Gegenständliche Poetiken des Haares 9783110776461, 9783110776409

Hair is the subject of much social controversy, but also the object of multiple forms of exploitation: It is resistant,

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German Pages 302 Year 2023

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Haar als Ausdrucksmedium
1 Delilah Speaks Hairily: Re-Reading Samson and Delilah, Dreadlocks and the Feminine Today
2 Trichotillotechne: Das Paradox schmerzhafter Kunst und die Ästhetik ausgerissener Haare in immersiven Performances von SIGNA
3 Review of the exhibition “Hair: Untold Stories”, Horniman Museum & Gardens, and Interview with Curators Emma Tarlo and Sarah Byrne
4 Rigid curls and furry spoons: Hair as a contact zone in Meret Oppenheim’s work
Haar & Weiblichkeit
5 Yi Lei – Schwarzes Haar: Einführung, Kontext und Analyse
6 Multisensory Hair Therapy: Exploring Intermediality and Materiality in Trey Anthony’s ‘da Kink in my hair
7 Scham, Haar, Poetik. Widerständliche statt gegen-ständlicher Poetik des Haars (Feminismus, Psychoanalyse, Literatur)
8 Scham und Haare. Zur Verflochtenheit zweier Motivstränge bei Paul Celan und Elfriede Jelinek
9 Curls Dark as Rainclouds: Hair in the NālāyiraDivyaPrabandham
Haar & Literatur
10 Tonsorial Time (is Money), or: High Modernism, Industrial Capitalism, and Hairdressing
11 Contradictions of Vitality: Vivid White Hair in Zola’s L’Argent
12 Giving the Gift of a Lock of Hair in Elizabeth Barrett Browning’s “I never gave a lock of hair away” and “The soul’s Rialto hath its merchandise”
13 Vom (Ab-)Schneiden eines alten Zopfes – Haar-Spaltereien in Rodenbachs Bruges-la-Morte
14 „Aber der Bart hatte unrecht“. Theodor Fontanes Männlichkeits- und Produktivitätsimagologien im Zeichen des Bartes
15 Die Haare messen das Leben. Haare zwischen Widerstand und Prekarität in Herta Müllers Roman Herztier
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Gegenständliche Poetiken des Haares
 9783110776461, 9783110776409

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Gegenständliche Poetiken des Haares

Gegenständliche Poetiken des Haares Herausgegeben von Elena Casanova, Lilli Hölzlhammer, Helen Moll

Die Publikation dieses Sammelbandes wurde ermöglicht durch die Graduate School Language & Literature der LMU München.

ISBN 978-3-11-077640-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-077646-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-077656-0 Library of Congress Control Number: 2022945332 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: [M] Britta Zwarg; [F] Sasha Kim/Pexels; Artem Makovskyi; Liia Galimzianova; artproem von iStock/Getty Images Plus Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis Einleitung

1

Haar als Ausdrucksmedium Anna Kasafi Perkins 1 Delilah Speaks Hairily: Re-Reading Samson and Delilah, Dreadlocks and the Feminine Today 17 Katharina Alsen 2 Trichotillotechne: Das Paradox schmerzhafter Kunst und die Ästhetik ausgerissener Haare in immersiven Performances von SIGNA 35 Elena Casanova 3 Review of the exhibition “Hair: Untold Stories”, Horniman Museum & Gardens, and Interview with Curators Emma Tarlo and Sarah Byrne 53 Martina Wernli 4 Rigid curls and furry spoons: Hair as a contact zone in Meret Oppenheim’s work 79

Haar & Weiblichkeit Markus Samuel Haselbeck 5 Yi Lei – Schwarzes Haar: Einführung, Kontext und Analyse

95

Juliann Knaus 6 Multisensory Hair Therapy: Exploring Intermediality and Materiality in Trey Anthony’s ‘da Kink in my hair 113 Gregor Specht 7 Scham, Haar, Poetik. Widerständliche statt gegen-ständlicher Poetik des Haars (Feminismus, Psychoanalyse, Literatur) 129

VI

Inhaltsverzeichnis

Aglaia Kister 8 Scham und Haare. Zur Verflochtenheit zweier Motivstränge bei Paul Celan und Elfriede Jelinek 147 Bharati Jagannathan 9 Curls Dark as Rainclouds: Hair in the NālāyiraDivyaPrabandham

165

Haar & Literatur Seán M. Williams 10 Tonsorial Time (is Money), or: High Modernism, Industrial Capitalism, and Hairdressing 183 Anna Hordych 11 Contradictions of Vitality: Vivid White Hair in Zola’s L’Argent

209

Heather Hind 12 Giving the Gift of a Lock of Hair in Elizabeth Barrett Browning’s “I never gave a lock of hair away” and “The soul’s Rialto hath its merchandise” 227 Tanja Schwan 13 Vom (Ab-)Schneiden eines alten Zopfes – Haar-Spaltereien in Rodenbachs Bruges-la-Morte 243 Christoph Schmitt-Maaß 14 „Aber der Bart hatte unrecht“. Theodor Fontanes Männlichkeits- und Produktivitätsimagologien im Zeichen des Bartes 265 Elisa Risi 15 Die Haare messen das Leben. Haare zwischen Widerstand und Prekarität in Herta Müllers Roman Herztier 283

Einleitung Black hair Blown free, rootless, Wanders the desert’s Countless tombs, sways Across a vacant sky, Whips at fresh mud in rain. Days blaze past. I have Lost sight of my own black hair In the mirror. Let me Watch it now For the next thousand years. Black hair weedy In dirt-poor soil. Thirsty, deluded, Squandering its spoils. Black hair has no idea. The story of black hair Is my story. When I die, let me drift Like a dandelion Of black hair. (Ausschnitt von Tracy K. Smiths & Changtai Bis Übersetzung von Yi Leis gleichnamigen Gedicht Black Hair)1

Besser als eine lange, theoretische Erläuterung zeigt Tracy Smiths Übersetzung Black Hair das kulturübergreifende und zeitlose Erzählvermögen von Haar. Diese Übersetzung, die teils mehr eine Reimagination von Yi Leis gleichnamigem chinesischen Gedicht ist, ist zugleich ein neues Gedicht, das eine neue Geschichte von schwarzem Haar erzählt: „The story of black hair/is my story.“. Diese Verse, die in einer wortgetreueren Übersetzung aus dem Chinesischen „Die Erfahrungen des schwarzen Haars/sind meine Erfahrungen“ (Haselbeck 2023, S. 97) lauten, lassen Haar-Erfahrungen zur Haar-Geschichte werden und erzählen damit auch die Geschichte des Gedichts und seiner Übersetzung: Die Haar-Erfahrungen des chinesischen Texts werden zur story der englischen Übersetzung. Obwohl Yi Leis Gedicht über die Erfahrungen von schwarzem Haar in einem asiatisch-chinesischen Kulturkreis spricht, wird durch seine Übersetzung durch eine afroamerikanische Dichterin eine weitere Stimme hörbar. Diese Stimme schließt eine weitere Art von

 https://griffinpoetryprize.com/poet/tracy-k-smith/ https://doi.org/10.1515/9783110776461-001

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Einleitung

‚black hair‘ in den Text mit ein und verflechtet zwei sich fremde Kulturstränge durch geteilte Erfahrungen von schwarzem Haar miteinander. Diese harmonische Vielstimmigkeit, die durch jedes Lesen neue Stimmen erhält, ist Symbol einer globalen Narrativität von Haar: Haar-Erfahrung ist menschliche Erfahrung, die losgelöst vom und am Körper eine internationale Sprache spricht. Über Yi Leis und Tracy Smiths Gedicht zu sprechen, ist somit nur eine weitere Stimme, die ihre Gedanken zu Haar in den Text einflicht. Gerade dieses Potential des Haares, die Erfahrungen und Geschichten seiner Träger✶innen überall und jederzeit aufzunehmen, findet sich auch in dem oben zitierten Abschnitt des Gedichts wieder. Ohne Wurzeln und frei im Wind zieht es durch Wüsten, über Gräber und den Himmel („Blown free, rootless/ Wanders the desert’s/Countless tombs, sways/Across a vacant sky“). Als Materie, die viel langsamer als die meisten anderen Bestandteile des menschlichen Körpers verrottet, schwingt es zwischen Gräbern und dem haartragenden Ich vor dem Spiegel. Als „Blown free“ beschrieben, wird das in die Freiheit entlassene und dadurch haltlose schwarze Haar zum Agens, wandert es, treibt zwischen Himmel und Erde, peitscht schließlich den schlammigen Boden. Die nächste Strophe zeigt es wiederum in einem Zustand des Verfalls. Zu Unkraut („weedy“) geworden, durstig („Thirsty“), getäuscht („deluded“) ist es nicht in der Lage, aus seiner Beute einen Nutzen zu ziehen und kann sie nur verschwenden („Squandering it’s spoils“). Gerade durch den Vergleich mit Yi Leis Gedicht wird in dieser Beschreibung deutlich, wie das schwarze Haar dieser Verse afroamerikanische Erfahrung aufnimmt: Diskriminierende, rassistische Beschreibung von Haarstrukturen, Not und Täuschung überlagern die weitaus positiver konnotierten chinesischen Verse: Schwarzes Haar Struppig-sprießendes wildes Kraut Auf der niederen Erde trinkt es zur Fülle stolziert umher lässt die Illusion wie verrückt anwachsen Am Tag der Auslöschung wird es ausgelöscht Doch schwarzes Haar weiß davon nichts (Übersetzung Haselbeck 2023, S. 97)

Hier ist die ungebändigte Unkrautnatur des Haars ein Zeichen weiblicher Kraft, die es aus der im Daoismus weiblich besetzten Erde zieht. Daraus gewinnt es seinen Stolz, der bis zur Illusion anwächst, und sogar die eigene Vergänglichkeit negiert.

Einleitung

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Der Vergleich belegt erneut, wie durch dieselben Bilder zwei unterschiedliche Geschichten geschrieben werden können. Gleichzeitig bedienen sich jedoch beide Gedichte derselben narrativen Strategie, in der das Haar zum pars pro toto und Spiegel („mirror“) für menschliche Erfahrung wird. Haar ist es zum materiellen Träger von immaterieller Geschichte geworden und ist besetzt mit immateriellen Ideen und Ideologien („has no idea“), obwohl es nicht einmal von seinem unweigerlichen Ende weiß („Am Tag der Auslöschung wird es ausgelöscht/Doch schwarzes Haar weiß davon nichts“). In der Art, wie es als Sinnträger auftaucht und zugleich den Sinn verweigert – es ist Haar-Symbol, aber auch nur Haar – gibt es seine widerspenstige und gespenstische Natur preis. Losgelöst lässt es sich nicht an Gräber binden und verschwindet aus dem Blick des betrachtenden Ichs auf seine eigene, ungehinderte Reise. Der Wunsch, das Haar von nun an auf tausend Jahre zu betrachten („Let me/Watch it now/For the next thousand years.“) ist nur ein Wunsch des Ichs. Seine Erfüllung wird nicht erzählt und erscheint absurd, da weder ein menschliches Ich noch sein Haar so lange existieren dürften. Die Antwort auf diesen unerfüllbaren Wunsch ist vielleicht der nächste Wunsch, im Tod zu schwarzem Haar zu werden, das wie Pusteblumensamen davontreibt und so zur selben Ungebundenheit zu finden („When I die, let me drift/Like a dandelion/Of black hair.“). Somit wird auch das betrachtende Ich zu seinem eignen Geisterhaar, das zwischen Materialität und Immaterialität die gemeinsame Geschichte trägt. Die Auseinandersetzung mit einem Ausschnitt Tracy Smiths Black Hair lässt bereits die Vielzahl an Motiven erahnen, die mit Haar verwoben werden können. Als narrative Projektionsfläche bietet es zugleich auch ein Medium, das kulturell und zeitlich ungebunden kommunizieren kann. Wie Tracy Smith in einem Interview schreibt, sorgt ihre mangelnde Kenntnis chinesischer Kultur einerseits dafür, dass sie nur ein teilweises Verständnis für die Ebenen von Yi Leis Dichtung hatte: “Reading that text was like catching sight of someone through a foggy window: details and key features must surely have eluded me, but some deep and abiding sense of character shone powerfully through.”2 Andererseits dient gerade diese Fremdheit einem Prozess der Erkenntnis und Selbsterkenntnis: And yet barriers like age, nationality, language, culture and race, which ought to have made us less recognizable to one another, instead became vantage points inviting us to

 Tracy K. Smith: All Are Welcome: Translation as Permission. In What Sparks Poetryhttps:// poems.com/features/what-sparks-poetry/tracy-k-smith-on-black-hair/

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Einleitung

see one another and ourselves anew. The poem that comes to mind most readily when I ponder the intimacy and identification I came to feel with Yi Lei is Black Hair.3

Haare werden in diesem Fall zu etwas, das zwei Frauen, getrennt durch Kultur, Sprache, Alter, und viele andere Umstände, in der Form eines Gedichts und seiner Übersetzung verbindet. Auf der Basis von Yi Leis Gedicht wird im Prozess der Übersetzung eine neue Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst ermöglicht, das seine Spuren in den Text eingräbt. Wie dieser Einzelfall erkennen lässt, ist Haar und Haar-Geschichte ein globales Narrativ, dessen Facettenreichtum noch weitaus ausführlichere Betrachtung verdient. Ob eine feministische Lektüre von Samson und Delilah, pelzbesetzte Löffel, die (literarische) Bartmode des 19. Jahrhunderts, schmerzhaft-invasive Performance-Kunst, ein gespenstisch-aktiver Zopf oder Erinnerungsträger des Holocausts: Knotenpunkt all jener Themenfelder ist das Haar, das als verbindendes Scharnier völlig heterogener Bereiche aus Politik, Kultur, Literatur, Theater, Bildender Kunst, Industrie und Geschichte fungiert. Haare sind einerseits Gegenstand zahlreicher sozialer Kontroversen, stehen pars pro toto für historische Ereignisse und gesellschaftliche Zusammenhänge, sind Kunst-Objekt und politisches Statement zugleich: multifunktional und multidimensional. Gleichzeitig ist das Haar ontologisch so wenig greifbar wie kaum eine andere Materie: Es schwankt zwischen lebendigem Körperteil, solange es fest verwurzelt in der Haut sitzt, und totem Material, sobald es vom Körper abfällt. Haare haben ihren Ursprung im Unsichtbaren, im menschlichen Körper, wachsen aus der Haut, solange sie können – ihre Wurzeln offenbaren sich erst, wenn das Haar stirbt und ausfällt, im Abtöten des Haares. Diesem Zwischenstatus zwischen tot und lebendig schließt sich ein perzeptorisches Ungleichgewicht des empfindenden Subjekts an: Haare sind einerseits Momentum großer Attraktion und Anziehungskraft, stehen für Jugendlichkeit, Virilität und Schönheit – kippen aber andererseits, sobald sie ausgebürstet, abgeschnitten oder ausgefallen sind, um in ein Gefühl von Ekel, Kraft- und Machtlosigkeit. Pars pro toto ist das Haar außerdem für den Körper, dem es entspringt. Nicht selten substituiert es das Subjekt, nimmt die Identität seines Trägers an und wird selbst zum Träger von Erinnerung. Daraus entwickelt sich eine gespenstisch-groteske Materialität, die zwischen Körper und Erinnerungsproduktion schwankt und in der Narration mündet. Im toten Material konzentriert sich eine aufgestaute Lebendigkeit, die dem Haar eine Widerständigkeit einschreibt, es als Wiedergänger auftreten und zum unheimlichen Akteur werden lässt. Auch in Narrativen übernehmen Haare eine ambivalente Rolle: Sie werden be https://poems.com/features/what-sparks-poetry/tracy-k-smith-on-black-hair/

Einleitung

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schrieben und schreiben den Text, sind passives Material oder – wie in Black Hair – Agens und nicht selten zentrales (Steuer-)Element sowie Knotenpunkt formalästhetischer Metaphorik, poetologischer Entwürfe, narrativer Modelle und gattungsästhetischer Experimente. Bisher stehen Haare vor allem in den African-American Studies hinsichtlich ihrer politischen Funktionalisierung im Zentrum: Entgegen dem weißen Normalstandard entsteht dabei eine Aufwertung der schwarzer Kopfhaarfrisuren sowie Körperästhetik, die den Fokus der Black-Consciousness-Bewegung bilden. Einen wichtigen Beitrag leistet beispielsweise Ingrid Banks in Hair matters. Darin gibt sie alltäglichen Diskussionen schwarzer Frauen über ihr Haar Raum und analysiert auf Basis substanzieller, ethnographisch fundierter Forschung den Status quo des Bewusstseins schwarzer Frauen und ihrer Gedanken zu Rasse, Geschlecht, Klasse, Sexualität, Macht und Schönheit.4 Auch der Band Hair Story. Untangling the Roots of Black Hair in America von Ayana D. Byrd und Lori L. Tharps wirft einen Blick auf den komplexen, oftmals schmerzhaften und immer politischen Sachverhalt schwarzer Haar-Geschichten und setzt das schwarze Haar – im Anschluss an die Drehbuchautorin Lisa Jones – als pars pro toto für die amerikanische Geschichte: „Everything I know about American history I learned from looking at Black people’s hair. It’s the perfect metaphor for the African experiment here: the toll of slavery and the costs of remaining. It’s all in the hair”5. Neben ihrer sozialen sowie gesellschaftspolitischen Funktion nehmen Haare als totes Material zudem den warenförmigen Charakter einer ökonomisch wertvollen Ressource an, wie Emma Tarlo unter anderem in Entaglement: The Secret Lives of Hair herausarbeitet. Welche kulturellen Konflikte und Ambivalenzen in den Handel mit Haaren eingeflochten sind, zeigt Esther Berrys Aufsatz The Zombie Commodity, der diese haarige Warenform zudem etwas Gespenstisches zuschreibt.6 In der Erinnerungsproduktion steht das Haar literarisch vor allem

 Banks, Ingrid: Hair matters. Beauty, Power, and Black Women’s Conciousness. New York/ London 2000.  Byrd, Ayana D. u. Lori L. Tharps: Hair Story. Untangling Roots of Black Hair in America. New York 2001, hier S. 158. Vgl. außerdem: Caldwell, Kia Lilly: „Look at her Hair“: The Body Politics of Black Womanhood in Brazil, in Transforming Anthropology 11, 2 (2004), S. 18–29; Kelley, Robin: Nap Time. Historicizing the Afro, in: Fashion Theory 1, 4 (1997), S. 339–352; Lewis, Linden u. Glyne Griffith: Color, Hair, and Bone. Race in the Twenty-first Century. Lewisburg 2008; Sieber, Roy u. Niangi Batulukisi: Hair in African art and culture. Munich/London/New York 2000.  Vgl. Tarlo, Emma: Entaglement: The Secret Lives of Hair. London 2017; Berry, Esther R.: The Zombie Commodity. Hair and the Politics of its globalization, in: Postcolonial Studies 11,1 (2008), S. 63–84.

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Einleitung

paradigmatisch für die Opfer des Holocausts7 – in seiner tatsächlichen Materialität, als abgeschnittene Locke oder geknüpftes Kunstwerk, erinnert es im 19. Jahrhundert plastisch an verstorbene Angehörige.8 Daneben stehen Kopf- und Köperhaar auch in der Gender-Forschung in Literatur und Kunst als Attribut von Weiblichkeit/Männlichkeit hinsichtlich der Divergenz von Konformität und Individualität im Mittelpunkt: Beispielsweise analysiert Will Fisher in Materializing Gender in Early Modern English Literature and Culture (2006) die Konstruktion von ‚Gender‘ über körperliche Elemente wie Haare (Bartwuchs oder Haarlänge) sowie Kleidung in der Frühen Neuzeit.9 Frisuren und Körperhaar steht zudem in enger Verbindung mit der Auslotung des Begriffs ‚Weiblichkeit‘ und feministisch orientierten Studien, beispielsweise in Martina Wernlis Aufsatz Eine Kurzhaarfrisur und die ‚Frauenrechtelei‘ oder in der Studie „Haarschnitt ist noch nicht Freiheit“ von Irmgard Roebling.10 In der literaturwissenschaftlichen Forschung finden sich neben Beiträgen zu Fiktionalität und Realität11 vor allem Analysen zu den Codierungen von Haarfar-

 Vgl.: Haas, Birgit (Hg.): Haare zwischen Fiktion und Realität. Interdisziplinäre Untersucheungen zur Wahrnehmung der Haare. Münster 2008; Potzen, Alexandra: Die Wiederkehr des Verdrängten im Akt der Lektüre. Zu Elfriede Jelineks Das über Lager. & Die Kinder der Toten, in: NachBilder des Holocaust. Hg. von Inge Stephan und Alexandra Tacke. Köln/Weimar 2007, S. 91–110; Ursachi, Irina: Elfriede Jelineks Die Kinder der Toten. Exorzismus der Vergangenheit und Zukunft, in: Literarische Inszenierungen von Geschichte. Formen der Erinnerung in der deutschsprachigen Lietratur nach 1945 und 1989. Wiesbaden 2018, S. 107–116; Wilson, Ian W.: Greeting the Holocaust’s Dead? Narrative Strategies and the Undead in Elfriede Jelinek’s Die Kinder der Toten, in Modern Austrian Literature 39, 3/4 (2006), S. 27–55.  Vgl. dazu: Fischer, Kathrin: Kastenbilder zum Gedenken an Hochzeit und Tod; Faszination eines vergangenen Brauchs. Münster u. a. 2013; Lutz, Deborah: Relics of Death in Victorian Literature and Cultur. Cambridge 2015; Wittenzellner, Jana: Haarbilder: Erinnerungen unter Glas. Die Sammlung des MEK. Husum 2020.  Vgl. Fisher, Will: Materializing gender in early modern English literature and culture. Cambridge 2010. Vgl. außerdem: Rycroft, Eleanor: Facial Hair and the Performance of Early Modern Masculinity. London/New York 2020.  Vgl. Wernli, Martina: Eine Kurzhaarfrisur und die ‚Frauenrechtelei‘. Gender bei Robert Walser, insbesondere im Prosastück Der Bubikopf, in: Robert Walsers Ambivalenzen. Hg. von Kurt Lüscher, Reto Sorg u. Peter Stocker. Paderborn 2018, S. 143–157; Roebling, Irmgard: „Haarschnitt ist noch nicht Freiheit“. Das Ringen um Bilder der Neuen Frau in Texten von Autorinnen und Autoren der Weimarer Republik, in: Jahrbuch zur Literatur der Weimarer Republik 5 (1999/2000), S. 13–76; Sagner, Karin u. a.: Schöne Frauen. Von Haut und Haaren, Samt und Seife. Die gepflegte Frau in der Kunst. München 2011. Möhrmann, Renate u. Nadja Urbani (Hrsg.): Rebellisch, verzweifelt, infam. Das böse Mädchen als ästhetische Figur. Bielefeld 2012; Pandey, Rajyashree: Perfumend sleeves and tangled hair. Body, woman, and desire in medieval Japanese narratives. Honolulu 2016.  Vgl. Haas, Birgit: Haare zwischen Fiktionalität und Realität. Interdisziplinäre Untersuchungen zur Wahrnehmung der Haare. Münster 2008.

Einleitung

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ben, die sich mit stereotypen, anthropologisch-kulturgeschichtlich generierten Zuschreibungen beschäftigen. Beispielsweise untersucht Ralf Junkerjürgen in Dumb blonde – Zur Popularisierung eines misogynen Stereotyps den Bedeutungswandel der blonden Haarfarbe, die einst den griechischen Göttern, der christlichen Symbolik oder adeliger machtpolitische Dominanz zugeschrieben wurde und später zum weitverbreiteten Vorurteil des Zusammenhangs blonder Haare mit mangelnder Intelligenz und sexueller Bereitschaft wurde.12 Auch der institutionalisierte Akt des Haareschneidens in Form der literarischen Figur des Friseurs steht im Fokus des Erkenntnisinteresses der Forschung, so beispielsweise in verschiedenen kultur- sowie literaturwissenschaftlichen Arbeiten von Séan Williams: In E.T.A. Hoffmann and the Hairdresser around 1800 wird der Frisör aufgrund seiner Kreativität als ‚self-made man‘ und Genie gelesen, dem strukturelle sowie intellektuelle Relevanz zugeschrieben wird: Der kreative Frisör verkörpert den kulturgeschichtlichen Diskurs über die Frisörkunst um 1800, repräsentiert ein neues Konzept des ästhetischen, vernünftigen Menschen des 19. Jahrhunderts. Poetologisch synthetisiert das Frisieren sozial und ästhetisch Lebens- sowie Kunstformen zu einer neuen, multimedialen Idee von Subjektivität und künstlerischer Autonomie.13

 Vgl. Junkerjürgen, Ralf: ‚Dumb Blonde‘. Zur Popularisierung eines misogynen Stereotyps, in: Populärkulturen. Perspektiven und Analysen. Hg. von Thomas Kühn u. Robert Troschnitz. Bielefeld 2017, S. 121–135. Vgl. außerdem: Berbig, Roland: „In Lockenfülle das blonde Haar“, in: Fontane-Blätter 53 (1992), S. 42–57; Biehahn, Erich: Blondheit und Blondheitskult in der deutschen Literatur, in: Archiv für Kulturgeschichte 46 (1964), S. 309–333; Daub, Adrian: The Power of the „Verfluchte Lohe“: (post-) Wagnerian redheads and the coherence of the ‚Gesamtkunstwerk‘, in: The Opera quarterly 26,4 (2010), S. 526–551; Goller, Detlef: Von dem grauen Haar. Eine Spurensuche in der mittelhochdeutschen Literatur, in: Von lon der wisheit. Gedenkschrift für Manfred Lemmer. Hg. von Kurt Gärtner und Hans-Joachim Solms. Sandersdorf 2009, S. 95–106; Junkerjürgen, Ralf: Haarfarben. Eine Kulturgeschichte in Europa seit der Antike. Köln 2009; Krause, Laura: „Blaue Augen, blondes Haar, ist die Liebe ganz und gar …“ … die Blondine als Liebesobjekt der europäischen Literaturgeschichte, in: Liebe. Hg. von Sigrun Casper. Tübingen 2915, S. 153–168; Küpper, Thomas: „… stülpe mir das Diadem auf die weißen Haare“. Mode und (Ver-)Kleidungen alternder Frauen in Ingrid Nolls Roman Ladylike, in: Prozesse des Alterns. Konzepte – Narrative – Praktiken. Hg. von Max Bolze u. a. Bielefeld 2015; Wagner-Engelhaaf, Martina: Frauen mit metallischem Haar oder die Dame Patina. Textualität und Weiblichkeit bei Hermann Lenz, in: Hermann Lenz. München 1999, S. 48–57.  Vgl. Williams, Séan: E.T.A. Hoffmann and the hairdresser around 1800, in: English Goethe Society 85, 1 (2016), S. 54–66. Vgl. außerdem: Herzog, Donald J.: The trouble with Hairdressers, in: Representations 53 (1996), S. 21–43; Wernli, Martina: Haarige Geschichten. Zur Frisur des Friseurs bei Herta Müller, in: Herta Müller und das Glitzern im Satz. Eine Annäherung an Gegenwartsliteratur. Hg. von Jens Christian Deeg u. Martina Wernli. Würzburg 2016, S. 193–215.

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Einleitung

Der Querschnitt durch die Forschungsliteratur zu Haaren in Kunst, Kultur und Gesellschaft macht deutlich, welch breites Spektrum die Thematik eröffnet, in ihrer Diversität aber bisher nicht auf einen gemeinsamen Nenner gebracht wurde. Dieser Sammelband möchte bisher nicht thematisierte oder nur partiell erörterte Diskurse rund um das Haar als globale Narrative zusammenführen und den ambivalenten Status des Haares in verschiedenen Kulturen, Religionen, Darstellungsformen, Medien sowie Lebenswirklichkeiten nachzeichnen. Dabei steht vor allem die ambigue Materialität sowie die dem Haar inhärente, produktive Funktion im Fokus, die sich in Poetiken und Praktiken in Literatur und anderen Medien entfaltet. Vorliegender Sammelband möchte zudem nachspüren, wie sich das Haar im Spannungsverhältnis von Agens und toter Materie in Text und Performances abzeichnet und erörtern, wann das Haar zu einem Erinnerungsträger oder pars pro toto für verflochtene menschliche Schicksale wird. Die 15 Beiträge in diesem Band nähern sich aus völlig verschiedenen thematischen sowie medialen Richtungen dem Thema ‚Haar‘ an.

Haar als Ausdrucksmedium Anna Perkins untersucht in ihrem Beitrag Delilah Speaks Hairily: Re-Reading Samson and Delilah, Dreadlocks and the Feminine Today die Position Delilahs in der Rastafarikultur und entwickelt eine neue Lesart die Delilahs Wertung als „wicked woman“ hinterfragt. Samsons ungeschnittene, ungekämmte Haarpracht ist der Ursprung seiner von Gott gegebenen Kraft und macht ihn zum ersten Rastafari. Perkins Analyse zeigt, wie Delilahs Akt des Haarabschneidens dazu führt, dass das Weibliche zum bedrohlichen Anderen des Rastafari wird. Dem steht die Ambivalenz gegenüber, mit der der Bibeltext Delilahs Figur gestaltet, und legt Delilah als selbstbestimmte, unabhängige Frau neu aus. Katharina Alsen beschäftigt sich in Trichotillotechne: Das Paradox schmerzhafter Kunst und Ästhetik ausgerissener Haare in immersiven Performances von SIGNA mit dem Spannungsfeld von interaktiver Intimität und Gewalt des invasiven Theaters. Letzteres überschreitet räumliche sowie körperliche Grenzen und dringt – mittels ausgerissener Haare – vor bis ins Körperinnere. Der Zuschauer wird dabei hinsichtlich seiner physischen sowie psychischen Integrität angegriffen, ob als Zeuge oder Opfer der invasiven Performances. Dabei wird die Transgression als ästhetisches Verfahren in den Fokus gesetzt und gleichzeitig der implizite Kontrakt der Unversehrtheit im Rahmen der Kunst infrage gestellt. Elena Casanova präsentiert in Review of the exhibition “Hair: Untold stories”, Horniman Museum & Gardens die Ausstellung Hair: Untold stories, die von De-

Haar & Weiblichkeit

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zember 2021 bis Juni 2022 im Horniman Museum & Gardens in London stattgefunden hat. Im Interview A Conversation on Hair with Emma Tarlo and Sarah Byrne kommt sie außerdem mit den beiden Kuratorinnen ins Gespräch, um die Rolle von Haar in der heutigen Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und seiner Materialität zu diskutieren. Dafür beschäftigt sich die Ausstellungen vordergründig mit bisher nicht erzählten Haar-Geschichten in einem globalen Narrativ, das mit der täglichen Realität der Besucher✶innen in Interaktion treten soll. Martina Wernlis Beitrag Ridig Curls and furry Spoons: Hair as a Contact Zone in Meret Oppenheim’s work rückt das Werk der Künstlerin Meret Oppenheim in ein neues Licht. Wernli stellt die intermedialen Bezüge der bisher unabhängig voneinander rezipierten literarischen Texte und Kunstwerke, die bei näherer Betrachtung nicht nur gemeinsame Themenfelder aufweisen, sondern auf dieselben Materialien – Fell und Haar – zurückgreifen. Das Haar ist als doppeltes Phänomen gleichzeitig Material als auch Gegenstand beider Kunstformen und offenbart so die Funktionsweise des Werks der Künstlerin.

Haar & Weiblichkeit Yi Lei – Schwarzes Haar: Einführung, Kontext und Analyse bietet eine annotierte Übersetzung des chinesischen Gedichts Schwarzes Haar von Yi Lei mit Analyse von Markus Haselbeck. In Yi Leis feministischer Dichtung sind verschiedene Referenzen auf chinesische Literatur eng mit daoistischer Symbolik rund um das zentrale schwarze Haar verwoben, die sich bis in die Verwendung bestimmter Schriftzeichen und Binome verfolgen lässt. Schwarzes Haar wird hier zum Agens das zwischen patriarchaler Gesellschaft und weiblichem lyrischen Ich verhandelt und dabei eine Symbolsprache der Einsamkeit entwickelt. In Juliann Knaus’ Beitrag Multisensory Hair Therapy: Exploring Intermediality and Materiality in Trey Anthony’s ‘da Kink in my hair wird die facettenreiche Medialität des Haares in den Zentrum der Analyse gestellt. Im zentralen Friseursalon wird es zum Dreh- und Angelpunkt der Gemeinschaft und Identität Afro-Karibischer Frauen und Ausgangspunkt für Reflektionen über Schönheitsstandart, Gewalt, Missbrauch, Sexualität, Tod und andere Themen. Die Friseure erscheinen als zentrale Funktionen, um das Sein und Werden der kulturellen und persönlichen Identität der Kundinnen zu bestimmen. Gregor Specht setzt sich in Scham, Haar, Poetik. Widerständliche statt gegenständlicher Poetik des Haars (Feminismus, Psychoanalyse, Literatur) mit der HaarPoetik Freuds auseinander und der Art wie der französische Feminismus (Cixous, Irigaray, Kristeva) diese gegenliest. Im Phallogozentrismus Freuds wird der Frau

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Einleitung

ein beschämender Mangel unterstellt, der durch Scham-Haar verdeckt wird, während die feministische Relektüre durch die widerständige Poetik des Haares Weiblichkeit aus den patriarchalen Strukturen herauslöst. Dies dient als Ausgangspunkt, um Haarsymboliken in Texten Balzacs und Prousts als sich selbst zersetzender Fetisch zu erschließen. Die enge Verbindung von Haaren mit dem Affekt der Scham in den Werken von Paul Celan und Elfriede Jelinek steht in Scham und Haare. Zur Verflochtenheit zweier Motivstänge bei Paul Celan und Elfriede Jelinek von Aglaia Kister im Fokus. Ausgehend von dem Haar als pars pro toto für den Holocaust und seiner Funktion als Erinnerungsträger spürt Kister der doppelten Funktion des Haares nach: Einerseits repräsentiert es Schamverletzung und Demütigung, andererseits ist ihm ein rebellisches Element inhärent, das sich im Aufbegehren gegen die Gewalt artikuliert. Bharati Jagannathan zeigt in Curls Dark as Rainclouds: Hair in the Nālāyira Divya Prabandham wie die Darstellung von Viṣṇu Haar und dem der ihm verfallenen Mädchen im indischen Nālāyira Divya Prabandham („Anthology der heiligen 4000 Lieder/Verse“) durch weibliches Schreiben neu gestaltet wird. In der Darstellung männlicher Dichter wird der Liebeskummer der Mädchen durch die Vernachlässigung ihrer Haare dargestellt, die somit die innere Verzweiflung abbilden. In den Haarszenen der einzigen Dichterin des Nālāyira Divya Prabandham, Āṇḍāḷ, wird das Haar jedoch zum Verhandlungsgegenstand der weiblichen Figuren aufgewertet, die sich damit einer patriarchalen Gesellschaft entgegenstellen können.

Haar & Literatur Seán M. Williams vollzieht in Tonsorial Time (is Money), or: High Modernism and Hairdressing die Entwicklung des Friseurberufs nach, die ihren Ausgang im 18. Jahrhundert in Europa nimmt. Dieses Auftauchen einer neuen Berufsgruppe für den Akt des bezahlten Haareschneidens, der schon weitaus länger existiert, wird mit der materiellen Kultur des Kapitalismus verglichen. Die effiziente Zeitnutzung, die mit dem Friseurberuf in Verbindung gebracht wird und zugleich Grundgedanke des Kapitalismus ist, wird an Beispielen verschiedener deutsch- und englischsprachiger Texte nachvollzogen. Die Implikationen von verschenkten Haarlocken als Liebesgabe in der viktorianischen Gesellschaft werden von Heather Hind in Giving the Gift of a Lock of Hair in Elizabeth Barrett Browning’s “I never gave a lock of hair away” and “The soul’s Rialto hath its merchandise” untersucht. Die zahlreichen und wider-

Haar & Literatur

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sprüchlichen Bedeutungen eines solchen Geschenks offenbaren die darunterliegende Furcht vor einem Missverständnis ausgelöst durch das metaphorische Gewicht der Haarlocke. In den Gedichten Elizabeth Barrett Brownings verflechten sich diese Bedeutungen wie die Strähnen eines Haarmementos mit den Versen und bilden damit ein solches nach. Tanja Schwan begibt sich in Vom (Ab-)Schneiden eines alten Zopfes – HaarSpaltereien in Rodenbachs Bruges-la-Morte auf die Spur des abgetrennten Zopfes einer Toten, der als fetischisierter Gegenstand verehrt und vom toten Objekt zum Handlungsträger wird. Er ist dem Text als Tiefenstruktur eingeflochten, schlängelt sich als Fluss durch Brügge und spiegelt sich in den drei Erzählsträngen. Weder Protagonist noch Text können die gespenstische, gegenständliche Materialität des Haares, das durch die Buchstaben revitalisiert wird, kontrollieren – bis das poetologische Funktionsprinzip schließlich in sich zusammenfällt. Anna Hordychs Beitrag Contradictions of Vitality: Vivid White Hair in Zola’s L’Argent beschäftigt sich mit verschiedenen Formationen des Blickens und Begehrens, Strukturen der Macht sowie formal-ästhetischen Paradigmen, die an die weißen Haare von Madame Caroline geknüpft sind. Gleichzeitig attestiert Hordych dem weißen Haar in Zolas Roman eine paradoxe Umkodierung, das – entgegen der Erwartungen – jugendliche Frische, Stärke und Bewunderung im Gegenüber evoziert. Aus diesem Gegensatz entwickelt sich eine poetologische Kraft, die sich im Text entfaltet. Elisa Risi analysiert in ihrem Beitrag Die Haare messen das Leben. Haare zwischen Widerstand und Prekarität in Herta Müllers Roman Herztier das Haar in seiner vielfältigen Bedeutungsdimension. Stehen in anderen Texten Müllers Haare für Tod, Gewalt und Macht, sichern sie das Leben und Überleben in Herztier. Gleichzeitig verflicht sich das Haar mit den Repressionen sowie der politischen Verfolgung des totalitären Staates und beeinflusst die Darstellung der Diktatur. Metonymisch repräsentiert das Haar einerseits die Protagonisten, verdeutlicht aber andererseits die destruktive Verletzbarkeit der staatlich verfolgten Figuren. Anhand des Bartes zeigt Christoph Schmitt-Maaß in „Aber der Bart hatte unrecht.“ Theodor Fontanes Männlichkeits- und Produktivitätsimagologien im Zeichen des Bartes, wie in verschiedenen Texten Fontanes zeitgenössische Stereotypen von Virilität und Männlichkeit kritisch diskutiert und unterlaufen werden. Ausgehend von einem Tableau an verschiedenen Bärten zwischen Vormärz und Gründerzeit sowie der jeweiligen politischen Bedeutung zeigt Schmitt-Maaß, dass Fontane alternative Perspektiven aufzeigt, fixierte Zuschreibungen lockert und der Bart als poetologische Reflexionsmetapher fungiert.

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Einleitung

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Haar als Ausdrucksmedium

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1 Delilah Speaks Hairily: Re-Reading Samson and Delilah, Dreadlocks and the Feminine Today Shi se, “Man a wikid,” bot uman a Delilah/ O, O, O/Yu se yu no chos mi bot mi no chos yu naida/ O, O, O1 [She says, “Men are wicked”, but women are untrustworthy also [Delilahs]/ O, O, O /You say you don’t trust me but I don’t trust you either/ O, O, O.] – Mavado, Jamaican Dancehall artiste, “Delilah”. (2011) Uncut hair (“locksing”) is a highly prized power totem or source. In fact the locks worn by Rastas are directly symbolic of the lion’s hair and mane. This belief in the power of uncut hair is encouraged by the “Holy Bible” (story of Samson and Delilah) and is represented by the hairy locks-like feature of Jewish scribes, and even of Jesus Christ himself. (Forsythe 1980, 70) Well right from the beginning in the garden of Eden/The devil tempted Eve and he tempted Adam/ Samson was the strongest ever ‘pon the land/Delilah took his hair because of temptation – Pato Banton, Jamaican Dancehall artiste, “Settle Satan”. (1987)

1 A Womanist Reading of Samson and Delilah RastafarI2 is a well-known Afro-centric religio-cultural movement which originated in 1930s colonial Jamaica and has now spread across the world. The House of RastafarI is divided into several mansions, such as Twelve Tribes, Boboshanti and Nyabinghi (Barnett 2002). While there are variations among these mansions, RastafarI share some central beliefs, especially the importance of wearing dreadlocks – the ritualised long, often-knotted locks for which they are well known. So identified are Rastas with dreadlocks that they are also referred to as “dreads” or “dreadlocks”. Dreadlocks engender fear, disgust or awe, depending on the socio-cultural-religious aesthetics of the viewer, although much has changed in the contemporary context, and the once-feared

 The chapter uses throughout the Jamaican Language Unit/Cassidy orthography of the Jamaican Language. English translations are provided.  The pronominal I is a central feature of RastafarI. The idiosyncratic spelling RastafarI, as innovated by Sr Maureen Rowe, will be used throughout as an indication of the centrality of the I-n-I. https://doi.org/10.1515/9783110776461-002

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dreadlocks has been appropriated as part of African continental and diasporic identity (Barnett and Onuora 2014). Rowe (1998) sees the entry of younger more independent sistren3 in the movement as contributing to the loss of this element of dreadness through the choices they made about wearing their locks uncovered or fashionably groomed, in spite of the rules of RastafarI bredrin. “[Nonetheless,] dreadlocks [remain] a sacred, mysterious and heavily symbolised motif of Rastafari philosophy, politics, mystery, spirituality and beauty” (Botchway 2018, 21). Several origin stories exist for the adoption of what was initially a largely male aesthetic, particularly the intent to rebel, shock, protest against the Anti-African ethos of Babylonian4 society, which is explicit in the naming of the style “dreadlocks”; historical exemplars included the Mau Mau of Kenya in their fight against the colonialists and the Ethiopian Army in the fight against Italian invasion, images of the youthful Emperor Selassie allegedly sporting locks, and, of course, the regal mane of the lion, the very symbol of RastafarI (Forsythe 1980). A key literary source for the dreadlocks aesthetic is the Bible, which Rastas reclaim from colonialist interpretations, particularly the folktale of Samson with his Nazarite vow and superhuman strength, told in the Book of Judges 13–16. Indeed, RastafarI re-member Samson as the original dreadlocks Rastaman (Rawson 2017, 2019). Rastafarians (and Jamaicans alike) believe that, like Samson, their hair is their strength and, therefore, their weakness, if it is cut off or touched by dangerous women like the infamous Delilah; for that reason, in the past, members of Jamaica’s security forces often intimidated RastafarI by arresting them and cutting their locks (Botchway 2018; Ras Dizzy I 2008). Sadly, a recent case seems to suggest that such intimidatory and discriminatory practices are not a thing of the past (Hutchinson 2022).5 This chapter undertakes a Jamaican post-colonial womanist reading of the story of Samson and Delilah (Judges 16), which is used by Rasta to validate their dreadlocks and ital livity (natural righteous living). Such a womanist reading does not resile from talking back to the biblical text and the God portrayed in that text (Gafney 2016), for talking back in the face of oppression is part of

 Sistren is Rasta talk for women members of the community. Bredren/Bredrin is another way of speaking about the male adherents.  RastafarI reject Western capitalist hegemony and the forces of oppression which serve this system (Shitstem), especially the Roman Catholic Church (religion generally), the British Monarchy, colonialism, and agents of the state (the Police in particular); all these are referred to as Babylon.  See also a live story of the cyberbullying of a Belizean beauty queen for having locks. https://caribbean.loopnews.com/content/miss-earth-destiny-wagner-bullied-online-over-hernatural-hair

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the giftedness of African-descended women the world over (Perkins 2013). In so doing, the reading does not leave unchallenged the RastafarI interpretation of Samson as the exemplary original Rasta, who is proof of the divine election, revolutionary power, and the value of the livity of RastafarI (Werden-Greenfield 2016). This is deployed to the detriment of women, who are often cast in the role of Delilah – the ultimate betrayer of men (Reid 2002). In this regard, RastafarI interpretations of Samson “harness his strength and defiance for its political efficacy- rather than focusing on his flaws or failures” (Rawson 2017, 213). Boboshanti (“Bobos”), arguably the most conservative of the RastafarI mansions, will serve as a touchstone throughout the discussion. The discussion demonstrates how a womanist reading may subvert the meaning of dreadlocks and the place of Samson as a moral exemplar within the RastafarI community – a community that is often critiqued for its patriarchal and freighted readings of Scripture and a livity that subordinates and pathologizes the feminine (Rowe 1998, Tafari Ama 1998). The discussion further gives voice to the hairy meanings of the silenced and silent feminine in a fashion that reclaims self-sustaining women like Delilah. Women like Delilah are too often dismissed with “words without wisdom”, that is, degrading language and words used to discredit women (Jagdeo 2002; Rowe 1998), including being called “Delilah” (O, O, O).

2 Man a Wikid In the Hebrew Scriptures, Judges 13–16 tells the story of the special circumstances of the miraculous birth of the warrior-hero-judge Samson, and his downfall and death at the hands of the Philistines aided by his lover, the ambiguous Delilah. From conception, Samson the Nazirite is marked as special, having been raised up by God for the defeat of the Philistines. Importantly, Samson’s Nazir status is not voluntary as is the usual case described in Numbers 6; it is a permanent feature of his identity, from the moment he is conceived, when his unnamed mother herself took a Nazirite vow (Reinhartz 1992). So, Samson grew from the moment of his conception inside a hairy consecrated vessel (Werden-Greenfield 2016). As a result, Samson the Nazir is a specially demarcated person, set apart, made holy. His hair is of much significance in his story. However, Judges 13 does not require that Samson do more than not cut his hair; so it is far from certain that the food and uncleanness rules, which are defined in Numbers 6 as a feature of a Nazirite, even apply to him (Niditch 2008). Nonetheless, Rastas and other interpreters see Samson as honouring these features which are of the later itera-

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tion of the Nazirite vow, which Numbers 6 and Leviticus describe (WerdenGreenfield 2016). Samson is a daring, strong hero with an inability to form lasting bonds with women (Niditch 2008); his disastrous marriage to an unnamed woman of the “uncircumcised” Philistines, his nation’s sworn enemy, is a case in point. Still, he continues his pursuit of dangerous women, including a harlot in Gaza. Judges 16 tells of the revealing of the secret of his superstrength residing in his hair and his betrayal by Delilah, “a woman he loves”; there is no indication that Delilah loves him in turn (O, O, O). Moffett (2013) questions Samson, “the greatest jackass in the Bible” (Bledstein 1992, 48): [...]And your Wife? The girl was such collateral damage. Nameless, she turned out like the foxes and the grain, all burned up. And you? You fell in love with Delilah. (158)

Samson falls not from being a fool for love but rather from his own hubris. He mistakenly thinks that finally revealing the source of his strength would not harm him. His telling reveals that while he wears his hair long it is not loose; rather it is braided into seven plaits, which, once shorn, renders him weak like ordinary men. (Derks (2015) describes Samson’s hair as braided into seven (dread)locks.) Importantly, the spirit of Jah deserts him and he is without divine favour or protection. The Philistines blind, torture and otherwise mistreat him (even reducing him to undertaking feminine tasks like grinding corn). But his hair eventually grows back and, perhaps mirroring the wild, looseness of his hair, the blinded-no-longer-bald Samson brings the house down on himself and his Philistine enemies, killing more in death than he did in life. Samson pulls down the edifice which upholds the system which downpresses him and his people, guided by the returned ruach of Jah.

3 Samson the Original Rastaman Rastas see in Samson the prototypical Rastaman (Rawson 2017; Werden-Greenfield 2016). Reading Samson as Rasta allows Rastas to “own his characteristics, including those attributed to his mane” (Werden-Greenfield 2016, 159). So, like Samson, the Nazarite vow of the Rastaman is a lifelong oath. Rastas pursue an ital (natural) livity, in which (not) eating and drinking certain foods is an essential conveyor of their Nazirite status and connection to Jah. While “the Nazarite vow enjoins [such]

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other symbolic prohibitions, it is the hair taboo which locked the secret of Samson’s strength. In adopting this rationalisation many of the early Rastas laid the basis on which a later generation was to uphold and cherish its dreadlocks” (Chevannes 1998c, 101). Rastas interpret Samson’s hair as naturally dreadlocked (Chevannes 1998c, Derks 2015; Gafney 2016, Werden-Greenfield 2016) and see his seven dreadlocks as powerful, illustrating his strength and relationship with Jah; Samson proves the power of letting hair dread. “The dreadlocks are also believed to have magical properties, not to be used to harm the owner, however, but to be able to wreak destruction on Babylon” (Chevannes 1990, 140). The Boboshanti mansion, in particular, symbolise their “mounting and unstoppable defiance and resistance to Babylon and its ways” through their locks (Botchway 2018, 30). That belief is evident in Dillinger’s 1976 tune “CB200” from the Mr Isaac album: 1 jed, 2 jed sata pan a CB200/ai sed to 1 jed, “Yu beta shuo mi yu natijed/A so di jed flash him laks an a laitnin flash an a wiik aat jap/mi kom ya fi jed, mi no kom ya fi ded/mi kom ya fi nat mi no kom ya fi plat/so set op yuself jedlaks ... him jos a nat op nat op. [[I saw] one dreadlocks, another dreadlocks sitting on a CB200 [motor bike]/I said to one dread, “You should show me [the power of] your locks”/So the dread shook his locks and lightning flashed and people with weak hearts fainted or died/[The dreadlocks said], “I came to be a dreadlocks, not to die6/I came here to be a locksman, I didn’t come here to wear my hair plaited/So prepare yourself, dreadlocks” ... He is just locking, locking his hair ...]

These dreads in the song acknowledge the virility, potency and election that accompany their locks [and by reference – Samson’s locks]. “In Samson’s narrative, hair communicates information about the world he lived in and his place in it. Samson’s hair indicates his closeness with Jah when it is long and worn in seven locks. When he is shaven, his loss of hair demarcates a loss of the ‘Spirit of the Lord’” (Werden-Greenfield 2016, 157). At the same time, “Samson’s engagements with dangerous women, especially Delilah, sanction Rasta misogyny as a rationale for male practitioners” (Werden-Greenfield 2016, 172). Rastafarian misogyny is present in varying levels across the several mansions. Generally, however, the male only holds centre stage and this contributes to the silencing of sistren in ritual and public spaces. This is reinforced, as noted below, by the expectation that women enter the movement through a man and are only able to sight up RastafarI through the teaching of their Kingman. Nonetheless, Imani Tafari Ama (1998) reiterates that Rastawoman is a rebel even in her apparent silencing and submission.

 Early in the movement, Rastas believed that true Rastas did/could not die.

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In addition, Boboshanti refer to themselves as Lions and Lionesses because they consider themselves as offsprings of the lion-spirited emperor, Haile Selassie, Conquering Lion of the Tribe of Judah.7 Consequently, they perceive their dreadlocks as symbolizing the mane, that is, “locks” of the Lion of Judah and all the natural and spiritual qualities of the lion, which they must endeavour to manifest in their lives. Bobos, therefore, see “the fullness,” that is, the uncut hair on the scalp and untrimmed beard, as the requisite, indispensable and chief mark of a Rastafari. Accordingly, any forceful cutting of the hair of a Bobo in whole or in part [...] is deemed by Bobos as disempowering and humiliating. Therefore, the fullness symbolises political authority and autonomy and spiritual strength. The spiritual power encourages, emboldens and protects the Bobo against wicked forces. (Botchway 2018, 31)

Tafari Ama (1998) maintains that RastafarI sistren are appropriately characterised as “lionesses”, which positions them as rebels against the Babylonian system. At the same time, the allegiance of “lionhearted queens” to such a patriarchal movement speaks to the spiritual transformation arising from livity in RastafarI (Tafari Ama 1998). The liberation from Babylon, expressed in the growth of locks, is one of the principal statements against the abnormal processing standards of Babylon that emerges from the self-realization that the Rastawoman experiences on “sighting up”. This is balanced by the Black-centred ideology of the livity. Her self-identification as a lioness is ideally complemented by union with a lion man to produce their young replications. (Tafari Ama 1998, 93)

The usual teaching is that a woman can only come to Rastafari through her Kingman, who “grows” her as a data. In particular, the woman, in sighting up RastafarI, learns what it means for her role as woman (Rowe 1998; Tafari Ama 1998). “By acknowledging that only through her king-man ... can she declare herself Rastafari, [a daata] acknowledges that her dreadlocks symbolically derive from him as well. The fact that it grows on her head does not make it hers ...” (Chevannes 1998c, 124). RastafarI sistren, however, have challenged this teaching time and time again, as Tafari Ama demonstrates. The mystique of dreadlocks surfaces, time and again, in popular culture, as depicted in the song CB200 referred to previously. Jamaican novelist Kei Miller provides another example in telling a story in Augustown of the Rastaman Clarky, who is shorn by the police, like Samson loses his power and perhaps his very connection to Jah RastafarI; Clarky hangs himself shortly after, unable

 HIM Haile Selassie, who was given the royal title of “Conquering Lion of the Tribe of Judah,” liked lions and kept some as pets in his palace. “The lion, king of the jungle, exudes gentility and royalty yet, it is powerful and ferocious when provoked” (Botchway 2018, 31).

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to live with such devastation. His suicide causes a key protagonist in the story, Ma Taffy [short for Tafari], to wonder [...]why [Rastamen] made it mean so much, this Nazirite vow she herself had taken: No blade shall ever touch your head. It was just hair, after all. It was just hair. It could grow back. It was nothing for a big, big man to lose his life over. But in her heart, Ma Taffy knew it was more than enough to die for. (Miller 32–33)

Rastawomen, like Ma Taffy, also wear dreadlocks, which, in some strict mansions such as the Bobo, they are expected to keep covered, especially in public. However, the locks worn by Rastawomen do not have the same religious validation, given that the foundational biblical texts reify and are aimed at the male as prophet/priest/king; for the Rastaman is the kingman, who only is able, through his male person, to represent the Emperor. It is only and through a priestly Nazarite that the contaminating female Other is able to approach Jah.

4 Odd Ras Boboshanti, arguably the most traditional mansion, are particularly strict about locking hair. They “unbendingly rule that scalp and facial hairs should not be cut, but kept in dreadlocks. Moreover, scalp hair should be covered” (Botchway 2018, 20). So, Rastas generally do not cut their locks unless their hair has become impure, perhaps through contact with a dangerous woman. The case of Boboshanti-affiliated artiste Capleton, “The Fireman”, who was accused, in 2018, of raping a hairdresser whom he hired to groom his locks, highlights two important concerns in this regard: 1) judgement against a righteous Rastaman for allowing a woman, a weaker vessel, to touch his locks. At the same time, it confirms the inherent strength of the Rastaman, the value of cultivating locks, and the election of the Rastaman by Jah; 2) Woman’s inherent deceitfulness in her Eve and Delilah persona: she is willing to lead the Rastaman astray. Indeed, women are perceived “as evil and a potential source of weakness in the male” (Rowe 1998, 80). Capleton had his “Delilah” experience. The case against Capleton was eventually dismissed in 2020; did he perhaps learn his lesson to avoid dangerous women? Of course, Capleton was at the receiving end of much criticism, for he and other “conscious Rasta” such as Antony B and Sizzla “ sternly articulate and spread Boboshanti conservatism related to issues such as [the founder of Boboshanti Prince] Edwards’s divinity, Black (African) supremacy, homosexuality, gender relations and hairstyle through their music” (Botchway 2018, 29). Unsurprising, therefore, one fellow Rastafarian artiste, Chronixx, taunted Capleton

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and others like him, who stray from the naturalness of locksing into cultured locking at the hands of a strange woman: Tel dem mi a wan rasta yoot ou no prii pier presha/Na fala som jed an go prii ierjesa/Nof a taak se dem mad an nof a taak se dem bad/Bot wen yu go a dem yaad/Lox av in pyuor setaz. (Odd Ras/Nah Follow Nobady) [Tell them I am one young Rastaman who does not give in to peer pressure/I don’t follow some Rastas and go to hairdresser/A lot of men are claiming real maleness and are saying they are more fearsome than others/[Yet] when you visit them at home/they have their locks rolled up in curlers.]

Such attention to hair and hairstyling referenced by the quintessential female hair accessory – the curler – is called out as unnatural and worse – unmasculine, unNazirite, notRas. Or perhaps better – Odd Ras, as the title of Chronixx’s album denotes. “[Interestingly, Samson’s] hair is braided, prepared in a special way implying care, working with the hair, a particular style, and a degree of control – in short, a culture of hair” (Niditch 2008, 65). At the same time as his hairstyle is culturally coiffed, it is long, natural and “untouched by the technology of cutting” (Niditch 2008, 66). There is a culture of hair in Jamaica in which Rastafarians participate even as they perhaps deepen and extend it. Jamaicans associate hair with power and success. As such there is a whole technology of haircare and customs that applies, especially for girls, who are enjoined from cutting their hair, “as a woman’s hair is her beauty” (Jamaican gloss on 1 Corinthians 11.15). Shed strands must not be left to float around lest a bird find it and make its nests with them. That will cause you to become wotlis, that is, disinclined toward success. Or someone wicked and envious may take the strands and work Obeah against you (Chevannes 1998c). Furthermore, not any and everyone is to be allowed to comb your hair. Some people’s “hand” is considered not to grii [agree] with your hair and may stunt its growth or make it fall off. Of course, as mentioned, others may collect the strands to do Obeah in order “to keep you down”. The acceptance that there is a badmindedness which is present among fellow Jamaicans is taken for granted. Baby boys are not to have their hair cut too early or during the wrong season, as that, too, will cause them to grow up wotlis or delay their talking or walking (Chevannes 1998c).

5 Rasta Biblical Hermeneutics Rawson (2017) proposes a re-reading and re-membering of Samson by the RastafarI as “having radical revolutionary implications for all life lived (in the) Other-

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Wise”8 (210). She maintains that, as Samson is re-membered and redeployed, the question of what is at stake is important. Samson the Nazir matters to the RastafarI and he functions to empower the marginalised House of RastafarI in the context of empire (Rawson 2017). The folktale of the flawed Samson “more effectively function[s] to empower [Rasta] than a totalizing myth of absolute strength and sovereignty in the face of that oppression” (Rawson 2017, 211). Essentially, Rastas, particularly Bobos, see themselves as priestly Nazirites and so merge facets of priestly behaviour with Nazirite requirements. “Dreadlocked hair demarcates a Rasta as a chosen Nazirite priest and bespeaks a rejection of the Babylon System” (Werden-Greenfield 2016, 113.). They use hair-related biblical dictates to affirm their special status and to associate shaving and cutting with a loss of personal power. Like true priestly Nazirites, Rastas consider contact with corpses and death as defiling. Ironically, Rasta sistren Maureen Rowe (1998) points out the breakdown that has occurred in many Rasta unions when the kingman steps outside of the bounds of the union to engage in relationships with strange women. These women do not live ital; they are often the kind of woman that his daata was before he grew her into RastafarI, so the Rastaman, like his hero Samson, may harken after dangerous women. An interesting element of those exogenous partnerships is colour: “As color-conscious as Jamaica is, and in a movement as fiercely black-conscious as RastafarI, many of these nonRastafarI women are not black women” (Rowe 1998, 85–86). Similarly, Samson, the prototypical Rasta, violates his Nazirite status, time and again, by engaging with and even being responsible for the creation of multiple dead bodies – a young lion, foxes, Philistines (including his wife and her family). Furthermore, Samson eats food that by Rasta and Nazirite standards was unclean for it was tainted by being encased in a decaying lion carcass (Judges 14.8): [...] like a swarm of bees out of honey, or a lion’s body, the carcass still maned and regal, as if napping. A bone-house, full-up with comb (Moffett 2013, 158)

Furthermore, he probably drank and served alcoholic beverages (Judges 14.10). Importantly, he indulges his passion for “strange women” (isha zarah) from

 That is, the either/or of Samson as the strong man who ultimately defeats himself by surrendering to Delilah or the sacrificial victim who serves YHWH through killing himself and the Philistines (Rawson 2017, 211).

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among “the uncircumcised”. Ultimately, he is shorn through a combination of Delilah’s complicity and his hubris. Rastas do not actively address these messy aspects of the Samson story (or their own inconsistencies); for example, his slaying the preeminent symbol of the House of David, Selassie I, and the RastafarI movement – a young lion. Such ethical inconsistencies are largely unremarked in Rasta hermeneutics, which, like all “interpretation and meaning-making, is always culturally constructed, reflecting the ideologies and values of the readers just as much as the author of the text” (Lackowski 2019, 205). Werden-Greenfield (2016) maintains that to address those messy aspects of the Samson story would raise questions concerning Samson’s suitability to be esteemed as a Rasta patriarch and moral exemplar. The tendency, therefore, is to minimise or leave unacknowledged the departure of Jah’s spirit so that Samson’s status as a righteous Rastaman remains uncompromised. The lesson is to avoid wicked women like Delilah, who stood with the Philistines as representatives of Babylon, pursuing financial gain over the spirit (Werden-Greenfield 2016). Derks (2015) notes that Samson is the one who makes the connection between his strength and his hair. It is not part of his being a nazir. Derks further argues that Samson made his cultivated hairstyle a symbol of his masculine power. His hair is a phallic symbol – a symbol not of his Nazarite vow but of his gendered and sexual superiority. Delilah, who does not fit into his constructions of the feminine, deconstructs his phallocentric ideology. The Rasta hermeneutical approach does not require such a negotiation or nuancing. Rather, what is important for them is that Jah remained with Samson during his “deadly rampages and defiling moments” (Werden-Greenfield 2016, 149). Samson remains as an exception in his violations of his Nazirite status because he is a warrior. His questionable behaviour is inspired and sanctioned by Jah to fulfil Jah’s purpose – the destruction of the Philistines. Thus Samson stands as “a pillar of livity and resistance to Babylon” manifest as the Philistine empire (Werden-Greenfield 2016, 149). Samson is “their biblical Nazarite forebear in a lineage of Rasta resistance to Western imperial cultural domination (Babylon)” (Rawson 2017, 212). So Rastas can and should emulate Samson in striving for freedom from the Babylon System. In the process, women fall under the total hegemony of Rastaman (Chevannes 1998c) in order to prevent their inherent deceitfulness from derailing the righteous Rastaman in his “chanting down of Babylon”. In this regard, contra Rawson (2019), the potentially revolutionary nature of Rasta biblical hermeneutics is challenged as it is not “radically relational, honoring the affective (rhizomatic) event(ing) of real ‘live’ (interpretive) bodies in every mo(ve)ment” (223). Indeed, Chad Rimmer (2021), in reflecting on human and personal vulnerability to suffering and disease, de-

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ploys the Samson and Delilah story in a way that questions the valorising of Samson’s strength and from whence it came: But the secret of Samson was misunderstood. He was confused from whence strength came, and they are, too. Samson sought strength In the death of the death-dealer, And in the end, the vengeance killed him. Coming in hot destroyed him. A rock hard core was his demise, not his strength. And neither is it yours.9

Is there a place for questioning the meaning of strength? Is strength only vengeful and death-dealing?

6 Uman a Delilah Delilah, Samson’s paramour and vanquisher, has entered the annals of Western culture as the ultimate deceiver. Popular culture portrays her as self-absorbed, greedy, and deceitful. Think Tom Jones’s highly popular song “Delilah”, Pato Banton’s “Settle Satan”, and Mavado’s 2011 hit, “Delilah”. Susan Reid (2002) rightly questions this tradition of viewing Delilah as the ultimate betrayer of men. Reid therefore asks us to question if Samson is to be considered the only victim in the story. Lackowski (2019) argues against the disparaging image of Delilah based on a tradition of monologic reading of the text. He subverts this reading by demonstrating that the biblical author deliberately portrays Delilah ambiguously and therefore invites the reader to interpret her in several ways, including as heroine and not simply villain or victim. Gafney (2016), in her hip-hopflavoured Womanist Midrash on Delilah, therefore, challenges the dominant binary thinking of Delilah as either a bad woman or a good woman. Gafney and others10 open up a new interpretive horizon by reading out another portrait in which Delilah is the subject of her own story; such a reading gives voice to the

 Thanks to Chad Rimmer for his kind permission to use his poetry in this reflection.  Gay L. Byron and Vanessa Lovelace, Womanist Interpretations of the Bible: Expanding the Discourse. SBL Press: 2016. Caroline Blyth, Queering Delilah with Critical Theory and Gendered Bible Hermeneutics. The Oxford Handbook of Feminist Approaches to the Hebrew Bible, edited by Susanne Scholz. Online Publication Date: Nov 2020. DOI: 10.1093/oxfordhb/9780190462673.013.34

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hairy meanings present in the silenced or silent misrepresented feminine Other. Delilah is far from silent yet there are many silences that encompass her and the other women in the story of Samson the warrior-hero-judge. Derks (2015) therefore reads out a queer identity for both Samson and Delilah. Derks (2015) presents a three-fold argument for Delilah’s queer identity. First, she is the only woman named in Samson’s story, which gives her subjectivity and agency. Her name carries several possible meanings and makes her identity ambiguous. Is she “night” to Samson’s “sunny”? Is she “loose hair”? Indeed, Noegel (2017) demonstrates cogently the importance of weaving and binding in the text, evoking cultural stereotypes of female sexuality, bondage and entrapment. Delilah’s name immediately invokes “the thrum and world of the weaver” (Noegel 2017, 203). Every and all meanings are possible. Furthermore, given that Delilah is the only named female in the story and the only one of whom it is said Samson “loved”, her name demands closer attention (Noegel 2017). Second, her ethnic identity as Philistine or Israelite is unclear. Given Samson’s predilection for Philistine women, many commentators assume she is Philistine but that is not explicitly stated. Indeed, Delilah resides in the valley of Sorek, which is between Philistia and Israel (Even though Delilah is a good Hebrew name that does not mean that she is Hebrew.) The imprecise description of her place of abode obscures her ethnic background and highlights the ambiguity of the woman herself (Lackowski 2019). Indeed, “Delilah represents an unfinalizable character who is not easily defined, known, or understood, and who simultaneously embodies the role of victim, victor, and villain” (Lackowski 2019, 218). Third, she appears to be an independent agent among the Philistines, in contrast to Samson’s unnamed bride from Timnah, who speaks, but is a silenced victim.11 Delilah will be rewarded with a fortune if she solves the mystery of Samson’s strength; Samson’s bride had to solve his riddle for fear of death, and even after it was solved she still pays with her life. Gafney argues that Delilah would have known of the death and destruction that followed in Samson’s wake, so fear of death could also have been part of her motivation. Nonetheless, Delilah made the best of a bad situation. So, according to Gafney, in the best hip hop tradition, Delilah is an example of a “boss”, who played the game, played the game well, and left the text, like a boss, with her money.

 Similarly, Samson’s mother is also unnamed, which is unusual given her key role, especially in chapter 13. Reinhartz (1992) maintains that the anonymity of Samson’s mother/ Manoah’s wife is deliberate to highlight her centrality in the story.

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Delilah is her own woman, making her own choices with her body and her life and, surprisingly, ends off better than one might imagine in the androcentric scriptures of Israel. (Gafney 2016, 50)

Delilah left on her own terms and acted on her own agency. Gafney points out further that Delilah continues to live her fabulous life and the dominant Hebrew, Christian and Rastafarian interpretations do not know quite what to do with that fact. So clearly, the unfinalizable Delilah does not fit the usual phallocentric framework as wife or harlot. Rather, she, like the various women in Samson’s life, is dangerous not because she manipulates him, betrays him, but because she is “foreign, sexual and assertive” (Werden-Greenfield 2016, 172). Susan Ackerman describes Samson as “witless lout”, arguing that if there is a hero in the story, it is Delilah, “who goes about her mission of discovery with determination and courage (given that Samson could conceivably turn on her at any moment) and who ultimately triumphs, like the adroit David over the hulking Goliath, over her more powerful foe” (2000, 35–36). Of course, biblical interpreters, including RastafarI, do not see Delilah as a type of David, but rather as the deceitful woman/temptress, who leads Samson to his downfall. Nonetheless, Delilah subverts through her ambiguity; yet, in her subversiveness she is perhaps to be placed in the long line usually reserved for men in the Bible, including Samson, who display ethical standards that are at variance with many contemporary ethical perspectives such as the womanist approach. All told, her behaviour is perfectly at home in the imperfection of the world of the biblical text (Gafney 2016). Delilah is not tamed by the text that tells her story. Rather, she has a particular theological role of divine agency, as through her actions as much as Samson’s God’s intentions are fulfilled.

7 The Unmanning of Samson’s Strength The very hair which makes him a powerful warrior also marks Samson out as marginal and potentially vulnerable, as the interactions with Delilah demonstrates. Gender roles are upended and he is shaved at the instigation of a woman, who, in so doing, tames him. For Samson to have allowed Delilah access to his hair, as he did on the four occasions in the story, speaks to the intimacy between them; it expresses trust since hair is an extension of himself. “So while the sleeping head of a [sexually?] sapped Samson is nestled there betwixt her legs, Delilah has a nameless man shear his seven locks” (Rawson 2019, 132). Her act of having him sheared can be equated to taking away his manliness – essentially castrating him. “To tend or cut another’s hair is to have power over them, to be

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intimately involved with them. Hair is identity and loss of hair is loss of identity. For Samson, hair is related to strength, dominance as a man, and the activities of a warrior” (Niditch 2008, 67). Nonetheless, the cutting of Samson’s locks does not undermine his maleness or his stature as a moral exemplar in RastafarI. Rather, Rasta interpretations of his shearing focus on his betrayal by Delilah (only secondarily, if at all, on the unnamed Philistine men), not on his loss of Jah’s spirit or his distasteful behaviour (Werden-Greenfield 2016). The tendency is to minimise or leave unacknowledged the departure of Jah’s spirit so that Samson’s status as a righteous Rastaman remains uncompromised. The lesson is to avoid wicked women like Delilah, who stood with the Philistines as representatives of Babylon, pursuing financial gain over the spirit (Werden-Greenfield 2016). However, this is not the entire story of Delilah and Samson, particularly as it pertains to the meaning of locks in the House of RastafarI. Delilah cannot be so easily bound or controlled as Samson (Lackowski 2019), although the tradition of interpretation continues to try. So, she hairily beckons us to discover the source of our secret strengths, including those embedded in the empowering changes in hair meaning and symbolism in Jamaican society, which have been engendered by RastafarI. Additionally, Delilah beckons hairily in the presence of the women in RastafarI, increasingly independent single women, who have “grown” themselves and choose to trod RastafarI on their own terms. These terms may include the right to engage in relationships with non-RastafarI males, which has caused the ire of many RastafarI males. These men, who inveigh against relations between single sistren and non-Rastas (Rowe 1998), ignore the practice of harkening after isha zarah among some Rasta bredren themselves, often to the detriment of their family unit. With uncovered locks and fashionable styling more common among younger Rasta sistren today, including those in non-RastafarI relationships, locks have lost their “dreadness” and contributed to wider Afrocentric discourse on Black hair, Black bodies, Black women. This change has been part of the “impart” (impact and contribution) that RastafarI women have made to the movement (Rowe 1998) and the world. Sistren continue, therefore, to challenge the meanings of dreadlocks that place the masculine in ascendancy over the feminine and subordinate women in the House of RastafarI. Such subordinated feminines are “the weaker vessel” who shear in secret, while Samson, the unassailable exemplar, is wholly strength – “death-dealing” strength (Rimmer 2018, 557). Yet hairy re-readings of Samson and Delilah call out for a reckoning with the meaning of real strength:

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[Delilah, y]ours is the strength of fragility Refined in the knowledge of love that will topple temples of resolve By breaking foundations of fear With a gentle trickle of hope That erodes the ramparts of hollow shibboleths Destined to echo meaningless clichés about strength and Power. (Rimmer, Chad. 2018, 580)

Delilah’s daatas are at work as they turn strength on its shaven head, toppling shibboleths hollow(ed) while persisting in fragility to empower. Delilahs give voice to the hairy ambiguities inherent in sighting up RastafarI and their continued resistance to patriarchy rooted in overly hairy biblical (mis)interpretations. (O, O, O, O)

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Music Dillinger. “CB200”. Album: Mr Isaac, 1976. https://www.youtube.com/watch?v=z3KEEF__hbo Pato Banton. “Settle Satan”. Album: Never Give In, 1987. https://www.youtube.com/watch?v= loFAZ6T_NEw Mavado. “Delilah”. Album: Delilah. Mansion Records, 2011. https://www.youtube.com/watch? v=c2ituEbnWwc

Katharina Alsen

2 Trichotillotechne: Das Paradox schmerzhafter Kunst und die Ästhetik ausgerissener Haare in immersiven Performances von SIGNA 1 Dynamiken von Kunst und Gewalt Das dänische Kollektiv SIGNA entwirft immersive Performance-Installationen, die von einer Vielzahl an Grenzüberschreitungen gegenüber den Teilnehmenden geprägt sind. Der konzeptionelle Überschreitungsgestus kann auf prozessualer und affektiv-relationaler Ebene beschrieben werden, ist aber ebenso in materieller Konkretheit angelegt: In den fiktiven, hypernaturalistisch gestalteten Parallelwelten SIGNAs wird zu intensiven Begegnungen zwischen Performer✶innen und Besucher✶innen eingeladen, die sich im Sinne der Endurance Art über mehrere Stunden oder sogar Tage erstrecken, dabei immer wieder tradierte Grenzen von Kunst und Körper infrage stellen und gewaltsame Erlebnisse initiieren. Der implizite „Kontrakt der Unversehrtheit“ (Schaub 2018) bietet eigentlich einen schützenden Rahmen für Kunsterfahrungen jeglicher Art und besagt, dass Kunst zwar provozieren und den Modus des ‚Als-Ob‘ verlassen kann, jedoch Rezipient✶innen nicht ernsthaft (physisch oder psychisch) verletzt werden dürfen. Ein solcher Kontrakt gilt allerdings nur eingeschränkt in Anbetracht publikumsinvolvierender Formate der Gegenwart, bei denen Bühnen- und Zuschauerraum in eins falen und sich der Spectator immer mehr zum mitgestaltenden Spect-actor entwickelt hat, der als Symptom einer Kultur der Singularitäten (Reckwitz 2017) individualisiert angegangen wird. Das „paradox of painful art“ (Smuts 2007), das sich der Frage widmet, weshalb grundsätzlich als negativ empfundene Erlebnisse und Emotionen im Rahmen von Kunst durchaus begehrenswert werden können, erhält dadurch neue Virulenz. Als spezifische Spielart dieser jüngeren Entwicklungen von Kunst und Gewalt sollen im Folgenden ‚haarige‘ Situationen aus SIGNA-Performances angeführt werden. Sie stehen stellvertretend für die breitere Tendenz zur Gewaltaffinität von immersiven Ästhetiken und zeugen zugleich von deren widerständigen Potenzialen. Zwei Einzelszenen, die mit unterschiedlicher Adressierung die Tätigkeit des Haareausreißens – und daran anknüpfend auch die Materialität ausgerissener Haare – involvieren, stehen bei der Analyse im Fokus.

https://doi.org/10.1515/9783110776461-003

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Erstens: In SIGNAs Kopenhagener Projekt Feberhavnen (dt. Der Fieberhafen, 2015) überreichte eine Performerin ausgewählten Besucher✶innen zum Ende des Abends jeweils ein kleines Büschel Haare als Andenken, die sie sich live vom Kopf riss. Die Aktion steht konzeptionell in der Tradition selbstverletzender Künstler✶innen der Body Art seit den 1960er-Jahren. Bei dieser Strömung performativer Aktionskunst wurden Rezipient✶innen oft zu Zeug✶innen von Gewalt auf der Bühne und mussten sich situativ zu den lädierten Körpern verhalten (Ward 2012). Zweitens: In der Arbeit Ventestedet (dt. Die Wartestätte, 2014) riss ein Performer in seiner Rolle als geistig verwirrter Klinikpatient mir, der Besucherin, unvermittelt von hinten Haare vom Kopf, während ich in eine Unterhaltung mit einer fiktiven Ärztin vertieft war. Eine solche körperliche Übergriffigkeit von Performer✶innen auf einzelne Teilnehmende innerhalb des Kunstrahmens, der als gemeinsamer Sozialraum gestaltet ist, ist historisch betrachtet ein Novum. Selbst in den (teil-)improvisierten Aktionen des Happenings der 1960er-Jahre, die wesentlich auf Schockwirkungen des Publikums abzielten, wurde Vergleichbares nicht praktiziert. In Anlehnung an den medizinischen Begriff der Trichotillomanie, einem pathologischen Herausrupfen von eigenen Haaren (altgr. θρίξ: Haar, τίλλειν: reißen), sollen die oben skizzierten interaktiven Praktiken hier probeweise unter dem Label einer Trichotillotechne, d. h. dem Neologismus einer Haare ausreißenden Kunst, betrachtet werden. Entlang der phänomenologischen Befunde soll damit auch ein theoretischer Kommentar erfolgen: Als kritische Revision verschiedener Immersionstheorien stehen in den ausgewählten Performanceszenen gerade nicht Wirkpotenziale eines möglichst widerstandslosen und totalen ‚Eintauchens‘ (lat. immergere) in das Kunsterlebnis im Vordergrund, sondern stattdessen Momente von Irritation, Unbehagen und ambivalenter Transgression. Es gilt, das Paradox schmerzhafter Kunst und den impliziten Kontrakt der Unversehrtheit angesichts der gegenwärtigen künstlerischen Praktiken neu zu befragen. Meine Ausgangsthese lautet: Am Beispiel des Haareausreißens – einerseits als Selbstverletzung von Darsteller✶innen, andererseits als Gewaltakt gegen Rezipient✶innen – lassen sich in nuce die zentralen Spezifika der SIGNA‘schen Ästhetik (und daran anschließend auch anderer interaktiver Performance-Formate) im Spannungsfeld von Intimität und Gewalt aufzeigen und ergründen. Hierfür sind mehrere Erklärungsansätze des Paradoxons schmerzhafter Kunst hilfreich, insbesondere die beiden Theorien der ‚reichen‘ Erfahrung und der Schmerzkontrolle, welche ich für den vorliegenden Analysegegenstand adaptiere. Als Alternative zum Immersionsbegriff schlage ich zudem analytisch die Perspektive eines ‚invasiven Theaters‘ vor. So verstandene ‚invasive Performances‘ überschreiten räumliche Grenzen im Großen und Kleinen: Dies betrifft die Transgression erstens

2 Trichotillotechne

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in den nicht (mehr) abgetrennten Bühnenraum, zweitens in den körperlichen Nahbereich bzw. die Intimdistanz beteiligter Akteur✶innen1 und drittens auch das Überschreiten und Manipulieren von Körpergrenzen mit einem Vordringen ins Körperinnere – als Kunst, die auf mehr als einer Ebene ‚unter die Haut geht‘, wie es die ausgerissenen Haare praktisch und materialiter demonstrieren.

Abb. 1: Ann (Kizzy Matiakis) und Bob (Bryant Steenstra) in der Tanzarena des Zeltlagers. SIGNA und Corpus/Den Kongelige Ballet: Feberhavnen (2015). Foto: Erich Goldmann.

2 Feberhavnen (2015): Haarliche Selbstverletzung als künstlerische Praxis Ein Erinnerungsprotokoll zur haarlichen Gewalt in SIGNAs Performance Feberhavnen ermöglicht detaillierte Einblicke:2 Ich befinde mich in einer abgerockten, apokalyptischen Endzeitszenerie im Inneren des Dänischen Königlichen Theaters in Kopenhagen. Auf einer Probebühne, die ich über den Hintereingang des Hauses

 Zu den zentralen Distanzzonen menschlicher Kommunikation (öffentliche, soziale, persönliche und intime Distanz) und proxemischen Perspektiven auf Raumverhalten vgl. grundlegend Edward T. Hall (1966).  Die Schilderung bezieht sich auf den Aufführungsbesuch vom 13. Mai 2015, protokolliert von Katharina Alsen. Für mit Haaren verbundene Gewalt nutze ich hier tentativ die Wortneubildung ‚haarlich‘ statt dem potenziell pejorativ gefärbten Adjektiv ‚haarig‘. Diese semantische Differenzierung und Sensibilisierung ist u. a. dem kritischen Begriffspaar ‚tierlich‘ vs. ‚tierisch‘ aus den Human-Animal Studies nachempfunden.

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erreicht habe, wird mit szenographischen und inszenatorischen Mitteln eine verblüffend real wirkende dystopische Welt behauptet, in der eine unbekannte Fieberkrankheit die Menschheit überkommen hat. Das vor mir liegende Zeltlager, so die Fiktion, ist die letzte Bastion von Personen, die dem Fieber bisher getrotzt haben und sich hier für eine Art Tanzwettkampf verstecken. Die Szenographie ist multisensoriell angelegt und erstreckt sich bis zum Thermalsinn: Auch die Raumtemperatur ist überdurchschnittlich hoch wie bei einem Fiebertraum, abgestandener Schweiß liegt in der Luft. In Kleingruppen von drei bis vier Leuten werden insgesamt 60 Teilnehmende durch die verschiedenen Zelte manövriert, dabei immer wieder zu Spielen, Gesprächen und Berührungen mit Performer✶innen aufgefordert – zum Beispiel initial zur Fußwaschung bei den wettkämpfenden Tänzer✶innen. Gegen Ende des vierstündigen Aufenthalts ist es den Besucher✶innen gestattet, sich frei im Raum zu bewegen. Ich setze mich in eine Ecke des Zeltes einer ansässigen Balletttänzerin, lausche erst den Gesprächen, die sie mit anderen führt, beteilige mich irgendwann sporadisch selbst und warte ansonsten einfach ab. Den Namen der Tänzerin merke ich mir situativ nicht, obwohl er mir eingangs genannt worden ist. Durch (zu) viele neue Eindrücke an diesem Abend sind meine Gedächtniskapazitäten ausgeschöpft. Nach einiger Zeit ertönt ein Gong und läutet das Endritual der Performance ein, zu dem sich alle Anwesenden versammeln sollen. Die Tänzerin hält kurz inne, schaut die bei ihr im Zelt verweilenden vier Besucher✶innen an und sagt dann: „I wanna give you something“. Sie bittet darum, uns in einer Reihe am Zeltausgang aufzustellen. Einzeln treten wir zu ihr hin. Ganz langsam reißt sie sich für jede Person einige Haare vom Vorderkopf, stöhnt beim Schmerz leise auf, legt sie uns in die Hände. Als ich an der Reihe bin und die Haare empfangen habe, umschließt sie meine Hände mit ihren, schaut mir in die Augen und verabschiedet mich mit der personalisierten Botschaft: „Remember me, Katharina. Bye“. Erst nach der Vorstellung recherchiere auch ich ihren Namen, Ann (Kizzy Matiakis), im Programmheft.

