonomie und Rechtswissenschaft, in: Ökonomische Analyse des Rechts, a. a. 0., S. 62-78, hier insbes. S. 64-70; Christian Kirchner: The Difficult Reception of Law and Economics in Germany, in: IRLE, Vol. 11 (1991), S. 277-
Problemstellung
3
sehen Analyse der bestehenden Rechnungslegungsordnungen den Grund bereiten will. Eine zentrale Einsicht der Neuen Institutionenökonomik "ist der Satz, daß Institutionen fur den Wirtschaftsprozeß von Bedeutung sind".6 Institutionen sind in diesem Zusammenhang "the rules of the game in a society or, more formally, [... ] the humanly devised constraints that shape human interaction."7 Die ökonomische Analyse setzt die Kenntnis der Institutionen voraus; die vorliegende Arbeit versucht, diese rechtlichen und bilanziellen (institutionellen) Grundlagen darzustellen und zu würdigen, um so die Diskussion über die (ökonomische und rechtliche) Vorteilhaftigkeit der US-amerikanischen oder der deutschen Rechnungslegung zu erweitern. Es scheint, als seien bisher in der vergleichenden Literatur diese institutionellen Regeln - bspw. zur Gewinnanspruchsermittlung oder zur Informationsvermittlung - zugunsten anderer Erkenntnisziele in den Hintergrund getreten. 8 Angesichts so weitreichender Forderungen zur Reform des deutschen Bilanzrechts, wie etwa durch eine partielle Adaption von generally accepted accounting principles in Deutschland die "Ausschüttungsregelungen vom Bilanzrecht" loszulösen "und damit de[n] lahresabschlußzweck der Kapitalerhaltung 292, hier S. 280-284 m. w. N.; Christian Kirchner: Ökonomische Theorie des Rechts, Berlin u. a. 1997, hier insbes. S. 5-21. 6 Rudolf RichterlEirik Furubotn: Neue Institutionenökonomik. Eine Einführung und kritische Würdigung, Tübingen 1996, hier S. 1. V gl. auch Reinhard H. Schmidtl Eva Terberger: Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, 3. Aufl., Wiesbaden 1992, hier S. 395-398.
7 Douglass C. North: Institutions, Institutional Change and Economic Performance, Cambridge: Cambridge University Press, 1990, hier S. 3. Vgl. auch die Definition bei RichterlFurobotn: "Eine Institution [... ] ist ein auf ein bestimmtes Zielbündel abgestelltes System von Normen einschließlich deren Garantieinstrumente, mit dem Zweck, das individuelle Verhalten in eine bestimmte Richtung zu steuern. Sie kann formgebunden (formal) oder formungebunden (informell) sein." (Rudolf RichterlEirik Furubotn: Neue Institutionenökonomik. Eine Einführung und kritische Würdigung, a. a. 0., hier S. 43). Vgl. auch ebenda, hier S. 7 f. m. w. N. insbes. auf Schmoller, der Institution als "eine partielle, bestimmten Zwecken dienende, zu einer selbständigen Entwicklung gelangte Ordnung des Gemeinschaftslebens" bestimmt, "welche das feste Gefäß für das Handeln von Generationen, oft von Jahrhunderten und Jahrtausenden abgiebt." (Gustav Friedrich von Schmoller: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre, München 1900, hier S. 61). g Grundlegend sind hier die vergleichenden Monographien von Wolfgang Lück: Die externe Rechnungslegung der Aktiengesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Düsseldorf 1970; Peter Wesner: Bilanzierungsgrundsätze im Wertpapierrecht der U.s.A., Wiesbaden 1984; Axel Haller: Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl., Stuttgart 1994 [1989]; Dirk Eisolt: US-amerikanische und deutsche Konzernrechnungslegung, Hamburg 1992; und Andreas-Markus Kuhlewind: Grundlagen einer Bilanzrechtstheorie in den USA, Frankfurt am Main u. a. 1997.
2*
4
Problemstellung
aufzugeben" mit der Begründung, daß "in den meisten Bundesstaaten [der USA] keine Ausschüttungssperren mehr existieren"9, ist die Darstellung und Analyse der institutionellen Ausgestaltung der beiden Rechnungslegungsordnungen in ihrer Bedeutung und Systembildung lohnend.
9 Jörg BaetgelStefan Thiele: Gesellschafterschutz versus Gläubigerschutz - Rechenschaft versus Kapitalerhaltung. Zu den Zwecken des deutschen Einzelabschlusses vor dem Hintergrund der internationalen Harmonisierung, in: FS Beisse, S. 11-24, hier S. 22, die diese These nicht vertreten.
Erstes Kapitel
Bedeutung der generally accepted accounting principles § 1 Begriff I. Relative Bedeutung der generally accepted accounting principles
1. Verweise auf die generally accepted accounting principles a) Fehlende Legaldefinition In den USA gibt es im Unterschied zu den deutschen, handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchflihrung lO keine dem Handelsgesetzbuch (HGB), bspw. in § 252, entsprechende gesetzliche Aufflihrung einzelner Rechnungslegungsgrundsätze im Sinne einer "detaillierte[ n] gesetzliche[ n] Fixierung der flir die Rechnungslegung maßgeblichen Grundsätze"ll. Gesellschaftsund wertpapierrechtliche Verweise 12 auf anerkannte Bilanzierungsprinzipien entsprechen etwa dem generellen Verweis des § 38 HGB in der ursprünglichen Fassung von 1897 auf die "Grundsätze ordnungsmäßiger Buchflihrung" bei der Verpflichtung des Kaufmanns, seine "Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage des Vermögens [... ] ersichtlich zu machen".ll Allerdings sind die im HGB kodifizierten Prinzipien entweder so selbstverständlich beiden Bilanzierungssystemen immanent, wie Einzelbewertungsgrundsatz und Fortführungsgrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 und 2 HGB), oder sie bleiben in ihrer gesetzlichen Definition so allgemein, wie Vorsichts-, Realisations- und Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), daß eine Interpretation sei es durch "richterliche Normanwendung" oder durch den Berufsstand - zur 10 Vgl. Wolfgang Ba/lwieser: Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (B lOS), in: Beck'sches Handbuch, passim. 11 Friedrich Kühler: Vorsichtsprinzip versus Kapitalmarktinformation. Bilanzprobleme aus der Perspektive der Gesellschaftsrechtsvergleichung, in: FS Budde, S. 361375, hier S. 363; vgl. auch S. 362-365.
12
Vgl. hierzu unten, §§ 2, 3.
Vgl. Roland Euler: Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnrealisierung, Düsseldorf 1989, hier S. 7-20. 13
§ I Begriff
6
Nonnsetzung wird. 14 Geschieht diese Quasinonnsetzung in Deutschland insbesondere durch die Gerichte, so werden die maßgeblichen Grundsätze in den USA primär durch eine private Organisation, den Financial Accounting Standards Board (FASB), gesetzt. 15 Der Begriff der generally accepted accounting principles kann vorläufig bestimmt werden als ,,[t]he conventions, rules and procedures necessary to define accepted accounting practice at a particular time; [it] includes both broad and specific guidelines. The source of such principles is the Financial Accounting Standards Board."16 Diese Definition ist insoweit einzuschränken, als sich die sogenannte "anerkannte Buchführungspraxis" nur auf bestimmte Regelungszusammenhänge bezieht: In den USA finden sich in diversen gesetzlichen und nicht-gesetzlichen Bestimmungen Verweise auf accepted accounting principles bzw. accepted accounting practice; nicht immer sind aber die durch den FASB gesetzten Nonnen, die generally accepted accounting principles gemeint. Die "accepted" accounting practice ist demzufolge relativ zu dem jeweiligen Verweis; was im Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer "accepted" ist, muß in diesem Sinne nicht ebenso für bestimmte Bundes- oder EinzeIstaatengesetze richtige Buchfuhrungspraxis sein. 17
b) Verweis durch das American Institute of Certified Public Accountants Den zentralen Verweis auf generally accepted accounting principles enthalten die berufsrechtlichen Bestimmungen des amerikanischen Wirtschaftsprüferverbandes, des American Institute 0/ Certijied Public Accountants (AICP A)18; in dessen rule 0/ conduct 203 ist folgendes verfugt:
14
Adolf Moxter: Bilanzrechtsprechung, 3. Aufl., Tübingen 1993, hier S. 5.
15 Vgl. hierzu auch unten, § I.II sowie § 4.1.2. 16 Black's Law Dictionary, hier S. 685 (Stichwort "generally accepted accounting
principles") in Anlehnung an eine Definition des Accounting Principles Board (vgl. Statement No. 4, hier Abs. 138). 17 Vgl. auch Ronald D. Greenberg: Accounting and the Law, in: Handbook 1981, Kapitel 45, hier S. I f. 18 Das AICPA ist der Dachverband der von den Einzelstaaten lizenzierten USamerikanischen Wirtschaftsprüfer, der Certified Public Accountants (CPA); eine Mitgliedschaft ist freiwillig. Vgl. zur historischen und institutionellen Entwicklung des AICPA: Gary lohn PrevitslBarbara Dubis Merino: A History of Accounting in America, New York u. a., New York: lohn Wiley & Sons, 1979, hier insbes. S.148, S. 205 ff.; lames Don Ed-
1. Relative Bedeutung der generally accepted accounting principles
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"A member shall not (1) express an opinion or state affirmatively that the financial statements or other financial data of entity are presented in conformity with generally accepted accounting principles or (2) state that he or she is not aware of any material modifications that should be made to such statements or data in order for them to be in conformity with gene rally accepted accounting principles, if such statement or data contain any departure from an accounting principle promulgated by bodies designated by Council to establish such principles that has a material effect on the statement or data taken as a whole. [.. .]'.19.
Darüber hinaus verfugt Satz 2 der rufe of conduct, daß im lahresabschluß Abweichungen von generally accepted accounting principles dann beibehalten werden könnten, wenn von dem Prüfer gezeigt werden kann, daß der Jahresabschluß anderenfalls irreftihrend ("misleading") wäre. 20 Begründet sind derartige, seltene Umstände bspw. in neuartigen Geschäftsvorfallen und geänderten Rechtslagen; es gibt hierzu keine detaillierte kasuistische Auffächerung, die Beurteilung sollte sich im Einzelfall von dem professional judgment leiten lassen. lI Die Abweichungen sind überdies hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu beschreiben. Hieraus folgt, daß ein uneingeschränktes Testat2 2 des Wirtschaftsprüfers in den USA bei Pflichtprüfungen und freiwilligen Prüfungen dem Unternehmen nur erteilt wird, wenn der Jahresabschluß generally accepted accounting principles folgend aufgestellt wird. 23
wardslPaul J Miranti: The AICPA: A Professional Institution in a Dynamic Society, in: JofAcc, Vol. 163 (1987), May 1987, S. 22-38, hier S. 22 ff. 19 AICPA: Code of Professional Conduct as amended January 14, 1992, New York, New York: AICPA, 1994, hier S. 14. Vgl. auch den ersten standard olreporting: "The report shall state whether the financial statements are presented in accordance with generally accepted accounting principles" (AICPA: Auditing (United States), § 410 ("Adherence to Generally Accepted Accounting Principles"), hier Abs. I). 20 Ebenda. 21 Vgl. AICPA: Statement of Auditing Standards No. 69 ("The Meaning olPresent Fairly in Conformity With Generally Accepted Accounting Principles in the Independent Auditor 's Report"),in: AICPA Professional Standards, hier: Auditing (United States), § 411, hier Abs. 9 i. V. m. Abs. 5(a); AICPA: Auditing Interpretations of § 411 ("The Meaning 01 Present Fairly in Conformity With Generally Accepted Accounting Principles in the Independent Auditor 's Report"), Auditing (United States), § 9411, hier Abs. 12 ff.; vgl. auch Jan R. Williams: Miller GAAP Guide 1995, San Diego u. a., California: Harcourt Brace & Company, 1995, Kapitel 31, hier S. 6 ff. 22 V gl. die Wiedergabe des Wortlautes unten, § 3 11.1. 23 Eine Prüfungspflicht ergibt sich in den USA gesetzlich nur aus den Wertpapierhandeisgesetzen; im Gegensatz zu Deutschland gibt es insoweit keine rechtsform- und größenabhängige Pflichtprüfung wie sie § 316 ff. HGB kennt. Allerdings sind viele, nicht unter die Wertpapierhandelsgesetze fallende, Unternehmen durch Kreditverträge faktisch zur Prüfung verpflichtet; die ökonomische Begründung leitet sich aus der Sen-
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§ 1 Begriff
c) Verweis durch die Securities and Exchange Commission Den zweiten zentralen Verweis auf die generally accepted accounting principles enthalten die Wertpapierhandelsgesetze des Bundes. Anteile an Unternehmen, die außerhalb des Einzelstaates der Inkorporation gehandelt werden, sind registrierungspflichtig und unterliegen ftir die Emission dem SA of 1933 und für den Handel der Anteile dem SEA of 1934. 24 Der SEA of 1934 verpflichtet den Emittenten mit dem (erklärten) Ziel des Investorenschutzes 25 unter anderem zum sogenannten filing von ,,[s]uch annual reports (and such copies thereof), certified if required by the rules and regulations of the Commission by independent public accountants, [... ] as the Commission may prescribe" (15 U .S.c. Sec. 78m (a)(2)). Hinsichtlich der Art der zu veröffentlichenden Informationen heißt es in dem Bundesgesetz weiter: "The Commission may prescribe, in regard to reports made pursuant to this chapter, the form or forms in which the required information shall be set forth, the items or details to be shown in the balance sheet and the earning statement, and the methods to be followed in the preparation of reports, in the appraisal or valuation of assets and liabilities, in the determination of depreciation and depletion, in the differentiation of recurring and nonrecurring income, in the differentiation of investment and operating income, and in the preparation, where the Commission deerns it necessary or desirable, of separate and/or consolidated balance sheets or income accounts of any person directly or indirectly controlling or controlled by the issuer, or any person under direct or indirect common control with the issuer [.. .]" (15 U.S.c. Sec. 78m (b)(l».
Die Commission macht von ihrem Recht, adäquate Buchflihrungs- und Bilanzierungsprinzipien selbst zu setzen, keinen unmittelbaren Gebrauch, sondern verweist darauf, daß
kung der Kreditkosten durch standardisierte und objektivierte Rechnungslegung ab. Vgl. zur Darstellung der Prüfungspflicht: Axel Haller: Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, a. a. 0., hier S. 233-246. 24 Vgl. zu Einzelheiten David L. Ratner: Securities Regulation, 4. Autl., St. Paul, Minnessota: West Publishing, 1992, hier S. 34-127; Henning Siebert: Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, Köln 1996, hier S. 9-24. In den USA ist die security und nicht das Unternehmen registrierungsptlichtig; es gibt allerdings Bestrebungen, dies zu ändern und das Unternehmen registrierungsptlichtig zu machen (zur Zeit gibt es nur die antizipative shelf registration); vgl. Steven M. H. Wallmann u. a: Report of The Advisory Committee on the Capilal Formation and Regulatory Processes der U. S. Securities and Exchange Commission, Washington, D. c.: SEC, 1996, hier S. 34: "The Committee believes that company registration is superior to incremental liberalization ofthe current offering process". 25 Vgl. 15 USC Sec. 78m: "for the proper protection of investors and to insure fair dealing in the security".
I. Relative Bedeutung der generally accepted accounting principles
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,,[i]n cases where financial statements filed with the Commission pursuant to its rules and regulations under the Securities Act or Exchange Act are prepared in accordance with accounting principles for which there is no substantial authoritative su~port, such financial statements will be presumed to be misleading or inaccurate [... ]" 6
Der substantial authoritative support wird den Verlautbarungen des FASB und seiner Vorgängerinstitutionen zugesprochen;27 es sind dieselben Institutionen, die fur den (berufsrechtlichen) Verweis der rule 0/ conduct bzw. des Bestätigungsvennerks zur Nonnsetzung befugt sind. Für die Erstellung der jinancial statements gelten die generally accepted accounting principles mithin explizit als verbindlich. 28 Durch den Verweis der SEC auf die generally accepted accounting principies und durch die Anerkennung des FASB als nonnsetzende Institution verweisen die berufsrechtlichen und bundeswertpapierrechtlichen Verweise mithin nach Fonn und Inhalt auf dasselbe System von Buchflihrungsprinzipien und verstehen diese auch materiell im gleichen Sinne.
2. Einschränkungen des Geltungsbereiches a) Entscheidungen der obersten US-amerikanischen Gerichte 29 zur Anwendungsreichweite der generally accepted accounting principles verdeutlichen
26 SEC: Accounting Series Release No. 4, veröffentlicht am 25. April 1938; der Abschnitt ist eingegangen in die (zusammenfassende) Kodifizierung von Publizitätsvorschriften der SEC; vgl. SEC: Codification ofFinancial Reporting Policies, § 101. 27 Vgl. SEC: Accounting Series Release No. 150, veröffentlicht am 20. Dezember 1973; bzw. SEC: Codification of Financial Reporting Policies, § 101. Vgl. auch SEC: Accounting Series Release No. 280, veröffentlicht am 2. September 1980; bzw. SEC: Codification of Financial Reporting Policies, § 10 1. 2R Vgl. den Wortlaut: "which conform to generally accepted accounting principles" (SEC: Accounting Series Release No. 150, veröffentlicht am 20. Dezember 1973; bzw. SEC: Codification of Financial Reporting Policies, § 101); sowie den Wortlaut der regulation s-x: "The accountant's report [... ] shall state whether the audit was made in accordance with generally accepted accounting principles" (17 CFR Reg. § 210.2-02(a»; und ,,[f]inancial statements which are not prepared in accordance with generally accepted accounting principles will be presumed to be misleading or inaccurate [... ]" (17 CFR Reg. § 210.4-01 (a». 29 Vgl. zu Einzelheiten der Gerichtsbarkeit in den USA insbes.: Dieter Blumenwitz: Einführung in das anglo-amerikanische Recht, 4. Aufl., München 1990, hier S. 28-30 und S. 127-130; Peter Hay: Einführung in das amerikanische Recht, 4. Aufl., Darmstadt 1995, hier S. 44-65; Harvey L. PittlJames H. Schropp: The Legal Framework, in: Handbook 1981, Abschnitt 44, hier S. 2-7; Michael Will: Das Common Law, in: Ein-
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§ I Begriff
deren relative Bedeutung flir andere Regulierungsbereiche: So hatte der Supreme Court in einem Urteil aus dem Jahre 1979 darüber zu entscheiden, inwieweit für Vorratsbewertungszwecke steuerrechtlich die general/y accepted accounting principles zulässig seien. 30 Für das US-amerikanische Steuerrecht gilt eine prinzipielle, in Einzelfallen durchbrochene Unmaßgeblichkeit der Handelsbilanz flir die Steuerbilanz. 31 Das insoweit maßgebliche Recht, der Internal Revenue Code, sieht in seinen Normen zur Gewinnermittlung vor, daß das ,,[t]axable income shall be computed under the method of accounting on the basis of which the taxpayer regularly computes his income in keeping books" (26 U.S.c. § 446(a)). Ausnahmen hiervon kämen dann in Betracht, wenn keine vom Steuerzahler angewandte Methode regelmäßig ("regulary") angewandt würde oder wenn die angewandte Methode das Einkommen nicht klar wiedergibt ("does not cIearly reflect income", 26 U.S.C. § 446(b)). Diese steuerrechtliche "Generalklausel" ermöglicht die Abwehr "ungeeignete[r] Methoden der Einkommensermittlung".32 Grundsätzlich sind unter den Einschränkungen der bei den Abschnitte jedoch insbesondere die "cash receipts and dis-
führung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, bearb. von Günther Grasmann u. a., 2. Aufl., München 1989, hier Tz. 399-413. 30 Vgl. Thor Power Tool v. Commissioner o/Internal Revenue, 439 U.S. 522 (1979). 31 Vgl. zum Verhältnis der US-amerikanischen Handelsbilanz gegenüber der Steuerbilanz insbes.: American Accounting Association: Accounting Principles and Taxable Income, in: AccRev, Vol. 27 (1952), S. 427-430; Arthur M. Cannon: Tax Pressures on Accounting Principles and Accountants' Independence, in: AccRev, Vol. 27 (1952), S. 419-426, Wiederabdruck in: Financial Accounting Theory, hrsg. von Stephen A. ZefJ u. a., New York u. a., New York: McGraw-Hill, 1964, S. 31-40, hier S. 31-36 sowie zu weiteren (älteren) Literaturhinweisen S. 41 des angegebenen Bandes; Melvin McClure: Diverse Tax Interpretations of Accounting Concepts, in: lofAcc, Oktober 1976, S. 6774; Michael Chatfield: A History of Accounting Thought, Huntington, New York: Holt, Rinehart & Winston, 1977, hier S. 203-214; Axel Haller: Das Verhältnis von steuerrechtlicher und "handelsrechtlicher" Rechnungslegung in den USA, in: DBW, 48. 19. (1988), S. 723-733; Axel Haller: Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, a. a. 0., hier S. 26-28; Dirk Eisolt: US-amerikanische und deutsche Konzernrechnungslegung, a. a. 0., hier S. 85-88; Ulrich Schreiber: Die Bedeutung der US-amerikanischen Rechnungslegung für die Besteuerung von Gewinnen und Ausschüttungen, in: Ballwieser, S. 45-84. Vgl. zur Berücksichtigung der Differenz von besteuertem Einkommen und handelsrechtlichem Einkommen in der Bilanz insbes.: FASB: Statement of Accounting Standards No. 109 ("Accounting for Income Taxes"); Donald E. Kieso/Jerry J. Weygandt: Intermediate Accounting, 8. Aufl., New York u. a., New York: lohn Wiley & Sons, 1995, hier S. 991-1034; Vernon Kam: Accounting Theory, 2. Aufl., New York u. a., New York: lohn Wiley & Sons, 1990, hier S. 334-352. J2 Ulrich Schreiber: Hat das Maßgeblichkeitsprinzip noch eine Zukunft?, in: FS Beisse, S. 491-509, hier S. 493.
