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German Pages 267 [268] Year 2000
Merz · Fürst und Herrschaft
Fürst und Herrschaft Der Herzog von Franken und seine Nachbarn 1470-1519 von Johannes Merz
R. Oldenbourg Verlag München 2000
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Merz, Johannes: Fürst und Herrschaft : der Herzog von Franken und seine Nachbarn 1470 - 1519 / von Johannes Merz. - München : Oldenbourg, 2000 Zugl.: München, Univ., Habil.-Schr., 1999 ISBN 3-486-56508-7
© 2000 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D - 81671 München Internet: http://www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH, München ISBN 3-486-50508-7
Inhalt
Vorbemerkungen I.
II.
Thematik und Methode 1. Staat und H e r r s c h a f t im Alten R e i c h a) Der „moderne Staat" als Leitfaden der Forschungsentwicklung b) Aktuelle Tendenzen c) Folgerungen 2. Aufgabenstellung und Grundlagen der A r b e i t a) Untersuchungsgegenstand b) Quellen und Literatur 3. Z u r Verfassungsentwicklung in F r a n k e n im Spätmittelalter a) Der Raum Franken b) Politische und herrschaftliche Konstellationen c) Der Kampf um die Vorherrschaft d) Wege zur friedlichen Konfliktlösung (ca. 1470-1519) e) Der Umbruch der Reformation und die Neuformierungsphase um 1600
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H e r r s c h a f t s k o n f l i k t e der W ü r z b u r g e r Bischöfe 1 4 7 0 - 1 5 1 9 1. Ausgangslage a) Privilegien als Anspruchsvoraussetzung fürstlichen Handelns b) Träger der Politik c) Die Verpfändungen: Mobilisierung und Konzentration der Kräfte . 2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach a) Landgericht, Brückengericht und Geistliches Gericht b) Geistliche Jurisdiktion über Klerus und Klöster c) Die Pfandschaft Kitzingen d) Organisation der Dorfherrschaft zu Ulsenheim 3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda a) Geistliche Jurisdiktion b) Das Gebiet an der Fränkischen Saale c) Die Dorfherrschaft Westheim d) Rhöngebiete 4. Herrschaftskonflikte mit den Kurfürsten v o n M a i n z a) Überblick b) Der Guldenzoll zu Baibach 5. P r o g r a m m a t i k und Praxis fürstlicher Herrschaftsbehauptung in F r a n k e n a) Grundpositionen fürstlicher Herrschaftsvorstellungen
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Inhalt
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b) c) d) e)
Herrschaft und Raum Argumente und Strategien, Recht und Macht Zur Rolle der nicht-fürstlichen Gewalten und der Untertanen Fürstliche Herrschaft als Primärziel fürstlicher Politik
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III. G e g e n p o s i t i o n e n u n d Parallelen i m Reich 1. Geistliche und weltliche Herrschaft 2. Land und Fürstentum
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IV. Ergebnisse und Folgerungen
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Quellenanhang Abkürzungen Verwendete Karten Quellen und Literatur Personen- und Ortsregister Sachregister
207 223 223 225 259 265
Verzeichnis der Karten Die Grenzen der spätmittelalterlichen Diözese Würzburg und ihr Zusammenhang mit naturräumlichen Gegebenheiten Ansbachische und würzburgische Verwaltungssitze zwischen Main, Aisch und Tauber Klöster und Stifte im würzburgisch-ansbachischen Überschneidungsbereich . . Der Streit um das Dorf Ulsenheim Der würzburgisch-fuldische Uberschneidungsbereich Der Streit um Westheim Der Streit um die Rhöngebiete Der würzburgisch-mainzische Uberschneidungsbereich an der mittleren Tauber Das „Land" der Würzburger Bischöfe und des Markgrafen Albrecht Achilles .
35 73 85 103 109 117 127 139 149
Vorbemerkungen
In nahezu jedem Handbuch zur deutschen oder europäischen Geschichte ist für den Zeitraum von Spätmittelalter und Früher Neuzeit die Rede von der Entstehung der westeuropäischen Nationalstaaten, von den komplizierten, dezentralen Strukturen des römisch-deutschen Reiches und der Entwicklung von Territorialstaaten auf dem Boden dieses Reiches. Man hat die Anfänge dieser sog. Territorialstaaten seit dem Frühmittelalter, ihre Ausbildung im 13. und frühen 14. Jahrhundert, ihren Verfassungsaufbau und dessen Entwicklung in der frühen Neuzeit in ungezählten Detailstudien herausgearbeitet. Die vorliegende Arbeit versteht sich im Kontext dieser Bemühungen als ein Beitrag zur Beantwortung der Frage: „Was ist Herrschaft im Alten Reich?". Sie geht dieser Frage in einem Teilbereich nach, in dem bisher noch wenig gearbeitet wurde: in der Behandlung der grundlegenden Herrschaftsansprüche von Fürsten und ihrer Durchsetzungsmöglichkeit, und dies an der Nahtstelle von Mittelalter und Neuzeit, im späteren 15. und beginnenden 16. Jahrhundert. Untersuchungsgebiet soll die Landschaft „Franken" sein, wobei im Zentrum das Herzogtum Franken des Bischofs von Würzburg steht. Dabei geht es nicht um die vielbehandelte innere Ausgestaltung der „Territorien", sondern um die Umschreibung dessen, worin in einer bestimmten Zeit die Herrschaft eines deutschen Fürsten begründet war, wie er seine Herrschaftsrechte im Konfliktfall wahrnahm und wo er - im Wortsinne - an seine Grenzen stieß. In einem einleitenden Uberblick sollen Grundpositionen der Forschung zur Entwicklung der deutschen Fürstentümer umrissen und damit die Themenwahl näher begründet werden. Dem schließt sich die Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes, die Beschreibung der dafür vorliegenden Quellen und der regionalen Forschungsliteratur an. Die räumlichen und zeitlichen Festlegungen werden nochmals sachlich begründet und verbunden mit einer Ubersicht über die treibenden Kräfte der Verfassungsentwicklung in Franken im Spätmittelalter und in der beginnenden Neuzeit. Im Hauptteil werden die wichtigsten herrschaftsbezogenen Streitthemen und Einzelkonflikte vorgestellt und dann in einem systematischen Kapitel die Herrschaftsprogrammatik und Herrschaftspraxis der Würzburger Fürstbischöfe im Vergleich mit den Positionen der Nachbarn analysiert. Ergänzend tritt der Blick auf andere Regionen des Reichs hinzu. Durch diesen Vergleichsansatz klärt sich im abschließenden Kapitel, inwieweit die Ergebnisse allgemeinen Anspruch erheben, regionale Gültigkeit behaupten oder neue Wege für die Forschung weisen können.
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Vorbemerkungen
Die Arbeit wurde im Frühjahr 1999 abgeschlossen. Für die Drucklegung konnten noch einzelne Verweise auf den Tagungsband „Entstehung und Konsolidierung der Territorien" (Rheinische Vierteljahrsblätter 63, 1999) sowie auf die Arbeit von Steffen Schlinker über „Fürstenamt und Rezeption" aufgenommen werden. Dieses Forschungsprojekt wäre nicht durchführbar gewesen ohne die Unterstützung durch meinen akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Walter Ziegler (München), der die äußeren Voraussetzungen geschaffen und die Arbeit aufmerksam begleitet hat. Er und Herr Professor Dr. Andreas Kraus gaben auch die ersten Anstöße, die zur Beschäftigung mit der vorstehenden Thematik führten. Zahlreiche Forscher und Institutionen haben unterstützend gewirkt: Für wertvolle Hilfestellungen und weiterführende Hinweise danke ich besonders Herrn Privatdozent Dr. Karl Borchardt (Würzburg), Herrn Professor Dr. Thomas Frenz (Passau), Herrn Dr. Manfred Hörner (München), Herrn Professor Dr. Ferdinand Kramer (Eichstätt), Herrn Dr. Robert Schuh (Nürnberg) und Herrn Professor Dr. Wilhelm Störmer (München). Den Kolleginnen und Kollegen am Münchner Institut für Bayerische Geschichte danke ich für viele anregende Gespräche, namentlich Herrn Dr. Stephan Deutinger, Herrn Volker Laube M.A., Herrn Dr. Martin Ott, Frau Dr. Sabine RehmDeutinger, Herrn Guido Treffler M.A. und Herrn Daniel Schlögl M.A. Förderliche Kontakte zum Würzburger Forschungsprojekt „Das Bild des Krieges im Wandel vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit" verdanke ich vor allem Herrn Professor Dr. Dietmar Willoweit. Für die Bereitstellung der Arbeitsgrundlagen in den Archiven in Würzburg, Bamberg, Marburg, Nürnberg, Rom und Wien bin ich den Vorständen und Mitarbeitern zu Dank verpflichtet, namentlich Frau Dr. Ingrid HeegEngelhart vom Staatsarchiv Würzburg für die sachkundige Betreuung. Eine besondere Bereicherung brachte mir der Archivaufenthalt in Rom; für die Unterbringung im dortigen Deutschen Historischen Institut und die hervorragenden Arbeitsbedingungen in dessen reichhaltiger Bibliothek sei Herrn Professor Dr. Arnold Esch und seinen Mitarbeitern herzlicher Dank ausgesprochen. Herr Professor Dr. Winfried Schulze (München) ermutigte mich, einen Antrag auf ein Habilitandenstipendium bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu stellen. Für die schnelle Zusage und die sachorientierte Unterstützung durch ein sechzehnmonatiges Stipendium, das erst den Freiraum für die intensive Quellenarbeit geschaffen hat, bin ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft ebenso verpflichtet wie für die Gewährung einer Druckbeihilfe für die Publikation. Durch die großzügige Aufnahme am Bellagio Studies and Conference Center (Como/Italien) und die dort herrschenden Arbeitsbedingungen hat die Rockefeiler Foundation (New York) die theoretische Durchdringung des Themas befördert. Die Philosophische Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Studie als Habilitationsschrift angenommen. Besonderer Dank gilt den gutachtenden Herrn
Vorbemerkungen
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Professoren Dr. Peter Landau, Dr. Rudolf Schieffer, Dr. Alois Schmid, Dr. Wilhelm Störmer und Dr. Walter Ziegler. Dem Oldenbourg Verlag und seinem Cheflektor Geisteswissenschaften, Herrn Christian Kreuzer Μ. Α., bin ich für die Aufnahme der Arbeit ins Verlagsprogramm und die angenehme Zusammenarbeit bei der Drucklegung zu Dank verpflichtet. Steten Zuspruch und vielfältige Hilfe verdanke ich Herrn Dr. Karl-Ulrich Gelberg (München) sowie meiner Familie, die diese Arbeit mitgetragen hat.
I. THEMATIK UND METHODE 1. Staat und Herrschaft im Alten Reich
a) Der „moderne Staat" als Leitfaden der Forschungsentwicklung Nach einem von der älteren Forschung gezeichneten und bis heute verbreiteten Bild wurden seit dem 13. Jahrhundert die Grundlagen für die Staatsverfassung Europas entwickelt, wie sie im 19. und frühen 20. Jahrhundert schließlich ausgebildet vorzufinden ist. Demnach entstanden in Westeuropa früh zentral regierte Nationalstaaten, allen voran Frankreich, während die Verhältnisse im römisch-deutschen Reich demgegenüber vom Partikularismus bestimmt waren, der maßgeblich von der Zerstörung des Stauferreiches ausging. 1 An diesem Bild wurden vor allem in den letzten Jahrzehnten kräftige Korrekturen vorgenommen; insbesondere wurde deutlich, daß gerade in Frankreich bis in die Neuzeit hinein keineswegs von einer einheitlichen Entwicklung die Rede sein kann. 2 Auch das Gefüge des Reiches und seiner Institutionen hat wieder besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In den führenden Studien zum Wandel des Spätmittelalters 3 von Angermeier, 4 Moraw, 5
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Vgl. etwa die Formulierung im forschungsgeschichtlich bedeutsamen Werk von W. Schlesinger, Die Landesherrschaft der Herren von Schönburg, 1954 (Vorwort): „Der deutsche Staat kommt vom Landesstaate her, er ist nicht von Haus aus Königsstaat wie die Staaten Westeuropas.", sowie z.B. H. Rabe, Deutsche Geschichte 1500-1600, 1991, 103-105 sowie 127: „Die Verfassungsgeschichte der deutschen Territorien kann insofern als Parallele zur Entwicklung der westeuropäischen Nationalstaaten zum Frühabsolutismus gesehen werden, nur daß die Entwicklung in Deutschland eben gerade nicht auf nationaler, sondern auf territorialer Basis gründete." E. Meuthen, Das 15. Jahrhundert, 31996, hier bes. 155. Die folgenden Namen mögen pars pro toto stehen. Speziell zum 15. Jahrhundert ist daneben zu nennen: E. Isenmann, Reichsfinanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert, 1980; ders., Les caractéristiques constitutionelles du Saint Empire Romain de nation germanique au XV e siècle, 1990 (mit weiteren Hinweisen). H. Angermeier, Königtum und Landfriede im deutschen Spätmittelalter, 1966; ders., Die Reichsreform 1410-1555,1984; ders., Das Alte Reich in der deutschen Geschichte, 1991. P. Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; ders., Uber König und Reich, 1995.
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I. Thematik und Methode
Schubert6 und Krieger 7 wurde der verfassungsgeschichtliche Wandel des Spätmittelalters neu beschrieben8 und die Bedeutung der Reichsinstitutionen ebenso hervorgehoben wie z.B. in der zusammenfassenden Darstellung Aretins über das Alte Reich 1648-1806. 9 Gleichwohl ist die deutsche Verfassungsgeschichte auch heute noch beherrscht von der Vorstellung, daß die eigentliche staatliche Gewalt im Reich zunehmend in die Hände von Fürsten, Adel und Städten gelangte, sich seit dem 15. Jahrhundert ein „frühmoderner Staat" 10 eben auf dieser Ebene ausbildete und spätestens seit dieser Zeit Gestaltungsmöglichkeiten der Reichsorgane zwar immer in unterschiedlichem Maße vorhanden, aber dennoch nie dominierend gewesen seien.11 In großer Intensität wurde deshalb die Frage behandelt, auf welcher Grundlage dieser frühmoderne Staat im Alten Reich entstand und welche Funktionen er ausbildete. Da den deutschen Reichsständen erst 1648 eine eingeschränkte, die volle Souveränität aber nicht vor dem Ende des Alten Reiches zuwuchs, verband sich mit der Diskussion um die Sache schon seit der zeitgenössischen Behandlung in der Staatsrechtslehre des 17. und 18. Jahrhunderts das Ringen um den zutreffenden Begriff. Der 1648 verwendete Begriff der „superioritas territorialis", deutsch „Landesobrigkeit", wurde im 18. Jahrhundert ersetzt durch die „Landeshoheit", und gerade der letztere Begriff bildete den Ausgangspunkt für die systematische Abhandlung des deutschen Territorialstaatsrechts, wie es seine Vollendung durch Johann Jacob Moser fand. 12 Von der durch die Staatsrechtslehre des 18. Jahrhunderts mit der Beschreibung der „Landeshoheit" gebildeten Basis ausgehend, richtete sich die im 19. Jahrhundert einsetzende geschichtswissenschaftliche Betrachtung vor-
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E. Schubert, König und Reich. Studien zur spätmittelalterlichen deutschen Verfassungsgeschichte, 1979; ders., Einführung in die Grundprobleme der deutschen Geschichte im Spätmittelalter, 1992 ( 2 1998); ders., Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter, 1996. K.-F. Krieger, Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter (ca. 1200-1437), 1979; ders., König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter, 1992. Dabei kam es freilich durchaus zu sehr gegensätzlichen Bewertungen. Vgl. etwa zum Thema der „Reichsreform" die Besprechung des einschlägigen Werkes von H . Angermeier durch P. Moraw, Reichsreform und Gestaltwandel der Reichsverfassung um 1500, 1992 (hier verwendet im Nachdruck, in: ders., Ü b e r König und Reich, 1995, 277-292). K. O . v. Aretin, D a s Alte Reich 1648-1806,1 2 , II, III, 1997. Vgl. allgemein H . Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit, 1997, hier bes. 57-63. D a z u die Hinweise bei Meuthen, D a s 15. Jahrhundert, 142; W. C o n z e , Staat und Souveränität I—II, 1990. Bei dieser Beurteilung ergaben sich zahlreiche Verschiebungen im einzelnen; zudem wird die Reichsverfassung aufgrund der o.g. neueren Arbeiten wieder positiver gesehen. Dennoch ist im Grundsatz eine große Kontinuität dieser Sichtweise festzustellen. Vgl. generell Meuthen, Das 15. Jahrhundert, jeweils Kap. C , als ein neueres Beispiel B. Arnold, Princes and territories in medieval Germany, 1991. D a z u grundlegend D . Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, hier bes. 121-172. Der Terminus „Landeshoheit" wurde bereits im 17. Jahrhundert vereinzelt gebraucht, drang aber in dieser Zeit noch nicht durch.
1. Staat und Herrschaft im Alten Reich
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nehmlich auf die Frage nach den Entwicklungsstufen der im 18. Jahrhundert greifbaren Landeshoheit, deren eigentliche Fundamente bereits im Frühmittelalter gesehen wurden. Je nachdem, auf welche Region sich die Forschungen stützten, wurden verschiedene Faktoren herausgearbeitet, die entscheidend für den Auf- und Ausbau der sog. Landeshoheit gewesen seien, vor allem Grafschaftsrechte, Immunität, Grundherrschaft, Vogtei, Wildbann bzw. Forsthoheit, Geleitrechte sowie die vielfältigen Ausformungen der hohen und niederen Gerichtsbarkeit. 13 Die Kernfrage war dabei die nach der Gewichtung der hohen Gerichtsbarkeit im Gegensatz zur Grundherrschaft, der Niedergerichtsbarkeit und dem Komplex der Vogtei. Nachdem sich seit den 1920er Jahren gegen ältere Anschauungen von der ausschlaggebenden Bedeutung der Grundherrschaft die Lehre von der Gerichtsherrschaft, und zwar in erster Linie der Blutgerichtsbarkeit, als wesentliches Kriterium bei der Ausbildung der Landesherrschaft durchgesetzt hatte, 14 entstand nicht zuletzt aufgrund der neuen Ansätze etwa von Walter Schlesinger15 und Otto Brunner 16 eine differenziertere Sichtweise, die vor allem von Theodor Mayer 17 und Karl Siegfried Bader 18 in den fünfziger Jahren in Forschungssynthesen eingebracht wurde und bis heute weithin maßgeblich für die wissenschaftliche Meinungsbildung blieb. 19 Generell hat sich dabei die sog. landesgeschichtliche Betrachtungsweise durchgesetzt; die nun entstehenden grundlegenden Monographien konzentrierten sich dezidiert auf historische Landschaften wie Thüringen, Sachsen und Bayern oder auch nur einzelne Teilgebiete.20 13
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Vgl. zusammenfassend die Beiträge in: H. Kämpf (Hg.), Herrschaft und Staat im Mittelalter, 1956. Vgl. etwa Th. Knapp, Zur Geschichte der Landeshoheit, 1932. Forschungsgeschichtlich bedeutsam sind hierfür neben G. v. Below, (Der deutsche Staat des Mittelalters, 1914, 2 1925; Territorium und Stadt, 2 1923) die Arbeiten von H. Aubin und E. Frhr. v. Guttenberg, schon wegen ihrer Leitungsfunktion im Institut für Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande in Bonn bzw. im Institut für fränkische Landesforschung in Erlangen. Vgl. H. Aubin, Die Entstehung der Landeshoheit nach niederrheinischen Quellen, 1920; E. Frhr. v. Guttenberg, Grundzüge der Territorienbildung am Obermain, 1925; ders., Die Territorienbildung am Obermain, 1926. W. Schlesinger, Die Entstehung der Landesherrschaft, 1941 (ND 1964); ders., Die Landesherrschaft der Herren von Schönburg, 1954. O. Brunner, Land und Herrschaft, 4 1959 (= 5 1965, ND 1990). Th. Mayer, Fürsten und Staat, 1950; ders., Analekten zum Problem der Entstehung der Landeshoheit, vornehmlich in Süddeutschland, 1952. K.S. Bader, Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 1950 ( 2 1978); ders., Volk, Stamm, Territorium, 1956. Vorbildlich in ihrer differenzierten Abgewogenheit ist z.B. die Studie von M. Schaab, Grundzüge und Besonderheiten der südwestdeutschen Territorialentwicklung, 1979. Vgl. auch H. Patze, Die Herrschaftspraxis der deutschen Landesherren während des späten Mittelalters, 1980; knappe Zusammenfassung des Forschungsstandes bei H. Mitteis/H. Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, 19 1992,261-278. S. insbes. in Fortführung des Ansatzes von Schlesinger H. Patze, Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen I, 1962; H. K. Schulze, Adelsherrschaft und Landesherrschaft, 1963; daneben P.-M. Hahn, Fürstliche Territorialhoheit und lokale Adelsgewalt. Die herrschaftliche Durchdringung des ländlichen Raumes zwischen Elbe und Aller, 1989. Für die Entwicklung in Bayern: P. Fried, Herrschaftsgeschichte der altbayerischen Landgerichte Dachau und
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I. Thematik und Methode
Die Entwicklung in Franken spielt dabei insofern eine wichtige Rolle, als unter dem dominierenden Einfluß von Hanns Hubert Hofmann in der Frühzeit der Arbeit am Historischen Atlas von Bayern 21 für Franken die These von der ausschlaggebenden Bedeutung der Vogtei für die Herrschaftsbildung entwickelt wurde. Hofmann ging dabei stark von den Erkenntnissen aus, die er in seiner Dissertation über das mittelfränkische Herzogenaurach22 gewonnen hatte. Diese Perspektive wurde ergänzt durch die Rezeption von Reichspublizisten und Beamtentraktaten des 18. Jahrhunderts, die in seinen grundlegenden Schriften als Kronzeugen auftauchen.23 Mit den Autoren des 18. Jahrhunderts einig im Bemühen, die zersplitterte Territorienwelt Frankens auf einen Begriff der Staatlichkeit zu bringen, übernahm Hofmann deren Schlüsselwort „Landeshoheit" und definierte als Grundlage dieser Landeshoheit die mit der Grundherrschaft verbundene Vogtei. Für die in der Staatsrechtsliteratur des 18. Jahrhunderts beschriebenen rechtlichen Grundlagen dieser fränkischen Ausformung der Landeshoheit führte er den Begriff des „Reichsterritorialstaatsrechts fränkischer Observanz" in die Geschichtswissenschaft ein.24 Entscheidend für die neuere Forschung bis heute wurde es, daß Hofmann zwar seine Aussagen und deren quellenmäßige Fundierung vornehmlich aus den Verhältnissen des 18. Jahrhunderts bezog, in seinen forschungsgeschichtlich wirksamen Publikationen jedoch so stark akzentuierte, daß der Entwicklungsaspekt weit zurücktrat. „Grundlage der Territorienbildung bleiben allenthalben Vogtei und Grundherrschaft" 25 : Dieser ohne zeitliche Eingrenzung formulierte Kernsatz, inhaltlich gleichlautend mehrfach vorgetragen, 26
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Kranzberg, 1962; ders., Grafschaft, Vogtei und Grundherrschaft, 1963. Vgl. als besonders gut gelungenes neueres Beispiel einer differenzierten Darstellung und vergleichenden Perspektive der Konstituierung und Verdichtung fürstlicher Herrschaft: Ph. Robinson, Die Fürstabtei St. Gallen und ihr Territorium 1463-1529. Eine Studie zur Entwicklung territorialer Staatlichkeit, 1995. - In den genannten Arbeiten spiegelt sich die Forschungsentwicklung, deren Blickrichtung sich zunehmend vom frühen zum späten Mittelalter verschoben hat. Er verfaßte in der Reihe I die Hefte 1 (Höchstadt-Herzogenaurach, 1952), 2 (NeustadtWindsheim, 1953), 4 (Nürnberg-Fürth, 1954) und 8 (Gunzenhausen-Weißenburg, 1960); Heft 3 (Stadtsteinach, 1953, gemeinsam mit E. Frhr. v. Guttenberg), sowie ganz überwiegend die bisher vorliegenden vier Hefte in der Reihe II, die sich mit den Verhältnissen in Franken am und seit dem Ende des Alten Reichs befassen. Vgl. im einzelnen die Ubersicht in W. Volkert/W. Ziegler, Im Dienst der bayerischen Geschichte, 1998, 217 f sowie zu Hofmann ebd. im Personenregister s.v. Herzogenaurach. Die Geschichte eines Grenzraumes in Franken, 1950. Vgl. die eigenen Hinweise Hofmanns „auf die bislang viel zu wenig ausgewertete staatsrechtliche Literatur des Barock": ders., Adelige Herrschaft, 47 Anm. 9; vgl. ebd. 6 Anm. 13, 8f, 55f und passim. Vgl. H . H . Hofmann, Adelige Herrschaft, 11, 55; ders., Territorienbildung (1971), 284; R. Schuh, Das vertraglich geregelte Herrschaftsgemenge, 1995,140. H. H. Hofmann, Franken, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1 (1971) 1192-1201, hier 1195. Vgl. im forschungsgeschichtlich zentralen Aufsatz von H. H. Hofmann (Territorienbildung, 1971, bes. 289-292) die starke Betonung von Grundherrschaft und Vogtei auch für das 14. Jahrhundert.
1. Staat und Herrschaft im Alten Reich
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in der Handbuchliteratur übernommen 27 und auch in der Grundlagenforschung des Historischen Atlas vbn Bayern immer wieder axiomatisch vorgetragen,28 vermengte somit Anfänge, Elemente und Ergebnisse fürstlicher Herrschaftsbildung. Die von Hofmann selbst in größeren Abhandlungen angebrachte Differenzierung, daß seine Feststellung erst ab dem 16. Jahrhundert gelte,29 ging dadurch verloren. Daneben ist zu beobachten, daß bisher auf der Suche nach dem Wesen der „Landeshoheit" vor allem deren Elemente seziert und differenziert beschrieben wurden. Die strukturelle Verschiedenartigkeit der Herrschaftsträger kam dabei jedoch vielfach zu wenig in den Blick, so ζ. B. die durchaus relevanten Standesunterschiede zwischen Fürsten, Grafen und Herren sowie dem niederen Adel. 30 Die Tatsache, daß etwa ein Sechstel des Reichsgebietes von geistlichen Fürsten regiert wurde, die zudem am Königshof eine maßgebliche Rolle spielten, wurde zwar gelegentlich hervorgehoben, 31 in der Forschungspraxis jedoch weitgehend vernachlässigt.32 Es fehlt nicht nur eine neuere vergleichende Monographie zum geistlichen Fürstentum, auch die Unterschiede der geistlichen Herrschaftsgebilde von den dynastischen33 sind bisher noch nicht systematisch herausgearbeitet.34
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A. Gerlich, Grundlagen der Territorienbildung, 1 1971 (= 2 1979): „Auch die hohe Gerichtsbarkeit war nur ein Hoheitsrecht neben anderen und noch nicht einmal das wichtigste" (269); „Die spätmittelalterliche Vogtei, sie selbst ein Verschmelzungsprodukt, wurde zum tauglichsten Instrument der Landesherren für den Bau ihrer Territorien" (272); vgl. auch R. Endres, Staat und Gesellschaft 1500-1800,1997, 702-704. Vgl. z.B. H. Wagner, Mellrichstadt, 1992, 83: „Grundlage aller Territorialstaatlichkeit ist in Franken die Vogtei." H. H. Hofmann, Adelige Herrschaft, passim, insbes. 48f und 64; ders., Freibauern, Freidörfer, Schutz und Schirm im Fürstentum Ansbach, 1960, 218, 247. Vgl. die Kritik bei D. Willoweit, Spätmittelalterliche Staatsbildung, 1996, 29. Durch seine profunden rechtshistorischen Analysen (s. dazu teilweise das Literaturverzeichnis sowie insbes. ders., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1992) hat Dietmar Willoweit der verfassungsgeschichtlichen Forschung entscheidende Anstöße gegeben, denen auch die vorliegende Arbeit verpflichtet ist. S. zuletzt Schubert, Fürstliche Herrschaft, 6-9. So selbst bei Schubert, Fürstliche Herrschaft, z.B. 77-80 (Residenzenbildung) oder 82-87 (transpersonale Herrschaftslegitimation). Zur einschlägigen Forschung vgl. J. Kunisch (Hg.), Der dynastische Fürstenstaat, 1982. Vgl. zur Forschungslage die Beiträge von P. Moraw und V. Press, Geistliche Fürstentümer, 1983; A. Schindling, Reichskirche und Reformation, 1987; W. Ziegler, Die Hochstifte des Reichs im konfessionellen Zeitalter 1520-1618, 1992; E. Wolgast, Hochstift und Reformation, 1995. Als Gesamtbild eines geistlichen Fürstentums vgl. W. Wüst, Das Fürstbistum Augsburg in der Frühen Neuzeit, 1997.
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I. Thematik und Methode
b) Aktuelle
Tendenzen
Bei der Betrachtung der neuesten Monographien zum Themenkreis der „Landeshoheit" verstärkt sich die Feststellung eines insgesamt doch recht einseitigen Forschungsfortschritts. So kommt etwa anhand badischen Materials die Mikrostudie von Thomas Simon über das Verhältnis von Grundherrschaft und Vogtei für das zu diesem Thema in neuerer Zeit kaum an den Quellen untersuchte Spätmittelalter zum eindeutigen Ergebnis, daß die Ortsvogtei bzw. die Summe von Ortsvogteien die unabdingbare Voraussetzung für die Territorienbildung gewesen sei, soweit es sich nicht um reine Usurpation oder um die Integration mediater Ortsherrschaften in ein ständisch bestimmtes Herrschaftsgebiet gehandelt habe. Die Blutgerichtsbarkeit sei hingegen zweitrangig und für die Ausbildung territorialer Herrschaftformen nicht zwingend erforderlich gewesen. 35 Die sehr lehrreiche und eindringende Quelleninterpretation leidet jedoch darunter, daß abweichend vom allgemeinen Titel nur ein eng begrenztes Gebiet untersucht und die Ergebnisse der allgemeinen verfassungs- und landesgeschichtlichen Forschung nur selektiv diskutiert werden, so daß die Frage nach der Relevanz der Ergebnisse Simons noch zu beantworten ist. Demgegenüber verweist Jörg Meyn am sächsischen Beispiel „im Anschluß an von Below erneut auf die Bedeutung der Grafschaft als Grundlage der Landesherrschaft", 36 aber auch darauf, „daß machtpolitische Auseinandersetzungen rivalisierender Territorialherren über die Verteilung der Grundlagen und damit über Erfolge und Mißerfolge beim Aufbau der Landesherrschaft entschieden." Schließlich habe erst der Besitz von Grundherrschaften den nötigen Rückhalt für die Stellung des Landesherrn in seinem Territorium gegeben. 37 Besonders auffällig ist auch hier die Isolation des Untersuchungsgegenstandes, denn Fragen etwa nach dem Alter oder den besonderen Bedingungen der Herrschaftsbildung im Vergleich mit anderen Gebieten werden nicht gestellt. 38 Abgesehen von den Thesen H. H. Hofmanns und seiner Nachfolger sowie weniger Detailstudien wurde also die Frage nach den Grundlagen der „Landesherrschaft" oder „Landeshoheit" in der Forschung der letzten Jahrzehnte kaum und dann zumeist in überkommenen Bahnen behandelt. 39 Dezidierte 35
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Th. Simon, Grundherrschaft und Vogtei, 1995. Untersuchungsgegenstand ist das Gebiet der kleinen Markgrafschaft Hachberg-Sausenberg (1503 in der Markgrafschaft Baden aufgegangen); zum Vergleich werden einige Fallstudien aus dem benachbarten Vorderösterreich gegenübergestellt. J. Meyn, Vom spätmittelalterlichen Gebietsherzogtum zum frühneuzeitlichen „Territorialstaat": Das askanische Herzogtum Sachsen 1180-1543, 1995, 178f. Ebd. 179. Vgl. auch P. Moraw, Die Entfaltung der deutschen Territorien im 14. und 15. Jahrhundert, 1984, 68; Schubert, Fürstliche Herrschaft, 51f. Zu den letzten großen wissenschaftlichen Publikationen in dieser Richtung gehört der Sammelband: H. Patze (Hg.), Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, 2 Bde, 1970/71; vgl. neuerdings G. Chittolini/D. Willoweit (Hg.), Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, 1996. Das Großunternehmen des Historischen Atlas von Bayern
1. Staat und Herrschaft im Alten Reich
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Aussagen sind im allgemeinen vorsichtigen Formulierungen gewichen, die sich an die Synthesen von Mayer und Bader anlehnen.40 Daß dem vieldiskutierten Problem auch ausgewichen wird, zeigt der insgesamt herausragende einschlägige Band in der Enzyklopädie deutscher Geschichte von Ernst Schubert, der sich nicht mit der Frage nach der Entstehung der Landesherrschaft aufhält, sondern voraussetzungslos mit ihrer Beschreibung einsetzt.41 Dieses Verfahren ist zur Zeit vorherrschend. Die gegenwärtigen Bemühungen um die deutsche Herrschafts- bzw. die frühmoderne Staatsbildung konzentrieren sich allenthalben auf die Frage nach dem Ausmaß dieser Herrschaft, der Durchsetzungsfähigkeit von Innovationen und der Rolle einzelner Faktoren, etwa die Funktionsweise des Lehnswesens, das Eindringen des römischen Rechts, die Entwicklung der Gesetzgebung, die Modernisierung der Verwaltung oder die Begleiterscheinungen der Konfessionalisierung.42 Die Wirkungszusammenhänge der „Territorialherrschaft" werden in zahllosen landes- und regionalgeschichtlichen Arbeiten in breiter Themenvielfalt untersucht, etwa die Bedeutung von Domkapiteln 43 und Adelsverbänden, 44 der strukturelle und personelle Verwaltungsapparat der Territorien 45 und in besonderem Maße die Entwicklung der Landstände als vielfach konstitutiver
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hat zwar bislang viele Einzelergebnisse hervorgebracht, aber noch keine Synthese gefunden. Vgl. die Forschungsberichte in: A. Kraus (Hg.), Land und Stamm, Reich und Nation, 1984 (P. Fried, W. Volkert, W. Wüst, W. Ziegler). In diesem Sinne etwa die Überarbeitung durch F. Machilek, in: Gerlich/Machilek, Staat und Gesellschaft, 541f (gegenüber dem Text von A. Gerlich in den ersten Auflagen, s.o. Anm. 27). Vgl. den systematisierenden Überblick von D. Willoweit, Die Entwicklung und Verwaltung der spätmittelalterlichen Landesherrschaft, 1983, 66-81. Schubert, Fürstliche Herrschaft; nur indirekt nimmt Schubert in den forschungsgeschichtlichen Kapiteln Stellung, vgl. ebda 62, 67f. S. auch unten Anm. 55. Vgl. Krieger, Lehnshoheit, 5f; Schubert, Fürstliche Herrschaft; Moraw, Entfaltung; B. Diestelkamp (Hg.), Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, 1990; H. Schilling, Konfessionskonflikt und Staatsbildung, 1981; ders., Die Konfessionalisierung von Kirche, Staat und Gesellschaft, 1995. Als Beispiel A. Wolf, Gesetzgebung in Europa 1100-1500. Zur Entstehung der Territorialstaaten, 2 1996, hier 24: „Die Gesetzgebung hat die europäischen Territorialstaaten in wesentlichen Elementen überhaupt erst geschaffen. Insofern ist die Geschichte der Gesetzgebung eine Geschichte von Entstehung und Organisation des modernen Staates"; in dieser Linie liegt auch das Erkenntnisinteresse der neuesten Arbeit von St. Schlinker, Fürstenamt und Rezeption, 1999, hier bes. 18. Vgl. etwa G. Fouquet, Das Speyerer Domkapitel im späten Mittelalter 1987; M. Hollmann, Das Mainzer Domkapitel im späten Mittelalter, 1990; K. Maier, Das Domkapitel von Konstanz und seine Wahlkapitulationen, 1990. Übergreifende Hinweise bei G. Christ, Selbstverständnis und Rolle der Domkapitel in den geistlichen Territorien des alten deutschen Reiches in der Frühneuzeit, 1989; ders., Bischof und Domkapitel von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, 1992. V. Rödel, Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979; K. Andermann, Studien zur Geschichte des pfälzischen Niederadels im späten Mittelalter, 1982; H.P. Baum, Der Lehenhof des Hochstifts Würzburg im Spätmittelalter (1303-1519) [ungedr. Habil.schrift Würzburg 1990]. Vgl. auch R. Endres, Adel in der Frühen Neuzeit, 1993. Vgl. z.B. den Forschungsüberblick bei C. van den Heuvel, Beamtenschaft und Territorialstaat, 1984, S. 30-50.
18
I. Thematik und Methode
Teil von Herrschaftsbildung und Herrschaftspraxis; 46 nicht zuletzt hat hier auch die herkömmliche Form der biographisch orientierten Darstellungen ihren Platz. 4 7 Insgesamt ist dabei das 15. Jahrhundert im Vergleich zu den früheren und späteren Jahrhunderten trotz der herausragenden neueren Ansätze schon rein quantitativ schlecht erforscht. Dagegen finden Beziehungen zwischen den verschiedenen Herrschaftsträgern im Alten Reich im Einklang mit der Erkenntnis, daß die Zeit der Gegenreformation und Konfessionalisierung einen wichtigen Einschnitt im Staatsbildungsprozeß darstelle, der den sog. Absolutismus 48 vorbereitete, 49 erst für diese Zeit stärkere Beachtung. Während Außenbeziehungen gewöhnlich nur in der Analyse einzelner konkreter Konflikte und der daraus ableitbaren politischen Entwicklungen analysiert werden, 50 war „Außenpolitik" vor dem Dreißigjährigen Krieg und Westfälischen Frieden in bezug auf die deutschen Fürstentümer bisher kaum ein eigener Untersuchungsgegenstand, ein Faktum, das allmählich zur Kenntnis genommen wird. 51 Dieser Forschungstrend, der sich vordergründig zurecht auf die Verfassungswirklichkeit des Alten Reiches berufen kann, widerspricht jedoch der leicht greifbaren Beobachtung, daß etwa den benachbarten Herrschaftsträgern eines Fürsten im „offenen System" des Spätmittelalters potentiell eine größere Rolle für seinen eigenen Herrschaftsbereich zukommt als in der späteren Phase der „geschlossenen Staaten". 52 Daß die Beziehungen von Herrschaftsträgern am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit vom Versuch der klaren Abgrenzung
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Vgl. z.B. Dahlmann-Waitz 39/3278-3287, 260/801-862; als neueres Beispiel zu Stand und Perspektiven der Forschung W. Ziegler (Hg.), Der bayerische Landtag, 1995. R. Stauber, Herzog Georg von Bayern-Landshut und seine Reichspolitik, 1993; M. Fuhs, Hermann IV. von Hessen. Erzbischof von Köln 1480-1508, 1995; R . Seyboth, Die Markgraftümer Ansbach und Kulmbach unter der Regierung Markgraf Friedrichs des Alteren (1486-1515), 1985; H. Noflatscher, Glaube, Reich und Dynastie. Maximilian der Deutschmeister (1558-1618), 1987. Dazu H. Duchhardt, Das Zeitalter des Absolutismus, 3 1998, bes. 159-165; R. Asch/H. Duchhardt (Hg.), Der Absolutismus - ein Mythos?, 1996. H. Schilling, Die Konfessionalisierung im Reich. Religiöser und gesellschaftlicher Wandel in Deutschland zwischen 1555 und 1620, 1988, hier bes. S. 6. Selbst in eher theoretischen Überlegungen geht es fast ausschließlich um das „Oben" und „Unten", nicht um das Neben- oder Gegeneinander von Herrschaft. Vgl. etwa A. Lüdtke, Herrschaft als soziale Praxis, 1991, 9-63. Allerdings vornehmlich bezogen auf das Reich: P. Moraw (Hg.), „Bündnissysteme" und „Außenpolitik" im späteren Mittelalter, 1988; D. Berg, Deutschland und seine Nachbarn 1200-1500, 1997; vgl. auch H. Duchhardt (Hg.), Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit, 1991; C . Lutter, Politische Kommunikation an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Republik Venedig und Maximilian I. (1495-1508), 1998; P. Frieß, Die Außenpolitik der Reichsstadt Memmingen in der Reformationszeit (1517-1555), 1993. Für das Verhältnis Reich - Fürstenherrschaft: Stauber, Herzog Georg. Dazu neuerdings ähnliche Beobachtungen des Herausgebers in: E. Riedenauer (Hg.), Landeshoheit. Beiträge zur Entstehung, Ausformung und Typologie eines Verfassungselements des römisch-deutschen Reiches, 1994, bes. lf. Vgl. in diesem Sinne die älteren Ansätze einer Verknüpfung von „inneren" und „äußeren" Aspekten fürstlicher Politik, z.B. S. v. Riezler, Geschichte Baierns III, 1889.
1. Staat und Herrschaft im Alten Reich
19
von Herrschaftsbereichen bestimmt sind und damit ein besonderes Gewicht haben, wird von der Forschung zwar generell erkannt,53 aber nicht näher ausgeführt. Während also die „Staatlichkeit" von Herrschaftsgebieten im Reich vor dem 17. Jahrhundert vornehmlich durch die Binnenanalyse eben dieser Herrschaftsgebiete untersucht wird, bildet die Außenpolitik ab dieser Zeit nicht nur einen Schwerpunkt der Forschung, sondern die Staatlichkeit definiert sich nun wesentlich aus dem Kriterium der Fähigkeit zu eigener Außenpolitik. 54 Daneben ist zu beobachten, daß die „Entstehung der Landesherrschaft" heute häufig unausgesprochen als ein Vorgang angesehen wird, der im wesentlichen vor dem Spätmittelalter lag, so daß sich „Spätmittelalter"- und „Frühneuzeit-Historiker" damit nicht befassen müssen.55 Gleichzeitig mehren sich jedoch die Darstellungen, die mit einem breit definierten Staatsbegriff arbeiten und ihn für ganz verschiedene Epochen verwenden, etwa „Hausordnung und Staatsbildung"56 im 14., „Konfessionskonflikt und Staatsbildung"57 im 16./17. oder „Staatsbildung als Gesellschaftsreform" 58 im 19. Jahrhundert. Demnach wäre die „Entstehung der Landesherrschaft" ein einmaliger, hochmittelalterlicher Vorgang, die - ein Herrschaftsobjekt bereits prinzipiell voraussetzende - „Staatsbildung" dagegen ein permanenter Prozeß. 59 Diese historiographische Praxis führt umso mehr zu Unklarheiten, weil in bezug auf die so unterschiedlich definierten und untersuchten Herrschaftsgebilde ohne chronologische Differenzierungen häufig die Rede von der „Landeshoheit" ist, wie dies auch im neuesten, ausdrücklich diesem Thema gewidmeten Werk geschieht.60
c) Folgerungen Nach dem Postulat Otto Brunners sind die modernen Termini der Geschichtswissenschaft auf ihre Funktion hin zu befragen und mit den Quellen53 54 55
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Schubert, Grundprobleme, 1 9 6 - 2 0 4 . Aretin, Das Alte Reich I, 34, 5 7 - 6 1 u. passim. Vgl. Schubert (wie Anm. 41). - Hier wird über die scheinbar unüberwindliche Epochengrenze 1500 hinaus die Problematik der inzwischen weit verbreiteten wissenschaftsorganisatorischen Trennung von H o c h - und Spätmittelalter sichtbar. H . - D . Heimann, Hausordnung und Staatsbildung. Innerdynastische Konflikte als Wirkungsfaktoren der Herrschaftsverfestigung bei den wittelsbachischen Rheinpfalzgrafen und H e r z ö gen von Bayern. Ein Beitrag zum Normenwandel in der Krise des Spätmittelalters, 1993.
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H . Schilling, Konfessionskonflikt und Staatsbildung. Eine Fallstudie über das Verhältnis von religiösem und sozialen Wandel in der Frühneuzeit am Beispiel der Grafschaft Lippe, 1981.
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P. Nolte, Staatsbildung als Gesellschaftsreform. Politische Reformen in Preußen und den süddeutschen Staaten 1 8 0 0 - 1 8 2 0 , 1990.
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So letzteres explizit für die Zeit v o m Hochmittelalter bis ins 19. Jahrhundert bei P. C o r r i gan/D. Sayer, The Great Arch. English State Formation as Cultural Revolution, 1985. Riedenauer, Landeshoheit. Das Buch k o m m t ohne Definition des Begriffs „Landeshoheit" aus, der von den meisten Autoren für die gesamte Zeit des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit ohne Problematisierung angewandt wird. Vgl. dagegen etwa die allgemeine Kritik
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I. Thematik und Methode
b e g r i f f e n z u k o n f r o n t i e r e n . 6 1 D i e m o d e r n e n , h e u t e gängigen B e g r i f f e „ T e r r i torialstaat", „ L a n d e s h e r r s c h a f t " , „ L a n d e s h o h e i t " , „ f r ü h m o d e r n e r Staat" ents p r i n g e n w e s e n t l i c h d e r b e s c h r i e b e n e n Sicht v o m „ m o d e r n e n Staat" als t e l e o l o g i s c h e m E n d p u n k t einer j a h r h u n d e r t e l a n g e n E n t w i c k l u n g u n d d e m V e r such, diese G e n e s e n a c h z u v o l l z i e h e n . 6 2 W e n n m a n v o n d e r A b f o l g e dieser Begriffe und dem damit implizierten Stufenmodell der Verfassungsgeschichte absehen u n d einen a n d e r e n Z u g a n g z u d e n V e r f a s s u n g s v e r h ä l t n i s s e n g e w i n n e n w i l l , ist m a n also z u n ä c h s t auf die B e o b a c h t u n g d e r Q u e l l e n s p r a c h e ang e w i e s e n . 6 3 D i e s soll in d e r v o r l i e g e n d e n U n t e r s u c h u n g geschehen. V o r a b ist f e s t z u h a l t e n , d a ß als allgemeine B e g r i f f e d e r F o r s c h u n g , die sich dabei auf breite Q u e l l e n b e l e g e s t ü t z e n k a n n , die F o r m e l p a a r e „ H e r r - H e r r s c h a f t " 6 4 u n d „ F ü r s t - F ü r s t e n t u m " 6 5 eine w e s e n t l i c h e E r s c h e i n u n g d e r spätmittelalterlichen u n d f r ü h n e u z e i t l i c h e n V e r f a s s u n g s g e s c h i c h t e 6 6 b e z e i c h n e n . H i n z u k o m m t , d a ß die n u r aus d e m b e s o n d e r e n Interesse des 1 9 . J a h r h u n derts f ü r d e n m o d e r n e n u n d s o u v e r ä n e n Staat e r k l ä r b a r e , 6 7 o f t m a l s n a c h „innen" gerichtete B e h a n d l u n g d e r „Territorialgeschichte" u n t e r e v o l u t i o n i s t i schen G e s i c h t s p u n k t e n e b e n s o w i e die a u f g e k l ä r t e T r e n n u n g v o n K i r c h e u n d Staat z u w e i l e n z u r V e r n a c h l ä s s i g u n g w e s e n t l i c h e r h i s t o r i s c h e n E n t w i c k l u n gen u n d d e r e n E r f o r s c h u n g g e f ü h r t hat. D i e s w i r d s c h o n an d e n z w e i g r o ß e n
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von Schubert, Fürstliche Herrschaft, 52-57. Zur Untauglichkeit des Begriffs „Landeshoheit" für die Zeit vor 1648 schon H. H. Hofmann, Adelige Herrschaft, 64f Anm. 96; Willoweit, Rechtsgrundlagen, 170 Anm. 191. Brunner, Land und Herrschaft (1959) 116, 163. Dieser Hinweis bezieht sich darauf, daß dieses Postulat von Brunner historiographisch wirksam aktiviert wurde und in der aktuellen Geschichtswissenschaft zumindest theoretisch konsensfähig ist. Historiographiegeschichtliche Studien zum Werk Brunners: Incontro su Otto Brunner, 1987. Zur Kritik an Brunners eigener Arbeit neuerdings auch: G. Algazi, Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter, 1996. Vgl. etwa H . H . Hofmann (Hg.), Die Entstehung des modernen souveränen Staates, 1967; zu den internationalen Bemühungen um den „modernen Staat" vgl. etwa N. Coulet/J.-P. Genet (Hg.), L'état moderne: Le droit, l'espace et les formes de l'état, 1990, sowie die Reihe: W. Blockmans/J.-P. Genet (Hg.), The origins of the modern state in Europe, A-F, 1995-1998. Dazu auch R. Koselleck, Begriffsgeschichtliche Probleme der Verfassungsgeschichtsschreibung, 1983, hier bes. 12. D. Willoweit, Herr, Herrschaft, in: Lexikon des Mittelalters 4 (1989) 2176-2179. Dem folgend soll hier der Begriff „Herrschaft" im weiteren Sinne verstanden werden „als ein rechtlich begründeter Anspruch auf fremdes Tun, mit welchem Befehls-(Gebots-)befugnisse meist verbunden sein werden." (ebd. 2177). Vgl. auch P. Moraw, Herrschaft im Mittelalter, 1982. Zur Kritik an der rechtlichen Begründung des Herrschaftsanspruchs, die freilich auf den Bedeutungsgehalt der verwendeten Begriffe „Herrschaft", „Landesherrschaft" und „Landeshoheit" nicht eingeht und die Standesunterschiede zwischen den „Herren" nicht thematisiert: Algazi, Herrengewalt, 1996. G. Theuerkauf, Fürst, in: HRG 1 (1971) 1337-1351; E. Schubert, Reichsfürsten, in: Lexikon des Mittelalters 7 (1995) 617f. Zum Verfassungsbegriff: Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichte, 1983; H. Mohnhaupt, Verfassung, 1990. Unter „Verfassung" wird in dieser Arbeit die Organisation von Herrschaft verstanden. Klassisch: E.-W. Böckenförde, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 1961. Auch Max Weber ist im Kontext dieses Denkens zu sehen: A. Anter, Max Webers Theorie des modernen Staates, 1995.
1. Staat und Herrschaft im Alten Reich
21
Themenkomplexen beim Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit deutlich: der sog. Reichsreform und der Reformation. Die „Reichsreform" läßt sich allgemein als Ringen der Verfassungskräfte des 15. und frühen 16. Jahrhunderts um ihren Anteil an der institutionellen Gestalt des Reiches beschreiben. 68 Dabei spielten ζ. B. die Reichsfürsten erst ab den 1470er Jahren eine wichtigere Rolle. 69 Deren Verhalten war maßgeblich geprägt von „territorialen" Interessen. 70 Wie kann demnach das Agieren der Fürsten im Reichsgefüge erklärt werden, wenn nicht bekannt ist, wie sie selbst ihre Herrschaft definierten, auf welchen Wegen sie diese durchsetzten und welche Wege ihnen versperrt waren? Fürstliche Herrschaft muß also sowohl in ihrem Selbstverständnis gedeutet als auch zum Reich in Bezug gesetzt werden, von dem diese Herrschaft ihren Ausgang nahm und auf das sie einwirkte. Dasselbe gilt für die Zeit der Reformation, die sich in ihrer konkreten Ausformung in erster Linie als „territorialpolitisches" Ereignis vollzog. 71 In einem breit angelegten Unternehmen wurde die Durchführung oder Verhinderung der Reformation in einem Großteil der deutschen Fürstentümer jetzt untersucht, 72 doch kommt dabei infolge der Forschungsentwicklung auch hier die Frage nach dem Selbstverständnis der Herrscher, ihren politischen Zielen und deren Handlungsrahmen teilweise zu kurz. Daß der Zustand der deutschen Fürstentümer zu Beginn der Reformation weithin unbekannt ist, dokumentiert sich ζ. B. darin, daß in einer großen Studie zum Thema „Hochstift und Reformation" - ganz im Sinne der Trennung von Kirche und Staat - die geistliche Komponente des „Bischof-Fürsten" dezidiert ausgeklammert wird, 73 obwohl gerade sie bzw. ihre Auswirkungen in den Jahrzehnten vor der Reformation zu den wichtigeren politischen Themen gezählt hatte. 74 Die Erforschung der sog. deutschen Territorien darf demzufolge nicht nur den Prozeß der Herrschaftsgenese isolieren, sondern muß ebenso Herrschaftsgrundlagen und -möglichkeiten jeweils im Kontext der Zeit untersuchen und interpretieren. Da bisher ersteres im Vordergrund stand, wird in der vorliegenden Arbeit ein Ansatz gewählt, der eher in Form eines Quer-
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Zum Forschungsstand Krieger, König, Reich und Reichsreform; A. Laufs, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 4 (1990) 732-739. P. Moraw, Fürstentum, Königtum und „Reichsreform" im deutschen Spätmittelalter, 1986, 130f. H. Angermeier, Begriff und Inhalt der Reichsreform, 1958, hier bes. 193f, 203-205. A. Schindling/W. Ziegler (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, 7 Bde, 1989-1997, hier das Vorwort zu I, 1989; vgl. W. Ziegler, Territorium und Reformation. Überlegungen und Fragen, 1990. Wie vorige Anm. Wolgast, Hochstift, hier 11: „Die Amtsfunktion als Diözesanbischof und die Spiritualienkompetenzen des geistlichen Reichsfürsten sind aus der Untersuchung ausgeklammert worden." Vgl. A. Werminghoff, Neuere Arbeiten über das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland während des späten Mittelalters, 1908, bes. 167, 179-183; J. Hashagen, Zur Charakteristik der geistlichen Gerichtsbarkeit vornehmlich im Spätmittelalter, 1916, sowie etwa den Text der Gravamina von 1521 (RTA Jüngere Reihe II, 1896, 661-718).
22
I. Thematik und Methode
schnittes eine bedeutsame Phase (ca. 1470-1519) näher betrachtet, wobei freilich die auch innerhalb dieses Ausschnittes wirksame Dynamik nicht übersehen werden soll.
2. Aufgabenstellung und Grundlagen der Arbeit
a)
Untersuchungsgegenstand
Die Leitfragen der Untersuchung lauten in prinzipieller Formulierung: • Wie definiert ein Fürst bzw. seine Regierung um 1500 die eigene Herrschaftskonzeption ? • Welche Mittel werden im Konflikt mit anderen Fürsten eingesetzt, um diese Konzeption zu verwirklichen? • Wie verhalten sich theoretischer Anspruch und praktische Ergebnisse zueinander? Nicht die isolierte Längsschnittanalyse der Entwicklung von Herrschaft im Alten Reich, sondern eine in den Kontext der Zeit gestellte Teiluntersuchung eines begrenzten Ausschnittes (ca. 1470-1519) soll im Mittelpunkt stehen. Dieser Zeitabschnitt wird in Abschnitt 1.3 als eigenständige Epoche in Franken herausgearbeitet; er wurde auch deshalb gewählt, weil er von der Forschung u.a. im Kontext der Reichsreform, der Rezeption von römischem Recht und Humanismus sowie der Vorgeschichte der Reformation zwar vielfach thematisiert, aber relativ wenig bearbeitet ist. Mit dieser querschnittartigen Darstellung soll also nicht zuletzt ein Beitrag zum besseren Verständnis jenes Prozesses geleistet werden, der die deutschen Fürstentümer zwischen dem geistigen, wirtschaftlichen und rechtlichen Wandel des 15. Jahrhunderts und den Einflüssen der Reformation auf eine neue Grundlage stellte.75
75
Auf die Diskussion um die „Epochengrenze" um 1500 sei hier nicht eingegangen, vgl. dazu die Hinweise bei E. Pitz, Mittelalter, in: Lexikon des Mittelalters 6 (1993) 684-687; F. Graus, Epochenbewußtsein im Spätmittelalter und Probleme der Periodisierung, 1987; H. E. Bödeker/E. Hinrichs, Alteuropa - Frühe Neuzeit - Moderne Welt? Perspektiven der Forschung, 1991; R. Vierhaus (Hg.), Frühe Neuzeit - Frühe Moderne?, 1992. - Daß diese Epochengrenze für das Untersuchungsziel heuristisch ohne Belang ist, muß beim gegenwärtigen Stand der Epochen-Diskussion nicht näher ausgeführt werden. Dagegen ist zur konkreten Abgrenzung des Untersuchungszeitraumes von Interesse, daß nach P. Moraw das „Zeitalter" von 1470 bis gegen 1520, das zugleich eine „Epoche starker Beschleunigung" gewesen sei, „als eigene Einheit zu Unrecht zu wenig beachtet" werde: ders., Nord und Süd in der Umgebung des deutschen Königtums im späten Mittelalter, 1990, 56f mit Anm. 18; vgl. ders., Von offener Verfassung, 19, 183, 389-394, 411, 417. Aus sozialgeschichtlicher Sicht spricht P. Blickle von einer „Übergangsepoche zwischen Mittelalter und Neuzeit", die etwa von 1470/80 bis 1525 gereicht habe: ders., Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800, 1988, bes. 21f, 25, 65f. Die zeitliche Eingrenzung dieser Arbeit ist freilich nicht aus diesen allgemeinen Feststellungen, sondern aus den Entwicklungen im Untersuchungsgebiet abgeleitet (vgl. 1.3).
2. Aufgabenstellung und Grundlagen der Arbeit
23
Den Fragen nach dem Herrschaftsverständnis der Fürsten und seiner Tragfähigkeit in den Jahrzehnten um 1500 soll im Unterschied zu den gängigen Forschungsansätzen, die entweder vom Verhältnis des Reichs zu seinen Gliedern oder aber den Binnenstrukturen letzterer ausgehen, durch die Analyse von Herrschaftskonflikten zwischen Fürsten nachgegangen werden. Dieser Methode liegt die Überlegung zugrunde, daß sich das Herrschaftsverständnis nirgendwo so klar fassen läßt wie in der unmittelbaren Auseinandersetzung konkurrierender Herrschaftsträger, die hier ihre Grundüberzeugungen und Argumente formulieren und gegnerische Ansprüche abwehren mußten. Es liegt auf der Hand, daß man dadurch der politisch wirksamen Situation näher kommt als durch die Auswertung der sekundären Herrschaftsvorstellungen von theoretischen Rechtstraktaten, 76 pädagogischen Schriften und Fürstenspiegeln, 77 Chroniken 78 oder der Dichtung, 79 die zwar vielfach von den Herrschenden angeregt wurden und wiederum auf diese einwirkten, deren Urheber jedoch zumeist nicht direkt an den politischen Aktionen beteiligt waren. 80 Voraussetzung für diesen Ansatz ist freilich, daß die Auseinandersetzungen tatsächlich argumentativ und nicht nur rein militärisch verliefen und daß sie in irgendeiner Form dokumentiert sind. Das gewählte Untersuchungsgebiet Franken bietet dafür hervorragende Ausgangsbedingungen: Aufgrund eines einigermaßen ausgewogenen Kräfteverhältnisses bestand eine politisch offene Situation, zumindest in der Zeit nach der unmittelbaren militärischen Konfrontation; ab etwa 1470 bewegten sich die Konflikte für mehr als ein halbes Jahrhundert weitgehend in nicht militärisch verlaufenden Formen. Es existiert hier eine sehr breite Uberlieferung von Urkunden und Akten, die teilweise schon recht früh einsetzt und detailliert Auskunft über die zwischen den benachbarten Fürsten strittigen Materien gibt. Die hier dokumentierten Konfliktfälle (zeitgenössisch: Gebrechen, Irrungen) lassen sich allgemein beschreiben als Streit um rechtliche und fiskalische Zuständigkeiten, über die sich die benachbarten Fürsten in Form von Korrespondenzen und Schlichtungsverhandlungen auseinandersetzten. 76
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Das Standardwerk von Willoweit, Rechtsgrundlagen, hat zwar die politischen Entwicklungen im Blick, beruht jedoch auf der Auswertung juristischer Literatur; es gilt daher das Urteil: „Die Transferierung staatsrechtlicher Begriffe der Wissenschaft in die Wirklichkeit des Fürstentums ist noch nicht untersucht." (Schubert, Fürstliche Herrschaft, 83). Vgl. auch D. Wyduckel, Princeps Legibus Solutus. Eine Untersuchung zur frühmodernen Rechts- und Staatslehre, 1979 sowie den Überblick bei J. Miethke, Politische Theorien im Mittelalter, 1993 (mit weiterf. Literatur). W. Berges, Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, 1938; B. Singer, Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus und der Reformation, 1981. Zum Forschungsstand: Lexikon des Mittelalters 4 (1989) s.v. Fürstenspiegel (H.H. Anton, U. Schulze). Vgl. auch L. Schräder, Der Herrscher nach Erasmus von Rotterdam, 1990. H. Patze (Hg.), Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter, 1987; für die aktuelle Forschung vgl. z. B. B. Studt, Fürstenhof und Geschichte, 1992. H. Fehr, Vom Fürstenstand in der deutschen Dichtung des Mittelalters, 1954. Vgl. T. Struve, Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassung im Mittelalter, 1978, hier bes. 318f. Diese Einschätzung der Interpretationsmöglichkeiten der genannten Quellengruppen soll freilich die vielfältigen Ergebnisse der diesbezüglichen Forschung nicht in Abrede stellen.
24
I. Thematik und Methode
Das im einzelnen noch vorzustellende Quellenmaterial ist derart umfangreich, daß es nicht nur die Beantwortung der Leitfragen zuläßt, sondern schon durch seine Existenz die außerordentliche zeitgenössische Bedeutung der Materie anzeigt. Ein Beispiel mag dies veranschaulichen: Von 1492 bis 1508 stritten sich die Fürsten von Würzburg und Fulda um die Herrschaft über das Dorf Westheim. In dieser Zeit entstanden über 600 Briefe und 20 Verhandlungsprotokolle, die sich mit diesem Thema beschäftigten. Den Fürsten und ihren wichtigsten Ratgebern war die Problematik also nicht nur generell bewußt, sondern sie haben sie für besonders bedeutsam gehalten und sich kontinuierlich damit beschäftigt. In dieser Arbeit ist die Untersuchung der „nachbarlichen Gebrechen" freilich nur Methode, nicht Selbstzweck. Deshalb liegt der Schwerpunkt weder auf den Formen der Konflikte, 81 noch auf den Funktionsweisen der Kommunikation, 82 sondern auf den Rückschlüssen, die sich aus dem dadurch entstandenen Quellenmaterial für die gestellten Leitfragen gewinnen lassen. Diese zielen auch nicht auf die Phänomenologie des „Normalfalls" fürstlicher Herrschaftsbildung, der die bislang schon mit großem Erfolg betriebene systematische oder deskriptive Behandlung der Entstehung und Entwicklung von Herrschaftsformen und Herrschaftsgebieten entspricht. 83 Der „Ausnahmefall" fürstlicher Herrschaftbildung, als der sich der Herrschaftskonflikt zwischen Fürsten darstellt, bringt vielmehr Grundsätze zur Geltung, die im „Normalfall" nicht reflektiert oder zumindest nicht verbalisiert wurden. Durch die Isolierung der entscheidenden Elemente für das Herrschaftsverständnis. der Fürsten und für dessen Tragfähigkeit kann somit die Herrschaftspolitik in ihren Intentionen und Methoden insgesamt besser erfaßt werden, als dies mit den bisher untersuchten Quellen möglich war. Die überbordende Quellenmenge, die Fragestellung und die Methode lassen es sowohl unerwünscht wie undurchführbar erscheinen, alle Konflikte zwischen den fränkischen Fürsten und ihren Nachbarn in ihrer Komplexität zu beschreiben. Ebensowenig können aus der selektiven Auswertung von Einzelfällen generelle Schlußfolgerungen gezogen werden; dies ist auch der 81
Zu den neueren Ansätzen in der mittelalterlichen Konfliktforschung: J. Fried (Hg.), Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, 1996; G. Althoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter, 1997; A. Black, Harmony and Strife in Political Thought c. 1300-1500, 1994. - Zur Theoriebildung in der Politikwissenschaft: E. Weede, Konfliktforschung, 1986. - Zum konkreten Verlauf von Herrschaftskonflikten und ihrer Lösung im 15. Jahrhundert vgl. die ohne großes Echo gebliebene Pilotstudie von I. Most, Schiedsgericht, rechtlicheres Rechtgebot, ordentliches Gericht, Kammergericht. Zur Technik fürstlicher Politik im 15. Jahrhundert, 1958.
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Zur Kommunikationsforschung bietet die Gebrechen-Uberlieferung ein hervorragendes Quellenmaterial. Zur allgemeinen Forschungssituation vgl. H.-D. Heimann (Hg.), Kommunikationspraxis und Korrespondenzwesen im Mittelalter und in der Renaissance, 1998; Lutter, Politische Kommunikation. Einen diplomatiegeschichtlichen Uberblick bietet M. Anderson, The Rise of Modern Diplomacy 1450-1919,1993. In diesem Sinne z.B. für die Mainzer Herrschaft: G. Christ, Erzstift und Territorium Mainz, 1997. Nach diesem Prinzip verfährt auch das umfassendste herrschaftsgeschichtliche Forschungsunternehmen in Deutschland, der Historische Atlas von Bayern. Vgl. zu diesem Volkert/Ziegler, Im Dienst der bayerischen Geschichte, 80-84, 213-219.
