Förderung der deutschen Sprache weltweit: Vorschläge, Ansätze und Konzepte 9783110479232, 9783110476705

The essays all relate to potential ways to promote German as a foreign language and German studies, and to boost the sta

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German Pages 934 Year 2019

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Förderung der deutschen Sprache weltweit: Vorschläge, Ansätze und Konzepte
 9783110479232, 9783110476705

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Förderung der deutschen Sprache weltweit

Förderung der deutschen Sprache weltweit

Vorschläge, Ansätze und Konzepte Herausgegeben von Ulrich Ammon und Gabriele Schmidt Unter Mitarbeit von Birte Kellermeier-Rehbein

ISBN 978-3-11-047670-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-047923-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-047692-7 Library of Congress Control Number: 2019937569 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Dieser Band ist hervorgegangen aus einer Sektion (D.6) auf dem Weltkongress der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG) in Schanghai (24. – 30. 08. 2015). Sie basierte teilweise – wie der vorliegende Band – auf dem Buch des Mitherausgebers Ulrich Ammon: Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt (2015), sowie auf sonstigen Vorarbeiten, auch der Mitherausgeberin Gabriele Schmidt (z. B. 2011) und Mitarbeiterin Birte Kellermeier-Rehbein (2014). Die Erarbeitung des Bandes geschah in intensiver Korrespondenz von Herausgeber und Herausgeberin mit einem Großteil der AutorInnen, von denen nicht wenige mit ihren hilfreichen Anregungen zum Aufbau und Gelingen des Bandes beigetragen haben. Für den Aufbau wurde – nach diversen Vorüberlegungen – die sehr grobe Einteilung in zwei Großkapitel gewählt: „I. Allgemeine thematische Beiträge“ und „II. Länder- und regionenspezifische Beiträge“. Für die interne Gliederung dieser Großkapitel wurde hauptsächlich den übergreifenden, aber flexibel interpretierbaren Dimensionen ‚vom Allgemeineren zum Spezielleren‘ bzw. ‚geographische Nachbarschaft‘ gefolgt. Eine detailliertere Beschreibung dieses internen Aufbaus erübrigt sich hier, da er im Einzelnen recht genau dem Inhaltsverzeichnis entnommen werden kann, denn bei den Titelformulierungen wurde jeweils – trotz angestrebter Prägnanz – auf die möglichst genaue Benennung des Inhalts geachtet. Gleichwohl wurden dabei auch dezidierte Wünsche der AutorInnen berücksichtigt. Aufgrund der von Anfang an sorgfältigen Planung von Aufbau und Inhalt handelt es sich bei dem vorliegenden Band keinesfalls nur um einen „Sammelband“, wie er in Abhängigkeit von spontaner Laune und Mitwirkungsbereitschaft der AutorInnen leicht entstehen kann. Um dies zu verdeutlichen haben Herausgeber und Herausgeberin dem Verlag die Genre-Bezeichnung „inhaltlich strukturierter Themenband“ vorgeschlagen, die dieser gerne akzeptiert hat und für Ankündigungen und Anzeigen verwendet. Damit soll freilich nicht der unrealistische Anspruch von keinerlei Überschneidungen zwischen den Beiträgen suggeriert werden. Er ließe sich nämlich auch bei rigidesten dementsprechenden Ansprüchen nicht erfüllen, da in ganz verschieden betitelten Beiträgen gleichartige oder zumindest analoge Fragen auftreten und relevant werden können. Jedoch wurde auf die Minimierung inhaltlicher Wiederholungen geachtet und wurden Beiträge dementsprechend aufeinander abgestimmt, teilweise auch gekürzt oder vereinzelt sogar ganz weggelassen.

https://doi.org/10.1515/9783110479232-202

VI | Vorwort

Im Unterschied zu manchen thematisch verwandten Werken ist in den vorliegenden Band auch Deutsch als Muttersprache einbezogen, vor allem im Hinblick auf Sprachminderheiten. Des Weiteren liegt der Akzent stärker auf der Stellungsförderung als auf der Beschreibung der Verhältnisse, die allerdings einer gezielten Förderung zugrunde liegen muss. Jedoch sollte die Ausrichtung dieses Bandes vielleicht vorsichtiger lauten, da sich die Stellungsförderung in vielen Fällen zugleich als besonders schwieriges Thema bzw. als Forschungsdesiderat erwies. Insofern aber mit den in vielen Beiträgen dargelegten Vorschlägen für Förderungsmöglichkeiten zu weiterer Forschung angeregt wird, entsprechen solche Darstellungen durchaus den herausgeberischen Zielsetzungen. Es war erwünscht, dass die AutorInnen ihre eigene Meinung nicht verstecken, auch bezüglich kritikwürdiger Beispiele aus der eigenen Umgebung und deren Bewertung. Dass hinsichtlich globaler Repräsentativität Abstriche gemacht werden mussten, dürfte fast trivial sein. Dies gilt auch für die Ausgewogenheit von geographischer Reichweite des Bandes (global), Gewichtung von Fördermöglichkeiten und Ausrichtung auf die Stellung der deutschen Sprache (in der Welt). Um Missverständnissen bei der Lektüre vorzubeugen, sei noch darauf hingewiesen, dass die Beiträge von nicht-deutsch-muttersprachlichen AutorInnen nicht schuriglerisch auf muttersprachlich hin korrigiert, sondern gewisse Eigenwilligkeiten belassen wurden, sofern sie die Verständlichkeit nicht beeinträchtigen. Damit entsprachen Herausgeber und Herausgeberin einer für die Welt-Lingua-franca Englisch längst schon geforderten und teilweise auch gewährten Rücksicht auf die weitgehende Unerreichbarkeit von Muttersprachtreue für Fremdsprachler (dazu z.B. Seidlhofer 2011; Jenckins 1997; Ammon 2003). Für die großartige Kooperationsbereitschaft der AutorInnen danken Herausgeber und Herausgeberin ihnen allen von Herzen, wie überhaupt für die zuverlässige Mitarbeit (trotz oft enormer sonstiger Arbeitsbelastung). Besonderen Dank schulden wir auch Birte Kellermeier-Rehbein (Universität Wuppertal), die alle Beiträge in die richtige Form gebracht, aber auch inhaltliche Anregungen geliefert hat. Von unschätzbarer Hilfe war ebenso Ulrike Schulz (pensionierte frühere Sekretärin von Ammon), die – mit freundlicher Unterstützung des Verlags – den ganzen Band formatiert und viele Unstimmigkeiten behoben hat. Auch möchten wir uns bei Prof. Shinichi Sambe (Keio Universität) bedanken, der engagiert an der Konzeption des Bandes mitgewirkt hat. Schließlich danken wir noch allen beteiligten Angestellten des Verlags Walter de Gruyter herzlich, ganz besonders dem verantwortlichen Lektor Daniel Gietz, der den Band nachhaltig unterstützt hat, auch bei Herstellung und Werbung.

Vorwort | VII

Hoffentlich erfüllt dieser Band nun die in ihn gesetzten Erwartungen, nämlich vor allem beizutragen zur Stärkung und Förderung der Stellung der deutschen Sprache in der Welt, und zwar im Rahmen von individueller und sozialer Mehrsprachigkeit und mit Rücksicht auf die vielen anderen Sprachen in der globalen Sprachenkonstellation. Der Band soll nicht zuletzt auch dem teilweise kursierenden Missverständnis entgegenwirken, Deutsch sei nur eine regionale, weitgehend auf Europa eingeschränkte Sprache. Die vielen Beiträge in diesem Band belegen eindrucksvoll, dass in Wirklichkeit Deutsch eine durchaus weltweit verbreitete Sprache ist: nach ihrem Erlerntwerden als Fremdsprache und, damit zusammenhängend, einem gewissen Grad von Lingua-franca-Funktion sowie als Muttersprache von Minderheiten und weit verstreuten Expatriates und Touristen wie auch von Migranten aus den und Immigranten in die deutschsprachigen Länder. Ulrich Ammon & Gabriele Schmidt

Literaturverzeichnis Ammon, Ulrich (2003) Global English and the non-native speaker: overcoming disadvantages. In Humphrey Tonkin & Timothy Reagan (Hrsg.) (2003) Language in the Twenty-First Century. 23- 34. Amsterdam, Philadelphia: John Benjamins. Ammon, Ulrich (2015) Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Berlin, München, Boston: Walter de Gruyter. Jenkins, Jennifer (1997) English as a Lingua Franca: Attitude und Identity. Oxford: Oxford University Press. Kellermeier-Rehbein, Birte (2014) Plurizentrik. Einführung in die nationalen Varietäten des Deutschen. Berlin: Erich Schmidt. Schmidt, Gabriele (2011) Motives for Studying German in Australia. Frankfurt a. M. u.a.: Peter Lang. Seidlhofer, Barbara (2011) Understanding English as a Lingua Franca. Oxford: Oxford University Press.

Inhalt Vorwort  | V

I: Allgemeine thematische Beiträge Ulrich Ammon Fördermöglichkeiten von Deutsch und Germanistik in der Welt im Überblick | 3 Gerhard Stickel Zur Förderung von DaF aus der Sicht nationaler Sprachinstitute, speziell des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) | 25 Rudolf de Cillia Die Förderung der deutschen Sprache und Österreichs Auslandssprachen- und –kulturpolitik | 37 Göz Kaufmann Überlegungen zum Erhalt von (deutschen) Minderheitensprachen | 53 Christian Efing, Rudolf Hoberg Sprachbildung und Sprachbewusstheit als Voraussetzung der Sprachförderung: Die Dominanz des Englischen und ihre Folgen für das Deutsche | 71 Marianne Hepp Deutschförderung durch Fachverbände | 87 Reiner Pogarell Der Beitrag deutscher Unternehmen zur Verbreitung der deutschen Sprache | 107 Jan Kruse Deutschförderung durch staatliche Medien – am Beispiel der Deutschen Welle | 117

X | Inhalt

Fumiya Hirataka Möglichkeiten und Herausforderungen der Deutschförderung japanischer Expatriates in Deutschland | 129 Barbara Geist, Diana Thomas Wirksame Förderung des Deutschen als Zweitsprache | 149 Jakob Haselhuber Schwierigkeiten und Möglichkeiten der Festigung von Deutsch in den EU-Institutionen | 169 Jan Kruse Deutschgebrauch durch Auflockerung der Minimex-Regel? | 187 Marcella Costa Deutsch als Fremdsprache für den internationalen Tourismus | 201 Hans-Joachim Althaus, Uwe Koreik Transnationale Bildung: Deutsch in mehrsprachigen Kontexten an Hochschulen | 215 Bernd Spillner Förderung von Deutsch als internationale Fach- und Wissenschaftssprache | 241 Odile Schneider-Mizony Förderung von Deutsch als Wissenschaftssprache nach Art der Förderung des Französischen durch Frankreich? | 257 Michael Szurawitzki Deutscherhalt und -lernen für geisteswissenschaftliche Nischenfächer | 271 Christian Fandrych, Elisa Müller Deutsch in der Hochschullehre der deutschsprachigen Länder | 291 Yu Chen Deutschkenntnisse ausländischer Studierender in Deutschland: Sprachstand und Fördermaßnahmen | 317

Inhalt | XI

Britta Hufeisen Förderung des DaF-Unterrichts durch Mehrsprachigkeitskonzepte | 337 Hans-Jürgen Krumm Förderung des Deutschunterrichts durch Verbesserung der Ausbildung von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern | 351 Claudia Riemer Stärkung der Motivation zum Deutschlernen | 365 Holger Steidele Die besonderen Fördermöglichkeiten des Deutschlernens durch muttersprachliche Dozenten des Deutschen an ausländischen Universitäten | 381 Gabriele Kecker, Günther Depner, Daniela Marks, Leska Schwarz, Sonja Zimmermann Die deutsche Sprache weltweit fördern: Was können Sprachprüfungen dazu beitragen? | 393 Manuela Glaboniat Sprachprüfungen „made in Austria“ als Beitrag zur Förderung der deutschen Sprache | 407 Christian Hoffmann, Cordula Hunold, Ina Hoischen Der Fördererfolg für DaF des Programms „Schulen: Partner der Zukunft (PASCH)“ | 425 Katharina von Ruckteschell-Katte, Heike Uhlig Kooperation von Institutionen deutschsprachiger Länder zur Förderung von DaF: Möglichkeiten und Perspektiven | 445 Jianhua Zhu Kooperation der weltweiten Organisationen von Deutsch als Fremdsprache und Germanistik und Zukunftsperspektiven | 457 Diana Stantcheva, Gabriele Dillmann Förderung der deutschen Sprache durch transnationale digitale Vernetzung im universitären DaF-Unterricht | 465

XII | Inhalt

II: Länder- und regionenspezifische Beiträge Elisabeth Knipf-Komlósi, Márta Müller Sprachfördermaßnahmen zur Erhaltung der deutschen Sprache in Ungarn | 483 Ioan Lăzărescu, Doris Sava Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Rumänien | 501 Marianne Zappen-Thomson Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Namibia | 517 Cléo Vilson Altenhofen Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Brasilien | 531 Miroslava Majtanova Deutschmuttersprachliche Expatriates und die Förderung der deutschen Sprache: Eine Fallstudie in Kuala Lumpur | 553 Goranka Rocco Effekte der Migrationsbewegungen auf Sprachgebrauch, Sprachrepertoire und die internationale Stellung des Deutschen | 567 Martine Dalmas Förderung der deutschen Sprache in Frankreich | 577 Nicola McLelland Förderung von DaF in Großbritannien | 599 Torsten Leuschner, Henning Radke, Achim Küpper Förderung von Deutsch als Fremd- und Amtssprache in den Benelux-Staaten | 615 Aurica E. Borszik, Brigitte E. Jirku Deutsch in Spanien – Zukunft durch Krise | 635

Inhalt | XIII

Sandro M. Moraldo Förderung von DaF in Italien | 649 Goranka Rocco Einstellungen, Lernbiographien, Arbeitsmarktlage: Lernmotivationsförderung und Stärkung des Deutschen in Italien | 661 Maciej Mackiewicz Förderung von DaF in Polen | 679 Vít Dovalil Förderung von Deutsch als Fremdsprache in Tschechien: Theoretische Voraussetzungen und praktische Konsequenzen | 701 Anne Schönhagen, Natalia Troshina, Rupprecht S. Baur Förderung von DaF in Russland | 719 Mutlu Er, Max F. Hertsch Förderung von DaF in der Türkei | 741 Shaswati Mazumdar, Maja Nemere Zur Situation der Germanistik in Indien | 757 Simone Jore, Hendrik Lux, Dalia Shalaby, Sebastian Vötter Deutsch als Fremdsprache in Ägypten | 763 Sara Behrangfar Förderung von DaF im Iran | 773 Jun He Förderung der deutschen Sprache in China | 787 Tobias Lehmann Die Förderung von Kommunikation und Kultur im DaF-Unterricht in Südkorea | 803 Setiawati Darmojuwono Förderung von DaF in Indonesien | 819

XIV | Inhalt

Hideaki Takahashi Förderung von DaF in Japan | 833 Gabriele Schmidt Förderung der deutschen Sprache in Australien | 855 Thomas A. Lovik Deutsch als Fremdsprache in den USA: Wie sieht die Zukunft aus? | 869 Paulo Astor Soethe, Giovanna Lorena Ribeiro Chaves Förderung der deutschen Sprache in Brasilien | 887 Joachim Steffen, Dieter Jaeschke Förderung von DaF in Mexiko | 911

| I:

Allgemeine thematische Beiträge

Ulrich Ammon

Fördermöglichkeiten von Deutsch und Germanistik in der Welt im Überblick 1 Weltweite Stellung der deutschen Sprache Die folgenden Überlegungen, wie – wenngleich in geringerem Maße – der ganze vorliegende Band, basieren teilweise auf meinem Buch Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt (Ammon 2015) sowie natürlich auf weiteren thematisch in vielerlei Hinsicht anregenden Publikationen (z.B. Krumm, Fandrych, Hufeisen & Riemer 2010; He 2013; Hufeisen 2011; Schmidt 2011; auch eigenen wie Ammon 1991: 524–566; 2000; 2009; 2017). Jedoch gehen vor allem die hier vorgelegten Anwendungsvorschläge in Systematik und Details über die bisherigen Publikationen hinaus. Elementare Voraussetzung für die Förderung der deutschen Sprache ist ein einigermaßen klarer Begriff von ihr, vor allem ihre Abgrenzung von anderen Sprachen. Erst dann kann man die Stellung der deutschen Sprache im Verhältnis zu anderen Sprachen klären. Die Abgrenzung von anderen Sprachen mag auf den ersten Blick unproblematisch erscheinen, erweist sich aber bei näherer Betrachtung doch in mancher Hinsicht als klärungsbedürftig. Dies gilt sogar, wenn man sich, wie für den vorliegenden Band angemessen, auf die heutigen Verhältnisse beschränkt und die komplizierten historischen Entwicklungen außer Acht lässt. Einige Zweifelsfälle sollen hier kurz besprochen werden (ausführlicher in Ammon 1991: 19–31; 2015: 100–157). Für die Abgrenzung von anderen Sprachen empfiehlt sich die Frage, welche Subsprachen, treffender: Varietäten (von Sprachen), der deutschen Sprache zuzuordnen sind und welche nicht. Dabei werden Sprachen als Mengen solcher Varietäten aufgefasst, als deren Vereinigungsmengen. Ich beschränke mich hier auf die Zuordnungsfrage einiger relativ stabiler Varietäten und ignoriere instabilere wie z.B. (oft im Fluss befindliche) Lerner- oder Mischvarietäten. Eine wichtige Teilmenge solcher ziemlich stabilen Varietäten sind die Dialekte. Unter diesen lassen sich die meist unumwunden als „deutsche Dialekte“ bezeichneten großenteils unproblematisch der deutschen Sprache zuordnen, z.B. Sächsisch, Schwäbisch usw. – sogar Bairisch. (Ammon 2015: 107–131). Dafür genügt ein Kriterium, allerdings aus zwei zusammenhängenden Bestandteilen. Einer davon ist die noch erkennbare Ähnlichkeit mit Standarddeutsch, wobei Standarddeutsch

|| Ulrich Ammon, Universität Duisburg-Essen, Deutschland, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-001

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zwischen verschiedenen deutschsprachigen Ländern leicht variiert, vor allem zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz (dazu Ammon, Bickel & Lenz 2016). Die Unterschiede zwischen verschiedenen deutschen Standardvarietäten können zwar bedeutsamer Ausdruck nationaler Identität sein, sind aber – linguistisch gesehen – nicht so groß, dass sich die Zugehörigkeit zur gleichen, nämlich der deutschen Sprache, ernsthaft bezweifeln lässt. Demgegenüber ist die linguistische Distanz zwischen manchen Dialekten und den Standardvarietäten größer. Für ihre beiderseitige Zuordnung zur gleichen Sprache genügt es aber, dass noch eine linguistische Ähnlichkeit zwischen Dialekt und Standardvarietät wahrnehmbar ist, auch für sprachwissenschaftliche Laien. Ich spreche behelfsmäßig von „wahrnehmbarer (linguistischer) Ähnlichkeit“, wodurch die Zuordnung zur gleichen Sprache möglich ist. Nun kommt noch der zweite Teil unseres Kriteriums ins Spiel: die „Überdachung“ (genauer das Überdachtsein) des Dialekts durch die Standardvarietät. Wird ein Dialekt, der einer deutschen Standardvarietät wahrnehmbar ähnlich ist, von dieser Standardvarietät „überdacht“, dann gehört er zur gleichen, eben der deutschen Sprache. „Überdacht“ sein von einer Standardvarietät heißt, etwas vereinfacht, dass die Sprecher diese Standardvarietät als korrekte, für den öffentlichen Sprachgebrauch angemessene Varietät akzeptieren. Bei wahrnehmbarer Ähnlichkeit ordnen die Sprecher dann beide Varietäten derselben Sprache zu. Sie anerkennen sogar beide als muttersprachlich, zweierlei Ausprägungen ihrer Muttersprache: dialektal und standardsprachlich. Diese Verbindung ihres Dialekts mit der überdachenden Standardvarietät zu ein und derselben, eben der deutschen Sprache, wird den Sprechern auch ständig vorgelebt und dadurch vermittelt, spätestens in der Schule, und rechtfertigt die wissenschaftliche Zuordnung des betreffenden Dialekts zur gleichen Sprache. Allerdings gibt es im Fall der deutschen Sprache einige Grenzfälle, wo dieses zweiteilige Kriterium nicht so fraglos greift wie bei den gewissermaßen unzweifelhaften deutschen Dialekten. Ein Beispiel sind die Dialekte der „deutschsprachigen Schweiz“ (Schwyzertütsch, unterschiedliche Schreibweisen). Manche ihrer Sprecher empfinden „Hochdeutsch“, sogar die eigene Schweizer Standardvarietät (Schweizer Hochdeutsch oder Schweizerhochdeutsch), fast als eine Fremdsprache. Dies könnte nach unserem Kriterium implizieren, dass sie ihren eigenen Dialekt nicht mehr zur deutschen Sprache zählen. Wir halten diese Zuordnung jedoch für gerechtfertigt, da die Ähnlichkeit mit dem überdachenden Schweizer Standarddeutsch auch für Laien noch wahrnehmbar ist. Eigentlich bin „ich“ es, der diese Auffassung vertritt; jedoch soll der gewissermaßen Pluralis Majestatis, „wir“, andeuten, dass es sich um einen Vorschlag für den ganzen Band handelt.

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Außer bei den schweizerdeutschen Dialekten ist auch die Zuordnung der in Norddeutschland gesprochenen niederdeutschen Dialekte zur deutschen Sprache keine Selbstverständlichkeit. Wurde diesen doch von mehreren Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland ein Status (im Sinne einer rechtlichen Stellung) zuerkannt, der Zweifel an der Zuordnung zur deutschen Sprache nahelegt. Sie wurden nämlich anerkannt als schützenswerte „Regional- oder Minderheitensprachen“ nach Maßgabe der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarates, wo Dialekten (der jeweiligen Amtssprache, in diesem Fall Deutsch) dieser Status ausdrücklich abgesprochen wird: „der Ausdruck ‚Regional- oder Minderheitensprachen‘ […] umfaßt weder Dialekte der Amtssprache(n) des Staates noch die Sprachen von Zuwanderern“ (Art. 1 der Charta: https://rm.coe.int/168007c089; zu Deutschlands Ratifizierung der Charta mit Wirkung ab 01.01.1999: conventions.coe.int/treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?CL=GER&NT=148 – beide abgerufen 28.07.2012). Zudem wurden die Landesverfassungen mehrerer Bundesländer in niederdeutsche Dialekte übersetzt (Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern). Allerdings wurde die Zugehörigkeit der unter die Charta gestellten Dialekte zur deutschen Sprache von amtlicher Seite nicht ausdrücklich bestritten. Wir erlauben uns daher – ungeachtet der Charta – die Zuordnung zur deutschen Sprache. Dies auch ungeachtet früherer Zeiten, vor allem der norddeutschen Hanse (im 15./16. Jahrhundert), als eine niederdeutsche Schreibsprache sie bis zu einem gewissen Grad überdachte. Heute jedoch werden sie vom (hochdeutschen) Standarddeutsch Deutschlands überdacht, und alle Versuche in Richtung einer „niederdeutschen Schriftsprache“ oder Standardvarietät, waren bisher erfolglos (Elmentaler 2009: 41–43; zum Begriff ‚Standardvarietät’ Ammon 2015: 131–147). Aufgrund der – für Laien noch erkennbaren – linguistischen Ähnlichkeit mit dem Standarddeutsch Deutschlands ordnen wir diese Dialekte daher der deutschen Sprache zu. In der Charta werden die Termini Regionalsprache und Minderheitensprache nicht klar unterschieden und können daher als Synonyme verstanden werden. Dies gilt weitgehend auch für den offiziellen sprachenpolitischen Gebrauch in Deutschland (z.B. in https://www.bundestag.de/blob/481532/911a9f36ee4afcefda7e47aabd772dad/wd-10-050-16-pdf-data.pdf – abgerufen 15.04. 2018). Jedoch kann es zweckmäßig sein, zu unterscheiden zwischen Regionalsprachen mit eher nur mittlerer linguistischer Distanz von der überdachenden oder mehrheitlichen Standardvarietät und Minderheitensprachen mit großer linguistischer Distanz, so dass im ersten Fall die Zugehörigkeit zur gleichen Sprache zweifelhaft ist, im zweiten Fall dagegen die Nicht-Zugehörigkeit außer Zweifel steht. Im ers-

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ten Fall neigt man dann oft zur Zuordnung zur gleichen Ethnie (z.B. bei Niederdeutsch zur deutschen Ethnie) und im zweiten Fall zu einer eigenständigen, anderen (z.B. Sorbisch zur sorbischen Ethnie). So verfahren tendenziell z.B. auch die beiden – bezeichnenderweise getrennten – Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Regionalsprache, https://de.wikipedia.org/wiki/Minderheitensprache – abgerufen 18.04.20181. Fraglicher als im deutschen Sprachgebiet wird die Zuordnung zur deutschen Sprache bei niederdeutschen Dialekten von Minderheiten außerhalb des deutschen Sprachgebiets (zum ‚deutschen Sprachgebiet’ weiter unten und in Ammon 2015: 154–157), z.B. bei den teilweise sprachinselartigen Siedlungen religiöser Gruppen wie der Amischen und der Hutterer in Nord-Amerika sowie aus Russland ausgewanderter Mennoniten in verschiedenen Staaten Nord-, Mittel- und Südamerikas (Näheres in Ammon 2015: 380–397). Bei ihnen ist vor allem die Überdachung durch Standarddeutsch schwächer ausgeprägt. Sie ist aber noch vorhanden, zumindest durch ein – wenn auch etwas altertümliches – Standarddeutsch im Schul-, vor allem Religionsunterricht. Deshalb zählen wir auch diese Dialekte zur deutschen Sprache. Ein weiteres Beispiel schwieriger Zuordnung zur deutschen Sprache, das letzte hier thematisierte, findet sich in Luxemburg (dazu z.B. Sieburg 2013). Das Land hat drei staatliche Amtssprachen: Luxemburgisch (auf Luxemburgisch: Lëtzebuergesch), Französisch und Deutsch. Hier geht es nur um die Frage, ob die Sprache Luxemburgisch als Teil der deutschen Sprache gelten soll. Diese Zuordnung trafen vor nicht allzu langer Zeit auch germanistische Linguisten – zumindest implizit, wenn sie den moselfränkischen Dialekt auch noch in Luxemburg zu den deutschen Dialekten zählten (z.B. Wiesinger 1983: 857). Dass er auf deutscher Seite der deutsch-luxemburgischen Grenze der deutschen Sprache zuzuordnen ist, steht auch nach unserem Kriterium außer Frage. Jedoch ist er nach diesem Kriterium auf luxemburgischer Seite ein Dialekt der luxemburgischen Sprache – auch wenn er sich rein linguistisch vom Dialekt auf deutscher Seite kaum unterscheidet, abgesehen von zahlreicheren Lehnwörtern aus dem Französischen. Jedoch hat der Staat Luxemburg für diesen Dialekt auf luxemburgischem Gebiet eine eigenständige Sprache geschaffen: durch Standardisierung mittels Kodifizierung (in einem amtlich gültigen Wörterbuch) und Statusanhebung zur Amts- und Nationalsprache. Diese Standardvarietät überdacht nun den moselfränkischen Dialekt innerhalb Luxemburgs und bildet aufgrund der deutlichen Verschiedenheit von allen standarddeutschen Varietäten die eigenständige Sprache Luxemburgisch, deren Eigenständigkeit der ganzen Bevölkerung über || 1 Für diesen Hinweis danke ich Birte Kellermeier-Rehbein.

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Schule und andere Institutionen vermittelt wird. Zwar ist das Standardluxemburgische den standarddeutschen Varietäten noch erkennbar ähnlich; jedoch genügt der Grad der linguistischen Distanz, der übrigens bei der Kodifizierung möglichst ausgedehnt wurde, zur Konstituierung einer eigenen Sprache. Man vergleiche darauf hin z.B. die verschiedenen germanischen Sprachen in Skandinavien. Der gleiche Grad noch wahrnehmbarer linguistischer Ähnlichkeit, aber zugleich erheblichen Unterschieds, konstituiert einerseits bei Standardvarietäten verschiedene Sprachen, da keine anderweitige Überdachung vorliegt (Beispiel Standardluxemburgisch), und bedingt bei Überdachung durch eine Standardvarietät die Zuordnung zur gleichen Sprache wie die Standardvarietät (Beispiel moselfränkischer Dialekt auf deutscher Seite). Verschiedene Standardvarietäten werden nur bei sehr großer linguistischer Ähnlichkeit derselben Sprache zugeordnet (z.B. die Standardvarietäten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz). In Luxemburg steht die eigene Sprache Luxemburgisch deutlich für sich, neben der deutschen Sprache, und nicht als Teil von ihr, obwohl auch die deutsche Sprache den Status einer Amtssprache des Landes hat, wie zudem und sogar mit gewissem Vorrang die französische Sprache, bei der es wegen großer linguistischer Distanz ohnehin noch nie Abgrenzungsfragen gegeben hat. Mögen diese Hinweise auf die Zuordnung von Varietäten zur deutschen Sprache zwecks ihrer Abgrenzung von anderen Sprachen hier genügen (ausführlich in Ammon 2015: 107–157), und kommen wir nun zur Stellung der deutschen Sprache in der Welt im Verhältnis zu anderen, eigentlich allen anderen Sprachen. Diese Stellung lässt sich – zumindest grob – verdeutlichen am von Abram de Swaan angeregten und auch weitgehend entwickelten Modell der „globalen Sprachenkonstellation“ (de Swaan 2001; Ammon 2015: 63–74). Dieses Modell bildet alle Sprachen der Welt ab auf einer vierstufigen Rangskala. Dabei ist für den Rangplatz jeder Sprache maßgeblich, wieweit diese Sprache alle Sprachgemeinschaften der Welt sprachlich mit einander verbindet. Und zwar erfolgt diese Verbindung über Sprachkenntnisse, so dass „mutually unintelligible languages are connected by multilingual speakers“ (de Swaan 2001: 4). Nach meinem, von de Swaan leicht abweichenden Verständnis erhalten diesbezüglich Fremdsprachen besonderes Gewicht, denn über sie vor allem werden – anders als über Muttersprachen – Sprachgemeinschaften verschiedener Sprachen miteinander verbunden. De Swaan orientiert sich an der bloßen Sprecherzahl, auch der Muttersprachler. Dagegen bezieht sich meine Spezifizierung primär auf die Verbreitung als weltweite Fremdsprachen. Sprachen rangieren dann umso höher in der globalen Sprachenkonstellation, in je mehr Sprachgemeinschaften sie in je höherem Umfang als Fremdsprachen gelernt und, muss man hinzufügen, auch gebraucht

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werden – wobei das Erlernen viel leichter statistisch erfassbar ist als der Gebrauch. Jedoch lässt sich meine modifizierte Sicht ansonsten durchaus mit De Swaan’s Modellbildung vereinbaren, bei der er die globale Sprachenkonstellation auf die – für Modellbildungen beliebte – Astronomie bezieht. Analog zu Galaxien unterscheidet er vier Haupttypen von Sprachen in dieser Konstellation, die ich hier in aufsteigender Rangordnung aufzähle. Dabei sind de Swaan’s (von mir eingedeutschte Termini) kursiv geschrieben, und stehen die von mir bevorzugten, alternativen Termini in Anführungszeichen und die astronomischen Entsprechungen in Klammern (Tab. 1). Tab. 1: Rangordnung der Sprachen nach ihrer Stellung in der Welt

4)

Periphere Sprachen/„Nur-Minderheitssprachen“ (Monde), z.B. Kaschubisch (in Polen), Baskisch (in Spanien);

3)

Zentrale Sprachen/„Nationale Amtssprachen“ (Planeten), z.B. Finnisch, Bulgarisch;

2)

Superzentrale Sprachen/„Internationale Sprachen“ (Sonnen), z.B. Deutsch, Russisch;

1)

Hyperzentrale Sprache/„Welt-Lingua-franca” („so to speak at the centre […], the hub of the linguistic galaxy)“, Englisch. (de Swaan 2001: 6)

Die hyperzentrale Sprache als galaktisches Zentrum zu sehen wirkt fast ominös. Erinnert es doch an das Schwarze Loch als typisches Zentrum von Galaxien und seine alles verschlingende Absorptionskraft. Jedoch vermeidet de Swaan sowohl den Terminus Schwarzes Loch als auch jegliche Anspielung an ein entsprechendes – bisweilen Zukunftsängste erweckendes – Verhältnis von Englisch zu allen anderen Sprachen der Welt. Hinsichtlich Deutsch mag die Vorstellung von Englisch als Schwarzem Loch reizvoll sein für Grusel-Liebhaber; aber wohl kaum von absehbarer Relevanz (siehe zu Zukunftsvisionen für Deutsch z.B. Stickel 2009). Ebenso verzichtet de Swaan auf leicht denkbare weitere Differenzierungen, vielleicht weil sie nicht nahtlos in das galaktische Modell passen, z.B. in 4a) „NurNicht-Amtssprachen“ (z.B. Kaschubisch) und 4b) „regionale Amtssprachen“ (z.B. Baskisch). Statt weiterer Gedankenausflüge sei hier vor allem kurz belegt, dass Deutsch den internationalen Sprachen zugeordnet werden darf, allein schon deshalb, weil es in den meisten Ländern der Welt als Fremdsprache gelernt wird. Diese Verbreitung veranschaulicht Karte 1, die sogar nur förmliches Lernen an Schulen, Hochschulen und im Erwachsenenbereich (Goethe-Institute) berücksichtigt,

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ohne Einbeziehung des zusätzlichen selbstständigen oder privatschulischen Lernens, das sich kaum erfassen lässt. Nur für ganz wenige Länder war zur Erhebungszeit kein förmlicher Deutschunterricht belegt (Angola, Libyen), und für einzelne andere lagen keine Daten vor („keine Angaben“: Botswana, Somalia, Tansania).

Karte 1: Lernen von Deutsch als Fremdsprache weltweit um 2010 (aufgrund von Netzwerk Deutsch 2010: „Deutschlerner Gesamt“)

Die weltweite Verbreitung des Lernens von Deutsch als Fremdsprache ist in Grundzügen in den letzten Jahrzehnten gleich geblieben, mit Zuwachs von 1990 bis 2000 und danach Rückgang bis 2010 (jeweils um ca. 25%) sowie erneutem Zuwachs 2015 (auf weltweit 15,4 Mio., gegenüber 14,9 Mio. 2010; Ammon 2015: 980–986; Auswärtiges Amt 2015: 6). Viele neuere Einzeldaten weisen summa summarum in Richtung weiteren Zuwachses. Diese zwar systematisch, aber nicht lückenlos erhobenen Zahlen beschränken sich allerdings auf DaF-Lerner und geben keine tragfähige Auskunft über Könner oder Benutzer. Für andere vergleichbare Sprachen liegen jedoch nicht einmal ähnlich systematisch erhobene Zahlen für Lerner vor, geschweige denn für Könner oder Benutzer (Ammon 2015: 980– 986). Eingedenk vielfacher Ungenauigkeiten, dürfen jedoch 6 bis 8 weitere Sprachen derselben Kategorie wie Deutsch („internationale Sprachen“) zugeordnet werden, wobei die Trennlinie zur nächst niedrigeren Kategorie einigermaßen willkürlich bleibt. Mit diesen Einschränkungen zählen zur gleichen Gruppe wie

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Deutsch noch (alphabetisch geordnet): Arabisch (jedoch wegen überwiegend religiöser Funktion fraglich), Chinesisch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Portugiesisch, Russisch und Spanisch. Diese 8 bis 9 Sprachen (einschließlich Deutsch) sind 30

[U/u]ngarndeutsche(n)

Deutschungar(n) Deutschungarische(n)

~204.600

~2.790 ~3.180

30

0 0

[R/r]umäniendeutsche(n)

Deutschrumäne(n) Deutschrumänische(n)

43

1 0

[R/r]u[ss/ß]landdeutsche(n)

Deutschrusse(n) deutschrussische(n)

428

24 0

[L/l]itauendeutsche(n)

Deutschlitauer

~23,7

~ 9,9

~ 2

[R/r]umänien- Deutschrumäne(n) deutsche(n) Deutschrumänische(n) ~132.500

~3.186 ~2.409

[R/r]u[ss/ß]landdeutsche(n)

Deutschrusse(n) deutschrussische(n)

~556.600

~36.000 ~20.450

[L/l]itauendeutsche(n)

Deutschlitauer

43

17,8

-

|| 4 Eine grammatikalische Unwägbarkeit in Bezug auf Kasus und Numerus ist zum Beispiel die Tatsache, dass Rumäniendeutscher adjektivisch flektiert wird, während Deutschrumäne zur Gruppe der schwachen Nomen und Deutschbrasilianer zur Gruppe der starken Nomen gehört. Daneben werden einige Gruppen, zum Beispiel die Deutschamerikaner, hier nicht berücksichtigt, da die Bezeichnung Amerikadeutsche ungewöhnlich klingt. Diese Bezeichnung wird allerdings von Ammon (2015: 274) in der Bindestrichschreibung Amerika-Deutsche verwendet. Eine Zählung ergäbe für [A/a]merikadeutsche(n) 3.356 Treffer bei Google und keinen Treffer im Leipziger Wortschatzportal. Für Deutschamerikaner/deutschamerikanische(n) ergäben sich 358.000 und sechzehn Treffer. Die aus diesen Zahlen folgenden Quotienten von ~0,009 und 2). In den 1970er Jahren wurde diese Tatsache insofern besonders beklagt, als dass das konsekutive Lernen des Deutschen als L3 nach dem Englischen als L2 zu zahlreichen fehlerhaften Übertragungen zu führen schien, die in den Anfängen der Forschungsrichtung Fehleranalyse als Interferenzen identifiziert wurden und vor denen eindringlich gewarnt wurde. Die Empfehlungen damals lauteten daher – im Einklang mit dem damals vorherrschenden behavioristisch geprägten Annahmen darüber, wie man Sprachen lernt – die verschiedenen Fremdsprachen stundenplantechnisch und auch im tatsächlichen Unterrichtsgeschehen, damit auch im Kopf der Lernenden, möglichst sorgfältig und konsequent zu trennen, um der Entstehung und Bildung von Interferenzen keinen Vorschub zu leis-

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ten und ihnen überhaupt keine Chance zu geben. Dass neben den als negativ eingestuften Interferenzen von den Lernenden durchaus auch Parallelen gezogen oder Übertragungen vorgenommen wurden, die zu einem positiven zielsprachigen Ergebnis führten, kam erst in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren in den Blick. Dass sich diese Trennung der verschiedenen Sprachen im Kopf der Lernenden gar nicht erreichen lässt, wurde erst im Laufe der späteren Jahre der Mehrsprachigkeitsforschung deutlich. Dass neben den reinen Sprachprodukten auch Produktionsprozesse, wie die Kenntnis und die gezielte und kompetente Anwendung von (Sprachen)Lernstrategien oder der Einsatz von lernertypengerechten Arbeitsweisen und motivationale Aspekte sowie auch das Ausnutzen rezeptiver Fertigkeiten und Kompetenzen eine relevante Rolle beim L3-Lernen spielen könnten, zeichnete sich erst in den späten 1990er Jahren ab (vgl. Hufeisen 1991), als Tertiärsprachen dann erst in ihrer Spezifik von der Spracherwerbsforschung und auch der Sprachenlehrlernforschung ernst genommen wurden. Aus diesen Erkenntnissen, die aus dem Unterrichtsalltag heraus problematisiert und dann von der Sprachenlehrlernforschung, der Angewandten Linguistik und später der entstehenden Mehrsprachenforschung intensiver untersucht wurden, entstanden verschiedene Konzepte, wie man aus der vermeintlichen Not, dass Deutsch lediglich eine zweite oder weitere Fremdsprache sei, eine Tugend machen könne, um das Deutschlernen attraktiver zu machen und es auch curricular zu halten bzw. ihm einen festen Platz in den gedrängten Curricula zu sichern. Es wurden zunächst didaktisch-methodisch und sprachlich-linguistisch orientierte Konzepte erarbeitet, später auch Konzepte auf curricularer Ebene entwickelt und in einschlägiger Begleitforschung auf ihre Tauglichkeit hin evaluiert. Dabei standen und stehen bei den didaktisch-methodisch und sprachlich-linguistisch orientierten Konzepten grundsätzlich eher Fragen danach im Zentrum, wie man das faktische Miteinander der verschiedenen Erst-, Fremd-, Zweit- und Herkunftssprachen sowohl im Stundenplan als auch im Kopf der Lernenden positiv nutzen könne: Wie lernt man Deutsch im Verbund mit anderen Sprachen? Wie kann man linguistische Parallelen für Synergien im Lernprozess nutzen? Wie kann man mehrere Sprachen gratis bekommen, i.S. der Annahme, dass die Kenntnis einer Fremdsprache den Lernprozess in einer anderen erleichtern könne? Wie kann man gemeinsam geltende Strategien des Sprachenlernens ausnutzen? Wie kann man Gewinn bringend Sprachenlernen und Lernenlernen trainieren? Curricular orientierte Konzepte hingegen versuchen, das Fremdsprachenlernen bildungspolitisch systematisch und dabei meist nicht nur sprachen-, son-

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dern auch fächer- und zuweilen auch jahrgangsübergreifende Aspekte zu berücksichtigen. Sie basieren spracherwerbstheoretisch auf Modellen, die – anders als die früheren Modelle – nicht nur die Ausgangssprache L1 und die Zielsprache L2 berücksichtigen, sondern auch die Zielsprachen L3 bzw. L4 sowie verschiedene mögliche Vorfremdsprachen (vgl. für Verweise auf verschiedene Modelle Hufeisen 2010 und im Druck).

2 Ansätze und Konzepte, die die Stellung des Deutschen als zweiter und weiterer Fremdsprache berücksichtigen: Mehrsprachigkeitskonzepte Die eben angesprochenen Konzepte haben ihrerseits sowohl durch den Einsatz im konkreten Unterricht als auch durch die Begleitforschung stets weitere Entwicklungen in Gang gesetzt, so wie beispielsweise aus der anfangs entwickelten Tertiärsprachendidaktik allmählich die Mehrsprachigkeitsdidaktik entstand. Curriculare Überlegungen zur Einbettung von Fremdsprachen sind weitere und spätere Entwicklungen. Diese werden in den folgenden Teilkapiteln vorgestellt.

2.1 Ansätze auf der Ebene von Didaktik und Methodik bzw. des konkreten Unterrichts Ende der 1990er Jahre, als die Aufmerksamkeit weg von den Interferenzen hin zu möglichen Synergien beim Lernen verschiedener Fremdsprachen gerichtet wurde, entstand aus dem Projekt „Deutsch als zweite Fremdsprache nach Englisch als erste Fremdsprache“ (DaFnE) beim Europäischen Fremdsprachenzentrum in Graz die Idee, Englisch als Bezugspunkt mit in den Deutschunterricht mit einzubeziehen, wo immer es linguistisch oder lernstrategisch sinnvoll sein könnte (vgl. Hufeisen & Neuner 2003). Im Rahmen der Tertiärsprachendidaktik wurde angenommen, dass beispielsweise das Ziehen von Parallelen zwischen dem Englischen als L2 und dem Deutschen als L3 insbesondere aus Sicht von Lernenden mit einer nichtindoeuropäischen Erstsprache hilfreich sein könne (z.B. beim Wortschatz oder bei semantischen Konzepten), auch wenn aus Sicht von Lernenden einer anderen germanischen Sprache wie beispielsweise Schwedisch es oft genug sinnvoller ist, direkt die vorhandenen Parallelen zu Deutsch herauszustellen (z.B. beim Wortschatz oder der Positionierung der Negationspartikel

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nicht/inte in Nebensätzen) und nicht den Umweg über das Englische zu nehmen. Vermehrt wurde und wird auch in DaF-Lehrwerken auf andere Sprachen verwiesen. Lernende werden ermuntert, ihre Strategien, die sie vielleicht in ihren vorgängigen Fremdsprachen entwickelt haben, auch beim Lernen des Deutschen anzuwenden und so mögliche Synergien auszuschöpfen. Die Konzentration auf Englisch als erste (und einzige) Vorfremdsprache bedeutete allerdings auch, dass andere Vorfremdsprachen zunächst nicht weiter mit berücksichtigt wurden. Krumm (z.B. 1999) wies schon früh darauf hin, dass außerdem der starke Verweis auf das vorgängige Englisch möglicherweise dort nicht fruchtbringend sei, wo das Lernen des Englischen als negativ oder belastend empfunden wurde. Außerdem hänge die Integration des Englischen in den fremdsprachlichen Deutschunterricht auch stark davon ab, in welchem Maße sich die Lehrkraft überhaupt als kompetent im Englischen wahrnehme. Aus dieser Kritik heraus entstanden mehrsprachigkeitsdidaktische Ansätze, die zunehmend mehr und weitere Fremdsprachen mit in das Lehrmaterial aufnahmen (z.B. Behr 2005 und 2010; Oomen-Welke 2010a, 2010b, 2010c, 2010d und 2011), sich relativ häufig allerdings auf lexikalische und syntaktische Ebenen konzentrierten. Einschlägige Begleitforschung zu diesen Ansätzen kann grundsätzlich positive Ergebnisse konstatieren (vgl. z.B. Behr 2007 oder Kordt 2015). Die Vorteile dieser didaktisch sowie methodisch unaufwändigen Maßnahmen sind schnell aufgezählt: Sie sind unbürokratisch und niedrigschwellig in den Unterricht zu integrieren. Sie können von Lehrkräften hin und wieder, laufend oder auch ad hoc eingebunden werden, wo immer sie es als sinnvoll erachten. Die Nachteile liegen ebenso klar auf der Hand: Ihr Einsatz ist wegen fehlender Systematik oft nicht nachhaltig und daher lediglich eklektizistisch oder gar zufällig. Außerdem hängen sie stark vom Interesse und der Bereitschaft der Lehrkraft ab, sich auf andere Sprachen als Deutsch im Unterricht einzulassen.

2.2 Sprachlich-linguistisch orientierte Didaktikkonzepte Die stärker sprachlich-linguistisch orientierten Didaktikkonzepte nehmen Sprachenfamilien als Ausgangspunkt: Sowohl im Projekt EuroCom als auch im Projekt Rezeptive Mehrsprachigkeit wird angenommen, dass eine Vorfremdsprache eine gute Brücke auf dem Weg zu einer oder mehreren anderen Sprachen der gleichen Sprachenfamilie darstellen könne. In Skandinavien ist die rezeptive Mehrsprachigkeit seit langem Gang und Gäbe und bedeutet, dass die Menschen der festlandskandinavischen Länder ihre jeweilige Erstsprache im innerskandinavischen Diskurs benutzen und lexikalisch ein wenig an das Gesprächsgegenüber anpassen, während die andere Person in der eigenen Erstsprache, die nicht die

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Erstsprache der anderen sein muss, antwortet (vgl. ten Thije & Zeevaert 2007). Dieses Kommunikationsprinzip funktioniert schon lange und macht in den meisten Diskurssituationen Übersetzungen unnötig. EuroCom ist der Name einer Idee von Klein & Stegmann (2000), nach der man relativ schnell durch das systematische Entdecken und Entschlüsseln bestimmter sprachlicher Merkmale (sprachgeschichtliche, morphologische, phonologische, lexikalische und syntaktische Aspekte) zwischen verwandten Sprachen mit Hilfe einer Brückensprache, die ebenfalls zur gleichen Sprachenfamilie gehört, Lesekompetenzen in mehreren weiteren Sprachen der gleichen Sprachenfamilie erlangen kann. Die zugrunde liegende Annahme galt schon immer für die Sprache Latein, der nachgesagt wurde, dass man sie als geeignete Basis für das Lernen aller weiteren Fremdsprachen nutzen könne. Hier bezog man sich einerseits auf sprachlich-linguistische Aspekte wie gemeinsame Wortstämme, Etymologien; andererseits darauf, dass man metalinguistische Kenntnisse wie das Wissen um Deklinationen oder Wortbildungsmuster verstanden hätte und auf die Entschlüsselung von Strukturen und Systematiken übertragen könne. Zu den drei Sprachenfamilien EuroComRom (romanische Sprachen, vgl. Klein & Stegmann 2000), EuroComGerm (germanische Sprachen, vgl. Hufeisen & Marx 2014) und slavische Interkomprehension (vgl. Tafel 2009) sind ausgearbeitete Programme zur Durchführung vorgelegt worden. Einer der Vorteile dieser Konzepte ist die völlig ungewohnte Herangehensweise, die von Lernenden allgemein, aber insbesondere auch von SchülerInnen als spannend erachtet wird. Die methodische Herangehensweise des intelligenten Ratens wird von SchülerInnen geschätzt (vgl. Kordt 2015), insbesondere was die Anfangszeit einer neuen Fremdsprache oder das Arbeiten in Projektwochen anbetrifft. Inwiefern sich dieses Konzept für den dauerhaften Fremdsprachenunterricht eignet und wie die starke Betonung rezeptiver Fertigkeiten ausgewogener gestaltet werden kann oder wie gut dieses Konzept für Erwachsene, beispielsweise an der Universität, einsetzbar ist, ist erst wenig erforscht worden (vgl. z.B. Behrend 2016). Diese beiden Punkte müssen eher als Nachteile verbucht werden. Genau wie bei den didaktisch-methodisch orientierten Konzepten hängen sowohl EuroCom einerseits und rezeptive Mehrsprachigkeit andererseits von der Initiierung und dem Einsatzinteresse der Lehrkraft ab.

2.3 Konzepte auf der Ebene von Curriculum und Rahmenplan Konzepte auf der Ebene von Curriculum und Rahmenplan beziehen sich nicht auf den konkreten Unterrichtsalltag, sondern resultieren aus Entscheidungen bil-

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dungspolitischer Natur und tragen unmittelbar zur Schulentwicklung bei. Leitende Grundgedanken sind bei diesen Konzepten, alle vorhandenen Sprachen an einer Institution (d.h. Erst- und Verkehrssprachen, Zweitsprachen, Herkunftssprachen, Fremdsprachen, aber auch die s.g. klassischen Sprachen) nicht nur – wie bisher – systematisch in einem Rahmenplan zu platzieren und zu verankern, sondern intensiv planerisch, organisatorisch und unterrichtspraktisch miteinander und im Rahmen eines vorzustellenden Konzeptes zugleich auch mit den Nichtsprachenfächern zu vernetzen. Wode hat sich mit seinem integrierten Ansatz besonders mit den Übergängen zwischen den Ausbildungsstufen und vor allem der Schulfolge beschäftigt und Vorschläge unterbreitet, wie das Sprachenlernen kontinuierlich und aufeinander aufbauend erfolgen kann und nicht bei jedem Übergang wieder fast von vorne angefangen wird, wie es offenbar hin und wieder in der bundesdeutschen Grundschule mit KiTa-Kindern, die bereits Englisch gelernt haben, oder mit Fünftklässlern, die bereits in der Grundschule Englisch gelernt haben, passiert (vgl. z.B. Wode et al. 1999 und Wode 2002). Krumm (2005) forderte, von der additiven zur curricularen Mehrsprachigkeit überzugehen und legte mit Reich (Reich & Krumm 2013) ein für Österreich gültiges Mehrsprachencurriculum vor, in dem die in Österreich vorhandenen Sprachen nicht nur einen offiziellen Platz an den verschiedenen Schulstufen und -typen erhalten, sondern auch systematisch miteinander vernetzt sind. Dieses Mehrsprachencurriculum kann auf andere Länder und Sprachensituationen mit entsprechenden Adaptionen übertragen werden. Das prototypische Gesamtsprachencurriculum, wie Hufeisen es seit 2005 konzipiert und seitdem kontinuierlich präzisiert und weiterentwickelt hat (vgl. Hufeisen 2005, 2006, 2008, 2010, 2011a und b sowie 2015), und wie es erforscht wird (vgl. z.B. die Beiträge in Allgäuer-Hackl et al. 2015), wird in Teilkapitel 3 ausführlicher dargestellt. Auch dieses Konzept vernetzt die Sprachen einer gegebenen Situation curricular miteinander und sichert feste Plätze für das Lernen von mindestens zwei (Fremd)Sprachen. Aber es geht noch einen Schritt weiter, um die meist geforderten Lehrplanstunden in einem Curriculum auch zu erwirtschaften (vgl. zu den Begrenzungen z.B. Hélot & Ó Laoire 2011). Dies geschieht durch eine systematische Weiterentwicklung der Prinzipien des sprachensensiblen Unterrichtens für alle Fächer, des sach- und fachintegrierten Lehrens und Lernens bzw. des fächersensiblen Sprachenunterrichts. Es erfordert eine ausgeprägte Sensibilität in Bezug auf Sprache und durchaus hohe sprachliche Kompetenzen (zumindest Bereitschaft, sich mit sprachlichen Fragen auseinanderzusetzen) auch bei Nichtsprachenlehrkräften mit dem Argument, dass jedes Nichtsprachenfach ebenfalls sprachlich gefasst ist

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und daher nur erfolgreich sein kann, wenn die Sprachlichkeit auch dieses Unterrichtsfaches klar, bewusst und bekannt ist, und zwar sowohl auf Seiten der Lehrenden als auch auf Seiten der Lernenden. Die Vorteile von Konzepten auf der curricularen Ebene liegen klar auf der Hand: Sie sind nachhaltig, weil sie auf politischen Entscheidungen auf Bildungsebene beruhen; es werden alle Akteure mit einbezogen, und sie sind lern- und spracherwerbstheoretisch kohärent. Mit ihnen kann sichergestellt werden, dass alle (Fremd)Sprachen mit einbezogen und als gleichwertig eingestuft werden, also auch Herkunftssprachen oder die so genannten klassischen Fremdsprachen, wie z.B. Latein und Griechisch, als auch die jeweiligen Umgebungssprachen. Die Nachteile allerdings liegen ebenso klar auf der Hand: Alle Konzepte sind in ihrer langfristigen und strukturverändernden Systematik aufwändig und gehen mit einem echten Schulorganisationsumbau einher, der je nach Bildungssystem keineswegs von Seiten der jeweiligen Schule in Gang gesetzt werden kann, sondern eben von höheren Bildungsverwaltungen genehmigt werden muss. Außerdem müssten alle Konzepte, wenn sie konsequent weitergedacht werden, deutliche Folgen auch in der Lehramtsausbildung haben, und zwar für Lehramtsstudierende aller Fächer, nach dem Vorbild oder als Nachfolgeeinheit von Deutsch als Zweitsprache, was in verschiedenen Lehramtsstudiengängen in deutschsprachigen Ländern eine obligatorische Lehrveranstaltung für alle Lehramtsstudierenden ist.

3 Beispiel Gesamtsprachencurriculum und seine forschungstheoretische Einbettung In diesem Teil des Beitrages wird ein prototypisches Gesamtsprachencurriculum dargestellt und erläutert sowie in Bezug auf die Fremdsprache Deutsch debattiert. Es nimmt, wie die vorhergehenden beiden Teilkapitel, exemplarisch eine eher europäische Perspektive ein. Erste Anwendungs- und Forschungsprojekte, ein solches Gesamtsprachencurriculum auch in Japan einzusetzen, sind angelaufen (persönliche Information von Chr. Merkelbach). Abbildung 1 liest sich von links nach rechts und verfolgt auf dieser Achse den chronologischen Verlauf eines individuellen Sprachenlernlebens von der KiTa bis zum Schulabschluss in der Darstellung nach Lernjahren. Von unten nach oben ist entlang dieser Lernjahre die mögliche Stundentafel bzw. das Curriculum

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dargestellt, wann welche Sprache begonnen, intensiviert, mit welchen Nichtsprachenfächern kombiniert und auch wieder als eigener Fremdsprachenunterricht beendet wird.

Abb. 1: Prototypisches bzw. generisches Gesamtsprachencurriculum

Die Grundprinzipien des prototypischen Gesamtsprachencurriculums lassen sich wie folgt zusammenfassen: Es werden grundsätzlich zwei Fremdsprachen obligatorisch vorgesehen, eingeplant sind weitere Fremdsprachen. Deutsch würde hier die Position der ersten oder zweiten obligatorischen Fremdsprache einnehmen. Die dafür meist fehlenden, weil nicht vorgesehenen, Stunden in der Stundentafel werden erwirtschaftet, indem die Sprachen nicht mehr jahrelang durchgehend unterrichtet und gelernt werden, sondern nach kurzer Lernzeit über wenige Jahre in bilingualen Sachfachunterricht überführt werden. Nach weiteren wenigen Jahren wird der Fremdsprachenunterricht in der betreffenden Sprache beendet, weil diese Sprache in mehreren Sachfächern eingeführt ist und fortgeführt wird.

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Herkunftssprachenunterricht wird dauerhaft erteilt, um den LernerInnen mit Migrationsgeschichte eine solide sprachliche Basis auch für ihre zweite kulturelle Einbettung zu bieten (vgl. Hufeisen & Neuner 2006). Der Umgebungssprachenunterricht als Zweitsprachenunterricht wird ebenfalls nach einer Art Paternosterprinzip durchgängig angeboten, so dass neu hinzukommende Lernende jederzeit einsteigen und nach genügender Lernzeit wieder aussteigen können, wenn sie in der Umgebungssprache so sprachhandlungskompetent sind, dass sie in ihren Bezugsklassen mitarbeiten können. Die Möglichkeit, weiter die Umgebungssprache als Zweitsprache zu vervollkommnen, ist dauerhaft gegeben. Der Unterricht erfolgt jahrgangs- und fächerübergreifend in großen thematischen Projekten, in denen auch Kulturstudien ihren Platz haben, um Inhalte wie Arbeit mit und an Literatur aus dem ehemaligen Fremdsprachenunterricht aufzunehmen (vgl. Hufeisen 2011b). Gesamtsprachencurriculare Projekte samt ihrer Begleitforschung werden in Allgäuer-Hackl et al. (2015) vorgestellt und diskutiert. Mit einem Gesamtsprachencurriculum, welches zuverlässig zwei Fremdsprachen vorsieht und im Unterrichtsalltag auch umsetzt, könnte ein systematischer Platz für die Fremdsprache Deutsch geschaffen werden. Die überregionale bzw. internationale Verständigungssprache, unerheblich ob dies Englisch oder eine andere Sprache ist, würde ebenso zuverlässig angeboten werden können, so dass auch die Gruppe der in der Regel sehr besorgten Eltern sicher sein könnte, dass ihr Kind diese vermeintlich lebensnotwendige Sprache ebenfalls lernt. Ob diese dann als erste oder zweite Fremdsprache angeboten werden sollte oder muss, braucht an dieser Stelle nicht weiter diskutiert zu werden. Durch die systematische Vernetzung der Fremdsprache Deutsch nicht nur mit den anderen Sprachenfächern, sondern auch mit Sachfächern, nämlich auf dem Wege des bilingualen Sachfachunterrichts, oft auch CLILiG (Content and languages integrated learning in German) genannt, wäre Deutsch noch stärker an einer Schule verankert und die Anwendungsgebiete der Sprache noch stärker verbreitert und intensiver veranschaulicht.

4 Mehrsprachigkeitskonzepte an der Universität Auf die universitäre Ausbildung ließen sich solche gesamtsprachencurricularen Ideen durchaus übertragen, indem mehr Universitäten ermuntert werden, ihre Studiengänge nicht ausschließlich auf die Sprache Englisch umzustellen, sondern eben auch auf die Sprache Deutsch. Funktionierendes Beispiel sind die

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deutschsprachigen Studiengänge in der Fakultät für Maschinenbau an der Technischen Universität Bukarest in Rumänien (http://www.upb.ro/en/the-facultyof-engineering-in-foreign-languages.html). Dieser Vorschlag bezieht sich auch auf bilaterale Studiengänge zwischen deutschsprachigen Ländern und Partnerländern bzw. -universitäten, die bisweilen nicht nur im Übergang, d.h. in den ersten Semestern auf die vermeintliche gemeinsame Kommunikationssprache Englisch ausweichen, sondern allzu oft das gesamte Studium auf Englisch organisieren. Hier wird wertvolles Potenzial zum Kombinieren eines einschlägigen Studienfachs mit der Sprache Deutsch, für das sich viele gute Argumente finden lassen, verschenkt. Von Seiten der Universitäten sind mehr Mut und mehr Kreativität gefragt, vor allem mehr Vertrauen in die Attraktivität von Studiengängen in anderen Sprachen als Englisch. Sprachenübergreifendes Lernen von Sprachen ist an universitären Einrichtungen wie Sprachlernzentren mittlerweile oft schon möglich. Projekte wie EuroCom sind auf das universitäre Sprachenlernen übertragen, per Begleitforschung evaluiert worden (vgl. z.B. Behrend 2016 für EuroComGerm) und erfreuen sich überraschend großer Beliebtheit.

5 Ausblick: Förderung von DaF im Rahmen von GSC Alle vorgestellten Ansätze und Konzepte fördern selbstverständlich nicht nur die Stellung der Fremdsprache Deutsch, sondern aller zweiter und weiterer Fremdsprachen, und das auf den beschriebenen unterschiedlichen Ebenen: Didaktisch-methodische Aspekte können unaufwändig und ohne große Genehmigungsprozesse in das Tagesgeschäft integriert werden. Ihr Einsatz ist allerdings stark an die prinzipielle Haltung der Lehrkraft geknüpft. (Kontrastiv-)linguistisch basierte Verfahren müssen nach den ersten Jahren des erfolgreichen Einsatzes um Überlegungen zur Verwertbarkeit zwischen nichtverwandten Sprachen erweitert werden. Diese Konzepte wären besonders wichtig außerhalb Europas. Auch curriculare Konzepte für die Schulentwicklung sind nicht nur für die Stellung der Fremdsprache Deutsch gut, sondern für den Stellenwert von Sprachen insgesamt, wovon Deutsch dann aber auch mittelbar profitiert: Die Sicherung von Plätzen/Stellen im Curriculum für zweite und weitere Fremdsprachen ist möglicherweise die derzeit aussichtsreichste Möglichkeit, die Existenz von Deutsch als gelernte Fremdsprache in einem Land überhaupt zu garantieren,

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weil Deutsch in absehbarer Zeit Englisch den Rang als erster Fremdsprache keinesfalls ablaufen wird. Selbst wenn Englisch einmal an Attraktivität verlieren wird, werden andere Sprachen als Deutsch an seine Stelle treten. In Ländern, in denen zweite und weitere Fremdsprachen mehr oder minder bereits abgeschafft wurden oder ein Schattendasein führen, dass sie kaum noch gewählt und nur unter curricularem Zwang gelernt werden (vgl. das oben genannte Beispiel Finnlands), kann ein Gesamtsprachencurriculum die Existenzsicherung darstellen. Hier ist die Relevanz von Deutsch in Kombination mit Sachfächern (CLILiG) besonders hoch, um das Interesse an Deutsch (wieder) zu stärken.

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Hans-Jürgen Krumm

Förderung des Deutschunterrichts durch Verbesserung der Ausbildung von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern Man teilt die Sprachen bekanntlich in lebende und tote. Diejenigen, welche alle Sprachen so lehren, als ob sie tot wären, nennt man Philologen. Die anderen, welche die lebendigen Sprachen und die Sprache lebendig lehren, heißen nur Sprachlehrer. Sie werden von den Philologen verachtet, obwohl sich unter diesen die entsetzlichsten Menschen der Welt befinden, während unter den Sprachlehrern viele gut und gescheit sind. Dies kommt daher, dass sie fast alle früher etwas anderes waren, nämlich wirkliche Menschen, und nur im Laufe ihres Lebens zufällig Sprachlehrer geworden sind. Es sind solche unter ihnen, die vom Leben noch sehr viel erwarten, und solche, die schon zu viel erlebt haben; verjagte Prinzen, abgedankte Offiziere, verkannte Dichter, enttäuschte Schauspieler, junge Mädchen, die zu viele Geschwister haben, Studenten, Erfinder, Verbannte. Alle haben sie in ihren Sprachen gedacht, gewünscht und geträumt, Antworten gegeben und empfangen, den unendlichen Inhalt nichtiger Worte empfunden, die schneidende und berauschende Kraft der Rede gespürt, lange bevor das Schicksal sie dahin führte, zu fragen: „Wo hast du das Taschenmesser deiner Großtante gelassen?“ und darauf zu erwidern: „Der gute Admiral sitzt im Garten und weint.“ Hugo von Hofmannsthal, Französische Redensarten (1897)

1 Die Bedeutung der Lehrenden für die Motivation zum Deutschlernen In Veröffentlichungen zur „Motivation für die Wahl von DaF“ (vgl. Ammon 1991, Kap. 12.7 und Ammon 2015, Kap. 8) gehört die Lehrperson in der Regel nicht zu den die Sprachwahl entscheidend begründenden Faktoren – dennoch taucht die Lehrerin oder der Lehrer nicht nur in literarischen und biographischen Texten wie in dem Eingangszitat von Hugo von Hofmannsthal immer wieder als entscheidender Beweggrund dafür auf, sich für (oder auch gegen) das Deutschlernen zu entscheiden. Auch die jüngere Lehr-Lernforschung belegt dies. Hattie hebt in seiner Metastudie zu erfolgreichem Unterricht die Lehrkraft als den wichtigsten institutionellen Faktor hervor. Er charakterisiert den besonderen Einfluss der Lehrperson mit dem Schlagwort „Teachers make a difference“ – es sind die

|| Hans-Jürgen Krumm, Universität Wien, Österreich, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-021

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Lehrpersonen, die zu ca. 30% den Lernerfolg beeinflussen (vgl. Hattie 2009). Und die unter dem Titel „Teachers matter“ publizierte Überblicksstudie der OECD, der 26 Länderstudien zu Grunde liegen, hält fest: „Quality teaching is vital for improving student learning“ (OECD 2005: 2; vgl. auch Höhle 2014). Eine Google-Suche unter dem Stichwort „teachers matter“ ergab 2.110.000 Treffer (24.11.2017). Es ist aber nicht das Fachwissen der Lehrperson, welches diesen positiven Effekt ausmacht; weder eine bestimmte Unterrichtsmethode, noch die Frage, ob er oder sie viel oder wenig digitale Medien einsetzt und wie groß die Klasse ist usw. Wenn bei Hattie vom Einfluss der Lehrperson auf Lernmotivation und Lernerfolg die Rede ist, so wird dies vor allem mit der Einstellung begründet, mit der eine Lehrkraft an das Unterrichten herangeht, mit den Haltungen, die er oder sie den Lernenden gegenüber einnimmt. „It is the teachers who are open to experience, learn from errors, seek and learn from feedback from students and who foster effort, clarity and engagement in learning“ (Hattie 2009: 35). Erfolgreich sind diejenigen Lehrenden, die für neue Erfahrungen offen sind, aus Fehlern lernen, denen Rückmeldungen ihrer Schüler wichtig sind und die auch daraus lernen, und die es unterstützen, wenn jemand sich beim Lernen anstrengt und engagiert und die für Transparenz sorgen. (Übers. d. Verf.). Die Bedeutung der Reflexionskompetenz der Lehrkraft für einen Unterricht, der die Bedürfnisse der Lernenden zum Ausgangspunkt nimmt und Unterricht immer wieder an diese Bedürfnisse adaptiert, wird auch in einigen Arbeiten zum Deutsch als Fremdsprache-Unterricht hervorgehoben (vgl. u.a. Chan 2000: 282– 283; Duxa 2001; Warneke 2007). Für Duxa (2001: 66–69) gehört die Reflexionskompetenz zum Kern einer Entwicklung des „professionellen Selbst“ der Lehrperson. Die LehrerInnenforschung stimmt weitgehend darin überein, dass Professionalität und ein professionelles Selbstkonzept von Lehrenden eine zentrale Voraussetzung für Lehrkompetenz und damit für Lernmotivation und Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler sind. Riemer hält in ihrer Bilanzierung der Forschungsergebnisse zu den affektiven Faktoren der Lernmotivation fest, dass „in den Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts und insbesondere begründet in der Person des Lehrenden“ Ursachen für fehlende oder auch starke Lernmotivation liegen können (Riemer 2016: 269). Bedingungen für erfolgreiches Lernen zu schaffen, gehört zu den besonders anspruchsvollen Aufgaben der Lehrpersonen: „Für jede Lernergruppe sind – jeweils neu – Lernervoraussetzungen, Motive und Variablen der Willensbildungsprozesse zu beobachten und z.B. auf der Basis gemeinsamer Unterrichtsreflexionen zu diagnostizieren.“ (Riemer 2010: 1154). Auch in den Begründungen, die Deutschlernende selbst in Befragungen äußern, weshalb sie sich für das Deutschlernen entschieden bzw. den Deutschunterricht trotz der entsprechenden Möglichkeiten nicht abgewählt haben, spiegelt

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sich die bedeutsame Rolle der Lehrperson wider, wie die folgenden Äußerungen aus den Einsendungen zum Wettbewerb des Internationalen Verbandes der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer aus dem Jahr 2013 illustrieren: Ich lerne gern Deutsch, weil die Lehrerin sehr kompetent ist und den Unterricht so interessant macht. (ÖDaF 2017: 99) Ich begann Deutsch zu lernen, als ich mit sieben eingeschult wurde. Dank meiner Deutschlehrerin wurde es sofort zu meinem Lieblingsfach (Lernende aus der Ukraine; ÖDaF 2017: 99)

In der Regel gelten fachliche und didaktische Kompetenz ebenso wie die Begeisterungsfähigkeit für das Fach zu den Merkmalen von Lehrpersonen, die dann ihrerseits Lernende begeistern und Eltern in der Sprachenwahl ihrer Kinder bestärken. Unterrichtsqualität in diesem Sinne gehört durchaus zu den Faktoren, die Lernende in ihrer Sprachwahl beeinflussen. Es nimmt daher nicht wunder, dass insbesondere die Mittlerorganisationen vielfältige Projekte entwickeln, um die Qualität von Lehrkräften zu fördern und mit der Lehrqualität als Argument auf dem Sprachenmarkt Erfolg zu haben. Das gilt vor allem dort, wo Deutsch zurückgeht oder wo der Deutschunterricht in Konkurrenz zu anderen Sprachangeboten steht (vgl. Ammon 2015: 1060–1124).

