Gedichte [Reprint 2021 ed.]
 9783112430804, 9783112430798

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von

E Schellenberg, geb. Biedermann.

Berlin, 1811. Verlag von G. Reimer.

Inhalt. Seite DaS häusliche Gluck......................................................... 1 Vorgefühl........................................................................ 3 Der Starke....................................................................... 5 An ein junges Mädchen.................................................. 7 Die Innenwelt 9 Taufgeschenk............................................................... 11 Ovfer. Dem Sänger -er Freude................................. 13 Die Wittwe............................................................... 16 An meine Nickte Sophia................................................ 13 An * -....................................................................... 19 Der Wahn . 20 Sehnsucht und Beruhigung . ♦ • . • . 21 Die Gegenwart............................................................... 25 Der Engel der Freude . ................................... 28 An Freund Hegner ........ 32 An Karl Graß in Rom ....... 3.5 Angebinde für die Mutter................................ *37 Die Männer............................................ ........ .39 Berich igung............................................ 40 Lied der Hoffnung....................................................... 41 St. Niklaus. An Ulrich Hegner................................. 45 Am Herbstfeste. An meine geliebte Schwester . . .47 Das Wundermädchen ................................................ 51 Trauergedicht. Im Thale von Goldau . . . .53 Einbildungskraft............................................................... 58 Gewinn aus den Kindheitstagen................................. 61 Die Geschenke des Jahres............................................... 63

IV

Die beiden Harfner . ...................................... An..................................... ..................................... Zuruf an Künstler .... Un er Zschokke'S unahnl'cheS Vildniß Die Gefühle der ersten Liebe . Der Ostermontag .... Das Cchiclsal............................... Die Wahnsinnige .... Das Abenteuer . . . . Jupiters Besuch auf der Erde . . An einen Ncugebornen . . Die Mutter der Wahnsinnigen An meine Nichte Marie . Die Welle des Zeitstroms Rudolphs Heimkehr .... Das Unvergängliche .... An Susette B.................................. Des Kindes Erwachen. Im Leichenhause zu München . An Freund Hegner. Bei Ueberseudung von Montaigne Der Sonnenaufgang auf den Alpen . • Der Geweihte ..... • . Die Tonbildcr.............................. An K. von I................................... . An Gräfin Sabanska Tie Erwartung des Sohnes . Die Ahnfrau ..... . Die Stimme der Löß . Vor einem Gemälde .... Heinrich, der Schreinergesell Silbenräthsel. — Sommervogel. — . Silbenräthsel. — Todeöengel. — . ♦ Silbenräthsel. — Abendroth. — . Silbenräthsel. — Ameisenlöwe — . •

Seite 67 71 73 78 80 83 86 88 91 94 101 104 108 110 113 116 117 118 121 122 124 126 128 130 132 134 136 138 139 144 148 149 154

DaS häusliche Glück. o labend und so rein wie LetheS Quelle, Fließt segnend durch daS Land der Sterblichkeit Ein heil'ger Strom, in dessen Silberwelle

Die Blüthe jedes Glückes sich erneut. An seinem Ufer ruhet sanft der Müde, Der seinem Kummer keine Freistatt fand,

Dort nimmt ihn auf des Lebens stiller Friede,

Der als ein Trugbild lange vor ihm schwand.

Dort stirbt der Keim des unruhvollen Strebens,

DaS seinen Busen ihm zur Hölle schuf, Dort lächelt ihm der Engel seines Lebens,

Den» dort verhallt des eiteln Wahnes Ruf. Dort tanzt die Freude schön und neugeboren

Wie einst, als sie der Kindheit Kränze wand, Dort knüpfen Faden, längst für ihn verloren,

Von neuem ihm daS heil'ge Menschheit-Band.

1

2 Dort ist'S, wo Seelenruh daö bange Sehnen Und hohe Hoffnung herben Schmerz verdrängt,

Dort fließen sanft des Mitgefühles Thränen, Dort wird das Herz durch keinen Zwang beengt, Dort stirbt der Gram in heil'ger Liebe Armen,

Und schnell wird dort des Fehltritts Spur verweht, Dem Feinde keimt dort menschliches Erbarmen, Daö blühend zur Versöhnung übergeht. Der Menschheit Glück, daS Reich der Guten Reist einzig in dem Schoost der Häuslichkeit!

Da knüpfen sich an flüchtige Minuten Die Freuden einer ganzen Lebenszeit.

Dort nur erscheint das Leben hell und milde, Gleichwie ein heiter schöner Sommertag,

Und jede Wonne folgt im sanften Bilde,

Dem Pilger biö zum späten Grabe nach.

3

Borgefühl. TU ernt ost in süßer Wehmuthstille. Von heiliger Gewalt entführt,

Dein Herz voll hoher Liebessülle Sich über Welt «nd Zeit verliert; Dann hörst du was, das in dir spricht: „Ich bin «nd ich vergehe nicht!„

Wenn tiefgebeugt von der Beschwerde

Die Lebensfreude dir entflieht, Und nirgends auf der weiten Erde

Dein Herz sich Rath und Trost ersteht; Dann tönet dir ein Engelswort: „Hier ist die Saat — die Ernte dort!"

1*

4 Wenn in der Nacht beim Glanz der Sterne

Dein Aug' am Grab des Frenndeö weint, Und Tröstung lispelnd aus der Ferne Der Geist der Liebe dir erscheint;

Dann steht eS hell vor deinem Blick: „Mein beßrer Theil kommt mir zurück!" Wenn reine Schönheit dir sich zeiget,

Die an der Hand der Wahrheit geht, Dein Auge ihrem Glanz sich neiget,

Und Ehrfurcht deinen Geist erhöht; Dann prägt sich tief die Ahnung ein:

,/WaS höher strebt, muß ewig sein!"

5

Der Starke.

ohne Furcht und Hoffnung seine Schritte Nach seinem Ziel bei Schicksals Stürmen lenkt, Lebt schön und frei, und stolz bei jedem Tritte

Sein selbstbewußt er seiner Würde denkt. Nicht wird er seiner Rechte sich begebe«,

Sein ist die Welt und ihm gehört sein Leben.

Sein Wirken treibt die Kraft aus seinem Herzen,

In seinen Tiefe« reine Liebe ruht, Und regen sich in ihm der Unbill Schmerzen,

So dienen sie zu steigern seinen Muth. „ Dort, dort,« ruft er, »erblick' ich meine Sonnen,

Dort ist mein Ziel, und dort sind meine Wonnen!"

6 Wenn über seinem Haupte Blitze fliegen,

Er pflückt daS Blümchen, daü am Wege lacht. Sieht er zerschmettert Eichen vor sich liegen, Wenn über ihm der Donner rollt und kracht, Und wenn der Boden dröhnt zu seinen Füßen, Wird er daS Dildniß der Geliebten küssen.

So beugt im Unglück er nicht seinen Nacken Dem ungerechten Schicksal feige hin. Der starke Wille leitet stets den Starken,

Zu dem erhabenen Ziele führt er ihn, Und sah' er selbst allmälig sich erbleichen, Auch sterbend würd' sein Geist es noch erreichen.

