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German Pages [136] Year 2020
ZEITGESCHICHTE 46. Jahrgang, Heft 4 (2019) Herausgeber: Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb (Geschäftsführung), Verein zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Zeitgeschichte, c/o Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, Spitalgasse 2-4/ Hofl, A-1090 Wien, Tel.: 0043 1 4277 41205, E-Mail Redaktion: [email protected], [email protected]; E-Mail Rezensionen: [email protected] Diese Zeitschdft ist peer-reviewed. Articles appearing in this journal are abstracted and indexed in HISTORICAL ABSTRACTS, AMERICA: HISTORY AND LIFE, CURRENT CONTENTS-ARTS & HUMANITIES, and ARTS & HUMANITIES CTTATION INDEX. 'Bezugsbedingungen Erscheinungsweise: viermal jährlich Erhältlich in jeder Buchhandlung oder bei der HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice mbH. Ein Abonnement verlängert sich automatisch um ein Jahr, wenn die Kündigung nicht bis zum l. Oktober erfolgt ist. Die Kündigung ist schriftlich zu richten an: HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice mbH, Holzwiesenstr. 2, D-72127 Kusterdingen, E-Mail: [email protected], Tel.: 07071 / 9353-16, Fax: -93. Preise und weitere Informationen unter www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com. Offene Beiträge sind jederzeit willkommen. Bitte richten Sie diese und andere redaktionelle Anfragen an die Redaktionsadresse. Für unverlangt eingesandte Manuskripte übernehmen Redaktion und Verlag keine Haftung. Die in den einzelnen Beiträgen ausgedrückten Meinungen sind ausschließlich die Meinungen der Autorinnen. Sie decken sich nid1t immer mit den Meinungen von Herausgeberinnen und Redaktion.
Gefördert durch die Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien und die Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7).
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Veröffentlichungen der Vienna University Press erscheinen bei V&R unipress. © 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Tel.: 0049 551 5084-415, Fax: -333, www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com, [email protected] Alle Rechte vorbehalten. Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck w1d Bindw1g: CPI books GmbH, Birkstraße 10, D-25917 Leck
ISSN: 025&-5250 ISBN: 978-3-7370-1009-2
ZEITGESCHICHTE
Ehrenpräsidentin: em. Univ.-Prof. Dr. Erika Weinzierl († 2014) Herausgeber : Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb Redaktion: em. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Ardelt (Linz), ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Ingrid Bauer (Salzburg/ Wien), SSc Mag.a Dr.in Ingrid Böhler (Innsbruck), Dr.in Lucile Dreidemy (Wien), Prof. Dr. Michael Gehler (Hildesheim), ao. Univ.-Prof. i. R. Dr. Robert Hoffmann (Salzburg), ao. Univ.Prof. Dr. Michael John / Koordination (Linz), Assoz. Prof.in Dr.in Birgit Kirchmayr (Linz), Dr. Oliver Kühschelm (Wien), Univ.-Prof. Dr. Ernst Langthaler (Linz), Dr.in Ina Markova (Wien), Univ.-Prof. Mag. Dr. Wolfgang Mueller (Wien), Univ.-Prof. Dr. Bertrand Perz (Wien), Univ.-Prof. Dr. Dieter Pohl (Klagenfurt), Dr.in Lisa Rettl (Wien), Univ.-Prof. Mag. Dr. Dirk Rupnow (Innsbruck), Mag.a Adina Seeger (Wien), Ass.-Prof. Mag. Dr. Valentin Sima (Klagenfurt), Prof.in Dr.in Sybille Steinbacher (Frankfurt am Main), Dr. Christian H. Stifter / Rezensionsteil (Wien), Priv.Doz.in Mag.a Dr.in Heidemarie Uhl (Wien), Gastprof. (FH) Priv.-Doz. Mag. Dr. Wolfgang Weber, MA, MAS (Vorarlberg), Mag. Dr. Florian Wenninger (Wien), Assoz.-Prof.in Mag.a Dr.in Heidrun Zettelbauer (Graz). Peer-Review Committee (2018–2020): Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Tina Bahovec (Institut für Geschichte, Universität Klagenfurt), Prof. Dr. Arnd Bauerkämper (Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, Freie Universität Berlin), Günter Bischof, Ph.D. (Center Austria, University of New Orleans), Dr.in Regina Fritz (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien/Historisches Institut, Universität Bern), ao. Univ.Prof.in Mag.a Dr.in Johanna Gehmacher (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien), Univ.Prof. i. R. Dr. Hanns Haas (Universität Salzburg), Univ.-Prof. i. R. Dr. Ernst Hanisch (Salzburg), Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Gabriella Hauch (Institut für Geschichte, Universität Wien), Univ.-Doz. Dr. Hans Heiss (Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck), Robert G. Knight, Ph.D. (Department of Politics, History and International Relations, Loughborough University), Dr.in Jill Lewis (University of Wales, Swansea), Prof. Dr. Oto Luthar (Slowenische Akademie der Wissenschaften, Ljubljana), Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Wien), Mag. Dr. Peter Pirker (Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck), Prof. Dr. Markus Reisenleitner (Department of Humanities, York University, Toronto), Dr.in Elisabeth Röhrlich (Institut für Geschichte, Universität Wien), ao. Univ.Prof.in Dr.in Karin M. Schmidlechner-Lienhart (Institut für Geschichte/Zeitgeschichte, Universität Graz), Univ.-Prof. i. R. Mag. Dr. Friedrich Stadler (Wien), Assoc.-Prof. Dr. Gerald Steinacher (University of Nebraska), Assoz.-Prof. DDr. Werner Suppanz (Institut für Geschichte/Zeitgeschichte, Universität Graz), Univ.-Prof. Dr. Philipp Ther, MA (Institut für Osteuropäische Geschichte, Universität Wien), Prof. Dr. Stefan Troebst (Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa, Universität Leipzig), Prof. Dr. Michael Wildt (Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin).
zeitgeschichte 46. Jg., Heft 4 (2019)
Gedenkjahr 2018 Vergangenheit im Fokus öffentlicher Kommunikation Herausgegeben von Dirk Rupnow und Heidemarie Uhl
V& R unipress Vienna University Press
Inhalt
Heidemarie Uhl Gedenkjahre. Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
Artikel Dirk Rupnow Das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 – eine Rückschau
. . . . . . . . 463
Petra Bernhardt / Karin Liebhart Gedenkjahr 2018: Erinnern im Fokus politischer Online-Kommunikation Patrick Aprent Prägende Diskurse im Gedenkjahr 2018. Eine digitale Analyse österreichischer Printmedien auf Basis des „Austrian Media Corpus“
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. . 501
zeitgeschichte extra Tobias Ebbrecht-Hartmann Blind spots, in the Present. The National Socialist Past in Recent Austrian Films . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 Abstracts
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557
Rezensionen Dieter J. Hecht Markus Stumpf/Herbert Posch/Oliver Rathkolb (Hg.), Guido Adlers Erbe
563
Petra Mayrhofer Jürgen Pirker, Geschichte(n) im Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566
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Inhalt
Robert Streibel Hans Schafranek, Widerstand und Verrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 Autor/inn/en
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573
Heidemarie Uhl
Gedenkjahre. Editorial
Das Format „Gedenkjahr“ hat sich im ausgehenden 20. Jahrhundert entfaltet. Über diese „Epoche des Gedenkens“ sprach der französische Historiker Pierre Nora, als Herausgeber der Lieux de M8moire einer der Pioniere der GedächtnisForschung, 2001 bei der Tagung „The Memory of the Century“ im Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen IWM.1 Nora konstatierte eine „weltweite Konjunktur des Gedächtnisses“: „Es ist, als wäre eine Flutwelle der Erinnerung über die Welt hereingebrochen und hätte überall eine enge Verbindung zwischen Vergangenheit und Zugehörigkeitsgefühl, Kollektivbewußtsein und individuellem Selbstgefühl, Gedächtnis und Identität geschaffen.“2
Gedenktage und Nation Building Naturgemäß dienten markante Ereignisse religiöser oder säkularer Natur auch den Gesellschaften früherer Jahrhunderte als immer wiederkehrende historische Bezugspunkte. Jan Assmann3 und ebenso Michael Mitterauer verweisen auf den jüdischen und christlichen Festkalender, der vom Gedenken an „heilige Zeiten“ strukturiert wird. Heiligenfeste wurden als immer wiederkehrende Anniversarien gefeiert, aus der christlichen Messe haben sich „viele Formen der ,Liturgie‘ öffentlicher Gedenktage“ herausentwickelt.4 1 Vgl. Jaques Schuster, „Das Gedächtnis des Jahrhunderts“, Die Welt, 13. 3. 2001, URL: https:// www.welt.de/print-welt/article439238/Das-Gedaechtnis-des-Jahrhunderts.html (abgerufen 6. 1. 2020). 2 Pierre Nora, Gedächtniskonjunktur, in: Transit. Europäische Revue 22 (Winter 2001/02), 18– 31, hier 18. 3 Vgl. Jan Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Jan Assmann/Tonio Hölscher (Hg.), Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main 1988, 9–19, 12. 4 Michael Mitterauer, Anniversarien und Jubiläen. Zur Entstehung und Entwicklung öffentlicher Gedenktage, in: Emil Brix/Hannes Stekl (Hg.), Der Kampf um das Gedächtnis. Öffentliche Gedenktage in Mitteleuropa (Grenzenloses Österreich), Wien/Köln/Weimar 1997, 23–89, 25.
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Neben der kulturellen Formung ist die Funktion des Ausverhandelns von normativen, hegemonialen Geschichtsbildern seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert konstitutiv für die gesellschaftliche Erinnerungskultur. Denn im Zeitalter des Nation Building wird Gedächtnis zu einem symbolischen Kampffeld. Zuvor bezogen sich die säkularen Formen der Vergegenwärtigung historischer Ereignisse primär auf die Dynastie und den Monarchen sowie auf die patriotische Liebe zum Vaterland.5 Nun galt es, durch wirkungsmächtige Geschichtsmythen das „emotionale Fundament der Nationen“ zu schaffen.6 Exemplarisch lässt sich dieser Funktionswandel an Feiern zum Gedenken an die Befreiung Wiens von osmanischer Belagerung am 12. September 1683 zeigen: Zunächst dankten Hof, Kirche und BürgerInnen dem vor allem auf göttliche Gnade und die Fürbitte der Jungfrau Maria zurückgeführten Entsatz durch Prozessionen, denen Josef II. bei der ersten 100-Jahr-Feier 1783 ein Ende bereitete.7 100 Jahre später standen die Feierlichkeiten im Zeichen der Konkurrenz um die Deutungsmacht über das Ereignis in einer nun ideologisch und nationalpolitisch differenzierten Gesellschaft. Die Frage, wem der Sieg über das osmanische Heer zu verdanken war, wurde 1883 in Zeitungen und Publizistik kontrovers verhandelt, auch die Geschichtswissenschaft bezog Stellung. Die Interpretationsunterschiede zwischen Hof bzw. Kirche und dem Wiener Bürgertum einerseits, zwischen polnischen und österreichischen (bzw. deutschnationalen) AktivistInnen andererseits bestimmten die Debatte und schlugen sich auch in unterschiedlichen Denkmalsetzungen im öffentlichen Raum nieder.8 Staatliche Identitätsstiftung konnte sich sowohl auf politische, militärische und kulturelle Triumpfe und Heroen als auch auf einen kollektiven Opferstatus und tragisches Heldentum stützen.9 Nach dem Ersten Weltkrieg befeuerten in Zentraleuropa Dolchstoßlegenden und/oder nostalgische Reminiszenzen an untergegangene Imperien die sozialen Energien des Gedenkens.10 Für aufstrebende politische Bewegungen war die Durchsetzung ihrer historischen Bezugspunkte ein wesentlicher Terraingewinn im Kampf um Anerkennung. Die 5 Vgl. für Österreich: Ernst Bruckmüller, Österreich. „An Ehren und an Siegen reich“, in: Monika Flacke (Hg.), Mythen der Nationen: Ein europäisches Panorama, München/Berlin 2 2001, 269–294. 6 Ptienne FranÅois/Hagen Schulze, Das emotionale Fundament der Nation, in: ebd., 17–32. 7 Vgl. Johann Heiss, Das 100-Jahr Jubiläum des Entsatzes von Wien im Jahr 1783, in: Johannes Feichtinger/Johann Heiss/Bogusław Dybas´, Der Entsatz von Wien. Historiographie und kulturelles Gedächtnis von 1683 bis in die Gegenwart, Wien 2019 (Stadt Wien, unveröff. Forschungsbericht), 55–59. 8 Vgl. Johannes Feichtinger, Die 200-Jahr-Feier 1883 und das Sobieski-Gedenken in Wien, in: ebd., 78–95. 9 Vgl. den gesamteuropäischen Überblick über das 19. Jahrhundert in Flacke (Hg.), Mythen der Nationen. 10 Vgl. Carlo Moos, Habsburg post mortem. Betrachtungen zum Weiterleben der Habsburgermonarchie, Wien/Köln/Weimar 2016.
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Kooperation zwischen den antagonistischen politischen Lagern während der zweijährigen Regierungskoalition von Christlichsozialer und Sozialdemokratischer Partei in der jungen Republik Österreich (1918–1920) schlug sich in zwei 1919 beschlossenen Staatsfeiertagen nieder, dem Tag der Staatsgründung am 12. November 1918 und dem 1. Mai, bislang der Protest- und Gedenktag der Arbeiterbewegung.11
Gedenken als moralischer Imperativ Am Ende des 20. Jahrhunderts wird Gedächtnis zu einem gesellschaftlichen Leitbegriff, dessen Karriere eng mit dem Ende der zukunftsgewissen, fortschrittsorientierten Moderne verknüpft ist. „Since the 1980s, it seems that the focus has shifted from present futures to present pasts“, konstatierte Andreas Huyssen und sprach von einem bemerkenswerten kulturellen und gesellschaftlichen Wandel. „One of the most surprising cultural and political phenomena in recent years has been the emergence of memory as a key concern in Western societies, a turning toward the past that stands in stark contrast to the privileging of the future so characteristic of earlier decades of twentieth-century modernity.“12 Mit dem Verblassen des Fortschrittsglaubens konnten auch die konkurrierenden Zukunftsentwürfe nicht mehr als Orientierungsmarken gesellschaftlicher Selbstvergewisserung dienen. Diese Rolle kam nun der Haltung zur Vergangenheit zu, wie Jan Assmann in seinem 1988 publizierten Aufsatz über kulturelles Gedächtnis postulierte. „In ihrer kulturellen Überlieferung wird eine Gesellschaft sichtbar : für sich und für andere. Welche Vergangenheit sie darin sichtbar werden und in der Wertperspektive ihrer identifikatorischen Aneignung hervortreten läßt, sagt etwas aus über das, was sie ist und worauf sie hinauswill.“13 Zwei Jahre nach dem Historikerstreit über den Ort des Holocaust in der deutschen Geschichte verweist diese Aussage auf die ethisch-moralische Verpflichtung des Gedenkens an den „Zivilisationsbruch“ Auschwitz,14 der erst im Zuge dieser Debatte in seiner Singularität und Tragweite anerkannt wurde. Im Jahr 1988 konnte Assmanns These in Österreich verifiziert werden. Die Debatte um die Kriegsvergangenheit von Kurt Waldheim im Präsidentschafts11 Vgl. Peter Diem, Die Entwicklung der Symbole der Republik Österreich, in: Stefan Karner/ Lorenz Mikoletzky (Hg.), Österreich. 90 Jahre Republik. Beitragsband zur Ausstellung im Parlament, Innsbruck/Wien/Bozen 2008, 585–597, 596. 12 Andreas Huyssen, Present pasts. Media, Politics, Amnesia, in: Public Culture 1 (2000), 21–28, 21. 13 Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, 16. 14 Vgl. Dan Diner (Hg.), Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt am Main 1988.
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wahlkampf 1986 hatte das Land in seinen Grundfesten erschüttert. Zwei Jahre später eröffnete die 50. Wiederkehr des „Anschlusses“ 1938 den Rahmen für einen Klärungsprozess über das historische Selbstverständnis der Republik, die sich seit 1945 erfolgreich als „erstes Opfer des Nationalsozialismus“ definiert und damit – wie KritikerInnen nun konstatierten – die NS-Vergangenheit aus der eigenen Geschichte „externalisiert“ hatte. Der März 1938 wurde im „Bedenkjahr 1938/88“ – dieser Begriff bürgerte sich im öffentlichen Diskurs rasch ein – zum Ausgangspunkt einer gesamtgesellschaftlichen Debatte um Schuld und historische Verantwortung. AkteurInnen auf allen Ebenen der Gesellschaft – Staat, Parteien, Kirchen, Medien, Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur etc. – nutzten den Jahrestag, um ihre Position in der Vergangenheitsdebatte zu bekunden.15 1988 wurde prägend für das Verständnis dessen, was Gedenkjahre leisten sollen: die kritische Auseinandersetzung mit den dunklen Punkten der eigenen Vergangenheit.
Neue Gedenktage In den kommenden Jahren sollte sich der Kanon der staatlichen Gedenkkultur grundlegend verändern. „Traumatische Jahrestage“16 stießen zunehmend auf Resonanz, offenkundig entsprachen sie den Erinnerungsbedürfnissen einer neuen Generation. Zugleich verblasste das Interesse an den identitätsstiftenden Jubiläen der Nachkriegsjahrzehnte. Das zeigt sich auch am österreichischen Festkalender. Der 15. Mai 1955, der Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrages, untrennbar verbunden mit Leopolds Figls emotionaler Botschaft „Österreich ist frei“, wurde regelmäßig in den 5er und 10er Jahren gefeiert. Auch der 1965 eingeführte Nationalfeiertag bezog sich auf dieses Jahr ; am 26. Oktober 1955 wurde im Parlament die immerwährende Neutralität beschlossen. 1955, nicht 1945 war das Schlüsseljahr der österreichischen Zeitgeschichte. In diesem Jahr hatte das ,kleine‘ Österreich seinen späten Sieg über die alliierten Mächte errungen. Der damit verbundene Mythos wurde nirgends besser dargestellt als im staatlich finanzierten Science Fiction-Film 1. April 2000 (veröffentlicht 1952), der Österreich als ein friedfertiges Land zeigt, das zu Unrecht von fremden Mächten besetzt wurde und dem es letztlich gelingt, die übermächtigen Besatzer von seiner Unschuld zu überzeugen. Mitte der 1990er Jahre konnte ein doppeltes Jubiläumsjahr begangen werden – 40 Jahre Staatsvertrag 1995 und 1000 Jahre 15 Vgl. Heidemarie Uhl, Zwischen Versöhnung und Verstörung. Eine Kontroverse um Österreichs historische Identität fünfzig Jahre nach dem „Anschluß“ (Böhlaus Zeitgeschichtliche Bibliothek), Wien/Köln/Weimar 1992. 16 Aleida Assmann, Jahrestage – Denkmäler in der Zeit, in: Paul Münch (Hg.), Jubiläum, Jubiläum … Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung, Essen 2005, 305–314.
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Österreich 1996, bezogen auf die erste urkundliche Erwähnung des Staatsnamens.17 Vor dem Hintergrund des EU-Beitritts und der damit verbundenen Verunsicherung über das nationale Selbstbild in diesem neuen europäischen Rahmen erwiesen sich die beiden Jubiläen als weitgehend konfliktfreier Motor einer positiven nationalen Identitätsstiftung.18 Zehn Jahre später stießen die traditionellen Staatsvertrags-Feiern auf Kritik. Das national-patriotische Format dieses Jubiläums hatte 2005 offenkundig an Bindekraft verloren, hinterfragt wurde vor allem das damit verbundene Geschichtsbild. Die Debatte wurde nicht nur in den Medien, sondern erstmals auch im Internet ausgetragen und fand ihren Niederschlag in zahlreichen Publikationen, die sich anlässlich des von der ÖVP-FPÖ-Regierung professionell vorbereiteten „Gedankenjahres“ kritisch mit der österreichischen Geschichtspolitik und Erinnerungskultur auseinandersetzten.19 Der ,goldene‘ Staatsvertragsmythos erschien nun als historisch fragwürdige Deckerinnerung. Denn „1955“ hatte in den Nachkriegsjahrzehnten nicht zuletzt die Funktion, die Befreiung des Jahres 1945 zu negieren oder zumindest zu schmälern, was in den gängigen Begriffen von der „Besetzung“ 1945 und der errungenen Freiheit 1955 zum Ausdruck kommt.20 Zehn Jahre später, im Mai 2015, sollte erstmals nicht 1955, sondern 1945 im Zentrum des historischen Interesses stehen. Die Diskrepanz zwischen den Staatsvertragsfeiern 1995 und 2005 und vor allem die Institutionalisierung neuer Gedenktage21 verweist darauf, dass sich die Konfiguration gesellschaftlicher Erinnerung in diesem Jahrzehnt entscheidend verschoben hat. In Europa rückte das negative Gedächtnis an Staatsverbrechen und insbesondere an den Holocaust in das Zentrum gesellschaftlicher Erinnerung, nicht nur in den ehemaligen Tätergesellschaften Deutschland und 17 Vgl. Martina Nussbaumer, Millennium revisited. Inszenierungen von Geschichte und Identität im „Ostarrichi“-Jubiläumsjahr 1996, in: Zeitgeschichte 28 (2001) 5, 254–276. 18 Vgl. Walter Manoschek/Margit Reiter, Thesen zum Gedenkjahr 1995 in Österreich, in: Nationale und kulturelle Identitäten Österreichs. Theorien, Methoden und Probleme der Forschung zu kollektiver Identität, hg. v. Projekt-Team „Identitätswandel in Österreich im veränderten Europa“, geleitet von Ruth Wodak (IFK-Materialien 3/95), Wien 1995 104–107. 19 Vgl. z. B. Josef Seiter/Elke Renner/Grete Anzengruber (Hg.), Bedenkliches Gedenken. 1945–2005: Zwischen Mythos und Geschichte (Schulheft 120), Innsbruck/Wien/Bozen 2005; Helene Maimann (Hg.), Was bleibt. Schreiben im Gedankenjahr, Wien 2005; Martin Wassermair/Katharina Wegan (Hg.), rebranding images. Ein streitbares Lesebuch zur Geschichtspolitik und Erinnerungskultur in Österreich, Innsbruck/Wien/Bozen 2006; Rudolf de Cillia/Ruth Wodak (Hg.), Gedenken im „Gedankenjahr“. Zur diskursiven Konstruktion österreichischer Identitäten im Jubiläumsjahr 2005, Innsbruck/Wien/Bozen 2009. 20 Vgl. Heidemarie Uhl, Der Staatsvertrag – ein Gedächtnisort der Zweiten Republik, in: Frei – Souverän – Neutral – Europäisch. 1945 1955 1995 2005, Informationen zur Politischen Bildung 22, Wien u. a. 2004, 67–78. 21 Vgl. für Österreich die Übersicht in: Gedenktage online. Virtueller Materialienkoffer zur Beschäftigung mit Gedenktagen, URL: http://www.demokratiezentrum.org/bildung/gedenk tage.html (abgerufen 6. 1. 2020).
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Österreich, sondern in allen von der NS-Verfolgungspolitik betroffenen Ländern und darüber hinaus.22 Seit 1997 wurde der 27. Jänner, der Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, in der Bundesrepublik Deutschland als staatlicher Gedenktag begangen.23 Österreich folgte ein Jahr später mit dem nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 5. Mai, dem Tag der Befreiung des KZ Mauthausen. Die 8er Jahre stehen seit 1988 im Zeichen des Gedenkens an den „Anschluss“ 1938 und an das Novemberpogrom, das sich zu einem jährlichen Fixpunkt von Veranstaltungen entwickelt hat.24 Und seit 2013 wird der 8. Mai am Wiener Heldenplatz als Tag der Freude begangen. Demgegenüber ist der 27. April 1945, der Gründungstag der Zweiten Republik, der allerdings immer im Schatten der Staatsvertragsjubiläen stand, noch stärker in den Hintergrund getreten. Die 2000er Jahre waren von einer transnationalen Synchronisierung der europäischen Erinnerungskultur geprägt, mit dem Holocaust als „negativem Gründungsmythos“ (Claus Leggewie). Das heutige Europa könne, anders als früher seine Nationen, „nicht Heldentaten ausstellen“, „sondern in historischer Tiefendimension nur an die großen Katastrophen des langen 20. Jahrhunderts erinnern“.25 Gerade die zeitgeschichtlichen Gedenktage und -jahre eröffnen dafür immer wieder einen neuen Rahmen, auch für gegenläufige Tendenzen einer Re-Nationalisierung in postsozialistischen Ländern.26
„Supergedenkjahr“ 2018 aus transdisziplinärer Perspektive 2018 war in Österreich ein „Supergedenkjahr“ zu erwarten, denn es stand die Auseinandersetzung mit zwei Brennpunkten historischer Sinnstiftung an: 100 Jahre Gründung der Republik Österreich 1918, 80 Jahre „Anschluss“ 1938. 22 Vgl. dazu die einzelnen Länder-Kapitel im Katalog der Ausstellung „Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen“ (Deutsches Historisches Museum Berlin 2004/05), der einen Überblick über die Verdrängungs- und Aufarbeitungsgeschichte der europäischen Nationen (und darüber hinaus) ermöglicht. Monika Flacke (Hg.), Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen, Mainz 2004. 23 Vgl. Harald Schmid, Europäisierung des Auschwitzgedenkens? Zum Aufstieg des 27. Januar 1945 als „Holocaustgedenktag“ in Europa, in: Jan Eckel/Claudia Moisel (Hg.), Universalisierung des Holocaust? Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in internationaler Perspektive, Göttingen 2008, 174–202. 24 Vgl. Oliver Rathkolb, Der lange Schatten der 8er Jahre. Kritische Geschichtsbetrachtung und Demokratiebewusstsein, in: Österreich. Aus Politik und Zeitgeschichte 68 (2018), 41–46. 25 Claus Leggewie, Der Kampf um die europäische Erinnerung. Ein Schlachtfeld wird besichtigt, München 2011, 15. 26 Vgl. z. B. Ljiljana Radonic´, From „Double Genocide“ to „the New Jews“: Holocaust, Genocide and Mass Violence in Post-Communist Memorial Museums, in: dies. (Hg.), The Holocaust/ Genocide Template in Eastern Europe, New York/London 2019, 28–47.
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Eine hohe gesellschaftliche und mediale Resonanz auf diese ,runden‘ Jahrestage war zu erwarten. Die Ende 2017 geschlossene Koalition von ÖVP und FPÖ verstärkte die Erwartungen, denn an den staatlichen Gedenkfeiern waren nun auch PolitikerInnen einer rechtspopulistischen Partei beteiligt, die immer wieder durch antisemitische und NS-verharmlosende „Einzelfälle“ für Aufsehen gesorgt hatte. Diese Konstellation war Ausgangspunkt des Forschungsprojekts „Gedenkjahr 2018: Vergangenheit im Fokus politischer und öffentlicher Kommunikation“, das vom Nationalfonds der Republik Österreich, vom Zukunftsfonds der Republik Österreich und vom Bundeskanzleramt der Republik Österreich/Beirat für das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 gefördert und am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien in Kooperation mit dem Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie dem ACDH-CH der ÖAW durchgeführt wurde.27 Ein transdisziplinäres Team aus den Bereichen Politikwissenschaft, Zeitgeschichte und Digital Humanities widmete sich der Frage, wie in der strategischen Kommunikation politischer AkteurInnen und in medialen und digitalen Öffentlichkeiten auf das Gedenkjahr Bezug genommen wird und welche Deutungsangebote sich damit verbinden. Das Projekt fokussiert u. a. auf politische Reden, politisches Bildmaterial, Diskurse in sozialen Netzwerken und in den Printmedien, wobei innovative Methoden zur Anwendung kamen: Petra Bernhardt und Karin Liebhart (Universität Wien) analysieren die politische Kommunikation und beleuchten Strategien politischer AkteurInnen im Rückgriff auf Vergangenheit sowie deren mediale Repräsentationen, wobei die offiziellen Social-Media-Einträge zentraler politischer Akteure mittels einer multimodalen qualitativen Inhaltsanalyse untersucht werden. Patrick Aprent (Österreichische Akademie der Wissenschaften) untersucht den medialen Diskurs des Gedenkjahres in einem Digital Humanities-Pilotprojekt, das Text Mining-Methoden mit dem Ziel einer computergestützten, (semi-)automatischen Erschließung semantischer Inhalte von digitalen Texten einsetzt. Als empirische Datengrundlage dient das Austrian Media Corpus (AMC) an der ÖAW, „eines der größten digitalen Text-Corpora im gesamten deutschen Sprachraum“.28 Im ersten Beitrag vermittelt Dirk Rupnow (Universität Innsbruck) einen Überblick über die politischen Aktivitäten im „Gedenk- und Er-
27 URL: https://politikwissenschaft.univie.ac.at/forschung/forschungsprojekte/; https://www. oeaw.ac.at/ikt/forschung/gedaechtnis/gedenkjahr-2018-vergangenheit-im-fokus-politische r-und-oeffentlicher-kommunikation/ (abgerufen 6.1.2020). 28 Vgl. „Austrian Media Corpus“ – Einzigartiges österreichisches Sprachdatencorpus, Österreichische Akademie der Wissenschaften, URL: https://www.oeaw.ac.at/detail/news/austri an-media-corpus-einzigartiges-oesterreichisches-sprachdatencorpus/ (abgerufen 6. 1. 2020).
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innerungsjahr“ 2018,29 das mit dem Knalleffekt der Affäre um antisemitische Lieder im Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt begann. In zeitgeschichte extra analysiert der Filmwissenschaftler Tobias EbbrechtHartmann (Hebrew University Jerusalem) die jüngsten österreichischen Filmproduktionen zum Umgang mit Holocaust und NS-Vergangenheit. Die Beiträge geben umfassenden Einblick in die Debatten und Kontroversen des Gedenkjahres 2018, darüber hinaus aber auch in die neuen methodischen Potentiale einer Verschränkung zeitgeschichtlicher Fragestellungen mit Verfahren der Digital Humanities. Nach dem Gedenkjahr ist vor dem Gedenkjahr – 2020 jährt sich zum 75. Mal das Jahr 1945 mit den Gedenktagen 27. Jänner, 27. April, 5. Mai und 8. Mai, auch der 65. Jahrestag der Staatsvertragsunterzeichnung wird wohl in Erscheinung treten. Zudem gilt es, die österreichische Bundesverfassung, beschlossen am 1. Oktober 1920, zu würdigen. Das Interesse für Gedenktage, von Aleida Assmann als „Denkmäler in der Zeit“ bezeichnet, ist ungebrochen. Der Grund dafür liegt laut Aleida Assmann in ihrem Vergesellschaftungs-Potential. „In Ergänzung zu den einsamen Formen der kulturellen Teilhabe braucht die Gesellschaft Möglichkeiten einer gemeinsamen Vergewisserung kultureller Identität in einem öffentlichen Raum. Diesen Raum schaffen die Denkmäler in der Zeit.“30 Anders als materielle Denkmäler eröffnen Gedenktage jedoch immer wieder eine öffentlich-mediale Arena für die Neuverhandlung des Gedächtnisses. Die Dynamik von Konjunktur und Verblassen historischer Bezugspunkte gibt Einblick in den Wandel von kollektiven Geschichtsvorstellungen. Gedenktage und -jahre machen sichtbar, wie Gesellschaften ihrer Vergangenheit in der jeweiligen Gegenwart Sinn und Bedeutung verleihen.
29 Vgl. die offizielle Webseite der Republik Österreich zum Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018, URL: http://www.oesterreich100.at (abgerufen 6. 1. 2020). 30 Assmann, Jahrestage – Denkmäler in der Zeit, 314.
Artikel
Dirk Rupnow
Das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 – eine Rückschau
2018 wurde in Österreich als ein bezugsreiches und geradezu übervolles „Gedenk- und Erinnerungsjahr“, wie es offiziell genannt wurde, begangen: Gedacht und erinnert werden sollte der Republikgründung 1918, dem „Anschluss“ und dem Novemberpogrom 1938, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 (und der Ratifikation der Europäischen Menschenrechtskonvention durch Österreich 1958) und der 68er-Bewegung mit Startpunkt 1968. Am Horizont schien außerdem die Revolution von 1848 auf, als Beginn parlamentarischer und demokratischer Entwicklungen. So bündelte es zumindest die offizielle Website des verantwortlichen Beirats für das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018, der im Bundeskanzleramt unter Vorsitz des ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer etabliert wurde.1 Zum 85. Mal jährte sich aber auch die Ausschaltung des Parlaments durch Bundeskanzler Engelbert Dollfuß im März 1933. An diese historischen Bezugspunkte knüpften zahllose Veranstaltungen und Ausstellungen in Wien und den Bundesländern an, begleitet von einem überbordenden Angebot des ORF neben ausführlichen Berichterstattungen in allen sonstigen Medien, Tageszeitungen und Wochenmagazinen sowie der Publikation von Monografien, Katalogen und Sammelwerken. Die schiere Menge macht eine vollständige Übersicht und eine umfassende Würdigung an dieser Stelle unmöglich, noch dazu so unmittelbar nach dem Ende des Jahres. Besondere Aufmerksamkeit dürften aber die hochoffiziellen Veranstaltungen verdienen, unter Beteiligung von Regierungsvertretern – hat doch nur zwei Wochen vor Beginn des Jubiläumsjahres eine neue rechtspopulistische Bundesregierung aus ÖVP (mittlerweile vom Selbstverständnis her türkis und nicht mehr traditionell schwarz) und FPÖ (blau) ihr Amt angetreten. Sie ist mehr oder weniger eine generationelle Neuauflage der Bundesregierung Schüssel I, die im Februar 2000 aus ÖVP und FPÖ gebildet wurde und starke Proteste im In- und Ausland 1 Republik Österreich, 2018–100 Jahre Republik, Republik Österreich, URL: http://www.oester reich100.at (abgerufen 14. 12. 2019).
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hervorrief. Diese blieben diesmal freilich aus, nachdem sich die globale politische Szenerie in den vergangenen Jahren ja vollständig gewandelt hat und der Rechtspopulismus in Europa und weltweit geradezu zum Mainstream geworden ist. Gerade dies lässt aber nun das österreichische Gedenk- und Erinnerungsjahr zu einem interessanten Testfall werden: Wie werden entlang der legendären 8erJahre2 Demokratie (1918), Menschenrechte (1948) und eine offene Gesellschaft (1968) gefeiert und wie wird deren Aufgabe, Verlust und vollkommene Zerstörung bis hin zu Vertreibung und Genozid (1938) erinnert in einem Umfeld, in dem liberale Demokratie und Menschenrechte keinesfalls mehr als sakrosankt gelten? Und wie positioniert sich dazu eine Partei, die ursprünglich von ehemaligen Nationalsozialisten gegründet und geprägt worden war, stets schwankend zwischen Deutschnationalismus und einem chauvinistischen Österreichpatriotismus, geprägt von wiederholten Verharmlosungen des NS-Regimes und seiner Verbrechen sowie beständigen antisemitischen und rassistischen Ausfällen? Noch bevor im März das Erinnern und Gedenken an den „Anschluss“ 1938 überhaupt in Gang kommen konnte, eröffnete im Januar völlig unerwartet, thematisch aber stimmig die so genannte „Liederbuch-Affäre“ das Jahr : Nur wenige Tage vor der niederösterreichischen Landtagswahl berichtete die Wiener Stadtzeitung „Falter“ vom Liederbuch der deutschnationalen Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, deren stellvertretender Vorsitzender der FPÖSpitzenkandidat war. Neben anderen peinlichen und auch ausreichend skandalösen Texten, die Verbrechen der deutschen Wehrmacht verharmlosen, findet sich dort im Lied „Es lagen die alten Germanen“ die Zeile: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.‘“ – eine offensichtliche Verniedlichung (keinesfalls Leugnung!) des Holocaust, wenn nicht ein impliziter Aufruf zum Massenmord. Aufgeworfen wurde damit aber auch die Frage, welches Verhältnis die österreichische Regierungspartei FPÖ zum Deutschnationalismus unterhält, mithin wie sie im Gedenk- und Erinnerungsjahr überhaupt zu Österreich steht. Von einigem zwischenzeitlichen Hin und Her abgesehen, ist die Causa praktisch ohne längerfristige Konsequenzen geblieben, in Niederösterreich und im Bund. Sie führte nur dazu, dass sich die FPÖ gleich zu Beginn des geschichtsträchtigen Jahrs genötigt sah, eine „Rot-Weiß-Rot“-Erklärung abzugeben, in der sie sich feierlich zur Republik Österreich sowie zu Demokratie, Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit bekannte und von Gewalt, Totalitarismus und Rassismus und vor allem Antisemitismus distanzierte, sowie eine „Historikerkommission“ einzu2 Vgl. Oliver Rathkolb, Der lange Schatten der 8er Jahre, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Zeitschrift der Bundeszentrale für Politische Bildung 68 (2018) 34/35, 41–46.
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richten, um ihre Parteigeschichte aufzuarbeiten.3 Über deren Zusammensetzung und Arbeitsweise herrschte lange Unklarheit. Entgegen den ursprünglichen Versprechungen wurde der Bericht erst im Dezember 2019 veröffentlicht, als AutorInnen fungierte im Wesentlichen eine Gruppe FPÖ-naher Historiker und Journalisten, die zentrale Themen wie das Verhältnis der Partei zu deutschnationalen Burschenschaften ohnehin höchstens am Rande in den Blick nahmen und ansonsten schon lange bekannte Grundlagen und aktuell laufende seriöse Forschungen zur Parteigeschichte eher auszublenden versuchten.4 Beabsichtigt ist wohl, die FPÖ als eine normale Partei der Zweiten Republik darzustellen, schließlich fanden sich nach 1945 ehemalige Nationalsozialisten und Antisemiten auf allen Seiten. Übersehen wird damit freilich, dass die FPÖ tatsächlich das Sammelbecken für ehemalige Nationalsozialisten und Deutschnationale (das sog. „Dritte Lager“) gewesen ist und Antisemitismus als ein Kernstück der Parteiideologie gelten kann.5 Mit der niederösterreichischen Liederbuch-Affäre ist jedenfalls gleich zu Jahresbeginn der Ton gesetzt worden für regelmäßige, über das gesamte Jahr verteilte rechtsextreme Aussagen und Aktionen von Politikern: Die österreichische Tageszeitung „Der Standard“ hat zum Jahresende dankenswerterweise eine Auflistung von 50 solcher Zwischenfälle zusammengestellt, mithin etwa einem pro Woche, einschließlich der Sommerpause – fast alle gehen dabei auf das Konto der FPÖ, praktisch alle wurden verharmlost und zu „Einzelfällen“ erklärt, kein einziger davon hat die Regierungskoalition auch nur in die Nähe einer Krise gebracht. Es handelt sich mithin um Alltag im Gedenk- und Erinnerungsjahr : Im FPÖ-nahen, rechtsradikalen Magazin „Aula“ wird der österreichische Teilnehmer beim Eurovision Song Contest als „Quotenmohr“ bezeichnet, die FPÖ Vöcklamarkt fordert in einem Posting „Schütze Deine Rasse, es ist das Blut Deiner Ahnen!“, ein Amstettner FPÖ-Stadtrat bezeichnet die Protagonisten einer ÖBB-Werbung als „Schwuchteln und Neger“, Hakenkreuze werden gepostet, rassistische Karikaturen geteilt usw. Der FPÖ-Innenminister, der in der Vergangenheit für zahlreiche rassistische Wahlkämpfe der Partei 3 Freiheitliche Partei Österreichs, Rot-weiß-rote Ehrenerklärung: FPÖ gegen Antisemitismus und Extremismus, 13. 2. 2018, URL: https://www.fpoe-parlamentsklub.at/artikel/rot-weiss-ro te-ehrenerklaerung-fpoe-gegen-antisemitismus-und-extremismus/ (abgerufen 15. 12. 2019). 4 Bericht der Historikerkommission. Analysen und Materialien zur Geschichte des Dritten Lagers und der FPÖ, Wien 2019, URL: https://www.fpoe.at/fileadmin/user_upload/www.fpoe. at/dokumente/2019/PDFs/Buch-Historikerkommission-Web.pdf (abgerufen 20. 2.2020). 5 Vgl. dazu Kantor Center for the Study of Contemporary European Jewry / Tel Aviv University, Antisemitism Worldwide 2017. General Analysis / Draft, 2018, 61–64; siehe auch Margit Reiter, Anton Reinthaller und die Anfänge der Freiheitlichen Partei Österreichs. Der politische Werdegang eines Nationalsozialisten und die „Ehemaligen“ in der Zweiten Republik, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 66 (2018) 4, 539–575; Margit Reiter, Die Ehemaligen. Der Nationalsozialismus und die Anfänge der FPÖ, Göttingen 2019.