I. Relative Bedeutung der generally accepted accounting principles
ll
bursements method" als auch die "accrual method" bei der steuerlichen Einkommensermittlung anwendbar (26 U.S.c. § 446 (c)). Der die Finanzverwaltung vertretende Commissioner hat fur die anzuwendenden Methoden der Gewinnermittlung bei der Vorratsbewertung weitreichende Festlegungsbefugnisse: "inventory shall be taken [... ] on such a basis [... ] as conforming as nearly as may be to the best accounting practice in the trade or business and as most clearly reflecting income" (26 U.S.c. § 471).]) Der Supreme Court lehnte die vom Steuerpflichtigen angewandte, unstrittig den generally accepted accounting principles folgende, Bewertungsmethode ab. In der Urteilsbegründung wird zunächst klargestellt, daß "best accounting practice" synonym mit generally accepted accounting principles sei. 34 Allerdings würden die angewandten generally accepted accounting principles nicht das steuerlich relevante Einkommen wiedergeben, da die zur Entscheidung stehenden Wertverluste zu sehr vom subjektiven Ermessen der Geschäftsfuhrung abhingen und damit eine erhebliche Manipulationsmöglichkeit der auf das jeweilige Geschäftsjahr entfallenden Gewinne bestünde; nach Ansicht des Gerichtes scheint die Anwendung von generally accepted accounting principles diese Manipulationsmöglichkeiten zu eröffnen. 35 Steuerrechtliches Einkommen
33 Vgl. zu den weitreichenden Befugnissen des Cornrnissioner hinsichtlich der Festlegung der anzuwendenden Bewertungsprinzipien insbes.: Cornrnissioner v. Hansen, 60 U.S. 446, hier 467 (1959); Lucas v. Arnerican Code Co., 280 U.S. 445, hier 449 (1930); Thor Power Tool v. Cornrnissioner, 439 U.S. 522 (1979), hier 532 m. w. N. 34 Vgl. eben da. 35 Ebenda, hier 533 ff. mit Einzelheiten zur Diskussion des US-amerikanischen Niederstwertprinzips in Handels- versus Steuerrecht, insbes. zu Objektivierungsproblemen ("objective evidence") der sogenannten niedrigeren Marktwerte ("market values") bei Anwendung der generally accepted accounting principles: der Suprerne Court ist hier der Ansicht, die handelsrechtlich zulässigen Bewertungsprinzipien böten wegen der Objektivierungs- und Nachweisprobleme erhebliche Angriffsflächen; die von der Steuerrechtsprechung geforderten Kriterien würden hingegen "hard evidence of actual sales" erfordern und "further demand that records of actual disposition be kept" (eben da, hier 536); die Bewertung der niedrigeren net realizable values würde zwar auf der Grundlage eines rational judgrnent vorgenommen, das Kriterium der Realisation der Verluste sei aber nicht erftillt; dies wäre aber notwendig, denn "there is no reason why the Treasury should subsidize Thor's hedging of its bets. There is also no reason why the Thor should be entitled, for tax purposes, to have its cake and to eat it too" (ebenda, hier 545 f.). Unter Vernachlässigung des Vorsichtsprinzips ist das Argument bemerkenswert: Das Gericht argumentiert, daß die Nichtauflösung des Überbestandes an Vorräten einer "Wette" auf wieder steigende Preise gleichkomme. Sei der Steuerpflichtige nicht willens, diese tatsächlich jetzt zu verkaufen, hätte auch der Fiskus keine Veranlassung zur Berücksichtigung etwaiger Verluste. Vgl. zur Tagesbewertung in den USA: Stefan Gäbel: Die Bilanzierung von Tageswerten und die Saldierung von Gewinnen und Verlusten, in: Ballwieser, S. 153-173,
§ 1 Begriff
12
in den USA ist - folgt man dem Supreme Court - also in erster Linie objektiviertes Einkommen. 36 Weiterhin würde, ebenfalls dem Ziel der Besteuerung zuwiderlaufend, die externe wertpapier- und handelsrechtliche Rechnungslegung dem Prinzip der Vorsicht folgen. 37 Aus diesem Grunde wäre eine Äquivalenz von Gewinnermittlung nach generally accepted accounting princip/es und steuerrechtlicher Gewinnermittlung nicht annehmbar. 3R Der Rekurs auf das Vorsichtsprinzip ist überraschend, da der US-amerikanisehen Bilanzierung aus deutscher Sicht (wohl mit Recht) unterstellt wird, sie sei durch eine wenig vorsichtige Vermögensermittlung geprägt. 39 Das Gericht belegt seine These insbesondere mit dem statement no. 4 des AICPA, das sich mit allgemeinen Rechnungslegungskonzepten und -prinzipien auseinandersetzte. 40 An der entsprechenden Stelle im statement no. 4 wurde u. a. das Niederstwertprinzip (princip/e 0/ /ower 0/ cost or market) aus der kaufmännischen Konvention der Vorsicht abgeleitet; diese sei Ausdruck davon, daß traditionell Manager, Investoren und Buchführer (accountants) eine Unterschätzung des
hier S. 156-169, m. w. N. zu den Regelungen durch das FASB. Vgl. zur Problematisierung der imparitätsprinzipkonformen Abgangsbewertung nach deutschem Handelsrecht insbes. Adolf Moxter: Die Helmrich-Konzeption des Bilanzrichtliniengesetzes, Bedeutung und Bedrohung, in: FS Helmrich, S. 709-719, hier S. 715; Dejan Ciric: Grundsätze ordnungsmäßiger Wertaufhellung, Düsseldorf 1995, hier S. 5-39; Jens Wüstemann: Funktionale Interpretation des Imparitätsprinzips, in: ZfbF, 47. Jg. (1995), S. 10291043, hier S. 1037-1040 m. w. N. 36 Diese Objektivierungsdominanz erklärt, warum bspw. prepaid income gewinnwirksam mit Empfang angesetzt wird - ebenfalls im Gegensatz zu den "generally accepted accounting principles", vgl. Thor Power Tool v. Commissioner, 439 U.S. 522 (1979), hier 541; American Automobile Assn. v. United States, 367 U.S., hier 687, hier 690. Vgl. auch Frank Lyon Co. v. United States, 435 U.S. 561, hier 577 (1978): "the characterization of a transaction for financial accounting purposes, on the one hand, and for tax purposes, on the other hand, need not necessarily be the same".
37
Vgl. Thor Power Tool v. Commissioner, 439 U.S. 522 (1979), hier 542.
3R Vgl. ebenda, hier 542 f.: "any presumptive equivalency between tax and financial accounting would be unacceptable" (ebenda, hier 543). 39 Vgl. bspw. Friedrich Kübler: Vorsichtsprinzip versus Kapitalmarktinformation. Bilanzprobleme aus der Perspektive der Gesellschaftsrechtsvergleichung, a. a. 0.,
S.364.
40 Vgl. Thor Power Tool v. Commissioner, 439 U.S. 522 (1979), hier Fußnote 18. Die beiden zitierten Schriften sind: AICPA: Accounting Principles Board, Basic Concepts and Accounting Principles Underlying Financial Statements of Business Enterprises; Sterling: Conservatism: The Fundamental Principles of Valuation in Traditional Accounting, in: Abacus, Vol. 3 (1967), S. 109-113.
I. Relative Bedeutung der generally accepted accounting principles
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Vennögens einer Überschätzung vorgezogen hätten. 41 (Hier besteht insoweit eine Analogie zum traditionellen Gebot fur den Kaufmann in Deutschland, er "möge sich nicht 'reich rechnen '''42). In dieser Ausprägung hat das Vorsichtsprinzip in den USA auch heute Geltung. 43 Allerdings fordert der jetzige Nonnsetzer F ASB im conceptual framework bezeichnenderweise eine Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips.44 Zum Verständnis des Urteils und der hier gemachten Aussage ist also zu berücksichtigen, daß das Gericht vennutlich lediglich das Mehr an Vorsicht vom steuerrechtlich nötigen Maß gegenüber der Bilanzierung nach generally accepted accounting principles zum Ausdruck bringen will. Wenn das Gericht schon ein so verstandenes Vorsichtsprinzip zurückweist, so zeigt sich andererseits implizit, daß steuerrechtlieh dem Vorsichtsprinzip sehr wenig Gewicht beigemessen wird. Schließlich fUhrt der Supreme Court (zusammenfassend) aus: "Accountants long have recognized that 'generally accepted accounting principles' are far from being a canonical set of rules that will ensure identical accounting treatment of identical transactions. 'Generally accepted accounting principles', rather, tolerate a range of 'reasonable' treatments, leaving the choice among alternatives to management. Such, indeed, is precisely the case here. Variances of this sort may be tolerable in financial reporting, but they are questionable in a tax system designed to ensure, as far as possible, that similarly situated taxpayers pay the same tax. If management's election among 'acceptable' options were dispositive for tax purposes, a firm, indeed, could decide unilaterally-within limits dictated only by its accountants-the tax it wished to pay. Such unilateral decisions would not just make the Code inequitable; they would make it unenforceable,,45 b) Die Bedeutung der generally accepted accounting principles fur das Steuerrecht ist mithin grundsätzlich gering: ,,[T]he courts in detennining what constitutes income for tax purposes do not give much weight to GAAP"46. HierfUr sind - wie ausgefUhrt - einerseits konzeptionell unterschiedliche Einkommensbegriffe verantwortlich; andererseits verweist der Supreme Court in seiner Urteilsbegründung wiederholt auf die schlechte Durchsetzbarkeit der Grundsätze vor Gericht: da sie zu vage seien, würden dem Bilanzierenden zu große 41 Vgl. AICPA: Accounting Principles Board, Statement No. 4 ("Basic Concepts and Accounting Principles Underlying Financial Statements of Business Enterprises"), Oktober 1970, in: FASB Original Pronouncements, hier § 171. 42 AdolJ Moxter: Das Realisationsprinzip - 1884 und heute, in: BB, 39. Jg. (1984), S. 1780-1786, hier S. 1780. 43 Vgl. Vernon Kam: Accounting Theory, a. a. 0., hier S. 527-531. 44 Vgl. FASB: Statement of Concepts No. 2 ("Qualitative Characteristics of Accounting Information"), Mai 1980, hier §§ 91-97. 45 Thor Power Tool v. Commissioner, 439 U.S. 522 (1979), hier 544. 46 Ronald D. Greenberg: Accounting and the Law, a. a. 0 ., hier S. 11.
§ 1 Begriff
14
Spielräume eröffnet. Unterstützung erfahrt diese Einschätzung auch durch ein anderes Urteil: "More than ample support can be found for the proposition that generally accepted accounting principles (GAAP) are nebulous in concept and almost incredibly elastic,,47.
Die Gründe hierfür liegen darin, daß generally accepted accounting principies nicht in dem Sinne in das Rechtssystem der USA eingebunden sind, daß man sie als Rechtssätze betrachtete: sie sind weder Ergebnisse der Legislative noch eines juristischen Systems; als Ergebnis eines Konsenses der beteiligten Gruppen fehlt ihnen eine Vereinheitlichung und Finalität. 4H Für eine Quristisch durchsetzbare) objektivierte externe Rechnungslegung, also unter Dominanz des bilanzrechtlichen Objektivierungsprinzips, implizieren diese Urteile eine qualitative Abwertung: Denn die generally accepted accounting principles genügen nicht dem hierftir notwendigen Kriterium der Gerichtsbarkeit. c) Ein weiteres Urteil des Supreme Court verdeutlicht die nur relative Bedeutung der generally accepted accounting principles in den Regulierungswerken des Bundes (mit Ausnahme der wichtigen oben angeführten Wertpapiergesetze 49 ):50 Im Streitfall war zu entscheiden, ob sich ein Rückvergütungsanspruch eines Krankenhauses gegenüber der Medicare nach generally accepted accounting principles berechnete, was von der Secretary 0/ Health and Human Services nicht anerkannt worden war. 51 Das entsprechende Gesetz sieht allgemein vor, daß der provider von Krankenhausleistungen bei der Berechnung von Ansprüchen "sufficient financial records" führen müsse und weiter, daß gewährleistet sein müsse, daß ,,[ s ]tandardized definitions, accounting, statistics, and reporting practices that are widely accepted in the hospital and related field
47 Burroughs International Co. v. Datronics Engineers, Inc., 255 A.2d 341, hier 351 ( 1969). 48 Vgl. Ronald Greenberg: Accounting and the Law, a. a. 0., hier S. 4; Adolf Moxter: Die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und das neue Bilanzrecht, in: ZGR, 9. Jg. (1980), S.254-276, hier S. 271 (GAAP als "nicht überprüfbare Konventionen"); vgl. auch Jens Wüste mann: US-GAAP: Modell für das deutsche Bilanzrecht?, in: WPg, 49. Jg. (1996), S. 421-431, hier S. 427-429.
49 Vgl. oben, § 1 1.1. c); vgl. hierzu auch unten, § 3. Zum Zweck der allgemeinen Rechnungslegung sind für Krankenhäuser im allgemeinen die GAAP maßgeblich - es sei denn, es gibt einen spezifischeren, vom Government Accounting Standards Board kodifizierten standard. Vgl. zur Rechnungslegung von health care providers insbes. Richard E. BakeriValdean C. LembkelThomas E. King: Advanced Financial Accounting, 2. Aufl., New York u. a., New York: McGrawHili, 1993, hier S. 1154-1174. 50
51
V gl. Shalala v. Guernsey Memorial Hospital, 514 U.S. 87 (1995).
I. Relative Bedeutung der generally accepted accounting principles
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are followed" (42 CFR § 413 .20(a)). Zudem müßten die Kosten auf Basis einer periodisierten Rechnungslegung (accrual accounting) erfolgen, das heißt "revenue is reported in the period when it is earned, regardless of when it is collected, and expenses are reported in the period in which they are incurred, regardless of when they are paid" (42 CFR § 413.24(b)(2)). Wolle die Secretary von den existierenden regulations abweichen, müsse sie hierzu den administrativen Weg wählen. 52 Im Streitfall wollte das Krankenhaus einen Refinanzierungsverlust, den generally accepted accounting principles entsprechend, voll wirksam in der Rechnungsperiode als (von der Medicare zurückzuerstattenden) Verlust ausweisen; dagegen hatte sich die Secretary gewandt, die den Verlust über die Laufzeit der alten Obligationen verteilt sehen wollte. Wieder wendet sich das Gericht in seiner Urteilsbegründung unter Anführung des Urteils Thor Power Tool Co. v. Commissioner gegen das die USamerikanische Bilanzierung prägende Vorsichtsprinzip ("principle of conservatisrn"), das möglicherweise für die Informationsvermittlung gegenüber Anlegern, nicht aber für die in Frage stehenden Probleme des Steuerrechts in sich stimmig sei. 53 Die Secretary hätte überdies bei ihrer Entscheidung, von den generally accepted accounting principles in der Verlustberechnung abzuweichen, "reasonable" gehandelt;'4 es sei ihr schließlich nicht zumutbar, einander in Teilen widersprechenden und unbestimmten Buchführungsgrundsätzen zu folgen: "GAAP is not the lucid or encyclopedic set of preexisting rules that the dissent might perceive it to be. [... ] GAAP changes and, even at any one point, is often indeterminate. [... ] There are 19 different GAAP sources, any number of which might present conflicting treatments of a particular accounting question. [... ] When such conflicts arise, the accountant is directed to consult an elaborate hierarchy of GAAP sources to determine which treatment to follow. [ ... ] We think it is a rather extraordinary proposition that the Secretary has consigned herself to this process in addressing the timing of Medicare reimbursement" 55
52 53
54
V gl. Shalala v. Guernsey Memorial Hospital, 514 U.S. 87 (1995), hier 87 ff. Ebenda; vgl. zur Problematisierung des Arguments oben. Ebenda.
55 Ebenda. In einer abweichenden (dissenting) Meinung wenden sich im übrigen vier der acht Richter gegen eine Durchbrechung der generally accepted accounting principles, da diese unwidersprochen in diesem und anderen Krankenhäusern angewandt würden. Nur mit dem Erlaß von Sonderregelungen, von dem die Secretary aber keinen Gebrauch gemacht hätte, könne hiervon abgewichen werden:
"Our task is simply to review the regulations the Secretary has in fact adopted, and I conclude that the Secretary has incorporated GAAP as the reimbursement default rule" (ebenda).
§ 1 Begriff
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d) Eine Skepsis gegenüber den generally accepted accounting principles kommt schließlich auch in der Entwicklung von regulatory accounting principies des Bank Board zum Ausdruck; die zuvor angewandten Bilanzierungsgrundsätze bei der Bestimmung der Kapitalanforderungen im Bankbereich und hier insbesondere im Sektor der Saving and Loan Banks - seien durch die Möglichkeit, nichtwerthaltigen goodwill auszuweisen, mitverantwortlich gewesen für den, einem Desaster gleichkommenden, Zusammenbruch zahlloser Banken. 56
3. Verwendungszusammenhang und Gerichtsfestigkeit a) Aus den referierten Ausführungen wird deutlich, daß sich die Gerichte nicht als (Rechts-)Quelle von generally accepted accounting principles betrachten; die Judikative schränkt in bestimmten Rechtsgebieten nur ihren Geltungsbereich ein. In gewissem Maße bestimmen die Richter aber dennoch ordnungsmäßige Buchführungsgrundsätze, die, wie gesehen, bspw. in den Bereichen Steuerermittlung, Gesundheitswesen und Bankenregulierung gut (im Sinne von angemessen) sind. Nur sind die Grundsätze nicht "ordnungsmäßig" im Sinne der SEC und des AICPA: Die Urteile belegen die oben formulierte relative Bedeutung der generally accepted accounting principles abhängig vom jeweiligen Verwendungszusammenhang; was akzeptierte Rechnungslegungspraxis im Sinne des AICPA ist, muß nicht den Anforderungen anderer Regelungswerke genügen et vice versa. 57 Diese relative Bedeutung gilt insoweit auch für Deutschland;5H allerdings sind die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung das umfassendere (und damit insbesondere auch einheitlichere) Regelungskonzept: Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnanspruchsermittlung) gelten prüfungs-, größen- und rechtsformunabhängig für alle Kaufleute: "Der lahresabschluß ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen" (§ 243 Abs. 1 HGB). Auch die Reichweite der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bezüglich der Regulierungsvorschriften des Bundes ist weiter: § 5 Abs. 1
56
United States v. Winstar Corporation, 518 U.S. 839 (1996).
V gl. zu den ebenfalls von generally accepted accounting principles abweichenden Rechnungslegungsprinzipien für einzelnen Staaten und die Kommunen in den USA (die ebenfalls vom Governmental Accounting Standards Board entwickelt werden) insbes. Donald E. Kieso/Jerry J. Weygandt: Intermediate Accounting, a. a. 0., hier S. 1522. 57 Die Überlegungen gelten analog auch für die SEC; vgl. zu Einzelheiten auch unten, § 3.II.
58
V gl. unten, § 4 I.l und § 4 II.l.
11. Bestimmung der generally accepted accounting principles
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EStG bestimmt für Vollkaufleute und bei bestimmten anderen Gewerbetreibenden den Ansatz des Betriebsvennögens, das "nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist". b) Aus den Urteilsbegründungen des Supreme Court läßt sich aber auch inhaltlich eine Beurteilung der schlechten Gerichtsfestigkeit der generally accepted accounting principles ableiten, die vennutlich Grund für die Einschränkung des Geltungsbereichs der generally accepted accounting principles sein dürfte: Für die unzureichende Gerichtsfestigkeit verantwortlich seien die Dehnbarkeit, die ungenaue Kodifizierung und die sich zum Teil widersprechenden Einzelgrundsätze der generally accepted accounting principles. Schließt man aus den referierten Urteilen, daß die generally accepted accounting principles nach dem Verständnis der Gerichte nicht hinreichend objektiviert sind, so ist dies zunächst eine Feststellung; es muß indes kein Einwand sein, da sich der erforderliche Grad der Objektivierung von Buchführungs- und Bilanzierungsprinzipien sinnvollerweise am jeweiligen Zweck der Vorschrift orientiert: Nach deutschem Verständnis ist eine starke Betonung des bilanzrechtlichen Objektivierungsprinzips insbesondere für die Gewinnanspruchsennittlung notwendig, wegen der hier erforderlichen Einwertigkeit und Nachweisbarkeit der bilanziellen Bezugsgrößen vor Gericht. Die einhergehende Zurückdrängung der wirtschaftlichen Aussagefahigkeit muß für eine Infonnationsvenniulung über die Vennögens-, Finanz- und Ertragslage nicht grundsätzlich nachteilig sein. Die schlechte Gerichtsfestigkeit ist aber insbesondere für die Beurteilung der Kompatibilität von generally accepted accounting principles mit dem deutschen Recht ein wichtiges Ergebnis. Denn folgt man den gezogenen Schlüssen, so muß man die generally accepted accounting principles konzeptionell als ein nicht übertragbares Modell für das deutsche Bilanzrecht ansehen: sie widersprechen den (Objektivierungs-)Anforderungen an die deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung.
11. Bestimmung der generally accepted accounting principles
1. Entwicklung des Begriffs a) Die Zeit vor der Kodifizierung der Verweise auf generally accepted accounting principles Mit der Entwicklung des Begriffes der generally accepted accounting principles ist die Entwicklung der inhaltlichen Bestimmung der anerkannten Buchführungsgrundsätze eng verbunden: solange sich der Begriff in den USA nicht herausgebildet hatte, gab es auch keinen festen Kanon von anerkannten Buch3 Wüstemann
§ I Begriff
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ftihrungs- und Bilanzierungsgrundsätzen in diesem Sinne. Der Begriff selbst ist vergleichweise jung, er entstand erst mit dem bindenden Verweis auf einen (notwendig zu bestimmenden) Kanon anerkannter Bilanzierungsprinzipien. aa) Zwar kann zumindest der Terminus der principles im Zusammenhang mit Buchftihrungstechnik in den USA bis 1841 zurückverfolgt werden;59 der Begriff ist aber noch eingebunden in primär didaktisch ausgerichtete Lehrbücher zur Vermittlung von Buchführungstechnik; er hat in diesem Sinne keinen normativen Beiklang. Auch die ersten ab dem Jahr 1883 60 an Universitäten angebotenen Kurse in accounting waren fall bezogen ausgerichtet und vermittelten eher Buchftihrungstechnik als Buchführungstheorie; die Ermittlung von generally accepted accounting principles - wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt davon sprechen kann - war also tendenziell induktiv angelegt. Die Lizenzierung von CPA begann in einem wohl mühsamen Prozeß mit dem Staat New York im Jahr 1896 durch entsprechende einzelstaatliche Gesetze;61 erst im Zuge der hiermit einhergehenden sogenannten "Professionalisierung" mußte sich der Berufsstand auch auf normative Weise mit Buchführungsgrundsätzen auseinandersetzen. Es scheint, als wäre die Einengung der vorherrschenden Buchführungspraxis auf "gute" Buchftihrungspraxis in den frühen Jahren durch den Berufsstand primär durch ethical standards versucht worden; Beleg hierftir ist die "reliance early practioners placed upon ethics to ins ure acceptable technical standards were maintained"62. Die so entstandenen rules of conduct hatten das Bild eines ordnungsmäßigen und sorgfältigen Prüfers im Auge, der, den entsprechenden (Verhaltens-)Anforderungen folgend, die Prüfung gewissenhaft durchführte. (Die Ähnlichkeiten zur Denkfigur des "ehrbaren Kaufmanns", von der auch in Deutschland die induktive Bestimmung ordnungsmäßiger Bilanzierungsprinzipien ihren Ausgang fand, sind evident 63 ). Die Regeln gaben gewissermaßen
59 Der Begriff erscheint im Titel des Lehrbuches "Principles and Practices of Bookkeeping" von Thomas Jones; vgl. Michael Chatjield: A History of Accounting Thought, a. a. 0., hier S. 222. Bei Previts und Merino (Gary John PrevitslBarbara Dubis Merino: A History of Accounting in America, a. a. 0., hier S. 111 und S. 126) findet sich ein Nachweis erst für das Jahr 1890 (es handelt sich um das Lehrbuch ,.Principles of the Science of Accounts" von E. D. Moore).
60 Erster Kurs an der Wharton School 0/ the University 0/ Pennsylvania. V gl. Gary John PrevitslBarbara Dubis Merino: A History of Accounting in America, a. a. 0., hier S. 105 und S. 154 f.
61 Vgl. ebenda, hier S. 91. 62 Ebenda, hier S. 157. 63
V gl. zu Einzelheiten unten, § 4.1.1.