7

An ein junges Mädchen. H^elche Wonnen blühen deinem Leben Mädchen! sieh dein Rosenmorgen glüht,

Freude, Lieblichkeit und Unschuld schwebe»

Wo du weilst und wandelst.

Alles blüht

Um dich her, ei» ew'ger Maitagömorgen, Und der Himmel ruht in deinem Blick;

Zephir weht hinweg von dir die Sorgen, Und die Thräne selber gibt dir Glück. Wo du weilest flammt die Opferschaale

Die der unentweihten Jugend sprüht;

Tausendstimmig tönt im Erdenthal« Dir der Wesen hohes Feierlied. Freude sprudelt dir die Silberquclle, Und des Haines Blätter rauschen Dank,

Freuden--Nachhall tönt an jeder Stelle, Jeder Pfad wird dir zum Blumengang.

8 Gold ne Zeit, da innres reges Leben

Dir so schön die äußre Welt erschafft, Holden Unschuldsträumen hingegeben, Regt in dir sich keine Leidenschaft. Früh beglückt durch heil'ger Liebe Milde,

Zeigt das Leben dir sich sonnerhellt, Wie ein schönes Friedenslandgefilde

Und eS schlägt dein Herz der Menschenwelt.

Ach! die schöne Welt! sie wird dir schwinden, Cie entflieht — uns selber unbewußt,

AlleS, alles wirst du ander- finden;

Doch getrost! bleibt Ruhe nur der Brust. Tage, die in Heiterkeit verglühten,

Leuchten ewig der Erinnerung.

Goldne Früchte reifen goldneu Blüthen

Durch die Pflege der Beschäftigung.

9

Die Innenwelt. ^uögezirkelt sind die Tage, Abgewogen Freud' und Plage,

Jedem ist sei» Theil bestimmt.

Schön, daß Alles liegt verborgen, Daß der Abend folgt dem Morgen, Und im Weh die Freude glimmt.

Keiner noch auf dieser Erde Lebt' befreiet von Beschwerde;

Keiner fand deS Glückes Dach. Heute leuchten helle Sonnen, Morgen sind sie ansgeronne«.

Allen wechselt Lust und Ach!

Viele Freuden, viele Schmerzen Schöpfen wir aus unserm Herzen,

Unser Herz ist eine Welt.

ES von Wünschen zu entbinden,

In ihm seine Wunder finden, Ist unö allen freigestellt. £ »»

10 Wer von Wünschen eö entbindet,

In ihm seine Wunder findet, Sä't fich eine reiche Saat,

Und ihn schrecket nicht die Plage, Denn ost lenket er die Wage

Eh' fie fich der Erde naht. Dunkeln fich ihm gleich die Sonnen, Dennoch find't er seine Wonnen,

Wär' eö auch bei Weh und Ach!

Liegt ihm alles gleich verborgen,

I» dem Herzen, selbst bei Sorgen Dämmert ihm ein heller Tag.

Sind gewogen Freud' und Plage, Und gezählt nur unsre Tage Bis der Tod uns jenseits trägt; Arm ist dennoch nicht die Hülle, Den» eö blüht die Wunderfülle

In dem Herzen das ihr schlägt.

11

Taufgeschenk. J^itrn Tempel, wo der Andacht heil'ge Sonne

Deö frommen Beters Antlitz mild bestrahlt,

Wo gläubig er — in seinem Blick die Wonne — Das Morgenroth der bessern Welt sich mahlt,

Wo Ruh' und Fried' zu seines Glaubens Lohne

In sanften Worten zu ihm niederhallt, Eilt' ich, erfüllt mit liebendem Verlangen, Dich am Altar der Weihe zu empfangen.

Es lächelte dein Auge schön und Helle, Als fühltest du, was ich für dich empfand. Ich trat mit dir an die geweihte Stelle,

Wo betend schon der Christus-Diener stand. Und als er dich besprengt' aus reiner Quelle, Dich segnete mit aufgehobner Hand — Stand ich bewegt, den Blick gesenkt zur Erde,

Und flehte still: "daß rein dein Leben werde!"

12 WaS ich in fettem Augenblick empfunden

Ist, holder Knabe, dir noch unbewußt;

Doch hast d« erst der Wiege dich entwunden,

Empfunden früher Jahre Lebenslust,

Hast du des Herzens Worte einst gefunden, Und wärmen zarte Triebe deine Brust;

Dan» kommst du freundlich lächelnd mir entgegen, Und sprichst: » ES war der zweite« Mutter Segen!"

13

Opfer dem Sänger der Freude. freist Freunde, bei der Freundschaft trautem Mahle Den Sänger, der die Freude sang, Der mild erwärmt von ihrem reinen Strahle Uns Labung bot aus ihrer SeegenSschaale,

Und ihre Kränze um «nS schlang.

Nicht trübe der Gedanke unsre Freuden:

Zu ftühe ging der Sänger hin.

Jauchzt Liebe», ihn gebaren unsre Zeiten, Nur seinen Schatte» sahe« wir entgleiten;

Sei» Geist blieb dieser Welt Gewinn.

Wer seine Brust vom stillen Kummer leerte Im Kreise, wo sein Lied erklang,

Wer seines Wissens Schätze bei ihm mehrte, Bei ihm der Wahrheit heil'ge Flamme nährte. Der bring' ihm jubelnd seinen Dank.

II Wer sich vom Erdenstaub emporgeschwunge« Bei seinem göttlichen Gesang,

Und wem, von seinem hohe« Geist gedrungen

Verborgen eine gute That gelungen, Die seinem Herzen Ruh' errang,

Der weih' die Thräne ihm zum stillen Lohne, Die tiefbewegt dem Aug' entschleicht,

Sie reihe sich als Perle in die Krone, Die einst der Enkel an dem goldnen Throne Der Freude, dankend ihm noch reicht.

Ihm sei geweiht auch diese frohe Stunde, Die wolkenlos der Zeit entflieht.

Es flamme sein Gcsaug in unsrer Runde, Daß sanfter, heiliger beim Freundschaftsbunde

UnS des Entschlafnen Geist durchglüht.

Der Rebensaft, der unö im Glase blinket,

Sei als ein Opfer ihm geweiht! Seht wie sein Geist «nS Dank aus Weiten winket,

Wo jede Sorge unserm Sein entsinket, Wo seine Schaale Lethe beut»

15 Fühlt's Freunde, froher wird daö Herz und lichter, Drum schwingt die Gläser himmelan:

Eö gelt' ihm oben bei dem Sternenrichter,

Es gelte Schillern, unserm großen Dichter, Der «nS den Himmel aufgethan!

16

Die Wittwe. ^n der Pappelbäume kühlem Schatten, Wo die Gattinn an dem Arm des Gatten

Sorgenfrei deö Lebens Traum vergaß, Wo sie mit dem kleinen Liebling weilte,

Seine kind'fchen Freuden mit ihm theilte

Und die Wonne ihre Stunden maß, — Fließen nun der Wittwe heiße Thränen/

Und kein Gott stillt ihrer Liebe Sehne».