2.1 Zwischen Intimität und Gewalt: Zum Paradox of Painful Art Das Paradox schmerzhafter Kunst, wie es der US-amerikanische Philosoph Aaron Smuts beschrieben hat, nimmt seinen Ausgangspunkt in der Beobachtung von (vermeintlich) widersprüchlicher Kunstrezeption: „Many of the most popular genres of narrative art are designed to elicit negative emotions; emotions that are experienced as painful or involving some degree of pain, which we generally avoid in our daily lives“ (Smuts 2007, 59). Es geht um die anthropologische Frage, weshalb schmerzhafte Erlebnisse und Emotionen, die im außerkünstlerischen Rahmen so weit wie möglich vermieden werden, innerhalb der Kunsterfahrung plötzlich zu seltsam attraktiven und begehrenswerten Gegenständen werden. Das Unange-

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nehme, so die Logik, ist nicht gleichzusetzen mit dem Unerwünschten. Smuts stellt den motivationalen und den differentiellen Aspekt als zwei Kernfragen des Paradoxons heraus. Dahingehend interessiert ihn: „Why do people desire painful art experiences if they find them painful?“ (Smuts 2007, 60) und „Why are people more willing to experience painful affect in response to art than in their normal lives?“ (Smuts 2009, 43). Smuts findet zwar keine an sich hinreichend plausible Antwort auf die beiden Fragen, umreißt jedoch sechs verschiedene Erklärungsansätze mit Blick auf ihren je begrenzten Geltungsbereich: Dies umfasst die Theorien 1) der Gefühlsumwandlung (Konversion), 2) der Gefühls- und Schmerzkompensation, 3) der Schmerzkontrolle, 4) der auf Mitleid basierenden Meta-Response, 5) der Katharsis mit mentalhygienisch reinigender Wirkung und 6) der sogenannten reichen Erfahrung. Vergleichbare Diskussionen sind historisch betrachtet nicht neu, sondern finden sich schon seit der Antike in Tragödientheorien oder in jüngerer Zeit im Horror-Paradox (Carroll 1990, 159–194) wieder. Vor solch einem breiten Horizont lässt sich eine pauschale „anthropologische Prämisse der Schmerzvermeidung“ (Koppenfels u. Zumbusch 2016, 26) nicht aufrechterhalten. Vielmehr ist übereinstimmend mit Smuts anzunehmen, dass ein binäres Verständnis von Lust versus Unlust der Komplexität menschlicher Emotionen nicht gerecht wird. Zwei der von ihm angeführten Erklärungsansätze, die auf je eine Kernfrage des Paradoxons, d. h. auf die motivationale und die differentielle Frage, antworten, erscheinen für die Analyse von Gewalterfahrungen in immersiven Performances besonders hilfreich: Das ist zum einen die Theorie der reichen Erfahrung, zum anderen die Kontrolltheorie. Die Theorie der reichen Erfahrung (Rich Experience Theory) liefert eine mögliche Begründung dafür, weshalb Menschen überhaupt negative Emotionen erleben möchten. Angenommen wird, dass sie „auf der Suche nach mehrdimensionaler, ‚gemischter‘ Erfahrung“ (Koppenfels u. Zumbusch 2016, 27) sind und sich nur begrenzt für simple Lustversprechen oder gar Zustände von Indifferenz und Langeweile interessieren. Jede komplexe Erfahrung setzt sich dabei aus ungleichartigen, mitunter disparaten Teilen zusammen – wozu auch schmerzhafte Anteile gehören (Smuts 2007, 64). Die Kontrolltheorie wiederum zeigt auf, weshalb negative Erlebnisse und Emotionen gerade im Rahmen von Kunst attraktiv werden. Die Prämisse der Unlustvermeidung, so die These, kann in der Sphäre der Kunst temporär und vergleichsweise risikoarm suspendiert werden, da es sich um ein kontrolliertes Setting handelt. Die schmerzhafte Situation kann jederzeit verlassen werden, zudem haben Rezipient✶innen weit mehr als im ‚realen‘ Leben Einfluss darauf, welche Narrative und Arten von Schmerz sie zulassen. Dass der Faktor selbstbestimmter Kontrolle (z. B. über Intensität, Zeitpunkt und Ausführungs-

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art von Schmerz) die menschliche Toleranz erhöht, haben verschiedene Versuche zu Schmerzgrenzen gezeigt, die Smuts als empirische Referenzen und als Gedankenexperimente anführt. Im Umkehrschluss heißt das auch: Partieller bis vollständiger Kontrollverlust verringert die Toleranz, Schmerz zu ertragen. Selbst eine eigentlich aus freien Stücken zum Lustgewinn angetretene Achterbahnfahrt wird zu einem Horrorerlebnis, wenn über die Lautsprecher zu vernehmen ist, dass technische Probleme bestünden und die Bahn nicht mehr gestoppt werden könne oder dass eine Gruppe sadistisch orientierter Menschen die Kontrolle über das Bahngeschäft übernommen hätte (Smuts 2009, 45). Smuts resümiert: I argue that the motive for seeking out painful art is complex, but what we desire from such art is to have experiences on the cheap – not life experience on the cheap, […] but experiences of strong emotional reactions. Art safely provides us the opportunity to have rich emotional experiences that are either impossible or far too risky to have in our daily lives. We can feel fear without risking our lives, pity without seeing our loved ones suffer, thrills without going to jail, and a variety of other experiences that usually come with unwelcome pitfalls. (Smuts 2007, 74)

Das beschriebene Phänomen, sich „[g]erade von zerstörerischen, gewaltsamen und gefährlichen Erfahrungen im Umgang mit Kunst […] nachhaltige positive Wirkungen“ zu erhoffen, hat der Theaterwissenschaftler Matthias Warstat (2011, 22) auch als „Denkfigur der konstruktiven Zerstörung“ bezeichnet. Zu beachten ist, dass Smuts‘ Überlegungen zum Paradox schmerzhafter Kunst auf Beispiele beschränkt sind, bei denen das Unangenehme in Artefakten (re-)präsentiert und rezipiert wird, die losgelöst vom menschlichen Körper existieren – z. B. in Horrorfilmen, Thriller-Literatur oder auch religiösen Devotionalien. Kunstformen aber, die notwendigerweise am ‚eigenen Leib‘ der Beteiligten stattfinden und erfahren werden, wie es bei den Performances von SIGNA der Fall ist, sind nicht expliziter Teil seiner Untersuchung. Im Vergleich zu anderen Formen und Gattungen weisen die performativen Künste eine ihnen spezifische Materialität auf: Es handelt sich im wörtlichen Sinne um Körperkunst, die nicht als körperunabhängige Größe funktionieren kann. Das ‚Produkt‘ wird von realen, ko-präsenten Körpern in situ sowie prozessual hergestellt und zugleich rezipiert, wie es Erika Fischer-Lichte in der Ästhetik des Performativen (2004, 129) beschrieben hat: „Für Aufführungen gilt, daß der ‚produzierende‘ Körper nicht von seinem Material abgelöst werden kann. Er bringt sein ‚Werk‘ […] in und mit einem höchst eigenwilligen Material hervor: mit seinem Körper“. (Lebendige) Körper sind stets in Veränderung begriffen, in gewissem Maße kontingent und nie ganz berechenbare Größen. Die auf Helmuth Plessners Anthropologie des Schauspielers (1948) zurückgehende Unterscheidung vom semiotischen Körper, der wie ein Objekt manipuliert und instrumentalisiert

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werden kann (Körper haben), und dem phänomenalen Leib als letztlich unverfügbarem In-der-Welt-Sein (Körper sein und kontinuierlich werden) ist somit bloß eine heuristische Distinktion (Fischer-Lichte 2012, 61).3 In künstlerischen wie außerkünstlerischen Aufführungssituationen kommen beide Aspekte der körperlichen (Un-)Verfügbarkeit bei allen beteiligten Interaktionspartner✶innen notwendigerweise zum Tragen. Beim Blick auf körperbasierte Kunst verschieben sich nun einige der von Smuts vorgetragenen Ansätze zum Paradox schmerzhafter Kunst: Wenn der Schmerz nicht ‚nur‘ stellvertretend für fiktive Figuren im Roman oder Film gefühlt wird, deren leibliche Präsenz imaginiert bzw. medial konserviert ist, sondern sich die mit Schmerz besetzte Figur entweder als realer Körper live und ko-präsent im geteilten Sozialraum befindet (Bsp. Feberhavnen) oder der Schmerz im Performance-Setting gar am eigenen Leib gespürt wird (Bsp. Ventestedet), so handelt es sich in jedem Fall um eine andere, oft in der Intensität potenzierte Qualität der Erfahrung. Grenzen zwischen Fiktion und Realität werden unklarer, wie es für immersive Ästhetiken bei SIGNA typisch ist. Die Kunstsituation und die außerkünstlerische Wirklichkeit folgen keinem binären Konzept (mehr), sondern werden zu einer graduellen Angelegenheit mit wechselseitigen Überschneidungen und Abtönungen. Auch die bei Smuts erwähnte Kontrolltheorie gilt in Anbetracht dessen nur noch eingeschränkt: Zwar handelt es sich bei SIGNA-Performances immer noch um institutionalisierte Veranstaltungen mit regelhaft formalen Parametern wie Ticketkauf, Einlass, Veranstaltungsbeginn etc., doch die innerhalb dieses Rahmens stattfindenden sozialen Interaktionen erweisen sich qua potenzieller Übergriffigkeit und dem daraus resultierenden Risiko für die psychische und physische Integrität der Besucher✶innen nur bedingt als kontrolliertes und kontrollierbares Setting.4 Wenn man als Zuschauer✶in der Performance im Sinne eines gesteigerten „Einbruch[s] des Realen“ (Lehmann 1999, 178) jederzeit zur Zeugin von realer Gewalt an realen Körpern im Raum oder auch selbst attackiert werden kann, so ist Verunsicherung eine wirkungsästhetische Folge. Es handelt sich um

 Eine weitere Differenzierung von Körper und Leib mit phänomenologischer Relevanz liefert z. B. der Philosoph Gernot Böhme (2019): Gemäß seiner Terminologie ist der Körper definiert als (naturwissenschaftliche) Fremderfahrung, der Leib wiederum als eigene Natur in Selbsterfahrung.  Verschiedene Arbeiten von SIGNA spielen auch formal mit den Grenzen des Kunstrahmens: Im Anschluss an Ventestedet führte der dänische Journalist Adrian Lloyd Hughes eine hitzige feuilletonistische Debatte um sogenanntes ‚Stalkertheater‘, da er eine Woche nach dem Vorstellungsbesuch von Performer✶innen (unter Aufrechterhaltung der theatralen Fiktion) privat per Telefon kontaktiert worden war (Heidemann 2014). Genau diese ‚Maßlosigkeit‘ der Kunstsituation wiederum, mit einem Ausdiffundieren in die außerkünstlerische Wirklichkeit, ist für andere Besucher✶ innen ein regelrechter Suchtfaktor und formt die Erwartungshaltung mit (Reisinger 2018).

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„forced experiences“ (Kolesch u. Schütz 2022, 119). Die durch Kunsterfahrung in Aussicht gestellten intensiven Erlebnisse und Emotionen sind eben nicht mehr „on the cheap“ (Smuts 2007, 74) zu beziehen. Auffällig ist, dass schmerzhafte Aktionen in den Arbeiten von SIGNA – sei es in Form von künstlerischer Selbstverletzung, seien es Attacken von Performer✶innen untereinander oder aber gegen Besucher✶innen gerichtete Angriffe – stets einer komplexen Engführung von Intimität und Gewalt entspringen: Über die Dauer der Aufführung wird nach und nach Vertrauen zwischen Performer✶innen und einzelnen Zuschauer✶innen aufgebaut, allen voran durch Kleingruppen- und Eins-zu-Eins-Szenen mit kommunikativen Methoden wie persönlichen, ausführlichen (Zwie-)Gesprächen. Daneben werden immer wieder ‚angenehme‘ körperliche Nahbegegnungen initiiert, die verschiedenen Sinne der menschlichen Wahrnehmung adressieren. Eine gezielte Sensibilisierung der taktilen Wahrnehmung geschieht etwa durch sanfte Berührungen, darunter Umarmungen, enges Beieinandersitzen und -liegen oder das Streicheln von Kopf und Gliedmaßen. Auch das Spiel mit der auditiven Wahrnehmung, der Modulation und intimisierenden Wirkung von Stimme wird effektiv. In Feberhavnen bittet mich eine Darsteller✶in, zu ihr auf ein Bett zu kommen, macht mir dort flüsternd Komplimente und spricht mit gedämpfter Stimme Geheimnisse in mein Ohr. Es ist vor allem der Modus eines vorsichtigen Herantastens an körperliche Nähe, der gegenseitiges Einverständnis suggeriert und vertrauensbildend wirkt. Durch eine solche Rahmengebung haben unerwartete Umschlagmomente von Intimsituationen zu verbaler oder körperlicher Gewalt ein umso stärkeres Irritationspotenzial. Sie zeigen auf: Kommt jemand nah, wird es potenziell angenehm. Wenn jemand hingegen zu nah kommt, wird es schmerzhaft. Die Engführung von Intimität und Gewalt kulminiert bei der eingangs skizzierten Szene aus Feberhavnen in der schmerzhaften Tätigkeit des Haarerupfens als ‚Geschenk‘ an mich, die Zeugin des Vorgangs, und den daraus hervorgehenden ausgerissenen Haaren als körpernahen Objekten, ähnlich einer personalisierten säkularen Reliquie.

2.2 Body Art und/als Haarkunst: Kämmen, binden, schneiden, reißen Body Art ist eine gattungsübergreifende Strömung mit Wurzeln in der bildenden Kunst der 1960er-Jahre, die den menschlichen Körper als Material, Medium und kulturelles Konstrukt thematisch werden lässt. Performative Arbeiten, bei denen der Körper in raumzeitliche Grenzsituationen gebracht und/oder als Ausdruck künstlerischer Selbstverletzung intentional malträtiert wird, stellen einen Schwerpunkt dar. Beispiele für radikale, richtungsgebende Positionen der Body Art waren

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Performances von Marina Abramović, Carolee Schneemann, Vito Acconci, Chris Burden oder den Wiener Aktionisten. Neben den Faktoren der (Aus-)Dauer und spezifischer körperlicher Präsenz ist es vor allem die Handlungsaktivierung der Zuschauer✶innen, die analytisch bedeutsam wird (Ward 2012, 9) – ohne diese hier gegen eine vermeintliche Passivität des Publikums beim Guckkastentheater oder ‚traditionellen‘ Museumsbesuch ausspielen zu wollen. Die risikoreiche Exponierung des eigenen Körpers durch Künstler✶innen jedoch, die bis zur letalen Gefahr reichen kann, hat ohne Zweifel zu neuen (expliziten und impliziten) Verantwortlichkeiten des Publikums geführt. Eine solche Aktivierung ist ein ambivalenter Prozess, bei dem Zuschauer✶innen verschiedenen Manipulationsstrategien ausgesetzt sein können und zwangsläufig in Situationen geraten, bei denen jede mögliche Handlung zu moralisch fragwürdigen Entscheidungen führt: Soll das Publikum intervenierend eingreifen, wenn eine ernsthafte gesundheitliche Gefahr für die✶den Darstellenden besteht? Oder hat der von den Performer✶innen selbst gewählte schmerzhafte Vorgang Vorrang im Rahmen der Kunst? Auch Dynamiken von Gruppenformierungen und sozialen Modi der Partizipation sind dabei ähnlich zweischneidig: On one hand, the work of the artists […] explores the democratizing potential of participatory culture, and seems to be driven by what might be seen as a counter-cultural desire to undermine taboos. On the other hand, though, it is central to the works […] that they are implicitly or explicitly critical of group formations like public or community, upon which participatory culture seems to depend. (Ward 2012, 11 f.)

Die Herausforderungen des Publikums in den historischen Arbeiten der Body Art spiegeln sich in den Dilemmata der immersiven Performances der Gegenwart wider: Zuschauer✶innen gehen allein durch ihre Anwesenheit in den sozialen Räumen, die sie zugleich mitgestalten, eine „temporäre Komplizenschaft“ (Schaub 2018, 169) ein und können sich nicht auf eine Position der „innocent bystanders“ (Ward 2012) berufen. Responsibility zeigt sich somit nicht nur als Response-Ability, sondern wird zur Notwendigkeit, sich verantwortlich zu zeigen und zu verhalten – in welche Richtung auch immer, sei es kooperierend, widerständig o. ä. Insbesondere die Tendenz zur (temporären) Verkleinerung der Publika, wie bei SIGNA mit Kleingruppen oder Einzelpersonen als sogenanntem ‚Mikropublikum‘ in One-toOne-Performances (Foley Sherman 2011), schafft neue Dringlichkeiten und wirkt Phänomenen wie individueller Untätigkeit durch Verantwortungsdiffusion oder pluralistische Ignoranz entgegen, die in Situationen mit vielen, einander fremden Anwesenden häufiger vorkommen als in kleinen sozialen Gruppen.5

 Eine weiterführende historische Perspektive zu Irritationen von Theaterpublika bieten Doris Kolesch und Theresa Schütz (2022, 113–115).

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Haare spielten schon in der frühen Body Art der 1960er- und 1970er-Jahre immer wieder eine zentrale Rolle: In der Performance Rhythm 5 (1974) etwa schneidet sich Marina Abramović Haare und Fingernägel ab, um sie zu verbrennen, und wird später durch den Sauerstoffentzug des Feuerrauchs auf offener Bühne ohnmächtig. In Art Must Be Beautiful … Artist Must Be Beautiful … (1975) kämmt sich Abramović im Close-up vor einer Kamera exzessiv die Haare, bis ihre Kopfhaut von der brutalen Behandlung anfängt zu bluten. In der durativen Arbeit Relation in Time (1977) schließlich bindet Abramović ihre langen Haare am Hinterkopf mit denen ihres Partners Ulay zusammen. Insgesamt 17 Stunden verharren die beiden möglichst regungslos, nur einzelne Haarsträhnen lösen sich mit der Zeit. 16 Stunden performen sie allein, die letzte Stunde in der Anwesenheit von Live-Publikum. Eine explizite Aktivierung des Publikums findet sich in Yoko Onos mehrfach aufgeführtem Cut Piece (seit 1964), bei dem sie allein, stumm und regungslos auf einer Bühne sitzt und ihr die Zuschauer✶innen mit einer Schere nicht nur Kleidung vom Körper, sondern auch Haare vom Kopf schneiden könn(t)en. Angesichts der resultierenden vestimentären Entblößung fällt auf, dass die Verund Enthüllung mit Kleidung deutlich reversibler ist als jene mit dem biologischen Produkt Haar, das zum (Nach-)Wachsen viel mehr Zeit benötigt als ein einfacher Garderobenwechsel. Trotz der offensichtlichen Gewaltsamkeit der Entblößungs- und Abtrennungsvorgänge bei Onos Cut Piece wird deutlich – insbesondere mit Blick auf ausgerissene Haare in den interaktiven Performances von SIGNA –, dass ein Schnitt bzw. die Tätigkeit des Abschneidens deutlich weniger schmerzhaft ist als ein Riss und Praktiken des Reißens. Für das (Ab-/Aus-/Zer-)Reißen ist eine phänomenologische Vielfalt festzustellen: Entweder kann man einen Gegenstand entzweireißen, der anschließend als kaputt gilt, oder aber einen Teilbereich von einem größeren Objekt abreißen, welches trotzdem noch Ganzheit insinuiert, beispielsweise ein Haar von einem Kopf oder eine Blüte von einem Strauch. Während die abgerissene Blüte in der Regel auch für sich genommen als objekthaft gilt, nimmt das einzelne Haar, je nach Verwendungszweck, eher einen diffusen Zwischenzustand von Objekt und bloßem organischen ‚Rest‘ ein6 – zumal Menschen und Tiere täglich, auch ohne Reißen, eine Vielzahl von Haaren verlieren und dem einzelnen Haar

 Die pauschalen Überlegungen zum (Nicht-)Objektstatus von menschlichen oder tierlichen Haaren wären weitergehend kritisch befragbar bezüglich ihrer Historizität und Kulturrelativität. In gegenwärtigen ‚westlichen‘ Kulturen jedoch, so die Beobachtung, werden vom Kopf und Körper (intendiert oder nicht-intendiert) abgetrennte Einzelhaare im Allgemeinen nicht aufbewahrt oder für spezifische Zwecke, mit Ausnahme der Forensik, weiterverwendet.

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dadurch kein exklusiver Status zukommt. Wenn Haare trotzdem willentlich ausgerissen und bewahrt werden, so ist entweder ein symbolischer Mehrwert der Tätigkeit des Reißens (z. B. durch den damit verbundenen Schmerz) oder des Haares an sich anzunehmen (z. B. aufgrund der genetischen Einzigartigkeit oder einer mnemonisch-metonymischen Funktion, bei der ein Haar Pars pro Toto für eine Person steht). Die Gesamthaarpracht wird durch das Ausreißen einzelner Haare jedoch nicht signifikant verändert oder gefährdet. Um überhaupt gerissen werden zu können, muss zu reißendes Material zudem bestimmte stoffliche Beschaffenheiten aufweisen, nämlich ein Grundmaß an Fragilität wie auch Flexibilität (Stoellger 2014, 185). Zu hartes und festes Material würde dagegen eher brechen. Brechen und Reißen sind beide, im Vergleich zur geführten Tätigkeit des Schneidens, partiell unkontrollierbare und unpräzise Vorgänge hinsichtlich des zu erwartenden Ergebnisses. Es zeigt sich: Haare zu schneiden funktioniert ästhetisch anders als Haare auszureißen. Letzteres ist unweigerlich mit Schmerz verbunden, denn auch die in der Haut verankerte ‚lebendige‘ Wurzel des Haares wird ausgerissen. „Maßnahmen, die unter die Haut gehen“, bei denen also „körperliche Grenzen verletzt“ (Ensel 2001, 109 f.) werden, sind stets als Eingriffe in die körperliche Integrität zu klassifizieren. Der Ausreißschmerz begründet dabei eine gewisse Exzeptionalität des Vorgangs, d. h. es geschieht in der Regel nicht freiwillig, und verweist gleichermaßen auf eine spezifische Vulnerabilität von Haaren im Verhältnis zum Körper: Haare sind Produkt des Körpers, ohne selbst dieser Körper zu sein. Unterhalb der Haut als der Grenze zwischen Körper und Außenwelt verankert, entwachsen sie dieser. Und zwar ent-wachsen sie dieser entschiedener als die materialiter ähnlichen Fingernägel des Menschen, die über das Nagelbett direkt dem Fleisch der Fingerglieder verbunden bleiben und daher auch im Gegensatz zu den Haaren nicht stets schmerzfrei schneidbar bzw. manipulierbar sind. (Janecke 2004, 14)

Haare markieren somit eine Zwischenposition von Körper und Nicht-mehrKörper, von Belebtheit und Unbelebtheit. Da es sich um ein im Körperinneren entstandenes Produkt handelt, sind sie intimes Material, das nach der Abtrennung vom Körper (zumeist vom Kopf) in historischer Sicht beispielsweise als Talisman unter Liebenden ausgetauscht oder in sogenannten Haarbildern des 19. Jahrhunderts ästhetisch verwertet wurde. Insbesondere bei weiblich gelesenen Menschen ist das Kopfhaar bis heute ein kulturelles Zeichen für Schönheit und Gesundheit. Die mir in der Performance Feberhavnen überreichten Haare mit der intendierten Funktion eines personalisierten Andenkens („Remember me, Katharina“) folgten in ihrer körperlichen Einzigartigkeit zwar gegenwärtig dominanten Kulturlogiken der Singularität und Exzeptionalität (Reckwitz 2017), waren aber aufgrund ihrer materiellen Beschaffenheit, d. h. aufgrund der gerin-

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gen Biomasse und losen Präsentationsform, leider nicht in der mir aufgetragenen Funktion nutzbar: Indem die Haare nicht wie in einem Haarbild materiell gebunden oder wie ein Talisman in ein Amulett gehüllt waren, erwiesen sie sich als nur bedingt transportfähig. Trotz gegenteiliger Intention hatte ich die Haare schon vor Ende der Performance wieder verloren. Die besondere Dynamik, die durch das freiwillige schmerzhafte Ausreißen und ‚Spenden‘ der Haare entstanden war, wirkte und wirkt jedoch über das Ende der ephemeren Aufführungssituation als Erinnerung fort.

Abb. 2: Lizzibeta Wächter (Mareike Wenzel) in einem Behandlungsraum der Einrichtung Laguna. SIGNA: Ventestedet (2014). Foto: Erich Goldmann.

3 Ventestedet (2014): Haarliche Gewalt als Rezeptionserfahrung Für SIGNAs Performance-Installation Ventestedet7 fahre ich zu einem halb verfallenen Großraumgebäude in der urbanen Peripherie von Kopenhagen. Hier befindet sich – so die Fiktion – ein (para-)medizinisches Institut, genauer gesagt eine psychiatrische Einrichtung namens Laguna mit Spezialisierung auf die behauptete Krankheit 3P (kurz für: Persistent Pogonothematic Psychosis oder Panagakos-Syndrom). Das Syndrom, so erfahre ich zu Beginn meines Aufenthalts, äußere

 Die Schilderung bezieht sich auf den Aufführungsbesuch am 28. November 2014, protokolliert von Katharina Alsen.

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sich durch diffuse psychotische Symptome und soll gegenwärtig eine pandemische Bedrohung in ganz Europa sein. Die Performer✶innen spielen Patient✶innen wie auch medizinisches Personal. Besucher✶innen können in Kleingruppen von bis zu fünf Personen anlässlich eines ‚Tages der offenen Tür‘ Einblicke in das Klinikwesen erhalten und sich selbst auf die Krankheitssymptome von 3P prüfen lassen. Dafür wird allen Teilnehmenden weiß verwaschene Klinikkleidung gestellt, die wir statt unserer Alltagsgarderobe tragen. Nach der ersten Hälfte des fünfstündigen Abends sitze ich zusammen mit zwei anderen Zuschauer✶innen im Sprechzimmer der Ärztin Lizzibeta Wächter (Mareike Wenzel) und darf diese genauer zu ihren Arbeitsmethoden befragen. Während unseres Gesprächs kommt ein Patient namens Vlad (Momo Subotic) in den Raum, der immer wieder eng um uns Teilnehmende herumläuft und dabei leise in sich hineinlacht. Ich konzentriere mich auf die Unterhaltung mit der Ärztin und beachte ihn vorerst nicht weiter. Plötzlich spüre ich einen kurzen stechenden Schmerz an meinem hinteren Oberkopf und drehe mich ruckartig um: Grinsend präsentiert mir Vlad drei lange Haare, die er mir soeben ausgerissen hat. Ich bin geschockt und in dem Moment unfähig, kommunikativ souverän zu reagieren. Die Ärztin allerdings beginnt sofort, Vlad lautstark zu maßregeln und zerrt ihn schließlich an einem Arm aus dem Raum. Wohin sie gehen, weiß ich nicht. Ich bleibe stumm sitzen.

3.1 Vom immersiven zum invasiven Theater Es gehört zum ästhetischen Konzept der Performances von SIGNA, dass die Arbeiten nur fragmentarisch erlebt werden können: Keine✶r sieht alles, niemand durchläuft die gleichen Stationen mit gleichen Sozialkontakten zur gleichen Zeit. Ein ‚All-Erlebnis‘ wäre allein schon logistisch unmöglich, da sich die Besucher✶innen nach einer obligatorischen Eingangszeremonie, deren Aufgabe die Einführung in die jeweilige Fiktion und die Klärung geltender Rahmenrichtlinien wie z. B. Kleidungswechsel ist, durchgehend in Kleingruppen oder Einszu-Eins-Konstellationen mit wechselnden Performer ✶ innen bewegen. Von SIGNA selbst werden die interaktiven und ortsspezifischen Arbeiten, die seit den frühen 2000er-Jahren entstehen, als ‚Performance-Installationen‘ bezeichnet, d. h. in einem konzeptionellen Schwellenbereich zwischen Theater und den bildenden Künsten verortet, in dem soziale und ästhetische Praxis verschaltet wird (Häusler, Heyne, Koch u. Prokić 2020, 8). Es gibt keine markierte Bühne mehr, die Besucher✶innen befinden sich mitten im Geschehen und können sich (mehr oder weniger) frei im geteilten Raum bewegen. In der Regel sind pro Abend etwa gleich viele Performer✶innen wie Teilnehmende anwesend, was ein exklusives Spielverhältnis ergibt. Das Skript und die Fi-

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gurenkonzepte werden vorab erprobt, die jeweiligen szenischen Realisationen aber unterliegen der Improvisation im situativen Wechselspiel aller Beteiligten (Nissen-Rizvani 2020). Die Besucher ✶innen werden so zu aktiven Mitgestaltenden der Handlungen im Sozialgefüge der Aufführung. Aufgrund der Gestaltung von solch maximal ‚einnehmenden‘ Umgebungen, in denen die Teilnehmenden multisensoriell adressiert werden und sich Räume und Figuren seltsam hermetisch zu einer Art konsistenter Parallelwelt formieren, sind die Performances von SIGNA in der theaterwissenschaftlichen Forschung zu einem Paradebeispiel immersiver Ästhetiken avanciert. Immersionstheorien haben seit dem beginnenden 21. Jahrhundert interdisziplinär Konjunktur, werden immer weiter differenziert und an vielfältigen, künstlerischen wie außerkünstlerischen, Phänomenen der Gegenwart begrifflich geschult. Während frühe Immersionstheorien zumeist den Vorgang des distanzminimierenden und quasi absorbierenden ‚Eintauchens‘ in eine Umgebung herausgestellt haben, wovon Formulierungen wie „Zustand des Versunkenseins“ (Curtis 2008, 89) oder „kalkuliertes Spiel mit der Auflösung von Distanz“ (Bieger 2007, 9) zeugen, ist es in neueren Beiträgen immer häufiger das Phänomen des (temporären) ‚Auftauchens‘ statt Eintauchens, das genauer in den Blick genommen wird. Bei dieser Fokusverschiebung geht es somit vermehrt um Irritationsmomente, bei denen ein Einfühlen und Sich-Verlieren in der Situation nicht konfliktfrei gelingt (Mühlhoff u. Schütz 2017, 7 f.; Häusler, Heyne, Koch u. Prokić 2020, 26 f.). Dahingehend zugespitzt ist meine These für die Performances von SIGNA, dass es nicht auch, sondern gerade Irritation und Verunsicherung (wirkungsästhetisch) sowie intendierte Übergriffigkeit und Überschreitung (produktionsästhetisch) sind, welche die spezifische Ästhetik begründen. Deshalb schlage ich alternativ zum Immersionsbegriff die Bezeichnung ‚invasive Performance‘ vor. Invasivität, die immer auch eine (potenzielle) Gewaltsamkeit impliziert, ist in diesem Kontext mehrdeutig: Das Eindringende funktioniert als makroräumliche Invasion, erstens indem Besucher✶innen mitten ins Setting eintreten, statt räumlich von der Bühne getrennt zu sein, zweitens indem alle Beteiligten in die Safe Zones bzw. körperlichen Nahbereiche und Intimdistanzen der anderen vordringen können. Drittens ist das Invasive im mikroräumlichen, medizinisch ‚minimalinvasiven‘ Sinne zu verstehen, indem situative Handlungen – wie das Haareausreißen – auch buchstäblich ‚unter die Haut gehen‘ können, also über Körpergrenzen hinweg bis ins Körperinnere wirken. Die Modulation von Intensität bei dieser konzeptionell verankerten Übergriffigkeit und Transgressionsdynamik ist bei SIGNA insbesondere an zwei Faktoren ablesbar: zum einen an der (Illusion der) Singularität der Erlebnisse, d. h. einer personalisierten Ausrichtung der Sozialbegegnungen von Performer✶innen und Besucher✶innen. Statt dramaturgisch bloß als anonyme Masse bedacht zu sein, werden Teilnehmende einzeln und (vermeintlich) individualisiert adressiert. Der

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gegenwärtige Appeal einer solchen „sozialen Logik des Besonderen“ als das, „was als nichtaustauschbar und nichtvergleichbar erscheint“, ist von Andreas Reckwitz (2017, 11) kultursoziologisch beschrieben worden. Das bedeutet: Wenn Erlebnisse im Kunstrahmen individuell zugeschnitten werden (oder zumindest so erscheinen), kann das Erlebte den Einzelnen viel stärker treffen bzw. ‚angehen‘. Wenn der Eindruck eines tatsächlichen ‚Gemeintseins‘ der Einzelperson gelingt – zum Beispiel durch die persönliche Übergabe von Haaren als Andenken mit Nennung meines Vornamens bei Feberhavnen –, so wirkt das Erlebte maximal intensiv (nach). Zum anderen ist es, wie bereits erwähnt, gegenwärtiges Novum, dass Besucher✶innen sich selbst einem realen Risiko aussetzen und im Rahmen konfrontativer Performances wie bei SIGNA ernsthaft versehrt werden (können). Der Kunstraum ist kein Safe Place mehr und der implizite Kontrakt der Unversehrtheit als vormals unhintergehbarer Kontrollrahmen fragil geworden (Schaub 2018, 170). Es gibt in Performances von SIGNA teilweise noch deutlich schmerzhaftere und gefährlichere körperliche Angriffe unter den Performer✶innen und auf Besucher✶innen, die über das Ausreißen von Haaren hinausgehen – beispielsweise durch Schläge, Anrempeln oder Elektroschocks mit sogenannten ‚Viehtreibern‘.8 Im Gegenzug ist die symbolische Aufladung der (auf den ersten Blick) geringen körperlichen Läsion ausgerissener Haare aber umso dichter.9 Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass es für Besucher✶innen bei SIGNA situativ kein explizites Consent Management für die Form und Intensität von Übergriffen gibt, ebenso keine Triggerwarnung vorab (außer der vom Theater in der Regel kommunizierten Altersbeschränkung ab 16 oder 18 Jahren) und kein Aftercare-Angebot im unmittelbaren Nachgang der Performance stattfindet (außer dem mit deutlichem Zeitabstand stattfindenden Publikumsgespräch am Ende der gesamten Produktionsphase).10 Die jeweiligen provokanten, gegen Besucher✶innen gerichteten Aktionen, so ein wiederkehrender Rezeptionseindruck, sind bei SIGNA häufig gerade darauf ausgerichtet, Personen aus ihrer individuellen Komfortzone zu entlassen und dahin zu gehen, ‚wo es wehtut‘ und wo (äußere wie innere) Grenzen überschritten werden – aber das Maß des Erträglichen in letzter Konsequenz noch gewahrt wird.

 Ein eindrückliches Erinnerungsprotokoll zu Übergriffigkeit gegen Besucher✶innen bei SIGNA im Changierspiel zwischen Intimität und Gewalt findet sich auch bei Prokić 2020, 37 f.  Inwiefern Haare geschlechtlich codiert sind und somit in den Bereich der gegenderten bzw. sexualisierten Gewalt fallen, diskutiert weiterführend z. B. Künzel 2004.  Zu internen Sicherheitsvorkehrungen und -codes unter den Performer✶innen von SIGNA, die ernsthafte Verletzungen auf allen Seiten verhindern sollen, aber den Besucher✶innen zugunsten einer überzeugenden Fiktion nicht aktiv kommuniziert werden, schreiben Häusler und Prokić 2020.

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4 Risse im Rahmen: Über den Kontrakt der Unversehrtheit hinaus Als Fazit und Ausblick ist festzuhalten: Es handelt sich bei trichotillotechnischer, d. h. Haare ausreißender Kunst um mehrfach codierte invasive Strategien der Performances von SIGNA, die den Teilnehmenden im Gestus der Überschreitung und Übergriffigkeit radikal nahekommen und dabei bis ‚unter die Haut gehen‘. Für eine Analyse der damit verbundenen Irritationen, Verunsicherungen und Widersprüchlichkeiten haben sich neben dem Rückbezug auf historische Vorläufer der Body Art und die Genese künstlerischer Selbstverletzung vor allem zwei Erklärungsansätze zum Paradox schmerzhafter Kunst als hilfreich erwiesen: die Theorie der reichen Erfahrung und die Theorie der Schmerzkontrolle. Insbesondere am Beispiel von ausgerissenen Haaren als Ergebnis einer exzeptionellen, schmerzhaften Tätigkeit einerseits und als spezifischen (nicht mehr) körpergebundenen Objekten andererseits wird ein Wechselspiel von Intimität und Gewaltsamkeit ablesbar. Individualisierte Attacken auf die physische und psychische Integrität von Besucher✶innen, sei es qua Zeugenschaft oder selbst als Adressat✶in von Gewalt, stellen den impliziten Kontrakt der Unversehrtheit im Kunstrahmen infrage und nutzen Transgression als zentrales ästhetisches Verfahren. Damit, so wäre weitergehend zu untersuchen, liefern die Arbeiten zugleich Anknüpfungspunkte für die produktive Verschränkung von ästhetischen und politischen Befragungen der Gegenwart, zum Beispiel zu Mechanismen von Manipulation und der Herstellung, Aufhebung oder Perpetuierung gesellschaftlicher Machtasymmetrien. Indem so verstandene invasive Performances den theatralen Kontrakt, der zwischen Spiel und Ernst unterscheidet, partiell/temporär verunsichern, unterbrechen oder aussetzen […], entstehen Zonen der Unentschiedenheit und nicht zuletzt Möglichkeitsräume sozialen, gesellschaftlichen (Ver-)Handelns. (Häusler, Heyne, Koch u. Prokić 2020, 34)

Künstlerische Arbeiten Feberhavnen. SIGNA und Corpus/Den Kongelige Ballet. Performance-Installation. Kopenhagen: Det Kongelige Teater, 2.–15. Mai 2015. Ventestedet. SIGNA. Performance-Installation. Kopenhagen: Republique Teater, 13. Oktober–14. Dezember 2014.

2 Trichotillotechne

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3 Review of the exhibition “Hair: Untold Stories”, Horniman Museum & Gardens, and Interview with Curators Emma Tarlo and Sarah Byrne Horniman Museum & Gardens, 8 April 2022 The exhibition “Hair: Untold Stories”, which takes place at the Horniman Museum & Gardens from December 2021 until June 2022, is mounted and curated by Emma Tarlo, emeritus professor of anthropology at Goldsmiths, University of London and Dr. Sarah Byrne, lead curator of the Horniman. The exposition reflects upon the function of hair in society today and in particular the COVID-19 pandemic, but also on the fibre itself, its physical properties and the possibilities of renewal connected with the materiality of hair. The show furthermore aims to analyse the economic interconnections between hair and its trade, by bringing together history, politics and science. Finally, the exhibition is first and foremost a tale of untold stories, whether coming from Forest Hill barbershops or from remote Australian tribes, and seeks to highlight the power that community engagement has in entangling, interconnecting and revealing compelling hair narratives, which may unintentionally mirror and touch upon our own everyday reality. The Horniman Museum is surrounded by luxuriant gardens in the South of London. The building almost merges into the green space that encloses it. When accessed from London Road, the museum is deftly camouflaged by the towering trees and otherwise blooming vegetation in front of it: the Horniman appears just as much a place for recreation and leisure as one enclosing beauty and history. Located in the neighbourhood of Forest Hill, the museum can rely upon a diverse and engaged audience; as remarked by curator Sarah Byrne, the Horniman prides itself on its community commitment and regular visitors, who come to the exhibition spaces on a weekly, if not daily bases. Admittance to the special collection “Hair: Untold Stories” is free of charge and the exhibition takes place on the lower ground floor. When arriving downstairs, one is at once struck by an unexpected absence of silence: the entrance is noisy, almost chaotic, in stark contrast with the deferential, quiet and awe-inspiring ambiances usually associated with museum experiences. Visitors appear to be mostly families, large groups of friends and restless children that find in the exhibition a moment for relaxed entertainment. A mother is playfully braiding her daughter’s hair into plaits; two friends are whispering and giggling intimately in a https://doi.org/10.1515/9783110776461-004

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corner; several prams are occupying the main hall, almost threatening obstruction to the very entrance of the exhibition (see Fig. 1), a party of five young men are idly strolling along the main hall, engaged in loud conversation. From the very first glance, the collection arrangement connotes the exhibition “Hair: Untold Stories” as a space not just to observe and learn, but also to inhabit and experience. There are two collections on hair, that are located in two communicating rooms: first, a sizeable staircase directly introduces the visitor to a large, airy hall whose walls are covered with photographs that capture London’s unique and diverse hairstyles (see Figs. 2 and 3). It is the photography series “Cult Hair by INFRINGE”. This large room then leads to a significantly smaller and more intimate secondary hall, where the material of “Hair: Untold Stories” is actually collected and exhibited (Fig. 4). I will now dwell on selected pieces of the collection and try briefly to address what I believe to be the show’s main assets. This general overview will be followed by an engaging interview with Professor Tarlo and curator Dr. Byrne, with the aim of shedding light on some of the most peculiar and compelling artistic choices behind the exhibition. The pieces I will now consider firstly touch upon the materiality of hair as a fibre; then scrutinize the functionality of hair and its spaces; and finally deal with human losses and discrimination. The show is divided into three main sections: “Hair as material”, which focuses on hair as a fibre; “Hair care”, which centres on the daily function of hair and features the installations of a barbershop and a wig shop; and “Entanglements”, which deals with both the intrapersonal and interpersonal qualities of hair and its relationship with social expectations and religious beliefs. One of the most unique features of the exhibition is certainly the setting of a series of captions that completes each piece of the exposition: in fact, the accompanying plaques display open questions directly addressed to the visitors, rather than didactic and informative texts (see Fig. 5). This choice appears to have two main functions within the economy of the show: on the one hand, to pull away visitors from their passive role as simply viewers by bringing them to critical reflection. On the other hand, to plunge them deeply into the long gallery of objects by asking them for a contribution. At the entrance of the show, the visitor is greeted by one of the most emblematic pieces of the collection: Jenni Dutton’s “Blond Hair Dress” (see Fig. 6). Having a dress made of human hair as first piece of the exhibition immediately tackles fundamental issues related to hair, namely its ambiguous status as dead matter which reaches beyond the flesh and that attracts as much as it can repel. The dress, whose hair was collected by the artist in a plastic bag over the course of six months, promptly interrogates the viewer with an open-ended query which comes along with its exhibition plate: “Who owns hair once it leaves our head? How does a dress made of human hair make you feel?”

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The show then physically addresses the quality and nature of the fibre, by inviting the public actually to stroke strands of hair in the installation “Can you guess the fibre?” (see Fig. 7). The value of this ‘empirical’ passage is not to be underestimated: what was simply alluded to by the presence of the hair dress is then reasserted and bodied forth by the concreteness of the tactile experience that this interaction requires of the visitor. The same tactile procedure is prompted by the “Properties of Human Hair” panel (see Fig. 8), which by means of a long braid highlights the qualities and material features of hair. Hair is indeed a naturally lightweight fibre, but what the casual visitor may discover are its ability to absorb oil, its recyclability, flexibility and powers of thermal insulation. By raising awareness about the properties of hair, the exhibition aims on the one hand to reduce waste and tackle environmental issues, and on the other hand to confront its public with the ‘strangeness’ of hair once it becomes detached from its source, by exhorting the visitor to adopt a different and more conscious perspective towards the fibre. Hair as fibre is here fully framed as a renewable material. Under the section “Hair care”, two installations, a barber shop and a hair shop, face each other in what is arguably a too limited hall section (Figs. 9 and 10). The main assets of these two stations, which only in part aim to replicate faithfully the interiors of hair-dedicated shops, are the engaging sets of multimedia tools that are employed to ‘narrate’ hair stories: whether commercialised, fetishized or sexualised, hair always possesses a strictly intimate nature and through these human tales it is possible to successfully address core issues linked to gender, identity and beauty norms. If the wig shop deals with the human hair trade, with its ‘travelling stories’ of hair (in this vein, the big map on the hair trade, almost disproportionally widening on the right wall of the first section, proves even more informative, see Fig. 11) and with the intimate nature of hair shops, similarly the barbershop installation tackles the nature of a communal space where individual stories made of fears, hopes and expectations can merge. The exhibition effectively opposes the economic reality of hair, constituted of displaced factories and underpaid black work, and the renewed vitality that hair acquires through individuals’ emotional projection on each lock of hair. With the support of audio-visual devices, the barbershop installation tells stories that reflect the daily struggles and achievements of customers of four barbershops in North London, where its videos were shot. It also tackles the ever increasingly urgent need to transform hair shops into social spaces rather than money-driven businesses, as demonstrated by the “Open Barbers” initiative in Hackney, London. “Open Barbers” was founded in 2011 by Greygory Vass and Klara Vanova after their struggles in accessing gender-affirming haircuts and offers a service “for any hair length/type, welcoming all genders and sexualities”.

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Lastly, the third aspect I will dwell on is the final segment of the exposition, which centres on personal and social hair entanglements, highlighting the relationship that hair entertains with dissent and conformity, with social expectations and (religious) beliefs. This section welcomes visitors with the following questions: “Do you feel pressured to wear your hair in a particular way? Have you ever experienced hair discrimination? Have you ever donated or received a gift of hair, or kept it as a memento?” By interrogating their public on the value of everyday hair exchanges and on the complex intimacy that can be created with hairy materials, Tarlo and Byrne inquire into our daily coexistence with hair problems, whether or not hair actually remains attached to the body or becomes a reified external entity – that is, something other than us. Both “Hair Balls for All Seasons” and the portrait “The many faces of Alopecia” cogently represent this ambiguous and personal connection. The former piece displays locks of hair and collects the feelings and impressions of customers of the Hacketts Salon in North London after receiving a haircut. The latter presents a collection of photographs of Saskia Rossi, a community fieldworker, who openly shares her struggles with alopecia-induced hair loss and her complex relationship with wigs during the COVID pandemic (see Figs. 12 and 13). Rossi’s words, which are captioned for the photographic session, reveal how an unexpected and problematic situation such as lockdown and working from home could actually help normalize her own perception of alopecia. She shares: “Lockdown and working from home means my wigs have been packed away. There are some days when I don’t want to be seen but mostly it’s felt freeing just being me”. Her experience is echoed (physically and emotionally) by other stories of hair loss, which are shared through the Community Fieldworkers’ Hair Lockdown Stories, an eighteen-minute video. Together with several other tales, these shared experiences are the outcome of a carefully orchestrated exhibition, which makes the most of the restricted space at its disposal to highlight, through a cornucopia of pieces, the infinite shapes that hair can take and the endless entanglements that a single fibre can generate. The deft use of multimedia tools and the only apparently chaotic disposition of the material lends the exposition a reassuring sense of intimacy and familiarity, thus offering the enjoyment of the space to a wide-ranging public. However, the greatest strength of the exhibition is perhaps the absence of a clear interpretative key that might coherently account for the ambiguous reality of hair: the fibre is unveiled in its most controversial facets and left open under public scrutiny, without the aim of unravelling its mysteries and resolving its contradictions, leaving the viewer to sort out their personal ‘hairy affair’ on their own.

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Fig. 1: Prams at the entrance of the Gallery square, lower ground floor.

Figs. 2 and 3: Gallery square, lower ground floor: Photographs that capture London’s unique and diverse hairstyles. The photographs are part of “INFRINGE’s Cult Hair”, i.e. a photography series which celebrates hair unrestrained by mainstream beauty standards. Devised by INFRINGE’s editors-in-chief Anthony and Pat Mascolo, this series is brought to life by Photographer Panos Damaskinidis.

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Fig. 4: “Hair: Untold Stories” collection, The Studio – off Gallery Square, lower ground floor.

Fig. 5: “Hair: Untold Stories” entrance.

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Fig. 6: Jenni Dutton’s “Blond Hair Dress”, 2003.

Fig. 7: “Can you guess the fibre?” Installation.

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Fig. 8: “Properties of Human Hair” Panel.

Figs. 9 and 10: The Hair Shop and the Barbershop (a partial recreation of the barbershop in the Migration Museum’s Room to breathe exhibition).

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Fig. 11: “Mapping the Hair Trade” Panel.

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Fig. 12: “Hairballs for All Seasons”, Emma Tarlo 2018 in collaboration with clients from Hacketts Salon.

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Fig. 13: “The many faces of Alopecia”, Saskia Rossi, Community Fieldworker.

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A Conversation on Hair with Emma Tarlo and Sarah Byrne Elena Casanova Horniman Museum & Gardens, 9 April 2022 I: Emma and Sarah, thank you for being here with me today, and thank you for your great exposition at the Horniman Museum. 1. I: Sarah, you are a Senior Curator of Anthropology with a focus on Oceania; your main research interest is material culture coming from the Pacific Islands and throughout your career you have also collaborated with the British Museum. How is this exhibition different from others you have contributed to in the past and what are the biggest challenges in comparison to those previous experiences? Emma, what is it about hair that prompted you to devote such a big part of your academic career to this topic? And what convinced you to merge your anthropological research into an art exhibition? S: This is the first time I have led an exhibition in a studio space, which was always supposed to be a more collaborative environment: we wanted to curate an exhibition in conjunction with our communities and to focus specifically around our selected content. The overarching idea was thus to provide a lot of collaborations within any exhibitions we mounted. This is actually one of the first exhibitions the Horniman Museum has opened to the public that focuses on collections. Initially, Emma sent us her proposal and we personally thought that hair was such an important and relatable topic: it could have also diversified our audience and brought different narratives together. We knew there was a lot of potential in the collection, just like we knew there were a lot of contemporary artists working on hair. Then, of course, Emma’s expertise was key to start the project. We did not want to have too many objects within the collection, but rather a balance between anthropology art and contemporary narratives, so that people would go in and feel like our exhibition represents their story today; all this coupled with a solid historical and artistical background. It was exciting to balance all that. We had fun thinking about contemporary narratives and purchasing new objects: not just historical collections, but also new relatable, everyday objects. Therefore, it [the success of the exhibition] was not just Emma translating directly her experience in the exposition, nor was it just the richness of Horniman’s main collection, nor was it simply the merging of many contemporary stories today. Rather, it was a mix of all these three things at once. It was a real collaboration.

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E: Yes, it really was. Keeping that balance was a key point, especially since the collection hall is quite a limited space. As for my research on hair, it was never disembodied, but rather materially embedded from the start. Hair is a seductive, strange kind of presence. From the very beginning, I was engaged in hair through its physicality and due to the extraordinary range of contexts that hair could take me to if I started ‘following it around’. Then I got interested in playing with the fibre itself, especially after understanding I could make several things with it: I collected my cat’s hair and made a necklace out of it, for instance. Almost unconsciously I started collecting bits (of hair) together and having the growing desire to portray all this artistically, somehow: a desire to communicate outwards my interest of it. I was accumulating visual resources and taking several photographs, therefore I felt that, in a sense, I had to do an exhibition. 2. I: Sarah, what does hair represent to you and why did you decide to collaborate with Emma on such an engaging project? Emma, how did you two meet and what brought you to collaborate on this project? S: Honestly, hair was not a topic on my radar, but the idea of working with Goldsmiths (University) with the help of an expert was making me keen on participating to the project. I had not been researching on hair and, overall, that turned out to be a benefit: the first three months, you can imagine with Emma and her passion for hair … I was seeing hair everywhere! For the first time I wanted to learn about the hair trade and I caught myself reflecting on the power of hair and how we invest in it. The first three months were really key to get a passion for it. One of the biggest challenges was to think thoroughly about our collaborations: it was not a straight academic translation of a theme into an exhibition, and we had to consult many collaborators. I landed on that side of the work. E: While I was working on hair, I started a collaboration with my hairdresser in the Hacketts Salon in London. I always go to the same hairdresser and I had this idea of collecting people’s hair in the moment they are having their hair cut in the salon. The customers shared with me what they were feeling in the moment of the cut: anxieties came out more than anything else, you know. Anxieties about the hair colour, about hair thinning, about it being curly when they wanted it to be straight. Anxieties and prejudices. After this collaboration with Susan Hackett, I was desperate to find a home for some of this hair material, thus I approached the Horniman Museum. They showed interest in my work and Sarah eventually got appointed as curator of the project. The funny aspect is, when I showed Sara some of my previous works on hair, she mentioned she had a cousin in Primrose Hill, and it turned out it was my hairdresser!

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3. I: What were the biggest challenges you had to face for this exhibition? What principle – if any – guided you in mounting the exhibition? S: I had some clear principles in mind. I wanted to make sure to be consulted on everything we showed, even though there were some areas that, due to Covid, we did not consult about with as much depth as I would have liked. Another principle for our exhibition was not to include too much cross-cultural display: surely, we wanted some solid anthropological content, but we also aimed to gather substantial community engagement. The Horniman Museum is a very family-focused institution and I was really keen that we could devise the project directly with schools. This collaboration came with a lot of challenges, e. g. initially we thought of having students go into London salons and interview families and salon owners. However, when Covid hit, those salons closed and there was a diffuse fear of touching and meeting up, thus this specific project became a complete impossibility. We had to rethink the whole exhibition experience! A lot of our choices were done on Zoom … E: And no face camera was allowed! S: Exactly! I had to coordinate this project (on Zoom) with schoolkids which focused on storytelling and I don’t even think the students could see themselves. Unfortunately, every school has different policies about cameras. E: So, imagine: you are dealing with these intimate hair fibres and you end up doing this workshop on Zoom without even seeing at any point the people you are working with. This process of inclusion was therefore complicated, but we knew that community projects and schools had to be part of the exhibition, as general rule. 4. I: Did you have a specific target in mind for this exhibition? Did you receive any special feedback after the opening of the hair exhibition and how did you react towards negative feedback (if you received any)? Did it make you think you could have done something different? S: Overall the feedback has been extremely positive, particularly on social media, e. g. on Instagram. Through the posting activity, a lot of conversation on hair started, but also among friends and family groups through the exhibition experience. Very often between visitors themselves: I have seen people in the museum having deep conversations with each other (on the hair matter), which is very nice! E: We did not want to provide a didactic take, but rather try and provoke thought through questions in our way of framing the exhibition and by the means of ex-

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planatory panels. As for the target, we are aware that our museum has a family orientation: we wanted to be able to engage with this type of public, but at the same time we did not want it to be an exhibition exclusively for children. We aimed to engage adults and their families, of course: there are spaces where children can interact freely with the installations, e. g. the barber shop. Funnily enough, the intention of the barber shop was not to be a fully interactive kids’ space, but apparently it was perceived, and then used that way. You can never predict! (laughs) Children do believe it is a real shop. As for the negative feedback, there was one visitor from a Jewish background who expressed disappointment for the lack of explicit content on the Holocaust in the exhibition. We took some trouble in explaining the reasons behind our choice: we felt that with the combination of it being a family exhibition and of the sort of material we were juxtaposing, if we were to refer to such an emotive topic as the Holocaust, we would have definitely needed more space. Additionally, we could not have just juxtaposed Holocaust up with some sort of playful content related to recycling, or, well, to any other amusing topics. It would be diminishing. I have written about the connection between hair and Holocaust in some of my writings and we were obviously aware of its absence as a topic, but it was a deliberate choice not to include it. We did not feel it was appropriate in this space, in this context, in the light of the other projects we were displaying. For me one of the things that is important to come out of the exhibition is that people could learn about other people’s experience as well as their own’s. The most rewarding feedback was when I was told by a female visitor that she came to the opening of this exhibition with no idea of what to expect from it, and that it totally surpassed anything she could have imagined. She felt the issues were sensitively shown and their arrangement helped her to better understand discrimination, or the sense of loss connected to losing hair. That is the kind of response you wish to receive! You do not just learn about your own hair and yourself as a person, but also about others, which is something an anthropological take clearly has to offer. 5. I: Looking at the exhibition space, the main hall surprised me for its emptiness, almost a space where people can meet and enjoy their free time together, in comparison to the rich and cornucopian space of the secondary hall, where the hair material is actually collected. Is there an invisible contribution made by spatiality towards this exhibition and if yes, how does it enhance the power of hair? S: Yes, I suppose the main hall and the collection hall are two very contrasting spaces. We needed something in the main space that could bring people into the hair exhibition: that was the biggest purpose of the main hall fringed with very evocative and challenging images. As for the collection room, we knew there was a lot of content to be exhibited. Honestly, we were really restricted by the size of

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the space, which was perhaps a problem for many of the people involved, e. g. community workers, who felt the space was not enough. But I think that in the end there is an intimacy in it. We were right to push for more stories and content in such a small hall: we, at the Horniman, are not an art gallery! We are committed to reflecting our communities and bringing our collections alive. So that, if that is done in quite a rich overlapping (of materials), I find it good. 6. I: Due to its status as dead matter that reaches beyond the flesh, hair seems to have constantly a new life. Part of your exhibition is devoted to the recycling possibilities that are linked to hair; could you talk more about them and about the phoenix-like characteristics of hair? E: I think this goes back to the challenge of doing an exhibition on hair. You want your audience to feel the strangeness of hair: both its attractive and repulsive status. It is detritus, it is waste, it is organic matter, it has got that strange life quality. Our decision of placing a hair-dress (a dress made of hair) at the entrance of the exhibition tries to confront immediately the visitors with the dual nature of hair, whether you love the dress or you are horrified by it. At the same time, we did not want to disgust people to such an extent that they walk out of the exhibition! We had to find a balance. The recycling aspect of hair is quite interesting to display within the exhibition, since it enables people on the one hand to encounter displaced hair they might be normally repulsed by, if they see it in their plug-hole. On the other, to think of it in a different way, as a potential resource (as we tried to tackle with animal fibres of the collection). We wanted people to explore the strangeness of hair and then to engage with it physically as a fibre. The recycling issue is crucial because we are generating massive amounts of hair that are going to the environment, even though we are not doing anything with them. So that there is a futuristic aspect in reflecting on this issue: what could we be doing more usefully with them? I believe that introducing people to this question is both challenging and necessary. 7. I: How can hair at the same time threaten, in a way, the integrity of the body and be essential to the integrity of that very same body? E: Because it is both part of us and other matter than us, it roots from inside but also falls out or can be chopped off. It is detachable. This ambiguous state and all its implications are something early anthropologists were very interested in: if you look at cultures around the world hair has always been used for multiple purposes, e. g. to create objects with hair, which at the beginning was attached to your body and then got detached. You can manipulate hair in so many different ways. However, we do not explicitly address this quality of the hair in the exhibition, as Sarah was keen not to (looks at Sarah with amusement).

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S: It is not that I did not want to do it. It was more a matter of space: where do we put this material? So yes, this narrative did get dropped off. However, I believe it is interesting to think about where hair falls in legal terms. The whole issue is a grey area: is hair alive when it is taken off? The same ambiguity applies when you find hair to use for your collection but you do not know its origin. If you think it might come from somebody who has deceased, then you cannot show it; otherwise, you need a specific license to display it. I find this legal framework quite an interesting issue to explore. We had to check, for instance, all the objects we had at our disposal for the collection and verify their license. Otherwise, we should have applied for one. E: Additionally, marketing of cats and dogs’ hairs is forbidden, whereas for human hair there are no barriers. It is very interesting to inquire into this kind of ambiguous legal territory that hair takes you into. On our part, we do include hair as human remains in our exhibition and we do not consider it something separate. 8. I: Emma, the title of your exhibition “Hair: Untold Stories” stresses the word ‘story’. Could you talk about this specific choice of substantive, which sounds almost more inherently related to hair itself rather than to the people sharing their experiences on it? Even by reading your book “Entanglement. The secret Lives of Hair”, I had the impression of being literally entangled in several different stories and human experiences with hair as the main character. Furthermore, you just now used the expression “find home for some of this hair material”. Could you please explain this personification of hair and what are the reasons behind it? E: Certainly, my whole research project was designed around the idea of following the hair somehow, and for me to find an appropriate form in which to write a book on hair. For my book, I definitely thought of hair as the absolute protagonist, since it is the story of hair, which leads the reader to many human stories. I suppose that, in a way, we followed the same process in the exhibition, didn’t we? (looks at Sarah) It is the role of the hairy objects to introduce our installations. In past exhibitions, I did personify hair even more explicitly, for instance by displaying wigs with imagined voices and by letting the hair narratives being told and shared by the wigs themselves rather than by the persons wearing them. I think Sarah thought this would have definitely been inappropriate for the Horniman Museum. (laughs) S: We wanted something different for the Horniman, since we knew that we were lucky enough to collaborate with people who could tell their own stories and intimate experiences. Nevertheless, throughout the exhibition Emma definitely pushed for keeping a focus on the material, whether that happened consciously or subconsciously. The hair is actually leading the exhibition!

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E: Yes, it enables the hair material to connect naturally without having rigid explanatory sections for the visitors, and it keeps the fluidity. Thinking back of my book, I believe that having hair as my focus and protagonist is exactly what enabled me to write: it gave me a license to enter certain spaces where otherwise I would have felt I did not have a right to be in, or a right to speak about. The hair was both a legitimate way in and a connection point with the people I was meeting. It might have been difficult to do my research otherwise! I had permission through the hair. Thank you, hair! (laughs) 9. I: Hair is fundamentally characterized by its precarious and mutinous materiality, which subverts conventionalized dichotomies between the passive and the active. Was this subversion of activity and passivity in the spectator something you were searching for when preparing the exhibition? I am especially thinking about the section of the exhibition dedicated to listening to human experiences through recorded tapes and the final installation, which asks for an active participation. Was this project a proposal for the audience to partake the dichotomic nature of hair? E: We wanted for the exhibition to be interactive and active in provoking thought and conversation between people. I think that if it had not been for the Covid outbreak, it all would have been way more built-in and interactive. At the time of mounting the collection, we did not even know if we would have been able to open the exhibition to the public. Thank goodness we did! S: Yes, Covid overruled everything. E: I could not even come physically at the Horniman, we had to meet on Zoom! S: Sometimes we were making crucial decisions about the exhibition only by seeing pictures of the material and it is indeed extraordinary to coordinate things this way. We were preparing this heavily material-focused exhibition and we had to do it at a distance: from hair, from everything! We were not even seeing the objects we were purchasing! (laughs) We were literally dying to see the material first hand! E: However, we definitely wanted the audience to engage with the physicality of hair and its strangeness and we did manage to do that, at least to some extent. 10. I: It is true. And you have sections entitled “Can you guess the fibre?” and “Properties of human hair”. Those are two sections which bring the visitors in direct contact with the materiality of hair. More importantly, with the hair of others. What prompted you to create these sections?

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S: People had to relate viscerally with the exhibition and we wanted for our visitors to touch the material and connect freely with it. However, the Horniman has so much young audience that we still need to be careful, because otherwise things might get destroyed! We decided to display objects that this young audience can interact with and that may be exposed to the public without problems. E: Once I saw a child who appeared too afraid to touch the material and I tried to encourage him by saying: “You know that hair is really, really strong, don’t you? You can touch it”. But I immediately regretted saying that, since the kid started pulling and pulling the hair material to the extent that the (installation’s) furniture was moving. That was extreme. 11. I: Emma, could you talk about the project “Hair Balls for All Season 2018”? Earlier in the interview you mentioned it briefly. I believe you had regular clients at Hacketts Salon offering you some of their cut hair and voicing to you the feelings that were connecting them to it. E: That experience really did develop spontaneously. Hacketts is a salon I have been going to for years. I was fascinated by the fact that most of us deal and relate to loss of hair differently. Feelings can be quite ambivalent in that regards, especially since it is a process you cannot totally control. Hair can be a problematic part of our body: in fact, even though it is one of the parts we try to manipulate the most, it still remains a disobedient fibre and it doesn’t necessarily do what we want it to. I was fascinated by the idea that salons witness this materiality falling off people’s body and getting swept up: I aimed to use hair to stimulate a conversation. Clearly, I was not physically present in the salon all the time, but I could collect people’s hair in a bag with the name of the person it belonged to and a personal comment (of the hair’s owner). These comments contain the narratives of different people: for instance, there is a specific message I have in mind from a man talking openly about his hair loss. He was preoccupied with hair loss every minute of his day and he was doing a public-facing job. His hair loss dominated his life but he decided to write this intense narrative (about himself) to somehow come to terms with this fear. That is why we feel this responsibility: each hair ball was aimed at pulling out the essence of something really emotive which was coming out of their messages. Because things were developing in an interactive way, and because we could count on the help of the community engagement, everything worked out very well. I do believe that working interactively enables you to be open to fight for things to emerge in ways that you would not necessarily expect. Once I had this collection of hair ball. I had many sleepless nights trying to imagine how to display it at the exhibition! (laughs) Luckily, I got across this piece of furniture, a cabinet with a mirror in

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the back: it was just great for the hair ball! We decided to use only first names of individuals: the hair you see displayed is not simply a disembodied substance but it reexplores the intimate connection it once had with the person. At a first glance you can observe the hair and its incredible variety, then afterwards you look up and try to connect it to a particular individual and to a personal experience through the names displayed. For the person who featured in the installation, it is an opportunity to see themselves externalized. 12. I: I would like to discuss now with you the presence of the hair shop and the barber shop within the exposition: spatially, you took the decision to locate them next to each other. In your opinion, what links these two places to one another, respectively the one where you lose your hair and the one where you acquire/ purchase them? Was it a deliberate choice to place them in close proximity? S: Honestly, it was a necessity of space. We needed both female and male perspectives in this exhibition, since we did not want it to become an exclusively female space. Actually, we had to work a bit harder in order to gather working material around men and their hair, particularly hair loss. It was fairly difficult to collect male accounts on hair loss, contrary to women, who were more willing to share their experience on the same topic. The barber salon was supposed to be a social space, where visitors could interact. As for the hair shop, I would say that its proximity is not ideal and it is due to space issues. I do not think it does not work either, but certainly if we had a bigger space … I: I personally loved it. S: Did you? Interesting! I think if we had a bigger hall, we could have given both places more room. E: Well, the barber shop and the hair shop are both interactive and they grew together. They told us we would have to recreate literally a hair salon but we did not want to do such an installation. Actually, there were some anxieties about the coexistence of these two spaces, which are in fact very different: the barbershop could have represented a heavily male space and some people might have been unhappy and concerned about that narrative being closely associated with the wig shop. We did not even want to create a binary and gendered space: for a lot of people, hair salons are a difficult space to be in, in the sense that they can be gendered. We wanted to have the two installations in our exhibition as a gentle nod to say: “please remember that for several people some spaces can be confronting”. Clearly, we also wanted to celebrate the community aspect and the camaraderie that permeate wig shops and hair salons alike, but it is important to remember that for some people they could be challenging spaces. As for the two

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in conversation, I do not think we talked that much about it. We knew they had to be located in that space and that they represented two different things, but honestly, if we could have found a way to set them apart, we definitely would have done it. 13. I: There are two further installations I would like to discuss with you. The first is “Mapping the hair trade”: the exhibition brings together history, politics and science but also the economy of hair. Emma, in your book you discuss economical interconnections. For instance, you argue that when the bob became fashionable in Europe and in America, it caused unemployment in the Shandong province, since the hairnets demand decreased. Why is it so important to tell the ‘travelling story of hair’? The second installation I would like to consider is the “Anatomy of the wig”, where you have highlighted all the details and inner components of the wig as an artefact. It seems to me that the installation somehow ‘exposes’ the wig. Why did you decide to unmask it? And how would you define the role of the wig? Should it hide, should it reveal, should it alter or should it become more natural than hair itself, as is the case for the sheitel? S: This makes me think of another negative feedback we received on social media: a person remarked that we did not showcase wig-making as a craft. However, I thought that, if it is true that we may not show the wig maker as craftsman, what we did do is exposing all the components of the wigs. The manufacturing process is also travelling, not only hair itself! Part of the reason behind hair’s movement is also determined by the marketing dynamics of the wig’s elements. E: Hair is also what defines your individual identity and traits; for instance, where do you want your hair parting? Our hair decisions appear as a by-product of the here and now, but then it is in China and not here in the UK where somebody else is creating the conditions for all these hair elements to be arranged together. I find it extremely fascinating: it is something so intimate and personalized and at the same time so long-distance, if you think about the different context in which the wigs are crafted. For answering now to your question, one of the biggest pains about our exhibition was the map! (laughs) God, that map! We had to find a way to show the complexity of all these narratives in a way that is accessible visually and without too much textual directives. It was just very difficult to do. We did not want to overly simplify the visualization of the hair trade; however, the tech itself was too expensive and we could not afford the digital interactive asset; all coupled with Covid! Since we did not have much space, a map was a good solution; however, trying to show too many stories at once on the map makes the images look small and it has less of an impact. This is why we decided to narrow our choice to five narratives to follow on the map. We actually had so many doubts about the

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map that at one point we almost opted for removing it; but we could not take it out completely, as it was a crucial asset in our exposition! 14. I: Talking about didactics, was it an intentional choice of yours to display open questions as caption to the installations, instead of didactic and informative texts for the visitors? What has motivated this choice? E: I believe that when people come to museums they do not want to be told “you are supposed to think this, this is the meaning of that”, since it puts them in a very passive role. It can become easily boring, actually, and difficult to absorb. Whereas, if you rather say: “we think what we show you is interesting for those reasons. How does it make you feel and how does it make you think about it now?”, you draw visitors in and invite people to reflect with you. You are not telling them what their end-thought is supposed to be. You are rather provoking them to think and explore something: this was the challenge that was very much driving our texts. Early on, when we were still planning the exhibition, we were discussing how we could have displayed texts that are provoking further questions rather than telling an audience what they are supposed to think of a certain matter. S: Furthermore, I think the questions also help to recognize that within each section there are many stories left untold. There are some stories that we chose to tell because of the collections that we have and the people we worked with, but much was left unsaid. I: And what if perhaps some of those untold stories are your own? The ones you are discovering while you read these questions addressed to you and you reflect upon them. I suppose everybody could have an untold story in them. E: Exactly. We wanted to ask people their stories at the end of our exhibition and for them to go out thinking about it: “What is my story?”. S: As a curator, you have an inner satisfaction when you are able to relate to personal narratives. 15. I: We previously mentioned the untold stories of this exhibition. Emma, in your book you often mention the importance of all the ‘invisible stories’ that are active part of the hair trade, by arguing that many of these experiences did not wish, in fact, to be shared, but rather to stay invisible. Moving from this claim of yours, I was wondering: have you experienced wanting for a story to be shared as good asset to your exhibition, but then being denied this possibility by the very person who ‘owns’ the story? Was it a concern for you that some of these experiences require secrecy?

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E: Did we encounter that? (looks at Sarah doubtfully) S: I do not think we encountered that but we were surely conscious about it. For instance, in order to start our project with the community of field workers, with an open callout we invited 5 people from south London to come and talk about their hair. They could have also interviewed somebody else about their hair, it did not have to be about their own. Through this process we created a space where people could feel safe to share their stories, and even if they did not produce an output, it would have been okay. Actually, even if they did produce an output, that did not have to go necessarily into the public space of the exhibition. Thus, it is really important to talk to the participants. There was always the option for the untold stories to remain untold. Being ready to work in a group and produce content does not mean being prepared to be confronted by the public space. No matter how you prepare to think that your material is going to be displayed in a public space: seeing people interacting with it is a completely different matter. As curators, we have to keep a special care as the shows open and if somebody wants to remove their contribution, we would always support them to do it. However, we can never fully envisage what the space is going to feel like until your story is in it. That is always a risk. You really can never predict how you are going to feel once your story is exposed publicly. E: Yes, if you are the narrator of your own story, it makes a big difference. On the whole, we encountered more people wanting to be included, but some of our participants were preparing themselves with a deep breath before coming to the open exhibition. Luckily, they were all satisfied. I: On the other hand, I felt that the small space of the exhibition hall allowed for a special intimacy and sense of reassurance. The experience of having to share your story in a large and imposing museum could perhaps make the contributors feel more exposed and vulnerable. S: Yes, it could. Multiple and divergent stories can work very well close together because they come from a personal perspective. We were very grateful with our collaborators for their generosity. E: And I think Sarah is very good at that! The way in which she engaged with people made a substantial difference to how everything worked out. S: You mostly need time for things to work out! Funding is tight, but who is putting the pressure on us to say how many people have to partake in a particular way? Nobody! You just have to organically engage with people and with the collections.

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16. I: Do you have any regrets about what you might have included? E: We had some ideas for the exposition about ‘hair and religion’ and ‘sacred hair’ as a theme: this is probably one of our regrets. Unfortunately, the limited space just did not allow it: we should have mounted a whole exhibition on this single topic. There is, however, a glimpse of that narrative in the actual collection, e. g. in the ‘bridal hair’ section, or in the ‘the Jewish wig’ section. The theme is indeed there, yet it is dispersed. S: That dispersal is not necessarily a bad thing. Sometimes when you impose a strong, coherent theme, you end up restricting yourself. We were more interested in those little moments and individual stories that are now sitting in a nice juxtaposition throughout the exhibition. This is what I enjoy the most about the collection: the stories of hair are disparate and only partially linked to each other, yet their surprising and dynamic placement takes you through the whole experience: it is the overarching story that creates the flow and keeps your attention. E: Yes, we wanted to keep the surprising element of hair as a way of drawing people in. Both the familiar and the unexpected narratives on hair had to coexist. In terms of what we left out, I actually regret that we did not include dolls in our collection! (laughs) Very often kids learn about hair and engage with it through playing with dolls, to the point that even parents remember of this past experience. It can represent people’s very first moment of awareness of the materiality of hair. However, dolls were somehow forgotten and I find it really frustrating: if these objects do not get displayed to visitors on these occasions, when will they get shown? 17. I: Last question! You are closing the exposition through the installation “Going natural: can you create your own hairstyle using these shapes from nature?”. I was surprised by the use of the word ‘natural’: if I remember correctly, Emma, in your previous work you have put this phrasing into question and wondered whether a thing such as ‘natural hair’ even existed. Then what motivated this lexical choice and what was the purpose of closing the exhibition through this installation? And have you played with the installation yourself? S: We love complexity. We know that interacting with hair is something handson but it can also be culturally inappropriate. We wanted on the one hand an interaction that was not too literal and for visitors to play with something material. On the other it was necessary to avoid the ‘I am trying on your hairstyle’ effect and any forms of cultural appropriation issues. The title with the ‘natural’

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word in it was given by the designer of the installation: from her perspective it was interesting to explore all natural forms of hair. E: I like the title personally. I love that hair has all the aspects of a natural fibre but it is also somehow different. Overall, there are so many formal affinities between hair and other natural elements, e. g. wheat, leaves, seeds. S: With this final section, we wanted something engaging for kids too, where they could create their own hairstyle with natural materials. The realization of the mirrors and the magnets perhaps does not really work optimally. However, you can make different forms with the fibres and kids are keen on interacting with it. 18. I: And do you see hair differently after this exhibition? Emma, perhaps this question is not aimed at you since you must have grown tired with it! S: I do see hair totally differently; I will never see it the same way again! (laughs). On a personal level it was interesting: as a curator I worked on many topics I had never worked on before and I immersed myself in them, but with hair I had to ‘experience’ the matter in order to understand it. For instance, detached hair. I was thinking about it for the exhibition theoretically. Then during lockdown my son cut off his hair and we put it in a bag for a while. Then I started really disliking this bag full of detached hair inside my house and I did not know what to do with it. I had a strange reaction to it: at the beginning I loved the idea of collecting it and then I started disliking it and being perturbed. As much as I engaged in the topic and I had thought about it, it was actually only by experiencing the detached hair of a loved one that I fully understood what it all meant. For me his (detached) hair was not ‘him’ anymore. But that was my experience. For some, hair has the power of retaining one person’s essence; however, at times it doesn’t retain that person either. I still have his hair, but I think I am just going to put it in the bin! E: (Gasps) Oh no! S: With the hair balls project I do not really know the identity of the people who took part in it and that is what I like the most about it. In the case of somebody really close to you and that you invest so much emotionally for, it is a totally different case. E: Hair has a very special connection, no doubt about it. S: And we are lucky to have presented the exhibition at the Horniman Museum, which represents a freer space. To work here has taught me a lot about producing exhibition and using several, different media at the same time. If there is

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trust, conversation and the will for people to be there and talk, everything is set the right way. I: Thank you very much for this lovely conversation and for your generosity with your time! S: It has been interesting for us too, to reflect on our work! E: And to hear each other out.

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4 Rigid curls and furry spoons: Hair as a contact zone in Meret Oppenheim’s work Who knew that Meret Oppenheim wrote poetry? Unlike her representation in many works on art history, she is not mentioned in any literary history book. Why is that, and should her literary works be included in those books? Was Oppenheim not primarily a visual artist, known for her 1936 work Déjeuner en fourrure (commonly called the fur cup) and as a model for Man Ray (1934)? These works seem to exist without much language; there is no direct exchange relationship between the visual art and literary text in the foreground, as can be observed in Dadaism. At first glance, art and text seem rather parallel and independent of one another in Oppenheim’s work, but a closer look reveals the intermedial references between the art forms. What, then, is the significance of Oppenheim’s literary texts? Her artworks are often in exchange with texts, sharing common themes, such as animals or masking, and references to materials such as fur and hair. The texts include dream recordings in addition to the poems (Oppenheim 2010), short prose and even a screenplay for a film that was never realised.1 The focus of interest here is the connection between the texts and the artistic work, and furthermore, on a meta-level, the writings on the artist and her work. This paper argues that these connections can be demonstrated through Oppenheim’s use of hair, understood as a double phenomenon that occurs both as a material and as a subject of her visual art and texts. In hair, the functioning of her work becomes legible as a sign and therefore visible, if not tangible, as an object. After a few introductory remarks on Oppenheim’s biography, in the second section of this paper I will contextualise the fur cup, an object that lives on not only in the original version as an object, but also in anecdotes and re-enactments, as will be shown. The third paragraph will focus on selected poems and will reflect the combination of visual art and language, whereas the fourth paragraph will be devoted to writing about Oppenheim, followed by a brief conclusion.

 The script is entitled Kaspar Hauser oder die goldene Freiheit, written in 1943. See Oppenheim (2015), 115–130. https://doi.org/10.1515/9783110776461-005

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I About Meret Oppenheim was born in Berlin-Charlottenburg in 1913. Her father was a doctor and went to war in this capacity in 1914. Her mother moved with the three children to Delémont in the Bernese Jura. At the age of 17, Meret Oppenheim dropped out of high school. Two years later, in 1932, she went to Paris with the aim of becoming a painter. In Paris, Oppenheim wrote her first poems and drew, and later she also started creating objects. These include the fur cup, which was bought in 1936 by the New York Museum of Modern Art (MoMA), which had opened in 1928. Also in 1936, Oppenheim’s father was forced by the National Socialists to give up his medical practice in Steinen, in southern Germany (Curiger 1982, 46), and the family was plunged into precarious times. As such, while the year 1936 marked a milestone for the young artist, with her first solo exhibition in Basel, soon after she entered a serious crisis that was to last until 1954, during which she was forced to leave Paris. During this time – in which Oppenheim lived in Basel and Bern – she continued to work, but destroyed many of her works, so little remains from this period (Curiger 1982, 50).

II The Fur Cup: Object, Anecdotes and Re-enactment The fur cup is an object whose creation in retrospect is marked by anecdotes (Curiger 1982, 39) and thus not only by artistic-material presence but also by linguistic processes. In an album containing notes, sketches, drawings and pictures that Oppenheim collected in 1958 entitled From Childhood to 1943, which is available in facsimile, the artist wrote: Seit 1935 machte ich, um etwas Geld zu verdienen, Entwürfe für die Haute-Couture, die auch zum Teil angenommen wurden. So z. B. ein mit Pelz überzogenes Metall-Armband, das Schiaparelli nahm. Dieses war der direkte Vorläufer zur Pelztasse! [...] Aber diese Welt war mir ganz fremd. Ich war viel zu ungeschickt, ahnungslos und in den Wolken, für das Pelzarmband bekam ich 12 Schweizerfranken! Und war zufrieden! Aber die Nachbestellungen trafen nicht ein.2

 Von der Kindheit bis 1943. In: Oppenheim (2013a), 167. “Since 1935, to earn some money, I made designs for haute couture, some of which were accepted. For example, a metal bracelet covered with fur, which Schiaparelli took. This was the direct precursor to the fur cup! [...] But this world was completely alien to me. I was far too clumsy, clueless and in the clouds, for the

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When Oppenheim wore such a bracelet to a meeting in a café, Pablo Picasso said to her that, after all, one could cover everything with fur (Curiger 1982, 39). This is how the initially nameless fur cup came into being. The title for the object came from an idea of André Breton’s: the name Déjeuner en fourrure (Fig. 1) could be traced back to Manet’s Déjeuner sur l’herbe and Sacher-Masoch’s Venus im Pelz (Schulz 1993, 94–96).

Fig. 1: Meret Oppenheim: Déjeuner en fourrure.

The name of the object would thus have emerged in reference to both art and literature and would have been inspired by none other than Picasso and Breton. The choice of the subjunctive here is meant to indicate that we are dealing with anecdotal knowledge of art and its creation, formulated in retrospect. The fur cup is an object that has also been decisively shaped by language. Max Ernst wrote an invitation card for Oppenheim’s first solo exhibition in 1936: DAS WEIB IST EIN MIT WEISSEM MARMOR BELEGTES BRÖDCHEN [sic]. Wer überzieht die Suppenlöffel mit Rostbraunem Pelzwerk? Das Meretlein. Wer ist uns über den Kopf gewachsen? Das Meretlein3 (Oppenheim 2013a, 154; 157)

fur bracelet I got 12 Swiss francs! And was satisfied! But the repeat orders did not arrive.” All translations are my own.  “THE WOMAN IS A BUN COVERED WITH WHITE MARBLE. Who covers the soup spoons with rusty brown fur? The Meretlein. Who is over our heads? The Meretlein.”