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2. Aufgabenstellung und Grundlagen der Arbeit
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Hauptgrund dafür, daß von der vergleichenden Behandlung einiger beliebiger Beispiele von fürstlichen Herrschaftskonflikten im Reich abgesehen wurde. Vielmehr mußte ein arbeitsökonomisch vertretbares Vorgehen gefunden werden, mit dem sowohl die zeitgenössische Relevanz der behandelten Konfliktfälle abgesichert als auch ausreichend vergleichbares Material geboten wird. Diese Arbeit geht deshalb von der schon rein geographisch zentralen Fürstengestalt in Franken aus, dem Bischof von Würzburg, der mit den Ressourcen und dem politischen Potential seines Bistums seit dem Hochmittelalter zu den bedeutenderen, wenn auch nicht den führenden Reichsfürsten zählte und bis zum Ende des Alten Reichs den Titel eines Herzogs von Franken beanspruchte. 84 In möglichster Vollständigkeit werden dessen Herrschaftskonflikte mit zwei sehr unterschiedlichen Nachbarn behandelt, und zwar den Fürstentümern Ansbach/Kulmbach 85 sowie der (Fürst-)Abtei Fulda. Während ersteres Gebilde weltlich war, eine spätmittelalterliche Schöpfung, in den Machtgrundlagen Würzburg mindestens ebenbürtig und durch die Markgrafen in eine weitgespannte Reichspolitik eingebunden, war letzteres geistlich (aber kein Bistum), mit einer Tradition seit der Karolingerzeit, relativ klein und reichspolitisch schon seit dem Hochmittelalter eher abstinent. Gleichzeitig liegen hier neuere Forschungen vor, die teilweise vorzügliche Studien zu den Verhältnissen um 1500 bieten und insgesamt wenigstens eine einigermaßen gesicherte Grundlage abgeben (s. unten b). Der methodischen Kontrolle der hier erzielten Ergebnisse dient die Untersuchung eines der Hauptkonflikte Würzburgs mit dem Erzbistum Mainz, das als Sitz des vornehmsten geistlichen Kurfürsten und Metropolitans des Würzburger Suffraganbistums nochmals eine veränderte Konstellation bieten, freilich aufgrund des ungenügenden Forschungsstandes nicht in gleicher Intensität wie Ansbach und Fulda einbezogen werden kann. Nicht behandelt werden die
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Zur Relevanz des „Regionalismus" als „territorial nicht fixierbare Einheit..., die Fürsten und Große eines Gebietes als gemeinsame Raumbasis empfanden": Schubert, König und Reich, 315-320, Zitat 316. Vgl. auch V. Press, Franken und das Reich in der Frühen Neuzeit, 1992, 331, der für das 15. Jahrhundert feststellt, daß Franken „ein relativ geschlossenes, von außen wenig beeinflußtes politisches System darstellte" - mit Ausnahme des Königtums, das jedoch seit König Sigismund nur aus der Ferne einwirkte. Es gibt zwei Fürstentümer der fränkischen Zollern, das Oberland um Kulmbach/Bayreuth mit Zugehörungen um Neustadt/Aisch und Erlangen sowie das Unterland um Ansbach (vgl. 1.3). Ihre korrekte Bezeichnung lautet zeitgenössisch Burggraftum Nürnberg, in der Forschung Markgraftum Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach. Ersteres wies weitaus die meisten unmittelbaren Berührungspunkte zu Würzburg auf; allerdings waren die beiden zollerischen Fürstentümer in der untersuchten Zeit zumeist in einer Hand (Ausnahme: 1486-1495; zudem fungierte Neustadt/Aisch 1486-1512 als Witwensitz für Markgraf Albrechts Gattin Anna). Von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, werden hier demnach die Auseinandersetzungen zwischen Würzburg und Ansbach betrachtet. - Seit der Übernahme der Markgrafschaft Brandenburg bezeichnen sich alle fränkischen Zollern als Markgrafen, obwohl ihre Fürstenwürde in Franken auf der Burggrafschaft Nürnberg beruhte. In der Folgezeit wurde der Markgrafentitel auch auf diese bezogen, die im Unterschied zu einer echten Markgrafschaft in den frühneuzeitlichen Quellen und in der modernen Forschung überwiegend als „Markgraftum" bezeichnet wird. Im folgenden wird der Einfachheit halber zumeist die Bezeichnung „(Fürstentum) Ansbach" bzw. „Kulmbach" verwendet.
I. Thematik und Methode
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Konflikte Wiirzburgs mit anderen Nachbarn oder dieser untereinander (Sachsen, Bamberg, Deutscher Orden). Auch die fränkischen Grafen und Herren können nicht berücksichtigt werden; sie konnten als Angehörige des Hochadels zwar durchaus beachtliche Herrschaften bilden, doch waren diese im zeitgenössischen Verständnis von minderer Qualität. Die Untersuchung der auch hier vorhandenen Herrschaftskonflikte ist für die angestrebten prinzipiellen Erkenntnisse nicht notwendig und muß schon aus arbeitsökonomischen Gründen der konkreten Einzelforschung überlassen werden. Aus methodischer Sicht fehlt lediglich die Konstellationsanalyse eines Herrschaftskonflikts zwischen zwei weltlichen Fürsten, die für Franken jedoch schon deshalb nicht durchführbar ist, weil es hier nirgends zwei einander benachbarte weltliche Fürstentümer im Vollsinne gab; dieser Aspekt soll deshalb im abschließenden Vergleichsabschnitt berücksichtigt werden. In diesem abschließenden Kapitel soll auch - zumindest in einer überblicksartigen Betrachtung der Forschungsliteratur - die Frage nach der Relevanz der am fränkischen Material gewonnenen Erkenntnisse in anderen Regionen des Reiches gestellt und damit die allgemeine Tragfähigkeit der Ergebnisse überprüft werden. Nicht unwichtig, aber sekundär erscheint demgegenüber und im Hinblick auf die Leitfragen die Rolle des niederen Adels und der Städte, doch soll der Ertrag der neueren einschlägigen Publikationen einbezogen werden.
b) Quellen und Literatur Hauptquelle der Untersuchung sind die Gebrechenbücher der Würzburger Kanzlei, die aufgrund der kontinuierlichen, oft jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit den Nachbarn in Form chronologisch aufgebauter Kopialbücher zusammengestellt wurden. 86 Teilweise stammen die Abschriften noch aus dem 15. Jahrhundert, in Buchform gebracht wurden sie wohl in den 1520er Jahren. 87 Die originale Überlieferung ist nirgends in vergleichbarer Breite und Geschlossenheit vorhanden. 88 Die äußerst umfangreiche Quellenserie der Gebrechenbücher besteht vornehmlich aus Verhandlungsprotokollen und Briefen sowie den einschlägigen Verträgen, beginnt mit Konfliktfällen seit der Mitte des 15. Jahrhunderts mit den mächtigeren Nachbarn Ansbach, Mainz und Bamberg und wird in einem „Schub" etwa im Zeitraum 1490-1520 auf die übrigen größeren Nachbarn ausgeweitet (Fulda, Henne-
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Sie wurden bis ins späte 16. Jahrhundert fortgeführt und dann durch speziellere Sachakten abgelöst. Die frühesten Gebrechenbücher, insbesondere das sog. Liber hadrorum (Stb. 717) vereinen in sich noch recht heterogene, weder sachlich noch chronologisch klar geordnete Sammlungen; vgl. hierzu die Analyse von Quirin, Einführung (s.u. Anm. 101). Th. Frenz, Kanzlei, Registratur und Archiv des Hochstifts Würzburg im 15. Jahrhundert, 1984, 145. Fragmentarische Uberlieferung z.B. in StAWü, Misceli. 1030 (betr. Ansbach); ebd. 2907 (betr. Mainz); StAWü, Ger. Hammelburg 1351 (betr. Fulda).
2. Aufgabenstellung und Grundlagen der Arbeit
27
berg, Wertheim). 8 9 Ursache für die Entstehung der Gebrechenbücher war also der akute praktische Bedarf, der - wie die Uberprüfung anhand der partiell erhaltenen Original- sowie der Gegenüberlieferung zeigt - zu einer sehr sorgfältigen Sammlung und Abschreibetätigkeit führte, die seit den 1490er Jahren ein gewisses Maß an Vollständigkeit beanspruchen kann. Die Anlage dieser Serie wurde bereits vom fürstbischöflichen Sekretär und Archivar L o renz Fries 9 0 in seiner „Hohen Registratur" beschrieben, die in nahezu realenzyklopädischer Form Themen, Inhalte und Begriffe des gesamten Würzburger Archivs im frühen 16. Jahrhundert erschließt. 91 Die Gegenüberlieferung ist jeweils sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während für Mainz teilweise die Konzepte des Auslaufs und die Ausfertigungen des Einlaufs sowie eine Reihe von Aktenauszügen des 16. Jahrhunderts erhalten sind, 92 was eine Verifizierung der Würzburger Kopialüberlieferung ermöglicht, bietet Fulda nur verstreute Registereinträge in seinen „Kopiaren". 9 3 Für Ansbach sind sowohl „Gebrechenbücher" 9 4 als auch Konzepte und Ausfertigungen 95 vorhanden, so daß hier die Überlieferung besonders dicht ist. Insgesamt bietet diese Quellengruppe der Gebrechenbücher bzw. -akten den großen methodischen Vorteil, daß durch ihren dialogischen Charakter im Gegensatz zu kanzleiinternen Aufzeichnungen wie z.B. Urbaren - genau erkennbar wird, über welche Rechte sich die streitenden Parteien einig waren, wo die Interpretation differierte und wo Ansprüche grundsätzlich abgewiesen wurden. Die somit überwiegend kopiale Hauptüberlieferung, deren Art und U m fang die Bedeutung der Materie für die Zeitgenossen verdeutlicht, wird er89
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Einschlägig für diese Arbeit sind für Ansbach vor allem die Stb. 717, 720, 721 und 722; für Fulda Stb. 725 und 729; für Mainz Stb. 739, 740 und 745. Bei den Gebrechenbücher handelt es sich i.d.R. um Foliobände mit jeweils rund 600 beschriebenen Seiten. Zu Leben und Werk vgl. die Hinweise bei U . Wagner/W. Ziegler (Hg.), Lorenz Fries (1489-1550), 1989. Teiledition der Einleitung der „Hohen Registratur" bei A. Schäffler, Die Urkunden und Archivalbände des hochstiftisch wirzburgischen Archivs im 16. Jahrhundert, 1886, 35—43 (aus Stb. 1010, 1011, 1013); vgl. auch L. Rockinger, Magister Lorenz Fries zum fränkisch-wirzburgischen Rechts- und Gerichtswesen, 1870; A. Schäffler, Die „hohe Registratur" des Magisters Lorenz Fries, 1873. Zum Würzburger Archivwesen des Spätmittelalters vgl. neben Frenz, Kanzlei, auch W. Scherzer, Die Anfänge der Archive der Bischöfe und des Domkapitels zu Würzburg, 1977; ders., Die fürstbischöfliche Kanzlei zu Würzburg und der Weg von den U r kunden zu den Akten, 1992. StAWü, Mainzer Regierungsarchiv Κ 274/38, 277/69, 280/151. Am wichtigsten im StAMr sind die Kopiare Κ 436 und 438 sowie einige Einzelstücke im Fuldaer Urkundenarchiv. Einschlägiges bietet daneben u. a. der Bestand 90b Grenzakten, der bei der Neuverzeichnung des Bestandes 90b (Reichsabtei Fulda, Auswärtige Angelegenheiten) nicht berücksichtigt wurde und über ein Verzeichnis des 19. Jahrhunderts nur unzureichend erschlossen ist. - Vgl. die knappe Übersicht bei B. Jäger, Das geistliche Fürstentum Fulda, 1986, 6f. Die schlechte Archivsituation für Fulda beruht auch auf großen Verlusten schon des 16. Jahrhunderts: H. Philippi, Das Schicksal des Fuldaer Stiftsarchivs, 1970. Dies ist die Serie der „Würzburger Bücher" im Staatsarchiv Nürnberg. Sie sind, soweit erhalten, zumeist im Staatsarchiv Bamberg im Bestand C 3 (Hofrat AnsbachBayreuth) zu finden.
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I. Thematik und Methode
gänzt durch Urkunden, Verträge und Kanzleibehelfe (ζ. B. Ämterlisten), die notwendige Informationen zum Hintergrund der Konflikte geben und die neben der originalen Urkundenüberlieferung 96 wiederum überwiegend kopial in den allgemeinen Registerserien 97 oder auch thematischen Zusammenstellungen 98 sowie als Einzelstücke verstreut in einer ganzen Reihe von Pertinenzbeständen des 19. und 20. Jahrhunderts zu finden sind. 99 Vor allem für grundlegende Fragen des Verhältnisses der untersuchten Fürstentümer zum Reich und zur Kurie wurden in den Reichsregisterbüchern erhaltene Kaiserbzw. Königsurkunden und die älteste Uberlieferung des Reichshofrates sowie die Registerserien der Kurie herangezogen. 100 Kleinere Funde ergaben sich in der Universitätsbibliothek und im Diözesanarchiv Würzburg sowie in den im Bayerischen Hauptstaatsarchiv verwahrten Akten des Reichskammergerichts, das zwar erst an der Wende zum 16. Jahrhundert seine Tätigkeit aufnahm, aber durchaus relevante Vorakten überlieferte. Der komplexe Aufbau der auch in anderen Regionen des Reichs entstandenen „Gebrechenbücher", die Fülle der Uberlieferung und nicht zuletzt das fehlende Interesse infolge der Forschungsentwicklung haben bisher fast überall dafür gesorgt, daß eine systematische Auswertung ausblieb. So hat z.B. Heinz Quirin Quellenwert und -problematik derartiger Akten gerade an einem Würzburger Beispiel exemplarisch mustergültig vorgeführt, 101 eine eigene (Teil-)Auswertung - ohne Nachweise - jedoch nur hinsichtlich des politischen Hintergrundes des süddeutschen Städtekrieges vorgelegt. 102 Die Möglichkeit, zentralen Fragestellungen für Würzburg bis weit ins Mittelalter zurück bzw. bis in die Zeit um 1600 nachgehen zu können, bietet die hervorragende Aufarbeitung der für das Bistum Würzburg zentralen Quellenbestände durch die entsprechenden Bände der Germania Sacra von Alfred Wendehorst; 103 ohne diese Schneise durch das Dickicht der archivalischen 96 97
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W U bzw. W U Libell; StABa, A 20, A 160; StAMr, R I a. Insbesondere Ldf 12 und 13 (Bischof Rudolf von Scherenberg 1466-1495), Ldf 19, 22, 23 und 24 (Bischof Lorenz von Bibra 1495-1519); StAN, Ansbacher Kopialbücher, ebd. Ansbacher Generalrepertorium Urk. (spätere Abschriften). Vgl. z.B. für Würzburg zum Guldenzoll das ca. 1518 angelegte „Zollbuch" (Stb. 816); für Ansbach zum Landgericht StAN, Herrschaftliche Bücher 8. Beispiele: StAWü, Administrationsakten, Miscellanea, Historisches; StAMr, 90b-96. Sie sind ausgewertet im Hinblick auf Bedeutung und Instrumentalisierung von Privilegien in Kap. Il.l.a, dort auch Nachweise im einzelnen. H. Quirin, Einführung in das Studium der mittelalterlichen Geschichte, 5 1991, S. 87-93 [dieser Textteil identisch mit dem der 2. Aufl. 1961], Ders., Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach als Politiker. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des Süddeutschen Städtekriegs, 1971. In ähnlicher Weise trägt die kommentierte Edition zu einer Auseinandersetzung zwischen Kurmainz und Kurpfalz im 15. Jahrhundert eher dokumentierenden als analytischen Charakter (W. Wackerfuß, Streitigkeiten zwischen dem Mainzer Erzbischof Dietrich von Erbach und dem Kurfürsten Friedrich dem Siegreichen von der Pfalz. Ein Beitrag zur Territorialgeschichte des 15. Jahrhunderts, 1980). A. Wendehorst, Das Bistum Würzburg, I-III, 1962, 1969, 1978; für personengeschichtliche Fragestellungen besonders ergiebig ders., Das Bistum Würzburg, IV: Das Stift Neumünster, 1989 (= hier zitiert als GS I-IV).
2. Aufgabenstellung und Grundlagen der Arbeit
29
Überlieferung wäre eine Spezialstudie wie die vorliegende Arbeit nicht durchführbar. Vergleichbares existiert für die Fürstentümer Ansbach und Fulda nicht, doch liegt für beide ein biographisch orientierter historischer Abriß 104 vor und daneben für Ansbach eine gründliche und umsichtige Darstellung der Regierungszeit Markgraf Friedrichs des Älteren (1486-1515), die auf weiten Strecken die Entwicklung unter Albrecht Achilles einbezieht,105 sowie für Fulda eine quellengesättigte Untersuchung der kirchlichen Verhältnisse im 15. und frühen 16. Jahrhundert. 106 Hinweise auf Quellen und Literatur geben auch eine Zusammenstellung von Karl Borchardt, 107 die herausragende Darstellung Berthold Jägers über die Verfassungsgeschichte Fuldas in der frühen Neuzeit 108 sowie ζ. B. die Überblickskapitel zu Würzburg und Ansbach im Handbuch der baden-württembergischen Geschichte. 109 Für zahlreiche Fragen steht eine äußerst umfangreiche landes- und regionalgeschichtliche Detailforschung zur Verfügung. Besonders hervorzuheben sind die Grundlagenforschung des Historischen Atlas von Bayern und weitere verfassungsgeschichtliche Arbeiten von Hanns Hubert Hofmann 110 sowie neuere Studien zum Niederadel des 15. und 16. Jahrhunderts, die eine wertvolle Ergänzung der hier behandelten Thematik bieten. 111 Letztere sind teilweise ebenso wie eine Reihe weiterer Studien 112 aus dem Umkreis von Rolf Sprandel hervorgegangen, der zudem selbst grundlegende Aufsätze zur spätmittelalterlichen Verfassungsgeschichte Würzburgs vorgelegt hat; 113 daneben ist vor allem auf die Arbeiten von Dietmar Willoweit hinzuweisen, 114 der mit 104
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G. Schuhmann, Die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, 1980 (mit gut gewählten bibliographischen Angaben); J. Leinweber, Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, 1989 (mit nur sehr knappen Literaturhinweisen; vgl. jedoch ders., Der Fuldaer Abtskatalog des Apollo von Vilbel, 1986). R. Seyboth, Die Markgraftümer Ansbach und Kulmbach unter der Regierung Markgraf Friedrichs des Älteren (1485-1515), 1985. J. Leinweber, Das Hochstift Fulda vor der Reformation, 1972. K. Borchardt, Die römische Kurie und die Pfründenbesetzung in den Diözesen Würzburg, Bamberg und Eichstätt im späteren Mittelalter, 1997. B. Jäger, Das geistliche Fürstentum Fulda in der Frühen Neuzeit: Landesherrschaft, Landstände und fürstliche Verwaltung, 1986. A. Wendehorst, Hochstift Würzburg, 1995; G. Taddey, Brandenburg-Ansbach, 1995. S. dazu oben 1.1., Anm. 21. Baum, Lehenhof; K. Rupprecht, Ritterschaftliche Herrschaftswahrung in Franken. Die Geschichte der von Guttenberg im Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit, 1994 (vgl. die Rez. des Verf. in: WDGB 58, 1996, 286f); H. Zmora, State and nobility in early modern Germany. The knightly feud in Franconia 1440-1567, 1997; C. Ulrichs, Vom Lehenhof zur Reichsritterschaft, 1997; J. Morsel, Die Erfindung des Adels, 1997; ders., Jagd und Raum, 1997. Vgl. etwa D. Rödel/J. Schneider (Hg.), Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter, 1996. R. Sprandel, Die Ritterschaft und das Hochstift Würzburg im Spätmittelalter, 1976; ders., Die territorialen Ämter des Fürstentums Würzburg im Spätmittelalter, 1977; ders., Mittelalterliche Verfassungs- und Sozialgeschichte vom Blickpunkt einer Landschaft: Mainfranken, 1980; D. Rödel/R. Sprandel, Dorfanalysen und Dorfgeschichten nach spätmittelalterlichen Quellen vornehmlich Mainfrankens, 1994; H.-P. Baum/R. Sprandel, Statistische Forschungen an den spätmittelalterlichen Lehenbüchern von Würzburg, 1990. D. Willoweit, Gebot und Verbot im Spätmittelalter. Vornehmlich nach südhessischen und mainfränkischen Weistümern, 1980; ders., Katholische Reform und Disziplinierung als Ele-
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I. Thematik und Methode
Sprandel im Rahmen des Forschungsprojekts „Das Bild des Krieges im Wandel vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit" (1994) kooperiert. Freilich können diese neueren verfassungs- und sozialgeschichtlichen Ansätze nicht darüber hinwegtäuschen, daß - trotz der Zusammenfassungen der „Unterfränkischen Geschichte" und des Handbuchs der bayerischen Geschichte, 115 auf die hier zum Nachweis der Spezialliteratur verwiesen sei - noch weite Teile des Spätmittelalters und insbesondere des 15. und frühen 16. Jahrhunderts nicht erforscht sind.
3. Zur Verfassungsentwicklung in Franken im Spätmittelalter
a) Der Raum
Franken
Die Frage nach der Herrschaftsorganisation in Franken setzt zuerst Aussagen darüber voraus, ob es sich dabei überhaupt um eine fiktive oder realiter nachvollziehbare Gebietseinteilung handele und wie diese zu definieren sei. Die Einteilung des römisch-deutschen Reiches in Kreise (1500/1517) schuf vordergründig klare Verhältnisse: Sie brachte einen 1522 erstmals so benannten 1 1 6 „Fränkischen Kreis" hervor, der sich aus den Herrschaftsgebieten einer Reihe von Reichsständen zusammensetzte. 117 Dies waren die Bischöfe von Bamberg, 118 Würzburg 1 1 9 und Eichstätt, 120 der Deutschmeister (der 1494
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ment der Staats- und Gesellschaftsorganisation, 1993; ders., Gericht und Obrigkeit im Hochstift Würzburg, 1995; ders., Juristen im mittelalterlichen Franken. Ausbreitung und Profil einer neuen Elite, 1996; ders., Vertragen, Klagen, Rügen. Reaktionen auf Konflikt und Verbrechen in ländlichen Rechtsquellen Frankens (in: Rödel/Schneider, wie Anm. 112); ders., Fürstentum und Landesherrschaft im Konflikt, 1997. P. Kolb/E. G. Krenig (Hg.), Unterfränkische Geschichte, I - I I I , 1989-1995; A. Kraus (Hg.), Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, 1997. R. Endres, Von der Bildung des Fränkischen Reichskreises und dem Beginn der Reformation bis zum Augsburger Religionsfrieden, 1997, 453. F. Härtung, Geschichte des fränkischen Kreises I, 1910; vgl. zusammenfassend und mit weiterer Literatur W. Dotzauer, Die deutschen Reichskreise in der Verfassung des Alten Reiches und ihr Eigenleben (1500-1806), 1989. Zu Bamberg immer noch grundlegend J . Looshorn, Die Geschichte des Bistums Bamberg, II-IV, 1888-1900; E. v. Guttenberg, Das Bistum Bamberg I, 1937; ders., Territorienbildung; M. Hofmann, Die Außenbehörden des Hochstifts Bamberg und der Markgrafschaft Bayreuth, 1937/38; W. Neukam, Territorium und Staat der Bischöfe von Bamberg und seine Außenbehörden, 1949; S. Bachmann, Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; H. Weiß, Bamberg, 1974; dies., Lichtenfels-Staffelstein, 1959. Vgl. auch E. Roth (Hg.), Oberfranken im Spätmittelalter und zu Beginn der Neuzeit, 1991; M. Kleiner, Georg III. Schenk von Limpurg, Bischof von Bamberg (1505-1522), als Reichsfürst und Territorialherr, 1991; G. Christ, Bamberg, 1992. S. oben I.2.b. Vgl. Gerlich/Machilek, Staat und Gesellschaft, 549, 571-576.
3. Zur Verfassungsentwicklung in Franken im Spätmittelalter
31
förmlich in den Reichsfürstenstand erhoben worden war), 121 der Propst zu Komburg, 122 die Markgrafen von Ansbach/Kulmbach,123 die gefürsteten Grafen von Henneberg 124 in den Linien Schleusingen und Römhild, die Grafen und Herren von Castell, Wertheim, Rieneck, Hohenlohe, [Schenk zu] Limpurg, Erbach, Schwarzenberg sowie die Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Windsheim, Schweinfurt und Weißenburg (s. dazu auch die Karte S.35). 125 Doch sind das „Land" Franken im zeitgenössischen Sinne und die daran anknüpfende neue politische Organisation nicht deckungsgleich.126 Das Erzbistum Mainz 127 (Kurrheinischer Kreis ab 1512) stieß mit seinem wichtigsten rechtsrheinischen Herrschaftskomplex, dem Oberstift Aschaffenburg, über den Spessart in eindeutig fränkische Gebiete vor; 128 ebenso gehörte die Abtei Fulda 129 (Oberrheinischer Kreis) zwar im Ganzen eher dem hessischen Raum zu, doch wurden die weit über die Rhön nach Süden reichenden Besitzungen um Brückenau und Hammelburg auch im 17. Jahrhundert fraglos als
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H . H . Hofmann, Der Staat des Deutschmeisters, 1962; D.J. Weiß, Die Geschichte der Deutschordensballei Franken im Mittelalter, 1991; A. Seiler, Deutscher Ritterorden, 1995. Die Benediktinerabtei Komburg war 1488 auf Bitten des Würzburger Bischofs Rudolf von Scherenberg in ein Kollegiatstift umgewandelt worden. Es erscheint zwar zeitweise in der Reichs- und in der Kreismatrikel, war aber faktisch stark abhängig von der nahe gelegenen Reichsstadt Schwäbisch Hall sowie insbesondere vom Würzburger Bischof, der 1483/84 die Vogtei über das Kloster erlangt hatte. Vgl. GS III 26, 43, 63; R. Jooß, Kloster Komburg im Mittelalter, 2 1987, 90-98. S. oben I.2.b. Vgl. als Überblick E. Hennig, Die Entstehung der Landesherrschaft zwischen dem nördlichen Thüringer Wald und dem südlichen Maingebiet am Beispiel der Grafschaft Henneberg (1078-1583); daneben E. Zickgraf, Die gefürstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen, 1944; H. Wagner, Mellrichstadt, 1992; H. Patze/W. Schlesinger (Hg.), Geschichte Thüringens II/l, 1974, 201-208, 288-297 (H. Patze), III, 1967, 257-266 (Th. Klein); H. Körner, Grafen und Edelherren als territorienbildende Kräfte, 1993, 95-105, 118f; Gerlich/Machilek, Staat und Gesellschaft, 601, 617-619. Härtung, Fränkischer Kreis, 238 (nach der Matrikel von 1521). Für die Grafen und Herren sind als wichtige neuere Publikationen hervorzuheben: A. Wendehorst (Hg.), Das Land zwischen Main und Steigerwald, 1998; H. Ehmer, Geschichte der Grafschaft Wertheim, 1989; Th. Ruf, Die Grafen von Rieneck, 1984; vgl. auch G. Taddey, Hohenlohe 1995; ders., Limpurg, 1995; Körner, Grafen; Gerlich/Machilek, Staat und Gesellschaft, 600-628; Hinweise auch bei E. Böhme, Das fränkische Reichsgrafenkollegium im 16. und 17. Jahrhundert, 1989. Zu den Reichsstädten einführend R.A. Müller (Hg.), Reichsstädte in Franken, 2 Bde, 1987; U. Müller, Reichsstadt Schweinfurt, 1993; Gerlich/Machilek, Staat und Gesellschaft, 640-686. Zum folgenden grundlegend Härtung, Fränkischer Kreis, 107-123. F. Jürgensmeier, Das Bistum Mainz, 1988; Christ, Erzstift. W. Störmer, Marktheidenfeld, 1962; ders., Miltenberg, 1979; G. Christ, Aschaffenburg, 1963; R. Wohner, Obernburg, 1968; J. Fächer, Alzenau, 1968; R. Fischer, Das Untermaingebiet und der Spessart, 1993; Gerlich/Machilek, Staat und Gesellschaft, 537-552. S. oben I.2.b. Zu Fulda im Früh- und Hochmittelalter jetzt zusammenfassend: U. Hussong, Die Reichsabtei Fulda im frühen und hohen Mittelalter. Mit einem Ausblick auf das späte Mittelalter, 1995. Zur Herrschaftsentwicklung im Spätmittelalter: A. Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, 1958; G. Wich, Brückenau-Hammelburg, 1973; J. Leinweber/J. Merz, Der fuldische Süden, 1993.
32
I. Thematik und Methode
fränkisch bezeichnet. 130 Die Grenze zwischen Schwaben und Franken war noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts unklar, so daß das Verhältnis solch bedeutender Städte wie (Schwäbisch) Hall, Dinkelsbühl, Wimpfen oder Heilbronn zum sich formierenden Fränkischen Kreis anfänglich nicht eindeutig war. Die Zugehörigkeit der Schenken von Erbach vermochte sich kaum auf die Raumvorstellung Franken zu stützen. Das Bistum Eichstätt lag im bayerisch-schwäbisch-fränkischen Grenzbereich mit ursprünglich starker Ausrichtung nach Süden; seine Einbeziehung in die fränkische Kreisorganisation entsprach eher politischen Gründen als zeitgenössischen Raumvorstellungen. Nicht einmal bei der bedeutenden Reichsstadt Nürnberg waren sich die Zeitgenossen sicher, ob sie zu Franken oder zu Bayern gehörte. 131 Dabei macht gerade die in den Quellen vorkommende eindeutige und dauerhafte Zuschreibung bestimmter Orte und Gebiete zum „Land" Franken klar, daß es sich um einen den Zeitgenossen evidenten Raumbegriff handelte. Ein „Stammesherzogtum" oder eine vergleichbare politische Raumorganisation hatte es hier aber seit der Karolingerzeit nicht gegeben. Das mittelalterliche Franken war seit dem 8. Jahrhundert immer von den heterogenen Kräften des Königtums, des Adels und der Kirche geprägt, deren Gewichteverteilung sich stark verändern konnte. 132 Eine am zeitgenössischen Bewußtsein orientierte Beschreibung des „Landes Franken", wie sie für andere Regionen vorliegt, 133 existiert bisher nicht und wäre ein sehr aufwendiges Unterfangen; zeitliche Entwicklungen und räumliche Verschiebungen wären dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Geltung verschiedener Bestimmungsfaktoren, seien sie eher naturräumlicher 134 oder eher verfassungsgeschichtlich-politischer 135 Art. 136 Generell läßt sich für das Spätmittelalter zunächst nur feststellen, daß der Spessart im Westen sowie Fichtelgebirge, Thüringer- und Frankenwald im Nordosten die jeweils äußersten Grenzsäu-
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M. Merian, Topographia Hassiae et Regionum Vicinarum, Frankfurt/Main 1646, 49. Vgl. dazu J. Merz, Regionale Strukturen im frühneuzeitlichen Territorialisierungsprozeß. Der fuldische Süden im konfessionellen Zeitalter, 1993,123-125. H. Schedel, Das buch der Cronicken, 1493, 100'. Für das Früh- und Hochmittelalter jetzt grundlegend: G. Lubich, Auf dem Weg zur „Güldenen Freiheit". Herrschaft und Raum in der Francia orientalis von der Karolinger- zur Stauferzeit, 1996. K. Graf, Das „Land" Schwaben im späten Mittelalter, 1992; J.F. Battenberg, Einungen mindermächtiger Stände in der hessischen Wetterau. Ein Beitrag zur Identitätsbildung in einer königsnahen Landschaft, 1992. Vgl. auch H. Klueting, Geschichte Westfalens, 1998, 9-22. A. Welte, Die räumlichen Grundlagen der geschichtlichen Entwicklungen in Franken, 1936. Beispiele dafür wären die fränkischen Landfriedensbündnisse seit 1340 oder auch die genannte Kreiseinteilung von 1500/1517. Vgl. dazu etwa H. H. Hofmann, Grenzen und Kernräume in Franken, 1969. Zu diesen Versuchen zusammenfassend A. Wendehorst, Geschichte Frankens. Bemerkungen zu Raum und Periodisierung, 1984, der vier Definitionsmöglichkeiten nennt: die geographischen Gegebenheiten, Mundarten, Bistumsgrenzen und politische Grenzen (236f); zu ergänzen, weil möglicherweise davon unterscheidbar, wäre gegebenenfalls ein gemeinsamer Rechtsraum. Vgl. als Detailstudie G. Wölfing, Das Henneberger Land als fränkisches Gebiet, 1997.
3. Zur Verfassungsentwicklung in Franken im Spätmittelalter
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me Frankens auch im zeitgenössischen Verständnis darstellten. 137 „Franken" für die Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts ist demnach eine Region, die zwar in den Quellen auftaucht und deren Bestandteile in groben Zügen bekannt sind, die aber weder von den Zeitgenossen noch von der bisherigen Forschung eindeutig umschrieben wurde. Die vorliegende Untersuchung muß also zunächst ohne genaue Raumdefinition auskommen; gleichwohl ist ihre Anbindung an die historisch faßbare Landschaft Franken sinnvoll, wenn sie von einer geographisch gesehen zentralen Macht in diesem Raum ausgeht. Als solche sind nur die Fürstbistümer Würzburg und vielleicht noch Bamberg zu betrachten, deren Interessenlagen und deren Nachbargebiete mehr oder weniger dem fränkischen Bereich zugeordnet werden können, 138 wobei das wesentlich größere politische Gewicht Würzburgs gegenüber Bamberg zu beachten ist. Die fürstlichen Nachbarn von Würzburg und Bamberg, soweit sie überhaupt maßgeblich dem fränkischen Raum zugerechnet werden können, waren mit ihren Interessenlagen nicht nur auf den fränkischen Bereich, sondern mindestens gleichermaßen auf andere Regionen gerichtet: die Kurfürsten von Mainz (Oberstift Aschaffenburg) auf das mittelrheinische und das thüringisch-hessische Gebiet, die Markgrafen von Ansbach und Kulmbach auf Bayern und Schwaben einerseits und auf Böhmen und Sachsen andererseits, die Abte von Fulda auf Hessen, 139 die gefürsteten Grafen von Henneberg auf Thüringen und Sachsen; die Deutschordensballei Franken sowie das Bistum Eichstätt, das praktisch keine direkten Berührungspunkte mit Würzburg aufwies, waren politisch sowohl in die fränkischen wie in die bayerischen Zusammenhänge eingebettet. Für die Wettiner als Inhaber des Coburger Landes 140 schließlich stellte Franken einen vergleichsweise untergeordneten politischen Bezugsrahmen dar. Zeitgenössisch finden sich mehrfach Hinweise darauf, daß Würzburg als das Zentrum des Frankenlandes angesehen wurde, wenn etwa in Nürnberger und Bamberger Quellen des 14. und 15. Jahrhunderts Franken gar mit dem Würzburger Bereich identifiziert wurde, 141 wenn das Würzburger Domkapitel als ein zentrales Forum des fränkischen Adels (auch im Obermaingebiet) sichtbar wird 142 oder wenn am Ende des 15. Jahrhunderts
Härtung, Fränkischer Kreis, 105. Auch das Coburger Land gehörte zu Franken, wenngleich es seit 1347 von den nicht-fränkischen Wettinern beherrscht wurde (vgl. Härtung, Fränkischer Kreis, 109f). 139 Eine enge Anbindung Fuldas an Hessen ist erst ab ca. 1450 feststellbar, als Hessen die bis dahin im mittelrheinischen Raum - auch gegenüber Fulda - dominierende Macht Mainz u.a. durch den Erwerb der Grafschaft Ziegenhain zurückdrängte. Vgl. F. Staab, Beziehungen zwischen Mainz und Fulda, 1996; R. Polley, Die Beziehungen zwischen Hessen und dem Hochstift Fulda, 1996, bes. 178-180. 140 W . Füßlein, Der Übergang der Herrschaft Coburg vom Hause Henneberg-Schleusingen an die Wettiner 1353, 1929. Weder bei Roth, Geschichte Oberfrankens, noch bei Kraus, Geschichte Frankens, noch bei Patze/Schlesinger, Geschichte Thüringens II/l und III, werden die sächsischen Gebietsanteile angemessen behandelt. 137 138
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H. Schreibmüller, Wanderungen und Wandlungen des Raumbegriffs Franken, 1934, hier 4; Härtung, Fränkischer Kreis, 106. Rupprecht, Herrschaftswahrung, 45-48.
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I. Thematik und Methode
ein Kreis fränkischer Humanisten in Köln den Würzburger Diözesanheiligen St. Kilian als Patron der Franken feierte.143 b) Politische
und herrschaftliche
Konstellationen
Darüber hinaus ergibt sich die Festlegung des Untersuchungsgebietes aber auch deshalb, weil der Raumbegriff Franken eine Schlüsselrolle in den Auseinandersetzungen der Würzburger Bischöfe mit den benachbarten Fürsten um herrschaftliche Zuständigkeiten und Rechte spielte. Denn wenn es auch vor 1500 keine raumumgreifende politische Organisation Frankens gab, so existierte doch zumindest nominell ein Herzogtum Franken, mit dem sich mancherlei Ansprüche verbanden. Dieses Herzogtum Franken wurde von Würzburg aufgrund eines Kaiserprivilegs von 1168 beansprucht,144 das dem Würzburger Bischof omnem iurisdictionem seu plenum potestatem faciendi iustitiam per toturn episcopatum et ducatum Wirzeburgensem zuerkannte.145 Das Privileg war Ausdruck und Ergebnis einer seit der Jahrtausendwende gewachsenen Führungsrolle des Würzburger Bischofs, die sich wesentlich der zumindest den größten Teil Frankens umfassenden Ausdehnung seiner Diözese (s. Karte S. 35), dem reichen weltlichen Besitz, der sehr engen Bindung an das Königtum und dem weitgehenden Fehlen ebenbürtiger hochadeliger Gegenspieler verdankte. Die zugrundeliegenden Herrschaftspositionen bezogen sich dabei vor allem auf den nördlichen Teil der alten Francia orientalis, während der Süden stärker von lokalen Adelsherrschaften geprägt war. Dort kam es im 11. und 12. Jahrhundert zunehmend zur Bildung eines Gegengewichts zu Würzburg durch die Grafen von Komburg-Rothenburg und deren Nachfolger, die Staufer, was schließlich in eine faktische Zweiteilung in Nord- und Südfranken mündete.146 Der Rückgang und schließlich der Untergang der Staufermacht führte zwar nicht dazu, daß das Würzburger Bistum in die südfränkischen Herrschaftspositionen einrückte, doch wurde dadurch immerhin seine politische Führungsrolle aufgewertet.
145
G.-R. Tewes, Die Bursen der Kölner Artisten-Fakultät bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, 1993, 267-270, 584f, 600, 604f, 612, 662f, 684 (mit weiteren Nachweisen). Die „zentrale Figur" (270) dieser fränkischen Landsmannschaft war Valentin Engelhardt aus Geldersheim, das zur Reichsvogtei der Reichsstadt Schweinfurt gehörte. Zum Hintergrund dieser Entwicklung auch A. Wendehorst, Bischöfe und Bischofskirchen von Würzburg, Eichstätt und Bamberg, 1991, 226f. M G H DD F.I. Nr. 546. Die vielschichtige Diskussion um Herkunft und Bedeutung des Würzburger Dukates in der Stauferzeit ist derart umfangreich, daß schon 1874 und 1923 umfassende Forschungsberichte dazu erschienen; den neuesten Stand mit den einschlägigen Nachweisen bietet Lubich, Auf dem Weg zur „Güldenen Freiheit"; vgl. daneben die maßgeblich auf Urkundenkritik beruhende Studie von P. Herde, Friedrich Barbarossa, die Katastrophe von Rom von August 1167 und die Würzburger „güldene Freiheit" vom 10. Juli 1168, 1996. Daher wird dieser Fragenkomplex hier nicht eigens thematisiert. Im Vordergrund stehen Konzeption und Wirksamkeit des Würzburger Dukats im Spätmittelalter.
146
Dazu ausführlich Lubich, Weg, 205-237, hier 235f.
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3. Zur Verfassungsentwicklung in Franken im Spätmittelalter
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Würzburger Diözesangrenze
Die Grenzen der spätmittelalterlichen Diözese Würzburg und ihr Zusammenhang mit naturräumlichen Gegebenheiten
Diese Führungsrolle wurde im Spätmittelalter zunächst nur in wenigen Bereichen durch Herrschaftspositionen anderer Fürsten beeinträchtigt. Dies betrifft zum einen das Erzbistum Mainz, dessen Einfluß schon seit dem Frühmittelalter von Westen her über den Taubergrund bis in die Nähe der Stadt Würzburg reichte. Zum anderen wurden durch das 1007 gegründete Bistum Bamberg, dessen (erheblich kleinerer) Diözesansprengel aus dem des Würzburger Bischofs herausgeschnitten worden war, die Würzburger Positionen
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I. Thematik und Methode
am Obermain empfindlich getroffen. Schließlich bildete die Fürstabtei Fulda vor allem mit ihrem bis an die Fränkische Saale reichenden Südteil ein Bollwerk gegen den Würzburger Herrschaftsausbau im Norden. Freilich konnten auch diese Beeinträchtigungen durch wichtige herrschaftliche Positionen die politisch zentrale Bedeutung des Würzburger Bischofs in Franken bis ins 14. Jahrhundert hinein nicht ins Wanken bringen. Dem entspricht die große expansive Kraft des Würzburger Herrschaftsbereiches, wie sie im 13. Jahrhundert, der von der Forschung einhellig als erster Abschnitt des „territorialen" Ausbaus bezeichneten Phase, deutlich zum Ausdruck kommt. 147 Insbesondere unter der Regierung der Bischöfe Otto I. von Lobdeburg (1207-1223) und Hermann I. von Lobdeburg (1225-1254) gelang es, den Einfluß der ehemaligen Stiftsvögte, der Grafen von Henneberg, durch den Einzug der ihnen als Würzburger Burggrafen zustehenden Lehen und durch den Erwerb des Besitzes der Teillinie Henneberg-Botenlaube stark zurückzudrängen. Hinzu kamen vor allem unter Bischof Hermann I. zahlreiche Erwerbungen durch Lehensauftragungen freier Herren und durch Käufe. Begünstigt wurde dieser Prozeß nicht nur durch das Aussterben einiger bedeutender Adelsgeschlechter, sondern vor allem dadurch, daß dem fränkischen Adel im sog. Interregnum die ihn bisher stützende Nähe zum Königtum fehlte. 148 Durch Doppelwahlen und daraus resultierende Auseinandersetzungen (1254-1256, 1265-1271), auch durch den Konflikt mit der nach Selbständigkeit strebenden Stadt Würzburg, 149 wurde diese Expansion der Würzburger Bischöfe zwar gestört, doch gelang innerhalb dreier relativ lang andauernder, weder durch Schismen noch durch Sedisvakanzen getrübter Episkopate 1274-1313 zumindest teilweise eine erneute Konsolidierung und Erweiterung des Erreichten. Das Kaiserdiplom von 1168 hatte den Würzburger Bischöfen eine umfassende Gerichtsbarkeit über Eigen und Lehen sowie schwere Kriminalfälle 150 im Rahmen ihrer ganzen Diözese 151 zugestanden, die, unabhängig von
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Dazu GS, bes. I 217-220 und II 23-25. 30-32. 38^f0; K. Bosl, Aus den Anfängen des Territorialstaates in Franken, 1962; W. Scherzer, Das Hochstift Würzburg, 1993; zusammenfassend W. Störmer, Beobachtungen zu den fränkischen Bischöfen und ihren Hochstiften in der krisenhaften Endphase der Stauferzeit, 1998. Auf das allgemeine Phänomen der geänderten politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zugunsten der regionalen Gewalten, das etwa in den berühmten Urkunden von 1220 und 1231/32 zum Ausdruck kommt, sei hier nur am Rande verwiesen, vgl. A. Wolf, in: Lexikon des Mittelalters 3 (1986) 130f; W. Koch, ebd. 8 (1997) 75f.
148
W. Störmer, Die Gesellschaft. Lebensformen und Lebensbedingungen, 1993, 417. E. Schubert, Die Landstände des Hochstifts Würzburg, 1967,36-42. de rapinis et incendiis, de allodiis et beneficiis, de hominibus et de vindicta sanguinis (MGH DD F. I. Nr. 546). Im Diplom ist die Rede von der Gerichtsbarkeit per totum episcopatum et ducatum Wirzeburgensem et per omnes cometías in eodem episcopatu vel ducatu sitas. Mit episcopatum kann 1168 nur „Bistum" (= Diözese) gemeint sein (so Herde, Friedrich Barbarossa, 169). Realitätsbezogen formuliert Lubich, Weg, 234: „Der Würzburger Anspruch erstreckte sich vielleicht über die ganze Diözese, fand aber immer dort seine Grenzen, wo andere Besitzungen einen eigenen Rechtskreis schufen und diesen behaupteten."
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der Definition der historischen Landschaft (Ost-)Franken 152 im einzelnen, diese jedenfalls zum größten Teil umfaßte. Den Einzelbestimmungen des Privilegs entsprechend konnten sich die Bischöfe im Spätmittelalter als Inhaber der Landgerichtsbarkeit und der Zentgerichte in weiten Teilen der Diözese flächendeckend behaupten. 153 Seine Grenze fand diese Kompetenz grundsätzlich nur an königlichen bzw. kaiserlichen Rechten sowie in geschlossenen Immunitätsbezirken der benachbarten Fürsten. 154 Bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts hatten von letzteren lediglich die Herrschaftsgebiete der Fürstabtei Fulda in größerem, diejenigen von Mainz und Bamberg in relativ geringem Umfang in die Würzburger Diözese hineingeragt und damit die Geltung des Privilegs von 1168 in Frage gestellt. Hinzu kamen die Reichsstädte mit dem privilegierten Gerichtsstand für ihre Bürger und Hintersassen. 155 Dagegen arbeitete die große Masse des hohen und niederen Adels zwar in vielfältiger Weise am Aufbau von Herrschaftskomplexen; er war aber grundsätzlich nicht dazu fähig, sich formal aus den Herrschaftsbereichen der Fürsten zu lösen, auch wenn er zum Teil Halsgerichtsprivilegien erwerben konnte. 156 Eine Ausnahme konnte die Erhebung herausragender Adelsgeschlechter in den Reichsfürstenstand bilden, wenn aufgrund der damit verbundenen Privilegien die Gefürsteten mitsamt ihren Landen und Leuten von fremder Gerichtsbarkeit befreit und alleine der Autorität des Kaisers unterstellt wurden. Die Fürstenerhebung gelang den Grafen von Henneberg-Schleusingen 1310 (die Linie Römhild folgte 1486) und den Burggrafen von Nürnberg 1363, deren Herrschaftskomplexe ganz oder teilweise in der Würzburger Diözese lagen; allerdings ist zu bedenken, daß es sich in diesen konkreten Fällen nur um die Zuerkennung fürstlicher Rechte handelte, die sich auf die Person und die von
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Zur früh- und hochmittelalterlichen Terminologie vgl. Lubich, Weg, Kap. 1.2. Im Spätmittelalter bestand Franken nur noch aus der Francia orientalis, während das Mittelrheingebiet westlich von Spessart und Odenwald (zuerst im 10. Jahrhundert bezeichnet als Francia occidentalis) den Frankennamen nicht mehr führte. Schaab, Grundzüge, 133. Die Protokolle des Würzburger Landgerichtes sind erst ab 1305/1317 erhalten, Hinweise auf seine Tätigkeit gibt es seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts; vgl. Merzbacher, Iudicium Provinciale, hier 17. Eine systematische Auswertung der Gerichtsprotokolle und deren Kartierung stehen ebenso noch aus wie Forschungen zum genauen Ausmaß der oberrichterlichen Gewalt der Würzburger Bischöfe in ihrer Diözese im 13. Jahrhundert. Zu den Zenten vgl. die Hinweise bei H. Knapp, Die Zenten des Hochstifts Würzburg, 2 Bde, 1907, im einzelnen die vorliegenden Bände des Historischen Atlas von Bayern. Zur bisher nicht geklärten Entwicklung der Zenten: M. Schaab, Die Zent in Franken von der Karolingerzeit bis ins 19. Jahrhundert. Kontinuität und Wandel einer aus dem Frühmittelalter stammenden Organisationsform, 1980; Lubich, Weg, 20f, 123f.
Vgl. Lubich, Weg, 233f; K.-F. Krieger, Fürstliche Standesvorrechte im Spätmittelalter, 1986. 155 vgl. z.B. K. Borchardt, Die geistlichen Institutionen in der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber und dem zugehörigen Landgebiet von den Anfängen bis zur Reformation, 1988, hier I, 11-16, 638. 156 Dazu ausführlich G. Schmidt, Das würzburgische Herzogtum und die Grafen und Herren von Ostfranken vom 11. bis zum 17. Jahrhundert, 1913. 154
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I. Thematik und Methode
ihr Abhängigen bezog und nicht automatisch ein Fürstentum konstituierte. 157 Dennoch sind hier die zollerischen Burggrafen von Nürnberg besonders zu beachten, weil sie schon im 13. Jahrhundert nach und nach wichtige staufische Positionen übernahmen und damit in der von Fürstenherrschaft weitgehend freien südfränkischen Region eine fürstengleiche Macht aufbauten, so daß die Fürstenwürde 1363 auch eine Anerkennung des Erreichten bedeutete. Mitentscheidend für diesen Aufstieg war freilich nicht allein die ausgreifende Erwerbungspolitik der Burgrafen, die sie durch eine effektive Finanzverwaltung 158 und in zunehmendem Maße durch ihre Bergwerkserträge 159 begründeten, sondern vor allem ihr enger Bezug zur Reichsgewalt; er äußerte sich nicht zuletzt in der Handhabung des kaiserlichen Landgerichts Burggraftums Nürnberg, das schon im 14. Jahrhundert mit dem Würzburger Landgericht konkurrierte. 160 Die zollerische Expansion beschränkte sich nicht auf Südfranken, sondern betraf auch das Grenzgebiet zwischen Franken, Böhmen und Oberpfalz (Nordgau) im Bereich von Frankenwald und Fichtelgebirge für die Zeit nach dem Aussterben der Andechser, wo die Burggrafen ebenfalls einen gewichtigen Herrschaftskomplex vor allem in Konkurrenz zu Bamberg aufbauten. 161 Macht und Königsnähe führten deshalb schon am Ende des 14. Jahrhunderts dazu, daß die Burggrafen im Gegensatz zu anderen gefürsteten Grafen vom Königtum als vollwertige Fürsten akzeptiert waren. 162 Die Grafen von Henneberg waren weniger durch die Ausdehnung ihres Herrschaftbereiches 163 als vielmehr aufgrund ihrer Kontinuität als eingesessener Dynastenadel, ihrer traditionell hervorgehobenen Rolle im Herrschaftsverband des Würzburger Bistums, die aus Vogtei und Burggrafenamt hervorging, sowie durch den 1310 erworbenen Fürstenrang für die SchleuKrieger, Standesvorrechte, 94f; Schlinker, Fürstenamt, 224-232. Uber den Unterschied von „Fürstenrang" und „Fürstenstand" auch Schubert, Fürstliche Herrschaft, lOf; zur Grundlegung dieses Unterschieds D. Willoweit, Fürst und Fürstentum in Quellen der Stauferzeit, 1999, der betont, daß es bei den Fürstenerhebungen ursprünglich nicht um Standesfragen ging, sondern darum, „das Verhältnis zwischen dem Reichsoberhaupt und den Territorien zu definieren" (24); der „Fürstenrang" ist demnach eine sekundäre Entwicklung des Spätmittelalters. 158 Hofmann, Neustadt-Windsheim, 17, 20. 159 Der sprichwörtliche „Bergsegen" der Zollern beruhte auf der Verleihung des Bergregals 1323/24 und dem im 14. Jahrhundert blühenden, seit dem späten 15. Jahrhundert abnehmenden Edelmetallabbau, insbesondere um Goldkronach. R. Winkler, Bayreuth, 1999, 210, 582, 590. 160 Merzbacher, Iudicium provinciale, 37. 161 Zusammenfassend R. Endres, Der Territorialaufbau und -ausbau in den Fürstentümern Ansbach und Bayreuth, 1996. - Im Gegensatz zum Unterland in Südfranken wurde das Herrschaftsgebiet der Burggrafen „ob dem Gebirge" (so der Quellenbegriff) von diesen selbst nicht mehr zu Franken gerechnet: Härtung, Fränkischer Kreis, 106. 162 Vgl. J. Ficker, Vom Reichsfürstenstande I, 1861, 210-212; danach wurden die Burggrafen seit 1385 von der Reichskanzlei konsequent als Fürsten tituliert. 163 Die Teilungen des 13. und 14. Jahrhunderts minderten ihr Gewicht erheblich; vgl. Körner, Grafen, 95-105. 157
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singer Linie aus dem Kreis des fränkischen Adels herausgehoben, ohne daß sie - etwa durch den Empfang ihrer Grafschaft als Reichslehen - eine unmittelbare institutionelle Beziehung zum Reich herzustellen vermochten. 164 Die Beeinträchtigung der Würzburger Vorrangstellung durch die Reichsstädte ist darauf zurückzuführen, daß sie als Reichsgut vor dem Zugriff der Fürsten bewahrt und seit dem späten 13. Jahrhundert von einem auf die städtischen Interessen ausgerichteten Rat geführt wurden. Als wirtschaftlich florierende, demographisch wachsende und rechtlich weitgehend unabhängige Inseln strahlten sie stark auf ein weiteres Umland aus. Besonders schwer wogen Versuche, diesen Einfluß auch institutionell auszubauen. 165 So beanspruchten das Landgericht der Stadt Rothenburg und ansatzweise auch das der Stadt Schweinfurt Geltung über die Stadt hinaus, in ersterem Falle sogar für ganz Franken. Erst im späten 14. Jahrhundert endeten diese Konflikte, als die Rothenburger ihre ausgreifenden Ansprüche aufgaben und Würzburg die Exemtion der Stadt von der Gerichtsbarkeit des eigenen Landgerichtes anerkannte. Im Falle Schweinfurts sollte der Würzburger Verzicht auf sämtliche Jurisdiktionsansprüche noch bis 1572 auf sich warten lassen. Mit den Anfängen im späten 13. Jahrhundert und nachhaltig wirksam ab dem frühen 14. Jahrhundert begann somit eine Phase, in der die im Hochmittelalter mehrfach ersichtliche und noch im frühen 13. Jahrhundert behauptete Führungsrolle des Bistums Würzburg in großem Umfang von den verschiedensten Seiten angefochten wurde. Diese Entwicklung wurde massiv begünstigt durch die Doppelwahlen und Sedisvakanzen 1313-1317, 1333— 1335 und 1345-1349, die aus dem Kampf Ludwigs des Bayern mit der Kurie resultierten und eine klare politische Linie erschwerten. Zudem war die Finanznot der einzelnen Bischöfe, verursacht durch Königsdienst, Abgaben an die Kurie und immense Aufwendungen infolge der zwiespältigen Bischofswahlen, nicht mehr hinreichend zu bewältigen. 166 Vor allem aufgrund dieser politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ließ sich dem Aufstieg der Reichsstädte, den Emanzipationsbestrebungen weiterer bedeutender Städte, allen voran Würzburg, und den Bemühungen des fränkischen Adels um den Aufbau eigener Herrschaftskomplexe zeitweise wenig entgegensetzen. 167 Insbesondere gelang es nicht, die Konsolidierung auch der gräflichen und niederadeligen Herrschaftsbildung, vor allem der Wertheimer und der Rienecker Grafen zwischen den großen Bistümern Mainz und Würzburg, zu verhindern. 168 Die sinkende politische Bedeutung des Würzburger Bischofs innerhalb Frankens und der Aufstieg und Herrschaftsausbau des hohen und niederen Adels wurden forciert durch den Umstand, daß Franken bald nach dem sog. Interregnum „wieder zu einer
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Krieger, Lehnshoheit, 276-278. Hierzu ausführlich Merzbacher, Iudicium provinciale, 32-37, 43-47; L. Schnurrer, Rothenburg und das Hochstift Würzburg im Spätmittelalter, 1975. GS II passim. Dazu auch Hofmann, Territorienbildung (1971), 257-263. Störmer, Gesellschaft, 414-425.
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königsnahen Landschaft und einer der wichtigsten Rekrutierungsräume für Ratgeber und Helfer des Königs" aus dem Kreis des Adels wurde. 169 Diese für Würzburg ungünstige Entwicklung fand einen deutlichen Niederschlag in den Gegenreaktionen der Bischöfe: Schon Andreas von Gundelfingen (1303-1313) hatte das Landgericht reorganisiert;170 er war wohl auch der erste, der urkundlich nicht mehr allgemein vom Dukat der Würzburger Kirche, sondern vom berzogentüm ze Franken sprach.171 1318 ließ sich Bischof Gottfried III. von Hohenlohe den Dukat von Papst Johannes XXII. bestätigen, wobei als Geltungsbereich ausdrücklich die diócesis genannt wurde.172 Das dahinter erkennbare Ziel, die Oberhand über die Grafen und Herren im Bereich des Würzburger Bistums zu behalten, wird überdeutlich in einer Formulierung, die aus einer Aufzeichnung der Würzburger Kanzlei über die bischöflichen Rechte stammt. Mit ihrem Hinweis auf den unmittelbaren Gerichtsstand des Adels in geistlichen Dingen vor dem Bischof war sie gegen die Archidiakone gerichtet und nahm dabei indirekt Bezug auf das Diplom von 1168: Preterea comités, barones et nobiles et maxime ministri utriusque sexus persone presertim ecclesie Herbipolensis infra limites ducatus Franckonie ac episcopatus Herbipolensis residentes jurisdictioni episcopi Herbipolensis tarn in spirituali quam temporali immediate subsistunt, et nullus arcbidiaconus in ecclesia Herbipolensi jurisdictionem in premissis optinet seu optinent ab antiquo.173 Der Leiter der Bischofskanzlei zur Abfassungszeit war der Protonotar Michael de Leone (im Amt 1336-1348/50), dessen umfassende Interessen sich in seinen verschiedenen Sammelhandschriften widerspiegeln. Neben ihm berief Bischof Otto von Wolfskeel weitere bedeutende Geister der Zeit in seinen Dienst. Der nach dem Studium in Bologna als Verfasser einflußreicher Schriften zum Reichsrecht hervortretende Lupoid von Bebenburg, der 1340-1353 als bischöflicher Offizial in Würzburg wirkte, stellte in programmatischer Absicht einen Liber privilegiorum als Sammlung der wichtigsten Würzburger Privilegien her.174 Zum ersten Generalvikar der Diözese ernannte Bischof Otto den Augustinermagister Hermann von Schildesche (in Würzburg seit ca. 1340, f 1357), der zu den bedeutendsten Theologen des 14. Jahrhunderts gehörte.175 Der Auswahl derart
Ebd. 417. Dies gilt freilich nicht mehr für die Zeit Karls IV.: E. Schubert, Franken als königsnahe Landschaft unter Karl IV., 1978. 170 Vgl. QS π , 39f. Die Würzburger Landgerichtsprotokolle sind seit 1305 abschriftlich erhalten. 171 So am 7.8.1309 und am 6.9.1312 (MB 38, Nr. 246,282) 172 S. Riezler, Vatikanische Akten zur deutschen Geschichte in der Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern, 1891, Nr. 104 (27.4.1318); vgl. GS II, 46. 173 StAWü, Ms. 6, fol. 3'; vgl. A. Ruland, Die Ebracher Handschrift des Michael de Leone mit Einschaltung der wichtigsten Stücke, 1855, 127; G. Kornrumpf, Michael de Leone, in: Verfasserlexikon 6 (1987) 491-503. 174 S. Krüger, Untersuchungen zum sog. Liber privilegiorum des Lupoid von Bebenburg, 1954; Scherzer, Anfänge. Zu Lupoid s. die Hinweise von A. Wendehorst, in: Lexikon des Mittelalters 6 (1993) 14. 175 GS II 69. Vgl. die Hinweise von A. Zumkeller, in: Lexikon für Theologie und Kirche 4 3 (1995) 1446. 169
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hochkarätiger Mitarbeiter entsprachen die verschiedenen Reformen des Würzburger Landgerichtes, des Offizialates und zahlreicher Klöster.176 Abgerundet wurde der theoretische Aufbau der Würzburger Herrschaftsansprüche durch mehrere Privilegien Karls IV., die Bischof Ottos von Wolfskeel Nachfolger Albrecht II. (1345-1372) nach seinem Abfall von Ludwig dem Bayern erlangte. Genau fünf Monate nach der Wahl Karls IV., am 11.12.1346, nahm dieser den Würzburger Bischof Albrecht vnd sunderlich des selben stiftes lantgericht ze Franken ganz allgemein in seinen Schutz.177 Ein knappes Jahr später (17.11.1347) folgte eine umfassende Bestätigung des Landgerichts zu Franken für den Würzburger Bischof:178 Das Landgericht gehöre als Teil des Herzogtums zu Franken zum Bistum Würzburg und sei auch für die Grafen, Herren und Freie sowie für die Dienstleute des Reiches (Reichsministeriale) und die Städte (reichsstädtisches Bürgertum) zuständig. Damit und aufgrund der ergänzenden Festlegung, daß kein anderes Landgericht im Herzogtum und Landgericht zu Franken richten solle, war den Würzburger Bischöfen zumindest in der Theorie ein weitgehendes Instrument gegen die Emanzipationsbestrebungen von Adel und Bürgertum in die Hand gegeben. Auch wenn die Durchsetzung in der Folgezeit nicht vollständig gelang (man denke nur an den anhaltenden Konflikt mit den Rothenburgern), so zeigt sich doch ein gewisser Erfolg der Würzburger Bemühungen darin, daß die fränkischen Grafen, auch die gefürsteten Henneberger, weiterhin dem Würzburger Landgericht unterstanden und grundsätzlich ebenso wie der niedere Adel nicht aus dem Herzogtum des Bischofs herausfielen.179 Verstärkt wurde die jurisdiktionelle Funktion des Würzburger Bischofs durch ein königliches Privileg nur wenige Tage nach der Landgerichtsbestätigung, das den Klerikern seiner Diözese das Recht verlieh, alle Arten von Händeln, auch rein weltliche Angelegenheiten von Laien, an das geistliche Gericht zu ziehen.180 Die enge Verbindung Würzburgs zu Karl IV. hatte zwar auch ihren Preis, da das Bistum wichtige Positionen für den Aufbau der luxemburgischen „Landbrücke" in Franken aufgeben mußte,181 doch wurden die damit verbundenen Nachteile durch die Stabilisierung der fränkischen Herrschaftsverhältnisse insbesondere gegenüber Adel und Bürgertum zunächst aufgewogen. Trotz der chronischen Verschuldung konnten die Würzburger Bischöfe daher in den folgenden Jahrzehnten auch ihre politische Vorrangstellung in Franken aufrechterhalten, mitbegünstigt durch die Tatsache, daß die m 177 178 179 180
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GS II, 69f. MB 41, Nr. 94. M G H Const. 8 Nr. 341. Dazu zahlreiche Quellenbelege bei G. Schmidt, Herzogtum. MB 41, Nr. 115 (24.11.1347). Vgl. das Immunitätsprivileg für den Würzburger Klerus vom gleichen Tag (ebd. Nr. 114). Zur Kirchenpolitik Karls IV. allgemein: W. Hölscher, Kirchenschutz als Herrschaftsinstrument. Personelle und funktionale Aspekte der Bistumspolitik Karls IV., 1985. H. H. Hofmann, Karl IV. und die politische Landbrücke von Prag nach Frankfurt am Main, 1963; vgl. auch Schubert, Franken als königsnahe Landschaft.