Beuten, die sie der Verwesung raubte,

Braune Locken von des Gatten Haupte Schlingen um die blonden Locken sich, Die einst an des Knabe» Nacken spielten, Als die warmen Wange» Weste kühlten, Eh' er in der Mutter Arm erblich, —

Diese Beuten von dem schönen Glücke

Bleiben, ach! allein ihr nur zurücke.

17 Ihre Klag' verhallet in de« Lüften;

Keine Antwort steiget aus den Grüften,

Ihrem Kummer lebt sie Nacht und Tag. Ewig scheint die Ruhe ihr entschwunden, Bilder, der Erinnerung entl'unden, Folge« ihr als Plagegeister nach,

Und ihr Aug' erblickt auf allen Flure«, Ihr zur Qual nur der Entschlafnen Spuren.

Unverständlich ist ihr die Vertraute; Trostesworte sind ihr leere Laute,

Cie verhallen in der Brust voll Schmerz. Thränenströme ihre Beute feuchten, Keinen Stern sieht über sich sie leuchten,

Keine Sonne, blickt sie himmelwärts. Nimmer trocknen ihrer Wehmuth Thräne«, Bis das Grab stillt ihrer Liebe Sehnen.

18

An meine Nichte Sophia. ^ich liebes Kind, daö an dem Rosenbande

Der Häuslichkeit mit ganzer Seele hängt,

Schickt Zeitgebrauch in ferne fremde Lande, Wo man dein Herz in fremde Sitten engt.

Was fehlt dir Kind, um andre zu beglücken? Das Herz in deiner Brust schlägt rein und gut, Die Sanstuiuth spricht aus deinen holden Blicken,

In deinem ganzen Wesen Anmuth ruht-

Nicht schöner wird dein Geist sich dort entfalten, Nicht goldner reifen, was man hier gesä't, Nicht reizender dein Körper sich gestalten,

AlS wo der Heimath Luft dich sanft umweht. Doch nicht auf immer wirst du von uns scheiden, Und allenthalben dem die Freude lacht, Der wie Sophia, edel und bescheiden,

Stets über seines Herzens Würde wacht.

19

An

...

.

Eräume froh in zarter Jugendblüthe, Träume dir deö Lebens Müh ein Spiel!

Daß dein Schutzgeist diesen Schlummer hüte, Und dich lächelnd führe an dein Ziel, Und dir feder Morgen Freude bringe,

Leis' berühre dich des Lebens Schmerz, Und dir jede gute That gelinge —

Flehet heut für dich der Freundin Herz!

20

Der Wahn.

der Wahrheit Sonnenstrahlen

Reifet keines Mensche« Glück. Alles i« des Lebens Thale»

Kehrt zum süßen Wahn zurück. Wah« ist jener frohe Glaube: In der Jugend Blüthenland,

I« der Liebe Rosenlaube Kettet «nS sein sanftes Band.

Von des Jenseits hohem Throne

Steigt als Engel er herab,

Hebet der Vergeltung Krone Tröstend auö dem dunklen Grab.

Er erscheint im Feierkleide Lächelnd uns bei jeder Lust; Mild entlockt den Ton der Freude Er des Alters schwacher Brust.

21 Welke Blumen hebt er wieder,

Er verläßt Gesallne nie, Und durch seine SiegeSlieder Scheucht er bitt re Lebensmüh'.

Unsre Wünsche, leicht geboren,

Werden durch ihn schnell erfüllt. Ewig scheint durch ihn verloren

Was das Herz in Kummer hüllt.

Er zerbricht deö Jammers Kette An deö Glaubens Hochaltar, Und der Heiligen Gebete Bringe« ihm selbst Opfer dar.

Seine Zaubermacht verbindet

Schatten mit der Wirklichkeit. Jeder neue Tag verkündet Ihm eia Borurtheil der Zeit.

Jedem Throne leiht er Schimmer, Er erhellt des Ruhmes Ziel.

Sinket Ruh' und Glück in Trümmer, Weckt er Muth und Selbstgefühl.

22 Tröstend schafft er jede Größe Menschlicher Gebrechlichkeit; Freundlich deckt er unsre Blöße Am Altar der Eitelkeit.

Jeder Hoffnung Kinder nähren Sich an seinem Zauberlicht. Reif und golden sind die Ähren,

Die der Wahn dem Waller bricht. Auf des Lebens Wogen gleiten

Sanft in seinem leichten Kahn, Die dem dunklen Loos Geweihten Glücklich hin zum Ziel der Bahn.

23

Sehnsucht und Beruhigung.

W- seid ihr hin mit euerm heitern Glücke Ihr Kindheitstage, ew'ger Sehnsucht werth?

Vergebens ruft die Seele euch zurücke, Euch, durch Erinn'rung reizender verklärt!

Vergebens ruf' ich euch, ihr Kinderspiele, Und dich, du reiner, sorgenloser Sinn,

Vergebens euch, ihr seligen Gefühle! Wo seid ihr, meine Rosenhimmel hin?

Der Freude Kranz zerriß im frühen Lenze, Im Schatten dämmert nun deö Lebeuö Bild.

Die holde Zeit der sorgenfreien Tänze

Hat ernstes Schweigen lange schon umhüllt.

24 Wer stillt der Seele heißes tiefes Sehnen? Verschloß für immer sich ihr Paradies?

Und rinnen nie des Dankes milde Thräne»

Anf Blumen, die mir dort die Hoffnung wies?

Doch nein! nicht ganz entfloht ihr goldne Morgen;

Im Arm der Liebe lacht mir neues Glück! Ein neues Leben blüht aus Muttersorgen

Und bringt mir die verlorne Welt zurück..

25

Gegenwart. ^ie Gegenwart reicht zart der Weisheit Krone,

DeS Lebens Weisheit ist Genuß.

Wohl dem, der schön den Augenblick zum Lohne Der Mühe weiht; ihm winkt von ihrem Throne Der Menschheit frohster GemuS.

Wie in der Urwelt steht im engen Bunde Die Gegenwart mit nahem Glück. Nicht blühet in dem fernen Hintergründe

Vergangner Tage holde» Glückes Stunde, Ihr beut sie feder Augenblick.

Der Gegenwart gehört allein das Leben, Ein Traum ist die Vergangenheit;

Wie freundlich ihre Schatten es umschweben, So flüstert ihre Stimme: ach, das Leben

Verlor zu schnell die gvldne Zeit.

26 Und stets verschwindet/ wie deS Irrlichts

Schimmer, Der Zukunft lockendes Vielleicht!