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verantwortlich war, fordert, Asylbewerber „konzentriert“ an einem Ort zu halten. Der FPÖ-Klubchef behauptet, es gebe „stichhaltige Gerüchte“, dass der USamerikanische Philanthrop George Soros „Migrantenströme nach Europa unterstützte“.6 Überhaupt ist natürlich das eigentliche Jahresthema weiterhin „Migration“ (und, damit verbunden, die Angst vor Diversität) gewesen, das von ÖVP und FPÖ schon ausgiebigst für den Wahlkampf benutzt worden ist. Die diversen Jahrestage hätten praktisch alle ins Feld geführt werden können, um die grundlegende Bedeutung von Menschenrechten und Asyl und vielleicht auch eine diesbezügliche historische Verantwortlichkeit zu unterstreichen, stattdessen wurde die diskursive Illegalisierung und Kriminalisierung jeglicher Form von Migration und aller MigrantInnen konsequent fortgesetzt, einschließlich der Beschuldigung von NGOs – auch dies freilich im entsprechenden europäischen und internationalen Umfeld. Eine EU-Abgeordnete der ÖVP schrieb im Sommer auf ihrem Facebook-Account: „Weder die afrikanische noch die moslemische Kultur sind kompatibel mit unserer Kultur“ – mit Verweis auf die angeblich bekannte Gewaltbereitschaft und das hohe Aggressionspotential dieser Kulturen.7 Für eine Abschottung der Grenzen galt immer noch Australien als Vorbild, mit einer Internierung außerhalb des Staatsgebiets, um dort Asylanträge zu vermeiden (dort durchaus doppelsinnig als „Pacific Solution“ bezeichnet), wofür Lager mit gegebenenfalls unterschiedlichen Bezeichnungen („Anlandezonen“, „Ausschiffungsplattformen“) in Nordafrika ins Auge gefasst wurden. Der FPÖ-Wehrsprecher im Nationalrat regte in einem Interview im September an, Boden in Nordafrika militärisch zu besetzen, um solche Einrichtungen zu ermöglichen.8 Damit eröffnet sich ein weiterer (und sehr weiter) historischer Kontext, der bei praktisch allem mitschwingt (historischen wie gegenwärtigen Themen), aber fast nie vordergründig verhandelt wird: die völlig unzulänglich aufgearbeitete und im öffentlichen Bewusstsein weiterhin praktisch inexistente Geschichte von Europas Kolonialismus und seinem Ausbeutungs- und Gewaltcharakter mit ihren lang anhaltenden Folgen. 6 Zit. n. Das war doch nur ein Einzelfall, Der Standard, 7./8./9. 12. 2018; vgl. weiters Nur Einzelfälle? Die lange Liste rechter Ausrutscher, Der Standard, 23. 4. 2019, URL: https://www.der standard.at/story/2000072943520/nur-einzelfaelle-die-lange-liste-rechter-ausrutscher (abgerufen 15. 12. 2019). 7 Facebook-Posting Claudia Schmidt, archive.today, URL: http://archive.is/SgtGE (abgerufen 15. 12. 2019); vgl. zu Debatte und Reaktionen Aufregung um rassistisches Posting von ÖVPAbgeordneter, Der Standard, 17. 8. 2018, URL: https://www.derstandard.at/story/2000085515 160/aufregung-um-rassistisches-posting-von-oevp-abgeordneter (abgerufen 15. 12. 2019). 8 FPÖ-Wehrsprecher regt Besetzung von „Boden“ in Nordafrika an, Die Presse, 3. 9. 2018, URL: https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5490432/FPOeWehrsprecher-regt-Beset zung-von-Boden-in-Nordafrika-an?from=suche.intern.portal (abgerufen 15. 12. 2019).
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In diesem Kontext muss man nun die offiziellen Feierlichkeiten im vielfältigen österreichischen Erinnerungs- und Gedenkjahr betrachten. ÖVP und FPÖ hatten damit ein Jahr lang eine einzigartige politische Bühne zu ihrer Verfügung, von der die Sozialdemokraten praktisch ausgeschlossen waren. Sie kamen nur beim Staatsakt zur Republikgründung in der Staatsoper in Person des burgenländischen Landeshauptmanns vor, der als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz sprach. Bundespräsident a.D. Heinz Fischer trat nur bei der Eröffnung des Hauses der Geschichte Österreich in Erscheinung, wiewohl er ansonsten medial äußerst präsent war. Daneben war natürlich der grüne Bundespräsident Alexander Van der Bellen einer der Hauptakteure. Die Dramaturgie des Jahres begann mit dem Gedenken an den so genannten „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich. Verhandelt wurde dabei nicht nur die österreichische Mitverantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus, die mittlerweile ja im Wesentlichen unstrittig ist (zumindest auf der Ebene offizieller Stellungnahmen und Reden), sondern auch der Charakter des vorhergehenden faschistoiden DollfußSchuschnigg-Regimes von 1933/34 bis 1938. Kurt Schuschnigg wurde allerdings letztlich vor allem mit seinem „Gott schütze Österreich!“ und dementsprechend eher als hilfloses Opfer – das zweite nach dem ermordeten Engelbert Dollfuß – in Erinnerung gebracht. Bundespräsident Van der Bellen betonte in seiner Rede bei der Gedenkfeier in der Hofburg am 12. März vor allem die Gefährdetheit von Demokratien und ihre Anfälligkeit für Populismus und Demagogie,9 Bundeskanzler Kurz fokussierte ganz auf das jüdische Schicksal während des Nationalsozialismus.10 Ein weiteres Mal wurde der Opfer des Nationalsozialismus anlässlich des Jahrestags der Befreiung des KZ Mauthausen am 6. Mai gedacht, mit einer Kranzniederlegung beim Mahnmal gegen Krieg und Faschismus am AlbertinaPlatz. Während der Bundespräsident sehr konkret die Garantie von Menschenund Freiheitsrechten und die europäische Aussöhnung als Lehren aus der Geschichte darstellte,11 bezog sich der Bundeskanzler viel allgemeiner auf Völ-
9 Alexander Van der Bellen, Rede anlässlich des Gedenkens an den 12. März 1938, bundespraesident.at, URL: https://www.bundespraesident.at/fileadmin/user_upload/Anschluss_19 38_final_formatiert_DOWNLOAD.docx.pdf (abgerufen 14. 12. 2019). 10 Sebastian Kurz, Rede zum Gedenkjahr 2018, Bundeskanzleramt, URL: https://www.bun deskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/nachrichten-der-bundesregierung/2017–2018/ bundeskanzler-kurz-in-osterreich-darf-es-keinen-platz-fur-extremismus-und-intoleranzgeben-.html (abgerufen 14. 12. 2019). 11 Alexander Van der Bellen, Worte bei der Kranzniederlegung am Mahnmal gegen Krieg und Faschismus, bundespraesident.at, URL: https://www.bundespraesident.at/aktuelles/detail/ achten-wir-darauf-dass-grund-und-freiheitsrechte-einschliesslich-der-medienfreiheit-nicht -schritt-fuer-schritt-beschnitten-werden (abgerufen 26. 1. 2020).
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kerverständigung und Gerechtigkeit.12 FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache vollzog die vielschichtige Symbolik von Alfred Hrdlickas Mahnmal nach und endete mit einem Gedicht von Erich Fried.13 Der zweite Schwerpunkt des Gedenk- und Erinnerungsjahres lag zwischen dem Nationalfeiertag am 26. Oktober und dem Jahrestag der Republikgründung am 12. November. Anlässlich des Nationalfeiertags beschwor Bundeskanzler Kurz – unter Rückgriff auf Leopold Figls Weihnachtsansprache 1945: „Ich kann euch zu Weihnachten nichts geben. Ich kann euch nur bitten: Glaubt an dieses Österreich!“ – Zusammenhalt und Einigkeit in Österreich.14 Beim Staatsakt anlässlich des Jahrestags der Republikgründung in der Wiener Staatsoper fokussierte auch der Bundespräsident im Rahmen seines Plädoyers für die liberale Demokratie und demokratisches Engagement auf die Suche nach dem Gemeinsamen und dem Konsens als österreichisches Erfolgsrezept, zumindest in der Zweiten Republik.15 Sebastian Kurz nahm diesen Faden noch einmal auf, kam dann aber erneut auf die Mitverantwortung für den Nationalsozialismus zu sprechen und begrüßte schließlich eine Gruppe von jüdischen HolocaustÜberlebenden, die aus Israel eingeladen worden war.16 Daneben sprachen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Vizekanzler Strache. Die offiziellen Gedenkreden der Repräsentanten des Staates hielten mit ihren wiederholten Beschwörungen von Demokratie und Gemeinsamkeit letztlich wenig Überraschendes und praktisch keine Höhepunkte bereit. Sie werden nur interessant, wenn man sie vor dem Hintergrund der realpolitischen Verhältnisse und der unterschiedlichen politischen Positionen liest, in Verbindung setzt mit ansonsten populistischen, antisemitischen oder rassistischen Aussagen, einer strikten Anti-Migrationspolitik und beständigen Stimmungsmache gegen 12 Sebastian Kurz, Rede bei der Kranzniederlegung beim Mahnmal gegen Krieg und Faschismus, Bundeskanzleramt, URL: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/ nachrichten-der-bundesregierung/2017-2018/gedenken-an-die-opfer-des-nationalsozialis mus-in-wien-und-mauthausen.html (abgerufen 14. 12. 2019). 13 Heinz-Christian Strache, Rede Albertinaplatz, Bundeskanzleramt, URL: https://www.bun deskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/nachrichten-der-bundesregierung/2017-2018/geden ken-an-die-opfer-des-nationalsozialismus-in-wien-und-mauthausen.html (abgerufen 14. 12. 2019). 14 Sebastian Kurz, Rede zum Nationalfeiertag, Bundeskanzleramt, URL: https://www.bundes kanzleramt.gv.at/-/rede-des-bundeskanzlers-sebastian-kurz-zum-nationalfeiertag (abgerufen 14. 12. 2019). 15 Alexander Van der Bellen, Ein Plädoyer des Bundespräsidenten für liberale Demokratie und demokratisches Engagement beim Staatsakt „100 Jahre Republik Österreich“ am 12. November 2018 in der Wiener Staatsoper, bundespraesident.at, URL: https://www.bundesprae sident.at/aktuelles/detail/staatsakt-100-jahre-republik-oesterreich (abgerufen 26. 1. 2020). 16 Sebastian Kurz, Rede des Bundeskanzlers beim Staatsakt anlässlich „Hundertjähriges Bestehen der Republik Österreich“, Bundeskanzleramt, URL: https://www.bundeskanzleramt. gv.at/bundeskanzleramt/nachrichten-der-bundesregierung/2017-2018/bundeskanzler-se bastian-kurz-demokratie-immer-wieder-aufs-neue-schutzen.html (abgerufen 14. 12. 2019).
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Muslime und dem gleichzeitigen Angriff auf sozialstaatliche Einrichtungen und Errungenschaften. Die zu den verschiedenen Anlässen geladenen GastrednerInnen, signifikanterweise in den meisten Fällen KünstlerInnen, scherten allerdings in den meisten Fällen aus der staatstragenden Gedenkroutine aus. Die wichtigste Rede des Jahres wurde wohl vom Schriftsteller Michael Köhlmeier gehalten, beim Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus am 4. Mai auf Einladung des Nationalratspräsidenten. Sie dauerte zwar nicht einmal sieben Minuten, in ihr entlarvte er aber treffsicher den heuchlerischen Philosemitismus vor allem der FPÖ ebenso wie die Betroffenheitsroutine des Holocaust-Gedenkens vor dem Hintergrund einer menschenfeindlichen Anti-Migrationspolitik und rassistischen antimuslimischen Stimmungsmache.17 Der Schriftsteller Daniel Kehlmann positionierte sich bei der Eröffnung des Brucknerfests in Linz im September ähnlich, vor allem im Hinblick auf die restriktive Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Er erinnerte daran, dass vor 80 Jahren auch aus Österreich hilfesuchend Flüchtlinge aufbrachen, die heute erinnert und betrauert werden, während gleichzeitig eine Abschottungspolitik betrieben werde.18 Der Universalkünstler Andr8 Heller beschrieb bei der Gedenkfeier zum „Anschluss“ am 12. März das Schicksal seines Vaters, sprach über österreichische NS-Täter, die Befreiung, den Widerstand und schlug von dort einen Bogen zum Engagement gegen Rassismus und Fremdenhass heute – auch indem er daran erinnerte, dass nicht Auschwitz und der Holocaust am Beginn der NS-Herrschaft standen, sondern die Ausgrenzung von als ,störend‘ und ,schädlich‘ empfundenen Menschen. Nach Bemerkungen zum politischen Populismus, zum gegenwärtigen Fluchtgeschehen und zu globaler Gerechtigkeit plädierte er am Ende für die Anerkennung von Diversität und Mitgefühl.19 Beim Staatsakt zur Republikgründung in der Staatsoper begrüßte die Schriftstellerin und Kärntner Slowenin Maja Haderlap zu Beginn ihrer Festrede auf Deutsch und in ihrer Muttersprache Slowenisch. Nach einem Durchgang durch die vergangenen hundert Jahre sprach sie über die Gefahren einer zunehmenden Ökonomisierung des Lebens und das integrative Potential der Demokratie – nicht zuletzt zur Einbindung und auch zum Schutz von Minderheiten: „Demokratie ist nicht zuletzt auch die 17 Michael Köhlmeier, Rede beim Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, erinnern.at, URL: http://www.erinnern.at/bundeslaender/oes terreich/gedenktage/5.-mai-gedenktag-gegen-gewalt-und-rassismus-im-gedenken-an-die-op fer-des-nationalsozialismus/michael-koehlmeiers-gedenkrede-die-dinge-beim-name-nennen /Rede%20Michael%20Koehlmeier.pdf (abgerufen 14. 12. 2019). 18 Daniel Kehlmann, Im Steinbruch. Festrede zur feierlichen Eröffnung des Internationalen Brucknerfestes Linz 2018, OÖ Nachrichten, URL: https://www.nachrichten.at/nachrichten/ kultur/Daniel-Kehlmann-Im-Steinbruch;art16,3001741 (abgerufen 14. 12. 2019). 19 Andr8 Heller, Gedenkrede zum 80. Jahrestag des 12. März 1938, bundespraesident.at, URL: http://www.bundespraesident.at/fileadmin/user_upload/Gedenkrede_Andre_Heller.pdf (abgerufen 14. 12. 2019).
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einzige Herrschaftsform, die den Anderen und die Minderheiten mit einbezieht, und wäre als einzige Ordnung imstande, Menschen, die aus anderen Ländern und Traditionen, aus unterschiedlichen Motiven zu uns kommen, einzubinden und zwar als Mitverantwortliche für das Gemeinwesen und die Werte der Demokratie.“20 Unmittelbar vor dem Staatsakt in der Wiener Staatsoper zum Gedenken an die Republikgründung am 12. November wurde am 10. November das Haus der Geschichte Österreich in der Neuen Hofburg am Heldenplatz eröffnet. Spätestens seit der Wiedererrichtung der Republik nach dem Zweiten Weltkrieg war versucht worden, ein österreichisches Geschichtsmuseum zu etablieren, nicht zuletzt nachdem das multiethnische Habsburgerreich keinerlei Einrichtung hinterlassen hatte, auf die aufgebaut oder die umgebaut hätte werden können – nur Kunstsammlungen und ein Militärmuseum neben den (Universal-) Museen in den einzelnen Bundesländern.21 Nach jahrzehntelangen Diskussionen und zahlreichen Konzepten und Vor-/Projekten kam es schließlich im Jahr 2015 noch in der Bundesregierung Faymann II (Kulturminister Josef Ostermayer) zu einem konzentrierten Realisierungsversuch, formell eingerichtet als eine Abteilung der Österreichischen Nationalbibliothek. Nach dem Sturz der Regierung Faymann II trat noch einmal eine Verzögerung ein, wobei das gesamte Projekt auch redimensioniert wurde.22 Der bereits beschlossene zentrale Standort in der Neuen Burg am Heldenplatz wurde jedoch nicht mehr in Frage gestellt. Mit der Bestellung einer Direktorin zum Februar 2017 begann schließlich der Countdown für die Eröffnung mit der ersten Ausstellung anlässlich des Jubiläums der Republikgründung 2018 unter dem Titel „Aufbruch ins Ungewisse. Österreich seit 1918“.23 20 Maja Haderlap, Festrede. Im langen Atem der Geschichte, bundespraesident.at, URL: https:// www.bundespraesident.at/fileadmin/user_upload/Festrede_von_Maja_Haderlap_-_Staats akt_100_Jahre_Republik_OEsterreich.pdf (abgerufen 14. 12. 2019). 21 Dirk Rupnow, Nation ohne Museum? Diskussionen, Konzepte und Projekte, in: Dirk Rupnow/Heidemarie Uhl (Hg.), Zeitgeschichte ausstellen in Österreich. Museen – Gedenkstätten – Ausstellungen, Wien 2011, 417–463; Dirk Rupnow, Staatsmuseum im Schatten. Die merkwürdige Geschichte des Museums Österreichischer Kultur 1945–1994, in: Beruf(ung): Archivar. Festschrift für Lorenz Mikoletzky (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs) 55 (2011), 635–650; Charles Maier, In the Museum of Austrian History, in: Günter Bischof/Ferdinand Karlhofer (Hg.), Austrian Studies Today 25 (2016), 25–35. 22 „Haus der Geschichte“ kommt 2018 in reduzierter Form, Ziel ist Neubau, Der Standard, 20. 10. 2016, URL: https://www.derstandard.at/story/2000046239454/ziel-ist-neubau-haus-dergeschichte-kommt-2018-in-reduzierter (abgerufen 15. 12. 2019). 23 Monika Sommer-Sieghart ist HGÖ-Direktorin, Österreichische Nationalbibliothek, 26. 1. 2017, URL: https://www.onb.ac.at/ueber-uns/presse/pressemeldungen/26012017-monikasommer-sieghart-ist-hgoe-direktorin/ (abgerufen 15. 12. 2019); Haus der Geschichte: „Konfliktlinien“ sollen offengelegt werden, Die Presse, 25. 7. 2018, URL: https://diepresse. com/home/zeitgeschichte/5469967/Haus-der-Geschichte_Konfliktlinien-sollen-offengelegtwerden (abgerufen 15. 12. 2019).
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In der Änderung des Bundesmuseen-Gesetzes 2002 vom 13. April 2016 ist festgelegt, dass das Haus der Geschichte Österreich „die Zeitgeschichte Österreichs ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit thematischen Rückblicken in die Zeit der Aufklärung und davor und einem besonderen Schwerpunkt auf die Zeit von 1918 bis in die Gegenwart in ihrem europäischen und internationalen Kontext vermitteln [soll]. Das Haus der Geschichte Österreich soll auch ein aktives und offenes Diskussionsforum für zeithistorische Fragestellungen und Themen der Gegenwartsgeschichte sein und ist zu einer objektiven wissenschaftlichen Darstellung geschichtlicher Entwicklungen und Ereignisse verpflichtet.“24 Zwar gab es mit der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, dem Zeitgeschichte Museum Ebensee und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Wien schon bisher Einrichtungen, die sich mit der österreichischen Zeitgeschichte, vor allem der NS-Zeit, beschäftigt haben, allerdings fehlte eben bisher eine Institution, die die gesamte österreichische Republik- und Zeitgeschichte im Blick hat – und auch entsprechende Objekte sammelt. In den Landesmuseen und ihren Ausstellungen ist das 20. Jahrhundert im Allgemeinen eher stiefmütterlich behandelt worden, wenn überhaupt. In Vorarlberg wurde die Neuaufstellung des Landesmuseums 2013 genutzt, um verstärkt die Zeitgeschichte in den Blick zu nehmen.25 Vor allem Niederösterreich versuchte aber im September 2017 mit der Eröffnung des Hauses der Geschichte im Museum Niederösterreich im Regierungsbezirk in St. Pölten das bundesweite Vakuum zu füllen – unter Hinweis auf die zentrale Lage und Bedeutung Niederösterreichs für die gesamte österreichische Geschichte.26 Nicht zuletzt von den Medien wurde eine Konkurrenz zwischen dem Wiener und dem St. Pöltener Projekt inszeniert, die aber wohl von vornherein unangemessen war. Ein Landesmuseum kann schwerlich ein Bundesmuseum ersetzen. Interessant ist aber darüber hinaus, dass im Bundesmuseumsgesetz das Wiener Haus der Geschichte explizit als Vermittlungseinrichtung und Diskussionsforum angelegt ist und es offenbar notwendig erscheint, das neue zeitgeschichtliche Museum des Bundes auf eine objektive wissenschaftliche Darstellung zu verpflichten. Damit werden nicht nur bedenkliche Vorstellungen von Wissenschaftlichkeit und Objektivität sichtbar, 24 BGBl. I, 14 (2002); BGBl. I, 20 (2016). 25 „vorarlberg museum“ ist eröffnet, ORF, 21. 6. 2013, URL: https://vorarlberg.orf.at/v2/news/ stories/2589470/ (abgerufen 15. 12. 2019). 26 LH Pröll: 38 Millionen für „Museum NÖ“ und „Galerie NÖ“, Land Niederösterreich, 27. 3. 2014, URL: http://www.noe.gv.at/noe/111162_Kultur-NOE.html (abgerufen 15. 12. 2019); Haus der Geschichte Niederösterreich: Kaiserrock, Dollfußbild und Staatsvertrag, Der Standard, 9. 9. 2017, URL: https://www.derstandard.at/story/2000063807066/haus-der-ge schichte-niederoesterreich-kaiserrock-dollfussbild-und-staatsvertrag (abgerufen 15. 12. 2019).
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sondern wohl vor allem bestehende Ängste vor (partei-)politischer Instrumentalisierung. Die Reaktionen auf das neu eröffnete Haus der Geschichte Österreich in Wien waren in den internationalen Medien äußerst freundlich, in Österreich selbst durchaus ambivalent: Nachdem im Sommer zwei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats behaupteten, es fehle ein Gesamtkonzept und ein Ausstellungsnarrativ und schließlich unter Protest ihre Funktion zurückgelegt hatten, und das Haus der Geschichte bereits vor seiner Eröffnung als „Problembär“ bezeichnet wurde,27 wurde es nun als „Haus der verkopften Geschichte“,28 „Häuschen“29 und „Abstellraum der Republik“30 beschrieben. Die positiven Rezensionen lobten, was in der für ein Ausstellungsprojekt dieser Größe mehr als kurzen Zeit gelungen ist,31 konnten aber ebenfalls nicht umhin, die Raumsituation und das offensichtliche Provisorium zu bemängeln. Die Direktorin, Monika Sommer-Sieghart, verwies stets darauf, dass sich das HdGÖ als Diskussionsforum versteht, nicht nur eine Lesart der Geschichte anbietet, aber wichtige Akzente setzt (vor allem mit dem Blick auf die Jahre, in denen Österreich eben nicht Republik und Demokratie, teilweise noch nicht einmal Österreich war – einschließlich der dazugehörigen Verdrängungs- und Erinnerungskulturen). Und forderte ebenfalls immer wieder Klarheit über die mittelund langfristigen Perspektiven für ihr Haus.32 27 Thomas Trenkler, Das Haus der Geschichte, ein kleiner Problembär, Kurier, 6. 7. 2018, URL: https://kurier.at/kultur/das-haus-der-geschichte-ein-kleiner-problembaer/400062923 (abgerufen 15. 12. 2019). 28 Anne-Catherine Simon, Haus der verkopften Geschichte, Die Presse, 7. 11. 2018, URL: https://diepresse.com/home/kultur/feuilleton/5525990/Ausstellung_Haus-der-verkopftenGeschichte (abgerufen 15. 12. 2019). 29 Endlich – ein Häuschen, Die Presse, 10. 11. 2018, URL: https://diepresse.com/home/mei nung/pizzicato/5527275/Endlich-ein-Haeuschen (abgerufen 15. 12. 2019). 30 Stefanie Panzenböck, Im Abstellraum der Republik, Falter, 14. 11. 2018, URL: https://www.fal ter.at/archiv/FALTER_20181114DC7792FC8C/im-abstellraum-der-republik (abgerufen 15. 12. 2019). 31 Stephan Löwenstein, Zankapfel „Haus der Geschichte Österreich“ eröffnet, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. 11. 2018, URL: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/haus-der-ge schichte-oesterreich-eroeffnet-15885295.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0 (abgerufen 15. 12. 2019); Peter Münch, Zeitreise ohne Hitler-Balkon, Süddeutsche Zeitung, 10. 11. 2018, URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/haus-der-geschichte-oesterreich-muse um-wien-1.4200429 (abgerufen 15. 12. 2019); Stefan Weiss, Haus der Geschichte eröffnet: Ein Jahrhundertsprint auf sechzig Metern, Der Standard, 7. 11. 2018, URL: https://www.der standard.at/story/2000090844212/haus-der-geschichte-eroeffnet-ein-jahrhundertsprint-aufsechzig-metern (abgerufen 15. 12. 2019). 32 Stefan Weiss, Haus der Geschichte: „Radikalisierung beginnt immer bei der Sprache“, Der Standard, 4. 11. 2018, URL: https://www.derstandard.at/story/2000090547730/haus-der-ge schichte-radikalisierung-beginnt-immer-bei-der-sprache (abgerufen 15. 12. 2019); Lukas Wieselberg, Ein Museum zum Mitdenken, ORF, 7. 11. 2018, URL: https://science.orf.at/sto ries/2945805/ (abgerufen 15. 12. 2019).
Dirk Rupnow, Das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018
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Im Wesentlichen unbearbeitet blieb bislang auch der so genannte „Führerbalkon“, von dem aus Adolf Hitler am 15. März 1938 vor einer jubelnden Menschenmenge auf dem Heldenplatz den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich verkündete. Der korrekterweise als Altan (ein im Unterschied zum Balkon auf Stützen oder Mauern ruhender Austritt eines Gebäude-Obergeschosses) zu bezeichnende, historisch kontaminierte Gebäudeteil kann auf Grund von Sicherheitsbestimmungen nicht ohne weiteres zugänglich gemacht oder bespielt werden. Das Budget für einen Umbau fehlt aber. Notwendig wäre zunächst wohl auch ein gutes Konzept für seine Nutzung, weil damit das gesamte Szenario des Heldenplatzes nachhaltig verändert würde. Die Rede gegen Fremdenfeindlichkeit des Holocaust-Überlebenden und Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel vom Altan beim Konzert für Österreich im Juni 1992 hat nicht zu einer anhaltenden Umdeutung geführt und ist zu schwach im kollektiven Gedächtnis verankert. Das Haus der Geschichte versuchte von März bis November mit der Klanginstallation „The Voices“ der schottischen Künstlerin Susan Philipsz eine weitere Markierung zu setzen: zweimal täglich waren am Heldenplatz Klänge zu hören, die durch das Reiben der Ränder von unterschiedlich gefüllten Kristallgläsern entstanden.33 Die Fläche hinter dem Altan wurde währenddessen mit der Eröffnung des Hauses der Geschichte Österreich in Alma Ros8-Plateau umbenannt und mit einer ersten Wechselausstellung anlässlich des 75. Jahrestages des Todes der jüdischen Musikerin und Leiterin des Frauenorchesters in AuschwitzBirkenau, der Tochter des jahrzehntelangen Konzertmeisters des Wiener Hofopernorchesters und der Wiener Philharmoniker Arnold Ros8, bespielt.34 Damit wird eine stimmige Verknüpfung geschaffen zwischen der österreichischen Zeitgeschichte, die im Stockwerk darunter ausgestellt wird, dem historisch kontaminierten Altan und der auf der gleichen Ebene untergebrachten Sammlung alter Musikinstrumente. Die Zukunft des Hauses der Geschichte Österreich ist allerdings weiterhin unklar. Die derzeitige Ausstellung wird bis Mai 2020 gezeigt. Die Räumlichkeiten sind unsicher. Ob ein Neubau durchsetzbar ist, möglicherweise sogar auf dem Heldenplatz, wo derzeit die temporären Ausweichquartiere für das renovierungsbedürftige Parlamentsgebäude aufgestellt sind, ist derzeit schwer abschätzbar. Vor allem aber wurde noch kurz vor der Eröffnung, zum Nationalfeiertag, von Kulturminister und Nationalratspräsident eine mögliche institutionelle Anbindung an das Parlament und eine gleichzeitige Umbenennung in 33 Monika Sommer (Hg.), The Voices. Eine temporäre Klanginstallation von Susan Philipsz am Wiener Heldenplatz anlässlich des Gedenkjahres 2018. Ein Projekt des Hauses der Geschichte Österreich, Wien 2018, URL: https://www.hdgoe.at/items/uploads/module_pdf/154160356 0_EvZnS5oJY9Z8.pdf (abgerufen 15. 12. 2019). 34 Nur die Geigen sind geblieben. Alma & Arnold Ros8, Haus der Geschichte Österreich, 10.11. 2018–12. 5.2019, URL: https://www.hdgoe.at/alma-und-arnold-rose (abgerufen 15. 12. 2019).
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„Haus der Republik“ angekündigt.35 Zu Jahresbeginn 2019 wurde durch Nationalratspräsident Sobotka und Kulturminister Blümel die bereits in der Regierungserklärung 2017 angekündigte Evaluierung des gerade erst eröffneten Hauses gestartet.36 Welche organisatorischen, aber auch inhaltlichen Veränderungen damit verbunden sein werden, ist freilich noch vollkommen unklar. Derzeit ist im Bundesmuseengesetz festgeschrieben, dass es die „Zeitgeschichte Österreichs ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit thematischen Rückblicken in die Zeit der Aufklärung und davor und einem besonderen Schwerpunkt auf die Zeit von 1918 bis in die Gegenwart in ihrem europäischen und internationalen Kontext vermitteln“ soll. Was passiert aber im Fall einer Neupositionierung als „Haus der Republik“ mit den (gar nicht wenigen und vor allem folgenreichen) Jahren, in denen Österreich nicht Republik war? Danach blieb keine Energie mehr für ein würdiges Gedenken an die Deklaration der Menschenrechte durch die UNO am 10. Dezember 1948, obwohl sie explizit als ein Bezugspunkt für das österreichische Gedenk- und Erinnerungsjahr angeführt wurde. Auch das Jahr 1968 wurde bei den offiziellen Veranstaltungen natürlich weitgehend vergessen und ausgeblendet. Im Hinblick auf den Frontalangriff auf Menschenrechte und Rechtsstaat durch FPÖ-Innenminister Herbert Kickl zu Jahresbeginn 2019 („irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele, viele Jahre alt, aus ganz anderen Situationen heraus entstanden, und die hindern uns daran, das zu tun, was notwendig ist“, „Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht“37) kann dies freilich kaum überraschen. Die vermutlich irritierendste Entwicklung auf dem Gebiet der Erinnerungskultur ist allerdings die Vereinnahmung und Instrumentalisierung der Holocaust-Erinnerung für rassistische, islamophobe und anti-migrantische Positionen rechter und rechtspopulistischer Parteien. Diese ist allerdings nicht nur in Österreich zu beobachten. Angesichts der Tatsache, dass die Holocaust-Erinnerung bereits in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, spätestens seit dem 35 Unstimmigkeiten über Haus der Republik, ORF, 24. 10. 2018, URL: https://wien.orf.at/v2/ news/stories/2943464/ (abgerufen 15. 12. 2019). 36 Blümel: Expertenteam zur Weiterentwicklung „Haus der Geschichte“ eingesetzt, Austria Presse Agentur, 4. 1. 2019, URL: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190104_OTS 0030/bluemel-expertenteam-zur-weiterentwicklung-haus-der-geschichte-eingesetzt (abgerufen 15. 12. 2019). Der Kommission gehören Barbara Glück, Hans Walter Hütter, Constanze Itzel, Hannah M. Lessing und Hans-Peter Wipplinger an. 37 Kickl stellt Menschenrechtskonvention infrage, Kritik von Ministerkollegen und Van der Bellen, Der Standard, 23. 1. 2019, URL: https://www.derstandard.at/story/2000096888042/ kickl-stellt-menschenrechtskonvention-in-frage (abgerufen 15. 12. 2019); Transkript bei Kickl und seine seltsamen rechtlichen Konstruktionen, Stoppt die Rechten, 24. 1. 2019, URL: https://www.stopptdierechten.at/2019/01/24/kickl-und-seine-seltsamen-rechtlichen-kon struktionen/ (abgerufen 15. 12. 2019).
Dirk Rupnow, Das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018
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Beginn des neuen Jahrtausends, aus einer marginalisierten Position heraus zu einer gouvernemental durchgesetzten hegemonialen, staatstragenden und verstaatlichten Erinnerung geworden ist, kann dies auch nicht wirklich überraschen. Die jetzige Entwicklung dürfte wohl die konsequente Fortsetzung in Zeiten wachsenden Rechtspopulismus und nicht zuletzt rechtspopulistischer Regierungen und gleichzeitig wachsender rassistischer, islamfeindlicher und anti-migrantischer Ressentiments sein. Es wird damit auch deutlich, dass in der Entwicklung der vergangenen Jahre, die zu einer einzigartigen transnationalen Institutionalisierung der Holocaust-Erinnerung geführt hat, eher die Verankerung des historischen Geschehens als Ausnahmeereignis im kollektiven Gedächtnis im Vordergrund stand und weitaus weniger die differenzierte Frage nach möglichen Lehren aus dem historischen Geschehen für die jeweilige Gegenwart.38 Nach ihrer Globalisierung und Universalisierung wird nun eine ReEthnisierung der Holocaust-Erinnerung betrieben. Sie bekommt dezidiert einen exkludierenden Charakter, während gleichzeitig die jüdische Geschichte mit dem Schlagwort des „christlich-jüdischen Abendlandes“ völlig unreflektiert vereinnahmt wird. Begleitend dazu kommt es immer wieder zur Abwertung und Verniedlichung der kolonialen Massenverbrechen europäischer Staaten. Tatsächlich sind die europäischen Kolonialverbrechen zur eigentlichen Blindstelle des europäischen Gedächtnisses geworden. Was dies für die Außenwahrnehmung Europas, aber vor allem auch die Beziehungen Europas zu den anderen Gegenden der Welt bedeutet, ist nur schwer abschätzbar. Aus der Geschichte des Holocaust wird immer öfter nicht mehr der Schluss gezogen, dass man Menschen auf der Flucht Schutz und Hilfe bieten muss, sondern dass MigrantInnen nicht mehr ins Land gelassen werden dürfen, weil sie Antisemitismus importieren, während gleichzeitig der einheimische und bodenständige Antisemitismus in Europa zunehmend verharmlost und ausgeblendet wird.39 Wie ein roter Faden zieht sich die Warnung vor einem „importierten“ oder „neuen Antisemitismus“ der Muslime und Immigranten durch die Reden und Statements der türkis-blauen Bundesregierung im vergangenen Jahr : angefangen bei der „Rot-Weiß-Rot“-Erklärung der FPÖ im Februar, mit der sie sich selbst wieder einmal von Antisemitismus abgrenzen musste, über die Rede des Bundeskanzlers zum „Anschluss“-Gedenken im März bis hin zum Jahrestag des Novemberpogroms 1938. Jenseits der berechtigten Frage, wie mit muslimischem Antisemitismus umgegangen werden kann, wird die Holocaust-Erinnerung damit zur ethnischen Abschottungsideologie umfunktioniert, zum Ar38 Vgl. Dirk Rupnow, Transformationen des Holocaust. Anmerkungen nach dem Beginn des 21. Jahrhunderts, in: Transit – Europäische Revue 35 (2008), 68–88. 39 Vgl. Sina Arnold, Der neue Antisemitismus der Anderen? Islam, Migration und Flucht, in: Christian Heilbronn/Doron Rabinovici/Natan Sznaider (Hg.), Neuer Antisemitismus? Fortsetzung einer globalen Debatte, Berlin 2019, 128–158.