2 Sprach- und länderübergreifende Initiativen zur Verbesserung der Qualifikation von Fremdsprachlehrerinnen und Fremdsprachlehrern Angesichts der Bedeutung, die die Lehrenden sowohl für den Status ihres Unterrichtsfaches in der Öffentlichkeit und die Nachfrage nach Sprachunterricht als auch für den Lernerfolg haben, ist es erstaunlich, dass die Ausbildung von Lehrkräften für den Fremdsprachenunterricht nach wie vor sehr oft den Anforderungen an die Entwicklung einer professionellen Berufskompetenz nicht entspricht. In der traditionellen Lehrerbildung der Hochschulen standen und stehen teilweise noch immer die Sach- und Fachkompetenzen im Zentrum, und zwar vor allem im Bereich des Wissens. Sie vermitteln gar nicht oder vielfach nur unzureichend die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die man braucht, um Unterricht zu erteilen. Zwar hat die Bologna-Reform, d.h. die Umstellung der Studien auf ein

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Bachelor/Master-Studiensystem, zur Modernisierung und zu einer stärkeren Berufsorientierung vieler germanistischer Studiengänge in Europa beigetragen und weltweit Impulse für Curriculumreformen geliefert – die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern für Deutsch als Fremdsprache ist aber vielfach immer noch zu stark durch Praxisferne, einseitige philologische Ausrichtung und mangelnde Entwicklung pädagogischer, methodischer und interkultureller Fähigkeiten charakterisiert. „Die Deutschlehrerausbildung in Korea ist an vielen Universitäten fachdidaktisch betrachtet oberflächlich und mangelhaft” (Hyung-Uk 2017: 221) – was Shin Hyung-Uk hier für Südkorea formuliert, gilt immer noch für viele Studiengänge weltweit. Es sei an dieser Stelle auch im Hinblick auf modellhafte Entwicklungen auf die „Länderberichte” im Handbuch Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (Krumm et al. 2010, Kap. XIX) sowie auf die Beiträge zur hochschulbezogenen Curriculumentwicklung in Bd. 41 des Jahrbuchs Deutsch als Fremdsprache (Schramm & Seyfarth 2017) verwiesen (vgl. auch Krumm & Riemer 2010). Für einen attraktiven Fremdsprachenunterricht aber werden gut ausgebildete Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer gebraucht. So hat der Europäische Rat bereits 2002 die Lehrerbildung zum Kernpunkt der europäischen Bildungspolitik erklärt und aufgefordert, „die Fähigkeiten (zu) ermitteln, die Lehrkräfte und Ausbilder angesichts ihrer sich verändernden Rolle in der Wissensgesellschaft besitzen sollen“ (Europäische Kommission 2002: 14) – dieser Appell findet sich seitdem in nahezu allen europäischen Bildungsprogrammen. Als Konsequenz aus der Unzufriedenheit mit der traditionell eher philologisch ausgerichteten Lehrerbildung an den Hochschulen haben europäische Institutionen zunächst außerhalb der Universitäten Projekte zur Entwicklung von Lehrkompetenz gestartet. Zwei dieser sprachenübergreifenden europäischen Projekte, die inzwischen auch im Fach Deutsch als Fremdsprache verankert wurden und in DaF-Lehrerausbildungskonzepte integriert werden, seien hier als besonders wirksame Beispiele angeführt: 1. Das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung, das 2007 am Europäischen Fremdsprachenzentrum (in Graz) entwickelt wurde (Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung – EPOSA 2007) 2. Das Europäische Profilraster für Sprachlehrende, das 2013 von einem EU-finanzierten internationalen Konsortium entwickelt wurde – das Goethe-Institut war und ist für Deutsch daran beteiligt – es zielt vor allem auf die Lehrerfort- und Weiterbildung (Europäisches Profilraster für Sprachlehrende – EPR 2013). In beiden Instrumenten geht es nicht um die linguistischen und literaturwissenschaftlichen Fachkompetenzen, sondern um die spezifischen pädagogischen

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Lehrkompetenzen. Diese werden in beiden Instrumenten, wie das bei Kompetenzbeschreibungen seit dem Europäischen Referenzrahmen üblich ist, in Form von „ich kann“-Beschreibungen formuliert. Lehrkompetenzen sind also keine Stoffkataloge, die Auskunft geben, was im Studium vermittelt wird oder was jemand in einer Prüfung als Wissen nachweisen muss. Es geht darum, welche Fähigkeiten man für konkrete pädagogische Situationen erwirbt und dann im Unterricht anwenden kann, z.B. − Ich kann Aktivitäten planen, in denen Grammatik und Vokabular mit Kommunikation verknüpft sind. (EPOSA 37/5) − Ich kann mit Fehlern, die in der Klasse auftreten, so umgehen, dass Lernprozesse und Kommunikation unterstützt werden. (EPOSA 59/3). Durch solche Lehrkompetenzbeschreibungen soll das Nachdenken über den eigenen Unterricht, soll reflexives Lehren unterstützt werden. 2014 hat die deutsche Kultusministerkonferenz – in gewisser Weise als Reflex auf diese internationalen Entwicklungen – Standards für die Lehrerbildung in Deutschland beschlossen, gleichfalls einen Katalog von Lehrkompetenzen; zum Berufsbild von Lehrerinnen und Lehrern heißt es dort einleitend: Lehrerinnen und Lehrer sind Fachleute für das Lehren und Lernen. Ihre Kernaufgabe ist die gezielte und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltete Planung, Organisation und Reflexion von Lehr- und Lernprozessen sowie ihre individuelle Bewertung und systemische Evaluation. (http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16Standards-Lehrerbildung.pdf, S. 3).

Wie verbreitet die genannten Instrumente im Bereich des Deutschen als Fremdsprache zur Aus- und Fortbildung genutzt werden, lässt sich nicht feststellen. Hinweise bei einer Web-Recherche und die Präsenz auf einschlägigen Plattformen für Deutsch als Fremdsprache (vgl. z.B. http://daf.zum.de/wiki/Europäischen_Profilraster_für_Sprachlehrende_(EPR)) lassen jedoch vermuten, dass sie zunehmend Verbreitung finden, um die fachdidaktischen Defizite der traditionellen Lehrerausbildung an den Hochschulen zumindest teilweise zu beheben. Insbesondere das Goethe-Institut beteiligt sich an der Dissemination und Implementation des Europäischen Profilrasters für Sprachlehrende (vgl. https://www. goethe.de/de/spr/unt/kum/eps.html) und trägt zu seiner Aufnahme in die Curriculumentwicklung für die Lehrerbildung über Europa hinaus bei.

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3 Spezifische Maßnahmen und Projekte zur Verbesserung der Qualifikation von Deutsch als Fremdsprache–Lehrkräften In einem weiten Verständnis tragen deutsche und österreichische Institutionen vielfältig zur Verbesserung der Lehrkompetenz von Lehrkräften in nichtdeutschsprachigen Ländern und zur Erhöhung der Attraktivität des Deutschlernens bei. a) Auslandspraktika und Auslandslektorate, d.h. die Einbindung von Muttersprachen-Sprecherinnen und Sprechern stellen ein seit langem etabliertes Instrumentarium dar, da die Mitwirkung von native speakers am Studienprogramm vor allem von der Öffentlichkeit als ein Qualitätskriterium gewertet wird. b) Mit der Partnerschulinitiative (vgl. Baumgart & Wicke 2009) hat die Bundesrepublik Deutschland ein internationales Schulnetzwerk geschaffen, das zurzeit ca. 1.800 Schulen umfasst. Durch die Verbesserung der Ausstattung von Schulen, durch die Unterstützung der Schulentwicklung wie z.B. die Einführung von Ganztagesangeboten und die Einrichtung von sog. Ressourcenzentren sowie eine kontinuierliche Begleitung der Qualitätsentwicklung trägt dieses Projekt auch zu einer nachhaltigen Qualifizierung der Lehrkräfte bei. Spezifische Angebote zur Weiterqualifizierung sind ein besonderer Schwerpunkt dieses Programms. c) Angesichts der Tatsache, dass weltweit zahlreiche Personen Deutsch unterrichten, die über keine oder nur über eine ungenügende Ausbildung verfügen, hat das Goethe-Institut früh begonnen, spezifische Fortbildungsangebote für nichtdeutschsprachige Lehrkräfte zu entwickeln (vgl. https:// www.goethe.de/de/spr/unt/for/wwt.html). In einigen Ländern wurden in Zusammenarbeit mit Ministerien oder Hochschulen spezielle Studiengänge entwickelt, in denen das Goethe-Institut in der Regel die Praxiskomponenten (z.B. Hospitationen) trägt, so z.B. im Libanon, in der Ukraine und in Venezuela. Insbesondere für die Lehrkräfte, die an den Goethe-Instituten selbst als sog. Ortskräfte Deutsch unterrichten, bietet das Goethe-Institut in zahlreichen Ländern systematische Kurse für Lehrkräfte mit und ohne Vorqualifikation an. Es handelt sich dabei um ein- oder zweijährige standardisierte, berufsbegleitende Ausbildungskurse, die mit dem sog. „grünen Diplom“ zertifiziert werden, einem „Ausbildungsnachweis“, der an allen Goethe-Instituten in nichtdeutschsprachigen Ländern bei einer Bewerbung als Lehrkraft anerkannt wird (vgl. https://www.goethe.de/ins/bg/de/spr/unt/for/gia/ grd.html). Von den 89 Ländern, in denen das Goethe-Institut vertreten ist,

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bietet das Goethe-Institut (auf der Basis einer Internet-Recherche) in 17 Ländern die Ausbildungsmöglichkeit des ‚Grünen Diploms’ an. d) Neben speziellen Einzelkursen wurde seit ca. 1986 vom Goethe-Institut ein umfangreiches Fernstudienprogramm entwickelt, das in der Form von Studienbriefen und begleitenden Seminaren weltweit eingesetzt wurde; an der Universität Kassel sowie an einigen ausländischen Hochschulen wie z.B. dem University College in Dublin/Irland und der Linguistischen Universität Moskau/Sowjetunion oder der Eötvos Lorand Universität in Budapest/Ungarn wurden die Fernstudieneinheiten in die dortige Aus- bzw. Weiterbildung von Lehrkräften für Deutsch als Fremdsprache integriert (vgl. Lehners & Neuner 1998). − Mit dem Programm „Deutsch Lehren Lernen“ (DLL) hat das GoetheInstitut seit ca. 2010 ein Nachfolgeprojekt entwickelt (https://www.goethe.de/de/spr/unt/for/dll.html). Die DLL-Einheiten erscheinen in gedruckter Form, begleitet von Unterrichtsmitschnitten auf DVD für die individuelle oder schulinterne Fortbildung. Auf einer Online-Plattform ist eine tutorierte individuelle Nutzung möglich; in 41 Ländern bieten Goethe-Institute Fortbildungskurse auf der Basis von DLL an, ebenso gibt es die ortsunabhängige Möglichkeit zu tutorierten Online-Kursen. Das DLL-Online-Angebot ist in der Regel auch Bestandteil der Kurse zum ‚Grünen Diplom’ (vgl. Abschnitt 3c). − An der Hankuk Universitiy of Foreign Studies in Südkorea z.B. wurde das DLL-Basisprogramm in das Studium integriert und erlaubt in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und der Friedrich-Schiller Universität in Jena eine praxisbezogene, in Deutschland und in Korea zertifizierte Ausbildung (vgl. Hyung-Uk 2017: 223–226). e) Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) trägt vielfältig zur Förderung der Lehrqualifikation für Deutsch als Fremdsprache bei: durch Stipendien, durch Hochschulpartnerschaften wie z.B. das Programm der Internationalen Studien- und Ausbildungspartnerschaften (ISAP) sowie durch die Förderung der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG) und deren Tagungen, bei denen die Aus- und Fortbildung von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern immer auch ein zentrales Thema ist. − In seinen Leitlinien zur Deutschförderung (DAAD 2014) hebt der DAAD die Förderung der akademischen Ausbildung von Deutschlehrern als prioritär hervor: Die Entsendung von Lektorinnen und Lektoren an germanistische Institute wie auch die Förderung germanistischer Institutspartnerschaften werden als wirksame Instrumente gesehen. Im Rahmen eines eigenen Förderprogramms Dhoch3 (https://www.daad.de/der-

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daad/unsere-aufgaben/deutsche-sprache/foerderprogramme/de/54105-das-projekt-dhoch-daf-studienmodule/) werden Deutsch als Fremdsprache-Studienmodule entwickelt, die ab 2018 über eine Online-Plattform von den beteiligten Hochschulen in ihre Studiengänge integriert oder auch als Zusatzangebote genutzt werden können.

4 Ein Beispiel: Indien Eine Auswertung von Berichten über die Ausbildung von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern (vgl. Kap. XIX in Krumm et. al. 2010; Ammon 2015 sowie Schramm & Seyfarth 2017) zeigt einerseits, dass der Bedarf zu einer Verbesserung der bestehenden Ausbildungsmöglichkeiten insbesondere von den deutschen Mittlerorganisationen, aber auch in vielen Hochschulen und Fachdiskussionen erkannt wurde und sich in vielen Ländern Änderungen abzeichnen, andererseits aber ein zufriedenstellendes Ausbildungsangebot noch keineswegs überall besteht. Das liegt zum einen daran, dass die Rolle der Germanistik zwischen Wissenschaft und Ausbildungsanforderungen vielfach umstritten ist, dass die Forschung zu Lehrkompetenzen und Lehrerausbildung sich erst seit wenigen Jahren entwickelt und didaktische Fragestellungen vielfach noch als ‚unwissenschaftlich’ betrachtet werden; auch ist unklar, wie sich die notwendige Polyvalenz eines germanistischen Studienangebotes, um den Absolventinnen und Absolventen berufliche Perspektiven offen zu halten, mit der für eine professionelle Ausbildung von Lehrkräften erforderlichen Berufsorientierung curricular stringent verbinden lassen; es liegt aber ebenso daran, dass qualifiziertes Personal und die personelle und finanzielle Ausstattung der Hochschulen für grundlegende Curriculumreformen in den philologischen Fächern vielfach unzureichend sind und gesellschaftliche Rahmenbedingungen solche Reformen vielfach auch erschweren. Die Entwicklung in Indien steht exemplarisch für die Schwierigkeiten, denen sich die Entwicklung einer solchen professionellen Deutschlehrerausbildung gegenüber sieht. In Indien gibt es seit dem Jahr 2000 eine steigende Nachfrage nach Deutsch – die Lernerzahlen haben sich von ca. 13.000 im Jahre 2000 auf ca. 20.000 im Jahr 2010 erhöht; 2014 wurden bereits mehr als 60.000 Deutschlernende gezählt. Das Goethe-Institut fördert diese Entwicklung seit 2008 im Rahmen des von der deutschen Bundesregierung geförderten weltweiten Programms „Schulen: Partner der Zukunft (PASCH)“ und seit 2011 mit einem indienspezifischen Projekt

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„Deutsch an 1.000 Schulen“1. Gründe für die starke Nachfrage sind vor allem der gute Ruf Deutschlands (hohe Qualität), verbunden mit dem Wunsch nach einem Studium in Deutschland, die Anwesenheit zahlreicher deutscher Firmen in Indien, aber auch der gute Ruf des Deutschunterrichts. Die Steigerung des Deutschunterrichts an Schulen bewirkte allerdings einen zunehmenden Mangel an ausgebildeten Lehrkräften. 2007 wurde dieser Bedarf auf ca. 10.000 Lehrkräfte geschätzt. In zunehmendem Maße wurde und wird teilweise immer noch der Deutschunterricht von gar nicht oder nur unzureichend dafür qualifizierten Lehrkräften erteilt. Die Entwicklung der indischen Germanistik mit ihren Schwerpunkten im Bereich der Literatur- und Kulturwissenschaft und nur unzureichenden methodisch-didaktischen Studienelementen (vgl. Rajan 2010: 1683) hat dazu geführt, dass es an den indischen Hochschulen mit Ausnahme der Universität in Pune keine nennenswerte Ausbildung von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern gab, die auf die Lehrtätigkeit in der Schule vorbereitet. 2004 startete die Delhi Universität2 in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und den Sprachund Kulturinstituten Frankreichs, Italiens, Portugals und Spaniens die Entwicklung eines Studienprogramms, welches im Rahmen eines Diploma in Foreign Language Education Sprachlehrkräfte für Deutsch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch qualifizieren sollte. Die Ausbildung an der Fakultät erfolgt durch Lehrkräfte der Delhi Universität in der Unterrichtssprache Englisch; sie wird ergänzt durch praxisbezogene Lehrangebote in der jeweiligen Zielsprache, an denen sich die Kulturinstitute beteiligen. Die integrierten Praxisphasen für diese Ausbildung werden von den Kulturinstituten betreut und durchgeführt. Für Deutsch bedeutet dies, dass eine Mitarbeiterin des Goethe-Instituts fachdidaktische Lehrveranstaltungen auf Deutsch anbietet und die Unterrichtspraktika organisiert und begleitet. Die gemeinsame Ausbildung der Lehrkräfte für verschiedene Fremdsprachen erlaubt zum einen eine Bündelung und effektive Nutzung der Lehrkapazitäten der Universität, zugleich schafft sie bei den Auszubildenden ein Bewusstsein dafür, dass ihr Unterricht in einem mehrsprachigen Kontext stattfinden wird und sie mit Lernenden zu tun haben, die zuvor oder gleichzeitig auch andere Fremdsprachen lernen. Mit diesem Diplom verfügte eine indische Hochschule erstmals über ein systematisches fachdidaktisches Curriculum für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften. In der Realisierung dieses Studienprogramms traten und treten aber immer wieder Schwierigkeiten auf; sie hängen zum einen damit zusammen, dass eine feste Anstellung an Schulen und

|| 1 Vgl. http://www.goethe.de/ins/in/de/ned/lhr/das.html. 2 Department of Germanic and Romance Studies unter der damaligen Leitung von Frau Prof. Shaswati Mazumdar

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Hochschulen in Indien einen Studienabschluss mit dem Bachelor of Education voraussetzt, die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Fakultäten aber Probleme bereitet. Hinzu kommen die begrenzten Lehrkapazitäten. Die Delhi Universität lässt zu diesem Diplomstudiengang jeweils 25 Studierende zu, fünf für jede Zielsprache. Das bedeutet, dass es für Deutsch jeweils nur 5 Absolventen gibt, eine völlig unzureichende Zahl angesichts des enormen Bedarfs an Deutschlehrkräften. Aus Gründen unzureichender Lehrkapazität gelingt es der Delhi Universität auch nicht, dieses Diplomstudium regelmäßig anzubieten: Für die Studienjahre 2016–2017 heißt es auf der Webseite der Fakultät: „This year, due to a shortage of teachers, the Department will not be able to offer Diploma in Foreign Language Education (FLE)“ (http://grs.du.ac.in/courses/diploma_fle.html). Die Hoffnungen darauf, dass andere indische Hochschulen dieses Modell übernehmen, so dass es in Zukunft mehr Absolventen geben könnte, haben sich bisher nicht erfüllt. Nicht zuletzt, weil auch die Erfahrungen mit der Delhi Universität gezeigt hatten, dass die Hochschulen in Indien zumindest kurz- und mittelfristig nicht in der Lage sind, in ausreichender Zahl professionell ausgebildete Deutschlehrkräfte auszubilden, hat das Goethe-Institut Neu Delhi 2007 ein Kooperationsprojekt mit der indischen Fernuniversität Indira Gandhi National Open University (IGNOU) und der Universität Wien entwickelt, dessen Ziel die Ausbildung von Deutschlehrkräften im Rahmen eines Fernstudiums sein sollte. Der Vorteil des Fernstudienangebots Diploma in Teaching German (DTG) wurde vor allem darin gesehen, dass damit Interessenten erreicht werden, die außerhalb der Reichweite von Hochschulen leben und arbeiten, insbesondere Deutschlehrkräfte, die ohne bzw. mit unzureichender Ausbildung bereits an Schulen tätig sind und sich ein Vollzeitstudium weder zeitlich noch finanziell leisten können. Die Fernstudieneinheiten wurden in Zusammenarbeit von indischen AutorInnen, MitarbeiterInnen des Goethe-Instituts und der Universität Wien entwickelt, das Goethe-Institut konnte an seinen verschiedenen Standorten qualifizierte Lehrkräfte als Multiplikatoren aus- bzw. fortbilden, die dann den Unterricht in den Präsenzphasen übernehmen konnten. Das Programm wurde im ersten Jahr von der Universität Wien evaluiert (vgl. https://www.goethe.de/ins/in/en/spr/unt/for/gia/ign. html). Natürlich kann ein anderthalbjähriges Fernstudium nur eine Grundqualifikation vermitteln, das gilt für die sprachlichen, die fachlichen und die pädagogischen Kompetenzen. Es war daher vorgesehen, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nach Abschluss des Diplomstudiums und einer einjährigen Praxisphase die Teilnahme an einem darauf aufbauenden Bachelor of Education-Stu-

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dium, wiederum als Kombination von Fern- und Präsenzstudium zu ermöglichen. Für dieses wurden erneut in Kooperation zwischen IGNOU, Goethe-Institut Neu Delhi und Universität Wien Studienmaterialien entwickelt, die auf dem DTG aufbauen, aber sowohl sprachlich als auch fachlich weitergehende Kompetenzen vermitteln. Neben Studienbriefen und Präsenzphasen wurden hier Videovorlesungen insbesondere aus der indischen Germanistik einbezogen. Allerdings haben interne Probleme und finanzielle Einschränkungen der IGNOU dazu geführt, dass dieses aufbauende Studienangebot nicht realisiert wurde. Seit die neue indische Regierung seit 2014 dem Lernen von Fremdsprachen eher zurückhaltend gegenübersteht und stattdessen das Angebot von Sanskrit bzw. anderen indischen Sprachen verpflichtend gemacht hat, besteht in Indien eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung, so dass zu vermuten ist, dass die Zahl der Deutschlernenden und damit auch die Nachfrage nach Lehrkräften zurückgehen könnte, obwohl in der indischen Öffentlichkeit nach wie vor ein großes Interesse an Deutsch besteht. So titelte die Times of India am 29.11.2014 im Rahmen der Debatte um das Regierungsprogramm zur verstärkten Wiedereinführung von Sanskrit: „Kids vote for German, not Sanskrit.“ Zu Grunde lag eine Befragung von Eltern und Schülern in den acht größten Städten Indiens.

5 Schlussbemerkungen Eine „Lehrerforschung“, die ausgehend von der Bedeutung der Lehrerin bzw. des Lehrers für den Unterrichtserfolg ebenso wie für die Nachfrage nach Deutsch und dem ‚Image’ des Faches danach fragt, welche Lehrkompetenzen im Rahmen der Deutschlehrerausbildung gefördert werden müssen, welche didaktischen, fachlichen und persönlichen Voraussetzungen erforderlich sind, um erfolgreich zu unterrichten, steht für Deutsch als Fremdsprache immer noch am Anfang. In Ungarn hat Feld-Knapp mit einer „Lehrerakademie“ (Cathedra Magistrorum) an der Eötvös-Universität eine solche Lehrerforschung und Lehrerausbildung institutionalisiert, die einen Beitrag zur Entwicklung des beruflichen Selbstverständnisses von Lehrern und zu einer Umgestaltung der ungarischen Deutschlehrerausbildung leisten will (vgl. Feld-Knapp 2014, 2017). Die deutschen Mittlerorganisationen haben Programme aufgelegt, die zu einer Verbesserung des Deutschlehrerausbildung weltweit beitragen sollen – insbesondere das Fernstudienprogramm Deutsch Lehren Lernen des Goethe-Instituts und die Modulentwicklung Dhoch3 des DAAD sind hier zu nennen. Gelingen wird eine durchgehende „Verbesserung“ im Sinne einer berufsorientierten Um- und

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Neugestaltung der Deutschlehrerausbildung aber erst, wenn die Hochschulen bereit sind, eine eigenständige, in gleichem Maße wissenschafts- wie praxisorientierte Ausbildung von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern als eine genuine Aufgabe ihrer Germanistik zu akzeptieren.

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Claudia Riemer

Stärkung der Motivation zum Deutschlernen 1 Ausgangslage Ob und mit welchem Lernerfolg das Deutsche als Fremdsprache gelernt wird, ist nach aktuellem Forschungsstand eng verknüpft mit dem Faktor Motivation. Dabei ist Motivation ein Faktor, der nicht allein aus einer fremdsprachenerwerbstheoretischen Perspektive zu betrachten ist, sondern auch aus einer sprachenund bildungspolitischen Perspektive, wenn Überlegungen erfolgen sollen, auf welche Weise die Motivation zum Deutschlernen gestärkt werden könnte und sollte. Aus fremdsprachenerwerbstheoretischer Sicht gehört Motivation zu den wichtigsten Einflussfaktoren erfolgreichen Fremdsprachenlernens. Aus sprachen- und bildungspolitischer Perspektive spiegeln die Gründe, die Lerner*innen dazu bewegen, die deutsche Sprache zu erlernen, sowie die Orte, an denen sie es tun, und insbesondere auch die bloßen Deutschlerner*innen-Zahlen immer auch die internationale Stellung der deutschen Sprache, sprachenpolitische Entscheidungen in den jeweiligen Ländern sowie allgemeine internationale Tendenzen der Globalisierung, Mehrsprachigkeit sowie politischer und ökonomischer Migration wider. Das Deutschlernen impliziert neben rein sprachlich-kommunikativen Zielen die Auseinandersetzung mit und den Kontakt zu deutschsprachigen Ländern und Kulturen und trägt zur Repräsentanz des Deutschen und der deutschsprachigen Länder in der Welt entscheidend bei. Zu den Gründen für das Deutschlernen sowie zu der Entwicklung der Deutschlerner*innenzahlen an unterschiedlichen Institutionen existieren vielfältige und differenzierte, länderspezifische Analysen (vgl. exemplarisch die Beiträge in Riemer & Wild 2016 sowie die Beiträge in Teil II in diesem Band). Trotz aller länder- und regionenspezifisch zu betrachtenden Entwicklungen und Schwankungen geben Studien zu motivationalen Faktoren zu Deutsch als Fremdsprache Hinweise, dass in den Regionen der Welt auch erstaunlich vergleichbare Entwicklungen zu beobachten sind, die Anhaltspunkte für allgemeine Aussagen zur Motivation von Deutschlerner*innen erlauben. Hervorzuheben ist die langjährige und akribische Forschungsarbeit von Ulrich Ammon, der vor wenigen Jahren zusammenfasste: „Wären Deutschkenntnisse nicht

|| Claudia Riemer, Universität Bielefeld, Deutschland, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-022

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auch ein Vorteil für Fremdsprachler, so würde sich über kurz oder lang fast niemand mehr die Mühe machen, Deutsch als Fremdsprache zu lernen“ (Ammon 2015: 2). Zunächst kurz zu den quantitativen Erhebungen der Deutschlerner*innenzahlen, die u.a. Aufschluss darüber geben, wie zugänglich das Deutschlernen im Rahmen des staatlichen Bildungssystems an Schulen und Hochschulen sowie durch außerschulische Lernangebote ist. Grob zusammengefasst auf der Basis der Daten des Netzwerks Deutsch aus dem Jahr 2015 (vgl. Auswärtiges Amt o.J.), das 15,4 Mio. Deutschlerner*innen weltweit zählte, scheint das Interesse am Lernen der deutschen Sprache auf einem insgesamt stabilen, ja sogar leicht steigenden Niveau zu sein. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass im Erhebungsjahr 2000 (vgl. StaDaF 2003) weltweit noch über 20 Mio. Deutschlerner*innen gezählt wurden und im Jahr 2010 (vgl. Netzwerk Deutsch 2010) – auch als ein Effekt sinkender Geburtenraten in einigen Ländern – nur noch 14 Mio. Im Vergleich zur Zahl von 2010 ist in ca. 60 % der erhobenen Länder die Zahl der Deutschlernenden bis 2015 gestiegen, wobei (nicht nur) in dieser Erhebung hervorsticht, dass davon 9,4 Mio. in Europa Deutsch lernen und dass weltweit 87 % der Deutschlernenden Schüler*innen sind. Dieser beeindruckend hohe Anteil der Schüler*innen allein ist ein deutlicher Hinweis auf die Abhängigkeit des weltweiten Deutschlernens von der Stellung der deutschen Sprache in den nationalen Bildungssystemen und ihrem Status als Pflicht-, Wahlpflicht- oder Wahlfach an staatlichen Schulen und insbesondere Sekundarschulen. Einige Beispiele seien genannt: Für Frankreich werden insgesamt 1.005.444 DaF-Lerner*innen, davon 998.749 an Schulen ermittelt, was im Vergleich mit der Datenerhebung im Jahr 2010 einen Rückgang um 39.136 DaF-Lerner*innen bedeutet. 220.457 Schüler*innen lernen DaF in Kamerun bei einer Gesamtzahl von 229.200 DaF-Lerner*innen (Zuwachs von 20.457 seit 2010). In der russischen Föderation lernen 1.129.018 Schüler*innen DaF bei einer Gesamtzahl von insgesamt 1.546.062 Lernenden (dramatischer Rückgang um 483.494 Lerner*innen seit 2010). Solche Zahlen sind immer auch ein Ergebnis spezifischer nationaler Entwicklungen (z.B. die durch die Implementierung des französischen Schulsystems erfolgte Einführung des Wahlpflichtfachs DaF an Sekundarschulen in frankophonen Ländern Afrikas). Die noch in vielen Regionen vorhandenen, durch das nationale Bildungssystem geschaffenen günstigen Rahmenbedingungen können sich aber recht schnell ändern. Gerade der Status des Deutschunterrichts als Wahlpflichtfach an vielen Sekundarschulen der Länder der Welt verlangt vor Ort nach guten Antworten von Schulleitungen und Deutschlehrer*innen auf (berechtigte) Fragen z.B. von Eltern, warum ihre Kinder Deutsch und nicht eine andere Fremdsprache oder ein ganz anderes Fach wählen sollten.

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Aus den einführenden Überlegungen ist festzuhalten, dass Fragen der Stärkung der Motivation zum Deutschlernen stets die Gründe bzw. Motive, die für bzw. gegen das Deutschlernen sprechen, im Blick behalten müssen. Diese Motivlagen stellen nicht nur das Ergebnis individuell-psychologischer Orientierungen zur Sprache und zum Sprachenlernen dar – sie sind immer auch im sprachenund bildungspolitischen wie gesellschaftlich-ökonomischen Umfeld der Lerner*innen zu verorten. So ist der vermeintlich simple Aspekt, ob und – wenn überhaupt – in welcher Schulform und mit welcher Verbindlichkeit und welchen Wahl-/Wahlpflichtmöglichkeiten die Fremdsprache Deutsch im jeweiligen nationalen Schulsystem angeboten wird, ein Hauptgrund, dass sich Lerner*innen überhaupt die Frage stellen, ob sie mit dem Deutschlernen beginnen sollen und wollen. Für das Deutschlernen im außerschulischen Bereich, insbesondere in der Erwachsenenbildung, geben in vielen Ländern, in denen sich Menschen aus politischen und ökonomischen Gründen mit Auswanderungsgedanken befassen, die migrations- und einwanderungspolitischen Entwicklungen der Bundesrepublik Deutschland die motivationale Begleitmusik für das Deutschlernen. Ein Indikator hierfür sind z.B. die Deutschlerner*innenzahlen und abgelegten A1/B1-Prüfungen an den Goethe-Instituten, die auch als Spiegel der aktuellen Stimmungslage und Kenntnis der bundesrepublikanischen Entscheidungen, z.B. auch in der Vergabe von Visen durch die Konsulate, zu betrachten sind. Neben solche Variablen, die insbesondere die Ausgangsmotivation zum Sprachenlernen beeinflussen, treten die Prozesse, die die Motivation zum Deutschlernen aufrechterhalten und weiterentwickeln – auch innerhalb des alltäglichen Deutschunterrichts.

2 Das Konzept Motivation und Ergebnisse der L2-Motivationsforschung 2.1 Der Faktor Motivation und die Sprachenfrage Der aktuelle Forschungsstand deutet darauf hin, dass Motivation […] ein affektiver Faktor [ist], der aus unterschiedlichen, sich überlappenden, komplementären und interdependenten Komponenten gespeist wird, die in der Persönlichkeit und Biographie des Lernenden, in seinen Einstellungen und Orientierungen gegenüber der zu erlernenden Fremdsprache und der damit verbundenen Kultur sowie in den Ausgestaltungen seiner Lernumgebung und seines sozio-kulturellen Milieus bedingt sind. Motivation kann sich im Lauf der Zeit ändern, manchmal die Ursache, manchmal aber auch die

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Folge von erfolgreichem Fremdsprachenlernen sein. Motivation ist also multidimensional und dynamisch – und kann nicht direkt beobachtet werden. (Riemer 2010: 168).

Bei Motivation hat man es demnach mit einem Faktor zu tun, der individuell unterschiedlich und dabei höchst komplex und dynamisch ist. Ein solch vielschichtiger Faktor stellt stets eine besondere Herausforderung für die empirische Fremdsprachenforschung bzgl. der Operationalisierung dar. Zum einen sollte daher bei der Rezeption von Studien im Auge behalten werden, mittels welcher Instrumente (z.B. standardisierte Fragebögen, qualitative Interviews) und welchen Forschungsansatzes (qualitative hypothesentestende, quantitative theoriegenerierende oder mixed-methods-Designs) Forschungsergebnisse zustande gekommen sind. Zum anderen hat die internationale L2-Motivationsforschung die Tendenz, bezüglich der Sprachenfrage blind zu sein, da meistens unhinterfragt verallgemeinerte Ergebnisse aus der Untersuchung der Motivation für das Englischlernen abgeleitet werden. Laut der umfassenden Meta-Studie von Boo, Dörnyei & Ryan (2015: 151) beziehen sich im Zeitraum 2005 bis 2014 knapp 73 % der Arbeiten der L2-Motivationsforschung auf die Zielsprache Englisch. Dabei gewinnen länderspezifische Fragen nach der regionalen Kontextgebundenheit und den (In-)Kompatibilitäten schulischer und außerschulischer Ziele des Englischlernens sowie nach den damit verbundenen Auswirkungen auf die Sprachlernmotivation angesichts der gewachsenen Bedeutung des Englischen als internationaler Lingua franca durchaus an Interesse (vgl. die Beiträge in Ushioda 2013). Jedoch ist der Umfang der Forschungen zu anderen Fremdsprachen – soweit er nicht ausschließlich innerhalb der nationalen wissenschaftlichen Diskurse stattfindet, sondern auch international sichtbar ist und wahrgenommen wird – deutlich schmaler. Es ist eine noch relativ junge Entwicklung, dass nicht nur verstärkt qualitative und gemischte Forschungsansätze gefordert werden (vgl. exemplarisch Henry 2010: 160–161), sondern auch in internationalen Journalen systematischer der Frage zur Motivation zum Lernen von LOTEs (languages other than English) nachgegangen wird (vgl. Dörnyei & Al-Hoorie 2017; Ushioda & Dörnyei 2017). Mit Blick auf die Besonderheiten der jeweiligen fremdsprachlichen, bildungs- und sprachenpolitisch mitbedingten Lernkonstellationen wird allerdings weiter für jede einzelne Fremdsprache – und hier eben für das Deutsche – Forschungsaufgabe sein, zu prüfen, ob Konzepte und Ansätze zur L2-Motivation, die vorrangig auf der Basis von Studien zur L2 Englisch entwickelt wurden, auch für eine andere Fremdsprache wie Deutsch Geltung beanspruchen können. Weiter ist zu untersuchen, welche bildungs- und sprachenpolitischen Rahmenbedingungen, von denen u.a. der Umfang und die Anzahl der unterrichteten Fremdsprachen an Schulen abhängt, eine Rolle spielen und welchen Einfluss sie auf die individuelle

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L2-Motivation von Lerner*innen haben. Gerade mit Blick auf Deutsch als Fremdsprache, das eine typische Folgefremdsprache darstellt, also meistens als zweite, dritte, vierte … Fremdsprache nach dem Englischen gelernt wird, stellen Forschungen, die parallelen und sukzessiven Mehrsprachigkeitserwerb hinsichtlich der motivationalen Variablen untersuchen, ein nach wie vor dringliches Desiderat dar.

2.2 Modelle der L2-Motivationsforschung und ihre Bedeutung für das Deutschlernen Die L2-Motivationsforschung konzeptualisiert seit Ende der 1960er Jahre den Faktor Motivation als einen der entscheidenden, den Sprachlernerfolg mitbestimmenden Faktoren. Zunächst dominierte bis Anfang der 1990er Jahre das sogenannte socio-educational model (zentrale Konzepte: integrative und instrumentelle Motivation), dann erfolgte ab den 1990er Jahren im Verlauf einer kontroversen Diskussion rund um das Motivationskonstrukt die Integration psychologischer Theorien (z.B. Selbstbestimmungs- und Attributionstheorie; zentrale Konzepte: intrinsische und extrinsische Verhaltensregulierung, Kausalattributionen) und didaktischer Ansätze (z.B. Berücksichtigung von Unterrichtsvariablen wie Lehrperson und Gruppendynamik). Gegenwärtig herrscht wiederum ein anderer Ansatz vor – nämlich die Theorie um das L2 Motivational Self System (zentrale Konzepte: ideales und Sollens-L2-Selbstkonzept). Der Publikationsoutput der L2Motivationsforschung ist inzwischen enorm mit der Tendenz zur Unübersichtlichkeit belastet (vgl. den zusammenfassenden chronologischen Überblick von Dörnyei & Ryan 2015: 72–105). Die Diskussion, inwieweit diese Ansätze auch für das Lernen der (Folge-)Fremdsprache Deutsch zutreffend sind und welche bildungspolitischen und fremdsprachendidaktischen Schlussfolgerungen sich anbieten, wird im Folgenden mit Blick auf diese zentralen Motivationskonzeptionen geführt. Allgemein für das Lernen und spezifisch für das Lernen von Fremdsprachen liefert die Selbstbestimmungstheorie in der Tradition von Deci & Ryan (1985) mit ihrer Unterscheidung zwischen der intrinsischen, aus Interesse und Selbstantrieb geleiteten Motivation und der extrinsischen Motivation, die sich aus externen Anreizen speist (wie etwa dem Erzielen guter Schulnoten oder der Vermeidung von Strafen) wichtige Einsichten in die Entwicklung motivierten bzw. weniger motivierten Lernens. Für die extrinsische Motivation werden weiter vier unterschiedliche Verhaltensregulationen unterschieden: External reguliertes Handeln zielt auf die Vermeidung von Konflikten (z.B. mit Eltern oder Lehrkräften) bzw. auf

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Anerkennung durch andere. Die anderen drei Regulationen implizieren zunehmend selbstbestimmtes Lernen, das sich bei der introjizierten Regulation noch auf der Basis äußeren Drucks und Pflichtgefühls entwickelt, wohingegen identifiziert reguliertes Handeln die Nützlichkeit des Tuns reflektiert und schließlich bei der integrierten Regulation das L2-Lernen als Teil der eigenen Persönlichkeit und als Ausdruck eines individuellen Bedürfnisses akzeptiert ist (vgl. exemplarisch Noels 2001). Insbesondere für das schulische Deutschlernen ist zu berücksichtigen, dass extrinsische Verhaltensregulationen durch die schulische Leistungsmessung (Noten) befördert werden und gerade bei jugendlichen Schüler*innen der Sekundarstufe intrinsische bzw. stärker selbstbestimmte extrinsische Orientierungen nicht vorausgesetzt werden können, sondern bei vielen Lerner*innen erst zu entwickeln sind. Riemer (2016) berichtet aus Studien in Ländern, in denen das Schulfach Deutsch angeboten wird, dass aus dem Pflicht- bzw. Wahlpflichtcharakter des Faches vorrangig extrinsische Motivationen mit externalen und introjizierten Verhaltensregulationen resultieren. Gute Noten, die Anerkennung des Lehrers oder der Eltern sollen gewonnen werden, Gesichtsverlust soll vermieden werden. Erst wenn Lerner*innen wahrnehmen, dass die Sprachkenntnisse auch außerhalb des Unterrichts von Wert sind bzw. Wert erlangen können, gelinge es ihnen, Formen stärker selbstbestimmter Motivation zu entwickeln. Identifizierte Verhaltensregulationen entstünden, wenn spätere Berufschancen oder (z.B. während eines Auslandsaufenthalts oder im außerschulischen Alltag) die allgemeine Nützlichkeit der deutschen Sprache für die Kommunikation erkannt wird – was aber gerade jüngere Lerner*innen nicht zwangs-läufig langfristig motiviert. Die L2-Attributionstheorie auf der Basis von Weiner (1986) betont die motivationale Kraft, die in Erfolgs- und Misserfolgserlebnissen liegt (vgl. exemplarisch Williams, Burden & Al-Baharna 2001). Zentral hierfür ist die Auffassung, dass Lerner*innen selbst Interpretationen dahingehend vornehmen, ob Erfolg bzw. Misserfolg beim Fremdsprachenlernen auf die eigene Person oder auf äußere Lernbedingungen zurückzuführen ist (Kausalattributionen). Wenn Lerner*innen die Gründe in ihrer eigenen Leistungsfähigkeit sehen (internale Lokation) bzw. in den Bedingungen des Lernumfelds, z.B. in der Person der Lehrkraft, verorten (externale Lokation), kann dies die Motivation stärken (Erleben von Leistungsfähigkeit) bzw. sie schwächen (Erleben von fehlender Selbstwirksamkeit). Erfolgserlebnisse können demnach die Lernmotivation verstärken, Misserfolgserlebnisse sie dagegen schwächen. Werden die Ursachen außerdem als wenig durch persönlichen Einsatz kontrollierbar eingeschätzt, kann dies eine Tendenz zur sog. erlernten Hilflosigkeit bewirken und negative Folgen auf die weitere Investition von Lernanstrengung bewirken. Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstvertrauen

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und generalisierte Überzeugungen der Lerner*innen bzgl. der eigenen Person und Lernfähigkeit interagieren mit diesen Zuschreibungen. Frühere bzw. gleichzeitige Fremdsprachenlernerfahrungen, z.B. im Rahmen des Englischlernens, können daher die Lernbereitschaft bzw. die Erfolgserwartungen von Deutschlerner*innen beeinflussen. Riemer (2016) fasst als Ergebnis empirischer Erhebungen in unterschiedlichen Ländern zusammen, dass neben der Ermöglichung von Erfolgserlebnissen die Lehrperson selbst sowie weitere unterrichtsmethodische Variablen enorme Auswirkungen auf die Ausbildung einer ausgeprägten wie mangelnden Lernmotivation bzw. Motivationsschwankungen für das Deutschlernen haben: Lehrer*innen und eine abwechslungsreiche und zugleich herausfordernde methodische Gestaltung des Unterrichts können als mächtige Motivatoren wirken; im Umkehrschluss kann Demotivierung auf monotone Unterrichtsgestaltung, Leistungsdruck und Angst (u.a. vor den Lehrer*innen und insbesondere deren Umgang mit Fehlern) sowie fehlende, von den Lerner*innen als bedeutsam wahrgenommene schulische Lerninhalte und -aktivitäten zurückgeführt werden. Solche unterrichtsinternen Variablen haben folglich besondere Erklärungskraft für die Ausbildung einer kurz- wie langzeitigen Motivation zum Erlernen des Deutschen. Für die Ausgangsmotivation, aber auch für die Aufrechterhaltung der Lernmotivation ist der Beweggrund entscheidend, aus dem heraus eine Fremdsprache gelernt wird. In der frühen Motivationsforschung wurde hier zwischen der integrativen und der instrumentellen Orientierung unterschieden. Diese explizit auf das Fremdsprachenlernen bezogene Differenzierung wurde seit den späten 1960er Jahren bis in die 1990er Jahre durch das sog. socio-educational model (vgl. als zentrale Publikation dieser Phase Gardner 1985; resümierend Gardner 2010) entwickelt, das die L2-Motivation als Folge von positiven Einstellungen und Interesse für die Zielsprache und mit ihr implizierte(n) Kultur(en) sowie Hauptbeweggründen (Orientierungen) und langfristigen Zielen des Fremdsprachenlernens betrachtet. Integrativ motiviert zu sein bedeutet, grundsätzlich offen für fremde Kulturen zu sein und eine Fremdsprache aus echtem Interesse für Sprache und Kultur zu lernen – und dies mit der Zielrichtung, evtl. sogar ein Mitglied dieser Sprachgemeinschaft zu werden. Die instrumentelle Motivation zielt hingegen auf eher pragmatische, die Nützlichkeit der Fremdsprache betreffende Gründe, insbesondere zur Verbesserung der Lebens- und Berufschancen (z.B. um durch das Bestehen einer Sprachprüfung Zugang zu einem Studiengang oder für ein Visum in Deutschland zu erhalten). Der Ansatz verortet Lernmotivation auch wesentlich in den Einstellungen des Lernenden zur Lernaufgabe selbst sowie im Ausmaß der Lernanstrengung und Ausdauer. Beide Motivationstypen wurden als lernförderlich nachgewiesen, auch wenn im Rahmen des Modells grundsätzlich

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die Lernwirksamkeit der integrativen Orientierung präferiert wurde. Allgemeiner Konsens ist inzwischen, dass sich die beiden Orientierungen nicht gegenseitig ausschließen und sich in unterschiedlichen Ausprägungen in der individuellen Motivation von Fremdsprachenlerner*innen wiederfinden können – auch in Form von Reise-, Bildungs- und Kontaktmotiven (vgl. exemplarisch Clément & Kruidenier 1983). Aus Studien zur Motivation für das Deutschlernen (vgl. Riemer 2016) kann abgeleitet werden, dass von Deutschlerner*innen nahezu durchgängig positive Einstellungen zur Fremdsprache Deutsch berichtet werden, insbesondere weil sie als wichtige Sprache in der EU anerkannt wird. Auch positive, mitunter stereotypisierte positive Deutschlandbilder spielen hier eine wichtige Rolle. Die Einstellungen zur deutschen Sprache sind aber durchaus auch ambivalent, da sie mit Attributen wie „schwer“ und „hart“ belegt wird. Gleichzeitig finden sich in den Studien länderübergreifend Hinweise dafür, dass diese Zuschreibungen in ein Muster eingewebt sind, dass Deutschkompetenz etwas „Besonderes“ sei, da sie das erwartbare, inzwischen als weitgehend normal angesehene fremdsprachliche Profil einer Person (die über die Fremdsprache Englisch verfügt) ergänzt. Deutschkenntnisse machen eine Person damit zu einer mehrsprachigen Person mit einem besonderen Profilmerkmal, da die weit verbreitete Einschätzung, dass Deutsch eine schwere Sprache sei, für eine Person mit Deutschkenntnissen Prestigegewinn bedeutet. Auf der anderen Seite führt offensichtlich gerade im schulischen Kontext die Annahme, Deutsch sei eine schwere Sprache, dazu, dass potenzielle Lerner*innen sich gegen das Schulfach Deutsch entscheiden. Als weiteres zentrales länderübergreifendes Muster wurde in den Studien ermittelt, dass das Deutschlernen aus einer instrumentellen Orientierung heraus erfolgt, die besonders dann ausgeprägt ist, wenn auf Studium und Beruf gerichtete Ambitionen und (Lebens-)Ziele mit dem Deutschlernen verbunden werden und die Lernaktivitäten nicht vorrangig external reguliert sind. Solche Ziele sind in der Regel mit dem Deutschlehrerberuf oder mit beruflichen Feldern in der Wirtschaft, bei internationalen Organisationen, im Tourismus und im Feld des Dolmetschens und Übersetzens sowie – und diesen Befund gilt es in zukünftigen Studien gerade für Länder, in denen Deutschlerner*innen politischem und/oder ökonomischem Druck ausgesetzt sind, zu differenzieren und zu überprüfen – mit allgemeinen Migrationsabsichten verknüpft. Bei Schüler*innen und Studierenden in den ersten Studienjahren bleiben diese instrumentellen Motive oft eher im Allgemeinen und Unbestimmten und sind auf die generelle Verbesserung der Lebens- und Berufschancen (u.a. durch die Hoffnung auf ein Studium in Deutschland) ausgerichtet. Die Analysen legen außerdem offen, dass Lerner*innen die allgemeine Instrumentalität des Deutschlernens häufig nicht hinreichend mit Leben füllen

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können, da sie ihre (oft langfristigen) beruflichen und Lebensziele nicht angemessen im DaF-Unterricht wiederfinden und/oder im Lebensumfeld das instrumentelle Potenzial der Fremdsprache Deutsch nicht erlebt werden kann, da konkrete Anwendungsmöglichkeiten im Hier und Jetzt fehlen – dies demotiviert die Lerner*innen. Bei Germanistikstudierenden in höheren Studienjahren und Deutschlerner*innen im Kontext der Erwachsenenbildung lässt sich deutlicher erkennen, dass ein Abgleich der Wünsche mit den tatsächlichen Chancen stattgefunden hat; ihre Lernziele sind deutlich konkreter und mit aktuellen bzw. kurzfristig erwarteten beruflichen und kommunikativen Bedarfen verbunden. Diese instrumentellen Orientierungen sind verwurzelt in vorhandenen Englischkenntnissen und der Zielsetzung, mit der Fremdsprache Deutsch ein weiteres und gleichzeitig besonderes Element individueller Mehrsprachigkeitsprofile auszubilden, das den Inhaber dieses Profils besonders auszeichnet, da Deutsch als schwere Sprache gilt. Dieses in den Länderstudien von Riemer (vgl. zusammenfassend 2016) gefundene Muster – das „instrumentelle Exoten-Motiv“ – ist in zukünftigen Forschungen weiter zu überprüfen, insbesondere inwieweit es im Kontext von Migrationsmotiven auffindbar ist. Solche Einsichten aus der DaF-Forschung passen auch in den aktuellen Forschungsdiskurs der L2-Motivationsforschung, die die Bedeutsamkeit des Fremdsprachenlernens für die Identitätsentwicklung von Lerner*innen im Rahmen der sog. Theorie des L2 Motivational Self System (L2MSS), die auf der psychologischen Theorie der Possible Selves von Markus & Nurius (1986) aufbaut, hervorhebt. Eingeleitet wurde diese Entwicklung durch Untersuchungen, die nachwiesen, dass für das Fremdsprachenlernen in Zeiten der Globalisierung – und insbesondere für das Englischlernen – der direkte zielkulturelle Bezug weniger von Bedeutung ist, sondern generelle und auch instrumentelle Orientierungen überwiegen. Das zentrale Konzept des sog. Ideal L2 Self hebt die Rolle des vom Lernenden selbst angestrebten, mit der Beherrschung der Zielsprache verbundenen, idealen Selbstkonzepts als zentralen Motivator hervor (vgl. die Beiträge in Dörnyei & Ushioda 2009; Csizér & Magid 2014). Gerade für das Fremdsprachenlernen in Ländern, in denen die Zielsprache außerhalb des Unterrichts wenig(er) präsent ist, wurde deutlich, dass ein ausgeprägtes Interesse für das Zielsprachenland ein zwar wichtiger, aber nicht allein ausschlaggebender Faktor ist. Dem L2MSS zufolge spiegeln sich mit der Zielsprache verbundene Identitätsprozesse im optimalen Fall in der Ambition von Fremdsprachenlerner*innen wider, diese Zielsprache als Teil eines angestrebten (Ideal L2 Self) oder sozial erwünschten Selbstkonzepts (Ought-to L2 Self ) beherrschen zu wollen und damit zu den Menschen zu gehören, die diese Sprache als Kommunikationsmittel verwenden können. Hieraus würden – so die Vertreter*innen dieses Ansatzes – insbesondere dann

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eine ausgeprägte L2-Motivation und Lernanstrengungen resultieren, wenn Lerner*innen Diskrepanzen zwischen ihrem aktuellen und angestrebten fremdbzw. mehrsprachlichen Selbstkonzept wahrnehmen. Auf das Deutschlernen gemünzt kann dieser Erklärungsansatz die stärkere Verortung des Deutschlernens in Mehrsprachigkeitsansätzen unterstützen und so zu einer strukturellen Stärkung der Motivation zum Deutschlernen beitragen: Visionen und Selbstkonzepte von Lerner*innen in Form angestrebter mehrsprachiger Profile, die auch Deutsch beinhalten, können so als mächtige Motivatoren wirken. Es muss aber als noch offene Forschungsfrage gelten, inwieweit das (gleichzeitige oder sukzessive) Lernen unterschiedlicher Fremdsprachen separate oder integrierte L2-Selbstkonzepte befördert und ob das motivierte Lernen einer Fremdsprache die Motivation für das gleichzeitige oder sukzessive Erlernen weiterer Fremdsprache eher befördert oder schwächt. Dörnyei & Chan (2013) sowie Henry (2010) zufolge führen separate L2-Selbstkonzepte zur Schwächung der Motivation in einer der gelernten Sprachen. Diese ersten Forschungsergebnisse deuten an, dass didaktische Überlegungen zur Stärkung der Motivation für das Lernen einer Folgesprache wie Deutsch allgemein auf die Entwicklung integrierter mehrsprachiger Selbstkonzepte zielen sollten.

3 Überlegungen zur didaktischen Stärkung der Motivation zum Deutschlernen Mit Blick auf den oben skizzierten Stand der L2-Motivationsforschung kann grob zusammengefasst werden, dass Lerner*innen umso motivierter Deutsch lernen werden, je stärker ihr Motiv zum Fremdsprachenlernen im Allgemeinen und zum Deutschlernen im Besonderen ist, je wertvoller das angestrebte Ziel der Kommunikationsfähigkeit (auch) in der deutschen Sprache für ihr jetziges und zukünftiges Leben erscheint und je realistischer die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt wird, die mit dem Deutschlernen verbundenen Ziele mit akzeptablem Einsatz von Lernaktivität auch tatsächlich zu erreichen. Sowohl die Motive für das Deutschlernen als auch die Prozesse, die die Entstehung und Aufrechterhaltung motivierten Lernens bewirken, sind wichtig für die Diskussion, wie man die Motivation für das Deutschlernen auf der Ebene des DaF-Unterrichts stärken kann. Motiviertes Deutschlernen bedeutet, die L2-Motivation (weiter) zu entwickeln und im Lernverlauf aufrechtzuerhalten. Dieser Prozess, wie aus Motiven für das Fremdsprachenlernen eine Lernhaltung und Lernaktivität entsteht, kann an-

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hand des Motivationsprozessmodells von Riemer (2010) noch genauer ausdifferenziert werden. Das Modell greift Anregungen der theoretischen Überlegungen von Dörnyei & Ottó (1998) auf, die wiederum an die deutsche Motivationspsychologie anknüpfen (zum aktuellen Stand der prozessorientierten allgemeinen Motivationspsychologie vgl. Heckhausen & Heckhausen 2018). Abb. 1 fasst zusammen, wie aus allgemeinen Zielen und Motiven auch tatsächliches Deutschlernen resultiert: Zunächst müssen auf der Basis von Motiven Zielsetzungen und Handlungsabsichten gebildet werden (Intentionsbildung), aus denen – wenn die Entscheidung für das Deutschlernen gefallen ist – die Initiierung einer Handlung (hier: Lernaktivität) und die tatsächliche Ausübung dieser Handlung (z.B. kognitive Aufmerksamkeit im DaF-Unterricht, Durchführung von Übungshandlungen) erfolgen. Auf der Basis von noch recht allgemeinen Zielsetzungen – bei denen allgemeine Beweggründe zum L2-Lernen, wie etwa Integrativität und Instrumentalität oder das „instrumentelle Exoten-Motiv“, zum Ausdruck kommen – bilden Lerner*innen ihre sie persönlich betreffenden Intentionen und konkreteren Ziele aus. Hierbei treffen sie zwischen konkurrierenden Möglichkeiten eine Entscheidung, sie wählen z.B. unter alternativen schulischen Wahlpflichtfächern oder Angeboten in der Erwachsenenbildung aus, die in Konkurrenz zu anderen (nicht fremdsprachlichen) Angeboten und auch mit anderen privaten Interessen stehen. Hierfür spielen u.a. die Relevanz und Erfolgsaussichten sowie die antizipierten Schwierigkeiten, die mit dem Deutschlernen verbunden werden, und auch vorhandene Kontakt- und Anwendungsmöglichkeiten bzgl. der Fremdsprache Deutsch (z.B. im Rahmen familiärer oder anderer privater Kontakte, auch mit Sprecher*innen der Zielsprache) eine entscheidende Rolle. Auf diesen Prozess wirkt das soziokulturelle Umfeld mit gesellschaftlichen Erwartungen (als Sollens-L2-Selbstkonzepte) ein – und dabei insbesondere wichtige Bezugspersonen aus dem Umfeld der Lerner*innen (wie etwa Eltern, weitere Familienmitglieder, Peers, Lehrer*innen). Aber auch die tatsächlichen Lernmöglichkeiten (schulische und außerschulische Angebote, weitere informelle Lernmöglichkeiten, die Ausstattung der Schulen mit Lernmaterialien und Medien), im Umfeld der Lerner*innen vorhandene räumliche und zeitliche Ressourcen für das Sprachenlernen und vorhandene Sprachlernerfahrungen spielen eine wichtige Rolle. Sie beeinflussen die Einstellungen zum Fremdsprachenlernen allgemein und zum Deutschlernen im Besonderen. All diese Variablen wirken weiter, wenn die Intentionsbildung abgeschlossen und die Entscheidung zum initialen Fremdsprachenlernen gefallen ist und schließlich das Lern-Handeln vorbereitet wird. Bevor tatsächlich aber (Lern-)Handlungen aufgenommen und aufrechterhalten werden, also Lernanstrengungen erfolgen, muss zunächst eine motivationale Schwelle erreicht werden, um den Rubikon des Handelns zu überschreiten: Der

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„innere Schweinehund“ muss überwunden werden – und dies nicht nur einmal, sondern in einem immer wiederkehrenden Kreislauf im weiteren Lernverlauf. Vor allem im weiteren Prozess sind die (erlebten) Bedingungen des Fremdsprachenunterrichts (Persönlichkeit und Eigenmotivation der Lehrperson, Gruppendynamik innerhalb der Lerngruppe, Lernmaterialien etc.) zentrale Einflussgrößen für die Weiterentwicklung und Aufrechterhaltung der Motivation, der Lernbereit-

Abb. 1: Motivationsprozess beim Fremdsprachenlernen (Riemer 2010: 171)

schaft und des Lernhandelns. Die selbst- und fremdevaluative Bewertung der erreichten (Zwischen-)Lernergebnisse, z.B. durch Lehrer*innenfeedback und Noten im DaF-Unterricht oder (Miss-)Erfolgserlebnisse in der außerunterrichtlichen Kommunikation in der Fremdsprache, wirken ebenfalls (de-)motivierend auf den weiteren Lernprozess ein. Gerade in diesem Prozessschritt benötigen Lerner*innen Unterstützung durch die Lehrperson: Nur wenn Lernziele (und insbesondere die Zwischenziele) realistisch sind und langfristige Ziele und Erfolgserwartungen

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regelmäßig mittels zeitnaher Erfahrungen aktualisiert werden, kann die Motivation aufrechterhalten werden und Erfolgserlebnisse ermöglichen, die sich Lerner*innen selbst zuschreiben und ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstwirksamkeit stärken. Der Beitrag der Faktoren des Fremdsprachenunterrichts zur Stärkung der Motivation im Lernprozess soll abschließend in den Blick genommen werden. Vorhandene Forschungsergebnisse zur Rolle der Motivation beim Fremdsprachenlernen unterstützen Prinzipien eines lernerorientierten, lernautonomiefördernden Fremdsprachenunterrichts und weisen auf die Notwendigkeit von differenzierten Unterrichtsangeboten, Lernberatung, Individualisierung und Binnendifferenzierung hin (vgl. exemplarisch die vielfältigen unterrichtspraktischen Anregungen in Hadfield & Dörnyei 2013 und Beiträge in Karagiannakis 2017). Berücksichtigt man die eingangs erwähnte Tatsache, dass die Mehrheit der Deutschlerner*innen weltweit jugendliche Schüler*innen sind, sind bekannte allgemeine schulpädagogische Prinzipien, wie etwa „hoher Anteil echter Lernzeit“, „lernförderliches Klima“, „sinnstiftendes Kommunizieren“, „Methodenvielfalt“ und „intelligentes Üben“ (vgl. die „zehn Merkmale guten Unterrichts“ von Meyer 2017), von hohem motivationalen Potenzial für den alltäglichen Deutschunterricht. Ein weiterer fremdsprachendidaktischer Grundsatz zielt auf die Passgenauigkeit von Lerninteressen und Zielen der Lerner*innen mit den Inhalten des Deutschunterrichts. Dies verlangt einen Unterricht, in dem für jede Lerngruppe – jeweils neu – die Lernvoraussetzungen, Motive und weiteren Variablen des Motivationsprozesses berücksichtigt sind, indem z.B. gemeinsam geteilte Gruppenziele und Unterrichtsschwerpunkte mittels gemeinsamer Unterrichtsreflexionen ausgehandelt wurden. Solcher Unterricht stellt sich der anspruchsvollen Herausforderung, dass Lerner*innen einen erkennbaren Bezug zwischen den Unterrichtsaktivitäten und ihren individuellen Erwartungen, Zielen und auch Bedürfnissen herstellen können. Motivierung impliziert also die gezielte und gemeinsam in der Lerngruppe verantwortete Auswahl der Unterrichtsgegenstände, Materialien, Medien und Lehrtechniken. Solche Prinzipien legen didaktisch-methodische Ansätze der Handlungs- und Prozessorientierung nahe, die Lehrstrategien sowie Unterrichtsformen, -inhalte und -materialien, ja ganze Unterrichtsszenarien vorsehen, die Lerner*innen dabei unterstützen, sich realistische Lernziele zu setzen, über ihre eigenen Ziele und Fortschritte zu reflektieren und (echte) Erfolgserlebnisse zu erfahren. In Kontexten, in denen extrinsische Motivationen überwiegen, sollten Lerner*innen dabei unterstützt werden (v.a. in schulischen Pflichtkontexten), Formen stärker selbstbestimmter Handlungsregulation zu entwickeln, indem sie die Relevanz von Unterrichtsaktivitäten und

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Lerngegenständen für ihr gegenwärtiges und ihr mutmaßliches zukünftiges Leben erkennen. Abschließend soll auf die entscheidende Rolle der Lehrer*in im Motivierungsprozess hingewiesen werden: Lehrer*innen können starke Motivator*innen sein – aber auch das Gegenteil. In der Person der Lehrperson, der Ausgestaltung ihrer Rolle sowie der methodischen Gestaltung des Unterrichts können sowohl die Ursachen von Motivation als auch von Demotivation liegen. Dies im Rahmen von Unterrichts- und Schulentwicklung zu erkennen und zu bearbeiten ist ein Kernmerkmal eines reflective practitioners. Nicht nur aus diesem Grund ist die Stärkung der akademischen Deutschlehrer*innenausbildung und der berufsbegleitenden Lehrer*innenfortbildung ein ganz wesentlicher struktureller Faktor für die Stärkung der Motivation zum Deutschlernen.

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Holger Steidele

Die besonderen Fördermöglichkeiten des Deutschlernens durch muttersprachliche Dozenten des Deutschen an ausländischen Universitäten 1 Einleitung Auf der Grundlage einer vierzehnjährigen Lehrerfahrung des Verfassers an ostasiatischen Universitäten, die gebündelt und in einem theoretischen Rahmen verortet in Steidele (2016a) vorliegt, soll im Folgenden skizziert werden, welche besonderen Fördermöglichkeiten des Deutschlernens insbesondere an ostasiatischen Universitäten durch muttersprachliche Dozenten1 des Deutschen, die sich für eine befristete Zeit im Gastland aufhalten, bestehen, sofern diese über bestimmte, näher zu spezifizierende Voraussetzungen verfügen, die nicht eine Ausbildung pädagogischer oder fachlicher Art betreffen, sondern den Dozenten als Person. Dieser Aspekt findet in der Literatur fast keine Beachtung. Im Folgenden werden daher vier Punkte näher besprochen: der Deutschlehrer als mündiger Bürger (2.), der Deutschlehrer als Mensch (3.), der Deutschlehrer als Forscher (4.) und der Deutschlehrer als Vermittler von Inhalten (5.). Auf dieser Grundlage werden im 6. Abschnitt Möglichkeiten des Deutschlehrers formuliert, zu einer Förderung des Deutschlernens beizutragen.

2 Der Lehrer als mündiger Bürger Der muttersprachliche Deutschlehrer an Universitäten in nichtdeutschsprachigen Ländern hat ohne Zweifel weitaus mehr Möglichkeiten, die deutsche Sprache und deutschlandbezogene Inhalte, die immer auch die deutsche Kultur betreffen, zu fördern und zu verbreiten als beispielsweise Vertreter der deutschen Wirtschaft. Im Gegensatz zu letzteren, die das Wohl einer Firma im Auge zu behalten

|| 1 Maskuline Nomina wie Dozent, Lehrer, Lerner etc. referieren im vorliegenden Beitrag selbstverständlich auch auf Frauen sowie auf Menschen unbestimmten Geschlechts. || Holger Steidele, Tamkang Universität, Taipei, Taiwan, [email protected]

https://doi.org/10.1515/9783110479232-023

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haben, ist von ersteren jedoch in verschiedener Hinsicht mehr zu fordern, da sie bei ihrem Wirken im nichtdeutschsprachigen Ausland als Vertreter der deutschen Kultur wahrgenommen werden, die keine eigennützigen oder ökonomischen Interessen verfolgen. Ein wenig anders verhält es sich bei Vertretern von Organisationen wie dem Goethe-Institut oder des DAAD, die durchaus bestimmte Ziele verfolgen, welche ökonomische Aspekte einschließen. Der deutsche Hochschullehrer ist insofern einerseits freier in seinem Wirken, andererseits als Person geforderter, da er auf sich selbst gestellt ist. Beim muttersprachlichen Deutschdozenten an Universitäten geht es nicht nur um die Vermittlung ausschließlich sprachlicher Inhalte (wie Grammatik und Wortschatz) zum Zwecke der Kommunikation, sondern auch darum, Denktraditionen und kulturelles Wissen verfügbar zu machen. Dafür sind nicht nur Kompetenzen erforderlich, die gemeinhin diskutiert werden, wenn der Lehrer und seine Stellung ins Blickfeld der Forschung geraten (pädagogische Eignung, Prüfungskompetenz etc.), sondern auch solche, die seine Person als Person betreffen. Grundsätzlich muss der Lehrer nämlich die deutsche oder deutschsprachige Kultur selbstbewusst vertreten, darf aber zugleich kein geschöntes oder propagandistisches Bild vermitteln, das die Realität verzerren würde, was leider oft genug geschieht (dazu Steidele 2016a: 110–112). Deutschlehrende an Universitäten haben immer auch einen wissenschaftlichen Auftrag, der mit Wahrheitssuche einhergeht, was verzerrte Bilder und Stereotypen ausschließen dürfte. Es geht also primär um einen reflektierten, aufgeklärten und rationalen Umgang mit Inhalten, deren Vermittlung die Lerner befähigt, ebenfalls rational und nüchtern die fremde Zielkultur zu analysieren und damit zugleich in die Lage versetzt zu werden, kulturkontrastive Studien objektiv und selbstständig durchführen zu können, seien diese nun literaturwissenschaftlich, sprachwissenschaftlich oder landeskundlich gelagert. Der muttersprachliche Deutschlehrende als Kulturrepräsentant hat damit im wahrsten Sinne des Wortes ein mündiger Bürger zu sein, der die Errungenschaften im deutschsprachigen Raum zu vertreten weiß, ohne bevormundend zu sein in dem Falle, dass die Ausgangskultur der Lerner diese Errungenschaften (Demokratie, Menschenrechte, Gleichberechtigung, kritische Vergangenheitsbewältigung etc.) nicht oder noch nicht zu schätzen weiß oder Menschen dieser Kultur an diesen gehindert werden. Zur Mündigkeit des Lehrers gehört unabdingbar, dass er nicht nur über theoretisches Wissen zum Beispiel fachlicher Art verfügt, sondern darüber hinaus aufgrund eigener Anschauung eine Urteilsfähigkeit besitzt. Man könnte ein wenig zugespitzt sagen: Wer über Deutschland oder die deutschsprachigen Länder unterrichtet, sollte Deutschland und die deutschspra-

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chigen Länder kennen. Dazu gehört nicht nur regionales Wissen über Sehenswürdigkeiten, die natürlich gesehen worden sein sollten, sondern auch die praktische Kenntnis von Abläufen beispielsweise in Gerichten, in Parteien, in Verbänden, um beispielsweise in der Lage zu sein, demokratische Verfahren und Abläufe aus eigener Erfahrung (kritisch) beurteilen zu können. Hinzu kommt beim Deutschlehrer ein notwendiges sprachliches Wissen, das die sprachliche Vielfalt des Deutschen abdeckt, und ein Bewusstsein um die eigene sprachliche Begrenztheit, die u.a. aufgrund der sprachlichen Vielfalt entsteht (dazu Steidele 2016a: 156–166).