Zum Ziel der Wünsche führet es unS nimmer,

Den» wir erblicken unsers Glückes Trümmer, Wo eS die kalte Hand u«S reicht. Die Gegenwart belohnt mit reicher Fülle

Die Brust, die schuldlos sich ihr weiht; Sie webt des Wiederschimmers zarte Hülle

Dem Kommenden, sie lehret in der Stille

Erkennen sanfter» Lauf der Zeit. Wer sklavisch nicht um Erdenschätze handelt

Und keine Stunde sich vergällt, Wer liebend auf dem Weg deS Friedens wandelt,

Nicht Wünschen stöhnend Glück in Schein verwandelt,

Dem blüht stets nahes Glück der Welt. Ihm bleibet stets ein seliges Empfinden,

Ob ihn deö Lebens Herbst umweht;

Im nahen Kreise wird er immer finde»,

Die zarten Freuden, die dem Thore» schwinde«, Der eitle Wünsche ausgesä't.

27 Sein schönes LooS ist immerdar entschieden,

Weil er daS, was er hat, genießt. Weil er von dem Vergangnen nicht geschieden, Und mit dem dunkeln Künftigen in Frieden,

Im Dasein Daseinslust genießt.

28

Der Engel bet Freude.

^olde Engel lächeln unserm Leben, Und eS giebt der holden Engel viel, Welche zart und schützend uns umschweben,

Die den schwachen Geist zur Kraft erheben, Und «nS freundlich führen an das Ziel.

Doch der Engel, der uns Alle findet, Früh «nö auf der Mutter Schooß umschließt,

Der den Menschen an den Menschen bindet, Sich mit ihm durch alle Krümmen windet,

Und die Wonnethrän' in'ö Auge gießt,

Der erscheinet uns im goldnen Schimmer, Wie ein Stern, der dunkle Nacht erhellt.

Seine Hand reicht er dem Dulder immer, Steht er schuldlos aus des Glückes Trümmer,

Als wär' er zum Trost ihm zugesellt.

29 Gerne nahet er sich unsern Mahlen,

Tanzet gern durch unsre Reihen hin.

Wenn den Wein er würzt in den Pokalen, Flieh'» die Sorgen, die zu uns sich stahlen,

Gleich den Wolken, die vorüb erzieh'».

Labung reicht dem Dichter seine Quelle, Der dem Schönen seine Lieder singt,

Und zum Tempel weihet er die Stelle, Und erfüllet sie mit Himmelshelle,

Wo des Sängers Loblied laut erklingt.

Manche That nicht von der Welt gesehen

Glänzt von seinem heil'gen Licht verklärt;

Er belohnet die im Stillen gehen Um des Armen Leiden zu erspähen,

Und bestimmet ihrer Thaten Werth.

Mag das Glück sich anch dem Liebling weihen,

Lächelt ihn der Freundliche nicht an, Steht er nicht in seiner Kinder Reihen, Dan« wird er umsonst die Schätze leihen,

Alle seine Schätze sind nur Wahn.

30 Ob des GoldeS Ströme ihn umfluthen Liebe still an seiner Seite geht,

Ob der Eiche gleich in Wettergluthen,

Wenn sich andere für ihn verbluten, Kraftvoll er im grausen Sturme steht.

Ob des Sieges Lorbeer» ihn umfliegen, Db sein Ruhm mit jeder Stunde steigt,

Ob sich Millionen vor ihm schmiegen,

Und zu seinen Füße« Fürsten liegen, Und der Neid vor seinem Geiste schweigt;

Fehlt ihm Frohsinn, fehlt ihm innrer Frieden, Den der Holde, er allein uns bringt; O so pflückt er Früchte nicht hienieden,

Denn er ist, gleich Tantalus geschieden

Von der Frucht, die stets sich ihm entringt.

Anders lebt der Liebling reiner Freude,

Decket Stroh gleich seiner Hütte Dach, Find't zu ihm de» Weg nicht Gold, noch Seide, Wandelt er einher im schlichten Kleide, Dennoch lächelt ihm ein jeder Tag.

31 Was ihm mangelt, weiß er zu ergänzen;

Ihm genüget, was er heute hat.

Seine Wünsche kennen ihre Grenzen, Und er windet sorgsam sich zu Kränzen, Jede kleine Blume, die ihm naht.

Heitrer Seelenfrieden und Vertrauen

Heilt die Wunde die ihm Sorge schlägt; Denn auf seinen Engel wird er bauen,

Und den Himmel wird er immer schauen

In der Welt, die er im Busen trägt.

32

An Freund Heguer.

einst beim Hauch aus wärmern Lüsten, Bei fremden Blüthen, fremden Düsten,

Auf BoromäenS Jnfelland Mir jede kleine Sorge schwand; Als ich in seinem stillen Schatten,

Ein Ruheplätzchen mir erwählt,

Rief von Genuß und Freud' beseelt

Und jubelnd ich zu meinem Gatten:

//Nie soll mir diese Gegend schwinden,

An meine schönsten Stunden binden Will ich deö Paradieses Pracht,

Die meinem trunknen Auge lacht;

Des Eilandö Friede« will ich lauschen, Wenn meiner Flur der Lenz entblüht,

Wenn meines Gartens Schmuck entflieht Und dürr deö Herbstes Blätter rauschen!//

33 Ich kam zurück zum Heerd der Laren, Und Bilder aus den Kinder/ahren

Im Spiel der Kleinen keimten auf, Und hemmten der Erinn'rung Lauf.

Doch einst trug mich auf goldnem Migel

Hin zu der Insel stillem Strand Ei» Traum.

Ich sah das Zauderland,

Den See und seine grünen Hügel.

Und schneller als im leichten Kahne Der Schiffer, flog im süßen Wahne

Ich meinem Ruheplätzchen zu. Noch winkte mir die gleiche Ruh,

Die einst so lieblich mich umflossen. Mir lachte nicht nur Frühlingszeit, WaS Herbst und Sommerfülle beut

War segnend um mich her gegossen.

Hier band Natur in trauter Laube

Die Rose an die Purpurtraube; Es flatterte im Blüthenhauch

Die Mücke um den Mirthenstrauch.

2**

34 Ich weihte hier dein Angedenken: Die Rasenbank ward znm Altar;

Froh legt ich meine Opfer dar, Als wollt' ich sie den Göttern schenken.

Doch ach, eS sank zum Erdenthale, Die Sonne mit verjüngtem Strahle

Hinab anö ungemeß'nem Raum, Und weckte mich aus meinem Traum.

Das Lustgebilde war verschwunden. Ich blickte hi» auf meine Flur,

Und nirgends fand ich eine Spur Von meinen schön verträumten Stunden.

Nun sang ich sie im leisen Liede

Auö meines frohen Herzens Friede, Des Freundes Bild noch vor mir stand.

Ich nahm, was ich beim Hüttchen fand: Ein kleines ländliches Gerichte,

Das mir der kleine Garten gab, Das pflückte meine Hand dir ab, —

Und opfernd send' ich dir die Früchte.

35

An Karl Graß in Rom. ^ühn in der Jugend frohem Feuer

Berühr' ich meine kleine Leier,

Um welche Liebe Kränze wand. Ich singe kunstlos im Gewände Der Einfalt, wie ein Kind vom Lande,

Mit deinem Haine unbekannt.