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gument für Doppelstandards und Rassismus – und nicht als Lehrstunde gegen Rassismus und Ausgrenzung und für Empathie und Inklusion verstanden. Tatsächlich ist die Situation unübersichtlich: Während an vielen Orten auf Grund rechtspopulistischer Slogans und Symbole wieder Erinnerungen an die 1930er Jahre aufkommen (trotz offensichtlicher Unterschiede), versuchen sich rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien von ihrer Vergangenheit zu distanzieren und üben sich in Israel-Freundschaft und im Kampf gegen den Antisemitismus. So auch die FPÖ in Österreich. Verbunden ist damit die Hoffnung auf internationale Anerkennung und ein Bündnis gegen muslimische Immigranten. Entlarvt wird der oberflächlich zur Schau getragene Philosemitismus allerdings immer wieder durch deutliche antisemitische Ausfälle und Signale aus eben diesen Parteien, einschließlich der FPÖ. Auch im Bericht „Antisemitism Worldwide – General Analysis 2017“ des Kantor Center for the Study of European Jewry an der Tel Aviv University wird darauf verwiesen.40 Vor allem aber wurde bereits im Vorjahresbericht hervorgehoben, dass eine insgesamt wachsende Atmosphäre von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Populismus das Potential hat, jederzeit antisemitisch zu werden.41 Die türkis-blaue Bundesregierung versucht die Holocaust-Erinnerung in Österreich auch über das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 hinaus zu prägen: durch die Errichtung der so genannten „Namensmauer“ in Wien als „Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich“. Sie geht zurück auf eine Initiative des Austro-Kanadiers Karl Yakov Tutter, der 1930 in Wien geboren wurde, 1939 mit seiner Familie fliehen musste und den Holocaust in Belgien überlebt hat. Seit 2000 wirbt er für eine Gedenkund Andachtsstätte mit den Namen der 65.000 ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden an einem zentralen Platz in Wien.42 Nachdem zunächst der Grete-Rehor-Park vor dem Justizpalast, zwischen Parlament und Palais Epstein im Gespräch war, hat man sich nun auf den Ostarrichi-Park vor dem Nationalbank-Gebäude und neben dem Uni-Campus geeinigt. Die Finanzierung wurde letztlich durch eine Zusage der Bundesregierung im Umfeld des Gedenkens an den 9. November 1938 sichergestellt.43
40 Kantor Center, Antisemitism, 2018, 6–7. 41 Kantor Center for the Study of Contemporary European Jewry / Tel Aviv University, Antisemitism Worldwide 2016. General Analysis / Draft, 2017, 8–9. 42 Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich, Shoah Namensmauern Wien, URL: http://www.shoah-namensmauern-wien.at (abgerufen 14. 12. 2019). 43 Bundeskanzleramt, Bundeskanzler Kurz erfreut über Realisierung der Namensmauer als Shoah-Gedenkstätte, 9. 11. 2018, URL: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzler amt/nachrichten-der-bundesregierung/2017-2018/bundeskanzler-kurz-erfreut-uber-reali sierung-der-namensmauer-als-shoah-gedenkstatte.html (abgerufen 15. 12. 2019); Shoah-
Dirk Rupnow, Das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018
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Nach dem „Mahnmal gegen Krieg und Faschismus“ des österreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka am Albertinaplatz, das im so genannten „Bedenkjahr“ 1988 errichtet wurde und die Verfolgung von Jüdinnen und Juden durch die die Erniedrigung unreflektiert fortschreibende Figur des knienden und straßenwaschenden Juden darstellte, und dem Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah am Judenplatz der britischen Künstlerin Rachel Whiteread (2000) wäre die Namensmauer das dritte zentrale Projekt dieser Art in Wien. Wie bereits beim viel kritisierten Mahnmal am Albertinaplatz 1988 hat man sich in diesem Fall dafür entschieden, keinen Wettbewerb auszuschreiben, sondern eine bestehende private Initiative zu fördern. Inhaltlich bedeutet die Namensmauer allerdings eine Verdopplung des Judenplatz-Mahnmals (mit der Widmung: „Zum Gedenken an die mehr als 65.000 österreichischen Juden, die in der Zeit von 1938 bis 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurden“), aber auch der in der Öffentlichkeit weniger bekannten Gedenkstätte mit den erfassten Namen der ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden im Stadttempel in der Seitenstettengasse, die dort 2002 errichtet wurde.44 Damit werden auch andere Opfergruppen erneut ausgeblendet. Vor allem aber wird der österreichische Opfermythos nur transformiert, aber nicht zurückgewiesen, sondern noch einmal festgeschrieben: Gedacht wird der österreichischen Juden, die zu Opfern der Nazis, nicht aber sämtlicher europäischer Juden, die während des Holocaust auch zu Opfern österreichischer Täter geworden sind. Dies scheint im Gedenkund Erinnerungsjahr 2018 nicht möglich.
Namensmauern-Wien, Finanzierung, URL: https://www.shoah-namensmauern-wien.at/fi nanzierung/ (abgerufen 15. 12. 2019). 44 Heidemarie Uhl, From the Periphery to the Center of Memory. Holocaust Memorials in Vienna, in: Dapim 30 (2016) 3, 221–242, 240.
Petra Bernhardt / Karin Liebhart
Gedenkjahr 2018: Erinnern im Fokus politischer Online-Kommunikation
I.
Einleitung
Im Mai 2019 beschmierten Unbekannte auf der Wiener Ringstraße Porträts von Holocaust-Überlebenden mit Hakenkreuzen und zerschnitten diese. Die großflächigen Aufnahmen des Fotografen Luigi Toscano waren zuvor bereits in Mainz und San Francisco ausgestellt. Einen politisch motivierten Vandalismus an der Installation, wie er in Wien geschehen ist, bezeichnete der Fotograf als bislang einzigartig.1 Bereits kurze Zeit nach der Schändung und noch vor Beginn einer Berichterstattung in klassischen Medien machten Fotos der zerstörten Porträts auf dem Kurznachrichtendienst Twitter die Runde. Eine Gruppe zivilgesellschaftlicher AkteurInnen formierte sich, um die zerschnittenen Porträts wieder zusammenzunähen und die Ausstellung bis zu ihrem Ende zu bewachen.2 Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen meldete sich am 27. Mai 2019 auf Twitter zu Wort, um die Zerstörung der Bilder zu verurteilen.3 Die Tat müsse „Ansporn sein, Empathie und Menschenwürde in das Zentrum von Worten und Taten zu stellen. #NiemalsWieder darf nicht zur Floskel werden – wir müssen es täglich leben!“.4 Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich
1 Oliver Das Gupta, Geschändete Fotos von Holocaust-Überlebenden. „Dass es in Österreich passiert, ist bezeichnend“, sueddeutsche.de, 29. 5. 2019, URL: https://www.sueddeutsche.de/ kultur/wien-holocaust-ueberlebende-hakenkreuze-zerschnitten-luigi-toscano-1.4467091 (abgerufen 29. 5. 2019). 2 Christine Imlinger, Holocaust-Ausstellung: Spontaner Schutz für Bilder, diepresse.com, 27. 5. 2019, URL: https://diepresse.com/home/panorama/wien/5635409/HolocaustAusstellung_ Spontaner-Schutz-fuer-Bilder (abgerufen 29. 5. 2019). 3 Alexander Van der Bellen, Twitter, 27. 5. 2019, URL: https://twitter.com/vanderbellen/status/ 1132944569929281536 (abgerufen 27. 5. 2019). 4 Alexander Van der Bellen, Twitter, 27. 5. 2019, URL: https://twitter.com/vanderbellen/status/ 1132944858015031298 (abgerufen 27. 5. 2019).
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„erschüttert über diese antisemitischen Schmierereien“. Er „stehe dafür, den Kampf gegen den #Antisemitismus entschieden fortzusetzen: #niemalswieder“.5 Dass sich der österreichische Bundespräsident und der Bundeskanzler in Sozialen Netzwerken zu einem antisemitischen Vandalenakt zu Wort melden6 und auf Lehren aus der Vergangenheit verweisen, ist spätestens seit dem Gedenkjahr 2018 mit seinen zahlreichen für die Republik relevanten Ereignissen keine Überraschung. In der politischen Kommunikation, die verstärkt online (z. B. auf Websites oder in Sozialen Netzwerken) stattfindet, nimmt diese Bezugnahme auf die Vergangenheit sowie auf das politische Erinnern einen wichtigen Platz ein. Fotos von Gedenkakten sind in Facebook-Fotoalben oder auf Instagram zu sehen, politische Reden sind als Volltexte auf Websites abrufbar oder werden in Zitatform auf Twitter verbreitet. Das Gedenken politischer RepräsentantInnen eines Staates hat legitimatorische Funktion für die Politik der Gegenwart.7 Im von diesen RepräsentantInnen kommunizierten „offiziellen“ Gedächtnis bleibt tendenziell nur jene Deutung der Vergangenheit, die für den gegenwärtigen Bezugsrahmen funktional ist. Gerade Gedenktage, wie sie 2018 in außergewöhnlicher Dichte begangen wurden, haben „zentrale Bedeutung für die Erinnerungskultur einer Gesellschaft“8, die „das Vergangene periodisch zurückholen und einer allgemeinen Öffentlichkeit wieder ins Bewusstsein bringen“.9 Jörg Baberowski beschreibt diesen Prozess als „Re-Interpretation, […] eine assoziative Tätigkeit, die nach Bedeutung sucht und Bedeutung schafft“.10 Dieser Beitrag widmet sich den Kommunikationsaktivitäten zweier während des Gedenkjahres 2018 zentraler politischer Akteure Österreichs, nämlich des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen und des Bundeskanzlers Sebastian Kurz, die sich auf ihren offiziellen Kanälen in Sozialen Netzwerken auf das Gedenkjahr bezogen haben. Materialgrundlage des Beitrags sind sämtliche Ein5 Sebastian Kurz, Twitter, 27. 5. 2019, URL: https://twitter.com/sebastiankurz/status/11329515 06469179392 (abgerufen 27. 5. 2019). 6 Verurteilungen des antisemitisch motivierten Vandalismus finden sich darüber hinaus auf dem Instagram-Profil sowie auf dem Facebook-Profil des Bundespräsidenten: Alexander Van der Bellen, Instagram, 29. 5. 2019, URL: https://www.instagram.com/p/ByC82-cCKRc/ ?utm_source=ig_web_copy_link (abgerufen 29. 5. 2019); Alexander Van der Bellen, Facebook, 28. 5. 2019, URL: https://www.facebook.com/alexandervanderbellen/videos/43811752 3419014/ (abgerufen 28. 5. 2019). 7 Elke Grittmann/Ilona Ammann, Die Methode der quantitativen Bildtypenanalyse. Zur Routinisierung der Bildberichterstattung von 9/11 in der journalistischen Erinnerungskultur, in: Thomas Petersen/Clemens Schwender (Hg.), Visuelle Stereotype, Köln 2009, 141–158, 141. 8 Ebd., 148. 9 Aleida Assmann 2005, 305 zit. n. Grittmann/Ammann, Bildtypenanalyse, 148. 10 Jörg Baberowski, Der Sinn der Geschichte. Geschichtstheorien von Hegel bis Foucault, München 2005.
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träge der beiden Politiker auf Facebook, Twitter und Instagram, die zwischen Jänner und Dezember 2018 veröffentlicht wurden und die sich explizit (z. B. mit einem entsprechenden Hashtag) oder implizit (z. B. aufgrund der Auseinandersetzung mit einem für das Gedenkjahr bedeutsamen Ereignis) auf das Gedenkjahr bezogen haben. Ein analytischer Blick auf die Kommunikation von PolitikerInnen in Sozialen Netzwerken ist sinnvoll, da er die Rekonstruktion jener Themen ermöglicht, die PolitikerInnen besonders relevant oder politisch nützlich erscheinen. Der Kulturwissenschaftler Jan Assmann stellte bereits 2001 fest, Erinnern hieße „anderes in den Hintergrund treten lassen, Unterscheidungen treffen, vieles ausblenden, um manches auszuleuchten“.11 Daraus ergibt sich die erste Fragestellung dieses Beitrags: Welche thematischen Schwerpunkte setzen Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz im Gedenkjahr 2018? Die Beantwortung dieser Fragestellung erlaubt Rückschlüsse auf Muster in der politischen Bezugnahme auf Vergangenheit sowie auf damit verbundene Deutungsangebote. Welche gesellschaftspolitischen Maßnahmen leiten Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz aus ihren Bezugnahmen auf das Gedenkjahr 2018 ab? Die Beantwortung dieser zweiten Fragestellung ermöglicht Rückschlüsse darauf, ob und in welcher Form politische AkteurInnen die Gegenwartsgesellschaft beim Gedenken in die Pflicht nehmen und welchen gesellschaftspolitischen Auftrag sie daraus ableiten. Welche Bildmotive und Bildtypen markieren die Bezugnahme auf das Gedenkjahr 2018 durch Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz? Diese dritte Frage lenkt den analytischen Schwerpunkt auf Bildmaterial – also auf Fotos, Grafiken oder Videos –, das die Kommunikation in Sozialen Netzwerken in zunehmendem Maße prägt. Diesem Beitrag liegt die Annahme zugrunde, dass Bildmaterial als eigenständiger Bedeutungsträger relevant ist und in seiner Eigenlogik12 ernst genommen werden soll. Was politische AkteurInnen bzw. ihre Social-Media-Teams auf ihren offiziellen Accounts im Rahmen des Gedenkjahres 2018 zu sehen geben (bzw. was sie ausklammern), ist analytisch bedeutsam: „Gerade in der Reaktualisierung von Vergangenheit kommt Bildern eine zentrale Rolle zu, weil sie wie kein anderes Medium in der Lage sind, das Vergangene zu vergegenwärtigen“.13 Laut der Kommunikationswissenschaftlerin Elke Grittmann unterliegen politische Bilder sowohl in der Selbstdarstellung von Politik als auch in ihrer medialen Darstellung einem Auswahlprogramm, wobei gerade fotografische Bilder „aufgrund des ihnen zugeschriebenen Wirk11 Jan Assmann, Maurice Halbwachs, in: Nicolas Pethes/Jens Ruchatz (Hg.), Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon, Reinbek bei Hamburg 2001, 247–249, 247. 12 Gottfried Böhm, Wie Bilder Sinn erzeugen: Die Macht des Zeigens, Berlin 2008; Peter Burke, Geschichte als soziales Gedächtnis, in: Aleida Assmann/Dietrich Harth (Hg.), Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung, Frankfurt/M. 1991, 289–304. 13 Grittmann/Ammann, Bildtypenanalyse, 143.
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lichkeitsbezugs als Bestandteil alltäglicher Lebenswelten wahrgenommen“ werden, und die „dadurch erzeugten oder reproduzierten Wissensordnungen […] meist unhinterfragt bleiben“14 Der Blick auf Auswahlroutinen und Schwerpunktsetzungen in der Verbreitung des Bildmaterials sowie auf damit verbundene Deutungsangebote bildet daher einen wesentlichen Fokus des Beitrags. Der Beitrag beginnt mit einer Diskussion der zentralen Begriffe und theoretischen Konzepte, die zu einem besseren Verständnis der Bedeutung politischer Online-Kommunikation im Kontext des historisch-politischen Gedächtnisses notwendig sind. Dazu zählen einerseits die Fragen, was unter politischer OnlineKommunikation zu verstehen ist, welchen Rahmenbedingungen das Gedenken politischer RepräsentantInnen in Sozialen Netzwerken folgt und welche besondere Funktion Bildmaterial im Rahmen dieser politischen Kommunikationsaktivitäten einnimmt. Andererseits stellt sich die Frage, wie das historischpolitische Gedächtnis definiert werden kann und welche konkreten Funktionen Kommunikationsaktivitäten politischer AkteurInnen bei dessen Konstruktion erfüllen. Der Beitrag setzt fort mit einer Darstellung der Materialgrundlage der Untersuchung sowie der Forschungsmethode und schließt mit einer Diskussion der thematischen Schwerpunkte im Gedenkjahr 2018 sowie der daraus abgeleiteten Maßnahmen als zentrale Ergebnisse.
II.
Theoretische Konzepte und zentrale Begriffe
2.1
Politische Online-Kommunikation und Bildmaterial
Politische Kommunikation ist jene Kommunikation, die von politischen AkteurInnen ausgeübt wird, an sie gerichtet ist oder sich auf ihre Aktivitäten bezieht.15 Gerade in der Spitzenpolitik ist die von PolitikerInnen ausgehende Kommunikation heute in hohem Maße professionalisiert. Das heißt, dass AkteurInnen aus Berufsfeldern wie beispielsweise Marketing, Public Relations oder Fotografie in politische Kommunikationsaktivitäten eingebunden werden, um ihre Kompetenzen und Arbeitsroutinen in die politische Kommunikation einzubringen. Professionalisierung ist in diesem Zusammenhang nicht als normative Bewertung der Qualität von Kommunikationsaktivitäten zu verstehen,
14 Elke Grittmann, Grounded Theory und qualitative Bildanalyse. Die Analyse visueller Geschlechterkonstruktionen in den Medien, in: Christian Pentzold/Andreas Bischof/Nele Heise (Hg.), Praxis Grounded Theory, Wiesbaden 2018, 191–210, 192. 15 Winfried Schulz, Politische Kommunikation. Theoretische Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung, Wiesbaden 32011, 16.
Bernhardt / Liebhart, Erinnern im Fokus politischer Online-Kommunikation
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sondern als Beschreibung ihrer strukturellen Zusammenhänge.16 Websites und Soziale Netzwerke sind professionell betreute Kommunikationsinstrumente, mit denen PolitikerInnen nicht nur jene Themen setzen, die ihnen besonders wichtig oder politisch nützlich erscheinen, sondern auch klassische Medien umgehen können. Dies gilt auch für die Kommunikation sozial-medialer Erinnerungsprozesse und Vergangenheitsbezüge.17 Zu den zentralen Bestandteilen politischer Kommunikationsaktivitäten zählt der Einsatz von Bildmaterial.18 Die visuelle politische Kommunikationsforschung rekurriert auf einen Bildbegriff, der im Anschluss an den Kulturwissenschaftler Aby Warburg zwischen materiellen Abbildern und immateriellen Denkbildern unterscheidet. Materielle Abbilder wie Fotos, Grafiken oder Videos können Denkbilder auslösen, da die Logik visueller Kommunikation auf Assoziationen basiert.19 Zugleich werden materielle Abbilder vor der Folie von immateriellen Denkbildern rezipiert. Für die politische Kommunikation ist das Auslösen von Denkbildern bzw. Images besonders relevant. Politische AkteurInnen bedienen sich also Fotos oder Videos, um immaterielle Images zu formen. Dies kann beispielsweise durch das Wiederholen und Forcieren bestimmter Bildmotive geschehen. Politische Inszenierung ist demnach als „bewusst gestaltete Realität“20 zu verstehen, die auf die Formung intendierter Images abzielt.21 Wer die intendierten Denkbilder politischer Kommunikation verstehen will, muss die Muster in der Verwendung materieller Bilder rekonstruieren. Wird das Bildmaterial über Soziale Netzwerke verbreitet, ist zunächst ein Blick auf die spezifischen Funktionsweisen dieser unterschiedlichen Kanäle erforderlich, die unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Während Facebook22 die Verbreitung auch längerer Textbeiträge und die umfassende Bebilderung
16 Jens Tenscher, Professionalisierung der Politikvermittlung? Politikvermittlungsexperten im Spannungsfeld von Politik und Massenmedien, Wiesbaden 2003. 17 Marie-Kristin Döbler/Gerd Sebald, Einleitung, in: Gerd Sebald/Marie-Kristin Döbler (Hg.), (Digitale) Medien und soziale Gedächtnisse, Wiesbaden 2018, 13–25. 18 Dan Schill, The Visual Image and the Political Image: A Review of Visual Communication Research in the Field of Political Communication, in: Review of Communication 12 (2012) 2, 118–142. 19 Marion G. Müller/Stephanie Geise, Grundlagen der Visuellen Kommunikation, Konstanz 2 2015, 37. 20 Ebd., 34. 21 Vgl. ebd., 35. 22 In Österreich waren 2018 rund 3 Millionen Menschen täglich auf Facebook aktiv. Die Zahl der monatlich aktiven NutzerInnen betrug rund 3,8 Millionen. URL: https://de.statista.com/ statistik/daten/studie/960093/umfrage/nutzerzahlen-von-facebook-in-oesterreich/ (abgerufen 27. 5. 2019).
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eines Ereignisses in Form eines Fotoalbums ermöglicht, zwingen Twitter23 und Instagram24 zur Auswahl von bis zu vier Bildern pro Tweet bzw. bis zu zehn Bildern oder Videos in einer Instagram-Galerie. In der Kommunikation der Spitzenpolitik durchläuft das Bildmaterial einen Autorisierungsprozess, bevor es die Augen potenzieller BetrachterInnen erreicht: es wird (in der Regel) von professionellen FotografInnen oder Social-Media-Beauftragten im Dienst der abgebildeten PolitikerInnen aufgenommen, von MitarbeiterInnen des Kommunikationsteams ausgewählt und betextet und durch diesen Auswahlprozess zum repräsentativen Bild- oder Videomaterial eines Ereignisses gemacht. Eine Mehrfachnutzung des Bildmaterials (z. B. die Verbreitung derselben Fotos eines Gedenkakts auf Facebook, Twitter und Instagram) ist üblich. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es sich bei den Kommunikationsaktivitäten politischer AkteurInnen in Sozialen Netzwerken um intentionale und zielgerichtete Praktiken handelt, durch die Themen sowohl in klassischen Medien gesetzt als auch an ihnen vorbei kommuniziert werden können.25 Intentionalität und Zielgerichtetheit betreffen sowohl die textliche als auch die visuelle Kommunikation, weshalb beide kommunikativen Modi für die Rekonstruktion von Deutungsmustern in sozial-medialen Erinnerungsprozessen und Vergangenheitsbezügen relevant sind.
2.2
Historisch-politisches Gedächtnis
Wodurch begründet sich die Relevanz sozial-medialer Erinnerungsprozesse und Vergangenheitsbezüge politischer AkteurInnen? Als soziales Konstrukt nimmt Gedächtnis auf eine als gemeinsame Geschichte konstruierte Vergangenheit Bezug. Dies ermöglicht ein Bewusstsein sozialer Zugehörigkeit und fungiert als Referenz für die Konstruktion politischer Gemeinschaft. In keinem Gedächtnis vermag sich jedoch die Vergangenheit als solche zu bewahren, es gibt, wie Jan Assmann unter Bezugnahme auf den Philosophen Hans Blumenberg feststellt, „keine reinen Fakten der Erinnerung“:26 Erst in ihrer symbolischen Form, in ihrer Re-Inszenierung werden „Ereignisse“ oder „Fakten“ für die Mitglieder 23 Im Jahr 2018 betrug die Anzahl der Twitter-Accounts in Österreich rund 155.000 URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/296135/umfrage/twitter-nutzer-in-oesterreich/ (abgerufen 27. 5. 2019). 24 In Österreich nutzten 2018 circa 2,2 Millionen Menschen Instagram. URL: https://de.stati sta.com/statistik/daten/studie/512380/umfrage/instagram-nutzer-in-oesterreich/ (abgerufen 27. 5. 2019). 25 Daniel Kreiss, Seizing the Moment: The Presidential Campaigns’ Use of Twitter During the 2012 Electoral Cycle, in: New Media & Society 18 (2016) 8, 1473–1490. 26 Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992, 40.
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einer sozialen Gruppe im Alltagsleben erfahrbar : Das kollektive Gedächtnis funktioniert wie ein Theater einer Anzahl ausgewählter (historischer) Ereignisse, die oft nur mittelbar (über Medien oder Alltagsüberlieferungen) und nicht durch die eigene Teilnahme erfahren werden. Die kultur- und sozialwissenschaftliche Gedächtnisforschung geht im Prinzip auf den Soziologen Maurice Halbwachs zurück. Halbwachs entwickelte den Begriff der „m8moire collective“, als soziales Phänomen und Gruppengedächtnis, das im sozialen Kontext einer Gruppe durch Kommunikation und Interaktion hergestellt wird.27 In diesem Prozess dirigiert die Gegenwart die Vergangenheit „wie die Mitglieder eines Orchesters. Sie benötigt diese Töne und keine anderen […]“.28 Die Kulturwissenschaftlerin Astrid Erll hat in Auseinandersetzung mit Halbwachs eine weite Definition des kollektiven Gedächtnisses vorgelegt. Sie versteht es als „Oberbegriff für all jene Vorgänge biologischer, psychischer, medialer und sozialer Art, denen Bedeutung bei der wechselseitigen Beeinflussung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in kulturellen Kontexten zukommt.“29 Erll erklärt, dass im interdisziplinären Forschungszusammenhang der Memory Studies, der neben kulturwissenschaftlichen auch eine Vielzahl anderer Perspektiven aus den Medienwissenschaften, der Psychologie, den Neurowissenschaften oder den Sozialwissenschaften umfassen kann, Einigkeit über die Bedeutung von „Erinnern als ein Prozess, Erinnerungen als dessen Ergebnis und Gedächtnis als eine Fähigkeit oder eine veränderliche Struktur“30 besteht. Weitgehend Einigkeit herrscht auch über zwei zentrale Merkmale des Erinnerns, nämlich dessen Gegenwartsbezug und dessen konstruktiven Charakter.31 Um den jeweiligen Erkenntnisinteressen und Gegenstandsbereichen in den unterschiedlichen disziplinären Forschungen gerecht zu werden, plädiert Erll für angemessene begriffliche und konzeptuelle Differenzierungen.32 Für eine politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit sozial-medialen Erinnerungsprozessen und Vergangenheitsbezügen politischer AkteurInnen 27 Maurice Halbwachs, Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, Frankfurt/M. 1985; Maurice Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis, Frankfurt/M. 1991; Maurice Halbwachs, On Collective Memory, Edited, Translated and with an Introduction by Lewis A. Coser. ChicagoLondon 1992; Maurice Halbwachs, Stätten der Verkündigung im Heiligen Land. Eine Studie zum kollektiven Gedächtnis, Konstanz 2003. 28 Moritz Cs#ky, Geschichte und Gedächtnis. Erinnerung und Erinnerungsstrategien im narrativen historischen Verfahren. Das Beispiel Zentraleuropas, in: Österreichische Osthefte 44 (2002) 1/2, 61–79, 65. 29 Astrid Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen: eine Einführung, Stuttgart 3 2017, 5. 30 Ebd., 6. 31 Ebd. 32 Ebd.
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sind die Überlegungen des Philosophen Oliver Marchart zum historisch-politischen Gedächtnis eine ebenso sinnvolle wie notwendige Präzisierung. Er plädiert für eine politische Theorie kollektiver Erinnerung, die öffentliche Vergangenheitsbezüge als strategisch-antagonistische Auseinandersetzungen33 verständlich macht. Marchart geht davon aus, „dass kollektives Gedächtnis in einem Spannungsfeld konkurrierender, zum Teil widersprüchlicher Erinnerungserzählungen entsteht, die ein Kräftefeld konstituieren, in dem die dominanten, mit (wiederum unterschiedlich ausgeprägter) Definitionsmacht ausgestatteten Diskurse wechselseitig aufeinander wirken und Geschichtsbilder prägen, die eine wichtige Rolle in der Produktion und Durchsetzung der historischen und je gegenwärtigen Identität einer Gemeinschaft spielen“.34 Marchart unterscheidet zwischen den Konzepten Vergangenheit, Erinnerung und Gedächtnis. Vergangenheit lässt sich definieren als „in sich heterogene, aber dennoch hegemoniale (wenn auch nicht unherausgeforderte) Gesamtheit jener Diskurse, mit der sich die Gemeinschaft auf ihrer Zeitachse selbst beschreibt und als Identität wiedererkennt/konstruiert“.35 Vergangenheitsnarrative zeichnen sich dadurch aus, dass sie erzählerisch diachron strukturiert sind, aber synchron und in der Jetztzeit aktualisiert werden.36 Ihre Gültigkeit ist an Wiederholung gebunden. Erinnerung bzw. die Tätigkeit des kollektiven Erinnerns wiederum sind „als Konstruktion der Identität von Gemeinschaft entlang ihrer diskursiven Zeitachse“37 zu verstehen. Das kollektive Gedächtnis einer Gemeinschaft kann definiert werden als „das sedimentierte Ensemble hegemonialer und damit allgemein weitgehend abrufbarer Vergangenheitsdiskurse, deren kontingenter Ursprung aus einem politischen Konstruktionsakt zwar vergessen wurde, aber jederzeit (qua Antagonisierung) relativierbar ist“.38 Marchart hat seine Überlegungen im Rekurs auf die hegemonietheoretische Diskursanalyse nach Ernesto Laclau und Chantal Mouffe entwickelt, um einen Beitrag zu einer politischen Theorie kollektiver Erinnerung zu leisten. Er definiert das „kollektive Gedächtnis […] als geschichtetes Feld von Sedimentierungen, deren kontingenter Ursprung in der Auseinandersetzung konkurrierender Vergangenheitsdefinitionen vergessen wurde, nachdem sich eine bestimmte Vergangenheitsversion durchgesetzt hat und hegemonial geworden 33 Oliver Marchart, Das historisch-politische Gedächtnis. Fu¨ r eine politische Theorie kollektiver Erinnerung, in: Ljiljana Radonic´/Heidemarie Uhl (Hg.), Gedächtnis im 21. Jahrhundert. Zur Neuverhandlung eines kulturwissenschaftlichen Leitbegriffs, Bielefeld 2016, 43–77, 45. 34 Ebd. 35 Ebd., 46. 36 Vgl. ebd. 37 Ebd. 38 Ebd., 47.
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ist“.39 Dieser diskursanalytisch geprägte Zugang erweist sich als besonders produktiv, wenn er um multimodale Aspekte40 erweitert wird, da sich die Auswahlroutinen von Text- und Bildbeiträgen politischer AkteurInnen vor dem Hintergrund unterschiedlicher und bisweilen gegenläufiger politischer Interessen und Bedürfnisse interpretieren lassen.
III.
Materialgrundlage und Forschungsmethode
Dieser Beitrag widmet sich Kommunikationsaktivitäten von Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz in Sozialen Netzwerken, die sich auf das Gedenkjahr 2018 in Österreich bezogen haben. Materialgrundlage sind sämtliche Einträge der beiden Politiker auf Facebook, Twitter und Instagram, die zwischen Jänner und Dezember 2018 veröffentlicht wurden und sich – wie in der Einleitung beschrieben – explizit oder implizit auf das Gedenkjahr bezogen haben. Tabelle 1 bietet eine Übersicht der untersuchten Accounts: BP Alexander Van der Bellen
Facebook www.facebook.com/alex andervanderbellen
Twitter Instagram twitter.com/van www.instagram.com/ derbellen vanderbellen/
BK Sebastian Kurz
www.facebook.com/sebas twitter.com/se tiankurz.at bastiankurz
www.instagram.com/ sebastiankurz
Tab. 1: Übersicht der untersuchten Social-Media-Accounts im Gedenkjahr 2018
Sämtliche Beiträge wurden archiviert und im Analyseprogramm MAXQDA kodiert. Beim Kodieren des Materials wurden in Anlehnung an Christian Pentzold und Claudia Fraas41 sowie an Elke Grittmann42 folgende Analysefragen formuliert: Wer ist dargestellt? (AkteurIn bzw. AkteurInnen); bei welchen Aktionen bzw. in welchen Interaktionsmomenten sind die AkteurInnen dargestellt? (Aktion bzw. Interaktion); was ist dargestellt? (situativer Rahmen); wo findet es statt? (Setting); welchem thematischen Schwerpunkt ist der Eintrag zuzuordnen? (Themensetzung); wie ist die vermeintliche Beziehung der AkteurInnen 39 Ebd., 48. 40 Gunther R. Kress/Theo van Leeuwen, Reading images. The grammar of visual design, London 2 2010. 41 Christian Pentzold/Claudia Fraas, Verbale und visuelle Medienframes im Verfahrensrahmen der Grounded Theory analysieren. Methodologische Grundlagen, Methoden und Forschungspraxis deduktiven und induktiven Kodierens multimodaler Dokumente, in: Andreas M. Scheu (Hg.), Auswertung qualitativer Daten, Wiesbaden 2018, 227–243. 42 Elke Grittmann, Der Blick auf die Macht. Geschlechterkonstruktionen von Spitzenpersonal in der Bildberichterstattung, in: Margreth Lünenborg/Jutta Röser (Hg.), Ungleich Mächtig. Das Gendering von Führungspersonen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Medienkommunikation, Bielefeld 2012, 127–172.
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durch Körperhaltung, Größenverhältnis, Positionierung begründbar? (Beziehungen); welche Bedeutungsmuster werden durch die Betextung aufgerufen? (Text, Hashtags). Abbildung 1 zeigt ein Beispiel einer Kodierung im Analyseprogramm MAXQDA.
Abb. 1: Kodierung eines Tweets von Sebastian Kurz über ein Zusammentreffen mit dem Zeitzeugen Kurt Tutter.
Die Auswertung des Materials erfolgte mit einer methodischen Kombination aus textbezogener qualitativer Inhaltsanalyse43 und bildbezogener Inhaltsanalyse bzw. Bildtypenanalyse44, die eine Kategorisierung bzw. Typisierung des Materialbestands erlaubt. Die in diesem Fall angewendete Form der qualitativen Inhaltsanalyse entwickelt auf der Bündelung von Codes basierende Kategorien induktiv am Material und ordnet diesen Kategorien entsprechende Einträge zu, um im Anschluss Thesen zu generieren. Kategorien stellen Analyseaspekte als Kurzformulierungen dar und werden in einem Kategoriensystem zusammengefasst.45 Die Bildtypenanalyse wiederum ist eine Methode, die den ursprünglich aus der Kunstgeschichte stammenden ikonografisch-ikonologischen Ansatz mit der Methode der Inhaltsanalyse kombiniert, um die Gewichtung motivischer Repertoires in einem bestimmten Zusammenhang zu bestimmen. Die Kom43 Philipp Mayring/Thomas Fenzl, Qualitative Inhaltsanalyse, in: Nina Bauer/Jörg Blasius (Hg.), Handbuch der empirischen Sozialforschung, Wiesbaden 2014, 543–556. 44 Grittmann/Ammann, Bildtypenanalyse, 141–158. 45 Mayring/Fenzl, Inhaltsanalyse, 544.
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munikationswissenschaftlerinnen Elke Grittmann und Ilona Ammann entwickelten den Ansatz ursprünglich in einer quantitativen Spielart für die Analyse visueller Medieninhalte, „um die Relevanz von Bildmotiven und ihre Bedeutungen untersuchen zu können“.46 Die Bildtypenanalyse erlaubt Aussagen über Routinen und Selektionskriterien in der politischen Kommunikation. „Als Bildtypus werden wiederkehrende Bildmotive – und nicht nur die Wiederholung einzelner Bildelemente oder spezifischer Repräsentationen einer Person – gefasst“.47 Dabei ist wichtig, dass sich Motive innerhalb eines Typus möglichst ähnlich sind, während sich die Typen möglichst klar voneinander unterscheiden sollten.48 Der Analyse liegt die Annahme zugrunde, die durch ein Bildmotiv artikulierten Vorstellungen und Ideen innerhalb eines bestimmten Kontexts rekonstruieren zu können. Das heißt: PolitikerInnen legen über die Auswahl und Forcierung bestimmter Bildtypen sowie durch ihre diskursive Einbettung Deutungsangebote zu ihrem politischen Handeln und ihrer Person nahe.
IV.
Schwerpunktsetzungen politischen Gedenkens in Sozialen Netzwerken
Das Gedenkjahr 2018 ist während des gesamten Untersuchungszeitraumes in den Kommunikationsaktivitäten der Accounts von Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz auf Facebook, Twitter und Instagram präsent. Die Chronologie der Ereignisse gibt den politischen Akteuren dabei einen Rahmen in Form eines Zeitplans zentraler Termine vor. Bei diesen zentralen Gedenktagen handelt es sich um den 27. Jänner (Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau), den 11./12. März (Jahrestag des „Anschlusses“ und des Einmarsches der Deutschen Wehrmacht in Österreich), den 5. Mai (Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, begangen am Tag der Befreiung des KZ Mauthausen), die Befreiungsfeier in der Gedenkstätte Mauthausen (jährlich am zweiten MaiSonntag), den 8. Mai (Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht, der Beendigung des Zweiten Weltkriegs in Europa und der Befreiung des Kontinents vom Nationalsozialismus), den 15. Mai (Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrages), den 26. Oktober (Österreichischer Nationalfeiertag), den 8./9. November (Jahrestag des Novemberpogroms), sowie den 12. November (100 Jahre Republik Österreich). Ergänzt wird dieser Rahmen durch einmalige Ereignisse wie beispielsweise die Verleihung von Ehrenzeichen 46 Elke Grittmann, Grounded Theory, 197. 47 Ebd. 48 Vgl. ebd.
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oder die Konferenz gegen Antisemitismus und Antizionismus am 21. November. Darüber hinaus setzen Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz auch individuelle thematische Schwerpunkte in ihren sozial-medialen Erinnerungsaktivitäten und Vergangenheitsbezügen, die sich trotz des gemeinsamen Rahmens deutlich unterscheiden. Auf den Accounts von Alexander Van der Bellen wurden während des Gedenkjahres insgesamt 233 thematisch einschlägige Beiträge gepostet, wobei nur 17 reine Textbeiträge darstellten. Die deutliche Mehrzahl von 216 Beiträgen beinhaltet visuelle Elemente, also Fotografien, Videos oder grafisch hervorgehobene Zitate. Auf den Accounts von Sebastian Kurz wiederum wurden insgesamt 132 thematisch einschlägige Beiträge gepostet, wobei 27 Beiträge reine Textbeiträge darstellen, während 105 Beiträge Bild- oder Videomaterial einbetten. Der eingangs erwähnte analytische Fokus auf die visuelle Dimension der Einträge legt sich demnach schon aufgrund der quantitativen Gewichtung in der Beitragsgestaltung nahe. Die folgenden Abschnitte stellen jeweils die zentralen inhaltsanalytisch erhobenen thematischen Schwerpunkte und Bildtypen der beiden Politiker vor und zeigen auf, inwiefern die Beiträge die Gegenwartsgesellschaft durch die Ableitung konkreter Maßnahmen (z. B. einer aktiven Auseinandersetzung mit der Vergangenheit oder einem aktiven Eintreten für den Schutz von Demokratie und Rechtsstaat) in die Pflicht nehmen.
4.1
Holocaust und Antisemitismus
Die zentrale Kategorie im Materialbestand von Sebastian Kurz ist das Erinnern an den Holocaust und eine Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus. Der Themenkomplex manifestiert sich in Beiträgen, die sich auf zentrale Gedenktage (z. B. Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers AuschwitzBirkenau, Jahrestag des „Anschlusses“, Jahrestag des Novemberpogroms) oder aktuelle Ereignisse (z. B. Staatsbesuch in Israel, Konferenz gegen Antisemitismus) beziehen. Darüber hinaus wird der Themenkomplex während des gesamten Jahres über Termine im Bundeskanzleramt präsent gehalten, bei denen Sebastian Kurz VertreterInnen der jüdischen Community empfängt. Dazu zählen beispielsweise Oskar Deutsch (Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde), Kurt Tutter (Initiator des Denkmals „Namensmauer“49), Marko Feingold (Prä49 Bei der Namensmauer (Shoah Wall of Names Memorial) handelt es sich um ein geplantes Shoah-Denkmal in Wien, das die Namen der rund 66.000 während der NS-Zeit ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden zeigen soll. Das vom Holocaust-Überlebenden Kurt Tutter initiierte Denkmal soll im Ostarrichi-Park errichtet werden. Ein genauer Zeitplan für die Errichtung steht zum Zeitpunkt der Gestaltung dieses Beitrags noch nicht fest.
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sident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg und ältester Überlebender des Holocaust in Österreich, der am 19. September 2019 verstorben ist) sowie weitere ZeitzeugInnen. Besonders ausführlich werden die Israel-Reise von Sebastian Kurz im Juni 2018 sowie die damit verbundenen Termine (u. a. ein Zusammentreffen mit Benjamin Netanyahu oder ein Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem, siehe z. B. Abbildung 1) präsentiert. Das Verhältnis Österreichs zu Israel, das von Sebastian Kurz als „so gut, wie es nie zuvor war“ beschrieben wird, ist auch Gegenstand eines Kurzvideos auf Instagram, das am 23. Dezember 2018 gepostet wurde.50 Auf der visuellen Ebene zeigt sich Sebastian Kurz bei der Teilnahme an zentralen Gedenkveranstaltungen (z. B. im Moment der formellen Rede, beim stillen Gedenken, bei der Kranzniederlegung) sowie in Interaktionsmomenten (z. B. Gesprächssituationen) mit VertreterInnen der jüdischen Community, die sich primär in den Amtsräumen des Bundeskanzleramtes vollziehen (siehe z. B. Abbildung 2 und 3). Die ästhetischen Darstellungsstrategien der Fotos (v. a. Wahl des Kamerastandpunktes, Distanz, Aufnahmezeitpunkt)51 legen nahe, dass es sich um vermeintlich unbeobachtete Momente handelt. Die Auswahl und Gewichtung des Bildmaterials wiederum verweist auf regelmäßigen Kontakt und eine gute Gesprächsbasis und unterstreicht den verbal artikulierten Auftrag zum Schutz von Jüdinnen und Juden als österreichische Staatsräson. Dieses Deutungsangebot ist im Kontext der Koalitionsregierung zwischen ÖVP und FPÖ52 und des Beschlusses der Israelitischen Kultusgemeinde zu interpretieren, „keine politischen Kontakte zu Vertretern der FPÖ, auch nicht zu Regierungsmitgliedern [zu unterhalten], die dieser Partei angehören“.53 Auf der sprachlichen Ebene fällt die Wiederholung einer Phrase im Zusammenhang mit Holocaustgedenken und Antisemitismus auf. Die Formulierung „damit aus einem ,niemals vergessen‘ auch ein ,nie mehr wieder‘ wird“, die erstmals im Rahmen der Rede zum Gedenken an den 12. März 1938 verwendet wurde, wird unter anderem im Rahmen des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus sowie bei der Reise nach Israel aktualisiert. Konkrete Maßnahmen für die Gegenwartsgesellschaft, die sich aus der Vergangenheit ableiten, werden mit der Phrase allerdings nicht verbunden. Die Bedeutung des Themenkomplexes Holocaustgedenken und Antisemitismus wird auch durch die 50 Sebastian Kurz, Instagram, 23. 12. 2018, URL: https://www.instagram.com/p/BrvM7H_FlSq/ (abgerufen 28. 5. 2019). 51 Vgl. Grittmann, Der Blick auf die Macht, 130. 52 Die schwarz-blaue bzw. türkis-blaue Koalition der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) dauerte von 18. 12. 2017 bis 28. 5. 2019. 53 IKG-Beschluss: Keine Kontakte zur FPÖ, Israelitische Kultusgemeinde Wien, 10. 1. 2018, URL: https://www.ikg-wien.at/ikg-beschluss-keine-kontakte-zur-fpoe/, (abgerufen 28. 5. 2019).