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Auswirkungen des großen abendländischen Schismas, das in vielen Diözesen gravierende Wirren mit sich gebracht hatte, im Würzburger Bistum insgesamt weniger ins Gewicht fielen. Auch deshalb gelang es dem lange und nicht ohne Erfolg regierenden Bischof Gerhard von Schwarzburg (1372-1400), die Unterwerfung seiner Städte 182 nach vielfachem Taktieren mit der Schlacht bei Bergtheim im Jahr 1400 zu besiegeln. Eine gewisse Erholung der für Würzburg angespannten wirtschaftlichen und politischen Situation schien sich unter Bischof Johann von Egloffstein (1400-1411) anzubahnen, doch wurde die Regierung des Bischofs Johann von Brunn (1411-1440) zum eigentlichen Höhe- und Wendepunkt im Hinblick auf die Stellung der Würzburger Bischöfe. Bei ihm handelte es sich um einen „genialen, herrschaftsbewußten" Regenten, 183 mit hohem Ansehen beim Kaiser und den Reichsfürsten, der nicht zuletzt durch seine vielseitige Tätigkeit im Reichsdienst die Schuldenlast des Bistums jedoch abermals erhöhte. 184 In seiner Regierungszeit kamen verschiedene Strömungen zusammen, die eine neue Epoche in der Reichs- und in der Landesgeschichte begründeten.
c) Der Kampf um die Vorherrschaft Diese Veränderung hing vor allem mit dem Aufstieg der Nürnberger Burggrafen als Markgrafen von Brandenburg (1415/1417) zusammen, da die neue kurfürstliche und damit besonders königsnahe Stellung auf das Selbstverständnis der Zollern und auf das Kräfteverhältnis in Franken zurückwirken mußte, wo die Zollern bis ins späte 15. Jahrhundert das Hauptgewicht ihrer Herrschaft sahen. Verstärkt wurde dies dadurch, daß die Kaiser bzw. Könige seit Sigismund im Reich bis etwa 1470 kaum noch präsent waren und damit selbst nur selten direkt in die fränkischen Verhältnisse eingriffen, 185 gleichzeitig aber das politische Gewicht der Markgrafen durch offizielle Funktionen und persönliche Vertrauenserweise bestärkten: Kurfürst Friedrich führte mehrfach das Reichsheer (so 1422, 1427, 1431) und amtierte als Reichsvikar; Markgraf Albrecht Achilles (reg. 1440-1486 in Ansbach, ab 1464 in Kulmbach, ab 1470 Kurfürst) wurde 1456 kaiserlicher Hofmeister, Reichshauptmann und Hofrichter und wirkte als unentbehrlicher Ratgeber Kaiser Friedrichs III.; auch die Ansbach/Kulmbach formell gemeinsam regierenden Markgrafen Friedrich der Ältere (reg. 1486-1515) und Sigmund (reg. 1486— 1495), die trotz faktischer Beschränkung auf Franken an der Belehnung mit der Kurmark teilhatten, waren vielfach in kaiserlichen Diensten tätig. 186 Angeführt in GS II, 120-123. Schubert, Landstände, 44. 184 GS II, 153-160. 185 Zum Gesamtvorgang Moraw, Von offener Verfassung, bes. 355, 362-368, 379f. Unter anderem kam Friedrich III. von 1444 bis 1471 nicht ins Binnenreich. Vgl. auch Press, Franken und das Reich, 331. 186 Vgl. die zusammenfassenden Angaben bei G. Schuhmann, Markgrafen, 18-59; Seyboth, Markgraftümer, 436f. 182
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Zwar standen die Zollern schon seit jeher in enger Verbindung mit dem Königtum, doch führte diese Königsnähe in Verbindung mit der neuen Standesqualität nun zu einer deutlichen politischen Aufwertung. Freilich war die Parteinahme keineswegs auf Dauer einseitig: auch die Position der Würzburger Bischöfe als traditionelle Stütze der Königsmacht wurde immer wieder gestärkt. Mehrere Bischöfe wurden als königliche Räte angenommen (Johann von Brunn, 187 Rudolf von Scherenberg, 188 Lorenz von Bibra 189 ) bzw. mit der Durchführung von Reichsangelegenheiten betraut 190 und erhielten einträgliche Privilegien, ζ. B. zur Zollerhebung. 191 An die Stelle der herkömmlich zentralen Rolle des Würzburger Bischofs trat somit der Dualismus zu den Markgrafen als neue Konstante der fränkischen Verfassungsverhältnisse; er wurde zwar zuweilen von der Reichsspitze ausgenutzt oder auch einseitig begünstigt, aber nie grundsätzlich in Frage gestellt. Dabei steht der Aufstieg der Zollern nicht alleine, sondern muß in Zusammenhang gesehen werden mit der sozialen Ausdifferenzierung des Hochadels bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, in der sich der Fürstenstand verstärkt gegenüber dem übrigen Adel abgrenzte. 192 Es ist kein Zufall, daß die Grafen von Henneberg-Schleusingen ihren 1310 erworbenen Fürstenrang erst seit dem frühen 15. Jahrhundert konsequent in die Titelführung aufnahmen und ihre Grafschaft zuerst 1444 als Fürstentum bezeichneten, gleichzeitig auch die im Bereich des Landgerichts verankerten letzten Bande zum Würzburger Bischof zu lösen versuchten. 193 Die hier sichtbare Erschütterung der politischen Verhältnisse in Franken kam auch darin zum Ausdruck, daß Landfriedenseinungen seit 1417 praktisch wirkungslos waren und 1429 endgültig ausliefen. 194 Die Konkurrenz für das Bistum Würzburg durch politisch aufsteigende Fürstengeschlechter, die auch dem rivalisierenden Bistum Bamberg einen größeren politischen Spielraum verschaffte, wertete den niederen Adel auf, der nicht mehr auf die Bindung an einen mächtigen Herrn fixiert war, sondern in verstärktem Maße durch wechselnde oder konkurrierende Dienstund Lehensbeziehungen an Eigengewicht gewann 195 und sich erstmals in den Jahren um 1400 genossenschaftlich organisierte. 196 Parallel zum massiv gestiegenen Selbstbewußtsein des niederen Adels wird in der Zeit um 1400 die 187 188
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GS II 144. HHStA, Fridericiana passim, z.B. Fasz. 2, fol. 17f (13.3.1474); Fasz. 7, 1490, fol. 1 (8.1.1490); Maximiiiana, Fasz. 3 (17.10.1494). HHStA, Maximiiiana, Fasz. 22 (3.6.1510). Gottfried Schenk von Limpurg: GS II 176. Guldenzollbewilligungen 1397, 1407, 1422, 1437, 1440 jeweils auf mehrere Jahre (Zeißner, Scherenberg, 33f; GS II 130, 145, 149f, 168) bzw. 1468 auf Dauer (dazu Kap. Il.l.a). Krieger, Standesvorrechte, hier bes. 116. Zur sozialen Formierung des Niederadels ab etwa 1400/1430 vgl. J. Morsel, Die Erfindung des Adels, 1997, bes. 332-345. G. Schmidt, Herzogtum, 64-67; vgl. Krieger, Standesvorrechte, 97. G. Pfeiffer, Die königlichen Landfriedenseinungen in Franken, 1971, bes. 246-248; ders., Quellen zur fränkisch-bayerischen Landfriedensorganisation, 1972. Rupprecht, Herrschaftswahrung, 36f. Schubert, Landstände, 66-76.
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I. Thematik und Methode
ungemein angewachsene Macht des überwiegend aus Niederadeligen zusammengesetzten Würzburger Domkapitels sichtbar. Seit 1225 übte es in nahezu ungebrochener Folge das exklusive Bischofswahlrecht aus, seit 1213 verwaltete es neben den Spiritualien auch die Temporalien des Bistums während der Sedisvakanz, immer mehr gelangten Grund- und Dorfherrschaften in seine unmittelbare Verwaltung. Die seit 1225 nachweisbaren Wahlkapitulationen erscheinen nun bei Bischof Johann von Brunn 1411 in Form einer verbrieften Mitregierung des Domkapitels. 197 In Johanns Regierungszeit kam der grundsätzlich angelegte Gegensatz zwischen Bischof und Domkapitel um das jeweilige Ausmaß der Herrschaftsrechte „zu seinem endgültigen Austrag". 198 Etwa von der Mitte der 1430er bis zur Mitte der 1440er Jahre eskalierten diese Entwicklungen der Fürstenkonkurrenz, des adeligen Selbstbewußtseins und des Mitregierungsanspruchs des Domkapitels vor dem Hintergrund explosiv gestiegener Schulden des Würzburger Bistums und führten zu seiner existentiellen Bedrohung. Nachdem Bischof Johann 1432 im Kampf mit seinem Domkapitel zunächst unterlegen war und die Regierung zeitweise einem Pfleger überlassen mußte, kam es 1435 im sog. Runden Vertrag zu einer Einigung mit über 100 Beteiligten - Domherren, Grafen, Herren und Ritter über Regierungsführung und Schuldentilgung, die unter Johanns Nachfolger Sigmund von Sachsen (1440-1443) 1441 zum Konzept eines ständischen Regiments unter Ausschaltung des Bischofs gesteigert wurde, augenfällige Manifestationen der Bedeutung dieser Gruppen. 199 Die bedrängte Situation des Würzburger Bistums in diesen Jahren wird treffend gekennzeichnet durch Überlegungen des Domkapitels 1441, das Bistum dem Deutschen Orden zu übertragen. 200 Die in diesem Stadium zutage tretende Orientierungslosigkeit und Auflösung der hergebrachten Strukturen bot zugleich ideale Ausgangsbedingungen für das Eingreifen auswärtiger Gewalten. Der gelungene Versuch des wettinischen Kurfürsten Friedrich von Sachsen, seinen jüngeren Bruder Sigmund als Koadjutor bzw. Stiftspfleger und präsumptiven Nachfolger Bischof Johanns durchzusetzen, kam dem Wunsch des Domkapitels nach Ordnung der Verhältnisse durch eine von außen eingreifende Macht entgegen, markierte zugleich aber auch eine im ganzen Reich einsetzende, von ca. 1430 bis 1480 reichende erste Phase, in der aufsteigende Fürstengeschlechter danach strebten, über die Wahl von Familienangehörigen zu Bischöfen nahegelegener Bistümer ihre Herrschaftspositionen zu erweitern und damit ihre politische Macht im Reich zu stär197
198 199
200
J. Abert, Die Wahlkapitulationen der Würzburger Bischöfe bis zum Ausgang des XVII. Jahrhunderts. 1225-1698, 1904, 38^46, 61-69. Schubert, Landstände, 44. Schubert, Landstände, 82-90. Freilich darf nach den Ergebnissen Schuberts der Runde Vertrag nicht nur als Machtopposition, sondern ebenso als Versuch des Interessenausgleichs und der Abwehr fremder Einflüsse (vor allem der Markgrafen) gewertet werden, doch mindert eine solche Feststellung nicht den Wert dieses Dokumentes als Zeugnis für die neue Dimension ständischer Macht in Franken. GS II 167.
3. Zur Verfassungsentwicklung in Franken im Spätmittelalter
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ken.201 Dieser Versuch des wettinischen Hauses scheiterte durch das Eingreifen einer weiteren Macht, des 1440 in Ansbach zur Regierung gekommenen Markgrafen Albrecht Achilles. Er konnte Sigmund von Sachsen von dessen Bruder trennen und für sich einnehmen, ließ ihn in Ansbach zum Bischof weihen, setzte seinen Einzug in Würzburg durch und schaltete den sächsischen Widerstand gegen diese Vereinnahmung in militärischer Auseinandersetzung aus. Von der Opposition des Domkapitels gegen die Verschiebung des innerfränkischen Kräfteverhältnisses gestoppt, mußte er Bischof Sigmund dann doch fallenlassen und zunächst das Projekt eines ständischen Regiments, dann die Entscheidung des vom Domkapitel angerufenen Königs Friedrichs III. akzeptieren, der in einem seiner seltenen direkten Eingriffe in die fränkischen Verhältnisse 1442 den Bamberger Domdekan und Würzburger Domherrn Gottfried Schenk von Limpurg zum Pfleger des Bistums berief und damit den Status quo in Franken zu sichern suchte; nach dem Rückzug des gescheiterten Sigmund von Sachsen 1443 wurde Gottfried dann sowohl durch den römischen Papst Eugen IV. wie den Konzilspapst Felix V. in Basel zum Bischof providiert. 202 Dieses Eingreifen des Reichsoberhauptes verdeutlicht noch einmal, daß eine Ausschaltung des bedeutsamen Faktors Würzburg in Franken wie im Reich verhindert werden sollte, wohl nicht zuletzt im Hinblick auf die vergleichsweise hohen Reichshilfen, die der Bischof regelmäßig zu leisten hatte und zumeist auch ablieferte.203 Dennoch kam es in der Folgezeit zu einer ausgeprägten politischen Parteienbildung, die einerseits auf dem massiv verschärften Dualismus von Ansbach und Würzburg aufbaute, andererseits sich mit logischer Folgerichtigkeit in die politischen Großstrukturen des Reiches einordnete und darin - trotz einer Abschwächung der Gegensätze ab dem letzten Jahrhundertdrittel - bis ins frühe 16. Jahrhundert eingebunden blieb. Ein Hauptstrang dieser politischen Strukturen war der Gegensatz von Habsburg und Wittelsbach, ein weiterer das gegen Habsburg operierende und mit Wittelsbach verbündete Königtum Georg Podiebrads in Böhmen und dann des Matthias Corvinus in Ungarn; 204 während die Markgrafen und insbesondere Albrecht Achilles sich aggressiv als Vorkämpfer der Habsburger vor allem gegen die eigenen territorialen Konkurrenten in Bayern profilierten, fanden sich die Wittelsbacher mit den wichtigsten Nachbarn und Gegnern der Markgrafen in Franken zusammen: der Reichsstadt Nürnberg und dem Bistum Würzburg. Die Mainzer, im Herrschaftsanspruch Konkurrenten der
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Dieses bis zum Ende des Alten Reiches generell vorhandene Streben nach - im Idealfall geistlichen Sekundogenituren prägte sich etwa in der Zeit von 1430 bis 1480 in besonderer Form aus, was sich an den sog. Stifts- oder Bistumsfehden im überwiegenden Teil der deutschen Bistümer in dieser Phase ablesen läßt. Eine übergreifende Analyse dieses Phänomens ist noch zu leisten. 202 Vgl. f ) Weiß, Franken am Ausgang des späten Mittelalters, 1997, 430f. 203 Dazu GS II passim. 204 Dazu jetzt die Grundlagenstudie von Stauber, Herzog Georg, auch in bezug auf die Einbindung der fränkischen Mächte.
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I. Thematik und Methode
wittelsbachischen Kurpfalz wie der Würzburger, tendierten vielleicht auch aufgrund ihrer formalen Stellung als Erzkanzler des Reichs eher ins kaiserlich-markgräfliche Lager, während Bamberg, eingekeilt zwischen die beiden markgräflichen Herrschaftskomplexe, bedrängt von der Reichsstadt Nürnberg und im Kampf mit Würzburg um obermainische Positionen, eine Schaukelpolitik betrieb, die sich allerdings, dem Schwergewicht der Nachbarschaftsverhältnisse folgend, kaum zu einem echten und dauerhaften Gegensatz zu den Markgrafen zu steigern vermochte. Für die Abtei Fulda ist dagegen eher eine passive Rolle festzustellen, die durch die Anlehnung an den wichtigsten Nachbarn - Mainz, ab ca. 1450 zunehmend Hessen 205 - und an die Würzburger Opposition 206 gekennzeichnet war. Die Kulmination ab den 1440er Jahren äußerte sich in heftigen, grundsätzlichen und zum Teil kriegerischen Auseinandersetzungen Würzburgs mit seinen großen Nachbarn: mit Ansbach unter Albrecht Achilles vor allem 1440-1460, 207 dann auch mit Kurmainz 1456/57208 und mit Bamberg 14621469209. Das Signum dieser Zeit ist der offene Kampf um politische Vorherrschaft, die auch aus dem jeweiligen Selbstverständnis als ranghoher Reichsstand genährt wurde: Kurmainz profilierte sich mit der Kurwürde und seinen geistlichen Metropolitanrechten gegenüber dem Würzburger Suffraganbischof, Bamberg konnte auf seine höhere Stellung in der kirchlichen und damit auch in der Reichshierarchie verweisen, 210 die Burggrafen konnten seit dem Erwerb der Kurwürde einen höheren Rang als Würzburg beanspruchen. Vergleichsweise spät finden sich in Fulda Reaktionen auf diesen Prozeß; erst ab Hartmann von Kirchberg (1513-1521/29) gebrauchten die Äbte regelmäßig ihren Titel „Erzkanzler der Kaiserin". 211 Der heftige Gegensatz artikulierte sich nicht nur in militärischer, sondern vor allem auch in propagandistischer Form: langen Korrespondenzen über formale Fragen, Verteidigungsschriften, die verschiedenen Fürsten und Städ205 206
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Vgl. oben Anm. 139. Dies drückt sich insbes. in der Wahl des Johann von Henneberg zum Fuldaer Abt 1472 aus; die Grafen von Henneberg waren bis in die 1480er Jahre führend an der Organisation des nicht-fürstlichen Adels gegenüber den Würzburger Bischöfen beteiligt, vgl. Ulrichs, Lehnhof, 162, 170. Dazu zusammenfassend Seyboth, Markgraftümer; Detailstudien von M. Spiller (Dissertationsvorhaben bei P. Herde, Würzburg) und D. Willoweit (im Rahmen des Forschungsprojektes „Bild des Krieges") sind angekündigt. Der Konflikt rankte sich um das im Besitz des Würzburger Domkapitels befindliche, an Mainz weiterverpfändete Ochsenfurt und die beanspruchten Herrschaftsrechte des Würzburger Bischofs; er ist ausführlich dokumentiert in Stb. 739, eine Auswertung durch D. Willoweit (wie vorige Anm.) ist vorgesehen. Im Rahmen des genannten Forschungsprojektes „Bild des Krieges" soll C. Proksch in Kürze eine kommentierte Edition von Dokumenten zu diesem Konflikt vorlegen. Vgl. als erste Auswertung D. Willoweit, Fürstentum. Bamberg war als exemtes Bistum unmittelbar dem Papst unterstellt, also nicht wie Würzburg Suffragan eines anderen Bischofs; als „kaiserliches Stift" rangierte es vor allen anderen bischöflichen Herrschaftsgebieten. Seine Umsetzung in die Reichshierarchie fand diese Sonderstellung später auch durch die Führungsfunktion Bambergs im Fränkischen Kreis. Belege ab 1515: Stb. 725, 287, 290', 302 u.ö.
3. Zur Verfassungsentwicklung in Franken im Spätmittelalter
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ten im Reich zugeschickt wurden, spitzfindigen rechtlichen Argumentationen. 212 Für den Herrschaftsanspruch war die Akzeptanz im Forum der „Reichsöffentlichkeit" (Fürsten und Städte) relevant.213 Die Schärfe und die Form dieses Konfliktes hing ganz maßgeblich damit zusammen, daß politische Ziele und das Selbstverständnis der eigenen fürstlichen Reputation in dieser Phase untrennbar ineinander verwoben erscheinen - inhaltliche Ansprüche und ihre äußere Dokumentation erscheinen geradezu identisch. Ein Beispiel dafür ist etwa der Titelstreit zwischen Markgraf Albrecht Achilles und dem Würzburger Bischof Gottfried. Er resultierte daraus, daß letzterer und dann alle seine Nachfolger die seit Bischof Johann von Egloffstein fallweise geführte Titulatur „Herzog zu Franken" ab 1446 dauerhaft und stereotyp einsetzten, die Markgrafen sie aber grundsätzlich ablehnten und nie selbst verwendeten.214 Übersteigert kamen die Gegensätze zum Vorschein, als Bischof Gottfried in einem Brief vom 5.9.1446 an Albrecht dessen Fürstentitel wegließ und zum ersten Mal selbst die Herzogstitulatur für sich verwendete. Die Antwort folgte umgehend unter Betonung der untergeordneten kirchlichen Stellung des Würzburger Bischofs: Dem wirdigen vnnserm besundern frunde h(e)mn Gotfriden, bischouen zu Wurtzpurg, des stifts zu Meintz suffragarti eie.215 Die Annahme des fränkischen Herzogstitels paßt sich somit ein in die Formierung einer hierarchisch nach unten abgeschlossenen Fürstengesellschaft und symbolisiert die Anstrengungen der Bischöfe, 212
213
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Die Art und Weise derartiger Konfliktformen ist generell geschildert bei Most, Schiedsgericht. Vgl. z.B. die Verantwortungsschrift von Bischof Gottfried in bezug auf seinen Streit mit Markgraf Albrecht, die sich u. a. an die geistlichen Kurfürsten und zahlreiche weitere Fürsten und Städte richtete: Stb. 717, 436-439'. GS II 133, 153, 166, 177. Die Korrespondenz auf der Grundlage von Abschriften bei A. Amrhein, Gottfrid (AU 50) 81f, 90-95. Insgesamt folgte die Titulierung in diesen Jahren bei den Fürsten teilweise den politischen Bündnissen (die Herzöge von Bayern gebrauchten gegenüber Würzburg den Herzogstitel, dagegen nicht Mainz und auch nicht die Pfalz), während die Reichsstädte und die Niederadeligen, auch die in markgräflichen Diensten stehenden, grundsätzlich den Herzogtstitel verwendeten (vgl. z. B. die Korresponenz in StAWü, Misceli. 1029 sowie Amrhein, wie oben, 88f). Vgl. Seyboth, Markgraftümer, 108f Anm. 22. Zur Relevanz von Titelstreitigkeiten, insbes. zwischen den Zollern und Wittelsbachern, vgl. J.M. Moeglin, Essai sur la conscience dynastique des Hohenzollern de Franconie au X V e siècle, 1991. Markgraf Albrecht an Bischof Gottfried, 5.3.1447: Vnnser fruntliche dinst zuuor wirdiger besunder frunde. Als jr vns mer dann eins geschriben habt vnd an der Überschrift, auch jnnwenndig derselben ewer briue, vns nicht furste schreibet, auch in ewerm tittel setzet vnd haldet anders, dann vor aider in des stiffts zu Wirtzpurg cantzley herkomen ist, nymbet vns so nicht vnbillich, ist fremde vnd das jr villeicht ewer cantzley mit neuen Schreibern bestellet habt, die gelegenhayt des stifts vnd der vmbligenden fursten nicht wissen; vnd dorumb so haben wir auch in diser vnnser vberschrift des briues geleutert die wesenlickayt ewers stifts, uff das sie hinfur destaygentlicher durch naturliche v(er)nü(n)fft wissen vnd versteen mögen, wie sie vns oder einem andern gebornn fursten des reichs von des stifts wegen schreyben sullen. ... (StAWü, Misceli. 1029). - Ein vergleichbarer Fall ereignete sich 1457 im Streit um Ochsenfurt, als Erzbischof Dietrich von Mainz den Bischof Johann von Würzburg nachdrücklich an seine Stellung als Mainzer Suffragan erinnerte und dieser ihm darauf den Erzkanzler-Titel versagte (vgl. die durch verbale Feinheiten ausgezeichneten Formulierungen in Stb. 739, fol. 30-33, ähnlich schon ebd. fol. 14-18 zum Jahr 1456).
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I. Thematik und Methode
ihre erst seit der Regierungszeit des Johann von Brunn prinzipiell bestrittene Führungsrolle in Franken aufrecht zu erhalten. Die grundsätzlichen Auseinandersetzungen um die „fürstliche Obrigkeit" in Franken waren jedoch auf diesem Wege nicht lösbar. Trotz energischer und umsichtiger Regierungsführung unter Bischof Gottfried (1442/43-1455) und einer gesteigert militanten Vorgehensweise seines Nachfolgers Johann von Grumbach (1455-1466) vermochte Würzburg mit bayerischer Unterstützung zwar die Expansion des Markgrafen Albrecht zu stoppen und dies mit der Rother Richtung vom 24.6.1460 festzuschreiben; hier wurde auch das übersteigert eingesetzte Nürnberger Landgericht faktisch aufgelöst. 216 Die Rückgewinnung der traditionellen Rolle mißlang jedoch ebenso wie eigene offensive Unternehmungen; auch gegenüber Bamberg, wo sie im Haßfurter Vertrag von 1465 ans Ziel gelangt zu sein schienen, verfügte Kaiser Friedrich III. die Rücknahme des Erreichten. Die Phase von etwa 1440 bis 1470 markiert das Streben nach machtpolitischer Durchsetzung grundsätzlicher Herrschaftsansprüche auf allen Seiten, die jedoch aufgrund der erreichten Verfassungsverhältnisse in Franken sowie ihrer Verflechtung mit den Bündnisstrukturen im Reich und den Interessen des Kaisers nicht dauerhaft durchsetzbar waren. Obwohl die handelnden Personen zum Teil weiteragierten und ihr persönliches Verhalten kaum änderten (so Markgraf Albrecht bis 1486), ist um 1470 doch ein deutlicher Wandel der Rahmenbedingungen und Inhalte der Politik festzustellen, der sich generell als eine Verlagerung von der Grundsatzopposition zu pragmatischen Teillösungen beschreiben läßt.
d) Wege zur friedlichen Konfliktlösung (ca.
1470-1519)
Der Wandel ab ca. 1470 vollzog sich im Gefolge der gestiegenen Türkengefahr und der dadurch beeinflußten kaiserlichen Landfriedenspolitik, durch die sich die Schärfe der politischen Gegensätze im Reich lockerte und damit auch die Blockbildung in Franken nachließ. 217 Seit ca. 1492 änderten sich die Großstrukturen nochmals durch die Aufweichung der wittelsbachischen Parteienbildung, die zur Anlehnung Nürnbergs an Oberbayern und Würzburgs an Niederbayern und die Pfalz führte; die Relevanz des habsburgischwittelsbachischen Gegensatzes wurde schließlich durch den Kölner Schiedsspruch von 1505 weitgehend ausgeschaltet. Insgesamt ist jedenfalls seit etwa 1470 eine deutliche Regionalisierung und eine wesentlich geringere Aggressivität im Hinblick auf die innerfränkischen Gegensätze festzustellen. Damit korrespondiert die bis in die 1460er Jahre abgeschlossene Entwicklung, wonach sich der nicht-fürstliche Hochadel teilweise aus der fürstlichen Gerichtsgewalt befreite, während sich der Niederadel ihr nun unterordnete; 218 216 217 218
W. Ulsamer, Die „Rother Richtung" 1460, 1960. Vgl. Weiß, Franken, 442. Ulrichs, Lehnhof, 169f.
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die Formierung der Reichsritterschaft begann erst 1495 und kam vor 1520 auch nicht zum Durchbruch. 219 Damit konzentrierte sich das Konfliktpotential im Hinblick auf die grundsätzliche Abgrenzung von Herrschaftsbereichen auf den benachbarten Hochadel, insbesondere die Fürsten. Bei diesen läßt sich nun ein deutlicher Wandel von Verhaltensweisen feststellen, der gerade in der Person des Markgrafen Albrecht Achilles deutlich sichtbar wird. Dieser hatte schon früh und mit cholerischem Temperament markante Beweise seiner hohen Selbsteinschätzung als Fürst des Reiches geliefert, in der die Wahrung seiner Reputation offensichtlich pragmatischen Überlegungen voranging. 220 Als seine Herrschaftsexpansion in den 1460er Jahren gestoppt worden war und sein Würzburger Rivale trotz massiver Gegenmaßnahmen 1468 das wirtschaftlich bedeutsame Guldenzollprivileg vom Kaiser erhielt, 221 erwies sich seine Verhandlungsposition gegenüber Bischof Rudolf von Scherenberg (1466-1495) als zu schwach, um die ihm nach seiner Überzeugung zukommenden Zollerhebungsrechte in Franken in breitem Maße durchsetzen zu können. Um diese Rechte zu verteidigen, war er bereits zu einem gewaltsamen Vorgehen entschlossen. Es gelang dem Zusammenspiel seiner eigenen Räte aber schließlich doch, ihn zur Annahme von Kompromißformeln zu bewegen. 222 Obwohl Albrecht mehrmals, insbesondere im Pfaffensteuerstreit 1481/82 (dazu Kap. II.2.b), seine weiterhin existierende Bereitschaft zur militärischen Konfliktlösung signalisierte, war mit der Auseinandersetzung um den Guldenzoll 1468 eine neue Phase eingeleitet worden, in der das Aushandeln tragfähiger Einzellösungen grundsätzlich den Vorzug vor der machtpolitischen Konfrontation davontrug. Dieser Wandel ist eine allgemeine, epochale Erscheinung, die von der Forschung als eine Folge der verhärteten Fronten im vorangegangenen Papstschisma und der konziliaren Bewegung herausgestellt wurde: Die langanhaltende Unlösbarkeit des Konflikts habe letztlich den Zwang zum Pragmatismus und die Notwendigkeit von Verhandlungen erwiesen; 223 dies findet Parallelen in der ineffektiven und durch die allgemein geübte Verwüstungstaktik wirtschaftlich fatalen Kriegstechnik dieser Zeit. Im Hinblick auf die regionale Erfahrungswelt entspricht dem die ambivalente Situation, daß ein explizites Vorgehen gegen den kaiserlichen Willen in Franken auf Dauer nicht möglich war, andererseits der Kaiser weder die Konzeption noch die Möglichkeiten für klare Lösungen besaß. Daneben ist darauf zu verweisen, daß die verbesserte wirtschaftliche Situation Arrange-
Ebd. 175-194 u. passim. Vgl. etwa oben den Brief an Bischof Gottfried (bei Anm. 215) sowie Krieger, Standesvorrechte, 91-93, generell E. Schubert, Albrecht Achilles, Markgraf und Kurfürst von Brandenburg (1414-1486), 1971. 221 Vgl. dazu Kap. II.1.a. 222 Ygi di e Korrespondenzen in StAN, Differenzen mit Benachbarten, Würzburger Bücher 2, insbes. den Bericht des Ludwig von Eyb vom 8.8.1468 an den Ansbacher Propst Hans von Eyb über den Tag von Mainbernheim und dessen Antwort vom 9.8.1468. 223 Hubert Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte III, 1985, bes. 490-516 (K. A. Fink). 219
220
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I. Thematik und Methode
ments sowohl finanziell als auch mental eher zulassen mochte als die angespannte Lage in der ersten Jahrhunderthälfte. 224 Inwieweit die Heftigkeit der Konflikte 1440-1470 und das dann einsetzende weitgehend friedliche Ringen um deren Lösung mit einem Rechtswandel zusammenhängen, der in der Forschung unter dem Signum der Rezeption des römischen bzw. gemeinen Rechts steht, ist für die Politik noch zu klären; 225 dies gilt auch für die politischen Auswirkungen der humanistischen Bewegung, als deren „ideale Heimstätte" Franken bezeichnet worden ist. 226 Unabhängig von der Herleitung sind in jedem Fall neue politische Verhaltensweisen am Ausgang der 1460er Jahre in Franken evident; zum Durchbruch gelangten sie in der von Bischof Rudolf von Scherenberg verfolgten Politik des maßvollen Ausgleichs. Der grundlegende politische Wechsel vom aggressiven, kampfeslustigen Bischof Johann von Grumbach zum abgeklärten, friedfertigen Rudolf von Scherenberg wird deutlich an den Bemühungen des letzteren um einen friedlichen Ausgleich mit den Würzburger Nachbarn unter Inkaufnahme von Kompromißlösungen. 227 Dies ist freilich nicht mit einer Politik des Zurückweichens zu verwechseln: In der Sache verfolgte Rudolf die Interessen seines Bistums mit großer Zähigkeit und unter Ausnutzung aller ihm zu Gebote stehenden Mittel, etwa im Hinblick auf das 1468 erlangte Guldenzollprivileg. Von besonderer Bedeutung war es dabei, daß die päpstliche Absetzung des böhmischen Königs Georg Podiebrad 1466 und die Aussöhnung des wichtigsten Würzburger Bündnispartners, Herzog Ludwig von Niederbayern, mit dem Kaiser auch für Bischof Rudolf den Weg zu einem verbesserten Verhältnis zum Reichsoberhaupt den Weg ebneten. 228 Nicht zuletzt die zentrale Lage des Bistums in Franken mußte dazu führen, daß dieser Wandel auch auf die Nachbarn ausstrahlte. Damit wurde die Zeitspanne von etwa 1470 bis 1519 zu einer relativ ruhigen Phase der Konsolidierung der Fürstentümer, die gleichzeitig in beträchtlichem Ausmaß von dem seit der Jahrhundertmitte spürbaren Wirtschaftsaufschwung und dem damit zusammenhängenden Bevölkerungwachstum profitierte. Im Falle Würzburgs beinhaltete diese Phase vor allem die Auslösung der bislang zumeist verpfändeten lokalen Ämter und daran anknüpfend den Versuch einer weitestmöglichen herrschaftlichen Inanspruchnahme aller Besitzungen und Rechte, die sofort zahlreiche Einzel-
224 Vgl. allgemein W. Abel, Strukturen und Krisen der spätmittelalterlichen Wirtschaft, 1980. 225 -ψ Trusen, Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; K. Kroeschell, Die Rezeption der gelehrten Rechte und ihre Bedeutung für die Bildung des Territorialstaates, 1983; Ranieri, in: Lexikon des Mittelalters 7 (1995), 1014-1016 (Lit.). Zur Forschung in Franken: D. Willoweit, Juristen im mittelalterlichen Franken, 1996. 226
A. Kraus, Gestalten und Bildungskräfte des fränkischen Humanismus, 1997. Vgl. aus der Sicht der Historischen Anthropologie A. Nitschke, Vom Wandel des Wirkens, 1984, insbes. 133-135. Zur aufgewerteten Rolle der Schriftlichkeit, die auch einen neuen Fürstentypus prägte, vgl. ζ. B. Kraus, Handbuch der bayerischen Geschichte II, 292, ergänzend Stauber, Herzog Georg der Reiche, 809-814. 227 Vgl. J a z u auch die zeitgenössischen Beurteilungen (GS III 17f und 45-48). 228 Vgl. unten Il.l.a.
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konflikte auslöste bzw. grundlegend verstärkte. 229 Das heißt auf das Scheitern der machtpolitischen Durchsetzung folgte der Versuch, unter Beibehaltung der grundsätzlichen Ansprüche praktikable Lösungen für jeden konkreten Einzelfall zu finden, ein Versuch, den Rudolfs Nachfolger Lorenz von Bibra (1495-1519) intensiv fortführte. Die Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den fränkischen Fürsten, der Wandel der politischen Verhaltensweisen und die Reorganisation des Fürstbistums Würzburg unter Rudolf von Scherenberg im Verein mit den einsetzenden Rückerwerbungen lassen die Zeit um 1470 deutlich als den Beginn dieser neuen Phase erscheinen. Ebensogut bestimmbar ist auch deren Ende mit dem für das Reich 230 wie für das Bistum W ü r z burg (Tod des Bischofs Lorenz) relevanten Stichjahr 1519; freilich wird man in der konkreten Analyse der Nachbarschaftsbeziehungen als Zeitgrenze die jeweils einschneidenden Regierungswechsel der Nachbarn wählen, also 1514 f ü r Mainz, 1515 für Ansbach und 1516 für Fulda. Die Eingrenzung des Zeitraums von etwa 1470 bis gegen 1520 deckt sich auch mit neueren Tendenzen, diesen ganz allgemein als Zwischen- oder Ubergangsepoche zu definieren. 231
e) Der Umbruch der Reformation und die Neuformierungsphase
um 1600
Mit der Reformation ab etwa 1520 (Kampfschriften Luthers) bzw. 1521 (Wormser Reichstag) begann sich die Situation von Grund auf zu ändern. Infolge der Tatsache, daß zwei bisher traditionell verfeindete Rivalen, die Reichsstadt Nürnberg und das Fürstentum Ansbach/Kulmbach, nun beide sich der neuen Lehre öffneten und nach einer gemeinsamen Visitation (1528) sogar eine gemeinsame Kirchenordnung (1533) annahmen, während die geistlichen Fürstentümer grundsätzlich bei der alten Kirche blieben, 232 wurden die traditionellen politischen Konstellationen von geradezu gegenteiligen konfessionellen Strukturen überlagert und teilweise außer Kraft gesetzt. Infolge der ins Spiel gekommenen religiösen Komponente, darunter insbesondere der schließlich 1555 sanktionierten Suspension der geistlichen Jurisdiktion bei den protestantischen Reichsständen, wurden das Handlungspotential vor allem der geistlichen Fürsten massiv eingeschränkt und die Grundlagen der Fürstenherrschaft neu definiert. Die seit etwa 1520 einsetzende Wirksamkeit des Fränkischen Kreises schuf neue, institutionalisierte Formen der Nachbarschaftsbeziehungen. 2 3 3 D e m niederen Adel gelang es in dieser Phase endgültig, seine Reichsfreiheit zu behaupten. 2 3 4 229 230
231 232 233 234
Vgl. unten II.I.e. Mit der Wahl Karls V. 1519 begann eine neue politische Dimension des Habsburgerreichs und „der Beginn des europäischen Hegemoniekampfes" (H. Lutz, Reformation und Gegenreformation, 31991, 30). S. oben 1.2. Anm. 75. Vgl. die Beiträge in: Schindling/Ziegler, Territorien, Bd. I u. IV. Dazu ausführlich Härtung, Fränkischer Kreis. Vgl. die oben I.2.b in Anm. 111 genannte neueste Literatur.
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I. Thematik und Methode
Diese tiefgreifenden Wandlungen wurden abgeschlossen in den Jahrzehnten um 1600 im Zusammenhang eines Formierungsprozesses, der in der Forschung mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen als „Sozialdisziplinierung" (G. Oestreich) oder „Konfessionalisierung" (W. Reinhard/H. Schilling) bzw. generell als die Entstehung des frühmodernen oder frühabsolutistischen Staates bezeichnet wird. 235 In die Regierungszeit des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter fallen Verträge mit allen wichtigen Nachbarn zur Bereinigung der ungelösten Einzelkonflikte, darunter vor allem mit Mainz 1585 und 1614, mit Bamberg 1585, 1590 und 1612, mit Brandenburg-Ansbach 1610, mit Fulda 1589 und 16 1 3/14.236 Der intendierten Bereinigung der äußeren Verhältnisse entsprechen Unternehmungen zur Neuorganisierung der inneren, so die Erfassung des Würzburger Bistums durch das System einer umfassenden Salbuchaufnahme ab 1581, des Bamberger Bistums durch die Landesaufnahme um 1600 und des Fürstentums Ansbach durch den 16Punkte-Katalog von 1608.237 Die so fixierten Verhältnisse galten überwiegend bis zum Ende des Alten Reiches. Die seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in Franken einsetzende breite archivalische Uberlieferung, die selbst als ein Reflex der gravierenden Veränderungen verstanden werden kann, erlaubt es, den grundlegenden Wandel der Fürstenherrschaft zwischen 1440 und 1600 in vielen Details nachzuzeichnen und zu analysieren. Dabei ist, im Vergleich zu der Zeit vorher und nachher, die Epoche ca. 1470-1519 am wenigsten bearbeitet. Da für diese Phase aufgrund des differenzierten, weitgehend friedlich verlaufenden Charakters der Auseinandersetzungen es am ehesten möglich erscheint, die Leitfragen nach Konzeption und Realisierung der Fürstenherrschaft zu beantworten, soll sie im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, freilich unter Berücksichtigung der ins Grundsätzliche zielenden Konfliktsituationen im Zeitraum von ca. 1440 bis 1470; auch die maßgeblichen Veränderungen bis um 1600 sollen in einem Ausblick berücksichtigt werden, um das Proprium der im Mittelpunkt stehenden Phase herausarbeiten zu können. Ziel ist also, den Charakter der Fürstenherrschaft um 1500 in seinen wesentlichen Merkmalen wie in seiner Dynamik besser zu erfassen, damit die bisher dominierende, aus den Verhältnissen des 18. Jahrhunderts entwickelte Sicht zu erweitern und einen neuen Zugang zu den mittelalterlichen Verhältnissen zu gewinnen.
Zusammenfassend zu Thema und Begriffen: W. Reinhard, Sozialdisziplinierung - Konfessionalisierung - Modernisierung. Ein historiographischer Diskurs, 1997. 236 Vgl. d a s Referat dieser und weiterer Verträge bei J. N. Buchinger, Julius Echter von Mespelbrunn, Bischof von Würzburg und Herzog von Franken, 1843, 92-142. 2 3 7 J. Merz, Herrschaftsverständnis und Herrschaftspraxis in Franken, 1997, bes. 650-658. 235
II. HERRSCHAFTSKONFLIKTE DER WÜRZBURGER BISCHÖFE 1470-1519 1. Ausgangslage a) Privilegien als Anspruchsvoraussetzung
fürstlichen
Handelns
Ungeachtet des beschriebenen Wandels in den Verfassungsstrukturen Frankens um 1470 ist als fortdauernde Grundkonstante die Bindung der Herrschaftsausübung an das Königtum festzuhalten. Es wurde deutlich, daß sich die direkten Eingriffe des Reichsoberhauptes nur auf wenige außergewöhnliche Fälle beschränkten. Doch ungleich wichtiger als Einzelaktionen, die zudem abhängig waren von der jeweiligen Entwicklung der Kräfteverhältnisse, war der Grundsatz, daß nur der König die rechtmäßige Herrschaftsausübung durch die Belehnung, Regalienverleihung und Privilegienbestätigung gewähren konnte.1 Uber Jahrhunderte waren die Würzburger Bischöfe zumeist treue Stützen des Königtums gewesen, und noch Johann von Brunn hatte diese Funktion zeitweise glanzvoll ausgefüllt. Der schroffe Gegensatz zu den Ansbacher Fürsten, der unter Albrecht Achilles kulminierte, hatte jedoch zur Anlehnung an dessen Feinde und damit zur Einbindung in das Lager der gegen Habsburg operierenden Wittelsbacher geführt; seit 1460 war dabei Niederbayern der wichtigste Bündnispartner gewesen.2 Würzburg partizipierte sowohl an den großen Erfolgen der Wittelsbacher gegenüber Markgraf Achilles in den Reichskriegen der Jahre 1458-1462 als auch an der Aussöhnung Herzog Ludwigs von Niederbayern mit Kaiser Friedrich III. in den Jahren 1467/68, der die Isolierung des mit Niederbayern verbündeten böhmischen Königs Georg Podiebrad durch die päpstliche Absetzungsbulle vom 23.12.1466 vorausgegangen war.3 Im Zuge der verschiedenen gegenseitigen Vereinbarungen4 gewährte der Kaiser dem Herzog Ludwig einen Weinauf-
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Krieger, Lehnshoheit, 254, 265. Dies gilt nicht nur theoretisch, sondern auch in der politischen Praxis: P. Moraw, Franken als königsnahe Landschaft im späten Mittelalter, 1976 (hier 126: „... daß man hier dem König aus wohlverstandenem eigenem Interesse eng verbunden war, daß aber die politische Struktur des Raumes kaum mehr vom Königtum neu geformt wurde."). Vgl. auch F. Merzbacher, Zum Regalienempfang der Würzburger Bischöfe im Spätmittelalter, 1953. Vgl. Stauber, Herzog Georg, 22. Zur Abkehr Würzburgs vom Bündnis mit Böhmen vgl. GS III 12,16, 35. Stauber, Herzog Georg, 109.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
schlag u n d z u s ä t z l i c h e M a u t e n , d e r e n g r o ß e B e d e u t u n g sich einerseits aus d e m seit d e r J a h r h u n d e r t m i t t e gesteigerten H a n d e l s v o l u m e n ergab, 5 sich a n dererseits a m G e g e n w e r t - S c h u l d b r i e f e ü b e r 4 0 . 0 0 0 G u l d e n - ablesen läßt. In o f f e n s i c h t l i c h e r Parallele z u diesen z u l e t z t a m 3 0 . 1 . 1 4 6 8 bestätigten A b machungen versuchte Bischof Rudolf v o n W ü r z b u r g im Frühjahr 1 4 6 8 den längst fälligen R e g a l i e n e m p f a n g b e i m K a i s e r f ü r die G e w ä h r u n g eines u m f a s s e n d e n W e i n z o l l p r i v i l e g s z u n u t z e n . 6 Sein u n m i t t e l b a r e r G e g e n s p i e l e r A l b r e c h t A c h i l l e s e r f u h r v o n d i e s e m V o r h a b e n , w i e s R u d o l f b r i e f l i c h auf seine eigenen Z o l l a n s p r ü c h e , n ä m l i c h ein V i e r t e l aller W e i n z ö l l e in F r a n k e n , h i n 7 u n d fertigte seinen S e k r e t ä r J o h a n n e s Spet z u m K a i s e r ab, u m die U n t e r n e h m u n g des B i s c h o f s z u v e r h i n d e r n . 8 D o c h w ä h r e n d A l b r e c h t s S e k r e t ä r sich n u r auf die m a r k g r ä f l i c h e n Rechtstitel b e r i e f 9 u n d v o n d e n V e r h a n d l u n gen a m K a i s e r h o f ausgeschlossen blieb, n u t z t e d e r B i s c h o f , d e r t r o t z seines h o h e n A l t e r s v o n ca. 6 7 J a h r e n p e r s ö n l i c h m i t e n t s p r e c h e n d e m G e f o l g e 1 0 a m K a i s e r h o f e r s c h i e n e n w a r , die G u n s t d e r p o l i t i s c h e n K o n s t e l l a t i o n u n d die U b e r z e u g u n g s k r a f t h o h e r G e l d s u m m e n . V o r d e r g r ü n d i g w i r d in d e m gleichzeitig m i t B e l e h n u n g s b r i e f u n d Regalienleihe ausgestellten G u l d e n z o l l -
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Kraus, Handbuch der bayer. Geschichte II, 1988, 772 (E. Schremmer). Zu den bis dahin gewährten Zollprivilegien vgl. oben 1.3 bei Anm. 191. Mgf. Albrecht an Bf. Rudolf, 7.3.1468 (StAN, Würzburger Bücher 6, 50f). Albrecht bezog sich auf folgende Privilegien: Die Begabung durch König Sigismund an Markgraf Friedrich mit Zustimmung des Bischofs von Würzburg mit dem vierten Teil der Zölle im Lande Franken (StAN, Ansbacher Generalrepertorium, Urk. 110, 3.9.1422) sowie entsprechende Erbeinungen betr. die Guldenzollerhebung mit Würzburg und Mainz (ebda l l l f , beide 11.9.1422); Privileg Friedrichs III. vom 23.7.1456 für die Markgrafen, daß sie in iren kurfürsten vnnd furstenthumen der marck zu Branndenburg, der burggrafschaff zu Nuremberg vnnd jn iren lannden, wo sie die ietz haben oder hinfür überkomen, ire zoll, die sie itzo daselbst haben, nach irm geuallen erhöbern, die überlegen vnnd jn denselben auch im lannden, wo wenn vnnd wie sie des Verlust, zolle von newen aufsetzen vnnd auch auff wein, pier vnnd annders, das man jn iren lannden gebrauchet vnnd durch ire land füret, auf sieg nach im geuallen machen vnnd nemen ... (ebda 141, 23.7.1456; ebenso in StAN, Würzburger Bücher 6, 48f). Vgl. die umfassenden Berichte und Korrespondenzen in StAN, Differenzen mit Benachbarten, Würzburger Bücher 6, fol. 50-123 (parallele, aber unvollständige Uberlieferung ebd., Würzburger Bücher 2; vgl. auch StABa, C III 971). Die Instruktion des Spet für den Vortrag vor dem Kaiser beginnt: Item der bischoff reit binab vnnd verneint den zol zuerlangen ewiglichen vnnd nimet meins hem rete oder furderung nit mit; gibt meinem hem ein gedencken, das er vorteil oder geuerlicheit gegen seinen gnaden suchen wöl jn den oder anndern sachen, wie wol nit mer dan krieg daraus wuchs, ob es der bischoff fumem, dann mein herr lies jm sein veterlich erb nit nemen on swert. Yedoch solichs zufurkommen, als der gem gemach het vnnd pej dem seinen blib vnnd sein veterlich erb hanthabt, so pitt mein gnediger herr ewer kaiserlich gnade, in die ding zusehen, damit ir jn nit jn krieg furet oder heschedingt an seiner gerechtikeit... (StAN, Würzburger Bücher 6, fol. 50'; vgl. dazu den Hinweis in GS III 29). Aufgeführt ebd., fol. 50'. Vgl. auch die Guldenzoll-Verträge zwischen Würzburg und Ansbach vom 9.1.1458 und 11.12.1462 (StABa, A 160, 575/2237 und 2240; Stb. 720, 163-165; zum Verzeichnis der Zollstellen von 1458 auch StABa, C III 971). Dies waren die Domherren Johann von Allendorf, Dr. Kilian von Bibra, Balthasar von der Kere und Jörg von Giech sowie Ritter Hans Voit von Salzburg.
1. Ausgangslage
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privileg vom 2.4.1468 11 die große Geldnot des Würzburger Bistums als Ursache des Gnadenerweises dargestellt. Doch war dieser Tatbestand nicht der allein ausschlaggebende Grund für die Privilegienerteilung: Der kaiserliche Kanzler, Bischof Ulrich von Passau, erhielt für seine Bemühungen um diese Urkunden 1.600 Gulden zugesichert,12 während Rudolf dem Kaiser selbst die Zahlung von 24.000 Gulden garantierte, die er dann auch bis 1480 in mehreren Ratenzahlungen leistete; zudem verpflichteten sich Bischof und Domkapitel zur Abhaltung eines ewigen Jahrtags für Friedrich III. 13 Der Inhalt dieses Privilegs war klar und einfach. Von jedem Fuder Wein sollte ein rheinischer Gulden als Zoll erhoben werden können, von kleineren Mengen ein entsprechend geringerer Betrag; Adel und Geistlichkeit blieben für ihren persönlichen Bedarf von diesem Zoll befreit. Die räumliche Geltung war an das kirchliche Jurisdiktionsgebiet des Würzburger Bischofs gebunden: per orientaliem franciam diócesis Herbipolensis; nicht nur die herkömmlichen, sondern auch alle neuen Zollstellen in den terminis terris castellis et loàs quibuscumque ducatus franconie waren davon betroffen. Damit nimmt der Urkundentext in seinen Formulierungen die von der „Goldenen Freiheit" 1168 herrührende Würzburger Behauptung der Identität ν on franela orientalis, ducatus franconiae und diócesis Herbipolensis auf. Trotz feierlicher Ausführung der Urkunde mit Goldsiegel schien diese dem Bischof Rudolf angesichts der Rechtsansprüche und der daraus resultierenden heftigen Reaktionen des Albrecht Achilles14 nicht auszureichen, denn er bewegte sowohl den Kaiser wie Herzog Ludwig von Niederbayern um Fürbittschreiben an den Papst um Bestätigung des Guldenzollprivilegs. Damit kommt eine weitere überregionale Komponente ins Spiel: Die Relevanz der Kurie nicht nur für die geistliche, sondern auch für die weltliche Herrschaftsausübung, zumindest eines geistlichen Fürsten.15 Herzog Ludwig wandte sich mit einem Fürbittschreiben sowohl an den Papst als auch ob amiciciam strictam et vnionis fedus zum Würzburger Bischof an den Kardinal Johannes Carjaval16 sowie an den päpstlichen Referendar Petrus Ferriz 17 und versuchte damit, seine zu dieser Zeit recht guten Beziehungen zur Ku-
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W U 35/5; HHStA, Reichsregisterbücher Q 94f; zahlreiche Abschriften in den Archiven Würzburgs und seiner Nachbarn, z.B. StAN, Würzburger Bücher 6, 120'-122. Druck: Lünig, RA VII/4, 336f, vgl. GS III 23; eine Neuedition wäre nützlich. Ldf 74, 217f. GS III 2 3 , 2 5 . Albrecht wandte sich u.a. an Herzog Ludwig von Niederbayern, die Herzöge von Sachsen sowie an seinen Bruder, Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg, um die Unwirksamkeit des Privilegs zu erreichen (StAN, WüBü 6, passim). Vgl. M. Schulze, Fürsten und Reformation, 44f. Ldf 74, 223: Schreiben vom 24.4.1468 an „Cardinali Sancti Angeli". Carjaval, Kardinal seit 1446, starb bereits am 6.12.1469, vgl. C. Eubel, Hierarchia catholica, 1937, II 9. Ldf 74, 223 (unter der Kopie des Briefes an Carjaval): „Sic suo modo scriptum est mutatis mutandis e[pisco]po Tyrosanenfsis] ...". Ferriz (1464-1479) war päpstlicher Referendarius domestici. Vgl. Eubel, Hierarchia II, 251; Th. Frenz, Die Kanzlei der Päpste der Hochrenaissance (1471-1527), 1986, 427 Nr. 1883; zur Funktionsweise der kurialen Verwaltung einführend: Th. Frenz, Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit, 1986.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
rie 18 einzusetzen. Tatsächlich gelang unterm 26.8.1468 die päpstliche Genehmigung einer entsprechenden Würzburger Supplik um die Konfirmation des Guldenzollprivilegs ex certa sciencia, was über eine einfache Bestätigung hinaus praktisch einer Neuverleihung aus päpstlicher Machtvollkommenheit gleichkam. 19 Allerdings erfolgte keine Ausfertigung der Urkunde; möglicherweise war hier Albrecht Achilles, der 1472 einige wichtige gegen Würzburg gerichtete Urkunden in R o m erlangte, 20 in seinen Verhinderungsversuchen erfolgreicher als beim Kaiser. Doch gelang den Würzburgern in einem zweiten Anlauf am 13.3.1473 abermals die päpstliche Genehmigung einer gleichartigen Supplik,21 und zwar unter der Federführung des gleichen Referendars wie 1468, Johannes Baptista de Millinis. Tatsächlich wurde eine Urkunde unter diesem Datum ausgefertigt, 22 doch weist sie zwei bedeutsame Eigenheiten auf. Zum einen erscheint der Urkundentext gegenüber der Supplik verändert, denn er enthält die äußerst seltene Klausel „motu proprio", was noch mehr als die Klausel „ex certa sciencia" der Supplik den Charakter einer päpstlichen Neuverleihung des Guldenzollprivilegs hervorhob. 2 3 Vermutlich war diese Änderung im Zuge einer Reformatio der Supplik vom 1 3 . 3 . 1 4 7 3 in den Monaten August bis November
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Vgl. H. Rankl, Das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment in Bayern, 1971, 46-58. ASV, Reg. Suppl. 629, fol. 130-131, vgl. R G 10 s.v. Rudolphus de Scherenberg. Im Unterschied zur einfachen Konfirmation (confirmatio communi) galt die confirmatio ex certa scientia - contra proprium naturarti confirmationis - als quasi nova concessio: D. Quintiliani Mandosii ... praxis signaturae gratiae ..., Venedig 3 1581, 39; vgl. Frenz, Kanzlei der Päpste, 77. Der Name des tatsächlichen Referendars läßt sich aus dem Eintrag im Supplikenregister verifizieren (vgl. Frenz, Kanzlei der Päpste, 102); es handelt sich um Johannes Baptista de Millinis (Referendar 1467-1477, f 1478: Frenz, Kanzlei der Päpste, 380 Nr. 1310), der 1468 zeichnet als Io. Urbin. (vgl. Katterbach, Referendarii, 40 Nr. 13). - Möglicherweise entscheidend für diesen Erfolg war es, daß Bischof Rudolf seinen Widerstand gegen die Verfolgung des ehemaligen bischöflichen Ratgebers Gregor Heimburg aufgab, der seit 1466 im Dienst des Böhmenkönigs Georg Podiebrad stand und mit diesem in den Bann verfallen war; gemäß dem Gebot Papst Pauls II. vom 13. Juli ordnete Scherenberg am 31. August 1468 die Beschlagnahme von Heimburgs Gütern im Bistum an und setzte dessen Sohn Jakob zeitweilig gefangen (GS III 35f). Es handelt sich vor allem um die Bestätigung des Patronats über das Ansbacher Stift St. Gumbert und den damit verbundenen Archidiakonat Rangau (Th. Scherg, Franconica aus dem Vatikan, 1909/12, Nr. 374, vgl. die Zusammenstellung in R G 10 s.v. Albertus marchio Brandenburg.). ASV, Reg. Suppl. 688, 1 6 4 - 1 6 6 (vgl. R G 10 s.v. Rudolphus ep. Herbip.). Vertreter der würzburgischen Interessen waren wohl der adelige Pfründenjäger Melchior Truchseß und der Kleriker Conrad Geykner, die beide ebenfalls unterm 13.3.1473 mit einer Supplik erscheinen (ASV, Reg. Suppl. 688, 58; Scherg, Franconica, Nr. 412); beide werden im Herbst 1473 explizit als Würzburger Geschäftsträger bezeichnet (s. dazu unten Anm. 24). W U 35/7. Die Datierung dieser Urkunde ist (wegen der Anwendung des Florentiner Stils in der päpstlichen Kanzlei) in der Forschung mehrfach versehentlich mit 1472 aufgelöst worden; vgl. dagegen Frenz, Kanzlei der Päpste, Urk. Nr. 20. Nach Frenz, Kanzlei der Päpste, 67 und 82, wurden Urkunden „motu proprio" in dieser Zeit nur in 2 % aller Fälle gewährt; allerdings fällt auf, daß auch die Bestätigung der geistlichen Rechte für Markgraf Albrecht 1472 „motu proprio" gewährt wurde (vgl. R G 10, wie Anm. 20).
1. Ausgangslage
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1473 erfolgt, denn in diesem Zeitraum sind Aktivitäten würzburgischer Geschäftsträger belegt; 24 die einschlägigen Supplikenregister sind nicht mehr erhalten. 25 Zum anderen fand die Expedition erst nach elf Jahren, im April 1484 statt. 26 Diese ganz außergewöhnlich späte Expedition ist dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Vertrauensmann des Albrecht Achilles zurückzuführen: Johannes Horn, dem auf dessen Präsentation am 1 9 . 2 . 1 4 7 2 die Propstei in Feuchtwangen übertragen worden 2 7 und dessen Vater Nikolaus Horn Leibarzt des Markgrafen war. 2 8 Als päpstlicher Summator 2 9 konnte Johannes Horn die Expedition der Urkunde faktisch verhindern, und sein Verhältnis zur Urkundenausfertigung in anderem Zusammenhang 30 dokumentiert sein selbstherrliches Vorgehen. Jedenfalls ist es auffällig, daß erst nach seinem Tod ( 6 . 6 . 1 4 8 3 ) 3 1 die Urkunde vom 13.3.1473 expediert wurde. Die relativ geringen offiziellen Kosten in Höhe von sechs Dukaten für die Ausfertigung der Urkunde 3 2 belegen nochmals, daß nicht Geldprobleme des Bischofs, sondern in der Kurie wirksame Widerstände die Expedition so lange verhindert hatten. Trotz der heftigen Widerstände gegen diese kaiserliche und päpstliche Privilegierung waren also die diplomatischen Bemühungen Bischof Rudolfs
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Melchior Truchseß (vgl. oben Anm. 21) erscheint als würzburgischer Unterhändler am 21.8. (ASV, Reg. Suppl. 694, 217f nach R G 10 s.v. Melchior Truchseß) und 21.10.1473 (Scherg, Franconica, Nr. 429); Conrad Geykner ist am 24.11.1473 explizit als würzburgischer Orator benannt (U. Schwarz, Sixtus IV. und die deutschen Kurialen in Rom, 1991). Es fehlen die Supplikenregister für den Zeitraum August bis September sowie 19. Oktober bis 8. November 1473 (B. Katterbach, Inventario dei registri delle suppliche, 1932, 46). Eine Reformatio läßt sich ansonsten nach dem vorliegenden Material für das R G 10 in den erhaltenen Supplikenregistern bis 1474 nicht nachweisen; auch die Durchsicht der einschlägigen Bände für die Expeditionszeit der Urkunde (ASV, Reg. Suppl. 833, 834, 835, 836, umfassend die Monate März bis Mai 1484) blieb ohne Erfolg.
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Zuerst nachgewiesen von Frenz, Kanzlei der Päpste, 39 Anm. 5 und 113f m. Anm. 54, der darauf hinweist, daß es sich hier um die mit Abstand längste Expeditionsdauer in dieser Epoche handele; ca. drei Viertel aller Urkunden seien innerhalb eines guten Vierteljahres ausgestellt worden. - Das Expeditionsdatum wird im übrigen bestätigt durch den Registereintrag, dem eine Urkunde vom 24.10.1483 voraus- und eine Urkunde vom 26.5.1484 nachgeht (ASV, Reg. Vat. 644, fol. 294'-296; vgl. auch ASV, I 251, fol. 251).
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ASV, Reg. Vat. 660, 49; vgl. Scherg, Franconica, Nr. 373. O . Handwerker, Geschichte der Würzburger Universitätsbibliothek bis zur Säkularisation, 1904, 62. Er war erster Inhaber dieses offiziell seit 1479 eingerichteten Amtes, übte die entsprechenden Funktionen jedoch schon vorher als Abbreviator aus (Scherg, Franconica, Nr. 521; Frenz, Kanzlei der Päpste, 134-137). Der Summator erstellte bei der Urkundenexpedition durch die apostolische Kammer ein Summarium zum Vortrag vor dem Papst; daneben war wohl beim Privileg vom 13.3.1473 für Würzburg der Vergleich von Urkunde und Supplik durch den Summator erforderlich (Frenz, ebd. 136). Prof. Thomas Frenz (Passau) wies mich auf eine Urkunde vom 20.5.1456 hin ( W U 106/54), die offensichtlich aufgrund formaler Mängel nicht besiegelt worden war, von Horn aber - angeblich einem Befehl des Papstes folgend - an allen Instanzen vorbei eigenmächtig expediert wurde. GS IV, 53 l f (mit weiteren Angaben). Bezahlt am 17.5.1484: ASV, Annat. 32, 224 (frdl. Hinweis von Herrn P D Dr. Karl Borchardt).
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
letztlich erfolgreich. Dies ist umso höher zu veranschlagen, als das Zollprivileg fundamentale Bedeutung für die Finanzkraft des Würzburger Bistums besaß. Eine derartige Einschätzung findet sich auch im außergewöhnlich umfangreichen und emotional gehaltenen Konzept eines Mandates Kaiser Friedrichs III. in einem Streitfall zwischen Würzburg und der Reichsstadt Schwäbisch Hall 1484: Erwirdiger fürst rate vnd lieber andechtiger, vns zweifelt nicht, dir vnd meniklich im lannde zu Francken sey wissen, in was verderben armut vnd geltschuld du den stifft Wirtzpurg in eingang deiner regierung funden, den du on vnnser sunder hilff in keinen weg wider zu frucht bringen noch regiren kettest mugen, vnd wie gar gnediklich wir als ro. keyser vnd obrister vogt vnd beschirmer desselben vnd aller stifft, closter vnd gotshewser des h[eiligen] r[eichs] dir zugut vnd demselben deinem stifft zu widerbringung, dich aus keyserlicher miltikait vnd angeborner gutte mit den regalien vnd weltlicheit des gemelten stiffts auch dem gulden zoll vnd andern menigfeltigen gnaden vnd guttaten fursehen, vnd billichen die zuuersicht gehabt, du soltest soliches, auch die hohen eid gelubd vnd pflicht, so du vns getan hast, zu hertzen genomen vnd dich in allen zimlichen henndeln vnd sunderlich dem, so vns vnd dem heiligen r[eich] on mittel zugehöret, gehorsamlich gehalten ...JJ Der Kaiser bzw. seine Kanzlei stellte im Verlauf dieses - in der Ausfertigung34 dann doch stark gekürzten und gemilderten - Mandatskonzeptes klar, daß der Fortbestand des Zollprivilegs vom Wohlverhalten des Würzburger Bischofs abhing und forderte diesen auf, sofort sein Vorgehen gegen die Rechte der Stadt Schwäbisch Hall einzustellen... bey den obestimbten deinen eiden gelubden vnd pflichten, auch verliesung, priuirung vnd entsetzung deiner regalien, des gulden zols vnd aller gnaden freiheiten vnd priuilegien so du von vns vnnsern vorfaren vnd dem heiligen r[eich] hast vnd darzu einer pene neml[ich] tausent marck lotiges goldes vns in vnser k. camer vnableslich zubetzalen .,..35 Obwohl also das Guldenzollprivileg auf ewige Zeiten verliehen worden war, mußte Bischof Rudolf mit einem Widerruf bzw. einer konkurrierenden Privilegierung für einen Nachbarfürsten, d.h. vor allem Albrecht Achilles, rechnen. Es diente somit sowohl der Befestigung des durch das Kaiserdiplom verliehenen Anspruchs als auch seiner faktischen Durchsetzung, 36 daß Ru33
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HHStA, RHR Antiquissima 3 (S), 117-118f, Kaiser Friedrich III. an Bischof Rudolf von Würzburg, Graz 1.7.1484 (stark redigiertes Konzept). Bei diesem Streit ging es um die Vogtei über das Kloster Komburg. Vgl. dazu Joos, Kloster Komburg, 94, zu den Rechtsfragen auch E. Isenmann, Reichsrecht und Reichsverfassung in den Konsilien reichsstädtischer Juristen, 1986, 586f. Enthalten unter dem Datum 1.7.1484 in einem Notariatsinstrument vom 2.8.1484 (HHStA, AUR 1484 [s.d.]). Wie Anm. 33. Markgraf Albrecht hatte z.B. am 8.8.1468 den Würzburger Geistlichen in seinem Fürstentum befohlen, daß sie bis zum Austrag des Streits um den Guldenzoll dem Bischof von Würzburg
1. Ausgangslage
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dolf sofort nach seiner Rückkehr aus Graz 1468 Verhandlungen mit den benachbarten Fürsten aufnahm, um die Anerkennung des neuerworbenen Privilegs zu erreichen. Nach dem schon bei den Grazer Verhandlungen befolgten Grundsatz, daß finanzielle Arrangements die beste Argumentationsbasis seien, versuchte Rudolf die konkurrierenden Ansprüche seiner Nachbarn mit Geld abzufinden: Den Abmachungen mit Nürnberg 37 bereits im November 1468 folgten am 15.12.1468 Verträge mit Herzog Wilhelm III. von Sachsen bezüglich des Amtes Königsberg 38 und mit Markgraf Albrecht. Letzterem sicherte Rudolf überwiegend ein Viertel, teilweise auch die Hälfte des Guldenzollertrages in einer genau fixierten Reihe von Orten zu, 39 ein Arrangement, das Albrecht nur widerwillig und nach starkem Drängen seiner Räte annahm.40 Eine Einigung mit Rothenburg gelang allerdings erst ein Jahrhundert später.41 Gleichzeitig sicherte sich Bischof Rudolf wegen seiner Vertragsabschlüsse bei seinen Einungspartnern ab.42 Dieser Verlauf der Ereignisse demonstriert, daß Kaiser und Papst Ansprüche vergaben, denen von allen Betroffenen große Bedeutung zugemessen
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bzw. den dortigen geistlichen Institutionen keinen Zehnt, Absenzgelder und Früchte geben sollten (StAN, WüBü 2). Ldf 12, 232-234 (= Ldf 74, 226-228; Stb. 816, 15-16): Bischof Rudolf von Würzburg verspricht angesichts der geleisteten Dienste und der guten Nachbarschaft der Nürnberger am 3.11.1468, daß er den Guldenzoll in einer Reihe von Orten (die alle nordöstlich der Aisch in etwa auf einer Linie liegen, die von Schlüsselfeld über Markt Bibart bis nach Geckenheim reicht) auf dem Status quo festschreiben und nach Südwesten hin (d.h. im Bereich der Aisch) und an allen Orten dieser Gegend, die den Zugang des Weines nach Nürnberg beträfen, keine neuen Zollstellen errichten werde. Wenige Tage darauf, am 5.11.1468, quittierte Bf. Rudolf den Empfang von 2.000 Gulden als Wiederlegung auf seine vorige Verschreibung von den Nürnbergern und nahm diese auf zehn Jahre in seinen besonderen Schutz (Ldf 12, 234—238). W U 13/3a"b (= Ldf 74, 341-343): Reverse Hz. Wilhelms vom 19.1.1469 über würzburgische Verschreibungen vom 15.12.1468, wonach Würzburg auf den Guldenzoll in Stadt und Gericht Königsberg verzichtete und bestätigte, daß das Guldenzollprivileg den bisherigen Zollerhebungsrechten Sachsens nicht schaden solle. Die sächsischen Rechte sind dokumentiert in einer Schiedsurkunde vom 1.2.1449 (Ldf 16, 640-642, hier 641). Eine genauere Abgrenzung der gegenseitigen Zollerhebungsrechte erfolgte durch Schiedsurkunde vom 16.11.1495 ( W U Libell 148; vgl. GS III 58). StAWü, Libell 143 (zahlreiche Abschriften, z.B. Ldf 74, 210-215, Stb. 816, 4-8); vgl. den Sammelakt StAWü, Admin. 10343, mit weiteren Vereinbarungen und Abrechnungen. Markgräfliche Überlieferung: z.B. StABa, A 160, 575/2241 und 2243; StAN, Ansbacher Kopialbücher 114, 72-92; WüBü 6, 113-118'. S. die Korrespondenzen in StAN, Differenzen mit Benachbarten, Würzburger Bücher 2 (wie oben 1.3 bei Anm. 222). Die Stadt Rothenburg lehnte in ihrem Gebiet im Bereich der Flüsse Tauber und Vorbach die Würzburger Ansprüche aufgrund ihrer Privilegien kategorisch ab und wurde darin bereits 1469 durch ein Mandat K. Friedrichs III. bestätigt (Ldf 74, 217; StAWü, Admin. 18134111). Dies führte zu einem langen, ergebnislosen Prozeß Würzburgs vor dem Reichskammergericht (StAWü, Admin. 18134 w n : 1533-1572; Abweisung der Würzburger Klage durch das Urteil vom 30.4.1572) und schließlich zum Vertrag vom 4.4.1576 (Ldf 33, 90-92), in dem Würzburg den Rothenburgern die Zollfreiheit für alle die Weine zugestand, die auf dem bisherigen (nicht: künftigen) Rothenburger Besitz an den Flußläufen der Vorbach sowie der Tauber bis Weikersheim gewachsen waren; alle anderen Weine mußten ausnahmslos verzollt werden. W U 13/37 (a, b, c, d, f, g). Zu den Würzburger Einungen mit Niederbayern, der Pfalz und Sachsen vgl. GS III 28.