Mir bangte vor dem schönen Haine,

Wo schon bei frühen Morgenscheine Der Faun bei feder Blume lacht.

Mir duftet eine rein're Blüthe, I« einem heiligern Gebiete Dem Hauch daö Mitgefühl erwacht.

36 Mein Eden dank' ich stillen Schatte», Die kleine Leier meinem Gatten, Der Häuslichkeit des Lebens Glück.

An ihrem Heerde sing' ich leise

Die Freuden meiner kurzen Reise, Und Wonne glänzt in meinem Blick.

Hier ist es, wo von Liebe trunken, Auf seine Kinder hingesunken, Das Mutterherz oft Wehmuth singt,

Wo schon mein Geist wie neugeboren,

In jenem großen Raum verloren, Sich hoffend auö dem Kerker schwingt.

Entfernt vom Drang »ach eitelm Ruhme

Such' ich der Kindheit süße Blume

Und freue mich der Frühlingsflur. Mein Altar ist beim Muttergrabe,

Und meine ganze Dichtergabe Sind Töne schwachen Dankes nur.

37

Angebinde für die Mutter.

Zärtlichste der Mütter, Beste, Sieh bett Kranz zu deinem Feste,

Den dir Dank und Liebe wind't! Nicht entseelte Worte schallen

Dir entgegen, Kinder lallen Immer waö daö Herz empsind't.

In dem bester» Vaterlande Knüpften Engel unsre Bande,

Weihten sie zur Wonne ein; Und der Geister Stimmen riefen,

Als in deinem Schoost wir schliefen: Glücklich werdet ihr einst sein!

38 Freundlich tagte unser Morgen,

Gram und Leid blieb «nS verborgen, Heiter wallten wir dahin;

Schöner jeder Tag entglühte; Jede Knospe trieb unS Blüthe,

Denn du warst uns Führerinn.

Mutter fühl', im Hochgenüsse Unsers Glücks, mit diesem Kusse

Was du deinen Kindern bist;

Sieh' in unsern Freudenthränen, In des Dankes reinen Tönen

WaS unö deine Liebe ist!

Sieh, des frommen Opfers Düfte Steigen hoch hin in die Lüfte,

Wo ein guter Vater wohnt. Für dich Heil und Wohlergehen

JstS was wir von ihm erstehen, Er ists, der die Treue lohnt!

39

Die Männer.

Sie lieben weiblich zarten Sinn;

Doch mehr als Zartheit, Geist und Seele Reißt sie der Tugend Zauber hin.

40

Berichtigung.

ff'ie Rosenzcit des Lebens ist die Jugend —

Ihr Zauber — ja ■— zieht unwillkührlich hin;

Doch fesselnd erst wird er, wenn Geist und Tugend DaS Weib vereint mit liebend zartem Sinn.

41

Lied der Hoffnung. Hoffnung stählt die Brust der Schwachen;

Hoffnung weckt den Heldennmth. Sie nur führt den morschen Nachen

Muthig durch der Wellen Wuth.

Sie entsteigt im Morgenschimmer

Auö der Angst der dunkeln Nacht, Sie nur ist es, die die Trümmer Des zerstörten Glücks bewacht.

Sie Hilst unsre Feffeln trage»,

Hoffnung lindert jeden Schmerz;

Balsam an dem Leichenwagen Tröpfelt sie ins Mutterherz;

Glaube, ruft sie, neugeboren Muß dein Sohn bei Engeln stehn!

Und er ist dir nicht verloren,

Einst wirst du ihn Wiedersehn!

42 Aus des Grabes dunkel« Schatte« Lispelt sie der Wittwe mild: Weine nicht um deinen Gatte«,

Deine Kinder sind sei» Bild! Wandle muthig deine Reise

Durch der Prüfung rauhes Land,

Schützend bleibt sei« Geist im Kreise, Wo er einst die Liebe fand!

Keine Thräne fleht vergebens

Zu der sanften Trösterin; Gerne streut sie auf des Lebens

Nessel» ihre Blumen hin. Hoffnung naht mit leisem Tritte

Sich deS Elends hartem Stroh, Und macht in der kleinen Hütte

Die verlaffne Armuth froh.

Sie weilt bei deö Kmdeö Spielen, Zaubert seinem frohen Sin«,

Seinen seligen Gefühlen, Freuden naher Zukunft hin.

43 Freundlich lächelt sie dem Greise, Hoffnung ist deö Jünglings Sporn,

Zeigt der mutterlosen Waise

Rosenknospen an dem Dorn.

Aus dem Schooß der Mutter führet Sie die Unschuld in die Welt

Waö ihr Zauberstab berühret, Hat zur Freude sie beseelt.

Frohen Muth am Traualtäre

Fühlt durch sie die junge Braut, Wen» sie auf die ernster» Jahre Ihres neuen Daseins schaut.

Rur durch sie, in seinen Ketten, Trägt der Sclav des Elends Joch;

Himmelsworte: Retten! Retten! Flüstert ihre Stimm' ihm noch.

Jedem Dulder singt von ferne Ihrer Harfe Zauberton,

Und er glaubt ihr, ach so gerne! Und sieht seines Duldens Lohn.

44 Nie erschlaffen ihre Triebe; Wenn der Mensch den Menschen läßt,

Stützt sie ihn, und ihre Liebe Hält ihn vor dem Abgrund fest;

Wenn er keine Rettung siehet, Wenn der Stab sich ob ihm bricht,

Wenn ihn selbst das Mitleid fliehet, Flieht ihn doch die Hoffnung nicht.

Liebend zeigt sie unS die Stelle, Wo Vergebung Wonne winkt,

Wo aus jener reinen Quelle Bruderzwist Versöhnung trinkt. Lächelnd zeigt sie Lethes Schale Und das Ende jeder Müh. —

Psyche fand im Erdenthale

Ihren Amor nur durch sie.

45

St. Niklaus. An Ulrich Hegner. Pu, den ich gern begrüßt als Dichter, Mit Ehrfurcht seh' als ernsten Richter

Und weisen Mann, du, der als Freund

Stets edeldenkend mir erscheint; Komm', lege ab all deine Würden, Befreie dich von ihren Bürden

Und werde mit mir heut ein Kind Und froh, wie heut die Kinder sind. Komm', kehr' zurück ins Land der Träume,

Denk lächelnd an St. Niklaus Bäume, Komm', weih' der Freude deine Brust,

Und ops're der vergangnen Lust.

Denk', wie einst an der Mutter Hand Dich der ersehnte Abend fand.

Horch, süß tönt noch des Glöckchens Klang, Als wär'ö der Musen Wettgesang.

46 Ha, sieh den Baum, der schöner lacht, Als Sternenlicht in dnnkler Nacht,

Von dessen Früchten abzupflücken Das Herz dir pochte voll Entzücken, Nach dem so trunken wie die Braut Nach dem Geliebten, du geschaut!