3 Der Lehrer als Mensch Der Deutschlehrer als mündiger Bürger, der etwas aus eigener Anschauung und nicht nur fachspezifisch über seine wissenschaftliche Ausbildung mitzuteilen hat, ist zugleich auch ein Mensch, der in seinem Umfeld im nichtdeutschsprachigen Ausland wirkt. Es geht im Folgenden um den Lehrer als Menschen, der im Ausland lebt und an einer Bildungsinstitution, insbesondere an einer Universität, arbeitet. Damit sind drei Bereiche zu thematisieren: (i) der Deutschlehrer als Repräsentant seiner Kultur, (ii) die Stellung des Deutschlehrers im Rahmen seiner Bildungsinstitution und (iii) das Lehrer-Lerner-Verhältnis. Es versteht sich von selbst, dass alle drei Bereiche miteinander zusammenhängen. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Anfänge des institutionellen Deutschlernens in Ostasien (vgl. Steidele 2016b: 127–141), dann können wir den Beiträgen der ersten deutschsprachigen Zeitschrift für Deutschlehrer im ostasiatischen Raum, die zwischen 1910 und 1914 in Shanghai unter dem Namen Ostasiatische Lehrerzeitung erschienen ist, bereits entnehmen, wie zentral und zugleich aktuell geblieben diese drei Bereiche sind und welche Verzahnung mit der Förderung der deutschen Sprache einerseits und mit der Lehre andererseits besteht. Bereits vor hundert Jahren bemängelten die Deutschlehrer in China und Japan die fehlende Gelegenheit der Deutschlerner, ihre Sprachkenntnisse außerhalb der Lehrinstitution anzuwenden. Ein Grund dafür wird von den Autoren der genannten Zeitschrift darin gesehen, dass die Deutschen, und eingeschlossen sind hier auch die Deutschlehrer, nicht gewillt oder fähig seien, „im privaten und beruflichen Leben eine Atmosphäre der Deutschheit um sich zu verbreiten, die den deutsch [sic] lernenden Chinesen das Milieu bietet, in dem ihr Wissen erst lebendig werden kann“ und dass die Deutschen „es vielfach überhaupt nicht fertig bringen, mit einem Chinesen anders als englisch zu sprechen“ (Fischer 1910: 34–35). Selbstredend würden wir heute nicht mehr von einer ,Atmosphäre der

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Deutschheit‘ sprechen, die zu verbreiten wäre, doch gilt auch in der Gegenwart, dass Deutsche im Ausland ihre Sprache oftmals sehr schlecht repräsentieren. Harald Gärber fasst das so zusammen: „Etliche Jahre zu Gast in diesem Land [Korea, H.S.] sagen mir, dass sich die an Deutschland interessierten Koreaner über uns wundern müssen, über ein Volk, das so gar kein Selbstvertrauen bezüglich seiner Sprache hat“ (Gärber 2014: 29). Dieses fehlende Selbstvertrauen kann nicht zurückgeführt werden auf Schuldkomplexe aufgrund zweier Weltkriege, wie die Beiträge der Ostasiatischen Lehrerzeitung bereits vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs eindeutig belegen. Eine grundsätzliche Diskussion dieses aktuell gebliebenen Befunds scheint nicht stattzufinden. Eine löbliche Ausnahme besteht in Ostasien in zahlreichen Konferenzen im germanistischen Bereich (man denke beispielsweise an die alle drei Jahre in China, Korea oder Japan stattfindende Asiatische Germanistentagung), deren Arbeitssprache Deutsch ist. Eingeladene deutsche Botschafter oder Vertreter anderer Organisationen zeigen sich oft überrascht, dass es derartige Konferenzen gebe, auf denen sie auf Deutsch sprechen können. Auch der in (ii) genannte Aspekt der Stellung des Deutschlehrers im Rahmen seiner Bildungsinstitution scheint in unserer Zeit nicht mehr diskutiert zu werden, obwohl er unbedingt diskutiert werden sollte. Die in der Ostasiatischen Lehrerzeitung schreibenden Deutschlehrer waren sehr offen bezüglich ihrer begrenzten oder zumindest als begrenzt wahrgenommenen Stellung an ihrer Bildungseinrichtung. Der fremde Lehrer sei oft „kein fest angestelltes Mitglied des Lehrkörpers, sondern ein außerhalb dieses stehender Lektor, der für ein Jahr oder mehrere Jahre verpflichtet ist“ (Kunze 1911: 6); oft wird Resignation deutlich: „Man will von dem [deutschen, H.S.] Lehrer weiter nichts, als dass er Stunden gebe“ (Sperlein 1913: 21) und dergleichen Äußerungen mehr. Auch seien Ratschläge von Seiten der Deutschen oft unerwünscht oder stießen auf Misstrauen. Aussagen wie diese lassen sich auf viele Länder auch heutzutage übertragen; beispielsweise führt Wollert (2015 [1996]: 25) das niedrige Niveau aktueller Lehrwerke in Korea darauf zurück, dass es eine mangelnde Kooperationsbereitschaft der einheimischen Lehrer mit den deutschen Muttersprachlern gebe. Während den heutigen Deutschlehrern in Ländern wie Korea die in der Shanghaier Zeitschrift vor hundert Jahren besprochene Situation sehr bekannt vorkommen dürfte, ist die Lage für Lehrer in anderen Ländern anders; beispielsweise befinden sich deutsche Lehrer in Taiwan ebenso wie die einheimischen Kollegen gleichermaßen in einem Tenure-Track-System nach amerikanischem Vorbild. Die in (iii) erwähnte Lehrer-Lerner-Beziehung ist eine Thematik, die auch unserer Tage ansatzweise wiederentdeckt zu werden scheint. Dem Lehrer als Mensch bieten sich ebenso wie den Lernern angesichts der ‚Sozialen Medien‘

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neue Formen des formellen oder informellen Kontakts. In Deutschland wird ebenso wie in Korea und Taiwan diskutiert, ob und inwiefern es angebracht sei, als Lehrer mit Schülern oder Studenten einen Online-Kontakt zu pflegen. Wie viel Nähe statthaft sei, ist eine Frage, die unterschiedlich beantwortet werden kann; in Ostasien ist es beispielsweise eher so, dass Lehrer auch außerhalb des Unterrichts ansprechbar sein sollten. Auch die Deutschlehrer vor hundert Jahren waren sich sehr bewusst, dass ein adäquates Lehrer-Lerner-Verhältnis von großer Wichtigkeit ist. Anders als heutzutage waren die Lehrer, soweit die Beiträge in der genannten Lehrerzeitschrift uns einen Einblick gewähren, aber weitaus offenherziger, Knackpunkte zu benennen; beispielsweise werden Missverständnisse thematisiert aufgrund von Ironie, die „gänzlich auszuschalten“ (Lessing & Jänchen 1912: 6) sei (vgl. zum Humor im Unterricht Steidele 2016a: 236–237), es werden skeptische Einstellungen der Lerner gegenüber ausländischen Lehrern behandelt (vgl. Lessing & Jänchen 1912: 5), und es wird dafür plädiert, die jugendlichen Lerner als „erwachsene Menschen“ (vgl. Lessing & Jänchen 1912: 5–6) anzusehen, um auf Augenhöhe miteinander kommunizieren zu können. Auch wird auf die Gefahr eine Überidentifikation des Lehrers mit dem Gastland hingewiesen (vgl. Ammann 1911: 5) – ein zentraler Punkt bis heute, aber nicht mehr thematisiert, wie mir scheint. Alle drei genannten Aspekte zu thematisieren, wäre heute ebenso nötig wie vor hundert Jahren. Die Stellung des Deutschlehrers in der Gesellschaft, an seiner Bildungseinrichtung und im Verhältnis zu den Lernern kritisch zu hinterfragen, wäre ein erster Schritt, die Fördermöglichkeiten des Deutschen und der deutschlandbezogenen Studiengänge zu verbessern.

4 Der Lehrer als Forscher Das in 2. geforderte selbstbewusste und auf Erfahrungen basierende Vertreten der deutschen Kultur sowie der in 3. benannte reflektierte Umgang mit dem Gastland, den Kollegen und den Lernern ist in Zusammenhang zu sehen mit dem Leben des Lehrers, zumindest wenn dieser an einer Universität tätig ist, als Forscher. Auch an diesen sind Forderungen zu stellen, wie beispielsweise das Streben nach objektiver Betrachtung. Leider sind immer wieder pauschale Urteile zu lesen darüber, wie sich das Denken verschiedener Gesellschaften unterscheide. Ein Beispiel aus dem Handbuch interkulturelle Germanistik mag veranschaulichen, was gemeint ist (vgl. Steidele 2015: 124–125; Steidele 2016a: 305– 307): Hermanns (2003: 369) behauptet im genannten Handbuch, dass der Satztyp x, weil y im Chinesischen unüblich sei und der chinesische Sprecher y, daher x

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bevorzuge, da erstere Variante als unhöfliches Mit-der-Tür-ins-Haus-Fallen empfunden werde. Das mag sein. Was mit dem Beispiel aber suggeriert wird, ist Folgendes: ein kategorialer Unterschied in den Denkgewohnheiten zweier Kulturen. Und das ist falsch. Vergleicht man nämlich Satzpaare wie (i) Ich muss jetzt etwas essen gehen. Ich habe großen Hunger und (ii) Ich habe großen Hunger. Ich muss jetzt etwas essen gehen, dann ergeben Umfragen, dass sowohl im Chinesischen als auch im Koreanischen als auch im Deutschen jeweils Variante (ii) präferiert zu werden scheint, also y, daher x, auch wenn sich die Sprecher aller drei Sprachen bewusst sind, dass grundsätzlich beide Varianten möglich sind. Dies zeigt, dass Vorsicht geboten ist vor Pauschalurteilen, und dass dementsprechend der forschende Lehrer sehr behutsam mit sprachlichen Daten und Rückschlüssen auf die jeweilige Kultur umzugehen hat. Relativ präzise formulierte Unterschiede zwischen einzelnen Sprachen und Sprechern sind nicht selten dem Umstand geschuldet, überhaupt klare Unterschiede benennen zu wollen, die beim Leser größere Aufmerksamkeit finden als eher Feindosiertes. Kein Wissenschaftler sollte diesem Wunsch unbewusst erliegen. Der Deutschlehrer als Forscher hat zuallererst das Deutsche, die deutsche Literatur und die deutsche Sprache – eingebettet in eine reflektierte und kritische Landeskunde – zu analysieren. Nichts anderes rechtfertigt eine Beschäftigung beispielsweise an einer Fakultät oder einem Fachbereich einer Universität, die Studenten ein Germanistikstudium anbietet. Nun ist es nach meiner Erfahrung so, dass sehr oft Dozenten in einem solchen Studiengang lehren, die keine ausgebildeten Germanisten, Literaturwissenschaftler oder Linguisten sind. Dieser Befund steht in krassem Gegensatz zu der Situation, die vor hundert Jahren in den Beiträgen der Ostasiatischen Lehrerzeitung deutlich wird, denn damals wurden stets ausgebildete Fachlehrer (nicht nur im Bereich Deutsch) mit einer in der Regel befristeten Lehrtätigkeit im ostasiatischen Ausland betraut. In diesem Zusammenhang ist auf einen weiteren Umstand hinzuweisen, der Erstaunliches zutage fördert: in ostasiatischen Ländern bestehen Lehrerzeitschriften erst seit relativ kurzer Zeit. In Südkorea existiert die von der Lektorenvereinigung Korea herausgegebene Zeitschrift DaF-Szene Korea erst seit 1995, in Japan gibt es Lektoren-Rundbriefe erst seit 1996, und in Ländern wie Taiwan gibt es bis heute noch nicht einmal eine Vereinigung deutscher Lehrer. Es liegt der Verdacht nahe, dass eine Vernetzung deutscher Muttersprachler nicht für nötig befunden wird und dass man die Welt bereits für ausreichend vernetzt hält. Trotz Internet: dem ist nicht so. Ein regelmäßig erscheinendes Publikationsorgan für Muttersprachler ist schon aus dem in 3. Gesagten sehr angeraten, denn viele Probleme, die mit der Förderung der deutschen Sprache zu tun haben, betreffen speziell Muttersprachler und nicht einheimische Lehrkräfte. Hinzu kommt der erwähnte Umstand der

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fachfremden Lehrer, die dringend eine Vernetzung mit gut ausgebildeten Deutschlehrern benötigen. Freilich sollte es in einem derartigen Publikationsorgan offen und kritisch zugehen, wie dies in der Ostasiatischen Lehrerzeitung vorbildlich der Fall gewesen ist. Kritische Bestandsaufnahmen sind heutzutage selten zu finden, was fundamental überrascht; ein weiteres Beispiel aus dem Handbuch interkulturelle Germanistik möge wieder veranschaulichen, was ich nicht für angeraten halte: dort heißt es wieder bei Hermanns (2003: 371): „Niemand wird wohl beispielsweise der Kultur, wo er zu Gast war, die Bescheinigung ausstellen wollen, dass in ihr das durchschnittliche Denken von Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit geprägt sei.“ Eine derartige Auffassung kann nicht zielführend sein. Als mündiger Bürger und als neutraler Forscher ist es geradezu angeraten, derartige Problembereiche offen zu benennen, um auf einer sachlichen Grundlage erarbeiten zu können, wie in einer bestimmten Gesellschaft (in der Lehre, aber auch in der Öffentlichkeit) von Seiten der deutschmuttersprachlichen Lehrer vorgegangen werden könnte. In den heutigen Publikationsorganen wie beispielsweise der erwähnten DaF-Szene Korea findet sich kaum oder nur sehr versteckt ein Hinweis auf den koreanischen nationalen Chauvinismus, der so fundamental ist, dass er selbstverständlich analysiert und besprochen werden muss, bevor ein interkultureller Vermittlungsprozess überhaupt in Gang gesetzt werden kann (ausführlich dazu: Steidele 2016a: 95–104; Steidele 2016b: 138). Nichts liegt näher, als dass dieser Aufgabenbereich dem forschenden Lehrer, im spezifischen Fall in Korea, automatisch zufällt.

5 Der Lehrer als Vermittler von Inhalten Die Vermittlung von fachlichen Inhalten steht ohne Zweifel als Hauptaufgabe des Deutschlehrers im nichtdeutschsprachigen Ausland fest. Dem mündigen Bürger, der einen reflektierten und offenen Umgang mit Kollegen und Lernern pflegt und als Forscher auch bei einem längeren Aufenthalt im Gastland einen kritischen Blick auf Gast- wie Zielkultur zu bewahren imstande ist, sich also nicht mit der Gastkultur überidentifiziert, und seine, auch kritischen, Erkenntnisse anderen mitteilt, obliegt es als Dozent an einer Universität in Hinblick auf die Förderung seiner Disziplin, angemessene Unterrichtsinhalte auszuwählen, die nicht nur die deutsche Sprache als Kommunikationsmittel betreffen (was für ein Sprachinstitut ausreichend wäre) oder die auf spezifische Berufe beispielsweise in der Wirtschaft vorzubereiten hätten, sondern die immer auch und zugleich germanistische Inhalte literaturwissenschaftlicher, linguistischer oder landeskundlicher

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Art einschließen; denn wie der Deutschlehrer, wie in 4. ausgeführt, zugleich germanistischer Forscher zu sein hat, so hat er auch zugleich Vermittler von germanistischen Forschungsinhalten zu sein. Es bietet sich nach aller Erfahrung nicht an, zuerst oder generell rein kommunikative Inhalte von genuin germanistischen Inhalten zu trennen, also erst ein Sprachinstrumentarium aufzubauen und gewissermaßen nachträglich oder gleichsam als separater Zusatz, Inhalte zu behandeln. Inhalte und Sprache lernt man am besten zusammen, und es sind gerade die Inhalte, die Lerner motivieren, sich ausdrücken und mitteilen zu lernen. Eine inhaltliche Stimulation ist bereits im ersten Semester, in dem die Sprachkenntnisse der Lerner, die in Ostasien zu Beginn ihres Studiums in aller Regel über keine Deutschkenntnisse verfügen (zur Situation der Germanistik-Studenten in Taiwan vgl. Steidele 2015: 126–129), nur sehr begrenzt sind, ohne Probleme vorzunehmen, auch ohne auf die Muttersprache der Lerner zurückgreifen zu müssen, sofern ein einsprachiges Konzept verfolgt wird. Ein Beispiel mag hier genügen: Wer im Unterricht als Lehrer die Namen der Wochentage behandelt, sollte nicht die Gelegenheit verschenken, auf die Herkunft und die Bedeutung dieser Wochentagsnamen einzugehen. Hierbei können kulturhistorische und etymologische Aspekte von Anfang an thematisiert (und im Falle eines einsprachigen Unterrichts sehr einfach bildlich dargestellt) werden, die nach meiner Erfahrung sehr stimulierend auf die Lerner wirken und das Mitteilungsbedürfnis in Bezug auf die Eigenkultur steigern. Nichts erweist sich als vorteilhafter, als von Beginn an das Gewicht auf kulturelle, interkulturelle und fachliche Inhalte zu legen und nicht bei der bloßen Benennung von Sachverhalten oder belanglosen kommunikativen Übungen stehenzubleiben (vgl. Steidele 2016a: 278–279). Das gilt natürlich in besonderem Maße für fortgeschrittene Lerner. Die Frage nach angemessenen Unterrichtsinhalten und der Vermittlung derselben mit Hilfe bestimmter Methoden ist so alt wie der Fremdsprachenunterricht selbst. Auch die Deutschlehrer, die in der in 2. erwähnten Ostasiatischen Lehrerzeitung publiziert haben, rangen um angemessene Inhalte des Sprachunterrichts, um die angemessene Lehrmethode und um das angemessene Lehrbuch auf der Grundlage der Festlegungen von Inhalt und Methode. Vergegenwärtigt man sich die damaligen Diskussionen beispielsweise um die Frage nach der Anpassung eines Lehrbuchs auf die Bedürfnisse der Lerner der Ausgangskultur, um den Einsatz der Muttersprache der Lerner in Lehrbuch und Unterricht, um explizite vs. implizite Grammatikvermittlung, um die Frage, ob primär Deutsch oder inhaltliches Sachwissen gelehrt werden solle, um die Frage nach den beruflichen oder anderweitigen Zielen der Sprachvermittlung und dergleichen mehr (vgl. Steidele 2016b: 128–133), dann stellt man nach Durchsicht der heutigen Publikationsor-

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gane in Ostasien schnell fest, dass bereits ein Autor in der Ostasiatischen Lehrerzeitung eine wichtige Erkenntnis auf den Punkt bringt, die nach wie vor Gültigkeit beanspruchen darf: „Auf kaum einem Gebiete menschlicher Geistesbetätigung wird so viel Zeit und Kraft von dem Einzelnen mit Experimentieren vergeudet, wie gerade beim Sprachenlernen“ (Walter 1910: 26). Obwohl die Forschung unserer Tage sehr viele Ergebnisse geliefert hat und liefert, scheinen diese oftmals gar nicht wahrgenommen zu werden. Z.B. wurde, um einen der oben genannten Aspekte herauszugreifen, spätestens in den 1980ern gezeigt, dass die Muttersprache L1 keinen negativen Einfluss auf den Erwerb einer weiteren Sprache L2 oder L3 hat, sondern im Gegenteil ein Spracherwerbsprozess von früheren Sprachlernerfahrungen profitiert. Zusätzlich wissen wir aber heute auch, dass sich der Erwerbsprozess von L3 signifikant vom Erwerbsprozess einer L2-Sprache unterscheidet (vgl. Hufeisen 2003; 2005). An dieser Stelle wird erneut deutlich, dass der Lehrer, wie bereits in 3. gesagt, im Unterricht auch zugleich Forscher zu sein hat, der Forschungsergebnisse zur Kenntnis nimmt und dort, wo möglich, in seinen Unterricht implementiert. Im Unterricht hat, so wird oftmals behauptet, der Lerner im Mittelpunkt zu stehen. Dies kann nur die halbe Wahrheit sein, wenn es neben den Lernern auch einen Lehrer gibt. Richtig ist aber, dass der Lerner und seine spezifische Ausgangssituation in der Ausgangskultur für den Lehrer im Mittelpunkt zu stehen haben. Der Unterricht und die Unterrichtskonzeption im Ganzen muss aber auch den Lehrer dort abholen, wo er sich befindet, nämlich als mündiger Bürger, als Mensch, als Forscher und als Lehrer im Gastland. Wie der Lehrer in den Unterricht einbezogen werden könnte, hat der Verfasser an verschiedenen Stellen zu zeigen versucht (vgl. Steidele 2015; 2016a). Eine Möglichkeit besteht darin, den Lehrer als aktiven Part in einer Lerngemeinschaft zu begreifen, in der er selbst eine lernende Rolle übernimmt und nicht lediglich eine Rolle simuliert. Diese Situation ist am leichtesten herstellbar, wenn Inhalte gewählt werden, die den Lehrer selbst herausfordern oder eine interkulturelle Perspektive erzwingen (dazu Steidele 2016a: 279–282). Inhalte können auch außerunterrichtlich behandelt werden. Als Beispiel sei hier auf die eigenen Erfahrungen in Taiwan verwiesen. Dort findet jährlich ein Wettbewerb mit dem Namen Rheinpokal statt, an dem sich alle Studenten aller Germanistikabteilungen des Landes in verschiedenen Disziplinen (Vorlesen, Präsentation, Schreiben, Theater etc.) beteiligen können. Ein derartiger Wettbewerb trägt einerseits dem Wunsch nach Leistungsvergleich asiatischer Studenten Rechnung, andererseits ermöglicht er, die deutsche Sprache nach außen zu tragen und anzuwenden im Kreise Gleichgesinnter, wobei zugleich die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, nämlich die Gemeinschaft der Deutschlerner und

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Deutschinteressierten, gefestigt wird. Dieses psychologische Moment ist keinesfalls zu unterschätzen, auch wenn es in der Literatur überhaupt nicht thematisiert zu werden scheint.

6 Die Möglichkeiten des Deutschlehrers heute Der muttersprachliche Deutschlehrer an Universitäten in nichtdeutschsprachigen Ländern kann Lerner in seinem Unterricht und außerhalb des Unterrichts stark beeinflussen und zum Aufbau von Deutschkenntnissen sowie Wissen über die deutschsprachigen Länder beitragen. Darüber hinaus kann er in der Gastkultur nach außen hin wirken und als mündiger und ernstzunehmender Vertreter seiner Kultur wahrgenommen werden. Der Lehrer wirkt zuallererst vor allem im Unterricht über ernsthafte germanistische Inhalte, durch die er sich als Forscher und Person einzubringen weiß. Zugleich wirkt er nach außen beispielsweise durch Mund-zu-Mund-Propaganda, die angesichts abnehmender Studentenzahlen im Fachbereich Germanistik in vielen Ländern (Korea sei hier beispielshalber genannt) nicht unterschätzt werden sollte. Zum Beispiel kann es nach eigener Erfahrung passieren, dass Studenten der Germanistik-Abteilung anderen Professoren anderer Abteilungen von Kenntnissen erzählen, die sie in Kursen der Germanistikabteilung erworben haben. Mir sind hier viele Fälle bekannt, beispielsweise berichtet von PhilosophieProfessoren, die das löbliche Vorwissen über deutsche Philosophen auf Seiten der Germanistikstudenten, die zuvor im Deutschunterricht über deutsche Philosophen gesprochen hatten, hervorgehoben haben. Auch das außerunterrichtliche Engagement der Lehrer (im 5. Abschnitt wurde bereits auf den Rheinpokal in Taiwan hingewiesen) trägt zur Förderung der Disziplin und der deutschen Sprache bei. In all diesen Fällen liegt die innerunterrichtliche oder außerunterrichtliche Wirkung des Lehrers (und damit in aller Regel ein Lernerfolg auf Seiten der Studenten oder Aufmerksamkeit auf Seiten Dritter) unmittelbar auf der Hand. Der Lehrer wirkt darüber hinaus als seriöser Forscher, der sich mit anderen vernetzt und eine aktive Rolle einnimmt. Dazu gehört selbstverständlich auch, Kritisches im Gastland zu benennen, um in diesem angemessen als Lehrer und Forscher wirken zu können. Als Mensch reflektiert er seine spezielle Situation im Land und an seiner Wirkstätte und als mündiger Bürger vertritt er kompetent und wissend und sich ständig weiterbildend seine Kultur, ohne bevormundend zu sein. In diesen außerunterrichtlichen Rahmen wirkt er weit über den eigenen Unterricht hinaus, macht sein Wissen und seinen Erfahrungsschatz nachfolgenden

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Lehrergenerationen verfügbar und trägt auf diese Weise zur Förderung der Disziplin Germanistik und der deutschen Sprache im nichtdeutschsprachigen Ausland bei.

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Gabriele Kecker, Günther Depner, Daniela Marks, Leska Schwarz, Sonja Zimmermann

Die deutsche Sprache weltweit fördern: Was können Sprachprüfungen dazu beitragen? 1 Einleitung Sprachprüfungen oder Sprachtests können für ganz unterschiedliche Zielsetzungen entwickelt werden und abhängig von den Zielen ein breites Spektrum an Auswirkungen auf ihre Absolventen1 und auf den Fremdsprachenunterricht haben. Es ist von grundlegender Bedeutung zu klären, ob ein Sprachtest2 lediglich dazu dient, den Zugang zu einem Sprachkurs zu regeln (Einstufungstest), ob er dafür verwendet wird, ein Profil der Sprachkompetenz für ein Bildungsmonitoring zu liefern (z.B. als Vergleichsarbeit einer Klassenstufe oder Lernstandserhebung) oder ob er als Grundlage für eine Entscheidung herangezogen wird, die beispielsweise das Aufenthaltsrecht in einem Land oder die Zulassung zu einem Hochschulstudium (Zulassungstest) beinhaltet. In den ersten beiden Fällen handelt es sich um low-stakes tests, von deren Auswirkungen für den Einzelnen meist wenig abhängt, in den anderen genannten Fällen um high-stakes tests, die weitreichende Konsequenzen für die Prüfungskandidaten mit sich bringen können. In dem Maße wie für solche High-Stakes-Kontexte und Entscheidungen qualitativ hochwertige standardisierte Tests eingesetzt werden, können Stakeholder, wie z.B. die Teilnehmer oder Lehrkräfte, darauf vertrauen, dass die Testergebnisse mit Sorgfalt ermittelt worden sind und davon ausgehend mit hinreichender Genauigkeit auf die Sprachkompetenz der Absolventen in der Realsituation ge-

|| 1 Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung werden in diesem Beitrag Ausdrücke wie „Absolvent“, „Prüfungsteilnehmer“, „Studienbewerber“ usw. im generischen Sinne verwendet. 2 Die Begriffe ‛Test’ und ‛Prüfung’ werden in dem vorliegenden Beitrag synonym verwendet. „Unter Test oder Prüfung soll jegliches Verfahren gefasst werden, das Individuen unter kontrollierten Bedingungen zu bestimmten Handlungs- und Verhaltensweisen veranlasst, die wiederum Rückschlüsse ermöglichen sollen auf bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten.“ (Grotjahn 2003: 9) || Gabriele Kecker, Günther Depner, Daniela Marks, Leska Schwarz, Sonja Zimmermann Alle: TestDaf-Institut, Bochum, Deutschland, [email protected], [email protected], [email protected], [email protected], [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-024

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schlossen werden kann. Auch standardisierte Tests für den Einsatz als Monitoring-Instrument von Bildungsbehörden sollten diesem Anspruch gerecht werden (vgl. Porsch, Tesch & Köller 2010), um zuverlässige Aussagen von bildungspolitischer Relevanz treffen zu können. Dies setzt die Einhaltung von internationalen Standards für Tests voraus, wie sie in den sog. Joint Standards (AERA, APA & NCME 2014) von internationalen Fachverbänden aus dem Bildungsbereich und der Psychologie (AERA-American Educational Research Association, APA-American Psychological Association, NCME-National Council on Measurement in Education) oder in den 17 Mindeststandards der ALTE (Association of Language Testers in Europe) niedergelegt sind. Was bedeutet dies nun konkret für die betroffenen Testteilnehmer und die Lehrkräfte, die einen deutschen Sprachtest ablegen möchten bzw. Deutsch unterrichten und auf den Test vorbereiten? Inwiefern ist für diese Zielgruppen die Qualität eines Sprachtests erkennbar und nachvollziehbar? Erfolgreich nachgewiesene Sprachkompetenzen sind häufig entscheidungsrelevant für das Erreichen der individuellen Lebensziele, sei es im Falle einer Zuwanderung (z.B. Deutschtest für Zuwanderer, DTZ) oder Einbürgerung, sei es für eine Studienbewerbung (z.B. Test Deutsch als Fremdsprache, TestDaF) oder eine Tätigkeit in einem ausländischen Unternehmen (z.B. Zertifikat Deutsch für den Beruf) und die Anerkennung der beruflichen Qualifikation, etwa als Arzt (z.B. Patientenkommunikationstest). Aus diesem Grund werden sich die potenziellen Prüfungskandidaten im Allgemeinen auf den Sprachtest vorbereiten. Eine Facette der Testqualität betrifft daher die Verfügbarkeit von Informationen über den Test, damit sowohl Testteilnehmer und Lehrkräfte als auch Entscheidungsträger ausreichend Anhaltspunkte für die Vorbereitung und die Interpretation der Testergebnisse erhalten. Für Interessenten müssen Informationen in geeigneter Form bereitgestellt werden, aus denen hervorgeht, welche Kompetenzen mit dem Test erfasst werden sollen und für welche Ziele und welche Zielgruppe er konzipiert wurde. Als zusätzliche Anforderung sollte deutlich werden, welche wesentlichen Merkmale der Sprachverwendung in der Realsituation im Test abgebildet werden. Dazu gehört auch das für den Test erforderliche Sprachniveau, das in den meisten Fällen als Niveau des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) (Europarat 2001) dargestellt wird. Der GeR hat sich trotz teilweise heftiger Kritik (vgl. Fulcher 2004) seit seiner Veröffentlichung als maßgebend für die Entwicklung und Evaluation von Bildungsstandards, Curricula, Lehrwerken und Sprachprüfungen etabliert. Vor allem die Kompetenzskalen des GeR dienen als Bezugssystem und Grundlage für die Festlegung von sprachlichen Kompetenzniveaus und als sprachübergreifende Illustration von handlungsorientierter kommunikativer Kompetenz.

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Der Verwendungszweck des Tests, die Merkmale der Sprachverwendungssituation und das Sprachniveau, das mit dem Test erfasst werden soll, bilden somit wichtige Anhaltspunkte für die Absolventen des Tests und die Lehrkräfte, die (sich) darauf vorbereiten wollen. Eine solche Vorbereitung kann sich nicht auf teaching to the test beschränken, das darauf abzielt, bestimmte Aufgabentypen zu bewältigen, sondern muss darauf ausgerichtet sein, die Sprachkompetenz des Testabsolventen im Hinblick auf sein mit dem Test verbundenes Lernziel sinnvoll zu erweitern. Sofern Tests für die deutsche Sprache solche (intendierte) Auswirkungen auf den Unterricht aufweisen, kann ohne Weiteres behauptet werden, dass Sprachtests Sprache fördern, und in diesem Sinne auch die deutsche Sprache. Solch eine positive Rückwirkung (positiver Washback) auf den Unterricht, gleich ob intendiert oder auch zufällig, entsteht meistens dann, wenn Testkonstrukt, Verwendungszweck und der damit verbundene Kontext aufeinander abgestimmt wurden und für alle Beteiligten transparent und explizit nachvollziehbar sind. Negative Effekte (negativer Washback) auf den Unterricht oder die Testumgebung ergeben sich häufig, wenn Störfaktoren dieses Gleichgewicht beeinträchtigen, etwa wenn der Test für andere Zwecke als die ursprünglich intendierten eingesetzt wird oder schlechte Testergebnisse Sanktionen an den Schulen zur Folge haben, wie etwa in der Kampagne No Child Left Behind (NCLB) in den USA (vgl. dazu McNamara & Roever 2006: Kap. 7). In dem Programm NCLB, das 2005 von der Bush-Regierung ins Leben gerufen worden war, sollten die Kompetenzen von Schulkindern in Lesen und Mathematik mithilfe von Tests verbessert werden. Als Beispiel für eine positive Rückwirkung soll hier die Einführung der Prüfungen Fit in Deutsch 1 und 2 des Goethe-Instituts in Italien aufgeführt werden, die auf Wunsch des Erziehungsministeriums im Rahmen des Progetto Lingue 2000 dazu dienen sollte, den Deutschunterricht an den Sekundarschulen in Italien durch eine stärkere Berücksichtigung der mündlichen Teilkompetenzen Hören und Sprechen zu verändern (Werff & Gerbes 2006: 43–44). Ein weiteres Beispiel ist die Einführung des Deutschen Sprachdiploms A2/B1 (DSD I) der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) an französischen Sekundarschulen, mit denen Schüler außerhalb des Unterrichts ihre Sprachkompetenz freiwillig überprüfen lassen können. Erklärtes Ziel des französischen Erziehungsministeriums bei der Einführung dieser Prüfung war es, den Deutschunterricht in der Sekundarstufe durch die Vorbereitung auf die Prüfung kommunikativer und handlungsorientierter zu gestalten (Menrath & Krath 2013: 24). In beiden aufgeführten Beispielen wurden die Lehrkräfte auf die Einführung der Prüfungen entsprechend vorbereitet. Dies hat sicherlich zu den positiven Auswirkungen (vgl. Werff

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& Gerbes 2006; Menrath & Krath 2013) beigetragen und stellt einen wichtigen Faktor für einen intendierten positiven Washback dar. Welche Voraussetzungen Tests erfüllen müssen, damit sie als standardisierte Tests für vergleichbare Zwecke wie in den zuvor genannten Beispielen eingesetzt werden können, soll im Folgenden am Beispiel des Tests Deutsch als Fremdsprache (TestDaF) gezeigt werden. Welche Qualitätsstandards sollte ein standardisierter Test erfüllen (Teil 2) und welche Rolle spielt dabei eine sorgfältige Evaluation und Weiterentwicklung des Testformats (Teil 3)? Welche Auswirkungen auf Testabsolventen, Lehrkräfte und den Unterricht kann eine solche Weiterentwicklung des Testformats haben (Teil 4)?

2 Qualitätsanforderungen an standardisierte Prüfungen am Beispiel des TestDaF Der TestDaF ist ein standardisierter Sprachstandstest (proficiency test), der sich vornehmlich an internationale Studierende richtet, die ein Studium an einer Hochschule in Deutschland aufnehmen wollen. In dieser Funktion ist er ein highstakes test, also ein Sprachtest, dessen Ergebnis weitreichende Konsequenzen für die Teilnehmer hat. Entsprechend der in Teil 1 genannten Standards (AERA, APA & NCME 2014) steht bei der Entwicklung eines Sprachtests zunächst das Ziel der Prüfung im Vordergrund, also welche Schlüsse auf Grundlage der Ergebnisse gezogen werden sollen, und wie folglich die Zielgruppe der Prüfung zu definieren ist. Beim TestDaF ist zu beachten, dass die Testteilnehmer aus unterschiedlichen Ländern und Lerntraditionen kommen und somit kein einheitliches Curriculum oder Lehrwerk vorausgesetzt werden kann. Davon ausgehend wurde der TestDaF als kriterienorientierter Sprachstandstest und nicht als achievement test entwickelt, der die Kenntnis der Inhalte eines Curriculums oder Lehrplans überprüft. Da er als Zulassungstest für ein Hochschulstudium in Deutschland verwendet wird, sind die Inhalte des TestDaF und die Ergebnismitteilung auf dem Zeugnis auf diesen Kontext ausgerichtet. Die Teilnehmer erhalten in jedem der vier TestDaF-Prüfungsteile (Lese- und Hörverstehen, Schriftlicher und Mündlicher Ausdruck) eine Einstufung, so dass ein differenziertes Leistungsprofil erkennbar ist. Dieses Leistungsprofil zeigt den Testteilnehmern, aber auch den zulassenden Hochschulen, inwieweit Bedarf an studienbegleitendem Deutschunterricht besteht. Gleichzei-

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tig bieten die differenzierten Ergebnisse auf den TestDaF-Zeugnissen den Hochschulen die Möglichkeit, die Zulassung zu einzelnen Studiengängen mit den jeweiligen Sprachanforderungen in diesen Fächern zu verknüpfen. Neben der Zielgruppe und dem Prüfungszweck ist auch das Testkonstrukt, also das in der Prüfung zu messende Merkmal, zu bestimmen. Dieses sollte möglichst die Sprachkompetenz erfassen, die Testteilnehmer außerhalb der Prüfungssituation im realen Verwendungskontext nachweisen müssen. Das Testkonstrukt des TestDaF stützt sich auf ein Sprachmodell der kommunikativen Sprachfähigkeit nach Bachman & Palmer (1996) sowie auf relevante Sprachverwendungssituationen, die TestDaF-Teilnehmer in ihrem späteren Studium an einer deutschen Hochschule bewältigen müssen. Im Hörverstehen gehört dazu beispielsweise, während eines Vortrags Notizen anzufertigen, und im Mündlichen Ausdruck sich in Seminarsituationen, aber auch in informellen Gesprächen im Hochschulalltag angemessen zu äußern. Im Schriftlichen Ausdruck stehen die sprachlichen Handlungen Beschreiben und Argumentieren im Vordergrund, die essentielle Merkmale wissenschaftlichen Schreibens darstellen. Um zu gewährleisten, dass die erstellten Testaufgaben dem Zweck der Prüfung angemessen sind und die gewünschte Kompetenz zuverlässig erfassen, werden alle Testmaterialien vor ihrem Einsatz in einer Echtprüfung an einer repräsentativen Stichprobe der Zielgruppe erprobt. Durch entsprechende psychometrische Analysen sowie qualitative Auswertungen werden Störfaktoren, die die Messung verzerren könnten, ausgeschlossen. Erst wenn durch diese Analysen sichergestellt wurde, dass die Aufgaben eine angemessene Schwierigkeit aufweisen und das Konstrukt trennscharf messen, also gut zwischen Teilnehmern mit hoher und niedrigerer Kompetenz unterscheiden, werden sie in einer Prüfung eingesetzt (vgl. Eckes 2008). Das Schwierigkeitsniveau zwischen verschiedenen Testsätzen zu unterschiedlichen Terminen wird konstant gehalten, indem die Testaufgaben im Lese- und Hörverstehen mithilfe von Aufgaben bekannter Schwierigkeit im C-Test-Format (vgl. Grotjahn 2010) bei den Erprobungen kalibriert, d.h. geeicht werden. In den produktiven Teilkompetenzen werden zu diesem Zweck Expertenurteile erfahrener Beurteiler eingeholt und Leistungsbeispiele (benchmarks) aus dem TestDaF eingesetzt, die als Maßstab für die Beurteilung dienen. Ein weiteres Ziel in der standardisierten Leistungsmessung besteht darin, die Beurteilung produktiver Leistungen soweit wie möglich zu objektivieren. Im TestDaF wird dies durch regelmäßige Schulungen der Beurteiler erzielt sowie durch die zuvor erwähnten benchmarks und die Anwendung verbindlicher Bewertungsraster. In der Regel wird jedoch eine objektive Leistungseinstufung durch die individuelle Beurteilungsstrenge oder -milde jedes Beurteilers beeinträchtigt. Diese

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Strenge- oder Mildewerte werden daher beim TestDaF mithilfe des MultifacettenRasch-Modells ermittelt und statistisch ausgeglichen (Eckes 2010). Das Multifacetten-Rasch-Modell erlaubt es, mehrere Facetten gleichzeitig und unabhängig voneinander zu messen, beispielsweise die Schwierigkeit von Aufgaben, die Fähigkeit von Testteilnehmern und die Beurteilerstrenge oder -milde. Durch dieses Verfahren können Strenge und Milde letztlich als konstruktivrelevante Faktoren bei der Messung ausgeschlossen und ein sog. fairer Durchschnitt für jeden Teilnehmer errechnet werden. Prüfungen oder Tests dienen stets der Unterscheidung von Teilnehmern auf verschiedenen Leistungsniveaus, indem zum Beispiel anhand von erreichten Punktwerten zwischen dem Bestehen und dem Nichtbestehen unterschieden wird. Diese Unterscheidung setzt die vorherige Festlegung sogenannter cut scores voraus, die als Punktwert die Grenzen zwischen diesen Leistungsniveaus bzw. dem Bestehen oder Nichtbestehen repräsentieren. Solch eine Festlegung der Grenzwerte sollte nicht intuitiv vorgenommen werden, sondern auf empirischen und für die Beteiligten transparenten Verfahren basieren. Als Anleitung und Beispiel für solch ein empirisches Verfahren kann das Handbuch des Europarats (Council of Europe 2009, Relating Language Examinations to the Common European Framework of Reference for Languages: Learning, Teaching, Assessment (CEFR)) herangezogen werden, das verschiedene Methoden zur Festlegung von Bestehensgrenzen und der Zuordnung von Sprachtests zum GeR beschreibt. Es wurde vom Europarat in Auftrag gegeben, da nach der Veröffentlichung des GeR im Jahr 2001 die Niveauzuweisungen für Sprachkurse, Sprachtests und Lehrwerke teilweise willkürlich und ohne fundierte Grundlage verwendet wurden. Das TestDaF-Institut hat an der Pilotierung der im Handbuch dargelegten Methoden der Zuordnung teilgenommen und die Zuordnung der TestDaF-Niveaus 3, 4 und 5 zu den GeR-Niveaus B2 und C1 anhand dieses mehrschrittigen empirischen Verfahrens validiert (Kecker 2011; Kecker & Eckes 2010). Die zuvor lediglich beispielhaft genannten, standardmäßig durchgeführten Maßnahmen, tragen zur hohen Qualität und Zuverlässigkeit der TestDaF-Ergebnisse bei. Die Ergebnisse erlauben somit verlässliche Prognosen für das tatsächliche sprachliche Handeln im Hochschulkontext, das einen wichtigen Faktor für den Studienerfolg darstellt. Sowohl TestDaF-Teilnehmer als auch Lehrkräfte sowie andere am TestDaF Interessierte haben die Möglichkeit, sich auf der Webseite (www.testdaf.de) und in anderen Publikationen darüber zu informieren, welche Inhalte, Themen und Sprachkompetenzen mit diesen Ergebnissen verbunden sind: das Testformat und -konstrukt, die Testaufgaben und notwendige Bearbeitungsschritte zur Lösung der Aufgaben sowie Kann-Beschreibungen der TestDaF-

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Niveaus. Für das Fachpublikum steht zudem eine große Anzahl von veröffentlichten Studien zur Verfügung, die darüber Auskunft geben, mit welchen Untersuchungen und Forschungsmethoden die Qualität der TestDaF-Ergebnisse abgesichert wird (vgl. Norris & Drackert 2018). Dies wird auch in Fachkreisen anerkannt: So erhielt der TestDaF die Bewertung "Good practice" in allen 17 Mindeststandards des Qualitätsmanagementsystems der ALTE und trägt somit die QMark als Qualitätssiegel dieses europäischen Verbands von Sprachtestern.

3 Evaluation und Weiterentwicklung des TestDaF Für die Validierung einer Sprachprüfung ist es notwendig, fortlaufend zu überprüfen, ob das Konstrukt auch (weiterhin) das Merkmal erfasst, das Prüfungsteilnehmer außerhalb der Prüfungssituation unter Beweis stellen müssen, hier die notwendige Sprachkompetenz für ein Hochschulstudium. Dafür kann beispielsweise eine Bedarfsanalyse hilfreich sein, um die Anforderungen der Realsituation mit den Anforderungen, die die Prüfungsaufgaben an die Teilnehmer stellen, abzugleichen. Eine solche Studie zur Validierung der kommunikativen Sprachhandlungen im TestDaF wurde im Jahr 2010/2011 durchgeführt (Arras 2012; Marks 2015). Anlass dafür war, dass es seit der Einführung des TestDaF im Jahr 2001 an den Hochschulen strukturelle Veränderungen durch die Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge gab. Gleichzeitig hatte der Einzug der neuen Medien einen Wandel der Kommunikationsformen in der Lehre und der Aufbereitung von Lernmaterialien zur Folge. Die qualitative Datenerhebung mithilfe von Interviews und einer umfangreichen Dokumentenanalyse mündete in der Entwicklung eines Fragebogens, mit dem ermittelt wurde, welchen sprachlichen Anforderungen, aber auch sprachlichen Schwierigkeiten Studienanfänger sowohl aus ihrer eigenen Perspektive als auch aus der Sicht der Dozenten an deutschen Hochschulen begegnen. Dieser Fragebogen wurde von über 1.300 internationalen Studierenden und 120 Lehrkräften beantwortet. Als ein Ergebnis lässt sich festhalten, dass das bisherige TestDaF-Prüfungsformat nach wie vor wichtige sprachliche Anforderungen abbildet, die für die Aufnahme eines Hochschulstudiums erforderlich sind. So gehört beispielsweise zu den Sprachhandlungen, die nach Einschätzung der befragten Personen „häufig“ bzw. „sehr oft“ im Hochschulalltag benötigt werden, das Hören einer Vorlesung und das gleichzeitige Anfertigen von Notizen (Arras 2012: 144; Marks 2015: 24). Diese Anforderung wird durch das Aufgabenformat der Kurzantwortaufgaben im Prüfungsteil Hörverstehen umgesetzt.

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Die Bedarfsanalyse machte darüber hinaus aber auch deutlich, dass die weitgehende Trennung der Teilkompetenzen Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen in der Prüfung nicht der realen Sprachverwendung in kommunikativen Situationen an der Hochschule entspricht. Diese Situationen sind meist kompetenzübergreifend und stellen komplexe sprachliche Anforderungen an die Studierenden, wie z.B. das Lesen von Fachliteratur, um diese in eigenen schriftlichen Texten zu verarbeiten oder in einer Seminarsitzung darüber zu sprechen. Daher sollten gerade solche Verarbeitungsprozesse, die mehrere Kompetenzen miteinander verbinden, stärker in einem Sprachtest für den Hochschulzugang berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit, diese Anforderungen weitgehend realitätsnah in einem Test darzustellen, bieten integrierte Aufgabenformate. Darunter sind im Allgemeinen solche Testaufgaben zu verstehen, die mehr als eine Teilkompetenz für ihre Bearbeitung erfordern (Plakans 2013). Legt man jedoch eine enger gefasste Definition zugrunde, so sind integrierte Aufgaben dadurch gekennzeichnet, dass sie einen längeren Input in Form von Lese- und/oder Hörtext(en) enthalten, der sowohl inhaltlich als auch sprachlich in einem längeren schriftlichen oder mündlichen Output verarbeitet werden muss (vgl. Knoch & Sitajalabhorn 2013). Integrierte Aufgaben in diesem Sinne tragen demnach zur Validität von Sprachtests im akademischen Kontext bei, da sie weitgehend authentisch die Fähigkeit prüfen, Informationen aus (unterschiedlichen) Quellen in eigenen Texten zu verarbeiten – eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Teilhabe am Wissenschaftsdiskurs (Cumming 2013). Ausgehend von diesen Überlegungen wurden im TestDaF-Institut daher neben Aufgaben, die weiterhin die Teilkompetenzen weitgehend isoliert erfassen, auch neue integrierte Formate für das Überprüfen der Schreib- und Sprechkompetenz entwickelt. Die Umsetzung der Aufgaben erfolgte dabei am Computer, auch weil dadurch die Einbindung weiterer Medien wie Videos und Audios möglich ist. Im Rahmen mehrerer Erprobungen wurden die Aufgaben dahingehend untersucht, inwiefern sie tatsächlich geeignet sind, die o.g. Fähigkeit zur Informationsverarbeitung zu ermitteln, und ob sie sich am Computer angemessen bearbeiten lassen (vgl. Zimmermann & Marks 2015). Ein weiteres Ergebnis der groß angelegten Bedarfsanalyse unter internationalen Studienbewerbern und Hochschullehrern betrifft die Berücksichtigung von Medien in der Hochschulkommunikation: Den TestDaF-Aufgaben [in der Papierversion] mangelt es aber am Einbezug der sog. neuen Medien und modernen Kommunikationsformen. So wäre es mit Blick auf die heutige Situation an den Hochschulen wünschenswert, auch sprachliche Aktivitäten wie ‚E-Mail schreiben‘ und einen ‚Vortrag anhand einer PowerPoint-Präsentation halten‘ abzudecken. (Marks 2015: 29)

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Während sich die Einbindung von Inhalten mithilfe von digitalen Medien wie PowerPoint-Folien oder Videos für eine computerbasierte Sprachprüfung auf den ersten Blick anbietet, gilt es jedoch auch, den Mehrwert der Multi-Media-Komponente für neue Testaufgaben kritisch zu hinterfragen. So hat z.B. Schwarz (2017) mithilfe von Eye-Tracking, d.h. der Aufzeichnung der Blickbewegungen von Probanden am Computerbildschirm, den Einsatz von Videos in neuen computerbasierten Hörverstehensaufgaben untersucht. Eine Untersuchungsfrage war, ob Videos, die neben dem Sprecher auch Abbildungen zum Inhalt des gehörten Textes enthalten (content videos), von Prüfungsteilnehmern anders wahrgenommen werden als Videos, die solche inhaltlichen Hilfen nicht enthalten (context videos). Die Ergebnisse zeigen, dass das content video zwar nicht länger betrachtet wurde, aber teilweise als hilfreicher und authentischer eingestuft wurde als das context video. Während durch die Berücksichtigung von integrierten Testaufgaben und die Einbindung von multi-medialen Komponenten das zu messende Konstrukt der sprachlichen Zulassung für den Hochschulzugang um zusätzliche Aspekte erweitert wird, sind einige Ergebnisse der Bedarfsanalyse nicht in die Weiterentwicklung des TestDaF einbezogen worden, da sie das Konstrukt des Tests stark eingeschränkt hätten. So sind beispielsweise die Kommunikationsform E-Mail oder der Besuch einer Sprechstunde im Hochschulkontext auf bestimmte sprachliche Handlungen begrenzt. Dafür existieren standardisierte Formulierungen und Redemittel, die von internationalen Studienbewerbern relativ leicht zu lernen sind.3 Zum anderen sind Anliegen, die in E-Mails oder Sprechstunden verhandelt werden, wie beispielsweise die Absprache von Prüfungsinhalten, sehr stark fachspezifisch. Da Themen und Inhalte des TestDaF aufgrund der sehr unterschiedlichen Studienfächer der internationalen Studienbewerber jedoch fächerübergreifend sein müssen, wurde auf die Abbildung dieser Kommunikationssituationen für zukünftige integrierte Testaufgaben verzichtet.

|| 3 Exemplarisch dafür die Formulierungshilfen, die aus dem Projekt Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium, MuMiS, hervorgegangen sind; abrufbar unter http://www.mumis-unicomm.de/deutsch/

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4 Praktische Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht Das wechselseitige Verhältnis zwischen Sprachtests und institutionellem Sprachenlernen führt häufig zur Anpassung der Unterrichtsmethoden, -inhalte und materialien an Testformate und Aufgabentypen (vgl. Alderson & Wall 1993; Grotjahn 2008). Als Konsequenz daraus besteht für optimalen positiven Washback nur ein geringer Unterschied zwischen Aktivitäten, die mit dem Erlernen der Fremdsprache verbunden sind, und Aktivitäten, die zu der Vorbereitung auf einen Test gehören (vgl. Messick 1996). Vor diesem Hintergrund führt die Weiterentwicklung und Neuausrichtung des TestDaF als PC- und webbasiertes Format zwangsläufig zu Veränderungen in der Studien- und Prüfungsvorbereitung und somit auch im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Um den fachlichen und situativen Anforderungen und kommunikativen Aktivitäten im Verwendungskontext Hochschule angemessen begegnen zu können, ist der Ausbau und die Förderung von allgemein- und wissenschaftssprachlichen Kenntnissen erforderlich (vgl. Marks 2015: 33). Die für den Handlungskontext benötigten Kompetenzen gilt es daher genau zu definieren und transparent den beteiligten Gruppen zu kommunizieren, damit die unterrichtlichen Aktivitäten möglichst nah an die tatsächlichen Anforderungen und die Ausbildung kommunikativer Kompetenzen heranführen (vgl. Messick 1996: 243). Die Anpassung von Testkonstrukten an ein weitergefasstes Spektrum genuiner kommunikativer Handlungen führt so zur Erweiterung der im und durch Unterricht zu vermittelnden Inhalte. Der Grad der situativen und kognitiven Authentizität von Sprachtests kann durch die Entwicklung integrierter Aufgabenformate und neuer Itemtypen sowie deren Abbildung und Bearbeitung in einer PC- und webbasierten Umgebung gesteigert werden. „The use of multimedia, which may incorporate audio, images, videos, animation, and graphics […] is believed to have the potential for enhancing the authenticity of language tasks” (Suvorov & Hegelheimer 2014: 597). Hierfür sind jedoch Kenntnisse für einen sicheren Umgang mit der Technik entscheidend. Durch den Bedeutungszuwachs der medialen Komponente in Sprachtests (vgl. PTE Academic, TOEFL iBT)4 sollten Lehr-Lernziel-Bestimmungen daher die Fähigkeit zur zielgerichteten, aufgabenorientierten und kontextadäquaten

|| 4 PTE Academic steht für Pearson Test of English Academic, Informationen unter www.pearsonpte.com; TOEFL iBT steht für die internetbasierte Version des Test of English as a Foreign Language, Informationen unter www.ets.org/toefl/ibt/about.

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Sprachverwendung vor dem Hintergrund des kompetenten Umgangs mit digitalen Medien deutlicher fokussieren. Dafür müssen die Arbeit mit dem Computer – dazu gehört auch die Vertrautheit mit einer Computertastatur – und die Möglichkeiten und Angebote des mobilen Sprachenlernens zur Ausbildung multiliteraler Kompetenzen stärker integriert werden (vgl. Bach 2007). Für diese Ziele können beispielsweise Online-Recherchen, Audio- und Videostreaming, Chat-Programme etc. sinnvoll genutzt werden, was sowohl mit dem Computer als auch mit mobilen Endgeräten (z.B. Smartphones, Tablets) möglich ist. Lernen ist so dynamischer, mobiler und weniger an starre Lernumgebungen und Lernkontexte gebunden (vgl. Wiley & Hilton 2009). Die Verzahnung der medialen Komponente mit dem formalen Lernen birgt Potentiale, die sowohl zur Förderung der Lernmotivation als auch zur gezielten Ausbildung multimedialer Kenntnisse beiträgt (z.B. als wichtige Voraussetzung für eine angemessene Teilhabe am Hochschuldiskurs). Eine stärkere Verbindung der Multimediakomponente mit integrierten Aufgabenformaten erhöht auch den prognostischen Wert der Ergebnisse im Hinblick auf die tatsächliche kommunikative Leistungsfähigkeit (vgl. Bachman & Palmer 2010: 104). Die Entwicklung integrierter Testformate reiht sich dadurch gut in aktuelle didaktische Prinzipien, wie die Inhalts- und Aufgabenorientierung ein, die sich von der Vermittlung isolierter Fertigkeiten distanzieren und auf ein kompetenzorientiertes und fachspezifisches Fremdsprachenlernen setzen (vgl. Plakans 2013: 207). Als Reaktion darauf sollte Projektarbeit im Fremdsprachenunterricht stärker integriert werden, da sich in dieser Form größere Aufgabenfelder thematisch, fertigkeitsübergreifend und medial strukturieren lassen, für deren Bearbeitung die Lernenden ihre Kompetenzen und Interessen lösungsorientiert einbringen können. Projektarbeit und Lernaufgaben sind dabei klar materialgeleitet und berücksichtigen unterschiedliche Kompetenzen. Unterrichtliche Leitziele sind daher stärker an der bedeutungsvollen Kommunikation (focus on meaning and communication) und weniger an der Wort-Satz-Ebene (focus on form and language) auszurichten (vgl. Breidbach 2016; Haß 2016). Die Fortbildung von Lehrkräften sowie deren gezielte Unterstützung bei der Beachtung von Rahmenbedingungen einer Sprachprüfung oder eines Sprachtests können einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass sich positive Rückwirkungseffekte in Vorbereitungsangeboten und letztlich auch in der fremdsprachlichen Unterrichtspraxis einstellen. Um die intendierten Effekte für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache zu erzielen und die deutsche Sprache zu fördern, bedeutet dies im Zuge der Weiterentwicklung des TestDaF, dass neben der Bereitstellung von Informationen zum Test und dessen Einführung auch Fort-

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bildungsmöglichkeiten sowie passende, auf das Format und den Verwendungskontext abgestimmte Unterrichts- und Vorbereitungsmaterialien angeboten werden.

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Manuela Glaboniat

Sprachprüfungen „made in Austria“ als Beitrag zur Förderung der deutschen Sprache Zur Bedeutung von ÖSD-Prüfungen unter besonderer Berücksichtigung des plurizentrischen Ansatzes

1 ÖSD – Der Name ist Programm Das „Österreichische Sprachdiplom Deutsch“, besser bekannt unter seiner Kurzform „ÖSD“, sieht in seinen Initialen eine Möglichkeit, mit der Interpretation derselben zu spielen, zumal die Buchstaben der Abkürzung „ÖSD“ auch als Referenz auf die drei deutschsprachigen Länder Österreich, Schweiz und Deutschland1 und folglich auch auf deren Sprachvarietäten verstanden werden kann. Somit wird bereits durch die Namensgebung einer der Leitgedanken des ÖSD offenkundig: seine plurizentrische Ausrichtung. Wie ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des ÖSD zeigt, reicht diese bis in seine Gründungstage in den frühen 1990er Jahren zurück. Erste Initiativen, ein österreichisches Sprachdiplom zu entwickeln, gab es bereits 1992/1993. 1994 wurde das ÖSD schließlich offiziell gegründet und in der Folge unter Beteiligung namhafter DaF-Expert/innen weiterentwickelt. Die ersten ÖSD-Prüfungen wurden 1995 an sieben lizenzierten Prüfungszentren abgenommen. Aktuell legen jährlich rund 100.000 Deutschlernende an über 400 Prüfungszentren – sowohl in Österreich als auch weltweit – ÖSD-Prüfungen auf allen 6 Niveaustufen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) ab.

|| 1 Ferner steht diese Abkürzung auch als Hinweis auf das „DACH-Prinzip“, dem sich das ÖSD verpflichtet fühlt. Vgl. IDV/DACHL-Online, IDT (2017) sowie Baumgartner & Shafer (2017). || Manuela Glaboniat, Universität Klagenfurt, Österreich, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-025

408 | Manuela Glaboniat

1.1 Die plurizentrische Ausrichtung als Leitgedanke Von Anfang an war es Ziel des ÖSD, Prüfungsteilnehmende auf die spezifischen kommunikativen und linguistischen Gegebenheiten der einzelnen deutschsprachigen Länder vorzubereiten und dazu beizutragen, die sprachlichen Spezifika eben dieser verschiedenen Varietäten als gleichberechtigte und insbesondere auch als gleichwertige sowie gleich korrekte standardsprachliche Ausprägungen des Deutschen zu etablieren und im Bewusstsein der Lernenden zu verankern. Sie sollen befähigt werden, ihren Kommunikationsradius auf das gesamte deutschsprachige Gebiet auszudehnen. Doch wie hoch sind überhaupt Interesse und Bereitschaft, sich neben dem bundesdeutschen Deutsch auch mit den sprecherseitig kleineren Ausprägungen des Deutschen aus Österreich oder der deutschsprachigen Schweiz auseinanderzusetzen? Wo wird im plurizentrischen Ansatz die Grenze zwischen Standardvarietät, Dialekt, Regiolekt und Soziolekt gezogen? Fördert ein plurizentrisches Konzept das Interesse an der deutschen Sprache oder schadet es diesem eher, wie kritische Stimmen befürchten? Häufig anzutreffende kritische Fragen wie diese verdeutlichen, dass dem plurizentrischen Ansatz zuweilen mit Skepsis begegnet wird. Einleitend ist es daher essentiell zu unterstreichen, dass die linguistischen und kommunikativen Gemeinsamkeiten der drei nationalen Varietäten weit größer sind als die Unterschiede zwischen ihnen; andernfalls würde es sich nicht um Varietäten einer einzigen Sprache, sondern vielmehr um verschiedene, eigenständige Sprachen handeln. In Fachkreisen wird postuliert, dass mehr als 90 Prozent des gesamten Sprachmaterials der deutschen Sprache deckungsgleich – also „gemeindeutsch“ – sind (vgl. Ammon 1995; Muhr 2000). Am evidentesten sind sogenannte Varianten, also Unterschiede zwischen den Standardvarietäten, in der mündlichen Kommunikation, also der Aussprache und Betonung, worauf weiter unten noch genauer eingegangen wird. Ungeachtet der Tatsache, dass das Gemeindeutsche – und damit die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Varietäten – mehr als deutlich überwiegt, wird im plurizentrischen Ansatz jedoch nicht selten eine zusätzliche Hürde oder unnötige Schwierigkeit bei Prüfungen vermutet und mitunter die Frage aufgeworfen: Muss man es Deutschlernenden weltweit wirklich noch schwerer machen, indem man in ohnehin häufig angstbesetzten Prüfungssituationen nicht nur „ein Deutsch“, sondern gleich „dreierlei Deutsch“ abfragt?

Sprachprüfungen „made in Austria“ | 409

1.2 „Gleich aber anders“ – Standardvariation als Diskussionsgegenstand Während der plurizentrische Ansatz in Bezug auf viele Sprachen – beispielsweise das Englische – längst kein strittiges Thema mehr darstellt, stieß und stößt er für das Deutsche in der Regel nicht nur auf Begeisterung. Manche Lehrende befürchte(te)n, der Lernwortschatz könnte sich unnötig vergrößern und Lernende müssten nun „zusätzlich” ein hohes Maß an Varietätenkompetenz beweisen, um eine Prüfung bestehen zu können. Um diese Bedenken zu zerstreuen und kritische Fragen zu beantworten, werden im Folgenden die testtheoretischen Grundlagen von ÖSD-Prüfungen sowie das in den ÖSD-Prüfungen umgesetzte plurizentrische Konzept erörtert. Der vorliegende Artikel soll also zeigen, warum die Variation der deutschen Sprache nicht nur eine sprachpolitische und linguistische, sondern auch eine didaktische Selbstverständlichkeit darstellen sollte und folglich in ÖSD-Prüfungen berücksichtigt wird.

2 ÖSD-Prüfungen und ihre testtheoretischen Grundlagen 2.1 Die passende Prüfung für jede/n Lernende/n Das ÖSD ist ein mehrstufiges, kommunikativ ausgerichtetes und international anerkanntes Prüfungssystem für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, welches auf allen 6 Niveaustufen (A1–C2) des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (in der Folge abgekürzt: GER) Prüfungen für unterschiedlichste Zielgruppen anbietet. Aus der nachfolgenden Tabelle ist ersichtlich, welche standardisierten Prüfungen das ÖSD – sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche – bereits entwickelt hat. Allen gemeinsam ist die Orientierung an den Niveaubeschreibungen des GER sowie an Profile deutsch (Glaboniat u. a. 2005).

410 | Manuela Glaboniat

Tab. 1: Übersicht über die derzeit angebotenen ÖSD-Prüfungen (Stand März 2018) Niveaustufe (laut GER)

Prüfung

Zielgruppe

A1

ÖSD Zertifikat A1

Deutschlernende ab 14 Jahren

ÖSD Zertifikat A1 / Österreich

Zugewanderte ab 14 Jahren

ÖSD KID A1

Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren

ÖSD Zertifikat A2

Deutschlernende ab 14 Jahren

ÖSD Zertifikat A2 / Österreich

Zugewanderte ab 14 Jahren

ÖSD Zertifikat A2 / Schweiz

Zugewanderte ab 14 Jahren

ÖSD KID A2

Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren

ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1

Zugewanderte ab 14 Jahren

ÖSD Zertifikat B1 ÖSD Zertifikat B1 / Jugendliche

Jugendliche im Alter von 12 bis 16 Jahren

ÖSD Zertifikat B2

Deutschlernende ab 16 Jahren

ÖSD Zertifikat B2 / Jugendliche

Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren

ÖSD Zertifikat B2 / Österreich

Zugewanderte ab 16 Jahren

ÖSD Zertifikat C1

Deutschlernende ab 16 Jahren

ÖSD Zertifikat C1 / Jugendliche

Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren

ÖSD Zertifikat C2 ÖSD Zertifikat C2 / Wirtschaftssprache Deutsch

Deutschlernende ab 16 Jahren Deutschlernende ab 16 Jahren

A2

B1

B2

C1

C2

Deutschlernende ab 16 Jahren

Integrationsprüfungen für Zugewanderte nach Österreich A2 B1

ÖSD Integrationsprüfung A2 ÖSD Integrationsprüfung B1

Zugewanderte ab 14 Jahren Zugewanderte ab 14 Jahren

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In Hinblick auf die plurizentrische Ausrichtung der ÖSD-Prüfungen ist besonderes Augenmerk auf die Prüfung ÖSD Zertifikat B1 (ZB1) und dessen Jugendvariante (ZB1/J) zu legen, da sie innerhalb des Prüfungsangebots des ÖSD eine Sonderstellung einnehmen. Ihre Entwicklung steht sinnbildlich für die gelungene Kooperation der deutschsprachigen Länder im Bereich Deutsch als Fremdsprache: Das Zertifikat B1 wurde in trinationaler Zusammenarbeit vom Goethe-Institut (Deutschland), dem ÖSD (Österreich) sowie der Universität Fribourg (Schweiz) entwickelt und löste 2013 das bis dahin angebotene, ebenfalls in trinationaler Kooperation erstellte, Zertifikat Deutsch2 (ZD) ab. Ferner ist in Bezug auf die Prüfung ÖSD Zertifikat B1 zu erwähnen, dass es seine Modularität erlaubt, auf individuelle Lernprofile einzugehen sowie diese auch zu zertifizieren und somit abzubilden. Deutschlernende können, sofern sie dies wünschen – in Abhängigkeit ihres persönlichen Lernfortschritts –, die einzelnen Module Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen gesammelt an einem einzigen oder aber auch getrennt und unabhängig voneinander an mehreren Terminen ablegen. Eine Aufteilung der Module auf verschiedene Prüfungsantritte ist deshalb möglich, da jedes Modul gesondert bewertet wird. Durch die getrennte Testung der vier Fertigkeiten – Leseverstehen, Hörverstehen, Schreiben, Sprechen – wird der Tatsache Rechnung getragen, dass eben diese in der Regel kaum je synchron erworben werden. Darüber hinaus wird auch die Prüfung ÖSD Zertifikat C2 modular angeboten. Insbesondere auf dieser Sprachkompetenzstufe werden oft große Niveauunterschiede zwischen den einzelnen Fertigkeiten evident – ein Umstand, der es besonders attraktiv macht, die Möglichkeit in Anspruch zu nehmen, seine Kompetenzen in den vier Fertigkeiten Leseverstehen, Hörverstehen, Schreiben und Sprechen einzeln oder auch in beliebiger Kombination aufgeteilt auf verschiedene Termine unter Beweis zu stellen. Die getrennte Bewertung der Module erlaubt aber nicht nur ein voneinander unabhängiges Ablegen selbiger, sondern hat ferner auch den nicht zu verachtenden Vorteil, dass im Falle des Nichtbestehens nur die betreffende Fertigkeit anstelle der kompletten Prüfung wiederholt werden muss, was neben Nerven auch Geld spart. Darüber hinaus pilotiert das ÖSD seit Jahresbeginn 2018 – an ausgewählten Prüfungszentren und unter wissenschaftlicher Begleitung – für alle in der obigen Tabelle angeführten Prüfungen auch ein sogenanntes „halbmodulares“ Prüfungssystem, das es erlaubt, den schriftlichen (Lesen, Hören, Schreiben) und

|| 2 Das Zertifikat Deutsch wurde gemeinsam entwickelt von dem Goethe-Institut und der telc GmbH (damals: WBT, Deutschland), ÖSD (Österreich) und der Universität Freiburg (Schweiz) und von 1999 bis 2013 angeboten.

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mündlichen Prüfungsteil (Sprechen) unterschiedlicher Niveaus miteinander zu kombinieren. Beispielsweise können Prüfungsteilnehmende schriftlich zur Prüfung ÖSD Zertifikat B2 und mündlich zur Prüfung ÖSD Zertifikat C1 oder umgekehrt antreten und dadurch ihr individuelles Kompetenzprofil zertifizieren und abbilden. Selbstverständlich ist es zudem auch weiterhin nach wie vor möglich, sämtliche oben angeführte ÖSD-Prüfungen gesammelt an einem einzigen Termin abzulegen. Allen ÖSD-Prüfungen gemeinsam ist, dass sie kursunabhängig sind, nach einheitlichen Richtlinien erstellt und von ausgebildeten Prüfenden durchgeführt sowie von diesen anhand festgelegter Kriterien bewertet werden. Darüber hinaus liegen ihnen die testtheoretischen Prinzipien des „kommunikativen Testens“ (vgl. dazu Glaboniat 1998) zugrunde, auf die im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird.