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ein richtiges Benehmen in dem (formalen) Verfahren vor mit dem Ziel einer (inhaltlichen) Bestimmung angemessener Buchführungsprinzipien. Kennzeichnend war aber eine einzelfallorientierte und heterogene Bilanzierungspraxis. 64 Selbst im Jahr des sogenannten Börsenkrachs von 1929 wurden zwar Rufe nach einer unabhängigen Pflichtprüfung laut; ausdrückliche Ablehnung erfuhr aber die Einengung der Bilanzierungsprinzipien auf uniforme Standards. 65 bb) Einen ersten Verweis auf anerkannte, einheitliche Bilanzierungsprinzipien enthielt die vom Federal Reserve Board im Jahr 1917 veröffentlichte Studie "Uniform Accounting": In ihrem (in späteren Auflagen gestrichenen) Geleitwort enthielt sie eine Referenz auf ein "uniform system of accounting";66 die in der Publikation (wenigen) konkret vorgeschlagenen Buchführungstechniken hatten aber teilweise keinen "support" im Berufsstand und hätten überdies irreführend vorgespiegelt, daß es eine "established and accepted accounting and auditing theory" zu der Zeit gegeben hätte. 67 Der formale Verweis war inhaltlich (noch) nicht gedeckt. cc) Bereits vor der Begriffssetzung der generally accepted accounting principles durch das AICPA und die SEC gab es Versuche, unter den vielgestaltigen damals vorherrschenden Bilanzierungspraktiken diejenigen auszumachen, die zu bevorzugen seien. So gilt die umfangreiche Diskussion von Bilanzierungsgrundsätzen Patons ihrer zweckadäquaten Bestimmung, ohne daß Paton diese anhand der geeigneten Ziele konkretisierte und ableitete. 6K Die Bilanzie-
64 Vgl. ebenda, hier S. 219: "One early practitioner noted that 'every businessman used his own accounting principles and fought like hell to sustain them. '" 65 Anschaulichen Charakter hat das von Gary John Previts und Barbara Dubis Merino (A History of Accounting in America, a. a. 0., hier S. 237) angeführte Editorial des Journal ofAccountancy aus dem Jahre 1929 (Mai, hier S. 356 f.). 66 Vgl. John L. Carey: The Rise of the Accounting Profession. From Technician to Professional. 1896-1936, New York, New York: AICPA, 1969, hier S. 132-135. Der spätere Titel der Studie lautete "Approved Methods for the Preparation of Balance Sheet Statements"; bei der Studie handelt es sich primär um Methoden der (damals nicht gesetzlich vorgeschriebenen) Prüfung; sie basierte auf einer internen Ausarbeitung des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Price Waterhouse. 67 Gary John PrevitslBarbara Dubis Merino: A History of Accounting in America, a. a. 0., hier S. 190. Vgl. insbes. B. MerinolT. Coe: Uniformity in Accounting: A Historical Perspective, in: JofAcc, August 1978, S. 51-69. 68 Vgl. W A. Paton: Accounting Theory, Chicago, Illinois: Accounting Studies Press, 1962 [1922], hier insbes. S. 471-499; gleichwohl hatte W A. Paton in der entity theory eine theoretische Basis für seine Ausführungen. Die entity theory hebt die Einheit des Unternehmens - vor allem im Gegensatz zur denkbaren Perspektive der Besitzer (sogenannte proprietary theory) - hervor. Kulminationspunkt der Theorie ist W A. PatonlA. C. Litt/eton: An lntroduction to Corporate Accounting Standards. American Accounting Association Monograph No. 3, Ann Arbor, Michigan: American Accounting 3*
§ 1 Begriff
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rungsgrundsätze bedurften hier aber noch nicht einer autoritativen Rechtfertigung außerhalb der Natur der Sache. 69 Der damals vorherrschenden Diskussion über die von Konventionen geprägten Bilanzierungsgrundsätze tritt Sprague (als einer der wenigen) entgegen, der eine deduktive Ermittlung nur aus einer a prior i-Argumentation für vertretbar und die richtigen Bilanzierungsgrundsätze für nicht durch "customs and traditions" bedingt hält und insoweit einen gewissen Bruch mit den vorherrschenden Buchführungskonventionen vollzieht. 70 Bei May findet sich 1926 die Forderung nach "standards", um Unternehmen Leitlinien für "best practice, if they can be assured what that practice is"71 in Bilanzierungsfragen zu geben. May war einflußreiches Mitglied des American Institute of Accountants; sein Verständnis von Bilanzierungsgrundsätzen als Konventionen prägte die frühen Jahre der Normsetzung: "accounting is an art, not a science, but an art of wide and varied usefulness"; und: ,,[t]he rules of accounting [ ... ] are the product of experience rather than logic". 72 Die notwendige Einengung der Bilanzierungsgrundsätze auf einen verbindlichen Kanon wurde erst durch den Verweis auf entsprechende Bilanzierungsgrundsätze im Wertpapierrecht und im Berufsrecht infolge der Wirtschaftskrise der 20er Jahre in den USA zwingend. 73 Aus der Zusammenarbeit des American Institute of Accountants und der SEC ging 1933 erstmals eine Veröffentlichung von fünf empfohlenen und auch so genannten accepted accounting principles hervor. 74 dd) Eine bemerkenswerte Zusammenschau von Bilanzierungsprinzipien aus der Zeit vor der Etablierung der entsprechenden Verweise findet sich in einem Aufsatz der Rechtswissenschaftier Berle/Fisher (dem anscheinend wenig Be-
Association, 1965 [1940]. Vgl. zur enlity lheory bspw. Axel Haller: Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, a. a. 0., hier S. 113-116. Littleton datiert die Anfange, anders als Haller, sogar bis in das Mittelalter zurück; vgl. A. C. LittleIon: Accounting Evolution to 1900, New York, New York: AICPA, 1966 [1933], hier S. 193 f.
Vgl. W A. Paton: Accounting Theory, a. a. 0., hier insbes. S. 3-28. 70 Charles E. Sprague: The Philosophy of Accounts, New York, New York: Ronald Press, 1913, hier S. iii; zit. nach Michael Chatjield: A History of Accounting Thought, a. a. 0., hier S. 287. 71 George 0. May: Corporate Publicity and the Auditor, in: JofAcc, November 1926, S. 324 ff, hier S. 324; vgl. auch Ahmed Riahi Belkaoui: Accounting Theory, 3. Aufl., London u. a.: Harcourt Brace & Company, hier S. 5 ff. 72 George 0. May: Financial Accounting-A Distillation of Experience, New York, New York: Macmillan, 1946, hier S. 189 und S. 44. 69
73 Zuvor hatten lediglich die Einkommensteuergesetze Legaldefinitionen von Buchführungstechniken gegeben, bspw. in Form des cash accounting, das allerdings wieder aufgegeben wurde. 74 Vgl. Gary lohn PrevitslBarbara Dubis Merino: A History of Accounting in America, a. a. 0., hier S. 238.
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achtung zuteil wurde). 75 Der Aufsatz stellt in seinem ersten Teil vier der Rechnungslegung zugrundeliegende Informationsarten vor (die vier types of information sind: proprietary interest, result of operations, valuation und quality of assets or liabilities); der zweite Teil untersucht die einzelnen Posten der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und schließlich die Angaben zur Konsolidierung; der Anhang des Aufsatzes schließlich fUhrt detaillierte Nachweise aus der Rechtsprechung (insbesondere zum Kapitalgesellschaftsrecht) auf. Bemerkenswert ist zunächst, daß sich die Begründung der einzelnen BuchfUhrungs- und Bilanzierungsprinzipien klar unterscheidet von den Versuchen, diese aus der Kaufmannsübung (induktiv) zu legitimieren oder (deduktiv) abzuleiten; vielmehr werden hier in sehr großem Umfang Nachweise aus der Rechtsprechung herangezogen. Hieraus wird auch ersichtlich, daß BerlelFisher (damals) geltendes Recht darstellen, also de lege lata argumentieren. Dies entspricht auch ihrem Methodenverständnis: "The tentative conclusion seems warranted that the subject of accounting can be handled in large measure, not as an outside technique of incidental advantage to the lawyer, but as an actual body of law, susceptible of being systematized, digested and taught as in any other field of law [... ] in which a body of cases has grown up around a frame of commercial practice"76.
Auch wenn diese Formulierung keine eindeutige Antwort erlaubt, scheinen fUr Berle/Fisher Bilanzierungsprinzipien zumindest nicht ausschließlich fachtechnische Normen zu sein: deutlich werden die Urteile als Legitimation der Bilanzierung herangezogen. Daß Bilanzierungsprinzipien hier als Rechtsnormen verstanden werden, ist jedoch zumindest nicht zwingend, da sich an einigen Stellen Nachweise fUr abweichende Praxis von Bilanzierungspflichtigen befinden, ohne daß diesen Rechtsbeugung vorgeworfen würde. 77 Die Rechtslage war wohl insoweit noch ungeklärt. Dennoch sind Hinweise auf Bilanzierungsgrundsätze als durch Richterrecht geschöpfte Rechtsnormen im Aufsatz enthalten: "The accountant, on ce his rules have found their way into the body of law, becomes legally obliged to follow them in his further work,m. Hier deutet sich zumindest eine zum heutigen US-amerikanischen (Rechts-)Verständnis unterschiedliche Auffassung von Bilanzierungsgrundsätzen als fach75 Vgl. Adolf A. Ber/eiF. S. Fisher, Jr.: Elements of the law of business accounting, in: Columbia Law Review, Vol. 32 (1932), S.573-622. Es finden sich bspw. keine Hinweise auf den Aufsatz in den buchführungsgeschichtlich zentralen Werken von Carey, PrevitslMerino und Chatjie/d. 76 Adolf A. Ber/elF. S. Fisher, Jr.: Elements of the law of business accounting, a. a. 0., hier S. 573 f. 77
Vgl. bspw. Diskussion der treasury stocks, ebenda, hier S. 583 (mit Fußn. 22 f.).
78 Ebenda, hier S. 578.
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§ I Begriff
technischen Normen an, die von den SEC-Bestimmungen nach der Etablierung der Verweise auf generally accepted accounting principles nicht weiter verfolgt wurde. Bei BerlelFisher gibt es zudem einen interdisziplinären Dialog zwischen Rechts- und Wirtschaftswissenschaften; 79 Verweise sowohl auf Urteile als auch auf Bilanzierungshandbücher werden zugleich als Legitimation flir "richtige" Bilanzierung herangezogen. 8o Die accounting principles sind hier noch ein in das (Kapital-)Gesellschaftsrecht eingebundenes und insoweit umfassenderes Regelungskonzept, als es nach heutigem Verständnis die generally accepted accounting principles sind. Der Aufsatz ist insofern erhellend, als er die Unterschiede in der Rechtsnormbestimmung und (damit einhergehend) in der Legitimierung von richtiger Bilanzierung aufzeigt: Die jetzige Normsetzung ist in den USA keine geschichtliche Notwendigkeit gewesen. KI , K2
79 V gL Adolf A, BerlelF. S Fisher, Jr,: Elements of the law of business accounting, a, a, 0" hier S. 578: "The respective tasks of a lawyer and accountant here intermingle so c\osley that neither can proceed without the other". 80 Die zitierten Bücher sind: Kester: Accounting Theory and Practice, 2. Autl. (1922); Hatfield: Accounting (1928); Montgomery: Financial Handbook (1925). Der Unterschied in den Legitimationsstrategien für rechtmäßige Buchführung zu heute wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sich selbst in einem Einführungsbuch zur Buchführung für Juristen keine Rechtsprechungsnachweise finden: vgL Charles H. Mayer: Accounting and Finance for Lawyers, St. Paul, Minnesota: West Publishing, 1995, passim. VgL auch unten, § 4.1. 81 VgL auch Adolf A. Berle: Accounting and the law, in: JofAcc, VoL 65 (1938), Mai 1938, S. 368-378; lohn L. Carey: The Rise of the Accounting Profession. From Technician to Professional, 1896-1936, a. a. 0., hier S. 172 sowie passim. 82 Auch im Detail sind die Ausführungen von BerlelFisher interessant; zwei kurze Anmerkungen zu dem Aufsatz mögen dies verdeutlichen: (I) Nach (damals) geltendem Recht war es anscheinend nicht erlaubt, contingent liabilities in den Bilanzen zu berücksichtigen: "Liabilities whose qualities are such that they may or may not become payable need not be inc\uded among the 'debts' of a corporation in areport required by statute. But, if a balance sheet is supposed to indicate the condition of the enterprise, the existence of a known possibility which may translate itself into a liquidated cash liability is certainly a factor fairly to be considered. Otherwise, the accuracy of the picture is impaired. The law, however, does not recognize a 'debt' until the condition creating liability has occurred [Fußnotennachweise der Rechtsprechung]; and the accountants have had difficulty in passing this technical line. The problem is commonly solved by an appropriate notation on the foot of the balance sheet." (ebenda, hier S. 584, im Original ohne Hervorhebung). Anderenfalls sei eine 'true disc\osure of the state of the enterprise" nicht möglich. Die Analogien zur sogenannten Abkopplungsthese (vgL unten, § 4.III) sind evident: Denn bei BerleiFisher war der Gewinn offensichtlich nicht zentraler Informationsträger für einen Einblick in die Lage des Unternehmens. Wenn Unterschiede zwischen den Anforderungen des Rechts (und somit auch der Gerichtsbarkeit) und der Information über die Lagen des Unternehmens bestanden, konnten Verstöße gegen das Informationseinblicksgebot durch Zusatzangaben geheilt werden. Die Parallele ist um so interessanter, als BerleiFisher unter
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ee) Die Uneinheitlichkeit der an gewandten Buchführungsprinzipien und die Nichtsanktionierung eines Fehlverhaltens zur Zeit vor der Etablierung eines Verweises auf generally accepted accounting principles wird in den Ausführungen von BerlelMeans aus dem Jahr 1932 (zusammenfassend) deutlich: ,,[ ... ] rules of accounting are not yet fully recognized rules of law in this field; though it is obvious that the development of law of corporation finance makes almost mandatory the legal sanction of good accounting. In fact, the failure of the law to recognize accounting standards is probably due to the lack of agreement among accountants; but year by year certain tenets are forged out, finding their way into the body of standard accounting practice and ultimately into the law."RJ
b) Die Zeit nach der Kodifizierung der Verweise auf generally accepted accounting principles aa) Die Verabschiedung des SA of 1933 und des SEA of 1934 erteilte der SEC das Recht, accounting principles zu formulieren, um eine adäquate Berichterstattung zu erreichen. K4 Die SEC machte von diesem Recht jedoch keinen Gebrauch, sondern delegierte diese Kodifizierungskompetenz durch die oben angeführten Accounting Series Releases an private Normsetzungsgremien -
der impliziten Prämisse der Gerichtsbarkeit der vorgestellten Bilanzierungsprinzipien argumentieren. Der Grundsatz der Heilung der (in nur diesem Sinne) irreführenden Angaben in der Bilanz durch Fußnoten spiegelt sich m. E. auch in der von den US-amerikanischen Gerichten angewandten Bestimmung der fair presentation wider (vgl. hierzu unten, § 3.11).
(2) BerlelFisher sind sich der Zweckinadäquatheit der Mittel der externen Rechnungslegung in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung hinsichtlich der gleichrangigen Ziele der Gewinnbestimmung, der Bewertung, der Erfassung von Vermögen und der Kontrollfunktion bewußt und formulieren dies deutlich: "The basic diversity of the various theories thus combined in the normal business account becomes obvious. If we were to endeavor to make the whole process extremely clear we would have at least four separate and distinct sets of documents" (S. 577, im Original ohne Hervorhebung). Dieses Problembewußtsein hebt sich - scharf formuliert - deutlich von dem der Verfasser des conceptual framework ab, die einen sinnvollen Zielpluralismus ohne Primärfunktion propagieren (vgl. auch unten, § 5.111.3). Eine Parallele in der Funktionsdifferenzierung findet sich in Deutschland insbes. bei Stützel (Wolfgang Stützei: Bemerkungen zur Bilanztheorie, in: ZfB, 37. Jg. (1967), S. 314-340, hier insbes. S. 314: "funktionsanalytisc he Bilanztheorie". Vgl. auch Wolfram Engels: Bemerkungen zu den Bilanztheorien von Moxter und Stützei, in: FS Leffson, S. 31-48, hier S. 34-38). KJ Adolf A. BerlelGardiner C. Means: The Modern Corporation and Private Property, 2. Aufl., New York, New York: Harcourt, Barce & World, 1968 [1932], hier S. 271 f. 84
Vgl. oben, § l.I.l c).
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§ I Begriff
dies war zumindest nicht unumstritten. 85 Die Bindung erfolgte aber zunächst noch nicht an generally accepted accounting principles, sondern an den substantial authoritative support; ein Argument daftir, daß es einen solchen Kanon anerkannter Grundsätze in diesem Sinne nicht gab. Mit dem regulierend eingreifenden Verweis des Bundes wurde aber die fast ausschließlich in Händen der Geschäftsftihrung des Unternehmens und des accountants liegende Kompetenz, "gute" Buchftihrungsprinzipien zu ermitteln, angegriffen: 86 In der auf die Etablierung des Verweises folgenden Zeit bedurfte "gute Buchführung" nunmehr einer "autoritativen" Rechtfertigung, also in gewissem Sinne einer Kanonisierung. Die Entstehung des Begriffs generally accepted accounting principles wird auf die Jahre 1932 bis 1934 datiert. Die Begriffe practice und principles waren anfangs noch synonym gebraucht; das Wort generally wurde erst 1939 Bestandteil der Formel in conformity with generally accepted accounting principies im Prüfungsbericht. 87 bb) Storey zeigt auf, daß in den Jahren bis 1940 unternommene Versuche, einen verbindlichen Kanon von Bilanzierungsgrundsätzen zu setzen, an mangelnder acceptance scheiterten;88 zu den (gescheiterten) Ansätzen gehörte bspw. das von der American Accounting Association formulierte "Tentative Statement of Accounting Principles Underlying Corporate Financial Statements"89. In ihrer Kanonisierung von accounting principles nähern sich San-
85 Vgl. zu Einzelheiten insbes. loel Seligman: The SEC and accounting: a historical perspective, in: JofCBCML, Vol. 7 (1985), S. 241-266, hier S. 252-261; Louis Lossl loel Seligman: Securities Regulation, 3. Aufl., Boston u. a., Massachussetts: Little, Brown and Company, 1989, hier S. 687-715; und lohn L. Carey: The Rise ofthe Accounting Profession. From Technician to Professional. 1896-1936, a. a. 0., hier S. 181212. Vgl. zur zeitgenössischen Diskussion Samuel 1. Board: Coöperation with the Securities and Exchange Commission, in: JotAcc, Vol. 46 (1938), August 1938, S. 78-89, hier S. 78-89. ~6 Ahmed Riahi Belkaoui: Accounting Theory, a. a. 0., hier S. 6, bezeichnet die Zeit von 1900 bis 1933 daher als "management contribution phase". 87 Vgl. zu Einzelheiten insbes. Paul Grady: Inventory of Generally Accepted Accounting Principles for Business Enterprises. Accounting Research Study No. 7, New York, New York: AICPA, 1965, hier S. 47-51; vgl. auch Paul Grady: Inventory of generally accepted accounting principles for business enterprises in the United States of America, in: AccRev, Vol. 40 (1965), S. 21-30, hier 23. 88 Vgl. Reed K. Slorey: The Search for Accounting Principles, New York, New York: AICPA, 1964, hier S. 3. 89 Vgl. American Accounling Associalion: A Tentative Statement of Accounting Principles Underlying Corporate Statements, in: AccRev, Vol. 11 (1936), S. 187-191; vgl. zur Diskussion insbes.: Viclor H. Slemp! A Critique of 'The Tentative Statement of Accounting Principles', in: AccRev, Vol. 13 (1938), S. 55 ff.; A. C. LittleIon: Suggesti-
11. Bestimmung der gene rally accepted accounting principles
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ders/Hatjield/Moore einer Bestimmung von "general acceptance": "There is, it is believed, a corpus of principles of accounting wh ich are generally accepted"; auch wenn diese nicht geschriebenes Gesetz seien, so würden sie sich dennoch unter anderem "by common ways of thought and speech" und in einer "generally uniform practice of all accountants when dealing with some situations" augenscheinlich mitteilen. 90 Aber ,,[t]here is, however, no body within whose conceded province lies the formulation of accounting principles"91. Im Zusammenhang mit den einzelnen Bilanzierungsgrundsätzen erfolgen interessanterweise zahlreiche Hinweise auf Gerichtsurteile, sei es englischer oder amerikanischer Herkunft, und auf Einzelstaatengesetze und juristische Literatur: 92 eine Rechtfertigungsstrategie, die von der Einbindung in die juristische Diskussion zu dieser Zeit zeugt. 93 cc) Gegen diesen Versuch einer (induktiven) Ableitung eines verbindlichen Kanons aus der Bilanzierungspraxis94 wenden sich PatoniLittleton: 95 Ein konzeptionelles statement 0/ accounting standards enthalte notwendigerweise "some conflict with existing accounting practice, since existing accounting practice is in conflict with itself at a hundred points"96; eine Kodifizierung und Vereinheitlichung von Regeln würde der Individualität der Unternehmen nicht
ons for the Revision of the Tentative Statement of Accounting Principles, in: AccRev, Vol. 14 (1939), S. 57 ff. 90 Thomas Henry Sanders/Henry Rand Hatjield/Underhill Moore: A Statement of Accounting Principles, New York, New York: AICPA, 1968 (1938], hier S. 5 (alle Zitate); vgl. zur Diskussion inbes.: W A. Paton: Comments on 'A Statement of Accounting Principles', in: JofAcc, März 1938, S. 196-207; Andrew Bar: Comments on 'A Statement of Accounting Principles', in: JofAcc, April 1938, S. 318-323; sowie (auf die tatsächliche Akzeptanz der Prinzipien im Berufsstand hinweisend) Gary John Previts/Barbara Dubis Merino: A History of Accounting in America, a. a. 0., hier S. 261-263 m.w.N.
91 Thomas Henry Sanders/Henry Rand Hatjield/Underhill Moore: A Statement of Accounting Principles, a. a. 0., hier S. 6. 92 Vgl. bspw. Nachweise in den Endnoten zu denjixed assets: ebenda, hier S. 58-70 bzw. S. 124-126 für die Endnoten. 93 Vgl. als Gegenbeispiel aus jüngerer Zeit: AICPA: Accounting Principles Board Opinion No. 17 ("Intangible Assets"), August 1970, in: FASB Pronouncements. 94 Vgl. Andrew Bar: Comments on 'A Statement of Accounting Principles', a. a. 0.: das statement sei besser statement 01 accounting practice zu nennen.
95 Vgl. W A. Paton/A. C. Litt/eton: An Introduction to Corporate Accounting Standards. American Accounting Association Monograph No. 3, Ann Arbor, Michigan: American Accounting Association, 1965 [1940], hier S. 4-6. 96 Ebenda, hier S. 4; vgl. auch ebenda, hier S. 6: "a formulated standard may not always be conform with generally accounting practice".
§ 1 Begriff
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gerecht und sei daher fruchtlos. 97 Insofern ist es bei diesem deduktiven Ansatz konsequent, daß es keine Referenzen gibt, sondern lediglich als Anhang eine "Selected Bibliography", die Quellen nachweist, die im Zusammenhang mit dem betrachteten Thema stehen ("surround the subject under consideration").9R dd) Die Gegenüberstellung der beiden unterschiedlichen Rechtfertigungsstrategien, einerseits der induktiven, die auf die Worte "generally accepted" abstellt, andererseits der deduktiven, die das Wort "principles" betont, verdeutlicht den Grundkonflikt, der auch die weitere Auseinandersetzung um den Kanon von generally accepted accounting principles prägt: Eine methodisch überzeugende Ableitung der Prinzipien widerspricht häufig der (für den substantial support aber zentralen) Bilanzierungspraxis. Der Konflikt führte dazu, daß ,,[b]y 1962 the need for compromise in order to gain a consensus on every issue seemed to mandate that accounting principles were to be defined in terms of existing practice and not based on normative considerations"99. So wurde auch der eher deduktiv ausgerichteten Arbeit von Sprouce/Moonitz\Oo vorgeworfen, sie würde nicht klar genug trennen zwischen "practices which have received general acceptance to date and those which you propose as addition to or changes in existing practice" 101. Sprouce/Moonitz selbst sahen ihre Prinzipien als konstanten Rahmen für notwendigerweise variable Einzelvorschriften: "But changes in detailed rules do not necessarily affect broad principles and basic postulates, all of which are comprehended in the term, generally accepted accounting principles"lo2. Die eher ablehnende Haltung theoretisch ausgerichteter Arbeiten gegenüber den generally accepted accounting principles kommt schließlich darin zum Ausdruck, daß die American Accounting Association in ihrer Monographie ausführt, eine Anwendung zweckadäquater Standards "has led the committee to the conclusion that important changes in accounting
97 Vgl. ebenda, hier S. 5. 98
Ebenda, hier S. 143 (beide Zitate).