Nicht wahr, die Zeit war schön und helle! Doch, ach — sie floh mit Pfeiles Schnelle, Mit ihr floh manches Glück dahin;

Doch manches blieb noch frisch und grün. Den Baum, den einst die Mutter brachte, Den Baum der süßen Kinderzeit, Den Baum, der dich einst glücklich machte,

Hat Freundschaft heute dir geweiht.

Vertrauend band an seine Äste Sie Lichtchen viel, viel Näscherei»;

Drum lächle freundlich zu dem Feste Und lasse mich St. NiklauS sein.

47

Am Herbstfeste. An meine geliebte Schwester.

eib mir gegrüßt, des Herbstes frohe Tage, Die ihr deS Winzers Freude neu erhebt, So daß fein Jubel wie mit Zauberschlage

Vom Weinberg aus das stille Thal belebt!

Seid mir gegrüßt! Entfernt von Sorg' und Plage

Der Kinder Herz euch froh entgegen bebt. Die Unschuld ist an Freude heut gebunden Und unbewölkt entfliehen ihre Stunden. Der dunkle Wald, des Rebenhügels Krone Verbirgt die Glücklichen schon meinem Blick,

Doch Nachhall bringt die Lust mit frohem Tone

Mir aus dem alten Götterhain*) zurück. •) Der Lindberg. Bilder auSgegraben.

ES wurden daselbst OpfergerLthe und

48 Der Friede lächelt mild an seinem Throne, Er bürget mir deS stillen Thales Glück.

Gemüthlicher noch als die Sommerfülle Spricht sie mich an, des Herbstes leichtre Hülle.

In ungeheuren mächtige« Gestalten

Glüht dort der Berge Kranz im Sonnenschein,

Die alte Burg*) wo Herrscher nicht mehr walten, Lad't mich zu Träume» grauer Vorzeit ein. Ein Meer von Farben seh ich sich entfalten,

Durch bunte Felder sich die Straßen reih'«, Und freundlich mit der alten Einfalt Spuren Grüßt mich das Dörfchen aus den grünen Flure».

Wie lieblich schlingt um Tage, längst verloren,

Sich neu setzt der Erinn'rung Rosenband! Schau ich das Städtchen, das mich einst geboren,

Den Ort, wo ich der Kindheit Kränze wand, Wo ich den Heißgeliebten mir erkoren,

Wo ich der Freundschaft reine Freuden fand: Ha ■— alle diese Seligkeiten schwebe»

Vor mir wie Wesen aus dem bessern Lebe».

*) Da« nahe Schloß Kiburg.

49 Ach, welch Gefühl reißt wie ein Sturm die Welle,

Mich aus dem süßen Traum! Ein Trauerflor Verdunkelt mir die lustgeweihte Stelle

Wo ich in Wonne oftmals mich verlor! Wo seid ihr hin, Geliebte meiner Seele? Der Eltern Stimme lauscht umsonst mein Ohr!

Wo seid ihr hin, die ihr des Kindes Schritte Einst liebend lenktet zu der grünen Hütte?

Wo bist du Scherz, dem Vatermund entflossen? Du Mutterliebe, die hier gern geweilt? Seid ewig ihr vom Feste ausgeschlossen, Ihr, die die Lust so oft mit uns getheilt?

O Vater, Mutter, fröhliche Genossen, Seid ihr unwiederbringlich uns enteilt? Kehrt keine wieder, keine von den Stunden

Die uns in trautem Frieden einst gefunden?

Nein, keine kehrt von jenen holden Scenen

Zurück! — Der grausen Wahrheit mir bewußt, Und voll von Wehmuth drück' ich «uter Thränen

Die Lieblinge an die beklemmte Brust. — 3

50 Du mußtest, theure Mutter, sie nicht kennen

Die lieben Kinder, meines Herzens Lust — Den ersten Enkel, um ihn zu verlassen,

Nur diese« durstest einzig du umfassen.

Doch wie der Gläubige, mit einem Blicke Auf seinen Gott, die bange Sorge stillt, So wird wohlthätig mir von dem Geschicke

Der Liebe Sehnsucht ahnungsvoll enthüllt; Kein Traum ist eS, an dem ich mich erquicke,

Auf dunklem Pfad erscheint dein strahlend Bild,

Und die Entschlafnen lispeln sanft hernieder: „Im Schwesterherz findstd« die Eltern wieder!«

51

Das Wundermädchen.

des Nebelthales Jrrgewinden,

Wo bald froh, bald ernst der Pilger wallt,

Wo, wie Träume, Lust und Jammer schwinden, Und ihr Ton im Dom der Zeit verhallt,

Kommt ein Mädchen ihm auf seinen Wegen Heiter und bedeutungsvoll entgegen.

Lorbeerkränze, Krone» und Geschmeide

Trägt im kleinen Körbchen seine Hand;

Würden, Titel, Silber, Gold und Seide, Und der süßen Liebe Rosenband; Und der Freundschaft Glück verheißt die Holde,

WaS ihn reizt, das steht in ihrem Solde. 3*

52 Wohin Sehnsucht ihn so oft getragen,

Zn der Himmlischen, die nie er sah, Die er oft bestürmt mit seinen Klagen,

Dieser ist der Glückliche so nah;

Doch sein Blick fliegt, wo die Raben flogen, Und das Wunderkind ist fortgezvgen.

Ach! zu spät erblickt er seine Spuren. »O du Thor!// ruft er, und eilt ihm nach.

Ruh'- und athemlos auf allen Flure»

Folgt ihm der Verlaßne Nacht und Tag; Doch eS fliegt gleich leichtbeschwingten Pfeilen, Und sein Fuß kann nimmer es ereilen.

53

Trauergedicht. Im Thale von Golda«, fließe btt, des Mitleids ernste Zähre,

Hier verschlang daS Leden — welch ein Grad! Welche Wildniß herrscht und welche Leere,

Wo einst Ledenö-Fülle kund sich gab! Wo sich einst vom Menschen dis zur Pflanze Alles schmückte mit des Lebens Kranze,

Stürzt' versinkend, gleich dem tiefen Schacht, Goldau in deö Schicksals dunkle Nacht.

Wo sind hin nun deine Frühlingssonnen, Deine Freuden alle? goldneS Thal!

Wo der frohe Wandrer wie entronnen Allen Sorgen, sich der Welt entstahl.

54 Wo sind hi« nun deine Silberquellen,

Und deö Giesibachö funkenvolle Wellen? Wo ist hin der blumbekränzte Rain,

Deiner Kinder glücklicher Verein?

Mütter sah« im seligen Gefühle, Undschuldsvollen Morgenspielen zu;

Nach der Arbeit, nach des Tages Schwüle, Fand der Hüttler seines Hüttchens Ruh. Freude schlang der Jungfrau Dlüthenkränze,

Lehrte Jünglinge des Festes Tänze;

Liebe weihte ihre theure Spur

Stiller nachbarlicher Schaitenflur.