2.2 Lebenspraktisch und relevant – der „Real Life Approach“ des kommunikativen Testens Prüfungen, die den sogenannten „real life approach“3 verfolgen, rücken das sprachliche Können von Prüfungsteilnehmenden – und damit auch deren sprachliche Handlungsfähigkeit – in den Fokus des Interesses. Folglich beziehen sie sowohl pragmatische als auch strategische und soziokulturelle Kompetenzen mit ein und sind größtenteils der Kategorie der sogenannten Performanztests zuzuordnen. Im Gegensatz zu stärker „wissensorientierten“ Kompetenztests4, welche zumeist auf komplexen Modellen „tieferliegender Basisfähigkeiten“ fußen, zielen Performanztests darauf ab, in der Prüfungssituation möglichst realitätsnahes Verhalten in der Zielsprache zu evozieren und zu simulieren. Folglich erfordert der „real life approach“, wie bereits im Namen evident, dass Aufgabensituierungen nicht nur authentisch, sondern auch möglichst relevant und lebenspraktisch sind. Um Prüfungsteilnehmende effektiv in kommunikative Akte zu involvieren, ist es erforderlich, dass ihnen durch die Situierung der Prüfungsaufgabe eine konkrete soziale Rolle zugeteilt wird, aus deren Perspektive sie in der Folge sprachhandeln (vgl. Glaboniat 2010: 1288). Auch das im Titel angeführte plurizentrische Konzept folgt den Grundsätzen des „real life approach“. Schließlich beinhaltet eine solche „lebenspraktische“

|| 3 Vgl. Bachman (1990: 301–307); Glaboniat (1998: 48–49). 4 Zu Performanz- und Kompetenztests vgl. Grotjahn (2000: 322 ff.).

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Überprüfung von Sprachkompetenz selbstredend auch, dass ein Abbild der vorherrschenden sprachlichen Realitäten in den Prüfungen berücksichtigt wird, was alle unterschiedlichen Standardvarietäten gleichberechtigt einschließen muss. Welche Auswirkungen hat dies nun aber auf standardisierte Deutschprüfungen?

2.3 Das plurizentrische Konzept als Markenzeichen von ÖSD-Prüfungen Eine „plurizentrische“ Sprache weist mehrere regionale „Zentren“ und somit zugleich auch unterschiedliche Varietäten auf – nebenbei erwähnt ein Charakteristikum zahlreicher Sprachen. Bei Ammon u. a. (2004) findet sich eine Aufzählung all jener Kriterien, die erfüllt sein müssen, um eine konkrete Sprache gegebenenfalls als „plurizentrisch“ kategorisieren zu können. Im Einzelnen ist im Sinne einer Klassifizierung beispielsweise entscheidend, ob die betreffende Sprache in mehreren Staaten gesprochen wird und, falls dies zutrifft, welchen Status sie in den einzelnen Ländern innehat. Um nach diesem Verständnis als „nationale Standardvarietät“ bzw. als „Vollzentrum“ einer Sprache zu gelten, ist unter anderem erforderlich, dass die betreffende Varietät als Norm anerkannt und sowohl in der Legislative als auch in öffentlichen Institutionen, in der Verwaltung, an Schulen oder in den Medien (Radiosprecher/-innen, Journalist/-innen) verwendet wird. Im günstigsten Fall existieren zusätzlich entsprechende Grammatiken, Kodifizierungen in Wörterbüchern und/oder andere wissenschaftliche Publikationen. Im Gegensatz dazu steht die sogenannte „monozentrische“ Sprachauffassung, welche bis heute mitunter den weltweiten Deutsch als Fremdsprache-Unterricht prägt. Charakteristisch für diesen Ansatz ist die Überzeugung, es gäbe eine einzige, einheitliche sprachliche Norm (und somit ein „Zentrum“) sowie Abweichungen von selbiger („Rand“). Sprachliche Unterschiede werden dieser Auffassung zufolge als nicht normgerecht wahrgenommen (vgl. Clyne 1995). Da das Deutsche sämtliche der oben angerissenen und bei Ammon u. a. (2004) genannten Kriterien erfüllt, zählt es, wie viele andere Sprachen – unter ihnen wie bereits erwähnt Englisch aber auch Armenisch, Arabisch, Chinesisch, Hindi-Urdu, Koreanisch, Indonesisch/Malaiisch, Niederländisch, Portugiesisch, Spanisch –, zu den plurizentrischen Sprachen. Es verfügt mit den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz über drei nationale Vollzentren – und ebenso über drei Standardvarietäten. Aus Gründen der Vollständigkeit sei erwähnt, dass darüber hinaus nationale Halbzentren – im Falle des Deutschen z. B. Luxemburg, Liechtenstein, die deutschsprachige Gemeinschaft in Ostbelgien, Südtirol/Bozen – existieren.

414 | Manuela Glaboniat

Wie die oben angeführten Beispiele zeigen, ist sprachliche Diversität durchaus weit verbreitetet und eher die Regel denn die Ausnahme. Zudem spielt sie eine nicht zu vernachlässigende Rolle, wenn es um identitätsstiftende Momente wie soziale und regionale Zugehörigkeit geht. Innerhalb der germanistischen Sprachwissenschaft stellt die Plurizentrik ein sowohl in Theorie als auch Empirie gerne beforschtes Phänomen dar, was sich in einer Vielzahl von Arbeiten wie etwa dem Variantenwörterbuch5 (Ammon u. a. 2004, 2016) und anderen variantenspezifischen Wörterbüchern (z. B. Ebner 1998; Bickel & Landolt 2012), zur Variantengrammatik6, oder auch zu Varianten in der Aussprache (z. B. Ulbrich 2003; Muhr 2007) niederschlägt. Der nachfolgende Abschnitt widmet sich der Frage, wie das plurizentrische Konzept in ÖSD-Prüfungen konkret umgesetzt wird. Dies geschieht stets in einer Art und Weise, die dezidiert ausschließt, dass sich die Berücksichtigung der Standardvarietäten in den Prüfungsaufgaben erschwerend oder gar nachteilig auf das Erlernen der deutschen Sprache oder das Bestehen der Prüfungen auswirkt.

2.4 Die Umsetzung des plurizentrischen Ansatzes in ÖSDPrüfungen Die plurizentrische Konzeption der ÖSD-Prüfungen zeigt sich am augenscheinlichsten in der Verwendung (quasi-)authentischer7 Lese- und Hörtexte, auf welche sich die einzelnen Prüfungsaufgaben beziehen. Mittels Fußnoten unter den entsprechenden Texten und Aufgaben wird in den Prüfungsunterlagen die regionale Herkunft der einzelnen Texte bzw. Sprecher/-innen angegeben – etwa in der Form „aus einer österreichischen Tageszeitung“ oder „aus einem Schweizer Online-Magazin“. Sollte es sich bei einer im Text vorkommenden lexikalischen Variante um ein lösungsrelevantes Wort handeln, wird auch diese in einer Fußnote in der Zielsprache erklärt bzw. wird ihre gemeindeutsche Entsprechung angeführt. Anhand dieser Beispiele wird bereits deutlich, dass sich die Umsetzung des plurizentrischen Ansatzes in erster Linie in den rezeptiven Fertigkeiten Lesen und Hören niederschlägt. Von Prüfungsteilnehmenden wird dabei die Kenntnis || 5 Vgl. Ammon et al. (2004, 2016) bzw. https://vwb.germa.unibas.ch/home.html. 6 Vgl. Dürscheid, Elspaß & Ziegler (2011) bzw. http://www.variantengrammatik.net/index.html. 7 „Quasi-authentisch” bedeutet, dass die Texte bearbeitet – also z. B. gekürzt und dem Wortschatz oder der grammatikalischen Komplexität der jeweiligen Niveaustufe angepasst – sein können, dabei aber nach wie vor in einem Maße glaubwürdig bleiben, dass sie von Muttersprachler/-innen als natürlich und ungekünstelt wahrgenommen werden.

Sprachprüfungen „made in Austria“ | 415

um nationale (lexikalische) Varianten keineswegs zwingend erwartet. Grundsätzlich wird bei den international angebotenen ÖSD-Prüfungen8 auf ein möglichst ausgeglichenes Verhältnis von Lese- und Hörtexten aus den unterschiedlichen deutschsprachigen Ländern geachtet.9 Ähnlich verhält es sich mit den Prüfungsaufgaben zu Schreiben und Sprechen. Zwar können die Prüfungsaufgaben im Sinne des kommunikativen Ansatzes in jedem der deutschsprachigen Länder situiert und in einen entsprechenden Kontext eingebettet sein; es wird jedoch keineswegs erwartet, dass Prüfungsteilnehmende nationale Besonderheiten produktiv beherrschen – sie dürfen vielmehr stets den Standard verwenden, den sie gelernt haben. Bei der Bewertung der produktiven Leistungen gilt das Prinzip der Gleichwertigkeit und Toleranz. Unabhängig vom Prüfungsort und der standardsprachlichen Herkunft der Prüfenden soll es bei der Bewertung keinerlei Benachteiligung oder sogar Sanktionen geben. Im Zweifelsfall liegt es in der Verantwortung der Prüfenden, nachzuschlagen, ob es sich beispielsweise bei einer von Prüfungsteilnehmenden verwendeten Formulierung etwa um eine bundesdeutsche, österreichische oder schweizerische Standardvariante handelt. Es gilt der Grundsatz, dass standardsprachliche Varianz in produktiven Prüfungsleistungen der Teilnehmenden keinesfalls zu ungleicher Bewertung führen darf. Auch wenn eine gewisse Varietätenkompetenz sowie landeskundliche und soziokulturelle Kenntnisse Teilnehmenden in der Prüfungssituation also mitunter durchaus zupasskommen können, sind sie, wie aus den oben angeführten Beispielen deutlich wird, keineswegs zwingende Voraussetzung für das Bestehen einer ÖSD-Prüfung. Die Unterschiede zwischen den drei Standardvarietäten und somit auch in den Lese- und Hörtexten in ÖSD-Prüfungen zeigen sich, wie nachfolgend ausgeführt, vor allem auf lexikalischer, phonetisch-phonologischer, morphologischer, semantischer und pragmatischer sowie – in geringerem Ausmaß – auch auf morphosyntaktischer, grammatikalischer bzw. orthografischer Ebene (vgl. u.a. Ammon 1995; Ammon et al. 2004, 2016; Dürscheid, Elspaß & Ziegler 2011; Muhr 1995).

|| 8 Eine Ausnahme stellen in dieser Hinsicht ÖSD-Prüfungen dar, die zu Integrationszwecken ausschließlich in Österreich angeboten werden und sich an der Lebenswelt von Migrant/-innen orientieren. Hier dominieren in logischer Konsequenz Texte und Aufgaben aus Österreich. 9 Ein Sonderfall ist das bereits oben erwähnte, in trinationaler Kooperation entwickelte Zertifikat B1. In dieser Prüfung ist der Anteil der Lese- und Hörtexte aus Deutschland größer als jener der Texte aus der Schweiz und aus Österreich.

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Plurizentrik im ÖSD von „A bis Z“: Im Folgenden sollen nun Beispiele für nationalsprachliche Unterschiede, die in Lese- und Höraufgaben der ÖSD-Prüfungen vorkommen können, in alphabetischer Reihenfolge angeführt werden. Aussprache Vor dem Hintergrund, dass es L1-Sprecher/-innen des Deutschen oft bereits nach wenigen Sätzen gelingt, Gehörtes geografisch in einem der drei deutschsprachigen Länder zu verorten, verwundert es kaum, dass sich in der Aussprache zahlreiche nationale Spezifika ausmachen lassen. Das anlautende „s“ (z. B. in Sonne) wird etwa in Österreich, der Schweiz sowie im süddeutschen Raum – im Gegensatz zum norddeutschen Raum, wo es stimmhaft gesprochen wird – stimmlos artikuliert. Auch die Realisierung des anlautenden „ch“ in Ländernamen oder Lehnwörtern erfolgt in den drei deutschsprachigen Ländern unterschiedlich: Das „ch“ in „China“ und „Chemie“ wird in der Schweiz mit einem „ach“-Laut artikuliert, während es in Österreich als „k“ und im norddeutschen Sprachraum als „sch“ ausgesprochen wird. Ein weiteres Beispiel ist die Endsilbe „-ig“. Diese wird in Österreich, der Schweiz und im süddeutschen Raum als Plosiv realisiert, während sie im norddeutschen Sprachraum als Frikativ artikuliert wird (z. B. fleißig: süddeutsch, österreichisch, schweizerisch: „fleißig“, norddeutsch: „fleißich“). Außerdem werden manche Wörter je nach Varietät auf unterschiedlichen Silben betont, z. B. Kaffee (norddeutsch) vs. Kaffee (österreichisch), Telefon (norddeutsch) vs. Telefon (österreichisch) oder CD (österreichisch, norddeutsch) vs. CD (schweizerisch). Grammatik Varietätenspezifische Besonderheiten werden beispielsweise in der Verwendung von Perfekt, Präteritum und Plusquamperfekt deutlich. Typisch für das österreichische Deutsch sind etwa die beinahe ausschließliche Verwendung des Perfekts und das weitgehende Fehlen des Präteritums sowie der eingeschränkte Gebrauch des Plusquamperfekts in der gesprochenen Sprache. Darüber hinaus wird das Perfekt der Verben liegen, sitzen und stehen je nach Varietät mit sein oder haben gebildet. Prüfungstexte spiegeln weiters auch variierende Artikel wie etwa die Cola (D) bzw. das Cola (A) sowie Unterschiede in der Wortbildung wie beispielsweise Aufnahmsprüfung (A) oder Aufnahmeprüfung (D) wider.

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Orthografie In Prüfungstexten, die Schweizer Medien entnommen sind, wird der Schweizer Orthografie entsprechend konsequent Doppel-s anstelle von „ß“ verwendet. Für ÖSD-Prüfungen typisch ist, wie bereits erwähnt, auch, dass die Herkunft der Texte angegeben wird, was in diesem Zusammenhang als besonders wichtig erscheint. Mithilfe dieser Maßnahme soll schließlich potentiellen Irritationen von Prüfungsteilnehmenden vorgebeugt werden. Selbstverständlich dürfen diese auch Schweizer Orthografie z. B. im Prüfungsteil Schreiben verwenden, ohne dafür in irgendeiner Form sanktioniert zu werden. Pragmatik Unterschiede zwischen den Standardvarietäten hinsichtlich der Pragmatik lassen sich vor allem im Bereich der Höflichkeitskonventionen und Grußformeln (z. B. servus/grüezi, tschüss/adieu) sowie im Umgang mit akademischen Titeln feststellen. Die Verwendung von konjunktivischen Modalverben beim Formulieren von Fragen und Bitten ist für das österreichische Deutsch charakteristisch, während deutsche Sprecher/-innen eher indikativische Formen verwenden – z. B. „Könntest du mir bitte die Mitschrift borgen?“ (A) vs. „Leihst du mir bitte die Aufzeichnungen?“ (D) (vgl. Muhr 2000: 142). Darüber hinaus werden in keinem deutschsprachigen Land akademische Titel so häufig gebraucht wie in Österreich, wo sie mitunter auch einen festen Bestandteil des Namens darstellen (z. B. „Guten Morgen, Herr Diplom-Ingenieur Berger“). Wortschatz In ÖSD-Prüfungen finden sich v. a. im Bereich der Lexik Varianten wie etwa Velo (CH) für Fahrrad, Sonnabend (D) für Samstag oder Jänner (A) für Januar. Bis zur Stufe B1 sind sämtliche potenziell prüfungsrelevanten Varianten in Wortlisten (z. B. in Profile deutsch) mit entsprechenden Erklärungen und Länderhinweisen angeführt (vgl. für B1 z. B. Glaboniat, Perlmann-Balme & Studer 2013: 121–123). Zusätzlich werden in Prüfungstexten vorkommende Varianten, wie bereits erwähnt, in Fußnoten erklärt. Somit bleibt das Verstehen der Texte auch dann gewährleistet, wenn Prüfungsteilnehmenden lexikalische Varianten nicht bekannt sind – und niemandem kann ein Nachteil aus der Verwendung länderspezifischer Ausdrücke erwachsen. An keiner Stelle wird von Lernenden erwartet, dass sie die für die jeweilige Varietät spezifischen Ausdrücke benennen oder gar einander gegenüberstellen können. So wäre es beispielsweise vollkommen ausreichend, das Wort Kissen

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(CH, D) zu verstehen bzw. verwenden, ohne die österreichische Variante Polster nennen zu können. Zeugnisse/Zertifikate Zu guter Letzt seien die Zeugnisse (Zertifikate) angeführt, die Prüfungsteilnehmende nach ihrer ÖSD-Prüfung erhalten, da sich auch auf ihnen der plurizentrische Ansatz des ÖSD widerspiegelt. Da die Bezeichnung „Österreichisches Sprachdiplom Deutsch“, die selbstverständlich auch auf den Zertifikaten zu finden ist, mitunter die falsche Interpretation nahelegt, es handle sich bei ÖSD-Prüfungen um Sprachtests, die lediglich die österreichische Varietät, also ausschließlich österreichisches Deutsch, überprüfen würden, wird auf den Zertifikaten zusätzlich das ÖSD-Logo mit dem Wortspiel „Österreich, Schweiz, Deutschland“ aufgedruckt. Zum Abschluss dieses Kapitels sei daran erinnert, dass das Prinzip der Plurizentrik sowohl der Intention des Europarates als auch dem GER entspricht, wo vorgesehen ist, dass die natürliche Variation innerhalb der deutschen Sprache in den Aufgaben abgebildet wird. Dies bestärkt das ÖSD, sich in seinen Prüfungen an der sprachlichen Realität zu orientieren und eine gebrauchsfähige Sprache anstelle einer abgehobenen (einheitlichen) Norm zu vermitteln. Rudolf Muhr (2000: 34) beschreibt in den ÖSD-Lernzielkatalogen die „Vermittlung einer gebrauchsfähigen Sprache als Basis des modernen DaF-Unterrichts“ wie folgt: Der Erwerb einer von der Realität abgehobenen Norm stellt sich hinsichtlich der sprachlichen Anforderungen als unangepasst und somit als disfunktional heraus. Der DaF-Unterricht muss daher die Fiktion einer einheitlichen deutschen Standardsprache zugunsten einer realitätsbezogeneren Sprachauffassung aufgeben, ohne deshalb die Berechtigung der Standardsprache als Basis des Sprachunterrichts in Frage zu stellen.

Im Weiteren beschreibt Muhr (2000: 35) die Aufgabe einer modernen Didaktik: Für den modernen Fremdsprachenunterricht gilt das Ziel, dass die Sprecher eine möglichst umfassende aktive Sprachkompetenz erwerben sollen, um damit einen maximalen Kommunikationsradius zu erreichen. Dies ist angesichts der vorhandenen Varianz im deutschen Sprachraum nur dann möglich, wenn die Sprecher in der Lage sind, sich überregional verständlich auszudrücken, jedoch nationale, regionale und kommunikative Standards soweit rezipieren können, dass sie das Gemeinte verstehen.

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2.5 Unbegründete Ängste oder berechtigte Kritik? Wie eingangs erwähnt führt der plurizentrische Ansatz im Bereich Deutsch als Fremdsprache – vor allem in Bezug auf die praktische Umsetzung – immer noch zu großen Diskussionen, Vorbehalten und sogar Abwehrhaltungen. Diese haben ihren Ursprung sehr oft in persönlichen Einstellungen und Vorurteilen zum Stellenwert und Prestige einer Varietät10. Nicht selten finden sich die Gründe aber auch in der Überforderung der Lehrenden bzw. Prüfenden, die bezüglich der Varianten und deren korrekte oder angemessene Verwendung selbst oft unsicher sind (vgl. de Cillia 2006; de Cillia, Fink & Ransmayer 2013). Jutta Ransmayr (2006) zeigt in ihrer Arbeit zur Wahrnehmung des „österreichischen Deutsch“ an ausländischen Germanistikinstituten auf, dass die österreichische Varietät zum Teil nach wie vor als Non-Standard bzw. Substandard-Varietät gilt und mit Dialekten gleichgesetzt wird. Obwohl Testkonstrukteur/-innen akribisch darauf achten, dass das Verstehen der Prüfungstexte durch die Verwendung von Varianten insbesondere an lösungsrelevanten Textstellen nicht beeinträchtigt bzw. erschwert wird, werden die größten Ängste aber meist in Bezug auf Prüfungen und Tests geäußert. Takahashi (2000: 29) gelangt zum Beispiel anhand eines Vergleichs zwischen den plurizentrisch konzipierten Deutschprüfungen des ÖSD und den monozentrischen Deutschprüfungen des Goethe-Instituts zu folgendem Schluss: Besonders Lernende, deren Muttersprache sprachtypologisch vom Deutschen entfernt ist, müssen sich schon mit dem Lernen einer einzigen Standardvarietät viel Mühe geben, auch was die Rezeptionsnormen betrifft. Beispielsweise würden japanische Deutschlernende mit dem Hörverständnistest des ÖSD mehr Schwierigkeiten haben als mit dem vom GoetheInstitut.

Shafer (2018) hingegen findet keine empirische Evidenz für die These, dass Standardvariation für Deutschlernende ein Problem darstellt. Auch sie beschäftigte sich mit dem innerhalb der Varietätenfrage am stärksten „angstbesetzten“ Thema – dem Hörverstehen – und kam in ihrer Untersuchung zur Verständlichkeit von Hörtexten in deutscher, österreichischer und schweizerischer Varietät zum Ergebnis, dass sich die Verstehensleistung von über 350 DaF-Lernenden auf GER-Niveau A2 trotz unterschiedlicher sprachlicher Varietäten kaum unterscheidet. Shafers datenbasierter Studie zufolge hat die verwendete Standardvarietät in einem Hörtext somit keinen wesentlichen Einfluss auf dessen Schwierigkeit – der Prozentsatz korrekt gelöster Items variiert kaum (60 % bei österreichischen

|| 10 Vgl. z.B. Ammon (1995); de Cillia (1997); Markhardt (2005); Schmidlin (2011).

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Sprecher/-innen, 62 % bei Sprecher/-innen aus der Schweiz und 63 % bei bundesdeutschen Sprecher/-innen). Die geringen Unterschiede in der Anzahl der korrekt gelösten Items liefern keinen Beweis dafür, dass die drei Standardvarietäten unterschiedlich gut verstanden werden. Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kam eine von der trinationalen Testarbeitsgruppe zum Zertifikat Deutsch eigens durchgeführte Fallstudie im Jahre 2000. Diese hat ebenfalls ergeben, dass die im ZD vorhandenen Varietäten keinen unmittelbaren Einfluss auf die Verstehensleistung und in weiterer Folge auf die Prüfungsergebnisse der Teilnehmenden haben.11

3 Fazit Wie in dem Beitrag dargelegt wurde, haben zahlreiche einschlägige Forschungsarbeiten und Publikationen (z. B. Ammon 1995; Clyne 1984, 1992 und 1995; Muhr 1995, 1999, 2000 und 2005; Ransmayer 2006; Hägi 2006 u. v. a.), die systematische Erfassung der Standardvarianten durch das Variantenwörterbuch des Deutschen (Ammon u. a. 2004, 2016), DaF-Grundlagenwerke wie Profile deutsch (Glaboniat u. a. 2005) und darauf aufbauende DaF-Lehrwerke und Prüfungsprogramme dazu beigetragen, dass die deutsche Sprache mittlerweile von einer großen Anzahl an Lehrenden und Lernenden als plurizentrische Sprache wahrgenommen wird. Es ist mittlerweile auch empirisch belegt, dass die Schwierigkeit der Sprachprüfungen durch die Berücksichtigung der Standardvarietäten nicht beeinflusst wird. Die Verwendung authentischer Texte und die plurizentrische Konzeption von ÖSD-Prüfungen werden heute sowohl von Lehrenden als auch von Lernenden im Sinne eines modernen, kommunikativ orientierten Unterrichts gut angenommen. Unabhängig davon zeigen jedoch auch sehr viele Studien, dass immer noch viele Vorurteile und unberechtigte Ängste gegenüber den Sprachvarietäten unter Unterrichtenden und Lernenden existieren. Vor diesem Hintergrund wird einmal mehr deutlich, wie wichtig ein plurizentrisches Verständnis der deutschen Sprache und die Umsetzung des plurizentrischen Ansatzes in ÖSD-Prüfungen sind. Besonders erfreulich ist in diesem

|| 11 Unveröffentlichtes Manuskript von Elisabeth Piskernik (ÖSD, Wien), Beate Zeidler (WBT, Frankfurt a/M) und Thomas Studer (Uni Freiburg/EDK); Vortrag auf der IDT 2001 in Luzern. Datengrundlage der Studie waren die Prüfungsresultate aus ZD-Prüfungen.

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Zusammenhang die Entwicklung, die unmittelbar nach Einführung des Zertifikat B1 einsetzte. Rasch erschienen in verschiedenen Verlagen kurz nach Start des Zertifikat B1 mehrere Bände mit Vorbereitungsmaterialien, die plurizentrisch ausgerichtet sind. Auch für ÖSD-Prüfungen anderer Stufen finden sich in der Zwischenzeit diverse Vorbereitungsbände mit plurizentrischer Ausrichtung im Buchhandel. Genau diesen Effekt wollten die Testentwickler erzielen: Der Gedanke der Plurizentrik wurde – der Prämisse folgend, dass die Vielfalt der Sprache bewahrenswert sei und ein allgemeines Bewusstsein für die Varietäten geschaffen werden sollte – in die Kursgruppen getragen, um den Deutsch als Fremdsprache-Unterricht im Sinne der sprachlichen und kommunikativen Realität des Deutschen nachhaltig zu verändern. Dass der Gedanke einer plurizentrischen Didaktik immer stärker über die Prüfungsvorbereitung hinaus auch im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht eine Rolle spielt, zeigen immer mehr DaFLehrwerke. Durch die – möglichst frühe – Auseinandersetzung und Bewusstmachung dieser sprachlichen Varianz im Unterricht bzw. in der Prüfungsvorbereitung ergeben sich für die Lernenden mehrere Vorteile: Es erweitert sich nicht nur ihr Wissen über die deutsche Sprache und die deutschsprachigen Länder, sondern ebenso ihr (rezeptiver) Kommunikationsradius. Kritikern gegenüber könnte man demzufolge argumentieren, dass Lernende nicht nur die Möglichkeit erhalten sollten, die sprachlichen Varietäten der deutschen Sprache kennenzulernen, sie hätten sogar ein Recht darauf. Abschließend ist festzuhalten, dass der wichtigste Faktor der Einbeziehung von Varietäten bei Prüfungen in der Bewusstseinsbildung und dem erwähnten Rückkoppelungseffekt auf Unterricht, Lehrwerke und Curricula liegt. Es ist daher zu hoffen, dass die großen, internationalen Deutsch-Prüfungen diesbezüglich eine Vorbildwirkung auch auf nationale Prüfungen sowie auch auf die regelmäßige Leistungsüberprüfung im Kursgeschehen im weltweiten Deutsch-Unterricht haben.

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Der Fördererfolg für DaF des Programms „Schulen: Partner der Zukunft (PASCH)“ 1 Einleitung Anfang 2008 wurde die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) durch das Auswärtige Amt ins Leben gerufen. Zehn Jahre später gibt es ein weltumspannendes Netzwerk von über 1.800 Schulen mit besonderem Interesse an der Förderung von Deutsch als Fremdsprache. Für zahlreiche Alumni spielt Deutschland eine wichtige Rolle in ihrer Bildungsbiografie. 2018 feierten die Träger und Partner den Fördererfolg dieser Initiative. An dieser Stelle sollen, ausgehend vom globalpolitischen Kontext, der Entwicklung der Initiative nachgegangen und Schwerpunkte der PASCH-Arbeit ausgearbeitet werden. Der Text beleuchtet PASCH außerdem anhand des Beispiels Mittelosteuropa im Rahmen der Arbeit der Bildungskooperation Deutsch des Goethe-Instituts und schließt mit der Beschreibung zweier Studien zur Wirkungsanalyse des globalen Projektes.

2 Die Entstehung der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft (PASCH)“ im Kontext der globalpolitischen Situation Auf dem prestigeträchtigen Feld der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) war die Förderpolitik der beiden deutschen Staaten bis in die 1980er Jahre hinein durch die Konkurrenzsituation der verschiedenen ideologischen Systeme in Ost und West gekennzeichnet. So gelang es der Bundesrepublik Deutschland, den Anteil an den gesamten Staatsausgaben bis zur deutschen Wiedervereinigung langsam zu steigern. In den 1990er Jahren wurde der deutsche Etat durch die immensen Kosten des politischen Kraftaktes schwer belastet und es standen

|| Christian Hoffmann, Goethe-Institut, Jakarta, Indonesien, [email protected] Cordula Hunold, Goethe-Institut Masaryko, Prag, Tschech. Rep., [email protected] Ina Hoischen, Goethe-Institut, München, Deutschland, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-026

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innenpolitische Themen im Vordergrund. Daher fanden Initiativen zur Förderung der deutschen Sprache in der Welt nur schwer politische Unterstützung; folglich sank der prozentuale Anteil in den Jahren 1989 bis 2000 von 0,32% auf 0,23% (Auswärtiges Amt 2000: 19). In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends unterzog sich die deutsche Gesellschaft – alarmiert durch ihre kriselnde Wirtschaft – einer liberalisierenden Strukturreform; gleichzeitig begann die exportorientierte deutsche Wirtschaft, immer stärker vom gemeinsamen europäischen Markt (Konsumnachholbedarf in den osteuropäischen Ländern und Migration „billiger“ Arbeitskräfte von dort) und dem Erstarken der indischen und besonders der chinesischen Wirtschaft zu profitieren. Die deutsche Wirtschaft zog wieder an, und die deutsche Politik begann, sich aus der Selbstbezogenheit der 1990er Jahre zu lösen und suchte nach einer neuen Rolle in dem nun vermeintlich postideologischen Weltgefüge. Neue strategische Themen standen nun auf der deutschen außenpolitischen Agenda (Hoffmann 2014).

2.1 Neue wirtschaftliche Konkurrenten Deutschland ist als exportorientiertes Industrieland von jeher darauf bedacht, zu möglichst vielen Staaten der Welt gute Beziehungen zu unterhalten, um den Handel nicht zu gefährden. Im neuen Jahrtausend drängen viele Schwellenländer mit billigen Produkten auf den Markt und verstärken gleichzeitig durch ihre boomenden Ökonomien den Druck auf dem Rohstoffmarkt. Insbesondere China, aber auch die anderen BRICST-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika, Türkei) verschärfen die Konkurrenz um internationale Absatz- und Rohstoffmärkte.

2.2 Kampf gegen den internationalen Terrorismus Spätestens seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist der internationale Terrorismus eine ernstzunehmende Bedrohung geworden. Die Bundesregierung setzt auf Präventivmaßnahmen; verstärktes kulturelles Engagement in Ländern, die potentiell Terroristen hervorbringen, gehört dazu. Das Auswärtige Amt engagiert sich dafür, Zukunftschancen für von Flucht und Migration betroffene Menschen zu schaffen. Bildungsangebote vor Ort sorgen dafür, dass die Beschäftigungsfähigkeit nicht nur von Migrantinnen und Migranten, sondern von allen jungen Menschen in den Herkunfts-, Transit- und

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Erstaufnahmeländern erhöht und Perspektiven für einen Verbleib in ihren Heimatregionen aufgezeigt werden. (Auswärtiges Amt 2016: 32)

2.3 Internationalisierung deutscher Hochschulen Deutschland ist als rohstoffarmes Land auf technisch-industrielle Innovationen angewiesen. Innovationen werden in Zeiten der Globalisierung von Spitzenforschern in internationalen Teams entwickelt. Das Auswärtige Amt erkennt: Die Globalisierung von Wissenschaft und Forschung erfordert […] eine konsequente Internationalisierung der Strukturen und Forschungsaktivitäten sowie der Lehrkörper- und Studierendenschaft des deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystems. (Auswärtiges Amt 2016: 82)

Doch auch auf dem akademischen Markt ist die Konkurrenz stark: Insbesondere asiatische Staaten, aber auch andere aufsteigende Schwellenländer werden in den nächsten Jahren auf den internationalen Bildungsmarkt drängen. Trotz des zu erwartenden Anstiegs der Gesamtzahl international mobiler Studierender wird sich die Konkurrenz um die besten Köpfe damit voraussichtlich deutlich verschärfen. (Auswärtiges Amt 2016: 82)

2.4 Drohender Fachkräftemangel Schon seit einigen Jahren wird in Deutschland ein Fachkräftemangel konstatiert, der sich bei Deutschlands rückläufiger demographischer Entwicklung auszuweiten droht. Die deutsche Politik setzt in diesem Zusammenhang auf Anreize zur Eingliederung von internationalen Fachkräften in den deutschen Arbeitsmarkt bei gleichzeitiger Vermeidung eines „brain drain“ insbesondere aus Schwellenund Entwicklungsländern. Dem Deutschunterricht im Ausland wird hierbei eine besondere Bedeutung zugemessen: „Über die Kombination von Deutschunterricht und beruflicher Bildung wird darüber hinaus ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sowohl in Deutschland als auch im Ausland geleistet.“ (Auswärtiges Amt 2016: 75)

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3 Ziele der Initiative Schulen: Partner der Zukunft (PASCH) Allen oben genannten strategischen Themen gemeinsam ist, dass Deutschland zu möglichst vielen Ländern der Welt nachhaltige partnerschaftliche Beziehungen aufbauen will. Das waren und sind gute Voraussetzungen für das Lancieren neuer Initiativen zur Förderung der deutschen Sprache. Dies erkannte auch der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier, als er 2007 die Grundzüge einer Initiative entwarf, die dann ab 2008 unter dem Namen „Schulen: Partner der Zukunft (PASCH)“ weltweit in ca. 128 Ländern lanciert wurde. Seither wuchs das Partnerschulnetzwerk beständig auf inzwischen 1.820 Partnerschulen an (Goethe 2017b: 3). Seit Beginn der Initiative erfolgt die Steuerung durch das Auswärtige Amt, welches 2009 folgende globalpolitischen Ziele für PASCH formulierte: 1. Ein Netzwerk von mindestens 1000 Partnerschulen errichten 2. Zukünftige Partner für die deutsche Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Bildung und Kultur in den Wachstumsregionen (Asien, Naher und Mittlerer Osten) sowie den Schwerpunktregionen (Mittel- und Osteuropa, GUS) gewinnen 3. Das deutsche Auslandsschulwesen und Deutsch als Fremdsprache besonders in den zuvor genannten Wachstumsregionen sowie in den Schwerpunktregionen der Auswärtigen Kulturpolitik stärken 4. Den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland stärken und die ,besten Köpfeʻ für Deutschland gewinnen 5. Einen Beitrag zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in den ODA-Ländern („official development assistance“) leisten (Auswärtiges Amt 2009: 12) Bei einer genaueren Analyse der Ziele zeigt sich, dass diese sich auf teils sehr unterschiedliche Aspekte beziehen und dass das Erreichen derselben größtenteils schwer messbar sein wird (vgl. Hoffmann 2014): − Ziel (1) ist gleichzeitig das Hauptinstrument zum Erreichen der anderen Ziele und wurde – da frühzeitig erreicht – zwischenzeitlich schon erweitert. − Ziel (2) ist ein mittel- bis langfristiges Ziel und wird eventuell in Zukunft über die Alumni-Arbeit messbar werden, wenn sich in fünf oder zehn Jahren zeigt, dass einige (oder viele) PASCH-Alumni in den Gastländern wichtige Positionen bekleiden und weiterhin in Kontakt mit Deutschland stehen.

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Ziel (3) lässt sich sowohl quantitativ als auch qualitativ messen. So kann man für bestimmte Schwerpunktländer die Daten im Vergleich zu vor der PASCHInitiative ermitteln: die Anzahl der Schulen mit DaF-Unterricht, Anzahl der DaF-Lehrenden und Lernenden, Anzahl und Niveaustufen der abgelegten Prüfungen bei Lehrenden und Lernenden. Ziel (4) korrespondiert mit einem wichtigen Ziel der deutschen AKPB insgesamt. Auch hier lässt sich für ausgewählte Länder vergleichen: wie hat sich die Zahl der Studierenden, die nach Deutschland gehen, verändert, welche Studienrichtungen werden gewählt auf welchen akademischen Niveaus (Bachelor, Master, Promotion). Der Anteil der PASCH-Initiative an der Veränderung der Zahlen ist jedoch spekulativ; ebenso könnten veränderte wirtschaftliche oder bildungspolitische Rahmenbedingungen verantwortlich sein. Ziel (5) ist sicherlich schwer messbar und vermutlich hauptsächlich deshalb aufgeführt, da ein Teil der PASCH-Gelder als sogenannte ODA-Mittel (official development assistance) in die entwicklungspolitische Bilanz Deutschland eingerechnet werden kann.

Das Erreichen der Ziele der PASCH-Initiative wird zum Ende des Artikels noch genauer betrachtet.

4 Einige Eckdaten der Initiative Schulen: Partner der Zukunft (PASCH) Das Auswärtige Amt hat vier Mittlerorganisationen mit der Durchführung der Initiative beauftragt: Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) betreut schulische Einrichtungen im Ausland, an denen in Deutschland anerkannte Abschlüsse erzielt werden. Rund 1.240 Partnerschulen der PASCH-Initiative werden von der ZfA betreut, davon 140 Deutsche Auslandsschulen (DAS), ca. 25 Deutsch-Profil-Schulen und ca. 1.100 Schulen in gut 70 Ländern, die das Deutsche Sprachdiplom (DSD) („DSD-Schulen“) anbieten (vgl. Bundesverwaltungsamt 2017b). Das Goethe-Institut fördert als weltweit tätiges Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland die deutsche Sprache im Ausland und pflegt die kulturelle Zusammenarbeit mit anderen Ländern. Im Rahmen von PASCH fördert das Goethe-Institut den Deutschunterricht an derzeit rund 600 Schulen (wegen der Art der Examen auch „Fit-Schulen“ genannt) in den nationalen Bildungssystemen von etwa 120 Ländern. Ca. 180 der vom Goethe-Institut betreuten PASCH-Schulen

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haben einen MINT-Schwerpunkt (eine naturwissenschaftlich-technische Ausrichtung), 40 Schulen sind Berufsschulen. Länder mit besonders zahlreichen FitSchulen sind China (81), Indien (44), Indonesien (28), Brasilien (20), die Türkei (18), Ägypten (19) und die Ukraine (15) (vgl. Goethe 2016: 26) (www.goethe.de/pasch). Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) (www.daad.de) ist als gemeinsame Einrichtung der deutschen Hochschulen eine Mittlerorganisation der auswärtigen Kulturpolitik, der Hochschul- und Wissenschaftspolitik sowie der Entwicklungszusammenarbeit im Hochschulbereich. Der DAAD hat im Rahmen von PASCH sein Stipendienprogramm für ein Vollstudium in Deutschland stark ausgeweitet und agiert an der Schnittstelle zum Studienstandort Deutschland. Der Pädagogische Austauschdienst (PAD) des Sekretariats der Kultusministerkonferenz (www.kmk-pad.org) ist als einzige staatliche Einrichtung im Auftrag der Länder für den internationalen Austausch und die Zusammenarbeit im Schulbereich tätig. Im Rahmen von PASCH baut der PAD den Schüleraustausch und Schulpartnerschaften zwischen PASCH-Schulen und Schulen in Deutschland weiter aus. Mit der Schulbetreuung im Ausland ganz konkret sind die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen und das Goethe-Institut beauftragt. Verallgemeinernd kann man sagen, dass die ZfA schwerpunktmäßig Schulen betreut, deren Schülerinnen und Schüler mit dem Deutschen Sprachdiplom die Stufen ab B1 des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erreichen wollen. An diesen Schulen („DSD-Schulen“) unterrichten und beraten ca. 2.000 Auslandsdienstlehrkräfte, Programmlehrkräfte und Fachberaterinnen und -berater, die während ihrer Tätigkeit im Ausland organisatorisch, pädagogisch und finanziell von der ZfA betreut werden (vgl. Bundesverwaltungsamt 2017a). Die curriculare Vorbereitung und Durchführung der Prüfungen sowie anlassbezogene schüleraktivierende Maßnahmen bilden dabei den Schwerpunkt der Arbeit. Das Goethe-Institut fördert schwerpunktmäßig Schulen, an denen Deutsch eher als zweite Fremdsprache unterrichtet wird und mithin bei Schulabschluss die Niveaus A1 oder A2 erreicht werden („Fit-Schulen“). Ein Hauptziel der Förderung ist die Verknüpfung der gelernten Inhalte des Deutschunterrichts mit der Realität von Erfahrungen außerhalb des Unterrichts und aus anderem Unterricht. Produktive Erfahrungen mit Deutsch, Deutsch in Kulturprogrammen und Wettbewerben und Deutsch als Kommunikationssprache zwischen Jugendlichen aus aller Welt stehen dabei im Mittelpunkt (vgl. Wicke & Baumgart 2009: 9).

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Seit Beginn der Initiative im Jahr 2008 bis zum Jahr 2015 hat der Deutsche Bundestag für die Umsetzung der Initiative insgesamt 362,5 Mio. Euro bewilligt; allein im Jahr 2017 betrug das Budget 46,5 Mio. Euro (vgl. Goethe 2017b: 3).

5 Die Arbeit des Goethe-Instituts im Rahmen von PASCH Da das Autorenteam aus dem Umfeld des Goethe-Instituts stammt, werden im Folgenden schwertpunktmäßig diejenigen Instrumente und Maßnahmen, die das Goethe-Institut zur Durchführung von PASCH einsetzt, vorgestellt. Anfang 2017 wurden bereits über 200.000 Schülerinnen und Schüler von etwa 1.800 DaF-Lehrkräften an den vom Goethe-Institut betreuten Fit-Schulen unterrichtet. Zur Betreuung des Netzwerkes entsendet das Goethe-Institut z. Z. 23 sogenannte Expertinnen und Experten für Unterricht, die die Bildungsinstitutionen des Gastlandes in allen Fragen des Deutschunterrichtes (Curricula, Lehrwerkeinsatz, Bildungsplanung) beraten und u. a. Lehrerfortbildungsveranstaltungen für Multiplikatoren und Lehrkräfte des Gastlandes konzipieren und durch-führen. Die Expertinnen und Experten arbeiten von den jeweiligen GoetheInstituten im Ausland aus, aber auch in Ländern ohne Goethe-Institute. Die Zielgruppen der Arbeit an den Fit-Schulen sind dabei sowohl die Schulleitungen als auch die Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie mit zunehmender Laufzeit der PASCH-Initiative auch die Alumni der PASCH-Schulen (vgl. Goethe 2017b).

5.1 Vernetzung der Schulen untereinander und nach Deutschland Eines der wichtigsten Ziele von PASCH ist die Vernetzung der Schulen und Schülerinnen und Schüler untereinander und nach Deutschland in Form von digitalen Angeboten (über pasch-net.de sowie über bi- oder multilaterale Projekte), aber auch über reale Austausche. Diese Vernetzung gilt nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, sondern auch für die Lehrkräfte und Schulleitungen.

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5.2 Zusammenarbeit mit den Schulleitungen und Entscheidungsträgern, z. B. in Ministerien und Schulbehörden Gerade in Ländern, die vor der PASCH-Initiative keine oder wenige Deutschangebote hatten, führte PASCH zu einer Erweiterung des Portfolios an Schulfremdsprachen. Ministerien und Schulbehörden sowie Schulleitungen konnten hier die Expertise der PASCH-Partner nutzen. PASCH versteht sich vor allem auch als Projekt, die Eigeninitiative von Schulen zu fördern. Oberste Maxime des Projektes ist dabei die gemeinsame Planung und Durchführung, um den Deutschunterricht an den Schulen langfristig zu sichern, denn nur Schulleiterinnen und -leiter, die selbst einen Mehrwert für sich, ihre Schule und die Zukunft der Absolventinnen und Absolventen mit Deutsch sehen, unterstützen das Projekt langfristig. Gerade in Ländern, in denen Deutsch nicht zum festen Fächerkanon gehört, ist der Deutschunterricht an der eigenen Schule u. U. Alleinstellungsmerkmal und damit anziehend für Eltern und Schülerinnen und Schüler, die vor einer Schulwahl stehen.

5.3 Qualitätssicherung des Deutschunterrichts An mehr als zwei Dritteln der Fit-Schulen wird Deutsch als zweite Fremdsprache unterrichtet, viele Schulen haben diesen Unterricht erst durch den Anreiz der PASCH-Initiative neu eingeführt. Daher war insbesondere in der Anfangsphase die Bereitstellung von aktuellen Lernmaterialien und technischer Ausstattung der Schulen für den Deutschunterricht wichtig. Mit zunehmender Laufzeit der Initiative stehen Sprachkurse und die kontinuierlichen Fortbildung der Deutschlehrkräfte der PASCH-Schulen in den Bereichen Methodik, Didaktik und Landeskunde in Deutschland und in den Gastländern im Vordergrund. Zahlreiche Länder haben Coaching-Formate entwickelt, um Lehrkräfte vor Ort zu fördern. Dies ist insbesondere in den Ländern wichtig, die keine institutionalisierte Deutschlehrerausbildung anbieten, in denen also ein großer Teil der Lehrkräfte zwar Absolventinnen und Absolventen von Germanistikstudiengängen ist, aber über keine oder wenig methodisch-didaktische Ausbildung verfügen. PASCH ist es zu verdanken, dass der fremdsprachige Deutschunterricht weltweit verstärkt in den Mittelpunkt des Fachdiskurses zwischen deutschen und einheimischen Partnerinstitutionen einzelner Länder gerückt ist, insbesondere aber zwischen den beteiligten Lehrern und Lehrerinnen, die diesen Unterricht in der täglichen Praxis gestalten. (Wicke & Baumgart 2009: 8)

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5.4 Jugendkurse in Deutschland Über 10.0000 Jugendliche nahmen bereits an Kinder- und Jugendsprachkursen und Deutschprüfungen in Deutschland teil (Stand 2016: 9249 Stipendien und 7732 Sprachprüfungen) (vgl. Goethe 2016: 29). Diese 12–14jährigen bzw. 14– 18jährigen Stipendiatinnen und Stipendiaten lernen in einer internationalen Lerngemeinschaft Deutsch und tragen ihre Eindrücke von der Kultur und vom Leben in Deutschland an ihre Schulen in den Heimatländern zurück. Die jährlich stattfindenden PASCH-Kinder- und Jugendkurse des Goethe-Instituts leisten einen Beitrag zur Vernetzung der Schülerinnen und Schüler untereinander und motivieren viele zum weiteren Deutschlernen. Für viele der Jugendlichen ist es nicht nur die erste längere – in der Regel dreiwöchige – Auslandsreise, sondern auch der erste authentische Kontakt mit Deutschland. Schülerinnen und Schüler verwenden Deutsch als Umgangssprache und überwinden Kultur- und Sprachgrenzen. Zusätzlich zu diesen Kursen in Deutschland, finden auch weltweit nationale und regionale PASCH-Camps statt. Die Camps bestehen in der Regel aus Kurszeiten mit Deutschunterricht und Zeiten für thematische Projekte, die sehr unterschiedlich sein können: von Fußball- über Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsprojekten bis hin zu MINT-Projekten ist die Spannbreite sehr groß.

5.5 Jugendprüfungen An den Fit-Schulen können in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Goethe-Institut oder dessen Prüfungspartnern vor Ort Sprachprüfungen abgelegt werden. In der Regel sind das Prüfungen auf den Niveaus A1 und A2 des Europäischen Referenzrahmens (Goethe-Zertifikate A1/A2 für Jugendliche), aber auch Prüfungen auf höheren Niveaustufen. Nach internen Angaben des Goethe-Instituts legten im Jahr 2016 insgesamt weltweit 16.394 Schülerinnen und Schüler ein GoetheZertifikat im Rahmen von PASCH ab (2015: 11.964); davon bestanden 14.416 ihre Prüfung (2015: 10.005).

5.6 Aktionstage und Projekte an Schulen Viele Schulen führen regelmäßig Fremdsprachen- oder Deutsch(land)tage durch, für die Materialien, deutschsprachige Filme oder kleinere Projekte vorbereitet werden. So können auch nicht-deutschlernende Schülerinnen und Schüler der Fit-Schulen einen Einblick in eine andere Fremdsprache erhalten.

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5.7 Einsatz von kulturweit Freiwilligen Die Deutsche UNESCO-Kommission konzipiert und koordiniert den vom Auswärtigen Amt geförderten internationalen Freiwilligendienst „kulturweit“, der jungen Menschen die Möglichkeit gibt, für sechs oder zwölf Monate im Bereich der Kultur- und Bildungspolitik und eben auch in den PASCH-Schulen tätig zu werden. Sie sind als Muttersprachler aktiver Teil des Schullebens, gestalten den Unterricht mit, aber bieten auch Arbeitsgemeinschaften an oder setzen selbst Projekte mit den Schülerinnen und Schülern um. An den Fit-Schulen sind sie häufig die einzigen muttersprachlichen Ansprechpartner und sind darüber hinaus auch altersmäßig sehr nah an den Schülerinnen und Schülern und können so noch viel stärker als die einheimischen Deutschlehrkräfte ein authentisches und aktuelles Deutschlandbild vermitteln (vgl. www.kulturweit.de).

5.8 Alumni-Arbeit Nach nun fast zehn Jahren Laufzeit des Projektes tritt eine Zielgruppe mehr und mehr in den Fokus der PASCH-Arbeit: die Alumni der PASCH-Schulen. Durch die Alumni-Arbeit werden die PASCH-Schulabsolventinnen und -absolventen nach ihrem Schulabschluss weiter gefördert; auch hier steht der Vernetzungs- und Austauschgedanke im Vordergrund. Absolventen von PASCH-Schulen identifizieren sich – gerade, wenn sie im Laufe ihrer Schulzeit div. Programme, wie die PASCH-Jugendkurse in Deutschland, Theaterprojekte oder die Arbeit an einer der zahlreichen Schülerzeitungen durchlaufen haben – mit ihrer Schule, dem Goethe-Institut, aber eben auch mit der PASCH-Initiative selbst. Wenn es im Laufe der Schulzeit gelungen ist, eine – positiv konnotierte – Deutsch- und Deutschlandbindung aufzubauen, können diese Alumni als Vorbilder für nachfolgende Schülerinnen und Schüler dienen. Bei einem PASCH-Alumni-Treffen von Alumni aus Mittelosteuropa, aber auch Indien, Indonesien und Ägypten 2015 in Prag wurden beispielsweise Ideen entwickelt, wie die PASCH-Alumni an ihren ehemaligen Schulen das Interesse für Deutsch und an Deutschland stärken können. Das erste weltweite Alumni-Treffen fand Ende 2016 in Berlin mit ca. 120 Alumni aus 43 Ländern statt (vgl. PASCH 2016). Alumni-Arbeit wird auch dann immer stärker zur Herausforderung, die als „Ergebnissicherung“ von PASCH zu werten ist, wenn sie zeigt, dass die PASCHInitiative z. B. Studierende in deutschsprachigen Ländern, aber auch Nachwuchs in deutschen Firmen in den Heimatländern hervorbringt.

Der Fördererfolg für DaF des Programms „Schulen: Partner der Zukunft (PASCH)“ | 435

5.9 www.pasch-net.de Eine besondere Rolle im Netzwerk spielt die Website www.pasch-net.de. Die Website informiert über Aktivitäten weltweit und präsentiert den Einsatz aktueller DaF-Lehr- und Lernmaterialien. In den Communitys, Blogs und auf der Lernplattform der Website tauschen sich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte aus aller Welt in gemeinsamen Projekten innerhalb oder außerhalb des Unterrichts auf Deutsch aus und lernen dabei von- und miteinander.

5.10 Besucherreisen für Verantwortliche im Bildungssektor der Gastländer Auf Initiative des Goethe-Instituts werden regelmäßig Verantwortliche aus den Bildungssystemen der Gastländer, wie Schulleiterinnen und Schulleiter sowie Ministerialbeamte zu Informationsreisen nach Deutschland eingeladen. Die Gäste werden mit der deutschen Bildungslandschaft vertraut gemacht und reflektieren über Perspektiven der PASCH-Initiative und den DaF-Unterricht in ihren Heimatländern.

5.11 MINT und CLIL-Förderung Weiteres wichtiges Ziel der Initiative ist auch eine intensivere Förderung von MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und CLIL (Content and Language Integrated Learning), d. h. der Integration von Deutsch in den Sach- und Fachunterricht, nicht nur an den Fit-Schulen, die einen MINT-Schwerpunkt haben, sondern auch projektbasiert an vielen anderen Schulen. In Lehrerfortbildungs- und Coaching-Programmen erhalten Deutsch- und Sachfachlehrkräfte das methodische und didaktische Werkzeug, um an den FitSchulen sprachsensibel zu unterrichten. Deutsch wird so nicht nur im Deutschunterricht gelehrt und gelernt, sondern spielt auch in anderen Fächern mehr und mehr eine Rolle. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung auf ein Studium in Deutschland wichtig, da hier deutschsprachige „Gerüste“ (scaffolding) und Studierstrategien aufgebaut werden, die im Fachstudium verwendet werden können.

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5.12 Studienbrücke Mit dem Programm „Studienbrücke“ unterstützt das Goethe-Institut in Kooperation mit dem DAAD exzellente und nachweislich an einem Studium in Deutschland interessierte Schülerinnen und Schüler (nicht nur von PASCH-Schulen) dabei, sich auf ein Studium in Deutschland vorzubereiten. Die Förderungsschwerpunkte liegen bevorzugt im Bereich einer mathematik-, natur- und/oder ingenieurwissenschaftlichen Fächerkombination. Das Programm umfasst sprachliche Ausbildung, interkulturelles Training und Testtraining. Angestrebt werden erfolgreiche Abschlüsse in den Prüfungen TestDaF und TestAs, die zur Studienaufnahme in Deutschland befähigen. Zusätzlich wird während der gesamten Projektdauer eine adressatengerechte Studienberatung angeboten.

6 PASCH im Rahmen der sog. „Bildungskooperation Deutsch“ Der Struktur der Arbeitsfelder des Goethe-Instituts folgend, findet die Betreuung des PASCH-Projektes im Rahmen der sog. „Bildungskooperation Deutsch“ statt. Das Goethe-Institut engagiert sich (gemeinsam mit den Partnern der AKBP) weltweit für die deutsche Sprache, dazu zählt die Arbeit in Gremien und internationalen Institutionen, die Förderung der deutschen Sprache als Arbeits- und Verfahrenssprache in den Europäischen Institutionen, die Sprachförderung als wichtiger Schlüssel zur Integration von Zuwanderern, die Betreuung von Deutschland-Alumni und andere Aktivitäten. Darüber hinaus ist das GoetheInstitut weltweiter Anbieter von Fortbildungen für Deutschlehrkräfte sowie – je nach konkreter Situation vor Ort – international Ansprechpartner für Frühes Deutsch, Deutsch für Jugendliche, Deutsch für Beruf und Studium, digitale Unterrichtsgestaltung, das Lernen von Fremdsprachen in Verbindung mit Sachfachinhalten (CLIL) u. a. Es wirbt weltweit für das Lernen der deutschen Sprache im Rahmen von Mehrsprachigkeitskonzepten. Dabei sind im Grunde alle lokalen Akteure der Fremdsprachenförderung mögliche Partner für Kooperationen. Was die schulische Betreuung betrifft, spielen hierbei die PASCH-Schulen (egal, ob DSD-Schulen (ZfA) oder Fit-Schulen (Goethe-Institut)) sicher eine Schlüsselrolle; quantitativ sind sie allerdings in vielen Ländern in großer Minderheit gegenüber all denjenigen Schulen, die das Goethe-Institut im Rahmen der Bildungskooperation darüber hinaus mit zahlreichen Programmen unterstützt, z. B. in Mittelosteuropa (siehe Tabelle 1). In Ländern oder Regionen, in denen Deutsch durch PASCH erst Eingang in schulische Curricula und Bildungspläne bekam, wurde

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das Programm vielfach „Türöffner“ im Rahmen der schulischen Betreuung (vgl. www.goethe.de/sprache).

7 Praxisbeispiel Mittelosteuropa In der organisatorischen Struktur des Goethe-Instituts zählen die Länder Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien zur Region „Mittelosteuropa“. Die Arbeit der „Bildungskooperation Deutsch“ in Mittelosteuropa umfasst zahlreiche Komplexe, die in den Ländern der Region unterschiedlich stark ausgeprägt sind: − Frühes Deutsch (v. a. Fortbildungen für Lehrkräfte) − die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern (z. B. Wettbewerbe wie die Nationalen Deutscholympiaden, der Fußball- und Deutsch-Wettbewerb „1:0 für Deutsch“, der MINT-Wettbewerb „Deutsch für helle Köpfe“, der polnische Wettbewerb zur Gestaltung von Lernumgebungen „Deutsch hat Klasse“, „Jugend debattiert International“ u. a. Aktivitäten, die die Motivation für Deutsch wecken und steigern sollen) − die Arbeit mit Lehrerinnen und Lehrern (z. B. Fortbildungen und Fortbildungsprogramme wie „Deutsch lehren lernen“ und der (tschechische) Deutschlehrerpreis sowie die Unterstützung von lokalen Deutschlehrertagen) − die Unterstützung universitärer Deutschlehrerausbildung − die Arbeit mit den deutschen Minderheiten (z. B. die Unterstützung der Gremienarbeit und Schülercamps). In den Rahmen dieser vielfältigen Kooperationsmaßnahmen fällt auch die Betreuung der Fit-Schulen.

7.1 Schulen In Mittelosteuropa wird Deutsch traditionell an sehr vielen Schulen in allen Schulformen angeboten, als 1., 2. oder 3. Fremdsprache. Die Regelungen zur Auswahl und Anzahl von Pflichtfremdsprachen ändern sich häufig, daher kann an dieser Stelle dazu nicht ausführlich Stellung genommen werden, allerdings spielt Deutsch nach wie vor im Fächerkanon eine starke Rolle – insbesondere im Vergleich zu anderen Weltregionen – wie die nachfolgende Tabelle zeigt. Es ist zunächst sehr klar zu erkennen, dass die PASCH-Schulen insgesamt nur eine kleine

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Gruppe innerhalb der Schulen mit DaF-Angebot darstellen. Vom Goethe-Institut betreute Fit-Schulen bilden eine noch kleinere Gruppe. Nichtsdestotrotz wurde bei der Auswahl der PASCH-Schulen sehr stark darauf geachtet, Schulen auszuwählen, die in nationalen Rankings weit vorn stehen oder sich durch andere Merkmale hoher Qualität auszeichnen. Tab. 1: PASCH-Schulen in Mittelosteuropa (Angaben nach: PASCH 2017 und Goethe 2015).

PASCH-Schulen, davon Land

Deutsche Auslandsschu- Fit-Schulen (betreut Zum Vergleich: Schulen (DAS), Deutsche Pro- durch das Goethe- len mit DaF insgesamt filschulen (DPS) und Institut) DSD-Schulen (betreut durch die ZfA)

Estland

13

2

281

Lettland

17

1

312

Litauen

14

2

617

Polen

96

9

17.281

Tschechien

32

3

3467

Slowakei

36

2

1995

Ungarn

45

3

2929

Slowenien

17

1

k. A.

Seit 2009 wurden durch das Goethe-Institut 23 Fit-Schulen in das PASCH-Netzwerk aufgenommen. Bei der Auswahl wurden verschiedene Aspekte berücksichtigt; so umfassen die Fit-Schulen Grundschulen, Schulen der Sekundarstufe I und II (je nach Schulsystem also Mittelschulen, Lyzeen, Gymnasien usw.) sowie berufliche Schulen, an denen die Schülerinnen und Schüler sowohl das Abitur als auch eine erste berufliche Ausbildung erhalten. Neben der Vielfalt der Schularten wurde entschieden, eher dezentral zu fördern, d. h. nur drei der 23 Schulen befinden sich in den jeweiligen Landeshauptstädten. Im Rahmen der Initiative liegt der Schwerpunkt eher auf kleineren Städten und Ortschaften in etwas abgelegeneren Gebieten, in denen der Zugang zu deutschsprachigen Angeboten schwieriger ist. Für die betreffende Schule ist das Deutschangebot und damit auch PASCH dann unter diesen Umständen das singuläre Merkmal, das die Eltern bzw. Schülerinnen und Schüler diese Schule wählen lässt. In Zeiten, in denen die Konkurrenz auch schon unter Schülerinnen und

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Schülern der Grund- und Mittelschulen wächst, ist dann u. U. eine zusätzlich gelernte Fremdsprache oder eine zusätzlich abgelegte Sprachprüfung ein Vorteil bei der Bewerbung für eine weiterführende Schule.

7.2 Inhaltliche Schwerpunkte Alle Schulen dieser Region bieten Deutsch schon seit vielen Jahren im Curriculum an. Der Hauptschwerpunkt der Förderung liegt also in dieser Region weniger im Aufbau, als im Ausbau der Deutschlernangebote. Die Deutschlehrkräfte sind fest angestellte Lehrerinnen und Lehrer, in allen Ländern gibt es eine Deutschlehrerausbildung. Einige inhaltliche Schwerpunkte sollen hier kurz und anhand länderspezifischer Beispiele dargelegt werden.

7.3 Lokale Fortbildungen Obwohl die Lehrkräfte meist schon sehr viel Lehrerfahrung haben, bietet das Goethe-Institut verschiedene Angebote der Fortbildung an. In der Tschechischen Republik hat sich an den drei Fit-Schulen das Format des Coachings bewährt, d. h. eine erfahrene Trainerin besucht die Schule über mehrere Tage, hospitiert und erarbeitet mit jeder einzelnen Deutschlehrkraft persönliche Potenzialanalysen.

7.4 CLIL Seit einigen Jahren werden auch im CLIL-Bereich (in allen Fächern) Coachings angeboten. Besonders in Litauen bewährt sich der Ansatz auch über PASCH-betreute Schulen hinaus. Über 30 Teams aus Deutsch- und Biologie-, Chemie-, Mathematik-, Physik-, Erdkunde- sowie anderen Lehrkräften arbeiten litauenweit fächerübergreifend und integrieren fachspezifische Inhalte in den Deutschunterricht oder Deutsch in den Sachfachunterricht (vgl. Goethe 2017a). So konnten CLIL-Angebote inzwischen fester Bestandteil der litauischen Bildungslandschaft werden.

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7.5 Schülerbegegnungen, Online-Schülerzeitung KLICK, Theater Verschiedene schülermotivierende Maßnahmen ermöglichen Begegnungen der Schülerinnen und Schüler innerhalb der Region und darüber hinaus. Schulen können für bi- und trilaterale Projekte Budgets beantragen und damit Austausche organisieren. Die in deutscher Sprache erscheinende Online-Schülerzeitung KLICK ist ein fester Bestandteil des Projektes. Zweimal im Jahr treffen sich Schülerzeitungsredakteure aus allen Ländern Mittelosteuropas in Berlin und tauschen sich über aktuelle Inhalte und Grundlegendes zum Zeitungsschreiben aus. In Zusammenarbeit mit deutschen Theaterpädagogen konnte seit 2012 ein Theaterprojekt in Mittelosteuropa etabliert werden. Schülertheatergruppen der Länder bewerben sich mit einem selbst geschriebenen Theaterstück zu einem bestimmten Thema und führen sie während eines Festivals auf.

8 Wirkungsanalyse der PASCH-Initiative Bislang haben zwei Untersuchungen (Hoffmann 2014; Violet 2016) das Erreichen der Ziele der PASCH-Initiative zum Thema gemacht. Hoffmann konzentriert sich in seiner Untersuchung auf das unter 2. genannte Ziel 4 – also auf die ‚[b]essere Vermarktung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts Deutschland‘ – in drei Beispielländern des südlichen Afrikas (Südafrika, Mosambik und Madagaskar). Violet dagegen nutzt bislang nicht veröffentlichte Ergebnisse einer PASCHZwischenevaluation, um u. a. Erkenntnisse über das Deutschlandbild und die Deutschlandbindung bei Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern, die an unterschiedlichen PASCH-Maßnahmen teilgenommen haben, zu gewinnen.

8.1 Zur Wirkungsanalyse Hoffmanns Hoffmann interviewt mit einem qualitativen-quantitativen Methodenmix sowohl Expertinnen und Experten aus beteiligten Bildungsinstitutionen (Goethe-Institut, DAAD-Lektorinnen und -Lektoren sowie ausländische Hochschuldozierende) als auch direkt am Unterricht beteiligte PASCH-Lehrende und Schülerinnen und Schüler. Die Untersuchung unterteilt das Ziel 4 in zwei Unterziele. Hoffmann kommt zu dem Ergebnis, dass in Bezug auf Unterziel 1 „[b]essere Vermarktung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Deutschland“ die Wirkung ambivalent scheint: „Deutschland und die Deutschen werden zwar als

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überwiegend positiv beschrieben, die Historie und Kultur Deutschlands scheint bei den Schülern jedoch weitaus stärker präsent zu bleiben als Technik und Wissenschaft“ (Hoffmann 2014: 172). In Bezug auf Unterziel 2 „der Gewinnung der ‚besten Köpfe‘ für Deutschland“ konstatiert die Untersuchung einen erfolgreichen Trend, da eine deutlich Steigerung der Studierendenzahlen aus den untersuchten Ländern in Deutschland festzustellen ist. Ob diese Steigerung direkt auf die PASCH-Initiative zurückzuführen ist oder sich durch die international insgesamt rasant gestiegene Mobilität der Studierenden erklären lässt, bleibt jedoch offen.

8.2 Zur Wirkungsanalyse Violets Violet war beteiligte Wissenschaftlerin an einer durch das Auswärtige Amt ausgeschriebenen Zwischenevaluierung der PASCH-Initiative, die zwischen April 2009 und März 2010 vom Centrum für Evaluation (CEval) durchgeführt wurde. Die Untersuchung zum Deutschlandbild (vgl. Unterziel 1 nach Hoffmann 2014) und zur Deutschlandbildung (vgl. Unterziel 2 nach Hoffmann 2014) unterzieht die umfangreichen qualitativen und quantitativen Daten von chinesischen, türkischen und polnischen Befragungsteilnehmern aus der CEval-Studie einer Sekundäranalyse. Dabei zeigt eine Analyse der Nennungshäufigkeit von mit Deutschland assoziierten, positiv besetzten Attributen, dass Nennungen aus den Bereichen „Wirtschaft und Industrie“ (Rang 14) und „Wissenschaft und Technik“ (Rang 16) deutlich hinter Bereichen wie „Kunst und Kultur“ (Rang 6), „Essen und Trinken“ (Rang 10) und selbst „Fußball und Sport“ (Rang 13) liegen (Violet 2016: 201). Dies bestätigt die Ergebnisse der o. g. Studie für weitere Länder. Zur Deutschlandbindung fand Violet heraus: „Personen, die Deutschlanderfahrung besitzen und an einer AKBP-Maßnahme teilgenommen haben, tätigen insgesamt am meisten positive Nennungen zu Deutschland und den Deutschen“ (Violet 2016: 256). Hieraus ließe sich ein Erfolg der vielfältigen Deutschlandstipendien der PASCH-Initiative herauslesen.

9 Zusammenfassung Es bleibt zu hoffen, dass bald noch weitere Studien zur Wirkungsbeschreibung der PASCH-Initiative folgen werden, um die für verschiedene Länder und Weltregionen sicher sehr unterschiedlich intensiven Veränderungen der DaF-Landschaft durch die PASCH-Initiative besser beurteilen zu können. Sicher hat PASCH

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in Ländern mit langer DaF-Tradition wie Russland (16.802 Schulen mit DaF-Unterricht, darunter 100 PASCH-Schulen) oder Polen (17.281 Schulen mit DaF-Unterricht, darunter 105 PASCH-Schulen) (vgl. Goethe 2015) eine andere Dimension als in China oder Vietnam. Während in den zuerst genannten Ländern die Ausweitung von Deutsch im Vordergrund stand, ermöglichte PASCH in den anderen Ländern erst die Einführung von DaF-Unterricht in die nationalen Curricula. Der globale Trend hin zu mehr Deutschschülerinnen und -schülern und Studierenden aus dem Ausland in Deutschland zeigt sich konstant, und auch wenn er nicht unmittelbar den Auswirkungen der PASCH-Initiative zugerechnet werden kann, so verleiht sie ihm zumindest Rückenwind. In diesem Sinne leistet PASCH einen großen Beitrag zur weltweiten Förderung von Deutsch als Fremdsprache.

Literaturverzeichnis Auswärtiges Amt (Hrsg.) (2000): Auswärtige Kulturpolitik – Konzeption 2000. https://www.ifa.de/fileadmin/pdf/aa/akbp_konzeption2000.pdf (21.11.2017). Auswärtiges Amt (Hrsg.) (2009): Globale Bildungspartnerschaften. Die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“. https://www.auswaertiges-amt.de/blob/216930/ d39be27c9abc58689928fdf31a776cba/pasch-data.pdf (21.11.2017). Auswärtiges Amt (Hrsg.) (2016): Jahrbuch Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik 2016. https://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/762304/publicationFile/ 226615/AKBP-Bericht_2016.pdf (21.11.2017). Bundesverwaltungsamt (2017a): Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA). Organisation. https://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_ZfA/DieZfA/WirUeberUns/node.html (21.11.2017). Bundesverwaltungsamt (2017b): Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA). Die Initiative "Schulen: Partner der Zukunft" (PASCH). https://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_ZfA/Auslandsschularbeit/PASCH/node.html (21.11.2017). Goethe (2015): Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015. https://www.goethe.de/resources/files/pdf85/Deutsch_als_Fremdsprache_weltweit_Datenerhebung_2015.pdf (21.11.2017). Goethe (2016): Jahrbuch – Annual Report 2015/2016. https://www.goethe.de/resources/files/pdf85/Jahrbuch_2015-2016_PW_high1.pdf (21.11.2017). Goethe (2017a): CLILiG@Litauen. https://www.goethe.de/ins/lt/de/spr/unt/kum/cll.html (21.11.2017). Goethe (2017b): Pressemappe PASCH. https://www.goethe.de/resources/files/pdf105/pressemappe_pasch-im-goethe-institut-20171.pdf (14.12.2017). Hoffmann, Christian (2014): Interessen deutscher auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik im südlichen Afrika. Am Beispiel der Sprachförderungsinitiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH). Hamburg: Dr. Kovač.