Gary lohn PrevitslBarbara Dubis Merino: A History of Accounting in America, a. a. 0., hier S. 291. 99
100 Vgl. Robert S. Sprouse/Maurice Moonitz: A Tentative Set of Broad Accounting Principles. An Accounting Research Study, New York, New York: AICPA, 1962; dem vorausgegangen war (grundlegend) die Arbeit von Maurice Moonitz: The Basic Postulates of Accounting. An Accounting Research Study, New York, New York: AICPA, 1961. 101 Comment of William W Wenlz, in: Robert S. SprouselMaurice Moonitz: A Tentative Set of Broad Accounting Principles. An Accounting Research Study, a. a. 0., hier S. 79; vgl. zur Diskussion die dort abgedruckten Kommentare (ebenda, hier S. 60-83). 102
Ebenda, hier S. I.
II. Bestimmung der generally accepted accounting principles
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practice should be made"103, daß mithin einzelne Bilanzierungsnormen mit dem Ziel einer besseren Zweckadäquatheit geändert werden müßten. Unter den generally accepted accounting principles und den practices, für die substantial support bestünde, (auch wenn sie also nicht "generally accepted" seien), fanden sich bestimmte Bilanzierungsmethoden, die zurückgewiesen werden müßten. Das statement hatte insbesondere in seinen von vorherrschender Bilanzierungspraxis abweichenden Teilen keinen wesentlichen Einfluß auf die zu der Zeit norm setzende Institution, das Committee on Accounting Procedures. I04 Auch Littletons Arbeit aus dem Jahr 1953 prägte die Normentwicklung nicht signifikant, obwohl er für seine Theorie gerade den Anspruch formuliert, daß sie sich interdependent zur Praxis verhalte. lOS Trotz des anderen Zusammenhangs ist für den unterschiedlichen Anspruch von vorherrschender Bilanzierungspraxis einerseits und den theoretischen Arbeiten andererseits die Auslegung des Wortes principle illustrativ: Littleton führt aus, ,,[t]he best dictionary meaning of principle for our use is that which considers a principle to be a fundamental truth. In a large sense that idea suits an accounting principle very well"lo6. Genau gegen diese Bedeutung des Wortes principle wendet sich aber ausdrücklich das Committee on Terminology des AICPA, das die alternative Wörterbuch definition von principle als ,,'[a] general law or rule adopted or professed as a guide to action; a settled ground or basis of conduct of practice'" bevorzugt: diese käme "nearest to describe what most accountants, especially practicing public accountants, mean by the word principles"; "the word principle does not connote a rule from which there can be no deviation". 107 ee) Bei Grady findet sich (erstmals) eine detaillierte Bestimmung der generally accepted accounting principles mit einer den heutigen Werken grundsätz-
103 American Accounting Association: A Statement of Basic Accounting Theory, Evanston, Illinois: American Accounting Association, 1966, hier S. 6. 104 Vgl. Gary lohn PrevitslBarbara Dubis Merino: A History of Accounting in America, a. a. 0., hier S. 274. 105 Vgl. A. C. Littleton: Structure of Accounting Theory, American Accounting Association Monograph No. 5, Menasha, Wisconsin: George Banta Publishing Company, 1966 [1953], hier S. 136: "theory that has no contact with practice may be ineffective, useless, speculative; and practice that has no orientation within the structure of theory may become haphazard, purely expedient, biased". 106 Ebenda, hier S. 147.
107 Zitiert nach Paul Grady: Inventory of Generally Accepted Accounting Principles for Business Enterprises. Accounting Research Study No. 7, a. a. 0, hier S. 49 f. (alle Zitate).
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§ 1 Begriff
lich vergleichbaren Legitimationsstrategie: 108 Grundlage für die einzelnen Grundsätze bilden für Grady Quellen, die substantial authoritative support besitzen. Hierzu gehörten insbesondere die (damals keine Rechtsbindungswirkung besitzenden) Accounting Principles Board Opinions, ebenso aber gemeinhin vorherrschende Buchführungspraxis, wenn sich erwiesen hätte, daß sie zuverlässige Resultate für Geschäftsführung und Informationsvermittlung für Investoren und andere gezeitigt hätte. lo9 Als weitere Quellen werden auch die Verlautbarungen der SEC, Standpunkte der American Accounting Association und des AICPA angeführt. Er weist (durch die Wiedergabe einer Stellungnahme des Committee on Terminology) auf das Verständnis von accounting als Kunst (art) hin; das Wort principle sei zu verstehen als Regel, die aber nicht unumstößlich sei. llo Sein Ansatz solle pragmatisch als Auflistung solcher Bilanzierungsregeln zu verstehen sein "conceming which there is little or no disagreement among business executives, professional accountants and govemmental officials concemed with this matter" I ". Die von ihm aufgeführten Referenzen sind Accounting Research Bulletins (ARB), Accounting Principles Board Opinions (APB Opinions), die Accounting Series Releases (SEC-ASR) und die regulation s-x. ff) Die von Grady angewandte Begründungsstrategie wird vom Accounting Principles Board fortgeführt: 1I2 generally accepted accounting principles verkörperten einen Konsens zu einem bestimmten Zeitpunkt und "encompass the conventions, rules, and procedures necessary to define accepted accounting practice".113 Auch von den Accounting Principles Board Opinions abweichende accounting principles könnten substantial authoritative support besitzen und somit generally accepted accounting principles darstellen. Die Autorität der Opinions würde in ihrer allgemeinen Annehmbarkeit begründet liegen. 114 gg) Das conceptual framework des heutigen Normsetzers FASB enthält keinerlei Hinweise zur Bestimmung von generally accepted accounting principles. In einer Interpretation legt der FASB seine Quellen zur Bestimmung aber of-
108
V gl. eben da.
109
Vgl. ebenda, hier S. 52.
110
V gl. ebenda, hier S. 50 f.
111
Ebenda, hier S. 54.
112 V gl. AICPA: Accounting Principles Board: Statement No. 4 ("Basic Concepts and Accounting Principles Underlying Financial Statements of Business Enterprises"), a. a. O. 113 Ebenda, hier Abs. 138.
114 V gl. ebenda, hier Abs. 140. V gl. auch Armstrong. Marshall s.: Some Thoughts on Substantial Authoritative Support, in: JofAcc, April 1969, S. 44-50.
II. Bestimmung der generally accepted accounting principles
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fen: "The phrase generally accepted accounting principles embraces a number of sources of established accounting principles, in addition to pronouncements of the FASB, that are generally accepted in the United States. Those sources are identified in AICPA Statement on Auditing Standards No. 69"115. Das statement on auditing wiederum identifiziert als Quellen von generally accepted accounting principles die FASB Standards und Interpretations, Accounting Principles Board Opinions und AICPA Accounting Research Bulletins. llo
2. Entwicklung der normsetzenden Institutionen Mit der inhaltlichen Auslegung des Begriffes generally accepted accounting principles geht die Entwicklung der norm setzenden Institutionen einher: Von der Auslegung durch die Berufsausübenden selbst bis zu einem hoch organisierten privaten Normsetzer, dem FASB. Die aus dem statement on auditing ableitbare, quasi verbindliche Autorität des FASB, generally accepted accounting principles zu setzen, war keine Selbstverständlichkeit. a) Bis zu dem Verweis der SEC auf generally accepted accounting principies als Voraussetzung einer Emission und eines Handels von Wertpapieren im interstaatlichen Verkehr (interstate trade) hatte der Berufsstand, insbesondere durch seine Dachverbände, die Normen direkt selbst gesetzt. 117 Es gab in diesem Sinne keine mit der Entwicklung von standards beauftragte Organisation.
115 F ASB: Interpretation No. 40 ("Applicability of Generally Accepted Accounting Principles to Mutual Life Insurance and Other Enterprises"), April 1993, hier Abs. 3. 110 Vgl. AICPA: Statement on Auditing Standards No. 69 ("The Meaning of 'Present Fairly in Conformity With Generally Accepted Accounting Principles' in the Independent Auditor's Report"), a. a. 0., hier Auditing (United States), hier Abs. 16; vgl. zu Einzelheiten unten, § l.II.3. 117 Neben den einzelstaatlichen Dachverbänden gab es in den USA die folgenden nationalen Dachverbände rur Certified Pub/ic Accountants: American Association 0/ Pub/ic Accountants (1887 bis 1916), Federation 0/ Societies 0/ Pub/ic Accountants in USA (1903 bis 1906), The Institute 0/ Accountants in the United States 0/ America (1916 bis 1917), American Institute 0/ Accountants (1917 bis 1936), American Society 0/ Certified Pub/ic Accountants (1922-1936), American Institute 0/ Accountants (1936 bis 1956) und das AICP A. Zu beachten ist die Trennung der zentralen Dachorganisation des Berufsstandes des Certified Pub/ic Accountant in den Jahren 1922 bis 1936 (mit lohn L. Carey recht dramatisch gesprochen: "The Great Schi sm"), da hiermit auch sehr unterschiedliche inhaltliche Forderungen (Ausbildung, Berufsexamina, Mitgliedschaft) an den Berufsstand verbunden waren. Vgl. zu Einzelheiten lohn L. Carey: The Rise of the Accounting Profession. From Technician to Professional. 1896-1936, a. a. 0., hier S. 314-352.
30
§ 1 Begriff
In der Zeit nach der Verabschiedung des SA of 1933 und des SEA of 1934 wurde als Frucht der Zusammenarbeit von SEC und dem Dachverband der CPA, dem AICPA, die Normsetzung der generally accepted accounting principles außerhalb der Einflußsphäre der staatlichen Vertreter vereinbart. Die erste Organisation, die mit der Ausarbeitung von Normen beauftragt wurde, war das Committee of Accounting Procedures des American Institute of Accountants und später des AICPA;118 Nachfolgeorganisation wurde das auch vom AICPA bestellte Accounting Principles Board, deren Mitgliederschaft sich ebenfalls ausschließlich aus Berufsangehörigen zusammensetzte. 119 Die Verlautbarungen der beiden Institutionen sollten substantial authoritative support für bestimmte Bilanzierungstechniken liefern, sie waren jedoch nicht bindend; eine Begriffsbestimmung von generally accepted accounting principles wurde dadurch zusätzlich erschwert. 12o Kritik entzündete sich insbesondere auch daran, daß weder das Committee on Accounting Procedures noch das Accounting Principles Board dem von ihnen formulierten Anspruch gerecht wurden, bestehende Bilanzierungsmöglichkeiten signifikant einzuschränken. 121 Zudem wurde kritisiert, daß dem Berufsstand über diese Institutionen das Recht eingeräumt wurde, selbst die Bilanzierungsgrundsätze zu bestimmen, an denen er (bspw. in Haftungsfragen) dann auch gemessen würde. 122
Ili Es veröffentlichte insgesamt 51 Accounting Research Bulletins und bestand zwischen 1938 und 1959. Vgl. auch John L. Carey: The Rise ofthe Accounting Profession. To Responsibility and Authority. 1937-1969, New York, New York: AICPA, 1970, hier S. 12-16. 119 Es veröffentlichte insgesamt 31 Accounting Principles Board Opinions und bestand zwischen 1959 und 1973. Vgl. insbes. auch John L. Carey: The Rise of the Accounting Profession. To Responsibility and Authority. 1937-1969, a. a. 0., hier S. 90144 mit der etwas optimistischen Einschätzung aus dem Jahre 1970: "The Accounting Principles Board has won its spurs" (hier S. 143): Das Accounting Principles Board wurde drei Jahre später aufgelöst. 120 Vgl. Stephen A. ZefJ: A first guide to the literature of accounting, in: Financial Accounting Theory, hrsg. von Stephen A. ZejJ u. a., New York u. a., New York: McGraw-Hill, 1964, S.2-8, hier S. 3: "Practicing accountants state in their auditors' certificate that they app1y 'generally accepted accounting principles', although no one has yet said what they are". 121 Vgl. Louis Loss/Joel Seligman: Securities Regulation, a. a. 0., hier S. 702 ff.; Sebastian Heintges: Bilanzkultur und Bilanzpolitik in den USA und in Deutschland, Sternenfels u. a. 1996, hier S. 120; vgl. auch Wolfgang Lück/H. Peter Holzer: Financial Accounting Standards Board. Der Versuch einer Weiterentwicklung von Grundsätzen der Rechnungslegung in den USA, in: WPg, 29. Jg. (1976), S. 292-299, hier S. 293-295. 122 Vgl. Dirk Eisolt: US-amerikanische und deutsche Konzernrechnungslegung, a. a. 0., hier S. 100; Rudolf J. Niehus: Zur Entwicklung von Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung in den Vereinigten Staaten und in England, in: WPg, 25. Jg. (1972), S.437-442, hier S.438. Vgl. zur (zivilrechtlichen) Haftungsreichweite des Certified
11. Bestimmung der generally accepted accounting principles
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b) Ergebnis der (insbesondere durch die Wheat-Commission l2J ) geäußerten Kritik war die Gründung des FASB, der nicht mehr ausschließlich von dem AICPA getragen wird, sondern von der Financial Accounting Foundation bestellt und finanziert wird. 124 Der aus sieben hauptamtlichen und bezahlten Mitgliedern, die nicht Certified Public Accountant sein müssen, zusammengesetzte FASB soll, verglichen mit den Vorgängerinstitutionen, eine höhere Unabhängigkeit erlangen; dies soll auch erreicht werden durch die Aufgabe aller anderen beruflichen Positionen in der Zeit der Mitgliedschaft. 125 Der FASB ist heute die primäre Quelle autoritativer formeller (promulgated) Verlautbarungen.
3. Morphologie der Normen Es lassen sich für die beiden zentralen Verweise der SEC und des AICPA Quellen der generally accepted accounting principles verschiedener Ordnung aufzeigen, die ein gültiges hierarchisches System ergeben, ohne daß damit innere Widersprüche ausgeschlossen wären. Zumindest sind aber die Verweise durch formelle, gesetzte Normen abgedeckt. a) Es ist üblich geworden, die sich an einzelnen Bilanzierungsproblemen orientierenden Verlautbarungen der an der Normsetzung im direkten wie im indirekten Sinne beteiligten Gruppen nach ihrem autoritativen Charakter zu gruppieren. In diesem Zusammenhang wird auch (sehr bildlich) von einem
Pub/ic Accountant insbes. Reiner Quick/C. Richard Baker: Die zivilrechtliche Haftung des Abschlußprüfers in den USA, in: RIW, 41. Jg. (1995), S. 474-485, hier S. 474 ff. 123 V gl. Francis M. Wheat u. a.: Recommendations of the study on establishment of accounting principles (Auszüge), in: JofAcc, Vol. 133 (1972), Mai 1972, S. 66-71, hier S. 66 ff. 124 Es veröffentlichte bislang 129 Statements on Financial Accounting Standards und 42 Interpretations und besteht seit 1973; vgl. zu Einzelheiten bspw. Erik Sonnemann: Institutionelle und konzeptionelle Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, in: RIW, 35. Jg. (1989), S. 886~900, hier S. 890~893. 125 Vgl. bspw. Donald E. Kieso/JerryJ Weygandt: Intermediate Accounting, a. a. 0., hier S. 13; der Board 01 Trustees setzt sich aus Vertretern folgender Organisationen zusammen: American Accounting Association, AICPA, Financial Analysts Federation, Financial Executives Institute, Government Finance Officers Association, National Association 01 Accountants, National Association 01 State Auditors, Comptrollers, and Treasurers und der Securities Industry Association. Vgl. Patrick R. Delaney/James R. AdleriBarry J Epstein/ Michael F. Foran: GAAP. Interpretation and Application. 1992 Edition, New York u. a., New York: John Wiley & Sons, 1992, hier Kapitell, S. 7.
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"house of GAAP"126 gesprochen. Dieses "Haus" der Rechnungslegungsregeln ist nicht zu verwechseln mit einem aus Fundamental- und Folgeprinzipien gebildeten System von Bilanzierungs- und Inforrnationsprinzpien - dies ist auch nicht beabsichtigt. 127 Die für Mitglieder des AICPA bindenden und generally accepted accounting principles konstituierenden Quellen ergeben sich aus dem Prüfungsstandard "The Meaning of 'Present Fairly in Conforrnity With Generally Accepted Accounting Principles' in the Independent Auditor' s Report".128 Hierunter werden im besonderen subsumiert: "a. Accounting principles promulgated by a body designated by the AICPA Council to establish such principles, pursuant to rule 203 [... ] of the AICPA Code of Professional Conduct. [... ] b. Pronouncements of bodies, composed of expert accountants, that deliberate accounting issues in public forums for the purpose of establishing accounting principIes or describing existing accounting practices that are generally accepted
[ ... ] d. Practices or pronouncements that are widely recognized as being generally accepted because they represent prevalent practice in a particular industry, or the knowledgeable aoplication to specific circumstances of pronouncements that are generally accepted".1~9
126 Steven Rubin: The house of GAAP, in: JofAcc, Vol. 157 (1984), Juni 1984, S. 122-129, hier S. 122. 127 Ein solches System entspricht hingegen dem Anspruch und Selbstverständnis des deutschen (handelsrechtlichen) Rechnungslegungsrechts. Vgl. zu Einzelheiten auch unten, § 7.1.1. 12i AICPA: Statement of Auditing Standards No. 69 ("The Meaning 0/ Present Fairly in Conformity With Generally Accepted Accounting Principles in the Indepen-
dent Auditor 's Report").
129 Ebenda, hier Abs. 5. Zusammengefaßt ergibt sich für die Hierarchie der Quellen folgendes Bild: (I) Höchste Autorität besitzen die Verlautbarungen des FASB und seiner Vorgängerorganisationen, also die FASB statements und interpretations, die Accounting Principles Board opinions sowie die AICPA research bulletins; (2) auf der zweiten Ebene finden sich die technical bulletins des FASB, die audit and accounting guides sowie cleared AICPA statements o/position; (3) die dritte Ebene bilden consensus positions der Emerging Issues Task Force des FASB und cleared accounting standards executive committee practice bulletins; (4) die vierte Ebene besteht aus questions and answers, die vom FASB stafJveröffentlicht werden sowie uncleared industry audit and accounting guides, uncleared AICPA statements 0/ position sowie AICPA accounting interpretations und industry
practices widely recognized and prevalent;
(5) den Abschluß auf der am wenigsten autoritativen Ebene bilden schließlich sonstige Veröffentlichungen der (Fach-)Literatur wie bspw. die concepts statements des
11. Bestimmung der generally accepted accounting principles
33
Bei Rubin ruht dieses "Haus" auf diversen, unsystematisierten Grundannahmen wie "going concern assumption, substance over form, neutrality, the accrual basis, conservatism, materiality" 130. Zu den verlautbarten Positionen (promulgated generally accepted accounting principles) sind zusätzlich noch nicht verlautbarte Prinzipien hinzuzurechnen: "Certain principles and practices evolved into current acceptability without adopted standards"; die Kriterien, nach denen diese Prinzipien anzuwenden sind, bleiben weitgehend unklar. 131 Für die rule 203, die den CPA an die Einhaltung von generally accepted accounting principles bindet, gelten die Verlautbarungen der ersten Ebene als zwingend. Da die verschiedenen "Stockwerke" in diesem verwendeten Bild offensichtlich zwar ein Haus, aber kein (wissenschaftliches) System bilden, sind auch anerkanntermaßen bereits ab der zweiten Ebene verschiedene (sich widersprechende) Verlautbarungen denkbar: "If there is a conflict between sources, the CPA should consider which treatment better presents the substance of the specific transaction"132; worin die substance besteht, bleibt hier wie auch in sogenannten GAAP Guides unklar - wenn das Problem gegensätzlicher Positionen überhaupt gesehen wird 133 • Es ist dies wohl der Hintergrund, vor dem die oben
FASB, die statements des Accounting Principles Board und international accounting standards committee statements. (Die Auflistung folgt Douglas Sauter: Remodeling the house of gaap, in: JofAcc, Vol. 172 (1991), Juli 1991, S. 30-37; vgl. insbes. AICPA: Statement of Auditing Standards No. 69 ("The Meaning 01 Present Fairly in Conformity With Generally Accepted Accounting Principles in the Independent Auditor's Report"), a. a. 0., Auditing (United States), § 411, hier Abs. 16). 130
Steven Rubin: The house ofGAAP, a. a. 0., hier S. 123.
131 Patrick R. Delaney/James R. Adler/Barry J Epstein/ Michael F. Foran: GAAP. Interpretation and Application, a. a. 0., hier S. 14. Vgl. auch Axel Haller: Die "GeneralIy Accepted Accounting Principles". Die Normen der externen Rechnungslegung in den USA, in: ZfbF, 42. Jg. (1990), S. 751-777, hier S. 763-765; auch Axel Haller kann nur recht vage Kriterien ausmachen: "Entscheidend [00'] ist folglich, ob es dazu dient, die Unternehmenssituation wahrheitsgemäß und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten realistisch darzustellen" (S. 763). Da eine Eindeutigkeit dieser Forderungen angesichts der verschiedenen denkbaren (und konfligierenden) Einzelziele die Regel und nicht die Ausnahme sein dürfte, ist die Forderung vergleichsweise inhaltsleer: Ihre Bedeutung würde sich erst aus einer Konkretisierung des (Norm-)Zweckes ergeben. 132
Steven Rubin: The house of GAAP, a. a. 0., hier S. 126.