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We will not dwell on Ernst’s problematic equation of woman and bun here, but will rather consider the fur cup. The object, as presented at MoMa, consists of three parts: a cup, a saucer and a spoon.4 The items are covered with Chinese gazelle skin (Oppenheim 2015, 196). Fur and leather of exotic origin also appear in other sketches and plans by Oppenheim, such as a sheet from one of her design sketchbooks for rings and bangles on which snakeskin, lizard skin, seal and leopard are not only mentioned, but pasted (Oppenheim 2013b, 14 f.). If these sketches form a prehistory of the fur cup – a making-of, so to speak – there are different staging strategies in its continued existence. One strategy is the display in the showcase of the Ratton Gallery in 1936, which provides “proof” that the fur cup was part of this exhibition. Moreover, in contrast to this still display in the historical art cabinet, there are several photographs showing Oppenheim with the cup (Fig. 2).

Fig. 2: Brigitte Hellgoth: Meret Oppenheim with Déjeuner en fourrure, 1975.

In holding the cup, the artist conveys a performative contradiction. In this photograph she pretends that the cup can be used. With the fur covering, however, it is clear that this apparent use is surreal and that the cup specifically cannot be used, i. e., that it is an object of art and artistic performance. Subject and object not only show themselves to be inseparable, but also undermine their own dichotomous division. As Serres put it in his book The Parasite, subject and object can influence each other in such a way that they take on parts of the other. They thus lose their clear assignment as subject or object; Serres adds a “quasi” to them to make this blurring of boundaries clear. Following Serres, we  https://www.moma.org/collection/works/80997.

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can speak of the cup as a “quasi-object” and of the artist as a “quasi-subject”. When the cup is taken in the artist’s hand and brought to her mouth, this interweaving of subject and object is actualised. With this kind of re-enactment, one could say, the cup turns the person into a “cup artist”. The object continued to inscribe itself in Oppenheim’s perception for decades, as she seemingly brought it to life again and again. The fur cup – I would like to argue here – ostensibly reveals binary structures and at the same time undermines them. At least eleven pairs of opposites can be associated with the fur cup, which emerge from the rings and bracelets mentioned above: object – subject animal – human fur – porcelain fluffy – smooth dead – alive empty – full everyday object – exotic fur East – West nature – art worthless – precious mass-produced item – individual item

Underneath the work, so to speak, there is an everyday object – the cup – that is usually used by a person (as a subject using objects) to drink from. As for the fur, an animal component is glued to a human utility item. The fluffy surface of the fur covers the smooth surface of the porcelain. The fur, for its part, can only be used when the animal – the living, material origin – is dead, while a living human being can look at the cup or use it. The fur cup is empty and full at the same time; there is no liquid in it, therefore it is empty, yet it is still partly filled with fur. The artwork additionally combines the ordinariness of a kitchen cupboard with an exotic element of Asian fur, and a ‘natural’ product (the fur) with an artificially-produced mundane object (Oppenheim 2015, 166). According to Erica Fudge, this is an “animal-made-object” (Fudge 2012, 87), for its fur both originates from an animal and represents the animal as an object. Similar to René Magritte’s “Ceci n’est pas une pipe”, one could say “This is not a Chinese gazelle.” The cup, at least in its original form, is materially worthless, but the fur is distinguished by its high value. While the cup is a mass-produced item, the fur is unique. The phrase déjeuner en fourrure also refers to people from wealthy circles who can afford to eat breakfast in fur. Wearing fur is semioti-

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cally linked to wealthy ladies and their cups, but not to the living animal the fur comes from. The fur lining requires that the artwork be maintained. The artwork requires constant attention precisely because of its exhibited uselessness, because of the disturbance that on the one hand emphasises the “thingness” of the thing in the sense of Bill Brown, (Brown 2001, 4) and on the other hand reproduces an aestheticised disturbance that comes into its own here. The double interference of this disturbance takes place on a praxeological and aesthetic level. The hair constitutes the resistance of the object. The work of art maintains the tension of these opposites as moments of aestheticised disruption: it offers a synthesis of the cup and fur, in which the opposites are still visible and perceptible – and thus both the pairs of opposites and the illusion of the new whole are undermined. Oppenheim’s poems achieve something similar, as the next section shows.

III Approaching the Poems The first comprehensive monograph of Meret Oppenheim’s work was published in 1982 (while she was still alive) under the title Spuren durchstandener Freiheit, edited by Bice Curiger. This volume included an acknowledgment and 14 of Oppenheim’s poems. During the 1980s, Oppenheim also published the volumes Sansibar. Gedichte und Serigraphien (1981) and Caroline. Gedichte und Radierungen (1985). A complete collection of her poems and prose texts was first published in 1984 and republished in 2015 as an expanded version under the title Husch, husch, der schönste Vokal entleert sich, edited by Christiane MeyerThoss.5 The cover of this book shows how language, visual art and the literary market intersect: the poem, which Oppenheim dedicated to Max Ernst in 1934, is also part of the oil painting depicted on the book cover and has the same title (Fig. 3). In addition, there is a piece of jewellery with the same motif (see Eipeldauer et al. 2013, 261), yet another aesthetic materialisation. The third verse of the poem is also part of the painting. The whole poem, which connects painting, jewellery and book cover (and therefore publishing houses) reads:

 In between, the volume ”Warum ich meine Schuhe liebe”. Mode – Zeichnungen und Gedichte (Oppenheim 2013b) was published.

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Von Beeren nährt man sich Mit dem Schuh verehrt man sich Husch, husch, der schönste Vokal entleert sich.6 (Oppenheim 2015, 23)

Fig. 3: Meret Oppenheim: Husch, husch, der schönste Vokal entleert sich, 1934.

As can be seen here, Oppenheim’s verse sometimes comes across as lightfooted, but her poetry can also use more forceful language. A poem from 1934, for example, has a more insistent tone: Für dich – wider dich Wirf alle Steine hinter dich Und laß die Wände los. An dich – auf dich Für hundert Sänger über sich Die Hufe reißen los. ICH weide meine Pilze aus ICH bin der erste Gast im Haus Und laß die Wände los.7 (Oppenheim 2015, 31)

 “You feed on berries / With the shoe you adore yourself / Shoo, shoo, the most beautiful vowel empties out.”  “For you – against you / Throw all stones behind you / And let go of the walls. // To you – on you / For a hundred singers above / The hooves tear loose. // I am grazing out my mushrooms / I am the first guest in the house / And let go of the walls.”

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The pairs of opposites lie here on various levels: in the I and the You, in the separated things, the stones and walls and the house, in which the I is at home in capital letters, as well as in the human (“a hundred singers” v 5) in contrast to the animal (the “hooves” that break loose). A connecting element can be found in the pronoun “sich”, which refers neither exclusively to the persons addressed by ‘you’ nor exclusively to the self represented by ‘I’. This pronoun “sich” is located in the middle of the poem and thus only hints at a possible reconciliatory gesture – whereas the first stanza remains with the you, the last with the I. The poem is not a reconciliation of the two persons. Here, too, the contrasts are kept open and the tension maintained. The repetition of the imperative form “Und laß die Wände los” connects the first and third stanzas, by first verbally constructing the walls and then demanding that they be let go of. The connection between visual art and literary art in Oppenheim’s work can literally be drawn by the hair, for it is not only the fur cup that offers hairy points of contact. Works such as Die Gelbe Maske (The Yellow Mask) and Pelzhandschuhe (Fur Gloves) from 1936, as well as Das Eichhörnchen (The Squirrel) from 1969, also combine objects such as the mask and beer mug with fur. Hair and fur are also recurring motifs in the poems. In Sansibar, fur is the final word: Sansibar Weil er sich den Rücken kehrt Verliert er Über den Kaminen Die roten Ecklein Die roten Füchslein Alle leben einsam Sie zehren am längsten Sie essen ihren Pelz.8 (Oppenheim 2015, 19)

The lonely “roten Füchslein” (“red little foxes”) turn the fur as an exterior material into an interior matter; through the linguistic incorporation the fur becomes food: “Sie essen ihren Pelz” (“They eat their fur”). The pronoun “er” in the second verse makes it possible to interpret the unspecific ‘him’ as referring to a human being, and this interpretive assignment opens up a contrast between humans and animals. Grammatically, “er” in the singular contrasts with the “roten Ecklein”

 “Because he turns his back / He loses / Above the chimneys / The red small corners / The red little foxes / All live alone / They live on the longest / They eat their fur.”

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(“red small corners”) and the “roten Füchslein” in the plural. Furthermore, the invocation of loneliness makes individuals out of the group again. The final mention of fur places it on the border between language and the unsaid. Hair also appears in the poem Schwach, schwächer, links: Schwach, schwächer, links. Die Lebenden links. Die Toten voran. Der Störrische wird bald sich nahn. Wer einmal pfeift, gehört nicht her. Er wird gesiebt, geachtet Und neun und gut geschlachtet Und endlich sind die Haare leer.9 (Oppenheim 2015, 27)

The poem amounts to a contradiction: real, material hair consists of keratin and therefore cannot be empty, while poetic hair, on the other hand, follows the same logic as the wordplay through which a bridge is built from “gesiebt, geachtet” (V6) to “neun” – thus enriching verbs (to sieve and to respect) with the meaning of identical numbers (seven and eight). After the numbers are getting larger, an inversion is made from the large to the small, from the dead (v3) to the slaughtered (v7), to the rest, the hair, the smallest stands at the end and is empty. The hair thus forms the last point of connection between fullness and emptiness, between death and life and, due to its position at the end of the poem, between language and silence. There are also explicit links between words and art in Oppenheim’s work. There is, for example, the object Worte in giftige Buchstaben eingepackt (wird durchsichtig) from 1970, in which ‘words’ appear in the title of the work but are not shown on the object itself. Here, too, some forms of aporia are present: the words that are supposedly in the artwork are only present as parergon (in the title of the work), and the process of becoming transparent that is described by the title (“wird durchsichtig”) has already taken place or at least can no longer be observed – it is non-materialised, consisting only of words. The gaze is double: it stems from the emptiness to the word, and from the word to the emptiness that the word is supposed to represent. In this context, Elisabeth Bronfen

 “Weak, weaker, left. / The living on the left. / The dead ahead. / The stubborn one will soon be approaching. // He who whistles once does not belong here. / He will be sifted, respected / And nine and well slaughtered / And at last the hair is empty.” This translation gives a rough orientation but is completely inadequate. It neither has the rhyme of the original nor can it convey the double meaning of “sieben” and “acht[en]” (as verbs and numbers).

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speaks of a tangible emptiness: “The word that has come to mind presents itself as a haptic void, and thus as pure possibility.” (Bronfen 2013, 37 f.) In addition to such interpretative links between word and art, however, Oppenheim herself created in her late work an explicit link between her art and the literary tradition – and within this tradition not a consideration of the contemporary Dada movement, but a connection to German Romanticism. One of the letterbooks of German Romantic Bettina von Arnim, Die Günderode (1840), made a lasting impression on Oppenheim. In 1983, she painted two larger oil paintings and dedicated one of them to Bettina von Arnim and the other to Karoline von Günderrode. Doing so Oppenheim transferred the written female friendship of von Arnim and Günderrode into art. While the original correspondence between Bettina von Arnim and Karoline von Günderrode (insofar as it has survived) was incorporated into the epistolary book Die Günderrode, von Arnim had also made use of other letter sources. The book cannot therefore be described as a genuine correspondence; Carola Hilmes calls it a “dialogische Autobiographie” (2019, 384). However, Oppenheim spoke to Meyer-Thoss about the book as if it were a documentary of correspondence between the two Romantics, emphatically calling it “Hymnische[n] Gespräche[n]” (Oppenheim 2015, 151). Bettina von Arnim fascinated Oppenheim not only because of her texts, but also because of her unconventional way of life, and an intellectual kinship between the two can certainly be discerned.

IV Writing About Oppenheim In the USA, Oppenheim was often mistaken for a man because of her unknown first name Meret (Curiger 1982, 39 f.). This may be the reason why the museum titles an article about her and the art object as “A Woman’s Work”10 on its homepage. The inverse test that is recommended with such turns of phrase, to emphatically putting gender attributes first while presenting an artist or describing a work for example by Salvador Dalí (“A Man’s Work”), shows the absurdity of the designation.11 During the summer of 2020, the Schirn in Frankfurt exhibited works by Meret Oppenheim, among others, under the title Fantastische Frauen. This exhibition has received much praise, but the curator Ingrid Pfeiffer had also to jus-

 https://www.moma.org/learn/moma_learning/meret-oppenheim-object-paris-1936/, abgerufen am 2.2.2022.  Such reversals are undertaken, for example, by the satirical twitter account @manwhohasitall.

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tify herself for it – because the title reveals that not only an art movement and not only individual female artists were presented in the exhibition (and individually named, but a group formed according to gender (called Phantastic Women, not Artists). In Simone de Beauvoir’s words, women as women are still made look like the ‘other’. In the Frankfurter Allgemeine Zeitung, Rose-Maria Gropp pointed out in this regard: Oppenheim, Carrington oder Tanning wollten offensiv nicht als Surrealistinnen bezeichnet werden, und sie lehnten reine Künstlerinnen-Schauen ab. Ingrid Pfeiffer, die Kuratorin, rechtfertigt ihr am Geschlecht orientiertes Überblickskonzept mit dem gemeinsamen soziokulturellen Hintergrund.12 (Gropp 2020)

The surrealist movement has a male-dominated history: the term surrealisme was coined by Guillaume Apollinaire in 1917, and the Surrealist founding members of the 1920s were all male. This does not mean, however, that women played no role in the artistic movement. On the contrary: Ingrid Pfeiffer takes the position that there is “no artistic movement in modernism” in which “female artists have played such a major role as in surrealism”.13 The exhibition Fantastische Frauen definitely made (re)discoveries in visual art and film possible. Indeed, André Breton’s First Surrealist Manifesto of 1924 exhibited the movement’s masculine character with an explicit list of names and was even able, in retrospect, to describe no lesser authors than Dante and Shakespeare as surrealists avant la lettre. In terms of content, Oppenheim combined aspects throughout her life that were already mentioned in Breton’s manifesto: “Einzig das Wort Freiheit vermag mich noch zu begeistern. [...] Unter so viel ererbter Ungnade bleibt uns, wie man zugeben muß, die größte Freiheit, die des Geistes, doch gewährt.” (Breton 2009, 12) The unconditional “freedom” in artistic creation, the decisive departure from Breton’s realism (2009, 13) and the appreciation of the dream as well as the unconscious (for Breton the work of Freud was ground-breaking; for Oppenheim that of C.G. Jung). Oppenheim thus certainly shared Surrealist interests, but her work cannot be limited to them. Curiger writes that the fur cup “also prematurely burdened the artist with the label of Surrealist” (Curiger 1982, book jacket). The research literature deals with Oppenheim either monographically, in exhibition catalogues, or in two dissertations by Isabel Schulz and Josef Helfenstein, both

 “Oppenheim, Carrington or Tanning offensively did not want to be called surrealists, and they rejected purely female artist shows. Ingrid Pfeiffer, the curator, justifies her genderoriented overview concept with the common sociocultural background.”  Cf. the online guided tour in the museum Schirn in Frankfurt/M.: https://www.youtube. com/watch?v=vGzGuHrbuYQ, abgerufen am 13.2.2022.

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from 1993. Research that focuses on Surrealism usually does not even address Oppenheim. The question of what could be gained by including Oppenheim in research is overwhelmingly a question of canonisation. In the vast majority of these discussions, gender is a central category, and with this category a connection can be made to the exhibition mentioned above. It may seem ironic that a show entitled Fantastische Frauen (probably for pragmatic reasons) forced into a gender binary precisely those female artists who strove to escape it. Oppenheim explicitly made gender a theme in her own artistic approach. When she expressed her gratitude for the Art Prize of the City of Basel in 1975, she began her speech as follows: Es ist nicht leicht, ein junger Künstler zu sein. Wenn einer in der Art eines anerkannten Meisters arbeitet, eines alten oder eines zeitgenössischen, dann kann er bald zu Erfolg kommen. Wenn einer aber eine eigene, neue Sprache spricht, die noch niemand versteht, dann muss er manchmal lange warten, bis er ein Echo vernimmt. Noch schwieriger ist es, immer noch, für einen weiblichen Künstler. Es fängt bei scheinbar Äusserlichem an. Bei den Künstlern ist man es gewöhnt, dass sie ein Leben führen, wie es ihnen passt – und die Bürger drücken ein Auge zu. Wenn aber eine Frau das gleiche tut, dann sperren sie alle Augen auf. Das und viel anderes muss man in Kauf nehmen. Ja, ich möchte sogar sagen, dass man als Frau die Verpflichtung hat, durch seine Lebensführung zu beweisen, dass man die Tabus, mit welchen die Frauen seit Jahrtausenden in einem Zustande der Unterwerfung gehalten wurden, als nicht mehr gültig ansieht. Die Freiheit wird einen nicht gegeben, man muss sie nehmen. [...]14

This observation, however, did not lead Oppenheim to feminism, as might have been expected in the context of the women’s movement of the time. Rather, the text starts with a holistic model: Aus einem grossen Werk der Dichtung, der Kunst, der Musik, der Philosophie spricht immer der ganze Mensch. Und dieser ist sowohl männlich als weiblich. Im alten Griechenland waren es die Musen, die die grossen Männer inspirierten. Das heisst, das Geis-

 M.O. 1975 in: Curiger 1982, 130 f., here 130. “It is not easy to be a young artist. If one works in the manner of a recognised master, an old one or a contemporary one, then he can soon achieve success. But if one speaks one’s own, new language that no one yet understands, then he sometimes has to wait a long time before he hears an echo. It is even more difficult, still, for a female artist. It starts with seemingly external things. With artists, one is used to them living a life as it suits them – and the bourgeois turn a blind eye. But when a woman does the same, they open all eyes. You have to put up with that and much more. Yes, I would even like to say that as a woman you have the obligation to prove through your lifestyle that you no longer consider the taboos with which women have been kept in a state of subjugation for thousands of years to be valid. Freedom is not given to you, you have to take it.”

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tig-Weibliche in ihnen selbst war beteiligt am Werk, und das ist auch heute noch so. Ebenso hat das Geistig-Männliche teil an den Werken der Frauen.15

This passage reflects Oppenheim’s fascination with the works of C.G. Jung. In his theory of types, Jung describes the inner and outer characters of a person as complementary (Jung 2011, 500 f.), and he also sees this moment of complementarity in the genders. In his words: “Eine sehr weibliche Frau hat eine männliche Seele, ein sehr männlicher Mann eine weibliche Seele.” (Jung 2011, 501) And: “Wenn wir daher beim Mann von einer Anima sprechen, so müßten wir folgerichtigerweise bei der Frau von einem Animus reden.” (Jung 2011, 501). In her transposition of Jungian types, Oppenheim assumes a holistic model or androgyny; she challenges not only the particularly feminine, but the human being as a whole, the “ganze[n] Mensch”. She is thus close to the theoretical models of Romanticism (but not to its historical reality).

V Conclusion Since both Oppenheim herself and her work have neither found their way into traditional representations of surrealism nor into literary histories, the exemplary consideration of the fur cup and, more generally, the hair shows how these works elude the usual categories. Hair represents contact zones between language and image, between the object and the signifier – human, animal, thing – or rather their superimpositions. As connecting elements, they show pairs of opposites and undermine them at the same time. The resistance of the fur cup can be transferred to the resistance of the (also literary) work, which opposes classification in artistic and literary historical currents. From this analysis of selected, hairy texts, however, it also becomes clear that literary histories and other canonisation machines often work with overly simplistic categories. They are simply overburdened with such superimpositions and fail to do justice to their subject matter. For literary studies that touch on cultural studies and interdisciplinarity, Meret Oppenheim’s works offer rich materials. Especially hair reveals an artistic and poetic material that could and should be combed through even more carefully in the future.

 M.O. 1975 in: Curiger 1982, 130 f., here 130. See also Schulz (1993), 11 f. “From a great work of poetry, art, music, philosophy, the whole human being always speaks. And this is both male and female. In ancient Greece, it was the muses who inspired the great men. That is, the spiritual-feminine in themselves was involved in the work, and that is still the case today. Likewise, the spiritual-masculine participates in the works of women.”

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Literaturverzeichnis Breton, André: Die Manifeste des Surrealismus. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2009. Bronfen, Elisabeth: „Where inspiration comes from is anybody’s guess”. On the Relationship between Form and Nothingness in the Work of Meret Oppenheim. In: Eipeldauer, Heike und Gereon Sievernich, Ingried Brugger (Hg.): Meret Oppenheim. Retrospective. Wien: Hatje Cantz 2013, 35–43. Brown, Bill: Thing Theory. In: Critical Inquiry, 28/1, Things. (2001), 1–22. Curiger, Bice: Meret Oppenheim. Spuren durchstandener Freiheit. Zürich: ABC Verlag 1982. Eipeldauer, Heike und Gereon Sievernich, Ingried Brugger (Hg.): Meret Oppenheim. Retrospective. Wien: Hatje Cantz 2013 (=Ausstellungskatalog Bank Austria Kunstforum Wien) Fudge, Erica: Renaissance Animal Things. In: Contents, Nr. 76, 2012, 86–100. Gropp, Rose-Marie: Die Welt als Wille und Frau. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/ausstellung-fantastische-frauen-in-derschirn-16630852.html, zuletzt abgerufen am 13.2.2020. Helfenstein, Josef: Meret Oppenheim und der Surrealismus. Stuttgart: Gerd Hatje 1993. Hilmes, Carola: Die Günderode (1840). In: Barbara Becker-Cantarino (Hg.): Bettina von Arnim Handbuch. Berlin: Walter de Gruyter 2019, 384–395. Jung, C.G.: Psychologische Typen. In: Gesammelte Werke, 6. Bd. 3 Aufl. Stuttgart: Edition C.G. Jung im Patmos Verlag 2011. Krajewski, Markus: Quasi-Objekte. In: Harun Maye und Leander Scholz (Hg.): Einführung in die Kulturwissenschaft. München 2011. Oppenheim, Meret: Träume. Aufzeichnungen 1928–1985. Hg. und mit einem Nachwort v. Christiane Meyer-Thoss. Berlin: Suhrkamp 2010. Oppenheim, Meret: Worte nicht in giftige Buchstaben einwickeln. Hg. v. Lisa Wenger u. Martina Cornati. Zürich: Scheidegger & Spiess 2013a. Oppenheim, Meret: „Warum ich meine Schuhe liebe.“ Mode – Zeichnungen und Gedichte. Hg. und mit einem Nachwort v. Christiane Meyer-Thoss. Berlin: Insel Verlag 2013b. Oppenheim, Meret: Husch, husch, der schönste Vokal entleert sich. Gedichte. Hg. mit einem Nachwort v. Christiane Meyer-Thoss. Berlin: Edition Suhrkamp 2015. Probst, Rudolf und Magnus Wieland (Hg.): Meret Oppenheim. Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs (SLA), Nr. 48, September 2020. Ray, Man: Aufnahme mit dem Druckerpresse-Rad, 1934. Abgedruckt 1934 in der Zeitschrift Minotaure, Nr. 5. Schulz, Isabel: „Edelfuchs im Morgenrot“. Studien zum Werk von Meret Oppenheim. München: Silke Schreiber 1993. Serres, Michel: Der Parasit [1980]. Translated by Michael Bischoff. Frankfurt a.M. 1987.

Haar & Weiblichkeit

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5 Yi Lei – Schwarzes Haar: Einführung, Kontext und Analyse 黑头发 黑头发 青春的痕迹 在三月里奔跑 黑色的脆弱的叶子满天飘零 纷纷扬扬 铺满了三月 黑头发 在三月里温柔千倍 那些凋落的目光辉煌灿烂 记忆是如画的晚餐 妙龄时期在三月里复苏 走出没有性别的深渊 用柔韧的长丝包裹我吧 皮肤已苍老如云 黑头发 在沙漠与荒冢流离失所 在晴朗的天空风尘遮面 在雨中践踏泥泞 在火红的日子里黯然失色 我没有在镜中好好看过 我的黑头发 我想从此看上一千年 黑头发 蓬勃的野草 在卑贱的土壤里痛饮 摇摇摆摆 疯狂地生长着幻想 在破灭的日子里破灭 黑头发,并不知道 黑头发的经历 是我的经历 让我在这一刻死去吧 从此, 从此, 秀发如云 黑头发 流水一样 https://doi.org/10.1515/9783110776461-006

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无法, 无法!无法……挽留 就要沦丧 黑头发 火烛一样 就要流干眼泪 从此用什么照耀我的生活 黑头发 疲惫的野火 在最后的时光里凄艳地嚎叫 黑头发 黑色的柔软的旗帜 一个女性最后的骄傲 在三月的风中 千疮百孔 是的, 她背叛了尊严的血统 没有贞洁的光芒 最后的骄傲, 在三月里 自由地微笑 是瀑布, 就要流淌尽了 是乌云, 就要散去了 黑头发张大惊恐的眼睛 乞望的眼睛 等待着在你男性的手中 结为岩石 (Yi Lei 2000, 55) Schwarzes Haar Schwarzes Haar Spuren der Jugend Laufen im März Zierliche schwarze Blätter füllen den Himmel, wirbeln umher und zerfallen flattern in Fülle breiten sich aus und füllen den März Schwarzes Haar Im März tausendmal weicher Jene Anblicke von Verfall, glänzend und gleißend Erinnerungen sind wie ein gemaltes Abendmahl Die Zeit der Kindlichkeit beginnt im März von Neuem verlässt den geschlechtlosen Urquell Nutze deinen biegsamen Faden und wickle mich ein Die Haut bereits äschern und alt wie eine Wolke

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Schwarzes Haar Über Wüsten und namenlosen Gräber streifst du heimatlos umher Am sonnigen Himmel, wie herumgewirbelter Staub1 bedeckst du dein Gesicht Inmitten des Regens trampelst du über den Schlamm An feurig-roten Tagen wirst du überschattet2 Ich habe mein schwarzes Haar nie genau im Spiegel betrachtet Ich will es von nun an für tausend Jahre betrachten Schwarzes Haar Struppig-sprießendes wildes Kraut Auf der niederen Erde trinkt es zur Fülle stolziert umher lässt die Illusion wie verrückt anwachsen Am Tag der Auslöschung wird es ausgelöscht Doch schwarzes Haar weiß davon nichts Die Erfahrungen des schwarzen Haars sind meine Erfahrungen Lass mich in diesem Moment sterben Von nun an, von nun an, schönes Haar wie eine Wolke Schwarzes Haar Gleich dem fließenden Wasser Unmöglich, unmöglich! Unmöglich … zum Verweilen zu zwingen Es muss vergehen Schwarzes Haar Gleich einer brennenden Kerze muss es die Tränen bis zum Austrocknen fließen lassen Was soll ich nutzen, um von nun an mein Leben zu erleuchten? Schwarzes Haar Erschöpftes Buschfeuer Im letzten Moment heult es wundervoll trauernd Schwarzes Haar Sanftes schwarzes Banner Letzter Stolz einer Frau Im Märzwind Mit tausend Wunden und hundert Löchern übersäht

 Das Binom fengchen 风尘, hier wörtlicher als „herumgewirbelter Staub“ übertragen, besitzt auch eine Bedeutungsebene, die auf Prostitution verweist.  Das Idiom anran shise 黯然失色 (überschattet werden; wörtlich: trübe und seine Farbe verlierend) beinhaltet das Zeichen an 黯 (dunkel), welches sich aus dem semantischen Bestandteil hei 黑 (schwarz) und dem phonetischen Element yin 音 zusammensetzt. Die Verwendung dieses Idioms kann damit als Rückverweis auf den Titel des Gedichts verstanden werden.

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Ja, sie hat die verehrte Blutslinie hintergangen besitzt kein reines Strahlen Der letzte Stolz, im März ein freies Lächeln Stromschnellen, sie müssen bis zur Erschöpfung fließen Dunkle Wolken, sie müssen bis zur Auflösung wandern Schwarzes Haar macht verängstigte Augen sichtbar bettelnde Augen erwartet, von deinen männlichen Händen zu Felsen verknotet zu werden

1 Zur Person: Yi Lei 伊蕾 Am 30. August 1951 als Sun Guizhen 孙桂珍 (teils auch 孙桂贞) geboren, wuchs die Dichterin mit dem Künstlernamen Yi Lei in Tianjin 天津 auf. Nachdem sie 1969 im Zuge eines staatlichen Umerziehungsprogramms zum Arbeiten aufs Land geschickt wurde, begann sie Anfang der 70er Jahre als Berichterstatterin für die chinesische Armee und ein Stahlwerk tätig zu werden. Auch ihre literarische Karriere nahm zu dieser Zeit ihren Anfang. Über die kommenden Jahre hinweg bildeten sich die zentralen Motive ihres Werks heraus und nahmen Form an, bis sie 1984 in das renommierte Lu Xun-Literaturinstitut3 aufgenommen und 1985 zum Literaturstudium an der Peking Universität zugelassen wurde. Zu dieser Zeit gelang ihr der literarische Durchbruch: Eine Zeile aus ihrem 1986 im monatlich erscheinenden Literaturmagazin Renmin wenxue 人民文学 (Volksliteratur) abgedruckten Gedicht „Schlafzimmer einer alleinstehenden Frau“ (Dushen nüren de woshi 独身女人的卧室) traf den Zahn der Zeit. Die in dem Gedicht immer wieder rezitierte Zeile „Du kamst nicht, um mit mir zusammen zu wohnen“ (Ni bu lai yu wo tongju 你不来与我同居) (Yi Lei 2009, 28–30) verlieh ihr unter Kritikern die Rolle als eine der drei Vorfechterinnen (san jianke 三剑客) der weiblichen Poesie

 Das den Namen des bekannten Autor und Literaturkritiker Lu Xun tragende Lu XunLiteraturinstitut (Lu Xun wenxueyuan 鲁迅文学院), bis 1984 noch Zentrales Literaturforschungsinstitut (Zhongyang wenxue yanjiusuo 中央文学研究所) genannt, ist bis heute die einzige Nationalakademie für Literaturwissenschaften in China. Zu den früheren Studierenden dieser Institution gehören neben Yi Lei auch namhafte Autor✶innen wie der Literaturnobelpreisträger Mo Yan 莫言 sowie die auch im deutschsprachigen Raum bekannten Autor✶innen Wang Anyi 王安忆 und Yu Hua 余华.

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(Qiu Yuanting 2018).4 Nach ihrem Studium verbrachte sie zwischen 1992 und 1998 mehrere Jahre in Moskau, arbeitete dort weiter an ihren Gedichten und sammelte die Werke zeitgenössischer russischer Maler, um nach ihrer Rückkehr, im Jahr 2002, eine Galerie zu eröffnen (Chen Wei 2018). 2018 starb Yi Lei überraschen an einem Herzleiden während einer Reise durch Island. Bis zu ihrem Tod veröffentlichte Yi Lei insgesamt acht Gedichtsammlungen, die teils ins Englische, Russische, Japanische, Italienische, Spanische und Französische übersetzt wurden. Im englischsprachigen Raum erlangte sie besonders über ihre Freundin und Übersetzerin Tracy K. Smith an Bekanntheit.5 Im deutschsprachigen Raum bleiben Yi Leis Werke hingegen bis heute unübersetzt und auch größtenteils unbekannt.

2 Motivik in Yi Leis Gedichten Für westliche Leser✶innen stechen besonders die Naturmotive in vielen von Yi Leis Texten heraus, mit welchen sie an die traditionelle, oft von den klassischen Philosophieschulen des Daoismus und Buddhismus inspirierte Dichtung anknüpft. Die fünf Elemente, die beiden kosmologischen Grundkonstanten Yin und Yang, aber auch Naturphänomene und -szenen wie Regen und Wolken, die Einäscherung von Holz durch Feuer oder das wilde Umherschlagen von Ästen in einem Sturm, durchziehen viele der Gedichte Yi Leis und verweisen allusorisch auf die Dynamiken zwischen deren Protagonist✶innen. Diese Dynamiken treten besonders in zwei ineinander verschränkten Themen hervor: Liebe und das Mächteungleichgewicht zwischen Mann und Frau. Über die Jahrzehnte hinweg durchliefen diese beiden in Yi Leis Dichtung behandelten Themen und Motive einen starken Wandel. Während die Gedichte bis zu ihrer Studienzeit noch stark von Anspielungen auf Liebe im herkömmlichen

 Die Radikalität dieses Gedichts und insbesondere des zitierten Ausspruchs wird auch dadurch verdeutlicht, dass die Ausgabe der Renmin wenxue, in welcher das Gedicht (an der Seite einer anstößigen Kurzgeschichte von Ma Jian 马建) erschien, zurückgezogen und zerstört wurde und ihr Herausgeber von seiner Position zurücktrat (Han Zhang 2021). Obwohl das Gedicht seitdem in anderen Publikationen nachgedruckt wurde, ist seine Originalpublikation nach wie vor nicht in der chinesischen Zeitschriftendatenbank (Zhongguo zhiwang 中国知网) erhältlich.  Neben dem 2020 als My Name Will Grow Wide Like a Tree erschienenen Band mit übersetzten Gedichten von Yi Lei (Yi Lei 2020) veröffentlichte Tracy K. Smith auch online einzelne Übersetzungen aus dieser Sammlung sowie einen Kommentar zu ihrer Übersetzung von „Schwarzes Haar“ (oder im Englischen: „Black Hair“). Darüber hinaus veröffentlichte sie 2018 eine Trauerrede für Yi Lei.

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Sinne durchzogen sind, treten ab der Mitte der 80er Jahre feministische Elemente wie Freiheit und Eigenständigkeit in den Vordergrund, ohne dabei je gänzlich das Moment der romantischen Liebe aus den Augen zu verlieren. „In meinen Gedichten“, erklärt Yi Lei in einem ihrer vielzitierten Vorworte, „ist außer Liebe auch Liebe [zu finden], und ich bin keineswegs darüber beschämt. Liebe ist keineswegs niederer als irgendwelche großen Taten“ (我的诗中除了爱情还是爱情, 我并不因此而羞愧。爱情并不比任何伟大的事业更低贱。 ) (Yi Lei 1990, Vorwort, zitiert nach Liao Lihua 2010, 17). Und so findet sich in beinahe allen Werken Yi Leis – wenn auch hinter einer Unzahl von neuen Gewändern versteckt – das Thema der Liebe als wiederkehrendes Element. Yi Leis Gedichte gebrauchen das Thema der Liebe allerdings noch in einer zweiten Funktion: Der Mann, auf den sich die Liebe der Protagonistin fixiert, wird im Verlauf einzelner Gedichte entkernt und steht nur noch symbolisch für einen eigentlichen Mann. Im Vorwort zu ihrer Übersetzung schreibt Tracy K. Smith, die diesbezüglich in Kontakt mit Yi Lei stand, über das Gedicht „Schlafzimmer einer alleinstehenden Frau“ (oder in ihrer Smiths Übersetzung: A Single Woman’s Bedroom): „The pined-for beloved, as the poem progresses, is no longer a man, but an essential concept. And the disappointment driving the poem is leveraged finally, and importantly, against the self” (Smith 2020, x). Liebe also – auf dieser abstrakteren Ebene – macht die Protagonistin des Gedichts unabhängig von einem bestimmten Mann und befähigt sie vielmehr dazu, sich auf abstraktere Weise mit den strukturellen Problemen ihrer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Im Laufe der Zeit und durch die aufkommende feministische Bewegung Chinas verkehrte sich das Thema der Liebe, welches Frauen oft als wartend oder suchend – und damit als von Männern abhängig – zeichnet, zu einer Art Verlust der Hoffnung auf Liebe und verlieh dem Thema somit in gewisser Weise ein Moment der weiblichen Eigenständigkeit und Freiheit: Der bereits zitierte Satz „Du kamst nicht, um mit mir zusammen zu wohnen“ steht hier exemplarisch als Vorwurf an einen Mann, nicht seinem Versprechen nachgekommen zu sein, und gibt damit der Protagonistin ihre Stimme zurück, sagt sie los vom Warten auf diesen Mann. Bezogen auf die abstraktere Ebene der Liebe, löst sich die Protagonistin mit diesem Vorwurf vom Modus des Wartens und Suchens und identifiziert die Strukturen der Gesellschaft selbst als das Problem. Das in diesem Vorwurf beispielhaft enthaltene Bewusstwerden der weiblichen Eigenständigkeit führte in den 80er Jahren zur Entfaltung eines Selbstbewusstseins, in welcher sich die Frauen immer weiter von der patriarchalen Gesellschaft abkehrten und auf sich selbst besannen.

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3 Die feministische Bewegung Chinas der 1980er Jahre Als die feministische Bewegung der 1980er Jahre zur Mitte des Jahrzehnts in China an Fahrt aufnahm, stand das Zusammenleben unverheirateter Paare dort noch immer unter Strafe. In dieser von patriarchalen Strukturen geprägten Gesellschaft blieb Frauen somit oftmals nichts anderes übrig, als die passive Rolle einzunehmen und auf einen Geliebten zu warten. Ein Mächteungleichgewicht zwischen den aktiven Männern und den passiven Frauen prägte die Gesellschaft zu jener Zeit. Doch in der Frauenbewegung fanden viele Dichterinnen ein neues Selbstbewusstsein, das sie dazu ermutigte, dem Warten auf und der Abhängigkeit von Männern zu entsagen. Im Laufe dieses Prozesses wurde der Körper zu einem zentralen Element der Dichtung, als da er „der letzte Rückzugsort des Selbst ist“ (是自我撤退的最後領地) (Cui Weiping 1993, 46). Weibliche Korporalität stand von diesem Moment an im Mittelpunkt der Werke Yi Leis und einer Vielzahl weiterer chinesischer Dichterinnen. Doch auch diese Korporalität der feministischen Dichtung steht immer in einer gewissen Spannung zur Gesellschaft, was deutlich in der Dialektik von Liebe und Entsagung in Yi Leis Dichtung zum Vorschein kommt. In einer von hegemonialer Männlichkeit durchwucherten Gesellschaft entspricht eine Rückbesinnung auf den weiblichen Körper dem männlichen Wunsch, befriedigt den male gaze und trifft zwangsweise auf Voyeurismus (Liao Lihua 2010, 18). Doch gerade in diesem Spannungsfeld zwischen männlichen Blicken und weiblicher Selbstbestimmung liegt die Kraft dieser Dichtung: sie ordnet sich nicht den Blicken der Männlichkeit unter, sondern hält die Flagge der Weiblichkeit aufrecht und problematisiert damit eben diese Männlichkeit. Zwar entstand Yi Leis Gedicht „Schwarzes Haar“ bereits im Jahr 1981,6 jedoch lassen sich auch hier bereits die Grundzüge der feministischen Geschlechterdynamik und das Spannungsverhältnis zwischen weiblicher Körperlichkeit und dem Warten auf den Mann ablesen.

 In Tracy K. Smiths Übersetzung ist das Gedicht fälschlicherweise auf den 25. März 1987 datiert (Yi Lei 2020, 38), während die ursprüngliche Veröffentlichung in Shikan 诗刊 (Lyrisches Magazin) den 25. März 1981 als Datum der Fertigstellung angibt (Yi Lei 2000, 55).

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4 Interpretationsansätze Im Folgenden werden sowohl die offensichtlichen Elemente der Geschlechterdynamiken als auch die naturbezogenen Motive des Gedichts „Schwarzes Haar“ einer genaueren Betrachtung unterzogen. Keineswegs können diese beiden ungemein voneinander abhängigen und untrennbar ineinander verwobenen Lesungen gesondert betrachtet werden, sondern bilden vielmehr zwei unterschiedliche, sich ergänzende Ebenen des Gedichts.

4.1 Geschlechterdynamiken Geschlechterdynamiken stellen, wie bereits erläutert, sowohl in ihrer Form als wartende, suchende Liebe wie auch im Gewand der selbstbewussten Korporalität, ein allgegenwärtiges Thema in Yi Leis Dichtung dar. Dieses Spiel der Geschlechter ist allerdings nicht nur auf das Verhältnis zwischen den jeweiligen Protagonist✶innen der Gedichte bezogen zu verstehen, vielmehr wird der Mann hier oftmals entkernt und muss als das bereits von Tracy K. Smith beschriebene essentielle Konzept von Männlichkeit in einer von dieser dominierten Gesellschaft verstanden werden. „Schwarzes Haar“ bringt diese Dynamik auf zweierlei Ebenen zum Ausdruck: auf sprachlicher und auf inhaltlicher Ebene. Finden sich in der deutschen Sprache Geschlechterrollen oftmals in Adjektiven und damit Eigenschaften wieder, die Personen zugeschrieben werden (Männer sind stark und denken logisch; Frauen sind fürsorglich und kreativ), so sind im Chinesischen eine Vielzahl an Adjektiven und Verben lediglich auf eines der Geschlechter anwendbar7 oder verweisen stark auf dieses. Sowohl wenrou 温柔 (sanft und weich), hier einfach als „weich“ übersetzt, als auch rouren 柔韧 (biegsam und robust), hier nur als „biegsam“ übertragen, welche in der zweiten Strophe des Gedichts auftauchen, sind zwar an sich geschlechterunspezifischen Adjektive, doch beinhalten sie beide das Zeichen rou 柔 (weich, biegsam), das typischerweise als weibliche Eigenschaft gilt, wird es doch seit der Antike dem weiblichen Yin zugeschrieben. Auch das Wort miaoling 妙龄 (Kindlichkeit eines Mädchens) in der fünften Zeile derselben Strophe ist eindeutig ein weiblich konnotiertes Wort – das erste Zeichen des Binoms miao 妙 (wundersam) setzt sich aus dem phonetischen Bestandteil shao 少 und

 Dies ist vergleichbar mit dem Englischen „handsome“ für Männer und „pretty“ für Frauen im heutigen Sprachgebrauch.

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dem semantischen Element nü 女 (Frau) zusammen und gibt damit bereits eine Richtung des Bedeutungshorizonts des Wortes vor. Auch die vierte Strophe eröffnet mit einem möglichen Verweis auf das weibliche Geschlecht. So wird das wilde Kraut mit dem Begriff pengbo 蓬勃 (lebenskräftig, sprießend) beschrieben, der an sich zwar geschlechtsneutral ist, im Kontext des schwarzen Haars jedoch symbolisch für die Königinmutter des Westens (Xiwangmu 西王母) steht. Als eine der ältesten Gottheiten Chinas wandelte sich die Darstellung Xiwangmus von den frühesten Quellen aus der Shang-Dynastie (c. 1600–c. 1046) (Cahill 1993, 12–13) bis zum Ende des Kaiserreichs laufend, jedoch wird „sie stets als die Göttin der Unsterblichkeit verstanden“ (Kreuzpointner 2019, 58). Darüber hinaus dient ihr Palast als Jenseits für Menschen und zur Kommunikation zwischen der Menschen- und Götterwelt, was Xiwangmu selbst zur Vermittlerin zwischen diesen beiden Ebenen machte (Cahill 1993, 73). Das Shanhai jing 山海经 (Klassiker der Berge und Meere; ca. 3. Jhd. v. Chr.8), eine frühe fiktivgeographische Berichtsammlung über die Reisen des mythischen Kaisers Yu 禹 durch sein Reich, beschreibt: „Xiwangmus Äußeres ist wie ein Mensch. [Sie hat] einen Leopardenschwanz und Tigerzähne und [kann] gut pfeifen. In ihrem struppigen Haar trägt sie einen sheng [als Kopfschmuck]“ (西王母其状如人,豹尾虎 齿而善啸,蓬发戴胜) (Yuan Ke 2016, 33). Das Zeichen peng 蓬 (struppig, zerzaust), welches in der Beschreibung Xiwangmus auf Haare bezogen wird, stellt somit eine mögliche Verbindung zwischen Yi Leis schwarzem Haar und der unsterblichen, vermittelnden Göttin her. Das schwarze Haar kann daher als kommunikatives Element zwischen seiner weiblichen Trägerin und dem männlichen Objekt der Sehnsucht verstanden werden. Weniger symbolisch finden sich mit xiufa 秀发 (schönes Haar einer Frau) auch im vierten Vers der fünften Strophe sowie mit rouruan 柔软 (weich, biegsam) im zweiten Vers und zhenjie 贞洁 (rein, unbefleckt)9 in Vers sieben der neunten Strophe weitere semantisch weiblich geprägte Begriffe.

 Traditionell wird das Werk dem mythischen Kaiser Yu 禹 zugeschrieben, philologische Studien weisen allerdings eher auf ein Entstehungsdatum im 3. Jhd. v. Chr. mit späteren Eingriffen während der Han-Dynastie (206 v. Chr.–220 n. Chr.) mit unbekanntem Entstehungsort hin (Fracasso 1993, 359–361).  Während der Text an dieser Stelle auch das synonyme chuncui 纯粹 (rein, unverfälscht) hätte verwenden können, fiel die Entscheidung aus zwei möglichen Gründen auf dieses seltenere Binom: Einerseits beinhaltet das Zeichen jie 洁 (sauber, rein) das semantische Bestandteil shui 水 (Wasser), auf das bei der Analyse der Naturmotive noch zurückzukommen sei und welches auf das flüssige Blut im vorangehenden Vers zu verweisen vermag. Andererseits findet sich das Zeichen zhen 贞 (loyal, geradlinig) auch in einer alternativen Schreibung des Geburtsnamens Yi Leis als Sun Guizhen 孙桂贞 und stellt somit eine direkte Verbindung zwischen der Protagonistin in ihrem Gedicht und der Autorin her.

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Auf direkter inhaltlicher Ebene, ohne also die im folgenden Abschnitt analysierten Naturmotive in Betracht zu ziehen, spielt Geschlecht bzw. die dahinterliegenden Dynamiken an drei Stellen eine explizite Rolle. Die zweite Hälfte der zweiten Strophe setzt sich mit den gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen auseinander: „Die Zeit der Kindlichkeit beginnt im März von Neuem / verlässt den geschlechtlosen Urquell / Nutze deinen biegsamen Faden10 und wickle mich ein / Die Haut bereits äschern und alt wie eine Wolke“. Mit dem März, dem ersten Monat nach dem chinesischen Neujahr und dem Beginn des Frühlings, erwacht erwartungsgemäß auch die Schönheit des weiblichen Geschlechts von Neuem. Doch der Ursprung selbst, aus welchem diese Erneuerung ihre Kräfte bezieht, dasjenige, was den Kräften von Yin und Yang (weiblich und männlich) zugrunde liegt, ist selbst viel vollkommener, kennt den Unterschied zwischen den Geschlechtern nicht. Wie eine Wolke, die seit Langem am Himmel umhertreibt, ist auch die Haut der Protagonistin über das vergangene Jahr und den abschließenden Winter gealtert, was sie dazu veranlasst, sich vom Faden des Urquells umgarnen zu lassen, um in neuer Frische der Gesellschaft entgegentreten zu können. Nach endlosem Umherwandern in den ersten Strophen des Gedichts, stirbt die Protagonistin in der fünften Strophe, beginnt von Neuem, sucht einen neuen Quell ihrer Weiblichkeit, um nicht mehr von der Gesellschaft abhängig zu sein (schließlich war das schwarze Haar in Strophe drei noch heimatlos, umhergewirbelt, musste sein Gesicht bedecken und wurde überschattet). Auf dieser neubegonnenen Suche treten nun das fließende Wasser, brennende Kerzen und Buschfeuer in den Blick der Protagonistin. Doch diese Suche nach ihrer Eigenständigkeit, nach einem unabhängigen Selbstbewusstsein wird jäh von der Gesellschaft niedergeschlagen: Durchzogen von Löchern und Wunden muss sie in der neunten Strophe für ihren Fehltritt büßen. Zurückgeworfen auf ihren Körper, hier durch das schwarze Haar als „letzter Stolz einer Frau“ symbolisiert, ist sie kein Teil der Gesellschaft mehr, sondern bleibt allein mit ihrer neugewonnenen Freiheit. Doch auch dieses Ausgestoßen-Sein muss, gleich den gefährlichen Stromschnellen und dunklen Wolken der letzten Strophe, zu einem Ende kommen, und so wird der Mann schlussendlich zum vermeintlichen Retter: Seine männlichen Hände wurden von der Protagonistin bereits erwartet, um sie von ihrem Leid und ihrer naiv-weiblichen Verwirrtheit zu erlösen, doch in seinem abschließenden Akt

 Raffaela Rettinger wies mich freundlicherweise auch auf die Interpretationsmöglichkeit des Fadens als „roter Faden des Schicksals“ hin, der von der Gottheit Yuexia laoren 月下老人 (Alter Mann unter dem Mond) zwischen zwei Neugeborenen gespannt wird, um diese als eine Art Seelenverwandte auf ewig miteinander zu verknüpfen.

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verknotet er ihr schwarzes Haar, nimmt ihr jegliche weiblich-weichen Züge, die sie sich zu bewahren versucht hatte und wirft sie auf einen Punkt zurück, der weiter entfernt liegt als der Ausgangspunkt ihrer Suche. In diesem Akt wird der Mann als die Macht über den Lauf des Lebens der Protagonistin besitzend dargestellt – in der patriarchalen Gesellschaft sitzt er am längeren Hebel. Das Urteil jedoch, welches dieses Gedicht fällt, ist verheerend: Von den Händen des Mannes, der die Frau in Empfang nimmt, geht eine zerstörerische Kraft aus, welche diese ihrer Weiblichkeit, ihrer Kindlichkeit und all ihrer erkämpften Freiheiten beraubt und sie zu einem starren Fels verklumpt. Die hier beschriebene inhaltliche Ebene des Gedichts besitzt in Hinblick auf seine Geschlechterdynamiken jedoch noch eine weitere Nuance: Wie in vielen von Yi Leis Werken, findet sich ein prägnantes lyrisches Ich, eine Protagonistin, die einem Du gegenübergestellt wird.11 In Strophe fünf wird diese Beziehung ausgeweitet und das zuvor im Gedicht verfolgte schwarze Haar wird mit dem Ich verknüpft. Obwohl die Gesellschaft in dem Gedicht nie explizit angesprochen wird, verknüpft der Text das männliche Du mit der beschriebenen Welt – und im essentielleren Sinne mit der männlich dominierten Gesellschaft –, was klar aus der folgenden Analyse des Zusammenspiels des Ichs und naturbezogener Elemente hervorgeht.

4.2 Naturbezogene Elemente Zwar haben die Gedichte Yi Leis als moderne lyrische Werke das Gewand traditioneller chinesischer Dichtung mit ihrem rigiden Aufbau und ihrer formalisierten Struktur bereits abgelegt, doch trotzdem sind viele Elemente des Daoismus in den Texten anzutreffen. Damit steht Yi Lei allerdings keineswegs allein da, denn die Verwendung daoistischer Motivik geht ebenfalls auf feministische Strömungen in China zurück. Mit den Studierendenprotesten gegen den Versailler Vertrag wurde in China 1919 die Bewegung des vierten Mai (Wusi yundong 五四运动) losgetreten und die Tendenzen der Neuen Kulturbewegung auf ihren Höhepunkt getrieben, in welcher viele Intellektuelle westliche Werte nach China übertrugen und die klassische konfuzianische Gesellschaft hinterfragten. Dieser Fokus auf den Westen und die gleichzeitige Geringschätzung

 Liao Lihua weist darauf hin, dass sowohl das Ich als auch das Du in Yi Leis Dichtung oft auch nicht-personell als Same auf dem fruchtbaren Boden einer einsamen Insel oder als Gischt auf dem Ozean wiedergegeben werden (2010, 17).

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des Altertums machte auch vor dem Daoismus keinen Halt und doch lebte dieser in der Dichtung weiter, da er für die Autor✶innen ihre Sehnsucht nach Individualität und Freiheit repräsentierte. In der patriarchalen Gesellschaft, in welcher Frauen immerzu ein Objekt der männlichen Betrachtung, Erklärung, Auslegung sind, stellten sich besonders Frauen im Zuge der Bewegung des vierten Mai gegen diese gesellschaftlichen Strukturen und strebten nach genau jener Freiheit und Individualität (Lin Pingqiao 2018, 75). „Schwarzes Haar“ arbeitet mit ebendiesen daoistischen Elementen, welche sich oftmals in Naturmotiven äußern. Neben den bereits im vorherigen Abschnitt angesprochenen Bildern der Xiwangmu und des Urquells, treten bei genauerer Betrachtung einige weitere Motive klar hervor: Als prägnantestes Naturmotiv ist hier wohl zuallererst das Zusammenspiel zwischen den beiden Elementen Wasser und Feuer, die je stellvertretend für eine der beiden kosmologischen Grundkräfte (Yin und Yang) stehen. Bereits die dritte Strophe des Gedichts setzt das rast- und heimatlos in der Welt umherwandelnde schwarze Haar in einen harschen Kontrast zum Element des Feuers: Die von der Sonne verbrannte Wüste, der sonnige Himmel, die Hitze des feurig-roten Tages, all diesen flammenden Strapazen muss sich das schwarze Haar aussetzen. Wird nun das Feuer als Symbol für das Männliche gelesen, verwandelt sich diese Tortur in eine von Männlichkeit dominierte Gesellschaft (Wüste),12 in welcher eine Frau sich vor den womöglich lüsternen Blicken des Mannes schützen muss (sonniger Himmel) und – nachdem der Regen eine kurze Verschnaufpause erlaubt – Männer immerzu die Taten von Frauen überschatten (feurig-roter Tag). Insbesondere auch der Himmel13 und der Tag (das chinesische Wort rizi 日子 setzt sich aus ri 日 (Sonne) und dem Nominalmarker zi 子 zusammen), als höchste Repräsentationen des männlichen Yang, verleihen diesem Bild der brutal unterdrückten Weiblichkeit seinen Nachdruck. Der expliziten Darstellung dieser Szene wird auch durch den Kontrast zu den darauffolgenden drei Versen weiterer Nachdruck verliehen: Während Vers 2–5 allesamt mit der Präposition zai 在 einleiten und eine Szene in Bezug auf das umherirrende schwarze Haar zeichnen, steht zu Beginn von Vers 6–8 immerzu das Zeichen wo 我 (ich). Es entsteht ein eindeutiger Bezug der Dynamik zwischen Haar und Feuer zum lyrischen Ich des Textes, das in Reaktion auf die männlichen Blicke befangen erwidert: „Ich habe mein schwarzes Haar nie / genau im Spiegel betrachtet / Ich will es von nun an für tausend Jahre betrach-

 Hier ließen sich noch die Gräber hinzufügen, welche vermutlich die männlichen Ahnen symbolisieren, welchen weiterhin Verehrung durch ihre Nachkommen zusteht.  In der chinesischen Kosmologie steht der Himmel für reines Yang und somit für das Männliche, während die Erde das reine Yin und damit das Weibliche darstellt.

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ten“. Das Ich unterwirft sich mit diesen Worten den Forderungen der patriarchalen Gesellschaft. In gleicher Weise, wie das Haar den Flammen der Männlichkeit ausgesetzt ist, wird das wilde Kraut, welches in der darauffolgenden Strophe noch vom Erdboden trinkt und sich der Illusion hingibt, in einer guten Gesellschaft zu leben, kurz darauf ausgelöscht. Auch in dem Wort pomie 破灭 (auslöschen) findet sich im zweiten Zeichen, mie 灭 (erlöschen), wieder das Feuer, huo 火. Jung und naiv weiß das schwarze Haar noch nicht über sein endgültiges, dem wilden Kraut gleiches Schicksal Bescheid. Und doch versucht es sich in der fünften Strophe durch seinen eigenen Tod von seinem Leid loszulösen und einen Neubeginn zu wagen. Die beiden darauffolgenden Vergleiche, das fließende Wasser und die brennende Kerze, weisen erneut die Gegensätzlichkeit der Geschlechter aus: Das Wasser allein bleibt rastlos, da ihm der Ausgleich durch einen wie auch immer gearteten Gegenpol fehlt;14 gleichzeitig ist jedoch auch das Brennen der Kerze unaushaltbar, muss mit den Tränen der Trauer über den Zwiespalt der eigenen Situation gelöscht werden. Doch mit der erloschenen Kerze wird die Protagonistin auf die Situation des fließenden Wassers zurückgeworfen, besitzt keinen Gegenpol mehr und muss sich somit fragen: „Was soll ich nutzen, um von nun an mein Leben zu erleuchten?“ Über diese Frage nachsinnend zeichnet das Gedicht ein abschließendes, drittes Bild: das erschöpfte Buschfeuer, welches einen gleichzeitig wunderschönen und trauernden (das Wort qiyan 凄艳 beschreibt diese im Deutschen schwer zu reproduzierende Bedeutungsverbindung) letzten Laut von sich gibt. Gleichsam ist wohl auch die neue Situation der Protagonistin, abseits von der männlich dominierten Gesellschaft zu deuten, ist sie doch wunderschön ohne das Joch der Unterdrückung und im gleichen Augenblick auch traurig, hat die Protagonistin doch der von ihr sehnsüchtig herbeigewünschten Liebe entsagt. Neben dem reinen Strahlen im siebten Vers der achten Strophe, dessen Reinheit, zhenjie 贞洁, abermals das semantische Bestandteil von Wasser enthält, stechen noch die Stromschnellen der letzten Strophe ins Auge: Wie die darauffolgenden sorgenhaften dunklen Wolken müssen auch die Stromschnel-

 Yin und Yang sind keineswegs bloß als diametral entgegengesetzt oder dialektisch aufeinander bezogen zu verstehen. Vielmehr bringen sie einander auch hervor, halten einander in Schach, zerstören und verwandeln einander. Eine einleitende Analyse dieser Dynamiken findet sich bei Robin Wang (2012, 7–12). Im vorliegenden Zusammenhang ist es eben das fehlende Yang des männlichen Feuers, welches zu einem Ungleichgewicht seitens des Wassers oder der Weiblichkeit führt.

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len zu einem Ende kommen. Die negativen Wolken werden hier in einer direkten Parallelstruktur zu den weiblichen Stromschnellen gesetzt und so macht es den Anschein, als wäre die Protagonistin vor der Gesellschaft eingeknickt. Die Stromschnellen, der weibliche Übermut, hatte sie vom rechten Weg abkommen lassen, doch nun ist sie endlich zurückgekehrt, in die Arme des männlichen Du, das sie sogleich zu einem Fels verknotet. Was am Ende des Gedichts bleibt ist ein brennender Nachgeschmack. Die Auslegung anhand naturbezogener Elemente ließe sich nun noch weiter auf die Pflanzen- und Erdmetaphern oder das Spiel zwischen Wolken und Regen erweitern, doch auch so bietet die Analyse bereits einen ausreichend tiefen Einblick in die Natursymbolik des Gedichts.

5 Kommentare zur Übersetzung An dieser Stelle sollen noch ein paar kurze Worte zur Übertragung des Gedichts ins Deutsche verloren werden. Die vorliegende Übersetzung des Gedichts versucht den chinesischen Originaltext möglichst exakt wiederzugeben. Solche textnahen Übersetzungen führen häufig – insbesondere, wenn die Leserschaft nicht mit dem sozialen oder kulturellen Kontext des Werks vertraut ist – zu einer Entfremdung zwischen Leser✶innen und Gedicht. Aus diesem Grund hat Tracy K. Smith bei ihrer englischsprachigen Übersetzung in Absprache mit Yi Lei viele der Metaphern, Motive und Details ausgetauscht, um die Texte, ihre Botschaften und ihre Atmosphäre näher an die amerikanische Leserschaft heranzutragen (Smith 2020, viii). Durch die Möglichkeit der Kontextualisierung im vorliegenden Band wurde allerdings eine ebensolche textnahe Übertragung aus dem Chinesischen ermöglicht, da für weiterführende Erläuterungen ausreichend Raum zur Verfügung gestellt wurde. Auf das Studium der Übersetzung der Klassischen Chinesischen Schriftsprache zurückzuführen, das großen Wert auf die korrekte Übernahme grammatikalischer Strukturen legte, versuchte der Autor auch bei diesem Gedicht, den Satzbau des Originals zu bewahren. In einigen Fällen musste der Spagat zwischen der Nähe am chinesischen Text und der Leserlichkeit im Deutschen allerdings zugunsten letzterer entschieden werden, um die Leser nicht unnötig zu befremden. So wurde bspw. im dritten Vers der ersten Strophe der Satz „Im März laufen“ (Zai sanyue li benpao 在三月里奔跑) als „Laufen im März“ wiedergegeben und die Reihenfolge der Satzteile damit umgekehrt, da die exakte Übertragung der Satzstruktur ohne ein Subjekt im Deutschen ein Gefühl der Unvollständigkeit hervorruft. Auch viele der im Text verwendeten Binome, wie

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das bereits erwähnte wenrou 温柔 (sanft und weich) oder qiyan 凄艳 (wunderschön trauernd), wurden auf eine einzige Bedeutung reduziert, um dem Rhythmus des Chinesischen näher zu kommen. Gesondert zu erwähnen sind hier jedoch nochmal die letzten drei Verse der dritten Strophe, die allesamt mit dem Schriftzeichen wo 我 (ich bzw. genitivisch mein) beginnen. Um dieses rhetorische Element korrekt zu übertragen, müsste der Text an dieser Stelle wie folgt lauten: „Ich habe im Spiegel nie angesehen / mein schwarzes Haar / Ich will es von nun an für tausend Jahre betrachten“. Aufgrund der Eigenheit der deutschen Sprache, das Vollverb ans Ende des Satzes, hinter das Objekt zu stellen, klingt diese textnahe Übertragung für die deutschsprachige Leserschaft eher befremdlich, sodass diese Worthäufung in den drei Versen außer Acht gelassen und dem Rhythmus des Satzes stärker Folge geleistet wurde. Im Gegensatz dazu wurde an einigen Stellen unter Anbetracht der Erklärungsmöglichkeit auf eine Aufweichung des chinesischen Textes verzichtet. Die Zeile „Was soll ich nutzen, um von nun an mein Leben zu erleuchten?“ wirkt im chinesischen Original fast genauso rätselhaft wie in der deutschen Übersetzung. Lediglich die Vertrautheit eines Muttersprachlers mit dem daoistischen Vokabular des Textes bietet diesem etwas mehr Halt. Eine von Chinesischen abweichende Übertragung als „Womit kann ich meinen Lebensweg nun erhellen?“ wäre an dieser Stelle zum besseren Verständnis zwar legitim gewesen, war aus genanntem Grund jedoch nicht notwendig. Und so konnte mithilfe dieser Bemerkungen hoffentlich der Balanceakt zwischen textueller Integrität und Verständlichkeit für die deutschsprachigen Leser✶innen gut gemeistert werden.

6 Schlussbemerkungen Yi Leis „Schwarzes Haar“ verfolgt den Werdegang einer jungen Protagonistin nach, die sich von den Fesseln der patriarchalen Gesellschaft, in die sie hineingeboren wurde, zu lösen sucht. Für einen kurzen Augenblick scheint ihr dieses Unterfangen auch zu gelingen, schafft sie es doch, aus ihrem Käfig auszubrechen und auf eigenen Füßen zu stehen. Bereits bald wird sie allerdings, auf der Suche nach einer neuen Identität, ihres Dilemmas gewahr, sich niemals vollständig von der Gesellschaft und damit eben auch von dem, worauf sich ihre Sehnsüchte beziehen, abwenden zu können.

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Zwischen Yi Leis eigener Sehnsucht nach Liebe, die ihr zu Lebzeiten verwehrt blieb,15 und der Loslösung von den negativen Gefühlen, welche dem Warten auf und der Suche nach ebendieser Liebe anhafteten, ist eine eindeutige Parallele zum Zwiespalt von eigenständiger Identität und dem Dazugehören zur Gesellschaft in „Schwarzes Haar“ erkennbar. Vielen nicht-männlichen und auch manchen männlichen Personen in unserer Gesellschaft ist dieser ständige Kampf nur allzu bekannt. Wenn die Dichtung Yi Leis doch keinen Ausweg aus diesem Konflikt aufzuweisen vermag, so reicht sie den Leser✶innen zumindest das Werkzeug an die Hand, den wunden Punkt zu identifizieren und als solchen zu benennen.

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 Yi Leis einziger Verlobter, ihre große Liebe und Inspiration für „Schlafzimmer einer alleinstehenden Frau“ starb während ihrer Zeit im Stahlwerk an Leukämie (Han Zhang 2021 und Smith 2018).

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Juliann Knaus

6 Multisensory Hair Therapy: Exploring Intermediality and Materiality in Trey Anthony’s ‘da Kink in my hair Abstract: In ‘da Kink in my hair: voices of black womyn by Trey Anthony, the mediality of hair is discussed and the representation of hair is extended to auditory, tactile, and visual features; Anthony includes the “soundscape of daily hair noises,” the entanglement of fingers in hair, and a physical ‘coil’ of hair on the stage. As a result, the intermedial aspects of drama become entangled with the multifaceted mediality of hair itself. Anthony uses the sight, touch, and sounds of hair as a starting point to discuss beauty standards, gun violence, sexuality, death, mental health, colorism, and sexual abuse, and additionally to discuss how hair can create a sense of community among Afro-Caribbean women. The hairdresser as a person touching the hair and the hair salon as a physical space hence both take on a therapeutic role in an attempt to heal the lives and the psyches of women who go there and to affirm the link between hair and identity performance. My paper thus aims to address the multisensory, material, and intermedial (re-)presentation of hair in Trey Anthony’s ‘da Kink in my hair in order to stress the cultural significance of hair in the African Canadian community. Additionally, I consider how the material poetics of hair is employed in this dramatic work and why the space of the hair salon and the profession of the hairdresser is so important for examining the ‘being’ and ‘becoming’ of Black women.

1 Introduction The politics of hair has increasingly become a topic of research interest over the last 25 years, particularly with regard to Black communities. As a result, an extremely wide range of scholarship on Black hair exists detailing the influence and the complex relationship that each Black person, notably each Black woman,

Juliann Knaus, University of Graz https://doi.org/10.1515/9783110776461-007

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has with her hair.1 Although hair is not a uniquely Black or White phenomenon – as the significance of hair crosses cultural boundaries – the importance of specifically Black hair is inimitable. As Djanet Sears asserts in the foreword to ‘da Kink in my hair “[f]or no other racial or cultural group is a hair style also a personal and political statement which reflects the beliefs, the history, the aspirations, the pain, the jubilation and the contradictions of many Black women’s lives” (2005, iii). The significance of hair is therefore embedded in other concerns. In other words, hair as a phenotypical feature of humans that is additionally multisensory (visual, tactile, olfactory, aural) can be read as expressing certain cultural views related to notions of self-definition, perception, and representation. Trey Anthony’s ‘da Kink in my hair: voices of black womyn2 (2005) is a twoact play set in an Afro-Caribbean Canadian hair salon predominantly consisting of 7 monologues, interspersed with dialogue, music, and dance. The play first premiered at the Toronto Fringe festival in 2001 and was additionally turned into a TV show in 2007, which ran for 2 seasons. The subtitle of the play – voices of black womyn – places the play in a realm of feminist discourses by negating the male (“men”) aspect of the word women.3 As George Elliott Clarke remarks, this spelling (“womyn”) “evinces Anthony’s feminist stance” (2009, 5) and her inclusion of the word “black” points to the fact that Anthony does not address a more general feminist stance, but rather focuses on specific forms of Black womanhood (see Clarke 2009, 7). At the time of the publication of this play, Anthony also wrote and changed the spelling of her name to consist of all lowercase letters – trey anthony – much like the decision the distinguished scholar bell hooks made regarding the spelling of her name in print. Although Anthony has since returned to the capitalized spelling of her name,4 as Harvey Young emphasizes, her “decision to adjust the way that her name appears in print hints at a desire to embrace a more quiet (but not passive), inclusive, and more communal sense of identity possibly influenced by feminist and womanist criticism” (2012, 66). This adds to the focus that Anthony lays on telling the stories of Black women in her play. Moreover, in the title only the word “kink” is capitalized, which increases the emphasis of that word and the texture of hair which will be elaborated on in the play. It also highlights which specific wo-

 See, for example, Banks (2000); Byrd and Tharps (2014); Dabiri (2019); Prince (2014); or Rooks (1996).  Throughout the rest of this chapter I will shorten the title of the play to: ‘da Kink.  This crucial gendered aspect of hair is further explored in several other contributions to this volume.  Anthony returned to this spelling back “in 2010 after a half-decade spent employing lowercase” letters (Young 2012, 66).

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men’s stories will be depicted in the play, namely Black women, because hair plays a “central role [...] in Black women’s lived experiences and conceptions of self” (Jacobs-Huey 2006, 3). If we move from the title to the content of the play, throughout the text itself the mentioning of hair is not merely descriptive, pertaining to characterization, but is more intentionally associated with aspects such as beauty, cultural identity, or even pain. The descriptive features of hair mentioned in the play, however, are also integral to understanding how larger societal conceptions regarding hair color, style, and length are linked to certain connotated meanings. Each monologue is told by a Black girl or woman and the stories they tell deal with their experiences connected to hair, but additionally touch on the subject of colorism, suicide, sexual abuse, and more. Although these very difficult topics are addressed, Byrd and Tharps note that “it’s wrong to think that Black hair is such a popular topic because it’s a painful one” (2014, xii). Instead the mix of suffering, pride, and unparalleled relationships with hair set Black hair apart from the hair of other racialized groups and affirms “Black women’s ideas” about their hair being “intricately connected to cultural identity, gendered experiences, and racial consciousness” (Jacobs-Huey 2006, 14). To explore the functions as well as the mediality and material poetics of hair in the play I will be using the linguistic anthropologist Lanita JacobsHuey’s approach to the significance of hair through the usage of the dynamic terms “being and becoming” (2006, 5).5 She considers “self-perceptions as individuals and members of a collective” as representing ‘being,’ and the “transition into different dispositions, ideological stances (or positions), professional statuses, and phases of life” as ‘becoming’ (Jacobs-Huey 2006, 5). Hair thus plays a transformative and dynamic role in the lives of Black women. As Jacobs-Huey observes, “what people do and say through hair care can shed light on how members of a cultural group use hair more broadly as a signifier of status, and hair care as a site of routine cultural practice” (2006, 4). Resultantly, hair care should be interpreted as a form of cultural performance and, in this case, as a form of theatrical performance. Not just the materiality and mediality of hair and the representation of hair on stage, but also the depiction of the hair salon and the intimate nature between hairdresser and client is highlighted within the play. The stories and monologues from the women representing their ‘being’ are then only released when they sit in the hairdresser’s chair.  Jacobs-Huey (2006) focuses specifically on African American women and linguistic as well as cultural elements and hair-care practices in those specific communities. Nevertheless, the research she conducted specifically regarding black beauty/hair salons and her theoretical approach of “being” and “becoming” are highly applicable to my analysis.

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Whereas African American drama and theatre have been widely theorized, research on African Canadian drama and theatre is often missing from scholarly conversations or is simply grouped together with its Black American counterparts, although African American experiences are not a copy and paste equivalent of Black Canadian experiences.6 In my chapter, I look at Black experiences in a Canadian context, and at the specific role the Black Caribbean immigrant plays in the contextualization of these experiences, because “in the texts of Caribbean-descended writers, Canadian times and spaces appear not just as problems or impediments; they also become extensions of the Caribbean and its issues” (Siemerling 2015, 210).7 In addition, although anthropological and sociological studies which explore the topic of hair do exist, very few scholars have looked at the portrayal of hair in written drama, or have applied research from the social sciences to literary or intermedial studies. Accordingly, my paper aims to address the multisensory, material, and intermedial (re-)presentation of hair in Trey Anthony’s ‘da Kink in my hair in order to stress the cultural significance of hair in African Canadian communities. Furthermore, I will emphasize that drama has the potential to appeal to multiple senses and forces us to consider how we deal with the materiality of our environment. Throughout my analysis, I will consider how the material poetics of hair is employed in this dramatic work and why the space of the hair salon and the profession of the hairdresser are so crucial for examining the ‘being’ and ‘becoming’ of Black women.

2 Multisensory Intermediality and Materiality in ‘da Kink Throughout this chapter I will propose an intermedial understanding of drama. Drama, as in theatre, is plurimedial due to the on-stage presence of several media and semiotic signs. However, my focus on the dramatic text will likewise point out the intermedial references that are present in the dramatic text, which make the text inherently intermedial, despite not overtly consisting of more than one medium. Drama in its essence only works as a ‘genre’ if we un See George Elliott Clarke’s Odysseys Home: Mapping African-Canadian Literature (2002) for a larger overview on this topic and (Young 2012, 61) for a shorter specific examination on theatre specifically.  Trey Anthony is a Canadian playwright who was born in London, England, but has Jamaican roots. Her Caribbean heritage plays a large role in her work.

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derstand/imagine it as also being staged; this is an essential aspect of theatre semiotic theories (see Fischer-Lichte [1992]; Pfister [1988]). The prominence of hair as an external visual factor means that the staged depictions of hair as well as the materiality and mediality of hair as mentioned in the text needs to be analyzed. Here the materiality includes the multisensory aspects along with the socio-historical conditions of the play. Although I will be referring to the published version of the play instead of addressing a full-length performance, I still would like to concentrate on the inherent place that image and sound have in the dramatic text, both in the main text and in the stage directions. The dramatic text is capable of ‘showing’ and ‘aurally’ depicting concepts despite being solely a ‘text.’8 It is this multifaceted, intermedial nature that in turn makes dramatic texts an ideal outlet to discuss the incredibly varied facets of “being” associated with Black hair. The visual and aural features of hair are already emphasized in the exposition of the play. Here we see the setting of the stage with hair being present onstage before the dialogue begins: Alone on the stage is a hairdressing chair, at the edge of the stage is a tight coil, representing the hair [...] they reach for the coil which is sitting at the edge of the stage, which is abruptly pulled apart, and a frightful sound escape [sic] occurs as the dancers stop and they reenact the sizzling, frying, pain, agony and torture that black hair is subjected too [sic]. (Anthony 2005, 3; stage directions)

There is a physical coil on the stage – the hair is physically represented on the stage at the beginning and end of the play calling attention to the materiality and mediality of hair itself. A major prop also featured onstage is the hairdressing chair. This object ties into the hairdresser being a central element to the play as a whole. At the start of the play the coil is pulled apart to allow for the stories of the characters to escape (once they sit in the hairdressing chair) and at the end of the play the women “close the coil from the opening scene” (57; stage directions). This creates a communal act of closure needed for the women onstage and perhaps conjointly the audience to come to terms with the stories that were shared in the monologues throughout the play. The coil is then a transformative element that signals the transition from “being” to “becoming” in the women’s lives.9

 I see ‘text’ here not as a more general cultural artifact (i.e. how it has been discussed in intertextuality debates), but as a written artifact with words on a page.  Djanet Sears also remarks that in the play the “hairdressing salon” is presented “as a place of transformation” (2005, iv).

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The further multisensory aspects of the play are not only experienced by the audience and through the performance of the play, but are likewise explicitly noted by the playwright and are experienced by the readers of the play in its dramatic form. Moreover, Robyn Read even goes so far as to claim that “the script remains structured like a song itself: a chorus of chatter led by Novelette, women who have solo verses, and in the middle of it all, a bridge of ‘daily hair noises’” and asserts that the play “experiments with the rhythm and texture of language” (2006, 213). In ‘da Kink, the topic of hair is represented aurally not only with music, sounds by instruments, or singing, but additionally with soundscapes and acoustic environments which aim to mimic sounds connected with Black hair. From the excerpt above we are already confronted with the main coil on-stage from which a “frightful sound” escapes. This frightful sound is mirrored by the frightful and painful “torture that black hair is subjected too [sic],” but perhaps further reflects the painful and torturous testimonies we will hear – or read – throughout the play. At the opening of the second act the reader is confronted once more with the aurality of hair; this section of the act is what Anthony terms the “Bathroom Scene” (39) where six Black women discuss the pain, time, and energy that goes into various hairstyles along with the stigma and suppressing qualities attached to Black hair. This time Anthony simply states that there is a “[s]oundscape of daily hair noises” as “[t]he women in the bathroom [are] doing something to their hair while looking in the mirror” (2005, 39; stage directions). The women mention straightening their hair, curling it, braiding it, locking it, shaving it, and even getting it wet (which is a taboo topic, often causing Black women to avoid certain types of weather and activities such as swimming so as not to wet their hair). All of these cultural practices of fashioning hair produce the aural “daily” hair sounds and the women’s oral exclamations regarding their daily hair struggles and time-consuming hair practices allows this hair care to be associated with colorism, female family acceptance or rejection of hairstyles, and the grueling processes hair is subjected to. Several tactile elements of hair play a major role in the play, because throughout the play, each main monologue is spoken by a different character and the owner of the hair salon and primary hairdresser, Novelette, sometimes ‘signals’ a monologue by placing her fingers deeply in the hair of her client. In the stage directions we also have these explicit mentions of tactile features. Hence, the “monologues [are] triggered by an encounter with hair” and “the stories of black women [are] prompted by the touch of hair” (Young 2012, 53, 56). For example before the first monologue begins, the stage directions state the following: “Novelette starts to touch her hair. As her fingers are going through the hair the hair sends her a message. Novelette knows exactly what is going on. Nove-

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lette closes her eyes her fingers entwined deeply in the woman’s hair” (Anthony 2005, 5; stage directions). Often when the monologues are finished, Novelette’s fingers are still in her customer’s hair, which is visible in the lines: “The lights go up with Novelette’s fingers still in Shawnette’s hair”; “Novelette’s hands are still in her hair”; “Novelette’s hands still in Sharmaine’s hair” (12, 22, 46; stage directions). Later in the text during the second monologue “Novelette touches Patsy’s hair. As her fingers root themselves deeply into Patsy’s hair [...]” (19; stage directions). This second monologue is from Patsy who is a Christian woman who lost her teenage son to gun violence. Although this monologue is full of pain, it ends with hope as we find out that Patsy is pregnant. Patsy herself does not state that she is with child, instead it is Novelette with her hands still deep in Patsy’s hair that notices that her “hair is growing nice and thick” (22); a quality she associates with pregnancy. This in turn further emphasizes the importance of the tactile action of touching hair and its correlation to the storytelling qualities of the materiality of hair. This multisensory depiction of visual features, aural presence, and tactile closeness combines the “being” of individual and collective experiences of hair, particularly because “the kink is somewhat of a shape-shifter that speaks with not just one voice, but with many that belong to Black women of divergent ages, backgrounds, and vocations” (Read 2006, 213). Furthermore, it is especially the tactile power of Novelette, which aides in the process of the “becoming” of her customers in the communal and cultural space of her hair salon.

3 Community and Culture in the Setting of the Hair Salon Hair salons are important cultural spaces; often a location where communal as well as personal information can be shared. Therefore, not solely the materiality and multisensory aspects of the play, but likewise the setting of the hair salon stress the significance of hair in the play. In the introductory section of this essay, I emphasized Anthony’s feminist and womanist perspectives, which she foregrounds through the stories and experiences of Afro-Caribbean women in the play. This is particularly relevant since “Black women’s hairstyle choices are seldom just about aesthetics or personal choice, but are instead ever complicated by such issues as mate desire, mainstream standards of beauty, workplace standards of presentation, and ethnic/cultural pride” (Jacobs-Huey 2006, 3). The hair

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salon is represented as a communal location, “a place where women can freely express their thoughts and experiences” (Young 2012, 54).10 For the women in the play, “when they sit in the chair, their personal stories come out” (Shummoogum 2016, n.pag). Hence the hair salon is presented as a communal safe space “that allows for consciousness raising and healing transformation” (Clarke 2009, 5). Throughout the play Anthony highlights intersectional experiences and issues affecting Black Canadian (immigrant) communities, often centered on questions of identity, belonging, and suffering. The immigration aspect is particularly thought-provoking, because the setting of the play in a salon in a Black Caribbean Canadian neighborhood in Toronto accentuates the communal and cultural aspects of the salon. The Black Canadian population as a whole consists of the ‘native’ Black Canadian population found predominantly in the Eastern provinces, in particular Nova Scotia, Black American slaves who fled the U.S., and Black immigrants from the Caribbean and Africa. Notably, the majority of the Black population in Canada “are immigrants who arrived from the West Indies in the second half of the twentieth century” (Young 2012, 61). As Young observes, like other immigrant groups, these Black Caribbean immigrants commonly decided to settle in “neighbourhoods [sic] populated by people who shared their culture and customs” (2012, 61). This “not only provided a sense of familiarity in a foreign environment but also offered a support system that assisted in the adaptation to and navigation of the new national environment” (Young 2012, 61). The location of the salon in such a neighborhood additionally reaffirms these positive associations and establishment of this communal atmosphere. Although Anthony stresses the supportive qualities of such communities, she does not shy away from discussing a multitude of taboo topics which plague Black Canadians debunking stereotypical assumptions regarding “the idyllic multiculturalism of the city of Toronto” and “stories of Canada as a beacon of opportunity” (Young 2012, 60). From the outset in the first monologue in act one we encounter the pressure that Black women experience to conform to Euro-centric beauty ideals and expectations. This first monologue features Shawnette. Despite working several low-wage jobs in order to put her husband through medical school, he inevitably leaves her once he completes his degree and gets on his feet. Shawnette would previously take care of herself and she asserts that her husband would tell her not to “get rid of that kink in [her] hair” (Anthony 2005, 9). However, once her husband began to move up the educational and social ladder, Shaw-

 See Clarke’s essay “‘Symposia’ in the Drama of Trey Anthony and Louise Delise” (2009) for more on Black hairdressing salons and kitchens as a site for Black community experiences.