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PASCH (2016): Erstes Netzwerktreffen mit 120 PASCH-Alumni aus 43 Ländern. https://www.pasch-net.de/de/mag/akt/a16/20881345.html (21.11.2017). PASCH (2017): Weltkarte. https://weltkarte.pasch-net.de (21.11.2017). Violet, Anette (2016): Deutschland durch die Brille der Welt. Deutschlandbild und Deutschlandbindung in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Münster: Waxmann. Wicke, Rainer E. & Susanne Baumgart (2009): Schulen: Partner der Zukunft – eine weltweite Initiative. Fremdsprache Deutsch Sonderheft Schulen: Partnerschaft der Zukunft, 6–13.

Katharina von Ruckteschell-Katte, Heike Uhlig

Kooperation von Institutionen deutschsprachiger Länder zur Förderung von DaF: Möglichkeiten und Perspektiven Die Internationale Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer hat bei ihrer XVI. Tagung 2017 in Fribourg/Schweiz eine sprachenpolitische Resolution verabschiedet. Dort heißt es: These 3: Mittlerorganisationen und auswärtige Sprach- und Kulturpolitik der deutschsprachigen Länder Sinnvoll ist eine verstärkte Kooperation aller Organisationen aus dem amtlich deutschsprachigen Raum, die in die Förderung von Deutsch als Fremdsprache involviert sind, untereinander und mit den DaF-Verbänden weltweit. Ziel der Zusammenarbeit der staatlich unterstützten Mittlerorganisationen, der Fachverbände und anderer Organisationen ist die Stärkung des IDV [Internationaler Deutschlehrerverband] und seiner Mitgliedsverbände, so dass diese ihre sprachenpolitische Aufgabe in vollem Umfang wahrnehmen können. Die staatlich unterstützten Mittlerorganisationen Deutschlands und Österreichs spielen in der weltweiten Förderung der deutschen Sprache und der Verbreitung kultureller Inhalte eine herausragende Rolle. Der Sprach- und Kulturförderung verpflichtet sind auch die DaF-Fachverbände, weshalb sie mit ihrer fachlichen Expertise in die Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik der deutschsprachigen Länder einbezogen werden sollten. Im Zusammenhang mit der Bildungsglobalisierung und dem weltweiten Wettbewerb um Wissen und Märkte stellen sich politische und wirtschaftliche sowie rechts- und kulturwissenschaftliche Fragen, mit denen sich der IDV und seine Mitgliedsverbände auseinandersetzen sollten. Ebenso wichtig sind Begleitforschung und wissenschaftliche Studien, die sich mit Fragen der Wirkung der Förderung durch Mittler-organisationen auf die (Bildungs-)Kulturen und Gesellschaften verschiedener Länder auseinandersetzen. (FREIBURGER RESOLUTION ZUR SPRACHENPOLITIK 2017: 3)

Die Autorinnen konzentrieren sich in diesem Artikel auf Institutionen, die mit der Förderung von DaF im Ausland betraut sind. Keine Berücksichtigung findet die Betrachtung der Fachverbände Deutsch als Fremdsprache, die für fachlichen Austausch und Weiterbildung sowie für die Weiterentwicklung des Faches in der Wissenschaft in den deutschsprachigen Ländern stehen. Demzufolge werden kurz die Mittlerorganisationen Deutschlands und Österreichs und die besondere

|| Katharina von Ruckteschell-Katte, Goethe-Institut, München, Deutschland, [email protected] Heike Uhlig, Goethe-Institut, München, Deutschland, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-027

446 | Katharina von Ruckteschell-Katte, Heike Uhlig

Situation in der Schweiz und Liechtenstein dargestellt. Es folgen Beispiele der Zusammenarbeit und sich daraus ergebende Perspektiven wie auch die Darstellung von Grenzen der Zusammenarbeit.

1 Institutionen der deutschsprachigen Länder zur Förderung von DaF 1.1 Deutschland Im 20. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik heißt es: Bei der Förderung von DaF im Ausland spielen die Mittler- und Partnerorganisationen des Auswärtigen Amts (AA) eine besondere Rolle, insbesondere das Goethe-Institut (GI), die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und der Pädagogische Austauschdienst (PAD), sowie die Robert-Bosch-Stiftung, die Hertie-Stiftung oder die Stiftung Mercator. (Auswärtiges Amt 2016: 74)

Während die letztgenannten Stiftungen als Partnerorganisationen zu verstehen sind, fehlt in der Aufzählung die Deutsche Auslandsgesellschaft (DAG) als Mittlerorganisation. Die Förderung der deutschen Sprache im Ausland zählt auch zum Auftrag der Deutschen Welle (vgl. Kruse in diesem Band). Im Ausland tätig mit entsandten Mitarbeiterinnen (bzw. Lektoren und Lehrerinnen und Fachberater) sind allerdings nur das Goethe-Institut, der DAAD und die ZfA. Die Mittlerorganisationen wie auch die Deutsche Welle, die Gesellschaft für akademische Studienvorbereitung und Testentwicklung e.V. (TestDaF-Institut) und die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) kommen – koordiniert vom Auswärtigen Amt – regelmäßig zusammen, um Handlungsfelder der Zusammenarbeit abzustimmen und zu beraten. Dieses sogenannte Zentrale Netzwerk Deutsch findet seine Widerspiegelung in lokalen Netzwerken Deutsch im Ausland, in denen bis auf die Deutsche Welle, dem TestDaf-Institut und die KMK die oben genannten Akteure vertreten sind plus Vertreter Deutscher Auslandsschulen, deutscher Stiftungen, anlassbezogen auch deutscher Kirchengemeinden und der Außenhandelskammer. Diese Netzwerke werden von den Auslandsvertretungen koordiniert.

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1.2 Österreich Zuständig für die Auslandskulturpolitik ist in Österreich (vgl. de Cillia in diesem Band) das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres. Auf dessen Webseite heißt es: Umgesetzt wird die Auslandskulturpolitik durch das Netzwerk der Österreichischen ‚Auslandskultur‘, das gegenwärtig aus 31 Österreichischen Kulturforen und Kooperationsbüros, 89 Botschaften und Generalkonsulaten, 65 Österreich-Bibliotheken, neun Österreich Instituten, zwei Wissenschafts- und Technologiebüros sowie 110 österreichischen Lektorinnen und Lektoren an Universitäten im Ausland besteht. (https://www.bmeia.gv.at/europa-aussenpolitik/auslandskultur/auslandskulturkonzept)

Neben den Kulturforen spielen die Österreich-Institute für die Förderung der deutschen Sprache sicher die größte Rolle. Sie wurden 1997 als GmbH gegründet und führen seitdem „die bis dahin von den Österreichischen Kulturinstituten geführten Österreich-bezogenen Deutschkurse an verschiedenen europäischen Standorten in privatrechtlicher Form durch.“ (https://www.bmeia.gv.at/europaaussenpolitik/auslandskultur/bildung-und-sprache/) Die Österreich-Institute arbeiten vorrangig in Mittel- und Südosteuropa. Vergleichbar mit Deutschland entsendet Österreich Mitarbeiter an die Kulturforen, Lektorinnen und auch Lehrer.

1.3 Schweiz Als mehrsprachiges Land gibt es in der Schweiz „keine Institution, die die deutsche Sprache oder den Deutschunterricht im Ausland fördert.“ (Ammon 2015: 1144) Goethe-Institute arbeiten in der Regel mit Auslandsvertretungen der Schweiz, Schweizer Auslandsschulen und mit der Schweizer Kulturstiftung ProHelvetia zusammen.

1.4 Liechtenstein Liechtenstein bleibt trotz seines Engagements für die deutsche Sprache in der Betrachtung hier außen vor, da seine Kooperation im Ausland über seine Auslandsvertretungen erfolgt. Zusammenfassend kann man sagen, dass in Deutschland und Österreich die Förderung von DaF weitgehend an Mittlerorganisationen übertragen ist – es gibt

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Ähnlichkeiten in Struktur, Finanzierung und Aufgaben, aber auch beachtliche Unterschiede, auch was die Präsenz in den Gastländern betrifft. So ist in mittelund südosteuropäischen Ländern die Zusammenarbeit zwischen deutschen und österreichischen Mittlerorganisationen möglich und wird praktiziert, außerhalb Europas sind die Ansprechpartner eher die Kulturabteilungen der österreichischen Botschaften. Dies hat zum Beispiel auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit in EUNIC, dem Zusammenschluss europäischer Kulturinstitute. In den Clustern arbeiten in der Regel tatsächlich nur Kulturinstitutionen wie Instituto Cervantes, British Council, Goethe-Institut etc. zusammen und planen gemeinsame europäische Projekte, wie z.B. den europäischen Tag der Mehrsprachigkeit.

2 Beispiele und Perspektiven der Zusammenarbeit von deutschsprachigen Mittlerorganisationen 2.1 New Books in German Einzigartig ist die Zusammenarbeit zwischen Mittlerorganisationen Deutschlands, Österreichs, des Außenministerium der Schweiz und Pro Helvetia im Projekt „New Books in German“, das seit 1996 existiert (und auch von der Frankfurter Buchmesse und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels unterstützt wird). „New Books in German“ ist eine zweimal jährlich erscheinende Publikation (www.new-books-in-german.com) mit Buchbesprechungen und Übersetzungsempfehlungen deutschsprachiger Literatur für Verleger und Übersetzer in Großbritannien und den USA, verbunden mit Fördermöglichkeiten von Übersetzungen. Die Webseite ist inzwischen auch in Spanisch verfügbar. Gemeinsam mit der Translator Association und dem British Center for Literary Translation entstand das Projekt als Reaktion auf den deutlichen Rückgang der Zahl der Übersetzungen aus dem Deutschen in Großbritannien und den USA Mitte der 1990er Jahre. Mit diesem Projekt konnten nicht nur die Übersetzungen deutschsprachiger Literatur gesteigert und stabil gehalten werden, sondern es ist auch Ausgangspunkt für gemeinsame Literaturveranstaltungen für Germanisten, DaF-Studierende, Deutschinteressierte – womit der Zusammenhang zur Förderung der deutschen Sprache einmal mehr sichtbar hergestellt ist. Im Folgenden soll die Kooperation der oben genannten Institutionen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz betrachtet werden im Hinblick auf gemeinsame sprachenpolitische Initiativen zur Stellung von Deutsch an Schulen

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und Hochschulen im Ausland, die Werbung für Deutsch als Fremdsprache im Ausland und die Unterstützung der Deutschlehrerverbände.

2.2 Šprechtíme in Tschechien In Tschechien wurde 2011 unter dem Titel „Šprechtíme“ eine Sympathie- und Informationskampagne der deutschen und österreichischen Botschaft, des GoetheInstituts und des Österreich Instituts sowie zahlreicher anderer deutscher und österreichischer Institutionen ins Leben gerufen (http://www.goethe.de/ins/cz/ prj/jug/spr/udp/deindex.htm). Die Website gibt Auskunft darüber, wo man in Tschechien Deutsch lernen und Prüfungen ablegen kann und aus welchen Gründen es sich lohnt, in Tschechien Deutsch zu lernen. Es werden dabei Anlaufstellen deutscher wie österreichischer Partner genannt. Seit 2014 ist die Kampagne mit eintägigen Programmen „Ein Tag mit Deutsch“ in tschechischen Städten öffentlichkeitswirksam zu Gast. Das Programm richtet sich sowohl an bereits Deutschlernende als auch an die breite Öffentlichkeit, die mit Sprachanimationen, Spielen und Konzerten für das Erlernen der deutschen Sprache interessiert werden sollen. Auf Einladung der deutschen und österreichischen Auslandsvertretungen werden Schuldirektorinnen und Vertreter deutsch- bzw. österreich- tschechischer Organisationen zu Netzwerktreffen und Runden Tischen zusammengebracht. Erfolgreich ist die Vergabe des Deutschlehrerpreises im Rahmen der Kampagne aufgelegt worden und die Wahrnehmung der Deutschlehrerinnen und Anerkennung ihrer Leistungen gesteigert worden. Die von deutscher und österreichischer Auslandsvertretung gemeinsame Unterstützung des Deutschlehrer- und des Germanistenverbandes in Tschechien bei deren Eintreten für die sprachpolitische Stärkung des Deutschen in tschechischen Schulen und Hochschulen hat sicher deren Wirkung gestärkt.

2.3 Semana da Língua Alemão in Brasilien Eines der gelungensten Beispiele einer Kooperation der deutschsprachigen Länder außerhalb Europas ist sicherlich eine Initiative, die nach 2016 und 2017 zum dritten Mal stattgefunden hat. Die Woche der deutschen Sprache (Semana da Língua Alemão) findet jedes Jahr im April in ganz Brasilien statt. Koordiniert durch die deutsche Botschaft und unter Beteiligung von Österreich, der Schweiz, Belgien und Luxemburg, bildet die Grundidee Aktivitäten zum Thema DaF mit einem

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gemeinsamen Logo und einer gemeinsamen Webseite (www.semanadalinguaalema.com.br) anzubieten, die durch die jeweilige Verlinkung brasilienweit von allen Akteuren gemeinsam verbreitet wird. Dabei spielen natürlich die fünf Goethe-Institute in Sao Paulo, Rio de Janeiro, Porto Alegre, Curitiba und Salvador und deren Netzwerk an Goethe-Zentren und Kulturgesellschaften sowie deren 20 PASCH-Schulen eine große Rolle. Aber auch die ZfA mit ihrem Netz an Auslandsund DSD-Schulen, der DAAD und die Auslandsvertretungen der jeweilig beteiligten Länder bilden zusammen eine nahezu flächendeckende Struktur in dem Kontinent-großen Land. Die Auslandsvertretungen Österreichs, der Schweiz, Belgiens und Luxemburgs mit ihrem zusätzlichen Netz an Honorarkonsulaten bildet ein wertvolles Addendum. 2017 gab es 485 Aktivitäten in 49 Städten und 14 Bundesstaaten – im Vergleich zum Vorjahr eine Erweiterung um ca. 80%. 2018 erhöhte sich die Zahl der Veranstaltungen erneut um 20%. Bei den Veranstaltungen handelt es sich um ganz unterschiedliche Aktivitäten – von einem Tag der offenen Tür an Schulen oder Instituten bis hin zu Online-Wettbewerben oder Seminaren für Deutschlehrer. Die Woche der deutschen Sprache gibt der Förderung der deutschen Sprache in Brasilien ohne Zweifel wichtige Impulse. Zudem trägt sie deutlich zu einer stärkeren Netzwerkbildung unter den Sprach-Akteuren und den teilnehmenden Ländern bei. Ziel ist es, auch künftig an das wachsende Interesse der brasilianischen Bevölkerung an der deutschen Sprache anzuknüpfen und die Woche der deutschen Sprache zu einem festen Bestandteil in der DaF-Förderung in Brasilien zu machen. Sie ist ein gutes Beispiel für eine abgestimmte und die gleichen Ziele verfolgende Kooperation zwischen den Akteuren der deutschsprachigen Länder.

3 Gemeinsam größere Wirkung erzielen Diese Beispiele – und es ließen sich noch mehrere aufzählen – zeigen, dass gemeinsame Initiativen eine größere Wirkung erzielen. Oft wird als Argument für das Erlernen der deutschen Sprache vorgebracht, dass die Kommunikation mit 100 Millionen Muttersprachlern nicht nur in Deutschland, sondern auch in dessen Nachbarländern gelingen kann. Ein durchaus wichtiges Argument, eröffnen sich dem Deutschlerner dadurch doch Perspektiven an drei Studien- und Wirtschaftsstandorten. Eine Petition, die Stellung des Deutschen als Fremdsprache im staatlichen Schulcurriculum als Wahlpflichtfach zu stärken, erhält mehr Gewicht, wenn sich die Botschafter zweier/dreier Länder dafür stark machen.

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Die Initiative zur Zusammenarbeit geht heute in der Regel sowohl von einer Mittlerorganisation wie dem Goethe-Institut aber auch von den Deutschlehrerverbänden aus. Neben den sprachenpolitischen Gründen spielen oft auch finanzielle Fragen eine Rolle – die Finanzierung großer Projekte gelingt so besser. Ohne Zweifel ist anzuregen, dass zum einen die Deutschlehrerverbände (DLV), aber auch die Goethe-Institute, die oft am engsten mit den DLV zusammenarbeiten, regelmäßige Treffen mit Vertretern österreichischer Mittlerorganisationen und Schweizer Auslandsvertretungen organisieren. Ziel sollte sein, gemeinsame physische Auftritte auf Tagungen, Messen oder ähnlichem zu organisieren, online Informationen zu verlinken und zu bündeln und gemeinsame Projekte zur Unterstützung von DaF ins Leben zu rufen. In einer Reihe von Ländern organisiert das Goethe-Institut beispielsweise Schulbesuche von deutschen Sprachassistenten, Lektorinnen oder Austauschstudenten, um für das Erlernen von Deutsch zu werben. Hier auch österreichische Lektorinnen und Studenten einzubeziehen, würde die Reichweite erhöhen und das gemeinsame Ziel unterstützen, die deutsche Sprache zu stärken und gleichzeitig die Vielseitigkeit deutschsprachiger Länder hervorheben. Wenn es um die Stärkung der Faches Deutsch an staatlichen (und privaten) Schulen geht, wenn es um die Ausbildung von Deutschlehrerinnen und deren Ansehen geht, wenn es um die Verbreitung deutschsprachiger Literatur und Kultur geht – dann gelingt Kooperation bereits jetzt recht gut. Die Tätigkeit von LektorInnen des DAAD und des OeAD an ausländischen Hochschulen – sei es der Germanistik oder sonstiger Fächer – müsste Gegenstand eigener Untersuchungen sein. Inwieweit im Vorfeld Absprachen zwischen DAAD und OeaD zur Entsendung von Lektorinnen an Hochschulen bestehen, ist nicht Gegenstand dieses Artikels. Aus der Praxis beobachtet arbeiten jedoch Lektoren beider Länder zusammen. Gleichzeitig gilt aber auch, dass jedes der deutschsprachigen Länder seinen Studienstandort, seinen Wirtschaftsstandort entsprechend bewirbt und neben europäischen eben auch nationale Interessen bedient. Ganz praktisch sind auch die Zugangsmöglichkeiten und Voraussetzungen für Hochschulen und den Arbeitsmarkt in den drei Ländern unterschiedlich.

4 Außerschulische Zusammenarbeit Zu den Instrumenten der Förderung von DaF im Ausland gehören auch außerschulische Sprachkurse und Prüfungen. So werden Deutschkurse für Jugendliche

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und Erwachsene an Goethe-Instituten und Österreich Instituten erteilt. Der fachliche Austausch zu Methoden des Unterrichts ist intensiv, die Zusammenarbeit die Regel – sei es zwischen den Fachverbänden und den Hochschulen – sei es gerade auf den Tagungen der Deutschlehrer- oder Germanistenverbände der Gastländer. Mit dem ÖSD vertreiben die Österreich-Institute und deren Lizenzpartner eigene Prüfungen. Die Prüfung auf B1 Niveau wurde gemeinschaftlich vom GoetheInstitut, der Universität Freiburg/Schweiz und dem ÖSD entwickelt und wird weltweit unter den Bezeichnungen Goethe-Zertifikat B1 bzw. ÖSD-Zertifikat B1 angeboten. In Fachverbänden wie ALTE (Association of Language Testers in Europe) findet ein intensiver Austausch zwischen dem Goethe-Institut und Österreich Institut statt. Gleichzeitig erwirtschaften die Österreich Institute (GmbH) und die GoetheInstitute mit Sprachkursen und Prüfungen einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Einnahmen. Die daraus resultierende Konkurrenz kommt im Bereich der Sprachkurse eher selten zum Tragen. Das liegt zum einen an der begrenzten Anzahl von Ländern, in denen beide Institutionen unterwegs sind, zum anderen daran, dass in diesen Ländern der Markt und die Nachfrage groß genug sind und einer gedeihlichen Zusammenarbeit nicht im Wege stehen.

5 Die Grenzen der Zusammenarbeit 5.1 Prüfungen Durchaus konfliktreicher ist die Lage, was das Prüfungsangebot betrifft. Das Prüfungsangebot für DaF ist so vielseitig, dass es wahrscheinlich eine Doktorarbeit wert wäre, dieses Dickicht zu ergründen. Neben der Tatsache, dass es sich um einen nicht unbeträchtlichen Markt handelt, spielen natürlich auch kulturpolitische Gesichtspunkte eine Rolle. Daher hat man die Idee auch nie wirklich verfolgt, eine einheitliche DaF-Prüfung für alle deutschsprachigen Länder zu entwickeln. Aber selbst ein Versuch in Deutschland musste scheitern. Warum? Das Netz an Akteuren im Bereich DaF ist seit seinen Anfängen in den 1950er Jahren stetig größer und vielfältiger geworden. Dies hatte zum einen eine sprachenpolitische Dimension, in der eine Mittlerlandschaft entstanden ist, die vor allem vom deutschen Auswärtigen Amt für die DaF-Förderung im Ausland angestoßen wurde. Diese bildete die Vielschichtigkeit der Bildungs- und Kulturlandschaft in Deutschland ab, so dass DaF (damals noch „Deutsch für Ausländer“) auf die jeweiligen Mittler verteilt war – je nach Zielgruppen (Schule, Universität,

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Privat). DaF wurde in Deutschland schnell zu einem marktwirtschaftlich relevanten Produkt – nicht nur bei kommerziellen Sprachschulen, sondern auch für Universitäten und andere öffentliche Anbieter. Und spätestens in den 1990er Jahren, als die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik nach dem Mauerfall einen deutlich neuen Fokus bekam, wurde auch die „Marktfähigkeit“ von DaF – zumindest bei den privaten Zielgruppen – zum Ziel gesetzt, so dass vor allem das GoetheInstitut seine Sprachkursangebote, aber auch seine Prüfungen deutlich wirtschaftlicher ausrichten musste. Damit gingen auch neue Gesetzgebungen einher, die Einreisebestimmungen an Sprachkenntnisse koppelten – so für die Zielgruppe der Aussiedler (z.B. Russlanddeutsche), für die nachreisenden Ehegatten, aber auch für Studienaufenthalte etc. Prüfungen wurden plötzlich zu einem „heißen“ Thema. Es würde den Rahmen hier sprengen im Detail aufzuführen, welche Anbieter welche Prüfungen aus dem Boden stampften, welche Qualitätsnachweise auf dem Markt waren und welche Prüfung von wem anerkannt wurde. Es war Kraut und Rüben, so dass es nötig wurde, die Prüfungsangebote zu bündeln und vor allem für den Kunden transparent und handhabbar zu machen. Letztlich ist es nicht gelungen, nur eine Prüfungsinstitution für alle Zielgruppen zu schaffen – selbst da nicht, wo es um die staatliche Anerkennung geht.1 Immerhin ist es gelungen, durch einige Kooperationen die Landschaft übersichtlicher zu machen. So gehört der TestDaF zum Prüfungsportfolio des GoetheInstituts, und man kann an den Goethe-Instituten neben den eigenen Prüfungen des Goethe-Instituts in der Regel auch TestDaF ablegen. So erkennen die meisten Universitäten die Prüfungen des Goethe-Instituts auf den Niveaus B2 und C1+2 (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen) an. Im Bereich der Jugendprüfungen gibt es hingegen noch Überschneidungen bei der Prüfung „Fit in Deutsch“ des Goethe-Instituts und den Prüfungen der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), die u.a. auch Prüfungen bzw. Vergleichsarbeiten auf den Niveaus A1 und A2 anbietet. Hier gibt es aber vor allem deswegen Konflikte, weil das Goethe-Institut die Prüfungen kostenpflichtig anbieten muss, während die ZfA keine Gebühren für ihre Prüfungen bei den ausländischen Partnern verlangt.

|| 1 Die Einführung des Europäischen Referenzrahmens hatte in der Prüfungslandschaft Europas eine deutliche Verbesserung der Vergleichbarkeit und damit der Anerkennung durch die jeweiligen Regierungen erreicht. Allerdings wurde dadurch klar wie verwickelt und kompliziert das DaF-Prüfungssystem in Deutschland war. Man hatte nicht nur – wie z.B. in Frankreich, England oder Spanien - eine Prüfung, die für Schule und Uni empfohlen werden konnte, sondern diese Länder mussten aufgrund der „Bildungshoheit der Länder“ in Deutschland ihre Prüfungen anstatt von einem einzigen Bildungsministerium von 16 anerkennen lassen.

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5.2 Prüfungen und PASCH Die Frage der Prüfungen spielte bei der Gründung und Koordination von PASCH2 eine große Rolle und musste letztlich dafür herhalten, die jeweilige Zuständigkeit der Mittlerorganisation festzulegen. Dies ist auch nicht ohne Konflikte abgelaufen. Letztlich wurde die Zuständigkeit innerhalb von PASCH tatsächlich am Prüfungsangebot des jeweiligen Mittlers definiert. Das Goethe-Institut ist zuständig für die PASCH-Schulen, die „Fit in Deutsch“ auf A1 und A2 Niveau anbieten und daher oft „Fit Schulen“ genannt werden, und die ZfA ist – neben den Deutschen Auslandsschulen – zuständig für die PASCH Schulen, die das DSDI oder DSDII auf A2/B1 bzw. B2/C1 Niveau anbieten, und zudem für die Schulen, die ein „DSDPotenzial“ haben. Man muss hier nicht ausführen, dass es nach wie vor problematisch ist zu definieren, was DSD-Potenzial bedeutet oder ob eine PASCHSchule sich tatsächlich nur an ihrer Prüfung bzw. an dem Sprachniveau der Schüler „messen“ lassen sollte. Schaut man sich das Gesamtprojekt an, so fällt auf, dass es zwischen den beiden PASCH Schulformen (DSD-Schule und Fit-Schule) nur eine unscharfe Trennung gibt. Es ist daher auch nicht nachvollziehbar, warum eine DSD-Schule die Prüfungen umsonst bekommt und eine Fit-Schule sie bezahlen muss (wenn auch oft zu subventionierten Preisen). Auch können die Schulen oft nicht verstehen, warum die Prüfungen auf den A-Niveaus curriculumsunabhängig und die auf den B- und C-Niveaus an Curricula gebunden sind. Hier stoßen zwei verschiedene Prüfungssysteme aufeinander, die schwer kompatibel sind. Für die Zielgruppen – Bildungsbehörden, Schulleiter, Lehrer und Schüler von PASCH-Schulen – muss dies verwirrend und zuweilen auch unverständlich sein. Neben der Verwirrung bei Partnern bestehen auch das Risiko der Doppelförderung und ein unnötig großer Koordinationsaufwand.

6 Zusammenarbeit von Goethe-Institut, ZfA und DAAD Es gibt neben den Prüfungen sicherlich noch das ein oder andere Feld, in dem sich die Arbeit des Goethe-Instituts im Bereich der DaF-Förderung mit denen anderer Mittler überschneidet. Dies geschieht vor allem in der Bildungskooperation Deutsch (BKD), wenn es um die Betreuung der PASCH Schulen und der Fortbildung von Lehrern geht. Hier überschneiden sich Aufgaben mit der ZfA. Oder || 2 Vgl. Hoffmann, Hunold & Hoischen im vorliegenden Band.

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wenn es um die Deutschlehrerausbildung und Sprachvermittlung für Studierende geht. Hier gibt es Schnittstellen mit dem DAAD. Und am einen oder anderen Ort, z.B. in Südbrasilien, ist es auch noch nicht ganz gelungen, die Förderung entsprechend der jeweiligen Zuständigkeiten so abzustimmen, dass weder Doppel- noch Fehlförderung geschieht. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass die Abstimmung und regelmäßige Kommunikation sowohl zwischen den Zentralen als auch den Vertretern im Ausland, koordiniert durch das AA bzw. die Auslandsvertretungen, inzwischen so regelmäßig und vertrauensvoll ist, dass man von einer erfolgreichen und abgestimmten DaF-Förderung durch die Mittlerorganisationen Deutschlands sprechen kann. Die Mittlerlandschaft in Deutschland zeigt, dass eine Vielfalt zur Förderung von DaF durchaus den positiven Effekt hat, dass sie verschiedenen Nachfragen gezielt begegnen kann. Die erfolgreichen Bemühungen, die Schnittstellen zu verkleinern und Synergien der Zusammenarbeit zwischen den Mittlern in Deutschland zu nutzen, haben in den letzten Jahren zugenommen. Dadurch können Ressourcen deutlich effektiver und für alle Beteiligten gewinnbringender eingesetzt werden.

7 Resümee Je stetiger und selbstverständlicher die Abstimmung der vielfältigen DaF-Förderer und DaF-Anbieter innerhalb und zwischen den deutschsprachigen Ländern geschieht, desto erfolgreicher und sichtbarer wird die deutsche Sprache im Ausland. Diese Regel gilt auch für den „DaF Markt“, der – wenn er gut abgestimmt und zielgerichtet geschieht – sicherlich eine gute „Ernte“ für jeden einbringt. Immerhin ist er einer der wenigen wachsenden Märkte in unserer ansonsten stagnierenden Welt. Das Motto muss daher heißen „miteinander und nicht gegeneinander“, und da scheint man auf einem guten Weg zu sein.

Literaturverzeichnis Ammon, Ulrich (2015): Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Berlin u.a.: de Gruyter. Auswärtiges Amt (Hrsg.) (2016): 20. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik 2016. https://www.auswaertiges-amt.de/blob/289396/ 58d60f4040d34e5a1a0d69fba06de725/170427-akbp16-data.pdf. (10.07.2018) FREIBURGER RESOLUTION ZUR SPRACHENPOLITIK (2017): 11 Thesen zur Stärkung und Weiterentwicklung von Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Langfassung, veröffentlicht auf

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https://www.idt-2017.ch/docs/resolution/Freiburger_Resolution_IDT_2017_komplett.pdf. (10.07.2018)

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Kooperation der weltweiten Organisationen von Deutsch als Fremdsprache und Germanistik und Zukunftsperspektiven 1 Gemeinsamkeit in der Förderung der deutschen Sprache als Fremdsprache In den Fächern Deutsch als Fremdsprache und Germanistik kooperieren neben vielen wichtigen Trägerinstitutionen wie dem Goethe-Institut, dem DAAD, der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, der Gesellschaft für deutsche Sprache und anderen auch mehrere wichtige internationale Organisationen, auch zur Förderung der deutschen Sprache. Sie haben zwar hinsichtlich Zielsetzung und Aufgaben verschiedene Profile und Schwerpunkte, dennoch haben sie in ihrer Arbeit mehr oder weniger zumindest diese eine Gemeinsamkeit, nämlich zu eben dieser Förderung der deutschen Sprache bzw. Deutsch als Fremdsprache weltweit beizutragen. Hierfür sind vor allem drei wichtige weltweite Organisationen repräsentativ, auf deren Zusammenarbeit der vorliegende Beitrag im Folgenden eingehen wird: Der Internationale Deutschlehrerinnen- und Deutschlehrerverband (IDV), die Internationale Vereinigung für Germanistik (IVG) und die Gesellschaft für interkulturelle Germanistik (GiG). Der Internationale Deutschlehrerinnen- und Deutschlehrerverband (IDV) fördert als Dachorganisation der Länder- und Regionalverbände das Fach Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache weltweit, vor allem durch Kongresse, Tagungen und Seminare, und sieht seine Aufgaben konkret wie folgt vor: – Weiterentwicklung des Faches Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache, – Erarbeitung landeskundlicher Fragestellungen, – Förderung des Verständnisses von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, – Aus- und Weiterbildung von Deutschlehrerinnen und -lehrern, Unterstützung der Deutschlehrenden in ihrer beruflichen Tätigkeit, Förderung einer angemessenen Stellung der deutschen Sprache.1

|| 1 Vgl. Homepage des IDV: http://idvnetz.org/was-ist-der-idv || Jianhua Zhu, Tongji-Universität, Shanghai, China, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-028

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Nach dem Artikel 1 der Satzung hat die Internationale Vereinigung für Ger-manistik (IVG) den Zweck, „die Germanistik durch internationale Zusammen-arbeit zu fördern […] Die Hauptaufgaben der IVG sind: Die Unterstützung von Forschung, Lehre und Ausbildung, die Förderung persönlicher Beziehungen im Rahmen der von ihr vertretenen Fachgebiete, die Unterhaltung des Kontaktes mit den bestehenden Fach- und Landesverbänden, insbesondere die Veranstaltung von internationalen Kongressen.“2 Schwerpunktmäßig geht man traditionell vom philologischen Kern der Germanistik aus, nämlich der Literaturwissenschaft und der Sprachwissenschaft, die im Fach Germanistik selbstverständlich auf der deutschen Sprache, international gesehen in der Auslandsgermanistik vor allem auf Deutsch als Fremdsprache basiert. Eine weitere Tatsache ist, dass der größte Teil der Auslandsgermanisten in verschiedenen Ländern in erster Linie als Deutschlehrende arbeiten, was wesentlich zum Erhalt des Fachs Germanistik und Deutsch als Fremdsprache im Ausland beigetragen hat. Im Hintergrund des Bestrebens nach Mehrsprachigkeit, das besonders seit dem 21. Jahrhundert nicht nur in Europa, sondern auch immer mehr weltweit, z.B. in China, Indien, Brasilien usw., praktiziert worden ist, wobei Deutsch als eine wichtige Kultur-sprache gesehen wird, wurden in letzter Zeit Sprachdidaktik und Kultur-wissenschaft immer stärker als Themenbereiche in IVG-Kongressen aufge-nommen. So wurden z.B. auf dem 13. Weltkongress der IVG 2015 in Shanghai insgesamt 11 Sektionen der Sprachdidaktik und 4 Sektionen der Kulturwissen-schaft (interkulturelle Kommunikation) ins Programm eingeplant.3 „Sprachen-politik“, „Stellung der deutschen Sprache“, „Viel- bzw. Mehrsprachigkeit“ und „Inter- bzw. Transkulturalität“ waren sowohl auf dem 12. Weltkongress 2010 in Warschau als auch auf dem 13. Weltkongress 2015 in Shanghai wichtige Diskussionsthemen der Panels. Die Gesellschaft für interkulturelle Germanistik (GiG) sieht in ihrer Profildarstellung „neben literatur- und kulturwissenschaftlichen Akzenten interkulturelle Perspektiven [...] der Fremd- und Zweitsprachenforschung...“ als eine ihrer wichtigen Forschungsaufgaben vor.4 Auch da arbeiten die Kolleginnen und Kollegen in der Auslandsgermanistik in verschiedenen Ländern in den meisten Fällen als Deutschlehrende, die sich in der Lehrpraxis schwerpunktmäßig mit der Problematik der Interkulturalität zwischen der deutschen als fremden und den eigenen Kulturen konfrontiert sehen.

|| 2 Vgl. Zhu, Zhao & Szurawitzki (2016: 109). 3 Vgl. Zhu, Zhao & Szurawitzki (2016: 56–57). 4 Vgl. Homepage der GiG: http://www.gig.uni-bayreuth.de/pool/dokumente/GiG-Flyer.pdf.

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2 Immer engere Zusammenarbeit Zwischen den genannten internationalen Organisationen besteht eine enge Zusammenarbeit, Verzahnung und Vernetzung. Dies erkennt man sowohl in der jeweiligen Satzung als auch in der Praxis. So steht z.B. im Punkt 1. von Art. 3 ‚Assoziation und Kooperation‘ der Satzung des IDV: „Der IDV kann zur Erreichung seiner Zielsetzungen Mitglied bei anderen internationalen Verbänden und Organisationen werden oder mit solchen sowie mit internationalen Institutionen kooperieren.“5 Auch die IVG lädt die Präsidenten der anderen internationalen Organisationen als Ehrengäste zu ihren Ausschusssitzungen und Weltkongressen z.B. in Warschau und in Shanghai ein, wobei die gegenseitige Unterstützung, Ergänzung und Profilierung der jeweiligen Diskussionen, Planungen und Programme immer wieder betont wurden. So würdigte die IDV-Präsidentin Marianne Hepp (Grucza 2013: 109) die seit gut drei Jahrzehnten bestehende hervorragende Kooperation mit der IVG und meinte, dass in dieser Zeit auch eine Erweiterung des Einbezugs der Deutschen Sprachwissenschaft und Deutsch als Fremdsprache und Zweitsprache in den IDV-Weltkongressen realisiert werden konnte. Nach dem ehemaligen Präsidenten der GiG, Ernest W.B. Hess-Lüttich (Grucza 2013: 111) setzen die IVG und GiG „unterschiedliche Akzente und sie ergänzen einander in der Verfolgung des gemeinsamen Ziels. Komplementär zu den Großveranstaltungen der IVG führt die GiG [...] regelmäßig thematisch fokussierte Jahrestagungen zu Fragen ihres Aufgabengebietes durch [...]“. Ein weiterer Beleg solcher Kooperationen ist, dass immer mehr Mitglieder der jeweiligen Organisationen zugleich Mitglieder in anderen Organisationen sind. Dies führt sowohl zu einer gegenstandsbezogenen Verzahnung als auch zu einer immer stärkeren personellen Vernetzung. So meinte der ehemalige IVG-Präsident Franciszek Grucza (2013: 12), „dass unsere Zusammenarbeit in der Zukunft noch fruchtbarer als bisher wird und die IVG dabei eine noch weiter als bisher gefasste integrative Funktion ausüben kann.“

3 Zukunftsperspektiven zur Verbesserung Auf die Frage „Ließe sich die Kooperation der weltweiten Organisationen von Deutsch als Fremdsprache und Germanistik verbessern?“, lautet meine Antwort || 5 Vgl. Homepage des IDV: http://idvnetz.org/was-ist-der-idv.

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zweifelsohne „Ja“ – Aber in welcher Hinsicht? Im Prozess der Globalisierung der Wirtschaft und Internationalisierung der Wissenschaft und Technik sowie des kulturellen Pluralismus sind m. E. mindestens die folgenden Perspektiven hinsichtlich einer verstärkten Kooperation zwischen den internationalen Organisationen möglich und notwendig, um eine nachhaltige Entwicklung des Fachs Germanistik und Deutsch als Fremdsprache weltweit zu erhalten.

3.1 Gemeinsame Förderung der deutschen Sprache als Kultursprache Welche Stellung hat Deutsch heutzutage in der Welt? In der Diskussion über die Mehrsprachigkeit hat man immer mehr erkannt: Deutsch ist zwar nicht mehr wie vor 100 Jahren eine Wissenschaftssprache weltweit, bleibt aber eine wichtige Kultursprache, die immerhin von über 100 Millionen Menschen gesprochen wird. Heutzutage wird Englisch fast überall als Lingua franca verwendet und anerkannt. Jedoch muss man sehen, dass die anderen Sprachen weiterhin die jeweiligen Kulturen repräsentieren. D.h. wenn man Deutsch als Fremdsprache im Ausland erlernt, ist es in den meisten Fällen auch mit der deutschen Kultur verbunden. In dieser Hinsicht könnte eine Kooperation der drei genannten internationalen Organisationen z.B. mit einem gemeinsamen Konsens bezüglich Sprachenpolitik, wie in der Satzung des IDV, zur „Förderung einer angemessenen Stellung der deutschen Sprache“, sehr hilfreich sein. Kimura (2010) meint, dass die sogenannte Auslandsgermanistik zumindest in Ostasien seit ihrer Etablierung im Hochschulbereich nicht so sehr als Philologie, sondern eher als Kulturwissenschaft im Sinne von „cultural studies“ verstanden worden ist. Daher kann m. E. eine interdisziplinäre Anbindung der Fächer Germanistik und Deutsch als Fremdsprache an die Kulturwissenschaft durch verschiedene Jahrestagungen, Kongresse und themenspezifische Veranstaltungen der internationalen Organisationen wie IVG, IDV und GiG und anderer die nachhaltige Entwicklung der Fächer oder des übergreifenden Fachs stark unterstützen, indem kulturwissenschaftliche Ansätze bewusst immer mehr in die Erforschung der Literaturwissenschaft, Linguistik und Sprachdidaktik einbezogen werden.

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3.2 Betonung der Interkulturalität Verbunden mit 3.1 wäre und ist die Betonung der Interkulturalität für alle drei Organisationen ein weiterer Schritt für die nachhaltige Entwicklung des übergreifenden Fachs, sowohl in der Literaturwissenschaft und Linguistik, als auch in der Didaktik und Methodik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Wie Hess-Lüttich (Grucza 2013: 111) meinte, „hat die Germanistik im Rahmen von 20 Millionen Menschen, die derzeit Deutsch erlernen, die besondere Funktion, das Interesse an deutschsprachigen Kulturen theoretisch und praktisch in einen interkulturellen Zusammenhang zu stellen. Dieser Aufgabe stellen sich die IVG und GiG in gemeinsamer Verantwortung für ihr Fach.“ Für die Sprachausbildung im Deutschunterricht in Schulen und Hochschulen ist die Förderung der interkulturellen Kompetenz dringender denn je. Denn interkulturelles Bewusstsein und interkulturelles Handeln sind in der heutigen Gesellschaft für die Bewältigung der Missverständnisse sowie für Konfliktüberwindung und Völkerverständigung von gewichtiger Bedeutung. Diese Sicht geht weit hinaus über die normale kontrastive Linguistik oder einfache Kulturkomparatistik. Daher müssen Ansätze der interkulturellen Kommunikation (wie z.B. Reflexion und Sensibilisierung auf die jeweilige eigene Kultur beim Deutschlernen) durch verschiedene Kongresse und Veranstaltungen der internationalen Organisationen wie IVG, IDV und GiG und anderer sowohl für die wissenschaftliche Forschung, als auch für die Lehrpraxis verstärkt einbezogen werden.

3.3 Gemeinsame Bemühungen um die Überwindung der Krise International liefern die unterschiedlichen Erfahrungen in verschiedenen Ländern genug Gründe für Sorgen um die Zukunft des Fachs Germanistik und Deutsch als Fremdsprache. Während in den Ländern wie Polen, Italien, Indien, China in den letzten Jahren die Zahlen der Deutschlernenden gestiegen sind, klagt man in anderen Ländern wie in den USA und Japan über die Krise der Auslandsgermanistik, weil immer mehr Institute geschlossen werden oder die Zahlen der Deutschlernenden sinken. Nach Grucza (2010: 65) ist die Auslandsgermanistik weltweit weder ein homogenes noch ein gleich ausgestattetes Fach und darf auch nicht überall nach ein und demselben Muster gestaltet werden. Er wies in diesem Zusammenhang auf die Unterschiede zwischen der Germanistik in deutschsprachigen Ländern und der Auslandsgermanistik hin: „Die Germanistik in den deutschsprachigen Ländern muss nicht darum bangen, dass sich bei ihr eines Tages keine Studie-

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renden mehr einschreiben oder dass diese Kandidaten über keine Deutschkenntnisse verfügen. Die Auslandsgermanistik muss aber damit rechnen. Um dem Eintritt eines solchen fatalen Zustands vorzubeugen, muss sie selbst Sorge dafür tragen, dass der Deutschunterricht an den Schulen ihres Landes von gut qualifizierten Lehrern möglichst erfolgreich durchgeführt wird.“ Daher müssen m. E. internationale Organisationen wie IDV, IVG und GiG gemeinsame Überlegungen anstellen, konstruktive Vorschläge machen und Maßnahmen nach jeweiligen Ländersituationen treffen, und sogar noch zusätzlich stützend einzugreifen, wo es mit dem Deutschunterricht, z.B. in Schulen und Hochschulen, und mit dem Fach Germanistik und Deutsch als Fremdsprache aufwärtsgeht, wie z.B. in China. Für Situationen, wo man Schwierigkeiten hat, wären Erfahrungsaustausche und Ratschläge, z.B. bezüglich Innovation und Umstrukturierung des Fachs, hilfreich, um damit einer weltweiten Krise vorzubeugen, sie gegebenenfalls zu überwinden und eine ständige Belebung des Fachs in Forschung und Lehre zu unterstützen.

3.4 Gemeinsames Streben nach der Kreativität und Innovation Auf die nachhaltige Entwicklung des Fachs Germanistik und Deutsch als Fremdsprache weltweit blickend, ist m. E. das gemeinsame Streben nach Kreativität und Innovation der internationalen Organisationen wie IVG, IDV und GiG eine ständige Aufgabe, wobei die drei Schlagworte Internationalisierung, Inter- und Transdisziplinarität und Anwendungsbezogenheit, die besonders in letzter Zeit in Tagungen, Kolloquien, Kongressen usw. dieser Organisationen immer wieder aufgegriffen wurden und die zentralen Themenfelder und Thesen der Diskussion benennen. Das erste Thema ‚Internationalisierung des Fachs’ betrifft alle genannten Organisationen, obwohl sie jeweils unterschiedliche Akzente und Schwerpunkte in ihren Aufgabenprofilen haben. Die Internationalisierung bedeutet nicht nur, dass die Auslandsgermanisten und –deutschlehrerinnen und –lehrer sich künftig immer enger vernetzen, indem z.B. immer mehr Vereinigungen, Verbände für Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in verschiedenen Ländern und Regionen wie in Asien, Afrika und Lateinamerika entstehen und sich den internationalen Dachorganisationen wie IDV anschließen, sondern auch eine tatsächliche Perspektivenerweiterung und Bereicherung im Gegenstand unseres Fachs, womit wir uns in den jeweiligen Ländern und Regionen wissenschaftlich und pragmatisch beschäftigen und unsere Erfahrungen und Forschungsergebnisse austauschen, sei es literaturwissenschaftlich, linguistisch, kulturwissenschaftlich oder didaktisch und methodisch.

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Zweitens sollen Ansätze der Inter- und Transdisziplinarität im Fach der Auslandgermanistik und Deutsch als Fremdsprache von allen internationalen Organisationen besonders gefördert werden. Unter Inter- und Transdisziplinarität versteht man nicht das Nebeneinanderstehen von zwei Fächern wie z.B. Germanistik und Jura, auch nicht im Sinne von Doppelqualifikation, sondern die Dominanz des Fachs Germanistik und Deutsch als Fremdsprache als Kerndisziplin. Alle anderen Fachdisziplinen gelten als Ergänzungen, die in die Kerndisziplin einfließen können, wie etwa Wirtschaftsdeutsch, wortwörtlich im Sinne des Kompositums, das aus einem Grundwort und einem Bestimmungswort zusammengesetzt ist, wobei das Grundwort Deutsch die grundlegende Wortbedeutung trägt.6 Dabei sollen m. E. besonders die Gedanken, Vorschläge, Maßnahmen, Ausbildungsmodelle usw., wie und in welcher Form das Fach Germanistik und Deutsch als Fremdsprache je nach verschiedenen Bedingungsfeldern in den jeweiligen Ländern besser mit anderen, angrenzenden Fachdisziplinen vernetzt und durch die internationalen Organisationen wie IDV, IVG und GiG gelenkt, unterstützt und gefördert werden können. Neue Impulse und Synergie-Effekte aus der Fächerverzahnung und -verknüpfung schaffen neue Perspektiven und führen schließlich zur Innovation in Lehre und Forschung. Drittens soll das Thema Anwendungsbezogenheit von den genannten internationalen Organisationen immer wieder aufgegriffen werden, weil Berufsperspektiven der Absolventen für die Existenz des Fachs eine entscheidende Rolle spielen. Es ist eine gemeinsame Aufgabe zu vermeiden, dass die Auslandsgermanistik zum Orchideenfach wird und unsere Studierenden Deutsch als ‚Kunst des Drachentötens’ (Hess 1992) lernen. Dabei ist z.B. eine regionale Anpassung und Fokussierung für die Umgestaltung und Modernisierung der Studiengänge besonders anzustreben.

Literaturverzeichnis Grucza, Franciszek (2010): Germanistik ist ein globales Fach. Magazin-Deutschland 2, 65–66. Grucza, Franciszek (Hrsg.) (2013): Akten des XII. Internationalen Germanistenkongresses Warschau, Band 1, Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang. Hess, Hans-Werner (1992): „Die Kunst des Drachentötens“: Zur Situation von Deutsch als Fremdsprache in der Volksrepublik China. München: Iudicium. Kimura, Naoji (2010): Deutschsprachige Germanistik in Ostasien. TRANS, Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. www.inst.at-trans-17Nr-1-8/1-8_sektionsbericht17.htm.

|| 6 Vgl. Zhu (2014: 46).

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Zhu, Jianhua (2014): Transdisziplinarität und Interkulturalität – Tendenzen der internationalen Germanistik. In Hans-Rüdiger Fluck & Jianhua Zhu (Hrsg.), Vielfalt und Interkulturalität der internationalen Germanistik, 39–48. Tübingen: Stauffenburg. Zhu, Jianhua, Jin Zhao & Michael Szurawitzki (Hrsg.) (2016): Akten des XIII. Internationalen Germanistenkongresses Shanghai 2015, Band 1, Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang.

Diana Stantcheva, Gabriele Dillmann

Förderung der deutschen Sprache durch transnationale digitale Vernetzung im universitären DaF-Unterricht 1 Einleitung Mit dem vorliegenden Beitrag wird anhand eines internationalen Kooperationsprojekts auf dem Gebiet Deutsch als Fremdsprache zwischen Denison University in den USA (=Denison) und American University in Bulgaria (=AUBG) aufgezeigt, wie eine transnationale digitale Vernetzung im universitären DaF-Unterricht zur Förderung der deutschen Sprache als Hochschulfremdsprache genutzt werden kann. Bei diesem Projekt treffen sich DaF-Lernende, die sich an zwei verschiedenen Orten der Welt befinden und dadurch die Grenzen des traditionellen Klassenzimmers auflösen, zu Student-zu-Student-Online-Gesprächen/Diskussionen außerhalb des Präsenzunterrichts und trainieren vorbereitetes sowie spontanes Sprechen zu authentischen Themen. Das Projekt dient als Ergänzung zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht und versucht unter anderem das Erlernen der deutschen Sprache durch Online-Plattformen für Webvideokonferenzen wie Google+ Hangouts und Zoom mit ihren multifunktionalen Interaktionstools (Screen Sharing, Chatten, usw.) unter Studierenden auf eine nicht traditionelle Art und Weise attraktiver zu machen.

2 Zur Situation des Deutschen als Hochschulfremdsprache an den beiden Partneruniversitäten Die AUBG ist die erste private amerikanische Liberal-Arts-Universität in Osteuropa. Sie ist gleichzeitig von der New England Association of Schools and Colleges (NEASC) und von der Bulgarischen Agentur zur Evaluierung und Akkreditierung

|| Diana Stantcheva, American University in Bulgaria, Blagoevgrad, [email protected] Gabriele Dillmann, Denison University, Glanville, USA, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-029

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von Hochschulen (Национална агенция за оценяване и акредитация) akkreditiert und vergibt ein amerikanisches und ein bulgarisches Diplom. An der AUBG werden Studenten aus über 30 verschiedenen Ländern ausgebildet, etwa 55% davon kommen aus Bulgarien und ungefähr 45% aus anderen Ländern der Welt. Die Unterrichts- und Arbeitssprache an der Universität ist Englisch. Englisch ist meistens auch die erste Fremdsprache der Studenten. Deutsch wird an der AUBG als zweite, manchmal dritte oder sogar vierte Fremdsprache gelernt (neben Französisch, Spanisch, Bulgarisch und seit dem Herbstsemester 2017 auch Chinesisch). In der Regel passiert dies im Rahmen des Bachelorstudienganges Europastudien (European Studies Major) als Hauptfach sowie im Rahmen des Nebenfaches Moderne Sprachen und Kulturen – Deutsch (Minor in Modern Languages and Cultures – German). Die Deutsch-als-Fremdsprache-Kurse sind auch für andere Studenten offen, die studienbegleitend Deutsch lernen möchten. Die Fremdsprachenausbildung in Deutsch umfasst alle Sprachniveaus von Anfängerkursen (Introductory German), über Mittelstufenkurse (Intermediate German) bis hin zu fortgeschrittenen Kursen (Advanced German) sowie landeskundlich orientierte Kurse. Das Erlernen des Deutschen als Fremdsprache hat in Bulgarien eine lange Tradition und ist bedingt durch die gemeinsame europäische Geschichte sowie durch die Wirtschaftsbeziehungen Bulgariens mit den deutschsprachigen Ländern. Besonders die ehemalige DDR, aber auch die Bundesrepublik Deutschland und Österreich waren darüber hinaus jahrzehntelang beliebte Ausbildungs-destinationen für junge Leute aus Bulgarien. Nach der Wende sind auch viele Bulgaren in die deutschsprachigen Länder ausgewandert. In den letzten fünf-zehn Jahren lässt sich jedoch eine rückläufige Tendenz in der Anzahl der Deutschlernenden in Bulgarien beobachten, was auch durch die Zahlen der Datenerhebungen Deutsch als Fremdsprache, Deutsch als Fremdsprache in der Welt und Deutsch als Fremdsprache weltweit in dem Zeitraum 2000-2015 belegt wird.1 Das Deutsche hat in dieser Zeit zunehmend an Popularität gegenüber dem Englischen als der weltweiten Lingua franca und wichtigster Arbeitssprache der EU-Institutionen verloren und rangiert auf Platz 2 der meist gelernten Fremd-sprachen in

|| 1 Zum Vergleich waren die Zahlen der Deutschlerner (gesamt) in Bulgarien wie folgt: 2000 – 155579 (www.goethe.de/resources/files/pdf19/60112-STANDARD.pdf), 2005 – 128952 (www.goethe.de/resources/files/pdf19/1459127-STANDARD.pdf), 2010 – 115396 (www.goethe.de/resources/files/pdf19/5759818-STANDARD.pdf), 2015 – 99784 (www.goethe.de/resources/files/pdf37/Bro_Deutschlernerhebung_final2.pdf). (25.06.2018). Diese Zahlen dokumentieren einen Rückgang von 55795 Deutschlernenden für den Zeitraum 2000–2015.

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Bulgarien zusammen mit dem Französischen, das die zweitwichtigste Arbeitssprache der EU-Institutionen ist. In den letzten Jahren beobachtet man in Bulgarien auch ein wachsendes Interesse am Chinesischen, was unter anderem an der sehr aktiven Politik der Volksrepublik China liegt, Kulturinstitute an vielen Orten der Welt zu eröffnen und Lehrkräfte kostenfrei zu entsenden. In den deutschsprachigen Ländern wurden darüber hinaus in den letzten fünfzehn Jahren viele Studiengänge auf Englisch etabliert, was die Beherrschung der deutschen Sprache für ein Studium in diesen Ländern nicht mehr notwendig macht. Auch bei der Vergabe von Studienstipendien von deutschsprachigen Institutionen sind Deutschkenntnisse nicht mehr unbedingt erforderlich. Die großen Firmen in Deutschland und auch die deutschen Firmen in Bulgarien, die internationale Fachkräfte einstellen, haben das Englische zunehmend auch als Arbeits-sprache. Deutsch gilt auch generell als schwer zu erlernen und Studierende, die Englisch bereits perfekt in Wort und Schrift beherrschen, gehen sehr oft davon aus, dass das Englische für ihre berufliche Zukunft ausreichend sein wird. Als eine private Liberal-Arts-Hochschule ist Denison Teil des amerikanischen Ausbildungssystems. Die DaF-Sektion ist in die Fremdsprachenfakultät (Modern Languages Department) eingebunden und bietet den Bachelorstudiengang Deutsch als Haupt- und Nebenfach an. Für die meisten amerikanischen Studierenden mit westeuropäischen Vorfahren ist es die erste Fremdsprache, für internationale Studenten nach Englisch die zweite, oft dritte Fremdsprache. Die meisten Haupt- und Nebenfächler schließen ihr Studium auf dem Niveau B1 bzw. B2 ab. Die Einschreibezahlen im Fach Deutsch sind an amerikanischen Hochschulen seit Jahren rückläufig, wie auch bei den Fremdsprachen in den USA überhaupt, außer beim Spanischen.2 Auch an amerikanischen High Schools wird Deutsch landesweit immer weniger angeboten, was u.a. dazu führt, dass es kaum noch Deutschstudierende gibt, die das Studium mit dem Einstieg in die Mittelstufe beginnen. Das hat bedeutende Konsequenzen. Zum einen ist die Zahl der Deutsch-Hauptfächler über die letzten Jahre drastisch gesunken, da das erforderliche Kursquantum (bei Denison sind es 9 Kurse ab der Mittelstufe) in vier Jahren Studienzeit ohne vorhergehende oder mit nur minimalen Sprachkenntnissen kaum zu bewältigen ist. Zum anderen graduieren die Studierenden kaum noch

|| 2 Vgl. dazu Foreign Languages and Higher Education: New Structures for a Changed World (Modern Languages Association, 2007), https://www.mla.org/Resources/Research/Surveys-Reportsand-Other-Documents/Teaching-Enrollments-and-Programs/Foreign-Languages-and-HigherEducation-New-Structures-for-a-Changed-World (25.06.2018).

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über dem Niveau B1/B2, was wiederum bedeutet, dass für die (wenigen) Lehrerstellen, die es an High Schools noch gibt, kaum qualifizierte Fachkräfte eingestellt werden können. Deutsch-Nebenfächler (5 Kurse ab der Mittelstufe) auf der anderen Seite beenden ihr Deutschstudium meistens nach dem semesterlangen Auslandsstudium, um sich auf ihr Hauptfach bzw. ihre Hauptfächer zu konzentrieren. Denison, wie die meisten kleinen, privaten Liberal-Arts-Universitäten, hat eine obligatorische Fremdsprachenausbildung (language requirement) als Teil des zu absolvierenden Allgemeinstudiums (general education). Demnach müssen Studierende zwei Semester lang eine an der Universität angebotene Fremdsprache belegt haben, um das vierjährige Studium mit dem Bachelor abzuschließen. Für viele Studenten ist diese Regelung eher eine Belastung, da es amerikanischen Hochschuleinrichtungen immer weniger gelingt, den Studenten den Wert des Sprachstudiums – und damit des Studiums anderer Kulturen – trotz aller Globalisierungsrhetorik erfolgreich zu vermitteln. Allerdings bedeuten diese zwei Semester auch eine Chance für Sprachabteilungen, Studenten für ein erweitertes Sprachstudium zu gewinnen. In beiden Institutionen, AUBG und Denison, verlangen diese Bedingungen von den Lehrkräften ständig neue Ideen und Kreativität, um die Studierenden zu motivieren, mit dem Erlernen der deutschen Sprache zu beginnen bzw. fortzufahren. In diesem Zusammenhang kann das im Folgenden beschriebene gemeinsame Kooperationsprojekt auch als eine zusätzliche Möglichkeit angesehen werden, zu mehr Deutschlernen zu motivieren und das Deutsche als Hochschulfremdsprache an beiden Universitäten zu fördern.

3 Projektziele Die pädagogischen Ziele, die wir uns mit dem Kooperationsprojekt stellen, sind dreifach und sind miteinander verflochten: Erstens Verbesserung der Sprechfertigkeit (Erweiterung des passiven und aktiven Wortschatzes, Flüssigkeit des Sprechens, Kohärenz der Aussagen), zweitens Ausbau der interkulturellen Kompetenz (kultureller Hintergrund, empathische Haltung, Erweiterung des Sachwissens) und drittens Vermittlung digitaler Kenntnisse (Gebrauch der technologischen Werkzeuge, Netiquette). Die Verbesserung der mündlichen Sprachkompetenz mit Hilfe digitaler Technologien ist ein Projektziel, mit dem wir didaktisches Neuland betreten. Viele der

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uns bekannten Tandem-Projekte beschränken sich auf die schriftliche Textproduktion.3 Warum richtet sich aber unser Augenmerk gerade auf die mündliche Sprachkompetenz? Es lassen sich vielerlei Gründe dafür vorbringen: Das Sprechen ist ein wichtiges Kommunikationsmittel – eine Sprache muss man vor allem sprechen können. Das Sprechen ist darüber hinaus eine produktive Fertigkeit, die oft größere Probleme beim Erlernen einer Fremdsprache als die anderen Fertigkeiten (Schreiben, Lesen, Hörverstehen) bereitet. Zudem ist das Sprechen eine komplexe Tätigkeit, zu der kommunikative Absichten, Reaktion auf die Äußerungen des Gesprächspartners, Wortschatz, Grammatik, Aussprache, Stilistik, interkulturelles Wissen sowie Körpersprache gehören. Im praktischen Fremdsprachenunterricht wird das Sprechen allerdings häufig als Zielmaximum angesehen, für welches leider nicht viel Zeit übrig bleibt (im Durchschnitt weniger als 1 Minute pro Lerner). Dazu kommt noch die Tatsache, dass sich nicht alle Lernenden gleichermaßen trauen, im Unterricht zu sprechen. Die Fertigkeit Sprechen lässt sich schließlich gut mit digitalen Technologien trainieren und prüfen. Neue digitale Technologien und innovative hybride pädagogische Modelle haben die Fremdsprachenvermittlung signifikant und dauerhaft verändert. Dass Lernende im Erwerb kommunikativer Fähigkeiten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Klassenzimmers durch die digitale Pädagogik besser unterstützt werden können, zeigt sich im Erwerb der vier Sprachkompetenzen (Schreiben, Lesen, Hören, Sprechen), und besonders in der Verbesserung der Fertigkeit Sprechen im Vergleich zum traditionellen Klassenzimmer. Online-Plattformen für Webvideokonferenzen wie Google+ Hangouts und Zoom mit ihren multifunktionalen Interaktionstools (Screen Sharing, Chatten, usw.) haben das Fremdsprachenlernen interaktiv, intuitiv, preisgünstig und einladend für Lehrer und Lerner gemacht. Diese Tools bieten dem einzelnen Lerner vor allem mehr Möglichkeiten zu sprechen, entweder paarweise oder in kleinen Gruppen, und ermöglichen aufgabenbasierte Folgeübungen, die wiederum ein konstruktives und strukturiertes Feedback vom Lehrer erlauben.4 Ein anderes Projektziel war und ist immer noch der Ausbau der interkulturellen Kompetenz der Studenten. Ihre Empathiefähigkeit, unterschiedliche Perspektiven und Wertvorstellungen zu verstehen und sich in Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen hineinzuversetzen, soll gefördert werden. Dafür haben wir ideale Voraussetzungen an beiden Universitäten. Durch die behandelten Themen im gemeinsamen DaF-Unterricht erfahren beide Lernergruppen zum

|| 3 Vgl. Mittler (2015: 52) sowie Biebighäuser, Zibelius & Schmidt (2012: 37). 4 Vgl. Monteiro (2014: 56–79).

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einen viel über die Kultur der deutschsprachigen Länder und haben die Möglichkeit, diese mit der eigenen Kultur zu vergleichen, was neben der guten Beherrschung der deutschen Sprache ausschlaggebend für die erfolgreiche Kommunikation in der Zielsprache Deutsch ist. Unsere Studenten haben zum anderen auch durch ihre Familiengeschichte oder durch ihr Studium einen interkulturellen Hintergrund. Sie haben eine andere Muttersprache und sind besonders im Falle der AUBG mehrsprachig. Die digitalen Medien, die beim Projekt eingesetzt werden, erlauben es den Studenten, selbst zu Wort zu kommen und ihren eigenen Standpunkt in einer authentischen multikulturellen Situation klar zu machen. Damit trägt das Projekt auch zur Erhöhung der Authentizität der sprachlichen Kommunikation im Unterricht bei.5 Durch den Austausch zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen wird auch das Sachwissen erweitert. Die DenisonStudenten lernen viel über Bulgarien, die Heimatländer der AUBG-Studenten und über die EU. Die AUBG-Studenten erfahren wiederum viel über Denison, den Bundesstaat Ohio, die Heimatstädte/-länder der Denison-Studenten und über amerikanische Verhältnisse und Gepflogenheiten im Allgemeinen. Ein weiteres, nicht weniger wichtiges Projektziel ist die Vermittlung digitaler Kompetenz. Als Lehrende haben wir nicht nur die Aufgabe, Inhalte und Fähigkeiten zu vermitteln, sondern dies auch mit Hilfe von zeitgenössischen Lehrmitteln zu bewerkstelligen und die Lernenden dort abzuholen, wo sie bereits Interesse und Fähigkeiten zeigen. Das ist heute besonders beim Erwerb digitaler Kenntnisse der Fall. Jedoch wäre es falsch davon auszugehen, dass alle Studierenden über die gleichen Kenntnisse verfügen und dass sie über die digitalen sozialen Medien hinaus technologisch begabt sind. Dieses Können ist in der Studien- und Berufswelt unserer Studenten von wachsender Bedeutung. Im digitalen Klassenzimmer lernen Studierende die dazu notwenigen Tools und deren optimale pädagogische Einsetzbarkeit kennen. Besonders wichtig ist es, Bewusstsein unter den Studierenden für die technischen Aspekte der digitalen Vernetzung und die Netiquette zu schaffen. Hierzu gehören eine optimale Beleuchtung und Tonqualität, damit der Partner mühelos verstanden werden kann, aber auch bestimmte Verhaltensweisen (Gestik, Mimik, Affekt), die im digitalen Erleben anders als im physischen Zusammensein interpretiert werden können. Für den interkulturellen Bereich sind die dazu notwendigen Fähigkeiten unabdingbar (mehr dazu vgl. Blake 2013).

|| 5 Vgl. Biebighäuser, Zibelius & Schmidt (2012: 36 u. 46).

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4 Projektverlauf Ermöglicht wurde die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen AUBG und Denison durch die Zugehörigkeit beider Institutionen zu der Global Liberal Arts Alliance. Logistisch wurde das Projekt durch prinzipiell ähnliche Institutionen („residential“, kleine Klassen, relativ homogene Gruppen in Bezug auf Alter, Familienstand, etc.) sowie durch ähnliche Semesterzeiten (Herbstsemester: September bis Dezember, Frühlingssemester: Januar bis Mai) und eine handhabbare Zeitverschiebung von 6 Stunden begünstigt. Am Anfang des Projekts hatten wir einige logistische Fragen zu lösen. Den Zeitunterschied von 6 Stunden haben wir dadurch überbrückt, dass die gemeinsamen Kurse an Denison morgens und an der AUBG abends angeboten wurden. Beide Universitäten haben die gleiche Semesterdauer. Der Unterricht ist in Bulgarien zweimal die Woche á 75 Min. (150 Min./Woche) und in den USA viermal wöchentlich á 50 Min. (200 Min./Woche) bzw. zweimal wöchentlich á 80 Min. (160 Min./Woche) für die fortgeschrittenen Kurse. Dies wurde durch entsprechende Maßnahmen in den Lehrplänen ausgeglichen. Zwischen dem Herbstsemester 2013 und dem Frühlingssemester 2018 haben wir sieben Mittelstufenkurse und drei fortgeschrittene Kurse zusammengeführt. Die Kurse wurden so ausgewählt, dass die Studenten über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, um sich in der Fremdsprache frei auszudrücken. Jeder Student bekam einen Partner von der anderen Universität. Bei der Aufteilung der Studenten haben wir deren Studienfächer, Interessen, Alter und Nationalität berücksichtigt. Für einzelne Aufgaben wurden die Studenten auch in Gruppen aufgeteilt. Im Laufe der Zeit haben wir verschiedene Herangehensweisen ausprobiert. In einigen der Kurse haben wir mit unterschiedlichen Lehrplänen, Lehrmaterialien und Benotungsskalen gearbeitet und dabei lediglich gemeinsame Themen ausgemacht und darüber verschiedene Interaktionen über E-Mail, Skype, Google+ Hangouts und Zoom durchgeführt. In anderen Semestern haben wir die Lehrpläne und die Bewertungskriterien für die gemeinsamen Lernaktivitäten vereinheitlicht und gemeinsame Lehrbücher ausgewählt (Chalupa & ter Haseborg (2012) und Lemcke, Rohrmann & Scherling (2013)). Die digitalen Medien dienten aber stets als Übungs-, Informations-, Interaktions- und Kooperationsmedium zugleich. Im Hinblick auf die Projektziele haben sich unsere Studenten mehrmals pro Semester zu Online-Partner-/Gruppengesprächen außerhalb des Präsenzunterrichts getroffen. Die Gespräche hatten je nach Aufgabe eine unterschiedliche Dauer. Im Frühlingssemester 2014 haben wir auch eine Videokonferenz zwischen den Studenten der Partneruniversitäten durchgeführt und im

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Frühlingssemester 2016 auch den ersten synchronen Unterricht in Echtzeit ausprobiert. Bei beiden synchronen Unterrichtssitzungen haben die Studenten miteinander diskutiert und wir, die Lehrenden, haben dabei die Moderation der Gespräche übernommen. Wir beide haben einmal die jeweilige Partneruniversität besucht (jeweils im Frühlingssemester 2014 und im Herbstsemester 2017) und am Präsenzunterricht der Kollegin teilgenommen. In den Frühlingssemestern 2016 und 2017 haben sich auch zwei weitere amerikanische Universitäten, Hope College (=Hope) und Ohio State University (=OHS), am Projekt beteiligt.6

5 Zur Erweiterung der mündlichen Sprachkompetenz – Beispiele aus der Projektpraxis Im Folgenden sollen einige konkrete, von uns entwickelte und im Unterricht erprobte themenorientierte Aufgaben als Beispiele für die Einbettung von mündlichen Online-Aktivitäten in den fremdsprachlichen Präsenzunterricht vorgestellt werden, und dabei soll auch der didaktische Rahmen der durchgeführten Aufgaben kurz skizziert werden. Die nachfolgenden Aufgaben sind jeweils für das Niveau A2, B1 und B2 konzipiert. Die Studenten sollen zwischen 30 und 40 Minuten miteinander auf Deutsch sprechen und die Aufgaben gemeinsam lösen. Dabei orientieren sie sich an einer eigens dafür erstellten Rubrik, die auch zur Auswertung und Benotung der Projekte dient. Die Rubrik enthält Bewertungskriterien wie Aussprache, Grammatik, Wortschatzgebrauch, Kommunikationseffizienz/Kohärenz der Aussagen und Flüssigkeit des Sprechens. Neben linguistischen Aspekten spielen bei der Bewertung auch andere Kriterien eine wichtige Rolle, wie z.B. die aktive Beteiligung am Gespräch, die eigene Initiative, eine Moderator- bzw. Gruppenleiterfunktion während des Gesprächs sowie technische Aspekte der digitalen Vernetzung und die Einhaltung der Netiquette. Das Gespräch findet außerhalb des regulären Unterrichts statt, wobei die Lerner es selbst aufnehmen und die Videodatei via Cloud Speicher anschließend an ihre Dozentinnen zur Bewertung schicken. Durch solche Aufgaben wird die Sprechzeit jedes Lernenden während des Sprachkurses erhöht. Jeder Lerner muss sich äußern, und wir hören jeden sprechen und geben

|| 6 Zum Projektverlauf siehe auch Dillmann & Stantcheva (2014: 33–47) sowie Stantcheva & Dillmann (2017: 167–172).