V gl. Larry P. Bailey: Miller GAAS Guide 1995, San Diego u. a., California: Harcourt Brace & Company, 1995, hier Kapitel 3, der in der aufgeführten Hierarchie auf mögliche Konflikte nicht hinweist; Patrick R. Delaney/James R. Adler/Barry 1. Epstein/ Michael F. Foran: GAAP. Interpretation and Application, a. a. 0., hier S.4 ff., die ebenfalls auf bestehende mögliche Zielkonflikte bei ihrer Präsentation der Hierarchie nicht hinweisen. 133
4 Wüstemann
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angeführten (Gerichts-)Urteile Konturen annehmen: Für die einzelnen Verlautbarungen gelte, daß fur eine Vielzahl von Bilanzierungsfragen unterschiedliche (konkurrierende) anerkannte Bilanzierungsweisen in Betracht kommen ("which might present conflicting treatments of a particular accounting question"134). Diese einzelfallorientierte Betrachtungsweise findet ihre Parallele in den statements des FASB, die ebenfalls nicht auf ein durch Einzelnormen konkretisiertes System von Fundamentalprinzipien in ihrer Argumentation rekurrieren; die Begründungen sind, zumindest von einem systematischen Blickpunkt aus betrachtet, im Einzelfall ad-hoc-geprägt. 135 b) Für die SEC gelten diese Quellen ebenfalls weitgehend: Sie fordert für financial statements, die bei ihr eingereicht werden, wie gesehen, daß diese nach accounting principles aufgestellt werden, die substantial authoritative support besitzen; als normsetzende Institutionen anerkannte sie die vom Berufsstand dafür eingesetzten Organisationen (Committee on Accounting Procedures und Accounting Principles Board); als gegenwärtigen Normsetzer anerkennt die SEC den FASB ausdrücklich. m Zudem müssen die bei der SEC eingereichten Jahresabschlüsse von unabhängigen Abschlußprüfern testiert sein; 137 im Prüfungsbericht (accountant 's report) konstatiert der Prüfer die Übereinstimmung mit generally accepted auditing standards. 13K Nun sind zudem die von den Einzelstaaten lizenzierten Prüfer, selbst wenn sie nicht im AICPA organisiert sind, faktisch durch entsprechende einzelstaatliche rules 0/ ethics auch formal an die vom AICPA kodifizierten auditing standards gebunden. 139 Mithin 134Sha/a/a v. Guernsey Memorial Hospital, decided March 8. 1995, 514 U.S. 87 ( 1995). 135 Vgl. zu Einzelheiten auch unten, § 5. 136 Vgl. Accounting Series Release No. 150/Codification of Financial Reporting Policies, hier Abs. 101: "the Commission has historically looked to the standard-setting bodies designated by the profession to provide leadership in establishing and improving leadership"; "the Commission intends to continue its policy of looking to the private sector for leadership in establishing and improving accounting principles and standards through the FASB". 137 Vgl. für Jahresabschlüsse, die dem SEA of 1934 unterliegen: 15 USC Sec. 78(m)(a)( I) ("certified if required by the rules and regulations of the Commission by independent public accountants") in Verbindung mit regulation s-x: Anforderungen, "audited balance sheets" einzureichen (17 CFR §21 0.3.01 (a)). Vgl. zur Problematisierung der Unabhängigkeit der Abschlußprüfer insbes. Gerd Wüstemann: Probleme der Glaubwürdigkeit von Abschlußprüfern. Wirtschaftsprüfer und Certified Public Accountants, Frankfurt am Main u. a. 1975; Ulrich LejJson: Wirtschaftsprüfung, 3. Aufl., Wiesbaden 1985, hier S. 66-115. 13K Vgl. regulation s-x: "shall state whether the audit was made in accordance with generally accepted accounting standards" (17 CFR §21 0.2-02(b)( I )). 139 Vgl. Charles H. Meyer: Accounting and Finance for Lawyers, a. a. 0., hier S. 50.
II. Bestimmung der generally accepted accounting principles
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besteht hinsichtlich der Hierarchie von generally accepted accounting principies regelmäßig eine Übereinstimmung vom Berufsrecht der CPA und dem Wertpapierrecht. 140
4. Kennzeichen der Bestimmung a) Induktive Normermittlung Induktive Normermittlung meint bei der Normsetzung die (vorrangige) Orientierung an vorherrschender Kaufmannsübung bzw. an der vorherrschenden Praxis der CPA. Die Ermittlung der generally accepted accounting principles kann als tendenziell induktiv charakterisiert werden. aa) Bindend für Unternehmen, die dem Wertpapierrecht unterliegen, ist der
substantial authoritative support der Bilanzierungsgrundsätze; für diesen gelten
aber erhebliche Freiheitsgrade: "Substantial support is a question of fact and a matter of judgment."141 Da die tatsächliche Anerkennung der zu fixierenden Regeln in der Praxis wichtige Voraussetzung fur die Setzung einzelner standards ist, kann sich der FASB als norm setzende Institution nicht über die vorherrschende Übung hinwegsetzen; den kodifzierten Grundsätzen mangelte es anderenfalls an einem (entscheidenden) Wesensmerkmal. Zudem würde der Normsetzer langfristig seine Glaubwürdigkeit verlieren. Die Anerkanntheit der Normen wird daher vor ihrer Setzung gesucht: "General acceptance is sought before rather then after the fact" 142. Auf den hierdurch bedingten Konflikt zwischen gewollter Normsetzung und tatsächlicher Normbestätigung wurde in anderem Zusammenhang bereits hingewiesen. 143 140 Eine Ausnahme bildet die Frage, ob von der SEC erlassene Regeln den Status von promulgated gene rally accepted acounting principles besitzen, sowie gegebenenfalls, welcher Ordnung diese sind. Dieser Ansicht: Dirk Eisolt: Die rechtlichen Grundlagen der amerikanischen Konzernrechnungslegung, in: AG, 38. Jg. (1993), S. 209-233, hier S. 233; Paul DanoslEugene A. Imhoff, Jr.: Intermediate Accounting, 2. Aufl., Englewood Cliffs, New Jersey: Prentice Hall, 1986, hier S. 5. Im Ergebnis wohl a. A.: Axel Haller: Die "Generally Accepted Accounting Principles". Die Normen der externen Rechnungslegung in den USA, a. a. 0., hier S. 762; Larry P. Bailey: Miller GAAS Guide 1995, a. a. 0., hier Kapitel 3, S. 14 siedelt sie im Gegensatz zu oben angeführten Autoren sogar auf der Ebene der höchsten Ordnung an. 141 Larry P. Bailey: Miller GAAS Guide 1995, a. a. 0., hier Kapitel 3, S. 13. 142 C. Richard BakerlDonna RapacciolilMorton B. Solomon: United States of America. Individual Accounts, in: Transnational Accounting, hrsg. von Dieter Ordelheide u. a., London u. a.: Maximillian, 1995, S. 2959-3095, hier S. 2967. 143 Vgl. oben, § l.II.l b).
4'
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§ I Begriff
bb) Die Orientierung an der vorherrschenden Bilanzierungspraxis birgt aber in ausgeprägtem Maße die Gefahr, daß Normsetzung auch in einer Bestätigung des Faktischen endet. Die notwendige Anerkennung von Bilanzierungsweisen setzt somit aber auch ihre inhaltliche "Richtigkeit" aufs Spiel; dem Normsetzer könnte lediglich die Funktion eines Normbestätigers und nicht eines Normfortentwicklers zukommen. "Richtigkeit" heißt in diesem Zusammenhang, daß mit der Normsetzung ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll - insbesondere auch die Erfüllung von Schutzzwecken. Vorherrschende Bilanzierungspraxis muß zumindest hier nicht notwendigerweise "gute" Bilanzierungspraxis sein: Denn insbesondere die Aussagekraft der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ist abhängig von zweckadäquater Bilanzierung. Der FASB scheint sich bei der Normsetzung an den Bilanzierungskonventionen auszurichten und ist durch das Wort "accepted" im entscheidenden Verweis dazu auch gezwungen: 144 Die Stärke der konfliktfreieren Durchsetzbarkeit einzelner generally accepted accounting principles in der Praxis besitzt hinsichtlich einer sinnvollen System bildung von Rechnungslegungsgrundsätzen die immanente Schwäche, daß aus dem Fehlen systematisch hierarchisierter Prinzipien eine weitgehend kasuistisch Einzelfallbeurteilung resultiert.
b) Politisierung der Normsetzung Ein weiteres für die US-amerikanische Rechnungslegung hervorzuhebendes Merkmal der Bestimmung "guter" externer Rechnungslegungsgrundsätze ist die Politisierung der Normsetzung im sogenannten due process; es ist denkbar, darin auch einen Vorteil der Normermittlung zu sehen. 145 aa) In den 60er Jahren dieses Jahrhunderts setzte in den USA eine insbesondere in den 70er Jahren breiter werdende Diskussion um die ökonomischen und sozialen Folgen einzelner externer Rechnungslegungsstandards ein. 146 Als Folgen der Rechnungslegung wurden insbesondere die soziale Wohlfahrt 147 und
144 Vgl. Axef Haller: Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, a. a. 0., hier S. 68 f. 145 Der due process hat eine Parallele im rufe making der Verwaltungsorgane, dem Administrative Procedure Act folgend (vgl. Peter Hay: Einführung in das amerikanische Recht, a. a. 0., hier S. 216-218). 146 Stephan A ZejJ.: The Rise of "Economic Consequences", in: JofAcc, Vol. 145, Dezember 1978, S. 56-63, hier S. 56. 147 Lee MetcalJ u. a.: The Accounting Establishment: A Staff Study prepared by the Subcommittee on Reports, Accounting and Management of the Committee on Govern-
II. Bestimmung der generally accepted accounting principles
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die Einkommensumverteilung l48 akzentuiert. Dahinter stand die Einsicht, daß jede Art der Eingriffnahme vom Normsetzer gewollte wie auch ungewollte Konsequenzen für die an der Rechnungslegung beteiligten Gruppen hat: So ändern bspw. neue Gewinnermittlungsregeln unter anderem die gesetzlichen oder faktischen Gewinnansprüche der Aktionäre, die Gehälter des am Gewinn beteiligten Managements, die Zins- und Rückzahlungserwartungen der Gläubiger und die Sicherheit der Arbeitsplätze der Beschäftigten. Daraus erwuchs die Forderung, daß die mittelbare Regulierung von Rechnungslegung insbesondere durch SEC und FASB nur dann gerechtfertigt sei, wenn sie die sozialen und ökonomischen Folgen in die Zieldefinition normativer Rechnungslegungsregeln aufnehmen würde. Die Argumentation wird allerdings durch das sogenannte Unmöglichkeitstheorem von Arrow erschwert. 149 Arrow zeigt auf, daß die Ableitung einer die soziale Wohlfahrt maximierenden Regulierungspolitik direkt aus den individuellen Präferenzen nicht möglich ist. 150 Das Argument wurde von Demski für die Begründung "richtiger" Normsetzung externer Rechnungslegungsgrundsätze aufgenommen. Er schließt: "No set of standards exists that will always rank alternatives in accordance with preferences and beliefs-no matter what these preferences and beliefs are, as long as they are consistent in admitting to the expected utility characterization."151
ment Operations (Auszüge), in: JofAcc, März 1977, S. 104-120, hier S. 112: sie würden "the Nation 's social welfare" tangieren. 148 V gl. bspw. Dale L Gerboth.: Research, Intuition, and Politics in Accounting Inquiry, in: AccRev, Vol. 48 (1973), S. 475-482, hier S. 481: "its [i. e., the public accounting profession] accounting legislation [... ] affects the economic well-being of thousands of business enterprises and millions of individuals". 149 Vgl. Robert G. MaylGary L. Sundem: Research for Accounting Policy: An Overview, in: AccRev, Vol. 51 (1976), S. 747-763, hier S. 750 f. 150 Vgl. Kenneth Arrow: Social Choice and Individual Values, 2. Aufl., New Haven und London: Yale Universit)' Press, 1963 [1951.J; Peter BernholzlFriedrich Breyer: Grundlagen der Politischen Okonomie. Band 2: Okonomische Theorie der Politik, 3. Aufl., Tübingen 1994, hier S. 27-33. 151 Joel S. Demski: The General Impossibility of Normative Accounting Standards, in: AccRev, Vol. 48. (1973), S. 718-723, hier S. 721.; vgl. auch Joel S. Demski: Choice Among Financial Reporting Alternatives, in: AccRev, Vol. 49 (1974), S. 221-232; a. A. insbes. R. 1. Chambers: The Possibility of Normative Accounting Standards, in: AccRev, Vol. 51 (1976), S. 646--{j52, hier S. 650-652; hierzu Joel S. Demski: An Economic Analysis ofthe Chambers' Normative Standards, in: AccRev, Vol. 51 (1976), S. 653656, hier S. 655--{j56. Es scheint, als seien diese Einwände (mit-)verantwortlich für das von Mozes konstatierte "lack of normative tradition" in der gegenwärtigen Rechnungslegungsliteratur der USA; Haim Mozes: A Framework for Normative Accounting Research, in: JofAccLit,
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§ I Begriff
Da es ökonomische Folgen positiver wie negativer Natur für die betroffenen Gruppen gibt, sagen ökonomische Modelle vorher, daß diese Gesellschaftsgruppen versuchen, den Normsetzungsprozess (insbesondere zu ihren eigenen Gunsten) zu beeinflussen. 152 Ob der Normsetzer angesichts der - so gesehen politischen Natur des Normsetzungsprozesses seine neutrale Haltung aufgeben sollte, war zumindest nicht unumstritten: So führen Wolk/Tearne/ 53 als wichtige Vertreter einer diesbezüglich neutralen Normsetzung Armstrong l 54 und Kirk l55 auf, als Vertreter einer interessengeleiteten Normsetzung Horngreen l56 und Solomons l57 • bb) Der FASB versucht, den dargelegten ökonomischen Argumenten in dem sogenannten due process Rechnung zu tragen. Der due process bezeichnet den Verfahrensablauf vom Aufbringen eines Bilanzierungs- bzw. Buchführungsproblems bis hin zur Verabschiedung eines bindenden financial accounting standard. In diesem Prozess werden die Interessengruppen, bspw. durch öffentliche Anhörungen und durch Aufforderungen zu Kommentaren, involviert. 158 Durch diese "Demokratisierung" soll auch die Akzeptanz der Rech-
Vol. 11 (1992), S. 93-120, hier S. 93; seiner Einschätzung insoweit folgend: Robert Bricker, The Structure of Accounting Research, in: JofAccRes, Vol. 27 (1989), S. 246262. Vgl. zu den Begriffen der normativen und positiven Wissenschaft in dem in dieser Arbeit gebrauchten Sinne Mi/ton Friedman: The Methodology of Positive Economics, in: Essays in Positive Economics, Chicago u. a., IIlinois: The University of Chicago Press, 1992 [1953], S.3-43, hier insbes. S.3-16: "The ultimate goal of a positive science is the development of a 'theory' or 'hypothesis' that yields valid and meaningful (i.e., not truistic) predictions about phenomena not yet observed" (S. 7); "normative or regulative science fis ... ] a body of systemized knowledge discussion criteria of what ought to be" (S. 3, lohn Neville Keynes: The Scope and Method of Political Economy, London: Macmillan & Co., 1891, zitierend, Hervorh. im Orig.). 152 Vgl. bspw. die Interventionen der Interessengruppen bzgl. der Accounting Principles Board Opinion No. 16 ("Accounting for Business Combinations"); vgl. loel Seligman: The SEC and accounting: a historical perspective, a. a. 0., hier S. 255-260. 153 Vgl. Harry 1. Wolk/Michael G. Tearney: Accounting Theory. A Conceptual and Institutional Approach, a. a. O. (Fußn. 171), hier S. 102. 154 Vgl. Marshall S. Armstrong: The Politics of Setting Accounting Standards, in: JofAcc, Vol. 143 (1977), Februar 1977, S. 76-79. 155 Vgl. Donald 1. Kirk: How to keep politics out of standard setting: making private sector rule-making work, in: JofAcc, Vol. 146 (1978), S. 92-94. 156 Vgl. Charles T Horngreen: Accounting Principles: Private or public sector?, in: JofAcc, Vol. 133 (1972), Mai 1972, S. 37-41. 157 David Solomons: The Politicization of Accounting, in: JofAcc, Vol. 146 (1978), November 1978, S. 65-72. 158 Bereits das Accounting Principles Board hatte in seiner Spätphase diesen Gang in die Öffentlichkeit bei der Verabschiedung seiner standards angetreten; die heutige
11. Bestimmung der generally accepted accounting principles
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nungslegungsnonnen erhöht werden;159 zudem würde nur so eine Legitimität des Nonnsetzungsprozesses erreicht. ce) Die Einbindung der interessierten - und ökonomisch von etwaigen Umverteilungen betroffenen - Gruppen ist Ausdruck einer Demokratisierung des Nonnennittlungsprozesses. Es ist daher aus der Perspektive einer am Verfahren und weniger am Nonninhalt ausgerichteten Nonnsetzung durchaus wünschenswert; schließlich wird nicht hinter "verschlossen Türen" entschieden. Auch ökonomisch kann es gerechtfertigt werden: Auf Bentley geht das Argument zurück, daß eine gut funktionierende Demokratie auf Einwirkung der beteiligten Gruppen angewiesen ist. 160 Wie dargelegt wurde, ist zu erwarten, daß die von den ökonomischen Folgen betroffenen Gruppen ohnehin versuchen werden, auf die Nonnentwicklung einzuwirken; eine politische, prozedurale Einbindung ist somit zu begrüßen: So werden die auf die Rechnungslegung einwirkenden Kreise verfahrensmäßig eingebunden in den Nonnsetzungsprozeß. Die Anerkennung der so institutionalisierten Spielregeln 161 ist flir eine "gerechte" (jairY62 Nonnennittlung essentiell. Folgt man diesem Argument aus dem Kreis der "ökonomischen Theorie der Politik"16J, so ergibt sich eine weitere ökonomische Frage, die flir eine Beurteilung der "Demokratisierung der Nonnsetzung" zentral erscheint: Der schwer objektivierbaren Rechtfertigungsstrategie der Wohlfahrtsökonomen ist (neben den prinzipiellen methodischen Einwänden von Demski) unter dem Primat einer an Schutzzwecken orientierten Rechnungslegung nur dann sinnvoll zu folgen, wenn die ökonomisch betroffenen Gruppen in gleicher Weise in den Nonnsetzungsprozeß eingreifen könnten; denn nur dann wäre geWährleistet,
Form, die Öffentlichkeit einzubeziehen (inkl. der Mitteilungen über Termine in den action alerts) resultierte aus Vorschlägen des Structure Committee ofthe Board ofTrustees ofthe Financial Accounting Foundation in 1976; vgl. Harry /. WolkJMichael G. Tearney: Accounting Theory. A Conceptual and Institutional Approach, a. a. O. (Fußn. 171), hier S. 72 f. 159 Vgl. Charles T Horngreen: Accounting principles: private or public sector?, in: JofAcc, Vol. 133 (1972), Mai 1972, S. 37-41, hier S. 40: "We live in a democracy, and setting accounting principles is indeed subject to popular testing". 160 Vgl. Arthur F. Bentley: The Process of Government, Evanston, IIlinois: Principia Press, 1949. 161 Vgl. zum Begriff: GeojJrey BrennanlJames M. Buchanan: Die Begründung von Regeln, Tübingen 1993 [1985], hier insbes. S. 3-7 und S. 21-24. 162 Vgl. zum Begriffebenda, hier insbes. S. 37-41; John Rawls: A Theory of Justice, Oxford: Oxford University Press, o. J. [1971], hier S. 11-17 und passim. 163 Vgl. zum Begriff: Peler BernholzlFriedrich Breyer: Grundlagen der Politischen Ökonomie. Band 2: Ökonomische Theorie der Politik, a. a. 0., hier S. 1-4.
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§ 1 Begriff
daß die Wohlfahrtseinbußen der benachteiligten Gruppen mindestens ausgeglichen würden durch die Wohlfahrtsgewinne der bevorzugten Gruppen. Dies zweifelt aber Olson schlüssig an: Die Interessensvertreter der kleinen Gruppe direkt Betroffener sind (ökonomisch notwendig) besser organisiert als die große Gruppe der Schutzwürdigen. l64 Auf den Normsetzungsprozeß angewandt heißt dies, daß aus den ökonomischen Grundannahmen eines seinen individuellen Nutzen maximierenden Wirtschaftssubjektes folgt, daß die kleinere Gruppe direkt Betroffener in massivem Umfang auf Kosten der größeren Gruppe der Schutzwürdigen in den Rechnungslegungsprozeß eingreift. Dem ökonomischen Modell folgend wäre zu erwarten, daß inbesondere Kleingläubiger und Publikumsaktionäre sowie die Öffentlichkeit weniger durch die entsprechenden Rechnungslegungsnormen des FASB geschützt werden, weil sie schlechter organisiert sind. 165 Somit steht dem politisch-verfahrensmäßig ausgerichteten Argument ökonomisch ein gutes Argument entgegen: 166 Die Gewährleistung der Schutzaufgabe durch den due process kann durchaus auch angezweifelt werden. Mit der durch das formale Verfahren des due process bedingten kom promißhaften Natur der (Rechnungslegungs-)Normen kann von inhaltlicher Seite auch ein Verlust an Genauigkeit einhergehen: Die durch das Verfahren der Normermittlung im due process institutionalisierte Berücksichtigung der Interessen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen fuhrt in den USA nach Einschätzungen in der Literatur zu uneinheitlichen Normen, die "inhaltlich von
164 Olson zeigte auf, daß aus den individuell-ökonomischen Prämissen folgt, daß sich große (intermediate und latent) Gruppen schlechter zu Interessensgruppen von ökonomischer Durchschlagskraft entwickeln als kleine (privileged) Gruppen. Vgl. Mancur 01son: The logic of collective action. Public goods and the theory of groups, Cambridge, Massachusets: Harvard University Press, 1994 [1965], hier insbes. S. 125 ff.
165 Bei anderer Argumentation mit ähnlichem Ergebnis: Roland Euler: Bilanzrechtstheorie und internationale Rechnungslegung, in: FS Beisse, a. a. 0., hier S. 183 und S. 185 f. Unten wird gezeigt, daß dieser Schutzzweck - in gewissen Grenzen - (auch ftir Kleinaktionäre) von den Gerichten in Urteilen des Wertpapierrechts (insbesondere durch die sogenannteJraud-on-the-market-theory) durchgesetzt wird. Vgl. hierzu unten, § 3. 166 Der Zweifel an der Schutzfunktion ist nicht gleichzusetzen mit dem Zweifel an der ökonomischen Effizienz der entsprechenden Regelung. Zudem würde ein (streng) effizienzorientiertes Argument dadurch relativiert, daß ein gedachtes" 'first best' ein unerreichbares Ideal ist und deshalb nicht als Maßstab ftir die Ineffizienz staatlichen Handelns herangezogen werden kann" (Eva Terberger: Neo-institutionalistische Ansätze. Entstehung und Wandel - Anspruch und Wirklichkeit, Wiesbaden 1994, hier S. 138). Schließlich ist das Argument der ökonomischen Effizienz (wie auch das Gegenargument) ftir diese Fälle wohl schwer testbar.