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nette ended up working herself to the bone and neglecting her needs to try to support her husband’s dreams and put him first. He in turn responded by leaving her for someone with no kinks in their hair, which implicates that her husband left her for a woman of another race (“ain’t no kink to play with in her hair” [Anthony 2005, 10]). Shawnette’s experience addresses the exploitation and unrealistic aesthetic conventions which torment many Black women. Right before this monologue the women in the salon are discussing Euro-centric beauty ideals, particularly with reference to blonde, straight hair. This conversation helps to foreground Shawnette’s monologue and gesture toward the racial differences between her and who her husband left her for, by indicating that Black “women’s hair narratives were [and are], in many ways, filtered through their experiences of marginalization as a collective of women whose ethnic features were long considered unattractive” (Jacobs-Huey 2006, 14). All of the women in the salon then collectively feel the struggle between accepting their natural features and adhering to unrealistic societal aesthetics. The main monologue which opens the second act after the “Bathroom Scene” shows Shermaine, a Hollywood actress who needs to deal with the stigma of being both a lesbian and Black. This constellation is ignored by those around her, including those at the salon. The women in the salon instead continuously pester Shermaine with questions regarding her lack of a boyfriend and even go as far as to try to set her up with several eligible bachelors. Hence, it is only through her monologue that Shermaine is able to reveal her true self for fear of ostracism in her career and much more importantly in her community. The last monologue of the play, which is performed by a woman named Nia, further touches upon ostracism within one’s community; however, this time it is the topic of colorism – skin color-based prejudice within Black communities – which is the subject of discussion. Notably, colorism is often linked to intra-racial hair prejudice, which discriminates in favor of straighter hair textures. In this case, Nia has had to deal with colorism and hatred for her skin and hair her entire life, not only from the community members she grew up with, but also from her own mother. Her mother would tell her that “Anything black is never good!” and Nia relays how her mother would complain and force her to sit every Sunday so that she could “press,” fry and cook Nia’s supposed “bad hair,” while Nia’s lightercolored sister Sandy with straighter hair – so-called “good hair” – could play outside without enduring this pain and contempt (Anthony 2005, 56). This generational prejudice and hatred of blackness even ends up affecting Nia’s own daughter Tasha, whose skin is described as “black coffee without the milk” (55). Nia’s mother barely paid attention to Tasha and her accomplishments, but rejoiced when Sandy gave birth to a “light bundle of joy” with hair “so wavy” you could “jump right in for a swim” and even began calling all of their family and

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friends to let them know “how the baby could easily pass for White” (55). Despite this anti-Black discourse and animosity that has composed Nia’s “being” throughout much of her life, it is when her mother dies that Nia feels emancipated from this intra-racial prejudice and decides to fully embrace and celebrate her blackness. A symbol of this new freedom and process of “becoming” is signaled by her going to Novelette’s salon and deciding to shave all of her hair off – a transformative move, which indicates her self-acceptance. Proving that “hair also provides individuals with a means of representing themselves and negotiating their place in the world” (Jacobs-Huey 2006, 4). Nia ends her monologue with the following statement: “I’ve been wearing black all my life” (Anthony 2005, 57). After this proclamation, all of the women featured in the play enter the stage individually and “state proudly ‘I’ve been wearing black all my life’” (57; stage directions). Accordingly, the healing process that each woman experiences is triggered by Nia’s self-acceptance and self-love. Despite highlighting the struggles which Canadian Black communities face, Anthony also makes sure to sprinkle instances of joy and comedic elements throughout the play. For example, whereas Patsy’s monologue details the utter agony she feels from losing her son to gun violence – a pain, which unfortunately far too many Black mothers must experience – the hope that new life brings through her new pregnancy underlines the possibility of happiness. Act one as a whole ends on a happy note with Enid’s monologue. Enid is an elderly widow, who naturally has experienced loss and loneliness, yet she shares that she is falling in love with her next door neighbor, which offers a beam of hope much like Patsy’s pregnancy. If we once again consider the intermedial features of the play, it is important to note that the list of dramatis personae includes percussionists and vocalists; this accentuates the role of the aural and ties into the communal elements within the play. Aspects of African oral traditions, dub poetry, music, singing, and dance are portrayed in the play as a community experience, shared by the actors, vocalists, and percussionists. These elements allude to African Diasporic representations of community and history gained through music and oral storytelling. Likewise, the monologue format connects back to African oral traditions and modes of storytelling hinting at the importance of the griots in the play.11 Furthermore, the play combines classical antiquity elements of theatre with African oral traditions. For example, there is a chorus in addition

 Clarke argues that the griot role “should be read as [a] symbol [...] of ancestry and heritage” (2009, 15); however, I find that it also much more strongly reveals the communal aspect of storytelling which takes place in the play.

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to griots which help narrate the characters’ stories and frame their monologues through words, music, dance, and song. The united actions of the chorus and griots create and strengthen a collective voice in two different styles which reflects on the dramatic action, weaving together both European and West African forms of dramatic storytelling and performance. Consequently, an added communal feature is created throughout the play, allowing for the characters to not be or feel alone as they share their often very difficult stories. The combination of medial forms is emphasized in the second act during the young Stacey-Anne’s monologue in which she details her struggle with moving from Jamaica to Canada and the sexual abuse she experiences at the hands of her stepfather. Stacey-Anne’s monologue further displays the “exploitation and vulnerability” of Afro-Caribbean women, which has been discussed throughout this chapter, and “breaks the silence related to black women’s struggles by not only sharing it but also mobilizing a community of women both on and off stage to seek redress” (Young 2012, 64, 60). This section of the play moves from the community presented on stage to more generally addressing the audience and society. The very personal monologue of Stacey Anne’s trauma is followed by a dub poem discussing the atrocious prevalence of sexual abuse especially of children. This dub poem summons the audience, readers, and listeners to “recall their own experiences of sexual assault and the culture of silence that surrounds it” (Young, 2012, 60). Additionally, the focus is not solely on women as victims, but instead further touches upon the sexual abuse that men can experience, as well as the societal silencing of sharing these traumatic incidents. The dub poem likewise adds an example of mise-en-abyme to the play, in the form of West Indian performance poetry, included within the theatrical performance of the play. Furthermore, it shows that certain traumata can be shared in this safe cultural and communal location of the hair salon (or barbershop). Finally, the performance within a performance may indicate the effectiveness of performance and why it is used to address traumatic and painful experiences affecting communities.

4 The Hairdresser as Therapist Throughout the play, the political and psychological nature of hair, such as the stigma of mental health in the Black community and the stereotypes of the strong Black woman are confronted. In many communities, seeking help from a therapist or talking about one’s problems is often seen as taboo. The cultural and communal space of the beauty salon as well as the profession of the hair-

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dresser are surprisingly able to break these boundaries. At first, Novelette’s loud, outspoken, colorful personality (often paralleled with colorful wigs) defies the stereotype of what a therapist should customarily look like. However, hairdressers typically have a performative persona,12 and Novelette is no different. Despite her character’s external features, the combination of her honesty with her seeming powers of intuition when styling the women’s hair makes her undoubtedly a person who can perform a therapist role.13 At the beginning of the first act Novelette breaks the fourth wall to address the audience and reveal her intimate relationship with hair. Novelette reveals that “the hair sends [her] a message. Some of the things it tells [her] makes [her] want to laugh, [or] makes [her] want to cry,” and even if her clients do not explicitly tell her their problems their hair tells her their stories (Anthony 2005, 6, 5). Here Novelette presents herself as having powers, which allow her to understand her customers and their dilemmas simply by touching their hair. As Harvey Young explains, [t]hrough touch, her hand on their hair Letty [Novelette] gains access to the gendered, cultural, and personal experiences of her customers. The act of laying a hand on hair, which becomes analogous to a religious rite of healing, bridges the stylist and the person being styled. An exchange occurs. The personal problems and crises of her clients, the metaphorical kinks in their lives, are revealed in monologue form. (Young 2012, 55)

People who get their hair done need to be able to trust who is touching their hair. Therefore the hair salon experience entails a “mutual willingness to be vulnerable and exposed” (Jacobs-Huey 2006, 10). The physical touching of someone’s hair requires intimacy and consent. It is through this intimate experience that Novelette is capable of reading her customers and knowing their stories by touching their hair. She then adds to both the “being” and “becoming” of her clients. Novelette states that generations of women in her family have all been

 Seán Williams alluded to this important characteristic of hairdressers in his keynote during the conference, which inspired this edited collection. For more on Williams’s ongoing research pertaining to the “cultural and media history of the hairdresser since the eighteenth century” please visit his website: https://www.seanmwilliams.com/.  Notably, Trey Anthony herself has embodied the role of Novelette in several staged performances of the play. This is important, because Anthony worked as a counsellor at a women’s shelter before working in the entertainment industry full-time. Not only did the women’s accounts inspire the stories portrayed in ‘da Kink, but it also allowed Anthony to realize that such “intimate revelations” are more easily shared “with non-judging allies” rather than “family or friends” because “the stakes of self-disclosure seem less high” (Young 2012, 52). Therefore the role of the hairdresser is comparable to the counsellor position, as both fit within the categorization of “non-judging allies.”

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hairdressers, thus her competence and expertise are portrayed as offshoot of an inter-generational path to the profession (see Anthony 2005, 5). As Sears observes, “for a majority of women in the Black community, the hairdresser is the closest thing to a head doctor we ever (voluntarily encounter)” (2005, iv). Huey-Jacobs’s anthropological research re-affirms this statement, because she found that several hair professionals would consider themselves “hair doctors” (2006, 7) with “stylists fram[ing] their work and professional identity as analogous to that of medical doctors” (2006, 12–13). However, medical jargon is not used in this Black Caribbean Diasporic salon. Instead the characters of the play use a combination of Standard English, urban sociolects, and Jamaican Patois/Creole. These linguistic choices of the play contain “in-group knowledge through embodied and highly gendered humor that plays on cultural discourse styles, innuendo, and comedic strategy” (Jacobs-Huey 2006, 13). These innuendos are in turn an important community-building element which allows the characters to best express themselves and their experiences by creating a sense of in-group identity and a comfortable atmosphere to share their stories. The cultural arena of the hair salon is thus like an office for therapy that turns the hairstylist into a therapist. Sears elaborates on this point in her foreword to the play. She remarks that “in attempting to untangle the roots of our obsession with hair, one might begin to see hair as a metaphor for not only our history, but our present-day psyches” (Sears 2005, iii). Sears further states that parallels can be drawn between Black women’s hair and Black women’s psychological state. We can see these parallels in the psychologically demanding topics that are discussed throughout the play and how these monologues and inner psyches are presented, especially when Novelette’s hands are in her customers’ hair. This is particularly apparent in the monologue in the first act from Sherelle, who is a highly-educated career woman who struggles to navigate through her workplace and life because of her blackness and due to her caretaker role both at work and with her family. She is actually unable to get a walk-in appointment at the salon and leaves to go to her apartment, where the reader witnesses how busy she is, her depression, and her possible suicide at the end of her monologue. Here it is the power of the hairdresser and salon as a place of refuge, acceptance, care, and peace that contrasts the loneliness of dealing with all of one’s problems alone. Consequently, in this passage the therapist–hairdresser parallel becomes exceedingly evident.

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5 Conclusion In ‘da Kink, Anthony uses the sight, touch, and sounds of hair to negotiate what it means to be Black, Caribbean, Canadian, an immigrant, and a woman by entwining the intermedial aspects of the play with the multifaceted mediality of hair itself. She utilizes hair as a starting point to address beauty standards, gun violence, sexuality, death, mental health, colorism, and sexual abuse, but also to discuss how the space of the hair salon and the role of the hairdresser can create a sense of community among Afro-Caribbean women. Thus, both the hairdresser as a person in contact with hair, and the AfroCaribbean hair salon as a physical space take on a therapeutic role in an attempt on the one hand to heal women’s lives and psyches, and on the other to affirm the link between hair and identity performance. As Read notes, in ‘da Kink “[t]he upkeep of hair, whether maintaining or straightening the ‘kink,’ becomes a metaphor for a Black woman’s life, one that is full of both flaws and frustration, but ultimately finds transcendence through transformation” (2006, 213). It is exactly this aspect of transformation which is essential to the “becoming” of Black women. At the end of the play the women perform a “healing song” and “healing ceremony” which metamorphoses into a “celebratory dance,” commemorating the “pride, self-identity, comfort, love, and joy of being a black woman” (Anthony 2005, 57; stage directions) before they close the coil that was unraveled at the start of the play. With the opening and closing of the coil on the stage we are presented with individual and collective experiences dealing with hair. In addition, we become familiarized with the therapeutic elements that the hair salon and hairdresser can provide in order to create a celebratory state of acceptance and healing. As Novelette exclaims to the audience at the beginning of the play, “[i]f you want to know about a woman, a black woman that is. Touch her hair. Cause our hair carries our journey. ‘Cause that’s where we carry all our hopes, all our dreams, our hurt, our disappointments they’re all in our hair” (Anthony 2005, 5). This is not to encourage people to begin touching Black women’s hair – something that is a condemnable offense and something which Black women are traumatized by from a young age because the lack of respect for their personal boundaries. Instead, Anthony uses this line in the play to signal not only the symbolic importance of hair in Black communities, but also the very real social significance and incredible material poetics and power of hair.

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7 Scham, Haar, Poetik. Widerständliche statt gegen-ständlicher Poetik des Haars (Feminismus, Psychoanalyse, Literatur) Il faut bien le dire, mourir de honte est un effet rarement obtenu.1 Jacques Lacan, L’envers de la psychanalyse.

Dieser Text hat drei Teile – Scham, Haar, Poetik – abgetrennt durch Kommata (lat. virgula, von virga, Rute, franz. verge, auch männliches Glied). Ich möchte im Folgenden die Einschreibung einer Poetik im Haar in den einschlägigen Texten Freuds (Die Weiblichkeit, Über die weibliche Sexualität) aufnehmen, um sie mit Irigarays Analyse gegenzulesen. Daran artikuliert sich auch die Frage nach der Notwendigkeit oder Unmöglichkeit eines Subjekts des Feminismus oder einer subjektivierten Weiblichkeit. Wenn Irigaray, darauf wird im Verlauf dieses Textes eingegangen werden, die Frau im Text des Phallogozentrismus als „trou“ (Irigaray 1974, 85), als ‚Loch‘ aufliest, so verweist sie darauf, dass ‚das Weibliche‘ in der spekulären Szene, das heißt der Szene, in der ‚Weiblichkeit‘ als Spiegel (lat. speculum) für das männliche Geschlecht fungiert, immer nur als Mangel und Fehlen imaginiert wird. Ihr Einsatz besteht darin, dieses in einer phallischen Bedeutungsökonomie nicht symbolisierbare und von essentialisierenden Fetischen ausgeschlossene (Loch als imaginäre Kastration und Substanz des Weiblichen) zur Sprache zu bringen als ein noch nicht geschriebenes (Loch als Öffnung).2 Die am Haar aufzuzeigende Poetik Freuds erhellt nachträglich Balzacs in La Duchesse de Langeais und Les Secrets de la Princesse de Cadignan vor Augen gestellte Verschränkung von Haartracht und kastrierter Aristokratie und findet in Prousts À la Recherche du temps perdu eine Wendung, die nicht mehr allein unter dem Konzept des Kastrationskomplexes zu fassen ist. Meine Perspektive

 [Man muss es wohl sagen, vor Scham zu sterben, ist ein selten erhaltener Effekt. (Übers. G.S.)].  Zu dieser Aporie des Differenzfeminismus Irigarays, der Weiblichkeit als genuine Differenz denkt und damit mit der Lacanschen Vorstellung des Phallus als Signifikant, zu dem sich beide Geschlechter verorten, bricht, ist immer noch einschlägig Schor 2015. Zu einer Beugung der (unter anderem Irigarays) Auflösung des Subjekts der Moderne durch die Uneigentlichkeit des Weiblichen zu Gunsten subjektzentrierter Identitätspolitik vgl. hierzu Apter 2018, 65–123. Ein Kapitel von Apters Studie (99–123) beschäftigt sich auch mit der Thematik der Haare in Maupassants Werk. https://doi.org/10.1515/9783110776461-008

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auf eine Poetik des Haars ist eine psychoanalytische und der folgenden kurzen Ausführung unterliegt mein Interesse an der Scham in der Weitergabe der Kastration (vgl. Lacan 1991, 209–223). Mir geht es dabei zum einen um eine Selbstzersetzung des Fetischs, nicht als spezifisch objektbezogener Fetisch, sondern wie Irigaray den Fetisch in Freuds Schreiben über Weiblichkeit exemplarisch gemacht hat. Zum anderen geht es mir um eine gewisse Unverortbarkeit der Kastration, das heißt, nicht mehr einfach nur imaginär in der Weiblichkeit verortet. Dieser Unverortbarkeit kann beim späten Lacan nachgespürt werden. Psychoanalyse ist für eine bestimme Zeit privilegierter Schauplatz der Auseinandersetzung um die kulturtheoretische Bedeutung des Haars in Bezug auf die Geschlechterdifferenz. Das Haar als Sinnbild literarischer Fetischisierung von Weiblichkeit ist in nachlacanianischer Theoriebildung die Szene psychoanalytisch feministischer Relektüre, an dem sich das spannungsvolle Verhältnis bestimmter Positionen ablesen lässt. Eingedenk der Unterschiedlichkeit der Positionen von Julia Kristeva, Luce Irigaray und Hélène Cixous möchte ich fragen, ob – wenn Balzac und Proust ihre Figurationen von Weiblichkeit mit Haaren von einer ‚Poesie der Haartracht‘ bis zum natternbesetzten Medusenhaupt reichend ins Bild setzen – das Scheitern einer nichtpatriarchalen Weiblichkeit garantiert wird oder dadurch etwas in die poetische Struktur einfällt, was als Nichtrepräsentierbares der phallogozentrischen Sprache diese subvertiert? Freuds Bruchstück (1905) zeichnete den Wald aus Doras Traum in die symbolische Sexualgeographie als Schamhaar,3 in Die Weiblichkeit (1933) wird der auf die sexuelle Minderwertigkeit, den Penisneid rückgeführte Narzissmus des ‚Weibes‘ an die Notwendigkeit schamhafter Verhüllung geknüpft. Das sind bereits in der feministischen Theorie gegengelesene Allgemeinplätze, denen ich als Relektüre des Phallogozentrismus nachspüren möchte. Von französisch feministischer Seite, die den weiblichen Körper aus der Ausstreichung herausschreibt, müsste es möglich sein, das Haar gegen den Strich zu lesen. Welche Bedeutung hat das Haar oder die Verschiebung der Haare in An-, Ab-, Gegen- und Un-Ordnung als Abjektes (vgl. Kristeva 1980)? Bedingt Freuds Engführung von Weiblichkeit und Haar-Fetisch als Ausstellung und Verhüllung

 Der Wald in Doras Traum verweist auf den Wald am Seeufer, an dem sich die Szene mit Herrn K. ereignet hat. Freuds Deutung gelangt über Signifikanten wie ‚Bahnhof‘ zur Äquivozität des Signifikanten ‚Verkehr‘. In der Interpretation des Zusatzes der ‚Nymphen‘ wird diese jedoch wieder im Imaginären des Sinns vereindeutigt: „Das war symbolische Sexualgeographie! Nymphen nennt man, wie dem Arzte, aber nicht dem Laien bekannt, wie übrigens auch ersterem nicht sehr gebräuchlich, die kleinen Labien im Hintergrunde des ‚dichten Waldes‘ von Schamhaaren“, (Freud 1968b, 262).

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eine fetischistische Ökonomie oder ließe sich dies als Mimikry der Mimesis, Entstellung (in) der Darstellung (Irigaray) lesen?4 Ist eine Lektüre des Haars möglich, die an der Inszenierung unentschiedener Überlagerung von Haaren eine Poetik der transsexuellen Choreografie (Cixous) herausliest? Cixous’ Medusa ist vielleicht das einschlägigste Beispiel feministischer Relektüren im Umkreis einer Poetik des Haars. Medusa, die im griechischen Erbe unterworfenen Imaginären mit ihrem natternbesetzten Haupt für einer schrecklich monströse Weiblichkeit steht, wendete Cixous mit der ersten Veröffentlichung ihres Le Rire de la Méduse und dessen Neuauflage (1975, 2010). Cixous’ Text fundiert ein dekonstruktives Verständnis von Geschlechterdifferenzen, das ähnlich wie Irigarays Position, aber anders als Kristevas, unvereinbar scheint mit der psychoanalytischen Annahme einer Positionierung der Geschlechter in Relation zum illusionär als Essenz sich behauptenden Phallus, da es sich, so die Kritik, um eine spekuläre Referenz des männlichen Subjekts gemäß der männlichen Morphologie handelt (vgl. Silverman 1992). Das Problem, das sich meiner Ansicht nach daraus auch in der gegenwärtigen Debatte zu ergeben scheint, ist, dass sich zum einen nicht unvermittelt eine nicht spekuläre Form von Weiblichkeit, was im weiteren Verlauf des Textes dargestellt werden wird, aus dem Text des Patriarchats herauslösen lässt. Zum anderen käme es einem Irrtum gleich, die Verflüssigung und das Überlaufen von Grammatik und Orthographie der Sexuierung, die Derrida entgegen einer sexuellen Ontologie zugunsten der immer im Plural zu denkenden sexuellen Differenzen benannt hatte (vgl. Derrida 1992, 114 f.), zu verdinglichen und auf eine Identitätskategorie zurückzubeugen. Vielmehr könnte man sagen, dass es darum geht, eine Potentialität ohne Potenz zu denken, wie sie der Eigenart des puisse (‚kann’, die Subjonctif-Form von pouvoir, ‚können‘) in Hélène Cixous Schriften zukommt (vgl. Derrida 2002, 64).

1 Poetik Wer Haar sagt, meint Fetisch. Das gilt für viele Texte der französischen Literatur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wie für einige Texte der Psychoana-

 In diese Richtung geht Butlers Auslegung von Irigarays Mimikry als „ein Zitieren als eine Widersetzlichkeit“ (Butler 2019, 75) im Erschreiben eines weiblichen Imaginären (was es für Lacan nicht gibt, also noch zu erschreiben wäre), in der „das Weibliche als eine hartnäckige linguistische Uneigentlichkeit in der Sprache“ (Butler 2019, 66) insistiert. Butler bezieht sich an diesen Stellen auf Jane Gallop.

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lyse Freuds (vgl. Apter 2018, 65–123). Wie beispielsweise bei Balzac5, lässt sich der Fetisch bei Freud in den Horizont einer Poetik einschreiben. Ich möchte die einschlägigsten Passagen zur Verbindung von Haar und Fetischismus bei Freud nachzeichnen und diese an zwei kurzen Beispielen aus Werken Balzacs illustrieren. Der Fetisch ist eine Deckerinnerung, die, nach Freud den Anblick der Kastration des weiblichen Geschlechts dadurch überschreibe, dass das signifikante Bild vor dem Kastrationsschreck fixiert wird. Ein echter Ein-druck. So erklärt sich Freud beispielsweise den Pelzfetischismus dadurch, dass der Blick des kleinen Jungen von der Genitalbehaarung zum Genital ging und letzteres sich im Unbewussten, den Narzissmus des kleinen Mannes schützend, vor die Tatsache seiner Wahrnehmung schiebt. „Fetisch ist ein Penisersatz“, schreibt Freud, und, hier auf den Wechsel von anatomischem Geschlecht zum Simulakrum, das der Phallus als illusionäre Essenz ist, verwiesen, kommt dann auf den Fetisch als Ersatz für einen bestimmten Penis: „[D]er Fetisch ist der Ersatz für den Phallus des Weibes (der Mutter)“ (Freud 1948, 312). In den Drei Abhandlungen (1905) wird zu den sexuellen Abirrungen, den Perversionen die allgemeine Unzweckmäßigkeit des Ersatzobjektes angeführt, „ein im allgemeinen für sexuelle Zwecke sehr wenig geeigneter Körperteil (Fuß, Haar) oder ein unbelebtes Objekt, welches in nachweisbarer Relation mit der Sexualperson, am besten mit der Sexualität derselben, steht. (Stücke der Kleidung, weiße Wäsche.)“ (Freud 1968, 52). Es handle sich in diesem Fall der Abirrung zwar nicht um den klassischen Fall des Fetischs, dieser käme ihm jedoch nahe – dem Fetisch „in dem der Wilde seinen Gott verkörpert sieht“ (Freud 1968, 52). Der Fetisch steht hier sowohl in Nähe zur Metonymie – „in nachweisbarer Relation mit“ – innerhalb der Signifikantenkette und weniger zur Identität der Metapher – ein Wort für ein anderes, „Penisersatz“, „Phallus des Weibes (der Mutter)“ – als auch in seiner Unzweckmäßigkeit in Nähe zu Figuren des Umwegs, des Aufschubs, sofern er, wie in dem vorherigen Zitat benannt, Abstand hält zu allgemein sexuellen Zwecken. Scheinbar über ein wesentlich visuelles Dispositiv verfügend, dessen Resultat gleichsam verleugnet werden muss, stellt der Fetisch die Frage nach dem Sinn wie den anderen Sinnen – wie beispielsweise der Riechlust. So habe die Psychoanalyse „eine der noch vorhandenen Lücken im Verständnis des Fetischismus ausgefüllt, indem sie auf die Bedeutung einer durch Verdrängung verloren gegangenen koprophilen Riech-

 Zu Balzacs Fetischismus vgl. exemplarisch Weber 1979. Weber verbindet in seiner luziden Lektüre eine marxistische und psychoanalytische Perspektive, um zu zeigen, wie Balzacs Text dem Fetisch gleich einen unaufhebbaren Mangel supplementiert.

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lust für die Auswahl des Fetisch hinwies. Fuß und Haar sind stark riechende Objekte, die nach dem Verzicht auf die unlustig gewordene Geruchsempfindung zu Fetischen erhoben werden“ (Freud 1968, 54). Ersetzen Fuß und Haar den Kot der verdrängten Koprophilie, zeigt Freud damit im Fetisch eine Bewegung des Begehrens in der Dialektik des Anspruchs an und wechselt das Objekt des skopischen Triebs mit dem analen Objekt, dem Kot als dem ersten Geschenk, das das Kind dem Anderen macht. Interessant ist daran neben der Form der Objektbeziehung, deren Theorie ich hier nicht diskutieren kann, vor allem der Umstand, dass darin der Fetisch nicht, noch nicht ausschließlich auf einen visuellen Eindruck, eine Szene des Sehens zurückgeht. Schreibt Freud in dem vorangehenden Zitat von der ausgefüllten Lücke – „eine der noch vorhandenen Lücken im Verständnis des Fetischismus ausgefüllt“ –, so ist diese alles andere als ausgefüllt, sondern öffnet sich vielmehr als Frage nach dem Sinn der Reduktion auf das Sehen im Fetischismus (1927) in Verbindung mit der aufgerufenen Konstellation von Lücke und Ausfüllen, die einen sexuierten Vorstellungsbereich bedient. Freud füllt aus, so kann man vielleicht assoziieren, wie man Löcher ausfüllt oder einen Fragebogen. Metonymisch zur Lücke in den Drei Abhandlungen scheint das ‚Loch‘ der Weiblichkeit in Freuds Theorie zu stehen. Das von feministischer Seite meist diskutierte von Freud gefüllte ‚Loch‘ ist der augenscheinlich ganz der Vorherrschaft des Auges unterworfene „Defekt des Genitales“ in Die Weiblichkeit als ein attribuierter Mangel, Diesen Mangel eines Penis würde das Haar im ‚Narzissmus des Weibes‘ schamhaft verdecken: Der Scham, die als eine exquisit weibliche Eigenschaft gilt, aber weit mehr konventionell ist, als man denken sollte, schreiben wir die ursprüngliche Absicht zu, den Defekt des Genitales zur verdecken. Wir vergessen nicht, daß sie späterhin andere Funktionen übernommen hat. Man meint, daß die Frauen zu den Entdeckungen und Erfindungen der Kulturgeschichte wenig Beiträge geleistet haben, aber vielleicht haben sie doch eine Technik erfunden, die des Flechtens und Webens. Wenn dem so ist, so wäre man versucht, das unbewußte Motiv dieser Leistung zu erraten. Die Natur selbst hätte das Vorbild für diese Nachahmung gegeben, indem sie mit der Geschlechtsreife die Genitalbehaarung wachsen ließ, die das Genitale verhüllt. Der Schritt, der dann noch zu tun war, bestand darin, die Fasern aneinander haften zu machen, die am Körper in der Haut staken und nur miteinander verfilzt waren. Wenn Sie diesen Einfall als phantastisch zurückweisen und mir den Einfluß des Penismangels auf die Gestaltung der Weiblichkeit als eine fixe Idee anrechnen, bin ich natürlich wehrlos. (Freud 1961, 142)

Scham ist die Rückseite des Penisneids. Freud schreibt seine spekuläre Poetik, die, wie Irigaray in Speculum zeigt, ‚Weiblichkeit‘ als Mangel und Fehlen behauptet, um sie als Spiegel (speculum) des Männlichen zu setzten, auf den weiblichen Körper. Ausgehend vom Primat des Phallus und dem damit verbun-

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den Ausschluss eines genuin differentiellen weiblichen Imaginären errichte dies die phantasmatische Kohärenz des männlichen Subjekts. Die von Irigaray aufgelesene Ambivalenz des zu verdeckenden Mangels des Objekts wie auch in Freuds Theorie der Weiblichkeit selbst hatte auch Laplanche auf den Punkt gebracht: „ne rien voir et voir rien, voir qu’il n’y a rien.“ [nichts zu sehen und nicht sehen, sehen, dass es (da) nichts gibt.] (Laplanche 2009, 88). Blindheit, nicht zu sehen, ist schon in den etymologischen Spuren alles andere als ideal für ein Theorie der Weiblichkeit wie für jede Theorie.6 Nachträglich wird folglich das Nicht-Sehen durch das imaginäre Sehen eines Nichts überschrieben. Es ist das Gespenst der Kastration, das einen Akt des Schauens als, mit Derrida formuliert, „‚Gemeintes-Sehen‘ [‚voir-pensé‘]“ (Derrida 2017, 43) heimsucht. Dieses gemeinte Sehen Freuds projiziert ein vergegenständlichtes Nichts auf das Nichts, das Loch in seiner Theorie, die die Differenz der Weiblichkeit verleugnet. Für die weibliche Scham gelte laut Freud, dass sie Movens einer verglichen mit männlichem Forscherdrang geringeren Kulturleistung sei. Die téchne (Kunst, Handwerk) wird gleichsam dadurch verringert, dass sie metonymische Mimesis der Natur wäre. Umgekehrt wäre die Technik somit schon in der Natur angelegt, die nicht Ursprung ist, sondern als Figur lesbar wird. Ein kleiner Schritt für die Weiblichkeit also, aber ein großer Schritt für Freuds Psychoanalyse, das Rätsel der Weiblichkeit um eine weitere exquisite Eigenschaft zu entschleiern. Bei Balzac scheint es nachträglich vollkommen logisch, wenn in der Duchesse de Langeais die erste Sorge der titelgebenden Duchesse nach ihrer Entführung die Wiederherstellung/Wieder-Schmückung (ré-parer) der Attribute ihrer phantastisch fetischistisch schamhaften Verdeckung ist: „Son premier soin fut de réparer le désordre de sa toilette; elle eut promptement rajusté sa robe et rétabli la poésie de sa coiffure.“7 (Balzac 1976, 184). Als Dichtung („poésie“) supplementieren Haar und Kleid einen Mangel, den diese erst erschaffen. Wie die Duchesse, so erscheint auch die Princesse de Cadignan in Balzacs gleichnamigem Roman dem Blick ihres zukünftigen Liebhabers trotz fortgeschrittenen Alters, denn sie ist, wie der Text bemerkt, immerhin schon in ihren Dreißigern,, frisch und mit blonden Haar-Kaskaden – „ses cascades de cheveux

 Wie Barbara Vinken schreibt, wehrt Freud „die Bedrohung von Theorie im etymologischen Sinne des ‚zur Anschauung kommen‘ selbst ab; daß etwas nicht zur Anschauung kommen kann, nicht darstellbar ist, ist die Gefahr, die es zu bannen gilt. Es ist besser nichts zu sehen, als nicht zu sehen. Und daß nichts zu sehen ist, ist nicht etwas, was der kleine Junge sieht, sondern was er durch einen nachträglichen Akt der Interpretation ‚liest‘.“ (Vinken 2015, 9 f.)  [Ihre erste Sorge war es, die Unordnung ihrer Kleidung wieder zu beheben; sie hatte schnell ihr Kleid wieder in Ordnung gebracht und die Poesie ihrer Haartracht wiederhergestellt. (Übers. G.S.)].

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blonds“ (Balzac 1971, 261) –, die sie voll von Erika, Heidekraut in einer erhabenen Geste mit einer Bewegung des Kopfes in Unruhe versetz: „La princesse aurait en ce moment porté le diadème de la France, son front n’eût pas été plus imposant qu’il l’était sous le beau diadème de ses cheveux élevés en natte comme une tour, et ornés de jolies bruyères.”8 (Balzac 1971, 267). In beiden Figurationen von Weiblichkeit sind Haare Teil der fetischistischen Konstruktion einer spekulären Weiblichkeit. Der Mangel der Princesse würde dank der Technik des Flechtens und Webens durch die zum phallischen Turm erigierten Haare verdeckt. Diese sind lesbar als Siegel der Trauer um den verlorenen aristokratischen Körper der Restauration Balzacs.9 Balzac und Freud sind sich vielleicht darin verwandt, dass ihre Poetik („la poésie de sa coiffure“) einen unaufhebbaren Mangel im ‚weiblichen Mangel‘ der imaginären Kastration defiguriert und hypostasiert, um darüber zu schreiben.10 Es entbehrt dabei nicht einer gewissen Komik, dass Balzac in der Comédie humaine den Verlust der alten Ordnung des ancien régime melancholisch besetzt und in der Ausarbeitung seiner neuen Aristokratie vollkommen im bürgerlichen Register schreibt, das heißt, wie die Bourgeoisie die Kastration der Aristokratie in der Weiblichkeit verortet und ausstellt (vgl. Vinken 2005). Damit zeigt die Poetik des literarischen Textes, dass das Subjekt des Phallogozentrismus nicht außerhalb der spekulären Szene steht und sie schreibt, sondern selbst darin eingeschlossen ist und in einem prekären System der Intelligibilität an seiner eigenen Kastration teilhat.

2 Haar und Mangel Eingedenk dieser Poetik, wie sie in Freuds Fetischismus und Weiblichkeit als Verdrängung einer Differenz, die es nicht geben soll, zur Anschauung kommt, ist

 [Hätte die Prinzessin in diesem Moment das königliche Diadem Frankreichs getragen, ihre Stirn wäre nicht imposanter gewesen als sie es unter dem schönen Diadem ihrer wie ein Turm hochgeflochtenen Haare war, geschmückt mit schönen Erika. (Übers. G.S.)].  Mireille Labouret-Grare zeigt, wie die nouvelle noblesse in Balzacs Werk nur noch am Beiwerk des weiblichen Körpers in Kleidung und Schmuck extensional bezeichenbar wird. Vgl. Labouret-Grare, 2002. Dieses vom Textil informierte Subjekt der Comédie humaine überdeckt im Imaginären einen unaufhebbaren Mangel.  Dieser Mangel als ‚Nichts‘ ‚ist‘, folgt man der Studie von Elisabeth Bronfen, der Tod als ein nicht-semiotisch Reales. Vgl. hierzu Bronfen 1994. In der Gleichsetzung von Weiblichkeit und Tod verweist die Sprache in ihrer poetischen Funktion auf sich selbst und ihre eigene Unmöglichkeit, da, mit Lacan formuliert, das Reale immer nur als ein verfehltes bezeichnet werden kann.

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Haar lesbar als Anschauungsmedium einer Geschichte des Auges, die sich um die eigene Blindheit strukturiert. Diese verdrängende Aneignung durch den Blick liest Luce Irigaray in Freuds Texten mit und wider den frühen Lacan gegen den Strich. Für diesen Lacan stellt das weibliche Geschlecht noch immer nur ein Nichts dar, das nur „einen Charakter von Abwesenheit, von Leere, von Loch [hat], der bewirkt, daß es sich weniger begehrenswert erweist als das männliche Geschlechtsteil in dem, was es an Provozierendem an sich hat“ (Lacan 1997, 209). Bei Irigaray heißt es dagegen: Dieses Nichts [rien], das eben nicht durch einen Augenblick zu meistern ist, hätte aufgrund einer jahrhundertealten Zentrierung auf den Blick ebenso als stillschweigende Aufforderung zu einer Kastrationshandlung gelten oder interpretiert werden können, als die Intervention einer Differenz, einer Verschiedenheit, die das Funktionieren des Imaginären in Frage stellt, das, widerrechtlich genug, durch den Blick beherrscht wird; oder als das „Symptom“, das „Signifikante“ der Möglichkeit einer anderen Libido-Ökonomie, eines Heterogenen, das in der Praxis der (besagten) Libido und in dem Diskurs über sie verkannt wird. Aber wird diese Möglichkeit im „Werden der Frau“ nicht gerade durch den Kastrationskomplex versperrt, verdrängt, zensiert? Die „Kastration“ bestünde für die Frau darin, dem Blick nichts bieten zu können, nichts zu haben. [...] Der Pakt, der die Vorherrschaft des Blicks einem Geschlecht zuschreibt, überläßt die Frau als ihrem Nicht-Geschlecht, ihrer tatsächlich „vollzogenen Kastration“11 (Irigaray 1996, 58).

Haar ist in diesem Zitat Irigarays nicht thematisch, aber ausgehend davon symptomatisch zu lesen. Das Nichts („rien“) trägt im Französischen die etymologischen Spuren einer Sache (lat. res), des Dings als das, was in Lacans Begriffen dem Register des Realen entspricht (vgl. Lacan 1986, 55–85) und sich der Symbolisierung entzieht. Das ödipale Schema, in dem die Kastration in Gestalt des Mangels, des Fehlens des Penis auf das andere Geschlecht des männlichen Subjekts, den weiblichen Körper (der Mutter) projiziert wird, ist eine Möglichkeit, mit dem Realen umzugehen. Denn durch das Inzestverbot wird die strukturelle Unmöglichkeit des Realen in symbolischer Distanz positiviert. Diese „opération de castration“ ist die Szenographie einer Geschichte des Auges und des objektivierten

 „Ce rien, qu’on ne maîtrisera justement pas en un clin d’œil, aurait pu tout aussi bien jouer, ou s’interpréter, comme l’invite à une opération de castration sur un oculocentrisme séculaire, comme l’intervention d’une différence, d’un différend, questionnant un fonctionnement de l’imaginaire dominé un peu abusivement par le regard. Ou encore comme le ‚symptôme‘, le ‚signifiant‘, de la possibilité d’une autre économie libidinale, d’un hétérogène méconnu dans la pratique de, et le discours qui se tient sur, la (dénommée) libido. Or le ‚complexe de castration’ dans le ‚devenir femme‘ ne fera qu’en refermer, refouler? ou censurer? l’éventualité. La ‚castration‘ pour la femme serait de n’avoir rien à donner à voir, de n’avoir rien. [...] Le contrat, la connivence, entre un sexe et la prévalence de la maîtrise par le regard laisse donc la femme à son néant de sexe, à sa ‚castration réalisée‘, réellement accomplie.“ (Irigaray 1974, 54).

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Blicks (vgl. Lacan 1973, 65–109), sie beruht scheinbar ausschließlich auf dem Sehen und dem vermeintlichen Ansichtigwerden der Differenz der Geschlechter, deren illusionäre Referenz die Trope eines phallomorphen Imaginären bleibt. Innerhalb dieses phallomorphen Imaginären, das heißt, eines Vorstellungsbereichs, der sich nur gemäß der Morphologie des männlichen Geschlechts artikuliert, suspendiert die Differenz der Weiblichkeit die Kohärenz der Konstruktion und ist als Symptom der Verdrängung einer unaneigenbaren Differenz lesbar. Der Fetisch der Haare interpretiert die Differenz der Geschlechter als Mangel, er erinnert und wiederholt die Verleugnung der Kastration. Dass wie in Freuds Poetik des „Flechtens und Webens“ der Haare als Kulturleistung unter dem „Einfluß des Penismangels“ die imaginäre Kastration nur eine traumatische Leere des Subjekts der Theorie supplementiert – „dem Blick nichts bieten zu können, nichts zu haben“ (Irigaray 1996, 58) – stellt Irigaray im Bauchreden Freuds aus. Wie Freud aber in dem Zitat zur „Genitalbehaarung“ aus Die Weiblichkeit auch schreibt, staken Haare als Fetisch, „am Körper in der Haut“. Verweist die doppelte Verortung von „am“ und „in“ nicht auf eine widerständige Figur in der fetischistischen Ökonomie der Phallomorphose, die eine Dynamik der Adresse und des Rührens an den Anderen vor Augen stellt? Bliebe es an den Körper zu schreiben? Denke man beispielsweise an Textstrategien wie Cixous’ „sextes“ und die Haare der lachenden Medusa sowie Irigarays Lippen und den Körper der Mutter (Cixous 2010, 54; Irigaray 1977), so stehen diese in der französisch feministischen Relektüre exemplarisch für ein Ent-schreiben12 des weiblichen Körper aus dem patriarchalen Text, um ihn in eine weibliche Schrift zu überführen. Die Haare in Freuds Text wären damit lesbar als Figur für das Rühren an das sich der Symbolisierung Entziehende, Allegorie für eine widerständige Poetik. Irigaray greift Freuds Worte auf, um darin die Heterogenität des Haar-FetischSchleiers, die mehr als eine/ keine eine Verleugnung verdeckt („plus d’un déni“13, Irigaray 1974, 145), als symptomatisch für phallogozentrische Repräsentationslogik zu lesen. Jedes System von Äquivalenzen, das heißt, letztendlich auch jedes System von Zeichen, welches überall ein wenig Schleier aufstellt („met les voiles un peu partout“), habe laut Irigaray als Bedingung ihrer Möglichkeit die Verkennung der Differenz der Geschlechter („méconnaissance de la différence sexuelle“, Irigaray 1974, 145). Sofern sich die fetischistisch inszenierende Weiblichkeit in

 Jean-Luc Nancy bezeichnet mit dem Entschreiben (excrit) eine Exteriorität des Körpers jenseits der Schrift, die dieser erst stattgibt. Vgl. Nancy 2010, 20. Die Schrift berührt den Körper als das „Entschrieben-Sein“ (24) „mit dem Unkörperlichen ‚des Sinns’“ (16).  Die folgende Darstellung der Relektüre Irigarays wird im Original zitiert und von mir paraphrasiert, da die Übersetzung stellenweise in meiner Darstellung Hervorzuhebendes auslässt.

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ihrem doppelten Spiel von Zurschaustellung und schamhaften Entzug ihr Geschlecht verdeckt („ce double jeu d’exhiber son corps, ses bijoux, pour mieux cacher sons sexe“, Irigaray 1974, 143), wäre sie für Irigaray Komplizin der im Namen des Phallus geschriebenen spekulären Szene, die die weibliche Sexualität als ein verdinglichtes Nichts in sich einschließt („Ce rien à consommer.“). Als Fürsprecherin des Phallogozentrismus wäre sie in der Maskerade quasi wertlos, beziehungsweise auf den Wert des transzendenten Signifikanten (Phallus) nur als Mangel und Defekt bezogen. Wie also Handel/Verkehr mit einem so inhaltslosen/ leeren Ding machen, „[c]omment faire commerce d’une chose aussi creuse?“ (Irigaray 1974, 143). Die Antwort: Schleier, Maskerade, Fetisch. Daher kommt, in der Logik Freuds, die Notwendigkeit der Stoffe, die im Stoff der Kulturgeschichte eingefasst, Kopie der Natur sind. Die Frau könne (nur) die Natur nachahmen, das von ihr zur Verfügung gestellte verdoppeln – „La femme (ne) pourrait (que) mimer la Nature. Redoubler ce qu’elle fournit, produit“ (Irigaray 1974, 143). Irigaray verweist auf die Grammatik (der Geschlechter), die Gleichursprünglichkeit von These des Vaters, Parenthese (Klammer, franz. parenthèse) und Restriktion (ne ... que) des Weiblichen.14 Im Weben verschleiert sich die Frau, maskiert den Defekt der Natur, „de la Nature“ – „La femme donc tisse pour se voiler, masquer les défauts de la Nature, la restaurer dans son intégrité. En l’enveloppant“ – (Irigaray 1974, 144). Diese ‚Natur‘ schreibt Irigaray mit Versal N und beugt damit den attribuierten Mangel phallizistischer Theorie auf den Mangel, das Loch der Theorie selbst. Das Haar verdeckt keinen Mangel oder Defekt, sondern defekt ist der Mangel der Theorie, die sich (notwendig?) um eine Leere herum organisiert und diese mit essentialisierten Fetischen überdeckt. Folgt man Irigarays Lektüre, so besteht die Öffnung in Freuds fetischistischer Ökonomie darin, dass ihre auf der Vorherrschaft des Auges gründende Konzeption sich von innen heraus zersetzt, sofern ihr widerständiger Gegenstand, der die Wertigkeit der Ökonomie wie der Repräsentationslogik bedroht, kein Gegen-stand ist, etwas ist, das nicht gesehen, nicht erkannt werden kann – „ça ne pourra, pourrait, quoi qu’il en soit, se voir, se savoir“ (Irigaray 1974, 144). Irigaray verweist damit auf die Selbstzersetzung des Fetischs, insofern er in der Verleugnung der Differenz der Geschlechter im Anblick der Kastration in einem „oculocentrisme séculaire“ (Irigaray 1974, 54), in „einer jahrhundertealten Zentrierung auf den Blick“ (Irigaray 1996, 58) seine eigene Blindheit für Differenz ausstellt, die ‚Weiblichkeit‘ (in der Rücknahme der Kopula) ‚ist‘. Haar verdecke die Kastration, meint die spekuläre Szene, und ist gleichzeitig

 Gleichzeitig sind die zwei doppelten Klammern lesbar als Markierungen einer weiblichen Morphologie in der Doppelung der Lippen. Zu der Figur der Lippen bei Irigaray vgl. Gallop 1988, 92–99.

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das, was die Öffnung auf ein Jenseits der fetischistisch spekulären Szene gibt: „[i] gnition, éventuelle, des fétiches“ (Irigaray 1974, 144) – mögliche Verbrennung der Fetische, dem Blick entzogen, Schließung der Augen. Nun könnte man als strenger Fürsprecher von Lacans Theorie des Phallus Irigaray unterstellen, dass sie diesen mitsamt der Kastration verwirft, und dass es damit für sie auch kein Unbewusstes gäbe. Tatsächlich ist es doch aber so, dass dies grundlegend Irigarays Analyse der ‚Kastration’ als „das ‚Symptom‘, das ‚Signifikante‘ der Möglichkeit einer anderen Libido-Ökonomie“ (Irigaray 1996, 58) verkennen würde. Symptomatisch ist unter anderem die in der Psychoanalyse Lacans augenscheinlich klare Unterscheidung von Penis und Phallus, der nicht das Organ sei, sondern nur ein Signifikant, ein aus der Reihe der Signifikanten ausgeschlossener Signifikant. Denn symptomatisch ist das Begehren der Lacanianer einer denotativen Festlegung des Phallus, „to separate phallus from penis, to control the meaning of the signifier phallus“ (Gallop 1988, 126), wie Jane Gallop festgehalten hat. Das heißt, so Gallop weiter, es ist „precisely symptomatic of their desire to have the phallus, that is, their desire to be at the center of language, at its origin. And their inability to control the meaning of the word phallus is evidence of what Lacan calls symbolic castration“ (Ebd.). In der Schließung der Augen bei Irigaray geht es darum, ein noch nicht geschriebenes Weibliches zu denken. Der Schließung der Augen kann man bei Proust nachspüren und dies mit einer Wendung in Lacans Denken vom Symptom zum Sinthom als ein Genießen verbinden.

3 Scham – Schließung der Augen oder warum Medusa lacht Geschlossene, halbgeschlossene Augen hat das halbwachende, halbschlafende, träumende Ich in Marcel Prousts Suche nach der verlorenen Zeit: Ou bien en dormant j’avais rejoint sans effort un âge à jamais révolu de ma vie primitive, retrouvé telle de mes terreurs enfantines comme celle que mon grand-oncle me tirât par mes boucles et qu’avait dissipée le jour – date pour moi d’une ère nouvelle – où on les avait coupées. J’avais oublié cet événement pendant mon sommeil, j’en retrouvais le souvenir aussitôt que j’avais réussi à m’éveiller pour échapper aux mains de mon grandoncle, mais par mesure de précaution j’entourais complètement ma tête de mon oreiller avant de retourner dans le monde des rêves. (Proust 1987, 51). [Oder ich war im Schlaf mühelos in eine für immer vergangene Zeit meines frühesten Lebens zurückgekehrt, hatte irgendeine meiner Kindheitsängste wiedergefunden, wie jene, mein Großonkel würde mich an den Locken ziehen, eine Angst, die der Tag, an dem man

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sie mir abschnitt – für mich der Beginn einer neuen Ära –, zum Verschwinden gebracht hatte. Während des Schlafs hatte ich dieses Ereignis vergessen; sobald es mir gelungen war aufzuwachen, um den Fängen meines Onkels zu entwischen, kam mir die Erinnerung daran wieder, doch vorsichtshalber grub ich den Kopf tief in mein Kissen, bevor ich in die Welt der Träume zurückkehrte. (Proust 2018, 9).]

Die paradoxe Koinzidenz von verlorener und wiedergefundener Zeit im dialektischen Bild des Traums scheint die Kastrationsangst unter dem Titel der „terreurs enfantines“, der „Kinderängste“ zu führen. Es handelt sich um eine „banale Kastrationsangst, wird der Alleswisser herablassend sagen“ (Morel 2017, 7), wie Geneviève Morel eine Vorskizze zu der zitierten Kindheitserinnerung Marcels ironisch kommentiert. Als imaginärer Phallus würden die Locken, wobei der Großonkel als kontingenter Agent der Kastration (vgl. Lacan 1991, 144–149) auftritt, wiedergefunden werden, um den Preis der Erkenntnis des Verlusts. Die Kastration ist ausgedrückt in dem Schrecken vor dem Verlust der Locken. Eigentümlich daran ist, dass dies nicht gegen eine Fülle der „vie primitive“ steht, sondern sich in der écriture eine spezifische Form des Genießens des Mit-Ohne – eine Sprache wie Lacans lalangue (vgl. Lacan 2005) – bahnt. Dieses Genießen funktioniert unabhängig von oder alternativ zum Gesetz des kastrierten kastrierenden Vaters. Für den späten Lacan ist dies ein Zug der Scham des Vaters (vgl. Verhaeghe 2006, 43–47) – und kann als singuläres Sinthom „der Kontingenz des sexuellen Traumas“ (Morel 2017, 14) durch den Umstand, in die Sprache gefallen zu sein, gelesen werden. Die Scham hängt damit zusammen, dass für Lacan der Mensch wesentlich ein Sprachwesen ist, ein „parlêtre“ (Lacan 2005, 56), das heißt, dass das Subjekt nur sprechend, symbolisch kastriert erscheint. Was der ödipale Vater – Lacan beschreibt dies mit dem Diskurs des Herren als koextensiv mit dem Kapitalismus (vgl. Lacan 1991) – kaschieren muss, ist seine eigene Kastration, die er nur an den Sohn weitergeben kann (vgl. Lacan 1991, 115, 141; Verhaeghe 2006, 47). Zwischen Irigaray und Lacan wird es immer den Abgrund des Phallus und einer ungeschriebenen, nicht subjektivierten ‚Weiblichkeit‘ geben, aber in L’Envers de la psychanalyse reduziert Lacan den realen Vater auf einen „opérateur structural“ (Lacan 1991, 141), auf eine strukturelle Notwendigkeit, insofern er die subjektkonstitutive Dimension des Verlustes einführt und so symbolische Distanz zur Unmöglichkeit des Realen setzt (vgl. Lacan 1991, 144). Letztendlich müsse es sich um irgendeine Form der signifikanten Artikulation handeln, die nicht an die personale Instanz des Vaters gebunden ist, die nur den realen Vater als austauschbaren Agenten der symbolischen Kastration setzt, weitergegeben vom Vater zum Sohn. Ist diese Filiation der Kastration – aus der Kastration ginge die Nachfolge, das Erbe hervor (vgl. Lacan 1991, 141) – nicht selbst die Ausgestaltung eines unvordenklichen, unaneigenbaren Zwischens (der sexuellen Differenz)? Diese wird, folgt man Cixous, von Lacan als ‚Männerfels’ in der Attribution

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eines Mangels „dans le sanctuaire du Phallus ‚à l’abri‘ du manque de castration“15 (Cixous 2010, 53) konserviert. Auf das von Irigaray als von der phallizistischen Szenographie ausgeschlossene ‚Loch‘ in Freuds Theorie, Weiblichkeit, übertragen, ließe sich die Filiation der Kastration auch auf Irigarays Kritik an Lacans Definition einer Essenz des Weiblichen als essentiell Nicht-Alle in Encore beziehen (vgl. Irigaray 1977, 83–101; Lacan 1975, 68). In dem Beispiel aus Prousts Recherche ist weniger hervorzuheben, dass die Konstellation von Beispielen das Objekt wechselt – von der Trägerin der Haare bei Balzac und Freud zum Träger der Haare bei Proust, das ist interessant, aber sekundär. Relevant ist vor allem der Wechsel von einer Logik der Kastration zu einer Sprache und Theorie des Sinthoms wie ihn Geneviève Morel auch in Lacans Werk nachgezeichnet hat. Im ersteren Fall würde eine nachträglich verlorene jouissance, ein verlorenes Genießen als real verstanden werden und das Nein-des-Vaters, dessen Ausbleiben im vielkommentierten drame du coucher, dem „Drama des zu Bett Gehens” Prousts ich gleich weiter ausführen möchte, würde symbolische Distanz zur im Körper der Mutter verorteten jouissance einführen (vgl. Lacan 1991, 91). Vereinfacht gesagt, schließt das auch ein, dass ein Symptom als ein auf Sinn hin deutbarer Konflikt im Symbolischen verstanden wird. Das Sinthom jedoch verlangt nicht nach Deutung, sondern schließt ein spezifisches Genießen der Sprache ein (vgl. Morel 2017). Ein Zugang zum Verständnis zur Theorie des Sinthoms ist, dass sie den im Namen-des-Vaters unsymboliserbaren Rest als Äquivozität des Signifikanten quasi ursprünglicher setzt und dabei an die triebhaft pulsierende Umkreisung des sich der Symbolisierung entziehenden Realen (vgl. Copjec 2015, 121) anschließt. Signifikant ist bei Proust weniger die kontingente Position des Vaters in einer Erzählung der Väter als vielmehr die Kastration des Sohnes. In Proust À la recherche du temps perdu ist die Trennung (von der Mutter) niemals vollständig, da immer ein nicht symbolisierbarer Rest, eine Lust (in) der (Mutter-)Sprache bleibt. Das drame du coucher inszeniert die Trennungsangst von der Mutter als Marcel aufgrund des Besuchs von Charles Swann, hier Agent des väterlichen Prinzips, ohne den Gutenachtkuss der Mutter ins Bett gehen soll. Sich dieser Vorschrift (des Vaters) widersetzend, bleibt Marcel wach und erlangt, dass seine Mutter die Nacht mit ihm verbringt. Durch diesen Ausfall der Inzestschranke würde der Vater den Sohn seinem Ödipus opfern. Prousts Werk wird dabei von der Forschung oft als Substitut der ödipalen Dyade aufgefasst. Hierbei gibt es zwei Forschungspositionen zum ödipalen Schema und dessen Unschärfe in der

 „bewahrt Lacan ihn in der Kultstätte des Phallus auf, ‚beschützt‘ vor dem Kastrationsmangel!“ (Cixous 2013, 49).

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Recherche: Exemplarisch sind einerseits Mehlmans im Rahmen eines phallizistischen Gesetztes gefasste Lektüre des drame du coucher als „failure of the paternal principle“ (Mehlman 1974, 24) und sein Festhalten am ödipal väterlichen Prinzip als „the possibility of escape from this frightingly closed matriarchy“ (Mehlman 1974, 22) wie auch von Koppenfels’ Darlegung zur Bedeutung der Trennungserfahrung der ödipalen Konstellation als Grundlage von Wirklichkeitsdarstellung, die Prousts Recherche als „ein einziger langer Protest gegen das ödipale Modell“ (von Koppenfels 2013, 200) auffasst. In beiden Lektüren scheint der Text, obwohl er sich dem ödipalen Schema nicht fügt, von vornherein in ein solches eingefügt. Auf der anderen Seite stehen Lektüren, die die Nichtübereinstimmung von Prousts Text mit dem ödipalen Schema ernst nehmen und anstelle des tragischen Mythos der ödipalen Konstellation in der Beziehung zur Mutter eine ‚affektive Intensität‘ (vgl. Mecchia 2006, 92) lesen. Dabei wird jedoch oftmals eine für die theorieinhärente Spannung unaufmerksame Kritik an der unterstellten „Ordnungsvorgabe“ (Link-Heer 1983, 69) des Ödipus in der Psychoanalyse Freuds und des frühen Lacan im Namen des Antiödipus geübt (vgl. Mecchia 2006, 80). Im Anschluss an Morels Theoriediskussion einer Verabschiedung des Namens-des-Vaters bei Lacan wäre mein Vorschlag, den ich hier nur andeuten kann und andernorts weiter ausführe, eine dritte Position, die in der Recherche parallel zu Lacans Werk eine Auflösung des väterlichen Prinzips liest. Allerdings bleibt auch in Morels luzider Darstellung in der Trennungserfahrung das Rätsel des Begehrens der Mutter als quasi mythischer Grund vorausgesetzt, was vom klinischen Standpunkt aus nachvollziehbar scheint, aber mit Irigarays Kritik an einem undifferenziert Mütterlich-Weiblichen als Symptom gegengelesen werden kann (vgl. Irigaray 1987, 19–33). Tatsächlich liefert Lacans Seminar zur Ethik der Psychoanalyse (Lacan 1986), in dem diese von Irigaray kritisierte Setzung des ödipalen Schemas unter anderem nachvollzogen wird, auch eine Theorie zum Verhältnis von Kunst, bildenden Künsten wie Literatur, und Psychoanalyse. Lacan ordnet darin die Kunst dem Mechanismus der Hysterie zu und es war durch das aufmerksame Zuhören, dem Zuhören der Rede der Hysterikerinnen, dass Freud das Unbewusste entdeckte. Es geht bei der psychoanalytischen Begegnung mit Literatur nicht darum, dass vorausgesetzte Annahmen der Theorie bestätigt werden, sondern um die Aufnahme des unbewussten Wissens des in Analyse sich befindenden Subjekts. In der aufgelesenen Engführung von Kastration und Haar im Abschneiden der Locken manifestiert sich in der Kindheitserinnerung der Recherche der Mythos der Medusa, der sich „in einer raffinierten Motivkette durch den ganzen Roman [zieht]: von den Quallen in Balbec über die züngelnden Locken schöner Jünglinge und auch Albertines [...] begegnet uns das Schlangenhaupt immer wieder.“ (Sprenger 2021, 229). Freuds knappe Gleichung für das „abgeschnit-

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tene, Grauen erweckende Haupt der Meduse“ (Freud 1955, 47) ist bekanntlich „Kopfabschneiden = Kastrieren.“ Wiederum auf das Sehen zentriert, entspräche das Grauen vor der Medusa dem „an einen Anblick“ geknüpften Kastrationsschreck, „wenn der Knabe, der bisher nicht an die Drohung glauben wollte, ein weibliches Genitale erblickt. Wahrscheinlich ein erwachsenes, von Haaren umsäumtes, im Grunde das der Mutter.“ (Freud 1955, 47). Erinnern bei Proust die Haare als Präsenz einer Absenz die eigene Kastration, die dem Subjekt vorausgehende Differenz, so sind in Freuds Medusenhaupt die Haare Teil der sexuellen Poetik, die dabei im natternbesetzten Gorgonenhaupt eine „Milderung des Grauens“ sieht, sofern die Vervielfältigung des imaginären Phallus den Anblick der Kastration verdeckt. Als phallische Prothese aber stellt dies gleichzeitig die Supplementarität des Phallus aus und wiederholt die narzisstische Kränkung der Kastration. Wäre damit die Differenz von verqueertem Fetischismus und symbolischer Sexuierung nivelliert? Vielleicht. Literatur ist queer, „[l]a littérature comme telle est queer“ (Cixous 2010, 32 f.), schreibt Cixous. Queer ist hier keine Identitätskategorie, sondern bezeichnet einen Zug von Literatur als einer poetischen Praxis, phallizistische Identitätsbehauptungen und phantasmatische Autarkiebestrebungen des Subjekts in Frage zu stellen, zu zersetzten, zu verflüssigen. In ihrem Lachen der Medusa ironisiert Cixous den bauchrednerisch vorgebrachten Vorwurf gegen ihre écriture féminine träumerisch, verkennend, mystisch zu sein. Ob sie denn nicht Lacans Die Bedeutung des Phallus gelesen habe? Das hieße für Cixous, die sexuellen Differenzen auf das väterliche Prinzip, „la religion du père“ (Cixous 2010, 53), die Religion des Vaters als eine Theorie des Mangels zurückzuführen, die im Phallus von ihrer spekulären Referenz heimgesucht wird: „Et la libido alors? est-ce que je n’ai pas lu ‚La Signification du phallus‘? Et la séparation, le bout de soi dont pour naître tu subis, racontent-ils, une ablation qu’à jamais ton désir commémore? [...] La castration? À d’autres. Qu’est-ce qu’un désir s’originant d’un manque? Un bien petit désir“16 (Cixous 2010, 65). Auch wenn sich hier eine kritische Differenz zwischen Dekonstruktion und Psychoanalyse, wie sie Joan Copjec gegen Judith Butler formuliert hat (vgl. Copjec 2015, 201–236), auftut, verweist Cixous damit nicht auf einen Idealismus imaginär ursprünglicher Fülle der sexuellen Differenzen, was mit der Verabschiedung der Kastration und des Mangels als Grundlage der Subjektkonstitution angedeutet sein könnte.

 „Aber was ist denn mit der Libido? habe ich denn ‚Die Bedeutung des Phallus‘ nicht gelesen? Und die Trennung, dieses Stück Selbst dessen bei der Geburt erlittener Verlusts Dein Begehren immerdar eingedenk bleibt, wie sie behaupten? [...] Kastration? Um die sollen sich andere kümmern. Was schon eine Begehren das im Mangel seinen Ursprung nimmt? Ein wahrlich kleines Begehren.“ (Cixous 2013, 57 f.).

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Vielmehr deutet dies darauf, dass die (sexuelle) Differenz zum Anderen dem Subjekt als dem, was ihm stattgibt, eingetragen ist und dieses unaneigenbare Zwischen im lamento der Kastration überschrieben scheint. Angesicht der phallischen Prothesen lacht Medusa. So endet auch ihr Abriss der Geschichte ihrer Figur Medusa – oder ist Cixous nicht vielmehr Figur der Medusa? – von der ersten Veröffentlichung von Le Rire de la Méduse zu dessen Neuauflage (1975, 2010) mit dem, was sie wenige Zeilen zuvor mit Blick auf Prousts Poetik als ein „effet d’épine rose“ (Cixous 2010, 31), ein Rosendorneffekt/rosa Dorneffekt bezeichnet hat. Denn die Pferde der Medusa, die „chevaux de la Méduse“ lässt Cixous in der phonetischen Nähe zu den Haaren (cheveux) fliegen. Ihrer traumhaften Impression der fliegenden Pferde fügt sie eine Zeichnung (vgl. Abb. 1) der Spur („trace“), auch im Sinne Derridas, des Flugs bei:

Abb. 1: Zeichnung aus Hélène Cixous, „Un effet d’épine rose“, in: Le Rire de la Méduse, Paris: Galilée 2010, S. 32 einfügen.

Cixous’ Medusa, nicht mehr Freuds schreckliches Medusenhaupt, wird, im französischen homophon, so schöne Kybele – „Si belle Cybèle couronnée de quatre tours de magie. Sa tête se détourne: un nouveau tour de beauté. Sa tête se retourne: une nouvelle tour.“17 (Cixous 2010, 33). Sie oszilliert unentscheidbar zwischen (phallisch weiblichem) Turm (la tour) und der Beugung in die Drehung, Runde (le tour). Wird bei Irigaray am Haar die Konstruktion der fetischistisch inszenierten Weiblichkeit in der spekulären Szene gegengelesen, wobei der Text des Patriarchats die Spuren der Verdrängung und des Ausschlusses in seiner Setzung bewahrt, so ist Haar bei Cixous immer schon, freudvoller könnte man sagen, Spur einer singulären Pluralität in der Sprache. Haar ist, so könnte man meine Reihe an exemplarischen Auslegungen resümieren, in Texten der Psychoanalyse und ihrer feministischen Relektüre Zeichen einer widerständigen Poetik.

 [Schöne Kybele mit vier magischen Türmen/Runden gekrönt. Ihr Kopf wendet sich ab: eine neue Runde der Schönheit. Ihr Kopf dreht sich um/kehrt zurück: ein neuer Turm/eine neue Wendung. (Übers. G.S.)].

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8 Scham und Haare. Zur Verflochtenheit zweier Motivstränge bei Paul Celan und Elfriede Jelinek Das Motiv des Haars bildet einen roten Faden, der zahlreiche Texte Paul Celans wie auch Elfriede Jelineks durchzieht und sich immer wieder zu Knotenpunkten verdichtet, an denen zentrale Themenstränge zusammenlaufen. Untrennbar verknüpft mit den Haaren ist in beiden Werken die Erinnerung an die entwürdigende Praxis der Nationalsozialisten, den KZ-Häftlingen nach ihrer Ankunft in den Lagern sowohl Kopf- als auch Schamhaare abzurasieren. Bisherige Forschungen zu Paul Celan und Elfriede Jelinek richteten ihr Augenmerk besonders auf die mnemonische Qualität der Haare als Gedächtnisträger und pars pro toto für das Verbrechen der Judenvernichtung (Wilson 2006; Pontzen 2007; Bartel 2008; Hahn 2008; Nickenig 2008). Im Zentrum meiner Analyse steht die Verflochtenheit des Motivstrangs der Haare mit dem Affekt der Scham. Welche Bedeutung wächst den Haaren zu, wenn sie Bestandteile des poetischen Textgewebes werden? Inwiefern erfüllen sie bei Paul Celan und Elfriede Jelinek die doppelte Funktion, einerseits Erfahrungen der Schamverletzung, Demütigung und Ohnmacht darzustellen, andererseits jedoch auch ein widerborstiges Aufbegehren gegen Gewalt zu artikulieren? Welche geschlechtsspezifischen Konnotationen verbinden sich mit Scham und Haaren? Mit diesen Fragen wird insbesondere an Bartel (2008), Hahn (2008) und Nickenig (2008) angeknüpft. Um diese und weitere Fragen zu beantworten, erfolgen zunächst einige allgemeine Überlegungen zur Affinität von Scham und Haaren. Wie aufgezeigt werden soll, sind beide durch ihre Verhüllungstendenz, die sexuellen Konnotationen und den engen Bezug zur persönlichen Würde miteinander verbunden. Diese Erkenntnisse bilden die argumentative Basis, von der aus sodanndie spezifische Ausgestaltung des Motivkomplexes in den Werken Paul Celans und Elfriede Jelineks betrachtet wird.

1 Scham und Haar Zwischen Scham und Haaren laufen zahlreiche Verbindungsfäden. Wie das Haar1 den Schambereich und weitere Regionen des menschlichen Körpers als schüt Unter Haar werden im Folgenden sowohl Kopf- als auch Körperhaare verstanden. https://doi.org/10.1515/9783110776461-009

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zendes Kleid bedeckt, so wurzelt die Scham etymologisch im indogermanischen Wort ✶skam, das „zudecken, verbergen“ bedeutet, und drängt auf verschiedenen Ebenen nach Verhüllung – statt in unmaskierter Gestalt aufzutreten, neigt das peinigende Gefühl dazu, sich hinter weniger schmerzlichen Deckaffekten zu verbergen (Wurmser 2017).2 Doch nicht nur auf einer psychodynamischen, sondern auch auf einer konkret-materiellen Ebene unterhält die Scham eine enge Beziehung zur Verhüllung: Neben Schmuck und Schutz bildet sie ein Hauptmotiv, weshalb Menschen sich kleiden (Flugel 1930). Bereits die biblische Genesisgeschichte erzählt, wie mit der Sexualität zugleich der Wunsch nach schamvoller Verhüllung in die Welt kommt (Böhme 1997). Nachdem Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis gekostet haben, werden sie sich der eigenen Nacktheit bewusst und flechten Schurze, um ihre Blöße zu bedecken. Vor der Vertreibung aus dem Paradies fertigt Gott „Röcke von Fellen“ (Gen 3, 21) an und bekleidet das schamgepeinigte Menschenpaar mit ihnen. Den Garten Eden hat Sigmund Freud als kollektiven Wunschtraum vom Paradies der kindlichen Schamfreiheit gedeutet: Diese der Scham entbehrende Kindheit erscheint unserer Rückschau später als ein Paradies, und das Paradies selbst ist nichts anderes als die Massenphantasie von der Kindheit des einzelnen. Darum sind auch im Paradies die Menschen nackt und schämen sich nicht voreinander, bis ein Moment kommt, in dem die Scham und die Angst erwachen, die Vertreibung erfolgt, das Geschlechtsleben und die Kulturarbeit beginnt. (Freud 2007 [1900], 251–252)

In der psychosexuellen Entwicklung des Menschen geht das Paradies der kindlichen Schamfreiheit mit dem Ende der Latenzperiode verloren. Etymologisch verwandt mit dem lateinischen Wort pubes: Schamhaare (Becker-Kotthoff und Kotthoff 2022, 80), bezeichnet die Pubertät jenen Zeitraum, in dem sich die Geschlechtsreife entwickelt und der menschliche Genitalbereich zunehmend von Haaren bedeckt wird. Wie die Scham, so sind auch die Haare eng mit der Sexualität verbunden: „Die Haare der Frau verweisen auf das Geschlecht, das verborgen ist und verhüllt sein soll und nicht zufällig ‚Scham‘ heißt“ (Stephan 2001, 31). Neben der Verhüllungstendenz und den sexuellen Konnotationen verbindet Scham und Haare außerdem, dass sie einen starken Bezug zur persönlichen Identität besitzen. „Kaum ein anderes Körpermerkmal versteht sich so sehr als Aushängeschild des Selbst“ wie die Haare (Flocke et al. 1999, 7) – über die Frisur kann die eigene Individualität betont, aber auch die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen oder religiösen Gruppen sichtbar gemacht werden. Untrennbar mit ihrer Trägerin verwachsen, gehören die Haare stets „in den Bereich von Intimität und Würde“ (Makowsky 1999, 185). Ähnliches gilt für die Scham: In der psychoanalytischen Theorie  Zur poetischen Produktivität des schamgetriebenen Verhüllungsbegehrens vgl. Lehmann 1991.

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gilt sie als „Hüterin der menschlichen Würde“ (Jacoby 1997, 159) und „Schildwache unserer Integrität. Sie schützt den innersten Kern unserer Persönlichkeit, [...] der eng mit unserer Identität verknüpft ist“ (Köhler 2017, 147). Wann immer „ein Eindringen in diesen Bereich von Integrität und Selbstrespekt, den Bereich der Würde [erfolgt], kommt es zur Reaktion der Scham“ (Wurmser 2017, 56). Schamverletzende Übergriffe bildeten die gewaltsamen Rasuren, welche die Nationalsozialisten an den KZ-Häftlingen vollzogen. In der jüdischen Tradition – besonders in den alttestamentarischen Geschichten von Esau, Simson, Absalom und Elisa – gilt das Haar als Träger der menschlichen Würde und unterliegt genauen Vorschriften des Schneidens und Frisierens. Daher bedeuteten die Rasuren in den KZs nicht nur eine perfide Schamverletzung, sondern vor allem eine gezielte Übertretung der jüdischen Gesetze: Mit den Haaren wurden die Häftlinge ihrer persönlichen wie auch kulturellen Identität beraubt und auf das nackte Leben reduziert. (Hahn 2008, 80) Ein Holocaust-Überlebender beschreibt die Rasuren als ein „‚Zeremoniell‘ der totalen Entwürdigung und Entpersönlichung des Menschen [...]. Der letzte Rest eines Anspruchs auf Menschenrecht war mit dem letzten Haarbüschel zu Boden gefallen“ (Koch 1982, 256). An den gewaltsamen Rasuren zeigt sich, dass „öffentliche Beschämungen eine der wesentlichen Methoden des Nazi-Terrors“ (Marks 2006, 54) darstellten. Die Verbrechen des ‚Dritten Reichs‘ beschränkten sich „nicht auf die Ermordung von Millionen von Menschen, sondern diese wurden auch, vor ihrem Tod, millionenfach gedemütigt, verhöhnt, verachtet, zu Objekten gemacht und zu blossen Zahlen entwertet“ (Marks 2006, 54). Dass die Entwürdigung und Verdinglichung mit dem Tod keineswegs endete, bezeugt das Schicksal der Haare: Nach der Ermordung der Träger:innen wurden die geraubten Haare zu Gebrauchsgegenständen wie Kleidern, Leintüchern oder „Material für Dichtungen“ (Tiedemann 2007, 317) weiterverarbeitet.3 Diese Verdinglichung erniedrigte die Opfer „posthum zum Material und Tauschwert“ (Hahn 2008, 72) und zerstörte systematisch die letzten sterblichen Überreste, die betrauert oder bestattet hätten werden können. Dem nationalsozialistischen Wahn, das jüdische Volk aller Würde zu berauben und spurlos zu vernichten, setzt Paul Celan seine Poetik des trauerndschamvollen Eingedenkens4 entgegen. Den Opfern der Demütigung, Bloßstellung und Reduktion auf das nackte Leben sucht er ihre geschändete Würde zurückzuerstatten, indem er die von den Nationalsozialisten geraubten (Scham-)Haare als Leitmotive in die schwer durchdringbare, rätselhaft verschleierte Textur seiner hermetischen Lyrik einflechtet und sie so dem Vergessen entreißt.

 Zur Weiterverarbeitung von Haaren in den KZs vgl. Tarlo 2017.  Zu Celans „Poetik des Eingedenkens“ vgl. Koelle 2001, 157.

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2 Die Haare als Material von Celans Dichtung „[D]ein goldenes Haar Margarete / dein aschenes Haar Sulamith“ (C 40)5 lautet der Refrain aus Paul Celans wohl berühmtestem Gedicht, der Todesfuge. Bis hin zur Schlussstrophe schlingt sich der Motivstrang der Haare leitmotivisch durch den Text. Indem das unversehrte Goldhaar Margaretes, das an Goethes Gretchen, aber auch an die von den Nationalsozialisten ideologisch vereinnahmte Loreley denken lässt, dem aschenen Haar der alttestamentarischen Sulamith gegenübergestellt wird, verflechtet das Gedicht die Erinnerung an die jüdischen Opfer mit intertextuellen Anspielungen auf die deutsche Kultur (Hahn 2008, 78).6 Auch der Vers „Meiner Mutter Haar ward nimmer weiß“ (C 30) aus dem Gedicht Espenbaum verwendet das Haar-Motiv, um das die Vorstellungskraft sprengende Grauen des Massenmordes an ein konkret fassbares Einzelobjekt zu binden: Die nicht gealterten Haare verweisen auf die geraubten Jahre, welche „die blonde Mutter“ noch hätte verleben können (Bartel 2008, 35). Dass die von keinen Verfallsspuren gezeichneten Haare betrauert werden, liest sich wie die Kontrafaktur eines literarischen Topos, der seit dem Barock in zahlreichen Liebesgedichten begegnet: der Klage über das Grauwerden des Frauenhaars. So beschreibt etwa Christian Hoffmann von Hoffmannswaldaus berühmtes Sonett Vergänglichkeit der Schönheit, wie die Verführungskraft einer jetzt noch in der Blüte ihrer sinnlichen Reize stehenden Frau einst dem Alterungsprozess zum Opfer fallen wird: „Das Haar / das itzund kan des Goldes Glantz erreichen / Tilgt endlich Tag und Jahr als ein gemeines Band.“ (Hoffmannswaldau 1980, 274) Noch in Brechts Sonett Entdeckung an einer jungen Frau ist es eine graue Strähne im Haar der Geliebten, die dem lyrischen Aussagesubjekt eindringlich die Vergänglichkeit vor Augen führt und es dazu bewegt, am Morgen nach der gemeinsam verbrachten Nacht nicht wegzugehen, sondern die verbleibende Zeit voll auszukosten: „Denn wir vergaßen ganz, daß du vergehst“ (Brecht 1960, 141). Celan reißt das Haar-Motiv aus dem Kontext der Liebeslyrik und verleiht ihm eine düstere Färbung: Den traditionsreichen Goldlocken der umworbenen Dame setzt er das aschene Haar der ermordeten Sulamith entgegen; die an verbrannte Menschen gemahnende Farbe der Asche verdrängt jenes natürliche Grau, das ein friedlicher Alterungsprozess brächte; an den Haaren entzündet sich keine Liebesleidenschaft mehr, sondern das Feuer der Krematorienöfen. Celans Verse „Am lichtesten brannte das Haar meiner Abendgeliebten / ihr schick ich den Sarg aus

 Zitate aus Celan (2017) werden direkt im Haupttext mit der Sigle C angegeben.  Zu weiteren kulturgeschichtlichen Anspielungen – etwa auf das Schlangenhaar der Medusa – vgl. Bartel (2008), 32.

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dem leichtesten Holz“ (C 36) gleichen einer schmerzlichen Entstellung jener Liebeslyrik, in der das Feuer noch eine Metapher und nicht die tödliche Realität der Vernichtungslager war.7 Von „lichte[m]“ Haar, dessen heller Schein eine „lampe“ (Neukirch 1961, 63) zu ersetzen vermöchte, handelt auch das Barockgedicht Auff ihre haare von Benjamin Neukirch – allerdings ist das „feuer auff dem kopffe“ (63) hier noch nicht in jener verstörenden Wörtlichkeit zu lesen, die Celans Verse meinen. Das einzig Bedauernswerte, das sich bei Neukirch an das geschilderte Haar knüpft, ist seine allen Beschreibungsversuchen spottende Verführungskraft: Ihr haar ist seid und flachs / und ihrem lichten zopffe Fehlt nichts / als daß man ihn nicht recht beschreiben kan. Wer wolte sich denn nun nicht willig lassen binden / Wenn man die fässel kan in solchen stricken finden? (Neukirch 1961, 63)

Während das weibliche Haar in der barocken Liebeslyrik den Inbegriff einer lebensstrotzenden, ebenso verführerisch-faszinierenden wie vergänglichen Natur bildet, hat das Motiv bei Celan seine Unschuld verloren und ist tief verstrickt in jene todbringende Kultur, die den Holocaust hervorgebracht hat. Wie eng die Haare mit dem Schuldzusammenhang des Nationalsozialismus verknüpft sind, verdeutlicht auch das Gedicht Dunkles Aug im September, dessen erste Strophe die üppiger „ums Antlitz der Erde“ quellenden „Locken des Schmerzes“ (C 33) beschreibt. Wenn wenig später der „trunkene[] Apfel, gebräunt von dem Hauch / eines sündigen Spruches“ (C 33) geschildert wird, entsteht unwillkürlich eine Assoziation zum Sündenfall; die Farbe Braun wiederum lässt an den Nationalsozialismus denken. Wie Menninghaus gezeigt hat, bezieht sich Celan vielfach „auf die Elemente der biblischen Sündenfallgeschichte [...] und immer wieder wird dabei die Erfahrung des Faschismus als der historische Grund der Aktualisierung der Sündenfallgeschichte transparent.“ (1980, 55) Mit dem Sündenfall des Faschismus sind eine unlöschbare Schuld und Scham in die Welt gekommen, die verstörender Weise nicht nur die Täter, sondern auch die Opfer betrifft. So schreibt Primo Levi in seinem autobiographischen Bericht über die Zeit in Auschwitz:

 Zu dem Gedicht Nachtstrahl schreibt Hahn treffend: „Die einst so pretiöse Synekdoche des Haares verkommt hier zur Anspielung auf die Verbrennungsöfen in den KZs [...]. Wie bereits die Superlative signalisieren, deuten die beiden Auftaktverse eine Widerständigkeit an, der zufolge sich das Haar eben nicht spurlos eliminieren lässt. Es brennt am ‚lichtesten‘ und avanciert somit zum Erinnerungszeichen, das die Auslöschung des Menschen vor einer zweiten Auslöschung im Vergessen bewahrt“ (2008, 74–75). Insgesamt zeichne sich Celans Lyrik dadurch aus, dass sie klassische Topoi der Liebeslyrik – etwa die Haare – „einer Aushöhlung preisgibt, die im univers concentrionnaire nichts Metaphorisches mehr hat“ (2008, 72).