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jedem Feedback über das Gespräch. Dadurch wird bei allen Studierenden die Flüssigkeit des Sprechens und die Kohärenz der Aussagen in der Fremdsprache verbessert. Die Aufgaben bringen darüber hinaus viel Abwechslung und Motivation ins traditionelle Klassenzimmer. Beginnen werden wir mit einer Aufgabe für das Niveau A2, die wir im Rahmen des Projekts im Herbstsemester 2015 mit unseren Studenten durch-geführt haben. Die Studierenden sollten Zoom-Gruppengespräche über das Thema „Wohnen“ führen. Das Thema wurde im vorangehenden Präsenzunterricht im Zusammenhang mit dem Kapitel 17 Die neue Wohnung des Lehrbuchs Berliner Platz 2 Neu (Lemcke, Rohrmann & Scherling 2013) ausführlich besprochen. Auf diese Weise wurden die Gespräche hinsichtlich des Wortschatzes vorentlastet. Die Gruppen bestanden aus 3 Studenten, wobei jedes Gruppenmitglied insgesamt etwa 10 Minuten sprechen sollte. Zur Diskussion standen folgende Fragen: In den verschiedenen Ländern, aus denen wir in den zwei Kursen kommen, leben die Menschen unterschiedlich und haben verschiedene Vorstellungen, wie ihre ideale Wohnung aussehen könnte. Wie wir leben und wohnen sagt viel über kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten aus. In Ihren Gruppen diskutieren Sie bitte bei einem Zoom-Gespräch die folgenden Fragen: Wie und wo leben Sie jetzt? Allein oder mit anderen? Wie leben Sie zuhause bei den Eltern – in einem Haus oder einer Wohnung? Haben Sie Ihr eigenes Zimmer und Bad? Wie ist das Zimmer? Haben Sie ein Lieblingsmöbelstück? Was gefällt Ihnen an Ihrem Zimmer besonders? Was nicht? Wie sieht Ihr Traumzimmer aus? Wo möchten Sie später leben? Im Ausland, im eigenen Land, in einem kleinen Ort, auf dem Dorf, in einer großen Stadt, etc.? Wie möchten Sie später wohnen? In einem eigenen Haus, in einer eigenen Wohnung, zur Miete, in einem Hochhaus mit vielen Menschen zusammen oder in einem Einfamilienhaus, in einer Wohngemeinschaft, allein, mit einem Partner, etc.?

Die zweite Aufgabe, die wir vorstellen möchten, ist für das Niveau B1 konzipiert und wurde im gemeinsamen Kurs im Frühlingssemester 2016 durchgeführt. Das Thema war „Heimat“ und wurde ebenfalls ausführlich im vorangehenden Präsenzunterricht im Zusammenhang mit dem Kapitel 7 Deutschland: Immigration und Integration des Lehrwerks Neue Blickwinkel: Wege zur Kommunikation und Kultur (Chalupa & ter Haseborg 2012) behandelt, d. h. auch dieses Mal fand vorher eine Vorentlastung des Wortschatzes statt. Die Studenten sollten Zoom-Partnergespräche führen. Die Aufgabe lautete: Sprechen Sie zuerst ein wenig über sich selbst und stellen Sie dem anderen Fragen zu seiner Person. Diskutieren Sie dann: Was bedeutet für Sie „Heimat“? Können Sie sich vorstellen, Ihre Heimat zu verlieren oder freiwillig aufzugeben? Was bedeutet für Sie Heimweh? Benutzen Sie weiterhin mindestens zwei der folgenden Zitate zu Heimat: „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl!“ (Herbert Grönemeyer); „Ich entdecke Heimat in allem, was mich glücklich macht. Im Grunde ist Musik meine Heimat.“ (Senait Mehari, aus Eritrea stam-

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mende deutsche Popsängerin); „Heimat definiere ich heute als den Ort, wo ich nicht erklären muss, wer und wie ich bin, wo ich akzeptiert und bemerkt werde.“ (Edgar Reitz, deutscher Autor und Filmregisseur).

Die dritte Aufgabe ist für das Niveau B2 konzipiert und wurde im Herbstsemester 2014 durchgeführt. Das Thema war diesmal „Männer und Frauen: Rollenklischees und Beziehungen“. Im Rahmen des behandelten Themas hatten die Studenten Sönke Wortmanns Film Der bewegte Mann (1994) vorher gesehen und sollten anschließend Partnergespräche zum Film über Google+ Hangouts führen. Die Aufgabe war folgendermaßen formuliert: Überlegen Sie sich zu zweit (mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin) ein mögliches Szenarium für einen zweiten Teil des Films Der bewegte Mann – zehn Jahre später. Wie könnte ein Der bewegte Mann – Teil 2 aussehen? Was würde in diesem Film passieren – die Story? Welche Figuren würden darin vorkommen? Wer würden die Schauspieler sein? Wo? Wann? Wie? Warum? Wer? etc. Ihre Kreativität ist gefragt! Machen Sie sich Notizen, während und nach dem Hangout. Erzählen Sie dann der Klasse am kommenden Mittwoch, wie Ihr Film aussehen wird.

In dieser Aufgabe sind zwei Phasen des Sprechens eingebaut. Die Studenten sprechen erstens mit ihrem Online-Partner und erarbeiten dabei zusammen ihr Filmszenarium. In einem zweiten Schritt stellen sie dann ihren jeweiligen Kommilitonen im Präsenzunterricht den gemeinsam mit dem Online-Partner erarbeiteten Entwurf vor. Die drei in diesem Abschnitt vorgestellten Beispiele sind exemplarisch und stellen nur einen kleinen Teil der gemeinsamen Online-Aufgaben dar, die die Studenten während des Semesters im Rahmen des jeweiligen Kurses erfolgreich meistern. Diese Beispiele sollen das demonstrieren, was mit Hilfe von OnlinePlattformen für Webvideokonferenzen in einem Sprachkurs machbar ist. Ähnliche Aufgabenstellungen können zu jedem Thema, das man im Präsenzunterricht behandelt, ausgearbeitet und durchgeführt werden. Bei den Student-zu-StudentOnline-Gesprächen (Gruppen- oder Partnergesprächen) trainieren die Lerner vorbereitetes und spontanes Sprechen zu verschiedenen Themen außerhalb des traditionellen Klassenzimmers und sollen ihre eigene Position in der Fremdsprache Deutsch verständlich machen. Es handelt sich also um authentische Sprechanlässe und Kommunikation, bei der auch die Aussprache, Gestik und Körpersprache eine wesentliche Rolle spielen. Der aktive und passive Wortschatz wird erweitert und gefestigt, denn die Lernenden behalten am besten das im Gedächtnis, was sie selber sagen und tun. Verschiedene Techniken zum Umschreiben der Wörter werden geübt. Ebenfalls gefestigt werden verschiedene grammatische Strukturen. Verbessert wird auch die Flüssigkeit des Sprechens und die Kohärenz

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der Aussagen. Einen zusätzlichen Lernvorteil liefert die Selbst- und die Partnerkorrektur sowie die stressfreiere Sprachproduktion. Das stärkt das Selbstbewusstsein beim Sprechen und bringt eine größere Motivation zum Sprechen. Bei diesen Online-Gesprächen handelt es sich um eine zusätzliche Übungs- und Prüfungsmöglichkeit, die auch viel Abwechslung ins Klassenzimmer bringt.

6 Zum Ausbau der interkulturellen Kompetenz – ein Beispiel aus der Projektpraxis Wie wir das bereits am Anfang des vorliegenden Beitrages erwähnt haben, sind unsere drei Projektziele (Erweiterung der mündlichen Sprachkompetenz, Ausbau der interkulturellen Kompetenz und Vermittlung digitaler Kenntnisse) eng miteinander verflochten. So können alle drei im Abschnitt 5 vorgestellten Aufgaben auch als Beispiele für Aufgaben zum Ausbau der interkulturellen Kompetenz herangezogen werden und gleichzeitig unsere Überzeugung illustrieren, dass sich die interkulturelle Kompetenz in allen Sprachniveaus der Lerner ausbauen lässt und nicht den höheren Sprachniveaus vorbehalten ist. Im Folgenden soll ein weiteres Beispiel aus der Unterrichtspraxis des Projekts herangeführt werden, bei dem die interkulturelle Komponente noch stärker zum Vorschein kommt, auch wenn die mündliche Sprachkompetenz und die digitale Kompetenz gleich mit trainiert werden. Bei diesem Beispiel handelt es sich um eine Aufgabe für das Niveau B2, die wir im Frühlingssemester 2017 mit unseren Studenten durchgeführt haben. Vor den Zoom-Gesprächen haben die Studierenden die Kurzgeschichte Eine deutsche Leidenschaft namens Nudelsalat von Rafik Schami gelesen und über den Autor im Internet recherchiert. Der Text der Kurzgeschichte, in der über die Deutschen und die Araber jeweils als Gastgeber und Gäste berichtet wird, sowie die Ergebnisse aus der Internetrecherche zur Person des Autors wurden im vorangehenden Präsenzunterricht der beiden Kurse ausführlich besprochen. Die Aufgabe für die Zoom-Gespräche war folgendermaßen formuliert: „Das macht man bei uns nicht!“ Erfahrungsgemäß ist es für viele Menschen erstaunlich oder befremdend, wie unterschiedlich bestimmte Verhaltensweisen in verschiedenen Kulturkreisen bzw. Ländern beurteilt werden. In unseren beiden Kursen (Denison/Hope/OHS und AUBG) haben wir dieses Thema besprochen und dazu Beispiele kultureller Unterschiede gesammelt. Sprechen Sie nun in Ihrer Gruppe darüber, was in Ihrem Heimatland als schlechtes Benehmen, als ein „Fettnäpfchen“ oder als Tabu gilt. Nennen Sie mindestens 3 Beispiele für Dinge, die man in Ihrer Kultur nicht machen sollte. Erklären Sie auch, warum

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diese Verhaltensweisen verpönt sind, das heißt, was daran stört, irritiert, beleidigt, befremdet. Bitte beginnen Sie Ihr Gespräch mit einer kurzen Vorstellung zur eigenen Person (Nationalität, Studienjahr, Hauptfach, Sprachen, die Sie sprechen, warum Deutsch?, was bezeichnen Sie als Ihre Heimat, etwas Interessantes über sich selbst). Denken Sie daran, dass Sie informal miteinander sprechen, also „du“ und „ihr“ und nicht „Sie.“

Bei dieser Aufgabe wurden die Studenten in fünf Gruppen mit je 4 Studenten aufgeteilt. Jede Gruppe hatte Studenten von AUBG und auf der amerikanischen Seite von Hope, OHS oder Denison, denn in diesem Semester haben sich, wie bereits oben erwähnt, drei amerikanische Universitäten gleichzeitig am Projekt beteiligt. Das Gespräch sollte zwischen 30 und 40 Minuten dauern, die Studenten sollten dabei auch die Zoom-Rubrik beachten, nach der sie benotet wurden. Im Anschluss an die Zoom-Gespräche haben die AUBG-Studenten die Aufgabe bekommen, ein kurzes Video (5 bis 10 Minuten) zum Thema “Das macht man bei uns nicht!” auf Deutsch mit englischen Untertiteln zu machen. Die entstandenen Videos, die verschiedene Aspekte der bulgarischen, kasachischen und mongolischen Kultur thematisierten, wurden im Präsenzunterricht an AUBG und an Denison gezeigt und diskutiert. Darüber hinaus haben sich die Studenten mit diesen Videos am studentischen Kurzfilmwettbewerb Intercultural Perspectives: AUBG Travels beteiligt, der im Frühlingssemester 2017 an AUBG organisiert wurde. Anhand von diesem Beispiel lässt sich auch sehr gut illustrieren, wie eine transnationale Vernetzung nicht nur den traditionellen Fremdsprachenunterricht ergänzen und bereichern kann, sondern auch die extracurricularen Aktivitäten der Studierenden.

7 Verwendete technologische Werkzeuge und Vermittlung digitaler Kenntnisse Mit unserem Projekt wollen wir den Studenten auch digitale Kenntnisse vermitteln, die in ihrer Studien- und Berufswelt von wachsender Bedeutung sind. Als wir mit der Kooperation im Herbst 2013 begannen, war die Google-Plattform Google+ Hangouts kurz zuvor auf dem Markt erschienen. Der kostenlose Zugang machte eine Erprobung im Klassenzimmer relativ einfach. Gabriele Dillmann setzte dieses bereits lokal mit Denison-Studenten kreativ ein. Dadurch war der Schritt zum internationalen Einsatz, von den logistischen Momenten abgesehen, nur ein kleiner. Die kostenlose Version von Google+ Hangouts ermöglichte uns am Anfang des Projekts eine Videokommunikation mit bis zu 12 Teilnehmern, die

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sich nicht nur sehen und sprechen hören konnten, sondern auch Informationen wie Internetseiten, Fotos, Videos, Dokumente u.v.m. per Desktop-Sharing austauschen und per Voice-over besprechen konnten. Die Videodatei wurde am Ende des Gesprächs automatisch zu YouTube geschickt, wo sie durch jeweilige Einstellungen entweder öffentlich, nur von Zuschauern mit Link (=Kursteilnehmern) oder ganz privat eingesehen werden konnte. Die Videodatei haben wir dann pädagogisch zu verschiedenen Aussprache-, Grammatik-, Wortschatzübungen, Diskussionen im Präsenzunterricht usw. weiterverarbeitet. Die Video-Plattform Zoom, zu der wir später übergegangen sind, liefert im Prinzip dieselben Möglichkeiten, ist aber bedienungsfreundlicher und lässt eine Videokommunikation mit bis zu 25 Teilnehmern beschränkt auf 40 Minuten zu. Die Videodatei bleibt dabei auf dem lokalen Rechner des Gesprächsgastgebers anstatt automatisch zu YouTube geschickt zu werden. Dadurch hat die jeweilige Gruppe völlige Kontrolle über die Datei. Die Datei ist nicht im Internet und kann ohne Netzverbindung eingesehen werden. Bei jedem Gespräch ist eine Person pro Gruppe für die Zoom-Verbindung (hosting) und für die Aufnahme (recording) verantwortlich. Dabei werden die Studenten darauf hingewiesen, sich gegenseitig zu helfen und die Qualität der Internetverbindung zu testen, bevor sie das ganze Gespräch führen, und später die Qualität des aufgenommenen Videos zu prüfen, bevor sie es hochladen. Der für die Aufnahme verantwortliche Student schickt die Datei auf einen Cloud Speicher (Dropbox, MS OneDrive, Google Drive, etc.), auf den nur eingeladene Zuschauer Zugriff haben. Die Videodatei kann dann pädagogisch weiterverarbeitet werden (Aussprache-, Grammatik-, Wortschatzübungen, Diskussionen im Präsenzunterricht u. v. m.). Zudem verwenden unsere Studenten auch E-Mails, um sich am Anfang jedes Kurses kennen zu lernen und später die Termine für die Gespräche zu vereinbaren sowie bei Organisationsfragen. Eine Person pro Gruppe ist in der Regel für die Terminfindung für das Gespräch zuständig, wobei sie das in einer E-Mail auf Deutsch an alle Gruppenmitglieder mit CC an die Lehrkräfte schreibt. Die Gruppenmitglieder sollen genauso antworten. In seltenen Fällen haben wir einen E-Mail-Austausch auch als inhaltliche Vorentlastung für die Gespräche verwendet. Als ein solches Beispiel kann die folgende Aufgabe aus dem Frühlingssemester 2018 (Niveau B1) genannt werden. Vor dem Zoom-Gespräch sollten sich die Partner E-Mails mit dem folgenden Inhalt austauschen: Empfehlen Sie Ihrem Partner ein literarisches Werk, das wir in der Klasse gelesen haben und das Ihnen besonders gut gefallen hat/gefällt; das Sie besonders interessant und wichtig finden. Stellen Sie auch den Autor kurz vor und betten Sie das Werk in die jeweilige Epoche ein. Sagen Sie bitte ein paar relevante Dinge zu Inhalt und Bedeutung des Werks

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und warum das Werk einen besonderen Eindruck auf Sie gemacht hat. Warum sollte Ihr Partner das auch kennen?

Die E-Mails sollten mindestens 350 Wörter in klaren Abschnitten enthalten und mit CC an die beiden Lehrkräfte verschickt werden. Bei der Antwort sollten die Partner auch einen Termin für das nächste Zoom-Treffen vorschlagen. Das Thema des Zoom-Gesprächs lautete dann: Sie vertiefen nun die Gedanken von Ihrer E-Mail in einem Gespräch, in dem Sie bitte auch weitere Fragen an die Partner zu deren Lieblingstexten stellen sollen. Mit anderen Worten, Sie tauschen sich über Ihre Interessen und Vorlieben zur Literatur im Kurs aus. Beide Seiten sollten davon etwas lernen und dann auch sagen können, warum er/sie den Text auch gerne lesen würde oder warum auch nicht. Überlegen Sie sich im Voraus (vor dem Gespräch) worüber Sie sprechen wollen und machen Sie sich gute Notizen. Schauen Sie die Wörter nach, die Sie brauchen werden, so dass Sie mit einer gewissen Flüssigkeit sprechen können.

Bei der Vermittlung der digitalen Kompetenz ist es u.E. auch besonders wichtig, Bewusstsein unter den Studierenden für die technischen Aspekte der digitalen Vernetzung und die Netiquette zu schaffen. Hierzu gehören eine optimale Beleuchtung und Tonqualität, damit der Partner mühelos verstanden werden kann, aber auch bestimmte Verhaltensweisen (Gestik, Mimik, Affekt), die im digitalen Erleben anders als im physischen Zusammensein interpretiert werden können. Aus diesem Grund haben wir all diese Aspekte ebenfalls in der Rubrik zur Auswertung und Benotung der Projekte berücksichtigt.

8 Ausblick Das Kooperationsprojekt ergänzt den Deutschunterricht an beiden Universitäten und macht das Erlernen der deutschen Sprache unter den Studierenden attraktiver. Dies belegen auch die überaus positiven Bewertungen des Projekts seitens der Studenten. Durch die Zusammenarbeit erhöht sich die Sprechzeit der DaFLernenden während des Kurses um das Mehrfache. Es lässt sich eine Erweiterung der Sprachkompetenz und dabei insbesondere eine deutliche Verbesserung der Sprechfertigkeit gegenüber dem traditionellen Klassenzimmer feststellen. Auch die interkulturelle Kommunikation und das Kennenlernen einer neuen bzw. die Korrektur der Vorstellungen von einer zum Teil als bereits bekannt betrachteten Kultur wird als große Bereicherung angesehen. Durch das Projekt werden die Studenten auch einmal mehr für die Einsetzbarkeit digitaler Medien im Lernprozess

Förderung der deutschen Sprache durch transnationale digitale Vernetzung | 479

sowie für die Regeln für das soziale Kommunikationsverhalten im Internet sensibilisiert.

Literaturverzeichnis Biebighäuser, Katrin, Marja Zibelius & Torben Schmidt (2012): Aufgaben 2.0 – Aufgabenorientierung beim Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien. In Katrin Biebighäuser, Marja Zibelius & Torben Schmidt (Hrsg.), Aufgaben 2.0. Konzepte, Materialien und Methoden für das Fremdsprachenlehren und –lernen mit digitalen Medien, 11–56. Tübingen: Narr Francke Attempto. Blake, Robert J. (2013): Brave New Digital Classroom: Technology and Foreign Language Learning. Washington, DC: Georgetown University Press. Chalupa, Cynthia & Heiko ter Haseborg (2012): Neue Blickwinkel: Wege zur Kommunikation und Kultur. Freeport, Maine: Wayside publishing. Dillmann, Gabriele & Diana Stantcheva (2014): The Globally Connected Language Classroom: A Case Study of an International Project in Two Intermediate Level German Courses between Denison University and the American University in Bulgaria. In Amanda Hagood (Hrsg.), Making the Connection: Six Studies of Technology and Collaboration in Liberal Arts Institutions, 33–47. Atlanta: Associated Colleges of the South. Lemcke, Christiane, Lutz Rohrmann & Theo Scherling (in Zusammenarbeit mit Susan Kaufmann und Margret Rodi) (2013): Berliner Platz 2 Neu. Stuttgart: Klett Sprachen. Mittler, Alexandra (2015): Synchron online lernen und unterrichten. Fremdsprache Deutsch. Zeitschrift für die Praxis des Deutschunterrichts 53, 52–56. Monteiro, Kátia (2014): An Experimental Study of Corrective Feedback during Video-Conferencing. Language Learning and Technology 18 (3), 56–79. Stantcheva, Diana & Gabriele Dillmann (2017): Das Experiment „Vernetztes Klassenzimmer“ – Eine Zwischenbilanz des Projekts „Globally Connected Courses“ zwischen der Denison Universität in den USA und der Amerikanischen Universität in Bulgarien. In Jianhua Zhu, Jin Zhao & Michael Szurawitzki (Hrsg.), Akten des XIII. Internationalen Germanistenkongresses Shanghai 2015 – Germanistik zwischen Tradition und Innovation. Bd. 5, 167–172. Frankfurt a. M. u.a.: Peter Lang.

| II:

Länder- und regionenspezifische Beiträge

Elisabeth Knipf-Komlósi, Márta Müller

Sprachfördermaßnahmen zur Erhaltung der deutschen Sprache in Ungarn 1 Deutsch in Ungarn in der Gegenwart 1.1 Ausgangssituation Nachkommen bzw. Reste der im Laufe der Jahrhunderte in Ostmitteleuropa angesiedelten deutschen Bevölkerungsgruppen teils im Spätmittelalter, doch im größeren Ausmaß und in mehreren Wellen im 18. Jahrhundert, leben heute noch in den Staaten der mittel- und südosteuropäischen Region, doch repräsentieren sie seit 1945 keine zahlenmäßig starke Bevölkerungsgruppe mehr. Aufgrund politischer Grenzziehungen im letzten Jahrhundert erlebte diese Minderheit eine starke Dezimierung und ihre Existenz bedrohende Repressalien, so werden die nach dem Zweiten Weltkrieg in diesen Ländern verbliebenen Minderheitenangehörigen als Restminderheit bezeichnet. In Ungarn gilt die deutsche Minderheit – neben zwölf anderen staatlich anerkannten Minderheiten – als die zweitgrößte nationale Minderheit nach den Roma. Durch die bewegte Geschichte des 20. Jahrhunderts befinden sich alle Minderheitengruppen in Ungarn in der Gegenwart in einem erheblich fortgeschrittenen Assimilationsprozess, trotz der Tatsache, dass der Schutz und die Rechte der Minderheiten zum Erhalt und zur Pflege ihrer Muttersprache gesetzlich gesichert ist. Auf welche Weise dieser gesetzliche Rahmen von den einzelnen Minderheiten genutzt wird, hängt in großem Maße von der Eigeninitiative und Aktivität der Minderheit selbst ab, inwiefern von der Minderheit selbst etwas für den Erhalt der Sprache und Kultur, für das Fortbestehen der Sprachgemeinschaft unternommen wird. Die deutsche Sprache und Kultur sowie deren Erhalt spielten im Leben der Deutschen in Ungarn über all die soziohistorischen Umwälzungen der Jahrhunderte hinweg eine zentrale Rolle. Um die zur Förderung der Sprache und Kultur der deutschen Minderheit in Ungarn eingesetzten Maßnahmen und Initiativen

|| Elisabeth Knipf-Komlósi, Eötvös-Loránd-Universität, Germanistisches Institut, Budapest, Ungarn, [email protected] Márta Müller, Eötvös-Loránd-Universität, Germanistisches Institut, Budapest, Ungarn, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-030

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gewichten zu können, soll betont werden, dass sowohl von Seiten des deutschsprachigen Sprachraumes als auch der ungarischen Regierung und der Minderheit selbst viel geleistet wird. Es ist nicht das Ziel, einen soziohistorischen Überblick der Gesamtsituation der Ungarndeutschen zu geben1, vielmehr soll schwerpunktmäßig auf die sprachpolitischen und bilateralen sowie die in den letzten Jahrzehnten entwickelten wirtschaftlichen und kulturpolitischen Beziehungen der Fokus gerichtet sein. Als heute noch relativ kompakt von Ungarndeutschen bewohnte Gebiete gelten folgende: – Umgebung von Budapest, – Plattensee-Oberland, – im Süden des Landes die sog. Schwäbische Türkei sowie östlich der Donau der südliche Teil des Komitats Batsch-Kleinkumanien/Bács-Kiskun, – der an Österreich angrenzende Streifen des östlichen Burgenlands, – vereinzelte, punktuelle Streusiedlungen in Ostungarn. Die Zahl der sich als Ungarndeutsche bekennenden Bevölkerung ist nach den Daten des letzten und vorletzten Zensus vom Zentralamt für Statistik wie folgt: Tab. 1: Zensusdaten der deutschen Minderheit aus den Jahren 2001 und 2011 (KSH 2001: 4; KSH 2011: 16)

Gesamtbevölkerung

2001

2011

10.198.315

9.937.628

dt. Muttersprache

33.192

38.248

dt. Nationalität

62.233

131.951

Bindung an die dt. Kultur, dt. Traditionen

88.416

?2

Gebrauch des Dt. im Familien- und Freundeskreis

53.040

95.661

Neben einem beachtlichen Prestigezuwachs des Deutschen in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten im Bildungs-, Medien-, und Fremdenverkehrssektor, das nach Englisch immer noch einen beachtlichen zweiten Platz einnimmt, spielen

|| 1 Siehe dazu in Eichinger, Plewnia & Riehl (2008) das einschlägige Kapitel über Ungarn. 2 2011 wurde die Frage nach der Bindung an die deutsche Kultur im Fragekatalog der Volkszählung nicht (mehr) gestellt.

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auch die deutschen Unternehmen und Niederlassungen von Firmen aus deutschsprachigen Staaten im Wirtschaftssektor Ungarns eine maßgebende Rolle, wie AUDI, Mercedes, Knorr-Bremse, BOSCH, Siemens, um nur einige von den großen auch in Ungarn angesiedelten Unternehmen hervorzuheben. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ungarn und den deutschsprachigen Ländern haben sich insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten außerordentlich intensiv und dynamisch entwickelt. Die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer (DUIHK) ist Interessenvertreter für 900 deutsche und ungarische Unternehmen, sie unterstützt, koordiniert und analysiert die wechselseitigen wirtschaftlichen Beziehungen der beteiligten Länder.3 2016 wurden von der ungarischen Regierung strategische Partnerschaften mit 12 deutschen Großunternehmen unterzeichnet, die zurzeit an die 51.000 Mitarbeiter beschäftigen. Zu bedauern ist nur, dass nicht bei allen deutschen Unternehmen und Firmen in Ungarn neben Englisch auch eine Deutschkompetenz erwartet wird, doch zeichnet es sich langsam ab, dass auch immer öfter die Kenntnis der deutschen Sprache verlangt wird, was u.a. durch firmeninterne Sprachkurse für alle Mitarbeiter gefördert wird. Ungarns Regierung liegt viel daran, den wirtschaftlichen Standort des eigenen Landes für ausländische Investoren zu verbessern. Aus diesem Grunde wird auch die Sprachenpolitik des Landes gestaltet, die es nun in dem als einsprachig betrachteten Ungarn verlangt, dass alle Hochschulabsolventen bei der Vergabe des Diploms einen Nachweis über die Kenntnis zweier Fremdsprachen vorlegen müssen. Dies bedeutet aus einer Kosten-Nutzen-Sicht für die Zukunftsperspektiven der jungen Generationen eine wichtige Motivation, Deutsch als zweite Fremdsprache zu wählen. Hinsichtlich der Stärkung und Förderung der deutschen Sprache in Ungarn ist auch die Rolle des privat-sozialen Bereichs der ungarndeutschen Bevölkerungsgruppe erwähnenswert, da durch die Globalisierung und die Mobilität der Gegenwart Ungarndeutsche (Fachleute, akademische Berufe, Altenpflege) immer öfter Arbeit im deutschsprachigen Ausland finden, nicht zuletzt aufgrund ihrer kulturellen Anpassungsfähigkeit und ihrer Deutsch- bzw. Dialektkompetenzen. Dieser neu eingetretene Umstand bleibt nicht ohne Auswirkungen auf ihre eigene und die Einstellung ihrer Familie zur deutschen Sprache.

|| 3 Homepage der deutsch-ungarischen Industrie- und Handelskammer: https://www.ahkungarn.hu/ (18.01.2018).

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1.2 Verwaltungs- und medienpolitische Situation der deutschen Minderheit 2011 erfolgte nach der politischen Wende eine Modifizierung des 1993 verabschiedeten Minderheitengesetzes (Nr. CLXXIX/2011) zum Schutz und Erhalt der einzelnen Minderheiten, das die Bewahrung der Sprache und Kultur garantierte sowie die Rechtsstellung und Arbeitsweise der (lokalen) Minderheitenselbstverwaltungen bestimmte (Kállai 2014: 4). Dass die historischen Minderheiten – so auch die Deutschen – in Ungarn die gesetzlich geschützte Möglichkeit haben, je einen Abgeordneten ins Parlament zu delegieren, bedeutet einen großen Fortschritt in der Minderheiten- und Sprachpolitik des Landes. Nur die Bürger haben über das parlamentarische Minderheitenwahlrecht hinaus auch das Recht, Mitglieder für die lokalen Minderheitenselbstverwaltungen zu wählen, die im Minderheitenwahlregister verzeichnet sind (Minderheitengesetz Nr. CLXXIX/2011, § 64). Die deutschen Minderheitenselbstverwaltungen auf kommunaler Ebene haben ein Mitentscheidungs- und Trägerschaftsrecht bezüglich der Belange der Minderheit (Minderheitengesetz Nr. CLXXIX/2011, § 25 Absatz 4), ihre Aufgabe ist der Zusammenhalt der von Bürgern initiierten Vereine des Kulturlebens und die Organisation des Minderheitenunterrichts auf allen Stufen, die in erster Linie als wichtige Maßnahmen für den Erhalt der deutschen Sprache gelten. Die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU) als Dachorganisation, ist das höchste Organ der Minderheit seit 1995, sie umfasst landesweit 340 lokale Minderheitenselbstverwaltungen, über 500 Kulturgruppen und ungarndeutsche Vereine, und verfügt über eine zentrale Geschäftsstelle sowie Regionalbüros in den von Deutschen bewohnten Regionen des Landes. Ihre Aktivitäten werden durch Ausschüsse durchgeführt: Bildungsausschuss, Kulturausschuss (Landesrat der ungarndeutschen Chöre, Kapellen und Tanzgruppen), Verband ungarndeutscher Autoren und Künstler (VudAK), die die aufgrund von Bürgerinitiativen entstehenden Aktivitäten im Bereich der Kultur, der muttersprachlichen Bildung und der Sprachpflege unterstützen und fördern. Zurzeit sind mehr als 30 Bildungseinrichtungen (Kindergärten, Schulen, Gymnasien) in die Trägerschaft der deutschen Selbstverwaltungen der Ortschaften übernommen worden (Kerekes 2013: 129). Die Medienlandschaft der deutschen Minderheit war seit den 60er Jahren durch eine deutschsprachige Wochenzeitung “Neue Zeitung“ präsent sowie durch einen deutschsprachigen Rundfunk in der südlichen, von Ungarndeutschen dicht bewohnten Gegend, in Pécs/Fünfkirchen täglich für 30 Minuten erreichbar. Als elektronische ungarndeutsche Medien sind die täglich zwei Stunden umfassenden deutschsprachigen Nationalitätensendungen im staatlichen

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ungarischen Rundfunksender „Nemzetiségi Rádió“ (Nationalitätenradio, AM 873: 1188) sowie seit 1978 die wöchentlich 26 Minuten umfassende deutschsprachige Sendung über und für die deutsche Minderheit „Unser Bildschirm“ des öffentlich-rechtlichen Fernsehens („Duna“ und Wiederholung auf „Duna World“) zu nennen. Darüber hinaus können nach eigenem Wunsch in allen Regionen Ungarns auch deutschsprachige Rundfunk- und TV-Sender empfangen werden.

1.3 Zur sprachlichen Situation der deutschen Minderheit Minderheitensprachen existieren immer im Gefüge und im Sprachkontakt mit der Mehrheitssprache (Landessprache) bzw. mit anderen Sprachen. Die Veränderungen und Entwicklungen in dieser Varietät sind auf viele (z.B. generationelle, geografische oder wirtschaftliche) Faktoren zurückzuführen. Die bisherigen soziolinguistischen Untersuchungen zur deutschen Minderheit in Ungarn deuten über die konkreten sprachlichen Daten hinaus auf weitere externe Faktoren, die die Entwicklung einer Minderheitensprache in großem Maße mitbestimmen4. So sind die jeweilige Sprachpolitik des Landes, die Intensität der persönlichen wie offiziellen Kontakte (sprachliche, kulturelle, wirtschaftliche, etc.) zum deutschen Sprachgebiet sowie das aktuelle sozial-historische Umfeld der Sprachminderheit, mit den rasch wandelnden Strukturen ihres Mikro- und Makroumfeldes als bestimmende Faktoren zu erwähnen. Von der Minderheitengruppe ausgehende, interne Faktoren bei der Gestaltung ihrer Sprache sind vor allem folgende zu betrachten: Die kontinuierlich abnehmenden Sprachgebrauchsdomänen im Minderheitenalltag dieser Sprachgemeinschaft, die zu einem gravierenden Funktionsverlust der Minderheitensprache führen, als dessen Folge ein allmählicher Sprachabbau auftritt, des Weiteren das Fehlen von zweisprachigen Spracherwerbssozialisationen bereits bei drei-vier Generationen der Ungarndeutschen. Deren Folge ist eine Umstrukturierung der Dominanzverhältnisse in der Sprachkompetenz der Sprecher, dass z.B. für die mittleren und jungen Generationen die Landessprache (Ungarisch) das funktional wichtigste Kommunikationsmittel wurde, bei jüngeren Generationen die Erkenntnis des ökonomischen Vorteils guter Deutschkenntnisse und das Streben zur Zweisprachigkeit (z.B. Arbeitsmöglichkeiten im deutschen Sprachgebiet) erschienen ist.

|| 4 Vgl. Ammon (2015: 294 ff.).

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Vor dem Hintergrund der angeführten Faktoren bei der Beurteilung der Sprachlage der deutschen Minderheit in Ungarn kann man von instabilen, aufgrund eines intensiven Assimilationsprozesses zum Teil sich in Auflösung befindenden, teils noch aktiven Gemeinschaften sprechen. Die natürlichen Begleiterscheinungen dieses langwierigen, vor allem sprachlichen Assimilationsprozesses, die durch den Dauerkontakt mit der Landessprache induzierten Sprachveränderungen – wie die Schließung von Nominationslücken durch Transfers, Formen des Code Switching und der Gebrauch von hybriden Sprachformen in der Nähesprache – sind nunmehr konstitutive Elemente der Sprachgebrauchsmuster und des Kommunikationsprofils dieser Minderheit (vgl. Knipf-Komlósi 2011). Zum besseren Verständnis der Sprachlage soll eine Skizze eines Generationenmodells stehen, welches jene Schnittpunkte unter den Generationen des 20. Jahrhunderts zeigt, an denen die Kontinuität der Weitertradierung der deutschen Ortsdialekte in Ungarn durch Stigmatisierung als Folge historischer Umstände unterbrochen wurde. So kann man heute noch von einer den Ortsdialekt als Nähesprache aktiv gebrauchenden Generation, der ältesten, heute schon zahlenmäßig kleinen „Vorkriegsgeneration“ sprechen, deren Kinder jedoch bereits als die Kriegsgeneration, die sog. stumme Generation gilt, weil bei ihnen ihr Ortsdialekt noch Teil ihrer primären Sozialisation war, dieser später stigmatisiert und verboten wurde. In dessen Folge bedeutete für sie die solide Beherrschung der Landessprache die einzige Möglichkeit zum sozialen Aufstieg. Die Nachkriegsgeneration konnte nur noch passive ortsdialektale Kenntnisse erleben, d.h. ihre primäre Sozialisation erfolgte größtenteils in ungarischer Sprache. Mit dem Domänenverlust des Deutschen begann die langsame Erosion der Sprache, wodurch auch ihre Identität nicht mehr durch den Dialekt manifestiert wurde. Die Eltern der jüngeren Generationen haben durch diesen Kontinuitätsbruch Ungarisch als Erstsprache, doch ihre Kinder hatten oder haben die große Chance, die deutsche Sprache in einem gesteuerten Deutschunterricht an zweisprachigen Schulen zu erlernen, deshalb kann diese Generation als die „DaF“-Generation bezeichnet werden, die heute schon eine Zweisprachigkeit anstreben. Vor diesem Hintergrund sollen nun jene Maßnahmen vorgestellt werden, die zum Spracherhalt und zur Förderung der deutschen Sprache einen Beitrag leisten können.

1.3.1 Die deutsche Sprache in Ungarn im öffentlichen Raum Als relevante Manifestation einer auch in Ungarn aktuellen Erinnerungskultur der letzten Jahre kann das stärkere Erscheinen der deutschen Sprache im öffent-

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lichen Raum als wichtige Maßnahme zur Erhaltung und zur Stärkung der Identität und des Sprachbewusstseins gedeutet werden. Vor der politischen Wende wurden deutschsprachige Aufschriften in öffentlichen Räumen und Institutionen nur für touristische Zwecke oder aus Marketinggründen verwendet. Die (aus grammatischer Sicht manchmal nicht fehlerlose) Form ihrer Benutzung beschränkte sich in der Regel auf Werbetafeln und -aufschriften in der Konsumptionssphäre. Zur Garantie der Informationsfreiheit in Ungarn wurde 2001 ein Sprachgesetz (Nr. XCVI/2001) zur Regelung der Verwendung fremdsprachlicher Werbungen und Aufschriften erlassen, wonach fremdsprachliche Texte aller Arten im öffentlichen Raum bzw. auf Produkten in derselben Größe auch auf Ungarisch erscheinen sollen. Unter den fremdsprachlichen Aufschriften in Ungarn steht Deutsch nach Englisch an zweiter Stelle. Dieses Verhältnis gestaltet sich zugunsten des Deutschen nur in den Regionen, Kleinstädten und Dörfern, die von Deutschstämmigen bewohnt sind. In den deutschen Siedlungsräumen Ungarns verhalten sich alle Domänen der Mehrsprachigkeit offen gegenüber der deutschen Sprache. Auf der infrastrukturellen Domäne werden Orts- und Straßenschilder (z.B. Plintenburg/Visegrád), Namensschilder von Bildungseinrichtungen (z.B. Nationalitätenkindergarten/nemzetiségi óvoda) und Verwaltung (z.B. Rathaus/Városháza) zweisprachig gestaltet. Zahlenmäßig wenige deutschsprachige regulatorische Schilder (z.B. Rauchen verboten/Tilos a dohányzás) findet man in öffentlichen Einrichtungen. Die meisten deutschsprachigen Schilder und Aufschriften in Ungarn sind nach wie vor dem kommerziellen Bereich zuzuordnen – sie werben für Unternehmen, Betriebe, Läden und (Marken)Produkte. Unautorisierte, d.h. transgressive Aufschriften, Graffitis, Aufkleber sind nur vereinzelt anzutreffen, genauso wie Aufschriften im künstlerischen oder kommemorativen Bereich (dazu Knipf-Komlósi & Müller 2018). Eine neue Tendenz der letzten 5–6 Jahre ist die Ausschilderung alter deutscher geografischer Namen in den deutschstämmigen Siedlungen Ungarns, welcher Entwicklung § 6 (1) des Minderheitengesetzes (CLXXIX/2011) eine Rechtsgrundlage gewährt. Als Folge davon wurden in einigen deutschen Gemeinden Transdanubiens (Ödenburg/Sopron, Agendorf/Ágfalva, Moor/Mór) alte, von der ungarischen Verwaltung um 1900 oft nicht übernommene, deswegen nur mündlich tradierte Straßen- und Gassennamen revitalisiert und ausgeschildert. Ein besonderes Beispiel hierfür stellen drei Gemeinden des Ofner Berglandes dar: In Werischwar/Pilisvörösvár, Schaumar/Solymár und Schambeck/Zsámbék wurden die alten Gassennamen über die hochdeutsche Form hinaus auch in der lokalen (bairischen) Mundart ausgeschildert (Müller 2017: 437–451).

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Zwar sind diese Initiativen zweifelsohne Ergebnisse respektabler lokaler Zusammenarbeit und starken Zusammenhalts, doch können sie zum Erhalt der Minderheitensprache Deutsch wenig beitragen, weil sie als Sprachdenkmäler vergangener Zeiten, mit dokumentarisierend-folklorisierender Absicht entstanden sind.

2 Die Lage des Deutschunterrichts in der Gegenwart Zurzeit kann man Deutsch in Ungarn an öffentlichen Bildungseinrichtungen in zwei Formen lernen: Als DaF in Schulen, die in staatlicher, kirchlicher oder Stiftungsträgerschaft sind bzw. als DaM (Deutsch als Minderheitensprache) in Schulen, die in der Trägerschaft des ungarischen Staates oder einer deutschen Minderheitenselbstverwaltung sind und einen vom Staat anerkannten (und vom Bildungsamt zugewiesenen) Minderheitenstatus besitzen.5 Mit dem Deutschen verbindet man im Berufsleben bessere Beschäftigungsmöglichkeiten (dazu die Prognosen junger Ungarndeutscher in Bezug auf Deutsch in Knipf-Komlósi & Müller im Druck), deswegen werden die ungarndeutschen Bildungseinrichtungen auch von Angehörigen der Mehrheitsnation oder anderer Minderheiten in Ungarn gern genutzt.6 Angehörige der deutschen Minderheit haben in Ungarn die Möglichkeit, in drei Minderheitenschultypen zu lernen: (1) im einsprachigen Programm, (2) im zweisprachigen Programm und schließlich (3) im sprachlehrenden Programm (Müller 2013: 375).7 Im muttersprachlichen Programm würde man alle Schulfächer auf Deutsch unterrichten. Dieser Minderheitenschultyp existiert in Ungarn praktisch nicht, weil sein Aufbau ohne Heranziehung ausländischer Lehrkräfte nicht möglich wäre. Bei der zweisprachigen Unterrichtsform werden in mindes-

|| 5 Im Schuljahr 2017/2018 befinden sich 24 Schulen und 25 Kindergärten in der Trägerschaft lokaler Minderheitenselbstverwaltungen, 3 Bildungseinrichtungen in der Trägerschaft der LdU. 6 Da Minderheitenschulen bis zu 75% ihrer Gesamtschülerzahl Schüler der eigenen Minderheit bevorzugen sollen, um ihren Minderheitenstatus behalten zu können, müssen die Eltern bei der Einschreibung eine Erklärung abgeben, welcher (z.B. der deutschen) Minderheit man sich als zugehörig empfindet (Erklärung/Magyar Közlöny 2013: 2905). 7 Der Unterricht von Deutsch als Minderheitensprache ist in Ungarn keine neue Entwicklung, vor dem Zweiten Weltkrieg war es bereits möglich, in Ungarn Volksschulunterricht auf Deutsch zu organisieren (Föglein 1990: 24).

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tens 50% der Wochenstunden, d.h. mindestens drei Schulfächer auf Deutsch unterrichtet. Schließlich wird im sprachlehrenden Programm (DaM) Deutsch nur als selbstständiges Schulfach ab der ersten Klasse, aber lediglich in 3–4 Wochenstunden angeboten (Müller 2012: 105–106). Aus dem inklusiven Charakter der ungarndeutschen Minderheitenschulen und aus der positiven Attitüde der Mehrheitsnation gegenüber der Bildungsqualität dieser Schulen resultiert die Tatsache, dass die ungarndeutschen Bildungseinrichtungen 2017 von einer höheren Anzahl – sich zum Zeitpunkt der Einschreibung als ungarndeutsch bekennender – Kinder und Jugendlicher besucht werden, als dies die Angaben der Volkszählung 2011 oder die Anzahl der Registrierungen im Minderheitenwahlregister 2014 implizieren würden (zur Anzahl der Einschreibungen Tab. 2). Tab. 2: Anzahl der an ungarndeutschen Bildungseinrichtungen 2017 eingeschriebenen Kinder und Jugendlichen (KIR 15.08.2017)

Anzahl ungarndeutscher Bildungseinrichtungen

Anzahl eingeschriebener Personen

234

11.381

47

8.568

365

43.164

Zweisprachige Krippen und Kindergärten Zweisprachige Grund- und Mittelschulen Sprachlehrende Grund- und Mittelschulen

Die sprachpädagogische Last, nicht nur im einfachen Deutschunterricht, sondern v.a. im deutschsprachigen Fachunterricht, die auf dem Lehrpersonal und den Schulen ruht, ist enorm. Dieser Belastung Abhilfe zu schaffen wurde das Ungarndeutsche Pädagogische Institut (UDPI) 2005 von der LdU gegründet, mit der Absicht, ungarndeutsche Schulen, Schüler und Lehrer miteinander zu vernetzen, sie beim Erwerb bzw. bei der Vermittlung der deutschen Sprache zu fördern.8 Das Institut veranstaltet Lehrerweiterbildungen zu methodischen Themen (z.B. Projektmethode, deutschsprachiger Fachunterricht) und zu pädagogischen Aufgaben (z.B. Leistungsmessung). Ferner organisiert es Sommer- und Herbstakademien für Pädagogen mit unterschiedlicher Thematik. Einen großen Schritt in der Verbesserung der Unterrichtsumstände bedeutete jenes Projekt (2012–2014), im

|| 8 Homepage des UDPI: www.udpi.hu (15.01.2018).

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Rahmen dessen das ungarndeutsche Schulwesen sein Leitbild und seine grundlegenden, den Unterricht steuernden Dokumente für DaM erstellen konnte (Erb et al. 2010; Flódung et al. 2010a; Flódung et al. 2010b). Diesem umfangreichen Lehrplanprojekt folgte die Anfertigung von neuen und aktualisierten, teils digitalen Lehrwerken und Arbeitsmaterialien für die sprachpädagogische Arbeit an zweisprachigen Kindergärten und Schulen.9 Die für das allgemeine Schulwesen zusammengestellten Materialien werden andauernd durch pädagogische Handreichungen aus dem tertiären Bereich ergänzt (Klein & Márkus 2017). In der ungarndeutschen Schullandschaft nehmen die zweisprachigen Schulzentren10 von Fünfkirchen/Pécs, Baja, Győr, Budapest und Werischwar/Pilisvörösvár eine besondere Stellung ein. Alle werden – mit der Ausnahme der Audi Hungaria Schule in Győr – durch die LdU finanziert. Die Schulzentren in Baja und Győr arbeiten in den deutschen Klassenzügen aufgrund der Curricula von Baden-Württemberg, die erlangten Abschlüsse sind dementsprechend mit dem deutschen Hochschulwesen kompatibel. Um hochwertige minderheitenspezifische pädagogische Arbeit leisten zu können, bedarf es qualifizierter Lehrkräfte. Zurzeit kann man im Sinne der Bestimmungen der Regierungsverordnungen Nr. 139/2015 (09.06.2015) und Nr. 283/2012 (04.10.2012) im tertiären Bereich in Ungarn Kindergarten- und Grundschulpädagogik (Primarstufe), Lehramt (Sekundarstufe I, II) sowie philologisch orientierten Bachelor und Master mit Schwerpunkt DaM an insgesamt acht Hochschulen oder Universitäten studieren.11 Studienmöglichkeiten für (werdende) Minderheitenpädagogen sind zurzeit für alle Ebenen der pädagogischen Arbeit verfügbar – eine Entwicklung, die in der Geschichte der ungarischen Bildungspolitik ohnegleichen ist (Imre 2008: 594–595). Als relativ neues Phänomen unter den Ausbildungsformen gilt das nichtmodulare (nicht in BA- und MA-Phasen geteilte) Lehramtsstudium für beide Sekundarstufen. Der Übergang Ungarns vom modularen (BA+MA) zu nichtmodularem Lehramtsstudium 2013 ging mit einer landesweiten Zunahme an Neuzugängen nicht nur zu den DaM-Studiengängen, sondern grundsätzlich zu allen Lehramtsstudiengängen einher.12

|| 9 http://udpi.hu/hu/tamop (15.01.2018). 10 Das Schulzentrum in Fünfkirchen/Pécs bietet über den zweisprachigen Unterricht hinaus auch einen einsprachigen (deutschen) Kindergarten an. Die Kindergärten in den übrigen Schulzentren betreuen die Kinder dem „Eine Person – eine Sprache”-Konzept entsprechend zweisprachig. 11 Details über die Bildungsstätten, Zulassungskriterien und Quoten finden sich auf der Homepage für Studienauskünfte: www.felvi.hu (20.01.2018). 12 Im Jahre 2012 bewarben sich 4.825 Personen für ein Lehramtsstudium, wogegen 2017 8.417 Bewerbungen registriert wurden (vgl. Zulassungsstatistiken Lehramtsstudium 2012–2017).

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Trotz des Umstandes, dass wir über ein gut funktionierendes ungarndeutsches Schulwesen im 21. Jahrhundert verfügen, besteht in einigen Punkten noch ein Verbesserungsbedarf. Es ist suboptimal, dass auch die Lehrkräfte Deutsch als Minderheitensprache unterrichten dürfen, die nur eine Qualifikation für Deutsch als Fremdsprache haben (vgl. Beilage Nr. 3 des Nationalen Bildungsgesetzes). Nicht gelöst ist die Ausbildung von Lehrern, die deutschsprachigen Fachunterricht (DFU) in den Sekundarstufen erteilen könnten bzw. die an Schulen in kleineren Siedlungen auch den Unterricht von DaM in der Primarstufe übernehmen könnten. Schließlich steckt die Mentor-Ausbildung, d.h. die Qualifizierung routinierter Lehrer, die die Betreuung von Referendaren für das einjährige Schulpraktikum übernehmen würden, noch in Kinderschuhen.

3 Fördermaßnahmen aus dem deutschsprachigen Ausland vor Ort Dankenswerterweise gibt es viele und wichtige Maßnahmen, die zur sprachlichen und kulturellen Förderung der deutschen Minderheit in Ungarn aus dem deutschsprachigen Ausland einen Beitrag leisten. Die Annahme, dass das Prestige des Deutschen sowie die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Ungarns zu den deutschsprachigen Ländern seitens der Mehrheitsbevölkerung bestimmend in der Gesamtbeurteilung der Minderheitenbevölkerung ist, sollte hier als Ausgangsthese betont hervorgehoben werden. Dieses Beziehungsgefüge auf höchster Ebene bildet nämlich die Grundlage in Ungarn zur Förderung der deutschen Sprache, zur Erhaltung der deutschen Minderheitensprache. Das Goethe Institut (GI) in Budapest bietet mit seinen Arbeitsbereichen für alle ungarischen Staatsbürger Kulturprogramme, eine ausgezeichnete Bibliothek und Spracharbeit und neuestens mit einem eigenen Arbeitsbereich für die deutsche Minderheit eine breite Skala von Kultur- und Sprachlernangeboten. Am dringendsten gefragt sind jedes Jahr die vom GI angebotenen Lehrerfortbildungen für alle Bildungsebenen und Goethe-Sprachkurse sowohl im In- als auch im Ausland. Einen ausgezeichneten Start des neuen Arbeitsbereiches des GI für die deutsche Minderheit bedeutete das 2012 initiierte Projekt der „Enkelgeneration“, in

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dem aus mittel- und osteuropäischen Ländern Jugendliche deutscher Abstammung über ihr Leben berichteten.13 Das GI bietet darüber hinaus auch aktive Mitarbeit an bildungspolitischen Projekten der Minderheit, unterstützt die Arbeit in der Entwicklung von Curricula, Lehrmaterialien, Lehrbüchern, organisiert Fortbildungen und Stipendien für Schüler, Studierende und Lehrende ungarndeutscher Bildungseinrichtungen. All diese Aktivitäten werden unterstützt aus Sondermitteln des Auswärtigen Amtes und finden in Kooperation mit den betreffenden Gremien und Institutionen der LdU in Ungarn statt. Der DAAD ist mit einem eigenen Büro seit 2002 in Budapest präsent und wird von den aus Deutschland entsandten DAAD-Lektoren und Sprachassistenten im ungarischen Hochschulbereich vertreten. Ziele und Hauptaufgaben des DAAD sind, ungarische Studierende, Wissenschaftler und Forscher in Fragen von Stipendien, Fortbildungen, wissenschaftlichen Kooperationen mit deutschen Hochschul- und Forschungseinrichtungen zu beraten. In dem jährlich vom DAAD ausgeschriebenen Stipendienangebot ist auch immer ein Sonderposten für die Unterstützung von Minderheitenstudierenden und -Lehrenden enthalten. Das Kulturreferat der Deutschen Botschaft in Budapest fördert und koordiniert den Kultur- und Bildungsaustausch mit Ungarn und unterstützt die in Ungarn tätigen deutschen Kultur- und Bildungsinstitutionen, die drei Deutschen Schulen in Budapest, Raab/Győr und Baja, die zwei Deutschen Grundschulen in Kecskemét und Miskolc und die hierher vermittelten deutschen Lehrkräfte der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) sowie den DAAD. Die ZfA hilft bei der Implementierung und Durchführung des DSD-Programms, bei Lehr- und Lernmittelspenden sowie bei der Vergabe von Stipendien. Über die landesübergreifenden bilateralen Kooperationen aus dem deutschsprachigen Ausland hinaus sind in Ungarn auch Stiftungen – die Konrad-Adenauer-Stiftung, Hanns-Seidl-Stiftung, Humboldt-Stiftung, Stiftung Aktion Österreich-Ungarn – anwesend, die die Belange der deutschen Minderheit in Ungarn aufgrund intensiver Zusammenarbeit mit den Gremien der LdU durch Kulturkooperationen, gemeinsame Bildungsprogramme mit Deutschland oder den benachbarten Ländern fördern. Gleichbedeutend in dieser Palette sind auch die Österreichische Botschaft und das Österreichische Kulturforum, welche österreichisch-ungarische Projekte, Konferenzen, Workshops in den Bereichen Musik, Literatur, Kunst, Film und Wissenschaft sowie durch die Förderung von Lehre und Forschung an der deutschsprachigen Andrássy Universität unterstützen. || 13 Homepage des Projektes „Schaufenster Enkelgeneration”: https://www.goethe.de/ins/hu/de/spr/eng/enk.html (18.01.2018).

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4 Maßnahmen in Ungarn zur Förderung der deutschen Sprache In den letzten Jahrzehnten werden die Möglichkeiten und Initiativen sowohl auf gesellschaftlicher (Institutionen, Ämter, Organisationen, Vereine) als auch auf individueller Ebene zur Erhaltung und zum Fortbestehen der deutschen Sprache und Kultur in Ungarn in erhöhtem Maße wahrgenommen. Von den zahlreichen Initiativen kann hier nur eine Auswahl geboten werden. Einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Erwerbs der deutschen Sprache leistet das Ungarische Bildungsamt, indem es jedes Jahr sowohl für die Sekundarstufe I als auch II Sprachwettbewerbe in Deutsch als Minderheitensprache veranstaltet.14 Über die Preise hinaus bekommen die ersten 10 Plätze belegenden Elft- und Zwölftklässler eine beträchtliche Anzahl an Zusatzpunkten bei ihrer Zulassungsprüfung zu einem Studium verrechnet, welcher Umstand das Prestige des Wettbewerbs erhöht. Neben den Wettbewerben des Bildungsamtes führt die LdU seit 2004 Rezitationswettbewerbe nach Altersgruppen gestaffelt in zwei Kategorien durch: auf Hochdeutsch und im (von den Prüflingen selbst gewählten ungarndeutschen) Dialekt. Letzteres auch mit dem Ziel, die Teilnehmer dazu zu bewegen, Mundarttexte zu sammeln und einzustudieren. Die anerkennenswerte Hinwendung der LdU zu den ungarndeutschen Dialekten bzw. die diesbezüglichen Schüler- und Lehreraktivitäten im Vorfeld des Wettbewerbs und während dessen gehen jedoch über die Reproduktion der mundartlichen Reime und Anekdoten nicht hinaus. Ebenfalls an Jugendliche (Fünft- bis Achtklässler) wendet sich der Verein für Ungarndeutsche Kinder (VUK), mit dem Jahreswettbewerb, im Laufe dessen dreiköpfige Mannschaften jeden Monat eine Aufgabe zum Lösen zugeschickt bekommen.15 Zur professionellen Kultur- und Sprachvermittlung trägt die Deutsche Bühne Ungarn bei, welche in Seksard/Szekszárd (Komitat Tolnau) angesiedelt ist, mit

|| 14 An den Sekundarstufe-I-Wettbewerb nehmen jährlich 500 bis 600 Schüler, an dem Sekundarstufe-II-Pendant etwa 120 bis 140 Elft- und Zwölftklässler teil. 15 Homepage des Vereins für ungarndeutsche Kinder: http://vukinder.hu/2017/10/jahreswettbewerb-201718/ (10.01.2018).

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ihrem alle Zuschauergruppen abdeckenden Repertoire jedoch regelmäßig sowohl im In- als auch im Ausland auf Reisen geht.16 Eine Brückenposition zwischen dem öffentlich-institutionalisierten und zivilen Sektor nimmt das deutschsprachige Laientheaterwesen in Ungarn ein (Faragó 2010). Eine positive Einstellung und gleichzeitig eine Spracherhaltungsmöglichkeit bedeuten die zahlreichen Partnerschaftsbeziehungen zwischen ungarndeutschen Ortschaften mit Ortschaften der deutschen Sprachgebiete, die seit Ende der 90er Jahre bis heute sehr intensiv gepflegt werden und für die Sprachgemeinschaft fruchtbringend sind. Durch die Mittel des Bundesministeriums des Innern wird in den letzten Jahren durch die LdU der Ausbau von Lehrpfaden mit ungarndeutscher Thematik (z.B. in Schomberg/Somberek, Sankt Iwan bei Ofen/Pilisszentiván, Feked, Nadasch/Mecseknádas und Tarian/Tarján) unterstützt. Die Lehrpfade bestehen aus 6–8 zweisprachig beschrifteten (deutsch-ungarischen) Tafeln, interaktiven Aufgaben und Begleitheften.17 Die Palette der zivilen, oft lokalen Initiativen zur Förderung der deutschen Sprache und zur Aufrechterhaltung der ungarndeutschen Mundarten in den einzelnen Siedlungen ist recht breit. Sie reicht von deutschsprachigen lokalen Zeitungen (z.B. Batschkaer Spuren18, Pavillon19) über deutschsprachige und in der jeweiligen deutschen Ortsmundart geführte Stammtische (Tscholnok/Csolnok, Werischwar/Pilisvörösvár, Baja/Frankenstadt) bis zu Bemühungen, Ausschnitte von Ortsmundarten archivieren zu wollen, in Form von Laienortswörterbüchern (Hidas-Márin et al. 2014; Hajoscher Wörterbuch 2016), Märchen- und Reimsammlungen (Schuth & Korb 2011; Kerekes & Müller 2017) und Dialektsprachbüchern (Andrusch-Fóti & Müller 2009).

5 Zusammenfassung und Ausblick In Ungarn ist nach Englisch die deutsche Sprache die meistgewählte Fremdsprache, sowohl im Unterrichtswesen als auch in wirtschaftlichen und privaten Bereichen. Zu verdanken ist dies der Jahrhunderte langen bewährten Tradition des

|| 16 Homepage der Deutschen Bühne Ungarn: http://www.dbu.hu/ (21.01.2018). 17 Homepage der gemeinsamen Website des Lehrpfad-Projektes. http://lehrpfad.hu/hu/homepage/ (18.12.2017). 18 Homepage der Zeitung Batschkaer Spuren: http://www.batschkaerspuren.fw.hu/ (18.12.2017). 19 Homepage der Zeitung Pavillon: http://www.pavillon.hu/ (18.12.2017).

Sprachfördermaßnahmen zur Erhaltung der deutschen Sprache in Ungarn | 497

Deutschen im Schulwesen in Ungarn, dem Vorhandensein der deutschen Minderheit sowie der Tatsache, dass viele Jugendliche den Wert der deutschen Sprache in ihrem künftigen Studium und Beruf als sehr vorteilhaft erachten. Die Bewertung der Nützlichkeit der deutschen Sprache steht bei dieser Generation in einem engen Zusammenhang mit den Arbeitsmöglichkeiten der Ungarn im deutschsprachigen Ausland sowie mit dem wirtschaftlichen Potenzial und der politischen Stärke der DACH-Länder. Die deutsche Minderheit in Ungarn startete nach der Wende mit einem Schul-, Kultur- und Sprachleben, das vieler Verbesserungen bedurfte. Dank der Wende in den sprachpolitischen Maßnahmen, der Regelung der Rechte im Bildungs- und kulturellen Leben der Ungarndeutschen, setzte auch deren Wirkung zunächst allmählich, dann immer mehr ein. So kann heute behauptet werden, dass die im gesetzlichen Rahmen von der Minderheit selbst mit viel Mühe und Innovation neu gegründeten oder weiterentwickelten Bildungs-, Kultur- sowie minderheitenpolitischen Einrichtungen erfolgreich zur Weitergabe und zum Erhalt der deutschen Kultur und zum Erlernen der deutschen Standardsprache beitragen, den Assimilationsprozess zwar verlangsamen, diesen jedoch nicht mehr rückgängig machen können. Das Interesse an der deutschen Sprache und Kultur verlagert sich nach dem Abschluss der Herausbildung des Vereinslebens (von Heimatmuseen, Chören, Kapellen und Tanzgruppen) immer stärker auf das Nichtgegenständliche, auf das geistige Gut, auf den Erhalt und Erwerb der deutschen Sprache. Nach einem quantitativen Sprung (Gründung und Etablierung von deutschen Selbstverwaltungen, Vereinen, Bildungseinrichtungen, neuen Medien) ist zu hoffen, dass nun der qualitative Sprung eintreten wird: Die Erinnerungskultur tritt immer stärker zum Vorschein, z.B. auch durch die Dokumentierung des „alten Sprachstandes“ (Mundartwörterbücher von Ortsmundarten, deutschsprachige Ortsschilder, Schülerwettbewerbe in Ortsmundarten) und zum Erwerb des „neuen Sprachstandes“ (der Standardsprache) auf höchstmöglichem Niveau. Das Prestige der Deutschen und des Deutschen ist sowohl unter den Ungarn als auch den Ungarndeutschen unabhängig von dem Alter nach wie vor hoch. Aus einer an zweisprachigen Minderheitengymnasien durchgeführten Umfrage20 zu den Einstellungen zur deutschen Sprache und ihrer Sprecher geht hervor, dass 78% der Abiturienten der zweisprachigen Minderheitengymnasien glauben, die deutsche Sprache ist eine Weltsprache, und nur 6% davon ausgehen, dass Deutsch in der Zukunft als Verkehrssprache auf dem Arbeitsmarkt verschwinden würde. || 20 Knipf-Komlósi & Müller (im Druck b).

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Kállai, Ernő (2014): A nemzetiségi joganyag 2011-es újrakodifikálása [Neukodifizierung des Minderheitenrechtmaterials 2011]. MTA Law Working Papers 53. http://jog.tk.mta.hu/uploads/files/mtalwp/2014_53_Kallai.pdf (11.01.2018). Kerekes, Gábor (2013): Rolle und Funktion der Mundart in der ungarndeutschen Literatur. In Elisabeth Knipf-Komlósi, Peter Öhl, Attila Péteri & Roberta Rada (Hrsg.), Dynamik der Sprache(n) und der Disziplinen, 127–133. Budapest: ELTE Germanistisches Institut. Kerekes, Gábor & Márta Müller (2017): Kinderreime und Sprüche aus Werischwar/Pilisvörösvár. Pilisvörösvár: Deutsche Nationalitätenselbstverwaltung. KIR = Közoktatási Információs Rendszer [Informationsdatenbank des ungarischen öffentlichen Schulwesens]. http://www.kir.hu/kir_stat/ (15.08.2017). Klein, Ágnes & Éva Márkus (Hrsg.) (2017): Ungarndeutsche Kinderliteratur in Theorie und Praxis. Didaktische Handreichung für Pädagog_innen zum Unterricht der ungarn-deutschen Nationalitätenkinderliteratur im Kindergarten und in der Primarstufe. Pécs: Universität Pécs Fakultät für Kulturwissenschaften Pädagogik und Regionalförderung. Knipf-Komlósi, Elisabeth (2011): Wandel im Wortschatz der Minderheitensprache. Stuttgart: Franz Steiner. Knipf-Komlósi, Elisabeth & Márta Müller (2018): Deutsche Sprache im öffentlichen Raum einer ungarndeutschen Siedlung. In Philipp Hannes, Andrea Ströbl, Bernadette Weber, & Johann Wellner (Hrsg.), Deutsch in Mittel-, Ost- und Südosteuropa: DiMOS-Füllhorn Nr. 3, 319–341. Regensburg: Universitätsverlag Regensburg. Knipf-Komlósi, Elisabeth & Márta Müller (im Druck): Deutsche sind hilfsbereit, aber verschlossen. Affektive Komponenten der Einstellung ungarndeutscher Jugendlicher zur deutschen Sprache und ihrer Sprecher. In Erika Kegyes (Hrsg.), Sprachen, Literaturen und Kulturen im Kontakt. 25. Fachtagung der GeSuS. Hamburg: Dr.-Kovač. KSH (2001) = Központi Statisztikai Hivatal [Statistisches Zentralamt]: Volkszählung des Jahres 2001. 4. Minderheitendaten. http://www.nepszamlalas2001.hu/hun/kotetek/04/04_modsz.pdf (08.10.2017). KSH (2011) = Központi Statisztikai Hivatal [Statistisches Zentralamt]: Volkszählung des Jahres 2011. 9. Minderheitendaten. Budapest 2014. http://www.ksh.hu/docs/hun/xftp/idoszaki/nepsz2011/nepsz_09_2011.pdf (08.10.2017) Müller, Márta (2012): Formen und Nutzen des ungarndeutschen Minderheitenunterrichts. In Gábor Kerekes (Hrsg.), Traditionspflege und Erneuerung. Perspektiven der deutschen Nationalität in Ungarn im 21. Jahrhundert, 99–116. Budapest: Ad Librum. Müller, Márta (2013): Zur aktuellen Lage des ungarndeutschen Bildungswesens. In: Elisabeth Knipf-Komlósi, Peter Öhl, Attila Péteri & Roberta V. Rada (Hrsg.), Dynamik der Sprache(n) und Disziplinen: 21. internationale Linguistiktage der Gesellschaft für Sprache und Sprachen in Budapest, 375–380. Budapest: ELTE Germanistisches Institut. Müller, Márta (2017): Die ostdonaubairische Gassen- und Straßennamen in Werischwar in Geschichte und Gegenwart. In Alexandra N. Lenz, Ludwig M. Breuer, Tim Kallenborn, Peter Ernst, Manfred M. Glauninger & Franz Patocka (Hrsg.), Bayerisch-österreichische Varietäten zu Beginn des 21. Jahrhunderts – Dynamik, Struktur, Funktion, 437–451. Wiesbaden, Stuttgart: Steiner. Nationalitätenradio. Deutschsprachiges Magazin des Nationalitätenradios innerhalb des Ungarischen Rundfunkes. Empfangbar auf Mittelwelle 873: 1188. Im Internet als Livestream oder aus dem Archiv herunterladbar unter: https://www.mediaklikk.hu/ musor/nemet/# (03.08.2018).