11. Bestimmung der generally accepted accounting principles
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Kompromissen geprägt" 167 sind. 168 Versteht man Bilanzierungsnormen jedoch nicht als konsensorientierte Ergebnisse eines politischen Prozesses, sondern als "hypothetische Gebote"169, die aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften abzuleiten sind, so können kompromißhafte Bilanzierungsnormen Schutzzwecke der Rechnungslegung verletzen und einer sinnvollen Systembildung entgegenstehen.
c) Normsetzung im privaten Sektor Normsetzung im privaten Sektor in der Rechnungslegung ist durch den weitgehenden Entzug der Normsetzungsautorität der staatlichen Organisationen gekennzeichnet; dies gilt in ausgeprägtem Maße für die US-amerikanische Rechnungslegung. aa) Der Berufsstand der CPA setzt, wie gesehen, durch den FASB mittelbar die Rechnungslegungsnormen, auch wenn der FASB im Vergleich zu den Vorgängerinstitutionen Committee on Accounting Procedure und Accounting Principles Board eine höhere Unabhängigkeit besitzt. Die private Normsetzung in der Rechnungslegung wird dadurch verstärkt, daß das (nicht-staatliche) AICPA über die Setzung von auditing standards formal und materiell verbindlich die Prüfungs grundsätze definiert, die von bundesstaatIicher Seite, Gerichten und Einzelstaaten zumeist anerkannt werden und insbesondere auch in Schadenersatzprozessen gegen CPA eine zentrale Rolle spielen. 170 Die Tatsache, daß auditing standards in großem Maße Rechnungslegung prägen, diese aber ausschließlich von dem AICPA - einer Institution ohne politisches Mandat - gesetzt werden, unterstützt das Argument darüber hinaus. bb) Die Normsetzung von Rechnungslegungsstandards durch den privaten Sektor ist in den USA keine unbezweifelte Selbstverständlichkeit. 17I Das Urteil
167 Axel Haller: Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, a. a. 0., hier S. 52. 168 Vgl. auch Roland Euler: Bilanzrechtstheorie und internationale Rechnungslegung, a. a. 0., hier S. 184. 169 Georg Döllerer: Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, deren Entstehung und Ermittlung, in: BB, 14. Jg. (1959), S. 1217-1221, hier S. 1217. 170 Lee MetcalJ u. a.: The Accounting Establishment: A Staff Study prepared by the Subcommittee on Reports, Accounting and Management of the Committee on Government Operations (Auszüge), a. a. 0., hier S. 115. 171 Vgl. Dirk Eisalt: US-amerikanische und deutsche Rechnungslegung, a. a. 0., hier S. \03, der zudem darauf verweist, daß "man in den USA doch allgemein die Tätigkeit
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§ I Begriff
über die jeweilige Vorteilhaftigkeit einer Nonnsetzung im staatlichen oder im privaten Sektor ist auch geprägt von Wertungen außerbilanzielier (und gegebenenfalls auch ideologischer) Natur und insoweit ein Ausdruck von Wirtschaftsgesinnung. Daher erscheint die vom US-amerikanischen Kongreß in Auftrag gegebene und nicht unumstrittene l72 Studie von Metcalf u. a. l73 aus dem Jahr 1977 um so wichtiger, als der Bericht auf Basis einer detaillierten Analyse der an der Nonnsetzung beteiligten Institutionen auch inhaltlich die Gefahren und Grenzen einer Nonnsetzung im privaten Sektor aufzeigt. Der Haupteinwand MetcalJs gegen die Nonnsetzung im privaten Sektor zielt darauf, daß die SEC ihrer Aufgabe, durch Setzen von Infonnationseinblicksnonnen die Öffentlichkeit zu schützen, nicht gerecht würde; sie hätte (ohne Not) die Nonnsetzungskompetenz an eigeninteressengeleitete Gruppen abgetreten. Den Schutz der Öffentlichkeit, so das Argument, könnten nicht Nonnsetzer gewährleisten, die (bspw. in Schadenersatzprozessen) Interesse an dehnbaren und hinsichtlich der Auslegung uneindeutigen Nonnen hätten. Denn auch der im Gegensatz zur Vorgängerorganisation (dem Accounting Principles Board) fonnal von den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften unabhängige FASB würde letziich die Interessen der "private sponsoring groups" vertreten; "in the end, all of the organizations are controlled by the same self-interested parties"174. Der Nonnsetzungprozeß sei gleichsam monopolisiert. Die Verfasser fUhren aus:
des FASS als seine letzte Chance" betrachte; es sei "schon lange nicht mehr unumstritten". So auch Harry I. WolklMichael G. Tearney: Accounting Theory. A Conceptual and Institutional Approach, a. a. 0.: Das FASS sei "perhaps the last opportunity to have the private sector establish financial accounting standards" (S. 72); und mit der Einschätzung "the F ASB is under strong attack, but it will probably survive" (S. 76). V gl. auch Henning Siebert: Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, a. a. 0., hier S. 65-68. 172 Vgl. Wolfgang LücklH. Peter Holzer: Die Krise des amerikanischen wirtschaftsprüfenden Berufsstandes. Anmerkungen zum Metcalf-Report, in: DB, 30. Jg. (1977), S. 1857-1861, hier S. 1858-1861; Harvey Kapnick: A rebuttal to Metcalf, in: JofAcc, Vol. 143 (1977), März 1977, S. 79-84, hier S. 79 ("pure junk"); der Autor war seinerzeit chairman von Arthur Anderson & Co.
173 Senator Lee Metcalfwar zu der Zeit Mitglied des US-amerikanischen Kongresses und Vorsitzender des Subcommittee on Reports, Accounting and Management des Com-
mittee on Government Operations.
174 Lee Metcalf u. a.: The Accounting Establishment: A Staff Study prepared by the Subcommittee on Reports, Accounting and Management of the Committee on Government Operations (Auszüge), a a. 0., hier S. 118 (beide Zitate). Die tatsächliche Einflußnahme geschehe durch die Finanzierung, die Besetzungskompetenz der Gremien des FASS und die personellen Verflechtungen.
II. Bestimmung der generally accepted accounting principles
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"The first [finding] is the extraordinary manner in which the SEC has insisted upon delegating its public authority and responsibilities on accounting matters to private groups with obvious self-interests in the solution of such manners.,,175
Hinsichtlich der Eindeutigkeit der Rechnungslegungsnonnen kommen die Verfasser zu einer kritischen Einschätzung: Es sei notwendig, von staatlicher Seite ein System unifonner und aussagehaItiger Rechnungslegungsnonnen zu entwickeln, um "the present collection of flexible, alternative standards which have pennitted the growth of 'creative accounting' as an acceptable option to accurate financial reporting"176 zu ersetzen. Der Bericht empfahl der Bundesregierung, direkt Rechnungslegungsgrundsätze ftir publicly-owned corporations zu verabschieden. 177 Die Angriffe gegen generally accepted accounting principles richten sich primär gegen deren Infonnationseinblicksfunktion, der lahresabschluß als Einheit würde der Forderung nach fair presentation nicht gerecht. Es finden sich aber auch Einwendungen gegen Einzelnonnen, die misleading seien: bspw. "such 'creative accounting' techniques as percentage of completion income recognition"178. Der Metcalf-Report ist, unabhängig von der Angemessenheit seiner Vorwürfe im Detail, geeignet ftir eine (kritische) Würdigung der Nachteile der Setzung von Rechnungslegungsnonnen im privaten Sektor, weil er - wie es scheint treffend - zwei hiennit einhergehende Grundkonflikte verschärft darstellt: einerseits die Gefahr, daß Rechnungslegungsnonnen (sei es bewußt oder unbewußt) uneindeutig und nicht gerichtsfest gestaltet werden; und andererseits, daß wichtige Schutzziele aus dem Auge verloren werden könnten.
175 Ebenda, hier S. 104. Der zweite Haupteinwand gilt der (angezweifelten) Unabhängigkeit der CPA: es sei ein "alarming lack of independance" (ebenda) festzustellen. Die Verfasser des Metcaif-Reports verteten zur Stärkung der Unabhängigkeit u. a. einen turnusmäßigen Wechsel der Prüfungsgesellschaften. Vgl. auch Wolfgang Lück/H. Peter Holzer: Reformbestrebungen der amerikanischen Wirtschaftsprüfer, in: OB, 32. Jg. (1979), S. 1517-1522, hier S. 1517 ff. mit Nachweisen zu den vom A1CPA als Reaktion vorgenommen (graduellen) Umstrukturierungen. Das Rotationsprinzip wurde nicht umgesetzt. 176 Lee Metcalf u. a.: The Accounting Establishment: A Staff Study prepared by the Subcommittee on Reports, Accounting and Management of the Committee on Government Operations (Auszüge), a. a. 0., hier S. 117.
177 V gl. ebenda, hier S. 119: "The Federal Government should directly establish financial accounting standards for publicly-owned corporations. Accounting standards involve social and economic issues which can only be resolved effectively through the processes of government responsible solely to the public".
178 Ebenda, hier S. 119.
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§ 1 Begriff
cc) Ein letztes, gewichtiges Argument gegen eine Normsetzung durch nichtstaatliche Organisationen betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Normsetzers im privaten Sektor: Informationseinblicksnormen - d. h. sowohl einwertige Bilanzierungsnormen wie auch ergänzende (mehrwertige) zusätzliche Angaben und Nebenrechnungen - sollten durch demokratisch hierzu legitimierte Organe formuliert werden. Es ist denkbar, daß ein privater Normsetzer diesem Anspruch nicht genügt und insoweit keine Legitimationsgrundlage mehr besitzt. Für den Bereich des US-amerikanischen (einzeIstaatlich geprägten) Kapitalgesellschaftsrechts wird das Argument von S. Siegel erwähnt: Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der dem Unternehmen entzogenen Gewinne l79 sei denkbar, daß die Delegation der Normsetzung an eine nicht-staatliche Institution unangemessen in politischer Hinsicht ist und zudem möglicherweise illegal. 180
179
Vgl. hierzu unten, § 2.
180 Stanley Siegel: A critical examination of state regulation of accounting principles, in: JofCBCML, Vol. 7 (1985), S. 317-331, hier S. 326: "rule-making to an outside authority [... ] is inappropriate as a matter ofpolicy, and perhaps illegal as weil".
§ 2 Gewinnanspruchsregelungen I. Einlageregelungen für business corporations
Emittiert eine US-amerikanische business corporation neue Aktien, so kann der Aktionär prinzipiell seine Gegenleistung statt in bar auch in Form von Sach- oder Dienstleistungseinlagen erbringen. a) Der Model Business Corporation Act (MBCA) eröffnet bspw. die Möglichkeit, bereits für das Unternehmen erbrachte Dienstleistungen einzulegen; IKI
181 Das Aktienrecht in den USA ist im wesentlichen Einzelstaatenrecht. Historisch läßt sich die Inkorporationszuständigkeit für corporations der Einzelstaaten zurückverfolgen bis in die Zeit der Unabhängigkeitskriege; aber auch bereits vor der Unabhängigkeitserklärung war dies in den Kolonialstaaten factum: ein "stillschweigendes Einverständnis" (Merkt) des englischen Königs wurde vorausgesetzt. Wurde eine Körperschaft zunächst durch die Legislative verliehen, so führte der Erlaß von Business Incorporation Statutes durch die Einzelstaaten ab 1795 dazu, daß - unter Beachtung der formalen Anforderungen - die Gründung einer corporation prinzipiell jedem möglich wurde. Dieses föderale System prägt bis heute das Gesellschaftsrecht in den USA. Vgl. Harry G. Henn/John R. Alexander: Laws of Corporations and Other Business Enterprises, 3. Aufl., St. Paul, Minnesota: West Publishing Co., 1983, hier § 12; Hanno Merkt: US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Heidelberg 1991, Rz. 11; vgl. auch ebenda, Rz. 11 ff.
Eine gewisse Vereinheitlichung erfahren die Einzelstaatengesetze des Aktienrechts durch die Uniform Business Corporation Acts, die seit 1928 von den Mitgliedern des Committee on Corporate Laws der American Bar Association erarbeitet und meist zum Teil mit Änderungen - von der Legislative der Einzelstaaten übernommen werden. Der Modell Business Corporation Act (MBCA) ist der (in einigen Staaten noch maßgebliche) Vorläufer des Revised Modell Business Corporation Act (RMBCA), der in den hier interessierenden Sachverhalten als progressiv gilt. Vgl. bspw. Hanno Merkt: US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, a. a. 0., hier Rz. 174 ff. Vgl. zur (instruktiven) Analyse des ökonomischen Hintergrundes der Entwicklung der Kapitalgesellschaft: Adolf A. Berle/Gardiner C. Means: The Modern Corporation and Private Property, a. a. 0., hier S. 11-17 und S. 119-252; Alfred D. Chandler: The Visible Hand. The Managerial Revolution in American Business, Cambridge, Massachusetts: The Belknap Press, 1977, hier S. 13-205 und S. 455-483; Alfred D. Chandler: Scale and Scope. The Dynamics of Industrial Capitalism, Cambridge, Massachusetts: The Belknap Press, 1990, hier S. 47-233: Douglass C. North: The Economic Growth ofthe United States. 1790-1860, New York u. a., New York: W. W. Norton & Company, 1966, hier S. 17-215; Douglass C. North: Structure and Change in Economic History, New York u. a., New York: W. W. Norton & Company, 1981, hier S. 69-198.
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§ 2 Gewinnanspruchsregelungen
die Rechtsprechung verbot allerdings weitgehend, ein Versprechen einer erst in der Zukunft zu erbringenden Dienstleistung für das Unternehmen als Gegenleistung einzubringen. 182 Bezüglich der Einlagefahigkeit verbriefter Geldforderungen (promissory notes) ist zumindest eine "sehr uneinheitliche" Rechtslage zu konstatieren. 183 Die Rechtsprechung hatte im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert durch case law zunächst die Doktrin des true value und der reasonable prudence bzw. des good /aith fur die Bewertung der so eingebrachten assets entwickelt und somit die Möglichkeit einer späteren Haftungsklage eröffnet. Die meisten Einzelstaaten ergänzten die gesellschaftsrechtlichen Gesetze später allerdings insoweit, als die durch den board 0/ directors im Zugangszeitpunkt der Sach- oder Dienstleistungseinlage festgestellten Werte - vorbehaltlich Betrugs (jraud) - den "richtigen" entsprächen. 184 Oe facto wird somit die Möglichkeit des Rechtsweges, bspw. fur die Gläubiger, genommen und die ursprünglich gläubigerschützende Absicht des MBCA ausgehöhlt, da ein Geschädigter nachzuweisen hätte, daß der board 0/ directors seine Sorgfaltspflichten bei der Bewertung der eingelegten assets vorsätzlich und in betrügerischer Absicht verletzt hätte. Hinter dieser liberalen Einlageregelung steht die (durchaus plausible) Vorstellung, daß für (erfolgsneutrale ) Einlagevorgänge die divergierenden Interessenverhältnisse im Binnenverhältnis der Gesellschafter zu einer ökonomisch sinnvollen Wertfindung führten. Der Revised Model Business Corporation Act (RMBCA) unterscheidet sich in den Kapitalaufbringungsregeln demgegenüber durch eine weitergehende liberalisierung: § 6.21 bestimmt, daß ein Entgelt für Aktien in jeglicher Fonn erbracht werden kann, es gibt nunmehr keine Einschränkungen hinsichtlich des character des Entgelts mehr. Diese Öffnung des asset-Begriffs resultiert aus dem Eingeständnis der Verfasser des RMBCA, daß eine wirtschaftlich sinnvolle und rechtlich wirksame Einengung auch vorher kaum gegeben war - die American Bar Association wollte zumindest wirtschaftlich sinnvollere Ergebnisse zeitigen. Die Aufgabe der Wertfindung wird auf die Aktionäre übertragen, die selbst dafür Sorge tragen sollen, daß eine Ausgabe der Aktien nicht für überbewertete assets oder zu einem zu niedrigen Aktienkurs erfolgt. 185 Darüber 182 Vgl. Bayless Manning/James 1. Hanks, Jr.: Legal Capital, 3. Aufl., Westburry, New York: The Foundation Press, 1990 [1977], hier S. 45. 183 Markus Bauer: Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer - Kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit oder überholtes Konzept?, Frankfurt am Main 1995, hier S. 146 m. N. zur Rechtsprechung. 184 Vgl. Robert Charles Clark: Corporate Law, Boston u. a.: Little, Brown and Company, 1986, hier S. 713 f.; vgl. auch Bayless Manning/James 1. Hanks, Jr.: Legal Capital, a. a. 0., hier S. 48, die beifügen: "whatever that may be" (ebenda).
1. Einlageregelungen flir business corporations
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hinaus soll das serious business judgment der Mitglieder des board 0/ directors und die Einhaltung der in § 8.30 festgesetzten allgemeinen Sorgfaltsptlichten eine Überbewertung der Einlagen verhindern. 186 b) Kennzeichnend für den Begriff des einlagefähigen asset ist eine sehr weit verstandene ökonomische Betrachtungsweise: "any tangible or intangible property or benefit to the corporation" kann als Entgelt für zu emittierende Aktien gelten. 187 Hierdurch wird auch die Zurückdrängung der lustitiabilität der Kriterien des einlagefahigen asset und mithin der (formal-)rechtlichen Betrachtungsweise sichtbar. Zugleich zeigt sich die weitgehende Abkopplung des für Kapitalaufbringungsregeln geltenden asset-Begriffs von den generally accepted accounting principles. Eine konkretisierende Auslegung der asset-Kriterien durch die US-amerikanische Rechtsprechung wird auch dadurch erschwert, daß nur im Falle eines Konkurses die· Gründer der Aktiengesellschaft haften, eine dem deutschen Recht vergleichbare (mögliche) "präventive[.] Bewertungskontrolle"188 nicht gegeben ist; zudem "konnten die Gläubiger in der Praxis aufgrund der prozessualen Schwierigkeiten ihre Ansprüche nie effektiv durch setzen"189. c) Die Vorschriften für die Bewertung von Sacheinlagen im corporation law sind ebenfalls unabhängig von den generally accepted accounting principles. 190 Die Gerichte legen bei der Bewertung keinen einheitlichen Maßstab an, allenfalls den "konkreten Nutzwert [ ... ] für die Gesellschaft"191. Bauer folgert in sei-
18; RMBCA, § 6.21, ojjicial comment; vgl. auch Bayless Manning/James J. Hanks. Jr.: Legal Capital, a. a. 0., hier S. 181. 186 Vgl. RMBCA, § 8.33 sowie ojjicial comment zu § 8.33; vgl. auch Friedrich Kübler: Aktie, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, Köln 1989, hier S. 23-25. 187 RMBCA, § 6.21 (b); vgl. auch die sehr weit verstandene ökonomische Betrachtungsweise im ojjicial comment. 188 Markus Bauer: Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer - Kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit oder überholtes Konzept?, a. a. 0., hier S. 210. 189 Ebenda, hier S. 211. 190 So schreibt das Delaware General Corporation Law hinsichtlich der Bewertung lediglich vor, Aktien könnten emittiert werden "for such consideration [... ] as is determined from time to time by the board of directors, or by the stockholders" (§ 153 (a)), das ,judgement of the directors as to the value of such consideration shall be conclusive" (§ 152). Vgl. New York Business Corporation Law: "in the absence offraud in the transaction, the judgment of the board or shareholders [... ] as to the value of the consideration received for shares shall be conclusive" (§ 504(a)); und California Corporations Code: "In the absence of fraud in the transaction, the judgment of the directors as to the value ofthe consideration for shares shall be conclusive" (§ 409 (b)). 191 Markus Bauer: Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer - Kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit oder überholtes Konzept?, a. a. 0., hier S. 166.
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§ 2 Gewinnanspruchsregelungen
ner Rechtsprechungs- und Literaturanalyse, daß mit den von den Gerichten angewandten Bewertungskriterien "so ziemlich jeder Wertansatz begrundbar" sei. 192 Nur in Fällen ganz offensichtlicher Überbewertung würden die Wertansätze des board 0/ directors korrigiert. d) Die Bedeutung der generally accepted accounting principles für Kapitalaufbringungsregeln der Aktiengesellschaften ist also denkbar gering: Allenfalls im Rahmen der Sorgfaltspflichten könnte eine Exkulpation durch den Verweis auf die vom FASB gesetzten Bilanzierungsgrundsätze gegebenenfalls leichter fallen; angesichts der großzügigen Rechtsprechung ist dies aber wohl kaum nötig. Im Umkehrschluß fehlt den generally accepted accounting principles somit eine sie konkretisierende Rechtsprechung, wie sie - mit Einschränkungen - im deutschen Gesellschaftsrecht gegeben ist. 193 Eine Konkretisierung der bilanziellen Vorschriften zu Ansatz und Bewertung von Vennögensgegenständen und Schulden kann also zumindest von den Regelungen zur Einlagefähigkeit nicht ihren Ausgang finden. e) Der jetzige Nonnsetzer von generally accepted accounting principles, der FASB, bestimmt daher folgerichtig Einlagen als Eigenkapitalerhöhungen, die aus einem Transfer werthaItiger Dinge (something valuable) entstünden. Nicht nur assets (im Sinne des FASB) seien einlagefahig; vielmehr gehörten hierzu ebenfalls "services or satisfaction or conversion of liabilities of the enterprise" .194
11. Ausschüttungsregelungen 1. Uniform Limited Partners hip Act
Der Unifonn Limited Partnership Act hatte für eine Ausschüttungsbeschränkung zunächst einen Passus vorgesehen, der bestimmte, daß ein limited partner (neben der Rückvergütung seiner Einlage) ein Recht auf Anteil an dem Gewinn oder eine andere Fonn der Vergütung erhalten solle. 195 Diese dunkle ("cryp192
Ebenda, m. w. N.
Die Einlagefahigkeit bei Aktiengesellschaften ist durch den (bilanzrechtlichen) Vermögensgegenstandsbegriff vorgegeben; vgl. Adalf Maxter: Bilanzrechtsprechung, 4. Aufl., Tübingen 1996, hier S. 28 f.; vgl. insbes. auch Michael Hammel: Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, Stuttgart 1998, hier S. 253-312 m. w. N. auch zu anderen Auffassungen. 194 § 66 Con 6. 193
195 Vgl. den Wortlaut: "A limited partner shall have the right to receive a share ofthe profits or other compensation by way of income, and to the return of his contribution" (Uniform Limited Partnership Act, § 10(2)).
11. Ausschüttungsregelungen
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tic"196) und denkbar große Spielräume gewährende Formulierung wich in den 1976 ergangenen Änderungen der (wenig Klarheit schaffenden) Anweisung, daß eine Ausschüttung an den Partner nur dann erfolgen dürfe, wenn die Summe der fair values der assets der Gesellschaft die Summe der Verbindlichkeiten (exklusive der Beteiligung der Partner an der Gesellschaft) übersteige. 197 Die Ausschüttungsregelungen für die limited partners hip verweisen nicht auf den Terminus der generally accepted accounting principles; sie verweisen allerdings - wenn nicht direkt, so doch zumindest indirekt - auf Bilanzierungsgrundsätze, namentlich den Begriff des asset und der liability. Diese müssen, trotz Wortgleichheit, nicht übereinstimmen mit den entsprechenden Begriffen, die vom F ASB definiert wurden. Siegel kritisiert insbesondere die Unklarheit des fair value-Konzepts; statt sich verbindlich an die generally accepted accounting principles anzulehnen, würden unnötigerweise Ambiguitäten in Kauf genommen. 198
2. Business corporations a) Ausschüttungspolitik und Dividendendefinition aa) Im Gegensatz zum Fremdkapitalgeber hat der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft keinen Anspruch auf eine fixe Zahlung des wirtschaftlichen Zinses sondern (neben anderen Rechten wie z. B. dem Stimmrecht und dem Bezugsrecht) einen Anspruch auf das Residualvermögen (bzw. den Residualgewinn); eine Erfolgsbeteiligung am Jahresgewinn über die Dividende erfolgt erst dann, wenn den übrigen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen wurde. 199 Ein Nennwert der Aktie ist nur insofern von Belang, als er das Verhältnis des Stimmrechts und der Beteiligung gegenüber den anderen (vorrangigen, gleich196 Stanley Siegel: A critical examination of state regulation of accounting principles, a. a. 0., S. 317-331, hier S. 320. 197 Vgl. den Wortlaut: "A partner may not receive a distribution from a limited partnership to the extent that, after giving effect to the distribution, all liabilities of the Iimited partnership, other than liabilities to partners on account of their partnership interests, exceed the fair value ofthe partnerships interest" (Revised Uniform Limited Partnership Act, § 607). 198 Vgl. Stanley Siegel: A critical examination of state regulation of accounting principles, a. a. 0., hier S. 320 f. mit Fußnote 28, in der Siegel darauf hinweist, daß es noch keine maßgebliche Begriffsbestimmung dieses Konzeptes gäbe. 199 Vgl. bspw. Joachim Süchting: Finanzmanagement, Theorie und Politik der Unternehmensfinanzierung, 5. Aufl., Wiesbaden 1989, hier S. 71 ff.