60
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
wurde. Die Durchsetzung dieser Ansprüche hing jedoch stark von regionalen Konstellationen ab. Diese allgemeine Aussage gilt auch für alle herrschaftsrelevanten Privilegien,43 insbesondere in bezug auf die konkurrierenden Ansprüche der Landgerichte in Franken. Die Würzburger Bischöfe haben sich über die üblichen allgemeinen Privilegienkonfirmationen hinaus seit Johann von Grumbach alle eine päpstliche44 bzw. kaiserliche45 Bestätigung ihrer beiden wichtigsten Privilegien (Goldene Freiheit 1168, 46 Urkunde Karls IV. vom 17.11.1347 4 7 ) verschafft; hinzu kamen Konfirmationen des Guldenzollprivilegs.48 Ahnliches gilt für die Würzburger Nachbarn: Die Markgrafen konzentrierten sich vor allem auf die Privilegien des Kaiserlichen Landgerichts Burggraf tums Nürnberg 49 sowie auf das aus der Fürstenwürde 1363 erwachsene Privi 43
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49
Auf die herrschaftsbegründende Funktion der Belehnung und Regalienleihe braucht hier nicht eingegangen zu werden, vgl. dazu die Hinweise von D. Hägermann, in: Lexikon des Mittelalters 7 (1995) 556-558 und B. Diestelkamp, ebd. 5 (1991) 1807-1811. Bei Johann von Grumbach kam eine kaiserliche Bestätigung aufgrund der politischen Verhältnisse nicht in Frage. Die Konfirmation der Goldenen Freiheit 1168 und des Landgerichtsprivilegs Karls IV. (17.11.1347) durch Calixt III. am 15.111455 verschwand allerdings in den Jahren um 1500 spurlos, so daß die Würzburger sich in einem aufwendigen Verfahren an der Kurie Ersatz beschafften. Dies geschah durch eine Bestätigung des Landgerichts vom 15.10.1512 (Ldf 24, 74-77) sowie durch die Beschaffung eines „Ersatzdokumentes" für die Urkunde von 1455 am 13.9.1513 (WU 85/95, hier auch die Schilderung des Verfahrens); bei letzterem, das aufgrund des Expeditionsweges wohl ohne Supplik und Registereintrag ausgestellt wurde (dazu Frenz, Kanzlei der Päpste, 144f, 154 und Urk. Nr. 460), spielte der Kurialbeamte und Würzburger Archidiakon Johannes Copis (t 1527) eine entscheidende Rolle (vgl. dazu W U 85/94b; Frenz, Kanzlei der Päpste, 370 Nr. 1219; GS IV 383). 1544 wurde die Calixt-Urkunde schließlich wieder aufgefunden (Vermerk des Lorenz Fries auf der Urkunde); der neueren Forschung blieb das Original, das nicht in die päpstlichen Register aufgenommen worden war, weitgehend unbekannt (vgl. GS III 4; P. Herde, Johann III. von Grumbach, Bischof von Würzburg 1455-1466, und Papst Kalixt III., 1979; dagegen schon der Hinweis von W. Engel, Die Stadt Würzburg und die Kurie, 1951). Vgl. für Bf. Rudolf und Bf. Lorenz: 2.4.1468 ( W U 37/29, W U 38/20); 29.5.1494 ( W U 35/16a_b); königliche Bestätigung 18.5.1498 ( W U 37/24); allgemeine Bestätigung der Privilegien des Landgerichts und Herzogtums zu Franken 23.4-1510 (WU 35/32; Lünig, RA VII/4, 338f). Die zentrale Bedeutung der Würzburger Herzogsurkunde von 1168 für die Würzburger Bischöfe noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts geht auch daraus hervor, daß sie diese als Einzelstück drucken ließen. Vgl. ein Exemplar mit handschriftlicher Beglaubigung von 1616 in StAWü, Hoheitssachen 1143, daneben z.B. BayHStA, RKG 8233 Q. 5. S.Kap. 1.3 bei Anm. 178. Neben der päpstlichen Konfirmation vom 13.3.1473 die königlichen vom 4.1.1496 ( W U 35/6) und 18.5.1498 ( W U 37/24). Zu den zahlreichen Privilegienbestätigungen des 16. Jahrhunderts vgl. StAWü, Rep. 11. Eine Zusammenstellung der „Lanndgerichts Freihaittenn" bietet StAN, Herrschaftliche Bücher 8 (dazu E. Schubert, Zur Konzeption des kaiserlichen Landgerichts Nürnberg, 1971). Allein aus der Zeit des Albrecht Achilles finden sich eine Urkunde Friedrichs III. vom 4.9.1454, in denen er zugunsten des Kurfürsten Friedrich und der Markgrafen Albrecht, Johann und Friedrich alle wider die Freiheiten des Landgerichts Nürnberg erteilten Briefe und Privilegien für ungültig erklärte (ebd. 3Γ-32), sowie elf kaiserliche Urkunden aus dem Jahr 1456, in denen u.a. alle wider das Landgericht Nürnberg ergangenen Urkunden und Privilegien widerrufen, dieses vor fremden Eingriffen geschirmt, mit Appellationsrechten versehen und seine Urteile bekräftigt wurden (ebd. 75-82, 85*—86*; vgl. Ansbacher Generalrepertorium,
1. Ausgangslage
61
leg der F r e i h e i t v o n f r e m d e n G e r i c h t s r e c h t e n . 5 0 E b e n s o stand bei den F u l daer Ä b t e n 5 1 ihre F r e i h e i t v o n f r e m d e n G e r i c h t e n i m V o r d e r g r u n d , w e n n gleich hier n u r w e n i g e b z w . r e c h t spät A k t i v i t ä t e n festzustellen sind. E r s t 1 4 9 4 e r w a r b e n die F u l d a e r A b t e eine u m f a s s e n d e B e s t ä t i g u n g ihrer alten Privilegien, 5 2
bei
der
wiederum
die
Gerichtsrechte
die
zentrale
Rolle
spielten. 5 3 Alleine diese Privilegienlage läßt bei W ü r z b u r g u n d A n s b a c h eine aggressivere H e r r s c h a f t s p o l i t i k v e r m u t e n als i m Falle F u l d a s . E s w i r d d a h e r z u p r ü f e n sein, inwiefern die A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n i m einzelnen auf die u n terschiedlichen Privilegien z u r ü c k g e f ü h r t w e r d e n k ö n n e n .
50
Urk. 143-148, 150). Nach der faktischen Stillegung des Nürnberger Landgerichts infolge der Rother Richtung vom 24.6.1460 (dazu oben 1.3) wurde es durch Privileg Friedrichs III. vom 17.10.1488 und Ausführungsbefehl vom 6.12.1488 wieder aufgerichtet (StAN, Ansbacher Generalrepertorium 208,209). Vgl. Seyboth, Markgraftümer, 104-111,135f, 296. Am 8.12.1456 bestätigte Friedrich III. dem Albrecht Achilles die Privilegien, welche die Kurfürsten in Hinsicht auf das Abforderungsrecht bezügl. ihrer Leute, Räte, Diener und Untersassen (von fremden Gerichten) genießen (StABa, A 20, 11/333; StAN, Herrschaftliche Bücher 8, 84'f; Ansbacher Generalrepertorium, Urk. 152), dasselbe Papst Pius II. am 21.3.1459 dem Kurfürsten Friedrich sowie den Markgrafen Johann, Albrecht und Friedrich (StAN, Ansbacher Generalrepertorium, Urk. 156). Nach der Stillegung des Nürnberger Landgerichtes wurden am 18.3.1465 das Privileg vom 8.12.1456 bekräftigt (StAN, Ansbacher Generalrepertorium Urk. 174) und in drei Privilegien vom 12.8.1471 die Befreiung von den fränkischen, bayerischen und schwäbischen Landgerichten ausgesprochen (ebd. 193-195). Allerdings findet sich erst unterm 13.10.1516 ein Appellationsprivileg K. Maximilians ab 50 Gulden Streitwert (StAN, Ansbacher Generalrepertorium, Urk. 257).
51
Friedrich III. am 4.8.1442 mit beglaubigten Abschriften vom 8.6.1453 und 28.1.1474 (StAMr, R i a , 1442 Aug. 4) und am 1.8.1453: das sie vnd die yren auch jre vndersessen vndyr guttere von nyemands wer der ist vor andere frömde gerichte sollen geladen werden (ebd. 1453 Aug.
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StAMr, R i a , 1494 Juli 24 (= HHStA, Reichsregisterbücher, Χ, 479M88') mit einer allgemeinen Privilegienbestätigung, insbesondere der Freiheit von allen fremden Gerichten (namentlich u.a. des Würzburger Landgerichts) und der Bestätigung folgender acht königlicher bzw. kaiserlicher Privilegien durch Friedrich III.: Immunitätsverleihung 24.9.774 (MGH DD Karol. 1, Nr. 85; Stengel, Urkundenbuch 67f); Immunität in pago Grapfeld 2.5.816 (Schannat, Historia Fuldensis, Codex probationum Nr. 12); Wildbann im Forst Branvirst 25.7.980 (MGH DD O. II Nr. 221); Forstschenkung 29.12.1012 (MGH DD H. II Nr. 253); Wildbannschenkung 1.12.1059 (MGH DD H. IV Nr. 61); Bestätigung des Erzkanzleramtes der Kaiserin bzw. Königin 1.6.1356 (Schannat, Historia Fuldensis, Codex probationum Nr. 174); Privilegienbestätigung 31.8.1358 (ebd. Nr. 177); Gerichtsprivileg 13.6.1417, daß niemand des Fuldaer Abts dienstmanne, manne oder lute, als wol die vnder jn gesessen, als die ir eygen sind, an keynerley gerichten ziehen sullen (ebd. Nr. 201). - Ursache für diese überaus umfassende Urkunde werden nicht nur würzburgische (dazu unten II.3), sondern auch die hessischen Übergriffe gewesen sein, über die sich Abt Johann am 23.10.1494 bei König Maximilian beschwerte (HHStA, Maximiiiana 3).
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Dies ergibt sich auch aus dem als Transsumpt beglaubigten Auszug aus der königlichen Urkunde von 1494 von Erzbischof Berthold von Mainz, der sich auf die Gerichtsfreiheit von 1494 und das dort inserierte Privileg von 1417 beschränkt (StAMr, R i a , 1495 Aug. 12). Dem folgt dann auch die Privilegienbestätigung für Abt Hartmann mit dem gleichen Urkundenkanon wie 1494 (ebd. 1513 Dec. 13).
1).
62
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
b) Träger der Politik Im folgenden ist zumeist nur von den Regierungshandlungen der Fürsten bzw. vom Agieren der jeweiligen „Regierung" die Rede. Der personelle Hintergrund am Fürstenhof und in der Verwaltung konnte in verschiedenartigen Konstellationen den Verlauf und die Ergebnisse der Herrschaftskonflikte maßgeblich beeinflussen. Da jedoch hier nicht die individuellen, sondern die generellen Ausprägungen der Herrschaftsvorstellungen im Mittelpunkt stehen, sollen nur einige grundsätzliche Aspekte behandelt werden. Dabei steht wiederum Würzburg im Zentrum, dem Ansbach und Fulda durch einige kontrastierende Angaben gegenübergestellt werden sollen. Generell läßt sich festhalten, daß die hohe Bedeutung des „persönlichen Regiments"54 auch für Franken in den Jahrzehnten um 1500 gilt, was sich nicht zuletzt daran zeigt, daß bei Abwesenheit des Fürsten keine grundlegenden und zumeist auch keine geringfügigen Entscheidungen getroffen wurden.55 Insofern sind die jeweiligen Fürsten eindeutig die entscheidenden Faktoren der gesamten Politik.56 Dies waren in Würzburg die Bischöfe des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts, Johann I. von Egloffstein57 (1400-1411), Johann II. von Brunn58 (1411-1440), Gottfried IV. Schenk von Limpurg59 (1443-1455), Johann III. von Grumbach60 (1455-1466), Rudolf II. von Scherenberg (1466-1495) 61 und Lorenz von Bibra62 (1495-1519). Sie alle hatten eine oder mehrere Universitäten besucht und waren teilweise hochgebildet.63 Von den hier besonders interessierenden Bischöfen Rudolf und Lorenz war ersterer u. a. Domscholaster und Generalvikar gewesen, letzterer u.a. Syndikus des Mainzer Erzbischofs, so daß für beide eine fundierte juristische Bildung unterstellt werden
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G. Oestreich, Das persönliche Regiment der deutschen Fürsten am Beginn der Neuzeit, 1936; Willoweit, Entwicklung, 105; Seyboth, Markgraftümer, 354, 359. Dies zeigt sich überdeutlich in allen „Gebrechen"-Korrespondenzen. So trat z.B. in den Verhandlungen zwischen Würzburg und Ansbach in den Jahren 1504-1507 trotz zahlreicher Korrespondenzen inhaltlich weitgehend ein Stillstand ein, weil in dieser Zeit zumeist entweder Markgraf Friedrich oder Bischof Lorenz abwesend waren (Stb. 721, 153-168', 174-186). Vgl. auch F. Wagner, Die Aufenthaltsorte Markgraf Friedrichs des Alteren von Brandenburg (reg. 1486-1515), 1880. Ausnahmefälle im 15. und frühen 16. Jahrhundert: Bischof Sigmund von Würzburg (14401443; vgl. GS II, 164-173) und die Spätzeit Markgraf Friedrichs von Brandenburg, der 1515 von seinen Söhnen abgesetzt wurde. GS II, 127-142. GS II, 142-164. GS II, 173-186; Amrhein, Gotfrid IV. Schenk von Limpurg, 1908/11. GS III, 3-20; L. Muehlon, Johann III. von Grumbach, 1935. GS III, 20-51; S. Zeißner, Rudolf II. von Scherenberg, 2 1952; E. Schubert, Rudolf von Scherenberg, 1968; E. Soder von Güldenstubbe, Rudolf von Scherenberg, 1995. GS III, 51-72. A. Wendehorst, in: Neue deutsche Biographie 15 (1987) 169f. Vgl. die Angaben in GS II und III passim, daneben auch Willoweit, Juristen; allgemein A. Schmid, Humanistenbischöfe, 1992, und ders., Die Anfänge der Domprädikaturen in den deutschsprachigen Diözesen, 1994.
1. Ausgangslage
63
kann. Beide trugen auch durch ihre lange Regentenzeit zu einer großen Kontinuität im Zeitraum 1466-1519 bei. Diesen Zentralfiguren stand eine große Anzahl bestens ausgebildeter und engagierter Berater und Helfer zur Verfügung. Die vom Würzburger Kanzleibeamten Johann Schätzler in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aufgebrachte und bis in die neueste Literatur übernommene Mär vom geringen Personalstand in der Würzburger Verwaltung um 150064 ist gründlich zu revidieren. Darauf weist schon die allgemeine Feststellung von Peter Moraw hin, daß die Kanzlei nur eine dienende, untergeordnete Rolle spielte. 65 Strukturprinzip der „Verwaltung" war die Ausrichtung auf den Fürsten und seinen Hof, während von einer starren Abgrenzung von Rats- oder Kanzleigremien keine Rede sein kann. Völlig unterschätzt 66 werden in der Literatur die enormen Belastungen der adeligen Domkapitulare und Räte durch politische und administrative Aufgaben. Dies zeigt ein Blick auf eine der wichtigsten politischen Figuren der Würzburger Politik in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts: Kilian von Bibra, 67 1450 in Padua zum Doctor iuris canonici promoviert, vertrat seit ca. 1460 die Bischöfe Johann von Grumbach und Rudolf von Scherenberg in auswärtigen, zunehmend auch in inneren Angelegenheiten; seine zentrale Rolle wird ebenso an den Funktionen als Dompropst (ab 1478) und als Generalvikar (ab 1483) bis zu seinem Tode 1494 deutlich. Sein politisches Gewicht fand seinen Ausdruck auch in der Ernennung zum kaiserlichen Kaplan, in seiner Rolle als Rechtsbeistand der Stadt Nürnberg und in einer ausgeprägten Tätigkeit als Schiedsrichter. Obwohl er die Würzburger Politik maßgeblich bestimmte, übte er kein dezidiert weltliches Verwaltungsamt aus, würde also in einer modernen Prosopographie der Würzburger Regierung keinen Platz finden. Letzteres träfe dagegen auf Johann von Allendorf zu, der wie Kilian in Padua studiert hatte, 1454 als bischöflicher Rat erscheint und von 1470 bis zu seinem Tod 1496 als Kanzler amtierte; sein Vorgänger als Kanzler, Friedrich Schultheis, 68 hatte diesen Titel seit 1445 geführt und damit zu den frühen Vertretern dieses Amtes in den Fürstentümern des Reichs gezählt. 69 Kaum weniger bedeutend als Kilian von Bibra und Johann von Allendorf war Georg von Giech, der 1476-1494 als Landrichter des Herzogtums Franken und 1494-1501 als Dompropst fungierte und dessen herausgehobene Stellung im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts in zahlreichen Urkunden sichtbar wird. 70 Für die Zeit nach 1500 könnte man diese Spitzengruppe z.B. ergänzen durch
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Vgl. H. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts W ü r z b u r g 1 4 9 5 - 1 6 4 2 , 1984, 25f. Moraw, Entfaltung, 86f. Vgl. etwa Reuschling, Regierung, 17f, 2 0 - 2 4 . Zusammenfassende Angaben bei F. Merzbacher, Kilian von Bibra, 1973; GS IV, 3 0 7 - 3 1 0 . Vgl. Amrhein, G o t f r i d IV. Schenk von Limpurg II, 1909, 73-79. 1453/55 war Schultheis in Ungnade gefallen und zeitweilig seines Amtes enthoben. Vgl. Schubert, Fürstliche Herrschaft, 31. Zu Allendorf: F. Merzbacher, Johann von Allendorf, 1955. Biographische Forschungen fehlen leider völlig; vgl. dazu G S IV, 310. Zu Giechs Stellung vgl. z.B. Merzbacher, Allendorf, 36, 38, 44, 46.
64
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Peter von Aufseß ( f l 5 2 2 ) , Neffe des Georg von Giech und seit 1493 Würzburger Domherr, der vor allem als promovierter Jurist und vielfältig tätiger Diplomat hervorragt. 71 Schließlich zählen die Inhaber des Hofmeister- 7 2 und des Marschall-Amtes 73 teilweise noch vor den Kanzlern 74 zu den wichtigsten Politikern des Fürstentums Würzburg, die gerade in den nachbarlichen Gebrechen immer wieder auftauchen. 75 Nicht übersehen werden dürfen daneben die in den Quellen viel weniger als die Geistlichen faßbaren adeligen Laien und bürgerlichen Gelehrten, die selten - wie der bedeutende Jurist Gregor Heimburg (f 1471) 7 6 - nur fallweise, meist jedoch als festbesoldete Räte und Mitarbeiter des Bischofs agierten. So wies Bischof Rudolf 1493 darauf hin, er habe zwolff aus dem adel vnd sunst andere hochgelerte rathe, geistliche vnd weltliche, mit denen er seines stifts große vnd geringe sachen mit rathschlagen vnd anderem auszurichten seines achtens notturftig versehen were.77 Konkrete Beispiele sind etwa Barthelmes von Herbilstat, 78 oder die Sekretäre Johann Hobach (im Amt 1 4 6 6 1491), Johann Pfeuffelmann (1492-1496), 7 9 Dr. Heinrich Grieninger (1506/ 07), 8 0 Claus von Teitelbach (ca. 1506-1515). 8 1 Auch Kanzleischreiber wurden in seltenen Fällen bei Verhandlungen genannt, so Nicolaus Cronthal 1497 im Konflikt mit Ansbach und 1500 mit Fulda. 82 Allerdings wechseln bei letzte-
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Merzbacher, Peter von Aufseß, 1967. - Aufseß tritt schon 1499 als bischöflicher Rat in nachbarlichen Gebrechen in Erscheinung: Stb. 721, 84. Relativ gesicherte Amtszeiten sind bekannt für: Ditz Truchseß von Wetzhausen (1463-1481), Conrad von Hutten (1481-1491), Christoph Fuchs von Burgpreppach (1491/92-1495), Hans Fuchs von Bimbach (1495-1504), Johann Freiherr von Schwarzenberg (1504/05). Vgl. Reuschling, Regierung, 161-163; Zeißner, Scherenberg, 88f; ders., Zwei Mitarbeiter des Fürstbischofs Rudolf von Scherenberg, 1951; StAW Rößnerbücher 360 pasim (für die Jahre 1495-1499). Georg von Thüngen (1462-1466), Georg von Gebsattel gen. Rack (1470-1477), Christoph Fuchs von Burgpreppach (1477-1489), Conrad von Schaumberg gen. Knoch (1490-1499). Zeißner, Scherenberg, 90f; ders., Mitarbeiter; vgl. die Daten bei Reuschling, Regierung, 164f. Belege: Haug (Hugo) von Lichtenstein ( t 1504: Reuschling, Regierung, 173), Dr. Kilian Münch (genannt 1506, 1509, 1523: ebd. 175), Sigmund von Thüngen (genannt 1507: Stb. 721, 182'; vgl. Reuschling 163f). - Die Rangfolge des Kanzlers gegenüber dem Hofmeister oder Marschall war vom Stand der Inhaber in der kirchlichen Hierarchie abhängig. So führte z.B. der würzburgische Marschall von Schaumberg innerhalb eines Jahres alleine fünf „Gebrechen"-Verhandlungen mit Ansbach und Fulda: 17.5.1496 in Aub (Stb. 721, 1), 14.11.1496 in Westheim (Stb. 725, 14), 27.2.1497 in Schweinfurt (Stb. 725, 37), 26.4.1497 in Fuchsstadt (Stb. 725, 46), 18.5.1497 in Aub (Stb. 721, 38'). A. Wendehorst, Gregor Heimburg, 1971; P. Joachimsohn, Gregor Heimburg, 1891; P. Johanek, Gregor Heimburg, in: Verfasserlexikon 3 (1981) 629-642. L. Fries, Chronik, fol. 351v. Genannt in wichtigen diplomatischen Missionen z.B. HHStA, A U R 1484 [s.d.], StABa, C III 985 (1489) und als ständiger Beisitzer des Hofgerichts 1495-1499 (StAWü, Rößnerbücher 360). Vgl. auch Zeißner, Scherenberg, 41, 56. Zu Hobach und Pfeuffelmann: Zeißner, Scherenberg, 91 f. Noch 1505 ist (ein) Johann Pfeuffelmann als bischöflicher Sekretär belegt (Stb. 725, 157'f; vgl. auch GS III 66). G. Bauch, Die Nürnberger Poetenschule 1496-1509, 1901, bes. 40f. Vgl. seine Quittung vom 16.7.1509 über die empfangene Entlohnung für drei Jahre Dienst als Sekretär, W U 90/293. StAWü, Salb. 163, 41; Stb. 725, 169', 177, 214, 2 2 0 , 2 2 4 , 2 2 7 , 256, 282', 286', 296'. Stb. 721, 38'; Stb. 725, 66. Vgl. Zeißner, Scherenberg, 92.
1. Ausgangslage
65
rem die Bezeichnungen: Bereits am 2 1 . 8 . 1 4 9 3 nennt Bischof Rudolf den N. Cronthal seinen Sekretär, 83 1494 wird er sowohl als Kanzleischreiber 84 und im gleichen Jahr 85 ebenso wie 1501 8 6 als Sekretär bezeichnet. Als weiterer Kanzleischreiber (1495) 87 bzw. Sekretär (1501) 8 8 erscheint Johann Sieder, der auch als Ubersetzer antiker Dichtungen bekannt ist. 89 Dieses Personal kommt nur selten und in einzelnen Erwähnungen in den Blick. Neben den Domherren, adeligen Räten und dem bestallten gelehrten Personal existierte gerade in Würzburg, dessen zahlreiche geistliche Institutionen eine Reihe von einträglichen Pfründen aufwiesen, ein weiterer, teilweise eher informeller Kreis potentieller Berater und Mitarbeiter, die häufig über eine breite Bildung und große Erfahrungen (etwa an der Kurie) verfügten und die sich nicht immer von den „festen" Mitarbeitern abgrenzen lassen.90 So erscheinen in den fragmentarisch für die Jahre 1495-1499 erhaltenen Würzburger Hofgerichtsprotokollen 91 als kontinuierliche Beisitzer u. a. Dr. Conrad Vogler, 92 Dr. Conrad Weygant, 93 Licentiat Friedrich Brogel; 94 in Einzelfällen Dr. Engelhard Funck, 95 Dr. Kindt, 96 Licentiat Baunach 97 und Licentiat Loher. 98 Ein fester „Beruf" oder Tätigkeitskreis läßt sich für diese Personen bisher nicht beschreiben, doch ist evident, daß sie zumindest teilweise das „Regierungspersonal" des Bischofs ergänzten. 83 84 85 86 87 88 89 90
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HHStA, Maximiiiana 2. UBWü, M.ch.f. 442,278. StAN, WüBü 6,159. GS III 66. Stb. 788, ohne fol. GS III 66. Vgl. ebd. Vgl. GS IV, hier bes. 57f. So war z.B. Georg Hoeloch, der in Padua studiert hatte und doctor decretorum war, nach seiner Tätigkeit als Hofkaplan des Bischofs Gottfried IV. 1458-1467 Scholaster des Stifts Neumünster; u.a. ist er als Prokurator Bischof Johanns III. in Rom und als Beteiligter bei der Ausstellung einiger Urkunden in der Würzburger Kanzlei bezeugt (GS IV 379f). Eine Prosopographie der in und für Würzburg tätigen Akademiker ist ein dringendes Desiderat; vgl. vorerst z.B. die Angaben bei A. Amrhein, Reihenfolge der Mitglieder des adeligen Domstiftes zu Würzburg, 1889/90, in GS IV sowie im Repertorium Germanicum, daneben auch R. C. Schwinges, Franken in der deutschen Universitätslandschaft des späten Mittelalters, 1994. StAWü, Rößnerbücher 360. Den Vorsitz des Würzburger Hofgerichts führte der Hofmeister. 1495-1498. 1495-1498; s.a. HHStA, Maximiiiana 3 (genannt als bischöflicher Rat am 8.9.1494), Reichsregisterbücher JJ, 14 (1494). Beteiligt an den Verhandlungen zu Aub 1497 (Stb. 721, 38'). In den Würzburger Unterlagen zu den Konflikten mit Mainz findet sich ein lateinisches Rechtsgutachten aus den 1490er Jahren, betitelt: Doctor Conrads bedencken (StAWü, Misceli. 2907). 1495-1499; s.a. StAWü, Histor. Saal VII f. 12 Nr. 328 (1498). 1498 wurde Brogel als würzburgischer Rat an den markgräflichen Hof gesandt (Stb. 721, 56'). 1499. Zu Funck vgl. GS IV, 345-347; K. Arnold, Engelhard Funck, 1992. 1498. Wohl der Doctor decretorum Matthias Kindt, 1498-1513 Scholaster des Stifts Neumünster, vgl. GS IV 382f. 1498. Er amtierte auch als Vertreter des Generalvikars Kilian von Bibra (Willoweit, Juristen, 249). 1 49 8. Ein Lorenz Loher gehörte 1500 zu einer Würzburger Delegation bei den Verhandlungen mit Fulda (Stb. 725, 65).
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Diese Schlaglichter zeigen, daß im Umkreis des Würzburger Bischofs eine größere Gruppe von Mitarbeitern mit praktischer Kenntnis der Reichs- und Kurienangelegenheiten aktiv war und daß ein erhebliches Potential an juristischem Sachverstand existierte, das den Vergleich etwa mit dem Herzogtum Oberbayern nicht zu scheuen brauchte." Auch die Markgrafen von Ansbach - Friedrich (1415-1440), Albrecht Achilles (1440-1486), Friedrich der Ältere (1486-1515), Casimir (1515-1527) 1 0 0 - , die selbst eher eine höfische als eine gelehrte Erziehung erfahren hatten, konnten nicht zuletzt aufgrund relativ langer Regierungszeiten eine kontinuierliche Politik entfalten. Ihnen stand ein Kreis gelehrter Räte zur Seite, der ähnlich wie in Würzburg nicht fest abgegrenzt war und dessen Mitglieder in wechselnden Funktionen agierten, dessen Kern jedoch über Jahrzehnte hinweg aktiv und insbesondere für die Fortführung der Politik des Albrecht Achilles durch seinen Sohn Friedrich verantwortlich war. 1 0 1 Von besonderer Bedeutung sind etwa die Kanzler Dr. Georg von Absberg 1 0 2 und ab 1486 Johann Volker ( f ca. 1504) 1 0 3 sowie der Rat Dr. Johann Pfotel. 1 0 4 Doch überwogen hier die adeligen Laien, unter denen vor allem Ludwig von Eyb, 1 0 5 daneben gerade im Verhältnis zu Würzburg aber auch Michel Herr von Schwarzenberg 106 herausragen. Wie etwa in Bayern 1 0 7 wird auch hier erkennVgl. die Angaben bei H. Lieberich, Die gelehrten Räte. Staat und Juristen in der Frühzeit der Rezeption, 1964, hier bes. die Übersichten 142-144. Hier zeigt sich deutlich der Unterschied zwischen dem Münchner und dem Landshuter Rat, weil bei letzterem mit der Gründung der Universität Ingolstadt das gelehrte Potential bewußt stark vergrößert worden war (ebd. 145). 100 Vgl. Schuhmann, Markgrafen, 18-75. Markgraf Friedrich regierte 1486-1495 gemeinsam mit seinem Bruder Sigmund die beiden Fürstentümer Ansbach und Kulmbach. Nach der Absetzung Markgraf Friedrichs durch seine Söhne Casimir und Georg 1515 regierten diese bis 1518 gemeinsam. In beiden Fällen war der ältere Bruder (Friedrich bzw. Casimir) die entscheidende Persönlichkeit.
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Dazu Seyboth, Markgraftümer, 352-366. Vgl. F. Wagner, Kanzlei- und Archivwesen der fränkischen Hohenzollern von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, 1885, 21-32. Zahlreiche biographische Angaben auch bei G. Rechter, Zur adeligen Klientel Markgraf Friedrichs von Brandenburg-Ansbach um 1500, 1997.
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Seyboth, Markgraftümer, 355. Belege ebd. für die Zeit von ca. 1460 bis 1483. G. Lenckner, Der brandenburgische Kanzler Johann Völker aus Crailsheim, 1966. Volker erscheint bereits 1469 als markgräflicher Sekretär (Seyboth, Markgraftümer, 355). G. Schuhmann, Dr. Johann Pfotel, markgräflicher Rat und Gesandter (1445-1511), 1960. Zu weiteren bürgerlichen gelehrten Räten vgl. Seyboth, Markgraftümer, 363 Anm. 99. Vgl. Seyboth, Markgraftümer 354f. - Zu Biographie und Werk: C . Höfler, (Hg.), Des Ritters Ludwig von Eyb Denkwürdigkeiten brandenburgischer (hohenzollerischer) Fürsten, 1849; W. Vogel, Des Ritters Ludwig von E y b des Alteren Aufzeichnung über das kaiserliche Landgericht des Burggrafthums Nürnberg, 1867; A. Werminghoff, Ludwig von Eyb der Ältere (1417-1502), 1919; F. Koeppel/G. Schuhmann, Ludwig von E y b der Ältere, 1968; E. Schöler, Die Reichsritter von Eyb - Freie Herren in fürstlichen Diensten, 1995.
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Michael II., Sohn des Würzburger Hauptmanns (1461—1469t) Michael I., seit 1461 Amtmann in Kitzingen, f 10.9.1499. Sein Sohn Sigmund war 1501-1516 ebenfalls Amtmann in Kitzingen (Fürst K. von Schwarzenberg, Geschichte des reichsständischen Hauses Schwarzenberg, 1963,47-49). Rankl, Kirchenregiment, 103-108: Herzog Albrecht von Oberbayern erwarb nicht nur 1483 das päpstliche Privileg, wonach er einen Domherrn vom Domkapitel zu Freising zum Hof-
1. Ausgangslage
67
bar, daß es den Markgrafen an gutdotierten Pfründen mangelte, mit denen sie hochqualifizierte Berater betrauen konnten; dies - und nicht nur die angestrebte „Eliminierung geistlicher Fremdgewalten"108 - erklärt ihre hartnäckigen Bemühungen um die Präsentationsrechte an den Kanonikerstellen der Stifte in Ansbach und Feuchtwangen, die sie sich letztlich auch sichern konnten. Bedeutendster Vertreter unter den so dotierten Mitarbeitern war der Doktor des Kirchenrechts Peter Knorr, der 1441 Stiftsscholaster in Ansbach geworden war, mindestens seit 1444 bis zu seinem Tod 1478 in den Diensten des Albrecht Achilles stand und in zahlreichen bedeutenden diplomatischen Verhandlungen tätig war; auf dessen Betreiben erhielt Knorr, der noch einige weitere einträgliche Pfründen besaß, 1468 die Propstei des Ansbacher Stifts St. Gumbert. 109 Im Hinblick auf die lange Regierungszeit und politische Kontinuität ähnlich stellt sich die Situation in Fulda dar. Doch war hier der Kreis der Mitarbeiter der Äbte Reinhard von Weitnau (1449-1472), Johann von Henneberg (1472-1513) und Hartmann Burggraf von Kirchberg (1513-1516/29) 110 relativ klein. Die Hauptlast der Verhandlungen mit Benachbarten trugen die Marschälle Konrad von Mansbach,111 Simon von Schlitz gen. von Görtz 112 und besonders Albrecht von Trübenbach,113 daneben die Kanzler114 Johann Cristan (Kirstan)115 Reinhard Schenck von Stettlingen (1485-1503) 116 , Dr.
dienst heranziehen durfte, sondern erreichte 1492/93 die Auflösung der Stifte Ilmmünster und Schliersee und ihre Verlegung an ein neugegründetes Chorherrenstift an der Münchner Frauenkirche; diese Pfründen waren maßgeblich zur Dotierung von herzoglichen Mitarbeitern gedacht. 108 Vgl. Seyboth, Markgraftümer, 310. Zur Frage nach der möglicherweise intendierten Errichtung eines eigenen Landesbistums vgl. II.2.b u. 5.c, Anm. 619. 109 110
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Vgl. J . Kist, Peter Knorr, 1968. Zusammenfassend J . Leinweber, Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, 1989, 96-102; vgl. Jäger, Fürstentum (mit weiterf. Literatur). Genannt 1481, 1486 (F. Gundlach, Die hessischen Zentralbehörden von 1247 bis 1604, III, 1930, 164; K. Demandt, Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981, 546). Vgl. Jäger, Fürstentum Fulda, 277 Anm. 32. In Verhandlungen mit Würzburg ist Simon bezeugt auf den Tagen zu Hilders 1487 (StAWü, Misceli. 3412, 88) und zu Schweinfurt 1497 (Stb. 725, 37). Belegt ab 29.10.1502: Stb. 725, 99'f; weitere Belege ebd. z.B. 107 (15.3.1503), 113' (4.9.1503), 156'f (22.7.1505) u.ö., kontinuierlich bis 1510 (zuletzt gen. in Aktion 12.11.1509: ebd. 260'), gest. vor 24.1.1511 (ebd. 263f). Erste Nennung eines fuldischen Kanzlers 1452 (Jäger, Fürstentum Fulda 279). Als Kanzler bezeugt 1452-1468; 1467 Dechant auf dem Frauenberg (ebd. 278 Anm. 36). Er hatte 1424 in Erfurt studiert (Leinweber, Hochstift, 23 Anm. 75). Ebd. Reinhard Schenck war zunächst Kanzleischreiber, dann 1470/71 Prokurator des Fuldaer Abts Reinhard von Weilnau in Rom (ebd. 279), 1476 Sekretär des Fürstabts, Kanonikus in Hünfeld sowie Fuldaer Stadtpfarrer und Archidiakon (Pralle/Richter, Stadtpfarrei II, Urk. Nr. 28), als solcher ist er noch 1488 nachweisbar (ASV, S 887 193r; S 888 203v; frdl. Hinweis von P D Dr. Borchardt). Nach A. Amrhein, Die Prälaten und Canoniker des ehemaligen Collegiatstifts St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg, 1882,270 wurde Reinhard Schenk von Stettling, fuldischer Kanzler des Fürstabts, am 26.7.1482 Kanonikus in Aschaffenburg (am 4.4.1493 von der Präsenzpflicht dispensiert) und starb als solcher am 26.2.1516.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Johann Prügel (1503), 1 1 7 Hertig Schenck von Stettlingen (1506-1510) 1 1 8 und Antonius Alberti. 1 1 9 Insgesamt ist hier neben dem Mainzer Einfluß, der sich vor allem in der Person des Doktors der Rechte Hartmann Burggraf von Kirchberg ausdrückt 120 - analog zur seit ca. 1450 steigenden Bedeutung Hessens für die fuldische Politik 121 - seit ca. 1500 eine engere Anlehnung auch beim Regierungspersonal an den landgräflichen H o f feststellbar, wie auch der Werdegang der Kanzler und anderer Funktionsträger 122 ausweist. 123 Daß erst nach der Wende zum 16. Jahrhundert gelehrte Räte eine Schlüsselrolle einnahmen, läßt z . B . die 1480 erfolgte Verpflichtung des Dr. iur. utr. Johannes Derdinger 1 2 4 vermuten, der noch zum Kreis der für verschiedene Herren tätigen juristischen Berater gehörte 1 2 5 und nicht kontinuierlich für Fulda wirkte. Der zu dieser Zeit amtierende fuldische Kanzler, der dem Abt als Rechtsbeistand offensichtlich nicht genügte, wurde jedoch erst 1503 von einem promovierten Juristen abgelöst. Die große Arbeitsbelastung der Inhaber der klassischen Hofämter Hofmeister und Marschall, aber auch der übrigen Räte zeigt sich u.a. darin, daß zuweilen angesetzte Verhandlungstage wieder abgesagt werden mußten, weil diese Personen unabkömmlich waren; gerade bei dem kleinen Fürstentum Fulda war dies häufiger der Fall. 1 2 6 Daß ab der Zeit um 1500 die „Amtszeiten" vieler Mitarbeiter und auch mancher Kanzler in Würzburg nur schwer zu bestimmen sind, hängt wohl auch damit zusammen, daß die hohe Ausla-
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Stb. 725, 113'. Ab 1490 Sekretär, 1500 Schultheiß zu Fulda, 1505 hessischer Sekretär, 1511 hessischer Kanzler (Jäger, Fürstentum Fulda, 278 Anm. 36; Gundlach, Zentralbehörden, 62-65; Demandt, Personenstaat, 751). Seit 1507 im hessischen Dienst, ab 1512 fuldischer Kanzler (Jäger, Fürstentum, 277; Demandt, Personenstaat, 6f). Es handelt sich um den späteren Fuldaer Abt, der ab 1487/95 Domherr zu Mainz und ab 1495 für den Fuldaer Abt Johann tätig war. Kirchberg ist auf Verhandlungstagen zwischen Fulda und Würzburg belegt in den Jahren 1500, 1506 und 1507 (Stb. 725, 65, 169', 177). Die enge Verbindung zu Mainz zeigt sich an den personellen Bezügen Fuldaer Räte zum Aschaffenburger Stift St. Peter und Alexander (s. z.B. oben bei Kanzler Reinhard Schenk). S. oben I.3.a bei Anm. 139. So wechselte der fuldische Marschall Konrad von Mansbach ca. 1489 als Rat in hessische Dienste (Gundlach, Zentralbehörden, 164; Demandt, Personenstaat, 546-549); Rudolf von Weiblingen, 1494-1513 und 1525-1533 in hessischen Diensten, fungierte 1514—1518 als fuldischer Marschall (Gundlach 290; Demandt 906-908). Unter Fürstabt Hartmann kam dies als Furcht vor Überfremdung zur Sprache: Jäger, Fürstentum Fulda, 172. StAMr, R I a Stiftsarchiv, 1480 Mai 1. Vgl. Willoweit, Juristen, 249. So schreibt Fürstabt Johann von Fulda am 14.5.1506 einen Tag ab, weil etliche der Räte, die sich bisher mit der betreffenden Materie beschäftigt hätten, ytz kurtzlich mit leybs swacheyt ... beladen seien (Stb. 725, 163). Absagen wegen Terminüberschneidungen finden sich für Markgraf Friedrich 1497 (StAN, WüBü 9, 89), für Fürstabt Johann von Fulda 1502 und zweimal 1509 sowie 1513 (Stb. 725, 101'f, 247*f, 260', 286'f), für Bischof Lorenz von Würzburg 1509 (Stb. 725,246'f).
1. Ausgangslage
69
stung der bischöflichen Mitarbeiter einen sehr flexiblen Einsatz ohne starre Fixierung auf bestimmte Funktionen verlangte.127 Die Verhandlungen in nachbarlichen Gebrechen wurden in den Korrespondenzen immer zwischen den Fürsten bzw. bei deren Abwesenheit den Statthaltern und Räten geführt, wobei letztere keine eigenständigen Entscheidungen trafen. Bei unmittelbaren Verhandlungen auf „Tagsatzungen", die oft an einem neutralen Ort und meist in der Nähe des betroffenen Gebietes stattfanden, nahmen die Fürsten grundsätzlich nicht selbst teil, im Ausnahmefall in repräsentativer Funktion. Für sie agierte fast immer eine Gruppe von Räten, die sich aus einem vornehmen Domherren oder Adeligen, einigen Räten und eventuell einem Rechtsgelehrten zusammensetzte.128 Ebensowenig gaben die Fürsten bei Werbungen ihrer Nachbarn, die diese - beglaubigt durch eine Credenz - durch ihre Räte vorbringen ließen, eine persönliche Antwort.129 Diese Verhaltensweise der Fürsten, die nur selten direkte diplomatische Unterredungen und viel eher repräsentative Begegnungen im höfischen Rahmen zuließ, war zweifellos vom Standesbewußtsein bestimmt. Sie brachte jedoch den Vorteil mit sich, daß die Räte nur auf „Hintersichbringen", also ohne definitive Entscheidung verhandeln konnten und damit eine nachträgliche Prüfung des Ergebnisses und die Möglichkeit des Revidierens gegeben war.130 Nahezu unerforscht ist die Funktionsweise der Lokalverwaltung in Franken im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert, also etwa die Frage nach dem sozialen und wirtschaftlichen Profil der Amtleute, der Art ihrer Einbindung in Kommunikations- und Entscheidungsprozesse und damit dem Grad ihrer Abhängigkeit vom Fürsten, und zwar sowohl in bezug auf die eigentlichen
127 Yg] 128
aucl,
Seyboth, Markgraftümer, 364.
Beispiele: Am 17.5.1496 standen sich in Aub gegenüber für Würzburg der Domscholaster Haug von Lichtenstein (vermutlich in der Funktion des Kanzlers), der Hofmeister Hans Fuchs, der Marschall Conrad von Schaumberg und Philipp von Seinsheim, für Ansbach Michel Herr zu Schwarzenberg, die Ritter Veit von Vestenberg und Asmus von Rosenberg, Albrecht von Bibereren und der Kanzler Johann Volker (Stb. 721, 1). Am 23.2.1507 in Kassel vor den hessischen Räten als Schiedsrichtern waren für Würzburg der Domherr Peter von Aufseß, Ritter Ludwig von Hutten, Claus von Dettelbach, für Fulda Burggraf Hartmann von Kirchberg, Marschall Albrecht von Trübenbach, Kanzler Hertig Schenck von Stettlingen und Melchior von der Thann zugegen (Stb. 725, 177).
Eine bezeichnende Ausnahme ereignete sich bei der Werbung der Fürsten von Bamberg, Würzburg, Niederbayern und Eichstätt durch ihre Räte bei Markgraf Friedrich in Ansbach 1501; sie richtete sich gegen die Eingriffe des Markgrafen in die Herrschaftsrechte der drei geistlichen Fürsten. Friedrich nahm wie üblich Bedenkzeit und ließ seine Antwort am nächsten Tag durch Ritter Hans von Seckendorf vortragen, doch äußerte er sich - ausdrücklich ohne Vorgriff auf die eigentliche Antwort - sofort sehr emotional, weil er sich in seiner Ehre angegriffen fühle: Wenn die Fürsten mit ihren Vorwürfen mit jm spil wollten sein, würde er sich zu wehren wissen, wurdt sieb jn kein poyhorn [wohl: Bockshorn] tringen lassen, denn er habe auch hoden am bauch (Stb. 722, 1-3'). 130 Vgl. z u r zeitgenössisch verbreiteten Politik des „Temporisierens" H. Gollwitzer, Zur Geschichte der Diplomatie im Zeitalter Maximilians I., 1955, 196f.
129
70
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Ämter wie auf die Städte, deren strategische Funktionen weitaus besser bekannt sind. 131 Eine Analyse der fürstlichen Politik im einzelnen wird an der bislang nur in Ansätzen geleisteten Aufarbeitung des personellen Hintergrunds der politischen Aktivitäten auf den verschiedenen Ebenen nicht vorbeikommen. 1 3 2
c) Die Verpfändungen: Mobilisierung und Konzentration der Kräfte Freilich war die erste Voraussetzung für die intensive Nutzung von Herrschaftsrechten die freie Verfügungsgewalt durch unmittelbaren Besitz. Beim Regierungsantritt von Bischof Rudolf waren jedoch fast alle 44 Ämter und Vogteien an die fränkische Ritterschaft verpfändet; erst der wirtschaftliche Aufschwung seit der Jahrhundertmitte, der sich vor allem in hohen Erträgen des Guldenzolls niederschlug, 133 ermöglichte ihm im Laufe von über einem Viertel] ahrhundert den Rückerwerb der meisten Ämter. 1 3 4 Diese Entwicklung der Verpfändungen und ihrer Rücklösung ist eine allgemeine Erscheinung des 14. und 15. Jahrhunderts. Sie begann im 14. Jahrhundert als Folge der Mobilisierung von Herrschaftsrechten, für die verschiedene Faktoren angeführt werden, vor allem im rechtlichen Bereich und in Fragen des Finanzgebarens. 135 Ebenso wird das Ende dieser Periode im 15. Jahrhundert auf verschiedene Gründe zurückgeführt, zu denen etwa die Ausbildung 131
132
Vgl. dazu zusammenfassend Kolb/Krenig, Unterfränkische Geschichte II (insbes. die Beiträge von W. Störmer und W. Schenk); Kraus, Geschichte Frankens (insbes. A. Gerlich/F. Machilek, 544f, 555-558, 588f); zur Struktur der Würzburger Amter v.a. Sprandel, Amter; für Ansbach: Rechter, Reichssteuerregister; für Fulda: Hofemann, Entwicklung; Wich, Brückenau-Hammelburg. Zur Bedeutung der Personenforschung in Spätmittelalter und Frühneuzeit, die in Deutschland seit den 1970er Jahren u.a. durch Peter Moraw zur Geltung gebracht wurde, vgl. F. Autrand (Hg.), Prosopographie et Genèse de l'État moderne, Paris 1986 (darin bes. N . Bulst); E. Henning, Sozialgenealogie und Historische Demographie, Prosopographie und Biographieforschung, 1998.
133
Zum starken Ansteigen des Waren- und insbesondere des Weinhandels in Franken im späten 15. Jahrhundert vgl. z.B. J . Müller, Geleitswesen und Güterverkehr zwischen Nürnberg und Frankfurt am Main im 15. Jahrhundert, 1907, 191-193, 374. - Über den Ertrag des Guldenzolls hat sich nur für Geichsheim eine fragmentarische Abrechnung für die Jahre 1483-1496 erhalten (StAWü, Admin. 10343): 1483 82 fl., 1484 82 fl., 1485 84 fl., 1486 64 fl., 1487 42 fl., 1488 66 fl., 1489 46 fl., 1490 50 fl., 1491 62 fl., 1492 60 fl., 1493 62,5 fl., 1494 57 fl. 6 Pfund, 1495 64,5 fl. 2 Pfund, 1496 64 fl. 6 Pfund 27 Pfennige, in 14 Jahren also rund 900 Gulden. Im Vertrag Würzburg-Ansbach vom 15.12.1468 sind 80 Zollstellen angeführt, deren Ertrag in den allermeisten Fällen zu drei Vierteln Würzburg, zu einem Viertel Ansbach zustand; weitere Zollstellen sollten an der Tauber aufgerichtet werden. Auch wenn sich dieser Einzelfund nicht hochrechnen läßt, so deutet doch vieles darauf hin, daß die rund 500.000 Gulden, die Bf. Rudolf für die Amterrücklösung aufwendete, tatsächlich zu einem guten Teil dem Guldenzollprivileg zu verdanken waren. Vgl. dazu GS III 36.
134
Vgl. Zeißner, Scherenberg, 36—45. H. Patze (Hg.), Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hier insbes. die Zusammenfassung II, 484-505 (G. Landwehr). Vgl. etwa Willoweit, Entwicklung, 129, der für das 14. Jahrhundert vom „Ubergang von der statischen Rechtsverwaltung zu einer dynamischen, weil auf politische Zwecke ausgerichteten Finanzpolitik" spricht.
135
1. Ausgangslage
71
der Landessteuer, 136 aber auch der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung seit etwa Mitte des 15. Jahrhunderts 137 zählten. Dabei wird in der jeweiligen regionalen Literatur der allgemeine Zusammenhang zumeist nicht gesehen, sondern die Rücklösung von Verpfändungen gewöhnlich als Leistung haushälterischer Regenten herausgestellt.138 Nicht übersehen werden sollte freilich neben den bisher in der Forschung betonten Gründen für die Phase der Mobilisierung von Herrschaftrechten, daß - nachdem in den Fürstentümern des 14. und frühen 15. Jahrhunderts die institutionellen Voraussetzungen für die zentral gelenkte Regierung größerer Gebiete überwiegend fehlten 139 - als Konsequenz nur Teilung, Verkauf, Verpfändung oder Usurpation durch fremde bzw. lokale Gewalten in Frage kamen. 140 Zudem fällt bei näherem Hinsehen auf, daß die Verpfändungen nicht überall dem gleichen Muster folgten. Während vor allem in den unteilbaren geistlichen Fürstentümern auch größere herrschaftliche Komplexe in Form von Amtern verpfändet wurden, weist etwa P. Fried für Bayern darauf hin, daß es sich bei den zahlreichen Verpfändungen fast ausschließlich um kleinere Objekte handelte, „die der Landesherrschaft im Großen keinen Abbruch tun und jederzeit mit erschwinglichen Summen wieder eingelöst werden konnten". Diese Verpfändungen seien geradezu als „unternehmerische Tätigkeit" zu werten und hätten den finanziellen Spielraum für den gezielten Erwerb wichtiger Herrschaftsobjekte erweitert. 141 Gleichzeitig sei durch die Periode der Teilungen 1350-1450 im faktischen Ergebnis die herrschaftliche Erschließung des Landes intensiviert worden. 142 Die dynastischen Herrschaftsteilungen sind also keineswegs nur Folge egoistischer adeliger Erben bzw. einer „patrimonialen" Herrschaftsform 143 , wie die großen Verpfändungen vor allem in den geistlichen Fürstentümern ebensowenig nur als Teil der Finanzpolitik begriffen werden können. Vielmehr ist die Mobilisierung von Herrschaftsrechten als ein Vorgang anzuse136 137
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Schubert, Fürstliche Herrschaft, 21. Dazu oben II.l zum wirtschaftlichen Hintergrund der Zollprivilegien in Bayern und Franken. Vgl. allgemein B. Yun, Economic Cycles and Structural Changes, 1994, 121-124. Beispiele für derart positiv bewertete „Sanierer" des Hochstifts in der zweiten Hälfte des 15. bzw. an der Wende zum 16. Jahrhundert: H. Dopsch (Hg.), Geschichte Salzburgs 1/1, 1981, 571 (Leonhard von Salzburg, 1495-1519); E. Düsterwald, Kleine Geschichte der Erzbischöfe und Kurfürsten von Trier, 1980, 107f (Jakob II. von Trier, 1503-1511); C. Stüve, Geschichte des Hochstifts Osnabrück, 1853, 457 (Konrad IV. von Rietberg, 1482-1508); J. Maß, Das Bistum Freising im Mittelalter, 1986, 317f (Johann IV. von Freising, 1453-1473); E. Kuhn u.a. (Hg.), Die Bischöfe von Konstanz I, 1988, 392-395 (Hugo von Konstanz, 1496-1530/ 32). Vgl. Moraw, Entfaltung, lOlf, 105, 107; Meuthen, Das 15. Jahrhundert, 144. Diese Überlegung geht davon aus, daß nicht ein aus verschiedenen Gründen zu beobachtender „Verdinglichungsprozeß" zur Verlangsamung der Herrschaftsintensivierung geführt habe (dazu Hinweise bei Schubert, Fürstliche Herrschaft, 108), sondern daß Verdinglichung und strukturelle Herrschaftsprobleme gleichermaßen als Folge des Wandels im 13. Jahrhundert anzusehen sind. Dieser Vorgang scheint noch nicht genügend erforscht. P. Fried, „Modernstaatliche" Entwicklungstendenzen, 327. Ebd. 328. Willoweit, Entwicklung, 72.
72
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
hen, der einerseits von dem Umstand befördert wurde, daß eine effektive „Zentralregierung" für größere Gebiete im 14. und frühen 15. Jahrhundert kaum zu verwirklichen war, und andererseits durch unterschiedliche Formen - Teilungen, Verpfändungen - ganz unterschiedliche Ergebnisse zeitigte. Zumindest in Franken ist diese Beobachtung signifikant: Während in den geistlichen Fürstentümern Würzburg, 144 Bamberg 145 und Fulda 146 die Verpfändung eines Großteiles des Herrschaftsgebietes bis weit ins 15. Jahrhundert als Regel erscheint, bildeten die Burg- bzw. Markgrafen ihre Herrschaft in systematischer Erwerbspolitik aus und formten im Gefolge von Landesteilungen zwei unterschiedlich dicht strukturierte Herrschaftskomplexe, das „Land ob dem Gebürg" und das „unter dem Gebürg" aus. Entscheidende Voraussetzung dafür war die große Kapitalkraft der Zollern; Amterverpfändungen waren dementsprechend selten.147 Als überschaubares Teilgebiet des zerrissenen Mainzer Herrschaftskomplexes entstand das „Oberstift" um das Zentrum Aschaffenburg unter der Leitung eines Viztums; 148 der so geförderten herrschaftlichen Intensivierung standen freilich auch hier zahlreiche Verpfändungen gegenüber. 149 In bezug auf die unmittelbare Ausübung und Verfestigung der Herrschaft ergab sich so für die geistlichen im Vergleich zum weltlichen zollerischen Fürsten eine schlechtere Ausgangssituation, die bei den nachfolgenden Quellenanalysen im Blick zu behalten ist.
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach Die Auseinandersetzungen zwischen Würzburg und Ansbach/Kulmbach sind nicht nur auf die politische Rivalität der beiden mächtigsten Fürsten in Franken zurückzuführen, sondern auch darauf, daß die herrschaftlichen Anspruchszonen sich weiträumig überschnitten (s. die Karte S. 73). Der wichtigste Ausgangspunkt für die meisten Konflikte waren die Kompetenzen der Würzburger Gerichte. Diese Auseinandersetzungen um die Würzburger Jurisdiktionsansprüche, die sich nur im Ausnahmefall (Pfaffensteuer 1481/82) in fundamentalen Konflikten und sonst zumeist in vielen Einzelstreitigkeiten niederschlugen, werden zuerst allgemein behandelt. Es folgt eine Beschreibung der Dauerkonflikte um die Rechtslage zu Kitzingen sowie die Ausgestaltung der Dorfherrschaft zu Ulsenheim; hierbei handelt es sich um die bedeutendsten herrschaftsrelevanten Einzelkonflikte, die auch über einen längeren Zeitraum diskutiert wurden. Die darüber hinaus immer wieder auftau144 145 146 147 148 149
GS Würzburg II, III. Dazu auch Sprandel, Ämter. Guttenberg, Bamberg. A. Hofemann, Entwicklung. Winkler, Bayreuth, 76. Vgl. oben 1.3. bei Anm. 159. G. Christ, Kräfte und Formen geistlicher Territorialität, 1996, hier bes. 180-183. Ebd. 191.
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
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Höhen über 500 Meter —— —
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Würzburger Diözesangrenze
m
Verwaltungssitze im Fürstentum Würzburg 1497 (StAWü, Hist. Saal VI116/234)
A
Verwaltungssitze im Fürstentum Ansbach 1497 (nach G. Rechter, 1985)
Ansbachische und würzburgische Verwaltungssitze zwischen Main, Aisch und Tauber
chenden Einzelfälle, für die individuelle und in den Quellen kaum sichtbare Lösungen gefunden wurden, 150 können hier dagegen ebensowenig aufgezählt werden wie die jahrzehntelange heftige Auseinandersetzung der Gemeinden Iphofen und Wüstenfelden um Waldnutzungsrechte, die sich in erster Linie als Gemarkungsstreit darstellte.151 150
151
Soweit einschlägig, werden sie unten bei II.5. herangezogen; vgl. jedoch auch die Schilderung in Quellenanhang 3. Im Stb. 721 etwa nimmt dieser Besitzstreit den relativ größten Raum ein.
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a) Landgericht,
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Brückengericht
und Geistliches
Gericht
Nach dem Bericht des Lorenz Fries verfügte der Würzburger Bischof über mehrere zentrale Gerichte. Das Geistliche Gericht wurde, wie allgemein üblich, gehalten in einem Haus, genannt zur Roten Tür. Soweit es sich um Fälle handelte, die dem Bischof persönlich vorbehalten waren (geistliche Lehen, Bann und Interdikt, geistliche Personen und Güter betreffend), stand es unter dem Vorsitz des Generalvikars (vicarius generalis in spiritualibus). Für die Bestätigung von Testamenten und Verträgen und diesbezügliche Streitfälle sowie Appellationen von den regionalen Archidiakonatsgerichten war der Offizial (officialis curiae) zuständig.152 In beiden Fällen, die im folgenden unter der Bezeichnung „Geistliches Gericht" subsumiert werden, handelt es sich um regelmäßig tagende, mit gelehrtem Personal besetzte Institutionen, die nach dem kanonischen Recht verfuhren.153 Die zentralen weltlichen Rechtsprechungsinstanzen waren das Landgericht, das vor allem über Ehe-, Erb- und Gütersachen urteilte,154 sowie das Brückengericht155, das die Funktion einer „obersten Zent" hatte, also einer Art Berufungsinstanz für Hochgerichtsverfahren vor den lokalen Zenten; es konnte jedoch auch im Wege der freiwilligen Gerichtsbarkeit etwa in Schuldsachen direkt angerufen werden. Während das Landgericht mit Rittern bzw. Edelknechten besetzt war, die nach traditionellem fränkischem Recht verfuhren, bestand das Brückengericht aus neun Würzburger Bürgern als Schöffen (in peinlichen Sachen erweitert um fünf Schöffen aus der Umgebung der Stadt Würzburg) unter dem Vorsitz des Würzburger Schultheißen; ihr Rechtsbrauch ist nicht bekannt, doch war das Verfahren hier wesentlich schneller als vor dem Landgericht.156 Im Gegensatz zu den zumindest theoretisch flächenhaft auf die Diözese (= Herzogtum Franken) bezogenen Würzburger Zentralinstanzen handelte es sich beim Nürnberger Landgericht ursprünglich um ein personenbezogenes So Lorenz Fries in der „Hohen Registratur" (Stb. 1011, 210f), mit Behandlung weiterer geistlicher Gerichte (ebd. 210'-214'). Vgl. J. Krieg, Der Kampf der Bischöfe gegen die Archidiakone im Bistum Würzburg, 1914, 120-158; Abert, Wahlkapitulationen, 154-164. 153 Nach W. Leiser, Beiträge zur Rezeption des gelehrten Prozesses in Franken, 1977, 102f, begann der Einzug des gelehrten Prozesses in seiner kanonistischen Form mit den „Ecclesiastica Statuta" von Bischof Johann von Würzburg 1422. Diese wurden wiederholt eingeschärft und ergänzt 1446, 1447, 1470, 1498 und 1512. Vgl. W. Trusen, Auseinandersetzungen um die geistliche Gerichtsbarkeit im Hochstift Würzburg am Ende des Mittelalters, 1977; Krieg, Archidiakone, sowie unten Anm. 186-193. 1 5 4 Dazu ausführlich F. Merzbacher, Iudicium provinciale ducatus Franconie, 1956. 155 Der Name kommt vom Gerichtssitz an der Würzburger Mainbrücke. 156 vgl. dj e Ausführungen des Lorenz Fries in der „Hohen Registratur" (Stb. 1011, 2 1 4 - 2 1 5 ' ) sowie in: Rockinger, Magister Lorenz Fries zum fränkisch-wirzburgischen Rechts- und Gerichtswesen, 1870; K. Dinklage, Quellen zur mittelalterlichen Geschichte der Zentgerichte in Franken, 1953; 40f; Knapp, Zenten 1/2, 1267-1274 (Edition der Brückengerichtsordnung von ca. 1478 mit Nachweis der Veränderungen gegenüber einer älteren Ordnung von 1447); C. G. Scharold, Zur Geschichte des Gerichtswesens in Würzburg, 1841 (zur Auflösung des Brückengerichts um die Mitte des 16. Jahrhunderts); A. Amrhein, Die Würzburger Zivilgerichte erster Instanz, 1914/16. 152
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
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Sondergericht für das Königsgut, das 1273 wesentlicher Bestandteil des Nürnberger Burggrafenamtes wurde. Mit dem allmählichen Wandel vom Burggrafenamt zur fürstlichen Herrschaft wurde das Nürnberger Landgericht faktisch zur obersten zentralen Rechtsinstanz des zollerischen Markgraftums; seit 1442 tagte es in der Residenzstadt Ansbach. Darüber hinaus setzte es Markgraf Albrecht Achilles, der es gestützt auf unklare Formulierungen und deren kaiserliche Bestätigung 1456 als eine Art oberstes Reichsgericht interpretierte, als politisches Expansionsinstrument ein. Trotz einiger anfänglicher Erfolge scheiterte er jedoch damit vollkommen, da es nach seiner Niederlage bei Roth 1460 eingestellt und erst 1490 wieder aufgerichtet wurde.157 Damit mußten die Markgrafen in diesem Zeitraum im Gegensatz zu den Würzburger Bischöfen ohne eine zentrale Gerichtsinstanz auskommen, die sich direkt auf kaiserliche Privilegierung zurückführen ließ. Die Rother Richtung von 1460 hatte bezüglich der Landgerichte von Würzburg und Nürnberg entschieden, daß ihr jeweiliger Zuständigkeitsbereich getrennt werde durch die Bergeler Steige und die Aisch; dies betraf alle Personen, die jn denselbin grenitzen vngeuerlich geseßen, wonhafftig vnd gelegen sind.159 Schon die Umstände dieses Schiedsspruches, den Markgraf Albrecht Achilles nach seiner Kapitulation gegenüber Niederbayern, der Pfalz, Würzburg und Bamberg annehmen mußte, im folgenden jedoch stets anfocht, lassen erkennen, daß diese fast lineare Grenzziehung dem Würzburger Bischof einseitig zum Vorteil gereichte. Würzburg hatte über die geistliche Jurisdiktion hinaus kaum herrschaftliche Ansatzpunkte südlich dieser Linie. 159 Die Markgrafen jedoch waren schon seit dem 14. Jahrhundert nördlich davon begütert, insbesondere um Castell-Kleinlangheim und Uffenheim; hinzu kamen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts Prichsenstadt, die Ämter Creglingen und Kitzingen, schließlich - zumindest dem Anspruch nach - die Amtsbezirke der Klöster Frauenthal und Münchsteinach (s. die Karte S. 73). 160 Für jedes dieser Ämter aber sollte nach der Rother Richtung das Würzburger Landgericht zuständig sein. Nach den Protokollbüchern des Würzburger Landgerichts, die nach 1470 nur noch fragmentarisch erhalten sind,161 war dieses auch nach der Rother Schuhmann, Markgrafen, 338f (mit Lit. 351); Seyboth, Markgraftümer, 104-107; M. Twellenkamp, Die Burggrafen von Nürnberg und das deutsche Königtum (1273-1417), 1994, 175-192; vgl. auch H. E. Feine, Die kaiserlichen Landgerichte in Schwaben im Spätmittelalter, 1948 (Übersicht für Schwaben und Franken), iss w u 2/11; vgl. Hasselholdt-Stockheim, Beilagen, 226. 159 Im 14. Jahrhundert finden sich freilich durchaus Fälle am Würzburger Landgericht, die sich auf Orte südlich dieser Grenze beziehen, vgl. z.B. Stb. 821c, 4, 6, 9', 11', 18, 20, 22; Stb. 822, 78', 81; Stb. 823,290. 160 Vgl. auch die Ubersichtskarte bei Rechter, Reichssteuerregister, am Ende von Band II; Bayerischer Geschichtsatlas, 25; A. Schwammberger, Die Erwerbspolitik der Burggrafen von Nürnberg in Franken (bis 1361), 1932, 79f (Pertinenzen des Amtes Castell ca. 1360); G. Wöppel, Prichsenstadt, 1968, 78-89. 157
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Ursprünglich müssen für den Untersuchungszeitraum durchgängig Landgerichtsprotokolle vorhanden gewesen sein, wie aus umfangreichen Exzerpten des 16. Jahrhunderts hervorgeht, z.B. für Mainz Stb. 748, 235-359; für Limpurg Stb. 738.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Richtung im engeren herrschaftlichen Bereich des Markgrafen beiderseits der Bergeler Steige tätig.162 Die erst nach dem Regierungsantritt von Fürstbischof Lorenz verschärft auftretenden Konfliktfälle um die beiderseitigen Landgerichtskompetenzen beziehen sich alle auf Orte nördlich der genannten Grenze. Das bedeutet zum einen, daß die Markgrafen die Geltung der „Grenzziehung" von 1460 auch ohne ihr Nürnberger Landgericht für ihre Herrschaft südlich der Aisch und der Bergeler Steige durchsetzen konnten.163 Zum anderen beruhten die Kompetenzkonflikte nach 1490/95 darauf, daß die Markgrafen die herkömmliche Praxis in ihrem eigenen Herrschaftsbereich nicht mehr zu dulden bereit waren; dabei spielte in jedem Fall die wieder aufgenommene Tätigkeit des Nürnberger Landgerichts, möglicherweise auch eine von Bischof Lorenz verstärkte Aktivität des Würzburger Landgerichts eine entscheidende Rolle. 1496 auf dem Verhandlungstag zu Aub nahmen die markgräflichen Vertreter die Ladung der zollerischen Untertanen zu Wiesenbronn164 vor das Würzburger Landgericht165 zum Anlaß, auf das Fürstenprivileg von 1363 zu verweisen, wonach die Leute des Markgrafen nur vor diesen ans Gericht geladen werden könnten. Dem Würzburger Beharren auf das Herkommen des Herzogtums zu Franken hielten sie entgegen: Dann das lanndgericht zu Wirtzburg hett vber marggrauisch lewt vnnd guth, so seinen gnaden erblich zustunden, nichts zurichtenn — worauf die Würzburger widersprachen: Ihr Landgericht habe auch über anderer Fürsten und Städte Leute zu richten!166 Der Unterschied zwischen der flächenhaften Obrigkeitsvorstellung Würzburgs und den auf Besitz und personengebundener Herrschaft beruhenden Ansprüchen des Nachbarn erscheint hier eindeutig formuliert. In einem Schreiben vom 4.6.1496, in dem sich Markgraf Friedrich auf den Tag zu Aub und die dort behandelten Streitpunkte bezog, wies er nochmals deutlich auf Vgl. z.B. für 1467: Stb. 865, 106, 260 (Buch am Wald), 124', 223' (Uffenheim), 379 (Oberickelsheim); zum Jahr 1494: UBWü, M.ch.f. 442, 86, 126, 160, 324', 376 (Obernbreit), 351' (Prichsenstadt), 421' (Castell); für die hier und noch 1517 (Stb. 870 passim) überaus zahlreich dokumentierte Inanspruchnahme des Würzburger Landgerichts durch die Kitzinger Bürgerschaft waren zweifellos die geringe Entfernung nach Würzburg und der in dieser Handelsstadt hohe Bedarf an allgemein akzeptierten Vertragsbeglaubigungen von Bedeutung. 163 Vgl. etwa eine Ladung des Würzburger Landgerichts im Amt Kolmberg 1478, die auf eine Beschwerde Markgraf Albrechts mit Bezug auf die Lage südlich der Bergeler Steige von Bischof Rudolf abgestellt wurde (Priebatsch, Korrespondenz II, Nr. 366). 162
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In Wiesenbronn (südl. von Kleinlangheim) hatten sowohl die Grafen von Castell als auch die zollerischen Markgrafen und die Würzburger Bischöfe Besitz- und Herrschaftsrechte. Vgl. Weber, Kitzingen, 54, 69, 95, 98. Vgl. StABa, C III 987. In einer internen ansbachischen Notiz wird dabei festgehalten, daß die markgräflichen Untertanen nicht vom Landgericht Würzburg abgefordert werden dürften, da sonst der Anschein entstehen könne, als habe man dessen Gerichtszwang grundsätzlich anerkannt. Zu den Begriffen „abfordern" und „weisen" vgl. in diesem Zusammenhang Deutsches Rechtswörterbuch 1 (1914) 77f. Stb. 721, 9 - 1 0 ' , Zitat 10' (17.5.1496). Zur Vorgeschichte vgl. StAN, WüBü 9, 41'-42'. Beispiele für die zahlreichen Wiesenbronner Fälle vor dem Würzburger Landgericht 14131455: StAWü, G 8504; 1467/70: Stb. 865, 298', 300, 344', 359, 360-361; Stb. 866, 100', 157, 160f, 162,177', 197', 201f; Stb. 8 6 8 , 4 2 , 6 6 , 78', 211'.