500 | Elisabeth Knipf-Komlósi, Márta Müller

Regierungsverordnung über die im ungarischen Hochschulwesen erlangbaren Qualifikationen 139/2015 (09.06.2015). https://net.jogtar.hu/jr/gen/hjegy_doc.cgi?docid=a1500139.kor (19.01.2018). Regierungsverordnung über die Struktur der Lehramtsstudien in Ungarn. 283/2012. (04.10.2012). https://net.jogtar.hu/jr/gen/hjegy_doc.cgi?docid=a1200283.kor (19.01.2018). Schuth, Johann & Angela Korb (2011) (Hrsg.): Reigöd vum Weidepam. Kaanr Vrzählstickr von Mathilde Geiszkopf. Budapest: Neue Zeitung Stiftung. Zulassungsstatistiken Lehramtsstudium 2012–2017. https://www.felvi.hu/felveteli/ponthatarok_rangsorok/elmult_evek/!ElmultEvek/elmult_evek.php?stat=7 (11.01.2018).

Ioan Lăzărescu, Doris Sava

Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Rumänien 1 Vorbemerkungen: die Deutschsprachigen in Rumänien Das in einigen historisch und geopolitisch fest umrissenen Gebieten Rumäniens in der überregionalen Kommunikation verwendete Deutsch, allgemein unter der Bezeichnung „Rumäniendeutsch”1 bekannt, gilt als eigenständige Varietät der deutschen Sprache. Trotz ihrer fehlenden Amtssprachlichkeit im Sinne von Ammon (1995) ist der Anspruch auf Standardsprachlichkeit aus folgenden vier Hauptgründen berechtigt:2 1. Deutsch ist die Verkehrssprache einer historischethnischen Minderheit, 2. Deutsch ist Kirchen- und Unterrichtssprache, 3. Deutsch ist Sprache der Medien, 4. Deutsch ist Sprache der Belletristik.3 Vor dem Ersten Weltkrieg gehörten die deutschsprachigen Gebiete des heutigen Rumänien zur Habsburgermonarchie und grenzten daher an den geschlossenen deutschen Sprachraum, und zwar Siebenbürgen (auch: Transsilvanien, rum. Ardeal/Transilvania)4, das Banat im Südwesten5, das Gebiet um Sathmar (rum. Satu Mare) im Nordwesten, die Maramuresch (rum. Maramureş) und das ehemalige Kronland Bukowina (auch: Buchenland, rum. Bucovina), beide im

|| 1 In einigen Studien werden dafür die Termini „rumänisches Deutsch“ oder „Deutsch in Rumänien“ verwendet. 2 Vgl. Lăzărescu (2013: 369–389). 3 2009 erhielt die aus dem Banat stammende und zurzeit in Deutschland lebende Schriftstellerin Herta Müller den Nobelpreis für Literatur. 4 Die Ansiedlung begann um 1150, als deutsche Bauern und Kleinadlige dem Ruf des ungarischen Königs Géza II. folgten, um die am Rande des Reiches, „jenseits der Wälder“ (lat. trans silva) liegenden Gebiete militärisch zu sichern. In den lateinischen Urkunden wurden sie saxones genannt, daher deren Bezeichnung „Siebenbürger Sachsen“. 5 Die Deutschen wurden hier in Etappen (den „drei Schwabenzügen“) angesiedelt, nachdem Österreich dieses Gebiet 1718 von den Türken übernommen hatte. || Ioan Lăzărescu, Universität Bukarest, Rumänien, [email protected] Doris Sava, Universität Bukarest, Rumänien, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-031

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Norden.6 Heutigentags sind die deutschsprachigen Gebiete zu Sprachinseln geschrumpft. Die Republik Rumänien ist mithin ein multiethnischer Staat Europas geworden. Neben der rumänischen Mehrheitsbevölkerung gelten 19 Nationalitäten7 als verfassungsmäßig anerkannt. Die Zugehörigkeit der oben erwähnten Gebiete zur Habsburgermonarchie ermöglichte es den deutschstämmigen Bevölkerungsgruppen, ihre Sprache über Jahrhunderte zu bewahren und zu pflegen, was ihnen sogar nach der Eingliederung dieser Gebiete in den 1918 neugegründeten rumänischen Staat erlaubt war. Sie verfügten über die entsprechende Infrastruktur nicht nur in Bildung, Kirche und Kultur, sondern auch in Presse und Verlagswesen, somit im ganzen Alltagsleben, zumal sie auch Turnvereine, Volksbildungseinrichtungen, Bibliotheken, Kirchenarchive usw. besaßen. Erst die langjährige Ceauşescu-Diktatur hat Abertausende von Deutschen dazu bewogen, die ihnen auf Grund des Bundesvertriebenengesetzes zur Verfügung stehende Chance der Ausreise nach Deutschland zu nutzen. Dabei reduzierte sich deren Zahl von über 850.000 in der Zwischenkriegszeit auf heute ungefähr 30.0008. Dieser massive Schwund in den letzten Jahrzehnten der rumänischen Geschichte hat mehrere Ursachen, deren Erklärung unter anderem bei Rein (1997) und Lăzărescu (2007) zu finden ist.

|| 6 Über die Ansiedlung Deutschstämmiger in Rumänien vgl. Bottesch (2008) und Baier et al. (2011). 7 Alle Minderheiten werden de jure im Parlament vertreten: Albaner, Armenier, Bulgaren, Deutsche, Griechen, Italiener, Juden, Kroaten, Lipowaner, Mazedonier, Polen, Roma, Ruthenen, Serben, Slowaken, Tschechen, Türken, Ukrainer, Ungarn. Vgl. http://www.cdep.ro/pls/parlam/structura2015.gp?idl=1&cam=2&leg=2016&idg=7 (01.12.2017). 8 Bei der Volkszählung von 1992 wurden landesweit ca. 120.000 Deutsche registriert, zehn Jahre später nur noch die Hälfte davon. Bei der letzten Volkszählung (2011) erklärten sich 36.042 Bürger und Bürgerinnen als Deutsche. Vgl. http://www.recensamantromania.ro/noutati/volumul-ii-populatia-stabila-rezidentastructura-etnica-si-confesionala/ (1.12.2017).

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2 Deutsch als Bildungssprache im rumänischen Schulsystem 2.1 „Deutsche Schulen“ – Deutsch in den Schulen Die „deutschen Schulen” haben in Rumänien eine lange Tradition und einen sehr guten Ruf.9 Es handelt sich um schulische Einrichtungen, in denen der Unterricht teils oder gänzlich in deutscher Sprache erfolgt. Die Mobilität im EU-Raum und die Niederlassungen deutschsprachiger Unternehmen in Rumänien lassen solide Deutschkenntnisse für den beruflichen Werdegang als lohnend erscheinen. Erworben werden sie durch eine individuelle Sprachbiografie, die vom deutschsprachigen Kindergarten über die Grundschule, das deutschsprachige Gymnasium (Klassen 5–8) und das Lyzeum10 (Klassen 9–12) bis zur Bakkalaureatsprüfung11 mit möglichem DSD-Abschluss12 reicht. Die Zentralstelle für das Deutsche Auslandsschulwesen (ZfA) betreut 52 DSDSchulen und zwei deutsche Auslandsschulen in Rumänien, in denen nach bundesdeutschen Lehrplänen unterrichtet wird. Im Unterschied zu anderen Staaten Mittel- und Osteuropas hat es in Rumänien auch während des Kommunismus ohne Unterbrechung ein deutschsprachiges Schulwesen gegeben.13 Gehörten jedoch vor 1989 die Schüler deutschsprachiger Klassen vorwiegend der deutschen Minderheit an, so sind es nach dem starken Rückgang der Deutschen mehrheitlich Kinder aus Mischehen oder bei denen nur ein Großelternteil deutscher Herkunft ist, die vom Kindergarten bis zur

|| 9 Zu den traditionsreichsten gehören das Brukenthal-Lyzeum in Hermannstadt, die LenauSchule in Temeswar, das Honterus-Lyzeum in Kronstadt, das Goethe-Kolleg in Bukarest. Eine Antwort auf die Frage zu geben, welches die adäquate Bezeichnung für diese Schulen sei, etwa „deutsche Schule“, „deutschsprachige Schule“, „Schule in der Sprache der deutschen Minderheit“, „Schule mit deutscher Unterrichtssprache“ o.Ä. ist nicht das Ziel des vorliegenden Beitrags. 10 Rumäniendeutsche Bezeichnung für die „der Sekundarstufe II entsprechende Schulstufe“ (Ammon, Bickel & Lenz 2016: 456). 11 Rumäniendeutsche Bezeichnung für „Prüfung oder Schulabschluss zur Erlangung der Hochschulreife“ (Ammon, Bickel & Lenz 2016: 82). 12 Vgl. das Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz (DSD). Die DSD I-Prüfung wird von der rumänischen Schulbehörde als Sprachzertifikat anerkannt; die DSD II-Prüfung gilt als sprachlicher Nachweis für das Studium an einer deutschen Hochschule. http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_ZfA/Auslandsschularbeit/DSD/node.html (10.10.2017). 13 1948 wurden die bis dahin meist konfessionellen deutschsprachigen Schulen verstaatlicht.

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Hochschulreife solche Einrichtungen besuchen. Das ehemals gut ausgebaute jahrhundertealte deutschsprachige Bildungssystem14 besteht ungeachtet dessen weiter, dass wegen Schüler- und Lehrermangel an vielen Dorf- und Kleinstadtschulen die deutschen Abteilungen abgebaut werden mussten. In den größeren Städten konnte sich der deutschsprachige Unterricht dadurch erhalten, dass mehrheitlich rumänische Kinder solche Schulen besuchen. Auch vor der Wende galt Deutsch als prestigebeladene Sprache und die deutschsprachigen Schulen waren von der rumänischen Mehrheitsbevölkerung begehrt, sodass die Nachfrage nach Einschulungsplätzen kontinuierlich steigt. Rumänische Familien schreiben ihre Kinder in deutsche Schulen ein, um ihnen bessere Berufschancen zu sichern. Für sie ist Deutsch nicht die im Alltag gebrauchte Sprache, sondern Bildungssprache und spätere Berufssprache. Anders als in der Vergangenheit, als der Unterricht samt und sonders in deutscher Sprache nach eigens erstellten Lehrwerken erfolgte15, wird heutzutage mancherorts mehr, andernorts weniger auf Deutsch unterrichtet. Die Zahl der auf Deutsch unterrichteten Fächer schwankt, was auf den eklatanten Lehrermangel zurückgeht. Das meiste Lehrmaterial stammt zurzeit aus Deutschland, allerdings gibt es für manche Fächer auch eigens entwickelte Lehrwerke.16 In den letzten Jahren sind auch private schulische Einrichtungen gegründet worden, die vom rumänischen Bildungsministerium anerkannt, aber nach eigenem Curriculum funktionieren: „Deutsche Schule Bukarest“, die zurzeit eine der weltweit 140 offiziellen deutschen Auslandsschulen ist17 und „Hermann Oberth“ in Bukarest, die eine enge Zusammenarbeit mit Erziehungsexperten der Schulinspektorate Augsburg und Wien pflegt.18 Der Deutschunterricht in Rumänien stellt somit einen Sonderfall dar, insofern es sich nach Galter (2014: 130) um eine „einmalige Form eines DaM- und DaF-

|| 14 Die erste Schule der Siebenbürger Sachsen wird Mitte des 14. Jahrhunderts urkundlich erwähnt. In Kronstadt/Braşov gründete der siebenbürgische Humanist und Reformator Johannes Honterus 1541 für seine Landsleute das erste humanistische Gymnasium in Südosteuropa. 15 Eine genaue Bestandsaufnahme sämtlicher Schulbücher in deutscher Sprache, die bis 1945 in Rumänien eingesetzt wurden, bietet Teistler (1996). 16 Beim staatlichen Schulbuchverlag Editura Didactică şi Pedagogică Bucureşti gibt es eine Redaktion für die nationalen Minderheiten. Vgl. Kleininger (1991: 20) und https://www.edu.ro/echipa%20minoritati (01.12.2017). 17 Das ist die einzige Schule, die exklusiv nach dem Lehrplan von Baden-Württemberg unterrichtet, durch die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) anerkannt wurde und Mitglied im Weltverband Deutscher Auslandsschulen (WDA) ist. Vgl. http://www.dsbu.school/de/ (1.12.2017). 18 Vgl. http://www.gradinita-germana.eu/lehrplan.html (01.12.2017).

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Zwitterunterrichts” handelt mit folgendem Lernerprofil: Lerner mit Deutschkenntnissen auf muttersprachlichem Niveau; Lerner, die Deutsch in bilingualen Klassen erwerben und solche, die Deutsch als erste, als zweite oder als dritte Fremdsprache lernen. Der gesetzliche Rahmen nach der Wende war für den Unterricht in den Sprachen der nationalen Minderheiten förderlich. Das 2011 verabschiedete Unterrichtsgesetz sieht vor, dass außer dem Fach Rumänisch jedes andere Schulfach in den Sprachen der Minderheiten unterrichtet werden kann. An deutschen Schulen wurde zusätzlich das Pflichtfach Geschichte und Traditionen der deutschen Minderheit in Rumänien eingeführt, wofür es ein von Baier et al. (2011) erstelltes Lehrwerk gibt. Für Jugendliche und Erwachsene bieten vielerorts private Sprachschulen, das Kulturhaus „Friedrich Schiller“19, das Goethe-Institut Bukarest, die PASCHSchulen20 (dazu Beitrag von Hoffmann, Hunold & Hoischen im vorliegenden Band) und die Deutschen Kulturzentren21 Kurse auf allen Niveaustufen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) an. Die Deutschen Kulturzentren organisieren in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut auch die weltweit anerkannten Zertifikatsprüfungen. Kinder und Jugendliche haben darüber hinaus die Möglichkeit, ihre Sprachkenntnisse auch außerhalb der Schule zu erweitern und zu vertiefen. Viele verbringen ihre Freizeit in einer deutschsprachigen Umgebung mit Lese- und Musikabenden, Seminaren, Bastelstunden, Volkstänzen, Sportveranstaltungen, Wanderausflügen usw. Das erweiterte Angebot an informellem Lernen umfasst zahlreiche außerschulische Aktivitäten: Afterschool-Programme, Sommerschulen

|| 19 Das Kulturhaus „Friedrich Schiller“ (kurz „Schillerhaus“, rum. Casa de Cultură Friedrich Schiller) wurde 1957 in Bukarest gegründet und ist bis heute (mit einer Unterbrechung von 1961– 1969) das bedeutendste kulturelle Zentrum der deutschen Minderheit in Rumänien. In dessen Programm stehen verschiedenartige Veranstaltungen wie Vorträge, Lesungen, Konzerte, Filmvorführungen, Ausstellungen, ein Touristik-Club, Sprachkurse und andere. Vgl. http://www.casaschiller.ro (01.12.2017). 20 PASCH steht für „Schulen: Partner der Zukunft“, eine Initiative des Auswärtigen Amtes in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, dem Goethe-Institut, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und dem Pädagogischen Austauschdienst. Darin sind weltweit mehr als 1.800 Schulen vernetzt, an denen Deutsch einen besonders hohen Stellenwert hat. Vgl. http://www.pasch-net.de/de/udi.html (01.12.2017). 21 Kooperationspartner des Goethe-Instituts Bukarest: Deutsches Kulturzentrum Hermannstadt/Sibiu, Deutsches Kulturzentrum Jassy/Iași, Goethe-Zentrum Klausenburg/Cluj-Napoca, Deutsches Kulturzentrum Kronstadt/Brașov, Deutsches Kulturzentrum Temeswar/Timişoara. Vgl. www.goethe.de/ins/ro/de/ueb/koo/kgs.html (01.12.2017).

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bzw. Ferienprogramme für Schüler und Schülerinnen unterschiedlichen Alters und andere.

2.2 Deutsch im Hochschulwesen: Deutsch als Fach-, Berufs- und Wissenschaftssprache Mit der Einführung des Lehrerkollegs als Ausbildungsstätte und Vorbereitung auf den Lehrerberuf mussten an den Universitäten neue Curricula für Fremdsprachen entwickelt werden. Infolge eines Ministerialerlasses wurde die Lehrerausbildung durch die Gründung eines Departments zur Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte an Universitäten neu geregelt. Studierende, die nach dem Studium im Lehramt tätig sein wollen, können parallel zum Studium auch ein Zertifikat erwerben, das als Zugangsberechtigung zur Beschäftigung im Unterrichtswesen gilt. Den Lehrkräften steht insgesamt ein reiches Angebot an Fortbildungsveranstaltungen hierzulande oder in einem deutschsprachigen Land zur Verfügung. 1998 wurde das Zentrum für Lehrerfortbildung in deutscher Sprache (ZfL) Mediasch/Mediaş gegründet, eine staatlich getragene und von Fachberatern aus Deutschland methodisch unterstützte Einrichtung.22 Das philologische Studium bildet vornehmlich für sprach- und kulturbezogene Berufe in Schulen, Bildungseinrichtungen, im Verlags- und Bibliothekswesen, im Bereich der Medien, des Kultur- und Wissenschaftsmanagements usw. aus. Abgänger diverser Hochschulstudiengänge bevorzugen jedoch, falls sie sich für den Verbleib in Rumänien und nicht für die Jobsuche im EU-Raum23 entscheiden, weniger eine Stelle im Lehramt oder in der Wissenschaft, sondern einen Arbeitsplatz in einem deutschsprachigen Unternehmen. Die Mehrheit geht nach dem Studium in die Wirtschaft und Verwaltung, viele sind sogar noch während der Studienzeit bei Versicherungen, Banken, in Übersetzerbüros und im Tourismus tätig. Dabei spielen gute Sprachkenntnisse eine große Rolle. Daher interessieren sich Studierende eher für den Sprachunterricht und weniger für die Vermittlung deutschsprachiger Literatur und sprachwissenschaftlicher Kenntnisse.

|| 22 Die Aufgabe des ZfL ist die Fortbildung aller Lehrkräfte, die das Fach Deutsch als Mutteroder Fremdsprache unterrichten, deutschsprachigen Fachunterricht erteilen, im deutschsprachigen Grundschulbereich sowie in Kindergärten tätig sind. In der Regel veranstaltet das ZfL Wochenendseminare, mitunter auch ein- bis zweiwöchige Veranstaltungen. Vgl. www.zfl.ro/zfl.php (01.12.2017). 23 Das ist besonders verstärkt nach dem Beitritt Rumäniens zur EU am 1. Januar 2007 der Fall.

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Neue, veränderte berufliche Perspektiven sind auch für Germanistikabgänger auf dem Arbeitsmarkt eröffnet worden, die zwar weiterhin auf Sprachkompetenz, jedoch vermehrt auf die Relevanz von Deutsch als Berufs- und Fachsprache verweisen.24 Die veränderte Situation forderte die Einrichtung neuer interdisziplinär ausgerichteter Studiengänge, die als Schwerpunkt Wirtschaft, Recht und Verwaltung, (Kultur)Management, Fachkommunikation, Übersetzen und Dolmetschen setzen, was andererseits als Verlust der herkömmlichen Philologie wahrgenommen wird.25 19 Hochschulen in elf Städten bieten derzeit über 70 deutschsprachige Studienrichtungen an, wovon mehr als ein Drittel auf die Fachgebiete Wirtschaft, Bauwesen, Maschinenbau, Informatik, Mechatronik, Umwelttechnik, Naturwissenschaften fallen, vereinzelt auch auf Gebiete der Geisteswissenschaften: Journalismus, Europastudien, Geschichte, Philosophie, Pädagogik und andere.26 Dieses Angebot bedingt, dass sich immer weniger Abgänger deutscher Schulen für die reine Germanistik interessieren und das Germanistikstudium allmählich zu einem DaF-Unterricht umgepolt wurde. Unterstützende Initiativen, vor allem aus Deutschland und Österreich, haben ab 1990 Forschungsaufenthalte27 für rumänische Germanisten und Nachwuchswissenschaftler, Gemeinschaftsprojekte, Publikationen (z.B. Tagungsbände) oder sonstige Aktivitäten wie Fort- und Weiterbildungsseminare kontinuierlich gesichert. In einem kursorischen Überblick seien hier exemplarisch einige solcher Initiativen erwähnt, die durch ausgewiesene Effizienz und Konstanz den akademischen Betrieb, die Lehre und Forschung maßgeblich fördern. Der dreijährlich an wechselnden Hochschulen Rumäniens abgehaltene Kongress der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens, an dem sich auch zahlreiche ausländische Gäste beteiligen, wird vom DAAD mitfinanziert, desgleichen die Herausgabe des germanistischen Jahrbuchs transcarpathica und der Zeitschrift der Germanisten Rumäniens mit Beiträgen ausschließlich in deutscher Sprache.

|| 24 Dies erfolgt im Rahmen von Studiengängen für „Angewandte moderne Sprachen“ (rum. Limbi moderne aplicate), die an den meisten Universitäten des Landes parallel zur philologischen Ausbildung eingerichtet wurden. 25 Zum Stellenwert von Deutsch nach der Wende in Mittelosteuropa mit Blick auf die Studiengänge Germanistik, Deutschlehrerausbildung und Deutsch als Berufssprache vgl. Tichy (2015). 26 Vgl. https://www.daad.de/imperia/md/content/informationszentren/ic-bukarest/dokumentedeutsch/broschuere.pdf (12.12.2015). 27 Auf die Erwähnung der Fördermöglichkeiten durch die Vergabe von Stipendien seitens diverser akademischer Einrichtungen, Stiftungen, Verbände und Institutionen wird hier verzichtet.

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Zu den traditionellen und aktivsten Kooperationspartnern der in Rumänien befindlichen Universitäten, Forschungs- und Kultureinrichtungen gehören zudem die Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg, das Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, die Alexander von Humboldt-Stiftung, der Österreichische Austauschdienst (OeAD), die an den Universitäten Bukarest, Temeswar, Klausenburg und Iaşi angesetzten Österreich-Bibliotheken, Kulturkontakt Wien und vieles andere. In den letzten Jahren hat sich das an der Universität Regensburg angesiedelte Forschungszentrum Deutsch in Mittel- Ost- und Südosteuropa (FZDiMOS) mit der Erforschung der deutschen Sprache im mittleren, östlichen und südöstlichen Europa – etwa „zwischen Böhmen, Banat und Bukowina“ – angesichts der Mehrsprachigkeitssituation dieses multiethnischen und multikulturellen Raumes hervorgetan.28 Die internationale Zusammenarbeit für die Förderung von Studierenden und Hochschullehrern wird auch über Partnerschaften zwischen rumänischen und deutschen Universitäten getragen. Innerhalb solcher Universitätspartnerschaften werden zahlreiche Forschungsprojekte auf verschiedenen Gebieten abgewickelt. Exemplarisch seien hier zwei solche Projekte erwähnt: 1) Die Beschäftigung mit älteren Quellentexten des Zentralarchivs der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien.29 Untersucht wird das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Spracherhalt und Konfessionserhalt im Rahmen der Gestaltung des Gottesdienstes in einer deutschen Minderheitenkirche30 in Rumänien, welche – infolge des Exodus ihrer Gemeindemitglieder in den 1990er Jahren stark geschwächt – die Gottesdienstsprache im Spannungsfeld zwischen Bewahrung und Anpassung neu zu positionieren versucht. 2) Deutschsprachige Kanzleischriftstücke in siebenbürgischen Archiven. Erstmals werden Dokumente der deutschsprachigen Minderheit aus den ehemaligen politischen, administrativen und judikativen Zentren Siebenbürgens untersucht.31

|| 28 Vgl. www.uni-regensburg.de/forschung/dimos/ (18.10.2017). 29 Zugleich die Dissertation von Gerhild Rudolf, Leiterin des Begegnungs- und Kulturzentrums der Evangelischen Kirche in Hermannstadt. 30 Laut Bottesch (2008: 374) war im Laufe der Zeit die evangelische Kirche die einzige Institution, in der Deutsch Amtssprache war. 31 Ein wichtiges Endprodukt des Projekts ist die lexikalisch-semantische und morphosyn-taktische Beschreibung des Deutschen in Siebenbürgen in der frühen Neuzeit.

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Die Ergebnisse derartiger und ähnlicher Forschungsprojekte werden als Monografien, Dissertationen, Beiträge in Sammelbänden oder Fachzeitschriften veröffentlicht. Thematisch dominiert im Bereich der Literaturwissenschaft die Beschäftigung mit der rumäniendeutschen Literatur und deren Rezeption, mit Problemen der Inter-, Trans- und Multikulturalität, während in der Linguistik Fragen des Sprachkontakts, der Lexikografie, der Übersetzungspraxis bzw. sprachliche Erscheinungen aus kontrastiver oder variationslinguistischer Sicht behandelt werden oder auf die Erforschung früherer Sprachstufen des Deutschen in dieser Region fokussiert wird. Die Tatsache, dass die jeweiligen Aufsätze und Forschungsergebnisse rumänischer Hochschullehrer und Forscher zumeist auf Deutsch verfasst und veröffentlicht werden, kann gewissermaßen als beachtlicher Beitrag zur Aufrechterhaltung und Förderung des Deutschen als Wissenschaftssprache gewertet werden.

2.3 Deutsch als Standortfaktor der rumänischen Wirtschaft In Rumänien sind ca. 8.000 Unternehmen mit deutscher Beteiligung aktiv.32 Auch wenn in überwiegendem Maße Englisch die Arbeits- und Kommunikationssprache ist, haben Bewerbende mit guten und sehr guten Deutschkenntnissen ohne Zweifel einen Trumpf in der Hinterhand. Deutsch hat hierzulande – wie übrigens in vielen osteuropäischen Staaten – den Status einer Prestigesprache, die einer besseren beruflichen Karriere Tür und Tor öffnet. Cotârlea (2013) hat die berufliche E-Mail-Kommunikation in deutschen Unternehmen in Rumänien untersucht, wo außer Englisch auch Deutsch als Korrespondenzsprache am Arbeitsplatz verwendet wird. In den meisten Fällen findet der E-Mail-Verkehr zwischen deutschen Muttersprachlern und rumänischen Mitarbeitern, die Deutsch als Fremdsprache sprechen, statt. Die Untersuchung von E-Mails verdeutlicht, dass der Schreibstil von den Gepflogenheiten des Unternehmens bedingt ist, wobei kulturelle Interferenzen nicht zu vermeiden sind. Viele hier ansässige deutschsprachige Unternehmen präsentieren auf ihren Webseiten Informationen nur auf Deutsch. Ihre Stellenangebote werden oft auf Deutsch ausgeschrieben, d.h. dass gute Deutschkenntnisse erwartet werden.33

|| 32 Vgl. http://rumaenien.ahk.de/fileadmin/ahk_rumaenien/Publicatii/Presse/2017/ Germania.Informatii_generale.pdf (29.10.2017). 33 Näheres zu den Stellenangeboten in rumänischen deutschsprachigen Zeitungen bei Lăzărescu (2005).

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Deutsche Sprachkenntnisse sind somit ein Vorteil. Erwünschte Sprachen sind außerdem schon als selbstverständlich vorausgesetzt Englisch, Französisch, Italienisch, in Siebenbürgen und im Banat auch Ungarisch, in den letzten Jahren sogar Niederländisch. Manche Unternehmen bieten Deutschkurse an oder berufliche Weiterqualifikationen für Arbeitnehmer, die bereits Deutschkenntnisse haben. Um bei den Worten eines in Hermannstadt wirkenden Unternehmers zu bleiben: „Es ist hier ‚deutscher‘ als man vermutet.“34 Seit einigen Jahren gibt es in Hermannstadt, Kronstadt und Temeswar Berufsschulen mit dualer Ausbildung, eine Initiative, die aus dem konkreten Bedarf der Betriebe entstand und wobei sich Deutschland als Helfer und Berater erweist.35 Die Vorteile des dualen Systems bestehen darin, dass theoretische Kenntnisse mit praktischen Erfahrungen kombiniert werden. Die Schüler sind bereits in der Ausbildung in Kontakt mit ihren potenziellen späteren Arbeitgebern und erhalten zusätzlich eine finanzielle Unterstützung. Die abgeschlossenen Verträge sehen vor, dass die Lehreinrichtungen die jeweiligen Lehrpläne zusammenstellen, ihre Räumlichkeiten für den Unterricht zur Verfügung stellen, wobei die Wirtschaftsunternehmen das für die Ausbildung notwendige Fachpersonal bieten, den praktischen Teil der Ausbildung organisieren und die Maschinen und Gerätschaften zur Verfügung stellen. Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen hat für die betreffenden Berufsschulen das DSD I eingeführt. Das 2009 eingeführte Projekt „Fit for future“/„Die Zukunft in guten Händen“ ermöglicht Schülern eine Woche Praktikum in einem deutschsprachigen Unternehmen.36

3 Bemühungen um den Erhalt und die Pflege des Deutschen Nach der Auswanderung der Rumäniendeutschen nach der Wende prophezeite man einen bevorstehenden Sprachverlust: Die deutschstämmigen Sprecher-

|| 34 Oswald Kolb, Werkleiter in Hermannstadt, in Made in Germany? Fast! unter http:// reporterreisen.com/zehn-tage-siebenbuergen/reportagen/fast-made-in-germany/index.html (29.09. 2017). 35 Vgl. http://www.adz.ro/artikel/artikel/fuer-den-dualen-unterricht/ (11.11.2017). 36 Vgl. „Wir sprechen Deutsch!“ in Schule und Wirtschaft; http://www.hermannstaedter.ro/2015/11/13/wir-sprechen-deutsch-in-schule (18.09.2017).

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gruppen würden ihre Sprache an die nächste Generation nicht weitergeben können und das Rumäniendeutsche würde in die binnendeutsche Standardsprache aufgehen. Die Überalterung der deutschen Minderheit und das Fehlen einer ausgewogenen Verteilung sozialer Schichten aufgrund der Massenauswanderung gehören zu den größten Schwierigkeiten für den Erhalt des Deutschen als Muttersprache.37 Heute ist keine einzige Region Rumäniens mehrheitlich von deutschen Muttersprachlern besiedelt. In vielen Mischehen der hier Verblie-benen wird zwar noch Deutsch gesprochen, allerdings oft nur mit einem Elternteil und fast nie Dialekt. Entgegen eines evidenten graduellen Sprach-verlusts besteht vorläufig noch kein Anlass, um den langfristigen Spracherhalt zu bangen. Riehl (2004: 162) behauptet mit Recht, dass im Gegensatz zu anderen Gebieten Osteuropas in Rumänien keine „Sprachumstellung” (Ammon 2015: 256, 269, 272f.) stattfinde, sondern die Sprache weiter erhalten bleibe, wobei die Diglossie Dialekt–Standard zugunsten des Bilinguismus zurückgeschraubt werde. Dass das rumänische Deutsch trotz der massiven Auswanderung der deutschsprachigen Minderheit nach dem Ende der Ceauşescu-Diktatur nicht vom Aussterben bedroht ist, bezeugen die rumäniendeutsche Literatur, das Schulwesen in deutscher Unterrichtssprache, das rege Vereinsleben und Verlagswesen mit Publikationen in deutscher Sprache, die in Bukarest erscheinende Tageszeitung Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ)38 mit ihren zwei Regionalbeilagen Banater Zeitung und Karpatenrundschau bzw. die wöchentliche Hermannstädter Zeitung. Auch die landesweit ausgestrahlten Programme des staatlich-öffentlichen Fernsehens und Rundfunks müssen hier erwähnt werden.39 In Bukarest, Kronstadt und Hermannstadt gibt es Verlage, die von rumäniendeutschen Dichtern und Schriftstellern verfasste Bücher in deutscher Sprache herausgeben.

|| 37 Dazu ausführlicher Ammon (2015: 341–349). 38 Zwischen 1949–1993 erschien die deutschsprachige Tageszeitung unter dem Namen Neuer Weg und gehörte in den 1960er Jahren zu den fünf wichtigsten überregionalen Publikationen des Landes. Näheres dazu bei Müller (2002: 75). Über die ADZ scheibt Scheuringer (2005: 127) Folgendes: „Rumänien ist das einzige Land im großen Kontakt-Kulturraum mit dem Deutschen östlich und südöstlich des Binnenraums, in dem nach der schrecklichen Zäsur mit Drittem Reich und Zweitem Weltkrieg bis heute eine für Einheimische und nicht für Touristen und Geschäftsleute geschriebene deutsche Tageszeitung“ erscheint. 39 Das rumänische öffentliche Fernsehen hatte die erste deutsche Ausgabe 1969. Heute haben TVR1 und TVR2 wöchentliche Sendungen in deutscher Sprache. Deutsche regionale Rundfunkprograme senden Radio Bukarest, Radio Târgu Mureş, Radio Reşiţa, Radio Temeswar.

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Um den Erhalt der deutschen Sprache und Kultur bemühen sich vor allem das 1990 gegründete Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) mit dessen regionalen Verbänden40, das Begegnungs- und Kulturzentrum Friedrich Teutsch41 der Evangelischen Kirche in Rumänien, die Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung42, das Jugend-, Kultur- und Dokumentationszentrum Alexander Tietz43, zahlreiche private Sprachschulen, das Zentrum für Lehrerfortbildung in deutscher Sprache (ZfL) in Mediasch, das Institut für Geisteswissenschaften der Rumänischen Akademie in Hermannstadt44, das deutsche Staatstheater in Temeswar, die deutsche Abteilung des Radu-Stanca-Theaters in Hermannstadt, das Puppentheater „Gong“ in Hermannstadt, viele Verbände, Gesellschaften und Stiftungen. Unbedingt zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die vielseitige Unterstützung durch die Deutsche Botschaft in Bukarest, die deutschen Konsulate in Hermannstadt und Temeswar, die parteinahen deutschen Stiftungen, die Deutschen Wirtschaftsclubs45, die Österreichische Botschaft, Kulturkontakt Wien, die Österreich-Bibliotheken, das österreichische AußenwirtschaftsCenter Bukarest, Advantage Austria und andere. Die Saxonia-Stiftung unterstützt finanziell bedürftige Angehörige der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft.46 Mit dem Projekt „Förderung von Lehrkräften im deutschsprachigen Schulwesen Rumäniens“ werden durch diese Stiftung Lehrkräfte finanziell gefördert, die an einer staatlichen deutschsprachigen

|| 40 Das Forum umfasst die folgenden Regionalverbände: Altreich, Banat, Buchenland, Nordsiebenbürgen, Siebenbürgen und die Arbeitsgemeinschaft deutscher Jugendorganisationen. Vgl. http://www.fdgr.ro/de/organizatia_pe_tara (18.10. 2017). 41 Friedrich Teutsch (1952–1933) war ein Bischof der Siebenbürger Sachsen. 42 Adam Müller Guttenbrunn (1852–1923) war ein Banater Dichter und Kulturpolitiker. 43 Alexander Tietz (1896–1978) war ein Banater Ethnograf, Lehrer und Schriftsteller. 44 In diesem Institut arbeiten auch deutschsprachige Forscher auf den Gebieten der Sprache, Geschichte und Volkskunde. 45 In Rumänien arbeiten acht deutschsprachige Wirtschaftsclubs, alle in den Industriezentren des Landes: Arad, Bacău, Cluj/Klausenburg, Brașov/Kronstadt, Mureş/Muresch, Satu Mare/Sathmar, Sibiu/Hermannstadt und Timişoara/Temeswar. Durch die dezentrale Organisation haben die einzelnen Clubs sehr engen Kontakt zu den lokalen Administrationen. Vgl. https://www.ulm.ihk24.de/international/Kompetenzzentrum/Laenderinformationen/Rumaenien/Wirtschaft_Rumaenien/Rumaenien-Deutsche-Wirtschaftsclubs; http://www.advantageaustria.org/ro/Oesterreich-in-Rumaenien.de.html (18.10. 2017). 46 Die Hilfeempfänger werden meist über soziale Einrichtungen wie Altenheime, Waisen- und Krankenhäuser betreut. Die karitative Betreuung umfasst Geld, Lebensmittel, Kleidung und Medikamente. Vgl. http://fundatia.saxonia.ro/nachrichten/article/foerderung-von-lehrkraeftenim-deutschsprachigen-schulwesen-rumaeniens-1/ (11.11.2017).

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Schule bzw. in einem Kindergarten in deutscher Sprache unterrichten. Anfang des Schuljahres 2017–2018 wurde aus Finanzmitteln der Saxonia-Stiftung ein Mentorenprogramm ins Leben gerufen. Vorgesehen ist dabei, dass Lehrer mit sehr guten Deutschkenntnissen als Begleiter und Berater von Lehrern naturwissenschaftlicher oder anderer Schulfächer fungieren, welche die deutsche Sprache weniger gut beherrschen, sodass „das Bewusstsein für Deutschsprachigkeit wächst“.47 Die Zusammenarbeit im politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich wird unter anderem von der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit in Rumänien48, dem Department für interethnische Beziehungen innerhalb der rumänischen Regierung49 sowie durch die aktive Mitwirkung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien koordiniert, was für die Bewahrung der Identität und das weitere Fortbestehen der deutschen Minderheit in Rumänien von großer Wichtigkeit ist. Der deutsche Bundestag unterstützt jährlich mit 750.000 Euro den deutschsprachigen Unterricht in Rumänien.50 Erwähnenswert ist die Tatsache, dass Ende 2016 das Variantenwörterbuch des Deutschen (VWB) in einer völlig neu bearbeiteten Auflage51 erschienen ist, in dem die bisher lexikografisch nicht kodifizierten standardsprachlichen Besonderheiten der Viertelzentren – davon eines in Rumänien – einlässlich erklärt und denjenigen der Voll- und Halbzentren52 gegenübergestellt werden. Als Varietät || 47 Näheres im Interview „Zusammenarbeit gibt Gemeinschaftsgefühl“. Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien vom 07. 02.2018, S. 3. 48 Anlässlich der Sitzung im Rahmen des 135jährigen Jubiläums deutsch-rumänischer diplomatischer Beziehungen würdigte die Kommission die seit 1992 getroffenen Maßnahmen Rumäniens zur Verbesserung der Situation der deutschen Minderheit und zur Erfüllung der sich aus dem Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten ergebenden Verpflichtungen. Vgl. Protokoll der Sitzung unter: https://mae.ro/sites/.../2015.07.08_protokoll_de_final.pdf (11. 11.2017) und Haidu & Ziegler (2014). 49 Vgl. http://www.dri.gov.ro (18.10.2017). 50 Vgl. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/050/1805057.pdf (01.12.2017). 51 Die Neuauflage von Ammon, Bickel & Lenz (2016) geht auf eine trilaterale Forschungskooperation der Arbeitsstellen in Deutschland (Universität Duisburg-Essen), Österreich (Universität Wien) und der Schweiz (Universität Basel) und eine Zusammenarbeit mit zahlreichen Experten anderer Länder zurück. 52 Vgl. die von Ammon (1995) vorgeschlagenen und in Kap. 4 des VWB (2016: XXXIX–LXIV) erklärten Termini Voll-, Halb- und Viertelzentrum. Die im VWB behandelten Viertelzentren sind historisch unter ganz verschiedenen Bedingungen entstanden: infolge einer vor mehr als 800 Jahren erfolgten Ansiedlung (Rumänien), als Folge des neuzeitlichen Kolonialismus (Namibia) und als Ergebnis von Glaubensverfolgung (Übersee).

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des Deutschen weist das Rumäniendeutsche eigene Varianten auf (sogenannte Rumänismen) in verschiedenen Bereichen: Verwaltung, Schulwesen, Wirtschaft, Kochkunst, Geselligkeit, Brauchtum und andere. Es handelt sich um typische Lexeme, Ergebnisse eines multikulturellen und mehrsprachigen Umfeldes und des vielseitigen Sprachkontakts (z.B. Transferenzen, Lehnübersetzungen und hybride Wortformen). Diese entstammen einem umfangreichen Korpus rumäniendeutscher Pressetexte, aber auch in Deutschland erscheinender Zeitungen wie der Siebenbürgischen Zeitung53, eben um zu beweisen, dass Angehörige der rumäniendeutschen Minderheit auch lange nach deren Auswanderung immer noch so sprechen und diese jahrhundertealte Sprachform am Leben zu erhalten vermögen. Bekanntlich ist die rumäniendeutsche Varietät aufgrund ihrer dialektalen Grundlagen mehrheitlich westmitteldeutsch. Die jeweiligen Basisdialekte sind gut erforscht, zumal es eine lange Tradition siebenbürgischer und banaterdeutscher Mundartkunde gibt. Entgegen seinen dialektalen Grundlagen ist Rumäniendeutsch in Anbetracht der historisch-politischen Realitäten jedoch deutlich österreichisch gefärbt. Auch die österreichisch-rumäniendeutschen lexikalischen Gemeinsamkeiten (sogenannte Rumäno-Austriazismen) wurden mittlerweile lexikografisch erfasst.54 Eine Rückwanderung der deutschen Minderheit ist wohl auszuschließen. Es ist auch kaum zu erwarten, dass sich in absehbarer Zeit diesbezüglich etwas ändern wird. An dem Sozialprestige, das dem Deutschen zukommt, hat sich jedoch nichts geändert. Durch das Stellenangebot ausländischer Unternehmen, die auch die Nachfrage an Deutschkenntnissen bedingen, kann der Erhalt des Deutschen in Rumänien gesichert werden. Die rumänische Bildungsgesetzgebung hat aus der Sicht der Minderheitenförderung und der Öffnung des deutschsprachigen Schulwesens in Europa Vorbildcharakter. Dem individuellen Engagement der Lehrkräfte ist es letztendlich zu verdanken, dass die Kenntnisse der Schülerschaft solide ausfallen oder dass die traditionsreiche rumänische Germanistik, deren Besonderheiten durch den Stellenwert der deutschen Sprache und Kultur bedingt sind, renommierte Literaten und Sprachforscher hervorgebracht hat. Die deutsche Minderheit hat ein wichtiges kulturelles, sprachliches und geistiges Erbe hinterlassen, das zu erhalten zweifelsohne nicht einfach, jedoch allseits erwünscht und hoffentlich auch möglich ist.

|| 53 Vgl. https://www.siebenbuerger.de/zeitung/ (11.11.2017). 54 Vgl. Lăzărescu & Scheuringer (2007).

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Müller, Annett (2002): Abschied in Raten. Vom Neuen Weg zur Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien. Der Wandel der Zeitung nach der massenhaften Auswanderung der Deutschen aus Rumänien. Hermannstadt, Heidelberg: hora/Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde. Rein, Kurt (1997): Rumänisch – Deutsch. In Hans Goebl et al. (Hrsg.), Kontaktlinguistik. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 2. Halbband, 1470–1477. Berlin, New York: de Gruyter. Riehl, Claudia M. (2004): Sprachkontaktforschung. Eine Einführung. Tübingen: Niemeyer. Scheuringer, Hermann (2005): Lexikalische Rumänismen in der Hermannstädter Zeitung 2003. Kronstädter Beiträge zur germanistischen Forschung VII, 124–130. Teistler, Gisela (Hrsg.) (1996): Deutsche Schulbücher aus Siebenbürgen und anderen Regionen des heutigen Rumänien – erschienen bis 1945. Bibliographie von Lese-, Realien-, Geographie-, Geschichts- und Staatsbürgerkundebüchern. Mit einem Beitrag von Walter König: Das Schulwesen der Siebenbürger Sachsen. Frankfurt am Main: Diesterweg. Tichy, Ellen (2015): Deutsch nach der Wende in Mittelosteuropa – Studiengänge der Germanistik, Deutschlehrerausbildung und Deutsch als Berufssprache. Germanistische Beiträge 37, 116–131. „Zusammenarbeit gibt Gemeinschaftsgefühl“. Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, 07.02.2018, 3.

Marianne Zappen-Thomson

Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Namibia 1 Einführung Möchte man verstehen, wie es um die deutsche Sprache in Namibia bestellt ist, kommt man um einen kurzen geschichtlichen Rückblick nicht umhin. Außerdem ist es notwendig, sich mit Land und Leuten vertraut zu machen. Als vermutlich erster Europäer erreicht Diogo Cão 1486 „ein kleines Kap an der südwestafrikanischen Küste“ (Kube & Kotze 2002: 258), errichtet dort ein Padrão und nennt den Ort Kreuzkap. Ein Jahr später ist es Bartolomeo Dias, der weiter südlich ein ähnliches Steinkreuz errichtet und zwar in der Bucht, die später als Lüderitzbucht bekannt wird (vgl. Kube & Kotze 2002: 258). Um 1550 ziehen die Owambo aus Ostafrika hinunter zum Kunenefluss, während die ersten Nama, im 18. Jahrhundert aus dem Süden kommend, den Oranjefluss überqueren. Als Ureinwohner Namibias gelten die San, heute eine Minderheitengruppe (vgl. Malan 2014). Im Mai 1883 verkauft Kapitän Joseph Fredricks von Bethanien die Bucht mit angrenzendem Land an die Firma F.A.E. Lüderitz aus Bremen, 1884 wird dort die Reichsflagge gehisst und somit beginnt die Kolonialzeit in Deutsch-Südwestafrika, die 1915 mit der Kapitulation von Gouverneur Dr. Theodor Seitz bei Khorab endet (vgl. Kube & Kotze 2002: 262, 264, 283). Anschließend wird das ehemalige Deutsch-Südwestafrika Mandatsgebiet von Südafrika und 1990 endlich zur unabhängigen Republik Namibia. Heute zählt Namibia, das etwa zweieinhalbmal so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland, mit 2,2 Millionen Einwohnern (vgl. Namibia Statistics Agency 2011) zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Welt.

|| Marianne Zappen-Thomson, University of Namibia, Windhoek, Namibia, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-032

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2 Sprachen in Namibia Berücksichtigt man die kleine Bevölkerungszahl Namibias, ist es umso erstaunlicher, dass mehr als 11 Sprachen als einheimisch bezeichnet werden. So sprechen 49% der Bevölkerung Oshiwambo, 11% Nama/Damara (auch Khoikhoigowab genannt), 10% Afrikaans und jeweils 9% Kavango und Otjiherero (vgl. http://www.gov.na/languages-spoken). Zu den europäischen Sprachen, die im Land gesprochen werden, zählen Englisch, Deutsch, Portugiesisch und Französisch. Es wäre kurzsichtig nicht darauf hinzuweisen, dass die Zahl der in Namibia lebenden Chinesen zunimmt, allerdings ist es fast unmöglich genaue Zahlen zu erhalten, so spricht das Innenministerium von etwa 10.000 Arbeitsgenehmigungen, die erteilt wurden, in den Medien kursieren allerdings Zahlen von bis zu 100.000 Chinesen, die hier leben (vgl. The Villager 2017). Die politischen Veränderungen, die im Laufe der Geschichte stattfinden, haben sich auch auf die Sprachen ausgewirkt. Während der Kolonialzeit ist Deutsch die Amtssprache, das ändert sich allerdings nach dem Ersten Weltkrieg, und ab 1920 sind Afrikaans und Englisch die Amtssprachen im Land. Nachdem es 1980 „aufgrund des neuen Gesetztes AG 8 [...] in Südwestafrika/Namibia drei Regierungsebenen“ gibt (Kube & Kotze 2002: 305), wird 1984 Deutsch „zur dritten Amtssprache der Weißen Exekutive erklärt“ – also im Gegensatz zu Afrikaans und Englisch eingeschränkt auf die Rasse der Weißen (Kube & Kotze 2002: 308). Diese Aufwertung erhöht das Ansehen der deutschen Sprache und wirkt sich vorteilhaft auf Deutsch an den Schulen aus.

3 Deutschunterricht Schon vor der Schutzgebietszeit, nämlich um 1876 gibt es in Otjimbingwe eine Schule für die weißen Kinder der Missionsstation, dahingegen öffnet „die erste staatliche Schule“ erst 1894 ihre Türen, schließt diese aber 1899 schon wieder „wegen zu geringer Schülerzahlen“ (Weitzel, Nöckler & Crüsemann-Brockmann 2002: 202). Hier handelt es sich um Grundschulen. Der 19. Januar 1909 ist laut Weitzel, Nöckler & Crüsemann-Brockmann (2002: 205) die Geburtsstunde „des deutschsprachigen höheren Schulwesens“ und die „lebende deutsche Sprache im Lande Südwestafrika faßte feste Wurzeln durch diese Schulgründung.“ Doch schon zehn Jahre später beginnt das wohl unsicherste Jahr in der deutschen Schulgeschichte des Landes.

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Die Zeitspanne von 1919 bis zum Erlaß des ersten Schulgesetztes am 17. Dezember 1921 durch die Administration von Südwestafrika wird charakterisiert durch die Bezeichnung »Schulstreit«. Mit diesem Begriff ging der Widerstand der deutschen Bevölkerungsgruppe gegen die Schulpolitik, die ihren Ursprung in der »Milner-Ära« Transvaals hat, in die Geschichte des Landes ein. In Wirklichkeit aber war es ein Kampf und ein hartnäckiges Ringen um die Erhaltung der deutschen Muttersprache als Unterrichtsmedium in den Elementarklassen der Regierungsschulen. (Weitzel, Nöckler & Crüsemann-Brockmann 2002: 206)

Das Londoner Abkommen vom 23. Oktober 1923 sichert „den freien Gebrauch der deutschen Sprache zu“ und bildet nach Weitzel, Nöckler & Crüsemann-Brockmann (2002: 206) die Grundlage dafür, dass auch nach dem Zweiten Weltkrieg, trotz vieler Einschränkungen, Deutsch unterrichtet wird. Fast die gleichen Probleme, wie sie nach dem 1.Weltkrieg auftauchten, forderten auch jetzt wieder Lösungen. Zähe Verhandlungen, umfassende Diskussionen und anschließende Vereinbarungen, die sich über Jahre hinweg zogen, [...] schufen schließlich ein Einvernehmen bei allen Parteien. Trotzdem aber wurden die Sprachrechte, die vor dem Kriege 1939/1945 bestanden, nicht wieder in vollem Umfang eingeführt. (Weitzel, Nöckler & CrüsemannBrockmann 2002: 208)

Bemerkenswert ist, dass in den Jahren von 1966 bis 1976 nicht nur in Otjiwarongo und Windhoek, sondern auch in Swakopmund deutsche Grund- und Oberschulen eröffnet werden. Somit hat die deutsche Sprachgruppe des Landes die Möglichkeit, ihre Kinder an staatlichen und nicht nur an eher teuren deutschen Privatschulen unterrichten zu lassen. Sinkende Schülerzahlen führen dann zur Schließung der deutschen Privatschulen in Lüderitzbucht und Karibib (vgl. Weitzel, Nöckler & Crüsemann-Brockmann 2002). Schon vor der Unabhängigkeit hatte die South West African People’s Organisation (SWAPO) zu erkennen gegeben, dass sie Englisch als alleinige Amtssprache für Namibia befürwortet und zwar mit folgender Begründung: The aim of introducing English is to introduce an official language that will steer the people away from lingo-tribal affiliations and differences and create conditions conducive to national unity in the realm of language. (UNIN: 1981)

Shah & Zappen-Thomson (2017) weisen darauf hin, dass zwar nicht alle Aussagen, die sich gegen das Einführen einer der im Land gesprochenen Sprache als Amtssprache wehren, überzeugen, dennoch wird Englisch 1990 in der Verfassung Artikel 3 zur Amtssprache der Republik Namibia erhoben. Article 3 Language (1) The official language of Namibia shall be English. (2) Nothing contained in this Constitution shall prohibit the use of any other language as a medium of instruction in private schools or in schools financed or

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subsidised by the State, subject to compliance with such requirements as may be imposed by law, to ensure proficiency in the official language, or for pedagogic reasons. (3) Nothing contained in Sub-Article (1) hereof shall preclude legislation by Parliament which permits the use of a language other than English for legislative, administrative and judicial purposes in regions or areas where such other language or languages are spoken by a substantial component of the population. Alle autochthonen Sprachen, auch Afrikaans und Deutsch, sind seither gleichwertige, wenngleich der Amtssprache nachgeordnete, Nationalsprachen. Für die beiden genannten Sprachen bedeutet dies natürlich einen gewissen Statusverlust. Interessant ist, dass die Verfassung Namibias weiterhin zugesteht, dass jede der namibischen Sprachen als Unterrichtsmedium an Privatschulen eingesetzt werden kann und diese auch im öffentlichen Bereich (Legislative, Judikative und Verwaltung) verwendet werden darf. Als Nationalsprachen definiert das Bildungsministerium „languages spoken in Namibia as mother tongues by Namibian citizens“ (Ministry of Basic Education, Sport and Culture 2003: 7).

4 Sprachenpolitik Mit Englisch als Amtssprache im unabhängigen Namibia und der Anerkennung von mindestens 13 Sprachen als Nationalsprachen, liegt es auf der Hand, dass eine klare Sprachenpolitik formuliert werden muss. Einerseits sollen die Sprachkompetenz in Englisch, das bis dahin zwar eine der Amtssprachen war, jedoch selten im Alltag verwendet wurde, gefördert, andererseits aber auch die diversen Muttersprachen aufgewertet werden. Dies wird in dem Dokument The Language Policy for Schools: 1992–1996 and Beyond festgehalten und gilt für alle staatlichen Schulen. Laut der Sprachenpolitik ist die Muttersprache auch die Unterrichtssprache von der 1. bis zur 3. Klasse. Gleichzeitig ist Englisch Unterrichtsfach und ab der 4. Klasse dann Unterrichtssprache. Allerdings kommt es zu Missinterpretationen dieser Regelung, vor allem bedingt durch die Tatsache, dass in einigen Teilen des Landes gar keine Lehrkräfte für die vielen Muttersprachen an den Schulen sind und somit zeigen sich schon in Kürze deutliche Diskrepanzen bei der Durchführung dieses Vorhabens in den verschiedenen Regionen Namibias. Außerdem beherrschen nicht alle LehrerInnen Englisch ausreichend gut, um die Sprache als Unterrichtsmedium anwenden zu können, weshalb die ehemals schon benachteiligten SchülerInnen insbesondere in

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den ländlichen Gebieten weiter marginalisiert werden (vgl. Ministry of Basic Education, Sport and Culture 2003). Man hat sehr schnell eingesehen, dass der Unterricht in der Muttersprache über die ersten drei Jahre hinausgehen sollte, doch aufgrund von finanziellen Engpässen, die verhindern, dass Lehr- und Lernmaterialien in den verschiedenen Nationalsprachen verfasst werden, bleibt man bei der eben beschriebenen Sprachenpolitik, allerdings mit dem Hinweis, dass die Muttersprachen unterstützend verwendet werden dürfen (vgl. Ministry of Basic Education, Sport and Culture 2003: 4). Diese Sprachenpolitik, die auf dem Papier gut aussieht, in der Durchführung aber erhebliche Mängel aufweist, wird u.a. von Experten wie Tötemeyer (2010), Harris (2011) und Kirchner, Alexander & Tötemeyer (2014) kritisiert, da viele Kinder weder in ihrer Muttersprache noch in Englisch kompetent sind, infolgedessen die Schule nicht bestehen und häufig arbeitslos bleiben. Diese Kritik wurde ernst genommen und die Sprachenpolitik wurde überarbeitet. Im August 2017 genehmigt das Kabinett der Regierung der Republik Namibia die neue Sprachenpolitik und die Bildungsministerin Katrina Hanse-Himarwa stellt die neuen Curricula im November 2017 der Öffentlichkeit vor (vgl. Nakale 2017; Cerezo 2017). Die Grundschulausbildung umfasst nun ein Vorschuljahr und die „junior primary phase“, die Klassen 1 bis 3: The Junior Primary Phase is arguably the most important school Phase [sic!] since it is at the foundation of all future learning. The nature of Junior Primary teaching requires specific approaches and understanding in order to comply with the particular learning needs of small children. […] The Junior Primary Phase of formal education covers the first four years of Primary education. (Namibia Institute for Educational Development 2014: 2)

Unterrichtssprache ist idealerweise die Muttersprache und Englisch wird als ein weiteres Fach unterrichtet. Die obere Primarstufe, oder „senior primary phase“, besteht nun aus den Klassen 4 bis 7. Die Klasse 4 war bis 2015 Teil der unteren Primarstufe. Bezüglich der Sprachenpolitik heißt es einerseits: Grade 4 is a transitional year where the medium of learning changes from the Mother Tongue/predominant local language to English. It is therefore critical for learners to acquire literacy skills in English in Grades 1-3. The Mother Tongue can be used in a supportive role, to ensure that learners have understood new content or concepts where they seem to be having difficulty in understanding the English terminology. In Grade 4 the Mother Tongue will only be used in a supportive role. (Namibia Institute for Educational Development 2015: 31)

Andererseits steht im gleichen Dokument, „English has a special role in the Namibian situation as the official language and the medium of instruction from

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Grade 6 upwards.“ (Namibia Institute for Educational Development 2015: 35) Abgesehen davon, dass es hier wieder zu Missverständnissen kommen könnte, heißt dies auf jeden Fall, dass der Unterricht in der Muttersprache jetzt grundsätzlich über die drei Jahre hinausgeht, die 1992 vorgesehen waren. In der Oberstufe bleibt es dabei, dass ab der 8. Klasse Englisch alleinige Unterrichtssprache ist.

5 Deutsch in Namibia Deutsch ist in vielen unterschiedlichen Bereichen in Namibia anzutreffen. Hier soll kurz auf Deutsch in der Bildung, den Medien und im Alltag eingegangen werden. Die Informationen dieses Kapitels basieren auf Daten aus Shah & ZappenThomson (2017). Zurzeit ist Deutsch als Muttersprache (DaM) Fach an 14 Schulen, wovon neun Privatschulen sind, die anderen staatliche Schulen. An zehn Schulen ist Deutsch Unterrichtsmedium in der Grundschule.1 Die Deutsche Höhere Privatschule (DHPS) bildet eine Ausnahme, da sie in der Vorbereitung auf die Deutsche Internationale Abiturprüfung (DIAP) auch in der Oberstufe Deutsch als Unterrichtsmedium verwendet. Deutsch als Fremdsprache (DaF) wird an 52 Schulen als Fach unterrichtet. (Mitteilung Corinna Burth, Goethe-Institut Namibia, März 2017). Während DaF steigende Schülerzahlen aufweist, erhöhte sich die Zahl von 7.083 SchülerInnen 2014 auf 8.630 im Jahr 2016 (Mitteilung Corinna Burth, GI 2017) und sind die Zahlen für DaM im gleichen Zeitraum von 1.500 auf 1.308 gesunken (Böhme 2017). An der University of Namibia (UNAM) bleiben die Zahlen der Studierenden im Fachbereich Deutsch konstant bei circa 100. Studierende ohne Vorkenntnisse können sich für das Programm German as Applied and Business Language immatrikulieren, diejenigen, die einen Schulabschluss in Deutsch haben, egal ob DaM oder DaF, studieren im Studiengang German Studies. Seit 2014 besteht die Möglichkeit neben dem BA(Hons.) einen MA in German Studies zu absolvieren (vgl. Zappen-Thomson 2014). An der International University of Management (IUM)

|| 1 Deutsche Höhere Privatschule, Deutsche Privatschule Grootfontein, Deutsche Privatschule Omaruru, Deutsche Schule Otavi, Deutsche Privatschule Otjiwarongo, Namib High School, Namib Primary School, Private School Swakopmund, Delta School Windhoek, Delta Secondary School Windhoek, Otjiwarongo Secondary School, Waldorf School Windhoek Windhoek Gymnasium und Berg-Op Academy in Okahandja.

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und der Namibia University of Science and Technology (NUST), werden studienbegleitende Sprachkurse angeboten (vgl. Schlettwein 2013). Der Rückgang an Schülerzahlen im Bereich DaM ist besorgniserregend, der Anstieg der DaF-SchülerInnen hingegen sehr erfreulich. Ein Grund dafür liegt gewiss auch an den größeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt im Tourismussektor. Laut dem Ministerium für Umwelt und Tourismus sind 2015 90.729 Touristen aus der Bundesrepublik Deutschland nach Namibia gekommen (vgl. Ministry of Environment and Tourism 2015: 7). Aber auch andere Branchen und Unternehmen bevorzugen BewerberInnen mit Deutschkenntnissen, egal ob es sich um lokale Firmen wie die Namibia Breweries oder aber um internationale Organisationen wie die Gesellschaft für International Zusammenarbeit (GIZ) handelt. Während des jährlich stattfindenden „Career Day“, den die Sektion Deutsch der UNAM organisiert, betonen UnternehmerInnen, dass dank der guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Namibia Deutschkenntnisse immer wichtiger werden. Namibia besitzt nicht nur eine der ältesten Tageszeitungen auf dem afrikanischen Kontinent, nämlich die Allgemeine Zeitung (AZ), sondern über 20 deutsche Druckmedien, „darunter befinden sich Zeitungen, Gemeindebriefe, Tourismusmagazine und wissenschaftliche Fachzeitschriften“ (Böhme 2017). Die AZ erscheint erstmals 1916 unter dem Namen „Der Kriegsbote“, wird während des Zweiten Weltkrieges umbenannt in „Deutscher Beobachter“, dann in „Allgemeine Zeitung“. Heute ist die AZ Teil der privaten Verlagsgruppe Namibia Media Holdings (NMH), die auch die afrikaanse Tageszeitung „Republikein“ und die englische „Namibian Sun“ herausgeben. Die AZ hat eine Auflage von 4.000 pro Tag, die monatliche Beilage „Tourismus“ erreicht eine Auflage von etwa 10.000. Dem internationalen Trend folgend, ist die AZ seit 2000 auch in digitaler Version zu lesen, was dazu führte, dass die Druckversion seither in reduzierter Auflage erscheint (Mitteilung Regine von Teichmann, Allgemeine Zeitung, März 2017). Stefan Fischer, Chefredakteur, beschreibt die AZ in einem Interview folgendermaßen: „The only thing that is German about the AZ is the language“. Er sagte: „We arenʼt a German newspaper in Namibia, like a lot of astonished tourists think when they first come here. We are a Namibian paper written in the German language.“ (Wittek 2006) Doch nicht nur Printmedien sind in Namibia anzutreffen, neben der staatlichen Rundfunkanstalt „Namibian Broadcasting Corporation (NBC)“, die das deutsche Programm „Funkhaus Namibia“ täglich sendet, gibt es seit August 2012 den privaten Radiosender „Hitradio Namibia“. Satelio, eine Betreibergesellschaft, die von sich sagt „Zweck des Unternehmens ist der operative Betrieb der

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Satelio Plattform mit deutschen TV & Radio Programmen für Afrika“ (Satelio 2017), überträgt 24 Fernseh- und zehn Radioprogramme (http://www.satelio.tv/senderangebot/ März 2018). Das Deutsche Hörfunkprogramm der Namibian Broadcasting Corporation besteht seit 1979 und ist ein öffentlich-rechtlicher Sender, der sich dem Erhalt und der Förderung der deutsch-namibischen Kultur verpflichtet hat. Ziel des Senders ist es, Brücken zu bauen zwischen den diversen Kulturgruppen des Landes und das Verständnis der Sprachgruppen untereinander zu fördern. Wir versuchen, einen aktiven Beitrag zum Fortbestand des Friedens und der nationalen Versöhnung zu leisten. Wir produzieren Programme für alle Altersgruppen und bemühen uns allen Musikrichtungen gerecht zu werden. Unser Programm ist so vielfältig wie das Land und seine Menschen. (https://www.nbc.na/german-radio, 8. Dezember 2017).

Das Funkhaus Namibia ist auch per Livestream zu empfangen und hat diverse Podcasts im Netz, die jederzeit angehört werden können. Das namibische Fernsehen sendet seine Programme alle in englischer Sprache, allerdings gibt es einmal pro Woche Nachrichten in acht Nationalsprachen. Deutsche Fernsehnachrichten von NBC TV werden donnerstags um 17.15 Uhr gesendet und laut Rothe (2010) von den Namibiern positiv aufgenommen. Über ihren Alltag zu erzählen, fällt den Deutschnamibiern leicht, beim Schreiben sieht dies jedoch anders aus, daher ist das Variantenwörterbuch, herausgegeben von Ulrich Ammon et al. (2016), ein Segen für SchülerInnen, LehrerInnen und JournalistInnen. Hier sind die wichtigsten Namibismen aufgenommen worden, die zur Beschreibung des Lebens in Namibia unentbehrlich sind. Namibismen bilden jene namibisch-deutsche Standardvarietät, die in Namibia, einem Viertelzentrum des Deutschen, anerkannt werden. Nun kann in Aufsätzen und Zeitungsartikeln ohne Scheu von dem Braai statt dem Grillfest berichtet werden, ohne dass dies als Fehler markiert wird oder die LeserInnen sich wundern. Der namibische Alltag ist immer noch erstaunlich deutsch geprägt. Gebäude aus der Kolonialzeit werden restauriert und deutsche Straßennamen blieben bisher in weiten Teilen noch erhalten, was nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass kontroverse Namen oder auch Denkmäler abmontiert wurden. Mit Giselher W. Hoffmann, Sylvia Schlettwein und Helmut Sydow hat Namibia auch international anerkannte SchriftstellerInnen und auch der Musiker Ees ist über die Grenzen Namibias hinweg bekannt. Die einst eher deutschen Feste, wie der Karneval oder das Oktoberfest, sind inzwischen zu namibischen Festen geworden, die dazu beitragen, Brücken zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu bauen. In mehreren Kirchen, wie z.B. den Deutschen Evangelischen Lutherischen Kirchen, aber auch in manchen katholischen, finden Gottesdienste auf Deutsch statt und die an diese Institutionen gekoppelten Einrichtungen wie Kindergärten sind

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auch deutschsprachig. Des Weiteren findet im medizinischen Bereich die Versorgung durch zahlreiche deutschnamibische2 Ärztinnen, ZahnärztInnen, ApothekerInnen und PhysiotherapeutInnen statt. In den Geschäften ist ein breites Sortiment an ursprünglich deutschen Back-, Fleisch- und Haushaltswaren zu finden.

6 Der Einsatz der Deutschnamibier für ihre Sprache Die Frage, die sich aus dem Gesagten ergibt, ist, wie schaffen es die knapp 20.000 bis 25.000 Deutschnamibier, ihre Sprache lebendig zu halten, denn Einsatz – ideeller wie finanzieller Art – ist erforderlich. Hier muss erwähnt werden, dass die Regierung Namibias den DaM- sowie den DaF-Unterricht an staatlichen Schulen fördert, obwohl es sich bei DaM, wie schon gesagt, um rückgängige Zahlen handelt und Deutsch somit eine Minderheitensprache ist.3 Wie aus dem Bericht „A Review of Poverty and Inequality in Namibia October 2008“ des Central Bureau of Statistics National Planning Commission hervorgeht (2008: 13), ist die Armut in Haushalten, in denen Deutsch und Englisch die Hauptsprachen sind, unter 1%. Das heißt, dass es den Deutschnamibiern finanziell relativ gut geht und obwohl es nicht unbedingt selbstverständlich ist, sind sie auch bereit, in den Erhalt der deutschen Sprache zu investieren und zwar wie folgt: Die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Schulvereine (AGDS) ist der wichtigste Verein, der sich für Deutsch, besonders an den Schulen, einsetzt. Die AGDS wird 1956 gegründet, „als sich die Schulvereine der drei deutschen Privatschulen von Windhoek, Lüderitzbucht und Karibib zusammentaten, um gleiche Zielsetzungen wirksamer verfolgen zu können.“ (Kreutzberger & Springer 2002: 327) Heute umfasst die AGDS elf Schulvereine. Man ging schon vor der Unabhängigkeit davon aus, dass eine zukünftige Regierung ihre finanziellen Ressourcen – auf Grund der erstmals eingeführten Schulpflicht für alle namibischen Kinder – gerecht wird aufteilen müssen und demnach der jeweilige Anteil geringer ausfallen wird. Die Fördergesellschaft (F.A.D.S.) wurde folglich gegründet, „um einen Teil der Mittel bereitzustellen, die dann verständlicherweise vom Staat nicht mehr im bisherigen Umfang erwartet werden können“ (Kreutzberger & Springer

|| 2 Deutschnamibier ist der Ausdruck, der die Namibier bezeichnet, deren Muttersprache Deutsch ist (vgl. auch Ammon 2015: 359–369). Hier die Adjektivform. 3 Eine detaillierte Beschreibung findet sich bei Shah & Zappen-Thomson (2017).

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2002: 327). Inzwischen wurden die beiden Vereine aus Rationalisierungsgründen zusammengeführt. Die AGDS stellt Stipendien für zukünftige LehrerInnen bereit, versucht durch finanzielle Unterstützung „den Beruf Lehrer auf den Status anzuheben, den er in jeder Gesellschaft verdient hat“ (Böhme 2017), stellt Preisgelder für das Horst-Kreft-Lesefest und den Kurt-Böhme-Rednerwettbewerb zur Verfügung und richtet die Dieter-Esslinger-Lehrertagung aus – alles aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Wir sind daher unvermindert auf diese Unterstützung angewiesen, und so ist es mir ein herzliches Bedürfnis, allen Gönnern und Mitgliedern an dieser Stelle herzlich für ihren finanziellen Beitrag zu danken. Dieser Dank ist umso herzlicher in einer Zeit, wo wir alle eine wirtschaftliche Talfahrt miterleben. Eingeschlossen in diesem Dank sind auch die Farmer, die sich trotz widriger Umstände Jahr für Jahr bereit erklären, das AGDS-Rinderprojekt4 tatkräftig zu unterstützen. Es ist zweifelsohne keine Selbstverständlichkeit, dass 76 AGDS-Rinder nicht nur auf ihren Farmen weiden dürfen, sondern auch sonst von ihnen versorgt werden. Ihnen gebührt unsere vollste Anerkennung und unser uneingeschränkter Dank. (Böhme 2017)

Dieser Einsatz der AGDS kommt natürlich auch dem Fach Deutsch als Fremdsprache, soweit es an AGDS-Schulen unterrichtet wird, zu Gute. Darüber hinaus wird DaF aber auch substanziell von der Bundesrepublik Deutschland gefördert und zwar besonders in Form des Goethe-Instituts und der PASCH-Initiative (vgl. https://www.goethe.de/ins/na/de/spr/eng/pas.html, März 2018). Seit 2016 hat Namibia endlich ein vollwertiges Goethe-Institut. Das bisherige Goethe-Zentrum wurde 2002 in Windhoek eröffnet und von der Namibisch-Deutschen Stiftung für kulturelle Zusammenarbeit (NaDS), die 1988 aus der IG hervorging, getragen (vgl. Weitzel, von Wietersheim & Mühr 2002: 396). Auch die Deutsch-Namibische Gesellschaft e.V. (DNG) setzt sich mit privaten Spendengeldern aus Deutschland für DaF ein, indem sie für den Sprachwettbewerb, der von der damaligen Interessengemeinschaft deutschsprachiger Südwester (IG) eingeführt wurde, Flüge plus einen Deutschlandaufenthalt spendet: Erst auf dem Kongress der IG im Jahr 1987 im Bericht zu den deutschen Sprachrechten wurde nachdrücklich darauf hingewiesen, dass der Erhalt der deutschen Sprache in einem zukünftigen Namibia maßgeblich auch von der Verbreitung des Deutschen als Fremdsprache bestimmt wird. ‚Wir sollten uns nicht in muttersprachliche Elfenbeintürme einschließen, sondern aktive, nach außen gerichtete Fremdsprachenpolitik betreiben.‘ [...] Zu diesem Zweck gründete die IG zuerst einen Sprachwettbewerbs-Ausschuss, der aus DaFLehrern der damaligen Akademie (heutigen Universität Namibia, UNAM), der DHPS und

|| 4 Bei dem Rinderprojekt handelt es sich um eine Kapitalanlage der AGDS.