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Abb. 2: Sebastian Kurz, Twitter, 10. 6. 2018, URL: https://twitter.com/sebastiankurz/status/ 1005773829698936833?s=20/ (abgerufen 28. 5. 2019).
Häufigkeit der Verwendung von Hashtags nahegelegt. Nach #Österreich sind #Antisemitismus und #Holocaust die am zweit- und dritthäufigsten verwendeten Hashtags im untersuchten Materialbestand von Sebastian Kurz. Das Erinnern an den Holocaust und eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus stellt auch eine relevante, wenngleich nicht die zentrale Kategorie im Materialbestand von Alexander Van der Bellen dar. Van der Bellen verbindet die Thematisierung von Antisemitismus mit konkreten Forderungen, wie beispielsweise nach einer Bekämpfung von Menschenverachtung und Sündenbockpolitik (Tweet am 21. November 2018) oder nach Achtsamkeit im Hinblick auf gegenwärtige „auffällige Ähnlichkeiten, auf Parallelen“ zu historischen Entwicklungen (Tweet am 9. November 2018). Einen Schwerpunkt des Erinnerns an den Holocaust im Materialbestand von Alexander Van der Bellen stellt der Besuch der NS-Vernichtungsstätte Maly Trostinez (Weißrussland) im Juni 2018 dar, wo nahezu zehntausend jüdische Österreicherinnen und Österreicher von den Nationalsozialisten umgebracht wurden.54 54 URL: Alexander Van der Bellen, Instagram, 29. 6. 2018, URL: https://www.instagram.com/p/ BkmuZuIgp7o/ (abgerufen 28. 5. 2019).
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493
Abb. 3: Sebastian Kurz, Instagram, 29. 5. 2018, URL: https://www.instagram.com/p/BjXAsR XAGjC/ (abgerufen 28. 5. 2019).
Abb. 4: Sebastian Kurz, Instagram, 31. 7. 2018, URL: https://www.instagram.com/p/Bl6Ird5 hadx/ (abgerufen 28. 5. 2019).
494 4.2
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Bildung, Kunst und Kultur
Die zentrale Kategorie im Materialbestand von Alexander Van der Bellen ist die Auseinandersetzung mit Institutionen und Veranstaltungen aus dem Bildungs-, Kunst- und Kulturbereich. Dazu zählen die Teilnahme an Veranstaltungen (z. B. am Festakt zu 650 Jahren Österreichische Nationalbibliothek am 22. Februar 2018) bzw. die Organisation von Veranstaltungen (beispielsweise die Ausstrahlung der restaurierten Fassung des Films „Die Stadt ohne Juden“ am 15. Oktober 2018 in der Hofburg) im thematischen Kontext des Gedenkjahres. Besuche von Institutionen, wie beispielsweise des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) am 30. Mai 2018 oder der Lettischen Nationalbibliothek am 14. September 2018 samt Übergabe eines gewidmeten Exemplars des Romans „Die Hauptstadt“ des österreichischen Schriftstellers Robert Menasse sind ebenfalls Teil des Materialbestands. Besonders bemerkenswert ist die Initiierung eines Geschichtswettbewerbs unter dem Titel „1918 – Neubeginn für Europa“, der sich an SchülerInnen richtet und über die Sozialen Netzwerke des Bundespräsidenten beworben wurde.
Abb. 5: Alexander Van der Bellen, Twitter, 30. 5. 2018, URL: https://twitter.com/vanderbellen/sta tus/1001779349195018240 (abgerufen 28. 5. 2019).
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Abb. 6: Alexander Van der Bellen, Twitter, 22. 6. 2018, URL: https://twitter.com/vanderbellen/sta tus/1010126699047145472 (abgerufen 28. 5. 2019).
Auf der visuellen Ebene ist die Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Bildung, Kunst und Kultur durch Bildtypen strukturiert, die Van der Bellen beim Besuch von Institutionen (siehe z. B. Abbildung 5), bei der Teilnahme an Ausstellungsführungen (siehe z. B. Abbildung 6), in Gesprächen oder bei der Übergabe von Buchgeschenken zeigt. Auf der sprachlichen Ebene wird die gesellschaftspolitische Bedeutung von Bildungsinstitutionen hervorgehoben. So dankt Van der Bellen beispielsweise dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands für seinen Einsatz („Das @doew_at blickt auf die Gegenwart und thematisiert den heutigen Rechtsextremismus, den Neonazismus, den Rassismus und den Antisemitismus. Allen Anfeindungen zum Trotz.“).55 Am 15. Oktober 2018 anlässlich der Ausstrahlung des Films „Die Stadt ohne Juden“ in der Hofburg artikuliert Van der Bellen die Forderung, dass eine zeithistorische und künstlerische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit „in allen Bereichen der Gesellschaft stattfinden soll: im Kino ebenso wie am Amtssitz des Staatsoberhauptes“.56 Erinnern wird im Rahmen dieser Kategorie
55 Alexander Van der Bellen, Twitter, 30. 5. 2018, URL: https://twitter.com/vanderbellen/status/ 1001779357285744640 (abgerufen 28. 5. 2019). 56 Alexander Van der Bellen, Twitter, 15. 10. 2018, URL: https://twitter.com/vanderbellen/sta tus/1051919934333362177 (abgerufen 28. 5. 2019).
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als eine aktive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit durch Bildungsarbeit gefasst, um antidemokratischen Entwicklungen mit den Lehren aus der Vergangenheit begegnen zu können.
4.3
Zivilgesellschaft, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
Abb. 7: Alexander Van der Bellen, Twitter, 2. 2. 2018, URL: https://twitter.com/vanderbellen/sta tus/959466393438687234 (abgerufen 28. 5. 2019).
Eine weitere zentrale Kategorie im Materialbestand von Alexander Van der Bellen ist die Auseinandersetzung mit zivilgesellschaftlichen AkteurInnen und Institutionen sowie mit Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Dieser Themenkomplex manifestiert sich in Beiträgen, die ein aktives Engagement für die Gegenwartsgesellschaft hervorheben und ihre rechtlichen Grundpfeiler betonen. Dazu zählen beispielsweise ein Beitrag zum Tod der Flüchtlingsaktivistin Ute Bock (siehe Abbildung 7), ein Festakt für Ehrenamtliche in der Hofburg anlässlich des österreichischen Nationalfeiertags (siehe Abbildung 8), eine Gratulation zum Geburtstag der Organisation SOS Mitmensch57 oder eine Gratulation zum 70. Jahrestag der Wiederbegründung des Österrei57 Alexander Van der Bellen, Twitter, 21. 1. 2018, URL: https://twitter.com/vanderbellen/status/ 955024422104125440 (abgerufen 28. 5. 2019).
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chischen Jugendrotkreuzes.58 Darüber hinaus erinnert Alexander Van der Bellen regelmäßig an zentrale rechtliche Errungenschaften (wie beispielsweise an die Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention oder an die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948) und hebt ihre Bedeutung hervor.
Abb. 8: Alexander Van der Bellen, Twitter, 27. 10. 2018, URL: https://twitter.com/vanderbellen/ status/1056132602162302976 (abgerufen 28. 5. 2019).
Auf der visuellen Ebene zeigt sich Alexander Van der Bellen in Momenten der formellen Rede, bei der Teilnahme an Veranstaltungen (z. B. am sogenannten „Fest der Freude“, das seit 2013 vom Mauthausen Komitee Österreich am Wiener Heldenplatz organisiert wird und das die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht, das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa und die Befreiung vom NS-Regime feiert) sowie mit VertreterInnen der Zivilgesellschaft. 58 Alexander Van der Bellen, Twitter, 29. 5. 2018, URL: https://twitter.com/vanderbellen/status/ 1001486798982406144 (abgerufen 28. 5. 2019).
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Relevante Zitate (wie beispielsweise aus Redebeiträgen) werden direkt in ein Foto integriert oder in grafischen Elementen hervorgehoben. Im Rahmen dieser Kategorie wird Erinnern als Auftrag an die Gegenwartsgesellschaft gefasst, sich eingedenk der Lehren aus der Vergangenheit aktiv für den Schutz und Fortbestand der Demokratie einzusetzen.
V.
Zusammenfassung und Ausblick: Was bleibt vom Gedenkjahr 2018 in der politischen Online-Kommunikation?
In Gedenkjahren wie 2018 setzen sich politische AkteurInnen besonders intensiv mit der Vergangenheit auseinander, wobei diese Auseinandersetzungen verstärkt in Sozialen Netzwerken wie beispielsweise Facebook, Twitter und Instagram stattfinden. Diese politischen Kommunikationsaktivitäten, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten, sind ein interessanter Untersuchungsgegenstand, um Deutungsangebote in den Erinnerungsprozessen und Vergangenheitsbezügen politischer AkteurInnen zu rekonstruieren. Mit der Theorie eines historisch-politischen Gedächtnisses können sozial-mediale Erinnerungsprozesse und Vergangenheitsbezüge als strategisch-antagonistische Auseinandersetzungen59 interpretiert werden, die sich vor dem Hintergrund aktueller politischer Bedürfnisse vollziehen. Die inhaltsanalytische Untersuchung der Social-Media-Einträge von Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz macht unterschiedliche thematische Schwerpunktsetzungen in den Erinnerungsprozessen und Vergangenheitsbezügen der beiden politischen Akteure sichtbar. Gedenken wird in den Sozialen Netzwerken des Bundeskanzlers als etwas präsentiert, das vor allem die politischen SpitzenrepräsentantInnen der Republik in formellem Rahmen betrifft. Auf der Bildebene vollzieht sich das Gedenken bei Sebastian Kurz innerhalb eines überschaubaren Sets von Bildtypen. Dazu zählen Gespräche mit ZeitzeugInnen des Holocaust sowie mit VertreterInnen der jüdischen Community, der Besuch von Gedenkstätten sowie die formelle Rede im Rahmen offizieller Feierlichkeiten. Der Fokus liegt auf Erinnerungsprozessen in Form von Gedenkakten, dem Besuch oder der geplanten Errichtung von Mahnmalen (z. B. der „Namensmauer“) oder der Teilnahme an nicht-öffentlichen Gesprächsrunden. Die Beiträge verzichten weitgehend auf die Ableitung konkreter Maßnahmen der Politik oder auch der Zivilgesellschaft zur Prävention antidemokratischer Entwicklungen. Welche Lehren aus der Vergangenheit für die Gegenwart gezogen werden sollten, bleibt unklar.
59 Marchart, Gedächtnis, 45.
Bernhardt / Liebhart, Erinnern im Fokus politischer Online-Kommunikation
499
Der Bundespräsident wiederum artikuliert Erinnern als gegenwartsbezogene Praktiken, die AkteurInnen aus Bildungs-, Kunst- und Kultureinrichtungen sowie aus der Zivilgesellschaft einbinden. Damit ist ein expliziter Bezug auf Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verbunden. Auf der Bildebene präsentiert sich Van der Bellen ebenfalls bei der Teilnahme an Gedenkakten, bei Besuchen von Gedenkstätten und Ausstellungen oder im Moment der formellen Rede. Ein wesentlicher Unterschied zu Sebastian Kurz liegt in der Präsentation von ZeitzeugInnen, die bei Van der Bellen als aktive AkteurInnen (z. B. als BuchautorInnen oder Kunstschaffende), bei Kurz vornehmlich als Geehrte (z. B. Marko Feingold) oder GesprächspartnerInnen in nicht-öffentlichem Rahmen in Erscheinung treten. Im sozial-medialen Vergangenheitsbezug der österreichischen Spitzenpolitik lassen sich also zwei unterschiedliche Entwürfe politischen Erinnerns sowie damit verbundene Lehren und Maßnahmen für die Gegenwart unterscheiden: – Politisches Erinnern als „(quasi-)offizielle Selbstrepräsentation“60 und Angelegenheit der politischen RepräsentantInnen der Republik, das sich in formellem Rahmen an dafür ausgewählten Schauplätzen vollzieht, ritualisierten Abläufen und Sprachformeln folgt, das in seiner visuellen Präsentation primär auf PolitikerInnen, religiöse WürdenträgerInnen, VertreterInnen der jüdischen Gemeinde und ZeitzeugInnen fokussiert und eine Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen weitgehend vermeidet. Dies wird besonders am Beispiel des sogenannten „Kampfes gegen Antisemitismus“ deutlich, dessen konkrete Maßnahmen – Was ist geplant bzw. wird unternommen, um Antisemitismus aktiv entgegenzuwirken? – nicht präzisiert werden; – Politisches Erinnern als Auftrag an die Gegenwartsgesellschaft, aktuellen Herausforderungen und Entwicklungen durch eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu begegnen (Bildungsauftrag) und durch zivilgesellschaftliches Engagement aktiv für den Schutz und Fortbestand von Demokratie und Rechtsstaat einzutreten. Da es – um abschließend noch einmal auf die politische Theorie kollektiver Erinnerung nach Oliver Marchart zurückzukommen – „in politischen Diskursen nämlich immer mit um die Definition des Gemeinwesens eo ipso“61 geht, können diese Deutungsangebote als „strategische(s) Gegenhandeln verschiedenster politischer Kräfte“62 gelesen werden, die die Gegenwartsgesellschaft in unterschiedlichem Maße in die Pflicht nehmen. 60 Ebd., 69. 61 Ebd., 68. 62 Ebd., 54.
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zeitgeschichte 46, 4 (2019)
Selbstverständlich bedingt der hier präsentierte analytische Fokus auf sozialmediale Erinnerungsprozesse und Vergangenheitsbezüge im Gedenkjahr 2018 Einschränkungen und Limitationen. So lässt sich beispielsweise nicht klären, „wie sich (soziale) Gedächtnisse mit der Digitalisierung von Medien und Informationen sowie der zunehmenden Verbreitung von mobilen Universalmedien verändern oder welchen Einfluss mobile Mediennutzungen auf Erinnern und Vergessen haben“.63 Auch bleibt offen, ob die intendierten Zielgruppen auf Facebook, Twitter und Instagram tatsächlich erreicht werden konnten und wie sie die Einträge und die damit verbundenen Deutungsangebote eingeordnet und interpretiert haben. Trotz dieser Einschränkungen plädiert der Beitrag für eine stärkere Einbeziehung Sozialer Netzwerke in die zeithistorische Forschung, da sie aktuell relevante Kanäle für die öffentliche Kommunikation politischer Erinnerungsprozesse und Vergangenheitsbezüge darstellen. Dabei ist es wichtig, neben der textlichen und sprachlichen Ebene auch die Bildebene methodisch adäquat in Analysen einzubeziehen. Denn Bilder führen uns mitunter deutlich vor Augen, was sich einer sprachlichen Vermittlung entzieht.
Die AutorInnen danken dem Bundeskanzleramt der Republik Österreich, Sektion I – Präsidialdirektion und dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus sowie dem Beirat für das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018 für die Förderung des am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien (Projektleitung Karin Liebhart, wissenschaftliche Mitarbeit Petra Bernhardt und Patrick Aprent) durchgeführten Forschungsprojekts „Gedenkjahr 2018: Vergangenheit im Fokus politischer und öffentlicher Kommunikation“, auf dessen Ergebnissen dieser Beitrag beruht. Dank gilt auch dem Zukunftsfonds der Republik Österreich für die Förderung der Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte (Heidemarie Uhl), und ACDH-CH Austrian Center for Digital Humanities and Cultural Heritage (Hannes Pirker).
63 Marie-Kristin Döbler/Gerd Sebald, Einleitung, in: Gerd Sebald/Marie-Kristin Döbler (Hg.), (Digitale) Medien und soziale Gedächtnisse, Wiesbaden 2018, 13–25, 14.
Patrick Aprent
Prägende Diskurse im Gedenkjahr 2018. Eine digitale Analyse österreichischer Printmedien auf Basis des „Austrian Media Corpus“
I.
Einleitung
Das österreichische Gedenk- und Erinnerungsjahr 20181 wurde nicht nur von Seiten der politischen VertreterInnen der Republik Österreich intensiv begangen, auch zahlreiche öffentliche Veranstaltungen und Veröffentlichungen fanden direkt oder indirekt in einer umfangreichen medialen Berichterstattung ihren Niederschlag. Die öffentlich-medialen Diskurse in überregionalen österreichischen Printmedien wurden im Zuge des Projekts „Gedenkjahr 2018: Vergangenheit im Fokus politischer und öffentlicher Kommunikation“2 analysiert. Dabei standen zwei miteinander verbundene Fragestellungen im Vordergrund: 1) Welche Strategien der politischen Kommunikation wurden in Bezug auf das Gedenkjahr 2018 entwickelt und umgesetzt, vor allem in den Sozialen Medien,3 sowie 2) welche öffentlich-medialen Diskurse wurden prägend für das Gedenkjahr 2018, welche AkteurInnen und Themen haben die Berichte und Debatten dominiert, welche Vorstellungen über die Funktion von Gedenken und Erinnern an die historischen Bezugspunkte „Anschluss“ 1938 und Republikgründung 1918 standen dabei im Vordergrund, und welcher Bezug wurde zu relevanten Herausforderungen der Gegenwart wie Gefährdung der Demokratie und Antisemitismus hergestellt? Für die Beantwortung dieser Fragestellung wurde ein innovativer Ansatz gewählt, der computergestützte, digitale Analyseverfahren einsetzt bzw. erprobt. Mit der vom Politikwissenschaftler Matthias Lemke entwickelten Analysestrategie des Blended Reading wurde diesbezüglich ein Konzept gewählt, das auto1 Vgl. zu diesem Terminus die offizielle Webseite der Republik Österreich zum Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018, URL: http://www.oesterreich100.at (abgerufen 10. 1. 2020). 2 Zum Projekt siehe URL: https://politikwissenschaft.univie.ac.at/forschung/forschungsprojek te/; https://www.oeaw.ac.at/ikt/forschung/gedaechtnis/gedenkjahr-2018-vergangenheit-im-fo kus-politischer-und-oeffentlicher-kommunikation/ (abgerufen 10. 1. 2020). 3 Dieser Fragestellung gehen Petra Bernhardt und Karin Liebhart in ihrem Beitrag „Gedenkjahr 2018: Erinnern im Fokus politischer Online-Kommunikation“ nach.
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matisierte, quantitative Textanalyse (Distant Reading) mit qualitativer Textanalyse (Close Reading) produktiv verschränkt.4 Konkret zum Einsatz kommen dabei mehrere Text Mining-Methoden zur computergestützten, (semi-)automatischen Erschließung semantischer Inhalte von digitalen Texten.5 Als empirische Datengrundlage stand mit dem Austrian Media Corpus (AMC) „eines der größten digitalen Text-Corpora im gesamten deutschen Sprachraum“ zur Verfügung.6 Das AMC wird am Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften online verfügbar gemacht7 und kompiliert derzeit 53 Publikationsorgane (darunter u. a. die Printversionen aller österreichischen Tageszeitungen in digitaler Form) im zeitlichen Verlauf von bis zu drei Jahrzehnten, bei einem Gesamtumfang von ca. 42 Millionen Textdokumenten. Entsprechend der Fragestellungen wurde zunächst der gesamte Datenumfang des AMC exploriert und im weiteren Verlauf ein Subkorpus von 662 Artikeln zusammengestellt und einer vertiefenden Analyse unterzogen.8 Da diese Datengrundlage bisher nur für sprachwissenschaftliche Forschungen genutzt wurde, bestand eine wesentliche Herausforderung auch darin, für die Untersuchung öffentlicher Kommunikation auf Basis des AMC in dieser Form erstmals Methoden, Forschungsabläufe sowie Softwarelösungen anzuwenden und zu evaluieren. Die Dokumentation des Forschungsprozesses und seiner (Zwischen-)Ergebnisse waren ein definiertes Projektziel, um diesbezüglich zukünftigen Forschungsprojekten eine methodisch-theoretische Grundlage zu bieten. Vor diesem Hintergrund wurden den oben formulierten inhaltlichen Fragestellungen – die Identifizierung der das Gedenkjahr prägenden Diskurse sowie die damit verbundenen konkreten Verknüpfungen von Vergangenheit und Ge4 Vgl. Matthias Lemke/Alexander Stulpe, Text und soziale Wirklichkeit. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendung durch Text-Mining-Verfahren in sozialwissenschaftlicher Perspektive, in: Zeitschrift fu¨ r Germanistische Linguistik 43 (2015) 1, 52–83; Alexander Stulpe/Matthias Lemke, Blended Reading, in: Matthias Lemke/Gregor Wiedemann (Hg.): Text Mining in den Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2016, 17–61. Blended Reading und vergleichbare Konzepte zur Anwendung von Text Mining-Verfahren in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften werden in Kapitel 2 ausführlich besprochen. 5 Vgl. Gerhard Heyer/Uwe Quasthoff/Thomas Wittig, Text Mining: Wissensrohstoff Text – Konzepte, Algorithmen, Ergebnisse, Witten 2008, 7–12. Dieses Buch befasst sich ausführlich mit den informationstheoretischen, den linguistischen und statistischen sowie den (programmier-)technischen Grundlagen auf denen alle Text Mining-Verfahren essentiell aufbauen. 6 Vgl. „Austrian Media Corpus“ – Einzigartiges österreichisches Sprachdatencorpus, Österreichische Akademie der Wissenschaften, URL: https://www.oeaw.ac.at/detail/news/austrianmedia-corpus-einzigartiges-oesterreichisches-sprachdatencorpus/ (abgerufen 11. 1. 2020). 7 Vgl. https://amc.acdh.oeaw.ac.at/about-amc/ (abgerufen 11. 1. 2020). 8 Das AMC und die Arbeit mit dieser Datenressource wird in Kapitel 3 und 4 ausführlich beschrieben und kritisch reflektiert.
Patrick Aprent, Prägende Diskurse im Gedenkjahr 2018
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genwart – noch weitere hinzugefügt, welche insbesondere die Methoden und das Textquellenkorpus reflektieren: Inwiefern können quantitative, computergestützte Textanalyseverfahren wie Text Mining bei der Beantwortung oben genannter Fragestellungen sinnvoll eingesetzt werden und welche integrativen Methodologien und Analysestrategien gibt es? Welche neuen Erkenntnisse können dadurch im Unterschied zu rein qualitativen Forschungen gewonnen werden? Diesbezüglich lautet die Annahme, die in Kapitel 2 ausgeführt und in Kapitel 5 reflektiert wird, dass geistes- und kulturwissenschaftliche Forschungen einerseits auf Basis wesentlich größeren Materialumfangs bearbeitet werden können und andererseits gänzlich neue Perspektiven ermöglichen.
II.
Text Mining und Konzepte zur Anwendung in den Geistesund Kulturwissenschaften
Der rasante Zuwachs digitaler Datenbestände sowie die damit einhergehende Weiterentwicklung digitaler Methoden wie Text Mining beschäftigte in den letzten Jahren praktisch alle wissenschaftlichen Disziplinen und führte zu Diskussionen über eine sinnvolle Integration und Nutzung dieser Verfahren. Franco Moretti formulierte dazu eines der bekanntesten Konzepte zur forschungspraktischen Anwendung von Text Mining im Bereich der Literaturwissenschaften. Mit dem von ihm geprägten Begriff des Distant Reading positioniert er sich ganz bewusst oppositionell zum Close Reading – also der menschlichen, qualitativen Inhaltsanalyse. Um tatsächlich umfassende, systematische Aussagen über Literatur (Moretti spricht – angelehnt an Johann Wolfgang von Goethe – von „Weltliteratur“) machen zu können, argumentiert Moretti, müsse man sich von der Analyse sehr weniger, kanonisierter Werke abwenden. Distant Reading, „ein Lesen aus der Entfernung“, die Makro- oder Vogelperspektive auf eine möglichst große Anzahl von Textquellendaten, ist für ihn also „Bedingung der Erkenntnis“9 bezüglich seines Forschungsinteresses. Während Moretti mit Distant Reading der Makroperspektive auf seinen Erkenntnisgegenstand den Vorzug gegenüber der Interpretation von einzelnen Texten durch den Menschen gibt, gehen andere Ansätze davon aus, dass die produktive Verbindung von Makro- und Mikroperspektive, von quantitativen und qualitativen Analyseverfahren, von Mensch und Computer, in den Geistes- und Kulturwissenschaften das größte Potential entfaltet. Sowohl der britische Historiker Tim Hitchcock als auch der deutsche Politikwissenschaftler Matthias Lemke vertreten diese Posi-
9 Vgl. Franco Moretti, Distant Reading, Konstanz 2016, 49f.
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tion und begründen sie durch ihre Erfahrungen in der Umsetzung größerer digitaler Projekte. Hitchcock arbeitet mit dem Begriff des Macroscopes bzw. des „computer assisted close reading“10 und baut dabei wesentlich auf Katy Börners Definition dieses Begriffes auf.11 In Bezug auf die zunehmende Integration digitaler Methoden in den Humanities erkennt er einen Trend in Richtung Distant ReadingPerspektive und versucht darauf bezugnehmend zu erinnern, „that language and art, cultural construction, human experience, and representation are hugely complex – but can be made to yield remarkable insight through close analysis.“12 Seine Definition des Macroscopes setzt darum weiterhin auch essentiell auf „close reading and small data“,13 auf eine Verbindung von quantitativen Methoden mit traditioneller, qualitativer Textanalyse: „In a limited sense machines can ,read‘ through vast amounts of digital text very quickly, even though they cannot fully understand it. This allows for machine reading to complement and supplement the work of ,close reading‘ […]. This methodology builds on what Franco Moretti describes as ,distant reading,‘ but more ambitiously enables the whole text to be examined in a form that facilitates the identification of large-scale patterns, while simultaneously allowing us to detect small-scale trends, and outliers“.14
Der zentrale und innovative Aspekt des Macroscopes kommt dabei einer ohne Digitalisierung nicht möglichen Kontextualisierung („radical contextualisation“) zu: digitale Methoden ermöglichen eine interaktive Navigation und Betrachtung des Textdatenkorpus aus Makro- und Mikroperspektive und aller Skalierebenen dazwischen.15 Dabei bleibt der einzelne Text in jedem Moment als 10 Zum Macroscope bei Tim Hitchcock, vgl. Big Data, Small Data and Meaning, Blogeintrag, 9. 11. 2014, URL: http://historyonics.blogspot.nl/2014/11/big-data-small-data-and-meaning_ 9.html (abgerufen 10. 1. 2020). 11 Börner fasst zusammen: „Macroscopes give us a ,vision of the whole‘ and help us ,to synthesize‘ the elements therein. They enable us to detect patterns, trends, and outliers while granting us access to details.“ Katy Börner, Plug-and-Play Macroscopes, in: Communications of the ACM 54 (2011) 3, 60–69, URL: https://doi.org/10.1145/1897852.1897871 (abgerufen 9. 1. 2020). Börner stützt sich dabei auf die Arbeit Jo[l de Rosnays. 12 Hitchcock, Big Data, Small Data and Meaning, Blogeintrag. 13 Ebd. 14 Tim Hitchcock/William J. Turkel, The Old Bailey Proceedings, 1674–1913: Text Mining for Evidence of Court Behavior, in: Law and History Review 34 (2016) 4, 929–955, URL: https:// doi.org/10.1017/S0738248016000304 (abgerufen 10. 1. 2020). Das Projekt „The Proceedings of the Old Bailey, 1674–1913“ macht als digitales Textkorpus die Akten von 197.745 in London abgehaltenen Gerichtsverfahren zugänglich. Vgl. URL: https://www.oldbaileyonline.org (abgerufen 10. 1. 2020). 15 Hitchcock sieht dieses Macroscope in den „Old Bailey Proceedings“ umgesetzt und schlägt vor, auch Wissenssammlungen wie Bibliothekskataloge auf diese Art navigierbar zu machen. Vgl. Macroscopes & Microscopes: Scholar Cyborgs in the Digital Research Library, Presentations from the RLUK Conference 2019, URL: https://www.youtube.com/watch?v= M1c5oexa_-M& t=1s (abgerufen 12. 1. 2020).
Patrick Aprent, Prägende Diskurse im Gedenkjahr 2018
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solcher bearbeitbar und steht der Interpretation durch den Menschen zur Verfügung, gleichzeitig werden aber Aspekte und Facetten dieses einen Textes im Verhältnis zu allen weiteren abgebildet – wodurch wiederum erst bestimmte neue Muster und Zusammenhänge sichtbar werden. In Anlehnung an Hitchcock merken auch Katharina Garvert-Huijnen und Pim Huijnen an, „dass distant reading alleine als Analyseverfahren nicht ausreicht. Es ermo¨ glicht zwar die Erkennung bestimmter Muster und Entwicklungen, braucht fu¨ r die Beurteilung derer Beweiskraft aber ein sta¨ ndiges Hin und Her zwischen dem Makro- und Mikroniveau einzelner Dokumente.“16 Im selben Band betont auch Matthias Lemke die Wichtigkeit hermeneutischer Verfahren im Zeitalter der Digitalisierung und die Notwendigkeit, gerade durch die wechselseitige Anwendung mit computergestützten Methoden neue innovative und epistemologisch angemessene Potentiale zu realisieren. Für die von Lemke 2015 entwickelte Analysestrategie des Blended Reading stellt er diesbezüglich klar : „Die Antwort, die blended reading in diesem Zusammenhang formuliert, ist kein Entweder-oder, sondern ein entschiedenes Sowohl-als-auch. Fu¨ r sozialwissenschafliche Erkenntnisinteressen, die sich an soziale Wirklichkeit u¨ ber textuelle Empirie anna¨ hern, besteht die Notwendigkeit, beiden Arten des Auswertens, der computergestu¨ tzten Analyse wie dem Lesen von Einzeltexten, ihren jeweiligen Raum zu geben.“17
Distant Reading, Blended Reading oder das sehr ähnlich ausgerichtete Macroscope sind nur einige Konzepte18 der wissenschaftspraktischen Anwendung von Text Mining-Verfahren. Es wird aber bereits deutlich, dass der Einsatz von Text Mining-Verfahren methodologisch und epistemologisch verschiedenartig erfolgen kann und eine sehr genaue – und vor allem auch bewusste – Abstimmung zwischen Forschungsfeld, Methodologie, (Text-)Quellen und technischen Werkzeugen entsprechend dem Erkenntnisinteresse unerlässlich ist. Im Gedenkjahr 2018-Projekt erschien Hitchcocks Macroscope, insbesondere aber Lemkes Blended Reading als besonders geeignet, da zu letzterem mit dem Leipzig Corpus Miner auch eine Software entwickelt und Erfahrungswerte publiziert wurden sowie mit demselben Materialtyp gearbeitet wurde, nämlich 16 Katharina Garvert-Huijnen/Pim Huijnen, Tolerant, liberal, populistisch? in: Lemke/Wiedemann (Hg.), Text Mining in den Sozialwissenschaften, 195–226, 203. 17 Stulpe/Lemke, Blended Reading, 54–55. 18 Weitere Konzepte wären etwa: „Macroanalysis“ von Matthew L. Jockers, vgl. Matthew L. Jockers, Macroanalysis. Digital Methods and Literary History (Topics in the Digital Humanities), Champaign 2013; oder vgl. „Knowledge Discovery in Textual Databases“ (KDT) von Ronen Feldman und Ido Dagan, über welches der Begriff Text Mining 1995 erstmals in die Wissenschaftsterminologie eingeführt wurde, vgl. Ronan Feldman/Ido Dagan, Knowledge Discovery in Texts, KDD’95 Proceedings of the First International Conference on Knowledge Discovery and Data Mining, Montreal 1995, 112–117.
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Zeitungen aus den letzten Jahrzehnten.19 Beide Ansätze betonen die Wichtigkeit der menschlichen Interpretationsfähigkeit und binden Close Reading, d. h. qualitative Inhaltsanalyse überzeugend in ihre jeweilige Methodologie ein. Ein wesentlicher Grund, warum Close Reading in diesem Zusammenhang wichtig erscheint, ist der primäre Fokus auf die über die Texte zugänglichen Diskurse als Erkenntnisgegenstand, und nicht – wie zumeist in der Sprachforschung oder Literaturwissenschaft – die Texte selbst.20 Bezugnehmend auf dieses Interesse an der Diskursanalyse ist die menschliche Urteilskraft noch immer die wichtigste Komponente im Forschungsprozess, wie auch Lemke anmerkt: „Sollen jenseits rein datengetriebener Auswertungen komplexe, theoriegeleitete Fragestellungen bearbeitet werden, können Text Mining-gestützte Analysen Antworten nicht einfach ,auf Knopfdruck‘ liefern. Stattdessen gilt es, in Analyseworkflows von unterschiedlicher Komplexität manuelle und automatische Auswertungsschritte miteinander zu kombinieren und in methodisch kontrollierte und evaluierbare Abläufe einzubetten.“21
Nach diesen konzeptionellen Vorüberlegungen soll nun diskutiert werden, worin sich diese Art der Forschung eigentlich von den klassischen Methoden der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften unterscheidet und was sie diesen hinzufügen könnte, oder kurz: wo die größten innovativen Potentiale für Text Mining in den Humanities liegen. Die durch Digitalisierung und Internet vorangetriebene Verfügbarkeit und Vernetzung vieler Textquellen und deren Bündelung zu außergewöhnlich großen Textquellenkorpora ist zweifellos ein großer Vorteil für alle Wissenschaften, die empirisch mit Texten arbeiten. Viele digitale Textkorpora bieten erstmals die Chance, diachron sehr lange Zeiträume beforschen zu können oder synchrone Untersuchungen auf eine wesentlich breitere empirische Basis zu stellen. Ein weiterer großer Vorteil besteht darin, dass das Datenmaterial interaktiv und in 19 Auch Sarah Oberbichler wählte Blended Reading als Analysestrategie zur Untersuchung eines großen Korpus aus Zeitungsartikeln in ihrer Dissertation (2019): „Südtirol und seine neuen Minderheiten: Das Sprechen über Migration in den Südtiroler Tageszeitungen Alto Adige und Dolomiten von 1990 bis 2015. Eine vergleichende diskurshistorische Korpusanalyse“, welche zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht veröffentlicht ist. Vgl. Österreichische Bibliothekenverbund und Service, URL: https://tinyurl.com/y2dgn83o (abgerufen 12. 1.2020). 20 Stulpe/Lemke dazu: „Während ein Text als legitimer Gegenstand literaturwissenschaftlicher Erkenntnis gelten kann und daher beispielsweise durch Text Mining-Verfahren generierte Aussagen prinzipiell literaturwissenschaftliche Relevanz beanspruchen können, befindet sich der sozialwissenschaftliche Erkenntnisgegenstand grundsätzlich jenseits des Textes und man muss für den Anspruch auf sozialwissenschaftliche Relevanz textanalytischer Verfahren die Erwartung begründen, dass und inwiefern sich in Texten etwas über diesen textjenseitigen Erkenntnisgegenstand finden lässt.“ Stulpe/Lemke, Blended Reading, 19. 21 Gregor Wiedemann/Matthias Lemke (Hg.), Text Mining für die Analyse qualitativer Daten, in: Lemke/Wiedemann (Hg.), Text Mining in den Sozialwissenschaften, 397–419, 397.
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Echtzeit navigiert und visualisiert werden kann und Informationen schnell umbzw. neu angeordnet werden können. Das Verarbeiten enormer Mengen an Daten darf dabei aber nicht so gedacht werden, als würde der Erkenntnisgewinn dem der qualitativen Textanalyse unterschiedslos entsprechen, denn der zentrale innovative Aspekt von Text Mining ist das Generieren von neuen Perspektiven auf den Erkenntnisgegenstand. Zum einen, weil Text Mining-Verfahren im Textquellenkorpus Muster und Trends erkennen, die sich dem menschlichen Blick entziehen, weil Mensch und Maschine nach unterschiedlichen Logiken Daten analysieren, zum anderen, weil erst die computergestützte Analyse bzw. Visualisierung sehr großer Datenmengen gewisse Zusammenhänge sichtbar macht. Das Explorieren des Datenkorpus mit Text Mining-Verfahren kann daher einerseits zu neuem Wissen führen, genauso können diese Verfahren aber auch als deduktiv-konfirmatorische Methoden eingesetzt werden, um Hypothesen zu überprüfen oder zu falsifizieren. Im Gedenkjahr 2018-Projekt wurden beide Wege beschritten: einerseits das Explorieren der Textdaten, um neue Muster und Trends sichtbar zu machen und so induktiv zu neuen Fragestellungen und Hypothesen zu kommen, andererseits das deduktiv-konfirmatorische Überprüfen von Hypothesen anhand der quantitativ-statistischen Auswertungen. Für die Anwendung von Algorithmen gilt dabei, dass diese keine Blackbox sein dürfen. Zumindest die grundsätzliche Funktionsweise dieser muss von den ForscherInnen verstanden werden, auch um Ergebnisse beurteilen zu können.22 Durch die Einhaltung von Standards können Ergebnisse, Methodologien und technische Infrastrukturen außerdem nachgenutzt werden, was eine gewisse Nachhaltigkeit der Forschung sichert.
III.
Das Austrian Media Corpus
Mit derzeit über 42 Millionen23 digitalen Textdokumenten24 ist das Austrian Media Corpus (AMC) eines der größten deutschsprachigen Korpora überhaupt. Als in seinem gesamten Umfang aus nativ digitalem Text („born-digital“) zusammengestelltes Korpus, weist es eine hohe Textqualität ohne Übersetzungs22 So schreiben Wiedemann/Niekler : „Gleichzeitig bedarf es eines Bewusstseins für die einzelnen Text Mining-Verfahren bei den sozialwissenschaftlichen AnwenderInnen, um die Verfahren informiert, begründet und nachvollziehbar einsetzen zu können. Dazu ist eine (mindestens theoretische) Auseinandersetzung mit computerlinguistischen Grundlagen notwendig.“ Gregor Wiedemann/Andreas Niekler, Analyse qualitativer Daten mit dem „Leipzig Corpus Miner“, in: Lemke/Wiedemann (Hg.), Text Mining in den Sozialwissenschaften, 63–88, 87. 23 Stand 2018: 42.240.787 Textdokumente. 24 Textdokument meint hier im weiteren Verlauf einen Zeitungsartikel.