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
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seine Gerichtsprivilegien hin und verbat sich demgegenüber jede Neuerung. 167 Ein Ergebnis dieser Auseinandersetzungen, die in ähnlicher Form nochmals 1510 aufflackerten, 168 ist nicht dokumentiert. 169 Es folgten mehrfach ähnliche Konflikte um die Zuständigkeit des Würzburger Landgerichts in den Jahren 1498-1517, 1 7 0 nur ausnahmsweise dagegen in bezug auf das Nürnberger Landgericht.171 Ausgehend von Einzelfällen wiederholten dabei beide Seiten stets dieselben Argumente, ohne daß eine grundsätzliche Einigung oder konkrete Ergebnisse erreicht werden konnten. Besonders heftig war ein Streitfall in Sickershausen (südöstlich von Kitzingen), das als eines der „sechs Maindörfer" 172 der Vogteiherrschaft des Markgrafen unterstand: Der dort seßhafte Cuntz Willung (Willig, Willing) lag im Erbstreit mit dem Würzburger Hans Kraft um Güter im benachbarten (Markt-)Steft und verklagte diesen vor dem Landgericht Nürnberg, worauf Kraft 1497 den Willung vor das Würzburger Landgericht laden ließ. 173 Dieses Verfahren verlief zunächst günstig für Kraft, und am 28.1.1500 forderte Bischof Lorenz von Würzburg den Cuntz Willung in einem offenen Brief auf, sich dem Urteil gemäß am Landgericht zu rechtfertigen oder mit seinem Gegner zu vertragen. 174 Daraufhin wandten sich die markgräflichen Brüder Casimir und Georg anstelle ihres abwesenden Vaters an Bischof Lorenz und wiesen darauf hin, daß sowohl Willung, der den Prozeß vor dem Landgericht Nürnberg gegenüber Kraft gewonnen hatte, Hintersasse des Markgrafen Friedrich sei, als auch die strittigen Güter zu Steft zur markgräflichen „Obrigkeit" gehörten. Demgegenüber beharrte Bischof Lorenz darauf, daß das 167 168 169 170
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Stb. 721,16'—18 (= StAN, WüBü 9, 74-75'; StABa, C III 972 II). Stb. 721,255'-257,295-296. Vgl. für das 16. Jahrhundert auch BayHStA, RKG 14193. Stb. 721, 59'-60' (Ühlfeld sö Höchstadt a.d. Aisch, 1498; dazu auch: StABa, C III 988), Stb. 721, 61ff (Gamesfeld, westl. der Tauber, 1498), 66 (Heidingsfeld, 1498; vgl. dazu Seyboth, Markgraftümer, 300), 66' (Fetzelhofen, bei Lonnerstadt an der Aisch; 1498), 13l'ff (Freudenbach, beim Kloster Frauenthal, 1503). StAN, KLBN 44 zu den Jahren 1504 (Obernesselbach, bei Neustadt nördl. der Aisch), 1511 (Geißlingen, bei Ochsenfurt), 1517 (Bettenfeld, westl. der Tauber; vgl. ebd. Nr. 46). Bezüglich Kitzingen 1498 (Stb. 721, 63'), 1500 (ebd. 88) und 1503 (StAN, KLBN 44); vgl. auch StAWü, Ger. Kitzingen 329. Nur für Albertshofen (nördl. Kitzingen) findet sich eine Beschwerde des Bischofs Lorenz gegenüber Markgraf Friedrich am 16.4.1498 über ein unbegründetes Vorgehen des Nürnberger Landgerichts (Stb. 721, 56'f). 1501 betonten die Würzburger, daß nur in Albertshofen Würzburger Untertanen vom Nürnberger Landgericht beschwert würden (ebd. 91'). Umgekehrt finden sich z.B. für 1494 Urteile des Würzburger Landgerichts über Güter zu Albertshofen: UBWü, M.ch.f. 442, 375', 433. - Einen hier nicht zu behandelnden Sonderfall bildet der ausufernde Streit um die Kompetenz des Nürnberger Landgerichts zu Großlangheim ab 1506, der auf eine Initiative der Klägerin zurückging (StAWü, Misceli. 3916; StAWü, Ger. Kitzingen 429). Die sechs Maindörfer waren: Obernbreit, Gnodstadt, Marktsteft, Sickershausen, Martinsheim und Oberickelsheim. Markgraf Albrecht hatte sie 1448 mit der Herrschaft Brauneck von Graf Michael von Hardegg erworben. Die Würzburger Dompropstei hatte hier eine starke grundherrschaftliche Position, die Herrschaft Brauneck bzw. die Markgrafen dagegen die Vogteirechte. Vgl. dazu W. Engel, Würzburg und Hohenlohe, 1949, sowie Schnitzlein, Selecta Norimbergensis III, 1770, 43-110, hier bes. 86, 91-93. StAN, KLBN 44, Sehr. v. 17. und 21.10.1497. Ebd.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Landgericht des Herzogtums Franken seit Menschengedenken in Sickershausen gerichtet habe175 und er deshalb das jetzige Verfahren nicht abstellen könne. Kurz darauf ging dem Willung ein offener Brief des Bischofs mit der Achtandrohung zu, die wiederum Markgraf Friedrich beantwortete: Wollen wir vnns ye versehen, ewer lieb meynung billich nit sein sol, mit dem landtgericht zu Wurtzburg vber vnnsern grundt, poden vnnd eygenthumb zurichten,176 Noch am 2.3.1501 schickte Markgraf Friedrich den Hans von Bibrach177 mit einer Credenz an den Würzburger Bischof, um seine Zuständigkeit für seine Leute und Güter in Sickershausen zu betonen und auf die Privilegien des Landgerichts Nürnberg zu verweisen, doch beharrte der Würzburger Hofmeister auf dem Rechtsstandpunkt seines Herren; das Problem blieb ungelöst.178 Der Fall des Cuntz Willung ist auch deshalb von Bedeutung, weil hier exemplarisch die Verknüpfung von Würzburger Landgericht und Geistlichem Gericht deutlich wird: Kurz nach dem in der Sache ergebnislosen Verfahren vor dem Würzburger Landgericht, das mit dem Achturteil gegen Willung geendet hatte, lud der Offizial des Geistlichen Gerichts zu Würzburg den Cuntz Willung vor, worüber sich Markgraf Friedrich am 19. August 1500 beschwerte.179 Ähnliche Fälle hatte es zuvor auch in bezug auf das Brückengericht gegeben. 1490/91 hatten der Würzburger Priester Hans Moninger und dann seine Erben die Brüder Michel und Conrad Buchner zu Langenfeld im Streit um Fuhrlohn vor das Würzburger Brückengericht geladen und dort ein für Moninger positives Urteil erwirkt. Als die Buchner dem Urteil keine Folge leisteten, sprach das Geistliche Gericht zu Würzburg den Bann über sie aus; die markgräfliche Beschwerde darüber wurde von Bischof Lorenz zurückgewiesen.180 Wie sehr hier herrschaftliche Interessen eine Rolle spielten, zeigt der Fall des Hans Dunckel zu Feuerbach,181 der 1497 von einem Bauern des unter Würzburger Herrschaft stehenden Klosters Schwarzach am Würzburger Brückengericht verklagt und, nachdem Dunckel als markgräflicher Untertan dieses Gericht abgelehnt hatte, 1498 vom Geistlichen Gericht in den Bann erklärt wurde. In einem Bericht an Markgraf Friedrich schilderte Dunckel, daß er mit seinem Widerpart vor dem Schwarzacher Abt verhandelt, ein Mönch 175
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Diese Aussage wird z.B. partiell bestätigt durch UBWü, M.ch.f. 442, 109', 3 4 5 - 3 4 6 ' (zum Jahr 1494). Stb. 721, 85'-87', Zitat 86'f (27.2.1500). Hans von Bibra ( f l 5 2 9 ) , anscheinend sowohl in markgräflichen wie in würzburgischen Diensten, vgl. Rechter, Klientel, Nr. 19. Stb. 721, 90'-92'. Noch im letzten erhaltenen Protokollbuch des Würzburger Landgerichts von 1517 finden sich Fälle aus den Maindörfern Marktsteft und Obernbreit (Stb. 870, 96, 110', 161,320). Stb. 721, 88'f. StAN, K L B N 47. Zu Moninger vgl. auch Priebatsch, Korrespondenz I, Nr. 986, 997 u.ö. Besitz und Herrschaftsrechte in Feuerbach (nördl. von Kleinlangheim) hatten zumindest das Kloster Schwarzach, die Grafen von Castell und die zollerischen Markgrafen; zudem gehörte der Ort zur würzburgisch-castellischen Zent Schwarzach. Vgl. Weber, Kitzingen, 29, 118, sowie das Weistum von 1493 in: Stb. 595, 88'f.
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
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dem ausgleichsbereiten Gegner jedoch geboten habe, sich nicht zu vertragen. Da sich die Schwarzacher Mönche des Falles so sehr annähmen, lebe Dunckel in ständiger Gefahr und könne nicht einmal seine Felder bestellen. Diese Aussage wurde generalisierend in einem Bericht des zuständigen Casteller Amtmanns Hans von Estenfeld an den Markgrafen im April 1498 bestätigt: Die Mönche von Schwarzach würden sich nicht nur bei Dunckel, sondern grundsätzlich unterstehen, keinen im Casteller Amt vor seinen zuständigen Richter zu lassen, sondern alle zur Rechtfertigung in Würzburg zu zwingen. Er als Amtmann lasse jedoch diese Rechtfertigung nicht zu; auch im Falle des Dunckel habe er diesen vom Brückengericht abgefordert. Nun wolle er Anweisung, wie er sich künftig verhalten solle. Die Antwort kam umgehend von Markgraf Casimir: Der Amtmann solle die geschilderte Praxis derer von Schwarzach nicht gestatten und die gerichtliche Verantwortung der Beklagten in Würzburg nicht zulassen. 182 Da die Würzburger Statthalter zudem darauf beharrten, daß die Vogtei des Dorfes Feuerbach ein Lehen der Grafschaft Castell sei und damit im würzburgischen Eigentum stehe 183 , war eine Einigung nicht möglich. 184 Damit war die Frontstellung in allen Ebenen fest untermauert, eine generelle Lösung ausgeschlossen und die Problematik des Einzelfalls den lokalen Amtsgewalten überantwortet. Das geistliche Gericht wurde aber nicht nur gezielt als Zwangsmittel zur Durchsetzung von Land- und Brückengericht verwendet, 185 sondern auch direkt als konkurrierende Gerichtsbarkeit in Anspruch genommen. Grundlage war dafür ab 1447 die in diesem Jahr von Bischof Gottfried erlassene „Reformation" der geistlichen Gerichte. 186 Sie wurde von Markgraf Albrecht heftig bekämpft, 187 aber durch einen Schiedsspruch des Mainzer Erzbischofs grundsätzlich bestätigt 188 und schließlich ausdrücklich von Albrecht aner182
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In diesem Brief vom 22.4.1498 wies Casimir zudem darauf hin, daß es formal nicht korrekt sei, jemanden vom Brückengericht abzufordern, wenn dies (wie im Falle Dunckels) nicht zuständig sei; der Amtmann solle künftig begehren oder bitten, das Vornehmen abzustellen (StAN, K L B N 44). Vgl. oben Anm. 165. Vgl. H. Hoffmann, Das älteste Lehenbuch des Hochstifts Würzburg 1303-1345, 1972, Nr. 1508 (Graf Friedrich von Castell nimmt 1319 vom Würzburger Bischof u.a. die Vogtei in Feuerbach zu Lehen); außerdem hatte Graf Wilhelm II. von Castell 1457 seine Herrschaft dem Bischof Johann zu Lehen aufgetragen (GS III 13). - Nach dem Weistum von 1493 war der Graf von Castell Vogt und Herr des ganzen Dorfes mit allen Geboten und Verboten zu Dorf und Felde (Stb. 595, 89). Vgl. die Korrespondenz in StAN, K L B N 44 und 47; Stb. 721, 42'f. Unter dem Titel Forma Invocationis ist in einem Kopialbuch von Bischof Rudolf ein Formular für die Anrufung des Offizials zur Vollstreckung weltlicher Urteile erhalten (Ldf 12, 727). Darauf bezieht sich auch Lorenz Fries in seiner Hohen Registratur (Stb. 1011, 218') im Abschnitt: Wie die richtere zu voltziehung der vrtail, vor inen ergangen, ain ander vmb hilf ansuchen. Vgl. die einschlägige Tax-Bestimmung in der Brückengerichtsordnung Bischof Gottfrieds (Knapp, Zenten 1/2, 1267-1274). Die Invokation des Geistlichen Gerichts ist in den Wahlkapitulationen der Bischöfe Rudolf und Lorenz eigens festgeschrieben (WU Libell 444, 445), Abert, Wahlkapitulationen, 163. Druck: J. M. Schneidt, Thesaurus iuris Franconici II/3, 540-582. Vgl. insbes. Stb. 717, passim. StAN, WüBü 6, 6-18. Nur ein Artikel betreffend die Gemeinschaft mit Exkommunizierten mußte geändert werden (ebd. ll'f).
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
kannt. 189 Ergänzungen folgten 1470, 190 durch Beschwerden des Landklerus verursachte 191 Ausführungsbestimmungen 1498 192 und eine ausführlichere „Zusatzung vnd erleuterung" 1512 gleichzeitig mit der Landgerichtsreformation als Reaktion auf Klagen des Adels; 193 substanziell freilich blieb die „Reformation" von 1447 bestehen. 1499 beschwerte sich Markgraf Friedrich mit Bezug auf die „Reformation" über einen zeittypischen Mißstand, die Ladung von Bürgermeister und Rat der markgräflichen Stadt Prichsenstadt vor das geistliche Gericht zu Würzburg wegen einer Geldschuld. Tatsächlich war dieser Fall nach der Reformation von 1447 von der Zuständigkeit des geistlichen Gerichts ausgeschlossen, 194 doch argumentierte Bischof Lorenz in seiner Entgegnung, daß es in dieser Angelegenheit um den Bruch eines beeidigten Vertrages ging und der Vertrag zudem die Einschaltung von weltlichen und geistlichen Gerichten vorgesehen habe. 195 Immer wieder finden sich Hinweise über die Durchführung von Prozessen des Würzburger Geistlichen Gerichts im würzburgisch-ansbachischen Uberschneidungsbereich zwischen Main und Aisch. 196 Darüber hinaus war der Einsatz der geistlichen Gerichtsbarkeit auch außerhalb der eigenen herrschaftlichen Anspruchszone möglich, so etwa 1467 in Katterbach (nordöstlich von Ansbach). 197 Der dortige Schäfer, dessen Hof eindeutig markgräfliches Eigentum war, hatte nach Angabe des Bischofs von Würzburg Lehen von diesem in seinen Hof gezogen und die fälligen Abgaben an einige Nürnberger Bürger als Inhaber der Lehen nicht entrichtet. Nachdem diese offenbar vor dem Nürnberger Landgericht erfolglos geklagt hatten, zogen sie vor das Geistliche Gericht in Würzburg und erreichten dort die Ausstellung eines offenen Briefes, in dem die Abgabenzahlung unter der Androhung der Exkommunikation angemahnt wurde. In der darauffolgenden Korrespondenz zwischen Ansbach und Würzburg 1468 berief sich Markgraf Albrecht auch darauf, daß Katterbach südlich der Bergeler Steige in seinem Fürstentum liege. Dieser Hinweis war insofern irrelevant, als es in diesem Streit um das Würzburger Geistliche Gericht ging, das räumlich natürlich auch südlich der Bergeler Steige zuständig war; er macht jedoch
StABa, A 160, 575/2237 (Vertrag vom 15.1.1458). Vgl. Trusen, Auseinandersetzungen, 261-263 (mit weiteren Nachweisen). 190 UBWü, M.ch.f. 5 1 , 1 1 0 - 1 1 1 (Druck: Schneidt, Thesaurus II/4, 745-753); vgl. GS III 41. 191 Ldf 19, 78f; vgl. GS III 62. 192 StAWü, Histor. Saal VII, 22/238. 193 W U 16/168. Zum Kontext: Trusen, Auseinandersetzungen, 264—266. Vgl. auch den Beschwerdetext in: StAN, WüBü 7, zwischen fol. 163 und 164. 194 Generell sollten keine rein weltlichen Sachen vor das geistliche Gericht gezogen werden. Ausnahmen waren: Handgelöbnis an Eidesstatt, säumige weltliche Richter, persönliche Beteiligung eines Klerikers als Partei, Beeinträchtigung von Ehre und Leumund, freiwillige Anrufung durch beide Parteien (Schneidt, Thesaurus II/3, 546f). 195 Stb. 721, 74f. Zur umstrittenen Zuständigkeit des geistlichen Gerichts bei Eidbruch vgl. Trusen, Auseinandersetzungen, 261, 266. 196 Vgl. z.B. Priebatsch, Korrespondenz III, 11 (26.9.1481); StAWü, Geistliche Sachen 2712 (1516). 197 Dazu die Korrespondenz in StAN, WüBü 6 , 1 - 6 . 189
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deutlich, daß es sich sowohl der Sache nach wie in der Auffassung des Markgrafen um eine rein weltliche Angelegenheit handelte. Ganz abgesehen davon, daß die Zusammensetzung und der Rechtsbrauch der drei zentralen Würzburger Gerichtsinstanzen (Landgericht, Brückengericht, Geistliches Gericht) sehr unterschiedlich waren und damit zuweilen Gegensätze in der Sache hervorriefen, waren sie in ihrer Wirksamkeit den markgräflichen Gerichten doch mehrfach überlegen: Den strittigen Einzelfällen stand eine breite Rechtspraxis vor allem des Würzburger Landgerichts entgegen, dessen Kompetenz tatsächlich in vielen Orten, die eindeutig dem Markgrafen unterstanden, traditionsgemäß und regelmäßig von der Bevölkerung akzeptiert wurde. Dies geht auch aus einem Schreiben des Markgrafen Casimir an seinen Kitzinger Amtmann 1522 hervor: 198 Er habe erfahren, daß viele seiner Untertanen im dortigen Amt ihre Vermächtnisse und Verträge etc. am Landgericht zu Würzburg anstatt zu Nürnberg bestätigen ließen, was abgestellt werden sollte. Dies teilten die Statthalter und Räte zu Würzburg, die das erfahren hatten, ihrem Bischof mit, warnten vor der gezielt expansiven Tätigkeit des Nürnberger Landgerichts und davor, wenn man diesen Abbruch der freiwilligen Gerichtsbarkeit dulde, wäre dies nur ein Anfang, daß auch der übrige Gerichtszwang an Ansbach überginge. Dabei wiesen sie darauf hin, daß die freiwillige Gerichtsbarkeit (Konfirmation von Vermächtnissen etc.) in Ansbach billiger sei als in Würzburg und deshalb damit gerechnet werden müsse, daß die Bevölkerung vom bisher beanspruchten Würzburger Landgericht abgeworben werden könnte. 199 An diesen Briefen wird deutlich, daß zumindest bis unmittelbar vor der Reformation die Wirksamkeit des Würzburger Landgerichts vor allem von der Akzeptanz der Bevölkerung getragen war. Die Markgrafen konnten diese als fremde Einflußnahme in ihrer Herrschaft gedeutete Erscheinung nur durch viele kleine Einzelmaßnahmen, wie sie in den oben angeführten Fällen sichtbar werden, bekämpfen. Da diese Maßnahmen der Markgrafen erst in der Regierungszeit des Bischofs Lorenz in den späten 1490er Jahren einsetzten, spricht alles dafür, daß die Rother Richtung und damit verbunden die Einstellung des Nürnberger Landgerichts 1460-1490 dazu beigetragen haben, die Wirksamkeit des Würzburger Landgerichts nördlich von Aisch und Bergeler Steige bis zum Ende des 15. Jahrhunderts zu stabilisieren. Daß dann der Erfolg der Markgrafen nur mäßig sein konnte, ergab sich jedoch auch aus
198 199
17.7.1522 (StAWü, Ger. Kitzingen, 329). 6.12.1522 (StAWü, Ger. Kitzingen 329). Claus von Dettelbach berichtete dem Bischof Conrad von Würzburg am selben Tag in gleicher Sache, daß das markgräfliche Verbot betr. das Landgericht nicht nur in Kitzingen, sondern auch andernorts ausgesprochen worden sei und Schloß sich dem Urteil der Räte an, daß nur der Schwäbische Bund dagegen helfen könne. Laut Notiz vom 9.6.1523 hatte Markgraf Casimir dieses Verbot an die Kitzinger wegen der Handlungen des Bischofs Conrad bey gemeynen bundsstennden abstellen müssen (vgl. in diesem Kontext auch A. Tausendpfund, Der Beitritt des Hochstifts Würzburg zum Schwäbischen Bund, 1975). Noch am 2.10.1579 beschwerte sich Markgraf Georg Friedrich wegen der Ladungen seiner Untertanen vor das Würzburger Landgericht unter Berufung auf seine kaiserliche Befreiung von fremder Gerichtsbarkeit über seine Untertanen (ebd.).
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der Würzburger Praxis, im Zweifelsfall mit der Folgewirkung des Banns ein gefürchtetes Zwangsmittel einzusetzen, das die Mehrheit der kirchlich-religiös gebundenen Bevölkerung gefügig zu machen vermochte. Die hohe Wirksamkeit der ineinander verschränkten weltlichen und geistlichen Gerichtsbarkeit des Würzburger Bischofs vermag auch zu erklären, warum schon Markgraf Albrecht und dann seine Nachfolger nicht nur die Kompetenz der geistlichen Gerichte in weltlichen Angelegenheiten so heftig bekämpften, sondern die von Würzburg demonstrierte enge Verknüpfung des weltlichen und geistlichen Bereichs insgesamt grundsätzlich in Frage stellten. Dies zeigt sich auch bei den weiteren Streitigkeiten um die Konsequenzen der Würzburger geistlichen Jurisdiktion.
b) Geistliche Jurisdiktion über Klerus und Klöster Die geistliche Jurisdiktion betraf nicht nur die Kompetenz des Würzburger Geistlichen Gerichts, 200 die hier im sachlichen Zusammenhang von Landgericht und Brückengericht darzustellen war. Weitere Bereiche sind die Zuständigkeit des Würzburger Bischofs für die Weltgeistlichen in seiner Diözese sowie für die dort angesiedelten Klöster. Auch hier lassen grundsätzliche Zusammenstöße die unterschiedlichen Auffassungen deutlich werden. Von seinen Weltgeistlichen konnte der Würzburger Bischof nach dem kanonischen Recht erwarten, daß sie nicht nur ausschließlich vor ihm ihren Gerichtsstand hatten, sondern sich ebenso seinen disziplinarischen Anweisungen fügten und die mit ihren Pfründen verbundenen bischöflichen Abgaben und Steuern entrichteten. Ebenso war die monastische Praxis der Kontrolle des Bischofs unterworfen, der außerdem als geistlicher Ordinarius materielle Unterstützung von seinen Klöstern verlangen konnte. Damit verfügte der Bischof theoretisch flächendeckend und weit über seine weltlichen herrschaftlichen Positionen hinaus über ein ihm zum Gehorsam verpflichtetes Personal sowie über eine recht ergiebige Finanzquelle. Beides wurde jedoch - einer allgemeinen zeitgenössischen Tendenz folgend - vor allem von Markgraf Albrecht und seinen Nachfolgern angefochten. 201 In allen Auseinandersetzungen verfolgten die Markgrafen Albrecht und Friedrich eine klare Linie: Alle Elemente weltlicher Herrschaft sollten den Markgrafen zustehen; die geistlichen Rechte des Würzburger Bischofs wur200
201
Die Auseinandersetzungen um die Sendgerichtsbarkeit der Archidiakone sind nur in Einzelaspekten berücksichtigt, da sie hier überwiegend nicht relevant sind. Vgl. generell Trusen, Auseinandersetzungen; W . Engel, Zur Geschichte des spätmittelalterlichen Sends im Bistum Würzburg, 1952/53. Vgl. zu den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen generell Seyboth, Markgraftümer, 3 0 6 - 3 1 5 . Zur Rechtsentwicklung: H. E. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte. Die katholische Kirche, 5 1972, 3 9 3 - 3 9 5 , 4 5 3 ^ 5 9 , 49CM94, 4 9 6 - 5 0 2 . Zum sog. (vorreformatorischen) landesherrlichen Kirchenregiment (vgl. ebd.) finden sich zur neueren Forschung nur knappe Hinweise bei Schulze, Fürsten und Reformation, 13—45; eine systematische Zusammenschau der bisherigen Forschungsergebnisse bleibt Desiderat.
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den theoretisch anerkannt, für ihre Ausübung jedoch die markgräfliche Kontrolle reklamiert. Diese Kontrolle betraf z.B. die Ausübung der Würzburger Sendgerichtsbarkeit im markgräflichen Herrschaftsbereich 202 sowie disziplinarische Maßnahmen. 203 In bezug auf die Klöster war es den Zollern im Verlauf des Spätmittelalters gelungen, diese aufbauend auf umstrittene Vogteirechte dem eigenen Herrschaftsbereich teilweise einzugliedern. Im Verhältnis zu Würzburg waren im 15. Jahrhundert vor allem die weltlichen Rechte über folgende Klöster umstritten: Birkenfeld und Frauenthal (Zisterzienserinnen), Frauenaurach (Dominikanerinnen), Kitzingen (Benediktinerinnen), Münchaurach und Münchsteinach (Benediktiner) sowie Sulz (Prämonstratenserinnen); hinzu kam das Kollegiatstift St. Gumbert in der Residenz Ansbach selbst (s. die Karte S. 85). Unter Albrecht Achilles wurde ein Zustand erreicht, nach dem der Markgraf aus seinem „Schutz und Schirm" zumindest fallweise faktisch Steuerzahlungen ableiten konnte. Außerdem vermochte er u.a. durch die Beeinflussung der Abtswahl die Abhängigkeit der Klöster zu verstärken und zuweilen weitere Rechte, etwa die Hochgerichtsbarkeit und Elemente der Niedergerichtsbarkeit, an sich zu ziehen. 204 Im Falle des bisher einzig näher untersuchten Münchsteinach z.B. ist jedoch klar festgestellt worden, daß der Markgraf „im Grunde genommen bis 1529 nur Schutz und Schirm über das Kloster und die Hochgerichtsbarkeit übte". 2 0 5 Eine wesentliche Verbesserung ihrer Ausgangssituation lag für die Markgrafen in der weitestmöglichen Ausschaltung des Würzburger Einflusses über das in ihrer Ansbacher Residenz selbst gelegene Kollegiatstift St. Gumbert. Hier konnte Albrecht Achilles gegen heftigen Würzburger Widerstand in den 1460er und 1470er Jahren erreichen, daß sein personeller Einfluß institutionell abgesichert wurde: Die am 5.2.1446 2 0 6 und 18.1.146 0 2 0 7 erlangten päpstlichen Privilegien, wonach er das Patronats- und Präsentationsrecht für die Propstei und zwei weitere Chorherrenpfründen erlangte, wurden ebenso wie die angebliche Exemtion des Ansbacher Stifts von der Würzburger geistlichen Jurisdiktion 208 durch die Rother Richtung bereits am 24.6.1460 wieder aufgehoben. 209 Papst Paul II. bekräftigte diesen Schiedsspruch nochmals mit Urkunde vom 11.2.1469. 2 1 0 Am 19.2.1472 gelang Albrecht Achilles jeDazu Engel, Sendgerichtsbarkeit, beruhend auf: StABa, C III 975. Seyboth, Markgraftümer, 308. 204 Zum Ganzen Seyboth, Markgraftümer, 309-311. Exemplarisch umfassend: G. Pfeiffer, Die Rechtsstellung des Klosters Münchsteinach, 1963. Zum Stift Ansbach vgl. W. Scherzer, Ansbach - Vom bischöflichen Eigenkloster zum markgräflichen Territorium, 1990/91; hier weniger ergiebig: A. Bayer, St. Gumberts Kloster und Stift in Ansbach, 1948. Zu Kitzingen: H. Petzold, Abtei Kitzingen, 1955, 81-83. 205 Pfeiffer, Rechtsstellung, 279. 206 GS II 182. 207 R G VIII Nr. 76. 208 Vgl. z u (J e n bisher urkundlich nicht nachweisbaren Privilegien für Albrecht Achilles auf dem Fürstenkongreß zu Mantua GS III 5f. 209 w u 2/11. 210 W U 2/16; Datierung in der Literatur meist fälschlich 11.2.1468. 202 203
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doch erneut und diesmal endgültig die päpstliche Bestätigung motu proprio des Patronatsrechtes über die Ansbacher Propstei und damit verbunden das Archidiakonat Rangau sowie je zwei Kanonikate in Ansbach und Feuchtwangen. 211 Damit hatte er den Kernbereich seines Ansbacher Fürstentums auch hinsichtlich der Sendgerichtsbarkeit des Archidiakons durch die nun mögliche Besetzung mit einem markgräflichen Gefolgsmann dem unmittelbaren Einfluß Würzburgs entzogen. Zwar versuchten Bischof Rudolf von Würzburg und sein Domkapitel 1478 beim nächsten Freiwerden der Ansbacher Stiftspropstei die Besetzung durch Markgraf Albrecht oder zumindest die Einverleibung des Rangauer Archidiakonats zu verhindern, doch hatte ihr Protest angesichts der klaren Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg. 212 Die Exemtion von der bischöflichen Jurisdiktion konnten die Markgrafen aber weder für das Ansbacher Stift noch für die übrigen strittigen Klöster erreichen, so daß den Würzburger Bischöfen auch weiterhin Ansatzpunkte für ihr Eingreifen blieben. Kristallisationspunkt der unterschiedlichen Auffassungen über die Rechtsstellung sowohl der Klöster wie des Weltklerus wurde im letzten Drittel des 15. und im beginnenden 16. Jahrhundert die Erhebung der Reichssteuern. Bereits 1474/75 forderte Albrecht Achilles von der Geistlichkeit seines Herrschaftsbereiches einschließlich der Klöster teilweise erfolgreich die Stellung von Kriegswägen für den Reichskrieg gegen Burgund („Neußer Krieg"), handelte sich damit jedoch den Protest des Bischofs Rudolf von Würzburg ein, der solche Leistungen seinerseits (mit partiellem Erfolg) verbot. 213 Zur überaus heftigen, teilweise gewaltsamen Konfrontation kam es jedoch im sog. Pfaffensteuerstreit 1481/82, in dem der grundsätzliche Konflikt zu Tage trat. 214 Als der Reichstag zu Nürnberg im Herbst 1480 eine Türkenhilfe beschloß, 215 wurde der Beitrag des Würzburger Bischofs nach anfänglich höherem Anschlag auf 30 Mann zu Pferde und 78 zu Fuß festgesetzt, der Beitrag von Kurfürst Albrecht Achilles auf 83 Mann zu Pferde und 120 zu
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212 213 214
215
Scherg, Franconica Nr. 374; vgl. RG 10 s.v. Albertus marchio Brandenburg. Weitere Bestätigungen bzw. Erweiterungen des Privilegs folgten am 2.3. und 8.3.1487 (ASV, S 867, 42, 48'-49; frdl. Hinweis von PD Dr. Karl Borchardt). Vgl. das Aktenreferat bei Priebatsch, Korrespondenz II, Nr. 364. Vgl. GS III 30; Stb. 720, 183', 185; Priebatsch, Korrespondenz II, Nr. 148 mit Anm. 1. Umfassende Zusammenstellung der Quellen: Priebatsch, Korrespondenz III, Nr. 713 und 898, ergänzend für Würzburg ebd. Nr. 717, 725, 726, 789, 790, 791, 794, 811, 812, 814, 816, 821, 839, 844, 848, 849, 863, 871, 872, 877, 890, 893, 911. Literaturhinweise bei Seyboth, Markgraftümer, 308 Anm. 791; davon sei als gutes Referat der Würzburger Quellen hervorgehoben W. Boehm, Die Pfaffensteuer von 1480/81 in den fränkischen Gebieten des Markgrafen Albrecht Achilles. Ein kirchenpolitischer Konflikt, 1882. Schilderung der Ereignisse auch bei W. Engel, Passio dominorum. Ein Ausschnitt aus dem Kampf um die Landeskirchenherrschaft und Türkensteuer im spätmittelalterlichen Franken, 1951/52. Eine gründliche wissenschaftliche Darstellung der gesamten Auseinandersetzungen um die „Pfaffensteuer" wäre nützlich. Zu diesem Reichstag immer noch K. Küffner, Der Reichstag von Nürnberg anno 1480, 1892.
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Klöster und Stifte im würzburgisch-ansbachischen Überschneidungsbereich
F u ß . 2 1 6 I m J a n u a r 1481 l i e ß l e t z t e r e r allen G e i s t l i c h e n in unserm furstenthumb gesessen e r ö f f n e n , d a ß sie e i n e n j e w e i l s f e s t g e l e g t e n e i n m a l i g e n B e t r a g
216
HHStA, Fridericiana 4 (1480). Vgl. GS III 25 sowie zu den leicht differierenden Angaben für Markgraf Albrecht: Engel, Passio dominorum, 270 (mit weiteren Hinweisen). Auch
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bis zum 22. Februar 1481 zu leisten hätten. 217 Demgegenüber legte Bischof Rudolf mit Bezug auf diesen ihm sofort hinterbrachten Befehl unverzüglich Protest ein 218 und verlangte seinerseits von seinem Diözesanklerus ein subsidium caritativum zur Aufbringung der Reichshilfe. Von diesem Streit waren ebenso die Bischöfe von Bamberg und Eichstätt betroffen, die teilweise gemeinsam mit dem von Würzburg kooperierten; diese Dimension kann ebenso wie der genaue Verlauf des Streites jedoch hier nicht geschildert werden. In den im Januar 1481 ausgebrochenen Auseinandersetzungen zwischen Würzburg und Ansbach klärten sich die Grundlagen der beiderseitigen Rechtsanschauungen. Markgraf Albrecht unterschied vier verschiedene Gruppen von Geistlichen: Das ein, das sind clöster vnnd annder, die vnns stettigs dienen jn vnnser behausung vnnd sunszt. Die anndern, die vnns dienen jn vnnsern raysen. Die dritten, die vnns dienen alls itzund, so wir dem reich dienen. Die Vierden, do annder fursten geistlich vnd werntlich regierung, schütz vnnd schirm vber haben, do fordern wir nichts vonn .... 219 Die Rechte des Bischofs in geistlichen Sachen, auch die Erhebung des subsidium caritativum, erkannte er explizit an. 220 Eine nähere Bestimmung des weltlichen Rechtsanspruches, den der Markgraf „seinen" Geistlichen gegenüber habe, fehlt hier. Allerdings ist bei den Verhandlungen deutlich zu erkennen, daß zu den von Albrecht generell Beanspruchten neben „seinen" Klöstern in jedem Fall alle Inhaber von Pfründen zählten, bei denen er Patronatsherr war, während er von anderen, die nur in seinem Land und Verspruch säßen, lediglich die Reichshilfe fordere. 221 In bezug auf die Reichshilfe beanspruchte Albrecht jedenfalls im Gegensatz zur vierten von ihm genannten Gruppe alle Geistlichen, über die kein anderer herrschaftliche Rechte geltend machen konnte. 222 Für Bischof Rudolf ging es ausdrücklich nicht um die Frage, wer der weltliche Herr der Geistlichen sei, sondern er beharrte auf dem Standpunkt, daß alle Geistlichen von weltlicher Herrschaft befreit seien und nur ihrem ordentlichen Bischof unterstünden. 223 Zwar waren in seiner Anschauung die geistliche und die weltliche Herrschaft des Bischofs untrennbar verbunden, doch war in diesem Fall nur das geistliche Element betroffen. Dies erklärte er Markgraf Albrecht bezifferte die Zahl der von ihm zu stellenden Reisigen im Brief an Bischof Rudolf vom 26.1.1481 auf 83 (Stb. 720, 183'; vgl. Quellenanhang N r . 1). Zu berücksichtigen ist, daß sich dieser Anschlag nicht nur auf die fränkischen, sondern auch auf die märkischen Gebiete bezog. 217 Stb. 720,182 (9.1.1482 = Priebatsch, Korrespondenz III, 4f). 218 Ebd. 183f (23.1.1482), vgl. Priebatsch, Korrespondenz III, 5. Beide Briefe auch im Q u e l lenanhang N r . 1. 219 StAWü, Misceli. 1030 (5.2.1481, Ausfertigung); vgl. Priebatsch, Korrespondenz III, 6. 220 Vgl. z.B. ebd., Priebatsch, Korrespondenz III, 9 (13.4.1481). 221 So etwa Priebatsch, Korrespondenz III, 92 (Markgraf Albrecht an Graf H a u g von Werdenberg, 10.9.1481). 222 Vgl. etwa Engel, Passio dominorum, 283f betr. Uhlfeld. 223 Yg] e t w a die betr. Passagen in seinen Briefen vom 2.2. und 11.2.1481 (hier Stb. 720, 186', 195').
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dem Markgrafen - der die geistliche Jurisdiktion für irrelevant erklärt hatte mit den Worten: aller fursten gut ligt jnn stiefften224 - in bezug auf das Wort „Stift" wie folgt: So ist es doch vnnsern halben so clare vnd allein v f f vnnser geystlichkeit jn vnnserm furstenthumb vnd stifft gesatzt, das es v f f keinen weiteren läufft oder der fursten gute, dorjnnen ligent, gezogen werden mage225 Die übrige Argumentation, die sich vor allem auf die Frage nach dem Herkommen der Besteuerungsrechte konzentrierte und teilweise mit rhetorischen Leistungen auf beiden Seiten glänzte, braucht in diesem Zusammenhang nicht referiert zu werden. Der grundlegende Gegensatz, nach dem der eine den Streit als geistliche, der andere als weltliche Angelegenheit verstand, verhinderte jedenfalls zunächst nicht nur eine direkte Einigung, sondern auch die gemeinsame Anrufung von Rechtsinstanzen, da diese jeweils bei einem der Gegner als nicht zuständig verworfen wurden. Die Eskalation des Konflikts war damit unvermeidlich. Bischof Rudolf befahl bereits im Februar 1481, die Reichshilfe an ihn zu entrichten, und verbot jede Zahlung an den Markgrafen bei Strafe der Exkommunikation; alle an der Steuererhebung Beteiligten waren demnach dem Bann verfallen und in dem Archidiakonat, in dem diese sich aufhielten, sollte das Interdikt verhängt werden. 226 Dieses Vorgehen wurde unterstützt durch drei entsprechende päpstliche Mahnschreiben vom 10.5.1481 an Bischof Rudolf, seinen Diözesanklerus sowie Markgraf Albrecht. 227 Tatsächlich weigerten sich zahlreiche Geistliche, aber auch markgräfliche Amtleute, unter Berufung auf die geistliche Strafandrohung, die von Albrecht befohlene Abgabe zu leisten. 228 Auf markgräflicher Seite trat nach anfänglich scharfem Vorgehen im März 1481 wegen der Reichstagsverhandlungen 229 bis August ein Stillstand ein. Dann jedoch fuhr Albrecht mit aller Härte fort: Er ließ vorsorglich Steuereintreiber einsetzen, die des bannes nicht sere achteten,230 veranlaßte Drohungen gegenüber Geistlichen, ihre Konkubinen durch die weltlichen Richter aus dem Haus jagen zu lassen 231 und schreckte auch vor körperlicher Gewalt 232 und der Vertreibung von den Pfründen 233 nicht zurück. Ebenso ließ er anstelle von ungehorsamen Geistlichen deren Verwandtschaft oder deren Abgabepflichtigen zur Geldzahlung heranziehen. 234 224 225 226
227 228 229
230 231 232 233 234
Stb. 720,184 (26.1.1481), vgl. Priebatsch, Korrespondenz III, 5; Quellenanhang 1 (S. 286) Stb. 720, 186' (2.2.1481), vgl. Priebatsch, Korrespondenz III, 5f. Priebatsch, Korrespondenz III, 6; Engel, Passio dominorum, 273. Text des Mandats vom 8.2.1481: Stb. 892, 73-74. Stb. 892, 7 7 - 7 8 ' ; vgl. Priebatsch, Korrespondenz III, 8. Vgl. Engel, Passio dominorum, 277f. Erneute Versammlung in Nürnberg zur Durchführung der Beschlüsse von 1480 (Küffner, Reichstag, 80). Zit. nach Boehm, Pfaffensteuer, 11 (2.9.1481). Engel, Passio dominorum, 279. Ebd. 280. Priebatsch, Korrespondenz III, 21 Anm. 3. Engel, Passio dominorum, passim, z.B. 280f.
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Insgesamt zeigte sich in diesem Konflikt die große Bedeutung der tatsächlich mehrfach durchgeführten Kirchenstrafen, gegen die Markgraf Albrecht nur Einzelerfolge erzielen konnte. Ein Beispiel dafür ist der Brief vom Dekan des Würzburger Landkapitels Schlüsselfeld, Heinrich Piscator, an den markgräflichen Amtmann zu Dachsbach, Hans von Egloffstein, in dem er im November/Dezember 1481 in klaren Worten den für ihn eindeutigen Sachverhalt ausdrückte: Wann mein herr von Wirzpurg legt ein stewr unter die bristerscbafft, so schreibt mir sein gnad dy einzufordern, oder was er begert an die bristerscbafft[;] und ob mir sein gnad brieff zuschickt anzutreffen das Capitel, die mus ich antworten der briesterschafft bey meinem eyd. Darumb lieber herr, so ist in vergangen tagen ein Brieff ausgangen nach sant Dorotheentag2i5, in demselben Brieff hat mein gnediger herr von Wirzpurg geschriben der Pfaffheit bei dem pan, meinem gnedigen herrn dem Markgraven nichts zu geben noch zu reichen, so weß ewr gnade wol, das wir müssen gehorsam sein, wir wollen dann treulos und maynaydig werden, und darzu kommen in pan.2ib Bischof Rudolf wurde in seiner Position bestärkt durch eine Bulle von Papst Sixtus IV. vom 9.2.1482, 237 die gegen den Widerstand Albrechts noch im Februar expediert wurde,238 mit scharfen Strafandrohungen die Zahlungen an den Markgrafen verbot und diesem strafbewehrte Fristen für die Rücknahme seiner Forderungen setzte. Ein (weiteres) päpstliches monitum penale sub gravibus censuris von Anfang März gelangte aufgrund der guten Beziehungen Albrechts in kuriale Kreise jedoch nicht zur Ausfertigung.239 Letztlich endete der Konflikt ohne wirkliche Lösung: Am 10.8.1482 vereinbarten würzburgische und ansbachische Räte, daß beide Seiten ihre auf die „Pfaffensteuer" bezogenen Maßnahmen einstellen würden.240 In den folgenden Jahrzehnten bildete die Erhebung von Reichssteuern von den Weltgeistlichen offenbar keinen Reibungspunkt mehr,241 während sie in Gemeint ist das Ausschreiben des Würzburger Bischofs vom 8.2.1481 (Feria V post Dorothea), vgl. oben Anm. 226. 2 3 6 Zit. nach J. v. Minutoli (Hg.), Das kaiserliche Buch des Markgrafen Albrecht Achilles, 1850, 366f. Vgl. dazu Engel, Passio dominorum, 282 (Anm. 42) und 284. 237 W U 86/102. 238 Vgl. Frenz, Kanzlei der Päpste, Urk. Nr. 128, auch zur Datierung. 239 Vgl. Engel, Passio dominorum, 290f; Priebatsch, Korrespondenz III, passim. 240 W U 2 / 1 0 . 241 So die explizite Aussage von Markgraf Friedrich hinsichtlich der Steuererhebung 1497 (StAN, WüBü 9, 144'). - Ein Konflikt um die Würzburger Weltkleriker ist nur für das Jahr 1489 bezeugt (nach StABa, C III 985): Bischof Rudolf von Würzburg wollte sich einen Überblick über die Pfründen in seinem Bistum verschaffen und ließ deshalb allen Geistlichen sowie den Kollatoren, Bürgermeistern und Räten etc. bei Strafe des Banns gebieten, Urkunden über die Fundation und die Einkünfte der geistlichen Lehen vorzulegen. In einem Schreiben vom 1.6.1489 bat Markgraf Friedrich, solch fumemen gegen geistlichen vnd wemtlichen vntter vnns wonhafftig sein abzustellen vnd sie mit solcher newrung vnd beSchwerting vnbelestigt zulassen. Bischof Rudolf machte darauf geltend, daß viele Patronatsherren über die nachlässige Pflichterfüllung von Pfründeninhabern geklagt hätten. Weil der Sache nur durch Kenntnis der Fundation beizukommen ist, vnnd wir als geistlicher furste vnnd sunderlich auß vnserm bischofflichem ampte gots dinst zu furderen gneigt sind, habe er 235
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bezug auf die Klöster umstritten blieb. 1492 protestierte Markgraf Friedrich in Würzburg gegen die Steuer duplicem decimarti auf den Klöstern und dem Stift zu Ansbach, da es sich um eine Reichssteuer handele, die nach dem Herkommen den Markgrafen als den lanndsfursten zustehe.242 Tatsächlich konnte er sich mit Bischof Rudolf einigen, daß Steuern aufgrund von Reichsanschlägen vorläufig nicht erhoben werden sollten; das bischöfliche Steuerrecht stritt der Markgraf dabei nicht ab. Unter Berufung auf diese Abmachung und unter Androhung der Exkommunikation konnte Bischof Rudolf daraufhin seine - als geistliche Steuer interpretierte - Forderung gegenüber dem Abt und Konvent zu Münchaurach durchsetzen und auch vom Markgrafen deren prinzipielle Anerkennung erreichen.243 Die nächste große Auseinandersetzung betraf den 1495 auf dem Wormser Reichstag beschlossenen Gemeinen Pfennig.244 Dessen Erhebung zeichnete sich dadurch aus, daß er nicht mehr den Reichsständen allein überlassen, sondern ihrem Zusammenwirken mit Reichskommissaren anvertraut wurde. Bezüglich der Angehörigen des geistlichen Stands waren eigene, geistliche Kommissare vorgesehen, die im Beisein von Beauftragten der jeweils zuständigen Bischöfe die Steuer einnehmen sollten.245 Anfang 1497 belegte jedoch Bischof Lorenz alle Geistlichen seiner Diözese mit dem Gemeinen Pfennig.246 Markgraf Friedrich hingegen wandte sich am 27.2.1497 an die Schatzmeister in Frankfurt mit der Bitte, für „seine" Klöster 247 den Heilsbronner Abt als geistlichen Kommissar zu bestimmen.248 die processe auß vnser bischofflichen oberkeit lassen außgeen, um Klarheit zu schaffen (25.6.1489). Mit der Begründung gegenüber dem Bischof, daß damit Streitereien zwischen Geistlichen und Weltlichen vorprogrammiert seien (27.6.1489) verbot Markgraf Friedrich nun in seinen Amtern die Befolgung des Würzburger Befehls. Nach Einschaltung des Dompropstes Kilian von Bibra zeigten sich beide Seiten kompromißbereit; es fehlen jedoch Nachrichten über die weitere Entwicklung. 242 Vgl. Jen Befehl des Markgrafen Friedrich an Conrad von Berlichingen vom 4.9.1492 mit dem beiliegenden Text der „Werbung" (StAN, WüBü 6, 145f) und der Nachricht des Landhofmeisters an den Markgrafen vom 14.9.1492 (ebd. 146f). Trotz interner Kommunikationsprobleme kam diese Intervention beim Würzburger Bischof an (ebd. 146'f, 148-149). Es handelte sich vermutlich um die auf dem Nürnberger Tag 1491 beschlossene Reichshilfe (vgl. Wiesflecker, Maximilian, II 212). 243
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Vgl. die diesbezügl. Schreiben vom 17.8. bis 6.9.1493 (StAN, WüBü 6, 147-149'), daneben auch die Behandlung auf dem Tag zu Kitzingen 1494 (ebd. 163). Dazu allgemein RTA m.R. V; P. Schmid, Der Gemeine Pfennig von 1495, 1989, hier bes. 514f. Schmid, Der Gemeine Pfennig, 238-241. Ausschreiben des Bischof Lorenz betr. die Erhebung des Gemeinen Pfennigs an alle geistlichen und weltlichen Untertanen, 11.1.1497 (StAWü, Histor. Saal VII 16/234, 2-3). Am 30.1.1497 wandte sich Bischof Lorenz an die Abte von Ebrach, Banz, Bildhausen, Theres und Schwarzach und forderte von ihnen über sein voriges, unter dem Vikariatamtsiegel ergangenes Mandat betr. den Gemeinen Pfennig, daß bei ihnen nicht nur ihre geistlichen Verwandten (Klosterangehörige), sondern auch die weltlichen zahlungspflichtig seien (ebd. 3'f). Vgl. auch RTA m.R. V Nr. 1690. Im Brief angeführt: Heilsbronn, Auhausen, Wülzburg, Heidenheim, Solnhofen, Münchsteinach, Münchaurach, Langenzenn, Kitzingen, Birkenfeld, Frauenaurach, Frauenthal, Hof, Himmelkron sowie die Stifte zu Ansbach und Feuchtwangen. StAN, WüBü 9,137.
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Unterm gleichen Datum beschwerte er sich bei Bischof Lorenz mit Bezug auf den Wortlaut des Wormser Reichsabschiedes über dessen Forderung an die Klöster Münchsteinach, Langenzenn, Münchaurach, Kitzingen, Birkenfeld, Frauenaurach, Frauenthal, Sulz sowie das Stift Ansbach, den Gemeinen Pfennig von den geistlichen Personen zu entrichten.249 Gleichzeitig wies der Markgraf diese Institutionen auf die Beachtung des Wormser Reichsabschiedes in bezug auf die Erhebung des Gemeinen Pfennigs hin.250 Bischof Lorenz wiederum protestierte umgehend am 4.3.1497 dagegen, daß der Markgraf die genannten Klöster sowie das Ansbacher Stift ebenfalls herangezogen habe;251 der Markgraf habe der geistlichen halben gar nichts zu solchem zu handeln·, zudem sei auf dem Reichstag zu Lindau die Erhebung des Gemeinen Pfennigs von den Geistlichen durch die jeweiligen (geistlichen) Reichsstände beschlossen worden.252 In konsequenter Fortsetzung der Politik seines Vaters antwortete Friedrich, daß er die geistlichen Kompetenzen des Bischofs über die fraglichen Klöster nicht bestreite, so steen sie doch jnn der werntlichkait vnns vnd vnnserm furstenthumh z#. 253 Seinem Beharren darauf, daß nur der Wormser Reichsabschied schriftliche Bestimmungen über die Erhebung getroffen habe, hielt Bischof Lorenz den Gebrauch bei seinen anderen Nachbarfürsten (Mainz, Kurpfalz, Herzöge von Sachsen, Pfalz-Mosbach) entgegen, die in ihren Fürstentümern seine Besteuerung der Geistlichen der Würzburger Diözese zuließen.254 Als Markgraf Friedrich daraufhin den Hans von Zugenreut zu Bischof Lorenz nach Würzburg sandte, stritt dieser das behauptete herkömmliche Steuerrecht des Markgrafen ab, erklärte sich aber schließlich doch bereit, der Benennung eines geistlichen Kommissars durch die Frankfurter Schatzmeister zuzustimmen, ausgenommen das Kloster zu Kitzingen, das solt pleyben bey dem stifft.255 Während Bischof Lorenz hier einlenkte, um die offene Eskalation zu vermeiden, arbeitete er gleichzeitig weiterhin an der Einbindung der strittigen Klöster in sein „Stift". Schon 1496 hatte er vom Kloster Frauenthal und womöglich weiteren Klöstern die Stellung von Fuhrwägen gefordert, um sein Recht auf den Dienst des Klosters zu dokumentieren.256 Da er aufgrund der Verbote des Markgrafen nichts erreichen konnte, ließ er am 10.4.1497 im Kloster Frauenthal und am 1.5.1497 im Kloster Münchsteinach jeweils ca. 30 Reiter einfallen, die Atzung und Lager begehrten und durch ihr wüstes Auf249 250 251
252 253 254 255
256
St AN, WüBü 9,137'f. StAN, WüBü 9,138f. Dieser hatte „seine" Klöster bereits am 20.10.1495 zu Verhandlungen über den Gemeinen Pfennig nach Ansbach einberufen (StAN, Ansbacher Reichstagsakten 7,19). StAWü, Geistliche Sachen 1564 (Konzept); StAN, WüBü 9, 1 3 9 - 1 4 0 ' . 9.3.1497: StAWü, Hoheitssachen 1193 (Ausfertigung); StAN, WüBü 9, 1 4 0 - 1 4 1 ' . 27.3.1497: StAN, WüBü 9, 1 4 2 - 1 4 3 ' . StAN, WüBü 9, mit der Werbung ( 1 4 3 - 1 4 5 ' ) und dem Bericht Zugenreuts vom 12.4.1497 ( 1 4 5 - 1 4 7 ) , Zitat 147. StAN, WüBü 9, 123-125' (16.8.^.12.1496). Auf die Proteste und Gegenmaßnahmen des Markgrafen Friedrich erklärte Bischof Lorenz zurückhaltend, daß er nur sein herkömmliches Recht beansprucht habe, aber sich nochmals eingehender mit der Sachlage befassen werde.
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
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treten die Klosterinsassen in Angst und Schrecken versetzten.257 Der Markgraf befahl den Betroffenen, sich nach Kräften zu wehren und den benachbarten Amtleuten, derartige Vorfälle künftig mit allen Mitteln zu unterbinden. Wohl nicht zuletzt im Hinblick auf die Ereignisse im Kloster Frauenthal schärfte er dem Kloster Kitzingen nochmals eindringlich das Verbot jeder Steuerzahlung an den Bischof ein.258 Eine offene Erörterung dieser Maßnahmen zwischen Bischof und Markgraf fand jedoch offensichtlich wegen der festgefahrenen Argumentation und dem auf beiden Seiten massiv bekundeten Willen zum nachbarschaftlichen Einvernehmen nicht statt. Wie sehr beide Seiten in bezug auf die Rechtsstellung der Klöster sensibilisiert waren und dennoch die Eskalation vermieden, geht aus einem Vorfall wenige Monate später hervor. Bischof Lorenz teilte am 30.8.1497 dem Abt von Münchsteinach mit, daß er einigen Personen bis Weihnachten Geleit zugesagt habe.259 Umgehend, am 14.9.1497, schickte Markgraf Friedrich einen Beschwerdebrief nach Würzburg, in dem er darauf hinwies, daß das closter Steinach mit seinen zugehörigen leuten vnnd guten vnns zusteet und er daher zu vergeleiten habe.260 Bischof Lorenz hielt es deshalb für nötig, seinen Generalvikar Johann Schott von Schottenstein und seinen Hofmeister Hans Fuchs am 27.9.1497 nach Ansbach zu schicken, die dort mit den Spitzenvertretern der markgräflichen Regierung verhandelten. Die bischöflichen Gesandten erklärten, ihr Herr habe dem Abt das Geleit verkünden lassen mit der einwandfreien Formulierung, an den enden do sein gnad zuglayten hab. Dies sei nicht unbillig, denn der Abt sey sein prelat vnnd seinen gnaden globt vnnd geschworn, sein schaden zu warnen, sein frumen zu furdern vnnd jm gehorsam zusein; deshalb könne der Bischof die Reaktion des Markgrafen nicht verstehen.261 Die markgräflichen Vertreter wiesen dagegen darauf hin, im Geleitsbrief habe der Bischof insgesamt Geleit gegeben, nicht nur dort, wo er dies dürfe. Dies habe ausgesehen, als wolle er etwas potmessigkait vff dem aht vnnd den seinen an sich bringen. Das Geleit aber sei ein weltliches Regal und der aht vnnd closter Stainach stee in der werntlichkait nymantz zu dan seinen gnaden.262 Mit diesen beiderseitigen Erklärungen waren die jeweiligen Rechtsstandpunkte ausgesprochen und die einseitige Ausübung des beanspruchten Herkommens gegenüber dem Kloster unterbunden; sachlich blieb diese Episode ohne Folgen. Im Verzeichnis der geistlichen Institutionen, die 1497 den Gemeinen Pfennig an Würzburg entrichteten, finden sich für die Klöster aus dem markgräflichen Anspruchsbereich keine Summenangaben; das Ansbacher Stift ist mit dem Vermerk aufgeführt, daß es auf Befehl des Markgrafen Friedrich nichts
257 Vgl. die Korrespondenzen und den detaillierten Bericht des Vogts von Münchsteinach in StAN, WüBü 9 , 1 2 3 - 1 2 9 . 258 19.4.1497: StAN, WüBü 9,147'f. 259 StAN, WüBü 9 , 1 0 4 . 260 Ebd. 104'. 261 Ebd. 104'-105\ 262 Ebd. 105'f.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
gebe.263 Umgekehrt ist dieser summarischen Liste gegenüber von den markgräflichen Einnehmern jeweils die genaue Abgabesumme für die Untertanen der strittigen Klöster angeführt, während die Mönche und Nonnen selbst fehlen.264 Damit hatte sich der Markgraf in diesem Fall bezüglich der Klosteruntertanen faktisch durchgesetzt; über die Klosterinsassen selbst fehlen eindeutige Informationen. 1505 forderte Bischof Lorenz von Würzburg von der Äbtissin des Klosters Sulz mit Bezug auf die vom Kölner Reichstag265 beschlossene Reichshilfe deren Beteiligung an dieser Steuer. Dieweil ir dan vnns vnnd vnnserm stifft zu gaistlichenn vnd andern sachenn als jrem rechtenn ordinario angehörig vnnd derhalbenn verwant, auch von alter here jnn der gleichen anslegenn als billich gesetzet worden seit, verlangte er die Zahlung der im beigelegten Zettel mitgeteilten Summe bis Weihnachten an seinen Fiskal.266 Demgegenüber verboten Markgraf Friedrich bzw. seine Räte allen Klöstern jede Zahlung an die jeweils zuständigen Bischöfe; widrigenfalls müßten sie dem Markgrafen das Zehnfache entrichten.267 Zumindest für das Stift Ansbach und die Klöster Frauenthal und Sulz liegen Berichte des Ansbacher Dekans Leonardt Keller vor, nach denen diese die Abgabenzahlung in Würzburg konsequent verweigerten.268 1507 wollte der würzburgische Marschall die .herkömmliche' Atzung im Kloster Steinach einnehmen; als sich der Abt weigerte, nahm er ihm vier Pferde als Pfand ab. Im Gegenzug beschlagnahmten die markgräflichen Amtleute zu Kitzingen die Habe Würzburger Bürger. Bis 1510 zog sich dieser Streit hin, wobei sich Würzburg darauf berief, daß die Atzung zu Steinach herkömmlich sei, die Markgräflichen jedoch darauf beharrten, daß die Zollern seit Jahrhunderten die weltliche Obrigkeit über das Kloster ausübten,... sey seltzam zu hören, das eyner die atzung haben solle, der den schirm doch nit hat. - Der Ausgang ist nicht bekannt.269 1510 ging es wieder um die Erhebung der Reichssteuer: Bischof Lorenz schrieb eine Steuer an das Ansbacher Stift aus, wobei er sich auf die von den Reichstagen zu Konstanz (1507) und Augsburg (15 1 0)270 festgelegte Würz-
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StAWü, Misceli. 1053. Prinzipiell wird in dieser Würzburger Liste unterschieden zwischen den Konventualen, ihrer familia und den subditi. So zahlten z.B. beim Kloster (Münster)Schwarzach alle drei Gruppen an den Bischof, beim Kloster Amorbach nur die erstere, während die familia die Steuer dem Mainzer Erzbischof entrichtete. Rechter, Reichssteuerregister: Frauenaurach (249-254), Münchaurach (255-266), Birkenfeld (267-277), Kitzingen (315), Münchsteinach (386-396), Frauenthal (397-402), Stift Ansbach (463-476), Sulz ( 4 8 5 ^ 9 0 ) . Vgl. dazu Wiesflecker, Maximilian, III 214-216. 1 5.10.1505. Dieser und die folgenden Briefe nach einem unfoliierten Abschnitt in StAN, WüBü 7, vor fol. 187 bzw. nach fol. 188. 24.10. und 4.12.1505 (ebd.). In einem Schreiben vom 3.12.1505 verwiesen die Räte gegenüber Markgraf Friedrich auf die Verhandlungen von 1497 betr. den Gemeinen Pfennig und vertraten eine harte Linie gegenüber dem Würzburger Bischof. Ohne Datum (ebd.). Stb. 721, 209-211, 219'f, 267', 268'f, 272', 277' (Zitat), 281, 282'. Wiesflecker, Maximilian, III 354-379, IV 259-269.