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rangigen und nachrangigen) Aktionären abbildet. Für einen effizienten und vollkommenen Kapitalmarkt, in dem es weder agency costs noch transaction costs gibt, kann gezeigt werden, daß die Dividendenpolitik irrelevant ist;200 in einem Umfeld, daß diesen Bedingungen nicht genügt, spielen hingegen Ausschüttungen aus verschiedensten Gründen dennoch eine Rolle. 201 Von einer Irrelevanz der Ausschüttungspolitik kann daher keine Rede sein. bb) In der US-amerikanischen Rechtsprechung finden sich einige Definitionen von dividend, bspw. in einem Urteil aus dem Jahre 1931, das sie bestimmt als "payment to the stockholders as areturn upon their investment" sowie als "a sum of money or portion of a divisible thing to be distributed according to some fixed scheme" .202 Wurde durch das board 01 directors einer Aktiengesellschaft eine Dividende deklariert, so besitzt der Aktionär auf diese einen Rechtsanspruch, der einer ordentlichen Schuld der Gesellschaft entspricht. Ein Prozeß des Aktionärs wegen nicht beglichener Dividendenansprüche seitens der Gesellschaft müßte auf das Vorhandensein eines surplus keine Rücksicht nehmen. 203 cc) Der FASB bestimmt distributions als Eigenkapitalabnahme infolge eines Transfers von assets, einer erbrachten Dienstleistung oder via "incurring liabiIities by the enterprise to owners". 2n4
200 Vgl. Merton H. MilIeriFranco Modigliani: Dividend Policy, Growth and the Valuation ofShares, in: JofBus, 34. Vol. (1961), S. 411-433, hier S. 428-429. 201 Vgl. Robert Charles Clark: Corporate Law, a. a. 0., hier S. 594 ff. m. w. H.; vgl. auch Dieter Pfaff. Zur allokativen Begründung von Ausschüuungsregelungen, in: ZtbF, 41. Jg. (1989), S. 1013-1028; Günter Franke/Herbert Hax: Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 3. Aufl., Berlin u. a. 1994, hier S. 541-548; vgl. zur Anreizkompatibilität insbes. auch Michael C. Jensen: Agency Costs of Free Cash Flow, Corporate Finance and Takeovers, in: AER, Vol. 76 (1986), papers and proceedings, S.323-329. 202 Penington v. Commonwealth Hotel Constr. Corp., 155 A 514, hier 517 (DeI. 1931) (beide Zitate); vgl. auch Barbara Black: Corporate Dividends and Stock Repurchases, Deerfield, Illinois: Clark Boardman Callaghan, 1995 (LoseblaU), hier S. lI f. 2n3 Vgl. Barbara Black: Corporate Dividends and Stock Repurchases, a. a. 0., hier S. 1-7 f. 204 § 67 Con 6.
II. Ausschüttungsregelungen
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b) Schutz der Aktionäre vor Gewinnverkürzungen Der Aktionär in den USA hat grundsätzlich keinen gesetzlichen Anspruch auf Verteilung einer Dividende; die Entscheidung über Dividendenausschüttungen obliegt dem alleinigen Ermessen der Geschäftsftihrung. 205 Immerhin gibt es einen durch case law erhärteten Anspruch auf eine Mindestausschüttung bei gegebenen betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen; der Aktionär ist mithin in gewissem Ausmaß geschützt. 206 Dies gilt insbesondere, wenn der board 01 directors in badlaith gehandelt hat. 207 In dem einschlägigen Urteil hierzu hatte ein beherrschender Gesellschafter (Ford) anderen Gesellschaftern (den Brüdern Dodge) eine Ausschüttung trotz blendender Lage der gemeinsamen Gesellschaft verhindert und so Kapital im Unternehmen akkumuliert. Vor Gericht machte er geltend, das Unternehmen brauche das Kapital zur weiteren wirtschaftlichen Expansion; zudem behauptete Ford, durch die Einbehaltung der Gewinne die Preise ftir kommende Modelle in altruistischer Manier zusätzlich senken zu wollen. Das Gericht, der Michigan Supreme Court, wies das altruistische Argument zurück: mit dem eigenen Geld könne man so verfahren, nicht jedoch mit demjenigen anderer Aktionäre und beftirwortete mithin eine Ausschüttung an die Brüder Dodge. Eine interessante Parallele zur Treuepflicht der Geschäftsftihrung gegenüber den Anteilseignern bei der Bemessung der Ausschüttung in Deutschland208 findet sich in den USA im Urteil Gottfried v. Gott/ried 209. Im zugrundeliegenden 205 Vgl. Heinrich Kronstein/Carsten Peter Claussen: Publizität und Gewinnverteilung im neuen Aktienrecht, Frankfurt am Main 1960, hier S. 118 m. H. auf das alte Urteil Hunter v. Roberts, Thrup & Co, 83 Mich. 63 (1890), hier 71; Alexander von Samson-Himmelstjerna: Die U.S. Corporation und ihre Besteuerung. Eine vergleichende Darstellung des Gesellschafts- und Steuerrechts der Kapitalgesellschaften in den Vereinigten Staaten von Amerika, München 1981, hier S. 31. 206 Vgl. Dodge v. Ford Motor Co., 170 N. W. 668 (Mich. 1919); Robert Charles Clark: Corporate Law, a. a. 0., hier S. 603 f. sowie zum Aktionärsschutz ebenda, hier S. 602-610; Heinrich KronsteinlCarsten Peter Claussen: Publizität und Gewinnverteilung im neuen Aktienrecht, a. a. 0., hier S. 30. 207 Vgl. Alexander Warrikoff. Der Rechtsanspruch der Aktionäre auf Dividende im Vergleich mit dem Recht der Vereinigten Staaten, in: AG, 8. Jg. (1963), S. 34-37 und S. 60-66, hier S. 62 ff. mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen und Fallschilderungen bis 1963. 208 Vgl. Reinhard GoerdeleriWe/f Müller: Komm. zu § 29 GmbHG, in: Hachenburg, hier Anm. 60. 209 Vgl. Gottfried v. Gottfried (1950), 73 N.Y.S. 2d 692; zit. nach Alexander von Samson-Himmelstjerna: Die U.S. Corporation und ihre Besteuerung. Eine vergleichende Darstellung des Gesellschafts- und Steuerrechts der Kapitalgesellschaften in den Vereinigten Staaten von Amerika, a. a. 0., hier S. 31.
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Fall hatte ein Gesellschafter die Ausschüttung einer Dividende gerichtlich erzwungen, da er den Nachweis erbrachte, daß "der Beschluß, den Gewinn einzubehalten, treuwidrig ist oder einen Mißbrauch der Geschäftsführungskompetenz darstellt".210 Die altruistische (oder egoistische) Verweigerung von Ausschüttungen seitens der Geschäftsführung, sei es durch die Ausübung expliziter und impliziter Wahlrechte oder durch den Hinweis auf die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens (bzw. "Lebensfähigkeit der Gesellschaft"211) (Ford v. Dodge Motor Co.) finden in dieser Treuepflicht (anscheinend auch in den USA) ihre Schranke.
c) Prüfung der Legalität von Ausschüttungen
aa) Verschiedene tests und legal capital Die Ermittlung des ausschüttungs fähigen Betrages folgt den jeweiligen Gesetzen der Einzelstaaten, die zumeist auf der Grundlage des MBCA und des RMBCA die für eine Inkorporation der Kapitalgesellschaft zwingenden Gesetze durch die Legislative erlassen haben. Die bundesrechtlichen SA of 1933 und SEA of 1934 sehen allgemein keine Kapitalauszahlungsbeschränkungen vor; ebenso gilt dies allgemein für die Börsensatzungen. 212
210 Ebenda. 211 Reinhard GoerdelerlWelJ Müller: Komm. zu § 29 GmbHG, in: Hachenburg, hier Anm.34. 212 Vgl. Arno Maier: Der Grundsatz der Kapitalerhaltung und die Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung im deutschen und amerikanischen Gesellschaftsrecht, Frankfurt am Main u. a. 1986, hier S. 137. Kapitalauszahlungsbeschränkungen können sich aber grundsätzlich auch aus anderen Gesetzen ergeben (bspw. dem Utility Holding Company Act of 1935 und dem Investment Company Act of 1940). Die SEC verbietet für bestimmte Gesellschaften (bspw. public utility holding companies und registered investment companies) aus bestimmten surplus- oder capital-Positionen Ausschüttungen; regelmäßig wird hierdurch aber die Gewinnermittlung nicht betroffen, lediglich die Gewinnverwendung. Ebenso können sich Ausschüttungsbeschränkungen aus nicht-gesetzlichen Regelungen ergeben (bspw. einzelvertragliche Regelungen wie Kreditverträge, bylaws der Gesellschaft, Gesellschaftsvertägen und Absprachen). Zudem gilt es zu beachten, daß es für bestimmte Ausschüttungen Berichtspflichten gegenüber den Aktionären insbes. auf der Grundlage der Börsenbestimmungen gibt. Vgl. Harry G. HenniJohn R. Alexander: Laws of Corporations and Other Business Enterprises, a. a. 0., hier §§ 321, 322.
11. Ausschüttungsregelungen
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Eine Dividende muß vor ihrer Ausschüttung bestimmten tests genügen, die die Legalität des entzogenen Betrages prüfen. Es lassen sich hierbei zwei Arten von Anforderungen unterscheiden: Insolvenztest (insolvency test) und Bilanztest (balance sheet test); der Bilanztest wiederum unterscheidet sich nach surplus-Statuten und non surplus-Statuten. In den Einzelstaaten sehen die jeweiligen kapitalgesellschaftsrechtlichen Bestimmungen entweder einen oder mehrere, teils kumulative Tests vor. 213 Hierbei unterscheiden sich die Regelungen des RMBCA von denen des MB CA durch die Aufgabe des Konzeptes vom legal capital. 214 Legal capital (bzw. stated capital) bezeichnet das Grundkapital der Kapitalgesellschaft; es entspricht der Summe der pari bewerteten und ausstehenden Aktien (bzw. bei nennwertlosen Aktien der Summe der von den directors den jeweils ausstehenden Aktien zugewiesenen Beträge).215 Traditionell kam in den USA dem legal capital eine gläubigerschützende Wirkung zu, band es doch einen über die passivierten Schulden hinausgehenden Teil des Vermögens. Historisch lassen sich die Wurzeln dieser Doktrin bis zur vom Richter Story entwickelten trust fund theory zurückverfolgen. Diese besagt, daß das von den Aktionären in 213 Barbara Black: Corporate Dividends and Stock Repurchases, a. a. 0., hier S. 111 f. (Abschnitt § 1.03) gibt für das Jahr 1995 folgende geltende Verteilung an:
(1) nichteintretende Insolvenz genügt: Massachusetts; (2) dem MBCA in der Fassung vor 1980 folgend und sowohl Insolvenz- als auch Einkommenstest genügen müssend: Alabama, Connecticut, Idaho, Nebraska, South Dakota und West Virginia; (3) dem MB CA in der Fassung vor 1980 folgend und dem Insolvenztest und wahlweise dem earned surplus test oder dem recent earnings test genügen müssend: Arizona und Maine; (4) dem surplus test oder dem nimble dividend test genügen müssend: Delaware, Kansas, Louisiana (zusammen mit Insolvenztest) und Oklahoma; (5) dem Insolvenztest und surplus test genügen müssend: New York und Ohio; (6) dem RMBCA vergleichbar: Arkansas, Florida, Georgia, Hawaii, IIIinois, Indiana, Iowa, Kentucky, Maryland, Michigan, Minnesota, Mississippi, Montana, Nevada, New Hampshire, New Jersey, New Mexico, North Carolina, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, Tennessee, Utah, Vermont, Virginia, Washington, Wisconsin und Wyoming; (7) dem RMBCA folgend und entweder dem retained earnings test oder kumulativ einem zweistufigen Bilanztest genügen müssend: California und Alaska; (8) keine Angabe: North Dakota. 214 Hiervon unberührt bleibt naheliegenderweise der insolvency test; bei den surplus tests spielt das legal capital eine Rolle, da der ausschüttungsfähige Betrag auf die Einkommenskomponenten reduziert wird; bei den non-surplus tests ist auch das legal capital ausschüttbar. 215 Vgl. Robert Charles Clark: Corporate Law, a. a. 0., hier S. 611.
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§ 2 Gewinnanspruchsregelungen
Fonn von Aktien aufgebrachte Kapital, der Kapitalstock (capital stock), ein Kapitalpolster zum Zwecke des Gläubigerschutzes darstellt und daher an die Aktionäre nicht verteilt werden könnte. 216 Der RMBCA brach mit dieser Ausschüttungssperre und erlaubte in
§§ 6.40(a)(1), 6.40(a)(2) auch eine Ausschüttung des Grundkapitals, soweit das
Unternehmen dadurch nicht zahlungsunfähig wird und die Summe der Aktiva die Summe der Passiva (zuzüglich angefallener Vorzugsdividenden) übersteige 17 Die Aufgabe des Konzepts vom legal capital resultierte aus der verbreiteten Einsicht, es biete ohnehin keinen hinreichend wirksamen Gläubigerschutz: Zu vielfältig seien die (legalen) Umgehungsmöglichkeiten, bspw. durch Kapitalherabsetzungen. Der Paradigmenwechsel wird deutlich in zwei Einschätzungen, die 40 Jahre auseinander liegen: Hatte Hatfield im Jahr 1947 vom legal capital als einem "inviolable buffer to protect creditors and possibly other stockholders"218 gesprochen, so führen Manning/Hanks aus: "the statutory legal
216 Vgl. Arno Maier: Der Grundsatz der Kapitalerhaltung und die Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung im deutschen und amerikanischen Gesellschaftsrecht, a. a. 0., hier S. 133-136 (mit Schilderung und den zentralen Begründungen Storys in der einschlägigen Entscheidung Wood v. Dummer (3 Mason 308, 30 F. Cas. 435 (No. 17,944)(C.C.D. Me. 1824»; Friedrich Kübler: Aktie, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, a. a. 0., hier S. 18 ff. Die trust fund theory ist zu vergleichen mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr in Deutschland nach § 57 Abs. 1 AktG. 217 Vgl. den Wortlaut in Committee on Corporate Laws: Changes in the Model Business Corporation Act-Amendments Pertaining to Distributions, in: BusLawyer, Vol. 42 (1986), S. 259-269, hier S. 260 f.: "No distribution may be made if, after giving it effect:
(I) the corporation would not be able to pay its debts as they become due in the usual course of business; or (2) the corporation's total assets would be less than the sum of its totalliabilities plus (unless the articles of incorporation permit otherwise) the amount that would be needed, if the corporation were to be dissolved at the time of the distribution, to satisfy the preferential rights upon dissolution of shareholders whose preferential rights are superior to those receiving the distribution" (§ 6.40(c) RMBCA). 218 Henry Rand Hatfield: Surplus and dividends, Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press, 1947, hier S. 23; man beachte die Betonung auf "possibly". Vgl. allerdings auch die Einschätzung bei Ballantine aus dem Jahr 1946: "No parts of the corpo rate mechanism are more complicated, unworkable or incomprehensible than the system of legal capital requirements with its various attempted restrictions on unsafe distributions of assets to the shareholder" (Henry W. Ballantine: Corporations, 2. Aufl., Chicago, Illinois: National Textbook Series, 1946, hier 252, zitiert nach Arno Maier: Der Grundsatz der Kapitalerhaltung und die Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung im deutschen und amerikanischen Gesellschaftsrecht, a. a. 0., hier S. 136).
11. Ausschüttungsregelungen
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capital machinery provides little or no significant protection to creditors of corporations"219 .
bb) Grundzüge der Tests aaa) Insolvency tests Der Insolvenztest bildet in fast allen Einzelstaaten eine gesetzliche Ausschüttungsbeschränkung; die einzige wichtige Ausnahme bildet Delaware (nach dessen kapitalgesellschaftsrechtlichen Statuten allerdings ein großer Teil der Kapitalgesellschaften der USA inkorporiert ist). In allen Einzelstaaten gilt der Insolvenztest jedoch kraft des common law. 220 Der Insolvenztest bestimmt, daß nach erfolgter Ausschüttung eine Kapitalgesellschaft nicht zahlungsunfähig werden darf. Insolvenz meint hier die Unfähigkeit des Unternehmens, seine im Verlauf der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit fällig werdenden Schulden zu begleichen. 221 Durch die Aufgabe des Konzeptes vom legal capital im RMBCA kommt dem Insolvenztest eine zentrale Bedeutung zu. Sie wird insbesondere dadurch verstärkt, daß zuletzt exzessive Ausschüttungen der Unternehmen zunahmen - bspw. als Mittel der Abwehr feindlicher Übernahmeofferten -, "im Einzelfall bis zur Grenze der Zahlungsunfähigkeit"m.
219 Bayless Manning/James J Hanks, Jr.: Legal Capital, a. a. 0., hier S. 91; vgl. auch die Illustrationen zur Umgehung der gläubigerschützenden Ausschüttungssperre ebenda, hier S. 116 ff. 220 Harry G. Henn/John R. Alexander: Laws of Corporations and Other Business Enterprises, a. a. 0., hier § 320 bei Fn. 4; Arno Maier: Der Grundsatz der Kapitalerhaltung und die Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung im deutschen und amerikanischen Gesellschaftsrecht, a. a. 0., hier S. 134 m. w. N. 221 Vgl. den Wortlaut im RMBCA: "if [... ] the corporation would not be able to pay its debts as they become due in the usual course ofbusiness" (§ 6.40(c)(l». Vgl. auch MBCA, § 45: "the corporation may pay dividends [... ] except when the corporation is insolvent or when the declaration or payment thereof would render the corporation insolvent"; New York Business Corporation Law, § 51 O(a): "except when currently the corporation is insolvent or would be made insolvent"; California Corporations Code, § 501: "the corporation [... ] is, or as a result thereofwould be, likely unable to meet its liabilities (except those for which a payment is otherwise adequately provided for) as they mature". 221 Markus Bauer: Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer - Kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit oder überholtes Konzept?, a. a. 0., hier S. 235.
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Diese (im englischen Recht entwickelte) altanerkannte 223 US-amerikanische Ausschüttungssperre steht nicht zur Disposition. Sie ist auch betriebswirtschaftlich als ergänzende und erweiternde Ausschüttungsbeschränkung zu rechtfertigen: Der Messung einer Insolvenzgefahr nach erfolgter Ausschüttung legt man sinnvollerweise einen Finanzplan zugrunde, der zukünftige Einzahlungen und Auszahlungen berücksichtigt. Ein betriebswirtschaftlich umfassender Finanzplan berücksichtigt zudem die den Einzahlungen und Auszahlungen zugrundeliegenden mehrwertigen Erwartungen; mehrwertig sind diese aufgrund der zu berücksichtigenden Unsicherheit - auch dies kann die Bilanz nicht leisten. Für Ausschüttungsbemessungen orientiert man sich "entschieden zuverlässiger an Finanzplänen" als an Bilanzen. 224 Auch würde der Insolvenztest auf Kriterien der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung abstellen, "die für die Geschäftspraxis traditionell einen viel höheren Aussagewert haben"225. Das eigentliche Problem liegt deshalb auch vielmehr darin, daß er nicht sinnvoll objektiviert anwendbar ist. In einer Negativabgrenzung stellt das Committee on Corporate Laws fest, es reiche für eine Beurteilung der Insolvenz nicht aus, das Verhältnis von current assets gegenüber curren! liabilities als Grundlage für die Prognose einer nicht eintretenden Insolvenz zu nehmen und bei einem Wert über I von einem solventen Unternehmen auszugehen. 226 Die Unternehmens leitung müsse vielmehr ihr business judgment ausüben; hierbei soll sie über den zu erwartenden Geschäftsverlauf urteilen und bildet dazu zweckmäßigerweise Wahrscheinlichkeiten über die Fähigkeit des Unternehmens, in der Zukunft Ressourcen zu erwirtschaften, die (ebenfalls zu erwartende) Verbindlichkeiten bei Fälligkeit tilgen können. 227 Der ojJicial comment zum RMBCA relativiert dies und konstatiert, daß die allgemein zur Verfügung stehenden Informationen es für gewöhnlich "quite apparent" machten, so daß keine zusätzlichen Nachforschungen nötig
223 Vgl. Nachweise bei Donald Kehl: The origin and early development of american dividend law, in: Harvard Law Review, Vol. 53 (1939), S.36--Q7, bspw. S.60; vgl. auch Bayless Manning/James 1. Hanks, Jr.: Legal Capital, a. a. 0., hier S. 63 ("developed over the centuries by the English chancery courts"). 224 Adolf Moxter: Bilanzlehre. Band I. Einführung in die Bilanztheorie, 3. Aufl., Wiesbaden 1984, hier S. 151. 225 Friedrich Kübler: Aktie, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, a. a. 0., hier S. 40 f. 226 Vgl. Committee on Corporate Laws: Changes in the Model Business Corporation Act-Amendments to Financial Provisions, in: BusLawyer, Vol. 34 (1979), S. 18671889, hier S. 1882. 227
Ebenda, hier S. 1881.
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seien. 228 Hilfreich sei eine Analyse der cashflows. 229 Der official comment hält eine Bestätigung des gaing cancern-Prinzips durch den Abschlußprüfer für ausreichend - eine Forderung, gegenüber der sich das AICPA jedoch verwahrte. 2lO Immerhin fordert der official comment prinzipieIl die Miteinbeziehung von Eventualverbindlichkeiten (contingent liabilities);23 1 hierbei rekurriert er aIlerdings nicht auf die entsprechenden Vorschriften des FASB,2J2 also auf generally accepted accaunting principles. Dies ist einer Konkretisierung der miteinzubeziehenden Eventualverbindlichkeiten sicherlich nicht zuträglich. Die Gerichte tun sich daher - wie zu erwarten - schwer damit, nachweisbare Kriterien für eine Insolvenz im Sinne des Tests zu entwickeln. 233 Im Ergebnis könne den Entscheidungsträgem "Iittle concrete guidance" gegeben werden. 2J4 Die Ausschüttungsbeschränkungen hätten sich in der Praxis "keinesfaIls verschärft".2J5 Die Gläubiger seien weder bei einer sich eng an Bilanzkennzahlen orientierenden Gustitiablen) Auslegung des Tatbestandes der "Insolvenz" durch die Gerichte noch in einer modemen, sich auf die Ertragskraft ausrichtenden Auslegung "nennenswert geschützt"236.
m Committee on Corporate Laws: Changes in the Model Business Corporation Act-Amendments Pertaining to Distributions, a. a. 0., hier S. 262. 229 Ebenda, hier S. 263. 230 AICPA: Responding Requests for Reports on Matters Relating to Solvency, in: JofAcc, Mai 1988, S. 178; vgl. auch Larry P. Bailey: Miller GAAS Guide 1995, a. a. 0., hier Kapitel 9, S. 76-83. 231 Vgl. Committee on Corporate Laws: Changes in the Model Business Corporation Act-Amendments Pertaining to Distributions, a. a. 0., hier S. 263. 232 Vgl. FASB: Statement of Financial Accounting Standards No. 5 ("Accounting for Contingencies"), März 1975, in: FASB Pronouncements. 233 Vgl. zu Urteilsnachweisen Barbara Black: Corporate Dividends and Stock Repurchases, a. a. 0.; Markus Bauer: Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer - Kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit oder überholtes Konzept?, a. a. 0., hier S. 235 f. 234 Vgl. zu Urteilsnachweisen Barbara Black: Corporate Dividends and Stock Repurchases, a. a. 0., hier § 3.01 [2][b]. 2J5 Markus Bauer: Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer - Kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit oder überholtes Konzept?, a. a. 0., hier S. 236. 236 Ebenda, hier S. 320. A. A. wohl Robert Charles Clark: Corporate Law, a. a. 0., hier S. 616; seine Aussage, der Insolvenztest "appears to be the only real, ultimate limit on management's ability to make distributions to shareholders legally", bezieht sich m. E. auf die engen Vorgaben des dort diskutierten Falles und geht auf das (entscheidende) Justitiabilitätserfordernis des Insolvenztests nicht ein.