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Daß viele (auch ich selbst) während der Gefangenschaft und danach ‚Scham‘ empfunden haben, das heißt ein Bewußtsein von Schuld, steht fest und wird durch viele Zeugenaussagen bestätigt. Das mag absurd erscheinen, aber es ist so. [...] Die Gerechten unter uns, weder größer noch geringer an Zahl als in jeder anderen menschlichen Gemeinschaft, haben Gewissensqualen und Scham, kurz gesagt: Leiden für eine Schuld ertragen, die nicht sie, sondern andere verursacht hatten, in die sie sich aber dennoch verstrickt fühlten, weil ihnen bewußt war, daß das, was um sie herum vorging – sowohl in ihrem Beisein als auch in ihnen selbst –, unwiderruflich war. Niemals mehr würde das abgewaschen werden können. (Levi 1990, 86)

Auch Celans Lyrik kann die Scham über das Geschehene nicht heilen, sondern lediglich vor der Verdrängung bewahren. Wie sich die Scham von Auschwitz im Motiv des Haars verdichtet, soll die folgende Analyse des Gedichts Der Sand aus den Urnen (C 31–32) verdeutlichen. Der Titel erinnert einerseits an das „Sandvolk“ (C 109) der Israeliten, die nach dem Massenmord zu Asche und Staub zerfallen sind, gleicht klanglich andererseits aber auch der Sanduhr, dem Symbol für Vergänglichkeit und verrinnende Zeit.8 Während Grün traditioneller Weise die auf die Zukunft gerichtete Farbe der Hoffnung ist, erweckt das Kompositum „schimmelgrün“ im ersten Vers Assoziationen von Verfall und Zersetzung. Der Fortgang des Gedichts führt aus dem „Haus des Vergessens“ hinaus vor die „wehenden Tore“. Im „Wehen“ schwingt das Weh mit und auch die – in den Wörtern „aus“, „Haus“, „blaut“, „enthaupteter“ und „Braue“ wiederkehrende – Silbe „au“ gleicht klanglich einem Schmerzenslaut. Dass der gewaltsam „enthauptete“ Spielmann eine „aus Moos und bitterem Schamhaar“ gefertigte Trommel schlägt, lässt unwillkürlich an die nationalsozialistische Instrumentalisierung und Weiterverwertung der jüdischen Haare denken. In Celans Gedicht werden sie jedoch nicht zum Material der Kriegsindustrie, sondern vielmehr zu einem Instrument, dessen Klang das Vergessen übertönt und einen Erinnerungsprozess initiiert, der einer offenbar verstorbenen, als „Du“ angeredeten Person gilt. Mit einer „schwärende[n]“, also nicht verheilenden und wehtuenden Zehe zeichnet der Spielmann „deine Braue“ und „das Rot deiner Lippe“ in den Sand und schafft auf diese Weise ein „Erinnerungsporträt“ (Firges 1998, 193). Wie der verstorbene Mensch im Medium des Gedichts angesprochen werden kann, als wäre er noch lebendig, so wird durch die Zeichenkunst der abwesende Leib ins Gedächtnis zurückgerufen. Die fragmentarisch aus dem Körperganzen gerissenen Teile wirken dabei abermals wie eine brutale Entstellung barocker Liebesgedichte, die oft ein detailliertes Bild der umworbenen Frau entwerfen (Boyken/Immer 2020, 44).

 Vgl. Koelle 2001, 154 und Menninghaus 1980, 108.

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Ein weiterer Prätext, der aufgegriffen und transformiert wird, ist ein Werk des jüdischen Dichters Alfred Margul-Sperber, das beschreibt, wie „unser Schöpfer wunderbar“ die Welt hervorbrachte: „Doch zierlich schuf und wundersam / er aus dem Moos des Weibes Scham: / dem Moos, des Schöpfers weichstem Kind, / war alles Wesen wohlgesinnt.“ (zit. n. Guțu 2020, 160).9 In Celans Gedicht besteht die Trommel des Spielmanns „aus Moos und bitterem Schamhaar“ – die Bitterkeit lässt die grausame Zerstörung des sexuellen Glücksversprechens anklingen, das sich vor den nationalsozialistischen Rasuren mit dem Schamhaar verknüpfte. Wie Celan traditionelle Topoi der Liebeslyrik aufruft, zugleich jedoch entstellt und verabschiedet, so besitzt auch das vom lebendigen Körper getrennte Schamhaar in der Trommel kaum noch eine erotische Konnotation.10 Statt als Verweis auf den Genitalbereich und die Sexualität könnte man das Scham-Haar auch als Haar deuten, das eng mit einer Erfahrung der Scham zusammenhängt – vielleicht, weil es auf ähnlich brutale, unfreiwillige Weise entfernt wurde wie der Kopf des Spielmanns. Ebenso erlaubt die Trommel verschiedene Lesarten: Einerseits könnte ein musikalisches Instrument gemeint sein. Die Erwähnung des Mooses lässt andererseits jedoch auch an eine Botanisiertrommel denken, in der Fundstücke aufbewahrt werden. Damit besäße sie eine ähnlich konservierende Funktion wie die im Titel und dem letzten Vers erwähnten Urnen: Um die Spuren der Gewalt nicht im „Haus des Vergessens“ verschimmeln und zerfallen zu lassen, konserviert das Gedicht die metonymisch mit der Shoah verbundenen Motive des Sands und der Schamhaare.11 Celans Schreiben stemmt sich nicht nur gegen das Vergessen und die Spurenvernichtung, sondern vollzieht auch eine Gegenbewegung zu jener entwürdigenden Verdinglichung und Schamverletzung, die in den nationalsozialistischen Haarrasuren und -verwertungen besonders deutlich zutage tritt. Die opake, rätselhaft verschleierte Textur seiner Gedichte, die auf die traumatische Wunde verweisen, ohne sie der Brutalität einer identifizierenden Sprache preiszugeben, hat Theodor W. Adorno als Ausdruck einer tiefen Scham und „unendliche[n] Diskretion“ gegenüber den Opfern gelesen: „Diese Lyrik ist durchdrungen von der Scham der Kunst angesichts des wie der Erfahrung so der Sublimierung sich entziehenden Leids“ (Adorno 1973, 477).12

 Auf dieses Zitat als möglichen Prätext Celans verweist auch Guțu 2020, 160.  Vgl. hierzu auch Bartel 2008, 38.  Zur Urne als Reflexionsmedium für die Erinnerungsarbeit von Celans Lyrik vgl. Firges 1998, 193.  Zum Thema der Scham bei Adorno und Celan vgl. auch Schäfer 2000, Bewes 2010, Eskin/ Grünbein 2020.

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Interessanterweise fällt das Wort „Scham“ im Werk Celans – sieht man von einem Gedicht aus dem Nachlass (C 488) ab – kaum. Stattdessen weist vor allem das Spätwerk eine Vielzahl an obszönen, vulgären und blasphemischen Prägungen auf, die zunächst keineswegs an Schamhaftigkeit denken lassen (Menninghaus 1980, 195–208). Und doch scheint Adornos Charakteristik ein Grundmoment von Celans Lyrik zu treffen. Die Spannung zwischen diesen beiden Sachverhalten – dem Eindruck einer tiefen Scham einerseits, dem Fehlen ihrer expliziten Benennung andererseits – lässt sich womöglich auflösen, wenn man die Psychodynamik des Affekts genauer betrachtet. Es kennzeichnet die Scham, dass sie zumeist nur „in verhüllter Form“ (Wurmser 2017, 40) auftritt: „Die Vorstellung des Sichverbergens ist [...] spezifisch und untrennbar vom Schamkonzept“ (42). Schweigsamkeit, der Rückzug in eine dunkle Rätselhaftigkeit, aber auch eine ausgestellte Schamlosigkeit können Masken sein, hinter denen sich eine überwältigende, in unverhüllter Form kaum erträgliche Scham verbirgt (Wurmser 2017). Auch Celans Lyrik thematisiert den Abgrund der Scham, den das namenlose Verbrechen der Judenvernichtung aufgerissen hat, nicht in unverhüllt-expliziter Offenheit, sondern nähert sich ihm über Chiffren, Metaphern und eine Sprache, die eine „starke Neigung zum Verstummen“ (Celan 1992, 197) zeigt – seine Gedichte „wollen das äußerste Entsetzen durch Verschweigen sagen“ (Adorno 1973, 477). Der poetische Drahtseilakt, die Demütigung und Entwürdigung des jüdischen Volkes einerseits vor der Verdrängung oder Verschleierung zu bewahren, andererseits aber nicht in einer indiskreten, die „Scham vor den Opfern“ (Adorno 2003, 423) verletzenden Weise darzustellen, lässt sich am Beispiel des Haars nachvollziehen. Über das Geflecht an Haar-Motiven deuten Celans Gedichte die erniedrigenden Rasuren in den Konzentrationslagern an, ohne die Demütigungen durch ihre detaillierte Schilderung sprachlich zu wiederholen. Als Zeugen, die den Vernichtungswahn überstanden haben, verwandeln sich die Haare von verletzlichen Opfern brutaler Beschämungsrituale in Agenten des Widerstands. Dass sie neben der mnemonischen auch eine poetische Kraft besitzen, offenbart Celans Gedicht Hinausgekrönt, das zur Metaphorisierung des dichterischen Schaffens auf den traditionsreichen Topos des Flechtens zurückgreift: „Berenikes Haupthaar, auch hier, – ich flocht, / ich zerflocht, / ich flechte, zerflechte, / Ich flechte“ (C 154). Angeknüpft wird an die Legende von der Königin Berenike, die ihr prachtvolles blondes Haar abgeschnitten und in den Tempel der Aphrodite gelegt haben soll, um für die unversehrte Wiederkehr ihres Gemahls aus dem Krieg zu bitten. Als die Opfergabe am folgenden Tag verschwunden war, erklärte der Hofastronom, die Götter hätten die Haare am Himmel zu einer Sternengruppe verewigt, die seitdem den Namen Coma Berenices trägt. Wie der Mythos die verschwundenen Locken in ein zeitenüberdauerndes Sternbild verwandelt, so ver-

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flechtet Celan die von den Nationalsozialisten geraubten Haare zum Stoff seiner schamvollen Gedichte.13 Die so entstehenden Textgewebe gleichen „Totenhemden“14, die den gedemütigten, kahlrasierten Opfern im Medium des Gedichts nachträglich eine Verhüllung ihrer beschämenden Blöße und eine würdevolle Bestattung gewähren.

3 „Haar Haar Haar!“ – beharrlicher Widerstand gegen das Vergessen im Werk Elfriede Jelineks Elfriede Jelineks Opus Magnum Die Kinder der Toten15 greift Celans Faden der Haar-Motivik auf und spinnt ihn fort zu einer fundamentalen Kritik an der österreichischen Geschichtsvergessenheit und dem zum leeren Ritus erstarrten oder ganz der Verdrängung anheimgefallenen Holocaust-Gedenken.16 Die massenmediale Unterhaltungsindustrie, der Sport und der Tourismus bieten den Romanfiguren verlockendere Beschäftigungen als die unliebsamen Scherereien der Schuldfrage: „Was scheren wir die Toten, Nachwuchs gibt es genug, und der kann sich dann die Haare wachsen (oder auch ganz kurz stehen) lassen, weil das auf dem Foto so fesch ausschaut“ (KT 29). Schauplatz des Romans ist eine touristenüberlaufene Tiroler Postkartenlandschaft, deren vermeintliche Idyllik jedoch dadurch gestört wird, dass sich unter den Feriengästen auch zahlreiche Untote tummeln. Vor allem sind es die immer wieder unter der schönen Alpenkulisse hervorscheinenden Leichenberge von Auschwitz, die dem Ge Diese Lesart knüpft an die Deutung Bartels an, die zu dem Gedicht Hinausgekrönt und dem dort anklingenden Mythos der Königin Berenike treffend schreibt: „In gewisser Weise scheint Celan [...] dem Vorbild dieses Hofastronoms zu folgen, wenn er nach dem historisch bedingten Verlust des Haares dieses verwandelt und in eine ganz andere Sphäre transportiert“ (2008, 42). Auch Hahn (2008) liest den beschriebenen Vorgang des Haarflechtens als poetologische Selbstreflexion.  „Totenhemd“ (C 44) lautet der Titel eines Gedichts Celans. Ausgehend von ihm und weiteren Werken hat Uta Werner (1998) die überzeugende These entfaltet, dass Celans Gedichte gleichsam „Textgräber“ erschaffen, die den jüdischen Opfern eine nachträgliche Bestattung und Totenehrung zuteilwerden lassen.  Zitate aus Jelinek (2019) werden direkt im Haupttext mit der Sigle KT angegeben. Zum Thema der Haare in dem Roman vgl. insbesondere Nickenig 2008, die einen wichtigen Anknüpfungspunkt der folgenden Überlegungen bildet.  Wenn der Roman von der „schwarze[n] Milch“ erzählt, „die auch unser lockiges Kind Wahrheit zu ängstigen scheint“ (KT 558), zitiert er die Todesfuge, in der das Haar eine Metonymie für die Judenvernichtung bildet. Zur Celan-Referenz und der Kritik an einer institutionalisierten Gedenkkultur vgl. Pontzen 2007, 109; Nickenig 2008, 228–232 und Löffler 2019, 17.

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schehen eine unheimliche Grundstimmung verleihen und erklären, weshalb den Figuren häufig „die Haare zu Berge stehen“ (KT 303). Die machtvolle Wiederkehr der verdrängten Schuld ereignet sich schließlich, als das geschichtsvergessene Feriendorf „von einer Haarlawine verschüttet“ (KT 408) wird, die alle Urlauber in den Tod reißt.17 Ein „gigantische[s] Haargespinst von Millionen toter Menschen“ (KT 402) überflutet die Häuser der fernsehenden Touristen, „fällt [...] überall aus der Decke“ und vermischt sich mit Blut: „Blut sprudelt in zu immer dickeren Flechten gedrehten blonden Strahlen, die im Feuer geschwärzt wurden [...]: Das ganze Volk Abrahams wirft sein Haardach herab“ (KT 405). Bei den Bergungsarbeiten stellen die Rettungskräfte mit mulmigem Gefühl fest, dass die niedergegangene Mure nicht nur aus Schlamm und Geröll besteht: „Wir graben weiter, die stählernen Schaufeln wühlen sich voran und stoßen auf ein Zeichen: Haar. Menschliches Haar. Es wird ausgegraben. [...] Nur: Es ist einfach zuviel Haar da für die geschätzte Anzahl der Verschütteten. [...] Haar. Haar. Und dort auch alles: Haar!“ (KT 665) Das Haar wird in Jelineks Roman zu einem mehrfach determinierten „Zeichen“. Wenn von Adolf Eichmanns „riesige[n] Lagerhallen“ die Rede ist, in denen „Haarteile, [...] frühzeitig aus der lebendigen Knochenmasse gerupft, geschnitten, rasiert“ (KT 394), liegen, erscheinen die Haare zugleich als fragil-vergängliche Materie wie auch als unverwüstbare, allen Misshandlungen trotzende Gedächtnisträger: „Haar erinnert immer an Jugend, die vorbei ist!“ (KT 394) Das „Haargespinst“ (KT 629) verweist jedoch nicht nur auf die schuldhafte Verstrickung in die Verbrechen des Nationalsozialismus, sondern bildet überdies einen Knotenpunkt, an dem verschiedene Weiblichkeitskonzepte der westlichen Kulturgeschichte zusammenlaufen. Das Märchen – etwa das „vom eingesponnenen Dornröschen oder der Rapunzel“ (KT 402) –, die Freud’sche Psychoanalyse und die Werbung erweisen sich in Die Kinder der Toten als Diskurse, in denen das weibliche Haar jeweils zum Anknüpfungspunkt der Mythenbildung wird.18 Die sexuelle Signifikanz der Locken tritt dadurch hervor, dass der Roman nicht nur die „aus der Kopftorte schäumende[] Haargarnitur“ (KT 196) – also das Haupthaar – behandelt, sondern immer wieder auch die Schamhaare. Sie werden bevorzugt in Naturmetaphern beschrieben: als „die Büsche am Menschengeschlecht“ (KT 224), „die lieben wuschligen Baumkronen“ (KT 230), die „bewaldeten Lenden“ (KT 284) oder die „Tannennadeln aus Schamhaar“ (173). Über eine  Zur Unheimlichkeit und der Haarlawine als Wiederkehr des Verdrängten vgl. Pontzen 2007.  Zur Verknüpfung von Geschlechter- und Auschwitz-Thematik über das Motiv der Haare vgl. Nickenig 2008, 222–228. Ohne das unvergleichliche Grauen der Judenvernichtung mit der Unterdrückung der Frau in der patriarchalischen Gesellschaft analogisieren zu wollen, lässt sich festhalten, dass Jelinek vermittels des Haar-Motivs beide Themenstränge verflechtet.

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attraktive blonde Frau heißt es: „Diese Blondie! Oh, an ihren Ufern, wo die Moospolster wachsen, ists fast so schön wie am Bodensee“ (KT 605). Umgekehrt erfolgen die Landschaftsbeschreibungen vielfach in anthropomorphen Metaphern: So ist vom „schütteren Waldschamhaar“ (KT 86) die Rede, von den „Haarwurzeln des Bodens“ (KT 70), der „eigenwilligen Fichtenfrisur“ (KT 526) der Schneealpe und von Holzarbeitern, die zur Alm fahren, „wo sie die Landschaft rasieren sollen. Eingeseift haben die Feriengäste sie schon“ (KT 130). Auch wird berichtet, „die Natur“ habe „das Shampoo [...] wieder einmal vergessen“, weshalb „die Haare der Erde [...] etwas struppig“ (KT 326) aussähen. Wenn die Natur kulturelle Praktiken wie Frisieren und Shampoonieren ausübt, die Haare aber zugleich als Relikte der Naturhaftigkeit – als das Buschige und Waldige „am Menschengeschlecht“ (KT 224) – erscheinen, werden die Haare zu Objekten, welche die Trennlinie zwischen Natur und Kultur überwuchern und eine klare Unterscheidung der beiden Bereiche verunmöglichen. Diese Grenzauflösung gipfelt in einer Szene, in der Karin Frenzel an einem Stuhl – folglich einem künstlich gefertigten Objekt der menschlichen Zivilisation – plötzlich Haare gewahrt: Es wächst an dem auf rustikal zurechtgeschusterten Massenfabrikat eines Gasthausstuhls ein Fleck, ein Büschel kurzen, weichen, schwarzen Haares. [...] Dieser weiche Klecks [...], er ist wesenhaft mehrdeutig, er zielt nicht auf ein bestimmtes Leben hin, er könnte ja jedem Leben gehört haben. [...] es stellt sich heraus, daß diese unerwartete Kuschligkeit daher rührt, daß an dem klebrigen Schmutz, der an der Lehne pickt, offenbar Menschen- und Tierhaare haften geblieben sind, die dem Möbelstück eine Art Fell übergezogen haben. Oder doch nicht? Ist es nicht doch etwas anderes? Ist es etwa ein Stück vom weichen Bauch eines Tieres [...]? Oder zumindest ein Wegweiser, hier gehts zur Natur, dort gehts zum Menschen, der vollkommen denaturiert ist, also zum Unbelebten, entscheiden Sie sich! (KT 221–222)

Natur und Kultur, Tier und Mensch, kreatürlich Wucherndes und industriell Gefertigtes, Lebendiges und Totes werden durch das Haar miteinander verschlungen und verlieren ihre eindeutige Unterscheidbarkeit.19 Auf diese Weise erscheint das Haar als widerborstige Materie, die sich keinen starren Dichotomien unterordnen lässt, sondern verschiedenste Phänomene über Ähnlichkeiten und Analogien miteinander verknüpft – die waldige Landschaft gleicht dem weiblichen Geschlecht, die Beschreibung des Genitalbereichs erfolgt wiederum in Vegetationsmetaphern. Zugleich wird durch die metaphorische Überblendung von Wald und Vagina „[s]owohl die Feminisierung der Natur als auch die Naturalisierung der Frau“ (Nickenig 2008, 227) kritisch reflektiert. Ein wirkmächtiger Diskurs des zwanzigsten Jahrhunderts, der die Frau als Naturwesen konstruiert, ist die Psychoanalyse. In der Traumdeutung vermerkt Freud, „viele Landschaften der Träume, beson Vgl. hierzu auch Heimann 2015, 257.

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ders solche mit [...] bewaldeten Bergen“, ließen sich „unschwer als Genitalbeschreibungen“ (2007 [1900], 358) erkennen. Wenn in Jelineks Roman eine Frau auftritt, deren als „Schamzipferl“ fungierende Schürze „nichts verbirgt als Nichts und wüste Lockenpracht“ (KT 276), so knüpft diese Beschreibung des weiblichen Genitalbereichs deutlich an das psychoanalytische Theorem der penislosen und daher konstitutiv mangelhaften Frau an.20 Freuds Abhandlung zum Fetischismus analysiert den „Kastrationsschreck“ (1975 [1927], 385), den der kleine Junge beim ersten Anblick der nackten Mutter erlebt. Da die Schamhaare das Letzte sind, was vor der schockhaften Erkenntnis der weiblichen Penislosigkeit gesehen wird, klammert sich das Begehren des Fetischisten an ihnen und den symbolisch für sie eintretenden Kleidern fest: „Pelz und Samt fixieren [...] den Anblick der Genitalbehaarung, auf den der ersehnte des weiblichen Gliedes hätte folgen sollen; die so häufig zum Fetisch erkorenen Wäschestücke halten den Moment der Entkleidung fest, den letzten, in dem man das Weib noch für phallisch halten durfte“ (1975 [1927], 386). Die Penislosigkeit ist für Freud einerseits der Grund, weshalb die Frau nicht durch die Kastrationsdrohung zu Kulturarbeit und Sublimierung getrieben werden kann. Andererseits erwägt er großzügig, ob nicht doch auch von weiblicher Seite ein kleiner Beitrag zur Zivilisation geleistet worden sei, der gerade aus der Scham über die eigene „sexuelle Minderwertigkeit“ (1969 [1933], 562) erwachse: Der Scham [...] schreiben wir die ursprüngliche Absicht zu, den Defekt des Genitales zu verdecken. [...] Man meint, daß die Frauen zu den Entdeckungen und Erfindungen der Kulturgeschichte wenig Beiträge geleistet haben, aber vielleicht haben sie doch eine Technik erfunden, die des Flechtens und Webens. Wenn dem so ist, so wäre man versucht, das unbewußte Motiv dieser Leistung zu erraten. Die Natur selbst hätte das Vorbild für diese Nachahmung gegeben, indem sie mit der Geschlechtsreife die Genitalbehaarung wachsen ließ, die das Genitale verhüllt. Der Schritt, der dann noch zu tun war, bestand darin, die Fasern aneinander haften zu machen, die am Körper in der Haut staken und nur miteinander verfilzt waren. Wenn Sie diesen Einfall als phantastisch zurückweisen und mir den Einfluß des Penismangels auf die Gestaltung der Weiblichkeit als eine fixe Idee anrechnen, bin ich natürlich wehrlos. (1969 [1933], 562–563)

In verschiedenen ihrer Werke knüpft Jelinek an Freuds Schamhaar-Meditationen an, um deren misogyne Aspekte zu enthüllen. So erzählt der Roman Die Klavierspielerin21 von der pathologischen Beziehung einer Mutter zu ihrer Tochter, die den patriarchalen Herrschaftsdiskurs beide gänzlich internalisiert haben und von der Mangelhaftigkeit des weiblichen Geschlechts überzeugt sind. Als die Tochter eines Abends „das bereits schütter gewordene dünne Schamhaar der  Vgl. auch Kernmayer 2019, 114–121.  Zitate aus Jelinek (2018) werden direkt im Fließtext mit der Sigle K angegeben.

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Mutter“ sieht, das diese „bislang strengstens unter Verschluß“ (K 279–278) gehalten hat, reagiert sie auf den Anblick der Penislosigkeit entsetzt und „schleudert der Mutter ins Gesicht, was sie soeben erblickt hat. Die Mutter schweigt, um es ungeschehen zu machen“ (K 279). Mit ihrer Scham über das eigene Geschlecht verbleiben beide „im Rahmen einer Weiblichkeitskonstruktion, wie sie Freud formuliert hat und die zu dekonstruieren und zu demystifizieren wäre“ (Janz 1995, 80). Die nächtliche Erforschung des mütterlichen Genitalbereichs ist keineswegs die einzige Passage des Romans, an der Haare eine bedeutsame Rolle spielen. Bereits die Eingangsszene schildert, wie sich die beiden Damen Kohut buchstäblich ‚in die Haare kriegen‘. Nachdem die 38-jährige Klavierlehrerin später als sonst nachhause zurückgekehrt ist, verhört die Mutter – „Inquisitor und Erschießungskommando in einer Person“ – „das Kind“ (K 5), wo es gewesen sei. Statt die Privatsphäre und die Schamgrenzen der erwachsenen Tochter zu respektieren, verwehrt Frau Kohut ihr jegliches Recht auf Geheimnisse, Autonomie und eine erfüllte Sexualität. Als Erika entdeckt, dass die Mutter wieder einmal heimlich in ihrem Schrank gewühlt und ein Kleid entfernt hat, brüllt sie wütend die ihr übergeordnete Instanz an und verkrallt sich in ihrer Mutter dunkelblond gefärbten Haaren, die an den Wurzeln grau nachstoßen. [...] Sie reißt wütend daran. Die Mutter heult. Als Erika zu reißen aufhört, hat sie die Hände voller Haarbüschel, die sie stumm und erstaunt betrachtet. Die Chemie hat diese Haare ohnehin in ihrem Widerstand gebrochen, aber auch die Natur hatte an ihnen nie ein Meisterwerk vollbracht. (K 10–11)

Das wütend-verzweifelte Reißen an den Haaren erscheint als Versuch, sich gewaltsam aus der symbiotischen Verstrickung mit der Mutter zu befreien. Kurz zuvor wurde beschrieben, dass Frau Kohut das Leben Erikas mit einem engmaschigen Netz an Kontrollen überzogen hat und stets telefonisch überprüft, wo sich die Tochter gerade aufhält. Vergeblich kämpft Erika „gegen mütterliche Bande und ersucht wiederholt, nicht angerufen zu werden“ (K 8). Die Haare, das Telefonkabel und die „mütterliche[n] Bande“ verschlingen sich zu einem Bildkomplex, der um die familiäre Verstrickung, die gleichsam noch nicht abgetrennte Nabelschnur22 und das damit einhergehende Gefühl der Fesselung kreist. Wann immer Erika zaghafte Schritte in Richtung von Freiheit und Selbstständigkeit wagt, fühlt sie sich magnetisch zur Mutter zurückgezogen. „Sie weiß, diese mütterliche Umschlingung wird sie restlos auffressen und verdauen, und doch wird sie von ihr magisch angezogen“ (K 139). Als sich der Klavierschüler Walter Klemmer in sie verliebt und die beiden Damen Kohut nach

 Zu den Kontroll-Telefonaten der Mutter als Zeichen für die symbolische Nabelschnur vgl. Tacke 2013, 96.

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einem Konzert heimbegleitet, bleibt Erika gedanklich auf die hinter ihnen gehende Mutter fixiert: „Die Mutterbänder straffen sich und zerren Erika im Kreuz nach hinten. Es zwickt schon sehr, daß die Mutter alleine hinten gehen muß“ (K 88). Die selbst erfahrene Gewalt gibt die Lehrerin an ihre Schüler weiter: So verspürt sie im Unterricht „das Bedürfnis, den Kopf des Schülers bei den Haaren zu packen und ins Leibesinnere des Flügels zu schmettern, bis das blutige Gedärm der Saiten kreischend unter dem Deckel hervorspritzt“ (K 126). Gewalt, Fesselung und Unterwerfung bestimmen auch Erikas sexuelle Phantasien. Regelmäßig besucht sie Peepshows, wo die Frauen für die Zuschauer nur mehr austauschbare „Objekt[e] ihrer Schaulust“ (K 65) sind, die sich „nicht grundsätzlich, höchstens in der Haarfarbe“ (K 60), voneinander unterscheiden. In ironischer Anspielung auf misogyne Theoreme der Freud’schen Psychoanalyse heißt es über die „[h]aarbuschigen Dreiecke“ der nackten Frauen: „[...] das ist das allererste, worauf der Mann schaut, da gibt es ein Gesetz dafür. Der Mann schaut auf das Nichts, er schaut auf den reinen Mangel. Zuerst schaut er auf dieses Nichts, dann kommt die restliche Mutti auch noch dran“ (K 63).23 Die Haare sind in dem Roman aufs Engste mit der weiblichen Sexualität verknüpft. Erika, deren Mutter ihr jegliche lebendigen Regungen der Triebhaftigkeit rigoros untersagt, trägt das Haar oftmals „mit einem Seidentuch zugedeckt“ (K 163), beobachtet jedoch neidisch die kunstvollen Frisuren anderer Frauen: „Jede neue Frisur einer Schülerin reicht daheim noch aus für eine halbe Stunde heftigen Gesprächs inklusive Beschuldigung der Mutter, sie halte ihre Tochter mutwillig dauernd zuhause fest, damit diese im Freien nicht herumgehen und etwas erleben könne. Schließlich wäre auch bei ihr, der Tochter, eine neue Haartracht dringend fällig“ (K 118). Die eigenständige Wahl der Frisur erscheint als Ausdruck jener Selbstbestimmung, Freiheit und Bejahung der eigenen Sexualität, die Erika versagt bleiben. In ihrer bestrickenden Verführungskraft bilden die Haare zugleich auch eine bedrohliche Materie, die im Patriarchat gebändigt, frisiert und gesäubert werden muss. Walter Klemmer etwa „fordert saubere Haare an, weil ungewaschene Frisuren Klemmer ein Greuel sind“ (K 241). Über zwei Mädchen, die im Café ihre „Aufsteckfrisuren“ sorgfältig kämmen und feststecken, heißt es: „Sie sind beide vertraut mit weiblichen Bewegungen! Die weibliche Art entspringt ihren Gliedern wie saubere kleine Bäche“ (K 70). Dass weibliche Widerborstigkeit und emanzipatorische Rebellion in der düsteren Welt des Romans nicht möglich sind, deutet eine spätere Szene an, in der Erika einige Mädchen be-

 Dass mit der Frau „als Mangel, als Nichts, als Mutti [...] Konzeptionen aus der Psychoanalyse Freuds und Lacans[...] überspitzt und ironisiert zur Sprache kommen“, konstatiert auch Heselhaus 1998, 96.

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trachtet, die „einen Anklang an eine echte Punkfrisur auf dem Kopf haben. Doch es gelingt ihren Haaren nicht, aufrecht stehen zu bleiben, sie fallen immer zusammen. Fett in den Haaren allein genügt noch nicht. Sie werfen sich immer verzweifelt zurück an die Kopfhaut, die Haare. Und die Mädchen werfen sich hinter den Mopedpiloten auf den Sitz und surren rasch davon“ (K 177). Wie die Haare der Mädchen nicht aufrecht stehen bleiben, so gelingt es ihren Trägerinnen in dem Roman ebenfalls nicht, sich gegen die bestehende Ordnung zu erheben und selbst das Steuer zu übernehmen. Eine selbstverleugnende Sucht nach Unterwerfung zeigt auch Erika Kohut: In einem drastischen Brief bittet sie Walter Klemmer, „daß er sie mit Genuß so derart fest, stramm, gründlich, ausgiebig, kunstgerecht, grausam, qualvoll, raffiniert mit den Stricken [...] und auch den Lederriemen und sogar Ketten [...] fesselt, ver- und zusammenschnürt und zusammenschnallt, wie er es nur kann“ (K 256). Die selbstzerstörerischen Gewaltphantasien beantwortet Klemmer seinerseits mit brutalen Unterwerfungsgelüsten. Als er auf Erikas unbeholfene Annäherungsversuche mit Impotenz reagiert, wehrt er seine Scham gewaltsam ab: „Klemmer ärgert sich tobsüchtig über seine Unfähigkeit und hält die Frau dafür an den Haaren fest, schmerzhaft fest [...]. Nun ist sie einmal hier, nützen wir es aus und ziehen wir sie vereinbarungsgemäß kräftig an den Haaren“ (K 290). Nachdem er sie an den Haaren gerissen und mit erniedrigenden Beschimpfungen gedemütigt hat, wird Erika von einem vernichtenden Gefühl der Scham überflutet, das sich bis zur suizidalen Verzweiflung steigert – „Erika will seine tötende Hand niederfallen spüren, und die Scham legt sich ihr, ein riesiges Kissen, auf den Leib“ (K 295).24 Die Haare sind bei Jelinek verletzlich-fragile Objekte, die oftmals in Szenen der Misshandlung, der schamverletzenden Gewalt und der tiefwurzelnden Frauenverachtung thematisch werden. Dass sie jedoch nicht nur Vulnerabilität und Ohnmacht versinnbildlichen, sondern zugleich eine widerständige, unbezähmbare Kraft besitzen, verdeutlicht Jelineks Rede zur Nobelpreis-Verleihung. Über die Wirklichkeit, der sich das Schreiben anzunähern sucht, heißt es dort: Die ist ja sowas von zerzaust. Kein Kamm, der sie glätten könnte. Die Dichter fahren hindurch und versammeln ihre Haare verzweifelt zu einer Frisur, von der sie dann in den Nächten prompt heimgesucht werden. Etwas stimmt nicht mehr mit dem Aussehen. Aus seinem Heim der Träume kann das schön aufgetürmte Haar wieder verjagt werden, das sich aber ohnedies nicht mehr zähmen läßt. Oder wieder zusammengefallen ist und nun als Schleier vor einem Gesicht hängt, kaum daß es endlich gebändigt werden konnte. Oder unwillkürlich zu Berge steht vor Entsetzen vor dem, was dauernd geschieht. Es läßt sich einfach nicht ordnen. Es will nicht. So oft man auch mit dem Kamm mit den paar ausgebrochenen Zinken hindurchfährt – es will einfach nicht. (Jelinek 2004)

 Zur Scham in Jelineks Klavierspielerin vgl. Lozzi 2020.

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Dichten erweist sich bei Elfriede Jelinek – wie auch bei Paul Celan – als Arbeit mit Haaren. Diese sind einerseits verstrickt in eine Geschichte der Gewalt, der brutalen Schamverletzung und der Entwürdigung. Indem die Haare zu Fäden im Textgewebe werden, wächst ihnen jedoch andererseits eine widerständige, Gedenken und Gerechtigkeit einklagende Kraft zu: Wie Haare in der Realität noch fortwachsen, wenn der zugehörige Körper bereits verstorben ist, so leben die Locken der Opfer in der Literatur weiter und stemmen sich – widerborstig und beharrlich – gegen den Ausfall der Erinnerung.

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9 Curls Dark as Rainclouds: Hair in the NālāyiraDivyaPrabandham In Hindi and several related languages of north India which lack a neutral gender, hair (bāl) is masculine while tresses (laṭā), with the implication of length and flow, are feminine. It is possible to ask if the linguistically assigned gender for non-living nouns/ ideas impacts the way they are thought of.1 However, Tamil, a Dravidian language spoken in the deep south of India, and the language of my source texts, does possess a neutral gender, and assigns hair to the same. The Nālāyira Divya Prabandham (henceforth NDP),2 literally, Anthology of the Sacred 4000 [songs/ verses] compiled in the late tenth-early eleventh centuries is scripture for Śrīvaiṣṇavas, a community several million strong to date.3 The songs collected herein were composed between the late sixth and ninth centuries by twelve Āḻvārs, poet-saints revered by the Śrīvaiṣṇavas,4 who sang of their ecstatic experience of devotion to one of the two major gods of Puranic Hinduism, i.e. Viṣṇu. While some of the poet-saints did sing in an abstract register, or as humble devotees of a supreme god, several addressed Viṣṇu5 as lover in the genre of bridal mysticism familiar from widely different religious

 The cultural turn in French Revolution studies, especially linguistic analysis, has shown how concepts like liberty, equality etc which are assigned the female gender in French were interpreted and how language gendered the concept of citizenship. Schechter, Ronald. The French Revolution: The Essential Readings. Malden, Massachusetts: Wiley-Blackwell. 2001. 1–30.  Nācciyār Tirumŏḻi, Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, Pĕriya Tirumŏḻi, Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, Tiruccantaviruttam, Tiruppaḷḷiyĕlucci, Tiruppāvai, Tirumāḻai, Tiruvāymŏḻi etc are constituent books of the Nālāyira Divya Prabandham. Quotations below from these texts are all from the NDP. I am indebted to CN Subramanian for help with the translations.  Accurate figures are not available as the Census does not collect data of sectarian affiliation within the larger group termed Hindu.  Jagannathan, Bharati. Approaching the Divine. Delhi: Primus Books. 2015. 24, shows there could have been any number between seven and eighteen Āḻvārs. Since that does not impact our analysis here, I will maintain the traditionally accepted figure.  Since Viṣṇu is known by a thousand names, conventionally, the Āḻvārs address him differently in different contexts as per their predilections and refer to specific myths associated with a particular avatāra. Since the particular name is not relevant to the present analysis, I have generalised it as Viṣṇu-Kṛṣṇa/ Rāma; other names appearing within quotations may be treated as forms of the same. https://doi.org/10.1515/9783110776461-010

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traditions. We also find some poems where the poet addresses the deity as a father, again something which is not entirely unknown. The Tamil tradition is, however, unique in that a couple of the Āḻvārs assumed the voice of a parent towards a child. The mythological notion of the deity having incarnated in human form, avatāra, and having experienced the joys and sufferings of ordinary mortals forms the core story of the Rāmāyaṇa, one of the two great epics of India.6 Thus, while the incarnated divinity’s wondrous exploits as a child were part of widely known mythology,7 it is the poems of the Āḻvārs, specifically of Pĕriyāḻvār and Kulaśekhara Āḻvār, dated approximately to the eighth-ninth centuries, which first treated the deity as a baby – a notion which eventually became central to popular religiosity across much of India.8 Āṇḍāḷ, the only woman among the Āḻvārs, has left behind a corpus of poetry suffused with passionate desire for Viṣṇu/ Kṛṣṇa.9 However, it must be noted that two of the male Āḻvārs also adopted the female voice to sing in the erotic mode, 10 while yet others spoke in the voice of the mother of the girl-in-love (a standard conceit in Tamil poetry from very early times) to compass the erotic motif, though in the third person.11 The addressees range from the deity himself, bystanders to whom the

 In the epic, Rāmāyaṇa, the prince, Rāma, is exiled for fourteen years on the eve of his coronation by his stepmother, Kaikeyī, drawing on a boon she had received from her husband aeons earlier. His father, Daśaratha, dies heartbroken, but Rāma’s half-brother, Bharata, for whom his mother had connived, refuses to ascend the throne. While in exile in the forests with his wife, Sītā, and devoted brother, Lakṣmaṇa, a ten-headed rākṣasa, Rāvaṇa, kidnaps Sītā and takes her to his island kingdom of Lanka. Rāma eventually musters an army of monkeys and bears, crosses the ocean, destroys Lanka, kills Rāvaṇa, and returns victorious to become king of Ayodhya.  The Harivamśa, dated to the early centuries of the Common Era, and the Bhāgavata Purāṇa, dated to approximately the tenth century, recount the bildungsroman of the avatāra Kṛṣṇa.  Hawley, John Stratton. A Storm of Songs, India and the Idea of the Bhakti Movement. Cambridge: Harvard University Press. 2015. 15–19, points out that motifs are repeated and mirrored across space and time in the subcontinent’s bhakti landscape.  Āṇḍāḷ signs herself as Kotai; I will largely refer to her as Āṇḍāḷ, the name by which she is generally known in the community.  Sangari, Kumkum. ‘Mirabai and the Spiritual Economy of Bhakti’. Economic and Political Weekly Vol. 25. 28 (1990): 1537–1552, discusses the differences in the expressions of devotion of male and female poets. Ramaswamy, Vijaya. ‘Rebels, Mystics or Housewives? Women in Virasaivism’, India International Quarterly Vol. 28.4 (2001–2002): 315–326, discusses women saint poets’ expressions of devotion as erotic desire.  Sangam poetry, dated to beginning of the Common Era, and a couple of centuries earlier too. See Ramanujan, A.K. The Interior Landscape.Delhi: Oxford University Press. 1967, reprint 1995. See Selby, Martha Ann. Grow Long, Blessed Night: Love Poems from Classical India. New York: Oxford University Press. 2000. 15.

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mother may lament that her innocent daughter has been seduced by the lord, women friends of the besotted heroine, to potential devotees who are adjoined to worship. The poems in the erotic register are understandably rich with dense descriptions of the enticing form of the deity, which includes his hair. Interestingly, the physical form of the devotee-in-love too is often described to depict her wasting away. The genre of poems in the parental voice, similarly, devotes much attention to the physical beauty of the divine child. In fact, the Śrīvaiṣṇava understanding of the deity as saguṇa, i.e. one with characteristics or attributes,12 necessarily entails apprehension of the deity in a physical form alongside the spiritual.13 Thus, even non-relational14 addresses to or statements about the deity refer to his beauteous physical form and his locks feature in many such verses. Finally, a fair number of hymns in the NDP are exhortations to laypersons to cultivate detachment from the material world and focus on the spiritual. These laypersons are evidently assumed to be male because the worldly ‘snare’ is invariably said to be beautiful women with enticing eyes/ breasts/ hips/ hair. A corpus of devotional poetry more than a thousand years old is thus a treasure trove of references to the ‘crowning glory’. My questions in this paper are twofold. Is there a difference in the description of men’s and women’s hair; are there characteristics attributed to women’s locks which differ from those attributed to men’s? Second, does the way in which the woman saint, Āṇḍāḷ, speak of hair differ from the way in which the male saints do? A large proportion of Pĕriyāḻvār’s 473 verses are descriptions of or addressed to the baby Kṛṣṇa, mostly in the voice of his foster mother, Yaśodā. She beckons the baby to take suck or to come for his bath, sings him lullabies, and scolds him for his pranks (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 2.2.1-11. 2.4.1-10, 1.4.1-10); all of these serve as frameworks to outline instances in the miraculous career of the divine child. Stealthily you ate the curds and butter churned by the long-haired cowherd women, then, uprooted the marutu trees and danced, smiling and tossing your dark, curly locks. (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 1.6.5) O dark-haired one wearing a beautiful golden waistband and chiming jewelled ankle bells[…] (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 1.7.1)

 Nayar, Nancy Ann. Poetry as Theology: The Śrīvaiṣṇava Stotra in the Age of Rāmānuja. Weisbaden: Otto Harrassowitz. 1992. 207.  It is true that Śrīvaiṣṇava theology was developed several centuries after the period of the Āḻvār saints, but in many important ways it crystallized the devotional understanding that had evolved through the hymns of the Āḻvārs. See Jagannathan 2015, 224–280.  That is, where the deity is not being addressed as parent/ child/ lover etc.

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Your dark curly locks hover over your coral lips like bees drinking nectar from lotuses. With your tender hands that hold conch, discus, mace, bow and dagger, come and embrace me. (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 1.9.2) The lion-cub of Yaśodā wears flowers in his dark hair[…] (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 2.1.7)

Kṛṣṇa’s dark curls falling over his forehead are said to resemble bumble bees swarming over a lotus blossom (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 3.6.9). Two entire poems of ten stanzas each are dedicated to begging the child to come so that she can comb his hair and adorn it with flowers (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 2.5.1-10, 2.7.1-10). It appears that both men and women wore flowers of many varieties in their hair. In fact, in the last mentioned poem, a different flower is mentioned in each verse. The descriptions are usually rendered further dense by the mention of bees hovering over the flowers decorating the coiffure. Exactly the same similes – lips like coral, moon-like forehead – serve as descriptors of beauty in both males and females as we shall see in the examples below. But men have shoulders like mountains while women have bamboo-like arms/ shoulders. Male eyes are usually compared to lotus petals whereas it is commoner to find women’s eyes likened to sharp spears or to fish, and often to the pair of eyes as warring fish! O Hṛṣikeśa residing in Śrīvilliputtūr! Bees hover over the flowers in your hair […] (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi 2.2.6) His ear pendants hang low, his curls hang low, his necklace hangs low, gods and men from the eight quarters bow low to worship him. He stole the saris of the women whose flower-bedecked hair is sought by bees […] (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi 2.10.2)15 you entice maidens whose flower-bedecked hair is surrounded by bees […] (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi 3.1.6) when you play the flute, curly-haired village maidens flock to worship you […] (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi 3.1.7) you took a curly-haired girl to the forest, embraced her pearl-like breasts […] (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi 3.1.10)

In the signature verse of one of the poems, Pĕriyāḻvār uses the same descriptor for the mother, Yaśodā, which has been employed to describe both Kṛṣṇa and  This is a reference to a well-known myth where Kṛṣṇa stole the clothes of the cowherd women who were bathing in the river Yamuna. The young women had to emerge naked from the water and beg him to return their clothes – usually interpreted as a parable of the individual renouncing ego when approaching god. Other interpretations are possible, and do exist.

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the gopīs, cowherd maidens with whom the deity in his human incarnation is supposed to have amorously sported on the banks of the Yamuna. And finally, a signature verse at the end of a particular decad also employs a descriptor of hair: “this decad of sweet songs sung by Bhaṭṭar Pirān[…] recalls the words of Yaśodā of fragrant hair […]” (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi 3.1.11).16 Kulaśekhara Āḻvār, in employing the motif of the woman-in-love, despairs of ‘her’ chances of attracting the attention of the notoriously inconstant lord. O Vāsudeva! With so many maidens with curled tresses (adorned) with lovely blooming flowers living in this town, I know it is fruitless to desire the embrace of your chest. Yet, like a fool, I trusted your lies and waited for you shivering in the frost by the banks of the Yamuna all night. As a woman with beautiful fish-shaped eyes sat churning curds in the house on the eastern side, you stole a furtive glance at her, and saying, ‘I shall help churn quickly’, you entered. Her curled hair with flowers on which bees hummed fell and swayed, her bright face glowed with beads of sweat and her lips began to twitch. O Dāmodara, I know what really happened. (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 6.1-2) O you who sleep on the serpent couch! We are not ourselves any longer, nor are we those dark eyed ones whom you desire. Cease coming to our village at odd hours. Drawn by your beautiful clothes, auspicious face, coral lips and dark curls, we were taken in by your lies. One day was enough. Now go! (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 6.7) Wearing a feather from the peacock’s tail, a bright, soft garment around the waist, flower bunches behind the ears, and an auspicious, beautiful forest garland shining on your chest, you came sweetly blowing the flute along with women with curly hair that smells of honey, embracing [them]. Will you not come and play the flute only for us one day? (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 6.9)

Several Āḻvārs employ the familiar trope of Kṛṣṇa’s fickleness. My heart burns when I think of it! He plucked a bunch of fragrant nāḻal flowers and decked my hair with it saying, ‘I will die if we are separated’, and then gave me his love. He now resides in Pullāṇi […] (Pĕriya Tirumŏḻi, 9.3.5)

Pĕriyāḻvār and Tirumankai also use the voice of the exasperated Yaśodā whose neighbours complain to her about her amorous son having trifled with their daughters. “he did unspeakable things that brought dark-haired women complaining to me […]” (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 3.2.4), and “the cowherd folk are respectable; don’t destroy their daughters […] there was none else but Nanda’s son with flowers in his dark hair […]” (Pĕriya Tirumŏḻi, 10.7.1-2)

 Pĕriyāḻvār frequently signs himself Bhaṭṭar Pirān, i.e. king among brāhmaṇas.

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As Kṛṣṇa was taken immediately upon birth from his mother to be brought up safely in a cowherd settlement, Kulaśekhara Āḻvār sings the lament of his birth mother: O Kṛṣṇa, I can enjoy your babyhood only in my mind: your face radiant like the moon, your lovely hands, arms and chest, your curly hair bedecked with flowers, your forehead marked with a crescent, your lotus-like eyes. I lost the joy of begetting you; I shall not live. (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 7.4)

A number of poems in the NDP are in praise of a shrine/ pilgrimage centre. Such places are marked by descriptions of prosperity and auspiciousness: lush fields of paddy and sugarcane, dotted with lakes and rivers full of fish and waterfowl, tall mansions, brāhmaṇas performing sacrifices, and chaste and beautiful women who dwell in the lord’s temple towns. Tirumankai says “My lord Cĕnkaṇmāl resides in the temple of Tirutĕrriyampalam in Nānkūr where the waters wash up the red kumkuma powder from the breasts of flower-coiffed maidens on to golden sand dunes […]” (Pĕriya Tirumŏḻi 4.4.7), and “The fragrance from the coiffures of beautiful maidens with fingers slender as lilies who walk about unassumingly dressed in soft fabrics, wafts in the breeze of Kūṭalūr […]” (Pĕriya Tirumŏḻi, 5.2.1). Tŏṇṭaraṭippŏṭi sings of the deity in the shrine at Srirangam surrounded by the Kaveri, “See the lotus blossoms in profusion! The sun has risen from the sea. Slender-hipped maidens with curly locks emerge from the river drying their hair and squeeze-drying their clothes […]” (Tiruppaḷḷiyĕlucci 10). Numerous verses refer to Kṛṣṇa subduing seven bulls in a contest to win the hand of the dark, curly-haired Nappinnai, Rāma breaking the great bow of Janaka to marry Sītā of the dark, curly-locks, or crossing the ocean for the sake of his dark and fragrant-haired wife, or the lord in conjunction with his consort with flower-bedecked tresses (Pĕriya Tirumŏḻi, 1.2.3, 2.3.9, 3.3.5, 3.4.8, 3.10.6, 5.7.7, 9.5.2, 10.6.8, Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 1.6.7, Tiruvāymŏḻi, 5.10.2, 6.4.2). While it was customary for both men and women to adorn their hair with flowers, it is apparent that the references to the flower-bedecked coiffures of women vastly outnumber those of men. A variation on the theme is brought by Kulaśekhara in Daśaratha’s lament: No more will I hear you call me ‘father’ lovingly, clasp your jewelled chest tightly to my bosom, see your elephant-like gait and lotus-like face; no more shall I smell your scalp and be transported into ecstasy. And yet I live? (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 9.6)

And by Tirumankai speaking in the voice of a resigned Yaśodā apologizing to the neighbours who have been complaining of his audacious pranks, “This lad

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hasn’t an ounce of fear. I brought him up fondly, smelling his scalp. But he […]” (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 8.5). Smelling the child’s scalp was evidently an expression of parental affection, one which was, further, deeply gratifying to the parent. Interestingly, the hair of a ‘negative’ character is also sometimes described in much the same way as that of ‘positive’ ones. While it is usual to find rākṣasas or other evildoers represented as ugly, according to the standard cultural assumptions that govern the literary tropes, it is fascinating to find that hair somehow escaped this norm. Examples for this are “You who are the support of the lineage of Kausalyā of fragrant, dark coloured curls! O son of Daśaratha![…] O sweet nectar of our lineage! O Rāghava!..” (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 8.3), and “O illustrious son of Daśaratha with long hair adorned with a tulasi wreath! […] You bestowed the kingdom on Bharata and went into the forest […]” (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 8.5). These are along acceptable lines. Daśaratha’s lament seems natural too: O king of mankind! Listening to the cruel words of she who heeded the crooked words of her crooked maid, you gladly renounced the wealthy city and went to the forest, leaving Sumitrā and Kausalyā17 with their long, flower-bedecked tresses to grieve. Today I shall also leave this city you abandoned and go to my heavenly abode. (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 9.10)

Here is the surprise: “He renounced the kingdom because of the words of Kaikeyī with clusters of flowers blooming in her curls, and crossed the Ganga […]” (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 10.4). Considering Kaikeyī is a queen and, till the moment she demanded Rāma’s exile, was the favoured, beautiful wife of Daśaratha, it might be logical to assume that she possessed all the finery of her royal status. It appears that the convention of speaking of sensuously attractive women by reference to their locks trumps the literary convention of avoiding mention of positive attributes of villainous characters. The absence of certain kinds of markers of appearance is noticeable. In a set of ‘pilgrimage’ poems (Pĕriya Tirumŏḻi, 1.3.1-10, 6.4.1-10), Tirumankai Āḻvār urges folks to visit the holy abodes of the lord before they are too old to make the pilgrimage. In the repeated exhortations of “Go before your teeth fall out/ before phlegm rises as you cough/ before your legs falter/ before lovely young women start teasing you by calling you grandfather”, there is not a single mention of “before your hair turns silver”. This is doubly interesting as the beauty of the women who might potentially deride the old pilgrim is described through

 Kausalyā is Rama’s mother, while Sumitrā is a ‘good’ stepmother.

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attractive garments (Pĕriya Tirumŏḻi, 6.4.3), “breasts the colour of copper” (Pĕriya Tirumŏḻi, 1.3.7), waist thinner than creepers/ lightning-like waist” (Pĕriya Tirumŏḻi, 6.4.3, 6.4.7), “eyes like fawn/ fish/ lotus/ spear/ daggers” (Pĕriya Tirumŏḻi,6.4.5, 6.4.8), and repeatedly through “fragrant coiffure” (Pĕriya Tirumŏḻi, 6.4.2, 3, 4). Was there any literary convention against mention of grey hair?18 Or am I reading too much into what might have seemed to the poet an insignificant marker of old age compared to physical infirmity? In the Rāmāyaṇa, a rākṣasi, Śūrpaṇakhā, desires and propositions Rāma, who repels her saying he is married. Further, Lakṣmaṇa cuts off her nose and ears as punishment. Angry, humiliated and burning for revenge, she rushes off to her brother, Rāvaṇa, setting in train the events of the epic. Śūrpaṇakhā is described in Vālmīki’s epic poem as misshapen, pot-bellied, beady-eyed, and with copper-coloured hair, which is contrasted to Rāma’s jet black hair (Vālmīki Rāmāyaṇa, 3.16.8-10). In the literary imagination of early India, beautiful hair was invariably dark as night. The NDP, however, failed to throw up any instance of ‘ugly’ hair. Considering the repeated mentions of dark tresses and even a simile where the deity is said to be as “dark as hair” (Pĕriya Tirumŏḻi, 6.1.3),19 one can be certain that notions of beauty of both men and women were firmly anchored in dark, well-coiffed locks. The contrast is provided by Śiva, the other of the two great gods of Puranic Hinduism. Śiva inhabits cremation grounds, covers his body with ash, wears a cobra around his neck, carries a skull in his hand, and has wild, matted hair in which he carries the river [goddess] Ganga. In sectarian literature, there is an undercurrent of rivalry between Viṣṇu and Śiva. Unsurprisingly, numerous verses in the NDP refer to the subservience of Śiva-of-the-matted-hair to the supreme deity, Viṣṇu (Pĕriya Tirumŏḻi, 2.2.7, 4.2.9, Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 4.7.2, 4.7.3, Pĕrumāḷ Tirumŏḻi 4.3, Tiruccantaviruttam 9, 71, 113, Tirumālai, 44, Tiruvāymŏḻi, 4.8.10, 5.10.4, 7.2.10, 7.6.3). A single verse in the NDP, possibly from an earlier stage of evolution of the cult,20 when Śiva and Viṣṇu were conceived as a com-

 C.N. Subramanian pointed out that grey hair finds mention in the Tevāram, a contemporary anthology of hymns dedicated to the other great god of Puranic Hinduism, Śiva, which shares most of the cultural assumptions of the NDP and that Śiva himself is said to have worn a sacred thread made of grey hair. Śiva’s startling unconventionality, such as his residence in cremation grounds amidst his ghoul attendants, may account for this usage and indirectly establish the converse as the norm.  Kṛṣṇa/ Viṣṇu/ Rāma are supposed to be dark. Their beauty is often described through similes with dark rainclouds, the ocean, sapphires, dark blue coloured flowers etc.  Hardy, Friedhelm. Viraha Bhakti: The Early History of Kṛṣṇa Devotion in South India. New Delhi: Oxford University Press. 1983. 281–283.

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posite deity, Harihara, speaks of the deity as sporting both low-hanging matted hair and a tall crown, with both serpent and sacred thread gracing his shoulders (Mūnrām Tiruvantādi, 63). An interesting verse of Kulaśekhara Āḻvār lamenting in Daśaratha’s voice when his beloved Rāma is setting out for the forest indicates that the dressing and adornment of hair was a crucial signifier of rootedness in life and the web of social relationships. Now wearing his fragrant, flower-adorned hair as matted locks, changing from his soft vestments to grass and bark cloth, discarding the beauty of his limbs with his jewels, my son whose strength perplexes his foes has gone to the forest where I should have gone […]21 (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 9.7)

Interestingly, the Rāmāyaṇa too mentions Rāma departing for the forest wearing matted hair (Vālmīki Rāmāyaṇa, 2.16.28; 2.19.11; 3.25.8). Lack of hair, as in the case of the shaven-headed Buddhist and Jaina monks, again signifying cutting social and kinship ties, is frequently derided (Pĕriya Tirumŏḻi, 2.1.6). Hair and its functions could signify several things. Tirumankai, in a meditative strain, says, “The body with its nine windows is a cottage with flesh for walls, bones for pillars and hair for the thatched roof. I have come to you before life leaves […]” (Pĕriya Tirumŏḻi, 1.6.9) It can also convey emotional excess: O Rāghava[…] emancipator of Daśaratha’s lineage! You destroyed Lanka with your matchless bow. The fastening of your dark, fragrant tresses keeps coming loose […] (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 8.9) My feet are unsteady, tears well up from my eyes, my body trembles, my voice does not rise, my [body] hair stands on end, my shoulders droop and my heart surges with expectation as I approach you for a new life, O lord (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 5.3.5) My heart melts, my eyes grow wet, my [body] hair stands on end, I cannot sleep in the hope of having a vision of you. Tell me how I am to reach you. (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 5.1.7) With tears welling in their eyes, [body] hair standing on end, they stand yearning for their lord, sing and dance in frenzy, calling, ‘My lord’, ‘my Ranga’, ‘my father’ […] (Pĕrumāḷ Tirumŏḻi, 2.9)

The only aspect where a distinction appears between the ways men’s and women’s hair is conceptualised is in the context of erotic desire. Desire frequently

 The reference is to the theoretical fourfold division of stages of life; in the penultimate one, man must renounce his household and become a forest dweller.

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makes women’s hair – and clothes – come loose. “When Govinda played his flute […] the hair of deer-like and peacock-like maidens came loose, their dresses slipped and they held their saris with one hand, gazing shyly with their kohllined eyes […]” (Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 3.6.2). Unrequited love leads them to grow thin and neglect to groom their hair. A mother of the girl-in-love laments, “Her pomegranate-like teeth no longer flash in smiles with her friends, nor does she apply sandal paste on her breasts, or collyrium to her lotus-like eyes. She does not dress her hair. She merely chants […]” (Pĕriya Tirumŏḻi, 2.7.2). “Her ivory comb can scarcely gather her hair; her tresses do not knot […] Alas! I cannot call my child mine any more” (Pĕriya Tirumŏḻi, 8.2.9). Mothers of such daughters do, however, in other instances, continue to refer to them as clad in soft silks and with their hair bedecked with flowers as well, while bemoaning their growing obsessed, wan and pale (Tirunĕṭuntāṇṭakam 11, Tiruvāymŏḻi, 5.6.10, 6.6.1-8). Loosened hair is, of course, pregnant with sexual connotations. In classical Tamil Sangam poetry dating to the early centuries of the Common Era, whose conventions are familiar to the Āḻvārs and frequently referenced in their poems (Tiruppāvai 30), the heroic male lover is entitled to the coiffed hair of his woman. One poet urges a king (who has taken up with a courtesan) to return to his waiting wife so that she can again oil and comb her hair (Puṟaṉāṉūru 147).22 Another poem speaks of women whose husbands have been killed in war cutting off their hair (Puṟanāṉūṟu 25).23 The Āḻvārs rework these shared cultural assumptions24 regarding the loci of eroticism in the context of Kṛṣṇa, known for his amorous sports and seduction of the cowherd women. Wearing red vestments, tossing a ball casually, your hair tied loosely with a headband, you come and stand by the half-open door. Who are you? What is this? (Pĕriya Tirumŏḻi, 10.8.2) Your curls falling over your face, bracing a sword and decked with ornaments, you enter the inner apartments and stand smiling. What is this? What is this? What is this? (Pĕriya Tirumŏḻi, 10.8.5) Listen, friend! He came with his powerful bow and stood before me. His dark, fragrant tresses hung low over his shoulders, his fish shaped earrings swayed on either side of his

 https://sangamtranslationsbyvaidehi.com/ettuthokai-purananuru-1-200/ accessed on 26.02.2022.  https://sangamtranslationsbyvaidehi.com/ettuthokai-purananuru-1-200/ accessed on 26.02.2022. A widow’s head was customarily shaven among several Tamil communities till as late as the mid-twentieth century.  Hardy. 1983. 266, 315–24; Zvelebil, Kamil. Tamil Literature. Leiden: EJ Brill. 1975. 103 for discussion of Sangam literary conventions reworked in Tamil bhakti poetry.

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face[…] Then, feigning shyness, he made passes with songs. My heart simply ran to fall at his feet, my bangles loosened, my waistband fell […] (Tirunĕṭuntāṇṭakam 21–22)

Untied hair betokens untrammelled sexuality as is seen in the powerful vow of Draupadī’s to not tie up her abundant locks till she can wash them in the blood of Duryodhana.25 In the iRāmāvatāram, the tenth-twelfth century Tamil rendition of the Rāmāyaṇa by Kampan, too, the significance of loosened hair is inescapable. Kaikeyī is depicted as removing the garland of flowers tied into her braids before discarding her jewels, and then to have spread her untied locks on the earth in order to signify her wrath over the impending coronation of Rāma. Daśaratha, arriving in her apartments after attending to his royal duties for the day, immediately knows that something is amiss when he sees his beloved wife in a state of dishevelment.26 Further, the iRāmāvatāram carefully avoids any suggestion of Sītā being touched by Rāvaṇa during the episode of her abduction whereas the Sanskrit text of Vālmīki has the rākṣasa seize her by the hair with one hand and her thigh with the other (Vālmīki Rāmāyaṇa, Araṇya Kāṇḍa, sarga 47.15-16). Thus, though hair carries sexual symbolism in the Sanskrit literary-cultural sphere, as seen above, its erotic charge is evidently much deeper in the Tamil world. This brings us to the poetry of Āṇḍāḷ, unique in many ways. She certainly uses many of the standard conceits and motifs that feature in the compositions of the other Āḻvārs.27 She alludes to her lovely hair in a couple of her signature verses too. “Kotai, over whose fragrant hair bees hover, sung this decad of

 The reference is from the epic, Mahābhārata. Duryodhana, cousin of Draupadī’s five husbands, drags her in a state of menstrual pollution and consequent semi-undress into a public assembly and makes sexually suggestive gestures. The epic culminates in a great war. See Adluri Vishwa & Joydeep Bagchi (eds). When the Goddess was a Woman: Mahābhārata Ethnographies, Essays by Alf Hiltebeitel, Vol. 2. Leiden: Brill. 2011. 3–32. Pĕriyāḻvār refers to the episode in Pĕriyāḻvār Tirumŏḻi, 4.9.6, “The Lord who is the life of all gave the kingdom back to the five and made Draupadī who had vowed to bathe in Duryodhana’s blood gather her loosened hair”. To date, elderly relatives in southern India are likely to scold young women if they leave long hair untied, though modern fashions are weakening these age-old prejudices.  (Tamil) Srimat Kampa Rāmāyaṇam: Ayottiyā Kāṇṭam. Chennai: Dr U Ve Cuvāminātaiyar Nūlnilayam. 1972. 148-150. The associations of hair with sexuality in the Tamil cultural landscape is underlined by the fact that the Vālmīki Rāmāyaṇa speaks of Kaikeyī removing her jewels but makes no mention of her hair.  Tiruppāvai 18, “Open the door, Nappinnai, daughter-in-law of Nandagopāla who has great elephants. O lady with fragrant hair, look, the cocks crow, birds of many feathers chirp sweetly on the mādhavi bower … ”

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pure Tamil songs on the lord in Māliruñcolai […]” (Nācciyār Tirumŏḻi, 9.10) and, “This decad by Kotai of the beautiful coiffure recounts the songs of the cowherdesses who knew how to quarrel and reconcile in love. For those who sing it, there is no karma” (Nācciyār Tirumŏḻi, 4.11). It is, however, the very different perspective that she brings every now and then that makes one pause and re-examine the suppositions of this literary tradition. We saw above the tropes employed to signify women in love with an unresponsive beloved: growing so thin that bangles slip off from waists, discolouration of lips and cheeks, disinterest in adorning oneself. Many of these motifs have a hoary antiquity, going back to Sangam literature. But let us listen to Āṇḍāḷ. In the Tiruppāvai, a poem of 30 stanzas about a communal vow made by young maidens for the duration of a month in the winter, seeking various blessings like plentiful rain for the fields and prosperity for the community but, interestingly, interpreted over the centuries as a vow for obtaining good husbands, she says: O people of the world, this is the vow we have made: we shall bathe before dawn, abstain from milk and ghee, not line our eyes with collyrium, nor adorn our hair with flowers. We shall refrain from proscribed acts, give charity and pray. Let’s rejoice. (Tiruppāvai 2)

Is Āṇḍāḷ taking a well-known ritual and remoulding it to a different purpose? Or is the poem referring to a popular observance which gradually lost its original purpose, compounded by the presumptions of the all-male commentators over the centuries such that these features came to be indicative only of lovesickness and desire for a spouse? The issue is complicated by the clear statement in Āṇḍāḷ’s other poems28 of her passion for Kṛṣṇa and expression of her desire to be wed to him and none other than him. The standard signifiers of lovesickness serve their standard purpose in the following verse: “My paleness, depression, insensibility, white lips, loss of appetite and sleeplessness will all disappear when you drape the tulasi garland won by the lord on me.” (Nācciyār Tirumŏḻi, 12.7). But what do we make of this extraordinary petition she addresses to Kāma29: “I shall keep my body filthy, leave my hair unkempt, and my lips discoloured; I shall eat but once a day. Take note of my austerities, O bright and mighty Kāmadeva! If you wish to save my feminine graces, grant me the pleasure of pressing Keśava’s feet” (Nācciyār Tirumŏḻi, 1.8).  Āṇḍāḷ’s works comprise the 30 stanza Tiruppāvai, and the Nācciyār Tirumŏḻi, fourteen poems of 11 stanzas each, very different from the Tiruppāvai in style, metre and content.  Kāma/ Kāmadeva, the god of love, may be said to be the Indian equivalent of Eros. Like Cupid, he carries a bow and shoots flower-tipped arrows.

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It is impossible to read this statement of austerities practised with purpose as a general description of ‘wasting away’ in unrequited love. This magnificent woman, saint and poetess has wrested agency through the very motifs which the male saint-poets employ as symbols of the helplessness of the woman-inlove with the lord. While each of the penances Āṇḍāḷ pledges to undertake is an eschewal of acts normally considered auspicious or signifying well-being, her unkempt hair challenges the passivity attributed to woman; it could well be a gauntlet thrown to convention with its hidden resonance of her sexual purposefulness. For what is ‘unbridled sexuality’ if not sexuality beyond the control of men, firmly in the hands of the woman who possesses it? Āṇḍāḷ, like Draupadī and Kaikeyī before her, by her threat to leave her hair loose, is symbolically proclaiming her sexual autonomy. In the patriarchal social system where women’s sexuality needed to be firmly controlled in order to keep intact the varṇa hierarchy,30 this was not merely an individual woman’s rebellion but a challenge carrying the potential to destabilise the entire social order. This structure is inherently vulnerable as it is simultaneously predicated upon the subjection of women and dependent on women tacitly consenting to their subjection. In other words, it requires women to accede to their loss of agency. Āṇḍāḷ, a historical figure, channelizes her epical foremothers, Draupadī and Kaikeyī, by reclaiming agency. It is such a powerful threat that Kaikeyī could achieve the banishment of Rāma from Ayodhya for fourteen years,31 Draupadī could demand revenge for her humiliation, and Āṇḍāḷ could tell Kāma in the next stanza of the poem “[…] if I am denied a life of service to Kṛṣṇa, the flawless lord dark as the ocean, I will weep and cry, ‘Amma’ – which will hurt you” (Nācciyār Tirumŏḻi, 1.9). Thus, what appears at first sight a touchingly naive faith in the efficacy of her vow/ vrata and the love god’s tender concern turns out, when read in conjunction with the preceding stanza proclaiming her intention to leave her hair unkempt, to be an extraordinarily powerful instrument in the hands of a remarkable woman for bargaining with the upholders of the brahmanical order and staking her claim to her truth.

 Chakravarti, Uma.‘ Conceptualising Brahmanical Patriarchy in Early India: Gender, Class, Caste and State’. Economic and Political Weekly. 28.14. 1993. 579-85.  Though hair does not feature in the episode where Kaikeyī makes her demands of Daśaratha in the Sanskrit text, i.e. Vālmīki Rāmāyaṇa, Kaikeyī’s discarding her jewellery has sexual implications. See Sutherland-Goldman, Sally J. “Anklets Away: The Symbolism of Jewelry and Ornamentation in Vālmīki’s Rāmāyaṇa.” A Varied Optic: Contemporary Studies in the Ramayana, Ed. Mandakranta Bose. Vancouver: Institute of Asian Studies, University of British Columbia. 2000. 125–153.

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Thus, hair, an ubiquitous and seemingly gender-neutral material, primarily deployed in the NDP as a descriptor of beauty, is employed by a skilled poetess to channel deep seated cultural assumptions to challenge fundamental denominators of that very cultural system.

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Haar & Literatur

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10 Tonsorial Time (is Money), or: High Modernism, Industrial Capitalism, and Hairdressing 1 Once Upon A Time: Around 1800/1900 An English compilation of anecdotes from 1799 communicates the following general advice of Lord Galway to all those aspiring to become “a man of business”: the ambitious should rise early, making the most of the hours during which others sleep, and before quotidian distraction and everyday busyness begins. This recommendation is evidenced by reference to the apparently exemplary life of an archbishop. But the editor’s footnote in support of the maxim is more colourful, turning to the law, academia, and an extravagant lifestyle for its case in point. “A very eminent advocate and great scholar of our times,” William Seward tells his readers, “pays his hairdresser very handsomely to come to dress him nearly at daybreak every morning in winter and summer.” What is more, no one may greet the “frizeur” at the door except the master of the house himself – ensuring, in an admirable display of self-discipline, that he is obliged actually to get out of bed (Seward: 1799, 545). In modern society, we are not only structured by a standard conception of time. We have long been urged to make especially good use of it, for greater productivity. In other words, in a capitalist culture we must manage our time proactively, effectively, even optimally. We should spend our time profitably, if sometimes in a non-financial, metaphorical sense. In doing so, we might pay money to make more time available. For time to function as a means of social organisation, however, everyone must keep to it. Whenever people do not, there are knock-on effects throughout the system. A comic letter by a fictive “Martin Mollify” complained to the editor of The Universal Magazine of Knowledge and Pleasure in March 1793 that the line “the hair-dresser did not come at the hour appointed” constituted “one of the boldest strokes in the whole art of excusing” in polite circles around contemporary London, causing – or arguably enabling – many to miss church each Sunday (Anon.: 1793, 192–195). Time may regulate daily life only insofar as we adhere to a sort of social contract, or shared timesheet. Though if we break that tacit agreement, we can turn to a set of commonly accepted explanations, and thus be considered proper nonetheless (albeit begrudgingly). Civilised convention can account for time commitments that are flouted now and then, so long as the ordinary importance of timekeeping is universally understood. https://doi.org/10.1515/9783110776461-011

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If, for the aristocratic and middle classes around 1800, the scheduled appearance of a hairdresser could help plot out a typical day, the morning routine was as much an event that passed the time as it prompted the beneficial use of it – especially if there was little else to do. In an Austrian treatise from 1787 on marriage, and why so many men seemingly refrained from that specific life choice, Leonhard Faxter depicts the lifestyle and a day-in-the-life of those he describes as middle-class women. On rising at eight in the morning, their daily programme begins with wakening new desires: “the powerful creator of all excitable impulses” (“der mächtige Erschaffer aller Reitze”), or the “Friseur”, is said to arrive early and in a flurry to women’s boudoirs, ready to dress a lady of leisure’s hair (Faxter: 1787, 20). He would chatter such that the time flew by for his client – before disappearing around 9am in a cloud of hair powder. Time may be allotted, then, yet it might be perceived as paced differently throughout the day. That depends on our subjective experience of it. And in this particular example of late eighteenth-century hairdressing, time was not only whiled away, but also actively consumed: the entertaining visitor staged a regular sort of happening, in which he sold the act of giving news or gossip about shared acquaintances – that is to say, his other customers – and their chosen, timely fashions, as well as offering the obvious hairstyling services in which he stimulated fresh material needs. As such, the hairdresser undertook “work”, or “Arbeit”, at the customer’s pleasure, which is here gendered as women’s time specifically. A generally accepted sense of time that runs like clockwork – however it feels – was a fundamental pre-condition for the (proto-)industrial revolution across Europe in the late eighteenth and early nineteenth centuries, both for production and for consumption. In cultural representation, the more commercially active a place was around 1800, the more the hustle and bustle of trading was evoked with fleeting references to temporality. In Jean Paul’s German novel Flegeljahre (1804–1805), the character of Walt is used to rural life; on arriving in town, though, he is taken aback by golden carriages being driven past; by people wearing red cloaks rushing about; and by every hairdresser working on all days of the week, rather than solely on Sunday evenings, as was the rule in his home village (Jean Paul: 1804, 185). Precisely the recurring figure of the friseur throughout these opening examples is significant. Although people have had their hair cut since time immemorial, and exchanged goods or paid money in return, the word hairdresser was coined in the eighteenth century. This (mostly male) character was also called the coiffeur and friseur, terms that passed through French, English, and German vocabularies in the same period. And while this new name for an age-old service signified many aspects of pan-European cultural change at a time that has been declared a “consumer revolution” as well as an industrial one, the hairdresser

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particularly stood as a symbol for emergent mainstream capitalism in the everyday.1 Indeed, an early etching by the nineteenth-century caricaturist George Cruikshank, from 1829, depicts a woman asking how much the freelancing “Mr Frizzem” charges for his labour – with the exaggerated answer of one guinea an hour causing astonishment in the maidservant standing to his side (Cruikshank: 1977, 129). The hairdresser and his work offers us an example, at one and the same time, of capitalist production (understood as wage labour and entrepreneurialism) and consumption. Both are enacted within the temporal, financial, behavioural – and, in effect, cultural – regime of an appointment slot that is usually bookable by the hour. By 1800, as a broad epochal date, capitalism was not only a presence across most of Europe geographically – and one that, vertically, permeated through most of European social hierarchies (even if participation in the consumption side, or the extent of production as a free citizen, varied considerably). Capitalism was not simply the normative discourse that shaped and guided much of contemporary social life, with its invisible and – in the case of hairdressers – tangible hands, or with its recognisable face: it is no coincidence that pocket watches were one of the most popularly purchased goods in this transitional era, frequently styled as little luxuries and even afforded by the working poor (Hahn: 2020, 23; Kwass: 2022, 20–21). (An observer in Barcelona at the end of the eighteenth century, incidentally, noted the expansion of watchmaking and hairdressing shops in the very same passage; both were indicative of ever-greater consumer demand at that time (Claverías: 2015, 134). Capitalism also, as I have hinted already, marketed its present-ness. According to Michael Kwass, material culture of this age presented itself as modern and traded on the feeling that it was such; to phrase this differently, and with a monetary pun, goods and services gained currency inso-

 For time reasons, I must merely assert a few founding assumptions in this article, which I substantiate as evidenced arguments in my broader book project in progress: a comparative and cultural history of the hairdresser (under contract). In other words, I follow a tradition of pan-European historiography that understands the long eighteenth century, and especially the era around 1800, as the onset of (Western) modernity; I work within a critical tradition that defines the start of modern society primarily by the advent of mainstream capitalism; and in my own work, I employ the hairdresser as a cultural and discursive figure that embodies such historical and critical foundational claims. More generally, I would like to thank the editors, Elena, Helen, and Lilli, for inviting me as a keynote speaker to the conference, which prompted this chapter. I am especially grateful to Andrea Capovilla and Marcello Cattaneo for their critical and conversational suggestions, as well as to Thomas Martinec for very kindly helping me with a reference abroad. Thanks are due also to my many hairdressers over the years, whose appointments every six weeks, more or less, have structured my otherwise chaotic lifestyle – and given me the time to reflect on it.

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far as they were thought to be current (Kwass: 2022, 129).2 They could be classical, too, so long as they were (still) considered fashionable in the here and now as well. Once again, hairstyling is exemplary of the general phenomenon. When the hairdresser Pietro Belcampo in E.T.A. Hoffmann’s Die Elixiere des Teufels [The Devil’s Elixirs, 1815–1816] undertakes to shave the novel’s protagonist, even though it was apparently a lowly activity for a (self-professed) genius hair artist, he explicitly and comically seeks to discover the timeless in outdated styles of beard for aesthetic novelty, and thereby legitimacy – and thus also in order to secure his own professional kudos in the present (Hoffmann: 1988, 107–108).3 Although such introductory remarks emerge from sources around 1800, the texts themselves do not reflect self-consciously on temporality in any sustained way. We must piece together the sentiments, and assemble the historical clocks and routines, by ourselves if we wish to establish a typology of time in nascent capitalist culture. In the following essay, I want to understand these earlier sources as the background to a modern story with a longue durée that continues into the present. And now, given the constraints of my own time, I shall promptly fast forward from the first to the second industrial revolution. For around 1900 was an era in which Western capitalism had accelerated, and that year serves as another commonplace epochal date.4 Then, as before, hairdressing was an instance of how such industrial capitalism structured cultural life, day to day. Crucially, contemporary fiction of this later period renders explicit major features of time that, I argue, arise from our capitalist modernity more generally and often implicitly; hairdressing exemplifies them par excellence; and fictional experimentation with scenes of hairstyling in the early twentieth century tends to offer a critique of modern, capitalist temporality (though not in a programmatically political sense). In literary historical terms, the decades of the 1910s, ’20s, and the ’30s can be called high modernism. Liesl Olson has made the compelling, if contentious claim for canonical American, British, and French writers that “literary modernism takes ordinary experience as its central subject” (Olson: 2009, 3). Although modernist authors rebelled against nineteenth-century realism, Olson argues

 The collection of essays Auszeiten (Weder et al.: 2022) examines temporality and the luxury end of modern consumer markets from a range of disciplinary perspectives; significantly, the volume begins in the eighteenth century, and examines the acceleration of consumption in modernity, among other topics.  See also Williams, “E.T.A. Hoffmann and the Hairdresser around 1800” (2016).  On time, capitalism, and the German cultural context from circa 1900 onwards, including a discussion of Georg Simmel and Thomas Mann, who are both considered later in the present essay, see Fuchs, Precarious Times (2019), 78–85.

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that they dwelled in regular everyday life, experimenting with its experiential and formal relationship to temporal consciousness. It is less controversial and, indeed, more of a cliché to state that literature of the early twentieth century conceived time in especially creative, reflective, and critical ways. As Michael Levenson puts it for British literature of the 1920s, temporality turned from being of implicit to explicit, thematic interest: “there can be little doubt that in the first post-war decade, at a moment of vaulting ambition in the High Modernist novel, time became such a dominant concern that it can be taken as a cultural signature” (Levenson: 2004, 197). Despite the textbook nature of the latter generalisation, the point is worth making here that hairdressing scenes of German, American, and English late modernist fiction, for example, bring various – and variously embodied – temporalities into focus, in ways that demonstrate real-life tensions especially. These texts do so through the hair appointment as a common, ordinary, commercial interaction, which by this time was also spatially situated in one generally recognisable place: the hair salon. Whereas mobile hairdressing was the norm around 1800 (although people also could visit hairdressers’ homes and, to a lesser extent, salons at the middle and cheaper ends of the market),5 around 1900 most hairdressers worked on a shop floor. In close readings of works by Georg Hermann, Thomas Mann, Edith Wharton, and Betty Bergson Spiro (later Miller), by turning to French and German theorists such as Henri Bergson, Georg Simmel, and Henri Lefebvre, and through recourse to supporting historical, archival documents, I shall attempt to briefly survey the broadly applicable, quotidian temporal truths of modern capitalism as they become manifest in selected novels and short stories that can be grouped, more or less canonically, and certainly more thematically than formally – but above all for ease of reference and comparison – as high modernism.6 I will lend these maxims meaningful specificity in the everyday practice, and portrayals, of professional hairdressing. Different temporalities can run in parallel to, and cross over, each other, meaning that any resulting typology is inevitably entangled. Nevertheless, we can delineate between the perspectives of workers and customers, though hairdressers serve as examples of both – and so complicate even this simple distinction. Admittedly, present-day cultural critics have defined and deconstructed “capitalist time” with more nuance and theoretical rigour than I can offer in

 See the advertisement of a Swiss hairdresser in 1813, who announces his home address until he can move into a shop: “Verschiedene Nachrichten,” Zürcherisches Wochenblatt, 25 November 1813.  In discovering Wharton and Bergson Spiro (Miller), I am more generally indebted to Cottrell, “Deathless Blondes and Permanent Waves” (2016).

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this short essay. Jonathan Martineau, for instance, opposes the “concrete time” of lived, day-to-day experience and the “abstract time” that is signified by clocks (the sale of which exploded in the late eighteenth century, as we have noted), and which is abstracted by capitalism for value (Martineau: 2015). He thereby locates, in a Marxist sense, the modern subjective alienation that emerges from socio-economic capital and power relations in the domain of temporality. Martineau concludes with an academic critique of modern society from the perspective of time. Literature, and literary criticism, is less systematic, but as a rule it speaks all the more to our lived experience (despite, and sometimes because of its fictionality or self-consciously discursive nature). To that end, Betty Bergson Spiro’s first novel, The Mere Living (1933), for example, is equally socially critical, though more immediately comprehensible to wider readers – and so is summarised to that effect in the final section below. For hairdressing scenes, in literature as in life, have something relatable and anecdotal about them. And as I shall demonstrate, literary depictions of hairdressing, in relation to time and to imperatives concerning our industrious use of time, can be as subversive as they are constitutive of mainstream, modern capitalist expectations.