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fehler auf. Es vereint 53 Publikationsorgane und reicht teilweise bis 1986 – also mehr als drei Jahrzehnte – zurück, womit es in Österreich in dieser Zusammenstellung, diesem Umfang und diesem zeitlichen Rahmen einzigartig ist. Den Großteil des Korpus bildet österreichische mediale Berichterstattung: Das AMC enthält in digitaler Form die Printversionen aller österreichischen Tageszeitungen, eine große Anzahl an wöchentlich und monatlich erscheinenden Magazinen, sämtliche über die APAverbreitete Meldungen (inklusive die über APAOTS Originaltext-Service veröffentlichten Presseaussendungen von z. B. politischen Parteien, Unternehmen etc.) sowie Transkripte österreichischer Nachrichtensendungen und Interviews der Sendeanstalten ORF, Puls4, Pro7, ATVund Sat1.25 Das AMC ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Austria Presse Agentur (APA), die ihr digitales Archiv zur Verfügung stellt. Seit 2012 ist es Teil der technischen Korpusinfrastruktur am ACDH-CH und wird mit besonderem Fokus auf sprachwissenschaftliche Forschungen genutzt. Der eingangs bereits angedeutete Umfang dieses Korpus, welcher enorme Mengen an empirisch auswertbaren Daten zur Verfügung stellt, macht es insbesondere für lexikografische und linguistische Untersuchungen interessant. Es ist dadurch als repräsentativ für das österreichische Deutsch als Standardvarietät des Deutschen anzusehen, was auch dadurch belegt wird, dass die ÖAW-Forschungsabteilung „Variation und Wandel des Deutschen in Österreich“26 und die neueste Auflage des „Österreichischen Wörterbuches“ das AMC als wesentliche Datengrundlage verwenden.27 Für Forschungen außerhalb der Sprachwissenschaften wurde das AMC bisher allerdings noch kaum genutzt. Doch in gleicher Weise wie das AMC eine valide Repräsentation des österreichischen Deutsch darstellt, werden in den darin enthaltenen Texten auch wesentliche gesellschaftspolitische Diskurse abgebildet. Für viele Forschungen in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften stellt das AMC damit eine äußerst wertvolle Quellenressource dar. Dieses Potential sollte im Kontext des Gedenkjahr 2018-Projekts genutzt und evaluiert werden.
ˇ urcˇo, AMC (Austrian Media Corpus) – Kor25 Vgl. Jutta Ransmayr/Karlheinz Mörth/Matej D pusbasierte Forschungen zum österreichischen Deutsch, in: Claudia Resch/Wolfgang U. Dressler (Hg.), Digitale Methoden in der Korpusforschung in Österreich, Wien 2017, 28–30; ˇ urcˇo, Linguistic Variation in the Austrian und Jutta Ransmayr/Karlheinz Mörth/Matej D Media Corpus. Dealing with the Challenges of Large Amounts of Data, in: Procedia – Social and Behavioral Sciences 95 (2013), 111–115, URL: https://doi.org/10.1016/j.sbspro.2013.10. 629 (abgerufen 12. 1. 2020). 26 Vgl. https://vawadioe.acdh.oeaw.ac.at/ (abgerufen 11. 1. 2020). ˇ urcˇo, AMC (Austrian Media Corpus) – Korpusbasierte Forschungen 27 Vgl. Ransmayr/Mörth/D zum österreichischen Deutsch, 34–35.
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Als „natively digital“ zeichnet sich der Textbestand des AMC durch seine hervorragende textuelle Qualität aus. Besonders innerhalb der Geschichtswissenschaften entstehen vergleichbar umfangreiche Korpora meist nur durch die großangelegte Retrodigitalisierung historischer Dokumente,28 wobei der Übersetzungsprozess von analog zu digital – trotz aller Weiterentwicklungen im Bereich der automatischen Texterkennung – immer zu großen Fehleranteilen in den Texten führt und diese für eine direkte computergestützte Weiterverarbeitung unbrauchbar macht. Weiters zeichnet sich das AMC durch seine umfangreichen Metadaten aus. Diese Daten über die Daten, also Informationen, welche die jeweiligen Textdokumente näher beschreiben, beinhalten die standardisierten Kategorien AutorIn, Dokumenttitel, Erscheinungsregion, Erscheinungsdatum, Medientyp (Print, TV, Agentur), Ressort, Wortanzahl und Anzahl der Token. Die Metadaten eröffnen eine zusätzliche Ebene bei der Exploration und Analyse der Daten und erlauben wesentlich präzisere Suchabfragen und Filterungsprozesse in der Zusammenstellung des Analysekorpus.29 Ebenso werden die Textinhalte automatisch mit linguistischen Annotationen aus Wortklassen bzw. Named Entities versehen (Personen, Organisationen und Orte). Wie auf Metadatenebene ermöglicht dies umfangreichere Analysen durch spezielle Suchabfragen und Filtermöglichkeiten des Textes. So lässt sich z. B. abfragen, welche Personen im Analysekorpus vorkommen oder welche Adjektive am häufigsten in Verbindung mit Begriffen wie „Demokratie“ oder „Gedenkjahr“ gebraucht werden. Zugriff auf das AMC erhält man am ACDH-CH sowie über die im Jänner 2020 vorgestellte Website30 mittels der Software Sketch Engine.31 Diese ist speziell auf linguistische Forschungen ausgerichtet und ermöglicht über Suchabfragen ein Explorieren der Textdaten des AMC sowie linguistische Analysen. Die Sketch Engine wurde für eine erste Exploration und zur Zusammenstellung des Gedenkjahr 2018-Subkorpus genutzt. Mit CORPSUM32 wird im Frühjahr 2020 eine am ACDH-CH selbst entwickelte Software direkt an das AMC angeschlossen, 28 Vgl. u. a. Wiener Diarium ACDH-CH/ÖAW, ANNO/ÖNB. 29 Noch nicht gänzlich zufriedenstellend gelöst erscheint derzeit aber die Vergabe der standardisierten Labels in der Metakategorie „Ressort“. Trotz eines Systematisierungsprozesses, um die ursprünglich über 1.000 von den Publikationsorganen verschiedenartig benannten Sachbereich-Labels (Politik, Sport etc.) zu vereinheitlichen, sind die derzeit verwendeten 50 immer noch zu umfangreich oder schlecht gewählt. Eine Analyse oder Filterung nach Ressorts führt daher derzeit zu keinen überzeugenden Ergebnissen. 30 Vgl. offizielle Webseite zum Austrian Media Corpus, ACDH-CH/ÖAW, URL: https://amc. acdh.oeaw.ac.at (abgerufen 18. 1. 2020). 31 Vgl. URL: https://www.sketchengine.eu (abgerufen 12. 1. 2020). Zum konkreten Einsatz der Sketch Engine sowie weiterer digitaler Werkzeuge siehe Kapitel 4. 32 Diese wurde 2019 von Asil C ¸ etin am ACDH-CH entwickelt und als Demoversion bereits intensiv getestet.
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welche Analysen im Sinne des Blended Reading ermöglicht. Eine Aufnahme des im Rahmen dieses Projekts genutzten Leipzig Corpus Miners (LCM) in die ToolPalette des ACDH-CH wird derzeit diskutiert. Die Nutzung des AMC ist für wissenschaftliche Zwecke kostenlos. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass das AMC ein großes, bisher weitgehend ungenutztes Potential als digitale Quellenressource für Fragestellungen der Zeit- und Gegenwartsgeschichte bereithält. Als „natively digital“ ist es von großer Qualität ohne Übersetzungsfehler. Metadaten und linguistische Annotationen ergänzen die Textquellen mit zusätzlichen Informationen und erweitern die Analysemöglichkeiten. Der große Umfang an Datenmaterial bildet repräsentativ gesellschaftspolitische Diskurse der letzten Jahrzehnte ab.
IV.
Methodologie und Praxis
Was waren die prägenden Diskurse im Gedenkjahr 2018 in den österreichischen Printmedien und welche AkteurInnen und Ereignisse waren damit verknüpft? Welche konkreten Verschränkungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart wurden – insbesondere im Kontext gesellschaftspolitisch relevanter Herausforderungen der Gegenwart – gesetzt und diskutiert? Ausgehend von diesen Fragestellungen wurde ein digitales Labor eingerichtet, um mit Methoden des Text Mining am AMC zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Da das AMC sowie die damit verbundene technische Infrastruktur des ACDH-CH für Fragestellungen außerhalb der Sprachforschung bisher noch nicht zur Anwendung kam, es also keine Erfahrungswerte bzw. Referenzprojekte gibt, waren sowohl die Exploration der Daten als auch die Evaluation technischer wie methodischer Möglichkeiten gleichbedeutende Ziele dieses Projekts. Innerhalb eines interdisziplinären Forschungsdesigns richtete sich das Interesse darauf, mit den digitalen Verfahren einerseits Forschungshypothesen anhand quantitativ-statistischer Auswertungen deduktiv-konfirmatorisch zu überprüfen und andererseits aus der Exploration heraus wiederum induktiv neue Fragestellungen zu entwickeln. Dieses Kapitel präsentiert im ersten Teil mit Blended Reading eine Analysestrategie, zu welcher bereits eine Methodologie und Fallstudien publiziert wurden und die in Form des Leipzig Corpus Miners (LCM) auch in eine konkrete technische Infrastruktur übersetzt worden ist, mit der in weiterer Folge gearbeitet wurde. Der LCM wurde nach Evaluierung verschiedener technischer Möglichkeiten als die am besten geeignetste Analysesoftware ausgewählt. Er wurde im Zuge des Projekts „ePol – Postdemokratie und Neoliberalismus“33 an 33 Vgl. Postdemokratie und Neoliberalismus. Zur Nutzung neoliberaler Argumentationen in der bundesdeutschen Politik 1949–2011, epol. Verbundprojekt postdemokratie und neoli-
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der Universität Leipzig entwickelt und übersetzt das Konzept Blended Reading in eine technische Umgebung: „Der Leipzig Corpus Miner (LCM) ist eine Webanwendung, die verschiedene Text Mining-Verfahren für die Analyse großer Mengen qualitativer Daten bündelt. Durch eine einfach zu bedienende Benutzeroberfläche ermöglicht der LCM Volltextzugriff auf […] Zeitungstexte, die nach Suchbegriffen und Metadaten zu Subkollektionen gefiltert werden können. Auf dem Gesamtdatenbestand sowie auf den Subkollektionen können verschiedene computergestützte Auswertungsverfahren angewendet und zu Analyseworkflows kombiniert werden. Damit ermöglicht der LCM die empirische Analyse sozialwissenschaftlicher Fragestellungen auf Basis großer Dokumentkollektionen, wobei qualitative und quantitative Analyseschritte miteinander verschränkt werden können.“34
Davon ausgehend wird eine Methodologie für das Gedenkjahr 2018-Projekt skizziert. Der zweite Abschnitt zeigt die Zusammenstellung des Subkorpus, erklärt dann über die Exploration der Textquellen die konkreten Text MiningMethoden und Analyseschritte und bespricht die dabei sichtbar gewordenen ersten Muster und Ergebnisse.
4.1
Blended Reading als Analysestrategie
Blended Reading erschien aus mehreren Gründen als geeignete Analysemethode für das Gedenkjahr 2018-Projekt, da es quantitative und qualitative Auswertungsschritte miteinander verschränkt: „Konkret verlangt blended reading die konsekutive Verknüpfung mehrerer Analyseverfahren aus dem Repertoire des Text Mining (distant reading) mit der Notwendigkeit, immer wieder Einzeltexte aus relevanten Zeitabschnitten des Untersuchungskorpus gegenzulesen (close reading).“35 Tab. 1 zeigt, wie drei konsekutive Analyseebenen die Makro- und Mikroperspektive, d. h. quantitative mit qualitativen Verfahren verbinden.36 Jede beralismus, URL: http ://www.epol-projekt.de/postdemokratie-und-neoliberalismus-2/ (abgerufen 12. 1. 2020). 34 Wiedemann/Niekler, Analyse qualitativer Daten mit dem „Leipzig Corpus Miner“, 63. Über den LCM stehen viele ausführliche Beschreibungen zur Verfügung, vgl. Leipzig Corpus Miner – General Description. A short guide to the Leipzig Corpus Miner (LCM), URL: http://lcm.infor matik.uni-leipzig.de/generic.html (abgerufen 11. 1.2020). Dem LCM folgte die Weiterentwicklung „iLCM“: vgl. Andreas Niekler/Arnim Bleier/Christian Kahmann/Lisa Posch/Gregor Wiedemann/Kenan Erdogan/Gerhard Heyer/Markus Strohmaier, iLCM – A Virtual Research Infrastructure for Large-Scale Qualitative Data, Proceedings of the Eleventh International Conference on Language Resources and Evaluation (LREC) 2018, URL: https://www.aclweb. org/anthology/L18-1209 (abgerufen 12. 1.2020); Sowie vgl. Christian Kahmann, Starting Guide iLCM, URL: http://ilcm.informatik.uni-leipzig.de/download/starting_guide.pdf (abgerufen 12. 1.2020). 35 Stulpe/Lemke, Blended Reading, 43. 36 Vgl. ebd.
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Ebene bietet eigene Analyseleistungen und dazu ein Set an konkreten Text Mining-Methoden an, was eine modulare, aber dennoch immer zusammenhängende Bearbeitung von Forschungsfrage und Textquellenkorpus ermöglicht.37 Verfahrensebene Verfahren (Module) Leistung; Analysedimension 1. Ordnung Frequenzanalyse datenstrukturierend, quantitativ, hypothesenprüfend bzw. deduktiv ; nicht inhaltlich 2. Ordnung
Kookkurrenzanalyse quantitativ, explorativ bzw. induktiv ; Topic-Modelle inhaltlich quantitativ, explorativ bzw. induktiv ; inhaltlich
3. Ordnung
Annotation Active Learning
qualitativ, interpretengestützt; inhaltlich auf Basis qualitativer Vorarbeiten durch Forscher/ Forscherin quantitativ, explorativ bzw. induktiv ; inhaltlich
Tab. 1 Konsekutive Analyseebenen (distant reading) nach Einzelverfahren38
Diese konzeptionelle Anordnung wurde auch im Leipzig Corpus Miner umgesetzt (innerhalb des LCM entsprechen die Programmabschnitte „Explorer“, „Collection Worker“ und „Categories“ oben vorgestellten Ordnungen), wobei die Verfahren erster Ordnung „wesentlich datenstrukturierend arbeiten“, die zweiter Ordnung „eine Strukturierung von Inhalten ermöglichen“ und Verfahren dritter Ordnung „satz- oder absatzstrukturierend arbeiten und dafür einen substanziellen Input [in Form von manueller Annotation, Anm. P. A.] von Seiten des Interpreten voraussetzen.“39 Die weiteren konkreten Analyseabläufe variieren und kombinieren die unterschiedlichen Analyseebenen und konkreten Methoden je nach Anwendungsfall flexibel, folgen aber grundsätzlich der Logik, von der Makroebene aus in immer tiefere computergestützte Analysen zu gehen (also von der Verfahrensebene 1. Ordnung in Richtung 3. Ordnung) bzw. zur manuellen Annotation überzugehen. Teilerkenntnisse eines Analyseschritts können dabei zur Konkretisierung von Forschungsfragen oder Analyseschritten in Form von Feedback-Schleifen wiederum in vorangegangene Analyseschritte einfließen, kontrastierend und vergleichend weiteren Teilergebnissen gegenübergestellt werden oder zu gänzlich neuen Fragestellungen führen. Teilergebnisse, vor allem aber die gesammelten Analyseergebnisse am Schluss, werden kritisch beurteilt und in einer finalen Begutachtung entsprechend der Forschungsfragen im Sinne des festgelegten Erkenntnisinteresses evaluiert. Zu jedem Zeitpunkt besteht dabei 37 Vgl. ebd., 44. 38 Ebd. 39 Ebd., 52.
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die Möglichkeit, in die Close Reading-Perspektive zu wechseln und in einzelnen Dokumenten Textinhalte qualitativ auszuwerten oder Annotationen durchzuführen.
4.2
Umsetzung der Gedenkjahr 2018-Analyse
4.2.1 Erste Exploration und Zusammenstellung des Gedenkjahr 2018-Subkorpus Als Erstes sollte das gesamte AMC entlang des zu Beginn dieses Kapitels formulierten Erkenntnisinteresses explorativ erkundet werden. Diese erste Sondierung sollte Muster und Trends visualisieren, die neben den zu erwarteten Themen und Frequenzen der Berichterstattung zum Gedenkjahr auch induktiv zu neuen Aspekten und Fragestellungen führen würden. Da das AMC Textdaten ab 1986 anbietet, wäre es grundsätzlich auch möglich Entwicklungen im langzeitlichen Verlauf festzustellen – dies war allerdings im Rahmen des Projekts nicht umsetzbar.40 Die wichtigsten Begriffe und „Konzepte“ (also Begriffskombinationen, die ein Thema erfassen), die sich aus diesen ersten Eindrücken ergeben, sollten dann zu einem Wörterbuch akkumuliert werden, welches die Grundlage für die Zusammenstellung eines repräsentativen Analysekorpus – des Gedenkjahr 2018-Subkorpus – darstellte. Die wichtigste Text Mining-Methode war in diesem Abschnitt die Frequenzanalyse, welche den absoluten und relativen Gebrauch von bestimmten, abgefragten Begriffen/Konzepten im Zeitverlauf zeigt und dadurch entsprechende Verwendungskonjunkturen visualisieren kann. Markante Veränderungen der Verwendungskonjunkturen deuten dabei auf mögliche diskursive Brüche und stellen so wiederum Einstiegspunkte für das Close Reading dar.41 Beginnend mit der Abfrage von Schlüsselbegriffen wie „Gedenkjahr“ bzw. der im Erkenntnisinteresse des Projekts wichtigen Konzepte „Gedenkjahr“ + „ZeitzeugInnen“, + „Verantwortung“, + „Demokratie“, + „Opfer/Täter“ konnte ein erster Eindruck von den im Korpus enthaltenen Informationen und deren Häufigkeiten gewonnen werden. Dieser Arbeitsschritt – eine erste Exploration des AMC und die Zusammenstellung eines repräsentativen Gedenkjahr 2018-Subkorpus – wurde mit der Software Sketch Engine umgesetzt, welche derzeit als Standardsoftware den Zugriff auf das AMC ermöglicht. Alle weiteren, im Abschnitt 4.2.2 dokumentierten, Analyseschritte, erfolgten mit dem Leipzig Corpus Miner (LCM). 40 Nur kurz erwähnt sei, dass die Frequenzanalyse im Zeitverlauf 1986–2018 die häufigsten Vorkommen von „Gedenkjahr“ 1988, 2005, 2008, 2009, 2014 und 2018 feststellt. 41 Vgl. Stulpe/Lemke, Blended Reading, 45.
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Zusammenstellung eines repräsentativen Analysekorpus für die Auswertung des öffentlich-medialen Diskurses im Gedenkjahr 2018 Bei der Zusammenstellung des Gedenkjahr 2018-Subkorpus lag der Fokus – der Ausrichtung des Gesamtprojekts folgend – auf dem Jahr 2018 (1. Jänner bis 31. Dezember 2018). Dafür wurden zwölf überregionale Zeitungen und Magazine ausgewählt, die aufgrund ihrer Reichweite und ihrer politischen Orientierung ein möglichst großes Meinungsspektrum abdecken: die Tageszeitungen „Der Standard“, „Die Presse“, „Wiener Zeitung“, „Kurier“, „Kronen Zeitung“, „Heute“, „Österreich“, „Kleine Zeitung“, „Salzburger Nachrichten“, „Tiroler Tageszeitung“ sowie die wöchentlich erscheinenden Publikationsorgane „Falter“ und „Profil“. Die grundsätzliche Definition des Korpus lautete: Es sollten darin alle Dokumente enthalten sein, die im weitesten Sinne auf das Gedenken zu 80 Jahre „Anschluss“ und 100 Jahre Republik Österreich Bezug nehmen. Das sind beispielsweise Leitartikel, die das Gedenkjahr behandeln und die Berichterstattung zu den Gedenkfeiern oder Interviews, in denen das Gedenkjahr Thema ist. Auszuschließen waren reine Veranstaltungshinweise, wobei die Berichterstattung über Veranstaltungen im Bereich Kultur wiederum aufgenommen wurde, wenn sie eine klare Bezugnahme zum Gedenkjahr herstellte. Der Schwerpunkt lag auf journalistischen Texten, während LeserInnenmeinungen nicht berücksichtigt wurden. Ein Fokus auf bestimmte Ressorts (z. B. „Politik“) auf Metadatenebene wurde verworfen, da hier die Kategorien im AMC zu inkonsistent vergeben werden. Zur Entwicklung eines geeigneten Suchstrings, welcher alle Dokumente im AMC erfasst, die obiger Definition entsprechen, wurden sämtliche Begriffe zu einem Wörterbuch akkumuliert.42 Da die vorherigen Schritte gezeigt haben, dass einige relevante Artikel zum Gedenkjahr eben diesen Begriff selbst gar nicht enthalten, war es wichtig, auch synonyme Begriffe und Umschreibungen zu berücksichtigen. In einem nächsten Schritt wurden alle Begriffe des Wörterbuchs auf ihre Eignung geprüft, das heißt, es wurde stichprobenartig erhoben, ob die jeweiligen Begriffe zusätzliche relevante Artikel auffinden würden. Während Begriffe wie „Gedenkrede“ oder „Gedenkakt“ den Korpus um relevante Dokumente erweiterten, wurden andere wie „Gedenktag“ nicht in den finalen Suchstring aufgenommen und damit eine gewisse Unschärfe für das Analysekorpus in Kauf genommen.43 Der finale Suchstring am AMC [Version: amc_3_2018] lautete schlussendlich: < doc/> containing [lemma=“Gedenkjahr” j lemma=“Gedenkveranstaltung” j 42 Dies erfolgte deduktiv durch Vorschläge des gesamten Projektteams, durch automatisch vom Computer generierte Synonyme und durch aus der Exploration des Korpus gewonnenen Erkenntnissen. 43 Der Terminus „Gedenktag“ bezieht sich größtenteils auf röm. kath. Heilige und ist dadurch irrelevant.
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lemma=“Gedenkfeier” j lemma=“Gedenkfeierlichkeiten” j lemma=“Gedenkdienst” j lemma=“Gedenkkultur” j lemma=“Gedenkrede”j lemma=“Gedenkakt” j lemma=“Gedenkversammlung” j lemma=“Gedenkstätte” j lemma=“Bedenkjahr” ] Dies bedeutet: Suche alle Dokumente, die den Begriff „Gedenkjahr“ UND/ ODER „Gedenkveranstaltung“ etc. enthalten. Die über diesen Suchstring aufgefundenen 2.161 Dokumente sollten nun unter Berücksichtigung einer gewissen Unschärfe alle der Gedenkjahr 2018Subkorpus-Definition entsprechen. Ebenso fand sich in dieser Auswahl ein Großteil an Dokumenten, die zwar auf dem Wortstamm „Gedenk*“ aufbauende Begriffe enthalten, thematisch aber anderen – daher : unpassenden – Kontexten angehören. In einem weiteren Verarbeitungsschritt mussten diese Dokumente identifiziert und aus der Auswahl entfernt werden.44 In der vorangegangenen Exploration der Daten hatte sich beispielsweise abgezeichnet, dass ein Teil der Dokumente andere als die ins Auge gefassten Gedenkanlässe zum Inhalt hat. Stichprobenweise wurde nun eine Wortliste generiert, um irrelevante Dokumente aus der Auswahl zu entfernen. Über die Begriffe „Klimt“, „Kaiser Maximilian“ und „Bleiburg“ konnten so insgesamt 244 Dokumente aus der Auswahl ausgeschlossen werden. Eine andere Strategie, um die Korpusauswahl systematisch auf die relevanten Daten hin zu reduzieren, war das Entfernen sehr kleiner Dokumente – bezogen auf Textlänge und Speichergröße. Kürzeste Veranstaltungshinweise, TV-Programme, Zeitungstitelblätter, Inhaltsverzeichnisse – also allesamt keine vollwertigen journalistischen Artikel – konnten dadurch ausgeschlossen werden. Weitere Dokumente wurden nach manueller Durchsicht des Textinhalts (Close Reading) aus der Auswahl entfernt, was schlussendlich zu 662 relevanten Textdokumenten im Gedenkjahr 2018-Subkorpus führte.45 Um diese Textquellen einer vertiefenden Analyse im LCM unterziehen zu können, wurde dieses Korpus im XML Format aus dem AMC exportiert.46
4.2.2 Exploration des Gedenkjahr 2018-Subkorpus mit dem Leipzig Corpus Miner Methodologisch folgte nun nach der Analyse des Korpus aus der Makroperspektive schrittweise das Fokussieren auf inhaltlich-semantische Details. „Verfahren 1. Ordnung“ wurden nun also um die 2. und in Einzelfällen die 3. Ordnung ergänzt. 44 „To drill down“ bedeutet, durch ein Filtern der Daten nach speziellen Merkmalen die Trefferauswahl schrittweise auf die relevanten Dokumente hin zu reduzieren. 45 Aufgrund der sorgfältigen manuellen Zusammenstellung des Korpus könnte man von einem „Gold-Standard Corpus“ sprechen, der für weitere Auswertungen nutzbar wäre. 46 Eine während des gesamten Analyseprozesses aufrecht bleibende Verbindung zum Gesamtkorpus wäre hier der Idealfall und wird durch die derzeitigen Bemühungen am ACDHCH, den LCM direkt an das AMC anzubinden, zukünftig eventuell auch möglich sein.
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Wurden induktiv mit den basalen Verfahren interessante Aspekte sichtbar, zog das eine vertiefende Analyse nach sich. Die wechselseitige Nutzung von automatisierten quantitativen Methoden (Distant Reading) mit der manuellen Textanalyse (Close Reading) blieb eine wichtige Analysestrategie bei der Beurteilung der Teilergebnisse, um ausgehend von einzelnen Texten interessante Aspekte per Annotation zu kennzeichnen und induktiv daraus Fragestellungen zu gewinnen. Konkret zur Anwendung kamen dabei folgende Text Mining-Methoden des LCM: Verfahren 1. Ordnung, datenstrukturierend: Frequenzanalyse, Facetten, Named Entities Verfahren 2. Ordnung, inhaltsstrukturierend: Kookkurrenzanalysen, (Topic-Modelle) Verfahren 3. Ordnung, qualitativ, interpretengestützt, inhaltlich: Annotation
Die konkrete Anwendung und modulare Verknüpfung dieser Verfahren wird nun schrittweise an ausgewählten Beispielen dargestellt. 1) Frequenzanalyse Die bereits vorgestellte Frequenzanalyse zeigt den relativen und absoluten Gebrauch von Begriffen und Konzepten im Zeitverlauf. Abb. 1 visualisiert die Dokumentfrequenzen des gesamten Gedenkjahr 2018-Subkorpus und gibt somit einen Überblick, wann und in welchem Umfang im Kontext „Gedenkjahr“ 2018 medial berichtet wurde.
Abb. 1: Der Dokumentfrequenzgraph und die Heatmap des gesamten Analysekorpus zeigen, wann und wie viele Dokumente zum Gedenkjahr im Jahr 2018 erschienen sind.
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Der Frequenzgraph macht Höhepunkte im Jänner, März, Mai und November deutlich, und die Heatmap, ein Visualisierungswerkzeug des LCM, zeigt durch die dunkle Färbung, an welchen Tagen besonders umfassend berichtet wurde. Durch einen Klick auf diese Tage lässt sich direkt in die einzelnen Artikel (in die sogenannte „Document View“) navigieren und per Close Reading feststellen, welche Themen und Ereignisse Anlass zur Berichterstattung waren. Neben den erwartbaren Höhepunkten um den 12. März und den 12. November wurde auch Ende Jänner und Anfang Mai besonders viel berichtet. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich im Jänner intensiv geführte Debatten zur Liederbuch-Affäre rund um Udo Landbauer und zum Boykott der Israelitischen Kultusgemeinde in Bezug auf Gedenkveranstaltungen unter Beteiligung der damaligen Regierungspartei FPÖ. Im Mai war Michael Köhlmeiers am Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus gehaltene Rede von besonderer Bedeutung. Geht man letzterer Spur nach, kann man all jene Dokumente in einer Auswahl zusammenfassen, in welchen Köhlmeier Erwähnung findet. Abb. 2 zeigt, wie breit Michael Köhlmeiers Rede debattiert wurde. „Michael Köhlmeier“ ist im Monat Mai in der Hälfte aller auf das Gedenkjahr 2018 Bezug nehmenden Dokumente vertreten und bleibt, wie Abb. 2 darstellt, auch das restliche Jahr weiterhin in den Diskursen zum Gedenkjahr präsent.
Abb. 2: Der relative Dokumentfrequenzgraph und die Heatmap zu Michael Köhlmeier.
2) Named Entities Named-entity recognition (NER) oder Eigennamenerkennung ist ein Text Mining-Verfahren, das in unstrukturierten Texten automatisch die Wörter erkennt,
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welche reale Entitäten (Personen, Orte, Werke etc.) bezeichnen. Dies kann besonders nützlich sein, um über die Nennung von Eigennamen im Analysekorpus oder abgeleiteten Subkollektionen „schnell relevante Akteure in Bezug auf ein Thema identifizier[en]“47 zu können.
Abb. 3: Automatisch erkannte Eigennamen im Gedenkjahr 2018-Subkorpus (absolute Häufigkeit), Teilausschnitt.
Abb. 3 zeigt einen Ausschnitt der im Gedenkjahr 2018-Subkorpus erkannten Eigennamen. Trotz einiger offensichtlicher Probleme in der automatischen Auswertung48 zeichnen sich deutliche Trends ab, die ansonsten erst durch eine manuelle Analyse der Artikel offengelegt werden würden. So scheint es, dass nach „Wien“ auch „Europa“, „Mauthausen“ und „Israel“ wichtige Referenzorte im Diskurs zum Gedenkjahr darstellen. Auf Seiten der automatisch erkannten Personen lohnt ein Blick darauf, welche historischen Persönlichkeiten und welche Ereignisse dadurch in Form von Rückbezügen in den medialen Diskursen zum Gedenkjahr 2018 eine besondere Rolle spielen. Hier wäre ein Vergleich mit vergangenen „8er“-Gedenkjahren angebracht. Den Großteil der erkannten Personen machen allerdings gegenwärtige und aktiv in das Gedenken involvierte AkteurInnen aus, wie die offiziellen politischen RepräsentantInnen der Republik Österreich, nationale wie internationale PolitikerInnen oder VertreterInnen von Institutionen sowie Personen des öffentlichen Lebens, der Wissenschaft und der Kunst. 47 Wiedemann/Niekler, Analyse qualitativer Daten mit dem „Leipzig Corpus Miner“, 75. 48 Hier muss kritisch angemerkt werden, dass viele Eigennamen nicht oder nicht eindeutig erkannt wurden, wie z. B. „Strache“ oder erstaunlicherweise auch „Arik Brauer“, welcher in der Berichterstattung natürlich vorkommt.
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Detaillierte Analysen könnten hier Aufschluss darüber geben, innerhalb welcher Themenkontexte diese Personen mit dem Gedenkjahr in Verbindung gebracht werden. So wird der damalige Innenminister Herbert Kickl im Close Reading und durch Annotation der Themenkontexte größtenteils aufgrund seiner kontroversen politischen Handlungen und Aussagen mit den Themen des Gedenkjahres verknüpft, kaum aber in der Rolle als Repräsentant der Republik Österreich. Erstaunlich hohe Werte in der Berechnung automatisch erkannter Personen hat, trotz einer einzigen Teilnahme an offiziellen Gedenkfeierlichkeiten, Michael Köhlmeier – was die Werte der Frequenzanalyse noch einmal unterstreicht.
3) Facetten „Ergebnismengen von Suchanfragen lassen sich in Bezug auf bestimmte indexierte Metadaten, sogenannte Facetten eines Dokuments, aggregieren bzw. filtern.“49 Hat man über eine Suchanfrage eine gewisse Menge Treffer-Dokumente generiert, kann man sie nun nach vorhandenen Metadaten-Kategorien filtern – beispielsweise nach Publikationsorgan, AutorInnen, Ressort etc. – und die resultierenden Ergebnisse wiederum visualisieren oder kontrastierend vergleichen. Visualisiert man die Facette der Publikationsorgane des gesamten Gedenkjahr 2018-Subkorpus wie in Abb. 4, zeigt sich, dass unter den Tageszeitungen der „Kurier“ mit 115 Textdokumenten am häufigsten zum Gedenkjahr 2018 berichtet hat, während die „Heute“ mit 21 Artikeln am wenigsten publizierte. Facetten erlauben auch Analysen aufgrund der Metadaten. Dabei können auch kleinere Kollektionen von Dokumenten zusammengestellt und ausgewertet werden. Abb. 5 zeigt, welche Publikationsorgane in wie vielen Dokumenten (bzw. in welchen relativen Häufigkeiten) des Gedenkjahr 2018-Subkorpus „Herbert Kickl“ erwähnten. Ausgehend von der Named EntityVisualisierung zeigte eine thematische Auswertung der Artikel, in denen „Herbert Kickl“ genannt wurde, mittels manueller Annotationen, dass eine kritische mediale Berichterstattung überwiegt. Die in Abb. 5 dargestellten Facetten zeigen wiederum, dass der „Kurier“, das „Profil“ und der „Standard“ für den überwiegenden Teil dieser Berichterstattung verantwortlich sind, während andere Zeitungen („Heute“, „Österreich“, „Kronen Zeitung“, „Tiroler Tageszeitung“) nie eine Verbindung zwischen den Gedenkjahr-Themen und Herbert Kickl herstellen. Den bisher vorgestellten, basalen und datenstrukturierenden Text MiningVerfahren folgen nun Verfahren 2. Ordnung. Diese eröffnen „Wege der inhaltlichen Erschließung des Textmaterials“,50 indem sie semantische Strukturen in 49 Wiedemann/Niekler, Analyse qualitativer Daten mit dem „Leipzig Corpus Miner“, 74. 50 Stulpe/Lemke, Blended Reading, 47–48.
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Abb. 4: Visualisierung der Facetten „Publikationsorgane“ und „Ressort“.
Abb. 5: Visualisierung der Facetten „Publikationsorgane“ der Kollektion „Kickl“.
den Textinhalten automatisch erkennen. Dafür stehen im LCM Kookkurrenzen und Topic-Modelle zur Verfügung. 4) Kookkurrenzen Kookkurrenzen bauen auf lexikometrischen Ansätzen auf51 und erlauben, „durch die zeit- und kontextgebundene Darstellung des gemeinsamen, signifikanten Auftretens eines Suchwortes im Zusammenhang mit anderen Worten“52 einen Zugriff auf semantisch-inhaltliche Muster in den Texten. Bei einem signifikant häufigen Auftreten zweier lexikalischer Einheiten (z. B. Wörter) innerhalb einer Kontexteinheit (z. B. eines Satzes oder Dokuments) kann darauf 51 Matthias Lemke/Gregor Wiedemann, Einleitung. Text Mining in den Sozialwissenschaften, in: Lemke/Wiedemann (Hg.): Text Mining in den Sozialwissenschaften, 1–13, 2. 52 Stulpe/Lemke, Blended Reading, 48.
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geschlossen werden, dass es zwischen diesen eine semantische Relation gibt. Ein errechnetes Signifikanzmaß gibt die Stärke der Verbindung an.53
Abb. 6: Kookkurrenzgraph zum Begriff „Opfer“.
Abb. 6 zeigt den Kookkurrenzgraphen zum Begriff „Opfer“ im gesamten Gedenkjahr 2018-Subkorpus. Von diesem Schlüsselbegriff ausgehend errechnete der Algorithmus automatisch wesentliche inhaltliche Relationen zu vier weiteren Begriffen: „Holocaust“, „Täter“, „Nationalsozialismus“ und „Gedenken“. Dies sind die signifikantesten, d. h. stärksten Kookkurrenzen, die sich direkt auf den Begriff „Opfer“ beziehen. Von diesen ausgehend können weitere Kookkurrenzen, d. h. signifikante Relationen dargestellt werden. Wie Lemke beschreibt wird „ausgehend von einem Suchbegriff, der als Ausgangspunkt für den Kookkurrenzgraphen dient, […] durch die Analysealgorithmen ein semantisches Netz berechnet“.54 Dieses semantische Netz clustert im Fall des Opfer-Graphen die in den Texten festgestellten Themen mitsamt ihren Verweisen. Einen Cluster bilden beispielsweise „Opfer-des-Holocaust“, und, daran anknüpfend, die Kookkurrenz mit den Themen „Überlebende des Holocaust“ bzw. „Ungeheuerlichkeit des Holocaust“ sowie „Verharmlosen des Holocaust/dieser Ungeheuerlichkeit“. Ein zweiter Cluster gruppiert Relationen um das „Gedenken“, etwas als im „Zeichen des Gedenkens der Opfer (des 53 Vgl. Heyer/Quasthoff/Wittig, Text Mining: Wissensrohstoff Text, 19–25 und 134–155. 54 Stulpe/Lemke, Blended Reading, 48.
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Holocaust/Nationalsozialismus)“ oder als ein „würdiges Gedenken der Opfer“ etc. Höchst interessant ist der Cluster um die Kernbegriffe „Opfer“, „Täter“ und „Nationalsozialismus“ sowie die daran angeschlossenen Begriffe „Österreicher“ und „genauso“. Hier zeigt der Kookkurrenzgraph ein intensiv ausgeprägtes, semantisches Netz zwischen diesen Begriffen, die zahlreich aufeinander verweisen.55 Interpretiert man die Begriffe und ihre Verweise, lässt sich deutlich auf inhaltliche Themen und Aussagen schließen, wie etwa: „ÖsterreicherInnen sind genauso TäterInnen wie Opfer des Nationalsozialismus/Holocaust“. In diesem Fall war anzunehmen, dass die öffentlich-medialen Diskurse vor allem auf die Opfer-Täter-Beziehung in Bezug auf die Verbrechen des Nationalsozialismus eingehen werden sowie dass die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wesentlichen Raum in den Aktivitäten zum Gedenkjahr einnehmen würde. Der hier über fast 700 Textdokumente errechnete Kookkurrenzgraph ist aufgrund unseres Vorwissens in diesem spezifischen Fall keine Überraschung. Allerdings soll hierdurch dargelegt werden, dass Kookkurrenzen zum inhaltlichen Erschließen sehr großer Textdatenmengen einen höchst gewinnbringenden Ansatz darstellen können, wenn sie kritisch bzw. die methodische Reichweite reflektierend eingesetzt werden. 5) Manuelle Annotation Abschließend soll mit der Annotation noch ein Verfahren der manuellen qualitativen Datenanalyse vorgestellt werden, das somit als ein Verfahren 3. Ordnung anzusehen ist. „Die Basis der qualitativen Datenanalyse wird durch die Annotation relevanten Textmaterials gelegt. Hierbei handelt es sich um einen Arbeitsschritt, der durch close reading durch den Interpreten zu erbringen ist. Methodische Grundlage dieses Arbeitsschritts ist (1) die Formulierung heuristisch einschlägiger, möglichst spezifischer Kategorien, die das jeweilige Erkenntnisinteresse repräsentieren einerseits und (2) die spätere Auswertung der Messgenauigkeit der Annotation andererseits […] Gewonnen werden die für die Annotation anzulegenden Kategorien entweder induktiv aus dem empirischen Material, etwa durch gründliches Lesen und Interpretieren, oder aber deduktiv, etwa unter Bezugnahme auf eine für die Umsetzung eines bestimmten Erkenntnisinteresses einschlägige Theorie.“56
Besonderes Interesse galt im Gesamtprojekt der Fragestellung, inwiefern das Gedenkjahr 2018 Themen wie Demokratie(-bewusstsein) und Antisemitismus (sowie deren historische Entwicklungen) in gegenwärtige Diskurse einbringen 55 Nicht nur das Signifikanzmaß der Kookkurrenzen ist hoch, auch netzwerkanalytische Parameter sind es: Jeder der fünf Begriffe als Netzwerkknotenpunkt verfügt über zumindest drei Verbindungen – also Netzwerkkanten – zu anderen Knoten. 56 Stulpe/Lemke, Blended Reading, 52.