Ach! wo seid ihr hin, ihr Rosenwangen? Lippen, die ihr sangt daS Hirtenlied?

Und ihr Knaben, die die Armbrust schwangen, Wie zur Zeit von Tell und Winkelried?

Ach! wo blieb der Greis, der an der Stiege

Schaukelte den Enkel in der Wiege? Welche Bilder ew'gm Lebens werth,

Hat ein Tag, ein Augenblick, verheert!

55 O deö Schauertages! ohne Rasten Ging verloren jeder Rettnngssteig;

Furchtbar stürzten, rollten Felsenlasten, Steile Höhen wurden Ebnen gleich.

Wälder sanken in zerrißne Klüfte Sturmwind sauste heulend durch die Lüfte,

Wo noch eben blüh «der Boden stand, Dehnte sich ein grauseS Todesland,

Schenkten Himmelsgötter kein Erbarmen

Den Bedrängten, die dem Tod geweiht? War kein Ausweg möglich diesen Armen?

Eins nur milderte den Spruch der Zeit: Augenblicklich war des Opfers Bangen,

Furchtbar, aber eilend ist vergangen, WaS an jenem schauervolle» Tag Hartem Kampf deö TodeS unterlag.

Fließest du, deS Mitleids heiße Zähre, Ihnen, welche ruhn im tiefem Schlaf! Denen fließe, die des Unfalls Schwere

In Erinnrung jenes TageS traf!

56 Die verwaist um die Entrinnen weinen, Irrend an de« aufgewühlten Steinen,

Suchend, wo einst Wonne sie umgab, Der Entrißnen tiefverhülltes Grab.

Wie sie starren in die Schreckenstiefe, Wo einst lockte reicher Blüthenhain,

Wie wenn kant ein Geist der Nächte riefe: "Ew'ger Nacht verfällt der Menschen Sein!«

Aber daun ertönt es aus dem Boden: „Seel'ges Ahnen wachet bei den Todte«, Freiheit und der Ruhe sichre Spur

Sind auf Erden in dem Grabe nur.«

Stimme theurer Väter, theurer Brüder!

Du verheiß'st dem Herze» süßes Glück!

Doch die Kindheitsflur ersteht nie wieder, Ihre Kränze gibt kein Gott zurück.

Ob die Zeit auch alles neu bekleide, Fluren wieder hebt, aus öder Haide:

Wer erweckt der Liebe Wonnetraum, Sank im Sturm der Hoffnung Blüthenbaum?

57 Wendet Aage» euch vo» diesem Bilde!

Wendet euch von dieser Gräber Land!

Lieb' und Wehmuth sprechen fromm und milde: "Ruhet saft, die hier die Nacht umwand!"

Sind des Trauerns Jahre hingesunken, Steigen aus dem Grab des Lebens Funken,

Und wo jede Spur der Freude schwand, Blühet wiederum ein glücklich Land.

58

Einbildungskraft. holdselige, so milde

I« lichter Traumgestalt Berührst du die Gefilde, Durch die dem Zauber wallt.

Du rufst zu stiller Feier

Verfloff'ne Zeit zurück)

In ewig sanftem Feuer Lacht freundlich «nö dein Blick.

In Wonne hingesunken, Den Liebling auf dem Knie,

Wähnt Mutterliebe trunken

Schmerz fand' den Holde» nie; Noch viel der Freuden schweben, Wie Träume um sein Haupt. —

O selig, wer im Lebe» An süße Täuschung glaubt!

59 Was gleicht dem frohe» Lohne In deiner Zauberwelt?

Wer steht an deinem Throne Dem froh die Brust nicht schwellt?

Der Armuth düstre Hütte

Erhellt dein mildes Licht; Du weilst in unsrer Mitte, Wenn ernst daS Schicksal spricht-

Die Kühnheit deiner Flügel

Dringt in die Dunkelheit,

Du eilst vom Grabeshügel Hin in die Ewigkeit.

Dein Flug kennt keine Grenze Dein ist deS Weltalls Raum; Du lebst in ew'gem Lenze

Des Daseins schönsten Traum.

Der Weisheit helle Sonnen, Der Hoffnung heil'ge Macht, Und jedes Glaubens Wonnen Hast du zu uns gebracht.

60 Rust schalkhaft auch der Spötter:

vtttib der Vernichtung Nacht, Und zweifelhafte Götter

Hat sie für «nS erdacht!« Dann lispelst du voll Milde: ,/O glaub' der Täuschung nicht,

Es blühen die Gefilde,

Wo nichts fich widersprecht, Wo alle Zweifel fliehen, Und wo kein Räthsel wohnt, Und wo deS Lebens Mühen Ein guter Vater lohnt!"

61

Gewi«« aus den KindheitStage«. G,»ch der Sehnsucht die aus weiter Ferne WehmuthSvoll zur lieben Heimath führt,

Die in stillen Stunden immer gerne

Im verlornen Himmel sich verliert; Eilt mein Geist zurück zu den Gestaden,

Wo der Kindheit süßer Traum verschwand,

Wo im Silberspiegel der Najaden Ein lichtes Bild des Lebens vor uns stand.

Gleich dem Quellgeriesel war die Klage, Freude sang der Lerche Frühgesang, Aller Sinn glich einem Frühlingstage,

Kummer flog wie lichter Wolken Gang;

Damals tauchte Hoffnung ihre Flügel In die Fluthen reiner Fantasie

Goldne Sonne» barg uns feder Hügel

Und des Lebens Mühen sah'n wir nie.

62 Freundlich kam auf halbem Weg entgegen

UuS die Freundschaft mit dem treuen Blick, Unschuld lächelte mit ihrem Segen; Immer neu blieb reines Jugendglück;

Denn des Herzens Sehnsucht ging nicht weiter, Als zur grüne» Flur, zum Kinderspiel;

Frohsinn als ein himmlischer Begleiter, WieS dem kleine« Wunsche sichres Ziel. Goldne Zeit! wer von dem Blumenlande

Seiner Kindheit dich ins Leben bringt, Und mit immer grünem Freudenbande

Seines Lebens schönste Zeit umschlingt:

Sieht gelassen Sonne» untergehea In des Lebenü trüben Ocean,

Blickt von der Erinnrung Uferhöhen Über Nacht und Dunkel himmelan.

63

Die Geschenke des Jahres. Aahin entfloh eS zu den Halle« Der grauen Zeit das jüngste Jahr!

In seinem letzte» Schimmer walle« Die Freuden, die es uns gebar. Sein Dasein—wie ein Hauch entschwunden,

War nur ei« kurzer Morgentraum.

Wie flüchtig hat sie ihn empfunden — Die Seele, und sie glaubt ihm kaum.

Im Lodern stiller HauSaltäre, Da ließ eS reicheren Gewinn,

Dem Undank nur blieb öde Leere, Dem Thoren floh eS strafend hin.

Der Weise sei'rt daS Angedenken Der Wonnen die die Stunde gab, DeS Denkers stillre Blicke senken

Zur Urne heiter sich hinab.