2 Clock-Watching at Work: Fordism, the Friseur, and the Entrepreneur Industrial, organised capitalism in the early twentieth century is often described – above all, in Marxist criticism – as “Fordist”. At the Highland Park plant in Detroit, Henry Ford was in the vanguard of new, efficient processes for mass production, and for the making of the “Model T” car in particular. On the launch of Ford’s popular and more affordable product in 1908, the factory workers who assembled the cars stood in a single spot, while runners brought tools to them. By 1914, the world’s first moving assembly line had been introduced, whereby workers each fulfilled one precise function as the car parts moved past on a conveyer belt. Within three months, the production time for the Model T was reduced by ninety per cent; in 1925, almost the same number of cars were made in a day as had been built in the whole of 1908 (Braverman: 1998, 101). Hence Fordism is understood as the extreme specialisation of labour for greatest efficiency; as the standardisation, segmentation, and both the sequentialism and synchronicity of production; and as the close supervision of labour on the factory floor to ensure that everything works as planned. Such rationalisation means there is a single overarching regime that collapses workers’ own bodies – or their “repeated identical gestures”, in Dan Thu Nguyen’s words – and the material components

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conceptually into each other, as one and the same: both become constituent parts of a system that runs to time (Nguyen: 1992, 40). In many respects, the friseur cannot be conceived as a Fordist worker: not least because everyone’s hair behaves differently, each customer is individual in their interaction, and a unique if fashionable “look” is the very product of the hairdressing business. Nevertheless, the profession embraced many typically industrial practices around 1900. Customers were sold books of tickets, with differentiated prices – and colours – denoting the time at which they could be washed, trimmed, or shaved. Ordinary workers went early; gentlemen and ladies of leisure turned up later in the day. While all hairdressers had to have a command of various styles and a wide palette of industry knowledge, some specialised in women’s hairdressing; others laboured, at the bottom of the salon hierarchy, solely as “wavers”, thanks to the popularity of the marcel wave that was usually taught to junior colleagues as a specialist technique. Senior staff or salon proprietors oversaw the work of all. In Georg Hermann’s German novel Kubinke (1910), as in most hairdressing narratives of the period, the proprietor keeps a watchful eye on his apprentices. Set in Berlin’s up-and-coming district of Charlottenburg in 1908, the master hairdresser Herr Ziedorn appoints a new junior stylist, the 22-year old Emil Kubinke. Ziedorn inspects the work of this employee with both zeal and distrust, not least during the initial three-day trial: “for he felt that precisely at this moment he would be giving away something for evermore if he didn’t tell the new apprentice off about something or other now” (“denn er fühlte, daß er sich gerade jetzt für alle Zeiten etwas vergäbe, wenn er den neuen Gehilfen nicht wegen irgend etwas anschnauzte”) (Hermann: 1998, 42). He looks for shortcomings in vain, and on finding none he complains more generally that Kubinke is too slow. The new hairdresser, for his part, is not used to such unrelenting work – and momentarily loses the sensation in his right arm. The routine in Ziedorn’s establishment thus mirrors the wider norms concerning hired labour in the early twentieth century, which emerged from the technological innovation and leading industrial practices of that age. Part and parcel of this cultural shift were greater efforts at professional organisation, representation, and unionisation, in hairdressing as in other industries – and to mixed effect across the continent, and the Atlantic.7 One notable fight among hairdressers was the campaign for Sunday closing, which was pre-

 The work of Steven Zdatny on trade organisations and especially hairdressers in France around 1900 is particularly informative. See, e.g., Fashion, Work, and Politics in Modern France (2006).

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scribed in many countries towards the end of the nineteenth and early twentieth centuries. The contemporary American barbers’ union achieved the mandatory closure of hair salons on Sundays in states such as Massachusetts, Pennsylvania and Tennessee, for example (although hotels were often successful in resisting governmental efforts to include in-house hairdressing departments in the laws). In 1891, London’s Punch magazine printed a comic poem in support of the city’s Early Closing Association, which campaigned for English salons to shut their doors earlier once per week in order to create “better and healthier conditions for hairdressers” (Anon.: 1891, 101). The lines of verse, purportedly penned by “Caractacus Clip”, hint that wanting regulated time off was not only desired by hairdressers, but applied to many professions at the turn of the century. The poem tells the tale of a hairdresser’s exhaustion at the demands of his customers: “When a swell wants a shave, a shampoo, or a clipping / He likes to drop in at his pleasure no doubt”. Hairdressers serve time, as it were, at the client’s pleasure. The standard practice of being open-all-hours is then contrasted with the considerable amount of wasted, idle time that hairdressers spent waiting for footfall, but not resting or having fun. For hairdressers were – or should be – ordinary consumers and had everyday lives, too. Overwork was apparently not only tiring and unjust, then, but inefficient as well. The consequences for individual hairdressers could be tragic. Harry Hewston, for example, was an English “lather boy” who was charged with attempted suicide at the age of just 12 years old in 1914. Notwithstanding Sunday closing by this time, Hewston worked in a hairdressing shop every day before school; then in the evenings as well – for three hours, four nights a week; and each and every Saturday, from 8.30am until 9pm. One day, the 29 April 1914, he despaired and tried to take his own life (Anon.: 1914, 841; Cox: 1999, 67). Suicide was in any case widely perceived to be a major problem of the era, in cities particularly. But as Caroline Cox points out, working conditions and their risks were reported in hairdressing periodicals at the start of the twentieth century with real concern (Cox: 1990, 67). The protagonist of Hermann’s Kubinke likewise dies by suicide, although – as I shall suggest – more as a result of the broader and personal pressures of metropolitan, capitalist life than solely labouring as a hairdresser specifically (even if the professional and the personal were brought together into one overall modern, urban ethic). Precisely because the hairdressing profession trades on the creation of individuality for customers, hairdressers must be generalists that embody a wide range of skills, sales techniques, and methods for managing client expectations. Such diversity may have resisted Fordist-level specialisation in the extreme, therefore, but around 1900 the work of a generalist hairdresser was standardised nonetheless. Creativity and difference could be held in check by

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pricing time in a consistent way, calculated both in relation to the amount assigned to a client and regarding the energy expended, as if the latter were also a limited, time-sapping resource. Hence in the contemporary handbook Der moderne Friseur in Wort und Bild [The Modern Hairdresser in Words and Images], Ferdinand Müller advises hairdressers that charging set prices for specific services is in and of itself a nonsense in business terms (“in kaufmännischem Sinne, an sich selbst schon ein Unding”): something that takes a hairdresser thirty minutes should cost more than a ten-minute request (Müller: 1930, 172). However, he accepts that, for unspecified historical reasons, the more rational method does not correspond to the conventional pricing policy in most small salons; but he notes that larger contemporary establishments had started to steer against tradition and made the “service price” (“Bedienungspreis”) dependent on the time required instead. Amusingly, as an aside Müller elsewhere recommends that if a customer is too difficult and demanding, a surcharge could be applied for the time wasted – and he states that the client usually pays it without a fuss. Müller had managed his own salon in Berlin – in the semantics of the age, a “Haarfabrik” or “hair factory” – before establishing a hairdressing school in 1903, and then publishing his own compendium in 1913, which was revised and re-issued throughout the 1920s. In those years, the hairdresser was not only subject to the sort of capitalist clock time that organised work on an assembly line, or rather to the adaptation of it for the salon. Hairdressers were also assigned the entrepreneurial prerogative to use time astutely, as they saw fit; to make the most and more of it. Even if hairdressers were mere employees, they could invest their time for dividends as salon owners of the future. Gilbert Foan’s compendium for English colleagues, The Art and Craft of Hairdressing (1931), discusses explicitly the “intermittent nature of the trade”, which apparently poses a problem for younger hairdressers especially (Foan: 1931, 71). Apprentices should keep themselves busy in “slack periods” so that they “use profitably this enforced leisure” by cleaning, learning stockkeeping and stock-taking, and practicing how to make a postiche. In effect, it is this productive response to empty time that could transform hairdressers from assembly-line workers into future entrepreneurs, paradoxically by consistently occupying themselves. By contrast, if apprentices developed a distaste for regular work throughout the day, their careers would stall: “it is this early and pernicious influence which has caused many potential hairdressers to remain mere gentleman’s hands, or so-called barbers.” Thus when the French hairdresser Emile Long had implored his English readers in the Hairdressers’ Weekly Journal two decades earlier than Foan, in August 1913, to emulate the “clever financier” because “a good, original idea is often more productive than many hours of toil,” his liberal logic did not necessarily propose permanent clas-

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ses of workers on the one hand, and salon proprietors on the other (Long: 1999, 89). Rather, at least according to liberal ideology, the boundaries between these two identities were conceived as permeable, and they depended on how cleverly emergent hairdressers not only managed, but also speculated with their own time – betting on the futures market, for example, with self-education and through creating the conditions for creativity. Indeed, in the novel Kubinke, the young hairdresser aspires to a salon of his own, and so he scouts out possible locations in his hours off work. Kubinke’s ambition is plausible as a working-class dream fit for the early twentieth century: there were enough real-life examples to confirm it was potentially viable, and many continued to be depicted in the contemporary cultural imaginary, too. In a later German story by the Baltic and conservative author Werner Bergengruen in 1939, a friseur named Krausberg is glossed in an obituary as having become a man of means and a second-home owner, who had risen up through society and the profession to achieve the highest rank in the local hairdressing guild (Bergengruen: 1965, 120). The time discipline required of individuals both in the assembly-line regime and in an ethic of entrepreneurialism functions in a similar way to capital and power relations. Those who are in charge of time can divide it, and retain more thinking time for themselves. Foan is careful to advise that apprentices should seek permission from their seniors to undertake development activities in free periods during a shift, though he is clear that managers must promote such proactive productivity in their apprentices. From a descriptive and non-utopian, if still a Marxist perspective, the regulative discourse of time was hegemonic for hairdressers, yet relatively and remarkably open. The Fordist assembly line was iconic and normative, but nevertheless an example of clock time in extremis. All types of workers retained some agency over their use of time outside of work, and oftentimes – if not in the case of mechanical factory workers – at work as well, regardless of financial standing. Georg Simmel was a contemporary sociologist who acknowledged social fragmentation and the semiotic currency of money over culture around 1900. But he was more analytical than critical of the situation. His essay on city and intellectual life in 1903 sketched a metropolitan personality, for better and worse. People’s rational and even blasé attitudes towards each other in urban environments were inhospitable and unsympathetic, yet Simmel interpreted them as gestures that also protected the self. City life in capitalism, according to the Berlin lecturer, could be oppressive, but it also offered opportunities – and certainly stimulation. The new social divide was between urban and regional areas. Contemporary city dwellers were as free as those peasants in feudal times who had been answerable to the “largest social circle” of the law of the land; rural communities

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at the turn of the twentieth century, on the other hand, were like eighteenthcentury serfs (Simmel: 1995, 125). Crucially, the structures of metropolitan living applied to, and were re-enforced by, all types of people – irrespective of categories of identity such as class or gender. In turn, everything cultural and material (such as the “technique of metropolitan life”, or “die Technik des großstädtischen Lebens”) and behavioural (“activities and exchange relations”, or “Tätigkeiten und Wechselbeziehungen”) was held in check by a common sense of time that was a “solid, supra-subjective schema” (“ein festes, übersubjektives Zeitschema”) (120). For Simmel, punctuality, calculability, and precision conditioned the inner workings of an individual and suppressed the irrational, instinctive, and autonomous features of individuality in a Nietzschean or “Romantic” sense. In other words, capitalist time was internalised by residents of a city, who no longer fully clocked out of work, as it were, and instead embraced the full potential of urban leisure and private life in a business-like fashion. Godela Weiss-Sussex has interpreted the maidservants Hedwig and Emma in Kubinke as representative of Simmel’s metropolitan personality, and the same could be said of the hairdresser-in-chief: Herr Ziedorn (Weiss-Sussex: 1998, 354). Hermann was an attentive reader of Simmel’s, and in an obituary of him in 1918 described Simmel as a German equivalent to the standing of the French philosopher Henri Bergson, albeit one who was not recognised as such by institutional academia (Hermann: 1918). If the servants and a business proprietor in Kubinke are positive examples of Simmel’s concept of the city resident, though, the novel’s namesake struggles to embody the ethical norm authentically. At heart, Kubinke is a gentle and naïve man, and of a creative mind: he began hairdressing in the hope of being able to afford books and private violin tuition. On health grounds, he was excused from military service; he stutters; and he is unsure of himself. Although Kubinke wears a fashionable “automobile scarf” (“Autoschal”), he cannot drive his tender spirit in the direction of capitalist, Fordist modernity (Hermann: 1998, 70). Thus in the ironic and condescending words of the narrator throughout the novel, Kubinke is simply not strong enough to survive. Because he cannot abide by the (amoral) rules of urban life, and on being falsely accused of fatherhood outside of wedlock – with legal demands for payment as a consequence – Kubinke tragically dies by suicide. The figure of the young hairdresser is not entirely in opposition to modern, capitalist, and city life, however. Professionally, he appears to be making good progress: the problem is that he does not “professionalise” his private life. Originally, Kubinke fled his guardian in the provinces to become a hairdresser: he did not know his mother, and his father was absent when Kubinke was a teenager. His dream at the outset of the novel is to save 200 Marks in order to return home and set up a small hairdressing shop, but this initial aim is at the same

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time an effort to restore the lost family business and follow in the footsteps of his hairdressing father. To this end, Kubinke sets out with promise. On arrival in Berlin with just a suitcase, he has already completed three-and-a-half years of general training, and two extra short courses in women’s hairstyling. Kubinke later resolves to make something of his business ambitions in Berlin, rather than his hometown, because the greater gamble could pay off all the more. Clearly, he has some competitive nous that is shaped by his short stay in Germany’s metropolis. And although his new goal to make it big in the city marks a change of course, it is not a fundamental shift: Kubinke was in fact susceptible to bourgeois ideals from the outset. He is not wholly out of place in modern life. Moreover, in dreaming of his own hair salon, he imagines that it would enable him to play the violin again – as he had enjoyed in childhood. As an apprentice, Kubinke is conscientious about time-keeping, accepting that time is money; he works hard in order to become sovereign over his own work later on, whereby he could choose to spend time on leisure and the arts instead. That plan might not result in reaching the same institutional heights in the hairdressing profession as his philistine boss, but even in the modern, zero-sum conception of time it conforms to the capitalist system all the same. Hence Kubinke remains a model worker throughout the novel – if a lost soul – and adheres to Simmel’s supra-subjective schema of temporality. Kubinke’s predicament is rather that he cannot internalise the consequential ethics of a capitalist time regime insofar as they apply to modern personal life in cities around 1900. Although the contemporary profession of the friseur was hardly paradigmatic of Fordism, and though hairdressing tempered such extreme rationalisation as the assembly line in allowing for a fusion with small-scale entrepreneurialism in its conception of time, cutting hair as an occupation still bought into the overall concept of time as capital and power, to be invested properly and exerted responsibly. Hermann’s literary character of Kubinke, in his professional habitus as a hairdresser (to speak with Bourdieu) – though not in his free time – is a typically punctual and productive person, and as such actually exemplifies a core paradox of time in industrialised society. Time must be used efficiently, according to a consistent principle; and yet its very standardisation should be utilised, according to the selfsame ideology, for the purpose of individuality in the material world. That is to say, time is apportioned and spent in return for social recognition as a distinctive yet acceptably conformist individual (and it is the all-encompassing discursive rules of the latter demand with which Kubinke tragically struggles). That such a tension between uniformity and (and for) uniqueness can express itself as a personal and cultural crisis is a logical – and surely an inevitable – truth of modern capitalism, which applies to workers and consumers alike.

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3 The Client’s Free time, “Me Time,” and Time Out from the Quotidian The payoff for time standing at Henry Ford’s assembly line was higher wage packets for workers – the supposed dividends of greater efficiency. It was fundamental to Fordism that labourers were also consumers, saving and spending their earnings for and on the sorts of products and services which they themselves produced (at least to some extent). Modern, consumerist leisure is the complement to labour in capitalism. In some countries, the balance between the two was laid down in law, though less often for hairdressers than for other sectors of the workforce. A minimum wage was introduced for hairdressers in “Red” Vienna, for example, on 17 June 1919. Experts were to be paid at the top of the scale – and women’s hairdressing was formally accepted as being highly specialised. One and a half hours were prescribed as a lunch break, and holidays were aligned with years of experience in the profession (Weigl: 2018, 97). Elsewhere, a similar cultural ideology dominated, but did not translate into governmental regulation. Capitalism was promoted not only as productivity, but also because it produced pleasure. Both were controlled by time. Thomas Mann’s Der Tod in Venedig [Death in Venice, 1912] thematises the extreme two sides of the same capitalist coin, productivity and pleasure-seeking, and what happens when moderation or their mediation is abandoned hedonistically. Written at the height of the Belle Époque, and set in a year in which an unnamed menace cast a mood across the entire continent, the novella criticises a European culture of decadence. People had lost sight of personal restraint. At the start of the story, the protagonist Gustav von Aschenbach is an exemplary, honoured, and industrious Prussian writer. (Ironically, he appropriates some of Mann’s own publications, and writing in progress, as his own.) The opening paragraph notes the fictive author’s usual “forward propulsion of the productive mechanism inside of him” (“Fortschwingen des produzierenden Triebwerks in seinem Innern”) (Mann: 2003, 186). But sexually repressed and stuck in his creative labour, Aschenbach resolves to travel abroad. Once in Italy, he loses his imaginative self-restraint, lusting after a young boy (and causing the latter discomfort in his close observation of him). He also neglects the “measure of time” (“auch das Maß der Zeit”) (203); and, as the plot develops, the narrator mentions that Aschenbach now “frequently” (“häufig”) visits the hairdresser at the Grand Hôtel des Bains, where he is staying in Venice (240; 260). For the socially conservative Thomas Mann, hairdressing of the 1910s had become symbolic of too much unproductive and narcissistic attention to the self, which did not result in making oneself useful to society as befitted either labourers or, indeed, leading intellectuals.

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Mann’s portrayal is historically accurate in at least a couple of respects. First, the typical hair salon around 1900 was found not only in the form of a shop on the high street, but also within department stores, and particularly in hotels. Harrods of London opened its hairdressing department in the 1890s; in the same period, during a building boom in the Swiss Alps because of increasing tourism mostly from America, England, Germany, and France, hoteliers sold hairdressers exclusive access to their clientele for fixed periods of time. A contract signed on the 10 May 1894 between Switzerland’s largest hotel, the Kursaal de la Maloja in Engadine, and the hairdresser Hermann Fischer, for instance, granted the coiffeur the sole rights to run a hairdressing business from the hotel’s premises during the summer season, for which he paid a year’s rent as well as board and lodging for himself and his staff.8 In-house hairdressers were as common in Venetian hotels as they were across the continent. Second, leisure time became more commercialised than ever before in the early twentieth century, and so there was a concomitant widespread concern to remind readers of – not to mention a vested interest in nudging consumers towards – the (heteronormative) productive imperative, too. Magazine advertisements in Life for the hair product Kreml in the United States, later on in the 1940s, may appear trivial in comparison to Der Tod in Venedig, and in their support of regular haircare they are ostensibly in contention with that novella’s earlier perspective on hairdressing. But on an argumentative level, the literary work and marketing images and copy are not so far apart. The glossy adverts’ constant juxtaposition of a man’s messy “holiday hair” – which was wild because of the wind and water when swimming and sailing, or thanks to the sun during games of golf and tennis – against a picture-perfect version of the same model in professional attire (a smart, pin-striped suit, tie, and a slicked-back hairstyle) who was more apparently attractive to women, is an imagological reminder reminiscent of the message of Mann’s story.9 Do not forget the ethical, professionally-styled, productive – and by extension, heterosexually procreative – demands of industrial capitalism when on vacation or, more generally, at leisure. To paraphrase, customers may take time out, but they should not let themselves or their hair get out of control. Above all, the real danger of holidays is that they can distort our perception of, and our response to, time. And as we have seen, time is industrial capitalism’s supra-subjective schema. Der Tod in Venedig, though, introduces another aspect of temporality to such a context: a reminder that the cultural norms for

 See Staatsarchiv Graubünden, A Sp III/13h 3.  See, e.g., “Gals don’t care for holiday hair,” Life, 8 September 1941, 6.

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time themselves sit within the natural lifespan of individuals, or mortality. Aschenbach goes to the hairdresser more regularly in Venice because, obsessed with the beauty of a particular youth, he becomes conscious of physical signs that he himself has aged. Aschenbach now spends too much time on his looks, and too little on his work. But the swindling coiffeur reasons that we are only as old as we think and feel ourselves to be, and that the author’s grey hair could be called “a more real untruth” (“eine wirklichere Unwahrheit”) (Mann: 2003, 260). In particular, the modern hairdresser is a master of hair colouring, so the coiffeur washes Aschenbach’s head in two solutions – one light, which is presumably bleach, the other dark. The old man’s grey hair turns jet black in the process. The dye and the subsequent cosmetic beautification of Aschenbach with make-up are deceptive, however; they are false gods to which the once industrious author has surrendered, while he ignores any moral duty and has relinquished his responsibilities. Instead of being rejuvenated by the hairdresser, then, the protagonist soon dies – a fate he in fact seems to desire. For the natural clock cannot be turned backwards, and an attempt to do so is here presented as grotesque hubris. Hair colouring was one of the most transformative technologies in the hairdressing industry around 1900. Another was the invention of the women’s wave. Known as marcel waving (after its original inventor, Marcel Grateau) or “ondulation”, the process of creating semi-permanent curls in the hair with heated tongs underwent various technical refinements and experiments over the first few decades of the twentieth century, until a “cold perm” was also available by the 1930s. The latter is the procedure for which the protagonist of Edith Wharton’s short story, Permanent Wave, pays twenty dollars in 1936, which she calls being “marcelled” (Wharton: 1936, 128). For the New York housewife Nalda Craig, the hair appointment is momentous because the perming session is the prism through which she refracts her own insights on her whole life. Similar to Der Tod in Venedig, time at the hairdresser’s has a disruptive effect on the protagonist’s established character in Permanent Wave. Furthermore, this discontinuity is narrated as a critical intervention in readers’ contemporary everyday life. The hair appointment distorts Nalda’s life in three significant ways. As the spouse of an economics lecturer at Kingsbridge University, New England, she feels unfulfilled and unappreciated in her marriage, so she falls for an academic pariah who is set to explore Central America. Nalda can date exactly when she first met Phil Ingerson from freshly “being waved” by her hairdresser, Gaston, the day before (Wharton: 1936, 117). Significantly, then, the time spent at the salon is primarily used to recollect and order meaningful events in Nalda’s personal life; and since hairdressing makes Nalda feel good about herself, her hair ap-

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pointments are inevitably markers for positive memories. Nalda intends to escape with Phil, allowing herself to think that he is besotted with her (and suppressing her worldly cynicism in her enthusiasm); she is excited to be about to exchange a stable but patronising domestic situation for an adventure abroad. Thus the secondary, but a more immediate function of the perming session for Nalda in terms of temporality becomes its potential for her to take stock of her existence in the moment, from the vantage point of having an affair. That is to say, hairdressing offers Nalda the opportunity to reflect on the illicit relationship in secret, and to consume it with enjoyment in her imagination without guilt, as she is attended to and prettified by her hairdresser and can do nothing else. Previously, Nalda had experienced waving as monotonous: a four-hour stretch of boredom without entertaining distraction. And in the past, such empty, boring time had proved detrimental for her character in a quotidian sense: the dead time opened up moments for “worries and bothers which could be kept in abeyance at other times by bridge and golf and tennis, and rushing about, always a little late, to one’s engagements” (117–118). Indeed, for other women customers in the salon, perming apparently provided them with time out from dealing with problems caused by their domestic staff. If being waved was restful and for some people relaxing, it also provided free time into which unwelcome or nagging thoughts could encroach. Ever since Nalda had met Phil, however, she looked forward to her appointments with Gaston with pleasure, for they were in and of themselves leisure time: “The four hours didn’t seem long now” (127). Such consumption of time in the act of having one’s hair done – that is, in the free time of being a client while someone labours on the head – is in this instance, as in many others of the period, gendered as women’s time. Within women’s writing, hairdressing as women’s time in a patriarchal, capitalist context later became the subject of especially sustained critique in Ingeborg Bachmann’s short story Probleme, Probleme [Problems, Problems] of 1972, in which the character of Beatrix as a reactionary counter-figure to contemporary womanhood eschews work, instead structuring her time with hair appointments and dates with a married man to punctuate daily monotony.10 The third temporal effect of hairdressing in Permanent Wave emerges from the final twists of plot. At the end of the waving appointment in the story, and after Nalda has run through the proposed schedule for the next day in her head, when she has arranged to leave her husband, Nalda notices Gaston’s calendar on the wall that he says he keeps up to date himself. To her horror, she

 Julia Kristeva deconstructs temporalities and the experiences of women in her essay Le Temps des femmes from 1979; see “Women’s Time” (1981).

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realises that, quite literally, she has missed the boat and her chance to be with Phil for good. For it is Thursday already, not Wednesday. But on arriving home, Nalda’s husband, Vincent Craig, is insistent that the present evening is in fact the day of the week she had thought it was originally. It is Wednesday, after all. Vincent tells her that he too ensures the accuracy of the date himself, at which Nalda promptly faints. The protagonist may have been described as having “Medusa locks”, yet in this short story as in classical myth, the goddess’s agency is foiled by men – and in this case, by their time-keeping (Wharton: 1936, 122). To be precise, Nalda’s thoughts and actions are determined by three men who keep time, if confusingly: Phil, whom Nalda knows will depart on his trip whether or not she turns up to join him; Vincent, who manages the slip of paper with the day’s date for the household; and Gaston, the hairdresser, who trades in appointment times – and so needs to rely on the accuracy of the calendar. Nalda has a reputation for always being late, but in fairness: as a married, middle-class woman, she operates only half within the capitalist system. She is a consumer, yet not a producer; she is someone who must borrow money on occasion, and who has to justify her expenditure of disposable income to her husband. Time is never Nalda’s (to) own, and rarely does it commandeer her, except for when she experiences it positively as such in the hairdresser’s chair: as metime, while being waved, which has a disruptive effect on her conventional routine – and which she understands as agency. The recurrent four-hour period of passive leisure for herself structures Nalda’s everyday, and – more importantly – her perceptions of that day-to-day life as well. Tonsorial time shapes, distorts, or “waves” these subjective impressions, and the consequential turn of events.

4 External and Internal Time, Duration, and the Everyday If Thomas Mann’s Gustav von Aschenbach turns his back on clock time and instead tries to reverse the forward march of biological time, or ageing, with hairdressing, Edith Wharton’s Nalda Craig is concerned with her subjective, gendered experience of temporality using socially structured time that, by the close of the story, itself seems to be subjective (and which is kept by a hairdresser, an economist, and a man of the world respectively). As a wider generalisation, an accepted preoccupation of high modernist prose is the relationship between the internal temporalisation of subjective experience and external time, and how these types of temporality manifest themselves in the individual person and in specific settings. For the literary movement of modernism, external time is usually conceived

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as historical and modern, rather than explicitly capitalist in an overtly political vein – although the texts studied here are at the very least cultural-political, and I shall return to that point shortly. Internal time tends to be called “durée”, or “duration”, in a Bergsonian sense. Henri Bergson’s thought penetrated the literature of high modernism so much that its influence is often unspecific and ever-present, or alternatively it is found as a (sometimes reductive) given (Ardoin et al.: 2014; Gillies, 1996). Bergson’s doctoral dissertation from 1889, Essai sur les données immédiates de la conscience [Time and Free Will: An Essay on the Immediate Data of Consciousness] begins with the individual subject in a person-centred analysis of time, and distinguishes between – to put it simply – the quantity and quality of time; between a natural, customary or social time on the one hand, which has a homogenising effect, and our heterogeneous subjective perception of experience in time on the other. The former temporality is conventional time, which is spatialised and manifest in our rational, reflective engagement with the world, whereas Bergson terms the latter sort of time “durée”. For Bergson, “duration” resides in immediate consciousness; it shapes our personality; and it is reached by intuition: in dreams, or through explorations in the realm of art (Gillies: 2014, 16–19). Thomas Mann explained to students at Princeton University in 1939 that his prose epic Der Zauberberg [The Magic Mountain, 1924], which he conceived as a complement to Der Tod in Venedig, should be read as a “Zeitroman”, or “novel of time”, in a double sense. Der Zauberberg is historical, or a book of its time, and it is about temporality (Mann: 1960, 611–612). Early on in the story, the protagonist Hans Castorp adopts – in Tim Sommer’s words, following significant discussion of the subject in the critical literature – “a severely compressed and simplified summary of Henri Bergson’s philosophy of time” (“eine stark komprimierte und vereinfachte Zusammenfassung der Zeitphilosophie Henri Bergsons”) (Sommer: 2022, 24). Curiously, when the Bergsonian conceptual opposition returns in nuce later on, it is characterised by a hairdresser and his client. In the broader context of temporality in the novel, this tonsorial episode is a trivial moment; scholars cannot be criticised for not having imbued the scene with any special significance to date. Time, the narrator tells us, can be “subjective experience” (“subjektives Erlebnis”), yet also have a “material reality inasmuch as it is active, inasmuch as it ‘temporises’” (“sachliche Wirklichkeit, sofern sie tätig ist, sofern sie „zeitigt“”) (Mann: 2004, 746). While that abstract nuance is a matter for “professional thinkers” (“Berufsdenker”), the reader is given a couple of concrete examples to which we can relate easily. Among them, Castorp’s nails and hair appear to him to grow quickly; he “always” (“immer”) sits in the hairdresser’s chair, whereby the coiffeur responds

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with his work to that of nature. Or rather, the narrator continues, whenever Castorp was at the hairdresser’s, he would be seized by the shock and delight that the senses of the words “still” (“noch”) and “again” (“wieder”), of the adjectives “always” and “eternally” (“ewig”) slipped into each other. Although the hairdresser is here presented as a suspicious flatterer – similar to the figure in Der Tod in Venedig, in fact – the coiffeur in Davos is nonetheless an embodiment of conventional time (and this time, unlike in Venice, he is in sync with nature). From the client’s perspective, however, having one’s hair cut becomes an instantiation of internal time – a moment of sensual immediacy that reveals individual duration. It is surely not coincidental that before Bergson introduces the idea of “durée” in the second chapter of his dissertation, towards the beginning of the first he considers the fact that our everyday analysis of external causes is often subjective, immediate, and impulsive, and so Bergson cites the instance of pain and its perceived intensity from the pulling out of a tooth compared to a hair (Bergson: 1910, 5–6). It is tempting to speculate that literature of the early twentieth century tacitly acknowledged that the hairdresser not only structures conventional time and plays a part in our subjective perception of it, but also marketed Bergsonian duration to customers within a contemporary capitalist system in which they sold and made individuality. After all, duration was in common parlance, and selfhood was now popularly commodified. James Joyce derided Bergson’s philosophy in Finnegans Wake (1939) as the “sophology of Bitchson”, as if it had been destroyed by a mythical creator of the universe (the demiurge) for monetary gain, though apparently had a profitable logic of its own all the same: “while driven as under by a purely dime-dime urge is not without his cashcash characktericksticks” (Joyce: 1972, 149). However, the literary texts examined in the present essay only support a weaker interpretation: the hairdressing scene in a commercial salon was where internal and external types of time came into contact and conflict with one another. In Modernism and the Ordinary, Liesl Olson claims that such authors sought not to overcome the ordinary or to elevate it fully with intellectualism, at remove from the quotidian; nor did writers either side of the 1920s lose themselves in hedonistic banality. In fact, they risked enacting boredom for the reader as they observed daily life and its effects on consciousness as an aesthetic, if sometimes humdrum activity. Olson references the thought of Bergson throughout her study, which is foundational for the argument of this present chapter. So, too, is the idea that representing the quotidian prompts not only a reflection on, but a critical if unsystematic intervention into, the cultural norms that govern our experiences of the day-to-day. Yet Olson, despite attention to French thought in the form of Bergson, excludes another French critic whose work is regularly cited in scholarly and

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critical analyses of everyday life: Henri Lefebrve. For Olson argues that Lefebrve’s theory is largely influenced by a later, post-war generation of critics who wrote in the context of mid-twentieth century consumer society. She also rejects his relevance on account of his Marxist perspective, namely that the ordinary must be reclaimed, or politicised (Olson: 2009, 12–17). According to Lefebvre, subjective alienation in modernity leaks into the little details of daily life, since the everyday objects in our hands and minds signify the capitalist system at large. However, Olson’s repudiation of Lefebvre’s ideas belies the two facts that the first volume of his three-part Critique de la vie quotidienne [Critique of Everyday Life], published in 1947, was long in gestation, and that it disparagingly refers to contemporary “Bergson-izing” specifically (Lefebvre: 1991, 14). (Only later, in the preface to the second edition of winter 1956–1957, did Lefebvre mention hairdressing as an example of commodified everyday life and subjectivity in passing.) It follows that Olson’s close readings of high modernist novels, mainly in English, attend to aesthetics, but in their formalism they obscure the political – or at least authors’ socially critical attitudes. None of the works considered in this essay at hand are Marxist, yet their reflections on types of time embed Bergson into the contemporary everyday, and thereby into the broader, normative context of industrial capitalism. In addition, Hermann, Mann, and Wharton criticise both the forms of our lived experience of different temporalities in times of capitalist production and consumption, and the cultural conditions that shape them. The work of Lefebvre emerges from, and explains, this same historical context that continues into the later twentieth century – and beyond. The final fictional representation for examination, then, is a work that pulls many of the literary strands from other texts and theories together: a largely forgotten novel by Betty Miller, published under her maiden name of Bergson Spiro. The author of The Mere Living (1933) was a distant relative of Henri Bergson, but wrote as an Irish immigrant in London. Bergson Spiro’s first novel takes place over the course of a single day and, with typically modernist styles of psychological interiority, enters into the minds of primarily one family of four. Lydia Fellgett categorises the work as a “circadian” narrative (the chapters are divided by the meal times breakfast, lunch, tea, and dinner), and she identifies Virginia Woolf’s Mrs Dalloway (1925) and Bergson’s thought as its two foundational influences (Fellgett: 2014, 42–68). For our present purpose, though, the story is remarkable for converging the types of time that the current essay has sought to analyse inductively; The Mere Living locates them all in one sort of activity, in a single cubicle of a ladies’ hair salon on the Edgware Road. What is more, through shifting between subjective perspectives in one and the same, time-bound place, the novel amounts to a criticism of modern everyday life in its entirety – in the abstract, yet simultaneously in concrete examples.

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Nancy Sullivan is a young hairdresser’s assistant, who still lives at home and recently has gained employment at A. Meadow’s Coiffeur des Dames, performing marcel waves (of the heated kind) and beauty procedures such as eyebrow plucking. According to her boss, she “had come direct from a school of hairdressing in Bond Street, and was without experience” (Spiro: 1933, 77). The first third of the twentieth century witnessed a sharp rise in women hairdressers; and in contemporary England, the City and Guilds syllabi formalised vocational qualifications in hairdressing at technical colleges, which complemented experience on the job and were developed significantly during the late 1920s and ’30s (Cox: 1999, 80–81; Foan, 1931, 7). (On the other side of the channel in France, the C.A.P., or Certificat d’aptitude professionnelle, was introduced as a similar scheme for hairdressers in 1931 (Zdatny: 2006, 111).) Mr Meadows, with his dyed and “brilliantined hair”, is a hawkish manager – similar to Herr Ziedorn in Georg Hermann’s novel Kubinke. In addition, Meadows is sexually predatory towards his female juniors; work time, for Nancy, is as gendered as the social existence of womanhood. In any case, Meadows is initially introduced to the reader as deriving a sense of power and bodily pleasure from his overall control of time: as he pursues the healthy appointments book at the main desk, the narrator cuttingly emphasises “a feeling of satisfactory importance in his veins” (Spiro: 1933, 77). Although Nancy looks at the clock in her curtained cubicle in an attempt to speed up her shift, it is the entrepreneurial Meadows, calculating handsome fees for the day’s scheduled clients, who is here in charge of capitalist time. And temporality is exactly what is on sale in the shop: hair services that are fashionable, or of their time, and as ephemeral as they are material: Nancy’s waving apparatus “burned its temporary will into the nerveless hair” (79). Nancy conforms to what Georg Simmel identified as the metropolitan ethic. She speaks to her clients in a “business voice” that is as polite as it is impersonal (78). She acknowledges that it is her duty to respond in conversation to her customers, sounding as if she were curious about their stories. But her inner thoughts – expressed in parentheses and stark changes of tone, or in free indirect style – betray to the reader that in truth she is irritated, uninterested, and above all: bored. Despite the physical proximity between hairdresser and client, the waver works in “hostile appraising intimacy”, which could stand as a paraphrase for Simmel’s idea of city living (83). Nancy serves her customers with “aloof deference” and “deft civility”, yet it is clear that this professional persona is performed: all the while, her mind is “off-stage” (78). The authentic, subjective side to her being, or in Bergsonian semantics her durée, must be left at the changing room door; her “personality” was thus “cramped and repressed all the morning”, and was set “free” at lunchtime because the narrative takes

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place on her half day (86). However, it is important to emphasise that Nancy embodies a generalisable phenomenon rather than an individual character trait (or flaw), since the same sort of attitude applies to her customers towards her as well. One woman sits in the chair wondering empathetically about Nancy’s life, before concluding: “Oh well, it doesn’t matter very much” (81). The metropolitan personality is evident in women at work, and among women at leisure in a commercial setting such as the hair salon. The freedom that Nancy enjoys in her afternoon off is taken up by lunch out; she plans to have her own hair styled; and she is looking forward to seeing Oliver Harris, a married man whom she is dating, and with whom she loses her virginity later that day. If the young hairdresser enacts capitalist labour in the morning, she enjoys its consumption in the afternoon in becoming a hairdressing client. Producers are also consumers. Although hairdressers serve at a customer’s pleasure, they are imprisoned not by a specific client, but by a system of (Foucauldian) discipline that is capitalism’s interconnected and timed regime of production, consumption, and the division of labour, and which makes space for leisure as a complementary component. Intriguingly, however, Nancy is not wholly a conformist in her thoughts to either her particular clients, or modern life in general. She is no textbook example of Simmel’s rational, metropolitan personality in modern urban culture; rather, she is a multi-dimensional and – in her head – a critical one. Not only does Nancy experience duration as well as conventional time; she is also scathing about her customers’ mimicry of norms (cynically, she understands her clients as interchangeable and thus indicative of a type, like shop mannequins) and, moreover, she voices criticism for the reader of the professional, industry practice of hairdressing – which she aligns with patriarchy. Looking over the shoulder of one woman whose hair she is waving, Nancy reads a letter from a man arranging to meet up with the customer. Nancy thinks to herself that the salon “although exclusively feminine in purpose and appearance, was founded on the abstract male, on the necessity of enhancing, increasing or retaining attraction for his sake” (84). This maxim applies to many contemporary discursive, and especially literary, portrayals of hairdressing scenes: even in Mann’s Der Tod in Venedig, Aschenbach’s more regular visits to the hairdresser are prompted by his pederastic desire – a fantasy of being appreciated by male, if juvenile beauty. But the irony is lost on Nancy Sullivan in The Mere Living that she had checked her own hair in the mirror in anticipation of her date, despite her critical judgment of others; indeed, she had re-read a cherished letter from Oliver that morning. Nancy is alienated, in Marxist terms, yet not self-aware beyond momentary perspectives because both her labour and her pleasure time take place, obediently and in an embodied way, within the same system (though she speaks out against parts of the regime through affect and real insight in her inner, fleeting thoughts, to be

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sure). Time may be perceived subjectively, therefore, but ultimately people all inhabit a common capitalist (and, for women, patriarchal) context for life in the round. Inevitably, critics are also participants. A properly external and somewhat consistent critical vantage point within Bergson Spiro’s novel can be held only by the impersonal narration in The Mere Living that is at times sympathetic, at others acerbic. This is not the perspective of a personable narrator as such, nor actual utterances of the characters. Rather – in common with literary high modernism – Nancy’s criticism of the salon is conveyed through free indirect speech, instead of being quoted or attributed thoughts by or to any explicit figure of a narrator. To speak with Ann Banfield (1982), social criticism is here really voiced by “unspeakable sentences”, inasmuch as they can be understood as coherent linguistic expression and give words to an experiential point of view – yet do not constitute communication in any transactional, material setting (including with readers). Multiple people undergo the same cultural practice, about which fictional turns of phrase express critical attitudes that resonate; but Miller offers no overt system of thought, (implied) practical and social agenda to be acted upon, nor any party-political position. There is no message as such. The sentiments only become communication on their appropriation in the act of everyday interpretation by readers; in their application to the real, quotidian world. In the end, it is not the role of one person, or one type of character – whether worker, manager, or consumer, either hairdresser or customer – to be critical of temporality in industrial culture wholesale. When critics attempt to do so, the analysis may become utopian (and unevidenced), or the resulting taxonomy unravels in the messy details of day-to-day empirical reality (though theorists have done a better job in monographs dedicated to the subject than I could achieve here.) Certainly, we cannot explain temporised subjectivity in modernity with a single concept or conceptual opposition, such as the metropolitan personality (Simmel) or duration versus clock time (Bergson). Nor can we attribute a full and consequential critique to any one of the literary authors considered in this essay, in spite of modernists’ commitments to philosophising (or Bergson-ising) – although Betty Bergson Spiro’s The Mere Living is the most synthetic in its portrayal of time and hairdressing. Instead, I want to suggest that the latter everyday practice is interesting for consistently prompting such thinking about time, individual experience, and the imperatives and structures of organised society: since the eighteenth century, and especially in the early twentieth century. Notably during a hair appointment, in the salon, there are regular interactions and collisions of different people, things, and perceptions, the occurrences of which are as conventional as they are creative. In life as in

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literature, and in high modernism particularly, scenes of hairdressing expose the layered temporalities of modern capitalism in the moment.

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11 Contradictions of Vitality: Vivid White Hair in Zola’s L’Argent There is a straight line that leads from Madame Caroline’s first appearance in Émile Zola’s novel L’Argent [1891] to the silver mines and stock market speculation at the center of the novel’s plot. Since Madame Caroline’s first appearance is largely determined by the impression of her white hair, we can draw a direct arc from her shimmering hair to the beating heart of the novel. We could go so far as to say that Madame Caroline’s white hair sets the economic axis of the novel on the right track. This is to describe the straightforwardness with which this novel, like many stories in Zola’s novel cycle Les Rougon-Macquart invokes the inevitability of an escalating crisis asserting an almost “teleological structure, a storyline governed by objective laws leading towards catastrophe” and “highlighting a loss of control” (Ungelenk 2021, 373). In Zola’s L’Argent, the 18th novel of Les Rougon-Macquart, capitalist zeal unleashes a destructive frenzy of speculation shattering social ties, destroying families, and driving people to suicide. Aesthetically, Madame Caroline’s hair resembles the title-bearing white shiny precious metal, which fuels the speculative fever and the capitalist imagination in Paris. Zola’s title L’Argent clearly plays on the ambiguity of the French word argent, which, in addition to the common means of money and payment, denotes the silver mines in the Lebanese Carmel Mountains. This sparkling silver lining on the horizon thus points to the unconsumed resources “of the Orient”1 (“de l’Orient”2), which become the material for financial speculation in France. In her “Study of Yellow” Susie Gharib has described the significance of blond hair as “Gold of Decadence” in the writing of decadence author Oscar Wilde, in which golden crowns of hair characterize both women and men (Gharib 2021, 50). By coinciding with gold, the “yellow” hair color indicates “aesthetic beauty” (Gharib 2021, 46) and a poetic legacy of refinement as well as destructive forces. Wilde also employs the color as a political-economic metaphor for “negative connotations” of “might, colonialism and war” and “uses gold/yellow to  The expression belongs to the vocabulary of the novel, which is obviously repeating gestures of imperialism and colonialism. Émile Zola. Money [1891]. Translated by Valerie Minogue. Oxford: OUP, 2014. In the following the page numbers of the cited text passages are in brackets and refer to the named edition with the abbreviation M. Here p. 66 et seq.  Émile Zola. L’Argent [1891]. Paris: Gallimard, 1980. In the following the page numbers of the cited text passages are in brackets and refer to the named edition with the abbreviation A. Here p. 120. “[…] c’était cette pensée gigantesque de la conquête de l’Orient” (A, 120). https://doi.org/10.1515/9783110776461-012

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connote the futility of colonial expansion, the entrapment of other realms with ‘nets of gold’ (Gharib 2021, 49–50). Zola’s novel shows a similar coalescence of the aesthetic and materialistic components of white and silver. Like gold, silver points to structures of added value and exploitation entailing political and financial entanglements. Similar to Decadence literature, Zola’s novels—as prototypes of naturalistic writing—describe movements of social degeneration. Hair colors can be understood as thing-symbols and references to the laws of cultural influence, social alienation and individual perception. Madame Caroline is the sister of engineer Hamelin, who worked in Beirut, Constantinople, and Damascus and returned to Paris with construction plans for the cultivation and renewal of the Middle East, which deeply fascinate the protagonist and speculator Aristide Saccard. Even more than the engineer’s mathematical plans, it is Madame Caroline’s luminous watercolors and enthusiastic and detailed descriptions3 of Eastern travels that ignite the fire and ambition of the entrepreneur Saccard. Monica Lebron speaks of touch and contamination in both directions (1999, 220): The businessman Saccard is inflamed and inspired by Madame Caroline’s stories and develops the economic project of his joint stock company Banque Universelle out of them. At the same time, Madame Caroline is carried away by him in a reciprocal effect when he inflates his new banking business to massive proportions and, in a fever, sets the stock market in motion. Madame Caroline’s hair can also be read in the context of these mirror effects and interactions between the two protagonists who meet as neighbors and later engage in a love affair. It should be specified; their hairy affair begins with the speculative business on the stock market and ends with the catastrophic collapse of the stock market business. During their romance, Madame Caroline’s hair becomes an important focal point of their encounters. Saccard, who is shorter than her, has to stretch up to touch her white hair with his lips. This gentle, grazing kiss of her hair suggests intimacy and furthermore indicates an almost detached form of appreciation.

 In this context of Madame Caroline’s enthusiasm for “the Orient”, Monica Lebron interprets her irritating white hair as a clear sign of the stranger (“une première impression d’étrangeté”), which further reinforces Madame Caroline’s exotic status in the novel. Apart from Sylvie Collot’s 1992 monograph, it is the only study that makes an argument about Madame Caroline’s white hair. Lebron 1999, 225.

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Overview: Seduction, Second-Skin and Symbolism Sylvie Collot has drawn attention to the seductive power of hair in Zola’s novels. In her study of Zola’s places of desire (1992), she devotes a sub-chapter to hair, assigning Zola’s female figures to three different groups of hair colors, which she identifies as semantic references showing specific temperaments and character traits. Collot assumes that Zola’s hair color carries a “true symbolism”. (My translation, “une véritable symbolique de la couleur des cheveux”, 1992, 15) Zola’s chaste virgins are blond, his fiery and tragic women have dark or inky hair, and the wicked women like Nana are red-headed, tawny or even “yellow” (“jaunes”) like Laurence and Renée. (1992, 15) Since the difference between a lovely, chaste blond-haired woman evoking light and sun, and a blond Venus like Nana—who turns out to be “a golden beast” (“une bête d’or”, 1992, 16), and “is hiding the destructive courtesan under her sweet blond” (1992, 16)—is very small, Collot interprets the whiteness of Madame Caroline’s hair as a remedy. Blondness is “treacherous” and can shift its [symbolic] meaning (1992, 16), which is why Zola gave Madame Caroline white hair “as the only flawless woman in his universe.” (1992, 16) “This ‘whiteness [blancheur […]]’ alone can ward off the danger of a reversal of blondness into a red-haired animal” (My translation, 1992, 16). Therefore, the white hair seems to banish the wickedness, the dirt, and the potential for danger in Zola’s universe. In general, Collot associates female hair in Zola with a provocative second-skin-nudity, with perfume, sexual qualities, and evocative of sin and fault; (1992, 16) “Because the courtesan always hides under the woman and it is her hair that reveals her.” (My translation, 1992, 16) But we become entangled in a paradox when it comes to white hair, which Collot does not specifically address but brings up indirectly. It is above all the phallic white necks of the beautiful blondes that evoke sexual excitement in Zola. (1992, 13–14) Therefore, we have to connect the white color of hair with the whiteness of the women’s skin. For it is the desire to kiss those half-hidden white necks beneath the covers of blond hair that ignites the male will to conquer. (Collot 1992, 13–14) Zola’s novel L’Argent explicitly addresses the meaning of the long female swan necks when Alice de Beauvilliers, the marriageable daughter of an impoverished noble family, is raped at the novel’s end by Victor, an illegitimate son of the protagonist Aristide Saccard. One of the justifications given for the young woman’s rape is her “overlong neck” (M, 340; A, 457), which is constantly mentioned (A, 308). Amidst the pristine and immaculate white infirmary and its ‘cheerful rooms’ with lily-like white walls and white curtains (A, 471), established in the novel’s plot to serve as a sanctuary and nursing home for the poorest children of Paris, and described as ‘gilded whiteness’ (A, 471), Victor rapes

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young Alice who was taking care of the sick children. Alice was “going to give a cup of milk to that fifteen-year-old boy [Victor], already as hairy as a man” (M, 340; A, 457). Significantly, after the criminal act, it is her thin neck that has itself been dishonored. “Montrant la disgrâce de son cou trop long” (A, 467), [“displaying the disgrace of her too long neck.” (My translation)] It becomes clear that in addition to innocence and purity, whiteness also stands for the exact opposite as a pure provocation in Zola, and with its purity and white nakedness it evokes driving forces, the power of seduction and the breaking of taboos. Saccard’s kisses on Madame Caroline’s white hair (A, 297) are therefore also to be understood as metonymy and can be read as caresses of her second skin, inscribed with a strange indirectness and sterile purity. The first reading of hair in Zola’s work in the 1970s demonstrated that a purity of hair color must also be understood as a signifier of social status. In 1971, the Zola-expert Henri Mitterand caused a stir when he made Zola’s hair colors a topic for the first time at a Romance studies conference and suggested a rough distinction between pure and impure colors. (See Junkerjürgen 2009, 271) Mitterand suggested the social implications of this dichotomy of “sharp/clean colors” (“couleurs nettes”) and “bastard/crossbred/misbegotten/impure colors” (“couleurs bâtardes”, Mitterand 1972, 162), namely that the bourgeois class is credited with pure, genuine, clear, and distinct hair colors, while the working class is credited with blurred, impure colors that function like a hazy fog. Mitterand based his analysis on the best-known Zola novel Germinal [1885] and used the example of the miners’ red and yellow hair colors (“roux, jaune”, 1972, 162) to determine their precarious social status, while the sharp colors of white and dark blond (“blanc, châtain”, 1972, 162) prevail in the middle class. Ralf Junkerjürgen already challenged this binary allocation of colors in his comprehensive study of hair colors as a cultural history (2009). Junkerjürgen suggests that we not ascribe any schematic symbolism to hair color in Zola, but rather understand them as “polysemic elements” (2009, 273) based on heterogeneous coding traditions. (2009, 274) Hair colors appear as multiple codes in interaction with attributes of bourgeois combedness, neatness, and grooming or curlyness or shine. The most compelling aspect of Mitterand’s argument is that, in addition to cultural influences such as shine and hairstyle, he interprets hair color and its natural-biological condition stating that Zola’s hair color is not to be seen as a matter of chance, but as socially determined, thus reading hair color as an overdetermined and ideological trace. As “l’anthropologie sociale” (Mitterand 1972, 163) a biological code superimposes the social code of belonging and the naturalistic argumentation of race, milieu, moment and temperament.

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For my investigation, it would appear compelling to consider these social implications of labor and hair color and to impute a certain providential logic to the biological factor and class affiliation in Zola’s novels. However, the clash between the bourgeoisie and the working class in Zola’s novel L’Argent [1891] is not the decisive one. Rather, it is about the aristocratic carpet of rotten remains in the Second Republic, about fetishized remnants of faith in the name of a twisted Catholicism and financial privileges that enable people to rise and fall with stock market speculation. Health and economy appear as an idiosyncratic symbiosis unfolding against the background of a decisive occidental-oriental dichotomy and developing in the context of hierarchies of exploitation. To Mitterand’s credit, by addressing hair color, he attempts to break away from a mechanistic understanding of naturalistic novels and to move to questions of structure and myth and an inherent dynamism. (See Junkerjürgen 2009, 270) But Mitterand says nothing specifically about the color white, nor does he consider Zola’s novel L’Argent. So what else to consider when it comes to Zola’s stock market novel and the symbolic properties of the color white, beyond its social dynamics? The color white—so often interpreted as a “meta-symbol” in color theory, which as a (non-)color represents the color above all other colors—can be read as a “sign that symbolizes symbolization.” (My translation, Steiner 1999, 3) Referring to mythological and theological codes, Junkerjürgen associates the color white with biblical attributions of innocence, chastity, the wisdom of God and the light of reason. (2009, 35) In Renaissance literature, the color white is often seen as a simple, antagonistic, plain color of joy in contrast to black as the color of mourning. (e.g. François Rabelais, Junkerjürgen 2009, 15) Negative associations could be found in the theory of the four humors, in which the correlation between phlegmatism and white color has been identified again and again in various statements on the connection between temperament and hair color since 1575 (2009, 107). With the phlegmatic disposition, white hair suggests laziness, inertia, lack of interest, discouragement and indolence. Whether such attributions can be found in Zola’s novel will be examined below. In general, apart from Collot’s and Lebron’s short passages on Zola’s white-haired female figure and Junkerjürgen’s very brief reference to white hair color in his cultural history of hair colors, no systematic study on white hair color in literature could be found. This essay therefore investigates Zola’s L’Argent for the symbolic meaning and literary function of white hair in the context of material-aesthetic references, temporal-economic premises and gender-cultural connotations.

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Where to Begin: White Signals My paper is organized along three axes. It confronts structures of gazing and desiring that are tied to the aesthetics of Madame Caroline’s white hair, as well as the potential power and energy that are attached to it and belong to the formal repertoire of the novel as a whole. Finally, it is about the question of irritating health promises and maternal qualities. I argue that in Zola’s novel paradoxes of vitality turn Madame Caroline’s white hair into a vibrating knot, superimposing differences such as youth and age, weakness and strength or motherliness and sterility. The contradictions between youthful freshness and her snow-white fringe of hair not only evoke amazement and fascination in her counterpart, but also reveal themselves as a dynamic of the novel’s poetology itself. The novel takes this rising vitality to extremes with its last lines, when it goes so far as to address the moment of rejuvenation that accompanies Madame Caroline’s head of hair. An aesthetic of renewal and integrity unfolds, patiently observing the ups and downs of life without negating its filth and corruption. In addition, the irritating and lively contrast between face and hair, between dynamic youthful freshness and old age, releases an aesthetic of vividness. Madame Caroline’s hair is fluttering and flying, a symbol of playful vitality and health, harmonizing with her pristine white teeth and yet lying in harsh contrast to her youthful face. By shattering expectations and perverting the link between hair color and age, the novel gains poetological power through its visual vocabulary and its economies of attention. Other examples from French realist literature have shown that white hair holds a special status in regard to desire in, for example, Flaubert or Maupassant. They often give the female protagonists a precarious status beyond the male matrix of desire. Ultimately, it is Madame Arnoux’s white hair that at the end of Gustave Flaubert’s L’Éducation sentimentale [1869] mercilessly visualizes the inexorable passage of time and puts an abrupt end to the devoted desires of the student and protagonist Frédéric Moreau. The fact that his coveted lady’s hair is now snow-white makes the passage of time so visible that he feels the flowing white mane that Madame Arnoux lifts as a literal slap in the face. “And she untied her comb; and down fell all her white hair. […] And that was all.” (My translation, “Elle défit son peigne; tous ses cheveux blancs tombèrent. […] Et ce fut tout.” Flaubert 1975, 453) Irritatingly, the picture of a white-haired “mother” takes the place of the lover. (See Flaubert 1975, 453) The hair not only bears witness to a dramatically aged longing, but also reflects the age of the novel itself, which is drawing to the end of its narrative time. With the end of Flaubert’s novel a sexual affair between the two has become unthinkable. In Guy de Maupassant’s seduction novel Bel-Ami [1885], it is the wife of Georges Duroy’s [Bel-Ami’s] employer, Madame Walter, who first arouses his keen

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interest and desire. Later, following her deep grief over the end of their amorous affair, she artificially powders her hair white to indicate her status as an old woman. “I don’t mind being just an old woman for you. I put on my white hair to show it to you”, are the words with which she comments on her deep hurt and affirms her unrequited love for the seducer Bel-Ami. (My translation, “Je veux bien n’être pour vous qu’une vieille femme. Je me suis mise en cheveux blancs pour vous le montrer, […].” Maupassant 1973, 388) These two examples of the precarious status of femininity and age show white hair as the quintessence of a matrix of desire that only knows white as an indication of mature age and releases these women from the beneficial sides of the attention economy. But Zola’s novel [1891] turns this simple logic upside down. In contrast to the illustrative interconnection of age, gender, and hair color in Flaubert’s [1869] and Maupassant’s [1885] realism, Zola’s naturalism unleashes unexpected contradictions. We might assume that Zola’s naturalistic narration, in fact, precludes any resistance in the supposed objectivity of its narrative style and the stringent logic and development of its action. However, precisely by exhibiting a poetological whiteness and by creating such gaps and white spots, the novel allows a knowledge to arise that lies beyond such categories. Sabine Frost has shown that the white color in text and image as a snow flurry and “white-out”-moment can represent a specific form of disruption that interrupts the flow of reading or quite literally obstructs the reader’s view. (Frost 2011, 311)

1 Desire and the Gaze When the protagonist, the speculator Aristide Saccard, first meets Madame Caroline in the second chapter, her snow-white hair immediately catches his attention. The poetics of her white hair opens up several decisive components: structures of gazing come to the fore, as well as questions about youth and age, about textiles and quality and, finally, the monarchical echoes that run through the novel as a whole, which is located in the Second Empire, but afflicted by structures of the Ancien Régime. Surtout, ce qui l’avait frappé, à la première rencontre, c’était ses cheveux blancs superbes, une royale couronne de cheveux blancs, d’un si singulier effet sur ce front de femme jeune encore, âgée de trente-six ans à peine. Dès vingt-cinq ans, elle était ainsi devenue toute blanche. Ses sourcils, restés noirs et très fournis, gardaient une jeunesse, une étrangeté vive à son visage encadré d’hermine. (A, 96)

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[What had struck him above all at their first encounter was her superb white hair, a royal crown of white hair which created such a curious effect on the brow of this still young woman, barely more than thirty-six at most. It had gone completely white when she was only twenty-five. Her eyebrows, which had remained black and quite thick, kept their youthfulness, and gave a lively oddity to her ermine-framed face. (M, 46)]

It is the white coat of the ermine that connects the noble, expensive fur with the materiality of her white hair. The aristocratic, royal-monarchical echoes are reinforced by the speech of “a royal crown of white hair.” There is immediately a qualitative assessment that corresponds to the aesthetics of the white color: “her superb white hair” (M, 46). Madame Caroline owes her feminine power of seduction to her white hair, which repeatedly arouses Saccard’s attention and plays off the ambiguity of this “interest”. It is a monetary interest as well as a sexual interest evoked by the well-traveled intellectual and divorced wife. “Chaque fois qu’il la rencontrait, Saccard, plus petit qu’elle, la suivait des yeux, intéressé, […]” (A, 96) [“Every time he saw her, Saccard, who was shorter than she was, followed her with his eyes with some interest […]” (M, 47).] Saccard’s “énergie à vaincre” (A, 221) [“energy for conquest” (M, 148)] illustrates a libido-economic logic that characterizes the novel as a whole. It is necessary to take into account the gender-specific pairing of male speculators and the feminine nature of speculation itself (cf. Govrin, 2020, 5) that is so characteristic of the nineteenth century and Zola’s novel in particular. The seductive powers and temptations of the stock market go hand in hand with the lust for enrichment, luring Zola’s male characters into the stock market, to which women are denied access. The feminine-erotic charge of the speculator game thus illustrates a libidinal economy of desire, in which the rational-financial trade in securities is mixed with the irrational-rational enjoyment of the game.4 This context reappears when it comes to the “reward” of the stock market player Saccard. Madame Caroline is clearly characterized as captured prey and a trophy-wife, “volée comme le reste” (A, 222) [“stolen like everything else” (M, 148)]: Et c’était vraiment, pour ce forban du pavé de Paris, brûlé et tanné dans tous les guetsapens financiers, […] une récompense volée comme le reste, que d’avoir à lui cette adorable femme, si jeune et si saine à trente-six ans, sous la neige de son épaisse chevelure blanche, d’un bon sens si brave et d’une sagesse si humaine, dans sa foi à la vie, telle qu’elle est, malgré la boue que le torrent emporte. (A, 221–222)

 Zola thus reverses the libidinal economy that he unfolds in his department store novel Au Bonheur des Dames, and makes the speculating men on the stock market victims of their excessive shopping frenzy. On the “vampirized vampire” as a code of femininity and capitalism: See Vinken 1995, 250.

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[And for this rogue of the Paris streets, scorched and toughened in every kind of financial swindle, it was […] a reward stolen like everything else, to have as his own this adorable woman who at thirty-six was so young and healthy under the snowy mass of her thick white hair, a woman of such bold good sense and natural wisdom, with her faith in life just as it is, in spite of all the mud it carries with its flow. (M, 148)]

This time it is the snow of her thick white hair that conjures winter as the allegorical age of life. The narrator insists on the contrast between mature age and strong youthfulness.

2 Energy and Virility In conjunction with discourses on health that appear to be biopolitical, the text feasts on Madame Caroline’s radiant freshness and vigorous physicality, which, despite her white hair, suggest a woman in her prime: “This adorable woman who at thirty-six was so young and healthy” (M, 148), or as it is called elsewhere: “so tall, so health-looking, with her wonderful white hair which seemed to light up her still-young face with a joyous sweetness” (M, 128) (“si grande, si saine, avec ses admirables cheveux blancs, qui éclairaient de gaieté et de douceur son visage resté jeune;” (A, 197)). But did she age early to stay young forever? Madame Caroline’s “crown of white hair” can mature no longer and eludes the expiry of the temporal half-life and effective biopolitics. Her fresh health and physical size exude a virile power that seems to increase as the novel progresses. At the beginning there is talk of the “curious effect” (M, 46) (“d’un si singulier effet” (A, 96)) caused by the contrast of white hair and youthful face. Then, in the course of the novel, her hair becomes more and more a guarantor and an intensifier of youthful freshness and energy. “C’était devenu la joie de Saccard, la continuelle apparition de cette grande belle femme, qui traversait les pièces, de son pas solide et superbe, avec la gaieté toujours inattendue de ses cheveux blancs, envolés autour de son jeune visage.” (A, 105) [“It had become a joy to Saccard to see the frequent appearances of this tall and beautiful woman walking through the rooms, so strong and proud, with that always unexpected gaiety of her white hair flying around her young face.” (M, 54)] As already mentioned, Madame Caroline is a source of inspiration and an engine of action. Even more so, however, she is characterized by an optimistic, energetic and happy devotion to life. Her “vital energy” and “immortal joy” (M, 208) are directly interlocked with a love for life, which in its sincerity prevents her from being troubled by possible strokes of fate. She is said to have “an ex-

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traordinary zest for living, a joyfully brave spirit” (M, 49) (“d’un courage à vivre extraordinaire, d’une bravoure joyeuse” (A, 99)). The novel celebrates the joy of existence through Madame Caroline’s pure and almost primitive understanding of life and survival. “Le plaisir d’être!” (A, 296) [“The simple pleasure of living” (M, 208)] and “the feeling of invincible hope” (M, 369) form central axes of this character and the novel’s philosophy, which portrays the Occident and its lively exploitative ambitions in dusky colors. Along with the imperial gesture of the territorial appropriation of the Southeast, the novel tells of the exploitation of soil and climate in general, which, as a source of speculation, must withstand the turbulence of stock market experiments. The end of the novel already outlines Saccard’s next project: the large-scale draining of swamp areas, “a little kingdom to be won from the sea, thanks to a complicated system of canals.” (M, 371) In her pure joy of being alive, Madame Caroline represents a persistent form of enduring civilization and “expanded […] humanity” (371) that competes with the aging earth for rejuvenation and regeneration. It is no coincidence that Zola’s novel is told in a cycle of twelve chapters, the structure of which resembles a daily routine that begins with a breakfast scene and ends in a red sunset. This economy of time combines the sun’s course and the rise and fall of financial ambition and human progress. Madame Caroline’s enduring vitality after the stock market crash at the end of the novel demonstrates a self-recycling circular movement of renewal and a cynical “progress of tomorrow” (M, 371). (“le progrès de demain” (A, 496)) With irritating crossings of natural metaphors and exaggerated cultural phrases, the novel persistently reaffirms and undermines the separation of natural processes and anthropological epistemes. The assertion of these dichotomies and their simultaneous softening are among the paradoxes of Zola’s understanding of catastrophe, emphasizing the inevitability of degeneration and provocatively repeating its continuation in the name of “progress” in an affirmative manner. Tragically and disastrously, man-made vandalism and expansion are inseparable from the natural development of life: “Le sol de l’antique berceau venait d’être ensemencé d’une nouvelle moisson d’hommes, le progrès de demain y grandirait, avec une vigueur de végétation extraordinaire, dans ce merveilleux climat, sous les grands soleils.” (A, 496) [“The soil of the ancient cradle of humanity had just been sown with a new crop of men, the progress of tomorrow would grow there, a vegetation of extraordinary vigour, in that wonderful climate under that perpetual sun.” (M, 371)] Similarly, Madame Caroline’s white hair is a natural phenomenon that cannot be separated from its cultural implications. Her beauty and vitality arise from the conflicting cues that “Nature itself” (M, 369) provides with the oddly white color of her hair and its irritating associations with health and age. But within the context of the mirror effects and interactions between the two protagonists, it

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should be noted that both characters are closely linked with the principle of vitality. It is precisely the fact that Saccard is “very energetic” (M, 148) and is dynamically “creating a world, creating life” (M, 209) with financial speculation that impresses Madame Caroline and steadily increases her affection (cf. M, 154) for this small, “man of action” (M, 148). Saccard’s life-generating principles coincide with the impetus of the novel, which links the creation of life with the novel’s financial principle and cynically depicts money as a dynamic giver of life. “Pourquoi donc faire porter à l’argent la peine des saletés et des crimes dont il est la cause? L’amour est-il moins souillé, lui qui crée la vie?” (A, 497) [“Why then blame money for the dirt and crimes it causes? Is love any less sullied, love, the creator of life?” (M, 371).] Whereas the novel pursues a project of progressive renewal in regard to life, future success and fertility, another principle of vitality lies beyond the generative moments of money and love. In the following, I will demonstrate how strongly this principle draws out the contradictions of vitality and, in particular, the ways in which it plays out in the poetology of Madame Caroline’s hair.

3 The Promises of Health and Maternal Qualities In the eyes of Saccard’s son Maxime, the whiteness of the healthy woman’s pure white teeth is reflected in her snow-white hair. “Et il la trouvait jeune encore, toute blanche ainsi, les dents également très blanches, une femme adorable, devenue belle.” (A, 284) [“And he thought how young she still looked, with her white hair and equally white teeth, an adorable woman, who had become beautiful.” (M, 199)] This double whiteness stands for her youthful freshness (“jeune encore” (A, 284)) and consequently makes her a desirable woman to the male gaze. It is part of the perfidious logic of this text to grant her this beauty only after she has decided to engage in a love affair with Saccard, thus linking her white-haired attractiveness to her market value in a male system of desire. Only as an actively loving and coveted lover does the strange effect of her physiognomic attributes transform into a coherent and attractive appearance. Her first encounter with Saccard sets this up by presenting both the face of a grandmother and the prospect of a proud lover: Elle n’avait jamais été jolie, avec son menton et son nez trop forts, sa bouche large dont les grosses lèvres exprimaient une bonté exquise. Mais, certainement, cette toison blanche, cette blancheur envolée de fins cheveux de soie, adoucissait sa physionomie un peu dure, lui donnait un charme souriant de grand-mère, dans une fraîcheur et une force de belle amoureuse. (A, 96)

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[She had never been pretty, with too strong a chin and nose and a wide mouth with full lips that seemed to express an exquisite kindness. But certainly that white fleece, that flyaway whiteness of fine silky hair, softened her otherwise slightly hard features and gave her the smiling charm of a grandmother, along with the freshness and strength as of a beautiful woman in love. (M, 46–47)]

There is an almost threatening masculinity that exudes from Madame Caroline’s “hard features” (M, 46) (“sa physionomie un peu dure” (A, 96); “son visage de bonté virile” (A, 284)), and her “tall, broad-shouldered” (M, 47) stature, and is also reflected in her character traits. Unlike her introverted brother, she is extremely eloquent about world affairs, has traveled widely, is well-read in economic, philosophical and theological questions and is, moreover, not only an intellectual but also as a successful administrator and manager. “It was she who seemed to be the man of the house,” (M, 48) concludes Saccard right at the beginning and even feels a “secret envy of that tall, broad-shouldered woman” (M, 47). (“enviant sourdement cette taille haute, cette carrure saine.” (A, 96)) It is at this point that the vital importance of her hair comes into play. Thanks to her hair, the sharp proportions of her strength and size are weakened. Together with the mildness of her fluffy, flying, gentle and silky-soft hair, her male features appear whitewashed, “softened and made especially charming” (M, 199). The gentle and mild charm of Madame Caroline’s hair culminates in the image of the self-sacrificing mother5, which is superimposed on that of the devoted lover and endowed with tolerance and patience. Under the gaze of curious, inquisitive men, the narrator repeatedly awards her the desirable power, strength and health of a functioning, female body and moreover, that of a devoted mother. She is “presque maternelle, d’une affection calmante, avec sa vive intelligence et sa droiture.” (221) [“almost maternal with her soothing affection, her lively intelligence, and her honesty.” (M, 148)] The money-usurer Busch immediately stylizes Madame Caroline into the perfect mother figure when he meets her for the first time and decides to turn to her for help rescuing Saccard’s illegitimate son Victor and extorting a high profit from it. Lui-même la fouillait jusqu’à l’âme, la trouvait telle qu’il la souhaitait, si grande, si saine, avec ses admirables cheveux blancs, qui éclairaient de gaieté et de douceur son visage resté jeune; et il était frappé par l’expression de la bouche un peu forte, une telle expression de bonté, que tout de suite il se décida. (197) [He inspected her thoroughly, down to her very soul, finding her to be just what he had hoped for, so tall, so health-looking, with her wonderful white hair which seemed to light

 This “new woman” is the bourgeois wife who, as a mother, takes care of her children and no longer poses a threat to the man in Zola’s novels. See Vinken 1995, 265.

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up her still-young face with a joyous sweetness; and he was particularly struck be the expression of her rather large mouth, an expression of such goodness that he made up his mind at once. (M, 128)]

It is no secret how strongly Émile Zola’s later novels in the Les Rougon-Macquart cycle, such as Le docteur Pascal [1893], are shaped not only by naturalism, but also by a tremendous ethics of vitalism (François 2017, 237), health & healing (Duffy 2015, 194, Leopold 2010, 141–144), and (social) Darwinist eugenics (Séginger 2020, 90–91, Kautenburger 2003, 29–31). “He inspected her thoroughly, down to her very soul” (M, 128) we learn of the pathological gaze of the money collector Busch. With a view to Zola’s Nana, Christopher Rivers has shown the connections between the triad of physiognomy, morality and spirit (Rivers 2005, 137–149), which Zola carries out and does not show here as distortion and negative degeneration, but on the contrary as positive physiognomic attributes of physical health and mental strength. After Busch has inspected her and confided in her about the secret of the lost and wild son, Madame Caroline actually turns out to be a caring mother, finds accommodations for Saccard’s illegitimate son, but, out of shame, does not even dare to point out the existence of this neglected child to his father. Nonetheless, the secret of the son perfidiously further entrenches her in her love affair with Saccard: “Ou plutôt n’était-ce pas l’enfant qui était devenu le lien, le rapprochement fatal entre lui, le père, et elle, la mère de rencontre et d’adoption?” (A, 220) [“Or was it rather the child who had become the link, the fatal bond, between her, the mother through chance and adoption, and him, the father?” (M, 147)] The result is a perverse image of intimate, emotional ties [“une perversion sentimentale” (A, 220)], which serves as an artificial placeholder and frames their sex life in falsified familial terms. The perverse character of this family triangle is particularly evident in the fact that Madame Caroline fails in the category of childbearing, fertile women. The novel contains the ironic punch line that Madame Caroline herself is sterile (see A, 198) and that her supposed “healthy-looking” (M, 128) and vigorous strength turn out to be a false promise. It is precisely she who gets together with a ruthless speculator who sows life everywhere and fathered children and thus embodies an unleashed, irresponsible procreation. Her feminine sterility is paired with this money figure of exuberant, masculine potency and agility. The narrator clearly explains her will to have a sexual relationship with Saccard out of her frustration and her desire for compensation.6 Madame Caroline is said to give herself to him so selflessly precisely because she has no children to devote her-

 For the meaning of the doubly coded appétits between affective economic herds and sexual desires in Zola’s novel L’Argent, see Ungelenk 2018, 260–280.

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self to: “Et une maternité était au fond de son abandon.” (A, 221) [“Her frustrated maternal longings lay at the heart of her abandon.” (M, 147)] In L’Argent, infertility and sexuality for the sake of sexuality occupy the space that bourgeois marriage typically does in Zola’s novels. The redemptive function of marriage can be found in a novel such as Au Bonheur des Dames [1884], in which the innocent, maternal, healthy Denise can finally tame the male seducer Octave Mouret. As Denise and her husband Mouret illustrate, a symbolically restored family redeems all chaos of desire (“la famille soit restaurée”, Schor 1992, 182). This is not the case in L’Argent [1891].7 Sylvie Collot nevertheless regards Madame Caroline as the only female character in all of Zola’s narrative cycles that is completely flawless. (“La seule femme sans défaut de son univers”, Collot 1992, 16) In some ways, the fetish-like discourse that is constantly projected onto Madame Caroline’s hair is merely a stand-in. If anything, her hair represents a vitality beyond biological fertility. Was this initially announced in her “white fleece” and “smiling charm of a grandmother” (M, 47)—an age that lies beyond fertility and reproduction? “Age has no influence on me, I am naïve enough to grow old without noticing …” (M, 62), Madame Caroline reports. “Promises of new life revive me and lift up my heart.” (M, 62) The novel takes this rising vitality to extremes with its last lines, when it even speaks of the moment of rejuvenation that accompanies Madame Caroline’s head of hair. Here, a temporal logic unfolds: it frames “la vieillesse de la terre” (A, 497) [“the old age of the earth” (M, 371)] in opposition to the youthfulness of Madame Caroline and sets her culturalanthropological life experience against the irreversible aging of nature: Et Mme Caroline était gaie malgré tout, avec son visage toujours jeune, sous sa couronne de cheveux blancs, comme si elle se fût rajeunie à chaque avril, dans la vieillesse de la terre. Et, au souvenir de honte que lui causait sa liaison avec Saccard, elle songeait à l’effroyable ordure dont on a également sali l’amour. Pourquoi donc faire porter à l’argent la peine des saletés et des crimes dont il est la cause? L’amour est-il moins souillé, lui qui crée la vie? (A, 497) [And Madame Caroline, with her face ever young beneath its crown of white hair, was joyful in spite of everything, as if she were rejuvenated every April, in the old age of the earth. And at the shameful memory she had of her relationship with Saccard, she thought of the terrible filth with which love too has been soiled. Why then blame money for the dirt and crimes it causes? Is love any less sullied, love, the creator of life? (M, 371)]

 For the progressive dimension of Zola’s late novels see Bertrand-Jennings 1977, 130. Sexuality is not necessarily shameful or a fault for Zola, rather he raises questions about its framing.

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Her “crown of white hair” is coupled with a pure joy of life and an optimistic striving. This last description is presented without a male perspective8, that is, without a specific moment of desire or external evaluation. An aesthetic of renewal and integrity unfolds, patiently recounting the ups and downs of life without negating its filth and corruption. Insofar as the color white has already been associated with modes of indifference (Frost 2011, 283–284), Madame Caroline’s tolerant, persevering, and calm demeanor can be interpreted as a striving to a point of indifference. As a female figure of indifference, she stands for a form of behavior, which, together with the white symbolism, marks the balanced logic of pure integrity and the calming effect of a redeeming and untouchable distance.

Conclusion Vivid white hair emerges from the novel as a trace of life, oscillating between dependence and independence. Phlegmatic sprinkles adorn the symbolism of Madame Caroline’s crown of hair and her patient indifference, illustrating her troubling entanglement with all facets of Saccard’s speculation and the novel’s life principle and storylines. According to my argument, Madame Caroline’s white hair provokes Saccard’s gaze on the one hand and on the other hand repeatedly obstructs his male view as well as the pathological, curious, objectivating perspective of the novel. With the white hair, an obstacle enters the reader’s field of vision, juxtaposing the black placement of the letters and the flow of reading with an erased surface. To put it bluntly, Zola’s white hair creates an area of friction that, on the one hand, provokes the other’s gaze and desire and, on the other hand, disturbs and undermines it. It is a poetological void that opens up around Madame Caroline’s white hair and, as a code for the fleeting, feminine and contradictory, represents a counterpoint to the clear claims and premises of naturalistic narration and the pathological male gaze. Just as the fetish of Catholicism can be identified in Zola as the hidden underbelly of secularized, republican France in the 19th century (Rieser 2018), so too can the hair be understood as a meaningful attribute contrary to an all too literal reading. The white hair undermines an overly calculated and predictable narrative development. In its place, it offers an idiosyncratic dynamism and a vitality, subverting an overly sanitized,

 For the integration of figure perspectives in the authorial narrative approach in Zola see Warning 2009, 159.

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predictable, realistic and restricted version of the social and gendered body. The pictorial language and poetics of white hair preclude an imageless transparency of signs. Unpredictable, soft, fluffy, flirty, and seductive, the white hair sweet-talks the reader and initiates an oscillating poetology of significant surfaces of beguiling materiality beyond epistemological interest, scientific calculation, and a penetrating thirst for knowledge and control.

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Heather Hind

12 Giving the Gift of a Lock of Hair in Elizabeth Barrett Browning’s “I never gave a lock of hair away” and “The soul’s Rialto hath its merchandise” On November 23, 1845, a little over ten months since his first letter to Elizabeth Barrett Moulton Barrett, Robert Browning wrote to her: “Give me, dearest beyond expression, what I have always dared to think I would ask you for […] give me so much of you – all precious that you are – as may be given in a lock of your hair” (Karlin 2006, 159).1 To his request, she responded: “I never gave away what you ask me to give you, to a human being, except my nearest relatives & once or twice or thrice to female friends, .. never, though reproached for it!” (November 24, 1845; Karlin 2006, 159, original emphasis). Barrett’s parrying about the number of locks she has already given away and to whom expresses her reluctance, though not unwillingness, to make this exception and grant Browning a lock of her hair. Her emphasis on giving away the lock is indicative of the anxiety surrounding hair, particularly for women in mid-nineteenth century Britain, when given as a romantic token as opposed to a memento to family or a friend. Browning’s request is, according to Elisabeth Gitter, “next to a request for sexual surrender” (1984, 943), though the erotic implications of the lock of hair do not appear to be the main reason for Barrett’s hesitation. The same evening, Barrett wrote: “To make a promise is one thing, & to keep it, quite another […] I never can nor will give you this thing; – only that I will, if you please, exchange it for another thing […] It shall be pure merchandise or nothing at all” (Karlin 2006, 160, original emphasis). This “thing”, the lock of hair, becomes in Barrett’s oblique response both more and less than the materialisation of an affective relationship. She evades the romantic or sentimental implications of the lock, connecting it instead with more tangible kinds of value, “pure merchandise” that might be traded like for like. Yet Barrett first describes the (at this point, theoretical) lock of hair as a form of promise, intimating that its anticipated exchange brings expectation. The hair, even before it changes hands, begins to forge a bond between donor

 Browning and Barrett’s exchange of 574 letters began on January 10, 1845 with a letter from Browning addressed to “dear Miss Barrett”. See Daniel Karlin’s introduction to Robert Browning and Elizabeth Barrett: The Courtship Correspondence, 1845–1846 (2006). https://doi.org/10.1515/9783110776461-013

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Heather Hind

and recipient. In her turn to bartering, Barrett brings out the promissory economic implications that a lock of her hair might hold as a gift. She foresees the unspoken obligation on the recipient that comes with the giving of such a gift and at the same time she refuses notions of credit. Hence, there is an uneasy paradox in this transaction: it at once rejects and demands reciprocity. To deny the request, politely as an expression of modesty, is the only way to resolve any explicit or implicit assumption of debt. The lock of hair is here identified as a form of proxy currency or goods, “merchandise” to be traded against its value (though, as a sentimental item, this value is highly subjective). To give such a gift might then, if reciprocated, shift the burden back to the initial giver and initiate a chain of giving and receiving that perpetuates and escalates to an even greater burden.2 Finally, because a personal alliance is formed through the act of gift-giving and the gift of hair suggests an intimate relationship, there is a clear romantic dimension to the exchange. The lock of hair given to a suitor constitutes an amatory investment and commitment: it is a statement of intention that implicates Barrett’s body as well as her feelings of affection. The lock is inalienable from her by virtue of being her gift as much as by being her hair.3 Thus, Barrett becomes the gift as the gift becomes her. I do not mean this in the sense of Claude Lévi-Strauss’s argument in Elementary Structures of Kinship (1949) that women are used to fulfil men’s reciprocal obligations to one another through marriage (as a form of gift exchange) in order to establish kinship. It is crucial that Barrett is the agent of this exchange, whether agreeing to part with a lock of her hair or agreeing to a romantic engagement. In defining the terms on which the lock is exchanged as “pure merchandise or nothing at all”, Barrett attempts to displace the personal and affective implications of the lock with fiscal terms. As “merchandise”, a bargain may be agreed, fulfilled, and no more. Barrett is, understandably, wary of becoming both credit and creditor in an exchange in which she gives something of herself to the perpetuating cycle of gift exchange.

 In her foreword to Marcel Mauss’s The Gift (2002), Mary Douglas explains: “The system is quite simple; just the rule that every gift has to be returned in some specified way sets up a perpetual cycle of exchanges within and between generations. In some cases the specified return is of equal value, producing a stable system of statuses; in others it must exceed the value of the earlier gift, producing an escalating contest for honour” (xi).  Theories of the paradox of the gift as a sacred or inalienable possession support this reading. See Annette Weiner, Inalienable Possessions: The Paradox of Keeping-While-Giving (1992) and Maurice Godelier, The Enigma of the Gift (1999).