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bbb) Die älteren gesetzlichen Ausschüttungssperren: surplus statutes Die auf dem MB CA beruhenden einzelstaatlichen, gesetzlichen Ausschüttungssperren folgen dem oben geschilderten Konzept des dem Unternehmen nicht mehr entziehbaren, geschützten Grundkapitals (trust Jund-theory); grundsätzlich entsprechen die Statuten von Delaware und New York dieser Konzeption. Die Regelungen sehen vor, daß Ausschüttungen uneingeschränkt aus den retained earnings vorgenommen werden können, das heißt im wesentlichen aus den Kapitalrücklagen der Gesellschaft. Zudem darf im Regelfall kein Gewinn ausgeschüttet werden, wenn bilanziell kein surplus vorhanden ist. Der surplus ergibt sich aus der Differenz von Nettovermögen abzüglich stated capital (legal capital). Eine Ausschüttung ist unter restriktiven Bedingungen zusätzlich möglich aus dem capital surplus; capital surplus entsteht bspw. aus der Einstellung der Differenz von Ausgabebetrag und Nennbetrag von Anteilen, aus Transfers des earned surplus, aber auch aus Nennwertherabsetzungen. 237 Insbesondere die Nennwertherabsetzung und anschließende Umwidmung in capital surplus führt in wirtschaftlicher Betrachtung zu einer offensichtlichen Aufweichung des Konzeptes vom legal capital. Hinzu kommt, daß die directors der Kapitalgesellschaft bei (zulässigen) nennwertlosen Aktien per Beschluß den in das stated capital einzustellenden Betrag willkürlich festlegen. Die ursprünglich zum Zwecke des Gläubigerschutzes entwickelte Doktrin vom legal capital ist insoweit in dem nennwertlose Aktien zulassenden Gesellschaftsrecht der USA ein Anachronismus, weil die legalen Umgehungsmöglichkeiten zu zahlreich sind und schon die objektivierte Messung der Zielgröße legal capital, wie gezeigt, größte Schwierigkeiten bereitet. Als typisch für Ausschüttungsrestriktionen, die dem MBCA folgen, kann die Ausschüttungsbegrenzung des Einzelstaates New York gelten: "Dividends may be declared or paid and other distributions may be made out of surplus only, so that the net assets of the corporation remaining after such declaration, payment or distribution shall at least equal the amount of its stated capital" (§ 51 O(b) New York Business Corporation Law).238
237 Vgl. Barbara Black: Corporate Dividends and Stock Repurchases, a. a. 0., hier S. 2-4 ff. (§ 2.01 [3]). 2JR Die Statuten von New York schreiben zusätzlich vor, daß die Aktionäre über eine Ausschüttung, die aus einer anderen Quelle als dem earned surplus gespeist wird, durch eine entsprechende Notiz informiert werden müssen (§ 5!O(c)).
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In Delaware, dessen Regelungen bezüglich ausschüttbarer Dividenden im Vergleich zu den anderen Einzelstaaten als sehr liberal gelten, ist überdies die Ausschüttung sogenannter nimble dividends möglich (§ l70(a))219: Verfügt die Aktiengesellschaft über keinen surplus, kann - damit zu Lasten des legal capital - eine Ausschüttung aus dem Gewinn des laufenden oder vorherigen Geschäftsjahres erfolgen, eine Regelung, die eine Neuaufnahme von Eigenkapital und hiermit "die Erholung und Gesundung verlustgeschwächter Kapitalgesellschaften zu erleichtern"240 sucht.
ccc) Die neueren gesetzlichen Ausschüttungssperren: non-surplus statutes Der RMBCA brach, wie dargestellt, mit dem Konzept des legal capital bzw. stated capital; auch eine Ausschüttung des Grundkapitals ist nunmehr möglich, allerdings sind vorrangige Anteilseigneransprüche (preferential rights) zuvor abzusetzen. Neben dem Insolvenztest muß nach dem RMBCA einem balance sheet test genügt werden. Die Modellregelung sieht vor, daß eine Ausschüttung dann nicht möglich sei, wenn hiernach "the corporations's total assets would be less than the sum of its total liabilities plus [... ] the amount that would be needed, if the corporation were to be dissolved at the time of the distribution, to satisfy the preferential rights upon dissolution of shareholders whose preferential rights are superior to those receiving the distribution" (§ 6.40(c)(2)).
Die gesetzliche Ausschüttungssperre in California gleicht dem RMBCA, kennt aber eine (das Polster in Form des legal capital ersetzende) andere gläubigerschützende Auflage: das Vermögen muß nach erfolgter Ausschüttung mindestens das 1,25-fache der Schulden betragen. 241 Zusätzlich gibt es in Cali239 Vgl. den Wortlaut: Eine Ausschüttung sei (zusätzlich) möglich "in case there shall be no such surplus, out of its net profits for the fiscal year in which the dividend is declared and/or the preceding year". Vgl. auch Brent Hatzis-Schoch: Die Bedeutung von Delaware für das US-amerikanische Gesellschaftsrecht, in: RIW, 38. Jg. (1992), S. 539-543, hier insbes. S. 540. 240 Friedrich Kübler: Aktie, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, a. a. 0., hier S. 39. Die Erklärung ist ökonomisch nicht unmittelbar einleuchtend: Der Wert der Aktie bestimmt sich durch den zu erwartenden zukünftigen Uährlichen) Nettoausschüttungsstrom; eine Ausschüttung von nirnble dividends gleicht einer partiellen Kaufpreisrückführung in der entsprechenden Höhe; diese wäre bei der Emissionspreisermittlung zu berücksichtigen, das heißt miteinzubeziehen. Die vom Aktionär geforderte langfristige Risikoprämie dürfte indes hiervon unberührt bleiben. 24\ Vgl. den Wortlaut: "The sum of the assets of the corporation (exclusive of goodwill, capitalized research and development expenses and deferred charges) would
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fomia eine (etwas unübersichtliche) Vorschrift zu dem notwendigen Verhältnis des kurzfristigen Vermögens (current assets) zu den kurzfristigen Schulden (current liabilities).242
cc) Bedeutung der generally accepted accounting principles für die Ausschüttungsbegrenzung Aus deutscher Sicht liegt die Besonderheit der US-amerikanischen (gesetzlichen) Ausschüttungssperren darin, daß die generally accepted accounting principles für die balance sheet tests (und damit für die gesellschaftsrechtlichen und gesetzlichen Ausschüttungssperren) nicht bindend sind - auch wenn bestimmte Einzelstaaten diese ausdrücklich zulassen. 243 aaa) In dem ofJicial comment zum RMBCA werden zwar die generally accepted accounting principles unbedingt empfohlen, sie sind aber nicht zwingend: Der entsprechende Abschnitt verlangt nicht die Anwendung der general-
be at least equal to 1 Y. times its liabilities (not including deferred taxes, deferred inco me and other deferred credits)" (§ 500(b)(I». Zu den einrechnungspflichtigen assets und liabilities vgl. unten, § 2.11.2 c) cc) sowie dd). 242
Vgl. § 500(b)(2) California Corporations Code.
SO Z. B. Maryland (Md.), die früheren Statuten von North Carolina (N. c.) sowie California; vgl. John C. Jaqua u. a.: Current Issues on the Legality of Dividends from a Law and Accounting Perspective: A Task Force Report, in: BusLawyer, Vol. 39 (1983), S. 289-306, hier S. 294. 243
Anders aber Maier: "Die amerikanischen Gesetze regeln das Bilanzrecht aber noch weniger als die deutschen Gesetze. Die Gerichte halten sich daher ausschließlich an die generally accepted accounting principles sowie die Stellungnahmen des Financial Accounting Standarts [sic] Board und sind nicht unbedingt geeignet, den bestehenden gesetzlichen Beschränkungen der Einlagenrückgewähr mehr Durchschlagskraft zu verleihen." (Arno Maier: Der Grundsatz der Kapitalerhaltung und die Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung im deutschen und amerikanischen Gesellschaftsrecht, a. a. 0., hier S. 140). Maier führt nur einen (alten) Beleg an (Norm an D. Lattin: The Law of Corporations, 2. Aufl., Meneola, New York: University Textbook Series, 1971, hier § 151, S. 563), der ,,[i]n diese[ ... ] Richtung" deute. M. E. stützen die im folgenden anzuführenden Quellen (man denke nur an Randall v. Bailey) diese Einschätzung Maiers weder historisch noch gegenwärtig. Zudem irritiert Maiers Trennung von FASB-Quellen und generally accepted accounting principles, da die Verlautbarungen des F ASB einen Teil der generally accepted accounting principles bilden. (Die TextsteIle bei Maier läßt auch einen Bezug auf die Sacheinlagenbewertung als möglich erscheinen. Die Einwände gelten auch bezüglich dieser These; vgl. hierzu oben § 2.1).
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ly accepted accounting principles. 244 Vielmehr könnten auch andere Bilanzierungsprinzipien angewandt werden solange sie "reasonable in the circumstances" seien. 245 Die generally accepted accounting principles waren zuvor als legaler Standard gefordert worden, diese Forderung konnte aber bei der Neufassung des MBCA und für den RMBCA nicht durchgesetzt werden. Für deren gesetzliche Fixierung wurde ins Feld geflihrt, daß die vom FASB im conceptual framework angeflihrten Ziele im weiteren Sinne "designed" seien "to show the ability of a going concern to pay cash dividends"246. Vor dem Hintergrund einer ernstgenommenen Bilanztheorie vermag dieses Argument nicht vollständig zu überzeugen: Das conceptual framework ist, wie unten zu zeigen sein wird,247 von einem ausgesprochenen Zielpluralismus geprägt; insbesondere eine diesen Namen verdienende Ausschüttungsbegrenzung durch Bilanzierungsnormen ist nicht (primärer) Sinn und Zweck der Rechnungslegung in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Das vom conceptual framework geforderte und von Jaqua u. a. angeflihrte Gebot der allgemeinen Nützlichkeit der Informationen für Investoren und Kreditoren greift insoweit zu kurz und verkennt zumindest im (wichtigen) Konfliktfall die konkurrierenden Ziele und, damit einhergehend, die jeweiligen funktionalen Bilanzierungsvorschriften. So hatten schon Sprouse/Moonitz 1962 die Unabhängigkeit der Normen für Bilanzansatz und Bilanzbewertung von Ausschüttungs- und Steuerermittlungsfragen postuliert: Dividendenermittlung sei nicht Zweck der generally accepted accounting
principles. 248
bbb) Eine Ausnahme von der generellen Unverbindlichkeit der generally accepted accounting principles stellen die Statuten von California dar; diese fordern, daß die den balance sheet tests zugrundeliegenden Bilanzen nach generally accepted accounting principles aufgestellt sein müssen (§ 114 California Corporation Code); die Bilanzen müssen zudem bei verbundenen Unter-
244 VgI. den Wortlaut: ,,[It] does not mandate the use of gene rally accepted accounting principles" (Committee on Corporate Laws: Changes in the Model Business Corporation Act-Amendments Pertaining to Distributions, a. a. 0., hier S. 264). 245 Committee on Corporate Laws: Changes in the Model Business Corporation Act-Amendments Pertaining to Distributions, a. a. 0., hier S. 264. 246 John C. Jaqua u. a.: Current Issues on the Legality of Dividends from a Law and Accounting Perspective: A Task Force Report, a. a. 0., hier S. 293. 247 Vgl. unten, §§ 5.11, 5.III ..
248 Vgl. Rohert S. Sprouse/Maurice Moonitz: A Tentative Set of Broad Accounting Principles. An Accounting Research Study, a. a. 0., hier Rz. 10: "historical limitation of profits 'available for dividends' or 'subject to income tax"'. Und: "The measurement should be independent ofthe dividend and tax question".
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§ 2 Gewinnanspruchsregelungen
nehmen konsolidiert sein. 249 Eine bemerkenswerte Beurteilung der genera/ly accepted accounting principles bezüglich der Greifbarkeit einzelner Normen
und hinsichtlich ihrer Ausschüttungssperrfunktion stammt vom Gesetzgeber: Für den Bilanztest werden bestimmte assets ausdrücklich ausgenommen (im einzelnen goodwill, capitalized research and development expenses sowie deferred charges) und bestimmte liabilities (im einzelnen deferred taxes, deferred income und deferred credits).210 Die Wertung des Gesetzgebers in Califomia ist deshalb wichtig, weil sie Zweifel an der greifbaren Werthaltigkeit der entsprechenden nach den generally accepted accounting principles aktivierbaren Posten artikuliert, die flir eine Kompatibilität der US-amerikanischen Bilanzierungsnormen für das deutsche Recht zentral erscheint. Im Gegensatz zu den entsprechenden Regelungen in den USA gilt für das deutsche Recht hinsichtlich des Ansatzes ein (wesentlich strengeres) Kriterium der Ansatz- und Bewertungsobjektivierung: "Die Greifbarkeit erst erweist das Wirtschaftsgut"251. Bei den deferred charges wird der entobjektivierte (das heißt der im Sinne des Zivilrechts entgegenständlichte) asset-Begriff manifest: So hatte bereits das Committee of Terminology des Accounting Principles Board darauf hingewiesen, daß deferred charges zwar den assets zuzurechnen seien, aber nicht als "asset in the popular sense" gelten dürften; sie würden lediglich "carried forward as a proper charge against future income".252 Auch Kam weist auf den Ursprung der deferred charges aus dem Aufwandsverteilungsgedanken hin. 25J Bestimmte deferred charges sollten nicht als assets angesehen werden, sei seien vielmehr "debits on the balance sheet, but they are not economic resources"254. Dies gilt analog für die anderen von den Tests ausgenommenen Bestandteile der generally accepted accounting principles-konformen Bilanzen. Sie zeigen das von der deutschen Bilanzauffassung unterschiedliche Verständnis der einzelnen Bilanzposten: In Deutschland überwiegt die Betonung des Vermögensstatus der Bilanzposten, gerade wegen
249 Vgl. Markus Bauer: Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer Kapitalgesellschaftsrechtliche Notwendigkeit oder überholtes Konzept?, a. a. 0., hier S.325. 250 Vgl. § 500(b)(I) California Corporations Code. 251 Urteil des Bundesfinanzhofes vom 18. Juni 1975 I R 24/73, BFHE 116,474-478, hier 478, BStBI II 1975, 809-811, hier 811; vgl. Adolf Moxter: Bilanzrechtsprechung, 4. Aufl., a. a. 0., hier S. 11-13. 252 AICPA: Accounting Terminology Bulletin No. I, August 1953, in: Accounting Research and Terminology Bulletins, Final Edition, New York, New York: AICPA, 1961, hier Abs. 26 (beide Zitate). 253 Vgl. Vernon Kam: Accounting Theory, a. a. 0., hier S. 104. 254 Ebenda, hier S. 105.
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des Primärzwecks der Bilanz als der Ermittlung des entzieh baren Gewinns. Der Gesetzgeber in California teilt offensichtlich wegen der Maßgeblichkeit der generally accepted accounting principles für die Gewinnanspruchsermittlung in seinen gesellschaftsrechtlichen Statuten die Bedenken gegenüber einem entobjektivierten Vermögensgegenstandsbegriff.
dd) Kritik an den gesetzlichen Regelungen zur Gewinnanspruchsermittlung aaa) Manning/Hanks kritisieren die balance sheet-based tests und zweifeln an einer ausschüttungsbegrenzenden Funktion überhaupt; wollte man diese tests ernst nehmen, so sei eine umfassende Judikatur hierzu erforderlich: "A balance sheet-based scheme for restricting distributions to shareholder would, if seriously pursued, require the development of a full scale judicial jurisprudence of accounting. ,,255 Die US-amerikanischen Gerichte hätten kein spezifisches Wissen über Rechnungslegungsgrundsätze und die corporate lawyers hätten zudem "no desire to submit technical questions ofthis kind to a court".256 Die Folge hiervon sei, daß in den (seltenen) Prozessen die Richter bestätigen würden, daß "the accountant was acting with some generally accepted accounting principle."257 Manning/Hanks weisen - wie auch die oben zitierten Gerichturteile - auf die Uneindeutigkeit der Rechnungslegungsnormen fur gleiche Sachverhalte hin. 258 Hierfür verantwortlich ist zum Teil, daß externe Rechnungslegung bezüglich der Abbildungsfahigkeit der wirtschaftlich interessierenden Lebenssachverhalte in diesem Sinne nicht exakt ist. (Zudem ist der wirtschaftlich interessierende Lebenssachverhalt mit der Abbildungsfunktion interdependent: gemessen wird das, was interessiert). Andererseits ist hierfür aber auch die von Manning/Hanks erwähnte, fehlende Rechtsprechung verantwortlich, die in der Lage wäre, Normen zu konkretisieren; dies ist auf das Verständnis von Rechnungslegungsnormen als "technical question"259 (im Gegensatz zu Rechtsnormen) zurückzuführen. Generally accepted accounting principles scheinen nicht ausreichend gerichts fest zu sein.
255
256 257 258 259
Bayless Manning/James J. Hanks, Jr.: Legal Capital, a. a. 0., hier S. 66.
Ebenda. Ebenda. Vgl. ebenda ("inevitably a composite of a myriad of judgmental decisions"). Ebenda.
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bbb) Auch die einzelstaatlichen Gesetze verfolgen konzeptionell keine klare Linie: So führt S. Siegel aus: "State laws have used accounting terminology and concepts without any clear sense of their meaning, and in some instances with meanings clearly inconsistent with those understood by the accounting profession and by the readers of financial statements. ,,260
Der official comment des RMBCA überläßt die Auswahl der anzuwendenden Bilanzierungsprinzipien dem business judgment; er unterstützt auch Abweichungen vom "historical accounting" zugunsten einer "current value"Methode. 261 Zudem sollten bei einer Neubewertung des Vermögens zum Zwekke der Ausschüttungsbegrenzung "material assets, wh ether or not reflected in the financial statements" (wie ein "executory contract", das heißt ein noch schwebende Geschäft 262 ) miteinbezogen werden; auch andere "material obligations" seien zu berücksichtigen. 263 Die Gerichte unterstützen diese Erweiterung des bilanziellen Vermögens. 264 Im Fall Randall v. Bailey wurden als Vennögen auch nichtrealisierte Tageswerte angesetzt; das Unternehmen mußte in der Folgezeit Konkurs anmelden. 265 Neuere Urteile scheinen diese Tendenz der Höherbewertung von assets zu unterstützen. 266 Warum zum Zwecke der Überprüfung der Legalität von Ausschüttungen Tageswerte herangezogen werden können und warum assets, die von der Werthaltigkeit her so fraglich sind, daß sie in der Bilanz sonst nicht angesetzt wer-
260 Stanley Siegel: A critical examination of state regulation of accounting principles, a. a. 0., hier S. 318. 261 Committee on Corporate Laws: Changes in the Model Business Corporation Act-Amendments Pertaining to Distributions, a. a. 0., hier S. 265 (beide Zitate). 262 Vgl. Black's Law Dictionary, S. 570 (Stichwort "executory contract"): "A contract that has not yet been fully completed or performed. A contract the obligation (perfonnance) of which relates to the future" unter Hinweis auf WagstafJv. Peters, Kan. 108,453 P.2d 120, hier 124. 263 Vgl. auch Committee on Corporate Laws: Changes in the Model Business Corporation Act-Amendments to Financial Provisions, a. a. 0., hier S. 1885. 264 Vgl. zu den Urteilsnachweisen Barbara Black: Corporate Dividends and Stock Repurchases, a. a. 0., hier § 2.01[6]. 265 V gl. Randall v. Bailey, 288 N. Y. 280, 43 N. E. 2d 43 (1942); vgl. hierzu Robert Charles Clark: Corporate Law, a. a. 0., hier S. 619, der D. Herwitz (Materials on Accounting for Lawyers, 1980) mit der Auffassung zitiert, der neue MBCA würde durch die Möglichkeit eine "fair valuation or other method reasonable in the circumstances" bei der Vermögensbewertung das (in der Literatur ausgesprochen hart kritisierte und zurückgewiesene) Urteil Randall v. Bailey im Effekt zum Gesetz erheben. 266 Vgl. zu den Urteilsnachweisen Barbara Black: Corporate Dividends and Stock Repurchases, a. a. 0., hier § 2.01[6].
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den dürfen, einzustellen sind, muß offen bleiben. Von bilanztheoretischer Seite stehen dem gravierende Einwände entgegen: Einerseits ist kaum einsichtig, warum nichtrealisierte Vermögenszuwächse ausschüttbar sein sollten: "it seems inappropriate to require a valuation of assets on the basis of theoretical current realization when such assets are not going to be the subject of current realization"267. Das auch in den USA altan erkannte Realisationsprinzip268 wurde insbesondere nach den Unternehmenszusammenbrüchen in den 20er Jahren von der SEC unterstützt, um die Ausschüttung fiktiver Dividenden zu verhindem. 269 Höherbewertungen verstoßen hier also gegen einen Grundsatz, der gerade entwickelt wurde, um solche Ausschüttungen zu verbieten. Der zweite Einwand kann gegen die schlechte Objektivierbarkeit von Tageswerten erhoben werden - mit Ausnahme bestimmter, sehr marktgängiger Vermögensgegenstände: Die Bilanztheorie in Deutschland hat insbesondere in der Auseinandersetzung mit der Organischen Bilanztheorie von F. Schmidf70 deren Desobjektivierung als Generaleinwand herausgestellt: "Bei der von Schmidt vorgeschla-
267 John C. Jaqua u. a.: Current Issues on the Legality of Dividends from a Law and Accounting Perspective: A Task Force Report, a. a. 0., hier S. 293; vgl. auch die Diskussion S. 298 ff., wo auf kapitalgesellschaftsrechtliche Statuten von Einzelstaaten hingewiesen wird, die solche Höherbewertungen bannen.
268 Vgl. insbes. W A. Paton: Accounting Theory, a. a. 0., hier S. 443-470; W A. Paton/A. C. Littleton: An Introduction to Corporate Accounting Standards, a. a. 0., hier S. 46-{i4; American Accounting Association Committee: The Realization Concept, in: AccRev, Vol. 40 (\965), S. 312-322, hier S. 313; Michael Chatfield: A History of Accounting Thought, a. a. 0., hier S. 256-271; FASB: Statement of Financial Accounting Concepts No. 5, Recognition and Measurement in Financial Statements of Business Enterprises (\ 984), hier Tz. 83 f.; FASB: Statement of Financial Accounting Concepts No. 6, Elements ofFinancial Statements (1985), hier Tz. 143; Vernon Kam: Accounting Theory, a. a. 0., hier S. 236-265; vgl. auch die Urteilsnachweise bei Barbara Black: Corporate Dividends and Stock Repurchases, a. a. 0., hier § 2.01[6], insbes. Fußn. 7983; bereits in einem Urteil aus dem Jahre 1947: "may never be actually realized as an asset ofthe company" (Berks Broadcasting v. Craumer, 356 Pa. 620, 52 A.2nd. S. 571, hier S. 574 (\ 947)). 269 Vgl. Homer Kripke: The SEC and Corporate Disc\osure, Regulation in Search of a Purpose, New York, New York: Harcourt Brace Jovanovich, 1979, hier S. 179-184; Louis Loss: Securities Regulation, 2. Aufl., Student Edition, Boston u. a., Massachusetts: Little, Brown and Company, 1961 [1951], hier S. 339. Auch in Deutschland hatte das Realisationsprinzip seine Begründung in dem Verbot der Ausschüttung fiktiver Dividenden (vgl. bspw. Adolf Moxter: Das Realisationsprinzip - 1884 und heute, a. a. 0., hier S. 1780; Dieter Schneider: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3. Aufl., München u. a. 1987, hier S. 453). 270 Vgl. Fritz Schmidt: Die organische Tageswertbilanz, 3. Aufl., Leipzig 1929.
6 Wüstemann
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genen Bilanzierungsweise bleiben Ansatz und Bewertung der Willkür der Beteiligten überlassen'