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
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burger Zahlungspflicht berief.271 Der mehrfachen Beschwerde des Markgrafen Friedrich 1511, daß die Einnahme der Reichssteuer von seinen Stiften und Klöstern nur ihm alls jren furstenn vnd schutzherrnn zugeburt272, begegnete Lorenz mit der Aussage, daß er eine geistliche Steuer als Bischof erhoben habe.273 Markgraf Friedrich stritt dies ab und beharrte darauf, daß es sich um die Aufbringung der Reichssteuer handele, die nur ihm zustehe; die geistliche Zuständigkeit des Bischofs und sein geistliches Steuerrecht akzeptierte er dagegen. Doch obwohl Friedrich seinen prelaten die Steuerzahlung strikt verboten hatte,274 war diesmal Würzburg mit seiner Argumentation zumindest in bezug auf das strittige Stift zu Ansbach erfolgreich.275 Damit wird deutlich, daß noch wenige Jahre vor der Reformation die bischöflichen Rechte selbst im Zentrum der markgräflichen Herrschaft theoretisch anerkannt waren. Seine weltlichen Herrschaftsansprüche über die „markgräflichen" Klöster konnte der Würzburger Bischof nicht mehr durchsetzen. Die Handhabung seiner geistlichen Jurisdiktion hingegen verschaffte ihm - wie dies an der Durchsetzung der geistlichen Steuer 1492/93 und 1511 deutlich wird - faktisch einen weitergehenden Einfluß, als dies der Markgraf zulassen wollte. Die markgräfliche Auffassung, daß auch die Weltgeistlichen dem eigenen Untertanenverband einzugliedern seien, war gegenüber Würzburg nach dem Pfaffensteuerstreit nicht mehr zu verwirklichen. c) Die Pfandschaft
Kitzingen
Kaum ein einzelner Streitgegenstand zwischen Würzburg und Ansbach hat so viele in der Sache stereotype gegenseitige Beschwerden hervorgebracht wie die von Würzburg an Ansbach verpfändete Stadt und Zent Kitzingen. Dies ist im Kontext der besonderen Bedeutung Kitzingens für beide Seiten zu sehen: Als es Markgraf Albrecht Achilles in der politischen Situation des Jahres 1443 gelungen war, aufgrund der großen Schulden des Würzburger Bischofs die Verpfändung der reichslehenbaren Stadt und der gleichnamigen Zent zu erreichen,276 begann er hier tief im Würzburger Einflußbereich am 16.11.1510 (StAN, WüBü 7, vor fol. 187 bzw. nach fol. 188). 6.5.1511 (ebd.) und 24.5.1511 (StAWü, Geistliche Sachen 1564). 273 20.5.1511 (StAN, WüBü 7, vor fol. 187 bzw. nach fol. 188). 274 Markgraf Friedrich an die Klöster Heilsbronn, Birkenfeld, Kitzingen, Münchsteinach, Frauenthal, Münchaurach, Sulz, Frauenaurach und an das Stift zu Ansbach, 12.2.1511 (StAN, WüBü 7, vor fol. 187 bzw. nach fol. 188). 275 StAWü, Geistliche Sachen 1564, hier insbes. das grundsätzliche Schreiben Markgraf Friedrichs vom 10.11.1511 sowie die knappe Antwort von Bischof Lorenz vom 19.11.1511, in der er dem Prinzipienstreit auswich und eine ausführlichere Antwort zu gelegener Zeit in Aussicht stellte (ebd.). 276 Vgl. die Daten bei H. Walter/M. Schulze, In Sachen Fürstbischof von Würzburg gegen Brandenburg-Ansbach betreffend Stadt und Burg Kitzingen, 1984, 148-150. Druck der Verpfändungsurkunde: D. Demandt/H.-C. Rublack, Stadt und Kirche in Kitzingen, 1978, 109-112; als Verpfändungsobjekt wird hier genannt: ... desselben Stiffts teile an vnd in der Stat Kitzingen mit Luten, guten, gerichten, beten, stewren, vngelten, Zinsen, feilen, Renndten 271
272
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1 4 7 0 - 1 5 1 9
mittleren Main mit dem Ausbau seiner herrschaftlichen Positionen (s. die Karten oben S. 73). Kitzingen selbst war als bedeutender Warenumschlagplatz am Main eine wirtschaftlich blühende Mittelstadt - mit Abstand die größte im markgräflichen Herrschaftsbereich. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Ressourcen, ihrer Bedeutung für das Umland und als wichtige Kommunikationszentrale bot ihre Beherrschung ideale Bedingungen für eine stabile markgräfliche Präsenz vor den Toren Würzburgs. Es ist wohl kein Zufall, daß die Markgrafen als Amtmänner zu Kitzingen mit Michel (im Amt 1461— 1499) und Sigmund (im Amt 1501-1516), Herren von Schwarzenberg, Angehörige des Hochadels einsetzten, 277 die in den ständigen Konflikten mit Würzburg auch persönlich einen festeren Stand gegen den Bischof haben mochten. Vor allem die mit Kitzingen verbundene Zent bot einen idealen Ansatzpunkt für die herrschaftliche Durchdringung auch des umliegenden Landgebietes. Die flächenhaft genau faßbare Zentgerichtskompetenz des Würzburger Bischofs resultierte aus der Goldenen Freiheit von 1168. 278 Sie wurde durch die Zentgerichts-Reformation von Bischof Gottfried 1447 zwar theoretisch auf schwere Kriminalfälle reduziert. 279 Doch legten seine Nachfolger ihre Zentrechte extensiv aus und betrachteten sie als grundlegendes Herrschaftsrecht; 280 noch in der Zeit um 1600 nahmen sie in der Werteskala der Würzburger Herrschaftsrechte einen besonderen Rang ein. 281 Der Markgraf konnte nun im Falle Kitzingen den flächenhaften Hochgerichtsbezirk, der in der Würzburger Herrschaftstheorie eine so bedeutsame Rolle spielte, gegen die Würzburger Bischöfe selbst einsetzen, und er tat dies auch von Anfang an. 282 Zwar erreichten diese in der Folgezeit jeweils, daß ihnen die Kitzinger die in der Verpfändungsurkunde vorbehaltene Erbhuldigung leisteten, 283 doch blieben ihnen kaum Ansatzpunkte einer Einflußnahme anhand weltlicher Rechte in der Stadt; die Verleihung eines Jahrmarktes 1467 284 etwa spielt
vnd allen andern derselben des Stiffts teile an Kitzingen zu vnd eingehorungen gantz daran nichts außgenommen noch hindan gesatzt... Zu Geschichte und Umfang der Zent: Knapp, Zenten 1/1, 6 8 8 - 6 9 5 . 277 278 279
280 281 282 283 284
Vgl. oben II.l bei Anm. 106. Vgl. oben 1.3. bei Anm. 145, 150. H . Knapp, Die Würzburger Zentgerichts-Reformation 1447, 1909, 22. Diese Beschränkung auf Mord, Diebstahl, Notzucht, fließende Wunden und alles, was Hals und Hand, Stein und Rain betraf, ergab sich daraus, daß die „Reformation" der Verwirklichung des „Runden Vertrags" von 1435 zwischen dem Würzburger Bischof und dem fränkischen Adel diente, in dem diese Kompetenzabgrenzung festgelegt war; sie entsprang somit nicht den bischöflichen Herrschaftsvorstellungen und wurde vom Domkapitel nicht ratifiziert. In der Praxis verfolgten die Würzburger Bischöfe folgerichtig die Linie, daß über die genannten Fälle hinaus das Herkommen der jeweiligen Zent gelte; sie selbst zogen die „Reformation" von 1447 nicht als Legitimationsbasis heran (vgl. die Quellenhinweise ebd. passim). Y g | a u c h unten II.3.C und 3.d. Merz, Herrschaftsverständnis, 656. Vgl. Fries, Chronik. Demandt/Rublack, Kitzingen, 9f sowie W U 2 / 1 1 ; Ldf 23, 4 9 9 - 5 0 2 . GS III 38.
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
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hier keine große Rolle.285 Im geistlichen Bereich dagegen nutzten sie ihre jurisdiktionellen Befugnisse zur Dokumentation ihrer Stellung aus: So bestellte etwa Bischof Johann von Grumbach 1458 einen Administrator für das Kitzinger Kloster,286 Bischof Rudolf von Scherenberg förderte 1487 die Feier des Fronleichnamsfestes in der Stadt287 und führte 1492 gemeinsam mit dem Markgrafen eine Reform des Klosters durch.288 Dagegen scheiterte der Würzburger Versuch, anhand von Steuererhebungen die fürstliche Herrschaft über das Kitzinger Kloster zu dokumentieren. 289 Um den Einfluß der Markgrafen über die Stadt Kitzingen hinaus gering zu halten, bauten die Würzburger Bischöfe das nahegelegene Dorf Dettelbach als Gegenpol auf: Im kirchlichen Bereich dienten dem die Übertragung der Pfarrechte von Prosselsheim nach Dettelbach 1465290 und die Förderung der dortigen Wallfahrt.291 Im Bereich der weltlichen Herrschaft folgte einer Polizeiordnung von 1482 die Stadterhebung 1484.292 Grundsätzlich verbot Bischof Lorenz seinen Untertanen zu Dettelbach die Verantwortung an der Zent Kitzingen um Schuld- und andere nicht-zentbare Sachen.293 Die Gerichtsordnung von 1506 untersagte Appellationen bei weniger als zehn Gulden Streitwert vom Dettelbacher Stadtgericht (die sonst womöglich an die Kitzinger Zent gegangen wären). Zudem sollten alle Einwohner, Bediensteten und Gäste darauf verpflichtet werden, nur vor dem Dettelbacher Stadtgericht oder dem Würzburger Geistlichen Gericht zu Recht zu stehen; in jedem Fall galt das strenge Verbot, daß niemand sich ohne Vorwissen von Schultheiß und Rat zu Dettelbach vor der Kitzinger Zent rechtfertigen dürfe. 294 Die Stadtordnung von 1515 verfügte unter anderem, daß Urteile vom Dettelbacher Stadtgericht vnauffzoglich in Kraft treten sollten, daß die Dienstleute nur vor dem Dettelbacher Stadtgericht das Recht 285
Die entscheidenden wirtschaftlichen Privilegien kamen von König Maximilian I.: 1487 vier Jahrmärkte und 1498 das Stapelrecht (Demandt/Rublack, Kitzingen, 16; Weber, Kitzingen, 133). 286 GS III 16. 287 GS III 45. 288 GS III 43; Pölnitz 130-133. Vgl. auch die Eidesformel der Äbtissin zu Kitzingen 1492 (Stb. 571, 252-255, hier 254), wonach sie den Würzburger Bischöfen nicht nur den Sendbesuch und die jährliche Rechnungslegung versprach, sondern auch, daß sie ihnen ... vnderthenige getrewe gewere vnd gehorsam sein soll, vnd wil jrenn schaden warnen vnd frummenn werbenn, jre gericht geistlich vnd werntlich fürdern vnd auch jren furstlichenn gewalt vnd recht helffen handhaben vnd hegenn, doch meinem orden vnuerletzlich ... 289 Vgl. oben II.2.b. Zur Anerkennung der geistlichen Funktion des Würzburger Bischofs durch den Kitzinger Rat vgl. Demandt/Rublack, Kitzingen, 18, 30f und passim; zur Ablehnung des Würzburger Geistlichen Gerichts durch markgräfliche Amtsträger vgl. Stb. 721, 95-97. 290 GS III 16. 291 GS III 64. 292 GS III 38f. 293 Vgl. z.B. Stb. 721, 155': Statthalter zu Würzburg an den Schultheißen-Verweser zu Dettelbach, 11.2.1505, mit dem Hinweis darauf, daß dieser Befehl bereits mehrfach in Dettelbach öffentlich verkündet worden sei und nun wiederholt werden solle mit Androhung der Strafe an Leib und Gut. 294 L d f l 9 , 185.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
suchen sollten und schließlich - zur Vermeidung von Geldschuldprozessen - , daß niemand etwas zu Kitzingen borgen dürfe: dann es kompt daraus vncosten vnnd schadenn, were aber ichts do kauffenn will, gedengk das mit barem gelt zubezalenn bey straff an seinem leib.295 An diesen Verfügungen wird schon deutlich, daß in der Gemengelage um Kitzingen und Dettelbach die Würzburger Bischöfe den Aktivitäten der Kitzinger Zent nicht dauerhaft wirksam begegnen konnten; allerdings vermochten auch die Markgrafen die Geltung des Würzburger Landgerichts nicht zu unterdrücken.296 Damit waren zahllose Querelen zwischen den beiden fürstlichen Nachbarn vorprogrammiert. Schon 1469 hatten die Kontrahenten festgelegt, daß an die Zenten Kitzingen und Würzburg jeweils nur die Personen geladen werden sollten, die auch dorthin gehörten,297 doch war mit dieser vagen Abmachung ein breiter Interpretationsspielraum geboten. Am 19.7.1480 vereinbarten die Würzburger Gesandten Georg von Giech und Hans Fuchs zu Wallburg mit Markgraf Albrecht eine genauere Regelung der Gerichtsverhältnisse, die nach dem Verhandlungsort als „Cadolzburger Abschied" bezeichnet und auf die in der Folgezeit häufig Bezug genommen wurde:298 Unter Berufung auf die „Reformation" (d.h. die des Bischofs Gottfried von 1447) wurde bekräftigt, daß keine Zent in die andere richten sollte. Die Zugehörigkeit Dettelbachs zur Zent Kitzingen wurde bestätigt, allerdings auch festgehalten, daß nicht zentbare Sachen auf Abforderung kostenfrei gewiesen werden müßten. Insofern sollte ein vom Würzburger Bischof zuvor erlassenes Verbot der Kitzinger Zent für seine Untertanen aufgehoben werden. Die ausdrückliche Festlegung, daß auch das Brückengericht nicht in die Kitzinger Zent richten dürfe, wollten die Würzburger Gesandten allerdings erst ihrem Herrn zur Entscheidung vorlegen. Tatsächlich aber folgten ebenso wie in den Jahren vor 1480 auch künftig immer wieder Zitationen von Angehörigen der Zent Kitzingen an das Würzburger Brückengericht, das offensichtlich zur Ersatzinstitution aufgebaut werden sollte. 1483 etwa wurde ein derartiges Würzburger Vorgehen eingestellt, nachdem Markgraf Albrecht den Würzburger Dompropst Kilian von Bibra um Vermittlung gebeten hatte.299
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299
Ldf 22, 739-741, Zitat 741. Dazu zahlreiche Fälle z.B. in StAWii, Ger. Kitzingen 310; Stb. 865, 42f, 138' u.ö. (zum Jahr 1467); UBWü, M.ch.f. 442, passim (zum Jahr 1494). StABa, C III 971 (16.7.1469). Zu Beschwerden über ungerechtfertigte Ladungen an das Kitzinger Zentgericht 1461 vgl. auch Stb. 720, 74'. Ldf 13, 503f; StABa, C III 981; vgl. Priebatsch, Korrespondenz II Nr. 683; zur unmittelbaren Vorgeschichte: StABa, C III 972 I (ohne fol.). Formell handelt es sich um einen Abschied des Markgrafen bezüglich zahlreicher strittiger Punkte, den Giech und Fuchs zu Cadolzburg empfingen, faktisch jedoch war es ein von beiden Seiten als verbindlich betrachteter Vertrag. StABa, C III 979; ebd. 972 II (ohne fol.).
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
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Auf der anderen Seite beklagte sich die Würzburger Seite ebenso über die Verhandlung nicht-zentbarer Gerichtsfälle von Dettelbachern in Kitzingen und initiierte 1484 einen Tag zu Würzburg. 300 Hier erwies sich bei den Verhandlungen am 12.12.1484 die unveränderte Lage, daß zahlreiche Personen aus der Zent Kitzingen und insbesondere von Dettelbach am Brückengericht abgeurteilt wurden 301 - teilweise unter Zuhilfenahme des Geistlichen Gerichts. Außerdem kam zur Sprache, daß den Dettelbachern unter Strafandrohung die Anrufung des Kitzinger Zentgerichts verboten war. Eine besondere Variante war der mehrfache Vorfall, daß Kleriker von Gläubigern Geldschulden übernahmen und sie mit Hilfe des Geistlichen Gerichts eintrieben. Schließlich ließ das Würzburger Brückengericht Appellationen von der Kitzinger Zent zu. Andererseits zog die Zent Kitzingen ebenso Fälle an sich, die nach Würzburger Interpretation nicht zentbar waren. Leidtragende waren auf beiden Seiten die Bewohner vor Ort, die eingesperrt, gepfändet und von Seiten Würzburgs häufig gebannt wurden; dabei waren diese jedoch nicht unbeteiligt, da insbesondere in den häufigen Güterstreitigkeiten auch die Betroffenen versuchten, die konkurrierenden Gerichte zu ihrem Vorteil auszunutzen. Auf dem Würzburger Tag 1484 wurden die zahlreichen Einzelfälle individuell besprochen und gelöst und nochmals die Abrede zu Cadolzburg von 1480 bekräftigt. Doch finden sich in den folgenden Jahren kontinuierlich auf beiden Seiten die gleichen Beschwerden, wie sie 1484 zu Würzburg vorgetragen worden waren, so etwa auf den Tagen zu Kitzingen 1489302 und 1491.303 Erst auf dem Tag zu Aub 1496 schien Bewegung in die festgefahrene Argumentation zu kommen. Die Würzburger Gesandten beharrten darauf, daß die Dettelbacher ihr eigenes Gericht hergebracht hätten und nur in vier Punkten an die Zent Kitzingen gehörten: 304 1. Die von Dettelbach und Brück 305 hätten zwei Schöffen zur Zent zu stellen. - 2. Sie müßten bei der Rechtfertigung eines schadbaren Mannes das Gericht schirmen helfen. 3. Wenn ein schadbarer Mann zu Dettelbach in peinlichen Sachen gefaßt werde, sei er an die Zent zu überstellen. - 4. Bei Irrungen um Rain, Stein und Markung in der Zent seien die Dettelbacher (an der Konfliktlösung) zu beteiligen. - Dagegen sei es nicht herkömmlich, daß die Dettelbacher wegen „per300
301
302 303 304
305
StABa, C III 972 II; ebd. 981 (ohne fol.); Ldf 13, 745-751. Vgl. Priebatsch, Korrespondenz III, Nr. 1029. Auf dem Tag zu Kitzingen wurden alleine 13 Personen namhaft gemacht, die aus der Zent Kitzingen an das Brückengericht geladen worden waren. Darüber hinaus wurden auch am Würzburger Landgericht Schuldsachen zu Kitzingen verhandelt, die nach markgräflicher Auffassung vor die Zent gehörten. StABa, C III 972 II. StABa, C III 972 II; StAWü, Admin. 15092; StAN, WüBü 6,130-144', WüBü 7,170'-177. Am 26.2.1490 hatten sich die Dettelbacher diese Sicht durch eine Urkunde des (benachbarten) Mainstockheimer Rates bestätigen lassen, in der die eng umgrenzte Zuständigkeit der Kitzinger Zent beschrieben wurde (Ldf 78, 418f). Zum Dorf Brück, das herrschaftlich stark an Dettelbach angebunden war, vgl. die Hinweise bei H. Bauer, Die kulturlandschaftliche Entwicklung des alten Amtes Dettelbach seit dem 16. Jahrhundert, 1977, hier I l l f .
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sönlicher Sprüche" an die Zent geladen würden; genannt werden Schuldsachen, Fuhrlohn, Scheltworte, Schlagen, Raufen und einfache Wunden. Für diese Fälle sei das ehemalige Gericht des Kitzinger Klosters zuständig, das an das Kloster St. Stephan zu Würzburg und von diesem an Bischof Rudolf gekommen sei. 306 Schließlich sei es wider das Herkommen, daß Appellationen von der Zent ausschließlich an das Hofgericht in Ansbach gehen sollten, und zwar nur schriftlich ohne Beteiligung und Rederecht der Betroffenen. 307 Dagegen gaben die markgräflichen Vertreter an, daß nicht festgestellt werden könne, was denn nun genau zu Kitzingen zentbar sei, weshalb Markgraf Friedrich befohlen habe, sich hierbei nach dem Vorbild Würzburgs zu richten, also nach dem extrem breiten Geltungsanspruch des Brückengerichts. Die Regelung bezüglich der Appellationen gingen auf eine „Reformation" Markgraf Albrechts für sein ganzes „Land" zurück. 308 Letzterem hielten die Würzburger entgegen, daß der Markgraf nur über seine Untertanen, aber nicht für die Würzburger Untertanen in der Zent Kitzingen derartige Bestimmungen treffen dürfe. 309 Doch eine Lösung der Gegensätze kam auch hier nicht zustande. 310 Vielmehr trat zunächst eine Verschärfung ein durch den Streit der einander benachbarten Orte Dettelbach und Bibergau 1496/97 um die Zugehörigkeit der sog. Wicklinsmühle zur jeweiligen Gemarkung. Diese Zugehörigkeit hatte insofern Konsequenzen, als die Frage der Geltung der Zentkompetenzen hier zugespitzt erschien. Nach Bibergauer und markgräflicher Interpretation gehörte die Mühle zur Pfarrei (und damit zur Gemeinde) Bibergau und an die Zent Kitzingen. Nach Dettelbacher und würzburgischer Interpretation gehörte die Mühle zur Dettelbacher Gemarkung und war deshalb wie die Stadt selbst weitgehend von der Zent befreit. Hintergrund des Streits war in Würzburger Sicht, daß die Kitzinger Bürger Münzmeister die freieigene Mühle gekauft hatten. Nachdem die Mühle in Kriegszeiten zerstört worden war, habe Fritz Münzmeister dem Müller als seinem Lehnsnehmer angeraten, sich zur eigenen Sicherheit in die Nachbarschaft der Bibergauer zu begeben. Aus dieser Zugehörigkeit zum Gemeindeverband hätten die Bibergauer die Verpflichtung des jeweiligen Müllers abgeleitet, zu ihren Lasten durch die Zent beizutragen, indem jeder neue Müller ein Jahr lang (als Schöffe) an der Zent sitzen müsse. Diese eigentlich personale Verpflichtung sei in der Sicht der Bibergauer auf die Mühle übergegangen; tatsächlich wiesen letztere darauf hin, daß die Müller seit ca. 60 Jahren die entsprechenden Lasten getragen
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Faktisch handelte es sich um das Dettelbacher Stadtgericht, das auf diese Weise als „herkömmlich" legitimiert wurde. Tatsächlich hatte Bischof Rudolf vom Kloster St. Stephan zwei Hubgerichte in Dettelbach erworben und damit die Gerichtsbarkeit vor Ort vollständig in seine Hand bekommen (Weber, Kitzingen, 80). Stb. 721, 1-2; StAN, WüBü 9, 67f. Stb. 721, 2'f; StAN, WüBü 9, 67'f. Zur Reformation des Nürnberger Landgerichts von 1447, die 1460 nochmals ergänzt wurde, vgl. Leiser, Beiträge, 99. Stb. 721,3'; StAN, WüBü 9, 68-69. Vgl. Markgraf Friedrich an Bischof Lorenz, 4.6.1496 (Stb. 721, 16'-18; StABa, C III 972 II; StAN, WüBü 9, 74-75).
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
99
hätten. Als die Mühle nun von einem Dettelbacher Bürger gekauft wurde, der sich natürlich nicht in die Bibergauer Gemeinde einfügen wollte, verlangte diese dennoch, daß der Müller ihre Zentverpflichtungen teile.311 Eine Einigung der Fürsten Lorenz und Friedrich in diesem Konflikt um die Mühle kam nicht zustande, da ersterer auf der wohl zutreffend geschilderten komplizierten Vorgeschichte, letzterer auf dem faktischen Herkommen beharrte. Materiell beendet wurde er durch das harte Schreiben von Bischof Lorenz an Schultheiß, Dorfmeister und Gemeinde zu Bibergau am 10.8.1497, in dem er ihnen verbot, die Dettelbacher und damit die strittige Mühle an die Zent Kitzingen zu ziehen. Mit dem Hinweis darauf, daß die Herrschaftsrechte vor Ort zumeist würzburgischen geistlichen Institutionen zugehörten,312 die wiederum ihm unterstanden, schloß Lorenz mit eindeutigen Drohungen: Wue jr aber darüber handelt, nachdem dann der meisteyl vnnser geistlichkeit verwant ist, werden wir gegen denselbigen vnnser obrigkeit, atzung vnnd leger suchen, auch nichtdestmynder gegen euch gemeynlich zu hanndthabung der vnnsern hanndeln, des wir lieber vertragen sein wolltenι.313 Auch in der Folgezeit blieben die grundsätzlichen Positionen unverändert, so daß die deshalb immer wieder auftretenden Einzelkonflikte individuell nach der jeweiligen Macht- und Interessenlage vor Ort entschieden wurden: Handelte es sich um einen örtlichen Dettelbacher Konflikt, den die Markgräflichen als zentbar einstuften, behielten zumeist die Würzburger die Oberhand; kam es zum Streit zwischen Kitzingern und Dettelbachern, konnten sich oft die Markgräflichen durchsetzen. Nachdem es z.B. 1507 nicht gelungen war, eine Klage an der Zent Kitzingen gegen die Gemeinde Brück abzustellen, wurde 1508 ein Mann, der bei der Wallfahrt zu Dettelbach einen Diebstahl begangen hatte, nach Würzburg überstellt und dort zur Verantwortung gezogen - mit der Begründung, daß der Täter zuvor dem Bischof Urfehde geleistet und dann die Seinen bedroht habe; es handle sich somit nicht um einen zentbaren Fall von Diebstahl.314 Infolge der ständig anhaltenden Querelen315 warf Bischof Lorenz 1506 dem Kitzinger Amtmann Sigmund Herr zu Schwarzenberg in einem offenen Brief sein hessig gemut gegenüber Würzburg vor 316 und ließ auf einer Tagsatzung mit den markgräflichen Räten 1507 zu Kitzingen317 direkte Verhandlungen mit Sigmund ablehnen.318 Doch blieb es auf diesem Tag ebenso wie auf einem weiteren 1510 zu Aub 319 und in der Folgezeit bei der Wiederho311 312
313 314 315
316 317 318 319
Zum Ganzen: Stb. 721, 14f, 26f, 49f, 51-53'; StABa, C III 986; StAN, WüBü 9, 9 8 - 1 0 2 ' . Dies waren wohl in erster Linie das Kloster St. Stephan zu Würzburg sowie die Komturei Würzburg des Johanniterordens. Vgl. Weber, Kitzingen, 67, 77. Stb. 721, 51'f. Stb. 721, 184-186 bzw. 193-195'. Vgl. z.B. Stb. 721, 98-99, 154-155', 288-289, 294-295, 296'f, 356-359, 363', 408'f; StAN, WüBü 7 , 2 1 2 - 2 1 3 (betr. 1502-1517). Stb. 721,173'f (13.4.1506). Stb. 7 2 1 , 1 8 2 - 1 8 3 ' (20.3.1507). Stb. 721, 182'. Stb. 721, 269'-285; StAN, WüBü 9 , 1 5 0 - 1 7 3 .
100
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
lung der jeweiligen Positionen. Auf den Punkt brachte der markgräfliche Zentgraf zu Kitzingen Conrad Gutmann (der dieses Amt viele Jahre innehatte und für sein scharfes Vorgehen bekannt war)320 das Problem durch eine Bemerkung 1510 auf dem Tag zu Aub. Die würzburgischen Räte zeichneten sie sozusagen außerhalb des Protokolls und offensichtlich nur deshalb auf, weil sie diese Aussage für besonders ungebührlich hielten: ... hat er sich offenlich lass hörn vnd gesagt, wan er gleich dj zenth zu Kitzing gut mache, so mein g(nediger) h(err) von Wirtzpurg Kitzingen los, so sey es sein gnaden auch gut, do wider der margrauischen keiner geredt ,...m Allen Beteiligten war klar, daß Würzburg, das seine Zentrechte sonst sehr extensiv auslegte, im Falle Kitzingens nicht glaubhaft machen konnte, daß ausgerechnet diese Zent nur über sehr beschränkte Kompetenzen verfügte. Das Gedankenspiel des Zentgrafen - was wäre, wenn der Bischof Kitzingen wieder einlösen würde brachte dies sinnfällig zum Ausdruck. Wie ein Pfahl saß Kitzingen im Fleisch des Würzburger Herrschaftsbereiches, weil der Markgraf mit der Zent ein Instrument einsetzen konnte, aus dem ansonsten der Bischof seine Herrschaftsansprüche maßgeblich begründete. Dieser Streit konnte praktisch nur mit der gewaltsamen Durchsetzung einer Position oder aber der Einlösung der Pfandschaft Kitzingen durch den Bischof beendet werden. Die Schärfe des Konflikts und die zahlreichen anderweitigen Rücklösungen von Verpfändungen durch Würzburg machen deutlich, daß es sich im Falle Kitzingen in erster Linie nicht um ein finanzielles Problem handelte, sondern daß hier eine Rücklösung trotz klarer Rechtslage politisch nicht durchsetzbar gewesen wäre. Diese gelang erst 1629 in einer für Würzburg außergewöhnlich günstigen Situation und gegen große Widerstände der Markgrafen.322 Die Pattsituation in und um Kitzingen führte jedoch zu sekundären Auseinandersetzungen um andere Herrschaftsrechte vor Ort, insbesondere Zoll und Geleit.323 Es kam dabei freilich nicht zum begründeten Austausch von Argumenten, sondern beide Seiten beharrten darauf, daß die jeweilige Gegenseite das Herkommen grundlos geändert habe.324 Es ging hier also nicht um die grundsätzliche Klärung bisher offener Fragen, sondern um die
Conrad (Cuntz) Gutmann, seit 1497 Zentgraf, seit 1503 auch Kastner zu Kitzingen, f 1526 (Stb. 571, 438). 321 Stb. 721, 285. Gemeint ist, daß der Würzburger Bischof mit der strengen Handhabung der Zent Kitzingen in dem Augenblick zufrieden wäre, in dem er die Pfandschaft wieder einlöse. Diese Stelle, bei der es sich um eine politische Meinungsäußerung eines rangniederen, nur als Zeugen befragten Beamten handelte, ist als nachträgliche Ergänzung von anderer Hand hinzugefügt und durch Anstreichung hervorgehoben. 322 Vgl Walter/Schulze, Würzburg gegen Brandenburg-Ansbach, 151-158. 323 Stb. 721, 151'f (Zoll 1504); 140-141, 172-174', 326-334', 3 5 3 - 3 5 4 ' , 3 5 9 - 3 6 2 ' (Geleit ab 1503). Zusammenfassend zu den Geleitsstreitigkeiten: G. Weig, Das lus Conducendi der Bischöfe zu Würzburg, 1970, 88-99, vgl. auch Tausendpfund, Beitritt, 420f sowie die Quellenhinweise bei B. Sprotte, Geleit im Tauberland, 1975. 320
324
Da im Untersuchungszeitraum keinerlei herrschaftsrelevanten Folgerungen aus dem Streit um diese Regalien gezogen wurden, ist er an dieser Stelle nicht zu behandeln.
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
101
Bemäntelung der zunehmend aggressiven Versuche zur faktischen Veränderung der Zustände vor Ort. d) Organisation der Dorfherrschaft zu Ulsenheim Bei den Konflikten um Ulsenheim, die einige Jahre lang in hervorgehobener Weise die Korrespondenzen in den Gebrechenbüchern durchziehen, ging es weniger um den grundsätzlich geklärten Herrschaftsanspruch, als um dessen praktische Ausgestaltung: Das Dorf Ulsenheim, das über eine recht große Gemarkung verfügte, lag nördlich der Aisch und Bergeler Steige am Steigerwaldrand in herrschaftlich stark zersplittertem Gebiet (vgl. die Karte S. 103). Die dortigen markgräflichen Besitzungen gehörten zum Amt Uffenheim. Im Jahre 1480 löste Bischof Rudolf von Würzburg seinen Besitz zu Ulsenheim, der schon sehr lange an die v. Seinsheim bzw. an die Herren von Schwarzenberg verpfändet war, 325 wieder ein 326 und ließ ihn vom Amtmann zur Neuenburg bzw. dem Keller zu Markt Bibart verwalten. Die Güterverteilung vor Ort war von nun an ziemlich stabil (s. dazu die nachstehende Ubersicht): Mit zwölf Huben und sieben Seiden und unter Berücksichtigung der acht von Würzburg abhängigen Güter (Ebrach, St. Marx, Pfarrei Ulsenheim) war der Bischof von Würzburg der stärkste Grundherr, gefolgt vom Markgrafen mit elf Seiden und weiteren zwölf abhängigen Gütern (Spital Uffenheim, Kloster Heilsbronn); freilich waren die übrigen Grundherren vor Ort (v. Seinsheim, Rat zu Windsheim; 14 Güter) aufgrund ihrer politischen Bindungen wohl eher zollerisch als würzburgisch gesinnt. In der Folgezeit kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Würzburg und Ansbach - nicht um die Herrschaft über dieses Dorf an sich, sondern um deren Ausmaß. Dies ergab sich hauptsächlich aus zwei Gründen: Zum einen hatten in diesem sehr stattlichen Dorf die auch generell zu beobachtenden demographischen bzw. wirtschaftlichen Tendenzen des 14. und frühen 15. Jahrhunderts dazu geführt, daß nicht mehr alle Güter bebaut wurden bzw. daß ein Bauer oft mehrere Güter besaß. 327 Zum anderen befanden sich die würzburgischen Güter nur zum kleineren Teil in der Hand würzburgischer Untertanen, teilweise aus dem erstgenannten Grund, teilweise wegen der mangelnden würzburgischen Präsenz vor Ort in der Zeit der Verpfändung. Auch aus diesen Gründen war die Position der Gemeinde relativ stark. Nach einem Weistum von 1497 328 besaß die Gemeinde generell das Pfändungsrecht auf den Gassen innerhalb des Dorfzauns sowie in bezug auf Schulden bei der Gemeinde und in bezug auf die Dorfgenossenschaft auch auf allen Hofreiten. Hinzu kamen verschiedene Gerichtsrechte, ζ. B. bei fließenden Wunden, so-
325 326 327
328
E. Fuchshuber, Uffenheim, 1982,199. StAN, Fürstentum Ansbach, Oberamt Uffenheim, Urk. Nr. 169 und 345. In dieser Tendenz s. die Nennnung von wüsten Hofraiten im Urbar des Burggraftums Nürnberg (1. Hälfte 15. Jh.), hier im Kontext bei Fuchshuber, Uffenheim, 199. Parallele Überlieferung: Stb. 721, 3 6 - 3 8 ; StAN, WüBü 9, 9 0 - 9 2 .
102
II. H e r r s c h a f t s k o n f l i k t e der W ü r z b u r g e r Bischöfe 1 4 7 0 - 1 5 1 9
Verteilung 1497
Verteilung 1530/31
Verteilung 1608
Bf. v. Würzburg
12 Huben (nur 3 voll bebaut und mit Hofreit) 7 Seiden
10 Güter
20 Mannschaften
Markgf. v. Ansbach
13 Güter 11 Seiden („hoffreyt jemerlich", 1 nicht bebaut) (2 nicht bebaut) 3 Hofreiten (Spital Uffenheim)
18 Mannschaften (Kasten Uffenheim)
3 Mannschaften (Spital Uffenheim) 1 Mann. (Priesterbruderschaft Uffenheim) 1 Gut (Amt Hoheneck) 1 Mannschaft (Amt Hoheneck)
Kl. Heilsbronn
ca. 9 Männer
9 Güter
9 Mannschaften
Abtei Ebrach Kloster St. Maní in Würzburg
3 Hofreiten 2 Hofreiten, 2 Güter (= 4 Mann)
2 Güter
3 Mannschaften 4 Mannschaften
v. Seinsheim v. Gebsattel ( Rack) Gf. v. Castell v. Limpurg v. Seckendorf
12 Männer 1 Mann
13 Güter 1 Gut
15 Mannschaften 3 Mannschaften 1 Mannschaft 1 Mannschaft
Rat Windsheim
2 Männer
3 Güter
Gem. Ulsenheim
Pfarrei Ulsenheim
1 Mann
2 Mannschaften
1 Gut
2 Mannschaften (Schmiede, Badstube; umstritten) 2 Mannschaften (je 1 würzb. u. mgfl.)
1 Gut 1 Gut
Pfarrei Gollhofen
Summe:
1 Gut
65 „Guter
56 Güter
85 Mannschaften
D i e B e s i t z v e r t e i l u n g in U l s e n h e i m in d e n J a h r e n 1 4 9 7 , 1 5 3 0 / 3 1 u n d 1 6 0 8 Quellen 1497: StAWü, Stb. 721, 31'f 1530/31: StAN, Fürstentum Ansbach, Salbücher 106, 168 1608: StAN, Fürstentum Ansbach, 16-Punkte-Bericht Nr. 37 I, 26't; Fuchshuber, Uffenheim, 200. Die Liste von 1608 nennt nur Mannschaften, die von 1497 im Falle Würzburgs und Ansbachs die Zahl der theoretisch vorhandenen Anwesen und ansonsten ebenfalls die Mannschaften, die von 1530/31 nur die Anwesen (sowie - hier nicht angeführt - weitere markgräfliche Abgabepflichtige ohne Anwesen). Insgesamt entsprechen sich die Angaben weitgehend, wobei die Zahl der Mannschaften bis 1608 teilweise anstieg. Auffällig ist nur die geringe Zahl für Würzburg 1530/31, die wohl darauf zurückzuführen ist, daß sich die markgräflichen Angaben hier weniger auf die Rechtseinheit der theoretisch vorhandenen Hofreiten als auf die tatsächlich vorhandenen Anwesen beziehen. Dies paßt zu dem von würzburgischen Quellen aus dieser Zeit (Stb. 901, 30) untermauerten Befund, daß die Würzburger auch noch im 16. Jahrhundert die Bebauung der ursprünglich vorhandenen Anwesen bei den Untertanen nicht durchsetzen konnten; daß Ähnliches für Ansbach gilt, zeigt die Nennung der beiden wüsten Hofreiten 1530/31.
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
103
Höhen über 500 Meter Würzburger Oiözesangrenze Verwaltungssitze im Fürstentum Würzburg 1497 (Auswahl) Verwaltungssitze im Fürstentum Ansbach 1497 (Auswahl) Gemarkung von Ulsenheim
DeΪΓ Streit um das Dorf Ulsenheim
weit nicht bei einem der Dorfherren Klage erhoben wurde, aber auch die Freiheit, einen auf frischer Tat ertappten Dieb an den nächsten Baum zu hängen. 329 Die Dorfherren waren je zur Hälfte der Markgraf zu Ansbach und 329
Wie weit die Gerichtskompetenzen der Gemeinde gingen, zeigt deren Beschwerde bei Bischof Lorenz (undat., um 1500; Stb. 721, 89'f): Die Gemeinde habe einen geschworenen
104
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
der Bischof zu Würzburg. 330 Ihnen traten namens der Gemeinde zwei Bauermeister gegenüber, die jeweils hinter einem der beiden Herren sitzen sollten. Die Herren wiederum besaßen uneingeschränkte Pfändungs-, Straf- und Mahngewalt auf ihren eigenen Gütern, ansonsten waren sie zu gemeinsamen Vorgehen verpflichtet. Wie wenig jedoch das Dorfleben durch die Herren kontrolliert wurde, zeigt sich schon an der Tatsache, daß es kein herrschaftliches Dorfgericht in Ulsenheim gab. 1495/97 ist ein erster konkreter Konflikt der Herren überliefert, der sich auf den Schaftrieb zu Ulsenheim bezog. Würzburg, das mit Ulsenheim auch das Nachbardorf Herbolzheim aus der Pfandschaft gelöst hatte, ließ seitdem den dortigen Schäfer mit drei Herden auf Ulsenheimer Gemarkung treiben; 331 dies wurde von der dortigen Gemeinde als ungerechte Belastung empfunden, aber von den markgräflichen Räten als ein Recht des würzburgischen Schäfers zu Herbolzheim anerkannt. 332 Ebenso trieb der markgräfliche Inhaber des Schafhofs bei Uffenheim auf die Ulsenheimer Markung, auch dies zum Leidwesen der Ulsenheimer. 333 Und schließlich gab es einen eigenen Schafhof in Ulsenheim selbst, der drei ehemalige Hofreiten umfaßte, von denen eine ursprünglich würzburgisch gewesen war. 334 Während auf Tagsatzungen zu Aub 1496 und 1497 die markgräflichen Räte jedoch das Gut des Schäfers und damit die Schäferei zu Ulsenheim insgesamt als markgräflichen Besitz ansahen, verwiesen die würzburgischen Räte darauf, daß die Schäferei ebenso wie die Vogtei und alle Obrigkeit je zur Hälfte Würzburg und Ansbach zustünden, also nicht auf ein Gut radiziert waren. 335 Tatsächlich war dieser Anspruch auf die Schäferei als herrschaftliches Recht jedoch nicht durchzusetzen. 336 Ausgehend vom Streit um die Schäferei folgten weitere Auseinandersetzungen über die Modalitäten der Herrschaftsausübung. Hauptpunkt war dabei die markgräfliche Praxis, aufgrund des fehlenden Gerichts in Ulsenheim auftretende Gerichtsfälle in Uffenheim aburteilen zu lassen. Dies konnten die Würzburger schon deshalb nicht dulden, weil ihnen dadurch die Hälfte der Bußgelder entging, umso mehr aber auch, weil es sich bei den Beschuldigten zum Teil um würzburgische Hintersassen, beim Tatort zum Teil um würzburgische Güter handelte.
330
331 332 333 334 335
336
Knecht, der Feld- und sonstige Schäden rüge; wer seine Buße nicht freiwillig gebe, werde deshalb nach Dorfrecht gepfändet. Als sie nun wegen eines Schadens den Ulsenheimer Schäfer gepfändet hätten, habe ihnen dies der Uffenheimer Amtmann verboten und die Gemeinde selbst gepfändet. Da die Bewahrung des Dorfrechtes auch der obrikeit des Bischofs diene, baten sie diesen um Unterstützung. - Weitere Informationen zu diesem Vorfall fehlen. Die Dorfherrschaft wurde als Pertinenz des Schlosses zu Uffenheim sowie der Burg Wildberg (ehem. am Berg Wildberg bei Ulsenheim, s. Fuchshuber, Uffenheim, 198f) angesehen. So die Klage der markgräflichen und heilsbronnischen Untertanen 1497: StAN, WüBü 9, 92. Stb. 721, 38', 40'f. StAN, WüBü 9,43f, 92'; Stb. 721, 30. Stb. 721, 31. Vgl. hierzu und zu den übrigen Auseinandersetzungen die Verhandlungen auf den Tagen zu Aub 1496: Stb. 721, 4 - 5 und StAN, WüBü 9, 58-59 sowie 1497: Stb. 721, 40'-41'. Vgl. auch StAN, Fürstentum Ansbach, 16-Punkte-Bericht Nr. 37 I, 2'.
2. Herrschaftskonflikte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach
105
Es erscheint demnach folgerichtig, daß Bischof Lorenz die Aufrichtung eines gemeinsames Dorfgerichtes mit den Markgräflichen mehrfach vorschlug.337 Diese waren freilich schon deshalb im Vorteil, weil es nur eine einzige Dorfschenke gab, die ihnen unterstand; hier fanden nicht nur die Gemeindetreffen statt, sondern gewissermaßen das ganze öffentliche Leben des Dorfes und damit auch der Austrag innerdörflicher Auseinandersetzungen mit allen rechtlichen Konsequenzen.338 Da Markgraf Friedrich auf den Vorschlag eines gemeinsamen Dorfgerichtes überhaupt nicht einging, sah sich Bischof Lorenz zu Maßnahmen gezwungen, mit denen er die dörfliche Struktur zu seinen Gunsten verändern wollte. Am 31.3.1497 befahl Bischof Lorenz seinen Amtleuten zu Neuenburg und Markt Bibart, den würzburgischen Hintersassen zu Ulsenheim folgendes zu verkünden: 1. Wer unbebaute würzburgische Güter oder eine unbezogene Hofstatt habe, müsse diese bei seinen Gelübden und Eiden und bei Strafe an Leib und Gut in Jahresfrist beziehen und bebauen oder aber verkaufen. - 2. Der Keller zu Markt Bibart dürfe niemandem würzburgische Güter verleihen, der nicht hinter den Bischof ziehe. - 3. Wer würzburgische Güter, aber keine dazugehörende Hofstatt besitze, weil diese an andere Güter gekommen sei, solle in Jahresfrist entweder ein Haus bauen oder seinen Besitz verkaufen; dann wir wollen mit nichten jr einigen dulden, der hynther eyner andern herschafft sitzt. Schließlich fordere der Bischof genauso Holzlieferungen, wie sie die Gemeinde zuvor nach Uffenheim geleistet habe.339 Dem Abt von Ebrach befahl er am 7.4.1497 in deutlichen Worten, dafür zu sorgen, daß sich dessen Hintersassen nicht in den Verspruch fremder Herrschaften begäben, das wollen wir vnns gentzlich zu euch verlassen.340 Ein gutes halbes Jahr später faßte Bischof Lorenz nach: Am 6.11.1497 befahl er dem Neuenburger Amtmann abermals, sich mit dem Keller von Markt Bibart nach Ulsenheim zu begeben, die Würzburgischen dort an sein Gebot betr. die Bebauung der würzburgischen Güter zu erinnern und ihnen zu drohen, wer am Jahresende ungehorsam gefunden werde, dessen Güter würde der Bischof einziehen. Außerdem trug er dem Amtmann auf, sich insgeheim zu erkundigen, ob sich noch Hintersassen von würzburgischen geistlichen Institutionen in markgräflichem Verspruch befänden. Schließlich solle der Amtmann den würzburgischen Schultheißen dazu bringen, daß dieser und die anderen Würzburgischen selbst Wein ausschenkten, damit dies nicht als Privileg der Markgräflichen bezeichnet werden könne.341 Am 9.3.1498 folgte ein offener Brief des Würzburger Bischofs an sieben namentlich be337
Stb. 721, 4 (Tag zu Aub, 17.5.1496); 27f (Hofmeister Hans Fuchs an den Amtmann Asmus von Rosenberg zu Uffenheim, 19.2.1497). 338 Vgl. generelle Beobachtung: Nota dise ding komen alle darauß, das die wirtzburgischen menner v f f die marggruischen giither zum wein gehen, hader vnd zangk anheben, domit komen sie vmb das jr (Stb. 721, 31); daneben insbes. zur Bedeutung der markgräflichen Schenkstätte ebd. 28, 32', 41. 339 Stb. 721, 33f (Brief sowie Erkundigungen zu Ulsenheim). 340 Stb. 721, 35'f. 341 Stb. 721, 54'f.
106
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
nannte Ulsenheimer, in denen auf die vorangegangenen Gebote des Bischofs zur Bebauung der Güter hingewiesen und die Güter für eingezogen erklärt wurden. Doch offensichtlich ließ sich Bischof Lorenz noch einmal erweichen, denn am 9.1.1499 wandte er sich abermals an seinen Schultheißen und seine vnterthanen zu Ulsenheim: Er habe auf sein Gebot betr. die Bebauung der würzburgischen Güter auf Bitten der Ulsenheimer eine längere Bedenkzeit gestattet, doch mahne er jetzt ernsthaft zum Vollzug.342 Kurz darauf, am 11.3.1499, schrieb er seinen Amtleuten, daß sich etliche zu Ulsenheim zur Bebauung ihrer Güter erboten, andere vorgegeben hätten, daß sie keine Hofstatt besäßen. Nochmals sollten alle Würzburgischen zu Ulsenheim zusammengerufen und ihnen eröffnet werden, daß diejenigen mit einer Hofstatt ihre Güter bebauen, die anderen durch Verkauf oder Tausch eine entsprechende Lösung finden müßten; bei letzterem solle über den Ulsenheimer Pfarrer der bischöfliche Sekretär Nicolaus Kronthal als entscheidende Instanz einbezogen werden.343 Dieses abgestufte und konsequente Vorgehen blieb offensichtlich ohne nennenswerten Erfolg, so daß Bischof Lorenz am 13.5.1502 dem Neuenburger Amtmann in einem offenen, besiegelten Mandat gebot, seine Befehle zu Ulsenheim nochmals einzuschärfen und im Falle des Zuwiderhandelns die Ernte der betreffenden Güter zu beschlagnahmen.344 Der Amtmann Parzival von Seckendorff-Aberdar345 berichtete kurz darauf, am 22.5.1502, daß sich die Armen (würzburgische Hintersassen) zu Ulsenheim willig erzeigt und auch schon etwas Holz geliefert hätten. Außerdem habe er sich wegen der Güter der Klöster Ebrach und St. Marx erkundigt und erfahren, daß sie keinen anderen Verspruchsherren hätten als ihre eigene Herren, hinter denen sie säßen. Bezüglich des Weinausschanks gäbe es jedoch Probleme, denn damit kämen sie schwerlich gegen die markgräfliche Schenke an.346 In seiner Antwort gestand der Bischof noch eine kurze Wartezeit zu, beharrte aber darauf, daß der Keller sich nach einem würzburgischen Schankwirt umsehen müsse, damit dieses würzburgische Recht auch ausgeübt werde vnd nit mit der zeit mit dem schencken wie mit dem scbaftrib furgenomen wurd.i4? Auch wenn dem Würzburger Bischof mit seinen Maßnahmen kein voller Erfolg beschieden war, so konnte er seine am Ende des 15. Jahrhunderts herrschaftlich sehr schwache Position doch auf Dauer stabilisieren. Die gemeinsame Dorfherrschaft von Ansbach und Würzburg überstand trotz der 342 343 344 345 346 347
Stb.721,73'. Stb. 721, 76'. Stb. 721, 103'f. Im Amt 1502-1510,11533. Vgl. Rechter, Klientel, Nr. 194. Stb.721.104f. Stb. 721, 104' (23.5.1502). Zu den weiterbestehenden Schwierigkeiten der Bebauung der würzburgischen Güter vgl. Stb. 901, 30. Letztlich waren geschlossene Güter nicht aufrechtzuerhalten, so daß die Untertanen zu Ulsenheim in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zumeist Lehen von beiden Dorfherren besaßen. Die Zuordnung eines Untertanen zu einem der Dorfherren folgte dem Schwergewicht der von ihm bewirtschafteten Güter bzw. Lehen, was ein jeder mehr sein herr ist: StAWü, Rentamt Iphofen 62, 302-339, hier 338'f.
3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda
107
Einführung der neuen Lehre durch die Markgräflichen die Reformationszeit. Hinsichtlich der Gerichtsbarkeit gab es klare Regelungen. Sowohl Ansbach als auch nunmehr Würzburg verfügten über eine „Erbschenkstätte", über die jeder allein den Kirchweihschutz ausübte. Nur der Freiraum der Gemeinde war zugunsten der Dorfherren eingeengt worden. 348
3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda Reibungsflächen zwischen Fulda und Würzburg boten das grundsätzliche Verhältnis dieser beiden als geistliche Institutionen und im Hinblick auf Besitz und Herrschaft die Konkurrenz in den Gebieten der Rhön und der Fränkischen Saale (s. die Karte S. 109). Die Konflikte, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit großer Heftigkeit kulminierten, waren bereits durch ähnliche Streitigkeiten in den vorangehenden Jahrhunderten, vor allem im 13. Jahrhundert, vorgezeichnet, doch entstanden jetzt praktikable Lösungen oder doch zumindest die grundsätzlichen Lösungsansätze. Im folgenden werden die großen, gravierenden Konflikte aus der Zeit vor 1520 behandelt. Die weitere Entwicklung im 16. Jahrhundert, z . T auch noch darüber hinaus, wird in Grundlinien einbezogen; von Einzelverträgen abgesehen, steht dabei besonders der rechtliche Austrag der schwebenden Konflikte 1527-1552 im Vordergrund: 1527 vereinbarten Würzburg und Fulda die Bereinigung ihrer Auseinandersetzungen in einem Vertrag, 349 der hinsichtlich des Verfahrensablaufes 1536 mehrfach modifiziert wurde. 350 Dem Vertrag („Anlaß") folgend, wurde nach dem Scheitern der vorgesehenen Schiedsverhandlungen das gesamte Material 1539 dem Reichskammergericht übergeben,351 wo die Dinge zwar behandelt wurden, 1544 aber wegen der fehlenden Finanzierung des Gerichts liegenzubleiben drohten. Das Angebot der Mehrheit der Reichskammergerichtsräte, dennoch einen Schiedsspruch zu fällen, wurde von Fulda, der Wunsch Fuldas nach Entscheidung durch eine Universität von Würzburg abgelehnt.352 Erst 1552 erfolgte dann mit dem doch noch zustandegekommenen Reichskammergerichtsurteil353 eine grundsätzliche Klärung, die durch mehrere modifizierende und ergänzende Vgl. die Einzelheiten in StAN, Fürstentum Ansbach, 16-Punkte Bericht Nr. 37 I, 1-4', 58, 65', 74-75. 349 w u l/37a: Anlaß zwischen Würzburg und Fulda vom 20.11.1527, nach dem wegen sieben einzeln aufgeführter Konflikte ein genau beschriebenes Vorgehen vereinbart wurde, das den Versuch eines schiedsgerichtlichen Austrags und bei dessen Scheitern die Anrufung des Reichskammergerichts vorsah (Abschrift z.B. Ldf 26, 683-688). 348
350 351
352 353
W U l/37b (26.6.1536), W U l/37c (8.11.1536), W U l/37d (30.12.1536). Prozeßunterlagen: Stb. 730a-e; StAMr 90b/1784; StAMr 90b Grenzsachen HA-IV S, C f 2 " ; BayHStA, R K G 604/I-V. Vgl. dazu den Bericht des Lorenz Fries: Stb. 1011, 2 4 3 - 2 4 7 . 23.3.15 52: W U Libell 235 (würzburgische Ausfertigung) bzw. W U Libell 639 (gleichartige fuldische Ausfertigung); Abschriften z.B. StAWü, Misceli. 2397, StAMr 90b/1733.
108
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Verträge in den folgenden Jahrzehnten und darüber hinaus bis ins 18. Jahrhundert weitergeführt wurde. 354 Hier nicht eigens behandelt werden die bereits anderweitig untersuchten Geleitsstreitigkeiten zwischen Würzburg und Fulda, die 1510 einsetzten,355 da sie nicht unmittelbar mit Auseinandersetzungen um grundlegende Herrschaftsansprüche zusammenhingen.
a) Geistliche
Jurisdiktion
Wie tief die geistliche Jurisdiktion Würzburgs in die weltliche Herrschaft Fuldas eingreifen konnte, zeigt ein Fall vom Ausgang des 15. Jahrhunderts: 356 In einem heftigen Güterstreit hatten sich die Kontrahenten Conrad Geckenheim, Bürger aus Würzburg, und Heinrich Ledenter aus dem Fuldischen nach langjährigen Auseinandersetzungen außergerichtlich vor dem Dompropst Kilian von Bibra (f 1494) geeinigt und einen Vertrag geschlossen, den beide Parteien bei Strafe des Eidbruches und der stattlichen Summe von 400 Gulden beschworen. Nach dem Tod des Ledenter erkannten dessen Erben in Hámmelburg 357 diesen Vertrag nicht an und wurden deshalb von Geckenheim vor dem Geistlichen Gericht in Würzburg verklagt, das sie zur Zahlung der vereinbarten Strafe von 400 Gulden und zur Einhaltung des Vertrages verurteilte. Als sich die Hammelburger (wohl gemeint: Amtleute) weigerten, dieses Urteil zu exekutieren, wurden auch sie von Geckenheim am Geistlichen Gericht belangt. Abt Johann von Fulda beschwerte sich nun zu Beginn des Jahres 1500 bei Bischof Lorenz, da es sich bei den beiden Parteien um Laien handele, sei das weltliche Gericht zuständig - das hieß in diesem Fall das Hammelburger Stadtgericht, in dessen Bereich die beklagten Erben saßen. Bischof Lorenz lehnte diese Argumentation ab, weil es sich hier um Eidbruch und dessen Folgen handle und in diesem Fall das Geistliche Gericht zuständig sei. Es ist nicht bekannt, wer sich faktisch durchsetzte, doch kommt in diesem Schriftwechsel die Unvereinbarkeit der beiden Positionen deutlich genug zum Vorschein. Interessant ist an diesem zeittypischen Konflikt die Konstellation, daß die von Würzburgs geistlicher Jurisdiktion derart bedrängte Abtei Fulda selbst eine geistliche Institution war, die sich auf zahlreiche päpstliche Privilegien berufen konnte. Den Ausgangspunkt bildete das Exemtionsprivileg von 751, als dessen Folge sowohl das Hauptkloster St. Salvator als auch die von diesem abhängigen Nebenklöster von der Diözesangewalt der eigentlich zustän-
354
355 356 357
Die einschlägigen Verträge werden unten bei der Behandlung der verschiedenen Gebrechen angegeben. Weig, lus conducendi, 99f. Stb. 725, 86'f (Bischof Lorenz an Abt Johann, 31.3.1500). Es handelt sich um die (Gebrüder) Hartlaub, aus einer der reichsten Familien der Stadt, die z.B. Abt Johann von Fulda 1497 400 Gulden liehen (StAMr Κ 438, 129-131; zur Familie vgl. J. Merz, Georg Horn, 1992,435f).
109
3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda
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Würzburger Diözesangrenze
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fuldisch
Der würzburgisch-fuldische Überschneidungsbereich
110
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
digen Jurisdiktionsträger Mainz und Würzburg 358 befreit und direkt dem Papst unterstellt waren. 359 Durch das Recht, bischöfliche Gewänder und Insignien zu tragen, waren die Abte schon rein äußerlich von einem Bischof kaum zu unterscheiden; hinzu kamen gewichtige Exemtionen vom Diözesanverband. Diese betrafen ζ. B. die punktuelle Befreiung der kirchlichen Institutionen im Fuldaer Bereich von Zehnten und kirchlichen Abgaben an die Diözese Würzburg, 360 vor allem aber die schrittweise Aneignung des Fuldaer Archidiakonats durch den Fuldaer Abt, die durch die Vereinigung der Fuldaer Stadtpfarrei mit dem Fuldaer Archidiakonat an der Wende zum 14. Jahrhundert und die Inkorporation der Stadtpfarrei mit allen anhängenden Rechten in die mensa des Fuldaer Abtes am 30.4.1476 vollendet wurde. 361 Zwar war damit nur ein sehr kleines Gebiet um die Stadt Fulda vollständig aus dem Würzburger Diözesanverband gelöst, doch war die faktische Eigenständigkeit relativ weit fortgeschritten. Schon 1473 war es gelungen, dem als Exklave am Main gelegenen fuldischen Kloster Holzkirchen die Pfarrei Erlenbach zu inkorporieren und diese an der Exemtion des Klosters teilhaben zu lassen, was freilich nach heftigen Würzburger Protesten 1489 wieder rückgängig gemacht wurde. 362 Etwa aus der Zeit der Inkorporation stammen zwei Würzburger Listen, in denen „alte Beschwerden und Gebrechen" gegenüber Fulda zusammengestellt sind: Der Abt und die Prälaten zu Fulda würden eigenmächtig die Benefizien besetzen, die Abgaben und Jurisdiktionsrechte des Bischofs verweigern und die Durchführung von Beschlüssen des Würzburger Geistlichen Gerichts verhindern; hervorgehoben wird dabei das planmäßige Vorgehen von Seiten der Fuldaer. 363 Zudem verfügten die Äbte über ein eigenes Geistliches Gericht, das seinen Wirkungskreis zumindest im Hinblick auf die freiwillige Gerichtsbarkeit leicht über das Archidiakonat Fulda hinaus ausdehnen konnte. 364 Gleichzeitig finden sich Anzeichen, daß sich die geistlichen Der Erzbischof von Mainz westlich des Fuldaflusses und im Nordosten um Vacha sowie der Bischof von Würzburg im restlichen Gebiet, insbesondere in der Rhön und im Südteil, das in bezug auf die weltliche Herrschaft zwischen Würzburg und Fulda strittig war. Vgl. die KartenS. 35 und 109). 359 Vgl. dazu Leinweber, Hochstift, 132-134, 265f; J. Leinweber/J. Merz, Der fuldische Süden, 1993,196f (mit weiteren Nachweisen). 360 So Papst Innozenz VII. am 11.11.1404 (Leinweber, Hochstift, 121 Anm. 8). 361 Zur Inkorporation L. Pralle/G. Richter, Die Fuldaer Stadtpfarrei, 1952, I 46-51, II 61-64. Die Supplik ist erhalten in ASV, Reg. Suppl. 738,15'f; vgl. auch Scherg, Franconica, Nr. 522. 362 Vgl. Scherg, Franconica, Nr. 433, 601, 710, 713; ASV, Reg. Suppl. 884,136v-137r, Reg. Suppl. 886, 171r, Reg. Suppl. 887, 193r, Reg. Suppl. 888, 203v, Reg. Suppl. 911, 136rv, 223v-224r sowie Reg. Lat. 883, 311v-317v (frdl. Hinweise von Herrn P D Dr. Karl Borchardt, Würzburg). 363 Ldf 12, 1051 und 1074-1078. Bei beiden, inhaltlich ähnlichen Beschwerdelisten ergibt sich die Datierung in die 1470er Jahre aus dem Kontext der weiteren Eintragungen in diesem Kopialbuch und aus dem Hinweis auf Einziehung/Inkorporation der Stadtpfarrei und des Archidiakonats zu Fulda. 364 Vgl. Pralle/Richter, Die Fuldaer Stadtpfarrei, I 51, daneben z.B. die Ordnung des Geistlichen Gerichts in Fulda aus der Zeit Abt Hartmanns von Kirchberg (StAMr, Κ 437, 3 0 9 325). 358
3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda
111
Institutionen im Fuldaer Bereich, auch soweit sie in der Diözese Würzburg lagen, in der Liturgie an Mainz ausrichteten und damit abermals den Würzburger Einfluß zurückdrängten. 365 Freilich handelte es sich hier um Tendenzen, nicht um eine umfassend und zielstrebig verfolgte vollständige Exemtion der fuldischen Untertanen von der Würzburger geistlichen Obrigkeit. In diesem Kontext ist es zu sehen, daß 1497 bei der Einsammlung des Gemeinen Pfennigs durch das Bistum Würzburg die (exemten) Kollegiatstifter Hünfeld und Rasdorf diese Reichssteuer an den Fuldaer Fürstabt entrichteten, während aus dem Bereich der Landkapitel keine Behinderungen der Würzburger Kollektoren verzeichnet sind. 366 Erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts gelang es nach mehreren gescheiterten Anläufen, die geistliche Jurisdiktion des Fuldaer Abtes in seinem Herrschaftsgebiet durchzusetzen und 1604 durch Papst Clemens VIII. sanktionieren zu lassen; den formellen Schlußpunkt setzte schließlich nach vielen weiteren Querelen die Erhebung Fuldas zum Bistum im Jahre 1752.367
b) Das Gebiet an der Fränkischen Saale Die Konzentration von Konflikten im Bereich der Fränkischen Saale um Hammelburg hängt damit zusammen, daß sich hier die Würzburger und die Fuldaer Einflußzone überlagerten, weshalb es schon im 13. Jahrhundert zu kriegerischen Konflikten kam. Sie ergaben sich aus der Konfrontation des fuldischen Güterkomplexes um die Burgen Werberg, Schildeck und Saaleck bzw. die Zentralorte Brückenau, Motten und Hammelburg mit gewichtigen würzburgischen Erwerbungen aus der Hand von Adeligen: Der Anfall der Burg Botenlaube sowie der Erwerb eines Anteils an Schloß Trimberg 1234 (letzteres vollständig 1292) bildete einen wichtigen Meilenstein für das Expansionsstreben Würzburgs in diesem Raum. Fulda begegnete dieser Tendenz mit der Befestigung und Stadterhebung seines südlichsten Herrschaftspfeilers Hammelburg (um 1232/40), was zu offenen, wenngleich erfolglosen Würzburger Angriffen 1240 und gemeinsam mit Henneberg 1246 auf diesen Ort führte. Trotz weiterer Würzburger Attacken 1283, 1342 und 1385 konnte Fulda seinen Besitzkomplex hier sichern, wobei sich auch die Würzburger Präsenz durch den Erwerb von Bischofsheim (1376) und Homburg o. d. Wem (1469) steigerte. 368 Der grundsätzliche Austrag der gegenseitigen Spannungen wurde unvermeidbar, als nach längerer Phase der Verpfändung an verschiedene Adelige Würzburg 1490 Schloß und Amt Trimberg wieder auslöste 369 und in unmit365 366 367 368
369
Leinweber, Hochstift 125f Anm. 56, 134. StAWü, Misceli. 1053. Dazu Hack, Rechtsstreit. Zusammenfassend Leinweber/Merz; vgl. auch W. Störmer, Die Region Rhön-Saale in der Salier und Stauferzeit. Eine territorialgeschichtliche Bestandsaufnahme, 1994; Th. Heiler, Burg und Amt Botenlaube als Teil des Hochstifts Würzburg (1234-1525), 1994. Wich, Brückenau-Hammelburg, 46 m. Anm. 150f.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
telbare Verwaltung nahm. Auf der anderen Seite war auch die Organisation der fuldischen Herrschaft im Saalegebiet dadurch beeinträchtigt worden, daß das Amt Saaleck des öfteren, durchgehend 1418-1478, verpfändet gewesen war. 370 Jetzt standen sich Würzburg und Fulda im Saaletal ohne jeden Puffer gegenüber, und es begann sofort eine Phase des Aufeinanderprallens und schließlich der Klärung der verschiedenen vermeintlichen oder tatsächlichen Herrschaftsrechte. 371 Der Streit entzündete sich an vielen Einzelheiten, konzentrierte sich aber neben dem grundsätzlichen Anspruch Würzburgs auf die Ausübung der Landgerichtsbarkeit im Gebiet um Hammelburg vor allem auf das Dorf Westheim; diese beiden Punkte sollen hier zusammenfassend dargestellt werden. Würzburger Landgericht Die Geltung des Würzburger Landgerichts auch im Bereich des Stifts Fulda, soweit es innerhalb der Würzburger Diözese lag, ergab sich aus der Anwendung der „Goldenen Freiheit" von 1168. Tatsächlich wurden zumindest bis ins letzte Drittel des 15. Jahrhunderts zahlreiche Fälle von Untertanen aus dem südlichen Bereich der fuldischen Herrschaft vor dem Würzburger Landgericht oder dem Brückengericht verhandelt, 372 und zwar vor allem im Hinblick auf Vermächtnis, Erbe, Eigen, Grund und Boden. 373 Dabei ist zu bedenken, daß sich im Normalfall die Betroffenen selbst an das Landgericht wandten, z.B. zur Beurkundung von Eheverträgen oder zur Einreichung einer Klage; dies war im relativ dicht besiedelten Gebiet um Hammelburg und in dieser auch wirtschaftlich vergleichsweise stärker entwickelten Mittelstadt selbst eher der Fall als im kargen Rhöner Mittelgebirge. Die noch zur Diözese Würzburg gehörenden Gebiete nördlich der Rhön spielen wohl auch wegen der relativ großen Entfernung zum Sitz des Landgerichts und der aktiven fuldischen Exemtionspolitik in geistlichen Fragen zumindest im späten 15. Jahrhundert keine besondere Rolle mehr. Dagegen wurde seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die Zuständigkeit des Landgerichts südlich der Rhön von seiten Fuldas angefochten. Bereits am 25.2.1451 beschloß das Würzburger Landgericht eine Beschwerde bei Schultheiß und Schöffen des Stadtgerichts im fuldischen Hammelburg, weil diese sich ungerechtfertigter Weise eines Güterstreits angenommen hätten, obwohl dieser doch an das Landgericht gehöre. 374 1466 erfolgte ein grund-
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Hofemann, Territorium, 106f. Vgl. auch ebd. 13 und 48, wo zwischen einer ersten Phase der machtpolitischen Expansion und einer zweiten, im 15. Jahrhundert einsetzenden Phase der „Territorialitätsbildung" bzw. „Entwicklung der Landeshoheit im engeren Sinne" unterschieden wird. Die Fälle finden sich überall in den zahlreichen Protokollbänden des Landgerichtes verstreut; vgl. als Beispiel nur für die Jahre 1349/50: Stb. 823, 105. 151, für die Jahre 1391-1400: Stb. 833, 10, 44, 54, 116', 259', 362' sowie das vorangestellte Register zu Stb. 834. Ldf 12, 1076-1078 und Stb. 725, 1 - 4 bieten Auszüge aus den Büchern des Brückengerichts betr. fuldische Untertanen für die Zeit 1418-1475. Vgl. Stb. 725,126'. Stb. 854, 367'.