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In this essay, I will consider two of Elizabeth Barrett Browning’s poems4 concerning a lock of hair, “I never gave a lock of hair away” and “The souls’ Rialto hath its merchandise”, respectively sonnets XVIII and XIX from Sonnets from the Portuguese (1850).5 While the former poem introduces the subject, the latter continues and completes the rhetorical giving and receiving of a lock of hair. This pair of sonnets also align biographically as dramatisations of Browning and EBB’s exchange of locks of hair as recorded in their correspondence.6 Rhian Williams traces the articulation of reserve throughout the sonnet sequence, arguing that “Although littered with apparently unfettered exclamations of the newly loved and newly loving […] the rhetorical mode of the Sonnets from the Portuguese also feels reticent, provisional, even transient” (2009, 85, original emphasis). Isobel Armstrong writes similarly of the “hesitating affirmations of these poems” and “the struggle of the feminine subject to take up a new position which is free of dependency” (1996, 356). This is understood by each in terms of “the sequence’s careful anticipation of marriage” (Williams 2009, 86). I maintain, however, that in these poems it is the exchange of the hair itself, the anxiety inherent in gift-giving of this nature, that supposes the fraught dependency of the speaker. Each poem ponders upon and imagines the various and shifting implications of the gift of a lock of hair, working introspectively through its significations and the anxieties surrounding its exchange. Though locks of hair serve to mediate and materialise romantic and affectionate attachments, they also carry uncomfortable associations with other kinds of value (aesthetic; moral; economic) and contract (promissory; honour; trade). The lock of hair serves as an exchangeable “thing”, though the act of giving such a suggestive bodily object, according to the contradictions of gift exchange, threatens to create burden where there should be bond. Indeed, the seeming insignificance or triviality of the lock of hair belies the scale of the (actual or anticipated) import of its exchange. The tension that runs across the two sonnets, then, lies in the potential hazards of relinquishing such a slippery yet indicative token to another. Though the lock of hair  For ease of reference, I will hereafter refer to Elizabeth Barrett Browning née Moulton Barrett by her preferred initials, EBB, used both before and after her marriage to Robert Browning.  I am grateful to the Armstrong Browning Library, Baylor University, for funding the doctoral research on which this chapter is based through their Visiting Scholars Program. There is a significant amount of hair in the Armstrong Browning Library’s collections, the majority of it deriving from EBB and Robert Browning: forty-five locks of hair (nine in lockets, two in brooches), three hair bracelets, and one hair ring listed across The Browning Collections Catalogue, The Altham Archive, and The Joseph Milsand Archive.  Browning agreed to send a lock of his hair before receiving EBB’s in a letter that employs the same terms of address as EBB’s poem, “I never gave a lock of hair away”: “Take it, dearest” (November 28, 1845; Karlin 2006, 161).

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is rife with unclear and contradictory connotations, EBB’s poems attempt to secure it against ambiguous meanings by articulating its latent significations and framing its underlying values. Herein lie the material poetics of hair in these two poems, as EBB’s speaker signals an indeterminate yet palpable unease in the sense of self caught up in this material and verbal exchange. Moreover, in looking more closely at the metaphors and structures of EBB’s poetry, the criticism that Tricia Lootens makes, that EBB’s sonnets have become “relics of a great love” which have consequently “ceased to read as poems” (146), may be avoided and abated while the way poetic form can serve to emphasise the materiality of its subject is realised. It is because, as Lootens implies, EBB’s poems are poems, and not letters or objects, that their work of representation should be understood as such. EBB addresses locks of hair in her poetry and in doing so transforms them. These poems ponder, elevate, and aestheticise their locks of hair, giving shape and form to their immaterial affects and associations. I will analyse the two poems in three sections, focusing on the giving, trading, and framing of locks of hair, to show how EBB’s poetically figured locks reveal anxiety over their uncertain and unstable meanings, especially when given as a gift.

“Take it”: EBB’s Poetics of Giving EBB’s “I never gave a lock of hair away” works through several of the tensions surrounding the gift of a lock of hair. Though there is a difference between presenting someone with a lock of hair and the representation of presenting someone with a lock of hair, the giving of this gift in both EBB’s letters and her poem is an elocutionary act: the terms of this exchange warrant careful articulation and framing.7 I never gave a lock of hair away To a man, Dearest, except this to thee, Which now upon my fingers thoughtfully, I ring out to the full brown length and say “Take it.” […] (lines 1–5)

The gender dynamics around giving a lock of hair “To a man”, as the speaker notes, have a significant impact on the tone of this transaction and must be con-

 In the correspondence, Browning sent a lock of his hair to EBB before she sent hers to him. In Sonnets from the Portuguese, however, the speaker offers her lock of hair first before receiving one back from the addressee in “The soul’s Rialto hath its merchandise”.

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sidered alongside the gendered implications of women giving away their hair. In Victorian Britain, a lock of hair given by an unmarried woman to a man was (if he was not a relative) taken as an explicit affirmation of their betrothal (Gere 1972, 247; Margulis 2002, 23). Accordingly, three weeks before Browning’s request, EBB wrote to Richard Hengist Horne to refuse a euphemistically termed “memento” of her hair, stating her reason: “because I am a prude, & would not do such a thing except to my female friends or my brothers or claimants of a like force” (November 3, 1845; The Brownings’ Correspondence 2019, 11, 149–150, original emphasis). EBB’s prudishness recognises the complications of acknowledging this request’s possible romantic nature. It was also improper for a woman to accept a lock of hair from a man unless they were betrothed (Bury 1985, 44). In a letter to Mary Russell Mitford, EBB discussed the “tacit sort of engagement” between Henry Mitford and Ann Henrietta Boyd marked by the exchange of locks of hair (February 20, 1840; The Brownings’ Correspondence 2019, 4, 238–242). In an act definitively deemed “CRUELTY” by EBB, Ann’s lock of hair was returned to her wrapped in newspaper a few days later with no note of explanation from Henry – just the implied breaking off of their engagement.8 There is far more, then, at stake in the speaker’s “Take it” (line 5) in “I never gave a lock of hair away” than the relinquishing of some hair. The small action of the lock being offered in the poem belies its metaphoric and affective weight. John Plotz’s framing of Victorian jewellery as having contrary functions and values is pertinent here: “For jewelry to be laden with affect is suitably Victorian; but it is equally true to the times for such jewelry to offer quick access to the world of fungibility, where esteem can be translated readily into property” (2008, 32). Though a lock of hair does not hold the same kinds of value as jewellery, the apparent simplicity of its exchange is nonetheless complicated by the imaginative linking of romantic and fiscal exchange. In economic terms, the lock of hair is a transferable object but will always “belong” in different senses to at least two people – the donor and the recipient – which makes it an unusual commodity. It operates in gift exchange as an inalienable possession: it is transferable but maintains an exclusive identity with its original owner/ giver or in this case, because it is hair, with its donor (Weiner 1992, 33). The speaker offers that which cannot meaningfully be separated from them. Secondly, in romantic terms, the giving of the lock of hair reifies a transferal of

 An 1846 article on “Hair-Love” in Fraser’s Magazine describes this predicament as an all too common occurrence: “A young girl sits alone, with a pale cheek and flashing eyes, holding in her trembling hands a tress of black, shining hair – her own! but which she never thought to have received again thus. […] How well does she recollect when he half begged, half stole it from her, with many a fond caressing word and earnest vow!” (643, original emphasis).

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affect from the donor to the recipient because it is itself a portable repository of affect (Plotz 2008, 32). The “kiss my mother left here when she died” (“I never gave” line 14) that is to be found “pure, from all those years” (line 13) at the close of the poem captures a sense that the lock is not only a symbolically affective material because of its association with its donor, but that it may take on and preserve the affection of another’s touch. Placing the lock as a repository of affect in conversation with its function in gift exchange, it may be that this maternal affect marks the lock as a special kind of matrilineal possession whereby its gifting, in Weiner’s terms, becomes “a prominent way of temporarily making kin of non-kin” (1992, 26). Alternatively, the relinquishing of a lock explicitly associated with the mother may be seen as the displacement of her love by another’s. In either context, the gifted lock as an implied engagement is more clearly a preliminary step towards permanently making the recipient kin in marriage. The addressee is offered a possession that is not only identified with the speaker but a transferable part of them and so they become more tangibly connected. This deeply personal gift is, furthermore, a means of denying or repressing the economic motives and consequences that such an exchange entails. The giving of a lock of hair anticipates and implies the betrothal of the couple and with this the union of their finances and material situations. Negating this dimension of self-interest in the exchange, the gift of hair “provides an effective remedial check on the impersonal nature of commodities themselves” and, as Helen Sheumaker argues, it may be transformed further by the process of its being given (1997, 433). While the context and conceit of the poem mean that the exchange of this lock of hair is already fraught with anxiety and inhibition, its language works the lock into an even more elaborate and suggestive object. The representation of the lock being given transforms it as in the act itself. Because the apparent giving over of the hair in the poem is represented with the verbal prompt to “Take it” (“I never gave” line 5), the exchange of the lock incorporates a manner of speech-act or performative utterance, not only by saying but also by doing, effecting a new state of affairs (Austin 1975, 25). A vow is spoken upon and through the lock of hair which provides a material correlative to an immaterial process. The lock stands in as something to be exchanged between the lovers whose promise to each other would be, in the absence of such a token, evanescent speech (even if words alone might, in J. L. Austin’s view, be performative). It gives form to a promise and in so doing enables the speaker to linger upon it. The preceding fourth line of the poem, being entirely monosyllabic with stresses falling on “ring”, “full”, and “length”, correspondingly draws the lock of hair out, elongating and accentuating the expanding material as it is teased out of its deceptively compact curl.

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Still, as an act of betrothal, there is apprehension leading up to the exchange of the lock despite the speaker’s apparent resolve. The inversion of feet in the second line places clear and halting emphasis on the “man” addressed but, as a consequence, produces less certain stress within the subclause “Dearest”. Whether “Dearest” scans unstressed or trochaic (in either case split across two feet), emphatically “Dear” or not, the pause it creates betrays a doubtfulness as well as deference towards the addressee. So too in the completion of the line, since the assonant “ea/ee” shared between “Dearest” and “thee” is shadowed by the open “e” of “Dearest” and “except”, thus reinforcing the sense that the speaker’s portentousness is coupled with uncertainty. In this, not only is the lock of hair given the exception but the addressee too as the gift collapses the distinction between giver and recipient. In the Courtship Correspondence, it is conversely Browning who writes “Take it, dearest” (November, 28 1845; 161), presumably sending a lock of his hair with the letter. The speaker’s “Dearest … Take it” (“I never gave” lines 2, 5) might, with this possibility in mind, be formulated as an echo of or response to the addressee and a reciprocated gesture: they have first given so that they may now take. Yet though the instruction to “Take it” appears assertive, the speaker crucially does not say “I give it”. The gift is given up but not given over, lingering on the hesitation. To give a gift is to become dependent on an amicable reception and return. Here, it remains for the addressee to acknowledge the gift as well as to reciprocate. EBB twice urges that a lock of hair must be given freely in her letters to Mary Russell Mitford, by which she means the donor must be free to refuse the request. On August 19, 1841, she asks: “Wd you send me the least shred of your hair, my beloved friend? Wd you?– It wd be such a gift. Yet say no, freely, if you think no” (The Brownings’ Correspondence 2019, 5, 111–113). A few days after on August 25 she returns to the subject: “But you dont say whether you mean to give me (in exchange) the precious shred of hair. Refuse it if you like – say ‘no’ freely in a moment! – only not because you dont think I love you enough!” (The Brownings’ Correspondence 2019, 5, 114–116).9 The invitation of refusal is not simply a matter of politeness or deference on EBB’s part. It is a necessary predicate on which the lock of hair gains additional significance. It frames the request as unlike a regular request, acknowledges that it places

 EBB and Mary Russell Mitford later corresponded over the gift of Mitford’s father’s hair, which was sent to EBB worked into an onyx and pearl ring. On January 14, 1843, EBB writes: “Of course it is there – & very distinctly plaited – & I prize it sacredly” (The Brownings’ Correspondence 2019, 6, 287–290).

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unusual pressure on the addressee to respond favourably, and demonstrates that in asking for such a gift one places oneself in a position of risk. The exchange must be based on existing affection. The bestowal of the lock of hair, a thing given as an expression of that bond, is a worthy gift because it cannot meaningfully circulate, be replicated or exchanged for other material. Its individual and bodily nature determine its inalienability from its donor and the act of its bestowal (rather than its being taken or given second-hand) is an intrinsic part of its post-exchange value. In this way, the request and exchange of hair is affect forming and affect contingent. If refused, the request lays bare unrequited feelings (or may at least be perceived in this way) and the relationship may be damaged. If acquiesced, it enhances and elevates a relationship. The gift of hair relies upon and consolidates, rather than creates, affinity.10

“The soul’s Rialto hath its merchandise”: Trading the Lock of Hair In EBB’s “The soul’s Rialto hath its merchandise”, a lock of hair is given from poet to poet and figured through (or, rather, against) the transactions of the marketplace. The soul’s Rialto hath its merchandise; I barter curl for curl upon that mart, And from my poet’s forehead to my heart, Receive this lock which outweighs argosies, – (lines 1–4)

The poem intertwines the figures of hair and gold or, as in the exchange of letters between EBB and Browning, “merchandise” (line 1), playing on the diction of commerce and trade associated with the lock while emphasising, too, a poetic context of exchange. The poem’s foremost mercantile metaphors – the Rialto or marketplace; the merchandise to be traded; the mart itself; the argosies or merchant ships and the goods they carry – frame the lock of hair as a commo-

 Similar issues are at play when negotiating the gift of one’s child’s hair. EBB wrote fondly of her son Pen’s hair in her letters and occasionally sent locks out to her friends, proud of but precious about his long golden ringlets, not wishing to cut them too often or too short. She wrote to Joanna Hilary Bonham Carter, “I will send you in some niggardly way the ‘hairs’ you ask for – confessing myself a miser” (May 25, 1854; The Brownings’ Correspondence 2019, 20, 225–226).

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dity to be bought and sold.11 There is a sense of mobility to these metaphors, that hair might travel as cargo and be taken to and negotiated with upon a physical marketplace, which conjures the postal network (the means by which EBB and Browning initially exchanged hair) and the European hair trade of the midnineteenth century. These metaphors suggest, too, that there is a monetary value to be derived from hair through its transformation by labour (refining, working, marketing) as well as some value inherent in the material. A lock that “outweighs argosies” supposes its correlation with gold, or in Marx’s terms “gold-magnitudes” (1990, 84), in its iteration of weight as a measure of value. The way hair merchants bought hair from donors by weight (against its quality) may also be inferred. Referencing an 1865 article on “False Hair: Where It Comes From”, Alfred Sutton explains “the sources from which the market is supplied”: “some being those departments, such as Brittany, where custom enforces among the young people the use of the cap; others the prison or the convent […] Black is brought chiefly from Spain and the north of Italy; golden hair from Germany; and yellow hair from Holland” (1903, 21–22). Hair could be bought from peasant women for very little monetary compensation, or else “with ribbons, handkerchiefs, and other trinkets” (Dodd 1857, 13), since a full head of hair was often much lighter than the price advertised per pound. In processing or working hair, however – whether simply treating, dying and bundling the hair or making it into a wig, hairwork or hair jewellery – hair merchants could make significant profits compared with the pittance given to the donors of the hair. The poem’s mercantile metaphors apprehend trading and working hair as a process that creates or realises value, though this lock is shown to exceed mere monetary value in “outweigh[ing]” the measures of exchange. The “curl for curl” trade of locks demonstrates, furthermore, a certainty in the transaction, that the value of the lock does not lie “tenuously in the material”, as Sheumaker posits (1997, 433), but more assuredly in its form. The mercantile metaphors of “The soul’s Rialto” in this way hint at both the likenesses and the distinctions between the lock of hair and hair sold and traded as a commodity. The poem’s other metaphors are a little more difficult to decipher. The motion from the “forehead to my heart” of line three returns as “on my heart, as on thy brow” (line 13), as the exchange of curl for curl is once again envisioned in

 The Venetian setting recalls Shakespeare’s The Merchant of Venice, with EBB’s barter of “curl for curl” (line 2) redolent of the exacting bodily contract of a pound of flesh which will be deemed void and recompense sought, Portia reasons, “if the scale do turn / But in the estimation of a hair” (IV.i, lines 326–327). The lock of EBB’s poem, “outweigh[ing] argosies” (line 4), feels the pressure of this allusion.

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the repetition and reversal of images. But this first motion, followed by the affirmation that the speaker will “Receive this lock” (line 4), creates a curiously sacramental allusion. The sign of the cross is figured within the poem’s ostensibly commerce-laden first quatrain. If the black lock is, despite its shade, taken as an analogue of gold in its relation with material wealth, the tangling of the two metaphors and the prevailing diction of trade, barter, and riches would seem to cast its quasi-religious reception as idolatrous. If the lock’s associations are first and foremost spiritual, with worldly riches as a point of contrast, the lock aligns more with the conceit of the lock of hair as a medium through which to glimpse the donor’s salvation. Accordingly, in another of EBB’s poems, “Only a Curl” (Last Poems, 1862), the fair lock of hair of a dead child is articulated as a sign of and link to heaven. The interpretation that acknowledges both possibilities, and that seems to best fit with the sense of the lock as a material that is being imaginatively worked, is of the sign of the cross in the poem as prefiguring a wedding ceremony. As with “I never gave a lock of hair away”, the speaker recognises the lock as a token of betrothal, except that this lock is the other side of a promise fulfilled. The sign of the cross is made before or upon receiving communion (which follows the marriage service) and so the act of mimicking something of this action around the lock affirms its connection with the fulfilment of marriage vows, rather than their anticipation. In lending the lock heat “till mine grows cold in death” (line 14), any lingering sense of anticipation that might be derived from the lock changes too, from facing the union of marriage to looking on to its dissolution. Thus “The soul’s Rialto” both brings resolve and prefigures the lock in its inevitable purpose: to outlast and remember the dead and memorialise their lived relationships. “The soul’s Rialto” takes up many of the ideas of “I never gave a lock of hair away”. However, if the first poem begins the process of poetically working through the implications of giving a lock of hair, the second reworks the subject. It reverberates with the allusions of the former poem, yet is more a response than a cadence. There are several points of replication between the poems: the speaker’s own hair which casts “shade on two pale cheeks” (line 9) returns as the “bay-crown’s shade” and then “shadows” of another’s dark hair made “safe from gliding back” (lines 8, 11); “The kiss my mother left” on the speaker’s hair (line 14) turns to the “smooth-kissing” of another’s lock (line 10); and the memory of the mother that “died” (line 14) gives way to the speaker’s own future, “cold in death” (line 14). There is a shift in tone, not quite from passive to active or from looking back to anticipating the future, but enough that the mirroring of these images between the poems appears as a series of hazy reflections. The exchange of “curl for curl” (line 2) is in this way not precisely like for like, but a payment in kind, a reciprocated gesture that strengt-

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hens the relationship between the donors: it provides mutual assurance. That the two poems seem to respond to one another hints that the two curls, as their donors, might be likewise intertwined.

EBB’s Plait: Framing the Lock of Hair These two poems may also be coupled with a material object and record of the Brownings’ relationship: a dried bay leaf kept from their visit to the Garden of Palazzo Lanfranchi in Pisa in 1846, the year they were married. The bay leaf is placed within a plait of EBB’s hair cut during her illness in 1823, when she was around the age of seventeen (ABL: H0475; see Fig. 1). The grey plait, with only a few brown strands still retaining their colour, blends with the washed out sepia tones of the leaf and label. The bay leaf is likewise bleached and time-worn, cracked a little at the centre. To look beyond the signs that two hundred years have past, almost, since the plait was cut, we might see that this frame unites a token of youth and illness with a mark of renewed life. Though not quite past and present, or beginning and end, the plait and leaf signify a life lived (up to the point the plait was cut) against a life still to live. The leaf, the souvenir of a honeymoon, in remembering a happy day spent together, looks forward to more to come.

Fig. 1: Lock of EBB’s hair cut during her illness of 1823; mounted under glass with bay leaf (H0475). Armstrong Browning Library, Baylor University, Waco, Texas.

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Together in this frame, these objects shift in connotation from nostalgic or mournful to forward-facing, hopeful, a sign of possibility. The plait and leaf display the past, the receding moments in time at which they were taken up and kept, but equally display the present and even the future, preserved for eternity. This composite piece, mounted under glass, unites a familiar token of youth (and its decline) with something novel, a mark of new beginnings, much like the two poems under consideration. These otherwise unrelated relics are shown, in their alignment, to form part of the same record. This combined memento engenders what Geoffrey Batchen terms a “temporal oscillation”, a collapse in “any distinction between being and becoming” in the intersection of discrete moments (2004, 33). Batchen’s discussion specifically concerns jewellery that incorporates photography and hair. He argues that the distinct moments suggested by this collection of things (photograph, hair, jewellery) mean that no moment is privileged. The photograph displays the past, the receding moment in time at which the image was captured, and the lock of hair displays the present, even the future, as a metonymic figure of the body rendered timeless as an (almost) incorruptible token (Batchen 2004, 41). Yet, for the plait of EBB’s hair and the leaf, the reverse appears to be true. The plaited lock of hair, in relation to the subsequently collected leaf, recedes into the past. The leaf announces, within the circle of the plait like the innermost growth ring of a tree, an altered present (stitched to the frame while it was still green and pliant) and a figure for the future. Like EBB’s lock of hair sonnets that continue and rework their subject, these objects work (with) one another to reshape and reimagine the form and meanings of the memento.12 To read the two poems against this memento, it would appear that the plait of EBB’s girlhood manifests the retrospection of “I never gave a lock of hair away” – “My day of youth went yesterday; / My hair no longer bounds to my foot’s glee” (lines 5–6) – its grey hue overwhelming the few warm brown strands that thread scantily through, faded in illness and bleached over time. There are frayed hairs along the length of the plait which tucks beneath the frame, as if to reinforce its inertia, trapped by its protective enclosure. The long plait is imperfectly done, its uneven strands weaving from side to side as it tapers to the end. In this visual cue of weaving, a further link to EBB’s poems emerges. Where “I never gave a lock of hair away” is assonant in every endrhyme (which might be notated as ay/ee/ears/ide), “The soul’s Rialto” holds significantly more consonance: “mart” / “heart” (lines 2, 3), “athwart” / “coun-

 The “bay-crown’s shade” (line 8) of Sonnet XIX may even correspond with the bay leaf preserved here.

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terpart” (lines 6, 7), “black” / “back” / “lack” (lines 9, 11, 13). This consonance helps to aurally punctuate the lines, which are also a little more frequently end-stopped than the prior poem, reinforcing a change in the speaker from hesitation to surety: the lock brings the assurance of shared feeling. More certain, too, is the poem’s metrical structure which deviates or, as it would seem in “I never gave a lock of hair away”, hesitates only once at “Here on my heart” (line 13). This deviation, contrary to its effect in the prior poem, does not produce a sense of uncertainty. Quite the opposite, it illustrates certainty, a deliberate syntactic and physical placement of the lock here. The last consonant triad of “The soul’s Rialto” – “black” / “back” / “lack” (lines 9, 11, 13) – is particularly striking because it breaks the first iteration of “black” into two near-like forms. The rhymes of “back” and “lack” become a near-duplication of the shade which must be spliced back together to make the whole. Alternatively, this breaking of the “black” lock might suggest its capacity to be split into strands and woven into a new form. Sibilant line endings are interspersed throughout the poem, “merchandise” / “argosies” / “eyes” / “surmise” (lines 1, 4, 5, 8) and “breath” / “hindereth” / “death” (lines 10, 12, 14) which, alternating with consonance, effect another means of weaving, patterning, and enclosing the subject of the lock to match its material curl, coiling back on itself, and the act of its being physically tied by the speaker (line 11). The sonnet, like the physical frame around the plait and the leaf, composes and works the subject, playing upon the curl’s physical form and latent meanings. A few weeks after Browning’s request for a lock of EBB’s hair, she sent it to him in a ring bearing her nickname, “Ba”. Once more, the lock of hair is coiled into a frame of sorts – this time a ring, which renders more explicit the romantic and specifically betrothal implications of the hair – showing the capacity of form, whether material or poetic, to bring out the latent significations of its matter. EBB’s enclosing her hair in jewellery recognises its value, even if that value is still subjective and to be determined by the recipient. Browning had the ring resized so that he could wear it. When he received the ring back from the jeweller, however, EBB’s lock of hair was missing. She sent him another one, Browning reasoning that “it seems probable that there was no intentional mischief in that jeweller’s management of the ring – the divided gold must have been exposed to the fire, – heated thoroughly, perhaps, – and what became of the contents then!” (December 15, 1845; The Brownings’ Correspondence 2019, 11, 240–241). Though an accident, this happening realises one of the many anxieties involved in entrusting the hair of loved ones to the care of a jeweller. In light of the rise of more elaborate hairwork fashions and the parallel rise in the alleged misconduct of some hairworkers, the idea that a jeweller might misplace and even destroy the hair given to them underscores, albeit to

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an extreme degree, the sense of peril in entrusting one’s hair to another to be kept, returned or reciprocated, and its value understood. To work hair with one’s own hand, or perhaps not to work or exchange it at all except, through its imagined associations, poetically, appears at least a surer means of preserving and securing its material and meaning.

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13 Vom (Ab-)Schneiden eines alten Zopfes – Haar-Spaltereien in Rodenbachs Bruges-la-Morte Wenn es, will man den Blick in die Zukunft richten, sprichwörtlich darum geht, „alte Zöpfe abzuschneiden“, dann spricht das Verhalten des Protagonisten Hugues Viane in Georges Rodenbachs Roman Bruges-la-Morte (1892)1 diesem Ansinnen Hohn. Er, der das zum Zopf geflochtene abgeschnittene Haar seiner verstorbenen Frau in einem Reliquienschrein aufbewahrt und es wie ein Museumsstück ausstellt, verharrt geradezu obsessiv in seiner retrograden Orientierung auf eine entschwundene Vergangenheit. Diese gilt es ihm vor Entweihung zu schützen und zu konservieren. Wird das Abschneiden der (eigenen) Haare bei einer lebendigen Frau gerne als Reaktion auf ein ‚einschneidendes‘ Lebensereignis und als emanzipatorischer Akt der Befreiung von überkommenem Ballast gedeutet, indiziert Hugues’ (Toten-)Kult um den auf dem Sterbebett abgetrennten Zopf hingegen Bändigung und Stillstellung. Der symbolisch aufgeladene Haarschopf der Verstorbenen bildet das neuralgische Zentrum, um das die Erzählung kreist, den Knotenpunkt, in dem sich Text- und Haarstruktur verdichten. Er ist Gegenstand quasi-religiöser Verehrung und als solcher mit einem Tabu belegt. Als der Zopf sich um den Hals der widerspenstigen Geliebten Jane (in der Hugues eine Wiedergängerin der Toten erkannt haben wollte) schlingt, um ihn zu durchschneiden wie ein Spaltwerkzeug, changiert er vom toten Objekt zum Handlungsträger, zur Mordwaffe. Entlang jener Passage des Zopfes vom Ausstellungsstück zum Akteur, der sich gegen seine Profanierung aufbäumt, entfaltet sich nicht nur ein haarspalterisches erzählerisches Potenzial, sondern zugleich eine gespenstisch gegenständliche Poetik. Rodenbachs Roman wird dabei als Flecht‚werk‘ lesbar, in dem die – wenn auch bereits abgestorbene, so doch stets bedrohte – Materie des Haars sich mit der prekären Materialität des Textes verwebt und der Zopf, mittels toter Buchstaben wieder zum Leben erweckt, ein widerständiges Moment markiert, das sich seiner textuellen Domestizierung entgegenstellt. Im Folgenden möchte ich mich bei meiner Lektüre zunächst entlang der verschlungenen Haarfäden und falschen Fährten vortasten, auf die der Roman

 Hier zugrunde gelegte Ausgabe: Rodenbach 1986 (= BLM). https://doi.org/10.1515/9783110776461-014

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Rodenbachs uns mitsamt seinem Protagonisten führt. Nachdem im Zuge dieses close readings (1) der Text selbst zu Wort gekommen ist, soll die eingangs in Aussicht gestellte poetologische Lesart (2) in den Fokus rücken und auf Brugesla-Morte als Textgeflecht zugespitzt werden.

1 Haarfäden und Textfährten – mit Hugues Viane auf den Spuren von „Bruges-la-Morte“ Von Beginn an scheint im Roman nicht nur besagter Zopf der Toten verlebendigt, sondern auch das titelgebende „tote Brügge“2 als allegorischer Handlungsort („la Ville comme un personnage essentiel“ [die Stadt als eine zentrale Figur]), der seine Besucher nach dem eigenen Bilde formt („les façonne selon ses sites“ [sie seinen Stätten gemäß gestaltet]) und sie in ihrem Verhalten steuert3 („qui […] détermine à agir“ [der zum Handeln disponiert]): la Ville orientant une action; ses paysages urbains, non plus seulement comme des toiles de fond, comme des thèmes descriptifs un peu arbitrairement choisis, mais liés à l’événement même du livre [die Stadt handlungslenkend; das Stadtbild nicht mehr nur als Leinwand, als etwas beliebig gewähltes Sujet, sondern mit der Romanhandlung selbst verknüpft]. (BLM, o.S.)

Der Schauplatz, so antizipiert es bereits das kurze Vorwort4, gibt sich beseelt („associé aux états d’ame“ [hat an Gemütszuständen teil]) und nimmt anthro-

 Sofern im Einzelfall nicht anders angegeben, wird die – wenn auch nicht immer ganz präzise – deutsche Übersetzung zitiert nach: Rodenbach 2003 (= DTB). Im Fließtext indizieren der Wegfall von Anführungszeichen in den eckigen Klammern und das Fehlen einer Belegstelle jeweils eigene Übersetzungen der Verfasserin.  Die kreative und handlungsleitende Potenz Brügges lässt die Stadt demnach nicht nur personifiziert – hier im Französischen unüblich mit Majuskel als la Ville – auftreten, sondern schreibt ihr noch darüber hinaus Funktionen zu, die im katholischen Imaginarium Hugues’ dem Schöpfergott (Dieu créateur) und Weltenlenker vorbehalten sein sollten. Von der gleichen Tendenz zur Vergöttlichung zeugt nur wenig später im Text die Evozierung der Verstorbenen in Gestalt ihres hinterlassenen Zopfes mit dem großgeschriebenen Personalpronomen „Elle“ (BLM, 22 [meine Hervorhebung, T.Sch.]), das sie – re-präsentiert durch ihr Haar – zur anbetungswürdigen Hausgöttin erhebt.  „Avertissement“ (BLM, o.S.). Alle Zitate in diesem und im nächsten Absatz stammen daraus und wurden daher ohne Angabe einer Seitenzahl übernommen. Da das Vorwort in der deutschen Ausgabe (DTB) fehlt, werden die zitierten Textstellen in eigener Übersetzung ohne Anführungszeichen wiedergegeben.

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pomorphe Züge an: „cette Bruges […] apparaît presque humaine…“ [dieses Brügge erscheint beinahe menschlich]. Folgt man dieser impliziten Leseanweisung, so ist Brügge mehr als die bloße Folie, vor deren Hintergrund sich das Geschehen abspielt. Die Funktion der Stadt geht nicht darin auf, Themen und Motive zu setzen. Vielmehr wird sie selbst gleichermaßen Gegenstand wie strukturierendes Moment der Erzählung. Die auf den ersten Blick rein dekorativ anmutenden Bauwerke („quais, rues désertes, vieilles demeures, canaux, […] églises, […] beffroi“ [Kais, verlassene Straßen, alte Gebäude, Kanäle, Kirchen, der Belfried]) markieren nicht nur Schau-, sondern Umschlagplätze. Mehr noch: Sie wirken an der diskursiven Konstruktion der Fabel mit („ces décors de Bruges collaborent aux péripéties“ [jene Kulissen von Brügge arbeiten den Wendepunkten zu]). Spuren der leibhaftigen Präsenz Brügges sind der Originalausgabe nicht zuletzt durch die Reproduktion von 35 Photographien5 eingeschrieben, in denen sich die genannten Szenerien des Romans auch ikonisch manifestieren. Mit dem sowohl textuellen wie bildlichen Heraufbeschwören der Stadt, heißt es sinngemäß weiter, verstärke sich jener synästhetische Effekt der Ansteckung, dem der Roman seine Leser:innen aussetze, das Dahinplätschern des Wassers, das auch sie erfassen möge, das düstere Gefühl zwischen den hohen, den Seiten des Buches entlang aufgereihten Türmen. Schon dem Paratext – als Schwellenort im Sinne Gérard Genettes (1987) – lässt sich demnach eine enge Verflechtung von histoire und discours entnehmen.

1.1 Dea abscondita – „Zopf sein“ als pars pro toto, oder: das Haar für die Frau In seinem Haus am Quai du Rosaire, das sich seinerseits im Wasser spiegelt, sinniert Hugues zu Beginn des Romans über die buchstäbliche Einsilbigkeit seines Status als Witwer6: „Veuf! Être veuf! Je suis le veuf!“ Mot irrémédiable et bref! d’une seule syllabe, sans écho. Mot impair et qui désigne bien l’être dépareillé. (BLM, 19)

 Bedenkt man die mortifizierende Geste des Photographierens, die eine Momentaufnahme einfriert, so leistet sie wie das über den Tod hinaus intakte Haar das Paradoxon einer Verlebendigung in der Erstarrung. Vgl. Rifelj 2010, 35.  Vgl. dazu auch Komandera 2011, 40.

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[„Witwer – Witwer sein! Ich bin Witwer!“ Ein unheilbares, abgerissenes Wort. Eine kurze Silbe mit tonlosem Nachhall. Eine gute Beschreibung für ein Wesen, dem die Hälfte fehlt. (DTB, 141)]

Jean-Pierre Bertrand (1993, 26) hat darauf aufmerksam gemacht, dass Hugues’ Geschichte – sein ‚Roman‘, wenn man so will – noch vor Einsetzen des eigentlichen Textes von Bruges-la-Morte ein jähes Ende gefunden habe: Zum Zeitpunkt der Erzählung, fünf Jahre nach dem Tod seiner Ehefrau, hat er die Freuden des Lebens längst hinter sich gelassen, den Gleichklang zweier Seelen, die einander wie die beiden parallelen Hafenmauern ein und desselben Kanals wechselseitig reflektieren – „l’accord des âmes […], comme les quais parallèles d’un canal qui mêle leurs deux reflets.“ (BLM, 19) [„(I)hre Seelen waren sich so nahe wie die gleichlaufenden Uferborde eines Kanals, der ihr Abbild vereint widerspiegelt.“ (DTB, 141)] Seither regiert die früh Dahingeschiedene, in Hugues’ Erinnerung mit allen Attributen einer femme fragile versehen, bleichgesichtig und wächsern – „fanée et blanche comme la cire“7 (BLM, 20) –, als Dea abscondita über Haus und Text. Genauer gesagt, ist es das pars pro toto ihres abgeschnittenen Zopfes8 – „tresse interrompue, chaîne brisée, câble sauvé du naufrage“ (BLM, 22) [„ein zerrissenes Geflecht, eine zerbrochene Kette, ein Tau, (…) aus dem Schiffbruch gerettet“ (DTB, 144)] –, das als Fragment und Fetisch9 von ihrem immerfort Anwesendsein in absentia10 zeugt. Unverändert bernsteinfarben („d’un jaune d’ambre“ [von einem Bernsteingelb]) „et d’un or sans âge“ (BLM, 20–21) [„und von einem den Jahren trotzenden Goldglanz“ (DTB, 144)], sind die Flechten dieses Zopfes über und über benetzt mit den Küssen und Tränen des Trauernden. Einst fielen der noch Lebenden die gelösten Haare in sanften Wellen den Rücken herab11 – eine Lockenpracht wie jene der Heiligen Jungfrauen auf den Gemälden der flämischen Alten Meister (Abb. 1 und 2), die den Betrachter anmuten, als seien sie im Gebet

 Von Oppeln-Bronikowski übersetzt an dieser Stelle unzutreffend: „bleich und gelb, wie das Wachs der Totenkerzen“ (DTB, 142 [meine Hervorhebung, T.Sch.]). Wörtlich könnte die Übersetzung lauten: „verblichen und weiß wie Wachs“.  Vgl. auch Beuchat 2004, 491; Dineva 2020, 27.  Vgl. schon Lowrie 1996, 52.  Der Frage nach der Anwesenheit in Abwesenheit widmet sich ausführlich Komandera 2011. Für ein abwesend Anwesendes steht die Spur.  Bezeichnenderweise liest sich der Text bereits an dieser frühen Stelle doppeldeutig, antizipieren die „frissons calmes“ [stillen Schauer] (BLM, 20), in denen die langen Locken ihr den Rücken hinunterlaufen, doch schon den Thrill, der in diesen Haaren lauert.

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gefertigt.12 Jetzt, so scheint es Hugues, schlummert das Gesicht der Toten auf dem Grund eines jeden Spiegels, blickt ihr Porträt mit dem noch rosigen Teint ihn aus allen Winkeln der Wohnung an, bewahrt jedes Sofa, jeder Sessel, auf dem sie zu Lebzeiten jemals gesessen hat, auf ewig die Konturen ihres Körpers.

Abb. 1: Jan van Eyck: Die Madonna des Kanzlers Nicolas Rolin (um 1435).

Seinen kostbarsten Schatz, das Relikt ihres Haarschopfes, hat Hugues nicht etwa im dunklen Sarkophag einer Schublade verschwinden lassen, sondern unter Glas drapiert, gleichsam bloßgelegt, um das Objekt seiner Anbetung stets im Blick zu behalten: „[p]our la voir sans cesse, […] cette chevelure qui était encore Elle“13 (BLM, 22) [„Um es unaufhörlich vor Augen zu haben, (…) dieses Haar, das noch immer ein Stück von ihr war“ (DTB, 144)]. Der nackte Zopf („la

 „[E]ux qui peignaient comme on prie!“ (BLM, 80), heißt es über jene Maler [„Ja, sie malten, wie man betet!“ (DTB, 192)].  Zur Großschreibung vgl. die Ausführungen in Anm. 3. Die gleichsam amputierte Tote hat oder trägt ihren Zopf nicht mehr; vielmehr ist sie ganz in diesem früheren Attribut aufgegangen und zu Haar geworden – kurz: ganz Haar. Hugues’ verzweifelter Versuch einer Restitution verlorener Ganzheit entlarvt sich spätestens dann als Phantasma – als Fiktion –, wenn er Jane fleischlich, mit ihrem ganzen Körper, begehrt, von ihm unter ihrem Fenster aber nur „l’ombre flottant dans les plis des rideaux“ (BLM, 85) [„den huschenden Schatten auf den Falten des

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Abb. 2: Rogier van der Weyden: Der Heilige Lukas porträtiert die Madonna (1440).

tresse nue“ [BLM, 22]) ruht, gegen Staub, Feuchtigkeit und Verwesung luftdicht abgeschlossen und doch vor aller Augen gut sichtbar ausgebreitet („étalée et visible“ [BLM, 21]), in seinem Kristallsarg inmitten des Wohnzimmers. Darin schreitet der Witwer Tag für Tag die Stationen seines selbst errichteten Kreuzwegs der Liebe ab. Doch bei aller Lizenz zum Schauen herrscht ein striktes Berührungsverbot, eine heilige (Ehr-)Furcht vor der unheimlichen Präsenz des sakrosankten Zopfes: Il n’aurait pas osé la prendre ni tresser ses doigts avec elle. C’était sacré, cette chevelure! […] il fallait n’y jamais toucher. Il devait suffire de la regarder, de la savoir intacte, de s’assurer qu’elle était toujours présente […]. (BLM, 54)

Vorhangs“ (DTB, 84)] mit Blicken erhaschen kann. Anregend waren hier die Überlegungen allgemeiner Art von Benthien und Wulf 2001.

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[Er hätte es nie und nimmer herausgenommen oder durch seine Finger gleiten lassen. Dieses Haar war heilig! (…) man durfte nimmermehr daran rühren. Genug, wenn er es betrachten konnte und es unberührt wusste, wenn er sich jederzeit versichern konnte, dass es da war (…). (DTB, 168)]

Hugues’ eigene Haare sind dagegen zu Asche verblasst, „pleins de cendre grise“ (BLM, 25) [„mit grauer Asche bedeckt“ (DTB, 145)]. Wie ein lebendiger Toter geistert er allabendlich durch die Straßen des ausgestorbenen Brügge, „la plus grande des Villes Grises“ (BLM, 50) [„der größten jener berühmten ‚grauen Städte‘“ (DTB, 166)], die in der „tristesse tombale du lieu“ (BLM, 78) [„Grabestrübsal dieses Ortes“ (DTB, 189)] seine Trauer zu verkörpern und wo jeder Tag wie Allerheiligen zu sein scheint („où tous les jours ont l’air de la Toussaint“ [BLM, 50]). Beim Flanieren entlang der Kanäle glaubt er das Ophelienantlitz seiner verlorenen Gattin wiederzuerkennen, so dass Gaston Bachelard (1942, 21) von der „ophélisation d’une ville entière“ [Ophelisierung einer ganzen Stadt] gesprochen hat, deren Fluidum sich einprägt, ja einimpft: A l’épouse morte devait correspondre une ville morte. […] Bruges était sa morte. Et sa morte était Bruges. […] C’était Bruges-la-Morte, elle-même mise au tombeau de ses quais de pierre, avec les artères froidies de ses canaux […]. (BLM, 25–26) [Der toten Gattin musste eine tote Stadt entsprechen. (…) Brügge war seine Tote. Und die Tote war Brügge. (…) Das tote Brügge war selbst bestattet im Grabe seiner steinernen Grachten, und erstarrt waren die Adern seiner Kanäle (…). (DTB, 146)]

Aus den Tiefen der Wassergräben dringt Sirenengesang an Hugues’ Ohr, betört und umgarnt ihn14 mit dem Lockruf des Todes: Il semblait […] qu’une voix chuchotante montât de l’eau – l’eau s’en venant au-devant de lui, comme elle vint au-devant d’Ophélie […]. Plus d’une fois il s’était senti circonvenu ainsi. Il avait entendu la lente persuasion des pierres; il avait vraiment surpris l’ordre des choses de ne pas survivre à la mort d’alentour. (BLM, 26–27) [Ihm war (…), als tauchte eine Flüsterstimme aus dem Wasser auf, dem Wasser, das ihm entgegengeflossen kam, wie es Ophelia entgegengeflossen war (…). Mehr als einmal hatte er sich so hinterhältig umzingelt gefühlt. Er hatte die langsame Überredung der Steine vernommen; er hatte wirklich den Befehl der Dinge erlauscht, den Tod ringsum nicht zu überleben. (DTB, 147)]

 Inge Stephan (2001, 31) assoziiert mit dem Haar der Sirenen und Wasserfrauen das „Motiv des Verschlingens“.

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Vor seine sinnliche Wahrnehmung schieben sich die Filter von Märchen (Schneewittchen im Glassarg15) und Mythen16 (um hier nur das Goldene Vlies17 zu nennen), von Malerei („[l]es Vierges des Primitifs“18 [BLM, 20]) und Literatur („les fossoyeurs de Shakespeare“19 [BLM, 27]) – exemplarisch kondensiert in den Gemälden der primitifs flamands oder der schönen Wasserleiche Ophelia20 (Abb. 3) aus Shakespeares Hamlet. Hugues sieht sich mit einem sechsten Sinn begabt, der unaufhörlich Analogien herstellt – so etwa zwischen den stehenden, vom Zugang zum Meer abgeschnittenen Gewässern Brügges und dem gekappten Zopf der Namenlosen – und zum générateur einer „télégraphie immatérielle“ (BLM, 50) der Ein-Bildungen und Überblendungen wird, zum „unsichtbaren [d. i. körperlosen] Zeichenaustausch“ (DTB, 165).

1.2 Dea ex machina – „Zopf haben“ als totum pro parte, oder: die Frau für das Haar Eine folgenschwere Begegnung ist modelliert nach Baudelaires Großstadtgedicht A une Passante (Baudelaire 1975).21 Während Hugues sich auf einem seiner Pilgerzüge durch Brügge, inspiriert durch die Kontemplation der Gräber Karls des Kühnen und seiner Gemahlin Maria von Burgund in der Liebfrauenkirche – einem Bild vollkommener Gattentreue über das irdische Leben hinaus – in eine mystische Vision der Toten versenkt, ereignet sich plötzlich, wie aus dem Nichts („sorti du néant“ [BLM, 33]), eine Epiphanie: „Ce fut une secousse, une apparition.“ (BLM, 28) [„Es war wie ein Donnerschlag, eine überir-

 Auf diese Motivfiliation hat zuerst Elisabeth Bronfen (1994, 485) hingewiesen.  Weiterführend zur Mythencollage in Bruges-la-Morte: Stillers 1997.  La Toison d’or. Im Französischen meint toison nicht nur das Vlies (Fell, Wolle), sondern auch die „Haarpracht“ oder (Körper-)„Behaarung“. Diese Polysemie stellt die gleichnamige Erzählung von Théophile Gautier aus dem Jahre 1839 ironisch vor Augen, indem sie einen jungen Pariser Ästheten sich in Flandern auf die Spur exakt jener goldblonden Färbung des Haars begeben lässt, die er allein auf einem sakralen Rubens-Gemälde in ihrer ganzen Reinheit verwirklicht sieht. Hinter der gemalten Perfektion muss das Haar seiner Geliebten, das diesen Ton nur annäherungsweise trifft, zwangsläufig zurückbleiben. Parallelen zum PygmalionMythos und zu Bruges-la-Morte sind nicht zu übersehen.  Gemeint sind die Madonnen der einheimischen Alten Meister.  Anspielung auf „die Totengräber [Ophelias] bei Shakespeare“ (DTB, 147).  Rodenbach dürfte sie über die (doppelte) Vermittlung durch das Ölgemälde Ophelia des Präraffaeliten John Everett Millais (Abb. 3) gegenwärtig gewesen sein, das heute in der Londoner Tate Britain aufbewahrt wird.  Vgl. den Hinweis bei Bertrand 1993, 27.

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Abb. 3: John Everett Millais: Ophelia (1851–1852).

dische Erscheinung.“ (DTB, 149)] Angesichts einer vorbeieilenden Schönheit bleibt Hugues wie angewurzelt stehen: „il s’arrêta net, comme figé.“ (BLM, 28) [„Er blieb starr stehen, (…) wie angeheftet.“ (DTB, 149)] Was ihn – „attiré et effrayé à la fois“ – zugleich anzieht und in Schrecken versetzt, ist die verblüffende Ähnlichkeit der Fremden mit der beklagten Toten. Beide Frauen gleichen einander aufs Haar genau, das bis in die feinste Nuance hinein von einem identischen gelblichen Farbton – „d’un jaune fluide et textuel“22 (BLM, 29) – ist, so dass eine mit der anderen über das „ungeteilte“ Haar („une chevelure indivise“ [BLM, 41]) verwachsen scheint. Wie ein weiblicher Lazarus erwacht Hugues’ Tote nun ganz und gar zu neuem Leben. Auch seinen eigenen Lebensfunken sucht Hugues am Glanz ihres Haars erneut zu entzünden: „Il fallait […] rallumer sa vie à ses cheveux qui étaient de la lumière.“ (BLM, 33) [„Er musste (…) sein Leben neu entfachen am Brand dieser Haare, die wie aus Licht gemacht schienen.“ (DTB, 153)] Nichts

 Vgl. hierzu Bertrand 1993 und meine daran anschließende Lektüre im zweiten Teil dieses Beitrags. Entgegen der sehr freien Übertragung mit „ein leuchtendes, buchstäbliches Gelb“ (DTB, 150) plädiere ich für das textnähere „ein fließendes, buchstäbliches Gelb“, auf das sich meine Argumentation im Weiteren stützen wird.

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fürchtet er mehr, als die auf wundersame Weise Verlebendigte im Dickicht der Serpentinenstraßen Brügges abermals zu verlieren, „à travers cette vieille ville aux rues en circuits et en méendres“ (BLM, 33) [„in diesem alten Stadtteil mit seinen gewundenen und im Zickzack laufenden Gassen“ (DTB, 153)]. Der Spur des sich durch die Stadt schlängelnden Medusenhaars folgt er wie traumwandlerisch. Dabei sucht ihn bereits die leise Vorahnung heim, dass er die vor ihm einherschreitende Unbekannte wie schon seine Verflossene unter die Erde bringen wird. Vorübergehend aber scheint selbst „cette Bruges-la-Morte, dont il semblait aussi le veuf“ (BLM, 47) [„das tote Brügge, (als) dessen Witwer er sich (auch) gefühlt hatte“ (DTB, 164)], dem Grab entstiegen. Waltete in Hugues’ zur Kultstätte umfunktionierter Wohnung hinter undurchdringlichen Spitzenvorhängen23 („rideaux de dentelles impénétrables“ [BLM, 91]) die namenlose Tote in ihrer Allgegenwart als verborgene Göttin, so bricht die neue Frau als Dea ex machina in sein Leben ein. Zunächst taucht sie vor der labyrinthischen Kulisse der Stadt mit ihren verschlungenen Wegen und verwinkelten Gässchen („ruelles tortueuses“ [BLM, 32]) in der soeben geschilderten flüchtigen Straßenszene auf, alsdann noch einmal auf der Bühne des örtlichen Theaters, in der spektakulären nächtlichen Friedhofszene der Meyerbeer-Oper Robert le Diable (1831). Hier führt die Unbekannte in der Rolle der Äbtissin Helena das makabre Nonnenballett an, bei dem die in einem Theatercoup von den Toten auferstandenen Ordensfrauen auf ihren Gräbern tanzen, Leichentuch und Kutte von sich werfen („rejetant linceul et froc“ [BLM, 37]) – nur um sich, kaum dass der Spuk ein Ende hat, in hässliche Fratzen zurückzuverwandeln und schließlich wieder zu Staub zu zerfallen. Auffällig ist, dass Rodenbachs Roman die desillusionierende Pointe dieses Totentanzes ausspart und damit einmal mehr Hugues, der die in sich vielfach gebrochene Szene affirmativ liest und sich das Gaukelspiel schönredet, indem er es mimetisch auf seine wiedergewonnene Tote projiziert, als unzuverlässigen Erzähler zu erkennen gibt:

 Hugues’ Blick auf die Außenwelt ist durch diese Gardinen verhangen, „à travers les vitrages, où les personnages […] se détachaient comme les robes peintes sur le fond des images religieuses en dentelle“ (BLM, 100) [„durch die Fensterscheiben (hoben sich) die Gestalten (…) ab wie gemalte Gewänder auf Heiligenbildern hinter einem Spitzenvorhang“ (DTB, 209)]. Die Trennscheibe des Spitzenmusters, „où aboutissent les fils inextricables des bobines“ (BLM, 63) [„zu dem sich die Fäden der verschiedenen Garnröllchen unentwirrbar verknüpften“ (DTB, 178)], kann von ihm nicht durchdrungen werden. Traditionell ist Brügge eine Hochburg des Textilhandwerks der Spitzenklöppelei.

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Le premier soir, ç’avait été une manigance adorable de la destinée. Puisqu’elle devait être pour lui l’illusion de sa morte retrouvée, il était juste qu’elle lui apparût d’abord comme une ressuscitée, descendant d’un tombeau parmi un décor de féerie et de clair de lune. (BLM, 40) [Der erste Abend war wie ein wundervoller Kunstgriff des Geschicks gewesen. Sie sollte ihm die Illusion seiner wieder gefundenen Toten geben, und so gebührte es sich, dass sie ihm zuerst als Auferstandene vor Augen trat und bei Mondschein und Märchenstaffage ein Grab verließ. (DTB, 158)]

Nachdem die Tänzerin Jane und er ein Paar geworden sind, spielt Hugues gerne gedankenverloren mit ihren Haaren, knotet sie auf, flutet ihre Schultern damit und verknüpft sie im Geist zu einem Strang, den es zusammenzuhalten gilt: „il dénouait ses cheveux, en inondait ses épaules, les assortissait mentalement à un écheveau absent, comme s’il fallait les filer ensemble.“ (BLM, 43) Sobald ihr Haar in Unordnung („cheveux en broullamini“ [BLM, 70]) gerät, droht er die Fassung zu verlieren. Als er erfährt, dass dessen exquisite Schattierung „d’un or unique“ (BLM, 37) [„von (einer) Goldfarbe ohnegleichen“ (DTB, 157)] – „ses cheveux d’or rare et d’un alliage qui semblait introuvable“ [ihr außergewöhnlich goldenes Haar mit seiner so gut wie nie anzutreffenden Legierung] (BLM, 39) – durch künstliche Tönung zustande gekommen, also „d’un or faux et teint“ [von falschem, gefärbtem Gold] (BLM, 87) sein soll, ist er außer sich. Längst sucht Hugues Jane wie die ultimative Station seiner via crucis auf, ist sie für ihn doch Trägerin der ganzen Fülle des Haars (totum pro parte) seiner zur Privatheiligen verklärten Toten – „Jane qui possédait, elle, la chevelure toute entière et vivante […] de la morte“ [jene Jane, die das Haar der Toten in seiner Gänze und Lebendigkeit besaß] (BLM, 54). Dass Jane ihn darob für einen Spinner hält, ohne sein seltsames Tun zu durchschauen, entbehrt nicht der Ironie, denn tatsächlich spinnt (er) sich dieses Haargespinst ausschließlich in seinem Kopf zusammen: „comme s’il fallait […] filer [les cheveux] ensemble“ [als ob die Haare miteinander versponnen werden müssten]. Die Inszenierung entgleist, als Hugues sich in die Obsession steigert, Jane in den Kleidern der Verstorbenen sehen zu wollen. An diesem Punkt tritt offen zutage, dass beide Frauen mitnichten vom gleichen ‚Stoff‘ sind. Jane wird ihr eigenes Spiegelbild in der ungewohnten Kostümierung zu einem „vieux portrait“ (BLM, 57), während Hugues’ Versuch, jenes „alte Bildnis“ mit Leben zu füllen, sich als durchsichtige Maskerade erweist, als gegen den Strich („à rebours“ [BLM, 58]) des Erfinders verlaufende karnevaleske Umkehrung, bei der Jane (s)eine Heilige bestenfalls darstellen, sie aber keineswegs verkörpern kann.

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Das Projekt des Protagonisten, beide dichotomen Frauenbilder zur Deckung zu bringen, ist gescheitert.24

1.3 Coda Von nun an stehen die Zeichen auf Rache. Dunkle Vorahnungen plagen Hugues: Er sieht eine unausweichliche Tragödie auf sich zukommen, die ihn „zu irgendeiner Katastrophe führen musste“ (DTB, 187), „l’acheminerait à quelque drame“ (BLM, 74). Der fatale Showdown naht, als Jane ausgerechnet zu Christi Himmelfahrt – am Tag der traditionellen Brügger Heilig-Blut-Prozession, die Passion und Auferstehung Jesu rituell reinszeniert – die Schwelle zu Hugues’ gegen die Außenwelt abgeschottetem Sanktuarium überschreitet.25 Mit unbedecktem Haar („cheveux à nu“ [BLM, 100]) zeigt sie sich am Fenster und zieht damit die Aufmerksamkeit der im Festzug Vorbeidefilierenden auf sich. Alsbald legt sie Hand an Hugues’ Kultgegenstände, „touchant à tout, bouleversant les bibelots, chiffonant les étoffes“ (BLM, 103) [„fasste alles an, warf die Nippsachen durcheinander und verknüllte die Stoffe“ (DTB, 213)]. Die für Hugues äußerste Grenze ist in dem Moment erreicht, da Jane die Flechten der Toten aus ihrem gläsernen Reliquiar entnimmt und damit zu spielen beginnt, „amenant [la tresse] vers […] sa bouche comme un serpent charmé, l’enroulant à son cou, boa d’un oiseau d’or…“ (BLM, 104) [„den Zopf (…) führte sie (…) an ihren Mund, wie eine bezauberte Schlange, und wickelte ihn um ihren Hals, wie die Boa eines goldenen Vogels“ (DTB, 213)]. In seinen Augen begeht sie mit diesem Schlangentanz ein Sakrileg. Wie von Sinnen stürzt er sich auf sie, um ihr den Zopf zu entwinden, der an dieser Stelle zu übernehmen scheint26 und zur Boa constrictor, zur Würgeschlange wird: Gleichsam ferngesteuert durch „la volonté latente des choses“ (BLM, 78), [„(den) verborgene(n) Wille(n) der Dinge“ (DTB, 189)], angestachelt durch die Einflüsterungen des rachlustigen Haars („la chevelure vindicative“), „qui […] laissait entendre que, à la minute où elle serait profanée, elle-même deviendrait l’instrument de mort“ [das zu verstehen gab, dass es im Augenblick seiner Entweihung selbst zum Instrument des Todes werden würde], stranguliert Hugues Jane im Affekt, schnürt die Schlinge um ihren Hals zu, bis ihr die Luft wegbleibt. Nun endlich gelingt ihm, was zuvor nicht glücken wollte, solange eine der beiden Frauen noch am Leben war: Im Tod

 Vgl. Bertrand 1993, 27.  Vgl. auch Komandera 2011, 45.  Vgl. Bertrand 1993, 24.

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sind sie für Hugues ununterscheidbar geworden. „Le cadavre de Jane, c’était le fantôme de la morte ancienne“ (BLM, 105) [„Janes Leiche war das Gespenst der Toten von damals“ (DTB, 214)]. Hier bricht die Erzählung ab; die Ereigniskette ist angehalten. Das Textgeflecht wird – wie der anfangs vom Kopf der Toten abgelöste Schopf – unterbrochen und seinerseits zur „tresse interrompue“. Doch könnte die gerissene Kette („chaîne brisée“) metonymischer Ersetzungen ebenso gut von vorn beginnen, denn tatsächlich endet der Text im delirierenden Gemurmel Hugues’, der, von aller Welt abgeschnitten in seinem imaginären Museum zurückgeblieben, zum Glockengeläut litaneiartig den Titel des Romans aufsagt: „‚Morte… morte… Bruges-la-Morte…‘ […] ‚Morte… morte… Bruges-la-Morte…‘“ (BLM, 106). Was hier auf einen Abzählreim reduziert scheint, führt zurück auf die Fährte der dem Text eingewobenen Poetik.

1.4 Bruges-la-Morte – ein Triptychon? Auch wenn es ihm gelungen sein mag, seiner bizarren Devotionaliensammlung eine weitere Frauenleiche hinzuzufügen, entkommt Hugues bis zuletzt nicht der Logik von Präsenz und Entzug, die der Roman ausfaltet. Sein Dasein hängt in der Schwebe eines „va-et-vient d’éventail, flux et reflux“ (BLM, 85) [„Hinundher wie bei einem Fächer, (…) Ebbe und Flut“ (DTB, 196)] fest. „Bruges“ und „la Morte“, die Stadt und die Frau(en), fallen für ihn im Kompositum „Bruges-la-Morte“ [Brügge-die-Tote] in eins, das den Rang eines Eigennamens erhält. Die eine kann darin für die andere(n) einstehen. Doch obwohl Hugues nicht müde wird, das funktionslos gewordene (Verkehrs-)Netz der Brügger Kanäle mit dem in der Vitrine weggesperrten Zopf kurzzuschließen, will sich seine ewige Litanei zu keinem Textgefüge mehr runden – der Romanfluss gerät ins Stocken. Es ermangelt Hugues an einem nicht vorhandenen (Erzähl-)Strang („un écheveau absent“), an dem fehlenden Glied in der Kette, das imstande wäre, die „Brügge-die-Tote“ in ihre Einzelteile aufspaltenden Trennstriche und die durch Auslassungspunkte kaschierten Leerstellen oder blancs in seinen letzten Worten zu überbrücken. Da es ihm nicht mehr gelingen will, die losen Erzählfäden und Assoziationsketten zu Gedankensträngen zu verknüpfen, bleibt er in einer Endlosschleife befangen. Würde man sich „Bruges-la-Morte“ als Triptychon vorstellen, stünden die mit den Trennungszeichen aufklaffenden Lücken für die Scharniere zum Aufklappen der Bildtafeln, deren mittlere – das unsichtbare Dritte zwischen „Bruges“ und „(la) Morte“– eine unbemalte Fläche böte. Hugues, der verkennt, wie sehr er sich in seine eigenen Phantasiegebilde verstrickt und über all dem „‚Hair trouble‘“ (Stephan 2001, 39) selbst den Kopf verloren („perdit la tête“

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[BLM, 104]) hat, ist dieses Vakuum nicht einholbar. Verbliebe die Analyse mit dem Protagonisten auf der Figurenebene von Bruges-la-Morte, so entginge auch ihr, wie die Textfigur Bruges-la-Morte sich poetologisch auflädt, um zu Chiffre und Emblem einer in sich selbst versponnenen Erzählung mit dichtem Verweisungsnetz zu werden. Wenn Hugues in seiner medial deformierten Wahrnehmung anstelle des Adjektivs „blond“ die Farbe Gelb als terminus technicus wählt, um das Haar der Geliebten zu beschreiben, so stellt er damit implizit dessen stoffliche Beschaffenheit, seine spezifische Textur, heraus und weist es als Artefakt aus, ohne jedoch zu erkennen, dass auch er mitwebt an dem, was „tout entière une construction imaginaire, un texte, à savoir, littéralement, un tissu de correspondances“ [ein gänzlich imaginäres Konstrukt, ein Text, d. h. wörtlich: ein Gewebe aus Übereinstimmungen] (Bertrand 1993, 28) ist: der Romanfiktion als solcher. In diesem ästhetischen Universum sind Haarsträhnen, Textfäden und Flussströmung über das französische Lexem fil (Adomeit 2006, 173) ebenso verflochten wie die drei Erzählstränge27 – der Zopf als unantastbarer Kultgegenstand, seine Kontamination durch das falsche Haar Janes und zuletzt ihr blasphemischer Übergriff, der ihn zur „Tatwaffe“ (Adomeit 2006, 169) werden lässt – mit den drei Brückenbögen auf dem Frontispiz (Abb. 4), das Fernand Khnopff für die Erstausgabe von Bruges-la-Morte angefertigt hat. Textmetaphern und Stilfiguren – Isotopien, Chiasmen, Synekdochen und mehrfach verschachtelte mises en abyme28: das Haar in der Schatulle im Zimmer im Haus in der Stadt im Text – dienen nicht allein der rhetorischen Ausschmückung. Sie verweisen die Leser:in mit Hugues zurück auf das Spiel von Transparenz und Undurchlässigkeit29, das im Roman ‚am Werk‘ ist, auf das Operieren des Zopfes im Glasschrein als ihm zugrundeliegende Technologie des Erzählens, die – dem Text als Tiefenstruktur eingeflochten – sich bald zeigt und bald verbirgt wie, „au centre d’un panneau, un grand pastel [de la morte] dont la vitre miroitante tour à tour la cachait et la montrait“ (BLM, 53) [„ein großes Pastellbild (der Toten) mitten auf einer Konsole unter spiegelndem Glas, das ihr Gesicht bald verdeckte, bald sehen ließ“ (DTB, 168)]: Kaum meint die Leser:in, einen der multiplen Erzählfäden mit Händen greifen und ihn aus der kunstvollen Verflechtung herauslösen zu können, scheint er sich dem Zugriff zu entwinden – als sei er an den Haaren herbeigezogen.

 Vgl. auch Bertrand 1993, 24.  Vgl. dazu auch Lowrie 1996, 56.  Vgl. hierzu Beuchat 2004, 492.

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Abb. 4: Fernand Khnopff: Frontispiz der Originalausgabe von Bruges-la-Morte (1892).

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2 Haarflechten und Textgeflechte – zur Poetik des Zopfes im Flechtwerk von Bruges-la-Morte In dem Versuch, die drei Strähnen des Zopfes dennoch zu entflechten und alle drei Tafeln des Triptychons freizulegen, möchte ich das Ineinander von Haarund Textstruktur, von Motiv und Machart des Romans, abschließend auf eine Minimalformel herunterbrechen. Dazu dient mir ein Schlüsselzitat mit Signalwirkung. Als Hugues Viane im gottverlassenen Brügge unverhofft ein exaktes Ebenbild seiner verstorbenen Ehefrau auf sich zukommen sieht und sich wie unter Zwang an dessen Fersen heftet, sind es die aus einer Kapuze hervorquellenden Haare im Nacken jener fugitive beauté [flüchtigen Schönheit] à la Baudelaire, die ihm einen nachhaltigen Wahrnehmungsschock versetzen und ihn schwindeln machen: Hugues eut l’air de chavirer une minute. […] ces cheveux […] étaient bien d’un or semblable, couleur d’ambre et de cocon, d’un jaune fluide et textuel. (BLM, 28–29 [meine Hervorhebung, T.Sch.]) [Hugo war einen Augenblick dem Umfallen nahe. (…) (diese) Haare (…) (hatten) ganz die gleiche Goldfarbe, die Farbe von Bernstein oder Seidenkokon, ein (fließendes), buchstäbliches Gelb. (DTB, 149–150 [meine Hervorhebung, T.Sch.])]

Jaune, fluide und textuel lauten die drei herausstechenden Eigenschaften jenes kokonartigen Gespinsts, zu dem sich das Haar Janes mit dem der Toten verpuppt und in dem Hugues sich wie in einem Hirngespinst verfängt.

2.1 Jaune Die Verwendung des Pigments Gelb als Substitut für die Haarfarbe Blond deutet nicht nur den Artefaktcharakter von Janes gefärbtem Haar an. Sie signalisiert auch, dass sich der mediale Filter der altniederländischen Malerei mit den Mariendarstellungen eines Jan van Eyck (Rolin-Madonna, Abb. 1), Rogier van der Weyden (Lukas-Madonna, Abb. 2) oder Hans Memling (St.-Ursula-Schrein, Abb. 5)30 längst

 Das von Memling bebilderte Holzreliquiar der Heiligen Ursula (Abb. 5) aus dem Brügger St.-Johannis-Hospital, jetzt Memlingmuseum, wird in BLM, Kap. 11 breit beschrieben und erfüllt innerhalb des Romantextes in ganz besonderer Weise die Funktion einer mise en abyme. Es präsentiert sich als goldverzierte Miniatur einer gotischen Kapelle und setzt auf je drei Feldern pro Längsseite Martyrium und Apotheose der Heiligen und ihrer elftausend jungfräulichen Begleiterinnen ins Bild.

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Abb. 5: Hans Memling: St.-Ursula-Schrein (vor 1489).

vor Hugues’ sinnliche Wahrnehmung geschoben und diese palimpsestisch überschrieben hat: On aurait dit que s’étaient faits chair […] les saints […] des tableaux de Van Eyck et de Memling qui s’éternisent, là-bas, dans les musées. (BLM, 101) [Es war, als ob die Heiligen (…) von den Bildern van Eycks und Memlings, die drunten in den Museen erhalten sind, (…) zu Fleisch und Blut geworden wären. (DTB, 210)]

Hugues gleicht einem Container, der überquillt vor abgelagerten kulturellen Einbildungen, so dass er selbst als Durchgangsstation oder auch ‚Medium‘ einer drahtlosen Telegraphie zwischen Dingen, Orten, Frauen und Geschichten „aus unzähligen Stätten der Kultur“ (Barthes 2000, 190) fungieren kann, die sich im Fluchtpunkt seiner Imagination31 treffen und einander überkreuzen. Würde er bei der Entzifferung der Zeichen nicht stets um ein Haar danebenliegen, könnte man ihn mit Elisabeth Bronfen (2004) als cross-mapper begreifen, der das kulturelle Erbe neu durchkämmt und kartographiert. Allerdings steht ihm dabei sein Lektüreschaden im Weg. Angesichts der proliferierenden Überblendungen mit jener Fülle an Kunstschönheiten, denen Hugues auf seinen Streifzügen durch Brügge, das Venedig

 So schon Stillers 1997, 189.

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des Nordens, allenthalben begegnet und in deren imaginäre Galerie sich auch Jane einreiht, befällt ihn ein ‚Schwindel‘ in der doppelten Bedeutung von Sinnestäuschung und Sinnentaumel, wie er unter dem Stichwort ‚Stendhal-Syndrom‘ gefasst werden kann – ein schwindelerregender Zustand affektiver Überwältigung, hervorgerufen durch Überflutung mit ästhetischen Reizen: J’étais déjà dans une sorte d’extase, par l’idée d’être à Florence, et le voisinage des grands hommes dont je venais de voir les tombeaux. Absorbé dans la contemplation de la beauté sublime, je la voyais de près, je la touchais pour ainsi dire. J’étais arrivé à ce point d’émotion où se rencontrent les sensations célestes données par les Beaux-Arts et les sentiments passionnés. En sortant de Santa Croce, j’avais un battement de cœur, ce qu’on appelle des nerfs à Berlin ; la vie était épuisée chez moi, je marchais avec la crainte de tomber. [Ich befand mich schon bei dem Gedanken, in Florenz zu sein, in unmittelbarer Nähe zu den großen Künstlern, deren Gräber ich soeben besichtigt hatte, in einer Art Ekstase. Versunken in die Betrachtung erhabener Schönheit, sah ich sie von nahem, berührte sie beinahe. Mein Gefühl hatte jenen Punkt erreicht, an dem die himmlischen Empfindungen, die uns die schönen Künste eingeben, mit den Leidenschaften zusammentreffen. Als ich Santa Croce verließ, hatte ich Herzklopfen – in Berlin sagt man: einen Nervenanfall –, war zu Tode erschöpft und fürchtete, im Gehen umzufallen.] (Stendhal 1973, 480)

Mit eindringlichen Worten begründet Stendhal in seinem Italien-Reisetagebuch Rome, Naples et Florence den Topos des Kulturschocks als Vertigo, die sich einstellt, wenn ein Zuviel an Kunstgenuss sich in Form eines pathologischen Befunds manifestiert. Bei Rodenbach markiert Hugues’ ebenso buchstäbliches wie symbolisches Heraustreten aus der Kirche, an das sich die Zufallsbegegnung mit der Schauspielerin Jane anschließt, das Kippmoment vom Kult zur Obsession, vom kontemplativen zum spektakulären Modus.32

2.2 Fluide Nach diesem Rekurs auf die Kunstschätze Brügges steht die zweite Qualität im Fokus, mit der das Haar im Text begabt wird: das Moment des Fließenden, Flüssigen, Fluiden. Über das tertium comparationis der Wellen ist das wogend herabwallende Haar der Frauenfiguren mit dem Wasser in den Kanälen der Stadt –  Nicht zufällig sind sowohl das Stendhal-Syndrom als auch Rodenbachs Bruges-la-Morte jeweils zur Vorlage eines Films aus dem Giallo-Thriller- bzw. Horrorregisters geworden: Alfred Hitchcocks Vertigo (1958) und Dario Argentos La sindrome di Stendhal (1996). Weitere intermediale Transpositionen von BLM stellen Erich Korngolds Oper Die tote Stadt (1910) und Martin McDonaghs Film In Bruges (Brügge sehen… und sterben?) mit Colin Farrell (2008) dar.

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einem von Regenfäden getränkten „filet mouillé, aux mailles interminables“ (BLM, 23) [„triefenden Netz aus unzähligen Maschen“ (DTB, 145)]33 – verwoben, wie sich an dem Ophelienmotiv ablesen lässt, das den Roman durchzieht34 und das auf dem von Fernand Khnopff künstlerisch gestalteten Titelblatt von 1892 (Abb. 4) explizit vor die Silhouette von Brügge versetzt wird. Per Analogieschluss verdichten sich in den Phantasmagorien auf Hugues’ Gedankenbühne die verebbten, gestauten Rinnsale, „comme emmailloté dans les mille bandelettes [des] canaux“ (BLM, 46) [„die in den tausend Bändern (der) Kanäle wie verschnürt dalag(en)“ (DTB, 164)], mit dem gekappten, in einer verschlossenen Vitrine ausgestellten Zopf der Verstorbenen zu einem textuellen Flechtwerk, das beides wie ein Museum bewahrt und in sich einschließt – in dem vergeblichen Versuch, die vergängliche Schönheit gegen jede Veränderung abzudichten: „Der ganze Roman wiederholt […] die Unmöglichkeit der ästhetischen Illusion, Dauer zu gewinnen, weil sie, sobald sie in die Wirklichkeit hereingeholt wird, an deren Trivialität zerschellt.“ (Stillers 1997, 191)

2.3 Textuel Die genuin „textuelle“ Verfasstheit des Haars ergibt die dritte und letzte „Flechte“ des Romans. Sie zeigt seine Verpuppung zu einem Kokon an, denn tatsächlich funktioniert der Text nach dem Prinzip ineinander verschachtelter MatrjoschkaPuppen, von denen die größte die nächst kleinere enthält, diese wiederum eine nochmals kleinere usw. Eine ganze Serie von mises en abyme wird analog dazu im Roman auf eine immer kleinere Ebene enggeführt: Unter der Oberfläche des Paratextes kommt zunächst die Stadt Brügge als Schauplatz und Verkörperung des

 An anderer Stelle ist die Rede von „[l]a pluie […], dévidant ses fils, embrouillant sa toile, mailles de plus en plus étroites, filet impalpable et mouillé“ (BLM, 71) [„Der Regen (wickelte) seine Fäden ab, verstrickte sein Gewebe zu immer dichteren Maschen und wob ein ungreifbares, triefendes Netz“ (DTB, 185)] – einem Regen, der ganz Brügge unter sich zu begraben droht: „On dirait qu’à son tour elle n’est plus, fondue, en allée, noyée dans la pluie qui l’a sumergée toute“ (BLM, 71) [„Es deuchte ihn, dass auch sie (nicht mehr war, dass sie) in der Auflösung begriffen, in dem alles überschwemmenden Regen ertrunken sei“ (DTB, 185)].  Joyce O. Lowrie (1996, 43) entwickelt die These, dass der Roman ein Diptychon darstellt, auf dessen beiden Flügeln die Geschichten von Ophelia und Medusa einander als gegenläufige Bewegungen der Versteinerung und Verflüssigung sowohl spiegelbildlich wie chiastisch (Lowrie 1996, 55) zugeordnet sind.

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Stillstandes zum Vorschein, in ihr sodann Hugues’ Haus am Quai du Rosaire35, wo er sich in seiner Trauer eingerichtet hat. Inmitten dieses Totenhauses befindet sich das zur Gedenk- und Kultstätte umgestaltete Zimmer, in dem der Zopf in seinen Glasschrein gebettet ruht, bis er schließlich aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, um sich im haarsträubenden Finale wie von Geisterhand zum Rachewerkzeug zu erheben. Tatsächlich scheint der Zopf selbst Hugues, dem die Mordlust in den Fingern kribbelt, die Hand zu führen – wird er doch zum Motor seines Handelns und lässt ihn beinahe ohne eigenes Zutun zu einem Mörder im Dativ werden: un vertige lui courut dans la tête, une soudaine frénésie, une crispation du bout des doigts, une envie de saisir, d’éteindre quelque chose, […] une sensation et une force d’étau aux mains […] Et farouche, hagard, il serra autour du cou [de Jane] la tresse, qui, tendue, était roide comme un câble. (BLM, 104–105) [Ein Schwindel lief ihm durch den Kopf, eine plötzliche Tollwut, und seine Finger(spitzen) krallten sich zusammen; er (wollte) etwas (packen) und würgen, (…) er fühlte die (Kraft) eines Schraubstocks in seinen Händen. (…) Er war wütend, verstört; er zog und schnürte ihr den Hals mit der Flechte zu, die straff gespannt wie ein Seil war. (DTB, 214)]

2.4 La tresse pour la tresse Spaltet man jene drei Bedeutungsdimensionen des Haars, die der Roman der Leser:in als Lektüreschlüssel an die Hand gibt – jaune, fluide et textuel –, immer weiter in sich auf, so erscheint das Gewebe aus Haarsträhnen und Textfäden derart ineinander verschlungen und überdeterminiert, dass sich behaupten ließe, der Text buchstabiere die l’art pour l’art-Formel des Fin-de-Siècle unter dem Motto „la tresse pour la tresse“ für sich aus: die Kunst um der Kunst in der Verkleidung als der Zopf um des Zopfes willen. Als Puppenspieler inszeniert Hugues mit Jane eine Maskerade, die den Spalt des Als-ob in genau jenem Augenblick hervortreten lässt, da er die Geliebte in der Travestie der Ehefrau auftreten lässt. In dieser emblematischen Crossdressing-Szene zeigt sich nur einmal mehr, wie Hugues’ ins Groteske verzerrte ,Vorstellung‘ ihren Gegenstand

 Eine beredte Adresse, bedenkt man bereits das Enden der Erzählung im monotonen Gestammel des Protagonisten, der den Titel des Romans wie die Perlen eines Rosenkranzes herunterbetet und sich, mit Hugo Friedrich (1956, 35) gesprochen, an den eitrigen Ausflüssen eines im Absterben begriffenen ruinösen Christentums abzuarbeiten scheint – womit erneut auch das Fluide und Gelbliche, diesmal in Kombination als Gelb-Flüssiges, ins Spiel kämen.

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stets um Haaresbreite verfehlt. Letztendlich erweist er sich als unfähig, „la trame obscur“ (BLM, 96) [das dunkle Geflecht] zu entwirren. Dazu passt, dass er die Altarbilder und Triptychen in der St.-SalvatorKathedrale nur selektiv erfasst, blind für „la féerie de couleurs et ce songe éternisé de lointains peintres“ (BLM, 78) [„den Farbenzauber (…), die verewigten Träume der alten Meister“ (DTB, 189)]. Sein Interesse gilt allein den Stifterfiguren auf den Seitenflügeln, die er sich in ihrer Memorialfunktion als Exempel an Frömmigkeit und als Identifikationsangebote zu eigen macht, ist also ein gegenständliches, kein genuin ästhetisches. Was die Kunstwerke als Kunstwerke ausmacht, bleibt Hugues’ feinem Sensorium vorenthalten, unverfügbar. Der Blick auf die Mitteltafel ist ihm verstellt, und so formieren sich auch die Handlungsstränge seiner eigenen Geschichte über „Bruges-laMorte“ rund um ein leeres Zentrum. Das Glaskästchen mit dem Zopf befindet sich zwar stets in Sichtweite, sein Deckel hingegen muss ungelüftet bleiben, so dass Hugues die Fäden des Gewebes – das Textgeflecht – nicht zu fassen bekommt. In dem Moment, als er das Haar beim Schopf ergreift, löst er das poetologische Funktionsprinzip von Bruges-la-Morte – la tresse pour la tresse – aus seinen Schnüren und Schlingen, und das Flechtwerk fällt in sich zusammen.

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Christoph Schmitt-Maaß

14 „Aber der Bart hatte unrecht“. Theodor Fontanes Männlichkeits- und Produktivitätsimagologien im Zeichen des Bartes „Ein männliches Gesicht ohne Bartwuchs hat stets einen schwachen, weiblichen, energielosen Ausdruck. Um schön zu sein, muß der Bart […] stark, buschig, glänzend und gelockt sein“ (Gollmann 1860, 39), heißt es 1860 im Toilette-Lexikon des österreichischen Arztes und Homöopathen Wilhelm Gollmann (1822–1904). Sechs Jahre zuvor versuchte sich der Bankangestellte Thomas S. Gowing (ca. 1807–1874) aus Ipswich an einer Philosophy of Beards. Er deutet das Fehlen eines Bartes als Zeichen für physische und moralische Schwäche und ordnet dem Virilitätsdiskurs einen Hygienediskurs bei: ein Bart schütze die Haut vor Sonne und Witterungseinflüssen und filtere Staub aus der Atemluft (Oldstone-Moore 2017, 281–285).1 Die Bartmoden waren zugleich Ausdruck einer politischen Kultur: Vor 1848 verkörperten die vermeintlich ‚altdeutschen Demagogenbärte‘ (wie sie etwa ‚Turnvater Jahn‘ trug) die Kritik am bestehenden politischen System der ‚Ära Metternich‘ (Oldstone-Moore 2017, 232–235). Daher wurde per Edikt (Bartverbot für preußische Referendare und Postbeamte) den preußischen Beamten 1846 das (Schnurr-)Bartragen untersagt, da es Revolutionäre kennzeichnete (Martin 2000, 123). Nach der gescheiterten Revolution von 1848 vollzog sich ein Wandel der Einstellung gegenüber Zivilistenbärten, die nun üppig sprossen und einem eklektizistischen Historismus huldigten (der sich an den Bartmoden des Mittelalters wie der Renaissance und des 17. Jahrhunderts bediente, Oldstone-Moore 2017, 248, 272). Die Form des Bartes signalisierte die politischen Ansichten seines Trägers: Republikaner trugen Koteletten und einen kleinen Kinnbart; moderate Republikaner verzichteten auf den Kinnbart; und der Knebelbart signalisierte die Unterstützung für Napoleon III. (1808–1873, reg. 1848–1870). Liberale, die politisch zwischen moderaten Republikanern und

 Für aktuelle Haarforschung allgemein vgl. jüngst Biddle-Perry 2019. Für die Bartforschung im besonderen vgl. Withey 2020; Peterkin 2001; Oldstone-Moore 2017; Martin 2010 sowie (bildanalytisch) Hawksley 2014. Anders als für die anglo-amerikanische Literaturwissenschaft (Ferry 2020) ist die literaturwissenschaftliche Bartforschung für die Germanistik weitgehend Neuland (mit Ausnahme mediävistischer und frühneuzeitlicher Forschungsansätze, vgl. Coxon 2018; Eickmeyer 2017; Breuer 2017; Hillenbrand 2013). https://doi.org/10.1515/9783110776461-015

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Konservativen standen, bevorzugten den Schnurrbart; der Schnauzbart (Husarenbart) war hingegen besonders beim Militär beliebt. Der Vollbart dagegen blieb auf Künstler begrenzt oder war akzeptiertes Zeichen revolutionärer Gesinnung (Oldstone-Moore 2017, 242; Martin 2000, 127). Auch wenn die politische Bedeutung des Bartes im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zunehmend schwand, drückten doch konservative Kreise ihre Zugehörigkeit zum Herrscherhaus durch eine patriachale Bartmode aus. Das gilt für Preußen (den sog. Kaiser-Wilhelm-Bart, nach Kaiser Wilhelms I. (1797–1888, reg. 1871–1888) und Reichskanzler Otto von Bismarck (1815–1898, reg. 1862–1890)) ebenso wie für Habsburg (Franz Joseph I., 1830–1916, reg. 1848–1916) (OldstoneMoore 2017, 314–315; Martin 2000, 127, 133). Die Nachahmung der monarchischen Bartform galt als politisches Symbol für Kaisertreue. Neben diesem konservativen Bartputz fanden sich auch bewusst ungepflegte, d. h. naturbelassene Bärte, die symptomatisch in die Nähe des Animalischen, Atavistischen und Kreativ-Natürlichen gerückt und besonders gerne von Künstlern getragen wurden. Diese Bartmode führt sich (in Deutschland) auf die antinapoleonische, ‚deutschmittelalterliche‘ und Metternich-kritische Bartmode der Vorrevolutionszeit zurück, büßt jedoch ihre politische Konnotation im Lauf des 19. Jahrhunderts ein (Oldstone-Moore 2017, 262). Da ‚Männlichkeit‘ und ‚Kreativität‘ ab den 1830er Jahren Eigenschaften waren, die Bartträgern zugeschrieben wurden (242), findet sich unter den zeitgenössischen Schriftstellern auch eine Vielzahl von Bartträgern, etwa Emanuel Geibel (1815–1884), Ferdinand Freiligrath (1810–1876), August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874), Paul Heyse (1830–1914) und Theodor Strom (1817–1888). Unter die bärtigen Autoren der Gründerzeit rechnet auch der gelernte Apotheker, Journalist und Schriftsteller Theodor Fontane (1819–1898). Er trug Zeit seines Lebens Bart, seien es die Koteletten seiner Jugendzeit (die er bis ins hohe Alter beibehielt), sei es der nachmalig so genannte Theodor-Fontane-Kranz (auch Bismarck-Bart oder – in Fontanes eigenen Worten – „Schuhbürstenbackenbart“, Stechlin, GBA I.17: 195),2 eine beeindruckende Symbiose von üppigen Kotletten und gigantischem Schnurrbart. Fontane stattet in seinen gründerzeitlichen Romanen eine ganze Reihe von Protagonisten mit Bärten aus. Das zeitgenössische Verständnis von Bärten, ihrer Funktion und Bedeutung, scheint zunächst mit Fontanes Poetik des Realismus zu kulminieren, werden doch im realistischen Gesellschaftsroman typisierte Figuren als Vertreter bestimmter gesellschaftlicher Schichten oder Gruppierungen aufgefasst. Zugleich gefährdet eine Typisierung

 Vgl. Fontanes Bismarck-Gedichte für Paul Lindaus Zeitschrift Nord und Süd 1885; vgl. dazu Storch 2015.