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und dadurch ein Bewusstsein für diese Themen schaffen kann. Nach einer ersten Annäherung über Begriffe (Frequenzanalysen, Kookkurrenzen) konnte im Analysekorpus festgestellt werden, dass diese Themen das gesamte Gedenkjahr über präsent waren.
4.2.3 Interpretation und vertiefende Analysen mit dem Leipzig Corpus Miner Im vorhergehenden Teil wurden bereits einige Muster und Trends innerhalb des 662 Artikel umfassenden Gedenkjahr 2018-Subkorpus sichtbar. Im Folgenden werden einige großteils aus der Distant Reading-Perspektive gewonnene Ergebnisse durch die manuelle Auswertung ausgewählter Texte ergänzt. Mit 65 % der Artikel (427 von 662) entfällt der Großteil der Berichterstattung auf die erste Jahreshälfte. Besonders Ende Jänner und Anfang Mai zeichnen sich Perioden intensiver Berichterstattung ab, welche so nicht zu erwarten waren und auf welche nun über die inhaltliche Textanalyse der Fokus gerichtet wird. Im Jänner etablierte sich über die „Liederbuch-Affäre“ einer FPÖ-nahen Burschenschaft ein Diskurs, der die Glaubwürdigkeit der FPÖ im Umgang mit der eigenen und der österreichischen Geschichte thematisiert. Ebenso wird bereits zu Beginn des Jahres die Frage diskutiert, wie ein gesellschaftlich sinnvoller, gegenwartsrelevanter Umgang mit den Gedenkanlässen bzw. historischen Bezugspunkten des Jahres 2018 zu gestalten wäre. Im Mai polarisierte die Parlamentsrede von Michael Köhlmeier beim Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus und löste eine intensiv geführte Debatte um den heutigen Umgang mit der NS-Vergangenheit aus. Diese Themenfelder, die bis zum Jahresende bestehen blieben, können als die prägendsten Diskursstränge im Kontext der öffentlichen Berichterstattung zum Gedenkjahr 2018 bezeichnet werden. 1) Die FPÖ im Zentrum einer Glaubwürdigkeitsdebatte Nicht erst seit Regierungsantritt im Dezember 2017 hatte die FPÖ Schwierigkeiten, sich glaubwürdig von einem Nahverhältnis zu NS-Gedankengut, Rassismus und Antisemitismus zu distanzieren, wie die zahlreichen öffentlich gewordenen „Einzelfälle“57 belegen. Durch die Regierungsbeteiligung und die damit wesentlich verstärkte politische Handlungsmacht sowie die nunmehr repräsentative Funktion als Regierungspartei erhielt das öffentliche Auftreten von führenden FPÖ-PolitikerInnen bei Aktivitäten zum Gedenkjahr besondere 57 Vgl. Mauthausen Komitee Österreich, Viele Einzelfälle = Ein Muster. Die FPÖ und der Rechtsextremismus, Wien 2019; Mauthausen Komitee Österreich (Hg.), Lauter Einzelfälle? Die FPÖ und der Rechtsextremismus, Wien 2017; Nur Einzelfälle? Die lange Liste rechter Ausrutscher, Der Standard, 23. 4. 2019, URL: https://www.derstandard.at/story/20000729435 20/nur-einzelfaelle-die-lange-liste-rechter-ausrutscher (abgerufen 20. 1. 2020).
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Brisanz und mediale Aufmerksamkeit. Vor diesem Hintergrund löste die Liederbuch-Affäre Ende Jänner 2018 die erste breite Debatte zum Gedenkjahr aus. Aber bereits zu Jahresbeginn wurden die kontroversen Leitmotive des Gedenkjahr-Diskurses medial präsent. Am 9. Jänner beschloss die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) allen Gedenkveranstaltungen mit FPÖ-Beteiligung fernzubleiben. Die IKG begründete den Boykott mit dem zunehmenden Einfluss der deutschnationalen Burschenschaften und den damit verbundenen antisemitischen und revisionistischen Tendenzen innerhalb der FPÖ und wies weiter darauf hin, dass die IKG seit einem Beschluss aus dem Jahr 2000 keine Beziehungen zur FPÖ unterhalte.58 Am 11. Jänner löste die Aussage von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, dass er Asylwerbende „konzentriert halten“ wolle,59 kritische Reaktionen aus. Diese ersten Debatten wurden von der LiederbuchAffäre überlagert. Am 23. Jänner berichtete der „Falter“ von einem Liederbuch mit antisemitischen und NS-verherrlichenden Inhalten der Burschenschaft Germania Wiener Neustadt,60 dessen stellvertretender Vorsitzender der FPÖSpitzenkandidat für die niederösterreichische Landtagswahl, Udo Landbauer war. Damit brach nur wenige Tage vor dem internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Jänner eine mediale Debatte los,61 welche die Glaubwürdigkeit der Partei in ihrer nun staatstragenden Funktion vehement infrage stellte. Unter dem großen öffentlichen Druck und bemüht, das Verhältnis zum Regierungspartner ÖVP nicht bereits nach wenigen Wochen zu gefährden, reagierte Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache unverzüglich. Strache verurteilte zur Überraschung vieler am von der FPÖ veranstalteten Akademikerball am 26. Jänner 2018 jede Form von Antisemitismus scharf und verkündete am 27. Jänner die Bestellung einer Historikerkommission, um die „braunen Flecken“ der FPÖ-Geschichte aufzuarbeiten.62 Dies wurde in den Medien als direkte Folge der Liederbuch-Affäre interpretiert. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der beim Europarat in Straßburg darauf angesprochen wurde, versicherte: „Das ist nicht Österreich“ und forderte Landbauer – dessen „Unwissenheit“ über den
58 Vgl. IKG-Beschluss: Keine Kontakte zur FPÖ, Israelitische Kultusgemeinde Wien, URL: https ://www.ikg-wien.at/ikg-beschluss-keine-kontakte-zur-fpoe/ (abgerufen 10. 1. 2020); Kultusgemeinde boykottiert FPÖ, Die Presse, 19. 1. 2018. 59 Vgl. Wie viel Braun verträgt Türkis-Blau?, Kurier, 25. 1. 2018. 60 Vgl. Blaue sehen rote Linie noch nicht überschritten, Der Standard, 25. 1. 2018. 61 Vgl. u. a. Michael Sprenger, Unsäglich, Tiroler Tageszeitung, 24. 1. 2018; NS-Opfer Herbert Löwy und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka im Interview, NS-Liedtexte: „Da gibt es kein Pardon“, Die Presse, 25. 1. 2018. 62 Vgl. Strache: „Werden braune Flecken aufarbeiten“, Österreich, 27. 1. 2018; Vgl. Rainer Nowak, Die FPÖ muss ihre braunen Flecken erkennen, eingestehen und löschen, Die Presse, 27. 1. 2018.
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Inhalt des Liederbuches er bezweifelte – zum Rücktritt auf.63 Auch die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zog Konsequenzen und schloss jegliche Verhandlungen mit der Person Landbauer aus. Dieser legte am 1. Februar seine Ämter nieder. Begleitet wurde Landbauers Rücktritt von zahlreichen öffentlichen Aussagen der FPÖ-Spitze, welche diesen als Opfer positionierten.64 Auch die Bundes-ÖVP und insbesondere Bundeskanzler Sebastian Kurz gerieten im Zuge der Liederbuch-Affäre in die mediale Kritik, die klare politische Konsequenzen forderte. Hier hielt man sich aber zurück und übergab die Verantwortung ganz an die Justiz. Der Meinungsumschwung durch die Liederbuch-Affäre lässt sich am Beispiel der „Presse“ zeigen. Unmittelbar vor dem Bekanntwerden des Liederbuchs wurde in einem Kommentar zum IKG-Boykott auf die Bemühungen der FPÖ zu einer Verbesserung der Beziehungen zur jüdischen Gemeinde und zu Israel verwiesen.65 Am 27. Jänner bemerkte Chefredaktuer Rainer Nowak hingegen, dass er das Fernbleiben von VertreterInnen der Wiener Kultusgemeinde bei Gedenkveranstaltungen mit FPÖ-Beteiligung „jetzt verstehe“.66 Straches Verurteilung der „Verbrechen des Dritten Reichs“ sowie jeder Form von „Antisemitismus“ und das Bekenntnis zur „historischen Aufarbeitung des Dritten Lagers“ wurde in vielen Medien als wenig überzeugende Flucht nach vorne interpretiert. So hieß es etwa im „Profil“: „Seine Rede hätte wohl anders geklungen, wären in der Vorwoche nicht die neonazistischen Texte im Liederbuch der pennalen ,Germania Wiener Neustadt‘ publik geworden.“67 In der „Kronen Zeitung“ ist der einzige Bezug zwischen Liederbuch-Affäre und Gedenkjahr in einem Kommentar des evangelischen Bischofs Michael Bünker, zu finden: „Die evangelische Kirche ist wie alle, die in unserer Gesellschaft Verantwortung tragen, verpflichtet, gegen Antisemitismus aufzutreten und daraus auch die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.“68 Das FPÖ-Bekenntnis zur historischen Verantwortung und zum Kampf gegen Antisemitismus wurde in vielen Medienbeiträgen stark bezweifelt. In einem Bilanz-Interview zum Gedenkjahr im Dezember 2018 kommentierte Michael Köhlmeier die unglaubwürdigen Reaktionen seitens der Partei auf immer wieder
63 Vgl. u. a. Van der Bellen: „Das ist nicht Österreich“, Wiener Zeitung, 26. 1. 2018; Margaretha Kopeinig, Van der Bellen ist empört über Nazi-Lieder, Kurier, 25. 1. 2018; Christian Böhmer/ Gerhard Krause, Rücktrittsforderung: Für Landbauer wird es eng, Kurier, 28. 1. 2018. 64 Vgl. Bo¨ hmer/Krause, Ru¨ cktrittsforderung: Fu¨ r Landbauer wird es eng, Kurier, 28. 1. 2018. 65 Vgl. Anna Thalhammer, Kultusgemeinde boykottiert FPÖ, Die Presse, 19. 1. 2018. 66 Vgl. Nowak, Die FPÖ muss ihre braunen Flecken erkennen, eingestehen und löschen, Die Presse, 27. 1. 2018. 67 Christina Pausackl, Der reuige Strache, Profil, 29. 1. 2018. 68 Vgl. Michael Chalupka, Zeit zur Umkehr, Kronen Zeitung, 27. 1. 2018.
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aufkommende „Einzelfälle“ so: „Das Ritual der scheinbaren Distanzierung läuft ab und beginnt anderntags von vorne.“69 Die Analyse des Zusammenhangs zwischen Liederbuch-Affäre und Gedenkjahr in der printmedialen Berichterstattung Ende Jänner/Anfang Februar legt ein Muster offen, welches sich in dieser Form im Lauf des Jahres kontinuierlich wiederholt: Die Verbindung von Gedenken und kritischen Reflexionen über die Gegenwart dominiert den Gedenkjahr-Diskurs. 2) Die Köhlmeier-Debatte Michael Köhlmeier hielt am 4. Mai 2018 auf Einladung von Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka die Festrede beim Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus. Die darauffolgende, intensiv geführte Debatte, erscheint aus mehreren Gründen signifikant, auch im Hinblick auf die in der Analyse angewandten Methoden. Zunächst zählt die Köhlmeier-Debatte allein aufgrund ihrer quantitativen Werte zu den prägendsten des Gedenkjahres. Mit insgesamt 108 Artikeln, die Bezug auf das Gedenkjahr 2018 nehmen, wird die Berichterstattung im Mai nur noch vom Monat März übertroffen. In 54 dieser Beiträge, also in 50 % aller im Mai zum Gedenkjahr veröffentlichten Artikel, wird Michael Köhlmeier genannt. Obwohl es seine einzige offizielle Teilnahme an den Gedenkaktivitäten dieses Jahres darstellte, blieb er auch in weiterer Folge im Diskurs zum Gedenkjahr präsent. Mit seiner kontroversen und polarisierenden Rede adressierte Ko¨ hlmeier die ¨ – ohne diese namentlich zu nennen – als jene Partei, „von deren Mitgliedern FPO immer wieder einige, nahezu im Wochenrhythmus, naziverharmlosende oder antisemitische oder rassistische Meldungen abgeben“. Aber auch Bundeskanzler Sebastian Kurz wurde indirekt mit den Menschen verglichen, die sich „damals […] damit bru¨ steten, Fluchtrouten geschlossen zu haben.“70 Köhlmeier griff in seiner Rede auf viele bereits in den ersten Monaten des Jahres 2018 etablierte Diskurse und Themen zurück, vor allem die Debatte um die mangelnde Glaubwürdigkeit der FPÖ. Dabei konfrontierte er einige Akteure der FPÖ direkt bzw. indirekt mit deren eigenen, öffentlich getätigten Aussagen: Teile seiner Rede sind direkte Zitate, wie Herbert Kickls ,konzentriertes Halten‘ oder Johann Gudenus’ ,stichhaltige Gerüchte‘ gegenüber George Soros. Bemerkenswert sind zahlreiche weitere direkt und indirekt zitierte Argumente und Textpassagen aus 69 Vgl. u. a. Michael Köhlmeier im Interview mit Wolfgang Paterno, Der Kanzler soll uns nicht für dumm verkaufen, Profil, 21. 12. 2018. 70 Michael Köhlmeier, Gedenkrede, 4. 5. 2018, URL: http://www.erinnern.at/bundeslaender/oes terreich/gedenktage/5.-mai-gedenktag-gegen-gewalt-und-rassismus-im-gedenken-an-dieopfer-des-nationalsozialismus/michael-koehlmeiers-gedenkrede-die-dinge-beim-namenennen (abgerufen 7. 1. 2020).
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der vorhergehenden Berichterstattung in Köhlmeiers Rede. Hier eignet sich die angewandte Methode besonders gut, um auf intertextuelle Bezüge hinzuweisen. Beispielsweise sagte Bundeskanzler Kurz in seiner Rede zum Gedenken an den 12. März 1938: „Ehrliches Gedenken müsse die Dinge schon beim Namen nennen“.71 Der Schauspieler und Autor Miguel Herz-Kestranek fragte sich am 29. Jänner 2018 in seiner Rede anlässlich des Holocaust-Gedenktages bei den Österreichischen Freunden von Yad Vashem im Linzer Rathaus, die in Teilen im „Standard“ abgedruckt wurde: „Wäre ich ein Dummsteller gewesen […]?“72 Der „Kurier“ fragte am 4. Februar 2018 als Reaktion auf die Liederbuch-Affäre: „Ist das Land antisemitisch genug, um so etwas zu tolerieren? Oder ist es abgestumpft genug, um es zu ignorieren?“73 Sowohl die FPÖ als auch die ÖVP reagierten empört,74 aber auch in der medialen Öffentlichkeit polarisierte seine Rede, sodass sich klare Positionen von UnterstützerInnen und GegnerInnen abzeichneten.75 Seinen Auftritt bezeichnete die „Presse“ als „Köhlmeiers Schelte“,76 der „Standard“ als „Hartes Gedenken“,77 die „Kleine Zeitung“ schrieb „Köhlmeier holt gegen die FPÖ aus“,78 und in „Österreich“ war „Bestseller-Autor geißelt ,Niedertracht‘ der Blauen“ zu lesen.79 Auch an den folgenden Tagen wurde die Rede in den Medien thematisiert, die „Kronen Zeitung“ sprach davon, dass Köhlmeier Strache und Kurz ,die Leviten gelesen hätte‘80 und die „Presse“ nannte die Rede eine „Brandrede gegen die FPÖ“.81 Mitten in der Vorbereitung der Gedenkaktivitäten zur Befreiung des KZ Mauthausen und zum Ende des Zweiten Weltkrieges rückte Köhlmeier mit seiner Rede die Glaubwürdigkeitsdebatte zur FPÖ damit wieder in das Zentrum des Gedenkjahr-Diskurses.
71 Zit. n. Ja, das Vergessene erinnern – aber bitte nicht selektiv, Die Presse, 16. 3. 2018; IKG Wien-Präsident Oskar Deutsch kommentierte in einem Interview mit dem „Falter“ Johann Gudenus’ Bemerkungen zu George Soros mit den Worten, es sei wichtig, „dass man es beim Namen nennt: Das ist eine antisemitische Verschwörungstheorie.“, Barbara Tjth, „Die Kippa sehe ich wie ein Kreuz, das Kopftuch ist was anderes“, Falter, 1. 5. 2018. 72 Vgl. Abdruck der Rede von Miguel Herz-Kestranek, Wie man gedenken soll, Der Standard, 13. 3. 2018. 73 Schatten der NS-Zeit: Wie braun ist Österreich wirklich?, Kurier, 4. 2. 2018. 74 Vgl. u. a. Margaretha Kopeinig, Holocaust-Gedenkrede empört FPÖ, Kurier, 5. 5. 2018; ÖVP weist Köhlmeiers Vergleich mit NS-Zeit empört zurück, Kleine Zeitung, 6. 5. 2018. 75 Teilweise sind auch beide Positionen im selben Publikationsorgan anzutreffen, vgl. etwa Hubert Patterer, Das gnadenlose Ich, Kleine Zeitung, 6. 5. 2018; demgegenüber : Von Zynikern und Idioten, sowie: Nötige Denkanstöße, Kleine Zeitung, 8. 5. 2018. 76 Köhlmeiers Schelte, Die Presse, 5. 5. 2018. 77 Hartes Gedenken, Der Standard, 5. 5. 2018. 78 Michael Jungwirth, Köhlmeier holt gegen die FPÖ aus, Kleine Zeitung, 5. 5. 2018. 79 Bestseller-Autor geißelt „Niedertracht“ der Blauen, Österreich, 5. 5. 2018. 80 Vgl. Debatte über Gedenkrede an Regierung, Die Kronen Zeitung, 6. 5. 2018. 81 Iris Bonavida, „Der Frühling hat gesiegt“, Die Presse, 9. 5. 2018.
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Nur wenige Tage nach der Rede Michael Köhlmeiers hielt der Künstler Arik Brauer, Überlebender der Shoah, die Festrede der Gedenkveranstaltung zum Kriegsende in Europa im Bundeskanzleramt am 8. Mai 2018. Er mahnte zur Pflege der Demokratie, welche ,über die Diktatur siegte‘ und forderte die Kontrolle durch die Öffentlichkeit sowie eine Bundesregierung, welche diese „mit Geduld und mit Freude“ ertrage.82 Wenngleich auch Brauer durchaus kritische Worte in Richtung der Regierungsparteien sendete, wurde er durch sein im mehrfachen Sinne „händereichendes“ und „versöhnendes“ Gedenken aber in Teilen der öffentlichmedialen Berichterstattung als Kontrastfigur zu Köhlmeier dargestellt, worauf insbesondere Köhlmeiers GegnerInnen hinwiesen. Brauer war bereits im Vorfeld der Gedenktage als Zeitzeuge zu TV- oder Zeitungs-Interviews geladen, wo er den „importierten“ Antisemitismus hervorstrich und eine versöhnliche Haltung gegenüber der FPÖ vertrat, welche Brauer auch nicht von der Mauthausen-Gedenkfeier ausgeladen hätte.83 Neben Brauers Haltung als sogenannter „Brückenbauer“, der als einer der öffentlich bekanntesten Zeitzeugen keine direkte Kritik an die Regierung Kurz richtete, hatte insbesondere die FPÖ deswegen großes Interesse an Brauer, weil dieser beständig vor der Gefahr des „importierten“ Antisemitismus warnte. Während Köhlmeier seine Einladung „nutzte“, um mit der FPÖ ,beinhart abzurechnen‘, schaffte Brauer „ein Kunststück […als] Brückenbauer und Kritiker“,84 hieß es im „Kurier“. Michael Jeann8e kommentierte Brauers Rede in der „Kronen Zeitung“ als „unschätzbare Geste wider Hass & unversöhnliche Dummheit“, als „Balsam fürs Land!“ und strich Brauers „Händereichen“ in der „Stunde der Versöhnung“ hervor.85 In der „Presse“ wurde die Verbindung zu Köhlmeier hergestellt, auf dessen Rede Brauer indirekt Bezug nehme, indem er sagte: „Glücklich die Bevölkerung, deren Regierung hoffentlich imstande ist, mit Geduld und mit Freude die Kritik der Öffentlichkeit zu ertragen.“86 Noch einen Schritt weiter ging Walter Hämmerle in der „Wiener Zeitung“, indem er alle zu diesem Zeitpunkt gehaltenen Reden als ein „Gespräch“ miteinander verstand. Während die Gedenkrede des Künstlers Andr8 Heller zum 80. Jahrestag des 12. März 193887 „im Generellen blieb“ und zur Verpflichtung mahnte, „zu jeder Zeit gegen Rassismus und Antisemitismus […] aufzutreten“, habe Köhlmeier „Klartext für die Gegenwart“ geredet und im „Kampf gegen Rassismus und An82 Zit. n. Ida Metzger, Gedenktag: Applaus für Mahnung an Türkis-Blau, Kurier, 9. 5. 2018. 83 Vgl. Stefan Kaltenbrunner, „Antisemitismus wurde importiert“, Kurier, 4. 4. 2018; Marian Smetana/Alfred Pfeiffenberger, KZ-Gedenken mit Misstönen, Salzburger Nachrichten, 5. 5. 2018. 84 Vgl. Metzger, Gedenktag: Applaus für Mahnung an Türkis-Blau, Kurier, 9. 5. 2018. 85 Vgl. Michael Jeann8e, Lieber Arik Brauer!, Kronen Zeitung, 9. 5. 2018. 86 Vgl. Bonavida, „Der Frühling hat gesiegt“, Die Presse, 9. 5. 2018. 87 Vgl. Andr8 Heller, Gedenkrede zum 80. Jahrestag des 12. März 1938, bundespraesident.at, URL: http ://www.bundespraesident.at/fileadmin/user_upload/Gedenkrede_Andre_Hel ler.pdf (abgerufen 18. 1. 2020).
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tisemitismus“ einen „Gegner in Gestalt der FPÖ“ adressiert. Brauer schließlich wollte diese „Spaltung in die Guten und die Bösen […] nicht unwidersprochen stehen lassen“, und habe dazu gemahnt, „die […] gewonnene Freiheit und Demokratie zu hegen und zu pflegen“.88 Eine Analyse mit dem Leipzig Corpus Miner (LCM) weist insgesamt zwölf Artikel innerhalb des Gedenkjahr 2018-Subcorpus aus, in welchen sowohl Michael Köhlmeier als auch Arik Brauer genannt werden. Im gesamten Jahr 2018 gibt es im Kontext des Gedenkjahres 64 Nennungen von Michael Köhlmeier und 28 von Arik Brauer, was auf eine in quantitativer Hinsicht weitaus größere Resonanz der Köhlmeier-Rede verweist. Köhlmeier wählte mit seiner Rede – im Gegensatz zu allen weiteren Gedenkreden zu den großen Gedenkanlässen des Jahres – gezielt die Strategie der Konfrontation und erregte damit so große Aufmerksamkeit, dass zumindest diese Gedenkfeier die Sphäre der symbolischen Gedenkroutine durchbrach, einen breiteren Diskurs anregte und auch in den Rückblicken im Dezember 2018 noch reflektiert wurde.
V.
Resümee und Ausblick
Dieser Beitrag untersuchte die prägenden Diskurse zum Gedenkjahr 2018 in den überregionalen österreichischen Printmedien. Als empirische Datengrundlage diente dazu das Austrian Media Corpus (AMC), eines der größten deutschsprachigen Textkorpora, mit einem Umfang von über 40 Millionen einzelnen Textdokumenten. Da dieses Korpus außerhalb der Sprachforschung noch nicht zum Einsatz kam, musste dazu zunächst eine technische wie methodische Umgebung erarbeitet werden, was ebenso spannend wie herausfordernd war. Dieser Artikel ist darum vor allem auch als Erfahrungsbericht zu sehen, welcher methodische und technische Grundlagen für zukünftige Forschungen bereitstellt. Die wesentlichen Erkenntnisse sollen nun kurz dargelegt werden. Das produktive Verschränken von computergestützter, quantitativer und manueller, qualitativer Textanalyse war eines der zentralen Aufgaben, um einen größeren Umfang an Textquellen in die Analyse miteinbeziehen zu können. Dies wurde über die Analysestrategie des Blended Reading und der dafür entwickelten Analysesoftware Leipzig Corpus Miner (LCM) umgesetzt. Der Fokus des Projekts auf das Gedenkjahr 2018 führte in der späteren Projektphase zu einem Quellenumfang von ca. 700 Textdokumenten – was im Vergleich zu anderen Forschungsprojekten im Bereich der Digital Humanities einen geringen Datenumfang darstellt. Durch die immer noch überschaubare Menge an Textdokumenten konnte dafür aber sichergestellt werden, dass das Gedenkjahr 201888 Vgl. Walter Hämmerle, Gespräch über Österreich, Wiener Zeitung, 9. 5. 2018.
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Subkorpus praktisch keine Quellen entgegen der Definition des Korpus enthielt. Zudem besteht die Möglichkeit, dieses Korpus in weiteren Forschungsprojekten nachzunutzen. Die inhaltliche Forschungsfrage richtete sich nach den prägenden Diskursen zum Gedenkjahr 2018. Hier wurde über die quantitative Analyse klar, welche Resonanz die Rede Michael Köhlmeiers am Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus auslöste. Weitere wichtige und kritische Diskurse beschäftigten sich mit der Frage nach einer gesellschaftlich sinnvollen Gedenkkultur im Jahr 2018, und – bereits im Jänner beginnend mit der sogenannten Liederbuch-Affäre – mit der Glaubwürdigkeit der FPÖ in Bezug auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der eigenen und der österreichischen Vergangenheit. Im Hinblick auf eine historische Tiefendimension wäre es sinnvoll, die synchrone Untersuchung des medialen Diskurses im Gedenkjahr 2018 in Form einer diachronen Analyse weiterzuführen, beginnend mit dem „Bedenkjahr 1988“.89 In einer Längsschnitt-Betrachtung könnten Transformationen in den Haltungen der politischen Parteien und unterschiedliche geschichtspolitische Positionen in der Medienlandschaft zum Opfermythos, zum „Anschluss“ 1938 oder zum Kriegsende 1945 untersucht, aber auch die Thematisierung wenig im Fokus stehender Ereignisse und Entwicklungen beleuchtet werden. So hat Oliver Rathkolb im Hinblick auf gegenwärtige Tendenzen, wonach die „Demokratie als beste Regierungsform“ in österreichischen Umfragen einen Rückgang zu verzeichnen hatte, insbesondere die Wichtigkeit der Vorgeschichte zum „Anschluss“ 1938 bzw. die Zerstörung demokratischer Strukturen im Austrofaschismus durch die Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur betont:90 „Die Erfahrung mit der Zwischenkriegszeit, aber auch die aktuellen Entwicklungen […] unterstreichen die fragile Basis der parlamentarischen Demokratie westlicher Prägung.“91 Dementsprechend könnte eine Untersuchung der massenmedialen Diskurse im AMC auch auf den Umgang mit dem Austrofaschismus thematisieren.92 Darüber hinaus könnte eine Digital Humanities-basierte Diskursanalyse auch die Schlüsselthemen der Gedenkjahre – Demokratiebewusstsein,
89 Vgl. Heidemarie Uhl, Zwischen Versöhnung und Verstörung. Eine Kontroverse um Österreichs historische Identität fünfzig Jahre nach dem „Anschluß“ (Böhlaus Zeitgeschichtliche Bibliothek), Wien/Köln/Weimar 1992. 90 Vgl. Oliver Rathkolb, Der lange Schatten der 8er Jahre. Kritische Geschichtsbetrachtung und Demokratiebewusstsein, in: Österreich. Aus Politik und Zeitgeschichte 68 (2018), 41–46; vgl. Oliver Rathkolb, Dollfuß für 40 Prozent „unbekannt“, ORF.at, URL: http://sciencev1.orf.at/ science/news/150949 (abgerufen 10. 1. 2020). 91 Rathkolb, Der lange Schatten der 8er Jahre, 46. 92 Wie eine Abfrage am AMC zeigt, findet Engelbert Dollfuß Erwähnung in 7.831 Dokumenten zwischen 1986 und 2018. Gereiht nach den relativen Dokumentfrequenzen wurde in folgenden Jahren am meisten berichtet: 1988, 2004, 2014 und 2018.
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Rassismus, Antisemitismus, Schutz von Minderheiten – herausgreifen, um zu analysieren, wie diese – über die Gedenkjahre selbst hinaus – verhandelt wurden.
Das Forschungsprojekt „Gedenkjahr 2018: Vergangenheit im Fokus politischer und öffentlicher Kommunikation“, auf dessen Ergebnissen dieser Beitrag beruht, wurde gefördert von: Bundeskanzleramt der Republik Österreich, Sektion I – Präsidialdirektion/ Beirat für das Gedenk- und Erinnerungsjahr 2018, Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Die Kooperation mit dem ACDH-CH (Betreuung AMC: Hannes Pirker) wurde durch die Förderung des Zukunftsfonds der Republik Österreich ermöglicht.
zeitgeschichte extra
Tobias Ebbrecht-Hartmann
Blind spots, in the Present. The National Socialist Past in Recent Austrian Films
Introduction Considering the formation of a conservative-right-wing government in December 2017, the adjacent memorial year 2018 did not only mark another important date in Austria’s ongoing struggle of coming to terms with its past but also for promoting the controversial new coalition. Austria’s long process of coming to terms with National Socialism previously led from the official victim theory in the 1940s and a culture of ignorance and silence in the 1950s and 1960s to bitter controversies in the 1980s, the acceptance of co-responsibility in the 1990s, and finally to the rise of revisionist and populist right-wing political opinions. After an intense election campaign that demonstrated the increasing importance of (social) media performance and message control as political communication tools, it was not surprising that the memorial year became a challenging stage for performing a different Austria, sidetracking the fact that the newly elected Chancellor Sebastian Kurz had just turned well-known right-wing populists into ministers.1 This challenge became obvious in various official and non-official commemorative acts. During the state ceremony on March 12, Kurz expressed the willingness of his coalition to fight intolerance, extremism and antisemitism. In his speech, however, he especially emphasized “freshly imported” prejudice against Jews, thereby adjusting his statement to the popular right-wing revisionist understanding of antisemitism as a sole problem within 1 In October 2017, the German newspaper Süddeutsche Zeitung revealed Freedom Party chairman and Vice Chancellor Hans Christian Strache’s past as a neonazi activist. See: Leila Al-Serori and Oliver Gupta, “Die Akte Strache,” Süddeutsche Zeitung, 10 October, 2017 https://gfx.sueddeutsche.de/apps/e563408/www/ (26 May 2019). Herbert Kickl, known as speechwriter for Strache’s notorious predecessor Jörg Haider, was appointed Minister of Interior. Norbert Hofer, ideological mastermind and author of party manifestos, became Minister of Transport, Innovation and Technology. The government collapsed after a video showing Strache with the alleged niece of a Russian oligarch was published in May 2019.
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Muslim communities.2 In addition, the government announced building a new memorial in the center of Vienna displaying the names of Austrian Holocaust victims as “a lasting sign of remembrance and commemoration for the 66,000 Austrian Jews who fell victim to the NS terror regime” (Kurz), which ViceChancellor and Freedom Party chairman Heinz-Christian Strache described as “constant obligation.”3 The parliament’s commemoration ceremony against violence and racism on May 5, the day of the liberation of the Mauthausen Concentration Camp, was marked by a controversy caused by a speech delivered by writer Michael Köhlmeier. FPÖ officials responded to the remarks with the accusation that Köhlmeier had trivialized the Holocaust and that he insulted one Million of Austrian voters, thereby implicitly linking the electorate of the Freedom Party to the victims of the Holocaust.4 During a visit to Israel in June 2018, where Chancellor Kurz delivered a speech on occasion of the annual conference of the American Jewish Committee, any remarks concerning the FPÖ’s ambiguous attitude to the memory of the Holocaust as well as references to scandalous “isolated cases” of antisemitic expressions in FPÖ circles were inhibited. A critical reminder during Kurz’ visit to the Holocaust memorial Yad Vashem let to an official complaint of the Austrian embassy and an apology of the memorial’s directorate.5 These controversial commemorative events illustrate the importance of Holocaust memory for both, for the self-promotion of Austria’s right-wing government especially concerning its harsh anti-immigration agenda, and for alternative and extra-parliamentary voices opposing the political shift to the right. While the government made tremendous efforts to control the public perception of the memorial year through social media performance and message control, a significant commemorative counter-public evolved in the cultural sphere, especially through cinematic contributions. In the following, I review three Austrian films from 2018 that dealt differently with the memories of National Socialism and the Holocaust within the Austrian context. Christian Frosch’s Murer – Anatomie eines Prozesses (Murer – Anatomy 2 Gerald John, “Österreich gedenkt des ‘Anschlusses’,” Der Standard, 12 March, 2018. https:// derstandard.at/2000075903699/Oesterreich-gedenkt-des-Jahrestags-des-Anschlusses (26 May 2019). 3 Beba, “Namensmauer für Shoah-Opfer in Wien,” Die Presse, 11 March, 2018 https://diepresse. com/home/innenpolitik/5386031/Namensmauer-fuer-ShoahOpfer-in-Wien (26 May 2019). 4 Karin Janker, “In vielen kleinen Schritten zum Bösen,” Süddeutsche Zeitung, 5 May, 2018 https://www.sueddeutsche.de/kultur/holocaust-gedenken-in-oesterreich-in-vielen-kleinenschritten-zum-boesen-1.3968863 (26 May 2019). 5 Matti Friedman, “What Happens When a Holocaust Memorial Plays Host to Autocrats: Yad Vashem is both a memorial of a genocide, and a tool of Israeli realpolitik,” The New York Times, 8 December, 2018 https://www.nytimes.com/2018/12/08/opinion/sunday/yad-vashem-holo caust-memorial-israel.html (26 May 2019).
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of a Trial)6 and Ruth Beckermann’s Waldheims Walzer (The Waldheim Waltz),7 which both premiered at the Austrian Film Festival Diagonale in March 2018, as well as the Austrian-Israeli documentary You Only Die Twice (Der Mann, der zweimal starb)8 by director Yair Lev that was broadcasted on March 11 during a special program commemorating the “Anschluss” on Austrian public television, all these films address blind spots within the official debate and thereby critically reflect the political condition of the contemporary Austrian society. They do so by focusing on the persistence of the past in the present, thereby adapting narrative modes of cinematically commemorating the Holocaust prevalent in contemporary Austrian cinema.
Conspiracy of Silence One day after the official state ceremony commemorating the “Anschluss”, Christian Forsch’s dramatization of one of the most controversial postwar trials against former National Socialist perpetrators premiered at the Diagonale in Graz. Adopting elements from the courtroom drama genre, Murer is based on court memos, testimonies, newspaper reports and other historical sources. Constructed as a “drama of facts” the film renewed interest in one of the most significant events in Austria’s postwar history, which largely vanished from the country’s collective memory.9 Franz Murer, son of a farmer from Styria, was in charge of “Jewish affairs” between 1941 and 1943 in the Vilnius Ghetto. In this position, he played an instrumental role in segregating, humiliating and exterminating the Jewish population of Vilnius. Known as the “Butcher of Vilnius”, 6 Murer – Anatomie eines Prozesses (Murer – Anatomy of a Trial). Film. Austria. Directed by Christian Frosch. 137 min., Vienna, Prisma Film, 2018. 7 Waldheims Walzer (The Waldheim Waltz). Film. Austria. Directed by Ruth Beckermann. 93 min., Vienna, Ruth Beckermann Filmproduktion, 2018. 8 You Only Die Twice (Der Mann, der zweimal starb). Film. ISR/A/D. Directed by Yair Lev. 91 min., Vienna, Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion, 2018. 9 Bert Rebhandl, “Das Gedächtnis aufwecken,” Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20 March, 2018 https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/film-ueber-kriegsverbrechen-beim-filmfest-dia gonale-in-graz-15502217.html (26 May 2019). Director Christian Frosch emphasized that he – as well as most of his generation – did not know about Murer before he accidently heard his name in Lithuania. One motivation for making the film was also to increase public knowledge about this significant event. See: Dieter Kassel, “Wie die Justiz den ‘Schlächter von Vilnius’ laufen ließ,” Deutschlandfunk Kultur, November 21, 2018, https://www.deutschlandfunk kultur.de/im-kino-murer-anatomie-eines-prozesses-wie-die-justiz-den.1008.de.html?dram: article_id=433746 (26 May 2019). Recently, Lukas Nievoll reviewed the trial in a compre¨ berhensive thesis: Lukas Nievoll, “Nicht ich rede, meine Wunden reden!” – Holocaust-U lebende als juristische Zeug*innen in o¨ sterreichischen NS-Kriegsverbrecherprozessen am Beispiel des Prozesses gegen Franz Murer. Diplomarbeit an der Karl-Franzens-Universita¨ t Graz, Graz 2018.
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Murer was arrested in 1947 and sentenced to twenty-five years of hard labor in the Soviet Union. Released in 1955, Murer returned to Austria and made a career in the regional farmers association. Following his arrest in May 1961, new investigations led to prosecution at the Graz jury court in June 1963. Murer was accused of murder in seventeen cases. Thirty-seven witnesses from Austria, Germany, Israel and the United States testified during the trial. Despite overwhelming evidence, the jury found him not guilty. The charges were finally dismissed in 1974.10 For Oliver Rathkolb, the Murer trial was part of a “broad apologetic process” in the 1960s.11 Concerning Austria’s postwar (legal) history and memory, Rathkolb summarizes the impact of this process as follows: “The crucial shortcoming of the Austrian judiciary and Austria as a whole is this: only a fraction of the individuals who are suspected of having been implicated during the Second World War in capital crimes committed outside the country’s current boundaries have been indicted. This is a chapter of legal history that as yet remains to be written.”12
The film Murer however does not primarily focus on the crimes committed during his service in Vilnius. Its very first scene opens in an archive. The camera accesses the record shelves and then focuses on a single file, its title indicating that the file contains documents related to the Murer case. Hence, the starting point of the film is the present and presence of the archive. The case, and correspondingly the film’s plot, unfold through archival records. Thereby, the film reveals its own historiographical perspective, indicating the construction of history, and in doing so also critically reflecting the staging during the trial itself. By adding elements from the courtroom drama genre, the film reveals the trial’s character as postwar performance of innocence.13 “Sie dürfen nur eins nicht, aus der Rolle fallen,” explains Murer’s lawyer to the defendant in one of the first scenes, clearly emphasizing that he should perform the role of an honorable citizen wrongly accused from outside Austria.14 The film does not attempt to dramatize the time of the Ghetto. To the contrary, its subject is the repressed and denied memory of Austrian active participation in the Holocaust. The first shots in the courtroom show it empty like a theater hall 10 Johannes Sachslehner, “Wie der ‘Schlächter von Wilna’ davonkam,” Spiegel Online, March 12, 2018 https://www.spiegel.de/einestages/franz-murer-wie-der-schlaechter-von-wilna-da vonkam-a-1196765.html (26 May 2019). See also Johannes Sachslehner, Rosen für den Mörder: Die zwei Leben des SS-Mannes Franz Murer (Vienna: Molden, 2018). 11 Oliver Rathkolb, The Paradoxical Republic: Austria 1945–2005 (Oxford: Berghahn, 2010), 14. 12 Ibid., 246–47. 13 Dominik Kamalzadeh, “Regisseur Christian Frosch: ‘Wenn die Justiz nicht funktionieren soll’,” Der Standard, March 13, 2018 https://derstandard.at/2000075933753/Regisseur-Chri stian-Frosch-Wenn-die-Justiz-nicht-funktionieren-soll (26 May 2019). 14 Murer – Anatomie eines Prozesses, 00:02:06–00:02:11 min.