3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda
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sätzlicher Zusammenstoß infolge der Klage eines Münnerstädter Bürgers am Würzburger Landgericht um Güter zu Hammelburg. Eine fuldische Delegation legte dem neugewählten Würzburger Bischof Rudolf375 die Privilegien des Stifts Fulda vor und verlangte die Uberweisung der Klage an das Hammelburger Stadtgericht, wurde jedoch vom Bischof an das Landgericht gewiesen. Dort vertrat der fuldische Verhandlungsführer Hans von Ebersberg zu Gersfeld am 9.8.1466 die grundsätzliche Aussage, das diß lantgericht über des stiffts von Fulda vnderthanen nicht zurichten haben solle?76 Der Würzburger Anwalt hielt dagegen, daß der Landgerichtsbote in diesem Fall in Hammelburg gefangengenommen und mißhandelt worden sei, obwohl doch dieser Ort eindeutig ins Herzogtum Franken gehöre, das schon immer ins fuldische Gebiet gerichtet habe. Auf Verlangen des Hans von Ebersberg wurden nun die Privilegien des Stifts Fulda verlesen, dann die Würzburger. Im Urteilsspruch wies das Landgericht daraufhin die fuldischen Vorstellungen mit Bezug auf die „Goldene Freiheit" von 1168 ab: Als Kaiser Friedrich dem Stift Würzburg dieses Privileg gegeben habe, sei Fulda als Zeuge dabeigewesen, ohne zu widersprechen oder gegenteilige Privilegien geltend zu machen. Vielmehr habe es häufig Verhandlungen fuldischer Hintersassen und Untertanen vor dem Landgericht gegeben, weshalb auch der hier anstehende Fall nicht abzuweisen sei.377 Beschwerdebriefe des Fuldaer Abtes gegen die Ladung Hammelburger Bürger vor das Landgericht finden sich zahlreich für die Jahre ab 1493.378 Die Möglichkeiten des Eingreifens für den Fürstabt waren jedoch gering, solange sich seine Untertanen traditionsgemäß und freiwillig an dieses Gericht wandten. Allerdings gelang es ihm 1495 auf dem Wormser Reichstag, anläßlich eines konkreten Güterstreites König Maximilian zu einem Mandat gegenüber Bischof Rudolf zu veranlassen, in dem er ihm auch generell befahl, derartige Eingriffe in die Freiheiten des Stifts Fulda zu unterlassen.379 Doch blieb das Mandat völlig wirkungslos: Die Gerichte blockierten sich in diesem Fall gegenseitig, jede Herrschaft belegte das Gut der jeweils feindlichen Partei in ihrem Machtbereich mit Beschlag und selbst Verhandlungen zwischen den beiden Fürsten bzw. ihren Räten hatten zumindest bis 1508 noch nicht zum Erfolg geführt.380 Da im Verlauf des Streits vor dem Landgericht vom 2.6. bis 9.8.1466 vom Würzburger Bischof ohne nähere Erläuterung die Rede ist, ist anzunehmen, daß es sich dabei um den am 30.4.1466 gewählten Rudolf von Scherenberg handelte. 376 Stb. 864,349. 377 Ebd. 349-350. Zum Gerichtstermin auch ebd. 293', 305' und 348. 378 Ldf 16, 341 (2.9.1493), Stb. 725, 28, 49', 102' (= 138'f) usw. 379 117/132: 15.4.1495, beglaubigte, gleichzeitige Abschrift fuldischer Provenienz mit dem Vermerk, daß das Original durch den königl. geschworenen Boten Peter Ungerider dem Bischof Rudolf am 18.4.1495 persönlich im Beisein seines Marschalls Cuntz von Schaumberg übergeben worden sei. Vgl. RTA m.R. V/1, Nr. 627; schlechter Druck: Schannat, Historia Fuldensis, Codex Probationum Nr. 238. 375
380
Vgl. neben der Schilderung in W U 117/132 die Hinweise in Stb. 725, 28, 49', 94'f, 110', 235', 236'. Bei den Streitparteien, den würzburgischen Untertanen Caspar Doles und Thoma Ockel sowie Heinrich Quentzler von Hammelburg, handelt es sich um hervorgehobene
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Ob beeinflußt von diesen Entwicklungen oder allgemeinen Tendenzen entsprungen, wird zur gleichen Zeit über die Frage der Zuständigkeit von Gerichten hinaus ein Prozeß sichtbar, der auf Dauer tief in das Alltagsleben der Bevölkerung eingriff. Hatte bisher das am Würzburger Landgericht praktizierte fränkische Landrecht auch im Südteil der Abtei Fulda gegolten, so bezog Fürstabt Johann demgegenüber die Güter seiner Untertanen nun in das allgemeine „fuldische" Recht ein. Angesichts der zahlreichen Zweit- und Drittehen von verwitweten Personen hatte dies vor allem im Erbrecht beträchtliche Folgen. Der Streit entzündete sich wie gewöhnlich an einem besonders gravierenden Einzelfall: 381 1501 heiratete der verwitwete Hammelburger Bürger Heinz Allwinder die Witwe Margareth Stupflin aus dem würzburgischen Greßthal. Beide vereinbarten, daß sie ihren Kindern aus erster Ehe ihren Erbteil ausbezahlten, dann gemeinsam auf ihrem vereinten Gut sitzen und daß nach ihrer beider Tod dieses unter die gemeinsamen Kinder aufgeteilt werden solle. Der würzburgische Keller zu Arnstein ließ jedoch den Gütertransfer nach Hammelburg nicht zu mit der Begründung, daß der Erbteil der Kinder aus erster Ehe der Stupflin im Vergleich zum großen Reichtum der Witwe zu gering ausgefallen und nach der bisherigen Erfahrung die Herausgabe weiterer Güter nach dem Tod der Stupflin nicht zu erwarten sei. Als Beleg führte er einen weiteren Fall an, in dem eine Frau aus Obbach einen Hammelburger geheiratet hatte; nach kinderloser Ehe starben zuerst die Frau und dann der Mann, und das Erbe wurde ausschließlich unter die Angehörigen des Mannes verteilt. Nach fränkischem Recht hatten aber die Erben aus einer früheren Ehe Anspruch auf einen Pflichtteil des in die neue Ehe eingebrachten Gutes (nicht unbedingt des Gesamterbes). 382 Nach fuldischem Recht dagegen traten beide Ehegatten gleichberechtigt in den Gesamtbesitz ihrer zusammengelegten Güter ein, so daß es sich beim Tod des einen Ehegatten nicht um einen Erbfall handelte, sondern um den Eintritt in den Gesamtbesitz. 383 Außerdem war der Pflichtteil der Kinder gegenüber der Witwe nach fränkischem Recht im Verhältnis zwei zu eins384 offenbar deutlich höher als nach fuldischem.
Personen und um größere Geldsummen (in einem Fall ist von der Beschlagnahme von 100 Gulden durch Würzburg die Rede, während sich die Streitsache überwiegend in fuldischer Hand befand). Thoma Ockel ist mehrfach als würzburgischer Diener (Schultheiß, Hauptmann) nachweisbar; vgl. z.B. W U 92/32, W U 92/34 (1482-1506). Im Falle Quentzler ist für 1496 bezeugt, daß er sehr wohlhabend war; 1507 ist er zudem als Schultheiß zu Hammelburg belegt (Merz, Georg Horn, 461). 381 Vgl. zum folgenden die Korrespondenzen vom 30.11.1501 bis 27.2.1502 (Stb. 725, 87-89', 91-92, 94-95). 382 Vgl. Merzbacher, Iudicium, passim, bes. 173. 383 Vgl. zum fuldischen Recht aus späterer Zeit Thomas, Sistem des fuldischen Privatrechts, bes. II 29ff, III 157-59; ergänzend zum Fuldaer „Hut- und Schleierrecht": F. Weiß, Die Entwicklung des Zivilrechts in der fränkischen Rhön im 19. Jahrhundert, 1992, 146, und J. Fürtsch, Würzburger und Fuldaer Landrecht sowie Gemeines Recht im Amtsgerichtsbezirk Hilders vor 1900, 1992. 384 Vgl. Merzbacher, Iudicium, 186 mit weiterf. Lit.
3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda
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Der Keller zu Arnstein und andere würzburgische Beamte vor O r t empörten sich vor allem über die Hammelburger Praxis, viele Güter aus würzburgischem Besitz an sich zu ziehen, aber nichts wieder herauszugeben, wie sie es geradezu anklagend gegenüber dem Bischof formulierten: Wil aber ewr gnade die von Hamelburg auß ewern ampten reich laß werden vnd die ewern die das beruhen arme, moget jr thun.iS5 Der Bischof nahm zunächst diese Argumentation seiner Amtleute auf, doch verlagerte sich der Streit aufgrund der Verweigerungshaltung des Fuldaer Abtes sofort auf die grundsätzlich Frage nach der Geltung von fränkischem Landrecht und Landgericht in der Abtei Fulda. 3 8 6 Weitere Streitereien u m die Zuständigkeit der Gerichte und um unterschiedliche Rechtsauffassungen folgten. 3 8 7 Auf dem Schiedstag vom 5.9.1503 in Fuchsstadt kam auch diese Angelegenheit zur Sprache, doch klärte sich nur noch einmal sehr deutlich die unterschiedliche Sichtweise. Die fuldischen Räte sahen die Problematik unter dem Gesichtspunkt der Herrschaftspertinenz: dann was einem yeden nach fuldischem rechten auch nach herkomen vnnd gewonhait zu Hamelhurg zugeeignet wird, das ließ man jme vnwidersprechlich volgen.iSS Die Vertreter Würzburgs betonten dagegen die flächenhaft abgegrenzte, nicht an eine bestimmte Herrschaft gebundene Geltung des fränkischen Landrechts und Landgerichts, demselbigen lebten sie billig vnnd wurd keins fuldischen rechten jn dem falle der or dt gestanden.389 Ritter Conrad von Hutten und Keller Johann Eber zu Arnstein an Bischof Lorenz, 8.12.1501 (Stb. 725, 88'). 386 Vgl. d¡ e grundsätzliche Stellungnahme von Bischof Lorenz gegenüber Abt Johann, 27.2.1502 385
(Stb. 725, 94'f): Nachdem aber Hamelburg jn vnnserm ordenlichen gerichtszwang vnnsers landtgerichts vnnsers hertzogthumb zu Francken vnd frenckischem hoden jst gelegen, mit den die vnnsem teglich handien, domit es auch vor alter also ist herkomen, so sich die ewern zu den vnnsem oder die vnnsem zu den ewern haben verheyrat, dieselbige elewt jr verheyratung an vnnserm landgericht vnnsers hertzogthumbs zw Francken haben bestetigen lassen, vnd wie auch solche vermechtnus gescheen vnd an vnnserm landtgericht bestetigt sein, dobey ist es bliben. So die ewern sich desselbigenn als billich noch also hilten, so wer man vil zancks vberig vnd wer dannoch einem jglichen vorbehalten, verheyrattung mit seinem gut wue nit not erben [Pflichtteilsberechtigte] wem zu thun nach seinem willen vnd gefallen. Aber es wurd itzt newerung den vnsern zu mercklichem nachteil dowider gesucht, also das vnns nit fugen wil, vnnsem ordenlichen gerichts zwang vns vnd vnnserm stifft zu schmelerung vnd den vnnsem zu schaden nachzulassen, dann nit alleyn jn diesem falle, sonder jn mere sachen dermassen fumemen gegen den vnnsem gevbt vnd jr ererbt gut vorgehalten wurd, als Thoma Eckel vnd Casparn Toles [vgl. oben Anm. 380] vnnsem dinem auch gescheen ist. Darumb wir vns zu e[wr] l[iebe] versehen, ob wir vnnsers stiffts alt herbracht vnwidersprechlich recht vnd gewonheit hanthaben, e[wr] l[iebe] sollen vns darjnnen nit verdencken, auch den ewern dowider zuhandeln dhein beylegen thun.
387 Vgl. Stb. 725 ; 98-99 (Verheiratung eines minderjährigen Mädchens aus dem Würzburgischen an einen fuldischen Untertanen 1502), 102-103', 139-140 (konkurrierende Verfahren vor Stadtgericht Hammelburg und Landgericht Würzburg um Erbe in Hammelburg 1503), 2 6 5 - 2 6 6 ' (Streit um Erbe bzw. Gütertransfer aus würzburgischem in fuldisches Gebiet 1511). 388 389
Stb. 725, 118. Stb. 725, 119'. Die Unzugänglichkeit gegenüber der auf herrschaftliche Abgrenzung pochenden Argumentation Fuldas wird im folgenden noch deutlicher: So sie [!] sich ein wurtzpurgi-
scherjn das fuldisch land verheyrath, wolten siefuldisch recht, so es zum falle keme, furzihen
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Diese Entwicklung ist umso auffälliger, als die Gegend um Hammelburg tatsächlich dem Selbstverständnis wie der Fremdeinschätzung nach ganz eindeutig als fränkisch betrachtet wurde; erst im 17. Jahrhundert ist im Zuge der Herrschaftsverdichtung eine Abschwächung dieser landschaftlichen Zuordnung feststellbar.390 Damit wird schon im 15. Jahrhundert im Gegensatz zur Bezeichnung des Saalegebietes als „fränkisch" eine Tendenz zur Auflösung des einheitlichen Rechtsraumes sichtbar, der die schärfere Abgrenzung der Herrschaftsgebiete vor allem im Erleben der Untertanen, eine neue Vorstellung von „Land" nach sich ziehen mußte. Die Würzburger Bischöfe, in ihren traditionellen, bestens begründeten Vorstellungen befangen, konnten es lange nicht akzeptieren, daß die Fuldaer Abte demgegenüber eine Neuerung einführten, bei der sie sich nur darauf berufen konnten, daß es sich um innere Angelegenheiten ihres Fürstentums handle. Immer wieder erfolgten daher Ladungen fuldischer Untertanen an das Würzburger Landgericht bzw. Konflikte um unterschiedliche Rechtsauffassungen,391 die schließlich mit den anderen unentschiedenen Gebrechen in den „Anlaß" von 1527 aufgenommen und im Reichskammergerichtsurteil von 1552 endgültig zu Gunsten Fuldas entschieden wurde.
c) Die Dorfherrschaft
Westheim
Nach der Einlösung des Amtes Trimberg 1490 versuchte Bischof Rudolf von Würzburg, die Erbhuldigung392 und Atzung in Westheim einzunehmen (s. die Karte S. 117). Darüber hinaus leitete er aus der Zugehörigkeit des Dorfes zur Zent Aura (mit Sitz in Trimberg)393 die - auch von Fulda beanspruchte Pflicht der Bewohner zur (militärischen) Folge ab. Hinzu kam ein letztlich grundsätzlich anerkanntes, im einzelnen umstrittenes Recht auf die Festsetzung von Maßen und Gewichten (und damit verbunden die Ahndung entsprechender Vergehen) durch den Trimberger Amtmann. Schließlich zog das Zentgericht Aura immer mehr Fälle an sich. Letzteres führte zu einer Protestaktion der fuldischen Amtleute, die den Standpunkt ihrer Herrschaft in einem notariellen Instrument vom 13. und 14. Februar 1492 öffentlich darstellten: Am ersten Tag protestierte der Zentgraf im fuldischen Amt Saaleck über die unübliche Beschwerung der Westheimer durch das Zentgericht zu Aura, denn das Dorf gehöre mit aller obirkeit dem Abt und dem Stift zu Fulda zu. Am zweiten Tag ließen sich die fuldischen Amtleute von allen vnd geprauchen, verheyratb sich aber ein fuldischer jn das wirtzpurgisch land, vnd so es dann aber zum falle kerne, praucbten die fuldischen sich des landtgerichts des hertzogthumbs zu Francken, wie gleich das wer konnth ein igklicher verstendiger wol ermessen. 390 Vgl. Leinweber/Merz; J. Merz, Die südlichen Gebiete der Fürstabtei Fulda, 1992. 391 Vgl. Stb. 726 passim, z.B. mit Bezug auf die Konflikte um 1500: 33-34', daneben 4 7 ' - 4 9 u.ö. zum Jahr 1522. 392 Zur Erbhuldigung allgemein: A. Holenstein, Die Huldigung der Untertanen, 1991. 393 Dazu Knapp, Zenten 1/1, 136-139. Erst 1494 wurden in einem Vertrag mit Henneberg über die Wiederaufrichtung der Zent Aura die beiderseitigen Rechte definitiv geklärt.
3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda
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%—" Der Streit um Westheim
Männern zu Westheim die bisherige Gerichtspraxis als Weistum bezeugen: Zwar billigten diese dem Zentgericht Aura die Zuständigkeit in Fällen von Mord und Diebstahl zu sowie das Recht, Maße und Gewichte zu besehen und entsprechende Vergehen zu ahnden; bei Scheltworten und ähnlichen zentwürdigen Fällen erkannten sie jedoch nur die freiwillige Gerichtsbarkeit an. Der als würzburgischer Schultheiß bezeichnete Westheimer erklärte dabei auf Befragen, daß sich seine Funktion im Einsammeln etlicher Hühner erschöpfe und er keinerlei Gebots- oder Verbotsgewalt ausübe, er vielmehr dem örtlichen Gebot und Verbot folge. 394 394
StAMr, R I a Fulda Stiftsarchiv 1492 Febr. 13; Abschrift: StAMr, Κ 436, 806-810, teilweise auch ebd. 893f.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Am 20.1.1493 konnte der würzburgische Marschall Contz von Schaumberg 22 Westheimer Männer zur Erbhuldigung bewegen, darunter den fuldischen Schultheiß Hans Wahler; im April folgten vier weitere, die sich zunächst geweigert hatten. 395 Der dabei angewandte würzburgische Druck auf die Westheimer zur Leistung der Erbhuldigung sowie der Atzung Schloß auch Gefangennahme sowie die Pfändung von Pferden ein. 396 Von Fulda veranlaßt, sandten die Westheimer jedoch am 11.6.1493 einen vom Fuldaer Marschall gesiegelten Brief an Bischof Rudolf, in dem sie die unter Zwang zustandegekommene Huldigung wieder rückgängig machten; diesbezügliche würzburgisch-fuldische Verhandlungen blieben erfolglos. 397 Als die Westheimer bald darauf, beim Regierungsantritt des Bischofs Lorenz 1496, abermals die Erbhuldigung verweigerten, 398 kam eine ganze Reihe von Gesprächen in Gang: Zu Westheim (ab 14.11.1496), 399 Schweinfurt (27. und 28.2.1497), 400 Fuchsstadt (26.4.1497) % 401 wiederum in Westheim oder einem benachbarten Ort (1.10.1499), 402 in Fuchsstadt und Hammelburg (ab 25.2.1500) 403 und erneut in Fuchsstadt (4./5.9.1503). 404 Nachdem die Positionen festgefahren waren und beide Parteien schon mehrfach versucht hatten, vor Ort Fakten zu schaffen, eskalierte der Streit in einem blutigen Konflikt 1505, der nach einem zunächst gescheiterten Tag zu Fuchsstadt (18.8.1506) 405 schließlich doch die endgültige Einigung über die Herrschaftsverhältnisse zu Westheim bei den Verhandlungen in Langendorf und Karlstadt vom 30.8. bis 6.9.1508 406 veranlaßte. Der unter dem 16.10.1508 ausgefertigte Vertrag 407 wurde am 29.11.1508 von Fulda an Würzburg überschickt 408 und schließlich mit allen Konsequenzen am 4.7.1509 in Westheim vollzogen. 409 Zwar gab es StAWü, Ger. Hammelburg 1351. 396 Vgl J e n fuldischen Amtmann Ludwig von Hutten an den Würzburger Marschall Contz von Schaumberg, 1.2.1493 (StAWü, Ger. Hammelburg 1351; Stb. 725, 13') sowie die entprechende interne Notiz der fuldischen Kanzlei zum Jahr 1493 (StAMr, Κ 436, 898f; Druck: Schannat, Historia Fuldensis, Codex Probationum Nr. 236). 3 9 7 Verhandlungen in Karlstadt am 23.7.1493: StAMr, Κ 436, 899; StAMr, 90b/1766. 398 Vgl. den Gewaltbrief für die Bevollmächtigten von Bischof und Domkapitel zu Würzburg vom 12.11.1496 (StAWü, Ger. Hammelburg 1351) sowie Stb. 725,14'f. 37'f u.ö. 399 Stb. 725, 14-27; StAWü, Ger. Hammelburg 1351. 400 Stb. 725, 37-44'. 401 Stb. 725, 46-47'. 402 Stb. 725, 63f. 403 Stb. 725, 65-68. 70-71. 404 Stb. 725, 113 -130. 405 Stb. 725, 1 6 9 - 1 7 3 ' . 406 Stb. 725,227-236. 407 Würzburger Ausfertigung: W U 24/120a, fuldische Ausfertigung: W U 117/155. Abschriften: Ldf 22, 294-303; StAWü, Salb. 163, 34'-41; Geistl. Sachen 2731/1, 131-137'; StAMr, Κ 438, 789-811; Abschrift des weitgehend übereinstimmenden Konzepts: Stb. 725, 228-233'. Druck: Schannat, Historia Fuldensis, Codex Probationum Nr. 242. S. die Edition in Anhang Nr. 4. 408 Stb. 725, 244'. 409 Stb. 725, 25Γ-253' = StAWü, Salb. 163, 41-44' (Erbhuldigung und Ordnung des Dorfgerichts zu Westheim); StAMr, 90b/1760 (mit Ergänzungen des 18. Jahrhunderts). Die Angaben bei Wich, Brückenau-Hammelburg, 42 sind fehlerhaft. 395
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auch in Zukunft noch unklare Punkte, insbesondere bezüglich der Rechte des Propstes zu Thulba, 410 und vor allem im 18. Jahrhundert mußten zahlreiche Einzelfragen geklärt werden, 411 doch waren damit die Verhältnisse grundsätzlich und dauerhaft geregelt. Den Ausgangspunkt für die Erfassung der Verhältnisse beim Ausbruch des Konflikts bildet ein Weistum von 1492/96. 412 Danach war Westheim geprägt vom Nebeneinander der Dorfgenossenschaft und mehrerer Herrenhöfe, die als Relikte der Fronhofverfassung anzusehen sind. Die gesamte Markung von Westheim galt - letztlich unbestritten - als fuldischer Grund und Boden. Dieser Anspruch bedeutete, daß die Gemeindefluren nicht aufgeteilt und die Gemeinde insgesamt grundsätzlich fuldischem Gebot und Verbot unterstellt waren; tatsächlich taucht schon im Weistum vom 14.2.1492 ein fuldischer Schultheiß Hans Waler auf, der in dieser Funktion ca. 1496 und zugleich als würzburgischer Leibeigener bezeugt ist. 413 Die fuldische Gebots- und Verbotsgewalt war aber nur im Hinblick auf Eigentumsverhältnisse (Erbe und Fahrnis) eindeutig anerkannt, im übrigen übte die Funktionen des Schultheißen ein von Fulda bestimmter Heimbürge 414 gemeinsam mit einem von der Gemeinde benannten aus. Dies drückt wiederum eine relativ starke Stellung der Gemeinde aus, die zudem jede Verpflichtung zu Diensten und Bede von sich wies. Den wichtigsten Herrenhof hatte der Propst des fuldischen Nebenklosters Thulba von alters her inne. Die Bedeutung dieses Hofes läßt sich daran ablesen, daß dazu acht Behausungen 415 gehörten und der Propst jährlich ein eigenes grundherrliches „Zinsgericht" bis zu einer Buße von 25 Pfennigen abhalten konnte; es erstreckte sich auf seine Hübner nicht nur in Westheim, sondern auch im benachbarten Langendorf, soweit sie Güter in der Westheimer Markung bebauten. Nach dem Weistum gab es sodann zwei weitere Höfe, 410
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Vgl. für das späte 16. Jahrhundert StAWü, Ger. Hammelburg 851 und 852. U m eine reine Gemeindestreitigkeit zwischen Westheim und Fuchsstadt handelt es sich beim Vertrag vom 19.9.1574 (Ldf 33, 59-62). Zur Erbhuldigung in Westheim 1583 und 1602 vgl. StAMr, 90b/1731. StAMr, 90b/1773. Der hier verwendete Text des Weistums steht im Würzburger Bericht der Verhandlungen von 1496 (Stb. 725, 24'-26'; Abschrift von 1582: StAWü, Salb. 163, 32'-34); Teile davon decken sich mit dem nur auf die Rechte der Zent Aura bezogenen Weistum vom 14.2.1492 und den daran anschließenden fuldischen Aufzeichnungen (StAMr, Κ 436, 893f, 897f). Die von Fuldaer Seite nicht dokumentierten Teile des Weistums wurden weder direkt bestritten noch mittelbar widerlegt, außerdem boten sie weder für die würzburgische noch für die fuldische Seite eine eindeutige Argumentationsstütze, so daß man von ihrer Authentizität ausgehen kann. StAMr, Κ 436, 894. Vgl. dazu unten zur Güterverteilung in Westheim. Nach G. Buchda (in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2, 1978, 50f) ist der Heimbürge „ein Gemeindeoberer auf betont genossenschaftlicher, nicht auf herrschaftlicher Grundlage; er wird von der Gemeinde bestellt und hat überwiegend nachbarliche Rechte wahrzunehmen", die im Einzelfall sehr weit gehen konnten. Stb. 725, 68. Dazu paßt die fuldische Notiz, daß sieben würzburgische und zwei fuldische Leibeigene in Westheim Zinsen an das Kloster Thulba zahlten (StAMr, Κ 436, 894—896). Vgl. dazu unten die Darstellung der Güterverteilung im Ort.
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die sich wie der des Thulbaer Propstes einerseits von der Dorfgemeinschaft abhoben, andererseits aber auch partiell integriert waren: Wenn zwei dieser drei Höfe sich mit der Gemeinde eins seien, dann müsse diesen auch der dritte Hof folgen. Die Hofleute und die Gemeinde waren je zur Hälfte zur Erhaltung der beiden Tore und des Dorffriedes verpflichtet. Dem Weistum zufolge gehörte einer der drei Höfe dem Fürstabt, der dort einen Heimbürgen sitzen habe. Die würzburgischen Erkundigungen vor Ort im Jahr 1500 416 ergaben, daß neben dem Hof des Thulbaer Propstes zwei Höfe als freie Edelmannsgüter bestanden hätten, von denen einer vom Hammelburger Spital gekauft worden und der andere jetzt im Besitz des Christoph von Karsbach sei, 417 zu dem auch der Schaftrieb gehöre, den wiederum seit einiger Zeit der Fürstabt für sich beanspruche. Daneben ist noch von mehreren würzburgischen „Hofstätten" die Rede, 418 ebenso in den fuldischen Aufzeichnungen 419 von einer „Hofreit", die dem würzburgischen Kloster Frauenroth zinspflichtig war und auf der Hans Wahler als fuldischer Schultheiß saß. Uber die Güterverteilung vor Ort ist keine absolute Klarheit zu gewinnen. Die dem Kontext nach spätestens 1496 erstellte fuldische Liste ist rein personal ausgerichtet und gliedert nach der Leibeigenschaft: Danach gehörten 20 Leibeigene und drei Witwen zu Würzburg, ein Leibeigener zu Thüngen und sieben Leibeigene zu Fulda. Unabhängig von den leibrechtlichen Verhältnissen waren diese Personen mit ihren Gütern, die sie alle erblich besaßen, folgenden Institutionen zinspflichtig: dem Kloster Thulba (9), der Adelsfamilie von Karsbach (6), dem Hammelburger Spital (3), der Vikarie S. Crucis in Hammelburg (3), dem Kloster Frauenroth (2), der Kirche St. Peter zu Westheim (2) und einem von Thüngen; bei vier Personen ist die zinsberechtigte Institution nicht eindeutig benannt. Die würzburgische Liste, angefertigt im Jahr 1500, geht stärker nach Gütern vor: Acht Behausungen standen dem Propst zu Thulba zu, drei weitere zinsten nach Hammelburg an das dortige Spital und eine an eine dortige Vikarie. Jeweils acht Hofstätten besaßen das würzburgische Amt Homburg o. d. Wem und die Adelsfamilie von Karsbach 420 , hinzu kamen ein thüngensches sowie zehn weitere Güter, die an geistliche Institutionen zinsten (Pfarreien Langendorf, Zellingen, Fuchsstadt, Hammelburg, Klöster Frauenroth und Aura) und damit mittelbar ebenfalls Würzburg unterstanden, schließlich zwei würzburgische und ein thüngensches Fischwasser. 421 Im Ergebnis kommen die Würzburger Erkundigungen
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Stb. 725, 66-68. Auch in der Viehbedeliste des Stifts Fulda von 1510 wird auf den Hof der von Karsbach verwiesen: J. Hennesen, Eine Viehbedeliste von 1510 im Hochstift Fulda, 1991, 412. Liste von 1496 in: StAWü, Ger. Hammelburg 1351. StAMr, Κ 436, 894. Erworben 1364 von Graf Hermann von Henneberg (Wich, Brückenau-Hammelburg, 50). Liste der Hofstätten, gefertigt in der würzburgischen Kanzlei nach Erkundigungen vor Ort: Stb. 725, 66'-68; vgl. auch die Liste der Abgabepflichtigen von 1496 (StAWü, Ger. Hammelburg 1351).
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zu mindestens 27 eindeutig würzburgischen Gütern, von denen allerdings vier nicht bebaut wurden. Die Aufklärung der Unstimmigkeiten zwischen diesen beiden Listen ist hier nicht relevant, auch deshalb, weil die Güterverteilung vor Ort bei den Verhandlungen theoretisch keine Rolle spielte. Wichtig sind hier folgende Beobachtungen: Trotz des fuldischen Obereigentums an der Dorfmarkung, das seinen wesentlichen Ausdruck in der hervorgehobenen Position des Herrenhofes des Thulbaer Propstes fand, bildete die Zahl der Güter in fuldischem Besitz ebenso wie die Zahl der fuldischen Leibeigenen vor Ort eine Minderheit. Die besitzrechtliche Zuordnung mußte nicht mit der personellen übereinstimmen; würzburgische Leibeigene saßen auf fuldischen Gütern und umgekehrt. Die herrschaftlichen Institutionen, die in Westheim handelnd in Erscheinung treten (Fulda: Amtmann zu Saaleck, Schultheiß und Keller zu Hammelburg; Würzburg: Amtmann zu Trimberg), verfügten über keine Güter im Dorf; vielmehr befanden sich die Güter im Besitz (anderer) mediater Institutionen oder in adeliger Hand. Die Leibeigenschaft war auf die Fürstenherrschaft bezogen; von einer Ausnahme abgesehen, werden alle Personen am Ort entweder als würzburgische oder als fuldische Leibeigene beschrieben, es gab ζ. B. keine Leibeigene des Propstes zu Thulba. Diese Praxis findet ihre Entsprechung in einer Bestimmung des Weistums, wonach die nach Westheim zuziehenden fuldischen und würzburgischen Leibeigenen ihren Status behalten, alle anderen aber sich einen der beiden Leibherren Würzburg oder Fulda wählen mußten. Der Kernpunkt des in den 1490er Jahren aufgebrochenen Streites war eindeutig die Frage, wer der Herr dieses Dorfes sei. Während Würzburg sein Herrschaftsverhältnis durch die Inanspruchnahme der Erbhuldigung zu dokumentieren versuchte,422 ging Fulda davon aus, daß es unbeschadet fremder Einzelrechte als Eigentümer der Dorfherr sei. Demzufolge gaben die fuldischen Amtleute (zu Saaleck und Hammelburg) Neurodungen auf Westheimer Mark als Lehen aus, während Würzburg seinem Besitz im Dorf entsprechend einen Anteil an der Vergabe dieser Neurodungen forderte.423 Beide Seiten sahen als wesentliche Elemente der obrigkeit die Einnahme der Atzung und den Schutz und Schirm des Dorfes an. Dementsprechend versuch422
423
In einer internen Würzburger Notiz wird festgehalten, daß eine Huldigung zu Westheim nicht herkömmlich sei, aber das Stift Fulda einige seiner Männer dort dazu bringen konnte: Stb. 725, 23'. In der Hauptsache argumentierte Würzburg, daß es sich bei dieser Abgabe im Rodungsland (es handelte sich durchgehend um die Neuanlage von Weinbergen) um einen Zehnt handle (Stb. 725, 15': Fuldische unterstehen sich, die newgerewt ... vmb den dreyzehenteyl zuuerleyhen). Der Zehnt zu Westheim aber stehe zu je einem Drittel dem Pfarrer von Langendorf, Oswalt von Weyler und dem Würzburger Bischof zu. Neben dieser formalen Argumentation zeigte sich aber zunächst der eigentliche Wunsch einer direkten Beteiligung am Zehnten. Aufgrund der fuldischen Verweigerung in diesem Streitpunkt (Fulda berief sich auf sein vom Kloster Thulba herrrührendes Zehntrecht in der Westheimer Markung, das es sich mit dem Domkapitel und dem Stift Haug zu Würzburg teilte) kam es dann in der Folgezeit noch zu erheblichen Auseinandersetzungen, doch waren diese für die Herrschaftsfrage nicht mehr unmittelbar relevant.
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ten beide, beginnend mit Fulda, die ursprünglich nur von den eigenen Leuten beanspruchte Atzung von der Gemeinde im ganzen zu erheben, die sich dem freilich widersetzte.424 Ebenso machte jede Partei geltend, daß sie bei vergangenen kriegerischen Verwicklungen das Dorf vor Schaden bewahrt habe. Die von Würzburg angeführte pauschale Argumentation, Westheim liege in seinen weltlichen (Land- und Zentgericht) und geistlichen (Bistum) Zwängen, also in seinem land vnd jm hertzogthumb zu Francken425, wurde von Fulda stets als irrelevant angesehen und deshalb nur am Rande in die Diskussion einbezogen. Angesichts der unklaren Verhältnisse kam der faktischen Situation im Ort teilweise erhebliche Bedeutung zu. Dabei hatte das Stift Fulda in der Intensivierung der herrschaftlichen Rechte zunächst deutlich die Vorhand: Es führte nicht nur die erwähnten Rodungen durch, sondern verstärkte auch mit dem Erwerb der Schäferei (zu Beginn der Auseinandersetzungen) seine Präsenz in der Gesamtgemeinde. Die Unbegründetheit der Würzburger Ansprüche (ausgenommen das Zentgericht) belegte es damit, daß die würzburgischen Besitzrechte zu Westheim dem Amt Homburg o. d. Wem zugehörten, während die herrschaftlich relevanten Rechte nun vom Amt Trimberg ohne jedes Herkommen beansprucht würden.426 Vor allem war nach den Würzburger Erhebungen die Mehrzahl der Bauern vor Ort fuldisch gesinnt.427 Es verwundert daher nicht, daß Würzburg dem Vorschlag des Unterhändlers Dietz von Thüngen auf dem Tag zu Schweinfurt vom 28.2.1498 zustimmte, wonach Würzburg seine Rechte zu Westheim und Fulda seine Zent- und Besitzrechte im benachbarten Fuchsstadt aufgeben sollten, so daß je ein Dorf unter einer einheitlichen Herrschaft gestanden hätte. Fulda dagegen lehnte diesen Vorschlag im letzten Moment vor der Ausfertigung mit fadenscheinigen Gründen ab: Fuchsstadt stand trotz starker fuldischer Besitzanteile und der unbestrittenen Zugehörigkeit zur fuldischen Zent Hammelburg eindeutig unter Würzburger Herrschaft und war damit im Grunde ein Spiegelbild der Westheimer Verhältnisse, in dem die Positionen von Würzburg und Fulda vertauscht waren. Damit bot die Abrede durch das Nebeneinanderstellen der beiden Dörfer eine hervorragende Stütze für den Fuldaer Herrschaftsanspruch über Westheim, weil er hier mit der unbestrit424
Nach Aussage der Westheimer hatte Fulda herkömmlicherweise die Atzung auf dem Hof des Propstes von Thulba, während Würzburg diese von seinen Leibeigenen zwar fallweise erhalten, aber nicht als Recht hergebracht hatte (Stb. 725, 72). Die Entnahme der abgepreßten Atzung aus dem Gotteshauskasten (Stb. 725, 20f, 23') weist darauf hin, daß auch die Gemeindestrukturen nicht besonders stark entwickelt waren, und daß es ebensowenig wie einen klar bestimmbaren Vertreter der Gemeinde eine eigene Gemeindekasse gab.
425
Stb. 725,17. Dieses Argument wird auch durch Würzburger Verzeichnisse aus den 1470er Jahren bestätigt: Westheim wird als Pertinenz des Schlosses Homburg o. d. Wem geführt (Ldf 74, 202), erscheint dagegen nicht bei den Dörfern des Amts Trimberg (Ldf 13, 45). Allerdings war aufgrund der geringen Entfernung zwischen Westheim und der Burg Trimberg diese als herrschaftlicher Anknüpfungspunkt deutlich besser geeignet als die wesentlich entfernter liegende Homburg.
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Stb. 725,24.
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tenen Würzburger Herrschaft über Fuchsstadt auf eine Ebene gestellt wurde. Würzburg betonte dementsprechend deutlich, daß die Absage dieser Abrede durch Fulda den alten Rechtsstand wieder hergestellt habe. 428 Der bis dahin demonstrierten Stärke der fuldischen Position war es wohl zu verdanken, daß der Fürstabt ca. 1499 eine „Verehrung" in der Gestalt eines Fuders Wein durch die Westheimer erreichen konnte, die er nun hartnäckig als Einnahme der Viehbede (Landsteuer) interpretierte. Weitere fuldische Maßnahmen zur Dokumentierung ihrer Herrschaftsrechte folgten, so die Eintreibung von Reichssteuern 1504. 429 Würzburg wurde seit der gescheiterten Vermittlung von 1498 in seinem Vorgehen deutlich aggressiver und versuchte jetzt vor allem, die Stellung seines Schultheißen vor Ort zu verstärken. Ursprünglich hatte es sich dabei nur um einen Bauern gehandelt, der die würzburgischen Abgaben einsammelte; er wurde deshalb von den Fuldaern als „Hühnervogt" lächerlich gemacht. 430 Offensichtlich gelang es jedoch den Trimberger Amtleuten, auch durch gewaltsame Ubergriffe im Ort, 4 3 1 ihre Position und die ihres Schultheißen aufzuwerten und den Einfluß des fuldischen zurückzudrängen, so daß sie diesen nun ihrerseits 1503 als „Hühnervogt" verspotten konnten. 432 Verstärkt wurde diese gezielte Spaltungspolitik im Dorf durch die tendenzielle Herauslösung der würzburgischen Güter aus dem fuldisch dominierten Gemeindeverband und der Bindung an das grundherrschaftliche Zentrum eines (Fron)Hofes. 433 Deutlicher Ausdruck der Pattsituation vor Ort war es, wenn zu dieser Zeit der Saalecker Amtmann die Besichtigung der Waffen (zur Demonstration des Rechtes auf Folge) und Fuhrleistungen von Holz und Sand forderte, ein Teil der Gemeinde sich dem jedoch unter dem Druck des Trimberger Amtmannes widersetzte. Die Geltendmachung weiterer Rechte - so betonte Fulda die Freiheit Westheims vom Würzburger Guldenzoll sowie sein Geleitsrecht in der Gegend - war rein additiv und konnte die grundsätzliche Unvereinbarkeit der Positionen nicht beeinflussen. 428 429
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Stb. 725,65'. Stb. 725, 135-136: Korrespondenz Fulda - Würzburg 20.12.1504, 15.1.1505. Zwar lag diese Maßnahme - wie andere auch - nicht nur in diesen Dokumentationszwecken begründet, sondern sie diente in erster Linie dem Geldbedarf der Fuldaer Abte. Doch war der Herrschaftsanspruch Voraussetzung und Folge dieses Vorgehens. 1 500 zu Fuchsstadt (Stb. 725, 66), vgl. oben bei Anm. 394. Vgl. etwa die gewaltsame Eintreibung des von Fulda beanspruchten Zehnts durch den Trimberger Amtmann: Stb. 725, 59f: Ritter Ludwig von Hutten an Bischof Lorenz, 25.10.1498; desgleichen 5.10.1499 (mit Antwort vom 6.10.1499; StAWü, Ger. Hammelburg 1351); Stb. 725, 78': Fürstabt Johann an Bischof Lorenz, 5.9.1500, und 79'f: Antwort dess., 8.9.1500. Stb. 725, 122'. Einen weiteren Ansatzpunkt für eine mögliche Einflußnahme vor Ort bot die kirchliche Zuordnung Westheims als Filiale der würzburgischen Pfarrei Langendorf, doch wird dieser Aspekt in den einschlägigen Quellen nicht sichtbar. Vgl. in diesem Zusammenhang Bf. Lorenz an Amtmann zu Trimberg, 23.3.1500 (Stb. 725, 68): Der Amtmann soll sich der würzburgischen Güter und Rechte zu Westheim mit Zinseinnehmen etc. besonders annehmen. Außerdem soll er, da die würzburgischen Güter dort keine Hofstatt haben, mit dem Juden reden, der auf der (unbenutzten) Würzburger Hofstatt sitzt, daß er diese räume.
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Obwohl sich Würzburg in der Argumentation im wesentlichen nur auf sein Zentgericht stützen konnte sowie auf die Tatsache, daß Fulda mit Ausnahme des unbedeutenden Zinsgerichtes des Thulbaer Propstes kaum gerichtlichen Befugnisse geltend machen konnte, brachten die starke herrschaftliche Präsenz mit dem Amt Trimberg und der würzburgische Besitz in Westheim die ursprünglich dominierende fuldische Position im Ort zunehmend in Bedrängnis, ohne sie freilich je zum Einstürzen bringen zu können. Angesichts der verhärteten Fronten genügte ein kleiner Anlaß, um die verfahrene Situation eskalieren zu lassen. Dieser Anlaß kam aus einer unvermuteten Richtung, letztlich kam es aber doch zur Einigung. Die Mühle in Westheim hatte sich genau zu diesem Zeitpunkt zu einem verkleinerten Abbild der Verhältnisse im Ort entwickelt. In Westheimer Markung und damit auf fuldischem Grund und Boden liegend, war sie in die Dorfgenossenschaft des benachbarten würzburgischen Pfarrdorfes Langendorf, wo es keine Mühle gab, voll integriert. Ausgehend von dieser ambivalenten Rechtslage behauptete jede Seite, daß ihr die Mühle mit allen Rechten zustehe. 434 Die Mühle war nun als Lehen des Propstes zu Thulba im Besitz eines Hammelburgers, Würzburger Ansprüche konnten erst aktiviert werden, als sich hier Veränderungen ergaben. Dies war ca. 1502 der Fall: Der Hammelburger Besitzer der Westheimer Mühle verlieh diese auf sechs Jahre weiter, verkaufte dann aber nach einem halben Jahr diesen Besitz und gebot dem Beständner die Räumung der Mühle. Dieser wiederum - ein würzburgischer Leibeigener - machte sich den Herrschaftskonflikt zunutze und suchte Rückhalt beim Trimberger Amtmann, der die Durchführung des Verkaufs verhinderte und sein Gericht in diesem Streitfall wegen der angeblichen Zugehörigkeit der Mühle zu Langendorf für zuständig erklärte. Die Eskalation dieses Konfliktes und damit des ganzen Streits um Westheim trat ein, als der fuldische Amtmann zu Saaleck und seine Leute am 7.7.1505 nachts mit Gewalt in die Mühle zu Westheim eindrangen, um einen des Diebstahls bzw. der Hehlerei Beschuldigten, der ihnen zuvor entkommen war, zu fangen und nach Hammelburg an das aufgrund des Tatortes zuständige Stadtgericht zu bringen. Dabei töteten sie den Müller, den Schwager des Beschuldigten. Die Würzburger, deren Amtmann zu Trimberg dem Beschuldigten als würzburgischem Untertan Geleit vor ein ordentliches Gericht 435 zugesagt hatte (was von Fulda bestätigt wurde), waren darüber aufs äußerste empört, überfielen 28 fuldische Untertanen auf dem Feld, von denen sie 22 betagten und sechs in den Trimberger Turm sperrten. Gleichzeitig rüsteten sich beide Parteien durch massive Aufgebote in der weiteren Umgebung für eine kriegerische Auseinandersetzung. 436 Grundlage des beiderseitigen Vorgehens war das Beharren auf der herrschaftlichen Zuständigkeit; aus der jeweils eigenen Sicht hatte sich die Gegenseite eines fundamentalen Rechtsbruches (Einfall in die Mühle bzw. Ge434 435 436
Vgl. insbes. Stb. 725, 126-130. In diesem Fall war es wirklich unbestrittenermaßen das Hammelburger Stadtgericht. Vgl. die Korrespondenzen und Schilderungen: Stb. 725, 150-155,156f, 169f.
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fangennahme auf dem Feld) schuldig gemacht. Doch konnte im letzten Augenblick weitere Gewalt verhindert werden, als der grundsätzlich um den Ausgleich bemühte fuldische Marschall Albrecht von Trübenbach direkte Verhandlungen mit Würzburg, insbesondere mit dem Dompropst Albrecht von Bibra, 437 aufnahm. 438 Zwar war der daraufhin angesetzte Tag zu Fuchsstadt (18.8.1506) 439 wegen der aufgeladenen Spannungen wiederum erfolglos, doch hielt vor allem unter dem Einfluß Trübenbachs der Wille zur Verständigung an. Nach Verhandlungen in Langendorf und Karlstadt ( 3 0 . 8 6.9.1508) erfolgte schließlich im detaillierten Vertrag vom 16.10.1508 die endgültige Einigung über die Herrschaftsverhältnisse zu Westheim. Wie schon bisher der Streit der beiden Herren durch Totschlag, Gefangennahme, Pfändung usw. auf Kosten der Untertanen ausgefochten wurde, so waren auch die Lasten der Einigung von ihnen zu tragen. Zunächst einmal wurden die wichtigsten Einzelansprüche beider Parteien anerkannt: Im Falle Würzburgs war dies die Zugehörigkeit des Dorfes zur Zent Aura-Trimberg sowie das Recht der Festsetzung von Maßen und Gewichten samt der Bestrafung entsprechender Vergehen, 440 schließlich der Einbezug der Westheimer Mühle in die Nachbarschaft zu Langendorf und damit verbunden die Zugehörigkeit zum Amt Trimberg mit Bede, Dienst, Folge etc. Nicht berührt davon war das Besitzrecht Fuldas bzw. des Propstes zu Thulba an der Mühle und dessen Recht, diese gegen Zins zu verleihen. Auch alle anderen würzburgischen und fuldischen Besitzrechte, einschließlich des Zinsgerichtes des Propstes zu Thulba im Hinblick auf seine Lehen, blieben unverändert erhalten. Hauptpunkt des Vertrages von 1508 war die gemeinsame, gleichberechtigte Ausübung der Obrigkeit zu Westheim durch den Bischof von Würzburg und den Abt zu Fulda. 441 Wo bisher die Gemeinde einen relativ großen Freiraum zur Regelung der inneren Verhältnisse besaß, sollte nun ein beiden Herrschaften gleichermaßen verpflichteter Schultheiß wirken, der einem neu aufzurichtenden Dorfgericht vorsaß. Hier sollten alle nicht durch anderweitige herrschaftliche Gerichtsinstanzen (Zent, Lehen, geistliche Sachen) erfaßte Fälle verhandelt werden. Mit der Herrschaft verbundene Rech437 Wegen Abwesenheit des Bischofs Lorenz lag die Regierung während dieser Eskalation in den Händen der Würzburger Statthalter und Räte, deren Haltung offenbar stark zur schnellen Verhärtung der Fronten beitrug. Zumindest wies Dompropst Albrecht von Bibra den Marschall Trübenbach darauf hin, daß eine Intervention bei den Statthaltern sinnlos sei (Sehr. v. 22.7.1505: Stb. 725, 156'f). Aus den Briefen der Statthalter an den abwesenden Bischof geht hervor, daß sie ihre Maßnahmen als eine Gegenwehr verstanden, die zur Wahrung der Würde des Würzburger Stifts gegenüber der aus ihrer Sicht unerhörten Provokation Fuldas unabdingbar war. 438 Stb. 725, 1 5 6 - 1 5 8 , 1 6 0 - 1 6 1 ' : 22.7.-17.12.1505. 439 Stb. 725, 169'-173'. 440 Eine genauere Differenzierung, wonach das Korn- und Habermaß vom Hammelburger Amt zu prüfen war, erfolgte 1639 (Wich, Brückenau-Hammelburg, 42f Anm. 11). 441 Wie lange diese wirklich gemeinsam praktiziert wurde und ab wann eine faktische Zweiteilung der Dorfherrschaft eintrat, ist eine andere Frage. Im 18. Jahrhundert gab es dort nur noch einen gemeinschaftlichen, aber 68 würzburgische, 46 fuldische sowie einige weitere Untertanen des Adels und viele Juden (Wich, Brückenau-Hammelburg, 130; vgl. StAMr, 90b/1773).
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te wie Atzung, Lager, Frondienste, Landsteuer und alles, was an der Vogtei hing, sollten zwar gleichmäßig verteilt und der Gemeinde nicht doppelt aufgelegt werden, 442 doch ist diese Rücksichtnahme vordergründig, wenn man bedenkt, daß es sich großteils um Lasten handelt, die in der Gemeinde zuvor nicht üblich waren. Schließlich wurde die Bindung der Leibeigenen an einen bestimmten Herrn aufgehoben und diese, auch alle neu Zuziehenden, zu gemeinsamen Leibeigenen beider Herrschaften erklärt. Die Einzelrechte der beiden Fürsten waren somit weitgehend erhalten geblieben bzw. wurden nun geteilt; dort wo bisher noch Lücken in der herrschaftlichen Erfassung Westheims bestanden hatten, die der Selbstverwaltung der Gemeinde zugute kamen, wurden sie durch den gemeinschaftlich agierenden Dorfherren beseitigt.
d)
Rhöngebiete
In der Rhön war es an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert bereits mehrfach zu machtpolitischen Auseinandersetzungen gekommen, die in kriegerischen Zusammenstößen 1238/41 um die Weiden am Dammersfeld kulminierten 443 (s. die Karte S. 127). Das Nachlassen und dann erneute Anschwellen dieser Konflikte hängt mit der wirtschaftlich-demographischen Entwicklung des Spätmittelalters zusammen: Diese Zone extensiver Ackerund Weidewirtschaft in den Hochlagen der Rhön war vom Bevölkerungsrückgang des 14. Jahrhunderts besonders betroffen, was sich an der großen Anzahl der Wüstungen 444 in diesem Gebiet zeigt; d.h. die würzburgische und die fuldische Einflußsphären waren durch einen relativ breiten Grenzsaum voneinander getrennt. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begann mit der Neubesiedlung der Rhöngebiete der lokale Verteilungskampf um die knapper werdenden Ressourcen - Weideflächen, Jagd- und Holzrechte - , der sogleich mit der Frage nach dem Geltungsbereich der verschiedenen Herrschaftsgebiete verknüpft erscheint. Der Konflikt konzentrierte sich mit großer Zähigkeit bis hin zu Gewaltmaßnahmen auf die vier relativ kleinen 445 Orte Batten, Findlos, Thaiden und Seiferts, gelegen im Ulstertal westlich der Hohen Rhön und südlich vom würzburgischen Schloß Auersberg mit dem dazugehörigen Zentsitz Hilders. Alle vier waren Wüstungen und wurden gegen Ende des 15. Jahrhunderts allmählich wieder von Fulda aus besiedelt. Die Auseinandersetzungen begannen mit der Auslösung des Amtes Auersberg 1482 durch Bischof Rudolf von Hierzu wie zu verschiedenen anderen Fragen, etwa der Bestellung des Schultheißen, finden sich detaillierte Bestimmungen im Vertrag; vgl. Quellenanhang Nr. 4. 443 Vgl. Wich, Brückenau-Hammelburg, 35, 4 1 f , 47. 444 Vgl. d a z u R. Lob, Die Wüstungen der bayerischen Rhön und des nord-westlichen Grabfeldes und ihre Bedeutung f ü r die Periodisierung der Kulturlandschaftsgeschichte, 1971, 1 7 - 1 9 , 24, 43, 58f. 442
445
Nach der Fuldaer Viehbedeliste von 1 5 1 0 gab es 13 Abgabepflichtige in Seiferts, neun in Thaiden, acht in Batten und vier in Findlos (Hennesen, Viehbedeliste, 94-98).
127
3. H e r r s c h a f t s k o n f l i k t e mit d e n Fürstäbten v o n Fulda
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Amtsorte β würzburgisch •
fuidisch Strittiges Gebiet der vier Dörfer"
Der Streit um die Rhöngebiete
Würzburg 446 und dem Vertrag von Abt Johann von Fulda mit seinem Kapitel 1486, in dem ihm letzteres die Einkünfte und Wüstungen um den Auersberg (wieder) abtrat. 447
446 447
Zeißner, Scherenberg, 44. StAMr, Κ 436, 4 4 9 ^ 5 1 , Vertrag v o m 22.8.1486.
128
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Bereits am 2.12.1487 beschwerte sich auf einer würzburgisch-fuldischen Tagsatzung die fuldische Delegation darüber, daß die vier Wüstungen Batten, Thaiden, Findlos und Seiferts, die seit kurzem wieder bebaut würden und unmittelbar dem Fuldaer Abt unterstünden, vom würzburgischen Amtmann zum Auersberg beschwert würden. Die würzburgischen Delegierten verwiesen lediglich darauf, daß der Amtmann den Befehl habe, Gericht, Oberkeit, Herrlichkeit, Gerechtigkeit und Herkommen des Amtes zum Auersberg zu verfolgen; die näheren Umstände seien ihnen nicht bekannt. Da dieser Streitpunkt von Würzburger Seite nicht vorbereitet war, wurde die Diskussion abgebrochen und auch der fuldische Vorschlag einer neuen Tagsatzung mangels Vollmacht durch den Würzburger Bischof abgelehnt. 448 1492 nahm Fulda darauf die von Würzburg angebotene Schlichtung durch Landgraf Wilhelm den Mittleren von Hessen an, doch wurde der von diesem zuerst auf den 27.11.1492 angesetzte Tag zu Geisa auf Würzburger Bitten hin bis 1494 vier mal verschoben. 449 Mit offensichtlicher Unzufriedenheit über die vielfache Verzögerung stellte Landgraf Wilhelm 1494 die Ansetzung eines neuen Verhandlungstermins dem Fuldaer Abt anheim. 450 Erst ab 1496 folgte eine Reihe von Tagen, auf denen die komplizierten Rechtsansprüche und die faktischen Verhältnisse zur Sprache kamen, teilweise parallel zum Streit um Westheim und andere Gebrechen: 1496 zu Hilders, 451 1497 zu Schweinfurt, 452 1 500 zu Fuchsstadt, 453 1503 wiederum zu Fuchsstadt, 454 sehr ausführlich 1507 zu Kassel im gütlichen Verfahren vor den hessischen Räten. 455 Letzterem folgend verhandelten beide Parteien in rechtlichem Austrag schriftlich vor dem Unterhändler Graf Philipp von Solms, kursächsischer Pfleger zu Coburg, beginnend mit der Zusage des Grafen Philipp am 28.5.1507, 456 der die Ubersendung von Klageartikeln, Antworten, Einreden und Nachreden 457 folgte, schließlich die Anberaumung eines Tages durch Graf Philipp auf den 6.10.1508. 458 Inzwischen hatten sich die beiden Kontrahenten am Rande des Tages zu Karlstadt 459 geeinigt, die 448
449
450 451 452 453 454 455 456
457 458 459
StAWü, Misceli. 3412, 88-90 (Sammelakt mit Bruchstücken der originalen Korrespondenz zwischen Würzburg und Fulda). Beim Termin 26.8.1493 (ebd. 92f) ist nur die Festlegung durch Landgraf Wilhelm überliefert. Beim Termin 27.11.1492 bat Würzburg um einen anderen Tagungsort in der Nähe des strittigen Gebiets (ebd. 91), bei den Terminen 21.3.1493 (ebd. 35') und 13.3.1494 (ebd. 95) erfolgte die Absage wegen schlechten Wetters (tauender Schnee im Mittelgebirge); für den Termin 3.10.1493 (ebd. 38) ist nur der Brief Landgraf Wilhelms erhalten, in dem er die Würzburger Bitte um Terminverschiebung akzeptiert. Ebd. 95 (Landgraf Wilhelm an Bischof Rudolf von Würzburg, 9.3.1494). Stb. 725, 30-32 (3.12.1496). Nur am Rande: Stb. 725, 41'-42'. Auch hier nur oberflächlich: Stb. 725, 6 8 - 6 9 ' . Knappe Behandlung am 5.9.1503: Stb. 725, 128-129. 23.-25.2.1507: Stb. 725, 177-190. Stb. 725, 194. Die lebhafte Korrespondenz bezüglich dieses Austragsverfahrens im Stb. 725 wird nur in den entscheidenen Partien im einzelnen angeführt. Stb. 7 2 5 , 1 9 5 - 1 9 8 , 1 9 9 - 2 0 1 ' , 4'-5' (!), 202-204,207'f, 208'-211. Graf Philipp von Solms an Bischof Lorenz sowie an Abt Johann, 13.9.1508 (Stb. 725, 238'). 6.9.1508: Stb. 725, 236f.
3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda
129
Regelung dieser Angelegenheit durch Zeugenverhöre vor Ort voranzutreiben, 460 so daß die unmittelbar darauf eintreffende Absage des angesetzten Tages durch Graf Philipp aufgrund von Terminschwierigkeiten 461 zunächst keinen Rückschlag bedeutete. Beruhend auf den Besprechungen zu Langendorf und Karlstadt, übersandte Abt Johann unter dem 16.10.1508 einen gütlichen Vorschlag über die Regelung der umstrittenen Verhältnisse, 462 der von Würzburg als bessere Grundlage für eine Einigung als der ungewisse Verlauf des rechtlichen Austrages angesehen wurde, weshalb sich die beiden Fürsten darauf verständigten, den Grafen von Solms um vorläufigen Stillstand im Verfahren zu ersuchen. 463 Ausgehend vom Vorschlag vom 16.10.1508 vereinbarten die beiderseitigen Gesandten auf dem Tag zum Auersberg 464 eine neue Abrede (4.10.1509), die bis 11.11.1509 von beiden Fürsten zu- oder abgeschrieben werden sollte, 465 doch zog sich nun der endgültige Austrag wiederum hin, mitverursacht durch interne administrative Probleme. 466 Auf einem persönlichen Treffen von Bischof Lorenz mit dem fuldischen Koadjutor Hartmann in Karlstadt am 5.7.1511 wurde die Vereinbarung von 1509 mit leichten Modifikationen nochmals bekräftigt, doch schleppten sich weitere Handlungen nur mühsam dahin 467 und kamen nach dem Tod Abt Johanns 1513 fast ganz zum Stillstand. 468 Erst 1515 nahm Abt Hartmann die Verhandlungen wieder auf, doch gelang es lediglich, die Vereinbarung von 1509 bzw. 1511 noch einmal zu verlängern; 469 die inneren Turbulenzen in der Abtei Fulda brachten fast alle Gebrechenverhandlungen zum Erliegen. Unter Bischof Konrad von Thüngen (1519-1540) gingen die Auseinandersetzungen erneut weiter und wurden in den Anlaß von 1527 aufgenommen. Das Reichskammergerichtsurteil von 1552 wurde schließlich noch durch den Vertrag vom 28.2.1589 470 und weitere Regelungen im 17. Jahrhundert 471 ergänzt. Wie im Falle Westheims ging Fulda von seiner Grundherrschaft aus: Entscheidendes Argument war, daß es sich um fuldischen Grund und Boden handle. 472 Die vier Dörfer Batten, Thaiden, Findlos und Seiferts gehörten in
460 461 462
463 464 465 466
467 468
469 470 471 472
Vgl. die Korrespondenz vom 20./24.9.1508 (Stb. 725, 239f, 240). 24.9.1508 (Stb. 725,239'f). Stb. 725, 243-244, Datierung nach 240'. 243 wird in einer Randnote darauf verwiesen, daß dieser Vorschlag wohl auf dem Tag zu Langendorf (ab 30.8.1508) vereinbart worden sei. Vgl. Abt Johann an Bischof Lorenz, 29.11.1508 (Stb. 725, 244'). Ab 3.10.1509: Stb. 725,256-258. Text und Datum wurden später aufgrund der weiteren Vereinbarungen (5.7.1511) korrigiert. So im Falle Fuldas: Abwesenheit der Räte bzw. des Koadjutors, Wechsel im Kanzleramt und Tod des Marschalls 1510 (Stb. 725,260', 262', 263f). Stb. 725,279-280 (24.9.1512-2.4.1513). Maßgeblich dafür war das von Fulda verschuldete Scheitern des Tages zu Bischofsheim am 28.9.1513 (Stb. 725,286'f). Von beiden Fürsten abgezeichnet am 26.8.1515 zu Karlstadt (Stb. 725, 289f). Ldf 34, 424-428. Vgl. auch Knapp, Zenten 1/1, 551f. Hofemann, Studien, 52. So explizit 1500 (Stb. 725, 69').