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jedoch die realistische Wirkung, da sie reduziert und flache Stereotype erzeugt „Das bloße Allgemeine […] fessel[t] so gut wie nie; alles Interesse steckt im Detail; das Individuelle […] ist der Träger unserer Teilnahme; das Typische ist langweilig“ (Willibald Alexis, SW 3,1: 430).3 Fontanes ‚Haarpoetik‘ entfaltet sich folglich weniger in der Narration als vielmehr in der Typisierung. In meinem Beitrag möchte ich zeigen, wie Fontane ‚den Bart‘ nutzt, um die eingangs aufgerufenen zeitgenössischen Stereotype von Virilität und Männlichkeit zu unterlaufen und – in kritischer Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Diskussion – Widerstand gegen die allzu rasche Vereinnahmung ‚des Bartes‘ zu formulieren und alternative Perspektiven aufzuzeigen. Mit Blick auf die eingangs dargelegte politische Deutung von Bärten zwischen Vormärz und Gründerzeit werde ich (1.) zunächst zeigen, wie Fontane Bärte als ‚literarische Störfaktoren‘ inszeniert, die die überlieferte politische und militärische Deutung in Frage stellen. Bärte werden in Fontanes Schriften darüber hinaus (2.) durch eine historische und mythologische Bedeutungsaufladung ergänzt, die jedoch die klassischen Virilitäts-Schemata unterläuft. Da Bärte (3.) auch Maskerade sein können, erscheinen ihre Träger auch als unzuverlässig. Fontanes Protagonistinnen deuten schließlich (4.) das überlieferte Virilitätsschema um und entlarven fixierte Bedeutungszuschreibungen. Anschließend lässt sich (5.) zeigen, dass der Bart bei Fontane auch die Funktion einer poetologischen Reflexionsmetapher einnehmen kann.

1 Politische und militärische Deutungen von Bärten Die Thematisierung von Haaren und Bärten im literarischen Werk Fontanes ist erst ansatzweise erforscht (vgl. Hartmann/Maurmann 2012; Fischer 2013).4 In Fontanes literarischem Werk findet sich eine Vielzahl von Bärten, Bartmoden und Modebärten wieder. Neben verbreiteten und wenig spezifischen Bärten wie dem „Vollbart“ (Quitt, GBA I.12: 134) und dem „Schnurrbart“ (Frau Jenny Treibel, GBA I.14: 23) begegnen Modebärte wie der „Sappeurbart“ (Von Zwanzig bis Dreißig,

 Vgl. dazu Aust 2000, 456.  Das alte Fontane-Handbuch (Grawe 2000) erwähnt den Bart und die Haarmoden ebenso wenig wie das Fontane-Lexikon (Nürnberger 2007). Das im Entstehen begriffene und für Dezember 2022 angekündigte Neue Fontane-Handbuch konnte ich noch nicht konsultieren. Der Barbier wird in den Romanen Fontanes (Effi Briest; Fünf Schlösser) nur zweimal erwähnt, er scheint keine weitere Funktion zu haben.

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GBA III.3: 133), der „Husarenschnurrbart“ (Wanderungen, GBA V.6: 112), der „Backenbart“ (L’Adultera, GBA I.4: 23), der „Henriquatre“ (Frau Jenny Treibel, GBA I.14: 23) oder der „Knebelbart“ (Cécile, GBA I.9: 155). Die Bärte, v. a. die spezifischen Modebärte, nehmen bei Fontane eine Funktion ein, weisen sie ihren Träger doch als Verfechter bestimmter politischer oder weltanschaulicher Ideen aus. Fontane weiß also noch um die politische Bedeutung der Bartmode (zumal die Romane nicht nur in der eigenen gründerzeitlichen Gegenwart spielen, sondern historisch bis auf die Zeit um 1800 zurückgreifen; im Falle der Wanderungen durch die Mark Brandenburg sogar noch viel weiter zurückführen). Die politische Deutung der Bärte verdeutlicht Fontane etwa im ersten Band der Wanderungen von 1862 am Tuchmacher, Kaufmann und Torfstichbesitzer Christian Gentz (1794–1867), der – aufgrund erfolgreicher Handelsbeziehungen und Bankgeschäfte vom Kleinbürger zum Großgrundbesitzer aufgestiegen – seine Bartmode unter politischen Vorzeichen geändert habe: er habe „lange genug einem hochlöblichen Publikum gedient und einen Philisterbart getragen; nun will ich endlich frei sein und einen Demokratenbart tragen.“ (Wanderungen, GBA V.1, 137). Fontane, der diese Äußerung Gentz in den Mund legt, konfrontiert nicht nur den gestutzten ‚Philisterbart‘ (Backenbart und Kinnbart, Kinn und Oberlippe bartlos) und den wallenden ‚Demokratenbart‘ der 1848er, um zwei völlig konträre politische Ansichten zu illustrieren; die Adressierung des ‚Publikums‘ benennt darüber hinaus die Bedeutung der Betrachtenden für die Interpretation der Bartmode. Dass der (häufig von den puritanischen Gründungsvätern getragene) Philisterbart mit der Verlogenheit, der Demokratenbart hingegen mit der Ehrlichkeit identifiziert wird, unterstreicht das Gentz in den Mund gelegte Zitat, weist den Sprecher natürlich aber selbst als ‚ehrlichen Kaufmann‘ aus, der sich nun – zu Reichtum gekommen – für die demokratische Bewegung einsetzt (was ihm zu Zeiten des Vermögensaufbaus nicht möglich war). Politische Konstruktionen von Männlichkeit, moralische Grundsätze und pekuniäre Verhältnisse verweisen folglich im Zeichen des Bartes aufeinander. Wenig verwunderlich ist es daher, dass auch Fontanes Romanerstling Vor dem Sturm (1878), der die Ereignisse des Winters vor dem ‚Volkssturm‘ 1813 gegen Napoleon erzählt, zahlreiche Bärte aufzuweisen hat. Doch wird die politische Bedeutungseben durch eine militärische ergänzt, die entlang der Frontverläufe dechiffriert werden kann und ‚Nationalcharaktere‘ am Bartwuchs festmacht. Ein auf Seiten Napoleons kämpfender „Kapitän von der spanischen Grenze, olivenfarbig, mit dünnem Spitzbart“ (GBA I.1: 33) wird durch seine Bartmode als

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‚fremd‘ und ‚feindlich‘ charakterisiert,5 sein Spitzpart verweist zurück auf die Mode des 17. Jahrhunderts (Musketier-Bart), ist aber zugleich der Entstehungszeit des Romans entnommen (Boulanger-Bart, benannt nach dem französischen General Georges Ernest Boulanger, 1837–1891). Dass der spanische Kapitän die Ehegattin des (bartlosen) Protagonisten Bernd von Vitzewitz beleidigt und so ins Grab bringt, motiviert Vitzewitz’ Hass auf Frankreich und Napoleon. In der abschließenden Schlacht in Frankfurt an der Oder trifft Vitzewitz zwar nicht wieder auf den Mörder seiner Frau, jedoch auf einen Franzosen, der denselben Bart trägt: „Alles vom Feinde floh in die Wache; nur der Posten vorm Gewehr, ein Voltigeur mit einem Spitzbart, hielt noch aus, und Vitzewitz hob eben den Arm, um ihn in Revanche für den Toten, der draußen vor dem Gattertore lag, niederzuhauen, […].“ (GBA I.2: 412). Fontanes Farbgebung der Bärte folgt jedoch keineswegs den zeitgenössischen rassistischen Stereotypen. Zwar wird an anderer Stelle der Spitzbart (diesmal als Kinnbart, also ohne Schnurrbart) mit dem ‚Südländischen‘ identifiziert, nämlich anlässlich der Beschreibung der aus Russland zurückkehrenden aufgeriebenen Truppen Napoleons: „Es war ein großer, hagerer Mann mit schwarzem Kinnbart und tiefliegenden Augen, unverkennbar ein Südfranzose.“ (GBA I.2: 166). Doch wird die „italienische junge Garde“ angeführt von einem „Tambourmajor, klein und mager, aber mit einem fuchsfarbenen Schnurrbart, der bis an die roten Epauletten reichte.“ (Vor dem Sturm, GBA I.2: 169). Während Lewin von Vitzewitz den demoralisierten Südfranzosen bemitleidet, spiegelt die Barthaarfarbe des italienischen Tambourmajors eine sexuelle Virilität, die auch Major Crampas (in Effi Briest) auszeichnet (s. u.). Dass die politische Bartmode ihrerseits zu Repressionen führt bzw. dass der Staat im Nachmärz reglementierend in die männliche Gesichtsfrisur (v. a. seiner Beamten und Militärs) eingriff, ist Fontane noch präsent. So werden im Roman Irrungen, Wirrungen (1887), der Mesalliancen im preußischen Militär der 1870er Jahre thematisiert, „zwei junge Kavaliere“ eingeführt, „der eine, von den Gardes du Corps, schlank, groß und glatt, der andere, von den Pasewalkern abkommandiert, etwas kleiner, mit Vollbart und nur vorschriftsmäßig freiem Kinn.“ (Irrungen, Wirrungen, GBA I.10: 51). Beide Militärs gehören zu Kürassierregimenten, doch waren die Gardes de Corps besonders entschlossen gegen die Berliner Revolutionäre vom März 1848 vorgegangen, während die Revolution an Pasewalk weitgehend in der Hand nationalliberaler Kräfte verblieb. Der Unterschied zwischen der vollständigen Rasur des Berliner und der ‚vorschriftsmäßigen‘ Kinnra-

 Vom (bartlosen) Napoleon heißt es, diese Tradition fortschreibend: „Er war kein Franzos‘, er war Italiener, Korse, aufgewachsen an jener einzigen Stelle in Europa, wo noch die Blutrache Sitte und Gesetz; […].“ (GBA I.1: 34).

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sur des Pasewalker Kürassiers deutet auch einen Alters- und damit Rangunterschied an, korrelieren doch militärischer Rang und Gesichtsbehaarung, da erst den höheren Militärrängen das Barttragen zugestanden wurde, bei tendenziellem Festhalten an der Bartlosigkeit.6 Die für das Militär des 19. Jahrhunderts typische Ambivalenz des Bartragens oder Nichtbartragens findet damit auch in Fontanes Romanwerk ihren Ausdruck, gilt doch der Barträger seit der Renaissance ebenso als Verkörperung des Virilen wie der glattgesichtige und ewigjunge Held (Oldstone-Moore 2015, 14).

2 Historische und mythologische Dimensionen des Bartes Bei Fontane schießen zudem die historische und die mythologische Dimension des Bartes zusammen, jedoch nicht zur Festigung überlieferter Deutungsmuster des Bartes, sondern eher zu deren Auflösung. So wird Heinrich VIII. von England (1491–1547) wiederholt als „Blaubart“ (und damit als Frauenmörder) bezeichnet (Effi Briest, GBA I.15: 163). Damit verweist Fontane auf eine mögliche historische Figur, die die Grundlage für die Märchenerzählungen von Charles Perrault (Histoires ou Contes du temps passé, 1697) und der Brüder Grimm (Kinder- und Hausmärchen, 1812) bildet.7 Die zeitgenössische katholische Polemik deutet den Begründer der Church of England als Frauenmörder, der nach eigenem Gesetz richtet, ohne selbst eine Strafe befürchten zu müssen – eine Parallelsetzung von juristischer und theologischer Selbstermächtigung. Der Bart gilt zwar als Ausweis von Blaubarts Männlichkeit, seine Färbung hebt ihn jedoch aus der Masse der Männer heraus und deutet – nach psychoanalytischer Lesart – ein sexuelles Problem an (Szczepaniak 2005, 101, 168, 241).8 Darüber hinaus zeichnet er sich eben nicht durch ‚klassische Männertugenden‘ (Heldenmut, Kampfgeist  Matteo Eustachio Gonella (1811–1870), Apostolischer Nuntius in München, hatte 1862 – mit ähnlichen (‚antidemokratischen‘) Argumenten wie die preußische Bartordnung – verfügt, dass der bayerische Klerus keine Bärte tragen dürfte, was zu erbitterten Auseinandersetzung führte, vgl. Neues bayerisches Volksblatt, Nr. 154 v. 7.6.1863, S. 613.  Andere mögliche historische Vorbilder sind etwa Gilles de Rais (1405–1440) oder Graf Conomor (6. Jh. n. Chr.).  Im ersten Teil seiner Autobiographie berichtet Fontane von seinem Vater: „Er war ein sehr stattlicher und mit seinem schönen Blaubart eigentlich wundervoll aussehender Mann, der typische französische Kürassieroffizier. All das hätte nun auf einen zwölfjährigen Jungen, der sich noch dazu sagen mußte: ‚Das ist dein Vater‘, imponierend wirken müssen“ (Meine Kinderjahre, SW 3,14: 182). Ob sich Fontanes Blaubart-Allusionen von hier herschreiben, sei dahingestellt.

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etc.) aus (Szczepaniak 2005, 101, 168, 241), sondern vermittelt, spezielle bei Fontane, den Widerspruch von maskulinem Weltbild (‚blau‘ als hart, kalt, schnell) und (klein-)bürgerlichem Alltag (Szczepaniak 2005, 24–25).9 Fontane legt die Blaubart-Erzählung Major Crampas („Von so einem hört man immer am liebsten“) in den Mund, der damit eine Deutung seines Kontrahenten Instetten als Blaubart anlegt (Effi Briest, GBA I.15: 163) und Effi Briest damit ein Argument liefert, den ‚lieben und guten‘ Instetten negativ zu sehen („ein Liebhaber war er nicht“, 119) und sich (letztlich) von ihm zu trennen. Crampas selbst bildet als Verkörperung des virilen, rotbärtigen Soldaten einen Gegenpol zum wenig männlichen Verwaltungsbeamten Instetten, der ihn freilich wieder ob dieser Qualitäten negativ sieht: „wer solchen rotblonden Schnurrbart hat und immer wribbelt, der taugt nie ’was und richtet bloß Schaden an.“ (291) Die schematische Gegenüberstellung des sexuell fragwürdigen Blaubart und des virilen barttragenden Militärangehörigen finden sich wiederholt in Fontanes Narration.10 Fontane eröffnet jedoch auch eine historische Tiefendimension durch eine Reihe von Balladen, die bartragende Herrscher des Mittelalters zu Protagonisten haben (Hakon Borkenbart, Swend Gabelbart, Kaiser Blanchebart, GBA II.1: 72, 79, 222).11 Die erstgenannte Ballade, 1863/64 entstanden und Fragment geblieben, behandelt den gleichnamigen Norwegerkönig, der in Gestalt des Königs Drosselbart auch in die Grimmschen Märchen eingewandert ist. Die Werbung des siebzigjährigen Königs um die die junge Königstochter, die ihn aufgrund seines Bartes verspottet, letztlich – nach einer Reihe von Prüfungen – jedoch seine Qualitäten anerkennt, integriert Fontane in seinen Romanerstling Vor dem Sturm. Dort trägt der dänischstämmige Kandidat der Theologie Detleff Hansen-Grell die von ihm verfasste Ballade bei einem Treffen der literarischen Gesellschaft ‚Kastalia‘ vor und erntet Applaus. Hansen-Grell wird als „eher häßlich als hübsch“ geschildert, hat strohiges Haar, blasse Augen, gerötete Lider und einen „Stoppelbart“ (Vor dem Sturm, GBA I.1: 149), kurz: „Der Gast sah so unpoetisch wie möglich aus“ (I.1: 150) Fontane kontrastiert jedoch das „heilige Feuer“, das sich während Hansen-Grells Vortrag zeigt, mit der „Prosa“ seiner äußeren Erscheinung (I.1: 151). Hansen-Grells Vorbild ist Hölderlin, für ihn

 Ob Fontane das Buch Things Not Generally Known: Popular Errors Explained and Illustrated von John Timbs aus dem Jahr 1859 wahrgenommen hat, ist nicht bekannt; darin räumt Timbs mit der Legende auf, dass Heinrich VIII. mit Blaubart zu identifizieren sei.  Der Titelprotagonist in Graf Petöfy (1883) wird, obgleich mit „weiße[m] Bart“ ausgestattet, von der Zukünftigen als „Blaubart“ bezeichnet (GBA I.7: 13, 96), und über Ezechiel van der Straaten urteilt seine Gattin: „ein Blaubart ist er überhaupt nicht.“ (L’Adultera, GBA I.4: 137)  Ein projektiertes Barbarossa-Epos hat Fontane nie realisiert, jedoch in seinem Kaiser Blanchebart ein Porträt Kaiser Wilhelms I. angelegt, vgl. Grawe 1994.

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ein romantischer Dichter (vgl. I.2: 226); und in seiner begeisterten Nachahmung unterscheidet sich Hansen-Grell grundlegend vom Dr. Faulstich, dem poeta doctus der ‚Kastalia‘ und nur ein „Halber“: „während der eine [Faulstich] das Schöne nur feinsinnig kostete, strebte ihm der andere mit ganzer Seele nach. Was den einen verweichlichte, stählte den andern, und so war Grell ein Vorbild, während Faulstich eine Warnung war.“ (I.2: 228) Zwar fällt der stoppelbärtige BalladenDichter Hansen-Grell in der Belagerung Frankfurts schließlich (I.2: 430), agiert also auf der Erzählebene jenen Heldentod aus, der Dr. Faulstich versagt bleibt (I.1: 233); doch entbehrt sein Charakter jener allzu vordergründigen Männlichkeit, die Fontane an Bartträgern kritisiert: Gerade das ‚unpoetische Äußere‘ des ‚stoppelbärtigen‘ Hansen-Grell eröffnet Raum für die ‚Charakterballade‘, die das „Psychologische und Menschliche“ statt „Kriegs- und Heldentaten“ in den Mittelpunkt stellt (Zurbühler 1997, 65).

3 Falsche Bärte Bei Fontane begegnet der Bart auch als Maskerade, so dass seine (inhaltliche, politische, maskulinistische) Referenzierbarkeit prinzipiell fragwürdig erscheint. Darüber hinaus verbirgt der künstliche Bart zwar seinen Träger, macht ihn aber zugleich auch in der Öffentlichkeit kenntlich. In Effi Briest (1895) und in Quitt (1885) wird der aufgemalte bzw. angehängte Bart thematisiert. Die Dienstbotin von Effi, Roswitha Gellenhagen, bedroht im Scherz zunächst Innstettens Kutscher Kruse anlässlich einer Schäkerei: „Die Mannsleute sind doch immer noch schlimmer als man denkt. Un’ eigentlich müßt’ ich nu’ gleich den Pinsel hier nehmen und Ihnen einen schwarzen Schnurrbart anmalen“ (Effi Briest, GBA I.15: 206). Daraufhin wird sie von ihrer Herrin zur Rede gestellt, der dieses Verhalten anrüchig (da sexuelle Normen verletzend) erscheint (207). Besondere Bedeutung erhält diese Passage durch den Zusammenhang zum Bart, buhlen doch der ehrliche Apotheker Gießhübler und der verführerische Major Crampas um die Gunst der verehelichten Baronin Innstetten (der vormaligen Effi Briest). Der betrogene Baron erklärt seiner jungen Gattin Effi daher: „Mir persönlich, um auch das noch zu sagen, ist Gieshübler’s weißes Jabot, trotzdem kein Mensch mehr Jabots trägt, erheblich lieber als Crampas’ rotblonder Sappeurbart. Aber ich bezweifle, daß dies weiblicher Geschmack ist“ (192). Die Verführungskunst des Major Crampas schreibt sich wesentlich von seinem Bart her, und die Tatsache, dass es sich bei den französischen Sappeurs um eine Pioniereinheit der (napoleonischen) Armee handelte, die die Belagerungs- und Schanzarbeiten der übrigen Armee vorbereiteten und als einzige Einheit zum Tragen eines Bartes berechtigt waren (Fischer

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2013, 215), verbindet den Virilitätsdiskurs mit dem Verführungs- und dem Militärdiskurs. Fontane identifiziert jedoch Sappeur und Tambour als identisch, und wirklich verweist Major Crampas weniger auf die Sappeurs als auf die Tambourmajors.12 Deren Attraktivität auf das „Weibervolk“ (Quitt, GBA I.12: 134) ist so groß, wie Innstetten diagnostiziert hatte; daher eine Kostümierung mit „falsche[n] Bärte[n]“, besonders mit „einem gut anderthalb Fuß langen Sappeurbart“ (134), die Gunst des weiblichen Publikums verspricht.13 Den Bart zu zeigen bedeutet zugleich, das Gesicht zu verbergen („Der Bart ist doch immer nur eine halbe Verkleidung“, 93), daher deutet Fontane das Tragen eines „falschen Barts“14 nicht nur im Kontext der Virilität, sondern auch als politische Aussage. Das Tragen eines langen künstlichen Bartes motiviert daher einerseits die Verhaftung des falschen Sappeurs. Dabei wird der Bart selbst autonom, da Gegenstand der Ermittlungen: („Wir sind nämlich hier, um Euer Haus nach einem falschen Bart zu durchsuchen“, 121) Andererseits macht eben dieser falsche Bart die Identifikation seines Trägers (und damit seine Ergreifung) unmöglich (134).

4 Umdeutung des Virilitätsschemas durch Fontanes Protagonistinnen Fontanes Bart-Imagologien sind nicht fixiert, sondern reflektieren die historischen, politischen und mythologischen Bedeutungsschichten ‚des Bartes‘ bzw. ‚der Bärte‘ poetologisch. Stand der Bart, vor allem der Vollbart, in der zeitgenössischen Rezeption für Virilität (s. o.), so beglaubigen die weiblichen Protagonistinnen in Fontanes Romanen den Zusammenhang von Bartwuchs und Körperstärke, ja sogar Potenz, problematisieren diese Zuschreibung jedoch zugleich: Im posthum veröffentlichten Kaiserzeitroman Mathilde Möring (1891) nimmt die unattraktive kleinbürgerliche Titelheldin den antriebslosen großbürgerlichen Jura-Studenten Hugo Großmann unter ihre Fittiche, der daraufhin  Der Kutscher Imme „hätte mit seinem angegrauten Sappeurbart ohne weiteres vor eine Gardetruppe treten und den Zug als Tambourmajor eröffnen können.“ (Der Stechlin, GBA I.17: 162). Hinweis entnommen Fischer 2013, 216.  „[D]as Weibervolk ist um ihn [sc. den Barträger] ’rum und starrt ihn an und bestaunt ihn, weil er einen schönen Bart hat“ (Quitt, GBA I.12: 134).  Er „hakte das mit zwei Drahtösen versehene Stück Werg, das ein falscher Bart war, über die Ohrwinkel. […] Er war derselbe nicht mehr. Der flachsene Vollbart, der aus Zufall oder Absicht tief eingedrückte Hut, der Doppellauf über der Schulter – das alles gab ein Bild, das in nichts mehr an den Lehnert erinnerte, der vor einer Viertelstunde noch, schwankend und unsicher, auf der Bank am Quell gesessen hatte.“ (Quitt, GBA I.12: 90).

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sein Staatsexamen abschließt und zum Bürgermeister aufsteigt.15 Die erste Begegnung des Paares steht im Zeichen des Bartes, wird Großmann doch bei seiner Suche nach einem Zimmer von der künftigen Zimmerwirtin Mathilde Möhring als „der schöne Mann mit dem Vollbart“ (GBA I.20: 10) tituliert. Im Gespräch mit ihrer Mutter wird jedoch deutlich, dass der äußerliche Virilitätseindruck und die innere Antriebslosigkeit Großmanns im diametralen Widerspruch zueinander stehen – und Mathilde erkennt das auch: „Du siehst auch gar nichts, Mutter. Hast Du denn nicht seine Augen gesehn? Und den schwarzen Vollbart und orntlich ein bißchen kraus. So viel mußt Du doch wissen, mit solchen ist nie was los.“ (13) Bereits zuvor wird jedoch das Misstrauen Mathildes thematisiert: Unter denen [sc. den Zimmersuchenden][…] war auch ein junger Mann von etwa 26. Sein Alter zu bestimmen war nicht leicht, weil zwischen dem Ausdruck seines Gesichtes und seinem schwarzen Vollbart ein Mißverhältnis war, der Ausdruck war jugendlich[,] der Bart plaidirte für Mann in besten Jahren. Aber der Bart hatte Unrecht, er war erst 26, etwas über mittelgroß, breitschultrig, Figur und Bart nach ein Mann und überhaupt so recht das, was gewöhnliche Menschen einen schönen Mann nennen. (9)

Fontane spitzt an dieser Stelle die Bedeutung des Bartes zur Personifikation (der Bart steht als pars pro toto für den Charakter des ganzen Mannes) extrem zu, nimmt zugleich die zeittypische Bedeutungszuschreibung auf, unterläuft sie aber durch die Kritik, die Mathilde im Dialog mit der Mutter entwickelt. Der Vollbart als Zeichen von Maskulinität dient Großmann folglich nur zur Tarnung. So bemerkt Mutter Möhring: „Er [sc. Großmann] ist eigentlich ein sehr hübscher Mensch. Ich wundre mich nur[,] daß er noch so ein halber Student ist. Am Ende irrst Du Dich doch[,] Thilde. Er muß doch nah an 30 sein.“ Woraufhin die Tochter Schein und Sein differenziert: Ja, Du hast recht, Mutter, er sieht so aus. Das macht der schwarze Vollbart[,] und weil er so breit ist. Aber glaube mir[,] er ist nicht älter als 26. Und der Vollbart ist es auch nicht mal. Er ist blos faul und hat kein Feuer im Leibe. Das […] sieht denn so aus, als ob einer alt wäre, blos weil er schläfrig ist. […] Und sentimental ist er auch. (18)

Und gegen Ende des Romans, als Großmann an Schwindsucht erkrankt (der er schließlich erliegen wird), resümiert Mathilde: „Er [sc. Großmann] sah so stark aus mit seinem Vollbart, aber er war nur schwach auf der Brust“ (123).

 Die Interpretation der Herausgeberin Gabriele Radecke, wonach Hugo Großmann ein konvertierter Jude ist („denn schwarzer Bart und Hut sind die hervorstechendsten Attribute der Juden“, GBA I.20: 142), halte ich für abwegig, zumal sie selbst auf den Widerspruch zwischen Großmanns Bartmode, die sich am antisemitischen Kaiser Friedrich III. (1831–1888) orientiere, und seiner Liberalität gegenüber Juden hinweist, vgl. auch Mecklenburg 2019.

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Auch andere bärtige Protagonisten unterlaufen das Virilitätsschema. In Fontanes Roman Frau Jenny Treibel (1892) wird Leutnant a. D. Vogelsang geschildert. Dessen „in zwei gewirbelten Spitzen auslaufende schwarze Schnurrbart wirkte nicht nur gefärbt, was er natürlich war, sondern zugleich auch wie angeklebt. Desgleichen der Henriquatre“ (GBA I.14: 23). Vogelsang fungiert im Verbund mit seinem „automatenhaft[en]“ Auftreten als komische Figur, ja als „Gespenst“ (33). Diesem Trickster-Status korrespondiert die politische Präferenz des bürgerlichen Militärs Vogelsangs („ein Vorachtundvierziger“, 33) für eine „Royaldemokratie“ (43), also für eine – eigentlich unmögliche – Gleichzeitigkeit von radikaler Kaisertreue und demokratischen Ideen. Der ‚falsche‘ Bart deutet auf den ‚falschen‘ (d. h. unmännlichen) Charakter hin; die unklare politische Überzeugung – des einzigen Vertreters des Bürgertums unter Fontanes preußischen Militärs (Cartland 1977, 183) – korrespondiert geschlechtlicher Uneindeutigkeit. Getreu dem gründerzeitlichen Rollenmodell adressiert der Bart (vornehmlich) die Betrachterinnen. In Fontanes Romanen sind es daher häufig die Protagonistinnen, die die intendierte Wirkung des Bartes erfassen und die Korrespondenz von maskuliner (Gesichts-)Behaarung und ‚männlichem‘ Charakter zur Sprache bringen, häufig in sentenzhafter Verkürzung: „Wie das Haar ist, ist der Charakter“ (Effi Briest, GBA I.15: 84; vgl. auch Vor dem Sturm, GBA I.2: 18); „Und dieser wundervolle Bart! So denk’ ich mir Simson […] oder Wieland den Schmied“ (L’Adultera, GBA I.4: 11). Die – wenn man so will – ‚Bartleserinnen‘ entwickeln ihre Lektüre dieses eminent männlichen ‚Attributs‘ vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund ebenso wie mit Blick auf die biblische (und germanische) Mythologie. Die zeitgenössischen Bedeutungszuschreibungen des Bartes werden durch die Protagonistinnen aufgerufen und sind damit (als zeitgenössische Positivzuschreibung) präsent. Doch wird diese Bedeutungszuschreibung von Protagonistinnen vorgenommen, die wiederum ihr literarisches Dasein dem Autor Fontane verdanken. Als ‚Spiegelfiguren‘ und – je nach der ihnen von Fontane zugedachten Rolle im gesellschaftlichen Gefüge seiner gründerzeitlichen Romanwelten – ‚durchschauen‘ sie die Ebenen, die hinter der Oberfläche des Bartträgergesichts, hinter Historie, Mythologie und Politik, liegen. So erweist sich im Verlauf der Romanhandlungen die sentenzhaft verkürzte Verkoppelung von Bart und Charakter als Trugschluss – eine besonders im Fall von Major Crampas für die Protagonistin Effi Briest weitreichende Fehleinschätzung: Crampas Motto „Leichtsinn ist das beste, was wir haben“ (GBA I.15: 275) widerspricht eben gerade einer auf Dauer angelegten Beziehung. Näher spezifiziert wird der Bart – außer durch seine Form – v. a. durch seine Farbe. Besonders in Effi Briest spielt „Crampas’ rotblonder Sappeurbart“ (GBA

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I.15: 192) eine entscheidende Rolle, da er sich von zahlreichen anderen RomanBärten Fontanes (diese sind weiß, schwarz oder angegraut) durch seine hervorstechende Farbe unterscheidet. Innstettens blondes Hausmädchen Johanna ist sich am Ende sicher: „Der ganze […] Major [sc. Crampas] taugte nichts; wer solchen rotblonden Schnurrbart hat und immer wribbelt, der taugt nie ’was und richtet bloß Schaden an“ (291). Dieses Urteil dient einerseits Johannas eigenem Distinktionsgewinn (Fischer 2013, 223), verdeutlicht aber andererseits die besondere sexuelle Konnotation des rotblonden Bartwuchses16 sowie die moralische Unzuverlässigkeit der rothaarigen Bartträger.17 Die Einschätzung der Dienerin erweist sich in dieser Aufstiegsgeschichte als zutreffend, während die titelgebende Protagonistin die Warnungen ignoriert.

5 Die Poetologie des Bartes Als politischen Roman eingestuft hat Fontane Der Stechlin (1898), in dem der ‚Fußgendarm‘ Uncke (ein „schöner Mann und ehemaliger Gardekürassier“, GBA I.17: 195) eingeführt wird, der mit einem gefärbten „Schuhbürstenbackenbart“ (195) bzw. mit „Backenbart und Schnurrbart“ (387) ausgestattet ist und daher optisch an seinen Schöpfer erinnert. Uncke beurteilt seine Mitmenschen – seinem sprichwörtlichem Namen gemäß – pessimistisch: „Alle lügen sie. Was sie meinen, das sagen sie nich, und was sie sagen, das meinen sie nich. Is kein Verlaß mehr; alles zweideutig.“ (313) Diese Zweideutigkeit deutet Uncke als Zeichen einer neuen Zeit, gegen die er mit seiner Bartmode einsteht („das war früher, aber das geht jetzt nicht mehr“, 313). Unckes Polizeiberichte zeichnen sich zudem dadurch aus, dass er „nie mehr als nötig“ (195) aufschreibt und zugleich als ‚gutmütig‘ wie ‚komisch‘ (195) gekennzeichnet ist – Fontanes ‚heiteres Darüberstehen‘ klingt an.18 Da Selbstaussagen Fontanes zu seinem Bart fehlen (obwohl die

 Das lässt sich mit der negativen Bewertung der Rothaarigen und der rothaarigen Bartträger erklären, die z. B. noch in Thomas Manns Novelle Der Tod in Venedig (1911) durchscheint, vgl. dazu Schmitt-Maaß 2022.  „Lord Ruthven streicht den roten Bart; in heuchelndem Erstaunen“ (Maria Stuart, GBA II.1: 121). Zu denken wäre auch noch an Ordonnanz Baarsch (ein „von Sommersprossen überdeckter Rotkopf mit übrigens noch röterem Backenbart“, Schach von Wuthenow, GBA I.6: 136), der dem Titelprotagonisten den Ausgleich einer verlorenen Wette einträgt (141).  Die Sentenz, von Fontane auf sein Schreibverfahren angewendet, findet sich im Romanerstling Vor dem Sturm; dort ist sie König Heinrich IV. von Frankreich (1553–1610) zugeordnet, der den Knebelbart zur Mode machte: „Er [sc. Heinrich IV.] verschwieg nichts und persiflirte sich selbst in dem heiteren Darüberstehen eines Grand-Seigneurs.“ (GBA I.1: 213). Dieser

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umfangreiche Korrespondenz wie auch die umfassenden Autobiographien reichlich Möglichkeiten geboten hätten), mag in der Figur des ‚Fußgendarmen‘ Uncke ein alter ego des Bartträgers Fontane zu sehen sein.19 Der Bart ist jedoch nicht nur ein äußerliches Zeichen, sondern hat auch Auswirkungen auf die Sprechweise des Protagonisten. Jurist Großmann (s. o.) ist „schwach auf der Brust“ (Mathilde Möhring, GBA I.20: 123), kann – entgegen dem äußeren (bärtig-virilen) Anschein – das Plädoyer vor Gericht nicht führen. Der Bart – besonders der Schnauzbart – verhindert gar Kommunikation, indem er das Sprechen erschwert. Der Autor Fontane – selbst Barträger – reflektiert in seinen literarischen (aber auch außerliterarischen) Texten kaum direkt Probleme, die ein Bart dem Sprecher verursacht. Doch deutet er sie an, etwa im Roman Schach von Wuthenow (1882). Situiert im Jahr 1806, als der Sieg Preußens gegen Napoelon noch sicher schien, findet sich im Berliner Salon der geistreiche Witwe Josephine von Carayon eine Abendgesellschaft ein. Zu ihr rechnet auch der Verleger namens (Johann) Daniel Sander, ein „starker Herr“, dessen „schwarzer Vollbart […] sein Gesicht [umrahmte], das eben so viel Behagen wie Sarkasmus ausdrückte“ (GBA I.6: 6). Mit ihm diskutiert General von Bülow, dessen Schriften Sander verlegt, die Weihe der Kraft, ein Theaterstück des Romantikers Zacharias Werner (1768–1823), das Martin Luther zum Inhalt hat, zur Zeit der Napoleonischen Kriege verfasst wurde, 1806 am Berliner Nationaltheater Premiere feierte (mit August Wilhelm Iffland in der Titelroelle) und das von Sander verlegt wurde. Werner, der Luther als konfessionsübergreifende deutsche Identifikationsfigur gestaltet, konvertierte 1814 zum Katholizismus und rechtfertigte sich in der umfangreichen Schrift Die Weihe der Unkraft. Bülows Urteil, „[e]s ist selten, daß die Dichter der Vorstellung entsprechen, die wir uns von ihnen machen“ (12), erweist sich also als zutreffend und ist dem Wissen des Autors Fontane geschuldet. Als „Olympier“ (12) imaginiert, verweist das von Bülow entwickelte Dichter-Imago ebenso auf den bartlosen Goethe wie auf den bärtigen Göttervater Zeus. Im anschließenden Disput über ästhetische Maßstäbe, der sich zwischen Schach und Wuthenow entspannt, beharrt der ehemalige Stabskapitän und nunmehrige Autor politischer Schriften Bülow darauf, dass alle ästhetischen Regeln von der Obrigkeit festgelegt werden und damit verbindlich sind:20 „Er [der Fürst] mag

Schlüssel zur Analyse von Fontanes Schreibverfahren ist seit Mitte der 1990er Jahre umstritten, vgl. Grawe 1991, 10.  „Indem seine durchaus karikaturenhafte Figur durch den mythischen Namen eine groteske Steigerung erfährt, kann sie als ironischer Kommentar zum Funktionieren des Systems gelesen werden.“ (Sagarra 1986, 43)  Bezeichnender Weise wird dieser ‚Geschmacksdiskurs‘ über gustatorische Metaphern („Gourmand“, „Putenbraten“) ausgetragen.

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sprechen, was er will, es sind immer Tafeln direkt vom Sinai.“ (13) Die Frauen bitten in diesem Zusammenhang um das ästhetische Werturteil der anwesenden Männer zum Luther-Stück, und so entspannt sich ein Disput über die Zulässigkeit der Darstellung des (bartlosen) Martin Luthers auf der Theaterbühne. Der aus Hannover stammende Regiment Gensdarmes Alvensleben betont, dass das (bartlose) „ernste Mannesgesicht“ (14) Luthers „an manchem Sonntage besser und eindringlicher zu mir gepredigt hat“ (15) als der ortsansässige Pfarrer; und daher wolle er nicht Luther „aus den Kulissen oder aus einer Hintertür treten sehen. Auch nicht, wenn Iffland ihn gibt, den ich übrigens schätze, nicht bloß als Künstler, sondern auch als Mann von Grundsätzen und guter preußischer Gesinnung.“ (15) Daraufhin fällt der vollbärtige Verleger Sander mit der QuintilianSentenz „Pectus facit oratorem“ (15, ‚Die Gesinnung macht den Redner‘)21 ein, während Bülow „sein Kinn und seinen Spitzbart“ streicht und Preußens „Einverleibung in das Universelle“ progonstiziert, da „[d]er nationale wie der konfessionelle Standpunkt […], vor allem aber […] der preußische Standpunkt und sein alter ego, der lutherische“ nur „hinschwindende Dinge“ seien (16). Der Verleger Sander, der (in der Realität) sowohl Bülows Schriften als auch Werners LutherDrama verlegt, ‚spricht‘ durch seinen Demokratenbart den beiden (politischweltanschauliche) Positionen Bülows und Werners ihr Existenzrecht zu, bringt aber auch durch sein unternehmerisches Handeln die Poesie erst in die Welt.

Fazit ‚Der Bart‘ bildet bei Fontane keine stabile Referenz: er kann ebenso auf virile Männlichkeit verweisen wie die völlige Bartlosigkeit; er ist zwar als politische, historische und mythologische Chiffre lesbar, jedoch ist seine Referenzialität nicht – da der Bart frisierbar ist und sich folglich ändern kann – fixiert. Mehr noch: falsche Bärte verbergen einerseits die Identität des Trägers, ermöglichen andererseits jedoch gerade eine Identifizierung. Fontane lässt seine Protagonistinnen zudem das Spiel mit den Bedeutungszuschreibungen durchschauen und in Frage stellen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Fontanes eigener Bartmode wird der Bart bei Fontane darüber hinaus zu einem Medium, das das Sprechen erschwert (ebenso wie die Nahrungsaufnahme, das wird aber von Fontane nicht thematisiert), aber zugleich die poetische Äußerung erst ermöglicht.

 Vollständig lautet die Sentenz „Pectus facit oratorem et vis mentis“ (Quintilian: Institutio oratoria, Lib. X, Cap. VII, 15).

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Eine ‚Verwebung‘ oder ‚Verwicklung‘ des Barthaares und des Textes findet sich hingegen nicht in Fontanes Schriften; und für Fragen der Handlung hat der Bart weniger Bedeutung als für Fragen der Typencharakterisierung, die sich eben nicht in der unkritischen Übernahme der gründerzeitlichen (geschlechtlichen) Bedeutungszuschreibungen des Bartes erschöpft, sondern diese aufruft und hinterfragt (wenn nicht konterkariert). Es steht zu vermuten, dass auch andere Haare (Haupthaare, Körperbehaarung, Haare von Frauen, Schambehaarung hingegen zeitbedingt wohl eher nicht) nicht der hergebrachten Geschlechterdichotomie oder dem vorgezeichneten Bedeutungszusammenhang gehorchen, sondern auf einer subtilen – und bislang übersehenen – Textebene von der Vielschichtigkeit, Widerständigkeit und Gebrochenheit der Fontane-Charaktere zeugen, die im Einklang steht zu seinen poetologischen Überlegungen, aber sowohl mit der zeitgenössischen Bedeutungszuschreibung ‚des Bartes‘ bricht wie auch mit dem Mimesisgebot des Realismus. Das titelgebende Zitat – „Aber der Bart hatte unrecht“ – lässt sich folglich als programmatische Warnung lesen, die mit der (auch heute noch, vgl. Selinger 2021; Straib 2019; Hübner 2022) populären Auffassung „Wie das Haar ist, ist der Charakter“ bricht.

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15 Die Haare messen das Leben. Haare zwischen Widerstand und Prekarität in Herta Müllers Roman Herztier In nahezu allen Romanen, Erzählungen, Essays und Gedicht-Collagen von Herta Müller treten Haare in vielerlei Gestaltungs- und Gebrauchsweisen in Erscheinung: Sie werden geflochten oder als ‚deutscher Scheitel‘ frisiert, in Form eines Fuchsfells zerschnitten, gänzlich kahlgeschoren und als halblebendiger Zopf aufbewahrt oder bisweilen von einer Dame bewohnt.1 Zusammen mit der semantisch verwandten Figur des Friseurs und dem Vorgang des Haareschneidens reiht sich das Haar damit ein in das „rhizomatische Geflecht wiederkehrender Bilder, Themen und Motive“ (Eke 2002, 71), das die Texte der Autorin durchzieht, und schillert zugleich in variierenden Bedeutungsdimensionen von Zwang, Gewalt, Macht und Tod.2 In ihren poetologischen Essays, die über autobiographische Passagen und Selbstzitate in enger Wechselbeziehung mit den fiktionalen Texten stehen, verknüpft Müller mit Blick auf ihr Leben und Schreiben die Haare mit der Diktatur: „Oft werde ich gefragt, warum in meinen Texten so oft der König und so selten der Diktator vorkommt. […] Und oft werde ich gefragt, warum in meinen Texten so oft der Friseur vorkommt. Der Friseur mißt die Haare, und die Haare messen das Leben“ (Müller 2003, 40). In diesem Sinne – so der Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen – werden die Haare in jenen Texten Müllers, welche die Auswirkungen von politischer Verfolgung in totalitären Staaten verhandeln, zu Gradmessern des Lebens und Überlebens. Dieser Spur folgend soll im vorliegenden Beitrag der Blick auf die Haare in Herta Müllers Roman Herztier3 gerichtet werden, welcher diese vielfältig mit der Darstellung von Überwachung, Gewalt und Unterdrückung in der Diktatur verflicht. Der Roman erstreckt sich – ausgehend von einem in der Rahmenhandlung stattfindenden Dialog zwischen der Ich-Erzählerin und ihrem Freund Edgar – von der ersten Begegnung einer vierköpfigen Freundesgruppe, ihren Widerstandsbehauptungen gegen die Drangsalierungen und Überwachungsmaßnah-

 Vgl. hierzu beispielsweise folgende Texte Müllers: Der deutsche Scheitel und der deutsche Schnurrbart (Müller 1984); Der Fuchs war damals schon der Jäger (Müller 1992), Im Haarknoten wohnt eine Dame (Müller 2000) und Atemschaukel (Müller 2009).  Vgl. weiterführend zur Korrelation von Haaren und Macht und zur Figur des Friseurs die Beiträge von Ana-Maria Pălimariu (2008) sowie von Martina Wernli (2016).  Im Folgenden werden Zitate aus der angegebenen Ausgabe mit der Sigle H gekennzeichnet. https://doi.org/10.1515/9783110776461-016

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men des staatlichen Geheimdienstes bis hin zur letztlichen Ausreise und dem Tod zweier Freunde. In eindrücklicher Weise werden in Herztier die für Müllers Schreiben charakteristischen Erzählverfahren augenscheinlich: Der Roman zeichnet sich durch eine „Kunst der Verknappung“ (Eke 1991, 17) aus, bei der Handlungsverläufe zu momenthaften Einzelszenen und Detailaufnahmen zergliedert und montagehaft nebeneinandergestellt werden.4 Im Zuge dieser minimalistischen Ästhetik rücken Gegenstände bzw. Wörter, die Gegenstände benennen, in den Fokus, um welche das Erzählte kreist und die im Verlauf des Textes zahlreichen Semantisierungsprozessen unterliegen (vgl. Johannsen 2008; Bozzi 2015). Herztier entwirft dabei ein komplexes textuelles Geflecht entlang alltäglich erscheinender Dinge, die aus ihren festen Bedeutungsgefügen gerissen und innerhalb eines „neuen, beweglichen, mehrschichtigen Verweisungszusammenhangs“ (Johannsen 2008, 193) platziert werden. Haare werden bei Herta Müller dezidiert als materielle Objekte verstanden und oszillieren in einem Schwebezustand zwischen lebendigem menschlichem Körperteil und vom Körper entfernbarem unbelebtem Gegenstand – sie zählen zu den „Gegenstände[n], wo die Haut zu Ende ist“ (Müller 1991). So heißt es in dem gleichnamigen Essay aus dem Band Der Teufel sitzt im Spiegel: Wo die Haut aufhört, ist alles an uns selbst, an unserem Körper schon Gegenstand. Alles, was nicht weh tut, wenn wir es, und wenn es noch so sehr zu uns gehört, entfernen, ist schon Gegenstand. Wir schneiden uns die Fingernägel, wir schneiden uns das Haar. (Müller 1991, 99)

Im Schreiben, dem „ganz anderen Diskurs des Alleinseins“, so Müller weiter, „verwischt sich die Grenze zwischen Gegenständen und Haut. Gegenstände können den Zustand, das Befinden der Person wiedergeben“ (Müller 1991, 97). Mensch und (Körper-)Ding befinden sich demnach in einem „Zustand der Entgrenzung“ (Laegreid 2013, 78), in welchem Inneres und Äußeres ineinander übergehen und in Austauschprozessen zueinanderstehen. Gegenständen wie dem Haar kommt im Rahmen dieser Ding-Poetik Müllers die Funktion zu, nicht artikulierte Zustände, Empfindungen und Erinnerungen der Figuren zum Ausdruck zu bringen. In den Texten zeigt sich dies anhand eines Verfahrens der literarischen Verdichtung komplexer Erfahrungs- und Erlebnishorizonte über die serielle Reihung und polysemische Verkettung kleinster, scheinbar nebensächlicher Dinge.

 Diese dekompositorische und re-kombinatorische Schreibweise Herta Müllers zeigt sich in den Gedicht-Collagen der Autorin auch hinsichtlich eines materiellen Produktionsprozesses, bei dem aus Zeitungen und Zeitschriften ausgeschnittene Wort- und Bildteile auf einer weißen Postkartenfläche neu zusammengesetzt werden. Vgl. dazu u. a. Eke 2002 sowie Reents 2018.

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Ausgehend von diesen Überlegungen soll im Folgenden den Verflechtungen des Haars als bisher kaum betrachteten dinglichen Handlungsträger in Herztier nachgegangen und dazu seine poetologische Funktion als Reflexionsobjekt auf der Ebene der Figuren in den Blick genommen werden. Dabei wird vor allem nach der literarischen Auseinandersetzung mit dem Haar zwischen Widerstand und Prekarität gefragt. Am Haar, so die These, zeigen sich die Gefährdungen von Freundschaft und die (Un-)Möglichkeit von Widerstand in der Diktatur, zudem werden anhand von ausgerissenen, zerschnittenen und geschorenen Haaren Prozesse der (Selbst-)Zerstörung und Entmachtung unter repressiven Bedingungen reflektiert ebenso wie die Aporien des Sprechens über die Opfer der Diktatur verhandelt. Nachvollzogen wird dies über das Haar als Material im Widerstandskampf (1.), als Maßstab fehlender Handlungsmacht (2.), anhand des Haarschnitts als Akt des Machtmissbrauchs (3.) sowie der ambivalenten Rolle des Haars als Zeuge von Zerrüttung und Tod (4.), um davon ausgehend die Funktion der Haare im Rahmen eines Erzählens zwischen Schweigen und Reden (5.) zu betrachten.

1 Pervertiertes Haar: Haare als Material im Widerstandskampf Zentrales Thema des Romans ist die Schwierigkeit des Aufrechterhaltens von Freundschaft unter den repressiven Bedingungen der Diktatur. Der Text macht deutlich, wie Angst und Unterdrückung alle Bereiche des menschlichen Lebens durchdringen und Freundschaften ebenso wie jegliche Form von Gemeinschaft durch Verrat und Täuschung infrage gestellt werden. Die namenlose Erzählerin und ihre drei Freunde Edgar, Kurt und Georg eint ihr Widerwille gegen das totalitäre Regime und ihr Kampf für Veränderung, wobei sie die Verbrechen des Staates mittels Fotografien und Dokumentationen von Fluchttoten sichtbar zu machen versuchen. Ihr gemeinsamer Widerstand sowie die Fragilität desselben wird im Roman anhand von Haaren als ge- und missbrauchbaren Materialien verhandelt. Im Verlauf des Textes zeigt sich, dass der Konflikt der menschlichen Figuren in Herztier in bedeutendem Maße über und mithilfe von Haaren ausgetragen wird: Haare erweisen sich im Text – wie auch die von den Freunden versteckten Gedichte und die vom Staat verbotenen Lieder – als „Material des Machtkampfs“ (van Hoorn 2016, 164). Nach einer räumlichen Trennung in verschiedene Gegenden des Landes kommuniziert die Freundesgruppe in Form codierter Briefe, in welchen sie sich mittels harmlos erscheinender Code-Wörter von den Beschattungs- und Drangsalierungsmaßnahmen der staatlichen Geheimpolizei berichten. Ein vom eige-

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nen Kopf ausgerissenes Haar im Brief soll anzeigen, ob dieser vom Geheimdienst geöffnet und gelesen worden ist: Beim Schreiben das Datum nicht vergessen, und immer ein Haar in den Brief legen, sagte Edgar. Wenn keines mehr drin ist, weiß man, daß der Brief geöffnet worden ist. Einzelne Haare, dachte ich mir, in den Zügen durchs Land. Ein dunkles Haar von Edgar, ein helles von mir. Ein rotes von Kurt und Georg. Beide wurden von den Studenten Goldjunge genannt. Ein Satz mit Nagelschere für Verhör, sagte Kurt, für Durchsuchung einen Satz mit Schuhe, für Beschattung einen mit erkältet. Hinter die Anrede immer ein Ausrufezeichen, bei Todesdrohung nur ein Komma. (H 90)

In seiner materiellen Anwesenheit verschafft das Kopfhaar ein Gefühl von Sicherheit vor Überwachung, während die Abwesenheit des Haars ein Indiz für den Eingriff des Staates in die Intimsphäre der privaten Kommunikation liefert. Haare sind damit „nicht nur Material oder erzähltes Material, sie sind auch Zeichen oder erzählte Zeichen“ (Wernli 2016, 211), die in ihrem Vorhandensein oder Verschwinden eine gezielte Botschaft an die Mitwissenden übersenden. An den mitverschickten ‚Briefhaaren‘ zeigt sich dementsprechend die geteilte Bereitschaft der Freundesgruppe zum Widerstand gegen den Überwachungsstaat, wobei das geheime Wissen um die behaarten Briefe eine exklusive Gemeinschaft unter den vier Oppositionellen stiftet. Die Haare schillern an dieser Stelle zudem als vom Körper abgelöste materielle Objekte in einer spannungsreichen Ambivalenz von unbelebtem und belebtem Ding, welche die Erinnerung an ihren ehemaligen Träger transportieren und zum (Über-)Lebenszeichen werden (vgl. Wernli 2016, 211). Als Hilfsmittel in der gegenseitigen Kommunikation sind die Briefhaare damit auch intimes Freundschafts-Objekt, das die geliebte Person über die geografische Entfernung hinweg näher rücken lässt. Die ausgerissenen Briefhaare symbolisieren folglich einen Akt des Widerstands und geben eine zumindest scheinbare Sicherheit vor Verfolgung, sind Zeichen gegenseitiger Treue und Zuneigung sowie des Versuchs, den repressiven Mechanismen etwas entgegenzusetzen. Die leichte Verfüg- und Funktionalisierbarkeit von Haaren führt jedoch zu deren Pervertierung durch den Geheimdienst, welcher die von der Freundesgruppe erdachte Widerstandstaktik gegen sie wendet. So dient dem Geheimdienstmann Pjele im Verhör das Ausreißen eines einzelnen Haares als psychologische Foltermethode und gewaltsame Drohgebärde, welche die körperliche Unversehrtheit des Verhörten als prekär aufzeigt und mit der angedeuteten Gefängnishaft in der Zelle die dort stattfindende Gewalt und Folter vorausahnen lässt (vgl. H 197). Ebenso nutzt der Geheimdienst die Ambivalenz des Haars zwischen totem Material und lebendigem Körperteil aus, um seine Einschüchterungen auch nach der Flucht der Erzählerin und ihres Freundes Edgar ins Exil weiterzuführen: „Ich war in Deutschland und bekam die Morddrohungen vom Hauptmann Pjele aus der Ferne als An-

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rufe und Briefe. Die Briefköpfe waren zwei überkreuzte Beile. In jedem Brief lag ein schwarzes Haar. Von wem.“ (H 157). Das Briefhaar kehrt hier in spiegelbildlicher Umkehrung zur Erzählerin zurück und wird als schwarzes Haar zum schattenhaften Wiedergänger der rotgoldenen Haare ihrer beiden Freunde. In diesem Sinne ist es doppelt codiert: Als vom Geheimdienst pervertiertes Briefhaar ist es nicht mehr Zeichen der Abwesenheit der Verfolger, sondern gerade von deren permanenter, unausweichlicher Präsenz – es lässt den körperlich abwesenden Geheimdienstmann bedrohlich naherücken. Dabei bringt die nachgeschobene Frage der Erzählerin ihre Verunsicherung angesichts der ungeklärten Besitzzuschreibung des Haars zum Ausdruck: Auch ihr Freund Edgar trägt schwarzes Haar, sodass das mitgesendete Briefhaar dessen Verfolgung oder Inhaftierung durch den Geheimdienst als Möglichkeit in den Raum stellt. Als tote Substanz und lebendiges Körpermaterial wird das schwarze Haar zur multiplen Morddrohung an die Erzählerin und ihren mitausgereisten Freund. Die zuvor durch Präsenz des Haares im Brief evozierte Sicherheit erweist sich zudem als Täuschung – die Widerstandstaktik der Freunde ist längst vom Geheimdienst entdeckt. Das in den Roman verflochtene Mikronarrativ vom Briefhaar, welches vom Verbündeten im Widerstandskampf zum Komplizen des Hauptmanns Pjele wird, wiederholt sich schließlich auf Figurenebene in dem von der Erzählerin erlebten Verrat durch ihre enge Freundin und scheinbare Verbündete Tereza, die sich gegen Ende des Textes als Kollaborateurin des Geheimdienstes herausstellt (vgl. H 158–161). Die Briefhaare sind somit Sinnbild der gewaltsamen Instrumentalisierung von Dingen, Menschen und Beziehungen im totalitären Staat.

2 Widerständiges Haar: Fehlende Haare und fehlende Handlungsmacht In Herztier erscheinen Haare weiterhin als widerständige Körper-Dinge, die sich der Bemächtigung durch die menschliche Trägerin verweigern und damit Fragen von Autonomie und Handlungsmacht angesichts des Ausgeliefertseins jedes Einzelnen im totalitären Staat aufwerfen. Die aufgrund der Überwachung notwendige Verpflichtung, sich eigene Haare für private Briefe auszureißen, führt zu einem Verlust an Souveränität über den eigenen Körper, wie an den Haaren der Erzählerin deutlich wird. Beim Blick in den Spiegel erfolgt ihre (Selbst-)Erkenntnis dieser fehlenden Kontrolle: Ich mußte zwei Haare in die Briefe legen. Vor dem Spiegel war mein Haar weit von mir entfernt und zum Greifen nah, wie das Fell eines Tieres, das der Jäger durch sein Fernglas

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sieht. Ich mußte zwei Haare ausreißen, die nicht verlorengingen, zwei Briefhaare. Wo wuchsen sie, über der Stirn, an der linken oder an der rechten Schläfe, oder auf der Kopfmitte. Ich kämmte mich, es hingen Haare im Kamm. Ich tat eines in Edgars und eines in Georgs Brief. Wenn der Kamm sich geirrt hatte, waren es keine Briefhaare. (H 102)

Die Haare lassen sich unter dem Blick der Erzählerin nicht als verlässliche Briefhaare erkennen und verweigern sich dem direkten Gebrauch durch ihre Besitzerin. In dem Maße, in welchem die Handlungsmacht der menschlichen Figuren durch den Einbruch des staatlichen Repressionssystems in private Lebensräume beschnitten und bedroht ist, erweisen sich die Dinge als umso wirk- und handlungsmächtiger: Analog zu den widerständigen Haaren wird an dieser Stelle dem Kamm ein Eigensinn oder auch agency (vgl. Wernli 2016, 212) zugesprochen, indem eine ‚falsche‘ Wahl der Haare durch die zufällige Bewegung des Kamms die subversive Taktik der menschlichen Figur untergräbt. Die dergestalt inszenierte Umkehr des Subjekt-Objekt-Verhältnisses, bei der die Dinge dem Subjekt nicht mehr als passive Materialien zugänglich sind, korreliert mit der zunehmenden Entmachtung der Verfolgten unter der Diktatur. Der Vergleich des eigenen Kopfhaars mit dem Fell eines vom Jäger erfassten Beutetieres bringt dabei nicht nur die existenzielle Bedrohung der Erzählerin zum Ausdruck, sondern auch ihre zunehmende Selbstentfremdung unter den Bedingungen permanenter Überwachung in der Diktatur: Das menschliche Subjekt wird zum beobachteten Objekt einer unsichtbaren und potenziell tödlichen Macht (vgl. Wernli 2016, 212). Die Unfähigkeit der Erzählerin, Handlungsmacht und Autonomie über ihren eigenen Körper zu erhalten, tritt in der folgenden Szene besonders deutlich zu Tage: Ich erzählte Tereza, was ein Verhör ist. […] 1 Jacke, 1 Bluse, 1 Hose, 1 Strumpfhose, 1 Höschen, 1 Paar Schuhe, 1 Paar Ohrgehänge, 1 Armbanduhr. Ich war ganz nackt, sagte ich. 1 Adreßbuch, 1 gepreßte Lindenblüte, 1 gepreßtes Kleeblatt, 1 Kugelschreiber, 1 Taschentuch, 1 Wimperntusche, 1 Lippenstift, 1 Puder, 1 Kamm, 4 Schlüssel, 2 Briefmarken, 5 Straßenbahnkarten. 1 Handtasche. Alles war aufgeschrieben in Rubriken auf einem Blatt. Mich selber schrieb der Hauptmann Pjele nicht auf. Er wird mich einsperren. Es wird auf keiner Liste stehen, daß ich 1 Stirn, 2 Augen, 2 Ohren, 1 Nase, 2 Lippen, 1 Hals hatte, als ich hierher kam. Ich weiß von Edgar, Kurt und Georg, sagte ich, daß unten im Keller Gefängniszellen sind. Ich wollte im Kopf die Liste meines Körpers machen gegen seine Liste. Ich kam nur bis zu meinem Hals. Der Hauptmann Pjele wird merken, daß mir Haare fehlen. Er wird fragen, wo die Haare sind. (H 144–145)

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Die Erzählung des demütigenden Vorgangs des Entkleidens im Verhör erfolgt über eine Akkumulation von Kleidungsstücken und privaten Gegenständen, die einen Bruch in der bisherigen Narration der Ereignisse darstellt. Die vom Hauptmann während des Entkleidungsprozesses erstellte Liste der Habseligkeiten der Erzählerin wird dabei über die typographisch abgesetzte Reihung der einzelnen Dinge textuell nachgeahmt. Wie Anja Johannsen bemerkt, zeigt sich die im Verhör erlittene Gewalt vor allem an der sachlich-nüchternen Kategorisierung der privaten Gegenstände mit vorangestellten numerischen Ziffern (vgl. Johannsen 2008, 199). Die Konfrontation der im Verhör verzeichneten Dinge mit der von der Erzählerin angelegten imaginären Körper-Liste inszeniert wiederum die vom Geheimdienst erlangte (Handlungs-)Macht gegenüber den Dingen und ihrer menschlichen Besitzerin. Diese taucht unter der langen Aufzählung ihrer Besitztümer nicht mehr auf – ihr Fehlen auf der Liste entspricht dem gefürchteten spurlosen Verschwinden in der Gefängniszelle. Der widerständige Selbstbehauptungsversuch, mithilfe ihres eigenen Körpers eine Liste gegen die bürokratische Aufzählung der Dinge durch den Geheimdienst zu erstellen, scheitert an den fehlenden Haaren – den ausgerissenen Briefhaaren –, die in der angstvollen Wahrnehmung der Erzählerin dem Hauptmann gerade durch ihre Abwesenheit die Dissidenz verraten. Die abwegige Vorstellung, Pjele könne die ausgerissenen Haare bemerken, schreibt diesem übermenschliche Fähigkeiten zu und lässt die Vereinnahmung des Subjekts durch die Staatsmacht umso deutlicher werden. Dementsprechend illustriert die konkrete Materialität des Haars bzw. ihr Fehlen das Ausmaß der Macht, die der Geheimdienst über Wohnräume, private Gegenstände und schließlich den gesamten Körper der Verfolgten hat. An dem scheiternden Versuch, eine Liste gegen diejenige des Hauptmanns zu erstellen, wird nicht zuletzt sichtbar, auf welche Weise der Körper der Erzählerin über den Prozess der Selbstzerstückelung zum Austragungsort des Machtkampfes mit dem Geheimdienst geworden ist. Dieser Kampf erweist sich mit der unzulänglichen Körper-Liste als endgültig verloren: Die Erzählerin zerlegt nicht mehr nur ihr Haar, sondern ihren gesamten Körper in einzelne Teile und rechnet sich so den Dingen zu, die bürokratisch gelistet und kategorisiert werden können. Analog zu den leicht ausreißbaren Haaren erscheint das Körpermaterial dabei fragil und prekär – es bietet weder mittels Auflistung noch durch Nutzung in Form der Briefhaare eine Widerstandsmöglichkeit gegen die Macht des Geheimdienstes, da dieser vollständig davon Besitz ergriffen hat (vgl. Johannsen 2013, 218). Das ausgerissene Haar ist an dieser Stelle nicht mehr Zeichen von Freundschaft und Widerstand gegen das totalitäre Regime, sondern Reflexionsobjekt einer der (Selbst-)Zerstörung anheimgefallenen Welt.

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3 Macht des Haarschnitts: Der Friseur als Figur von Macht(missbrauch) Verdichten die ausgerissenen Haare der Freundesgruppe ihre prekäre Situation im Widerstandskampf, so materialisieren Prozesse des Haareschneidens und Kahlscherens den Machtmissbrauch des Staates und die von ihm verübte Gewalt. Dies zeigt sich mit Blick auf den Friseur, eine häufig namenlose und polyvalente Figur in mehreren Texten Herta Müllers (vgl. Wernli 2016), der in Herztier als Vertreter der staatlichen Macht und restriktiven Ordnung in Erscheinung tritt. In dieser Rolle fungiert er als Bindeglied zwischen den zwei zeitlichen Ebenen der Erzählung: Die von der Ich-Erzählerin im Präteritum erinnerten Erlebnisse um die Freundesgruppe werden im Text immer wieder durchbrochen von kurzen Episoden, die im Präsenz von den Erfahrungen eines Kindes in einer dörflichen Umgebung berichten. Diese Miniaturerzählungen spiegeln dabei die von der Hauptfigur geschilderten Erlebnisse im totalitären Staat auf einer zweiten Zeit- und Raumebene wider. Das Kind wird wie die Erzählerin und ihre Freunde Opfer des kontrollierenden Zugriffs einer repressiven Macht, verkörpert durch den Friseur: Zuerst schneidet der Frisör dem Großvater die Haare. Der Großvater sitzt auf dem Stuhl, ohne den Kopf zu rühren. Der Frisör sagt: Wenn man die Haare nicht schneidet, wird der Kopf ein Gestrüpp. Die Mutter bindet das Kind während dieser Zeit mit den Gürteln ihrer Kleider an den Stuhl. Der Frisör sagt: Wenn man die Nägel nicht schneidet, werden die Finger zu Schaufeln. Nur die Toten dürfen sie tragen. Losbinden, losbinden. (H 17)

Der Akt des Haareschneidens wird an dieser Stelle mit der Ausübung von Gewalt in Form des unfreiwilligen Festbindens des Kindes durch die Mutter verknüpft. Dabei erscheint der Friseur als Sprachrohr einer beinahe „metaphysischen Ordnungsmacht“ (Schmidt 1998, 65), die den Gehorsam und die Unterwerfung des Kindes – notfalls mit Gewalt – erzwingt. Die sprichwortartigen Regelsätze des Friseurs erlauben keine individuelle Abweichung von der vorgegebenen Ordnung und legitimieren das Festbinden als notwendige Maßnahme zum Zweck der Normierung jedes Einzelnen über den Haarschnitt. Unreguliertes Haarwachstum wird durch die Gestrüpp-Metapher – das Haar als wilde, ungebändigte Pflanze – zum Ausdruck von Individualität, Autonomie und (Handlungs-)Freiheit, die im Prozess des Haareschneidens unterminiert werden sollen. Gleichzeitig wird über die Verbindung des unkontrollierten Wachsens der Nägel mit dem Tod eine versteckte Drohung ausgesprochen (vgl. Meurer 1999, 182). Diese im dörflichen Kontext verwendeten „Spruchformen“ (Meurer 1999, 184) stellen eine Form der Machtausübung und Festigung von Machtstrukturen dar und geben den Friseur damit als Spiegelgestalt des

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Hauptmanns Pjele zu erkennen, der sich ähnlich normierender Aussagen zur Einschüchterung bedient (vgl. H 146). Der Haarschnitt des Friseurs erscheint so als erste Form der Gewaltausübung auf zeitlicher Ebene der Kindheit, die sich später im Verhältnis von Verfolgten und Verfolgern wiederholt. In Analogie zu dem am Kind vollzogenen fremden Zugriff auf Körper und Haar wird auch für die im totalitären Staat lebende Freundesgruppe der scheinbar harmlose Gang zum Friseur zur gewaltvollen Erfahrung. So berichtet die Erzählerin vom Friseurbesuch ihres Freundes Edgar: Der Frisör hatte am rechten Zeigefinger einen langen Nagel, alle anderen waren kurz. Er teilte Edgars Haar mit dem langen Nagel in Strähnen. Edgar hörte die Schere schnappen, sein Gesicht wurde immer kleiner, der Spiegel entfernte sich. Edgar machte die Augen zu, ihm wurde schlecht. Der Frisör hatte nicht gefragt, wie ich das Haar geschnitten haben will, sagte Edgar. Er hat mich für alle geschoren, die nicht mehr kommen, bis es Frühjahr wird. Als ich vom Stuhl aufstand, war mein Haar kurz wie Fell. (H 228)

Der Prozess des Haareschneidens wird als Folterszene inszeniert, wobei der surreal vergrößerte Zeigefingernagel des Friseurs ebenso wie die schnappende Schere die Rolle bedrohlicher Folterwerkzeuge einnehmen. Das gegen den Willen des Kunden geschnittene Haar zeigt den Machtmissbrauch durch die Vertreter des Staates an und rückt den Friseur wiederum in die Rolle des Vollstreckers einer totalitären Ordnung, die Individualität und Eigensinn bestraft und beschneidet. Auch an dieser Stelle lässt sich eine Parallele zu den Techniken des Geheimdienstes ziehen: Wie dieser ergreift der Friseur von Körper und Eigentum anderer in Form ihres Kopfhaars Besitz und übt mit dieser Geste eine Machtdemonstration aus. Der wiederkehrende Vergleich des menschlichen Haars mit tierischem Fell illustriert erneut die Objektifizierung des menschlichen Subjekts unter permanenter Verfolgung und Bedrohung durch die Staatsmacht, vertreten durch die zum unheimlichen Schlachter verzerrte Figur des Friseurs. Die potentielle Möglichkeit des Widerstands über die Briefhaare und damit die letzte Option auf Handlungsmacht, die der Freundesgruppe zuvor noch zukam, wird ihr hier durch das Kahlscheren der Haartracht endgültig genommen. Analog dazu treten im Roman mehrere haarlose Figuren als macht-, besitz- und schutzlose Opfer des Staates auf, wie die glatzköpfige Obdachlose (vgl. H 48) oder der kahlgeschorene entflohene Häftling (vgl. H 114). Das (beinahe) vollständige Schneiden der Haare ist damit gleichzeitig Akt der Enteignung, Entmachtung und Degradierung des Subjekts im totalitären Staat.5

 An dieser Stelle lässt sich ein Vergleich mit Herta Müllers Roman Atemschaukel ziehen, in dem aus der Perspektive des Ich-Erzählers Leopold Auberg, der als Angehöriger der rumäniendeutschen Minderheit gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in ein sowjetisches Arbeitslager de-

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4 Zerschnittene Haare: Haare als Zeugen von Zerrüttung und Tod Die mit dem Friseur und den Haaren verknüpfte Metaphorik des Schneidens, die in den Texten Müllers auf vielfältige Weise präsent ist, steht in Verbindung mit dem destruktiven Eingriff der Diktatur in das Leben der Menschen (vgl. Apel 2004, 295). Dies lässt sich in Herztier einerseits über das durch die Vertreterfigur des Friseurs erfolgte Haareschneiden, andererseits auch über den autoaggressiven Akt der Selbstzerschneidung von Haaren nachvollziehen. Im Roman ist es der rothaarige Georg, der nach zahlreichen gewaltvollen Schikanen durch den Geheimdienst als Erster die Ausreise beantragt und kurz nach der erfolgreichen Ankunft in Deutschland tot aufgefunden wird.6 Zuvor reagiert er auf den Erhalt der Ausreisegenehmigung, die für ihn das Ende der Repressionen bedeuten soll, mit der mutwilligen Zerstörung seines Haars: Georg nahm die Schere und ging vor den Spiegel. Er zerschnitt sich das Haar. Als Edgars Eltern aus dem Hof ins Zimmer kamen, saß er am Fenster. Er sah aus wie ein angefressenes Tier. […] Als ich Georg zum ersten Mal sah, sagte ich: So kannst du nicht abreisen, geh zum Frisör. Er sagte: Ich werde nichts für euch tun, wenn ich in Deutschland bin. Habt ihr gehört, ich werde keinen Finger für euch rühren. Kurt, Georg und ich sahen die kahlen Stellen, wo Georg sich bis auf die Kopfhaut ins Haar gefahren war. (H 231)

Der willentlich durchgeführte Haarschnitt markiert eine letzte Widerstandsgeste und einen Versuch der Rückeroberung von Handlungsmacht, die angesichts der erlebten Ohnmacht vor dem totalitären Regime jedoch nur noch gegen sich selbst und den Körper als Material gerichtet werden kann (vgl. Predoiu 2002, 99). Mit

portiert wird, die repressiven Verhältnisse des Lagers geschildert werden (vgl. Müller 2009). Entindividualisierung und Entwürdigung der Menschen im Lager werden hier ebenfalls über den Prozess des Kahlscherens verhandelt (vgl. auch den Aufsatz von Martina Wernli zum Kahlscheren als „Vorgang der Enteignung“ (2016, 210) in Atemschaukel).  Die im Text explizit genannten Haarfarben der Figuren stehen in enger Verbindung mit der wiederholt auftretenden Tier- und Jagdmetaphorik: Die beiden rothaarigen Freunde Kurt und Georg werden Opfer der ‚Menschenjagd‘ des Geheimdienstes, welcher (direkt oder indirekt) für deren Tod verantwortlich ist. Terezas Wunsch nach rotem Haar deutet auf ihre baldige Verwicklung mit dem Geheimdienst und den Verrat an der Freundin hin (vgl. H 128) – ihr gefärbtes rotes Haar ist eine bewusste Täuschung, anstatt einer Verfolgten wird sie selbst zur Verfolgerin. Im Kontext einer Motivik der (Menschen-)Jagd spielen die roten Haare der Freunde sowie der Vergleich von menschlichem Haar mit tierischem Fell auch auf den zwei Jahre vor Herztier veröffentlichten Roman Der Fuchs war damals schon der Jäger an, der das Jagdmotiv bereits im Titel aufgreift und ein zerschnittenes Fuchsfell analog zum Briefhaar zum Indiz für Verfolgung und zur Morddrohung durch den Geheimdienst werden lässt (vgl. Müller 1992).

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dem abgeschnittenen Haar verliert Georg zusätzlich jegliche freundschaftliche Solidarität, wenn er den Zurückbleibenden die Unterstützung aus dem Exil heraus verweigert – die Selbstentfremdung korreliert hier mit der vollständigen Entfremdung menschlicher Beziehungen. Erneut deutet der Vergleich mit einem Tier auf den von der Diktatur verursachten Subjektverlust angesichts allumfassender Überwachung und Verfolgung hin. Anstatt mit einer anvisierten Beute wird die Figur hier allerdings mit einem angefressenen Tier verglichen – ein Verweis auf die innere Zerrüttung Georgs und seinen baldigen Tod. Der Schnitt ins Haar reflektiert so den seelischen Zustand der Figur und materialisiert den durch die Gewalterfahrungen erlebten traumatischen Ein-Schnitt, der auch nach der Emigration keinen Neuanfang in Deutschland möglich macht. So kommentiert die Erzählerin in Bezug auf Georgs Ausreise: „Mit seinem zerschnittenen Haar, an das man sich nicht gewöhnen konnte, sah er jetzt schon aus wie ein Gast“ (H 232). Das Zerstören des eigenen Haars nimmt in diesem Sinne proleptisch den kurze Zeit später erfolgenden Tod Georgs im Übergangsheim für Asylbewerber vorweg. Auf den letzten Seiten des Romans wird das geschnittene Haar nicht zuletzt mit den Aporien des Sprechens über die Verbrechen und die Opfer der Diktatur verknüpft. In seiner Gesamtanlage gestaltet sich der Text als Zeugnisbericht: Das erste und letzte Kapitel bilden eine Rahmenhandlung, in der die Erzählerin und der letzte überlebende Freund aus dem Exil heraus ihre Erlebnisse um den Tod ihrer beiden Freunde rekapitulieren. Zu Anfang und Ende wird dabei eine aphoristische Formel wiederholt, welche die Unzulänglichkeit des Erzählens von den inkommensurablen Schrecken der Diktatur ausdrückt und die Möglichkeit der Zeugenschaft infragestellt: „Wenn wir schweigen, werden wir unangenehm, sagte Edgar, wenn wir reden, werden wir lächerlich.“ (H 7). Angesichts dieses Dilemmas vom Reden und Schweigen sind es am Ende des Romans in der Wunschvorstellung der Erzählerin nicht die Überlebenden, die von den tödlichen Verbrechen der Diktatur berichten, sondern das Haar, das sich in seiner materiellen Beschaffenheit gegen den Träger wendet und dessen Taten aufdeckt: Ich wünschte mir, daß der Hauptmann Pjele einen Sack mit allen seinen Toten trägt. Daß sein geschnittenes Haar nach frischgemähtem Friedhof riecht, wenn er beim Frisör sitzt. (H 252)

In diesem Kontext tritt der Friseur nicht als Vertreter des Staates, sondern in Funktion einer Wissensfigur bzw. eines Richters in Erscheinung (vgl. Wernli 2016), der die vom Geheimdienst verübten Morde erkennbar werden lässt und mit dem Schnitt ins Haar das Urteil über den Hauptmann Pjele fällt. Wiederum erscheint das geschnittene Haar mit dem Tod verknüpft, an dieser Stelle agiert es allerdings in der Rolle eines materiellen Zeugen: Es soll ein außersprachli-

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ches, über den Geruch seines Materials sinnlich erfahrbares Zeugnis ablegen von den unsagbaren Verbrechen der Staatsmacht und damit erfüllen, was den menschlichen Akteuren verwehrt bleiben muss. Mit der finalen Wiederholung der Formel vom Reden und Schweigen als letztem Satz des Romans (vgl. H 252), der den Text final einrahmt und ohne Auflösung abschließt, enttäuscht sich jedoch die Hoffnung der Erzählerin auf eine so gestaltete ‚Zeugenschaft des Haars‘.

5 Codiertes Haar: Schlussbetrachtungen Im Geflecht des Textes wird ein dichtes Netz aus Haaren in unterschiedlichen Verweiszusammenhängen geknüpft, über das sich die Narration von Freundschaft und Widerstand, Machtmissbrauch und Entmachtung, Gewalt und Tod entfaltet. Haare sind bei Herta Müller letztlich nicht mit Wachstum, Schönheit oder Fruchtbarkeit, sondern mit Dekomposition und Destruktion verbunden: Sie werden ausgerissen, ge- und zerschnitten oder geschoren und reflektieren damit die allumfassenden Zerstörungsprozesse unter den Bedingungen der Diktatur. Wie Friedmar Apel schreibt, wird in Müllers Texten gerade in den Dingen, „selbst in den privatesten, […] das Verhältnis des Individuums zu Staat und Gesellschaft gegenständlich, es personifiziert sich wechselweise in den Dingen“ (Apel 2004, 295). Anhand der Haare als ambivalente Körper-Dinge wird dies besonders augenscheinlich: Als angewachsenes Kopfhaar und damit Teil des Körpers vertritt das Haar im Text metonymisch die menschliche Person und zeigt in seiner materiellen Prekarität, in der es Prozessen des Ausreißens, (Zer-) Schneidens und Kahlscherens ausgesetzt ist, die physische und psychische Verletzbarkeit der vom Staat verfolgten Figuren sowie die ihnen zugefügte Gewalt. Haare vergegenständlichen in Herztier somit den destruktiven Zugriff des totalitären Staates auf den Einzelnen, aber auch auf jegliche Form solidarischer Gemeinschaft und lassen die Degradierung, Entmachtung und Destruktion des Subjekts am Haar(-Schnitt) sichtbar werden. Im Rückblick auf den ersten und letzten Satz des Romans, „Wenn wir schweigen, werden wir unangenehm, sagte Edgar, wenn wir reden, werden wir lächerlich“ (H 7; H 252), kommt dem Haar als Reflexionsobjekt der Erfahrungen und Empfindungen der Figuren die Funktion der Artikulation des Nicht-Gesagten oder Nicht-Sagbaren zu. Im Spannungsverhältnis von Reden und Schweigen lässt sich hier von einem codierten Erzählen sprechen – dieses wird im Text selbst reflektiert in der von der Freundesgruppe angewandten Praxis des codierten Briefeschreibens, bei welcher harmlos erscheinende Ding-Wörter wie „Nagelschere“ oder „Schuhe“ (H 90) eine verschlüsselte Botschaft transportieren. So wie die

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Code-Wörter in den Briefen zu den Freunden sprechen und zugleich vor dem Geheimdienst schweigen sollen, erweisen sich die zahlreichen gerissenen, geschnittenen und geschorenen Haare im Text als Code, über den sich das Ausmaß des von den Protagonisten Erlebten und Erinnerten erschließt. Auf diese Weise verdichtet der Text im Minimal-Objekt des Haars letztlich auch größtmögliche ethische Fragen nach der (Un-)Möglichkeit von Solidarität und Resistenz in totalitären Zwangssystemen sowie das Dilemma der Zeugenschaft für die Überlebenden einer Diktatur. Die unter zahlreichen narrativen Schnittsetzungen zerteilten Haare entfalten in Herztier in der Schwebe zwischen Reden und Schweigen ein zerstückeltes Panorama eines von Unterdrückung, Gewalt und Angst geprägten Lebens, transportieren in ihren vielschichtigen Verflechtungen aber auch die Erinnerung an Gemeinschaft und Widerstand, Tod und Verlust.

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