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that slowly fills with actors and audience. The film intensifies this notion through a specific mixture of sound bites, whispering voices and fragments from speeches (such as the famous passage “Austria is free”, which Murer’s lawyer will again quote in his final plea). This many-voiced soundscape accompanies dynamic camera movements, thereby signifying the multilayered structure of the film, intersecting different perspectives and memories.15 This multidirectional stylistic composition corresponds the “multilayered constellations” of the 1960s with references to later episodes of Austrian postwar history such as the Waldheim Affair.16 In doing so, the film establishes a resonant space for the conflicting performance of memory.17 According to director Christian Frosch, the starting point for the production was indeed the final plea of the defense, echoing Leopold Figl’s “Austria is free” phrase from May 1955. In referring to Figl’s speech and the signing of the Austrian State Treaty, the plea turned Murer into a representative of Austria being wrongly accused by foreign agents and thus confirming the postwar victim theory. “Although the ‘historical fiction’ of having been the ‘first victim’ lost its pragmatic justification once the Austrian State Treaty was signed, the official self-portrayal continued to be based on the victim myth, which successfully marked – until the Waldheim controversy – the largely unquestioned, positive image of Austria as an ‘Island of the Blessed.’”18
Through interrelating 1938, 1945 and 1955 with the accusations against a war criminal in 1963, the plea unwillingly anticipated the constellation of the Waldheim Affair in 1986.19 Murer deliberately intersects these different memories in a multilayered way. In doing so, the film re-integrates the National Socialist crimes, and those who participated in committing them, into Austrian 15 Ibid., 00:02:19–00:03:40 min. 16 Rebhandl, “Das Gedächtnis aufwecken.” 17 The conceptualization of the film as a resonant memory space refers on the one hand to Hartmut Rosa’s observation that history can turn into a space of memory when past, present and future establish a dialogic and responsive relationship that results in the co-presence of different temporalities. See: Hartmut Rosa, Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung (Berlin: Suhrkamp, 2016), 505. On the other hand, the multi-sensual process that interrelates visual perception and aural experiences with memory processes functions similar to Stephen Greenblatt’s impressive description of the Jewish Museum in Prague as a relational and responsive interplay of different places, images, objects and voices. See: Steven Greenblatt, “Resonance and Wonder,” in Museum Studies: An Anthology of Contexts, edited by B. Messias Carbonell (Malden, MA/Oxford: Blackwell, 1990), 548–49. 18 Heidemarie Uhl, “From Victim Myth to Co-Responsibility Thesis: Nazi Rule, World War II, and the Holocaust in Austrian Memory,” in The Politics of Memory in Postwar Europe, edited by Richard Ned Lebow, Wulf Kansteiner, and Claudio Fogu (Durham and London: Duke University Press, 2006), 47. 19 Kamalzadeh, “Regisseur Christian Frosch: ‘Wenn die Justiz nicht funktionieren soll’.”
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Figure 1: In Murer – Anatomie eines Prozesses, the protagonist serves as representative of Austria and Austria’s conspiracy of silence concerning its National Socialist past. T Ricardo Vaz Palma – Prisma Film
cultural memory and uncovers the common practice of integrating National Socialists while at the same time repressing the controversy over Austria’s responsibility.20 This differs from other recent cinematic depictions of the Nazi past in Austrian cinema, such as in Michael Glawogger’s Das Vaterspiel (Kill Daddy Good Night).21 The film about the Austrian computer nerd Ratz working on an ego shooter game, in which he repeatedly kills his father, a social democratic minister, and Mimi from New York who hides her grandfather and his Nazi past, similarly interweaves different time frames. Set in the 1990s, the film refers back to crimes committed in 1941. Both storylines, however, are interconnected through a third layer situated in 1959 depicting the testimony of a Jewish survivor of the massacre, Mimi’s grandfather had collaborated in. While adapting crucial elements from Holocaust related films such as testimony aesthetics and transnational storytelling, Das Vaterspiel primarily focuses on blending video 20 Heidemarie Uhl, “The Politics of Memory : Austria’s Perception of the Second World War and the National Socialist Period,” in Austrian Historical Memory and National Identity, edited by Günter Bischof and Anton Pelinka (New Brunswick/London, 1997), 64–94, here: 68 (Contemporary Austrian Studies 5). 21 Das Vaterspiel (Kill Daddy Good Night). Film. Austria. Directed by Michael Glawogger. 117 min., Vienna, Lotus-Film, 2009.
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game and ego shooter aesthetics with intergenerational conflicts. The traumatic memory of the killing of the survivor’s father in 1941 thus merges with the protagonist’s fantasy to kill his own father who finally commits suicide at the end of the film. The National Socialist perpetrator family history, however, is externalized in the film.22 While Ratz’ own grandfather survived Dachau, the perpetrator-grandfather is a non-Austrian, Lithuanian immigrant to the United States. Through this plot construction the film, as well as the original novel, implicitly renew the perception of Austrians as victims through an idealized family past and the depiction of the young generation as victims of their fathers, representatives of a hypocritical political elite. Despite its transnational structure and the detailed account of National Socialist crimes in Das Vaterspiel it does not succeed in changing perspective. In contrast, the transnational and translingual elements in Murer permit a changed focus on the witnesses and their experiences.23 This is also illustrated by the film’s advertisement poster, showing only a black silhouette of Murer in its center with a background colored in redand-white. This design emphasizes that the film is not interested in one specific perpetrator but sees Murer as a typical case symbolizing the Austrian struggle of coming to terms with its past. As a result, Murer “blurs” its protagonist. Subsequently, as a specific historical figure Murer gradually vanishes in the course of the plot, which is more interested in the “ordinary” Austrians: prosecutor and defense lawyers, Murer’s former Nazi comrades and supporters, political representatives, the jury members and the cheering local crowd at the end of the film. In doing so, the film reintegrates the (denied, repressed or idealized) perpetrator history into the Austrian social fabric. In a similar way, the documentary film Liebe Geschichte (Love History)24 evoked perpetrator history within the framework of private memories. In this film, women from different postwar generations tell about their fathers’ connections to the National Socialist past. Liebe Geschichte relates these memories to different decades of Austrian postwar memory culture as well as to public places around Vienna. Thereby, the film creates a multilayered space
22 Uhl explains: “Unlike in Germany where the Nazi period became ‘normatively internalized’ as a negative-reference event, National Socialism became ‘externalized’ in Austria […].” The externalization in Kill Daddy Good Night, however, works different from the conception of National Socialism in Austria as “a phase of foreign rule standing outside Austrian history […].” In this case, the reality of collaboration and participation in occupied Eastern European countries helps to ‘rewrite’ and ‘idealize’ Austrian family history. Uhl, “From Victim Myth to Co-Responsibility,” 48. See also: Uhl, “The Politics of Memory,” 73. 23 In a similar way, Nievoll in his recent study on the Murer case changed the focus towards the witnesses in the trial: Nievoll, “Nicht ich rede, meine Wunden reden!” 24 Liebe Geschichte (Love History). Film. Austria. Directed by Simone Bader and Jo Schmeiser. 98 min., Vienna, Klub Zwei, 2010.
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for revisiting the perpetrator past as significant part of present private and public memory. Though dramatizing a postwar event, Murer is also not just another “historical drama” about postwar Austria. In fact, the historical material should rather “speak” through the dramatic reconstruction to the present audience. In doing so, the trial serves as historical reference and allegory for the present political situation in Austria. Therefore, director Christian Frosch does not consider his film a “historicizing film” but rather “politicizing”: “Rather than retelling the crimes of the Nazi regime for the millionth time, with the Murer war trial I was more interested in looking closely and comprehending how these groups, each with a fundamentally different character (perpetrator, spectator, and victim) constitute(d) the Republic of Austria. The most exciting thing is that here you can see how the Austrian national narrative worked and still works. In no way is it based on repression. The lying, obscuring, distorting, and controlling occurred knowingly. Only in this way could the perpetrators be turned into victims, and the victims be declared the actual guilty party. This process is not based on an emotional defect, but rather calculation. We have to depart once and for all from the idea that the ‘patient’ Austria merely has to integrate the facts into its consciousness in order to introduce a healing process. The facts were and are known.”25
For this reason, Murer emphasizes the performative aspect of the trial and the accompanying conspiracy of silence, maintained through an alliance of former perpetrators, postwar politicians and the legal system. This historical performance resonates with current political practices of information control and political orchestration that characterized also the strategies of the Kurz-FPÖ government.
Hidden Memories While reviewing the Austrian present through its postwar history, films like Murer also shift perspective through focusing more on the victims, their memories and testimonies. In doing so, the film integrates the missing victim perspective into Austria’s postwar memory. According to Brigitte Bailer, in the postwar years Jewish survivors “found no attention in the media. Unlike the resistance fighters, the Jewish victims could not be politically instrumentalized. Acknowledgement of the crimes perpetrated against Jews by Austrians put the theory of Austrian victimization in question. 25 “Murer – Anatomie eines Prozesses opens the Diagonale’18,” Diagonale – Festival des österreichischen Films, http://www.diagonale.at/opening-film-18-murer-anatomie-eines-pro zesses/ (26 May 2019).
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Figure 2: Murer – Anatomie eines Prozesses changes perspective and focuses on the experiences of the Jewish witnesses. T Patricia Peribanez – Prisma Film
The tendency to ignore surviving Jews also corresponded with Austrian antiSemitism.”26 This ignorance later intersected with the victimization of former perpetrators. “During the course of this metamorphosis,” Bailer explains, “the actual victims of National Socialism were pushed to the background and ignored. They, who would have reminded Austria of its guilt, were erased from the collective memory.”27 In his drama Hannas schlafende Hunde (Hanna’s Sleeping Dogs),28 Andreas Gruber interrelates a critical reflection of postwar rural Austria and its culture of concealment with the perspective of survivors confronted with a postwar conspiracy of silence. Already the film’s title addresses this topic by referring to a popular German saying that sleeping dogs should be let rest. The film however, demonstrates that in a country like Austria history, and especially the National Socialist past, never rests. Below the surface of provincial normality conflicting memories of the past persist and even resist the collective alliance of silence.
26 Brigitte Bailer, “They Were All Victims: The Selective Treatment of the Consequences of National Socialism,” in Austrian Historical Memory and National Identity, edited by Günter Bischof and Anton Pelinka, 103–115, here: 104. 27 Ibid., 106. 28 Hannas schlafende Hunde (Hanna’s Sleeping Dogs). Film. Austria. Directed by Andreas Gruber. 124 min., Wels, ProvinzFilm, 2016.
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Suppressed memories constantly return in humiliating phrases, in thoughtless acts, in familiar rituals or even in behavior-related repercussions. Set in Wels during the 1960s, a region where the director himself grew up at the very same time, things seem to be settled. Catholicism unites the small community and some inhabitants enjoy preserving old military traditions and commemorate dead comrades from the Second World War. However, already the opening sequence demonstrates that the town and its inhabitants are still affected by sudden reminders of the past. When nine-year-old Johanna and her family are evacuated because construction workers detected unexploded munitions outside their housing complex, with the explosives also shameful family secrets are unearthed.29 Based on a semi-autobiographical novel by Elisabeth Escher, Hannas schlafende Hunde explores a young girl’s search for her true heritage and her family’s past as she grapples with a newfound identity. In his film, Andreas Gruber shifts the perspective away from the Austrian center stage in Vienna and focusses instead on rural communities and how they dealt with the legacy of the past. The film has to be seen against the special treatment of the legacy of National Socialism in Austria, not going through the same process of de-Nazification as Germany did after the Second World War.30 Correspondingly, the film examines the persisting resentments and the sense of victimhood that are woven into the fabric of the Austrian post-war society. In one scene of the film, Hanna sings in front of veterans from the Second World War during a commemoration ceremony for fallen Wehrmacht soldiers and Nazi comrades, which ends with the collective silent singing of a SA anthem.31 This performance emphasizes alternative memories of fighting and suffering during the war that opposed the dominant victim theory and constituted a “counternarrative”: “Already in the late 1940s, other narratives about the war emerged – about ‘heroism’ of the soldiers and about the suffering of the Heimat population under the impact of war – that explicitly countered the designation of Austria as the ‘first victim of National Socialism’ […]. Above all, commemoration ceremonies and monuments to the fallen soldiers of the German Wehrmacht became the sites of this counternarrative to the victim thesis.”32
Other scenes adopt imagery from the visual memory of the Holocaust, such as one of the opening scenes showing the harassing anti-Semitic war veteran and janitor gassing a mole, or Johanna standing next to passing freight trains with her 29 30 31 32
Ibid., 00:08:10–00:13:08 min. Uhl, “The Politics of Memory,” 71. Hannas schlafende Hunde, 01:03:14–01:04:55 min. Heidemarie Uhl, “Of Heroes and Victims: World War II in Austrian Memory,” Austrian History Yearbook 42 (2011): 185–200, here: 185.
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blind grandmother who after the war hid her Jewish identity.33 In these scenes, Hannas schlafende Hunde focuses on the presence of a past that is not yet buried under memorials and commemorative events but still challenges contemporary Austria, and simultaneously reestablishes and reimagines a shared but contested Jewish-Austrian history. In a similar way, Murer foregrounds two hidden realities, the reality of the persisting Nazi past, referring explicitly to the counter narratives in private (family) memories, and the repressed memory of the victims. This is also the case in Back to the Fatherland, an Austrian-Israeli documentary film that investigates the contact points between both societies. The conflicting memories of the Holocaust are formative for this relationship in bridging and dividing directions. Focusing on two Jewish-Israeli families, Back to the Fatherland illustrates the biographical and cultural ties of the first generation of Austrian Jews that were expelled from their home country and relates them to journeys of delayed return when the third generation of Jewish-Israeli Austrians travels to Austria and Germany. This multiple entangled relationship is further complicated through the family histories of the two female directors, Kat Rohrer, who describes herself as granddaughter of a “super Nazi”, and Gil Levanon, whose grandfather is a Holocaust survivor.34 Similar to Murer, Back to the Fatherland intersects Austrian and Jewish-Israeli memories and makes them discernible in the present. By additionally integrating discussions about the current political situation in Israel and the Middle East, both directors suggest interpreting the persisting presence of the past within a framework of the unsolved Israeli-Palestinian conflict. Murer in contrast presents the Jewish perspective as hidden and different to the Austrian (self-) perception, as a mostly rejected but very intense approach to the past that is changing how to look on Austrian postwar reality, especially in rural areas. With the traumatic memories of the crimes committed by Austrians in Vilnius and other places, the voices of the survivors constitute another counter narrative. At the same time, they establish a space for resonance that depends “upon a felt intensity of names, and, behind the names, as the very term resonance suggests, of voices: the voices of those who chanted, studied, muttered their prayers, wept, and then were forever silenced.”35 This space for resonance harbours multi-layered and conflicting memories that constitute an entangled Austrian-Jewish-Israeli history. In Murer, the presence of the Yiddish language intensifies these resonance effects.
33 Hannas schlafende Hunde, 00:06:43–00:06:59 min. 34 Judy Maltz, “Why Would an Israeli Grandchild of Holocaust Survivors Move to Germany,” Haaretz, October 6, 2017 https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-why-do-israeligrandkids-of-holocaust-survivors-move-to-germany-1.5455634 (26 May 2019). 35 Greenblatt, “Resonance and Wonder,” 549.
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In the Austrian-Israeli documentary film You Only Die Twice, the entangled nature of history is visualized through the personal journey of the filmmaker Yair Lev who travels from Tel Aviv to Innsbruck in order to uncover the mystery of his grandfather’s doppelgänger. Following an unexpected inheritance after the death of a distant family relative, Lev’s mother is confronted with an unknown death certificate issued on the name of her father, revealing a man with the same name and I.D., born on the same date and in the same place. The film’s journey reconstructs a complex biography interrelating prewar and wartime Jewish experiences in Austria as well as interconnected Jewish and non-Jewish lives in postwar Austria. Based on archival documents, testimonies and the visit to different places, the director operates as a detective, investigating the present Austrian society and excavating hidden Jewish memories from postwar decades. Teaming up with historian Nico Hofinger, Lev tells the story of his father and the other Ernst Beschinsky as entangled history interrelating different perspectives and voices. Accompanying the film, Hofinger published the other Beschinsky’s story based on sources he had discovered in different archives and private collections. The book Maneks Listen, written as a historical novel from the perspective of the Jewish survivor who borrowed the identity of a prewar friend, thus gives voice to hidden and largely forgotten memories.36
Tracing the Past In her most recent film Waldheims Walzer, Ruth Beckermann engages with a crucial episode from Austria’s postwar history dating back more than 30 years ago. In 1986, former Austrian Foreign Minister and UN Secretary General Kurt Waldheim lined up for becoming Austria’s Federal President. During his election campaign, which was based on the slogan “The Austrian who is trusted by the world”, a journalist from the Austrian magazine Profil revealed information and historical proof that challenged Waldheim’s own version of his role during the Second World War. Waldheim had repeatedly stated that he was on duty at the Eastern Front in 1941 but then returned to Vienna for finishing his legal studies after being wounded. “The first time Austria saw itself seriously confronted with its Nazi past was during the Waldheim debate. Waldheim’s comment that he ‘had only done exactly what hundreds of thousands of Austrians had done, namely fulfil my duty as a soldier,’ all of a sudden revealed the contradictions inherent in the country’s official version of the past, especially its assessment of military service in the Wehrmacht.”37 36 Nico Hofinger, Maneks Listen (Innsbruck: Limbus, 2018). 37 Uhl, “The Politics of Memory,” 81.
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As an activist, Beckermann was personally involved in the protests against Waldheim’s presidency. During these months she documented the election campaign and her own activities on video. Her reencounter with these recordings from 1986 some years ago became the initial point for making Waldheims Walzer, which reconstructs the months after the revelation of Waldheim’s involvement with Nazi organizations solely on the basis of her own as well as other archival film footage, mainly preserved in broadcasting archives around the world. In doing so, the film became her first full “compilation film”. By reconstructing the events from different perspectives of various parties involved in the controversy (Waldheim, his family, the Austrian Peoples Party, the Austrian media and public, political activists in Austria, international Jewish organizations, USAmerican politicians) she created a complex and multiple entangled mosaic of the past events. Even more so, by focussing on the chronological course of the controversy, Waldheim’s attempts of twisting the facts and reframing his own biography as well as his and his party’s strategy to present himself as a victim of a Jewish conspiracy, Beckermann’s film resonated strongly with Austria’s contemporary political landscape. Dwelling deeply into the past events, the film offers the audience not only a history lesson but intends to actively engage its viewers in analysing the Waldheim affair and its protagonist as a prototypical event in Austria’s recent history, which still affects the present. Therefore, Beckermann explored different Austrian and international archives and excavated footage in order to let the archive speak. Her film opens with a sequence of Waldheim performing at a campaign rally. Beckermann who is herself commenting most of the footage and explaining the events in the voice-over, directs our interest towards Waldheim’s hands.38 Those are constantly moving, conjuring, concealing and enclosing. These hands symbolize restlessness, defence and also latent aggression. They resonate with a later sequence that shows the candidate conducting a rural marching band, hence putting himself in the position of controlling command. The montage of the footage in correlation with Beckermann’s comments and in constellation and confrontation with other images treats the archive as a witness that provides us not only with historical knowledge about the events but also gives us an impression of the psychological and political dynamics as well as the broader context, in which this controversy emerged. Hence, most disturbing are those parts of the film, which Beckermann recovered from her own personal archive. These sequences document the outburst of antisemitic resentments on the streets of Vienna during the controversy. Thereby, Waldheims Walzer is also a way of unarchiving what is buried in the archives, of making visible and re-
38 Waldheims Walzer, 00:05:17–00:05:42 min.
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Figure 3: In Waldheims Walzer, Waldheim’s hands symbolize restlessness, defence and also latent aggression. T Ruth Beckermann Filmproduktion
encountering what some might see as chapter of distant history, but which is actually very relevant for our current age. This corresponds to techniques utilized by Beckermann also in her other films, which can be described as attempts of tracing Austria’s past and present. Beckermann’s films often emphasise the simultaneity of both temporalities, a certain kind of co-presence of past and present that interact and merge with each other. Furthermore, her films preserve the past, foremost the Austrian Nazi past, as well as the present “Austrian condition” in the form of traces. Her films offer no absolute and final analysis, neither of Austrian history nor of Austria’s political and social present state. In contrast, they demonstrate how the unsolved past still affects the present, and how important it is observing closely the present situation in order to understand the dynamics of enduring disturbing memories. This infinite interrelation of past and present in Beckermann’s films can be captured as “shades of memory”, as which she had described the main element of her unique portrait of reactions to the controversial traveling exhibition War of Annihilation: Crimes of the Wehrmacht 1941–1944 in her film Jenseits des Krieges (East of War).39 While the exhibition was interested in historical facts that were presented within a specific historical context, Beckermann’s film was intended as a cinematic experiment that should intertwine specific shades of individual memories by intersecting and confronting various perspectives and scopes of 39 Jenseits des Krieges (East of War). Film. Austria. Directed by Ruth Beckermann. 117 min., Vienna, Aichholzer Filmproduktion, 1996.
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action.40 This approach, however, can be identified in principle also in several of her other films, even though Jenseits des Krieges owns a unique place in her cinematic work due to the fact that it specifically inquires, thereby echoing also parts of Murer and Hannas schlafende Hunde, the memories of the Austrian perpetrators and bystanders while most of her other films trace the biographies and fates of those that were displaced and expelled from Austria in the 1930s, and thereby correspond the shift in perspective mentioned above, giving voice to hidden and suppressed memories. This illustrates her unique perspective of alternating an external/internal perspective on the Austrian postwar condition. This state of simultaneous displacement and belonging turns her films into a cinematic seismograph of memory, an “index” of the specific Austrian ways of dealing with the countries past.41 This specific attribute is the reason of the multitude of cinematic forms Beckermann uses to document and trace Austria’s past and present. Varying from more observing approaches to the collection of oral history and testimonies, experiments with reenactments and to the appropriation of archive footage, her films adapt various documentary modes in order to establish a responsive cinematic debate about Austrian memory culture. In one of her first films about Austrian history and memory, Beckermann together with her co-director Josef Aichholzer portraits Franz West who tells in Wien retour (Return to Vienna)42 about his life as a young Jew in Vienna’s second district during the 1920s and 1930s, his encounters with the social democrat and communist labour movements, his experiences with Austro-Fascism and the Nazi rise to power in Austria. Wien retour offers a kind of blue print for many of Beckermann’s later films. It clearly intends to explore the traces of the past that constitute alternative memories and challenge the official narrative of Austrian history.43 In doing so, the film reviews versions of history, especially concerning the controversial topics of Austro-Fascism and the “Anschluss”, that were dominant in those years. At the same time, Wien retour is a document of the failure of Jewish emancipation and assimilation in Austria in the interwar period.44
40 Ruth Beckermann, “Jenseits des Krieges: Drehtagebuch,” in Ruth Beckermann, edited by Alexander Horwarth and Michael Omasta (Vienna: Synema, 2016), 81–82. 41 Bert Rebhandl, “Das ewige Thema: ‘Judenkind, Flüchtlingskind, Wirtschaftswunderkind’ – Die Identifikationen von Ruth Beckermann,” in Ruth Beckermann, edited by Alexander Horwarth and Michael Omasta, 8. 42 Wien retour (Return to Vienna). Film. Austria. Directed by Ruth Beckermann. 91 min., Vienna, Filmladen Filmverleih, 1983. 43 Christa Blümlinger, “Studien zur Bodenlosigkeit,” in Ruth Beckermann, edited by Alexander Horwarth and Michael Omasta, 53. 44 Rebhandl, “Das ewige Thema,” 17.
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From a formal point of view, the film is an example of new modes of oral history originating in the early 1980s. However, other than simply recording memories from the past, Wien retour is giving voice to its protagonist and main witness. It constitutes an audible history that confronts the present with shades of memory that were silenced, overlooked or suppressed. Although Beckermann and Aicholzer mainly base their film on Franz West’s reports, also their use of archive footage is significant. Bert Rebhandl observed a remarkable political and poetic use of historical images, especially in the last sequences of the film.45 Beckermann and Aichholzer indeed included rare photographs and largely unseen footage in their film. However, they do not use this imagery to simply illustrate Franz West’s reports. To the contrary, this footage resonates in complex ways with West’s spoken words. This establishes, as Christa Blümlinger emphasises, an interrelated “space of speech” and a “living archive”.46 Moreover, Wien retour also reflects these historiographic operations that are necessary to render the traumatic past audible. The last minutes of the film commemorate Franz West’s family murdered in the Shoah. Previously recorded on a tape, this commemorative speech act is presented as disembodied testimony.47 Mediated by a technical apparatus, a tape recorder, the persisting memories punctuate the present. Persisting memories from the past that interrupt the present are subject of two very different films by Ruth Beckermann that share a specific interpretation of the observational documentary mode. Both films, Jenseits des Krieges on the one hand and Homemad(e)48 on the other, are based on Beckermann’s encounters with people and those people’s encounters with her camera. The camera thereby triggers specific situations, a variation of strategies known from cinema verit8. As audience, we do not only observe how the people act in in their specific social environments. We also witness specific ways of interacting with and confessing to the camera. Other than Homemad(e), which is a rather personal, even partly autobiographical film, that offers the micro-history of a street in Vienna’s first district and its inhabitants, Jenseits des Krieges is close to a psychological study on memories of war and violence. Hence, the film establishes an experimental arrangement that enables Beckermann to vivisect Austrian memory culture on a very personal as well as communicative level. In doing so, the film does not primarily document individual processes of suppressing historical truth and rewriting history through memory. By observing encounters of the visitors with the exhibition, with Beckermann and her camera and with other visitors, the film 45 46 47 48
Ibid., 18. Blümlinger, “Studien zur Bodenlosigkeit,” 53. Wien retour (Return to Vienna), 01:19:38–01:27:56 min. Homemad(e). Film. Austria. Directed by Ruth Beckermann. 85 min., Vienna, Ruth Beckermann Filmproduktion, 2001.
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offers the opportunity to question, to insist and to continue inquiring processes of (individual and collective) memory.49 Hence, Jenseits des Krieges became a meaningful document of the Austrian post-Waldheim condition. It demonstrated how much Austrians from the war generation were indeed affected by National Socialism and the experience of the Second World War, and it emphasised that these memories are a constitutive part of Austrian commemorative culture. Jenseits des Krieges thus confirmed Uhl’s observation of a strong counternarrative to the victim thesis, which dominated the private sphere during the 1960s as Murer and Hannas schlafende Hunde indicated. This counternarrative however, and this is a crucial insight of East of War. even outlived the fundamental transformation of Austrian memory culture following the Waldheim Affair. In contrast to the vivisection of collective memory within the framework of a cinematic experimental arrangement in Jenseits des Krieges, Beckermann’s other observational documentary, Homemad(e), constitutes a micro-historical approach that is based on traces encapsulated in everyday life. In this film, Beckermann portraits her own street, the Marc-Aurel-Strasse in the first district, with its coffeehouses and small shops. A central protagonist of the film is Adi Doft, a Jewish tailor, a last remaining representative of the street’s Jewish past. By opening the film with him and his account of family members lost in the Shoah, Homemad(e) sets the memories from the Holocaust as a significant memory frame resonating with today’s transcultural character of this unique “village” in the centre of Vienna as well as with the significant political transformation towards a government including the FPÖ, taking place during the shooting of the film. Past and present constantly merge in Homemad(e). The persisting memories from the past suddenly appear in Beckermann’s conversation with Senta Segall “like a film”.50 However, they are present and absent at the same time. Within the specific setting, they return in the resonant atmosphere of the coffeehouse. In the film’s montage, the memories from the Holocaust also resonate with the present reality of the first conservative-far right government from 2000. Austria’s history is not fully enclosed. The past clearly overlaps into the present. This overlap interconnects the personal encounters in Homemade(e) with Beckermann’s exploration of the Waldheim Affair as a significant turning point in Austria’s postwar history, and especially also for her and her generation. In reviewing the mediated memories of the controversy as well as her own activist 49 Jean Perret, “Nichts gewusst, nichts gesehen: Ein fundamentales Werk über Schuld und Verdrängung – Jenseits des Krieges,” in Ruth Beckermann, edited by Alexander Horwarth and Michael Omasta, 94. 50 Homemad(e), 00:53:36–00:53:44 min.
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archive, Waldheims Walzer is an attempt to relate the archive to the present that is shaped by a new version of a black-and-blue government. It utilizes archive footage in order to render an absent memory visible, to let it resonate with both, the Austrian past as well as with the present condition. Only some years before Waldheims Walzer Beckermann had appropriated another significant cinematic shade of memory in form of a short piece of archive footage that originated from a homemovie depicting the days following the so called “Anschluss” in March 1938 in Vienna. The footage shows the public humiliation of Viennese Jews that were forced to wash the streets with their bare hands.51 This footage revives iconic photographs that reintegrated these events into Austrian visual memory during the late 1980s following the Waldheim controversy.52 However, in contrast to the still photographs the moving amateur film footage vividly expresses the cheering reactions of the perpetrators and bystanders smiling into the camera, an aspect, which Beckermann even intensified through the use of slow-motion and other cinematic techniques.53 In doing so, the short ephemeral film fragment became “the missing image” complementing official narratives of Austria’s culture of memory. Beckermann appropriated this film in form of an extended slow motion loop projected on two screens as a counter-image and counter-narrative to one of Austria’s national commemoration spots, the memorial for the victims of war and fascism designed by Alfred Hrdlicka in 1988 with its controversial figurative sculpture of a street-washing old Jew.54
51 Amateur Shots in Vienna, Spring 1938. 9.5 mm film. Directed by Walter Nitsche. 10 min., Vienna: Austrian Film Museum, 1938, 10:08–10:17 min. http://efilms.ushmm.org/film_ player?movieID=11& movieSig=EF-NS_011_OeFM& movieSpeed=16 (26 May 2019). 52 Uhl emphasizes that through the inclusion of the photographs depicting Jews washing the streets of Vienna in March 1938, “the pogrom following the Anschluss has been moved to the center of the picture. The humiliation of Jewish Viennese is now seen as the specifically Austrian contribution to the Nazi politics of annihilation; these events came to symbolize the guilty entanglement of the entire Austrian nation in the expulsion and extinction of the Jewish population.” Uhl, “From Victim Myth to Co-Responsibility,” 65. 53 In her book Unzugehörig, Beckermann asks why nobody ever was looking for these grinning and cheering bystanders that were visible on photographs from 1938. Ruth Beckermann, Unzugehörig: Österreicher und Juden nach 1945 (Wien: Ernst Löcker Verlag, 2005), 12. 54 Beckermann fiercely criticized Hrdlickas’s memorial, especially the sculpture of the street washing old Jew. For her, this depiction expressed the misconception that the Jews passively obeyed: “Was immer dieses Denkmal den Wienern sagen will, mir sagt es: Im Staub seid ihr gelegen. Auf dem Bauch seid ihr gerutscht. Und das ist heute unser Bild von euch. Fünfzig Jahre danach formen wir euch nach diesem Bild. Als frommen Alten. Das rührt ans Herz und rückt die Opfer gleichzeitig in angenehme Distanz; suggeriert es doch, daß die Juden ein seniles, alterschwaches Volk waren, dessen natürlicher Tod bevorstand.” Beckermann, Unzugehörig, 14. In a distancing way, the sculture perpetuates a false image of Jews as old and weak people.
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Figure 4: In Ruth Beckermann’s installation The Missing Image a short ephemeral film fragment completes the historical narrative of Alfred Hrdlicka’s Monument against War and Fascism at Albertinaplatz in Vienna. T Ruth Beckermann Filmproduktion
The installation The Missing Image55 adds another layer to Hrdlicka’s memorial that emphasizes those shades of memory that Austrians most of the time faded out when commemorating the countries alliance with the Nazi atrocities, even after officially accepting responsibility. This adding of another layer is at the same time a completion.56 The amateur images from cheering people and the
55 The Missing Image. An installation by Ruth Beckermann. March 12 – November 10, 2015. Albertinaplatz, Vienna http://www.themissingimage.at/home.php?il=2& l=en (26 May 2019). 56 Accordingly, a plague attached to the side of the monitors explained: “The installation relates to the bronze figure depicting the Jews washing the streets after the so-called “Anschluss” in March 1938. Ruth Beckermann completes the scene by adding the missing images of laughing spectators.” Quoted in: Katya Krylova, The Long Shadow of the Past: Contemporary Austrian Literature, Film, and Culture (Rochester/New York: Camden House, 2017), 128.
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terrified gazes of the young Viennese Jews are indeed the missing image, because Hrdlicka’s memorial sculpture presents a cropped image. Someone, Beckermann once explained, took the photos of the kneeling, street washing Jews and cut away the bystanders, all of them ordinary people. In doing so, the “eternal Jew” turned into the “eternal victim of unattributed violence.”57 Integrating the amateur film clip as missing image, Beckermann appropriated the archive as a lost (and rejected) trace. Therefore, she “worked with this film clip for several months, slowing it down and zooming in on particular section (for example, of hands scrubbing the pavement), in order to bring out the detail in the clip.”58 Utilizing cinematic techniques of questioning the archival images, Beckermann in The Missing Image as well as in Waldheims Walzer demonstrates the ability of the medium film to challenge dominant historical narratives and emphasize the interrelation of past and present, a form of co-presence that renders the persisting traces of the past audible and visible.
Conclusion All three films discussed in this article approached archives as places of forgotten stories and missing links that are able to mediate new resonant relationships between past and present. In these films, archival excavation is a complementing practice that tracks hidden traces and uncovers unheard or excluded memories. During the memorial year 2018, Murer, You Only Die Twice and Waldheims Walzer reintroduced forgotten, marginalized and also uncomfortable episodes and memories from Austria’s postwar history into the public debate. In doing so, they did not only shed light on the specific “highly selective ‘specifically Austrian way of remembering and forgetting’,” which became so obvious after the Waldheim controversy, and “have featured prominently in Austria’s political culture and continue to be renegotiated in historical and political conflicts about a range of political issues.”59 As part of curated cultural and media events, they also offered counter-narratives to the official commemoration activities. Broadcasted on Austrian television in context of the “Anschluss”-commemoration, You Only Die Twice recalled the complex and complicated postwar Jewish-Austrian relationship and emphasized the intersection between Austrian and Jewish-Israeli personal and collective memories. Opening the Diagonale in Graz in March 2018, Murer turned the festival into an alternative commemoration event that interconnected the Austrian National Socialist past with a postwar apologetic period of silencing and 57 Beckermann, Unzugehörig, 15. 58 Krylova, The Long Shadow of the Past, 125. 59 Uhl, “From Victim Myth to Co-Responsibility,” 62.
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the present political situation. This was even intensified by Waldheims Walzer, which also premiered during the Diagonale. The performance character of the Murer trial as well as the techniques of denial and rhetorical re-framing that became obvious through Beckermann’s montage resonated with a present, in which Austrian politicians, even those from the far right, accept the responsibility for the National Socialist past and commemorate the Holocaust, paired however with attempts of downplaying traditional antisemitism by emphasizing the “imported” hatred of Jews or equating the electorate of a populist right-wing party with the expulsion of Jews from Austrian society after the “Anschluss”. In this context, the cinematic memory of public figures such as Murer or Waldheim functioned as implicit statement concerning the new Austrian government.60 Robert Herzstein who as historian helped with his archival research to uncover Waldheim’s National Socialist past later emphasized the elected Austrian president’s special feature. “Waldheim,” Herzstein wrote, “is interesting because ultimately, he is so ordinary. Waldheim, the ‘as if ’ person, can turn himself into a German officer, and, when the source of authority changes, into a victim of the Nazi regime.”61 Waldheim, Murer and many other Austrians who comfortably adapted the “double speak” of Austria’s postwar politics of memory successfully cultivated this “as if”.62 They did this in order to continue with their lives unburdened. Today, the flexibility of “as if” enables politicians to adapt to the new performance of memory and at the same time express inciting or discriminatory language.63 The survivors who were ignored and silenced by the postwar Austrian society did not had the comfort of the “as if”. For the “other” Ernst Beschinsky portrayed in You Only Die Twice the “as if” was a matter of survival, not only the war but also the postwar conspiracy of ignorance and silence.
60 Rebhandl, “Das Gedächtnis aufwecken.” 61 Robert Edwin Herzstein, “The Present State of the Waldheim Affair : Second Thoughts and New Directions,” in Austrian Historical Memory and National Identity, edited by Günter Bischof and Anton Pelinka, 116–134, here: 123. 62 Uhl, “The Politics of Memory.” 63 Ruth Wodak, The Politics of Fear: What Right-Wing Populist Discourses Mean (London: Sage, 2015).