130
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
dieser Hinsicht unbestritten zum Amt Bieberstein.473 Doch im Unterschied zum Streit um Westheim erkannte Fulda die von Würzburg reklamierte Zentzugehörigkeit zum Amt Auersberg nicht an. Hier ging der ganze Streit also zunächst vor allem darum, die Zentzugehörigkeit der vier Dörfer zu erweisen. Auf dem Verhandlungstag zu Hilders 1496 beanspruchte Würzburg die obrikeit des stifts Wirtzburg zum Aursperg gehörig mit dem Argument, daß die Dorfbewohner das würzburgische Gericht besucht, Dienst getan und Vogthafer gegeben hätten; wenn eine Wüstung nicht besetzt gewesen sei, hätten die Inhaber des Schlosses zum Auersberg das Gras auf den Heufeldern der Rhön zur Handhabung der Obrigkeit verkauft. Zudem hätten die Dorfbewohner das vom Auersberg beanspruchte Fischwasser der Ulster benutzt. Schließlich gehörten die vier Wüstungen wie alle anderen Orte in dieser Gegend nicht nur zum Gericht, sondern auch zur Pfarrei Hilders. Demgegenüber habe Fulda kein Schloß oder Amt in der Nähe: Keme auch ein landfrembder jn diese art, sehe den Aursperg an, dann müsse er zu dem Schluß kommen, daß nur dieser der Ansatzpunkt für die herrschaftlichen Rechte sein könne.474 Diese Auffassung wurde bekräftigt durch ein von Würzburg gefordertes Weistum der Zent Hilders, das bestätigte, daß die vier Wüstungen zu diesem Gericht gehörten und Dienst und Vogthafer zum Auersberg gäben; erst unter Bernhard von Bastheim (erster Amtmann nach der Auslösung des Auersbergs 1482) hätten die Bewohner diese Leistungen verweigert und seien dafür mit Pfändung bestraft worden. 475 Auch in der Folgezeit erzwangen die Amtleute zum Auersberg auf ausdrücklichen Befehl des Würzburger Bischofs die Botmäßigkeit der vier Wüstungen, also den Besuch des Gerichts zu Hilders, der jetzt in einem Gerichtsbuch dokumentiert werden sollte, sowie Dienst und Vogthafer zum Auersberg, als dessen Äquivalent die Würzburger Nutzung von Gras und Hölzern auf deren Gemarkung verstanden wurde. 476 Fulda beharrte darauf, daß sowohl die Dörfer mit aller Obrigkeit als auch die Heufelder auf der Rhön zu seinem Stift gehörten. Die Nutzung durch die Amtleute zum Auersberg sei darauf zurückzuführen, daß die Wüstungen im Besitz des Fuldaer Kapitels gestanden hätten, das dort neben diesen Wüstungen kein (weiteres) Dorf habe; dem Kapitel hatte also wohl die Möglichkeit zur herrschaftlichen Präsenz vor Ort gefehlt. Genau darauf wiesen auch die Würzburger hin: Das fuldische Kapitel habe in dieser Gegend keine hohen oder niederen Gerichte, folglich könne auch der Abt über die zuvor nur dem Kapitel zuständigen Orte keine Obrigkeit beanspruchen, sondern eben nur 473
474 475 476
Hofemann, Studien, 52. Dies geht auch daraus hervor, daß der fuldischen Delegation zu Hilders 1487 neben einigen adeligen Räten der Vogt zu Bieberstein angehörte (StAWü, Misceli. 3412, 88). Stb. 725, 30', 31'. Stb. 725, 32-33'. Bischof Lorenz an den Amtmann zum Auersberg 15.2. und 29.7.1497 (Stb. 725, 35f, 48); auch im übrigen weist vieles darauf hin, daß die Amtleute durchgehend nach unmittelbaren Befehlen des Bischofs handelten.
3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda
131
Zins und Gült, die ihm nicht bestritten würden.477 Die Würzburger Seite war sich zwar mit ihrem Anspruch auf die vier Wüstungen478 ebenso sicher wie die Fuldaer, doch fehlten eindeutige schriftliche Beweise. Würzburg beschritt zunächst den Weg faktischer Gewalt weiter. Der Amtmann zum Auersberg nahm Ende 1497 den Bewohnern der vier Wüstungen ihre Kessel als Pfänder ab, bis sie Dienst und Vogthafer geleistet und das Gericht zu Hilders besucht hätten; die beständige Fuldaer Bitte um eine gemeinsame Besichtigung vor Ort wurde hartnäckig abgelehnt.479 Da in den folgenden Jahren keine konsequenten Verhandlungen und vor allem kein gemeinsamer Termin vor Ort stattfanden, blieb es zunächst bei vereinzelten gegenseitigen Beschwerden wegen der fortgesetzten Würzburger Pfändungen. Allerdings griffen nun auch die Fuldaer zur Schaffung von Tatsachen, indem sie einige Wochen vor den bisher üblichen Terminen die strittigen Heufelder in der Rhön, vor allem am ertragreichen Dammersfeld, unter dem Schutz fuldischer Reiter abmähen ließen.480 Eine wirkliche argumentative Auseinandersetzung kam erst in Gang, als sich 1506 Landgraf Wilhelm von Hessen auf Veranlassung des Fuldaer Abts Johann an Bischof Lorenz von Würzburg wandte: Da Wilhelm dem Stift und seinem Abt zugetan und auch die Leute in den betreffenden vier Wüstungen in seinem besonderen Verspruch seien, bat er um gütliche Einigung und bot sich selbst oder seine Räte für Schlichtungsverhandlungen an; andernfalls sollte der Bischof seine vermeintlichen Ansprüche mit recht nach außweisung des reichs ordinantz suchen.m In den Verhandlungen vor den hessischen Räten klärten sich dann nochmals die unterschiedlichen Auffassungen: Fulda bekräftigte seine Sicht, daß es die vier Wüstungen bzw. Dörfer stets unbeschwert in rechtem Gebrauch gehabt habe und daß diese jn die gerichte obrikeit jn die zent zum hoff gein Biberstein gehörig (Zent Hofbieber) seien.482 Den Würzburger Bezug auf die in Salbüchern und Verschreibungsurkunden dokumentierte Zugehörigkeit der vier Wüstungen zum Gericht zu Hilders lehnten die Fuldaer mit der Begründung ab, daß mit diesen einseitig ausgestellten Schriftstücken keine Beweisführung möglich sei; tatsächlich sei der Aursberg gelegen jn der crenitz, wie der stifft Fuld vonn dem heiigen ro[mischen] reich begnadet vnd bezirckt ist vnd also vff fuldischen grund vnd podem on alle mittel, do auch der stifft Fuld wiltpan, gleyt vnd ander regalia vom heiigen reich, auch alle ander fürstlich obrikeit hat.4Si Dieser fuldische Bezug auf ein festumgrenztes Fürstentum, das auf dem Besitz von Grund und Boden aufbauen und in dem 477 478
479 480 481 482 483
Stb. 725, 31f. Hauptgrund waren Urkunde und Revers über den Verkauf des Auersberges an die von Eberstein 1419, worin als Zubehör auch die vier strittigen Wüstungen genannt waren (vgl. Stb. 725,4'f, 13). Stb. 725, 52-54. Stb. 725, 56'-58, 61-62', 64f, 69', 73'f, 128-129. Stb. 725,163'. Stb. 725,177. Stb. 725,181'.
132
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Fulda alle fürstliche Obrigkeit habe sollte, ist eine Argumentation, die in dieser Form bei der Verhandlung 1507 erstmals auftaucht und von Würzburg pauschal abgelehnt wurde mit der Begründung, daß es nicht um die Grenzen der Fürstentümer Fulda und Würzburg ginge, sondern um die Rechtslage in den strittigen Dörfern. 484 Diese Rechtslage war aber auf keiner Seite eindeutig zu beweisen. Zwar konnten sich die Würzburger auf die für sie positive Aussage der Schöffen von Hilders berufen, doch versuchte Fulda dies u. a. durch den Hinweis zu entkräften, daß Hilders selbst wüst gewesen sei und die jetzigen Schöffen an der erleichterung villeicht jrs fron, dinsts vnd anders lasts durch die Inanspruchnahme der vier Dörfer interessiert seien.485 Der erste Schlichtungsvorschlag trug dieser Sachlage Rechnung, indem er zum einen der Würzburger Argumentation folgte, nach der nur das Schloß Auersberg als Gerichtssitz für die vier Dörfer in Frage käme, zum anderen aber das Schwergewicht des fuldischen Besitzrechtes anerkannte: Die Blutgerichtsfälle sollten an die Zent Hilders gehören, alles andere Fulda zustehen. Doch Würzburg konnte dies nicht akzeptieren, da damit seine Folgerungen aus der Zentzugehörigkeit - vor allem Dienste und Vogthafer - hinfällig geworden wären.486 Aus den folgenden drei hessischen Schlichtungsvorschlägen, die sich alle auf ein neues Schiedsgericht bezogen, wählten dann die beiden Kontrahenten Würzburg und Fulda die Ubergabe des Austragsverfahrens an den Grafen Philipp von Solms. In diesem schriftlichen Verfahren wurde der Bezug auf römische Rechtsvorstellungen von Seiten der Fuldaer explizit: Neben den bisher schon genannten Argumenten wiederholten sie, daß niemand aus gemeinen rechten jn eines andern fursten lannde oberkait haben muge,487 was wiederum von Würzburg heftig als irrelevante Einlassung abgelehnt wurde. Da Fulda sich immer mehr darauf konzentrierte, die Würzburger Ansprüche als unbegründete Eingriffe in sein festumgrenztes Fürstentum abzustempeln, die Würzburger Seite eine Auseinandersetzung über dieses Argument aber weiter strikt ablehnte, liefen sich die Verhandlungen 1507/08 fest.488 Der erneute Vorstoß Fuldas nach einer Besichtigung der Verhältnisse vor Ort durch die Räte der beiden Fürsten wurde in dieser Situation von Würzburg akzeptiert. Im August 1508 wurde die gemeinsame „Kundschaft" durchgeführt, die im Falle der vier Dörfer aus der Befragung von betroffenen Bewohnern und des Gerichtsknechts der Amtleute zum Auersberg bestand: Demnach hatten die Bewohner der vier Dörfer zwar das Gericht zu Hilders besucht, nach deren Auskunft jedoch immer im Zusammenhang mit einer Pfändung durch den Amtmann vom Auersberg. Zwar war damit die Situation nicht wirklich geklärt, doch kam jetzt eine grundsätzliche Einigung zustande, die auf dem hessischen Kompromißvorschlag aufbaute und dabei die 484 485 486 487 488
Stb. 725, 184'. Stb. 725,186f. Stb. 725,189'. Stb. 725, 196. Vgl. vor allem Stb. 725, 202'-204, 207'f, 208'-211, 212f.
3. Herrschaftskonflikte mit den Fürstäbten von Fulda
133
Würzburger Rechte etwas erweiterte; diese Einigung wurde in den folgenden Jahren nur geringfügig modifiziert.489 Danach sollten die vier Dörfer zwei Schöffen zum Gericht zu Hilders stellen, die männlichen Haushaltsvorstände zweimal jährlich dieses Gericht besuchen unter Entrichtung der Abgaben an den Zentknecht,490 wobei dieses Gericht in ihrem Fall nur für die vier hohen Rügen (Mord, Diebstahl, fließende Wunden, Notzucht) zuständig sein sollte. Der Inhaber des fuldischen Fronhofes zu Batten war vom Gerichtsbesuch und den Abgaben befreit, außer er war selbst von einem Blutgerichtsfall betroffen. Diese Regelungen sollten auch für die Einberufung von Halsgerichten gelten.491 Die männlichen Haushaltsvorstände mit Ausnahme des Fronhofinhabers mußten spezifizierte Frondienste und den Zenthafer zum Auersberg bzw. nach Hilders leisten. Die Dorfbewohner sollten nicht nur gegenüber Fulda, sondern auch gegenüber Würzburg, wenn es dies eher als Fulda reklamierte, zur militärischen Folge verpflichtet sein. Beide Fürsten versprachen, alle Bewohner zu schützen und zu schirmen. Es sollte keine Leibeigenen geben; wer als solcher zuziehe, solle entweder vertrieben oder der Leibeigenschaft entledigt werden nach gewonheit des stiffts Fulda.492 Alle hier nicht aufgeführten Rechte, insbesondere Vogtei, Dorfgericht, Gebot und Verbot, Steuern usw., sollten ausschließlich Fulda zustehen.493 Bei dieser Regelung von 1508 blieb es im wesentlichen. Da das Reichskammergerichtsurteil von 1552 in diesem Punkt nur recht pauschal die Zugehörigkeit der vier Dörfer zur Zent Hilders regelte, allerdings auch das fuldische Fischrecht in deren Gemarkung legitimierte, wurde der Inhalt der würzburgischen Zentobrigkeit im Vertrag von 1589 nochmals detailliert geregelt und nach unten hin kräftig ausgeweitet u.a. auf Ehebruch, Raub, Brand, Zauberei, Münzverfälschung, Hausfriedensbruch und verschiedene Formen der Beleidigung. Nur das fuldische Haus zu Batten (wohl der „Fronhof" von 1508) blieb gleichsam „exterritorial", doch mußte auch der fuldische Zentgraf als Inhaber dieses Hauses auf Erfordern als Beklagter oder Zeuge an die würzburgische Zent gehen. Den Fuldaern wurde dagegen die gesamte niedere bürgerliche und vogteiliche Obrigkeit (ζ. B. geringfügige Beleidigungen, Schlägereien im Zustand der Trunkenheit, Feldschäden) zugestanden. Diese Ausweitung war nur auf den ersten Blick für die Würzburger ein Erfolg, denn in aller Regel waren in dieser dünnbesiedelten Gegend nicht allzuviele gravierende Rechtsbrüche zu erwarten. Wichtiger war die bereits 1507/08 deutlich ausgesprochene Abtrennung der weithin ausgedünnten Zentgerichtsbarkeit von der Masse der herrschaftlich relevanten Rechte: Die vier Dörfer waren und blieben trotz gewisser fremder Rechte auf Dauer un489 490 491
492 493
S. die Schilderung des Verfahrens oben vor II.3.a. Der Kirchner war von der Abgabe befreit. Das Halsgericht war wohl im Unterschied zum Zentgericht, das zweimal jährlich an festen Terminen (Petri Cathedra und Michaelis) tagte und einen weiten Kreis von Vergehen ahndete, ein Blutgericht, das im Bedarfsfall dazwischen einberufen werden konnte. Stb. 725, 257'. Stb. 725, 243-244, 256-258.
134
II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
ter der fuldischen Obrigkeit. Im Gegensatz zum Fall Westheim, in dem sich Würzburg - theoretisch nur ausgehend von der Zent - die halbe Dorfherrrschaft sichern konnte, hatte hier also das Prinzip des „Grund und Bodens" gesiegt. Auch hier ist auffällig, daß in der Diskussion die „Vogtei" keine Rolle spielte, obwohl dieses Wort dann bei der Verteilung der Rechte zur Definition eines bestimmten Rechtskreises eingesetzt wurde. 494
4. Herrschaftskonflikte mit den Kurfürsten von Mainz a) Überblick Da die Herrschaftskonflikte zwischen Würzburg und Mainz 495 in dieser Arbeit nur partiell herangezogen werden, folgt an dieser Stelle zunächst ein Uberblick über die Quellenlage sowie über die Thematik der verschiedenen Auseinandersetzungen. Anschließend wird einer der bedeutendsten Einzelkonflikte im Untersuchungszeitraum vorgestellt. Auf der Würzburger Seite ist die Originalüberlieferung sehr dünn; dafür existiert eine umfangreiche Kopialüberlieferung, die sich teilweise überschneidet (s. nebenstehende Ubersicht). Eine erste Serie von Gebrechenbüchern, in denen das einschlägige Material chronologisch gesammelt wurde, umfaßt die Jahre 1453-1461 sowie in unterschiedlicher Dichte 1492-1565. Die einzelnen Bände entstanden im Zusammenhang oder nur geringem zeitlichen Abstand zu den jeweiligen Verhandlungen.496 Von späteren Archivaren des 17./18. Jahrhunderts sind sie zur Unterscheidung von einer jüngeren Serie alle mit der lateinischen Ziffer I neben der - zeitgenössischen - laufenden arabischen Ziffer 1-6 bezeichnet. Beim vierten Band dieser älteren Serie handelt es sich um einen systematischen Auszug aus den Bänden 2 und 3 ab 1536, den der Würzburger Kanzleischreiber Velten von Mehten (= Veit von Nichten) 497 anfertigte.498
494
495
496
497 498
Dies ist umso auffälliger, als Fulda eine Urkunde vom 1.11.1239 besaß, in der Gerlach von Haselstein mit seiner Gemahlin Mechthild dem Fuldaer Kloster die Vogtei in den Dörfern Thaiden, Batten, Seiferts und Findlos übertrug (Dronke, Codex diplomaticus Fuldensis, Nr. 834b); diese Urkunde taucht im ganzen Streit nicht auf! Zur Mainzer Herrschaftsgeschichte einführende Hinweise bei F. Jürgensmeier, Erzstift Mainz, 1995; ausführlich Christ, Erzstift. Dies ergibt sich aus dem Handschriftenbefund; zudem finden sich diese Bände bereits von Lorenz Fries in seiner Hohen Registratur beschrieben (Stb. 1011, lOf). Vgl. Reuschling, Regierung, 230. Stb. 1011, 10'. - Vgl. die „Nota" in Stb. 745, vor fol. 1: „Dieser auszug der nachbarlichen gebrechen, so sich zwischen Maintz vnd Wirtzburg erhalten, ist aus zwaien maintzischen buchern gemacht, dero ains jn britter eingebunden vnd jm 1492 jar angefangen, das ander jn pergamen jm 1519 angefangen vnd das erst jn diesem auszug mit A vnd das ander mit Β vertzaichet vnd bedeut worden ist."; s. dazu in der nachstehenden Ubersicht 1/2 und 1/3.
4. Herrschaftskonflikte mit den Kurfürsten von Mainz
Systematik ca. 1585
Aktuelle Signatur
135
Bearbeitungszeit
(Serie/Bd., Beilagen) 1/1
Stb. 739
1453-1461
I/2
Stb. 741
1492-1515
I/3
Stb. 744
1519-1550
I/4
Stb. 745
1536-1551
I/5
Stb. 7 4 7
1515-1556
I/6
Stb. 751
1559-1565
11/1
Stb. 7 4 0
1492-1562
II/2
Stb. 7 4 2
1559-1565
II/3
Stb. 743
1568-1573
II/4
Stb. 746
1573
H/5
Stb. 748
1573-1576
11/5,1
Stb. 7 4 9
1575-1579
11/5,2
Stb. 750
1575
11/6
Stb. 7 5 2
1574-1585
11/7
Stb. 753
1580
H/8
Stb. 754
1581
H/9
Stb. 755
1582-1584
11/10
Stb. 756
1584-1587
H/11
Stb. 757
1572-1584
11/12
Stb. 758
1583-1586
11/13
Stb. 759
1584-1589
[zu II]
Stb. 7 6 0
1559-1587
Übersicht über die Mainzer Gebrechenbücher in der Würzburger Kanzlei
Die jüngere Serie wiederum setzt ebenfalls 1492 ein, entstand jedoch erst im Kontext der Verhandlungen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 499 insbesondere des umfassenden Vertragswerkes von 1585. Diese Serie vereint unterschiedlichste Materialien sowohl der älteren Zeit als auch bei der Anlage gefertigte Abschriften. Die Bände sind systematisch angelegt und zeitgenössisch mit arabischen Ziffern durchnumeriert; sie wurden ebenfalls durch einen weiteren Band 500 mit Auszügen erschlossen. Zu diesen Kopialbüchern Würzburger Provenienz tritt die sehr fragmentarisch erhaltene Mainzer Originalüberlieferung. Aus der Mainzer Provenienz 501 sticht neben verschiedenen Verzeichnissen der Verhandlungen 1483— 15 1 5/43 5 0 2 insbesondere der Bericht des Kellers zu Tauberbischofsheim, Friedrich Weygand, hervor, der die mainzisch-würzburgischen Auseinander499 500 501 502
Vgl. die Übersicht in: Ldf 34, 340-342. Stb. 760. StAWü, MRA Würzburg, Κ 274/38, Κ 277/69, Κ 280/151. StAWü, MRA Würzburg, Κ 274/38, ohne fol.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Setzungen aus eigenem Erleben kannte und nach 46jähriger Amtszeit ca. 1516/19 niederschrieb.503 Nach dem Bericht des o. g. Velten von Mehten 504 wie des Friedrich Weygand sind die Herrschaftskonflikte zwischen Mainz und Würzburg 14701520 - mit Ausnahme der alten Beschwerden über die Kompetenzen der Mainzer Zenten und des Würzburger Landgerichts505 - nicht vor der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden. Ihr Austrag wurde teilweise durch einen „Anlaß" von 1492 geregelt, aber vor 1520 nicht abgeschlossen; teilweise wurden sie direkt verhandelt und sollten ab 1523/24 vor Graf Philipp von Solms als Schiedsrichter gebracht werden, verschleppten sich dann jedoch ebenfalls; schließlich gab es noch Konflikte, die zwar in Briefen, aber nicht auf den Verhandlungstagen zur Sprache kamen. Insgesamt blieben alle diese Konfliktregelungsversuche ohne bleibendes Ergebnis. Dies lag womöglich an der Konzentration der Erzbischöfe auf die Reichspolitik, daneben auch an der vordringlichen Lösung der herrschaftspolitischen Auseinandersetzungen mit Hessen.506 Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts konnte nach intensiven Verhandlungen der Hauptvertrag von 15 8 5507 zwischen Mainz und Würzburg geschlossen werden, der in den Folgejahren noch Modifikationen und Ergänzungen im einzelnen erfuhr. Im Würzburger Standbuch 745 werden - neben kleineren Auseinandersetzungen - folgende Herrschafskonflikte 508 aus der Zeit 1470-1520 angeführt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Guldenzoll zu Baibach (fol. 36-49) „Ubergriffe" des Würzburger Landgerichts (fol. 52-64) Folge zu Esselbach und Oberndorf (fol. 66-75') Wildbann (fol. 87-92,116f, 153-167) Zitation Würzburger Geistlicher vor Mainzer Gerichte (fol. 170-171') Appellationen vom Würzburger Landgericht (fol. 174-175') Appellationen vom Würzburger Geistlichen Gericht (fol. 179-180) ZentTauberbischofsheim (fol. 199-204) Rechte zu Königheim (fol. 215-218')
Es geht also hier wie bei den anderen Würzburger Nachbarn einerseits um die Kompetenzen des Würzburger Geistlichen Gerichts und Landgerichts bzw. die konkurrierenden Mainzer Gerichtsinstanzen (Geistliches Gericht, Zentgericht, Hofgericht), daneben um konkrete Einzelfälle, in denen die herrschaftlichen Ansprüche zu klären waren (Baibach; Esselbach und Obern503 504 505
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507 508
In: StAWü, MRA Würzburg, Κ 277/69, ohne fol., 25 S. Zusammenfassend: Stb. 745, 1-5. Vgl. dazu z.B. W U 41/141 (Schiedsurkunde, 9.8.1454). Eine umfangreiche Dokumentation würzburgischer Landgerichtsfälle in mainzischem Anspruchsbereich 1335-1490 befindet sich in Stb. 748,235-359. Dazu P. Willicks, Die Politik Erzbischof Bertholds von Henneberg gegenüber den Landgrafen von Hessen am Ende des 15. Jahrhunderts, 1993. Ldf 34, 311-321; Stb. 760, 325-341 (30.3.1585). Hier nicht berücksichtigt sind Gebrechen mit rein finanziellem Bezug.
4. Herrschaftskonflikte mit den Kurfürsten von Mainz
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dorf), schließlich und besonders umfangreich um den von Würzburger Seite zunehmend aggressiv beanspruchten Wildbann 509 im mainzisch-würzburgischen Uberschneidungsgebiet. Wegen der komplexen Thematik und der besonders langen Zeitdauer des Konflikts um den Guldenzoll zu Baibach soll dieser nun herausgegriffen und Sachlage und Argumentationsmuster vorgestellt werden.
b) Der Guldenzoll zu Baibach Der Bereich südlich des Mainvierecks und im unteren Verlauf der Tauber gehörte überwiegend zum Mainzer Herrschaftsbereich; am Zufluß der Tauber zum Main hatten sich die Grafen von Wertheim um die gleichnamige Stadt, an der mittleren Tauber die Landgrafen von Leuchtenberg um Grünsfeld etabliert (s. die Karte S. 139). 510 Die südöstlichsten strategischen Punkte Würzburgs waren Bütthard und Röttingen. Nur mit einem kleinen, pfandweise gehaltenen Gebiet um Lauda war es gelungen, diese Positionen an die Tauber vorzuschieben,511 die als Weinbaugebiet wirtschaftlich besonders attraktiv war und in einer wichtigen überregionalen Durchgängszone lag. In diesem Kontext ist es zu sehen, daß Bischof Rudolf von Würzburg einen Ort suchte, an dem er die Warenströme mit seinem Guldenzoll abschöpfen konnte. Der mainzische Keller zu Tauberbischofsheim Friedrich Weygand berichtete, Bischof Rudolf habe den Zoll zunächst nach Edelfingen legen wollen, doch hätten dies der Deutsche Orden zu Mergentheim und andere Dorf- und Gerichtsherren dort verhindert. Danach habe der Bischof den in Baibach begüterten Wilhelm Sützel gegen eine jährliche Zahlung von 20 Gulden bewegen können, die Zollerhebung in Baibach zu gestatten.512 Tatsächlich ließ Bischof Rudolf unter Berufung auf sein Privileg von 1468 den Guldenzoll in (Unter-)Balbach 513 erheben, das am Zufluß der Baibach zur Tauber lag und als Pfarrei zum Bistum Würzburg gehörte. 514 Erst im Jahre 1486 erwarb Bischof Rudolf hier eine herrschaftliche Position mit dem
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Grundlage hierfür war der schrittweise Erwerb des Guttenberger Waldes, der überwiegend in der Zeit des Lorenz von Bibra erfolgte. Vgl. dazu H. Jäger/W. Scherzer, Territorienbildung, Forsthoheit und Wüstungsbewegung im Waldgebiet westlich von Würzburg, 1984, 89-95. Vgl. auch Karte und Erläuterungen im Bayerischen Geschichtsatlas, 25 und 86-89. Bischof Gerhard von Schwarzburg hatte Burg und Stadt Lauda 1387 als Pfandbesitz von den bayerischen Herzögen gekauft; endgültig in würzburgischem Besitz gelangte er als Entschädigung im Landshuter Erfolgekrieg 1506 (W. Scherzer, Das Hochstift Würzburg, 1993, 77; GS III 58). S. den Bericht in StAWü, MRA Würzburg, Κ 277/69, ohne fol.; ähnlich die Aussage des Mainzer Hofmeisters 1506 (ebd., Κ 274/38, ohne fol.). Zur Lokalgeschichte: A. Kimmelmann, Das Baibachtal, 1938. StAN, WüBü 6, 124 und 126. Die Zollstätte wurde demnach in der Regierungszeit des Mainzer Erzbischofs Adolf von Nassau (1461-1475), also zwischen 1469 und 1475 errichtet, da Baibach im Vertrag mit Ansbach betr. den Guldenzoll von 1469 nicht genannt ist. Der markgräfliche Anteil betrug wie in den meisten anderen Fällen ein Viertel.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Kauf der halben Ortsherrschaft zu (Unter)Balbach von Anselm von Eicholzheim.515 Die mainzische Position dagegen war geschwächt durch zahlreiche Verpfändungen; das wichtigste Amt Tauberbischofsheim kam erst 1482 wieder in unmittelbaren Besitz des Erzbischofs, Külsheim in eingeschränktem Umfang 1480.516 1490 beschwerte sich Mainz bei Würzburg auf gemeinsamen Verhandlungen in Wertheim über den neuen Guldenzoll zu Baibach. Auch Markgraf Friedrich wurde von beiden Seiten in diesen Konflikt gezogen, da er am Ertrag des Guldenzolls zu Baibach beteiligt war, doch nahm er wegen seiner Erbeinung mit Mainz einerseits und seinen wirtschaftlichen Interessen andererseits eine neutrale Position ein.517 In Wertheim 1490 wurde für die mainzisch-würzburgischen Streitpunkte ein Austragsverfahren bestimmt, das 1492 in Lohr begann.518 Dabei sollten der Mainzer Domscholaster Gerhard von Ehrenberg und der Würzburger Dompropst Kilian von Bibra sowie die beiden Kanzler als Schiedsrichter fungieren. In ausufernder Rede und Gegenrede wurden 25 mal Argumente ausgetauscht; erst zur Klärung der Mainzer, dann der Würzburger Beschwerden („Sprüche"). Doch weder hier noch in den folgenden Verhandlungen von 1506, 1507, 1508, 1511 und 1515 konnten greifbare Ergebnisse erzielt werden; auch eine Klage von Mainz beim Schwäbischen Bund 1521 blieb ohne Folgen.519 Aus Mainzer Sicht hatte Würzburg ohne jeden Anhaltspunkt (nämlich schon vor dem Erwerb der halben Ortsherrschaft 1486) einen Zoll im Mainzer Herrschaftsgebiet aufgerichtet und damit sowohl die Mainzer Rechte verletzt als auch die Mainzer Untertanen grundlos und ohne jedes Herkommen beschwert. Würzburg dagegen argumentierte mit seinem Privileg von 1468: Der Würzburger Bischof sei zur Zollerhebung legitimiert in crafft keyserlicher begnadung, die jm zugeb, das er denselben zoll, den man pfleg zunennen den guldenzoll, auf/zurichten vnnd zubesetzen hab, als weyth sein bistumb vnnd das hertzogthumb zu Franngken ghee. Nu sej wissenntlich, lig am tag, das Baibach jm stifft oder bistumb zu Wirtzburg vnd hertzogthumb zu Franngken lige?20 Da der Würzburger Bischof mit seinem geistlichen und seinem Landgericht in Baibach zu richten habe, habe er auch sein geistlich vnd weltlich obrikeyth an dem ennd.521 Schließlich habe er auch Eigentum zu Bal5,5
516 517 518
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3.1.1486. Der Kaufpreis betrug 1.500 Gulden; Kaufgegenstand war eine Reihe von Besitzungen in Unterbaibach und den umliegenden Orten, sodann die vogteyen, gerichten, gerichtsfeilen, geboten, verboten doselbst zu Baibach zum halbenteyle (Ldf 15, 93f). Christ, Erzstift, 164 und 171. StAN, WüBü 6, 123'—127; teilweise auch in StABa, C III 971. Vorgeschichte des Tags zu Lohr: Stb. 741, 1-9'; Verhandlungen ab 14.6.1492 betr. Baibach: ebd. 10-109; teilweise auch in: StAWü, MRA Würzburg, Κ 274/38 (ohne fol.). Zu den Verhandlungen von 1506 vgl. ausführlich Stb. 441, 166-207, im übrigen den Bericht in Stb. 745, 4 0 M 9 ; Auszüge auch in: StAWü, MRA Würzburg, Κ 274/38 (ohne fol.). Stb. 741, 30'f. Würzburg berief sich nicht nur auf das Guldenzollprivileg von 1468, sondern auch mehrfach ausdrücklich auf dessen päpstliche Bestätigung. Ebd. 31.
4. Herrschaftskonflikte mit den Kurfürsten von Mainz
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Höhen über 500 Meter
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Würzburger Diözesangrenze
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Der würzburgisch-mainzische Überschneidungsbereich an der mittleren Tauber
bach, auf dem dieser Zoll liege. Der Zoll sei nicht neu, sondern schon zu Bischof Rudolfs Zeiten erhoben und von zweien Mainzer Erzbischöfen vor dem jetzigen akzeptiert worden. Die Mainzer Räte bejahten die Tatsache, daß Baibach zur Diözese Würzburg gehöre, bestritten aber energisch, daß dies auch für das Herzogtum und Fürstentum des Würzburger Bischofs gelte. Das auch sein gnad einich fürstlich regall zu Baibach hett oder je do gehabt, des gestunden sie auch nit, dann
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
sein gnad weder wilthpann, strass oder geleydt oder einich annder fürstlich oberkeyt oder recht aldo hett, die jm einich gerechtigkeit geben, einen zoll dahin zulegen.522 Mainz dagegen habe das Öffnungsrecht am Schloß zu Baibach und habe den Blutbann daselbst; zudem hätten ihm alle Einwohner gelobt und geschworen. Vielleicht habe neben dem ordentlich zuständigen Würzburger Geistlichen Gericht auch das Würzburger Landgericht über Baibacher Fälle verhandelt, doch sei dieser Eingriff wider das gemeine Recht und die kurfürstliche Freiheit (der Goldenen Bulle von 1356). Schließlich handele es sich bei dieser Zollstätte um eine Beeinträchtigung einer Reichsstraße, für die Würzburg keine Berechtigung nachweisen könne. Die Würzburger Räte hielten dagegen, daß die Tätigkeit des Würzburger Landgerichts die Acht einschließe; nu sej echt ain bann oder regal.5Zi Der Blutbann des Mainzer Erzbischofs zu Baibach sei zwar ein Regal, gebe aber keine fürstliche Obrigkeit. Doch nicht wegen seiner fürstlichen Obrigkeit, die er zu Baibach habe, sondern aufgrund des entsprechenden Privilegs habe der Würzburger Bischof den dortigen Guldenzoll aufgerichtet. Tatsächlich war die Position des Mainzer Erzbischofs in Unterbaibach sehr schwach, da er dort nur ein Gut in unmittelbarem Besitz hatte. Würzburg konnte sich dagegen mit seinem Dorfgericht und der Erbhuldigung der in seinen dortigen Gütern Ansässigen524 vor Ort durchsetzen und die Zollerhebung weiterhin behaupten. Die Herrschaftsrechte des Adels, auch soweit sie vom Würzburger Bischof gekauft worden waren, spielten freilich in der sehr umfangreichen und detaillierten Argumentation auf beiden Seiten keine Rolle. Worte wie „Vogtei", „Gebot und Verbot", „Dorfgericht" usw. tauchen nirgends auf.525 Entscheidend war die von beiden Seiten behauptete „fürstliche Obrigkeit". Interessant ist die weitere Entwicklung des Konflikts: Nachdem der Mainzer Erzbischof mit seiner Position nicht durchdrang und offensichtlich vor Gewaltmaßnahmen zurückschreckte, verlegte er sich aufs Feilschen. 1506 erklärte er sich zur Duldung des Zolls bereit, wenn er die Hälfte der Einnahmen erhalte, in den Folgeverhandlungen wollte er sich gar auf ein Viertel einlassen. Ein Argument war dabei, daß sich Würzburg auch mit den anderen Nachbarn (namentlich Ansbach, Bamberg, Sachsen) vertraglich geeinigt und ihnen in ihren Interessenzonen einen Anteil am Zoll zugestanden habe, nicht jedoch dem Mainzer Erzbischof. Doch Würzburg zeigte sich höchstens insofern kompromißbereit, eine weitere, gemeinsame Zollstätte im mainzischen Königshofen zu errichten, was wiederum Mainz nicht akzeptieren konnte. Nachdem ab 1521 die Verhandlungen eingeschlafen waren, wurden sie erst 1559 wieder aufgenommen, ohne daß sich die Argumentationslage vorerst änderte. Unter Bischof Julius Echter trat dann jedoch eine gravierende Ande522 523 524 525
Ebd. 63. Ebd. 84'. Vgl. Stb. 745,40'. Erst 1572 wollte Würzburg aus der Behauptung, daß es 1497 eine Gerichtsordnung für Baibach erlassen habe, den Schluß ziehen, daß Baibach deshalb zu seinem Fürstentum gehört haben müsse: Stb. 760,186'.
4. Herrschaftskonflikte mit den Kurfürsten von Mainz
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rung ein: Jetzt lehnte Würzburg die Zugehörigkeit Unterbaibachs zur mainzischen Zent Königshofen ab 526 und beanspruchte selbst die Zugehörigkeit des ganzen Dorfes zur würzburgischen Zent Lauda. Zwischen 1584 und 1592 konnte Bischof Julius - nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, daß jahrzehntelang keine zentwürdigen Fälle dokumentiert worden waren - sich die grundsätzliche Zuständigkeit seiner Zent Lauda in Ober- und Unterbaibach sichern, wenn auch dem Adel in Oberbaibach und dem Deutschen Orden in Unterbaibach Zugeständnisse in der Handhabung gemacht wurden. 527 Mainz trat unter anderem seine Zentrechte zu Baibach im Vertrag vom 30.3.1585 gegen die Überlassung von 20 würzburgischen Leibeigenen endgültig ab. 528 Uberblickt man die gesamte Entwicklungslinie - Unterbaibach als würzburgische Pfarrei, die Errichtung einer Zollstätte um 1470, der Erwerb von Besitz und der halben Dorfherrschaft 1486 - bis hin zur Durchsetzung der Zentgerichtsbarkeit, dann wird das Schwergewicht der Würzburger Fürstentumsansprüche gegenüber sämtlichen Konkurrenten deutlich, die in diesem Ort keine Regalien geltend machen bzw. letztlich beweisen konnten und deshalb bei unklarer Beweislage den Vorrang Würzburgs akzeptieren mußten. Daß diese Entwicklung in der Echterzeit im Kontext einer gewandelten Herrschaftsauffassung stand, ist dabei für die Beurteilung der Verhältnisse 1470-1520 von untergeordneter Bedeutung.
526
StAWü, Mainzer Jurisdiktionalbücher 3, 48 (Bericht des Amtes Tauberbischofsheim von ca. 1576): Was peinliche sachen, haben vor altters gehn Konigshoffen vf die zentt gehörtt, jst mit Sutzeln [Adelsfamilie v. Sützel] richtig, aber Würtzburg vnd Teutschmeister gestehet yetzunder Maintz nichts. - Noch durch Vertrag vom 4.8.1572 hatten Mainz und die Familie Sützel die Gerichtsverhältnisse zu Ober- und Unterbaibach geregelt, ohne daß von Würzburger Zentrechten die Rede gewesen wäre (ebd. 50'-53'). Allerdings hatte Würzburg bereits kurz vor dem Regierungsantritt Julius Echters die Zugehörigkeit Baibachs zur Zent Könighofen bestritten (vgl. z.B. StAWü, Geistl. Sachen 2158).
527
Detailliert StAWü, Admin. 19066: Abtretung der Mainzer Zentansprüche zu Unterbaibach 3.7.1584; Vertrag Bischof Julius - Stephan Zobel von Giebelstadt betr. Oberbaibach 1.8.1589 (auch in: Ldf 34, 467-470); Vertrag Würzburg - Deutscher Orden 28.11.1592. - Die Besitzverhältnisse vor Ort stellten sich 1589 folgendermaßen dar: Würzburg hatte 35 Untertanen, Mainz 2, der Deutsche Orden 16, die Adelsfamilien v. Rosenberg 9 und Sützel bzw. deren Erben 24 (ebd.).
528
Stb. 760, 325-341, hier 338.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
5. Programmatik und Praxis fürstlicher Herrschaftsbehauptung in Franken a) Grundpositionen fürstlicher
Herrschaftsvorstellungen
Das Würzburger Programm In der Würzburger Vorstellung bildete das Diözesangebiet gleichzeitig das „Land" des Bischofs; Diözese und Herzogtum waren nicht in ihrer räumlichen Erstreckung, sondern nur in ihrem sachlichen Gehalt voneinander unterschieden. 1465 hatte Gregor Heimburg in einer Würzburger Appellation an den Kaiser diesen Anspruch des Bischofs so formuliert: dieser habe alß weit vnnsers stiffts geistlichkeit reichet vnd geet, ... gericht vnd gerichtßzwanngk gevbet vnd gepraucht, auch jnnwendig der gemelten ortter des stiffts zolle besetzt vnd bestellet.529 Diese Gleichsetzung von Stift und Diözese, die sich in eindeutiger Formulierung ζ. B. auch im Falle Baibach 1492 findet,530 bezog den Begriff „Land" ein: Die Diözese war das Land des Bischofs, in dem ein anderer zwar Besitz, aber kein eigenes Land und damit auch keine eigene fürstliche Obrigkeit haben konnte.531 In allen grundsätzlichen Konflikten mit den benachbarten Fürsten findet sich dieses Kernargument der Würzburger: Ob es sich um die zahlreichen Ladungen zollerischer Untertanen vor die Würzburger Gerichte, die Obrigkeit über die fuldische Grundherrschaft in Westheim oder den Guldenzoll zu Baibach handelte, immer tritt es beiläufig oder explizit hervor. Noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde dieser Anspruch auf eine Formel gebracht, die zugleich den Wildbann für den gesamten Bereich des Bistums/Herzogtums reklamierte: Dan woe der dieb an galgen gehet, doe laufft der hirs jn die kirchen.532 Demzufolge waren die fürstlichen Nachbarn Würzburgs in der eigenen Sicht nicht diejenigen, die an den engeren weltlichen Herrschaftsbereich, sondern die an die Diözese angrenzten.533 Gestützt wurde diese Auffassung zweifel-
Stb. 717, 114. Die Appellation entstand im Konflikt mit Bamberg. Vgl. dazu zuletzt die Hinweise von Willoweit, Fürstentum. 530 Vgl. oben bei Anm. 520: Nu sej wissenntlich, lig am tag, das Baibach jm stifft oder bistumb zu Wirtzburg vnd berzogthumb zu Franngken lige. 531 Stb. 717,173'f; vgl. z.B. auch Stb. 721,10'. 532 Dieb am Galgen: Hochgericht; Hirsch: Wildbann; Kirche: geistliche Jurisdiktion. In einem Kanzleihandbuch unter dem Stichwort „Wildbann" und mit dem einleitenden Satz notiert: „Das aller wildpan jm hertzogthumb Franken dem bischoffen allain vnd niemand anderem zustandig sey" (Ldf 72, 936). Eine Randnotiz verweist auf die im Uber emptionum (Ldf 74, 149) enthaltene Abschrift einer Urkunde von Bischof Andreas von Gundelfingen vom 6.9.1312 (MB 38, Nr. 282 = Hohenlohisches Urkundenbuch II, Nr. 43), in der dieser dem Andreas von Brauneck und dem Konrad von Hohenlohe den Wildbann auf ihren Besitzungen als Lehen verlieh und dabei in allgemeiner Formulierung feststellte, daß der Würzburger Kirche der Wildbann im gesamten ducatus franconie zustehe. 533 Vg] n.2.b bei Anm. 254. Eine unmittelbare Auseinandersetzung um genaue Grenzlinien gab es nicht als grundsätzlichen Herrschaftskonflikt, sondern nur als Gemarkungsstreit. Vgl. zur Problematik der Grenzlinien allgemein W. Haubrichs/R. Schneider (Hg.), Grenzen und 529
5. Programmatik und Praxis fürstlicher Herrschaftsbehauptung
143
los auch durch die landschaftlichen Gegebenheiten, da die Diözesangrenzen im wesentlichen einem Kranz von Höhenzügen534 folgten und somit das „Land" als Einheit erfahrbar machten. Die Würzburger Sichtweise bezog sich konsequent auf die hochmittelalterliche Verfassungsentwicklung, die ihren nachvollziehbaren Ausdruck in der Verleihung des Herzogtums Würzburg 1168 gefunden hatte. Für das gesamte Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit finden sich zahlreiche Belege für dieses Selbstverständnis des geistlichen Fürstentums Würzburg und seiner Regenten. Am bekanntesten ist der wohl um 1200 entstandene Spruch Herbipolis sola iudicat ense (et) stola, der in dieser Fassung erstmals auf einem Würzburger Bischofssiegel von 1268 bezeugt ist.535 Dieser Spruch könnte nur auf die Verhältnisse des Hochmittelalters bezogen und so gedeutet werden, daß in einer Zeit, in der den Bischöfen die Führung des weltlichen Schwertes (d.h. vor allem die Blutgerichtsbarkeit) untersagt war, der Würzburger als einziger die volle weltliche und geistliche Gerichtsbarkeit ausübte. Diese Interpretation, die auf den sachlichen Gehalt abhebt, kann jedoch nicht erklären, warum dieser Spruch auch in den folgenden Jahrhunderten immer wiederkehrt, obwohl doch der Würzburger Bischof spätestens seit dem 13. Jahrhundert nur noch einer von vielen geistlichen Fürsten war, die das weltliche und das geistliche Schwert führten; ja daß bis ins 18. Jahrhundert zeitgenössische Berichte betonen, der Bischof lasse, wenn er die Messe selbst zelebriere, ein blankes Schwert vor sich auf dem Altar aufstellen bzw. vom Hofmarschall emporhalten.536 Der exklusive Anspruch des Würzburger Bischofs, als einziger mit Schwert und Stola zu richten, bezog sich vielmehr darauf, daß er der einzige im Reich sei, dessen geistliches und weltliches Herrschaftsgebiet identisch seien. Im deutlichen Gegensatz dazu stehen die Vorstellungen der Mainzer, die im Konflikt um Baibach darauf beharrten, daß sich die fürstlich oberkeyt auf den Besitz von Regalien beziehe. Doch Würzburg lehnte diesen ZusammenGrenzregionen, 1994; G. Marchai (Hg.), Grenzen und Raumvorstellungen (11.-20. Jh.), 1996; H. Medick, Grenzziehungen und die Herstellung des politisch-sozialen Raumes, 1993. Nicht als Grenze, sondern als strategische Herrschaftssicherung ist die „Landwehr" zu verstehen, die - ausgebaut vor allem unter Bischof Rudolf - durch Zäune, Hecken usw. Wegelagerer und Fehdeführende zur Benutzung der relativ wenigen Durchgangsstellen veranlassen und damit deren Ergreifung wahrscheinlicher machen sollte; vgl. Zeißner, Scherenberg, 70-72. 534
Diese sind: Spessart, Rhön, Thüringer Wald, Frankenwald und Fränkische Alb, die von der Diözesangrenze teilweise eingeschlossen, teilweise ausgeklammert wurden, im Ganzen jedoch einen groben Rahmen absteckten. Nur über die Hohenloher Ebene bestand eine „Öffnung" zum Oberrhein hin; hier bildete der Neckar die Diözesangrenze. Der so konstituierte Raum wurde lediglich durch die Höhenzüge von Haßbergen und Steigerwald durchbrochen, die im übrigen wiederum den weltlichen Herrschaftsbereich des Würzburger Bischofs nach Osten absteckten.
535
Daneben erscheint - wie bei anderen geistlichen Fürsten auch - auf Würzburger Münzen und Bischofsgrabmälern seit dem 12. Jahrhundert immer wieder das Schwert als Insignie neben dem Bischofsstab. Vgl. die Nachweise bei Th. Freudenberger, Herbipolis sola iudicat ense et stola, 1989. Ebd. 507-512.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
hang explizit ab. Gegenüber Ansbach argumentierte der Würzburger Marschall 1490 in diesem würzburgisch-mainzischen Streit: so hat mein gnedigster Herr von Menntz weder leut noch gut noch ganntz nichts da, dann allein in zenntparn sachen der zennthalb zu Bischofsheim. Das gibt kein furstenthumb, dann solten zennt furstenthumb geben, so haben vil edelleut ir zennt recht. ... vnnd ob gleich sein gnad den wiltpan het, so geb es dannoch kein furstenthumb.537 Gemeinsamer Nenner der Auseinandersetzung ist also der abstrakte Begriff „Fürstentum". Dieses wurde der Würzburger Argumentation zufolge nicht durch einzelne Regalien, auch nicht durch die Blutgerichtsbarkeit begründet, sondern nur durch das mit der Diözese identische Herzogtum. Das in Würzburger Sicht existierende Fürstentum konnte nicht nur fremden Besitz, sondern auch fremde Regalien (z.B. den Wildbann oder die Zent) einschließen und ebenso Herrschaftsrechte des Adels, der jedoch zu einem eigenen Fürstentum nicht fähig war. Maßgeblicher Inhalt des Würzburger Herzogtums wiederum war die insbesondere im Landgericht und im Brückengericht konkretisierte und durch das Geistliche Gericht abgestützte herzogliche Gerichtsgewalt. Mit dieser Ansicht befand sich Würzburg im Einklang mit der spätmittelalterlichen Jurisdiktionslehre, wie sie von den italienischen Kommentatoren des Corpus Iuris Civilis entwickelt wurde.538 Nach dieser Lehre herrschte der Fürst als Inhaber einer iurisdictio, die ihm vom Kaiser übertragen wurde. Der Inhalt dieser iurisdictio war dabei nicht exakt definiert, aber jedenfalls sehr weit gefaßt und umspannte nicht nur die Rechtsprechung, sondern ebenso „alle wesentlichen Äußerungen hoheitlicher Gewalt", darunter das Gesetzgebungsrecht.539 Die „fürstliche Obrigkeit", wie sie von Würzburg reklamiert wurde, war nichts anderes als die allgemeine „iurisdictio" des „princeps"; die Einschränkung beider sich hier entsprechender Begriffe (iurisdictio = Obrigkeit) auf die Hoch- bzw. Blutgerichtsbarkeit entstammte erst dem 16. Jahrhundert.540 Die Formulierung des Baldus de Ubaldis, daß es sich
537 538
StAN, WüBü 6 , 1 2 4 ' . Zahlreiche Hinweise bereits bei O. Gierke, Deutsches Genossenschaftsrecht III, 1881; zusammenfassend W. Hamel, Das Wesen des Staatsgebietes, 1933, 21-34; Willoweit, Rechtsgrundlagen, 17-117. Die Jurisdiktionslehre wurde vor allem - aufbauend auf den „Gott der Juristen" Bartolus de Saxoferrato ( f l 3 5 7 ) - systematisch entwickelt von seinem bedeutendsten Schüler Baldus de Ubaldis (1320-1400). Vgl. zu diesen P. Weimar, in: Lexikon des Mittelalters 1 (1980) 1375f, 1500f, zum Corpus iuris ebd. 3 (1986) 270-277; zu ihrer überragenden Bedeutung (auch gegenüber den Juristen des 15. Jahrhunderts): Schlinker, Fürstenamt, 256.
So Bartolus nach Willoweit, Rechtsgrundlagen, 21. Baldus umschreibt die iurisdictio als die kaiserliche Gewalt des „merum imperium", die den „praesides provinciarum" übertragen wurde, und betont dabei gegenüber Bartolus stärker die Straf- als die Gesetzgebungsgewalt (ebd. 26-28). Zur Lehre der spätmittelalterlichen Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten über das fürstliche Gesetzgebungsrecht vgl. die Zusammenstellung von Schlinker, Fürstenamt, 241-275, zum Delegationscharakter der iurisdictio ebd. 279-284. 540 Vgl. Willoweit, Rechtsgrundlagen, 109-112. Diese Begriffsverengung ist zwar bereits bei Baldus vorgezeichnet, aber noch nicht vollzogen (ebd. 28, 30). Zur Terminologie vgl. z.B.
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5. Programmatik und Praxis fürstlicher Herrschaftsbehauptung
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beim territorium um die mit der iurisdictio ausgestattete terra handele,541 gibt exakt den Rahmen vor für den Würzburger Anspruch eines mit Diözese und Herzogtum identischen „Landes" (Territorium), auf das die fürstliche Obrigkeit (iurisdictio) bezogen war. Für die zeitgemäße Adaption der tradierten Würzburger Herzogtumsvorstellung an das Vokabularium des von Bologna aus verbreiteten „gemeinen Rechts" war - wie dies auch 1465 geschah - offensichtlich Gregor Heimburg der Hauptverantwortliche; immerhin ist er schon seit den 1440er bis in die 1460er Jahre mehrfach für längere Zeit in Würzburger Diensten nachweisbar.542 Fuldaer Vorstellungen Im Falle der Abtei Fulda findet sich anfänglich nur eine partielle Übereinstimmung mit dieser Theorie. Insbesondere bestand ein Gegensatz zwischen dem aktiven, flächenbezogenen Charakter der Würzburger Jurisdiktionsprivilegien und der passiven Befreiung der Fuldaer Grundherrschaft543 von fremden Gerichtsrechten. Demzufolge stützte Fulda seinen fürstlichen Herrschaftsanspruch nicht in erster Linie auf bestimmte Regalien oder Jurisdiktionsprivilegien, sondern fand ihn in seinem geschlossenen Grundeigentum begründet. Dies war insofern stimmig, als die Fuldaer Abte in ihren um das Hauptkloster konzentrierten großflächigen Grundherrschaften fremde fürstliche Rechte, insbesondere den Würzburger Landgerichtsanspruch, faktisch abwehren konnten; nur im Randbereich (hier: Hammelburg/Westheim, Rhöngebiete) kam es zu größeren Konflikten. Die im Streit um Westheim praktizierte Gegenüberstellung dieses Dorfes mit dem benachbarten Ort Fuchsstadt macht dabei einen eklatanten Unterschied sichtbar: Westheim war mit seiner ganzen Gemarkung fuldisches Eigentum, unbeschadet der Tatsache, daß der Bischof von Würzburg und verschiedene mediate Gewalten hier zahlreiche Güter besaßen; deshalb forderte der Fuldaer Abt die Dorfherrschaft. In Fuchsstadt, das sogar zur fuldischen Zent Hammelburg gehörte, besaß Fulda ebenfalls zahlreiche Güter, ohne jedoch aus dieser Rechtslage weitere herrschaftliche Rechte abzuleiten. Fulda beanspruchte also nur in seinem geschlossenen Grundeigentum eine geschlossene Herrschaft, die als „obrigkeit" bezeichnet wurde und prinzipiell alles einschloß, was nicht als herrschaftliches Einzelrecht eines anderen zu belegen war.544 Auf die Diskussion um ein fest umschriebenes, vom Reichsoberhaupt verliehenes Jurisdiktionsgebiet ließ sich Abt Johann dagegen
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Deutsches Rechtswörterbuch 1 0 / 1 - 2 (1997) s.v. Obrigkeit sowie die Hinweise bei Brunner, Land und Herrschaft, 243f; Schubert, König und Reich, 114. Baldus formulierte u.a.: territorium non est aliud quam terrae spatium munitum et armatum iurisdictione (zit. bei Hamel, Wesen, 29 und bei Willoweit, Rechtsgrundlagen, 28). Joachimsohn, Heimburg, 2 Anm. 7, 65-68, 77,122; Höfler, Das kaiserliche Buch, Nr. 107. Zur Problematik des Begriffs: K. Schreiner, „Grundherrschaft". Entstehung und Bedeutungwandel eines geschichtswissenschaftlichen Ordnungs- und Erklärungsbegriffs, 1983, zur hier einschlägigen Interpretation bes. 68f, 73f. Vgl. etwa für das Jahr 1496 zu Westheim Stb. 725,16f, zu den Rhöndörfern ebd. 31.
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
grundsätzlich nicht ein. 545 Erst unter seinem Koadjutor und späteren Nachfolger Hartmann reklamierte Fulda 1507 die flächenhafte Zugehörigkeit von Gebieten gelegen jn der crenitz, wie der stifft Fuld vonn dem heiigen rolmiscken] reich begnadet vnd bezirckt ¿sí546. Diese vergleichsweise späte Rezeption der zeitgenössischen Rechtsinterpretation läßt sich nicht zuletzt dadurch erklären, daß in Fulda rechts gelehrte Räte vor 1500 die Ausnahme bildeten. 547 Sie belegt nachdrücklich, daß der fürstliche Obrigkeitsanspruch an sich nicht an die Berufung auf das gemeine Recht gebunden war. Vielmehr brachte dieses lediglich eine schärfere Fassung des Obrigkeitsanspruchs durch die Unterscheidung von festumgrenzten Fürstentümern, so daß es die von Koadjutor Hartmann geführten Fuldaer 1507 erstmals ablehnten, das ymandt aus gemeinen rechten jn eines andern fursten lannde oberkait haben muge.54S Der Fall Fulda macht darüber hinaus die Vielschichtigkeit der Rezeption des römischen Rechts deutlich. Denn der Eigentumsgedanke, der dem fuldischen Herrschaftsanspruch zugrundeliegt, entspricht einem im 13. Jahrhundert unter römisch-rechtlichem Einfluß ausgeprägten Denken vom dominium als „Herrschaftsrecht an Land und Liegenschaften, das konkrete, über das Individualeigentum hinausgehende Rechte an Grund und Boden und gegenüber den zugehörigen Personen vermittelt". 549 Diese Herrschaft über den eigenen Grund und Boden, die sich in Rechtsprechung, Abgaben und Diensten ausdrückte, konnte von Adeligen und geistlichen Institutionen verschiedenen Standes ausgeübt werden und ist entwicklungsgeschichtlich als eine Vorstufe der „Landesherrschaft" des 15. Jahrhunderts anzusehen. 550 Demnach hätte Fulda die im späten 15. Jahrhundert allgemein verbreitete Vorstellung der „fürstlichen Obrigkeit" für sich selbst nicht aus den aktuellen Prinzipien des gemeinen Rechts, sondern aus älteren, freilich nicht minder römisch-rechtlich beeinflußten Verhältnissen abgeleitet und sich erst verspätet, unter dem Druck der Nachbarn, stärker auf die zeitgenössische Rechtslehre eingelassen. Markgräfliche Positionen Die zollerischen Markgrafen gingen schon viel früher als Fulda von einem umgrenzten Land bzw. Fürstentum aus. 1460 schrieb Markgraf Albrecht an Bischof Johann von Würzburg: so mugen wir mit keiserlichen brieuen ver545
Auf die entsprechende Würzburger Argumentation 1496 bezüglich Westheim gingen die fuldischen Räte nicht ein, sondern handelten die Erscheinungsformen des von Würzburg behaupteten Herzogtums einzeln ab: Vom Landgericht do wolten sie nit vil von disputiren, wes deßhalben vnd dagegen der stifft zu Fulda freyheidt vnnd gerechtigkeit hette, die Bistumszugehörigkeit und die Würzburger Zentansprüche erkannten sie an (Stb. 725, 19). 546 So die fuldische Delegation unter Führung Hartmanns 1507 im Streit um die Rhöndörfer (Stb. 725, 181'); vgl. ausführlich II.3.d, bei Anm. 483. 547 Vgl. Il.l.b. - Eine gewisse „Theoriefeindlichkeit" der Fuldaer Äbte läßt sich auch daran ablesen, daß ihre erste große Privilegienbestätigung erst aus dem Jahr 1494 stammte. 548 Stb. 725,196. Vgl. oben II.3.d bei Anm. 487. 549 D. Willoweit, Rezeption und Staatsbildung im Mittelalter, 1987, 33. 550 vgl. ebd. 34—43; Hinweise auch bei Hamel, Wesen des Staatsgebiets, 21-23,28.
5. Programmatik und Praxis fürstlicher Herrschaftsbehauptung
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künden vnd alten herkommen furbnngen das sich der Zirckel der burggrafschafft zu Eistett an der Staig anfahet vnd Reichet nach der breite bis gein geilissheim [Geichsheim], So hebtt er sich nach der lenge an zu [Schwäbisch] Hall vnd geet bis gein eger an die Stattmaür,551 Dieser weitgefaßte Gebietsanspruch (s. die Karte S. 149) war politisch begründet und rechtlich nicht beweisbar, demonstriert jedoch den Anspruch des Markgrafen, daß er ebenso wie seine Nachbarn über ein „Land" verfüge; diese Fiktion spiegelt sich bei seinem Sohn Friedrich ζ. B. in der Verwendung des Begriffs „Landesfürst"552 wieder. Faktisch war jedoch das Fürstenprivileg von 1363 zentraler Ausgangspunkt der Herrschaftsansprüche. Dieses Privileg hatte bestimmt, daz man der egenanten Burggrauen von Nuremberg, irer erben vnd nachkomen leute ewiclichen, es seint Rittere, knechte, Richtere, Burgere, gebawer, vnd alle ire diener vnd vndersezzen, vnd alle ir gut vnd leute, fur kein ander gerichte, newr fur irselbes gerichte, laden sol, noch mag, vnd sie ouch nicht pflichtig sein anderswo zugesteen, oder sich zuuorantwrten.bbi Das markgräfliche Fürstentum gründete also in erster Linie auf der richterlichen Gewalt über Personen und Güter. Somit entstand in der Herrschaftstheorie ein Widerspruch zwischen dem gerade im Land unter dem Gebirg vielfach zersplitterten Besitz und der Fiktion eines geschlossenen Gebietsfürstentums. Diese Diskrepanz kann am ehesten erklären, warum das Kaiserliche Landgericht des Burggraftums Nürnberg so wichtig für die Markgrafen war, denn es vermochte theoretisch das Bild einer flächenhaften iurisdictio zu unterstreichen. In der Praxis erwies sich dieses Nürnberger Landgericht jedoch als nicht geeignet, den Würzburger Bischöfen über die zollerischen Leute und Güter hinaus herrschaftliche Positionen streitig zu machen; ursächlich dafür waren die mangelnde Rechtstradition dieses Gerichts sowie die fehlende räumliche Festschreibung, die es zu einer gleichwertigen Alternative für das Würzburger Landgericht hätten werden lassen können. Für den faktischen Erfolg vorteilhafter war dagegen der Versuch, durch die prononcierte Instrumentalisierung des Fürstenhofes ein Geflecht adeliger und anderer mediater Herrschaftsträger an die zollerischen Fürsten zu binden554 und damit samt ihren Hintersassen fremden Gerichts- und Herrschaftsansprüchen zu entziehen.555 551
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Hasselholdt-Stóckheim, Urkunden, 158 (27.4.1460). Der Brief behandelt explizit den Vorwurf, daß der Markgraf kein „Land" habe, vgl. dazu unten III.2. So 1492, vgl. II.2.b bei Anm. 242. S.a. Hofmann, Adelige Herrschaft, 76, nach dem die Zollern im 15. Jahrhundert nicht ihre Fürstenstellung aus einem „Land" ableiteten, sondern ein geschlossenes Land aus ihrer Fürstenstellung; dies traf auch auf Bamberg zu: Willoweit, Fürstentum, 1396. Zum fehlenden „Land" der Zollern in Franken auch G. Pfeiffer, Fürst und Land. Betrachtungen zur Bayreuther Geschichte, 1978, 8f. Monumenta Zollerana IV, Nr. 2; lateinische Ausfertigung ebd. Nr. I. Vgl. zu den weiteren Gerichtsprivilegien oben Il.l.a bei Anm. 49. Schubert, Landstände, 94; Seyboth, „Raubritter" und Landesherren, 1997. Zur Schaffung rechtlicher Abhängigkeiten: Winkler, Bayreuth, 75. Seit wann und wem im einzelnen gegenüber die Markgrafen ihre Hochgerichtsbezirke als räumlich geschlossene Grundlage der landesfürstlichen Obrigkeit zu instrumentalisieren suchten, ist noch zu klären; zwischen Ansbach und Würzburg fand hier 1470-1520 kein
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II. Herrschaftskonflikte der Würzburger Bischöfe 1470-1519
Diesem Befund entspricht die unterschiedliche Herrschaftspolitik von Würzburg und Ansbach: Während Würzburg in seinem Selbstverständnis nur seine beständig gleichbleibenden Herrschaftsrechte ausübte bzw. reaktivierte (ζ. B. nach einer Pfandeinlösung), gründete Ansbach seine Herrschaftsexpansion bzw. -durchsetzung auf den Erwerb von Besitz und Herrschaftsrechten, den die Markgrafen mit ihrem reichen „Bergsegen" finanziert hatten und mit Hilfe ihrer adeligen Klientel absicherten. Der Konflikt resultierte also in der Regel daraus, daß das ältere Recht des Bischofs mit dem jüngeren des Markgrafen dort kollidierte, w o letzterer Besitz und Herrschaft erworben hatte. Die Würzburger Regierung drückte dies 1522 treffend aus: dan wo dem marggrauen ein sloß, dorff, weyler, haus, acker oder anders verkaufft oder lehen gemacht wurd, do wil er auch furter fürstlich obrikeit, den gerichts zwang, vnd jn erbfellen auch zu richten haben, ob schon der landgerichts zwang zwey oder drew hundert jar von Wirtzburg dohin geruiglich gebraucht vnd gevbt ¿sí.556 Wie sehr die Würzburger diesen Gegensatz empfanden - hier das alte Herzogtum, dort das Zusammenkaufen eines neuen Fürstentums - geht nicht zuletzt daraus hervor, daß sich in ihrer Kanzlei mehrfach Listen mit den Erwerbungen der Zollern in Franken finden. 557 Die Mainzische Interpretation Auch Mainz läßt sich in die spätmittelalterliche Jurisdiktionslehre integrieren. Nicht zuletzt aufgrund seiner Teilhabe am Reich als dessen Kurfürst und Erzkanzler 558 konnte der Mainzer Erzbischof die exklusive Herleitung der fürstlichen Herrschaft aus direkter königlicher Übertragung besonders betonen. In der Goldenen Bulle von 1356 waren dem Mainzer Erzbischof wie allen Kurfürsten die ausschließliche Gerichtszuständigkeit über die eigenen Untertanen (subiecti) 559 sowie verschiedene Regalien 560 zugesprochen worden. Folgerichtig hebt auch die Argumentation im Konflikt um Baibach darauf ab, daß nur Regalien wie der Wildbann, das Straßenrecht, das Geleit oder der Blutbann die fürstlich oberkeyt begründen könnten. 561 Nach der mainzischen Argumentation, wie sie im Konflikt um Baibach zum Vorschein kommt, mußte also jedes Gebiet zur iurisdictio eines Fürsten gehören, der daran zu erkennen war, daß er wichtige Regalien in seiner Hand hielt. Deshalb gab es in dieser Anschauung auch nicht ein herrschaftsbegründendes Recht, sondern verschiedene Regalien konnten Anzeichen der legitimen fürstlichen Herrschaft sein. Diese Sichtweise, die auf dem Boden der Jurisprinzipieller Konflikt statt. Für die teilweise untersuchte Entwicklung in der frühen Neuzeit, in der Ansbach diese Ansprüche im Einklang mit der zeitgenössischen Rechtslehre vertrat, vgl. Schuh, Anspruch, 21-37; ders., Herrschaftsgemenge. 556 StAWü, Ger. Kitzingen 329 (6.12.1522). Vgl. oben II.2.a bei Anm. 198f sowie Hofmann, Gunzenhausen-Weißenburg, 28. 5 5 7 Vgl. z.B. Stb. 571, 367f; Stb. 720, 131-133; Stb. 721, 8-10; StAWü, Misceli. 5036. - Vgl. auch Schubert, Landstände, 93f. 558 Vgl. P. C. Hartmann (Hg.), Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, 1997. 559 Urkunde Karls IV., 10.1.1356, cap. XI (MGH Const. XI, 592-594). 560 Ebd. cap. IX und X, 590-592. 561 Vgl. II.4.b bei Anm. 522.
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Fulda Schleusingen o
Römhild
Coburg ^
Quirnbach Schweinfurt
fieneck Aschaffenburg CQ
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