64 Indem mit eines GotteS Seegen

Es von der Erde Abschied nahm, Zog ihm die Schwester schon entgegen,

Wie Isis einst zur Erde kam. Die Hoffnung gab ihr das Geleite,

In milde Strahlen eingehüllt, Die Liebe stand an ihrer Seite Der Wonne und des Segens Bild,

Sie winkte freundlich Hütten, Thronen, Sie lächelte der Redlichkeit.

In ihrer Hand hielt sie die Kronen Des Ruhmes und der Häuslichkeit.

Das Glück umflatterte die Holde, Der Fleiß bot seinen Erntekranz,

Die Wahrheit stand im Sonnengolde, Die Tugend in der Gottheit Glanz.

So kam sie aus der Sternenweite,

Wie heiter war deö Morgens Gruß l

Euch, rief sie, weih ich mein Geleite

Ihr Sterblichen zum Glücksgenufi,

65 Ich biet' euch reiche Himmelsgaben; Wißt! wer sie zart zu nehmen weiß, Zieht Freuden, die nur Götter laben

Selbst in des Erdenlebens Kreis.

So rief sie! und dem Blick verschwunden War ihre himmlische Gestalt.

Es kreiseten die neuen Stunden,

Wie eine Flut voll Leben wallt. Es reichten Licht und Schatten leise

Im treuen Wechsel sich die Hand,

Und ferner zog die neue Reise Die Pilger in des Lebens Land.

Mir lispelte mit sanftem Tone, Der tief in meine Seele drang,

Noch ihre Stimm': „die schönste Krone,

Die je ein Sterbliche» errang, Die immer mit verjüngten Freuden

Ihm seinen trüben Pfad erhellt,

Ist — Liebe, die noch selbst im Scheiden

Erquickend ihn im Arme hält.»

66 »Ihr weihe dich mit sanftem Triebe, Und Geister weihen deinen Pfad. WaS nichts vermag, vermag die Liede

Selbst da, wo Wettemacht sich naht. Ihr Zauder lebt in feder Blume,

Die dir die Hand des JahreS reicht, Und nur in ihrem Heiligthume

Die zarte Rose nicht erbleicht.« Von Ruhmsucht frei und eitlem Streben

Geht sie deö Schönen lichten Weg,

Sie eint getheiltes Seelenleben Zu einem schönen Lebenszweck.

Stets blühet neue Sezenöfülle. Auf ihrer thatenvollen Bahn;

Sie lohnt das Gute, das in Stille, Das anspruchslose Herz gethan!"

67

Die beiden Harfner. Cm- fehlt uns Lei dem frohen Mahl

Herr Ritter, sprach Helene, Es hallen nicht im weite« Saal Deö Harfners Silbertöne.

Einförmig ist der Becherklang Umranscht ihn nicht ein Hochgesavg.

Der Ritter rüst den Knappen zu: „Eilt Sänger uns zu holen,

Spornt rasch die Klepper, sonder Ruh,

Beflügelt eure Sohlen.

Wer von euch mir den besten bringt Den vollsten Humpen sich erringt!«

68 Die Knappen satteln ungesäumt, Und eh' im frohen Kreise

Es sichs die Gäste noch geträumt,s Tont schon der Lieder Weise. Die Harfner zieh» inS Burgthor ein,

Die Knappe» lustig hinter drein.

Sie wandeln durch den langen Gang;

Erst vor der Thür wirds stille. Herein, ruft Ritter Karl, Gesang Ist «nser aller Wille! Es. treten in den Saal hinein

Zwei junge Harfner hold und fein.

Gegrüßt seid edle Ritter, spricht Der Blonde und der Braune,

An Liedern eS «ns nie gebricht Nach Ritter Wunsch «nd Laune. Laßt hören eures Herzens Drang,

Er geb' mis Stoff zu dem Gesang!

Wohlan, besinge Schönheit dann

Das Lied, weil Wein unö labet;

69 Seht dieses holde Fräulein an,

Ein Röschen hochbegabet. Wenn sie euch nicht Begeistrung leiht Seid ihr zu Sängern nicht geweiht.

Doch erst sollt ihr gelobet sein, Erst feuchten euch die Kehle.

Trinkt Freunde, erst de» goldnen Wein, Damit der Muth nicht fehle:

So spricht der Hausherr, und mein Ring Zum Wettgesang sei das Geding.

Und bald der Harfe To» erklingt. Im Liede voll Entzücken,

Der Braune von der Schönheit singt, Indeß mit trunknen Blicke»

Der Blonde nach Helene» schielt Die züchtig mit dem Kreuzchen spielt.

Der Sänger schweigt. Wird ihm.

DeS Beifalls Lohn

In leisem Schwebe»

Entströmt der Harfe Zanberton

Des Blonden innres Leben;

70 Von Saiten, die er leis berührt,

Der Ton im Herzen sich verliert. Ein Ritter rief: »/gib Jüngling knnd, Warum nnr Harfentöne,

Gesänge nicht aus deinem Mund

Erklingen für Helene. Scheint ihre Schönheit dir nicht werth

Des Lobs, das man von dir begehrt?

Eö spricht der Jüngling wonnevoll

Mit lieblichen Geberden: »Mit Worten! Ha! das Schönste soll,

Kan» nie besungen werden; Vor solcher Reize Hochgenuß

Des Sängers Mund verstummen muß!»

Helene» riefen alle zu: »Wen lohnt des Sanges Krone? Wir bitte» dich, entscheide du:

Wem sei der Ring zum Lohne?» Helenens Auge erdwärts sank, Stumm Ritter, spricht sie, ist mein Dank!

71

An

...

.

der Hoffnung! goldner Friede»

Schwebt ob deiner Wiege hin, Harmlos wallest du hienieden, Alles bietet dir Gewinn.

Wo du weilest, lacht die Liebe, Jede Sorge steht dir fern.

O daß er dir immer bliebe Dieser Tage goldner Stern!

Finden dich geringe Schmerzen

Eilst du a« der Mutter Brust.

Sanft gewiegt an ihrem Herzen Wechsel» sie mit Freud und Lust; Du entschläfst dort unbekümmert,

Ruhst so sicher, ruhst so weich.

Würd' es dir doch nie zertrümmert Dieses kleine Himmelreich!

72 Heiter strahlet dir dein Morgen,

Denn der Hoffnung Wimpel wrh'n,

Mutterliebe, Vatersorgen Sinds, die schützend bei dir stehn.

Elterntre« ist Lichteö Schimmer UnS im dunkeln Mißgeschick.

Glaub' es, liebes Mädchen, immer Wird sie dir zum Segensblick!

Einst wenn eigner Kraft Gefühle

Dich der Mutter Schooß entzieh«, Du beim süßen Jugendspiele

Wagst deS Vaters Arm zu flieh»,

O, dann lächle dir entgegen: Unschuld, Liebe, froher Sinn.

Mädchen, wiß' es ist ihr Segen, Mädchen, nimm ihn dankend hin!

73

Zuruf