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Austria’s “Gedenkjahr 2018”. The Past in the Focus of Public Communication Dirk Rupnow The Year of Memory and Commemoration 2018 – A Retrospective One aspect of current right-wing populist discourse is that it is characterized by an irritating instrumentalization of what has become globally established Holocaust memory. Taking the example of the official Austrian Year of Memory and Commemoration 2018, the discourses and strategies of right-wing ruling parties will be analyzed and counter-discourses will be highlighted. Keywords: Commemorative Year 2018 – Right-wing Populism – Holocaust Memory
Petra Bernhardt / Karin Liebhart Commemorative Year 2018: Remembering in the Focus of Political Online Communication The article engages in the Austrian Commemorative Year 2018 in the focus of political online communication. On the basis of a multi-modal qualitative content analysis of official social media entries of two central political actors – the Austrian Federal President Alexander Van der Bellen and the Austrian Federal Chancellor Sebastian Kurz – the article reconstructs thematic focal points in the Commemorative Year 2018 and asks what lessons the two politicians derive from the past for the present. The article shows that the two politicians not only weight their references to the past differently in social media entries, accentuating them with image types, but also take contemporary society into account to a different
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extent. Hence, remembering appears once more as a process of actualization, which is to a large extent shaped by current political interests. Keywords: Commemorative Year 2018 – Political Communication – Social Media
Patrick Aprent The Discourses that Shaped the 2018 Commemorative Year. A digital analysis of Austrian print media based on the “Austrian Media Corpus” (AMC) This article explores and reflects the discourse on the Austrian Year of Memory and Commemoration 2018 in public print media. The empirical data basis for this was provided by the “Austrian Media Corpus” (AMC) – one of the largest German-language digital text corpora, hosted by the Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) at the Austrian Academy of Sciences (OeAW). One of the major challenges, and the main aim of the project, was to set up a methodological and technical framework, since this corpus had not yet been used outside of linguistic research. Matthias Lemke’s “Blended Reading” – a concept that effectively combines computer-assisted, quantitative text analysis (distant reading) with qualitative text analysis (close reading) – was applied as a strategy to analyze greater numbers of textual sources. The “Leipzig Corpus Miner” (LCM) was used as the main software, providing a wide range of text mining methods in combination with a management system for qualitative text analysis and annotation. Within this framework, the print coverage was analyzed and major debates examined. This process was thoroughly documented to introduce methods applied on case examples and to contribute to the discussion on how digital methods such as text mining could enrich research in the humanities. Keywords: Commemorative Year 2018 – Media Discourse – Digital Humanities
Tobias Ebbrecht-Hartmann Blind Spots, in the Present. The National Socialist past in recent Austrian films Many recent Austrian films engaging with the country’s National Socialist past do not reconstruct wartime events. They rather focus on the present or on significant postwar events in order to indicate the aftereffects, continuing traces and persisting memories of the Holocaust. In doing so, documentary films such as Waldheims Walzer (The Waldheim Waltz) or dramatizations such as Murer – Anatomie eines Prozesses (Murer – Anatomy of a Trial) review the history of postwar ignorance and silence and utilize it as an allegory for critically analyzing contemporary political conditions, especially concerning the rise of populist
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right-wing politicians and parties. Autobiographical films such as You Only Die Twice (Der Mann, der zweimal starb) indicate a change in perspective, integrating Jewish-Israeli experiences into Austrian memory as well. The article analyzes these films in the context of recent shifts in Austria’s culture of commemoration and in relation to certain tendencies in Austrian cinema’s engagement with the National Socialist past. Keywords: Austrian Cinema – Holocaust Films
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Markus Stumpf/Herbert Posch/Oliver Rathkolb (Hg.), Guido Adlers Erbe. Restitution und Erinnerung an der Universität Wien (Bibliothek im Kontext, Bd. 1, hg. v. Stefan Alker-Windbichler, Murray G. Hall & Markus Stumpf), Göttingen 2017, 314 Seiten. „An [Richard] Meister und seine Schützlinge traut sich niemand heran! Wenn in absehbarer Zeit die Besatzungstruppen wieder abgezogen sind, dann wird die ganze ehemalige Clique mit [Oswald] Menghin und Konsorten bald wieder oben auf sein.“1
Dieses Zitat aus einem Brief Rudolf von Fickers an Egon Wellesz vom 24. Dezember 1946 bezog sich auf den Fortgang der Erhebungen gegen Erich Schenk, der führend an der „Arisierung“ des Besitzes von Guido Adler mitgewirkt hatte. Ficker und Wellesz, die beide Schüler von Adler waren, erkannten bereits kurz nach Kriegsende, dass sich an der Universität alte Seilschaften aus Deutschnationalen, Proponenten des austrofaschistischen Regimes und Nationalsozialisten, gestützt durch Ministerialbeamte wie Otto Skrebensky, wieder etablieren würden. Diese Professoren hatten an der Rückkehr der vertriebenen Kollegen und Kolleginnen bzw. der Restitution geraubter Sammlungen und Vermögen keinerlei Interesse. Einige von ihnen hatten selbst Villen und Wohnungen bzw. Mobiliar und Bibliotheken „arisiert“.2 Ficker und Wellesz sollten mit ihrer Vermutung Recht behalten; viele Universitätsprofessoren um Richard Meister machten in den späten 1940er- und 1950er-Jahren wieder an der Universität bzw. an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Karriere, darunter auch die ehemaligen NS-Dekane Viktor Christian, Fritz Knoll, Karl Mayrhofer und Eduard Pernkopf. Der oben zitierte Brief betraf neben Erich Schenk vor allem Richard Meister, der 1949/50 Rektor der Universität und von 1951–1963 Präsident der ÖAW war, sowie Oswald Menghin, ein persönlicher Freund von Richard Meister. Menghin war 1938 Unterrichtsminister im Kabinett von Arthur Seyss-Inquart gewesen. Gegen ihn lief nach 1945 ein Kriegsverbrecherverfahren, dem er sich durch Flucht nach Argentinien entzog. Nachdem dieses Verfahren im Jahr 1956 eingestellt worden war, erfolgte 1958 die Emeritierung als österreichischer Universitätsprofessor, im Oktober 1959 wurde Menghin an der ÖAW in den Stand eines korrespondierenden Mitglieds im Ausland versetzt.3 Der etwas weniger prominente Erich Schenk machte trotz seiner NS-Vergangenheit wissenschaftliche Karriere. 1944 1 Zit. n. Markus Stumpf, Raub und Rückgabe der Bibliothek und des Nachlasses Guido Adlers – Anmerkungen und Aktualisierungen, in: Markus Stumpf/Herbert Posch/Oliver Rathkolb (Hg.), Guido Adlers Erbe. Restitution und Erinnerung an der Universität Wien, Göttingen 2017, 83–202, 158. 2 Vgl. ebd., 158–160. 3 Vgl. Johannes Feichtinger/Dieter J. Hecht, Die Entnazifizierung an der Akademie der Wissenschaften, in: Johannes Feichtinger/Herbert Matis/Stefan Sienell/Heidemarie Uhl (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938–1945, Wien 2013, 171–185.
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war er zum korrespondierenden Mitglied der ÖAW und 1946 zum wirklichen Mitglied gewählt worden. Im Jahr 1950 wurde er Dekan der philosophischen Fakultät der Universität Wien und 1957 schließlich deren Rektor.4 Schenks ungebrochener Antisemitismus sowie seine führende Beteiligung an der „Arisierung“ der Bibliothek und des Nachlasses von Guido Adler taten seiner Karriere und den vielen Ehrungen nach 1945 keinen Abbruch. Im Hauptbeitrag des vorliegenden Buches beschreibt Markus Stumpf auf 125 Seiten akribisch den Raub und die langwierige Rückgabe der Bibliothek und des Nachlasses von Guido Adler (1855–1941) in mehreren Tranchen bis zum Verkauf eines Teiles an die Universität Georgia in den USA 1948/49. Stumpf zeigt eindrucksvoll, dass Schenk mit seinen Mitstreitern – Universitätsangehörige, Rechtsanwälte und Gestapobeamte – nicht nur das Werk von Guido Adler irreversibel zerstörte, sondern mit seiner Gier nach der Bibliothek und dem Nachlass auch das Schicksal von Melanie Adler, der Tochter Guido Adlers, beeinflusste. Guido Adler starb am 15. Februar 1941, an jenem Tag, an dem der erste Deportationstransport von Wien nach Opole ins „Generalgouvernement“ abging. Damit endeten das Leben und die Karriere einer herausragenden, schillernden Persönlichkeit, die zwischen Prag und Wien die Musikwissenschaft seit den 1880erJahren prägte. Das vorliegende Buch über Guido Adler ist ein ambitionierter Versuch, die Komplexität der Interaktion zwischen seinem Schaffen als Wissenschafter, Musikkritiker und Kulturschaffender darzustellen. Den Angelpunkt bildet dabei das Schicksal der Bibliothek und des Nachlasses, die zwischen dem Musikwissenschaftlichen Seminar, der Nationalbibliothek und weiteren Institutionen aufgeteilt wurde. Adler, der zunächst eine Professur in Prag innehatte, gründete nach seiner Übersiedlung nach Wien im Jahr 1898 das Musikwissenschaftliche Institut an der Universität Wien und war von 1894 bis 1938 Herausgeber der „Denkmäler der Tonkunst in Österreich“. Er organisierte auch mehrere internationale Kongresse, darunter die „Hayden-Zentenarfeier“ 1909 und die „Beethoven-Zentenarfeier“ im Jahr 1927, dem Jahr seiner Emeritierung. Ein wichtiges Wesensmerkmal der Arbeit von Adler war seine umfangreiche internationale Vernetzung.5 Der Vernetzung von Guido Adler und seiner Bedeutung für die Musikwissenschaft in Wien widmen sich auch die anderen Beiträge des Buches, die die Vielfalt des Gegenstandes beeindruckend darstellen. Beginnend mit Barbara Boisits, die sich im Kapitel „Ein diligens pater familias der Musikwissenschaft?“ mit der Person von Guido Adler (15–30) auseinandersetzt; Fritz Trümpi, der den „,Musikstadt 4 Zu Erich Schenk vgl. Michael Staudinger, Musikwissenschaft an der Universität Wien 1945–1955, in: Margarete Grandner/Gernot Heiss/Oliver Rathkolb (Hg.), Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955, Innsbruck/Wien 2005, 156–173. 5 Vgl. zum Adlers Leben und Werk seine Autobiografie: Guido Adler, Wollen und Wirken. Aus dem Leben eines Musikhistorikers, Nachdruck, Hamburg 2012.
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Wien‘-Topos als Instrument der nationalsozialistischen Herrschaftssicherung“ behandelt; Clemens Zoidl beschreibt die Geschichte des Instituts für Musikwissenschaft an der Universität Wien nach Guido Adler; Wolfgang Fuhrmann thematisiert die Bibliothek Guido Adlers als wissenschaftsgeschichtliches Dokument; Philip V. Bohlman und Bruno Nettl stellen Adlers Rezeption in Amerika dar. Zwei zentrale Beiträge bestehen aus zwei kommentierten Listen der 2012/13 restituierten Archivalien Guido Adlers aus dem Bestand des Archivs der Universität Wien (von Ulrike Denk und Thomas Maisel) sowie der restituierten Bücher aus der Universitätsbibliothek Wien (von Markus Stumpf). Den Abschluss des Buches bildet der Beitrag von Monika Schreiber über die mit Guido Adler assoziierten Tasteninstrumente am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien. Das Schicksal von Guido Adler war in den letzten Lebensjahren eng mit dem seiner Tochter, der Ärztin Melanie Karoline Adler (1888–1942) verknüpft.6 Das Schicksal von Melanie Adler zeigt abermals, wie sich Universitätsprofessoren und ihre Familien durch „Arisierungen“ bereicherten und trotz allem nach 1945 weiter an der Universität arbeiteten. Friedrich Wild, Professor für Anglistik an der Universität Wien, und seine Frau Ludmilla „arisierten“ nicht nur das Haus, in dem Elise und Helene Richter gewohnt hatten sowie Teile ihrer Bibliothek und des Wohnungsmobiliars, sondern auch das Wohnungsmobiliar von Melanie Adler. 1955 wurde Wild wieder zum Professor ernannt.7 Melanie Adler pflegte ihren Vater bis zu seinem Tod in Wien. Aufgrund von Interventionen konnten sie im Familienhaus in Wien 19., Lannerstraße 9 bleiben. Ihr Bruder Hubert Adler konnte mit seiner Familie in die USA flüchten. Melanie Adler blieb und hoffte auch nach dem Tod ihres Vaters, durch den Verkauf der wertvollen Bibliothek Schutz bzw. eine Ausreisemöglichkeit zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie jedoch keine Verfügungsgewalt mehr über den Besitz. Als der Nachlass im Frühjahr 1942 von der Gestapo eingezogen wurde, war Melanie Adler bereits als U-Boot im Untergrund; ein Versuch, zu Verwandten nach Italien zu gelangen, war gescheitert. Nach ihrer Verhaftung im Mai 1942 wurde sie am 20. Mai von Wien nach Maly Trostinec deportiert und dort nach der Ankunft am 26. Mai 1942 ermordet.8 Ihre Bemühungen um den Nachlass ihres Vaters wurden ihr posthum nicht gedankt. Guido Adler hingegen erhielt 1980 ein Ehrengrab der Stadt Wien. Dieter J. Hecht
6 https://www.doew.at/result (abgerufen 29. 7. 2018). 7 Stumpf, Raub und Rückgabe, 130–133. Zu Friedrich Wild vgl. Ramon Pils, Die Professoren der Wiener Anglistik während des Nationalsozialismus, in: Mitchell G. Ash/Wolfram Niess/ Ramon Pils (Hg.), Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus: das Beispiel der Universität Wien, Wien 2010, 455–486. 8 https://www.doew.at/result (abgerufen 29. 7. 2018).
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Jürgen Pirker, Geschichte(n) im Konflikt. Der Konsens- und Dialogprozess in Kärnten: Vom nationalen Konflikt zur Friedensregion Alpen-Adria? Wien 2018, 376 Seiten. Die Minderheitenrechte sind im Artikel 7 des österreichischen Staatsvertrags geregelt, wurden aber jahrzehntelang nicht vollständig umgesetzt – nicht zuletzt angesichts der Konflikte zwischen Deutsch sprechenden und Slowenisch spre1 chenden Kärntnerinnen und Kärntnern. Besonders augenscheinlich trat dies im Jahr 1972 zu Tage, als – erstmalig aufgestellte – zweisprachige Ortstafeln in Südkärnten systematisch demontiert wurden. Auf dem langwierigen Weg zur endgültigen Lösung der Ortstafelfrage entstand jedoch ein neuer Modus Vivendi zwischen Teilen der Konfliktparteien, nämlich ein Konsens- und Dialogprozess. Eine Analyse dieser beiden Prozesse, ihrer Entwicklung, Grenzen und Potenziale sowie zentraler Kritikpunkte ist Thema eines Buches von Jürgen Pirker, Assistenzprofessor am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Universität Graz. Er analysiert die Thematik mit Hilfe von zeithistorischen wie auch sozialwissenschaftlichen Methoden sowie Zugängen der Friedens- und Konfliktforschung im Sinne einer Verbindung sozialpsychologischer Ansätze der interaktiven Konflikttransformation mit der Aufarbeitung der Vergangenheit (S. 21). Anzumerken ist, dass Pirker auch selbst im Sinne einer „teilnehmenden Beobachtung“ (Hervorheb. i. Orig.) Teile des Dialogprozesses begleitete (S. 19), er aber in der Rolle eines „Forschenden“ (Hervorheb. i. Orig.) auf „Äquidistanz, Unparteilichkeit und Wertneutralität“ achtete (S. 20f.). Das Buch basiert auf der geschichtswissenschaftlichen Dissertation Pirkers. Zu Beginn führt eine kompakte Darstellung in die Thematik ein und stellt nebst Forschungsdesign, -frage und Methodik die Parameter der nationalen Frage in Kärnten vor. Als Grundlagen der Konfliktlinien angesehen werden hierbei die „wechselseitigen Nationalisierungsprozesse im 19. Jahrhundert und Gegensätze zwischen einem primär ländlich-konservativ-klerikalen oder bürgerlich-liberalen Milieu und der ursprünglichen Intelligenz der Gruppen sowie wirtschaftliche, politische und kulturelle Assimilationsprozesse unter ideologischer Trennung der slowenischen Gruppe in ,Windische‘ und ,Nationalslowenen‘. Hinzu treten Gegensätze zwischen Monarchie (SHS-Staat) und demokratischer Republik (Österreich) nach dem Ersten Weltkrieg sowie das Zusammentreffen totalitärer Ideologien und ihrer Folgen, insb. des Nationalsozialismus und Kommunismus, wechselseitige Bedrohungen der Landeseinheit, die Aussiedelungen von Kärntner Slowenen, Vertreibungen von
1 Siehe beispielhaft Stefan Karner (Hg.), Kärnten und die nationale Frage, 5 Bde, Klagenfurt/ Celovec 2005.
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Deutschsprachigen aus Slowenien und Konflikte um Minderheitenrechte in Kärnten.“ (S. 34) Das Herzstück des Buches thematisiert die Entwicklung des Konsens- und Dialogprozesses zwischen 1997 und 2017. Pirker fokussiert hierbei auf die Akteure der bundespolitischen Ebene in Wien, der Kärntner Landespolitik, in den Verbänden Kärntner Heimatdienst (KHD), Kärntner Abwehrkämpferbund (KAB), dem Zentralverband slowenischer Organisationen (ZSO), dem Rat der Kärntner Slowenen und der Gemeinschaft der Kärntner Sloweninnen und Slowenen. Die Entstehung des Konsens- und Dialogprozesses ist mit den Bestrebungen um eine Lösung der Ortstafelfrage untrennbar verbunden: Die chronologische Erzählweise setzt im Jahr 1997 ein, als ein „Runder Tisch“ von ÖVPLandeshauptmann Christof Zernatto initiiert wurde. Im Jahr 2001 hob der Verfassungsgerichtshof Teile des Volksgruppengesetzes und der zugrundeliegenden Topographieverordnung als verfassungswidrig auf. Neuerliche Anläufe für eine Lösung scheiterten. Im Jahr 2005 wurde unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) der Grazer Historiker Stefan Karner beauftragt, Konsenskonferenzen einzuberufen und auch als Mediator zwischen den Volksgruppenvertretern zu fungieren. „Der Konsens- und Dialogprozess entsteht in einer Konfliktsituation aus einem klaren Auftrag der Politik im Zuge von Gesprächen unter Konfliktakteuren, die sich zu einer Zusammenarbeit in der ,Konsensgruppe‘ finden.“ (S. 209) Eine Annäherung fand vor allem zwischen dem Chef des KHD, Josef Feldner, und dem Obmann des ZSO, Marjan Sturm, statt. Der als „KarnerPapier“ bezeichnete Lösungsvorschlag wurde aber vom damaligen FPÖ-Landeshauptmann Jörg Haider torpediert und vom KAB abgelehnt, weitere Vorschläge scheiterten am Veto der SPÖ (2006) und der ÖVP (2007): „Wie bei einem Akkordeon nähern sich die Positionen in den Jahren 2002, 2005, 2006 und 2007 einander an, um sich letztlich doch wieder zu entfernen und zu keiner Lösung zu führen.“ (S. 193) Allerdings arbeitete die Konsensgruppe – allen voran Josef Feldner und Marjan Sturm – weiter. Im Jahr 2007 veröffentlichten Sturm und Feldner das Buch „Kärnten neu denken. Zwei Kontrahenten im Dialog“, das – von den Friedensforschern Wilfried Graf und Gudrun Kramer moderierte – Gespräche zur nationalen Frage in Kärnten beinhaltet und dem mit Zustimmung, aber auch mit Kritik begegnet wurde (S. 134f.). Es entwickelte sich ein Dialogprozess unter Einbindung weiterer Akteure, mit „Kärnten liegt am Meer“ lag schließlich im Jahr 2012 ein zweites Buch vor, das anhand lebensgeschichtlicher Interviews aufzeigte, warum eine Versöhnung nicht einfach sei, da es nach wie vor viel Misstrauen vor Ort gebe (S. 182). Im Jahr 2011 erzielte die Bundesregierung unter Werner Faymann eine Lösung für die Ortstafelfrage, die durch ein Gesetz im Verfassungsrang abgesichert wurde. Als wichtig für die letztendliche Umsetzung charakterisiert Pirker das
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Karner-Paket als „entscheidenden Durchbruch“ (S. 196). Generell sei jedoch aus juristischer Sicht „fraglich, weshalb verfassungs- und völkerrechtliche Verpflichtungen überhaupt zum Gegenstand von Verhandlungen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und einem Bundesland gemacht werden. Zu erklären ist dies nur durch den Blick auf die Geschichte des Konfliktes und die Landes- und Bundespolitik. Sie machen Minderheitenrechte in einer Konfliktsituation zum Spielball zwischen Recht und Politik“ (S. 196). Im nächsten Abschnitt wird anhand halbstrukturierter Interviews die subjektive Sichtweise der Akteure der Konsensgruppe (Josef Feldner, Marjan Sturm, Heinz Stritzl, Plattform Kärnten, Bernhard Sadovnik, Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Sloweninnen) sowie Stefan Karner und deren Kritiker (Fritz Schretter, KAB, Karel Smolle und Rudi Vouk, Rat der Kärntner Slowenen, Vladimir Smrtnik, Einheitsliste, Peter Gstettner, Mauthausen Komitee Kärnten/ Korosˇka und Vladimir Wakounig, ehemaliger Sekretär des ZSO) dargelegt. Pirker verortet dabei als Hauptkritikpunkte an der Konsensgruppe „fehlende Legitimation zu Verhandlungen in der Ortstafelfrage“ sowie die Kritik daran, „dass überhaupt über staatsvertraglich gesicherte Minderheitenrechte verhandelt wird“ (S. 275). Ebenso wurde der Dialogprozess kritisiert, denn Versöhnung könne nicht ohne Wiedergutmachung erfolgen (S. 276). Im abschließenden Kapitel analysiert der Autor wesentliche Merkmale der Kärntner Erinnerungslandschaft, indem er Theorien zu Gedächtnis, Erinnerung und Identität aus kulturwissenschaftlicher und sozialpsychologischer Sichtweise mit konkreten großen Erzählungen und Gegenerzählungen in Kärnten, die exemplarisch anhand der Feier zum 10. Oktober als „Kristallisationspunkt“ kulminieren (S. 311), verbindet. Hernach wird der Dialogprozess und dessen Ausweitungen bis hin zur „Friedensregion Alpen–Adria“ näher beleuchtet. Die nationale Frage in Kärnten, ihre Konfliktlinien wie auch Versöhnungsbestrebungen gestalten sich äußerst komplex. Diesen Charakter vermag die Monographie auf sehr informative und sachliche Weise nachvollziehbar zu machen. Jürgen Pirker bietet mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen nach chronologischen, lebensgeschichtlichen sowie thematischen Gesichtspunkten einem breiten Zielpublikum unterschiedliche Zugänge zum Thema. Vor allem die historische Entwicklung des Konsens- und Dialogprozesses zeichnet der Autor minutiös nach, es entsteht dadurch eine sehr dichte und kleinteilige Schilderung. Pirker bietet den Lesenden zwar Interpretationen an, lässt in diesem Buch aber stärker die Entwicklungen, Ereignisse und subjektiven Einschätzungen der befragten Akteure für sich sprechen, sodass sich die Lesenden selbst ein Bild von der Thematik machen können. Petra Mayrhofer
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Hans Schafranek, Widerstand und Verrat. Gestapospitzel im antifaschistischen Untergrund 1938–1945. Wien 2017, 504 Seiten. Es ist wohl zu früh, um bereits jetzt feststellen zu können, dass mit den Aufsätzen und Publikationen von Hans Schafranek eine neue Sicht auf die Geschichte des österreichischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus gelegt wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Urteil gefällt werden wird, wächst aber mit jeder weiteren neuen Arbeit. Für manche, die sich mit der Thematik des Widerstandes befassen – in Österreich ist die Gruppe nicht sehr groß und steht im diametralen Gegensatz zur Bedeutung, die der Widerstand für die Nachkriegsentwicklung gespielt hat (Stichwort: „Moskauer Deklaration“ und der eigene Beitrag zur Befreiung, der von Österreich gefordert wurde) – müssen die bisherigen Arbeiten von Schafranek mit zusätzlichen 15 wissenschaftlichen Aufsätzen zu diesem Thema bereits beunruhigend gewesen sein. Dies betrifft sowohl die Analyseergebnisse wie auch die Tatsache, dass große Quellenbestände im Bundesarchiv in Berlin von österreichischen ForscherInnen bislang nur unzureichend zur Kenntnis genommen worden sind. Ein roter Faden, der sich in Schafraneks Arbeiten durchzieht, sind die Verräter, die Spitzel und V-Männer. Was können wir aber von den Verrätern über den Widerstand lernen? Wahrscheinlich mehr als uns lieb ist. Dass Spitzel einen wesentlichen Anteil an der Aufdeckung des Widerstandes durch die Gestapo gespielt haben, war in Ansätzen bekannt und wurde immer wieder erwähnt, doch das Ausmaß des Verrates in seiner ganzen beunruhigenden Dimension war wohl nur wenigen bewusst. Nach atemraubender Lektüre des neuen Buches „Widerstand und Verrat“ könnte man zum vorschnellen Urteil gelangen, dass der Widerstand bloß eine Erfindung der Gestapo war. Es ist zwar nicht so, dass die Bedeutung von Spitzeln bei der Aufdeckung des Widerstandes bisher vollkommen negiert worden wäre, doch die politische Breite und der von Schafranek dokumentierte tödliche Erfolg geben zu denken. Nicht nur die Kommunisten waren von Verrätern unterwandert (Ossy Koppel), sondern auch die Revolutionären Sozialisten (Josef Pavs), die Legitimisten (Otto Hartmann). Auch die Widerstandsgruppen, die sich zwischen Jänner und April 1945 zwischen Moosbierbaum und Krems gebildet hatten, waren mit Spitzeln durchsetzt; zumeist waren es die V-Männer und Frauen, die auf eine Radikalisierung und Ausweitung des Widerstandsnetzes drängten, um so noch mehr Personen verhaften zu können. Zuweilen waren die Agenten der Gestapo so erfolgreich, dass in den Gefängnissen kein Platz mehr war, dies betrifft vor allem die Enttarnung der Aktivitäten der Freiheitsfront in Moosbierbaum. Dass dieses System der Unterwanderung bis wenige Tage vor Kriegsende praktiziert wurde, gehört wohl zu den unlösbaren Rätseln und macht deutlich,
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zeitgeschichte 46, 4 (2019)
dass der Erfolg für die Gestapo auch auf die Eigeninitiative der Spitzel zurückzuführen war. Oft wird das Diktum „Lernen aus der Geschichte“ bemüht. Aber was gilt es zu lernen? Aus der Geschichte der Opfer und der Verfolgten können keine Lehren gezogen werden. Nur wer die TäterInnen ins Blickfeld rückt, dem eröffnet sich die Chance für einen Lernprozess. Dies betrifft die Frage danach, wer unter welchen Bedingungen Täter wird sowie die Frage nach den sozialen und psychologischen Voraussetzungen. Die Täterforschung in Österreich ist mehr als 70 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus noch immer nicht richtig angelaufen. Mit der Empathie für die Opfer wird eine Distanzierung vom mörderischen System signalisiert. Vergessen wird dabei zumeist, dass es ohne Täter keine Opfer gegeben hätte und dass das Weiterleben mit den Tätern und ihren Familien nach 1945 weitreichende Kompromisse erfordert hat, während die durch Ermordung und Vertreibung entstandene Lücke so gut wie gar nicht ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist. Nicht viel anders ist es, wenn von der NSZeit als dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte geschrieben wird. Das Dunkel steht nicht nur für Bedrohung, sondern lässt auch keine Details erkennen. Hans Schafranek widmet sich den TäterInnen und liefert auch in den umfangreichen biographischen Skizzen Material für eine Typologie der Verräter. Denn ein guter Spitzel kann nicht nur „gekauft“ werden, sondern muss mit Freude bei der Sache sein, muss die Ideologie seiner Gruppe selbst gelebt und verfochten haben. Nicht wenige wurden von der Gestapo erpresst und glaubten, die Ermittler hinters Licht führen zu können. Die im Band versammelten Biographien geben viele Rätsel auf und verdeutlichen die Effektivität des Spitzelwesens: wenn zum Beispiel ein V-Mann für die Verhaftung von hunderten AkteuerInnen verantwortlich ist. Der Umgang mit den Spitzeln nach 1945 ist ein Beispiel für Unbedarftheit und Verdrängung der NS-Verbrechen. Während V-Leute wie Josef Koutny und Margarethe Kahane, die die KPÖ unterwandert hatten, an die jugoslawischen Behörden ausgeliefert wurden und in der Haft verstarben, verliert sich die Spur des prominentesten Spitzels in der KPÖ, Kurt Koppel, irgendwo in Argentinien. Walter Erhart, der in Niederösterreich bis zum Schluss für die Ermordung von Widerstandskämpfern sorgte, bekam als sogenannter „Volksdeutscher“ kein Verfahren und wurde auch nicht nach Jugoslawien ausgeliefert. Otto Hartmann, der Spitzel im Burgtheater, der für das Auffliegen der Gruppe um Roman Scholz verantwortlich war, bekam zwar eine lebenslängliche Haftstrafe, wurde jedoch nach zehn Jahren wieder freigelassen. Obwohl bekannt war, dass zum Beispiel Anna Mönch – eine „Russland-Heimkehrerin“ – nach der Flucht im Februar 1934 ab 1937 monatlich ein Gehalt von 250 Reichsmark als Gestapo-Konfidentin für ihre Hinweise auf Produzenten kommunistischer Flugschriften erhielt,
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wurden nach Kriegsende keinerlei gerichtliche Schritte gegen sie unternommen. Bei Unterzeichnung des Staatsvertrages saß nur eine Handvoll von Spitzeln in österreichischer Haft. Robert Streibel
Autor/inn/en
Patrick Aprent, Mag. BSc Theater-, Film- und Medienwissenschaftler, Österreichische Akademie der Wissenschaften, IKT Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte, [email protected] Petra Bernhardt, Mag. Dr. Politikwissenschaftlerin, wissenschaftliche Projektmitarbeiterin und Lektorin, Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien, [email protected] Tobias Ebbrecht-Hartmann, Mag. Dr. Filmwissenschaftler, The Hebrew University of Jerusalem, Cardinal Franz Koenig Chair in Austrian Studies, European Forum / Department of Communication & Journalism, [email protected] Dieter J. Hecht, Mag. Dr. Historiker, Österreichische Akademie der Wissenschaften, IKT Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte, Wien, [email protected] Karin Liebhart, PD Mag. Dr. Politikwissenschaftlerin, Senior Lecturer, Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien, [email protected] Petra Mayrhofer, Dr. Historikerin, wissenschaftliche Projektmitarbeiterin, Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien, [email protected] Dirk Rupnow, Univ.-Prof. Mag. Dr. Historiker, Universität Innsbruck, Institut für Zeitgeschichte, dirk.rupnow @uibk.ac.at
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Robert Streibel, Dr. Historiker, Direktor der Volkshochschule Hietzing, [email protected] Heidemarie Uhl, PD Mag. Dr. Historikerin, Österreichische Akademie der Wissenschaften, IKT Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte, [email protected]
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I.
Allgemeines
Abgabe: elektronisch in Microsoft Word DOC oder DOCX. Textlänge: 60.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen und Fußnoten), Times New Roman, 12 pt, 1 12-zeilig. Zeichenzahl für Rezensionen 6.000–8.200 Zeichen (inklusive Leerzeichen). Rechtschreibung: Grundsätzlich gilt die Verwendung der neuen Rechtschreibung mit Ausnahme von Zitaten.
II.
Format und Gliederung
Kapitelüberschriften und – falls gewünscht – Unterkapiteltitel deutlich hervorheben mittels Nummerierung. Kapitel mit römischen Ziffern [I. Literatur], Unterkapitel mit arabischen Ziffern [1.1 Dissertationen] nummerieren, maximal bis in die dritte Ebene untergliedern [1.1.1 Philologische Dissertationen]. Keine Interpunktion am Ende der Gliederungstitel. Keine Silbentrennung, linksbündig, Flattersatz, keine Leerzeilen zwischen Absätzen, keine Einrückungen; direkte Zitate, die länger als vier Zeilen sind, in einem eigenen Absatz (ohne Einrückung, mit Gänsefüßchen am Beginn und Ende). Zahlen von null bis zwölf ausschreiben, ab 13 in Ziffern. Tausender mit Interpunktion: 1.000. Wenn runde Zahlen wie zwanzig, hundert oder dreitausend nicht in unmittelbarer Nähe zu anderen Zahlenangaben in einer Textpassage aufscheinen, können diese ausgeschrieben werden. Daten ausschreiben: „1930er“ oder „1960er-Jahre“ statt „30er“ oder „60er Jahre“. Datumsangaben: In den Fußnoten: 4. 3. 2011 [Leerzeichen nach dem Punkt, nicht 04. 03. 2011 oder 4. März 2011]; im Text den Monat ausschreiben [4. März 2011]. Personennamen im Fließtext bei der Erstnennung immer mit Vor- und Nachnamen. Namen von Organisationen im Fließtext: Wenn eindeutig erkennbar ist, dass eine Organisation, Vereinigung o. Ä. vorliegt, können die Anführungszeichen weggelassen werden: „Die Gründung des Öesterreichischen Alpenvereins erfolgte 1862.“ „Als Mitglied im Womens Alpine Club war ihr die Teilnahme gestattet.“ Namen von Zeitungen/Zeitschriften etc. siehe unter „Anführungszeichen“.
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Anführungszeichen im Fall von Zitaten, Hervorhebungen und bei Erwähnung von Zeitungen/Zeitschriften, Werken und Veranstaltungstiteln im Fließtext immer doppelt: „“ Einfache Anführungszeichen nur im Fall eines Zitats im Zitat: „Er sagte zu mir : ,….‘“ Klammern: Gebrauchen Sie bitte generell runde Klammern, außer in Zitaten für Auslassungen: […] und Anmerkungen: [Anm. d. A.]. Formulieren Sie bitte geschlechtsneutral bzw. geschlechtergerecht. Verwenden Sie im ersteren Fall bei Substantiven das Binnen-I („ZeitzeugInnen“), nicht jedoch in Komposita („Bürgerversammlung“ statt „BürgerInnenversammlung“). Darstellungen und Fotos als eigene Datei im jpg-Format (mind. 300 dpi) einsenden. Bilder werden schwarz-weiß abgedruckt; die Rechte an den abgedruckten Bildern sind vom Autor/von der Autorin einzuholen. Bildunterschriften bitte kenntlich machen: Bild: Spanische Reiter auf der Ringstraße (Quelle: Bildarchiv, ÖNB). Abkürzungen: Bitte Leerzeichen einfügen: vor % oder E/zum Beispiel z. B./unter anderem u. a. Im Text sind möglichst wenige allgemeine Abkürzungen zu verwenden.
III.
Zitation
Generell keine Zitation im Fließtext, auch keine Kurzverweise. Fußnoten immer mit einem Punkt abschließen. Die nachfolgenden Hinweise beziehen sich auf das Erstzitat von Publikationen. Bei weiteren Erwähnungen Kurzzitat. Wird hintereinander aus demselben Werk zitiert bitte den Verweis „Ebd.“ bzw. mit anderer Seitenangabe „Ebd., 12.“ gebrauchen. Kein „Ders./ Dies.“ Zwei Belege in einer Fußnote mit „;“ trennen: Gehmacher, Jugend, 311; Dreidemy, Kanzlerschaft, 29. Bei Übernahme von direkten Zitaten aus der Fachliteratur „Zit. n.“ verwenden. Monografien: Vorname und Nachname, Titel, Ort und Jahr, Seitenangabe [ohne „S.“]. Beispiel Erstzitat: Johanna Gehmacher, Jugend ohne Zukunft. Hitler-Jugend und Bund Deutscher Mädel in Österreich vor 1938, Wien 1994, 311. Beispiel Kurzzitat: Gehmacher, Jugend, 311. Bei mehreren AutorInnen/HerausgeberInnen: Dachs/Gerlich/Müller (Hg.), Politiker, 14. Reihentitel: Claudia Hoerschelmann, Exilland Schweiz. Lebensbedingungen und Schicksale österreichischer Flüchtlinge 1938 bis 1945 (Veröffentlichungen des LudwigBoltzmann-Institutes für Geschichte und Gesellschaft 27), Innsbruck/Wien [bei mehreren Ortsangaben Schrägstrich ohne Leerzeichen] 1997, 45. Dissertation: Thomas Angerer, Frankreich und die Österreichfrage. Historische Grundlagen und Leitlinien 1945–1955, phil. Diss., Universität Wien 1996, 18–21 [keine ff. und f. für Seitenangaben, von–bis mit Gedankenstrich ohne Leerzeichen]. Diplomarbeit: Lucile Dreidemy, Die Kanzlerschaft Engelbert Dollfuß’ 1932–1934, Dipl. Arb., Universit de Strasbourg 2007, 29.
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Ohne AutorIn, nur HerausgeberIn: Beiträge zur Geschichte und Vorgeschichte der Julirevolte, hg. im Selbstverlag des Bundeskommissariates für Heimatdienst, Wien 1934, 13. Unveröffentlichtes Manuskript: Günter Bischof, Lost Momentum. The Militarization of the Cold War and the Demise of Austrian Treaty Negotiations, 1950–1952 (unveröffentlichtes Manuskript), 54–55. Kopie im Besitz des Verfassers. Quellenbände: Foreign Relations of the United States, 1941, vol. II, hg. v. United States Department of States, Washington 1958. [nach Erstzitation mit der gängigen Abkürzung: FRUS fortfahren]. Sammelwerke: Herbert Dachs/Peter Gerlich/Wolfgang C. Müller (Hg.), Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik, Wien 1995. Beitrag in Sammelwerken: Michael Gehler, Die österreichische Außenpolitik unter der Alleinregierung Josef Klaus 1966–1970, in: Robert Kriechbaumer/Franz Schausberger/ Hubert Weinberger (Hg.), Die Transformation der österreichischen Gesellschaft und die Alleinregierung Klaus (Veröffentlichung der Dr.-Wilfried Haslauer-Bibliothek, Forschungsinstitut für politisch-historische Studien 1), Salzburg 1995, 251–271, 255–257. [bei Beiträgen grundsätzlich immer die Gesamtseitenangabe zuerst, dann die spezifisch zitierten Seiten]. Beiträge in Zeitschriften: Florian Weiß, Die schwierige Balance. Österreich und die Anfänge der westeuropäischen Integration 1947–1957, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42 (1994) 1, 71–94. [Zeitschrift Jahrgang/Bandangabe ohne Beistrichtrennung und die Angabe der Heftnummer oder der Folge hinter die Klammer ohne Komma]. Presseartikel: Titel des Artikels, Zeitung, Datum, Seite. Der Ständestaat in Diskussion, Wiener Zeitung, 5. 9. 1946, 2. Archivalien: Bericht der Österr. Delegation bei der Hohen Behörde der EGKS, Zl. 2/pol/57, Fritz Kolb an Leopold Figl, 19. 2. 1957. Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), Bundeskanzleramt (BKA)/AA, II-pol, International 2 c, Zl. 217.301-pol/ 57 (GZl. 215.155-pol/57); Major General Coleman an Kirkpatrick, 27. 6. 1953. The National Archives (TNA), Public Record Office (PRO), Foreign Office (FO) 371/103845, CS 1016/205 [prinzipiell zuerst das Dokument mit möglichst genauer Bezeichnung, dann das Archiv, mit Unterarchiven, -verzeichnissen und Beständen; bei weiterer Nennung der Archive bzw. Unterarchive können die Abkürzungen verwendet werden]. Internetquellen: Autor so vorhanden, Titel des Beitrags, Institution, URL: (abgerufen Datum). Bitte mit rechter Maustaste den Hyperlink entfernen, so dass der Link nicht mehr blau unterstrichen ist. Yehuda Bauer, How vast was the crime, Yad Vashem, URL: http://www1.yadvashem.org/ yv/en/holocaust/about/index.asp (abgerufen 28. 2. 2011). Film: Vorname und Nachname des Regisseurs, Vollständiger Titel, Format [z. B. 8 mm, VHS, DVD], Spieldauer [Film ohne Extras in Minuten], Produktionsort/-land Jahr, Zeit [Minutenangabe der zitierten Passage]. Luis BuÇuel, Belle de jour, DVD, 96 min., Barcelona 2001, 26:00–26:10 min.
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Interview: InterviewpartnerIn, InterviewerIn, Datum des Interviews, Provenienz der Aufzeichnung. Interview mit Paul Broda, geführt von Maria Wirth, 26. 10. 2014, Aufnahme bei der Autorin. Die englischsprachigen Zitierregeln sind online verfügbar unter : https://www.verein-zeit geschichte.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_verein_zeitgeschichte/zg_Zitierregeln_ engl_2018.pdf Es können nur jene eingesandten Aufsätze Berücksichtigung finden, die sich an die Zitierregeln halten!