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einem Vertreter des IG-Vorstands bestand, und führte einen sehr erfolgreichen Sprachwettbewerb durch. (Weitzel, von Wietersheim & Mühr 2002: 385)

Inzwischen führt das Goethe-Institut diesen Sprachwettbewerb durch und die DNG spendet noch immer Flüge nach Deutschland, welche die Gewinner der höheren Jahrgangsstufen erhalten. Eine weitere Organisation, die von Deutschnamibiern gegründet wurde und zwar 1993, „(a)ls nach der Unabhängigkeit erkennbar wurde, dass das DHFP5 – auch finanziell – einen schwereren Stand haben würde“, war es die Hörerinitiative, „die Monat für Monat für einen (kleineren) Teil der Kosten des DHFP aufkommt. Sie finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und namibische Spender“ (Herma-Herrle 2002: 64). Dieser Einsatz ermöglicht ein hochwertiges Programm, das rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche gesendet und von der Deutschen Welle6 aus Deutschland unterstützt wird. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland arbeitet seit der Unabhängigkeit Namibias sehr eng mit verschiedenen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Organisationen des Landes zusammen und unterstützt Projekte, die besonderen Fokus auf die deutsche Sprache und Kultur legen. Genannt seien hier u. a. die Deutschen Wochen und der Tag der deutschen Sprache. Durch Organisationen wie z.B. den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) wird seitens Deutschlands auch in Bildung und Forschung investiert. Das Deutsch, das die Deutschnamibier sprechen, unterscheidet sich vor allem im Wortschatz, aber auch in der Struktur von dem Deutsch wie es in Deutschland gesprochen wird (vgl. Kroll-Tjingaete 2016). Darauf sind die Deutschnamibier auch stolz, verschafft ihnen dies doch eine eigene Identität. Vor der Unabhängigkeit wurde es „Südwesterdeutsch“ genannt und zeichnete sich vor allem durch viele Lehnwörter aus dem Afrikaansen aus. Heute spricht man von Namdeutsch und die Jugendsprache wird Nam Släng genannt (vgl. Wiese, Simon, Zappen-Thomson & Schumann 2014; Zappen-Thomson 2013). Zusammenfassend gilt für die Stützung der deutschen Sprache in Namibia noch immer, was Ammon (2015: 368) kritisch anmerkt: Auch die übrigen Verbände der Deutschnamibier beziehen regelmäßig Zuwendungen aus Deutschland [...] Dennoch empfinden die Deutschnamibier das Engagement Deutschlands

|| 5 DHFP ist das Deutsche Hörfunkprogramm der NBC. 6 Die Deutsche Welle durch die DW Akademie unterstützt auch andere Nationalsprachen in Namibia. (http://www.dw.com/en/dw-akademie/africa/s-12135, 12. Dezember 2017).

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als nicht gerade überwältigend, auch im Vergleich zu den sprachenpolitischen Anstrengungen Frankreichs, das gleich nach der Unabhängigkeit ein Kulturinstitut in Windhoek errichtete.

Alles in allem liegt es aber an den Deutschnamibiern, ob sie weiterhin bereit sein werden, sich für den Erhalt ihrer Sprache und ihrer Kultur einzusetzen. Die Zeichen dafür stehen gut, es gibt in den genannten Vereinen junge, engagierte MitgliederInnen, denen man nur wünschen kann, dass sie auch in Zukunft in Zusammenarbeit mit Organisationen im In- und Ausland und mit der Unterstützung der Regierung Namibias dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren.

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Zappen-Thomson, Marianne (2014): Genau so, aber doch ganz anders. Die deutsche Sprache in Namibia. In Jacob Emmanuel Mabe (Hrsg.), Warum lernt und lehrt man Deutsch in Afrika? 53–64. Nordhausen: Traugott Bautz. Zappen-Thomson, Marianne (2013): Und das soll Deutsch sein? Gedanken zur Jugendsprache. In Perspektiven 2014, 76–79. Windhoek: DELK.

Cléo Vilson Altenhofen

Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Brasilien 1 Herangehensweise an das Thema Vielfach wurde bereits von Seiten besonders der Sprachsoziologie das Thema des Spracherhalts bzw. der Erhaltung mehrsprachiger Kompetenzen in vielsprachigen Umgebungen untersucht (z.B. für das Deutsche in Brasilien Seiffert 2009; Souza 2017). Denkt man jedoch an die Förderung einer bestimmten Minderheitensprache, sieht man sich immer wieder mit dem Widerspruch konfrontiert, die eigenen Sprecher vom Wert ihrer Sprache überzeugen zu wollen. Im Strom dieser Bemühungen ist in den letzten Jahrzehnten der Begriff der Sprachenvielfalt als massives Argument aufgetreten, das nicht selten auch mit der Biodiversität verglichen wird (Skutnabb-Kangas & Phillipson 1996: 668) als „a cause for marvel; [...] an equally amazing testimony to human ingenuity“ (Swaan 2001: 2). Die Sprachenvielfalt als Teil der Kultur – ähnlich wie die Biodiversität – steht auch in Brasilien hinter den neusten Impulsen zur Förderung der brasilianischen Sprachdiversität, die vor allem aus dem Bereich der Kulturpflege kommen,1 und nicht, wie zu erwarten wäre, der Linguistik oder des Schulwesens. Die Sprache als Kulturerbe scheint jedenfalls mehr Akzeptanz und Sympathie in der Gesellschaft zu erregen, als es die „Sprache an sich“ im Allgemeinen tut. Von dieser Perspektive profitiert auch die „deutsche Sprache“ als ein Varietätenbündel unter den ca. 330 Sprachen,2 die noch heute nebst dem Portugiesischen mehr oder minder in Brasilien gesprochen werden. Einige dieser Varietäten, wird behauptet, gebe es „nur hier“,3 also nicht mehr in der ursprünglichen Heimat in Europa. Außerdem setzt sich immer stärker die Auffassung durch, dass

|| 1 Verantwortlich für diese Sprach=Kulturpolitik ist das Instituto do Patrimônio Histórico e Artístico Nacional (IPHAN). 2 Dazu zählen nach der Volkszählung von 2010 (IBGE 2012) 274 Indianersprachen. Hinzu kommen 56 Einwanderersprachen (siehe Liste in Altenhofen 2013: 106) sowie auch Gebärden-sprachen, wie z.B. Libras und allgemein afrobrasilianische Sprachreste. 3 Besonders die Diskurse zum Pommerschen gehen in diese Richtung. Man findet nicht wenige, die der Meinung sind, dass das Pommersche „kein Deutsch“ sei. || Cléo Vilson Altenhofen, Universidade Federal do Rio Grande do Sul (UFRGS), Porto Alegre, Brasilien, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-011 https://doi.org/10.1515/9783110479232-033

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infolge der in Brasilien konstituierten Historizität und Identität (Oliveira 2003) dem heutigen Deutsch der Einwanderer zumindest potentiell der Status einer „brasilianischen Sprache“ zu gewähren sei (Fórum das Línguas Brasileiras de Imigração; http://forlibi.blogspot.com.br/), d.h. eines in Brasilien verwurzelten immateriellen Kulturerbes. Anders aber als bei vielen Naturphänomenen – folgt der Gebrauch von Minderheitensprachen keinen festen universell geltenden Regeln, sondern ergibt sich aus dem Zusammenwirken sowohl räumlich-sozialer als auch zeitlich-kultureller Faktoren. Um eine bestimmte Sprache wieder zu beleben oder deren aktiven Gebrauch zu erhalten, reicht es daher nicht, wie bei einem kranken Patienten ein einziges Medikament zu verschreiben. Denn die Therapie bedarf zwangsläufig auch einer pädagogischen Komponente, mit der versucht wird, X die Mittel zu geben, Y zu verstehen und sich seine Relevanz und Bedeutung bewusst zu machen. Für diesen Ansatz sprechen z.B. die Erfahrungen in language awarenessProjekten (Hélot 2006: 66 – „diversity as a learning resource to be shared“). Aber auch die Betrachtung von Gebrauch, Verbreitung und Erhalt der bisherigen Geschichte deutscher Varietäten in Brasilien gibt, wie im Folgenden gezeigt wird, Auskunft darüber, welche Faktoren besonders zu berücksichtigen sind. Aufgrund dieser Überlegungen sind hier zwei Dimensionen des Themas zu erkennen: 1. die deskriptiv-interpretative und 2. die angewandte Seite des Problems. Erstere beruht auf der Frage, wie der Erhalt des Deutschen sich in einem bestimmten Kontext überhaupt arrangieren lässt und was sich dementsprechend aus der Beschreibung der heutigen Sprachlage für eine geeignete Sprachförderung empfiehlt. Wegen der Vorrangigkeit deskriptiv-interpretativer Überlegungen wird in diesem Beitrag zunächst auf diese Dimension eingegangen, um ein Ausgangskonzept für den Erhalt des Deutschen in ursprünglichen Einwanderungsgebieten Brasiliens zu erarbeiten.

2 „Deutsch“ als ein Bündel von Varietäten: Das gesamte Repertoire der Sprecher Eine erste grundlegende Frage, als Voraussetzung für alles andere, ist die nach dem speziellen Deutsch, das gefördert werden soll. Historisch scheint lange Zeit das Modell einer Diglossie geherrscht zu haben, zwischen dem Gebrauch des „Hochdeutschen“ als Schriftsprache und Norm für formale Situationen (z.B. die Protokolle im Verein oder die Predigt in der Kirche) und dem Gebrauch der ge-

Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Brasilien | 533

sprochenen (Dialekt)varietät bzw. dem „Deutsch von zu Hause“ in den alltäglichen Situationen. Dieses Diglossie-Modell dominierte bis zum Zweiten Weltkrieg, als die Nationalisierungspolitik des Estado Novo den Zugang zur hochdeutschen Schriftsprache versperrte, und sich daher ein Dachsprachenwechsel zugunsten des Portugiesischen vollzog. Fehlende Kompetenzen in Portugiesisch führten in ländlichen Bereichen dann zum Rückzug in die Dialektvarietät als Refugium für die Kommunikation und Zusammengehörigkeit der Sprechergemeinschaft (Altenhofen 1996: 71). Dass aber in der Vorkriegszeit jene Diglossie existierte, davon zeugen zahlreiche Privatbriefe in Hochdeutsch (Steffen 2016), die gerade für die 1920er und 1930er Jahre häufig zu finden sind. Aber auch der Begriff „Hochdeutsch“ wird in diesem Zusammenhang (im Sinne einer Diglossie) gebraucht, nämlich als eine gehobenere Form des Deutschen im Gegensatz zum normalen gesprochenen „Deutsch“ oder „Deitsch“, wie das Riograndenser Hunsrückisch meist bezeichnet wird.4 Dieses Hunsrückische fungiert dabei als eine Oralisierungsnorm (Schmidt 2005), oder wie ich es auch nenne, eine „Mittelfeldsprache“ zwischen den verschiedenen Dialektvarietäten in Kontakt und der oft nur partiell zu erreichenden Standardnorm. Deren westmitteldeutsche Merkmale (besonders rheinfränkischer Herkunft) sichern ihm diese Stellung. Sie erklären zum Teil, warum bei unseren Feldaufnahmen nicht selten Sprecher einer niederdeutschen Varietät auf das Hunsrückische als eine Form von „Hochdeitsch“ hingewiesen haben.

|| 4 Neueren Erkenntnissen zufolge dürfte diese Bezeichnung erst von späteren Zuwanderern gegeben worden sein, die bereits ein neues Normkonzept mitbrachten, dadurch dass sie mittlerweile an den Entwicklungen der deutschen Standardnorm in Deutschland teilnahmen, insbesondere aber die Folgen der „preussischen Schulpflicht“ schon stärker spürten.

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Tab. 1: Liste der in Brasilien bisher identifizierten deutschen Varietäten, für die Sprechergemeinschaften nachzuweisen sind. Anm.: RS = Rio Grande do Sul; SC = Santa Catarina; PR = Paraná; SP = São Paulo; RJ = Rio de Janeiro; ES = Espírito Santo

Dialektgruppe

Selbstbezeichnung der Varietät

Erste Siedlung(en)

Kontinuierliche Arealitäten und vernetzte Spracharchipele 1 Deutsch, Deitsch

Hochdeutsch, Deutsch, Alemão

[omnipräsente Varietät]

Gramatical 2 Hunsrücker, (meist auch

Hunsrückisch, Hunsrick,

als Deitsche bzw.

Hunsbucklisch, Hunsrücker Platt, 1829 [SC, São Pedro de Alcântara] 1829 [†

Deutsche)

1824 [RS, São Leopoldo]

hunsriqueano, Plattdeitsch,

PR, Rio Negro]

Deitsch

1847 [ES, Colônia Santa Isabel]

3 Pommer (auch

Pommerisch, Pomerano, Pom-

1858 [RS, São Lourenço do Sul] 1859 [ES,

„Pommeraner“)

mer[sch] Platt, Pommeranisch)

Santa Leopoldina]

4 Westfalen („Westfäler“)

Westfälisch, Vestfaliano,

1858 [RS, Vale do Taquari/Teutônia]

Plattdütsch, sapato-de-pau

1860 [SC, Vale do Capivari]

Einzelne Sprechergemeinschaften oder Sprachinseln, zum Teil vernetzte Spracharchipele 5 Schweizer

Schweizer Deutsch, alemão

1819/1820 [RJ, Nova Friburgo]

suíço

1857 [ES, Santa Leopoldina] 1888 [SP, Col. Helvetia/Indaiatuba]

6 „Kaffeepflücker“ (hier: aus Kaffeeflickersch var.

1852 [RJ, Kaffeefarmen Santa Justa, Santa

Thüringen, bes. Böhlen)

Rosa u. Independência, von da 1860 nach

Kaffeeplickersch

SC, Colônia Santa Isabel] 7 „Böhmer“

Böhmisch, Alemão Boêmio

1858 [RS, 9 Colônias/N. Petrópolis] 1876 [RS, Alto Sampaio/V. Aires]

8 Baier, Österreicher, Tiroler Bayerisch, Boarisch, Bávaro, Ös- 1859 [ES, Tirol], 1893 [RS, Ijuí] terreichisch, Austríaco, Tirolisch

1933 [SC, Treze Tílias] 1873 [SC, São Bento do Sul]

9 Bukowiner

Bukowinisch, Bucovino

10 Deutsch-Russe,

alemão-russo, Wolgadeutsch (?), 1892 [RS, Linha 8/Coronel Barros]

1887 [PR, Rio Negro/Mafra]

Wolhyniendeutsche,

alemão do Wolga, russo-alemão

Kaschube 11 Schwaben

Schwäbisch, Suábio

12 Bessarabien

Deutsch (?), Rumänisch

1898 [RS, Neu Württemberg/Panambi] 1928/29 [SC, Mondaí u. Itapiranga, bes. Iporã do Oeste]

13 Mennoniten

Plautdietsch, Mennoniten-

1930 [SC, Colônias no Rio Krauel/Ibirama]

Deutsch, Plautdietsch menonita, Platt menonita 14 Donauschwaben

Donauschwäbisch

1951 [PR, Entre Rios]

Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Brasilien | 535

Der aktuelle Sprachstand wirft die Frage auf, welche Lösung sich als beste anbietet für einen Fall, der fast triglossisch wirken könnte: Miteingeschlossen sind 1. das Portugiesische als Dachsprache, 2. das Hunsrückische bzw. Deitsch oder Deutsch als Gemeinsprache und 3. das Hochdeutsch der Schule, das oft irrtümlicherweise den Platz der Familienvarietät übernehmen möchte, statt (wie früher) als zweite Schriftnorm neben dem Portugiesischen zu fungieren. Insgesamt aber lassen sich in Brasilien etwa 14 deutsche Varietäten erkennen (s. Tab. 1), die in der brasilianischen Politik der Sprachendiversität, wie oben schon angemerkt, unterschiedlichen Anspruch auf eine Sprachförderung erheben. Die aufgeführten Varietäten – wie z.B. das Böhmische – sind nicht unbedingt als „ursprüngliche Herkunftssprache“ zu verstehen, sondern eher als „das heutige Deutsch der jeweiligen Einwanderungsgruppe“ (hier der Böhmen), also das Ergebnis von dem, was nach einer langen Migrations- und Kontaktgeschichte noch „übrig blieb“. Umgekehrt kann man auch nicht kategorisch davon ausgehen, dass der Sprecher einer bestimmten Varietät ursprünglich vom namengebenden Gebiet herstammt. Das heißt z.B., dass nicht jeder Sprecher des Hunsrückischen ein ursprünglicher Hunsrücker ist, sondern dass sich seine Sprechweise einer Gruppe aus dem Hunsrück und Umgebung zuweisen lässt. Und dass sich dieses Deutsch als sozial-historische Entität mehr oder weniger etabliert hat. Aus Platzgründen kann hier nicht jede Varietät einzeln besprochen werden. Für die meisten – mit ein paar Ausnahmen vor allem für das Hunsrückische (Altenhofen 1996; 2016; Damke 1997), Westfälische (Horst 2014), Böhmische (Habel 2017) und nicht zuletzt für die Mennoniten (Dück 2011) – fehlen leider noch grundlegende Untersuchungen. Einige dieser Varietäten bleiben ein Forschungsdesiderat, wie z.B. das Bessarabische in West-Santa Catarina oder auch das Kaffeepflücker-Deutsch. Dabei handelt es sich um eine Gruppe aus Thüringen (besonders aus Böhlen im damaligen Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt – Schneider & Lange 2014), die um 1852 unter schweren Bedingungen nach Rio de Janeiro auswanderte, wo sie acht Jahre in den Kaffee-Fazendas arbeitete, bis sie sich um 1860 in der Kolonie Santa Isabel in Ost-Santa Catarina niederließ. Für die Förderung wie auch die Erforschung des Deutschen in Brasilien ist zunächst diese Aufteilung in Sprachgruppen organisatorisch wichtig, da sie ermöglicht, unterschiedliche Variablen zur Topodynamik des Deutschen im Laufe der Geschichte auseinanderzuhalten und zu kontrollieren. Ich möchte an dieser Stelle auf die wesentlichen Punkte dieser Sprachenkonstellation hinweisen. Jede der oben aufgeführten Varietäten entspricht aufgrund deren regionaler Herkunft einem Dialekt als „eine Sprache (= Sprachsystem), die einer histo-

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rischen Sprache,“ d.h. dass sie einem „historisch autonomen Gefüge von sprachlichen Traditionen [...] zugeordnet bzw. innerhalb einer historischen Sprache abgegrenzt wird“ (Coseriu 1980: 109). Dieser Begriff der „historischen Sprache“, der auf Coseriu zurückgeht, hilft uns, den oft umstrittenen Begriff „Dialekt“ mit dem allgemeineren Begriff „Deutsch“ in Einklang zu bringen. Für die Forschung wie auch für die Förderung des Deutschen werden damit grundsätzliche Variablen der Sprachkonstitution gesichert. Zur historischen Sprache Deutsch gehört also auch die lokale hochdeutsche Varietät. Diese ist deshalb als omnipräsent zu bezeichnen, weil sie überall in irgendeiner Form vorhanden ist, wenn auch nur virtuell oder beschränkt auf einzelne Sprecher. Als Sprache der Schriftlichkeit hinterließ sie überall Spuren – in Dokumenten oder alten Briefen, in Kirchenbüchern, Inschriften auf dem Friedhof usw. Selten erscheinen die verschiedenen gesprochenen Varietäten alleine oder in einem völlig „puren“ Zustand. Sie haben allerlei kontaktbedingte Merkmale in ihre Konfiguration aufgenommen, sei es aus dem Portugiesischen, in Argentinien und Paraguay zum Teil auch aus dem Spanischen und Guaraní5, oder von weiteren Varietäten des Deutschen oder Einwanderersprachen wie z.B. Italienisch (Alto Feliz – RS) oder Polnisch (Rolante/Riozinho – RS). Wir haben also mit mehrsprachigen Sprechern zu tun, deren Deutsch vielfältig variabel sein kann. Da ihr Sprachrepertoire mehrere Sprachen und Varietäten umfasst, verfügen sie über Kompetenzen, die ihnen ermöglichen, in der lokalen Kommunikation von einer Sprache und Varietät zur anderen zu wechseln. García (2015) nennt dieses „mehrsprachige Sprachrepertoire“ auch translanguaging.6 Thun (2010) geht davon aus, dass in der Tat jede in Kontakt stehende Sprache ein variety complexe darstellt, das Elemente verschiedener Varietäten enthält. Bei unseren Interviews zum Hunsrückischen finden sich zahlreiche solche Belege, die für beide Ansichten empirisch nachweisbar sind. Folgendes Beispiel soll diese Sprechlage veranschaulichen:

|| 5 In Loma Plata im Paraguayschen Chaco haben wir sechssprachige junge Hunsrücker interviewt, jeweils in Portugiesisch und Hunsrückisch (der Sprachen, die sie aus Brasilien mitbrachten), Spanisch und Guaraní (die sie in Paraguay durch die Schule lernten) sowie auch Hochdeutsch und Plautdietsch (das sie im Kontakt mit ihren neuen Arbeitgebern, den Mennoniten, erlernt haben). Schließlich bedauerten sie es, noch kein Englisch zu können, das durch den Kontakt mit Kanada immer häufiger zu hören sei. 6 „Translanguaging refers to the entire linguistic repertoire of bilingual people as they adjust their fluid discourse to different social, cultural, and political contexts, thus giving voice to new social realities“ (García 2015: 355).

Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Brasilien | 537

Unn der war... ma sahn... ein Kolnist, assim, das sinn nur Kolniste hie [...]. Unn die wusste‘es all. Dann hat der Beto Klaumann gesacht: „Das geht so lang, dass geht / dauert nicht meh lang, dann gibt das Radio, wo ma kann mitnehme. So kleiner Radioche so lang, unn Griff dran, die kann ma mitnehme. Dann sacht mein Bruder, der Egon, „der äschte, wo‘t‘s gibt, der will ich kaufe, weil ich tet genn samstachs mittachs Musik heere“. Chegou o Scheneral da banda [...]. Weil ich muss samstachs mittachs in die Lavore gehn schaffe. Unn der kaufe ich mich dann, der hole ich mich mit unn hänge on die Ochse ons Joch, sah‘rer. Dann herr‘er der ganze mittach Musik. (Informant CbGII aus dem Punkt RS13 des ALMA-H)

Zwar scheint dieses Beispiel den Normalfall darzustellen. Hier vermischen sich Merkmale des Mosel- und Rheinfränkischen in einem Standard-SubstandardKontinuum, zu dem noch das Portugiesische hinzukommt. Verweist der Sprecher auf den Bruder, greift er zur Sprache der Familie (der äschte, wo’t’s gibt ‚der erste [Radio], den es gibt‛); erwähnt er das Lied im Radio, nennt er es auf Portugiesisch: Chegou o general da banda ‚der Meister der Musikkapelle ist gekommen‛. Im Allgemeinen aber herrscht die lokale Oralisierungsnorm mit abwechselndem Gebrauch von [+standard]- und [+substandard]-Merkmalen – z.B. /a/ in sahn ‚sagen‛ im Gegensatz zu /o/ in on ‚an‛; dazu aber auch Dativverlust (kaufe ich mich), Rothazismus (sah’rer), Konjunktiv mit tet (tet [...] heere) oder der Relativsatz mit wo. Bedeutsam für die Sprachförderung ist jedenfalls, dass dieser abwechselnde Gebrauch des gesamten Sprachrepertoires im selben Diskurs oft zu Unrecht als Defizit betrachtet wird, als könne der bilinguale Sprecher „weder die eine noch die andere Sprache“. In Wirklichkeit jedoch verlangt ein solcher Sprachgebrauch hohe Kompetenzen; er wird außerdem mehrfach durch die kommunikativen Praktiken des Alltags gerechtfertigt. Als Leitlinie für die Sprachförderung sollte also gelten, dass vor allem die historisch-soziale Existenz der Sprache beachtet wird. Ob einer den Nachbarn auf Deutsch nur noch begrüßen kann, unabhängig von der Form (z.B. Gumoint statt Gute Morje) oder der Sprache (z.B. Bom dia), oder überhaupt kein einziges Wort mehr auf Deutsch kann, muss bei der Sprachförderung berücksichtigt werden. Denn positive Sprachattitüden spielen in diesem Zusammenhang keine geringe Rolle. Zusammenfassend lassen sich unter Berücksichtigung der verschiedenen Varietäten des Deutschen in „ehemaligen“ Einwanderungsgebieten in Brasilien folgende Sprachebenen erkennen, die wie eine Art Pluriglossie mitberücksichtigt werden müssten, da sie wie bei einer Babuschka-Puppe einander unausweichlich implizieren: 1. Zugang zum Standarddeutschen als schriftliche Repräsentation der historischen Sprache;

538 | Cléo Vilson Altenhofen

2.

die lokale Oralisierungsnorm als Gemeinsprache bzw. Mittelfeldsprache, die eine besondere Rolle in lokalen kommunikativen Praktiken spielt; 3. die zu berücksichtigende Varietätenvielfalt als “immaterielles Kulturerbe“, das mehr oder minder im Umfeld vorhanden ist; 4. Mehrsprachigkeit als Sprachkompetenz und bewusste Einstellung zur lokalen, in Kontakt stehenden Sprachenkonstellation. An diesem Babuschka-Modell, das auf dem Begriff der „historischen Sprache“ beruht, als „ein historisch konstituiertes Sprachsystem, das ein gesamtes Varietätenbündel miteinschließt“, orientiert sich die Forschung um das Deutsche in den verschiedensten Kontaktsituationen in Brasilien und darüber hinaus auch im Río de La Plata-Becken. Sie konstrastiert mit der alten Ansicht vom Brasildeutsch (Heye 1978), bei der das Risiko besteht, dass die Unterschiede und Besonderheiten innerhalb des „Deutschen“ zugedeckt werden, obwohl auf der anderen Seite der brasilianische Einfluss explizit zum Ausdruck kommt.

3 Die Zahl der Sprechenden: Versuch einer Ermittlung Eine zweite grundlegende Frage, die der Spracherhaltung vorausgeht, ist die nach der Zahl der Sprechenden, mit der noch zu rechnen ist – denn die Sprachförderung beginnt meist mit denen, die die minderheitliche Sprache zumindest noch halbwegs sprechen. Dasselbe Argument fällt bei der Auswahl des Ortes, wo ein bestimmtes Programm eingeführt werden soll, also in einem Ort mit hoher oder niedriger Sprachvitalität. Fest steht – wie z.B. in anderen Bereichen festgestellt wurde (z.B. in Bezug auf Tanzgruppen oder Chorgesang), dass ein erfolgreiches Sprachförderungsprogramm in einem bestimmten Punkt eine Ausstrahlungskraft auf andere Ortschaften ausüben kann. Was die Statistiken über Sprecherzahlen betrifft, so muss ihre Bedeutung im Zusammenhang mit vielen anderen Faktoren erschlossen werden, wie beispielsweise dem zeitlichen Abstand, der räumlichen Verteilung oder nicht zuletzt dem sozialen Hintergrund der Sprecher. Es sind in dieser Hinsicht gerade in Brasilien die Inkongruenzen zwischen der Feststellung eines Sprachzustandes und der Anwendung entsprechender Sprachförderungsmaßnahmen besonders auffällig. Man kann z.B. darüber erstaunen, wieso und warum überhaupt das Deutsche trotz nicht weniger Faktoren, die den Erhalt hätten verhindern können, über fast 200 Jahre hin (ab 1824) dermaßen vom Verlust verschont blieb.

Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Brasilien | 539

Es wird vermutet, dass rund 90% der Auswanderer, die im 19. Jh. den deutschen Sprachraum verließen, die Vereinigten Staaten als Zielgebiet wählten (Zimmer 2015: 295). Brasilien erscheint danach unter den restlichen 10%. Nimmt man diese Relation unberücksichtigt von der Entwicklung der Sprechergemeinschaft im jeweiligen Zielgebiet, so kann sie einen irreführenden Eindruck erwecken. Denn mehr Einwanderer einer bestimmten Herkunft bedeuten noch nicht, dass auch deren Nachfahren und Sprecher noch heute in der Mehrzahl sind. Dies lässt sich bei den Statistiken über die Einwanderer in Brasilien beobachten (Witter u.a. 1990), die vorwiegend auf Einwandererzahlen aus bestimmten Perioden oder Regionen basieren. So schätzt man laut Willems (1980: 41) für die Zeit von 1886 bis 1936 eine Gesamtzahl von etwa 280.000 deutschsprachigen Einwanderern, also kaum 7% der insgesamt 4.097.783 Einwanderer, die in dieser Zeit nach Brasilien kamen. Auf der anderen Seite dürften zwischen 1844 und 1874, von den insgesamt 22.392 neuen Einwanderern in Rio Grande do Sul, 19.523 deutsch gewesen sein, d.h., 87%, entsprechend einem Durchschnitt von ca. 695 Einwanderern pro Jahr (Roche 1969: 159). Dabei darf nicht außer Acht bleiben, dass für zumindest zwei Generationen von 1824 bis 1874 die deutschen Einwanderer durchaus die einzige exogene Gruppe bildeten und Einwanderer anderer Herkunft erst später in größeren Mengen kamen, wie die Italiener (1875), Polen (1890) oder Japaner (1908). Durch die hohe Geburtenrate (durchschnittlich bei 10 Kindern pro Familie) stieg zwischen 1822 und 1850, wie Roche (1969: 162) anmerkt, die Gesamtbevölkerung in Rio Grande do Sul von 106.196 auf 4.161.821 Einwohner. Anders sehen die Daten zu den Sprecherzahlen aus. Während in den Einwandererstatistiken die Deutschen hinter den meisten anderen Gruppen liegen, erscheint die deutsche Sprache, wie Tabelle 2 zeigt, als die meistgesprochene Sprache, nach dem Portugiesischen7. Nach der Volkszählung von 1940 (IBGE 1950) haben 1,56% der bilingualen Sprecher, also mehr als ein Drittel (von insgesamt 3,94%) in dieser Zeit Deutsch gesprochen. Die Tabelle vergleicht die Daten der Volkszählung von 1940 im Bundesstaat Rio Grande do Sul mit den Ergebnissen des Projekts BIRS (Bilinguismo no Rio Grande do Sul), die in einem Zeitabstand von ca. 50 Jahren später erhoben wurden (Koch 1996: 308–309). Abgesehen davon, dass die Volkszählung mitten in den politischen Unruhen der Nationalisierungspolitik infolge des Zweiten Weltkrieges durchgeführt wurde

|| 7 Die Volkszählung bestätigt die Stärke der Einwanderersprachen. Die meistgesprochene Indianersprache in Brasilien, das Guaraní, erscheint vergleichsmäßig mit wesentlich weniger Sprechern, nämlich 58.027 (1,41%), davon 0,06% in Rio Grande do Sul (d.h. etwa 2.100 Sprecher).

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und dass es sich beim BIRS um eine schriftliche Befragung von 18-jährigen Männern handelte, die sich in den Jahren zwischen 1988 und 1990 in Rio Grande do Sul zum obligatorischen Wehrdienst anmeldeten, scheinen sich die beiden Befragungen tendenziell gegenseitig zu bestätigen. Tab. 2: Sprecherzahlen der wichtigsten Einwanderersprachen in den Daten des IBGE (1940) und des BIRS (1990)

Gesamtbevölkerung

Bilinguale

IBGE (1950) Volkszählung von 1940) Brasilien Rio Grande do Sul

BIRS (1990) Rio Grande do Sul

41.236.315

3.320.689

9.135.479 (nach Volkszählung von 1991)

%

= Einw.

%

3,94%

1.624.689 22,46%

Sprecher

= Einw.

%

= Einw.

747.859

30,85%

2.818.295

(= 47,6% der

(Eltern-

(Eltern-

Gesamtzahl

generation)

generation)

bilingualer

19,10%

1.744.876

Sprecher in

(18-Jährige)

(18-Jährige)

Brasilien) Deutsch

1,56%

644.458 11,86%

393.934

10,72%

(= 61,13% in RS;

(18-Jährige)

979.323

27,43% in SC) Italienisch

1,11%

458.054

8,91%

295.995 (= 64,62% in RS;

6,43%

587.411

(18-Jährige)

20,87% in SC) Japanisch

0,47%

192.698

(92,38%

(178.007

in SP) Polnisch

u.a. eur. Sprachen: 0,41%

0,04%

270

0,08%

7.308

(18-Jährige)

in SP) 167.362 u.a. eur. Sprachen: 1,38%

45.888 (PR = 61.751 =

0,75%

68.516

(18-Jährige)

36,9%)

Die Tabelle deutet darauf hin, wie Mortara (1950: 8) anmerkt, dass am Deutschen besonders stark festgehalten wird. In Rio Grande do Sul ist zwischen 1940 und 1990 ein Verlust von nur 1,14% zu beobachten, während Italienisch 2,52% Sprecher einbüst. Auf der anderen Seite weisen die Ergebnisse des BIRS allgemein auf einen diagenerationellen Sprachverlust von 11,75% Sprechern zwischen der Elterngeneration (30,85%) und den 18-jährigen Probanden der Befragung (19,10%) hin. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass sich in dieser Zeit das Portugiesische stark verbreitet hat.

Stützung des Spracherhalts bei deutschsprachigen Minderheiten: Brasilien | 541

Dabei konzentriert sich der Großteil der Sprecher des Deutschen – wie auch des Italienischen – auf den Bundesstaat Rio Grande do Sul (61,13% Sprecher des Deutschen und 64,62% des Italienischen), gefolgt von Santa Catarina (jeweils 27,43% und 20,87%). Von Rio Grande do Sul aus haben außerdem ab den 1950er Jahren massive Migrationen in Richtung der westzentralen Regionen Brasiliens und darüber hinaus nach Paraguay stattgefunden, die noch nicht von dieser Volkszählung erfasst wurden. Die Deutschen erscheinen dabei meist als „Sulistas“ oder „Gauchos“, wie allgemein die Bewohner von Rio Grande do Sul genannt werden. Versucht man, anhand dieser Angaben eine Projektion auf die Zahl der Sprecher des Hunsrückischen zu machen, so kommt man auf die Zahl von ca. 1.225.000. Sie ergibt sich aus der Zusammensetzung 784.000 (ca. 80% der Sprecher in Rio Grande do Sul) + 294.000 (30% der Sprecher in Santa Catarina, durch Migration von Riograndenser Hunsrückern hauptsächlich in die Region Westen)8 + 98.000 (=10% aus dem gleichen Grunde im Südwesten Paraná) + 49.000 (=5% aus den restlichen Regionen). Diese Zahl erscheint hoch, obwohl sie weniger als 1% der Gesamtbevölkerung Brasiliens beträgt, und erklärt sich daraus, dass das Deutsche, zumindest das Hunsrückische, besonders in ländlichen Umgebungen je nach Region noch häufig zu hören ist, so dass die Förderung vorläufig mit einer breiten Basis rechnen kann.

4 Territorialitäten des Deutschen in Brasilien Neben der Sprachvitalität spielt auch die Verbreitungskraft einer Sprache sowie deren Vorkommen im Raum eine wichtige Rolle, da die Konstitution einer eigenen sprachlich-kulturellen Territorialität die Grundlage eines Kommunikations-netzwerkes bildet, das den Gebrauch der Sprache sichert. Die „Territorialität einer Sprache“ umfasst die gesamten Areale, in denen eine Sprache effektiv oder potentiell gebraucht werden kann. In Tab. 1 sind drei verschiedene Typen von Arealen identifiziert, bei denen die Größe und Verbindung mit der Außenwelt bestimmend für den Erhalt der einzelnen Varietäten ist. Größere Areale, wie auch vernetzte Archipele, schützen die Einwanderersprache hauptsächlich im Kerngebiet, indem auch der Nachbarort

|| 8 Diese Schätzung bezieht sich lediglich auf das Hunsrückische, das auch das sogenannte OstCatarinenser Hunsrückisch miteinschließt (s. Altenhofen 2016).

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Deutsch spricht, und die Kontaktsprache Portugiesisch zumindest teilweise geschwächt ist. Vernetzte Areale sorgen in gleicher Weise für die Kohäsion der Gruppe, auch über weite Distanzen hinweg. Schließlich schützen entlegene und ländlich homogenere Areale die Einwanderersprache vor der Konkurrenz der Amtssprache, indem die Sprecher – fern von der Mehrheitskultur – noch „die Macht haben“, in gewissem Maße die lokale Norm zu bestimmen. In der Geschichte des deutschen Sprachkontakts mit dem Portugiesischen bildet die Kolonie die kulturelle Einheit, die das Deutsche vor Verlust geschützt hat. Colonial wurde danach zum Adjektiv für die kulturellen Besonderheiten dieser Areale, setzte sich daher in verschiedenen Bereichen als Kennzeichen durch, z.B. der Architektur (estilo colonial), der Gastronomie (café colonial, queijo colonial usw.), sowie auch allgemein einer bestimmten Kulturlandschaft (região colonial). Ursprünglich bedeutete eine Kolonie ein Grundstück von etwa 25 Hektar, auf dem die Familie lebte (Roche 1969: 136). Ihr Zentrum jedoch bildete die picada (hunsrückisch Schneise oder Pikade, auf Portugiesisch regional auch linha, lajeado, travessa oder travessão). Sie wurde laut Dreher (2014: 138) „sehr schnell zum geografisch erkennbaren Orientierungs- und Organisationsraum des Gemeinschaftslebens“. In den Picadas erschienen die ersten vendas (‚Geschäftshäuser‛), Schmiede, Schreinereien, Schulen, Kirchen, Schustereien, Schnapsbrennereien, also ein Mikrokosmos, der stark auf die Zusammenarbeit mit der Nachbarschaft angewiesen war. Auch für die Makroebene lassen sich interessante Verhältnisse bezüglich des Erhalts von Deutsch beobachten. Anders als in den europäischen Sprachinseln – bot sich den Einwanderern in Brasilien jede Menge festen unbevölkerten Boden, der noch besetzt werden musste, wobei die neue und fremde Umwelt in vielen Fällen zu einem Rückzug in die eigene Kultur und Sprache geführt hat. Allgemein aber erstreckt sich das Territorium des Hunsrückischen über ein erstaunlich großes Gebiet, das von Rio Grande do Sul bis nach Amazonien und bis nach Argentinien und Paraguay hinein reicht. Karte 1 zum Ortsnetz des ALMA-H (Atlas Linguístico-Contatual das Minorias Alemãs na Bacia do Prata: Hunsrückisch)9 zeigt, wie weit wir unser Untersuchungsgebiet infolge dieser Migrationen letzt-lich ausdehnen mussten.

|| 9 Die Interviews wurden vorrangig in der Zeit von 2008 bis 2012 dank der Unterstützung der Alexander von Humboldt-Stiftung im Rahmen einer Institutspartnerschaft zwischen dem Romanischen Seminar der Universität Kiel und dem Deutschen Institut der Universidade Federal do Rio Grande do Sul (UFRGS) durchgeführt.

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Karte 1: Ortsnetz des ALMA-H (Projektleitung: C.V. Altenhofen & H. Thun)

Das Ortsnetz des ALMA-H deutet darauf, dass in den meisten Einwanderungsgebieten, vor allem in den sogenannten „Alten Kolonien“ (Punkte RS01 bis RS16 im Zoom-Kasten), noch Sprecher der vier Interviewgruppen gefunden wurden, sowohl der älteren und jüngeren Generation (GII GI) als auch Sprecher mit niedrigerer oder höherer Ausbildung (Cb Ca). Der Rückgang von 92,68% auf 80,49% (also etwa 12%) der vorhandenen Sprecher in der Cb-Gruppe verrät im

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apparent-time-Vergleich einen Verlust des Hunsrückischen, der diatopisch entferntere Punkte außerhalb des Kerngebietes besonders betrifft, wie AR03, PY01, MT01, oder auch z.B. der Gründungsorte RS01 und RS02, SC01, PR01. Im Allgemeinen jedoch zeigen die älteren Kolonien einen stärkeren Spracherhalt als die neuen. Eine Erklärung dafür dürfte in der institutionellen Stützung des Deutschen liegen, die in den Alten Kolonien historisch bis in die heutigen Tage durch Schule, Presse und Kirche nachzuweisen ist (vgl. hierzu Altenhofen 2016; Ammon 2015: 369–380). Ihr Einfluss auf die Tochterkolonien wurde überall bei unseren Feldreisen beobachtet, sei es durch Vorhandensein von Publikationen aus der Gegend, durch Briefaustausch oder persönliche Erinnerungen an die Heimat in den Alten Kolonien. Obwohl das ALMA-H sich zum Hauptziel setzt, die Variation und den Wandel der Hunsrückischen Varietät in einer pluridimensionalen Makroperspektive zu beschreiben und dazu eine repräsentative Datenbank10 zu erstellen, schließt es ein breiteres Spektrum von Interessen ein, darunter auch die Dimension der Spracherhaltung und -förderung, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

5 Sprachenpolitische Dimension der Sprachförderung Neben der Territorialität und Vitalität des Deutschen sollte in Brasilien auch die sprachenpolitische Dimension der Spracherhaltung berücksichtigt werden. Dabei lässt sich ein Kontinuum11 von aktiven und passiven Verhaltensweisen gegenüber Minderheitensprachen erkennen, die sowohl für als auch gegen die Mehrsprachigkeit wirken können. Karte 1 versucht, verschiedene Grade dieses Verhaltens in ein Kontinuum einzuordnen:

|| 10 Dazu gehören nicht nur sprachliche Daten, sondern auch bibliographische und ikonographische (digitalisierte Foto- und Videosammlungen). 11 Eine erste Fassung dieses Kontinuums gibt es in Altenhofen (2013: 103).

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[+aktiv]

Ausschließen Verfolgung < Verbot < Opression

Fördern Anerkennung > Schutz > Resultat

Rivalität

Pluralität

[+monolingual]

[+plurilingual] Kriminalisieren < zum Schweigen bringen < Diskriminieren

Rhetorik > Austausch > Teilnahme

Schweigen Antipathie < Omission < Ignorieren

Akzeptanz Toleranz > Sympathie > Empathie

[+passiv] Abb. 1: Kontinuum der Haltung für und gegen die Mehrsprachigkeit

Zum oberen [+aktiven] Teil des Kontinuums sind im Laufe der Geschichte Brasiliens zwei gegensätzliche Perioden zu erkennen, in denen der Staat explizit Maßnahmen für oder gegen die Mehrsprachigkeit unternommen hat. Auf der Seite der Monolingualisierung finden wir, wie schon öfter erwähnt, die Nationalisierungspolitik des Estado Novo (1937-1945): Schulen wurden geschlossen, der Deutschunterricht untersagt (1938) und mehrfach der Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit verboten (1942). Eine gegenseitige ebenfalls explizit aktive Politik, allerdings für die gesamte brasilianische Sprachenvielfalt, befindet sich seit 2006 im Gange. Ihr Hauptziel ist es, die „brasilianischen Sprachen“ als immaterielles Kulturerbe anzuerkennen und im Sinne einer salvaguarda de línguas vor dem Aussterben zu schützen (Altenhofen & Morello 2013). Das Hauptinstrument stellt nach dem Dekret 7.387 vom 9.12.2010 die „Dokumentation der Sprachenvielfalt“ (pt. Inventário da Diversidade Linguística) dar, die zurzeit im IHLBrI12 für das Hunsrückische durchgeführt wird. Dieses Inventário ist nicht zuletzt Voraussetzung zur Anerkennung der jeweiligen Sprache als „referência cultural brasileira“ (mit ‚brasilianischem Kulturbezug‘).

|| 12 Das Projekt IHLBrI (Inventário do Hunsrückisch como Língua Brasileira de Imigração) wird in Zusammenarbeit zwischen dem ALMA-H/UFRGS und dem IPOL (Instituto de Investigação e Desenvolvimento em Política Linguística) unter der Förderung des IPHAN durchgeführt.

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Zusätzlich zu den expliziten Förderungsmaßnahmen – wozu auch die Kooffizialisierung von Sprachen13 gehört – dominiert generell in der Gesellschaft meist eine Reihe passiver, auf die Sprachförderung still einwirkender Maßnahmen, z.B. das „Sprechenlassen“, d.h. die Toleranz abweichenden Sprachverhaltens. Es wirkt sprachfördernd, während die Diskriminierung der Minderheitensprache der Familie oft gerade in den Schulen als Exklusionsmittel wirken kann. Dies stellt uns vor die Aufgabe, die pädagogische Komponente der Sprachförderung zu stärken. Der Erhalt wie auch die Revitalisierung von minderheitlichen Einwanderersprachen ist im Rahmen gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit erfolgversprechender, wenn er inklusiv und bottom-up aufgebaut wird (Hornberger 2008: 3), also plurilingual und möglichst aktiv, in Kooperation mit der Sprechergemeinschaft oder von ihr selbst konstruiert. Dazu aber bedarf er der pädagogischen Dimension. Denn nur selten entsteht eine Bottom-up-Sprachenpolitik von alleine (García 2015: 355). Eine Top-down-Sprachenpolitik mag zwar mancherlei Sprachverhältnisse zum Guten wie zum Bösen erzwingen, stellt aber keine nachhaltige Lösung dar, wenn sie nicht die Kooperation und Interessen der Sprechergemeinschaft berücksichtigt. So gibt es z.B. Gesetze, die das Hunsrückische in Rio Grande do Sul14 und Santa Catarina15 wie auch das Pommerische in Espírito Santo16 als „Kulturerbe“ anerkennen. Jedoch bleibt solche eine Anerkennung wirkungslos, wenn sie nicht genutzt wird. Es muss jemand in diesem Teufelskreis zur Nutzung bewegt werden. Damit stellt sich die entscheidende Frage, von wem und wie die Anregung zur Spracherhaltung mit den entsprechenden Maßnahmen kommt.

6 Orientierungspunkte für den Einsatz von Sprachförderungsmaßnahmen Aus der deskriptiv-interpretativen Analyse der inneren Sprachkonstitution, Vitalität und Territorialität wie auch der sprachenpolitischen Auseinandersetzung mit dem Deutsch in „ursprünglichen“ Einwanderungsgebieten Brasiliens kann man

|| 13 Man zählt bisher etwa 11 Sprachen (davon 4 Einwanderersprachen und 7 Indianersprachen) in 19 brasilianischen Munizipien, die neben dem Portugiesischen eine lokale Amtssprache anerkannt haben. Quelle: http://e-ipol.org/?s=cooficialização (20.05.2018). 14 Landesgesetz Nr. 14.061 vom 23. Juli 2012. 15 Landesgesetz Nr. 16.987 vom 3. August 2016. 16 Staatliche Verfassungsänderung Nr. 11/2009.

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zusammenfassend folgende Punkte als zielführend und relevant für eine geeignete Sprachförderung ableiten: 1) Zwar kreist solche Sprachförderung um den Begriff „Deutsch“, der als historische Sprache diverse Varietäten umfasst, zu denen beispielsweise auch das „Hochdeutsche“ und die Oralisierungsnorm des „Hunsrückischen“ gehören. Es wurde hier dafür plädiert, dieses Varietätenspektrum des Deutschen in ein Babuschka-Modell zu integrieren, bei dem jedes einzelne Deutsch inklusiv und funktionsbezogen (also pluriglossisch) vom Sprecher gerechtfertigt wird. 2) Dabei ist die Einschränkung der Förderung auf eine einzelne Dialektvarietät genauso exkludierend und aussichtslos wie umgekehrt die Einschränkung auf eine einzige Standardnorm. Denn bestimmend für die Spracherhaltung ist gerade diese Interdependenz der verschiedenen Ebenen des Sprachgebrauchs (schriftlich und mündlich, familiär und institutionell, brasilianisch und deutsch, ein- und mehrsprachig bzw. plurivarietal). 3) Sprachenpolitisch bleibt das Deutsche als verstreute Einzelvarietät ohne verbindenden Oberbegriff (in dem Fall „Deutsch“) genauso ungeschützt, wie wenn man sich auf den undifferenzierten Begriff „Deutsch“ beschränkt, der das zu Fördernde „im Dunkeln“ lässt. 4) Eine Top-Down-Aufzwingung irgendeiner Sprachform von außen – wie nicht selten im Deutsch-als-Fremdsprachen-Unterricht – dient nicht der Spracherhaltung, sondern führt eher zur Sprach- oder Varietäten-Umstellung. 5) Für die Spracherhaltung kommt es weniger darauf an, welches Deutsch einer spricht, als dass überhaupt einer es spricht, in der Interaktion mit anderen. 6) Sprachfördermaßnahmen enthalten eine pädagogische Komponente. Dabei bedarf es einer allgemeinen Sprachaufklärung, um die Entscheidungen über den Gebrauch und das Fortführen der Herkunftssprache auf eine solide Basis zu stellen. Man kann sagen, dass das Wissen über die Mutter- und Herkunftssprache – sowie auch über die Rolle mehrsprachiger Kompetenzen – das „Immunsystem“ der Minderheitensprache bildet. 7) Zu den verschiedenen Ebenen des Sprachgebrauchs zählt die Mehrsprachigkeit, und zwar sowohl für die Minderheit als auch für die Mehrheit. Gefördert werden sollten daher zuallererst Kompetenzen, wie sie Edwards & Newcombe (2006) für die Förderung des Walisischen in Wales schildern, mit Deutsch als Teil davon. 8) Grundlegend ist eine Strategie, mit Sprache Räume zu besetzen, um ihre Territorialität zu sichern und damit die Chancen zum Weiterbestehen zu erhöhen (wie „aménagement linguistique“ in Kanada). Dabei sind sowohl Mikroals auch Makroräume zu berücksichtigen, wie z.B. bei der Gestaltung und Besetzung eines Klassenraumes durch die zu fördernde Sprache oder auch

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bei der Einführung von Ortsschildern in größeren Arealen (Bedeutung der Sprachlandschaft). 9) Als organisatorische Instanz gewinnt die Vernetzung von Institutionen, von möglichen Akteuren und Gruppen wie auch von lokalen Sprechern und Sprachmanagern an Bedeutung. Die lokale „Referenzperson“ (portugiesisch gestor da língua) ist im Wesentlichen der ideale Träger der Sprachförderung und muss deshalb in irgendeiner Weise als solche erkannt und unterstützt werden. 10) Schließlich ist der Beitrag der Forschung und Lehrerausbildung zu erwähnen. Beide dienen sowohl zur Ausbildung von Führungskräften und Multiplikatoren als auch zur Bildung von Wissen über die zu fördernde Sprache. Aber auch die Erstellung von Materialien über die Sprache verläuft über solchermaßen qualifizierte Akteure. Historisch waren es im Laufe der Einwanderungsgeschichte in Brasilien die Schule und die Kirche, die neben der Familie als Träger der Sprache fungierten. Aber auch eine deutschsprachige Presse spielte eine wichtige Rolle. Heute herrschen andere soziale Bedingungen, die – durch die stärkere Präsenz des Portugiesischen – den Einfluss von Schule und Kirche auf die Einwanderer-sprachen drastisch geschwächt haben. In dieser Sprachenkonstellation bedürfen auch Lehrer (Broch 2014) eines stärkeren Mehrsprachigkeitsbewusstseins (García 2008). Eine geeignete Lehrerausbildung in sämtlichen Fachrichtungen, von der pädagogischen Grundlage bis zum Umgang mit gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit gibt es jedoch bislang nicht. Dies mag daran liegen, dass die Universitätsausbildung überwiegend städtisch ist, während die Minderheitensprachen mehr mit dem „Hinterland“ verbunden sind. Zweifellos bedarf die Mehrsprachigkeit auch in dieser Hinsicht stärkerer Aufklärung.

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Miroslava Majtanova

Deutschmuttersprachliche Expatriates und die Förderung der deutschen Sprache: Eine Fallstudie in Kuala Lumpur Als Expatriates werden im Allgemeinen Personen wahrgenommen, die sich im Ausland einer überdurchschnittlich guten finanziellen Lage erfreuen, was ihnen gleichzeitig einen höheren sozialen Status verleiht. Viele Expatriates genießen tatsächlich ein komfortables Leben, insbesondere solche, die als Firmenangestellte oder als Diplomaten von ihren Firmen, bzw. Ländern für eine bestimmte Zeitdauer ins Ausland entsandt werden. Dies sind in der Regel auch Personen, auf die sich wissenschaftliches Interesse richtet, allerdings bis auf Ausnahmen, nur im Rahmen der Wirtschaftsliteratur. Sozialwissenschaften haben den Kontraktdeutschen, wie Ammon (2010: 89) Expatriates bezeichnet, kaum Aufmerksamkeit gewidmet und in Bezug auf Sprachförderung sind sie gleichfalls ein noch zu erforschendes Gebiet. Expatriates erweisen sich dabei als eine wichtige soziale Einheit, die nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch heutzutage einen Einfluss auf ihr Gastland ausübt. Expatriates sind weder Touristen noch Minderheiten im klassischen Sinne, sondern allochthone Gruppierungen, die für eine bestimmte Zeit lang im Ausland leben (Ammon 2015: 403). Cohen (1977: 19) führt an, dass Expatriates privilegierte Minderheiten erschaffen, die im Vergleich zu anderen Migrationsgruppen und Minderheiten einen hohen sozialen Status erlangen und häufig zur Elite der Gastgesellschaft angehören. Dies ermöglicht ihnen den Kontakt mit Persönlichkeiten in verschiedenen Sphären, die sich an wichtigen Entscheidungen des Gastlandes beteiligen. Was sich meiner Meinung nach weiter von Bedeutung erweist ist, dass Expatriates über Mittel verfügen, die es ihnen ermöglichen, sich die Umgebung, in der sie vorläufig leben, ihren Bedürfnissen anzupassen, anstatt sich selbst der Umgebung anzupassen (Cohen 1977: 33). Dies verwirklicht sich in der Gründung von verschiedenen Klubs und Institutionen, die den Expatriates das Leben im Gastland erleichtern. Expatriates neigen weiter dazu, die von ihnen im Ausland aufgebauten Bedingungen sorgfältig zu pflegen. Das Leben und die Wirkung der in Kuala Lumpur lebenden Expatriates beobachtend kann behauptet werden, dass sie die genannten Lebensverhältnisse

|| Miroslava Majtanova, Universiti Putra, Serdang, Malaysia, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-034

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und Verhaltensmuster zu einem großen Ausmaß bestätigen. Mein Fokus auf Kuala Lumpur ist durch meine langjährige berufliche Tätigkeit in Malaysia bedingt und mein Interesse am behandelten Thema entsprang wiederum einer-seits meiner Bekanntschaft mit vielen in Kuala Lumpur lebenden deutschen Expatriates und andererseits Ammons (1991: 88–89) Erläuterung der Relevanz der deutschen Minderheiten für die Förderung der deutschen Sprache in der Welt. Meines Erachtens lässt sich analog zu Ammons Darlegung der deutschen Minder-heiten die Bedeutung von deutschen Expatriates erahnen, wie auch von anderen außerhalb von Deutschland wirkenden Gruppierungen, die ein Interesse an Deutschland, bzw. an etwas Deutschem haben (z.B. an einem deutschen Sport-team, an deutscher Musik, an der deutschen Sprache oder Wirtschaft usw.). Ammon (Fasel 2015: 4) hat in einem Interview die Meinung geäußert, dass Menschen, die eine Sprache erlernen, meistens auch ein Interesse am Land finden. Ich möchte hiermit nicht behaupten, dass es auch andersrum gilt. Die Annahme, die sich hier jedoch anbietet, lautet, dass Personen, die eine positive Einstellung zu etwas „Deutschem“ aufweisen, mit Wahrscheinlichkeit auch zu einem bestimmten Grad direkt oder indirekt die deutsche Sprache unterstützen würden. Bei deutschmuttersprachlichen Expatriates scheint diese Annahme selbstverständlich, da sie ähnlich wie traditionelle Minderheiten stets in Kontakt sowohl mit dem Gastland als auch mit dem Heimatland stehen. Davon ausgehend lassen sich verschiedene Vorteile für die Förderung der deutschen Sprache annehmen und entwickeln. Des Weiteren werde ich mich diesem Gedanken widmen, indem ich zunächst flüchtig den Kontext beschreiben werde, in dem die deutschmuttersprachlichen Expatriates in Kuala Lumpur leben. Hierzu werde ich über die Beziehungen zwischen Malaysia und Deutschland in Hinsicht auf Wirtschaft, Tourismus und Bildung berichten. Danach werde ich die wichtigsten Tätigkeiten der dortigen deutschmuttersprachlichen Expatriates behandeln.

1 Wirtschaftliche Beziehungen Malaysia stellt von den ASEAN1 Staaten einen der bedeutendsten Handelspartner für Deutschland dar. Die wichtigsten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Malaysia haben in den ersten Jahren der malaysischen Unabhängigkeit mit der Unterzeichnung verschiedener Abkommen angefangen. Im

|| 1 Association of Southeast Asian Nations - Der Verband Südostasiatischer Nationen

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Laufe der Zeit haben dann verschiedene wirtschaftliche Institutionen angefangen, die gemeinsame Zusammenarbeit zu stärken. Zu bedeutenden deutschen Institutionen zählen Germany Trade and Invest (GTAI) und Malaysian German Chambre of Commerce and Industry (MGCC). Weiter trägt zu den deutsch-malaysischen bilateralen Beziehungen die deutsche Botschaft in Kuala Lumpur bei, die von staatlichen Mitteln unterschiedliche Projekte verwirklicht, bzw. unterstützt. Sie fokussiert sich insbesondere auf die Förderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit von Frauen, auf die Schulbildung und Unterstützung von Kinderund Behindertenheimen, wie auch auf Armutsbekämpfung (Deutsche Botschaft 2016). Wie der gegenwärtige Präsident der MGCC berichtete (E-Mail, Bernbeck, 01.08.2016), bilden die MGCC (AHK), die GTAI und die deutsche Botschaft in Malaysia die „3 Säulen der deutschen Außenwirtschaft“. Gegenwärtig sind in Malaysia ca. 300 deutsche Firmen tätig, zu denen auch eine Vielzahl kleinerer und mittlerer Unternehmen gehört (Stedtfeld, Franze & Jaensch 2014: 3). Zu malaysischen Firmen und Investoren in Deutschland konnte ich leider kaum Informationen finden. Es ist mir nur bekannt, dass Tropical Islands, ein Freizeitpark in Halbe, von der malaysischen Gesellschaft Tanjong aufgebaut wurde. Weiter kann ich berichten, dass die Anzahl der deutschen Unternehmer in Malaysia wie auch die Anzahl der deutsch – malaysischen Partnerschaften steigt. Für das Thema der Expatriates erweist sich noch von Bedeutung, dass die Anzahl der Expatriates in der Welt steigt (Finaccord 2016) und somit auch ihre Anzahl in Kuala Lumpur.

2 Tourismus Tourismus gewinnt in den letzten Jahren in Malaysia immer mehr an Wichtigkeit, indem er graduell mit mehr Einkommen zu der Ökonomie des Landes beiträgt. Die höchste Anzahl der Touristen kommt nach Malaysia aus anderen asiatischen Ländern und aus englischsprachigen Ländern, d. h. aus Australien, England und Amerika. Deutschland hält sich gemäß meiner Recherche seit 2013 (ältere Angaben konnte ich leider nicht gewinnen) im Rahmen der monatlichen Angaben zur Touristenanzahl nach Nationalitäten auf Platz 14–18 (Tourism Malaysia 2016). Dies deutet darauf hin, dass die Präsenz der deutschen Touristen in Malaysia stabil ist. Bei der Recherche der Touristenanzahl habe ich weiter festgestellt, dass Deutschland bis auf Frankreich alle anderen europäischen Staaten in Bezug auf Reisen nach Malaysia weit überholt. Beide Informationen erweisen sich meines Erachtens von großer Wichtigkeit, weil sie Deutschland eine gute Basis zur Förderung der deutschen Sprache wie auch der Förderung des Verständnisses der

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deutschen Kultur gegenüber anderen europäischen Sprachen in Malaysia geben. Mein Gedanke lässt sich weiter durch die große Zahl von Malaysiern, die nach Deutschland reisen, unterstreichen. In 2014 hat Malaysia den dritten Platz in Bezug auf die meisten Touristen aus Südostasien in Deutschland eingenommen und den ersten Platz bei der Messung der meisten Touristen aus Südostasien in Europa (German National Tourist Board 2015: 13). In 2015 lag Deutschland wiederum an vierter Stelle der europäischen Reiseziele der Malaysier (Deutsche Zentrale für Tourismus 2016: 6; German National Tourist Board 2017: 123). Darüber hinaus streben sowohl Deutschland als auch Malaysia in diesem Bereich bessere Ergebnisse an: Deutschland möchte die Touristenanzahl der Malaysier erhöhen und Malaysia die Touristenanzahl im Allgemeinen. Malaysische Autoritäten haben weiterhin erkannt, dass beim Kontakt mit Touristen jeder Malaysier das Land gewissermaßen repräsentiert (Jala 2016), was sich meiner Meinung nach gleichfalls für die Werbung der deutschen Sprache in Malaysia nutzen ließe.

3 Bildung Laut Angaben (Schaar et al. 2015: 501) haben in 2014 ungefähr 10.000 Malaysier an verschiedenen malaysischen Institutionen Deutsch gelernt, bzw. studiert. Dies bezieht Kursteilnehmer des Goethe Instituts Kuala Lumpur und der GermanMalaysian-Society Penang ein. Datenerhebungen des Auswärtigen Amtes vom 2015 haben gezeigt, dass die Zahlen der Deutschlernenden weiter steigen (Auswärtiges Amt 2016: 13 und 33). Es ist fraglich, ob das seit 1996 zunehmende Interesse an der deutschen Sprache in Malaysia (Kärchner-Ober 2009: 128) dem eigentlichen Bedarf an der Sprache oder den guten diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Malaysia zu verdanken ist. Anhand meiner Lehrtätigkeit an den zwei malaysischen Universitäten, die ein Bachelorprogramm in Deutsch anbieten (University Malaya und Universiti Putra Malaysia), kann ich berichten, dass die Studierenden in der Regel Deutsch nehmen, weil ihnen das Fachgebiet angeboten wurde und nicht weil sie es selbst gewählt haben. Beide Universitäten pflegen Beziehungen zu deutschen Partneruniversitäten im Rahmen von Austauschprogrammen und die University Malaya wird zurzeit durch eine aktive Mitwirkung der DAAD-Repräsentanten unterstützt. Weitere Bildungsstätten, die mit Deutschland näher zusammenarbeiten, sind in der Regel technisch orientiert. Das bedeutet, dass sie entweder ihre Studierenden auf ein künftiges Studium von Ingenieurwissenschaften u.ä. vorbereiten, oder dass sie solche Programme selber anbieten. Eine gute Übersicht kann

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hierzu unter der Webseite der MGCC abgerufen werden (s. MGCC 2013). Die deutsche Sprache wird an den malaysischen Institutionen auf verschiedenen Niveaus unterrichtet. In den meisten Fällen werden die Stufen A1 und A2 angeboten, B1 und höhere Niveaus seltener.

4 Deutschmuttersprachliche Expatriates in Kuala Lumpur Die Abschnitte zur Wirtschaft, Bildung und zum Tourismus haben in Kürze einige der Bereiche behandelt, die sich für die Förderung der deutschen Sprache und Kultur im Allgemeinen von Wichtigkeit erweisen und die durch unterschiedliche Verfahren zumindest teilweise auch von der deutschen Regierung gefördert werden. Folglich werde ich das Potenzial der deutschmuttersprachlichen Expatriates für dieses Thema erläutern. Wie oben erwähnt, nehmen Expatriates eine beruflich und sozial vorteilhafte Position in ihrem Gastland ein. Sie arbeiten sehr häufig als Direktoren und Manager, oder sie übernehmen Stellen, die spezielle Fachkenntnisse erfordern. Von den Mutterfirmen werden ihnen in jeder Hinsicht viel Verantwortung und viele Erwartungen auferlegt. Gleichzeitig werden den Expatriates günstige Bedingungen für den erwünschten sozialen Kontakt geschaffen, da die Expatriates die Grundlage eines erfolgreichen Auslandshandels (Domsch & Lichtenberger 1991: 41) bilden. Untersuchungen, die sich Expatriates widmen, weisen jedoch darauf hin, dass viele Entsendungen frühzeitig abgebrochen werden. Zu den üblichen Faktoren zählen unter anderem die Unfähigkeit, sich an die im Gastland herrschenden Bedingungen zu gewöhnen (Hippler 2000: 18, Cohen 1977: 58–59), wie auch die Unzufriedenheit mit der neuen Lebenslage unter den Lebenspartnern (Kupka, Everett & Cathro 2008). Die beruflich tätigen Expatriates – in der Regel Männer (Cohen 1977: 58–59) – erleben das Gastland aus einem anderen Blickwinkel als ihre nicht beruflich tätigen Partner. Während die Firmenangestellten grundsätzlich durch ihren Beruf mit Anderen interagieren, finden sich viele Lebenspartner im Gastland isoliert und ohne ein zufriedenstellendes Netzwerk (Kupka, Everett & Cathro 2008; Kupka & Cathro 2007). Deshalb erscheint es mir sinnvoll, sich sowohl Personen zu widmen, die im geschäftlichen Sinne als Expatriates definiert werden als auch Personen die den Status der Expatriates als begleitende Lebenspartner genießen. Die ersten deutschen Expatriates sind in den 70er Jahren nach Kuala Lumpur gekommen. Meine frühere Untersuchung zu diesem Thema hat erbracht, dass

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ihre Anzahl in den 80-er Jahren wesentlich angestiegen ist (Majtanova 2015: 95). Dies war auch der Zeitpunkt, zu dem sie im Einklang zu Cohens (1977: 33–34) Angaben zu Expatriates im Allgemeinen angefangen haben, ihre Umgebungsanforderungen rasant durchzusetzen. In 1979 wurde z.B. aus Elterninitiative, d. h. aus der Initiative der deutschen Expatriates, die Deutsche Schule Kuala Lumpur (DSKL) gegründet. Die damals bereits in Kuala Lumpur sesshafte deutsche Botschaft hat dabei wesentlich geholfen. Im gleichen Jahr wurde neben der Schule ein deutscher Kindergarten gegründet, der von einer deutschen Expatriatin geleitet wurde. In 2005 hat die Schule ihren Umfang um die Sekundarstufe verbreitert, so dass die Kinder bis zur Deutschen Internationalen Abiturprüfung (DIAP) geführt werden können. Da die Anzahl der Schüler aus verschiedenen Gründen fluktuiert, bemüht man sich die Schule durch neue Strategien aufrechtzuerhalten, wobei die Expatriates helfen: „Seit 2011 gibt es auch ein Stipendien- und Gastschülerprojekt, welches aus Spenden der deutschen und ortsansässigen Industrie finanziert wird. Schüler aus Deutschland können an der DSKL für die zwei letzten Jahre aufgenommen werden und die Deutsche Internationale Abiturprüfung ablegen (Munzinger 2013: 5)“. Die Austauschschüler werden während ihres Aufenthalts in Kuala Lumpur bei deutschen Expatriates unterbracht und betreut. In der Mitte der 80er Jahre haben sich weiterhin in Kuala Lumpur deutschsprachige christliche Gemeinden etabliert, die bis zum heutigen Zeitpunkt weiterbestehen. Als Treffpunkt für Gottesdienste und Veranstaltungen dient den evangelischen Expatriates die DSKL und sie werden aus nahegelegenen Posten (Bangkok, Jakarta oder Singapur, wo auch deutsche evangelische Gemeinden tätig sind) betreut. Katholiken werden gegenwärtig gleichfalls vom Ausland aus betreut (Singapur), sie üben allerdings ihre geistlichen Veranstaltungen in einer Kirche aus (Majtanova 2015: 71–73). Die Gründung von Kirchen gehört zwar laut Cohen (1977: 37) zu Umgebungsumsetzungen, die Expatriates im Gastland unternehmen, er führt aber an, dass dieses Bestreben nicht zu den häufigsten gehört. Darum ergibt sich natürlich die Frage, was die deutschen Expatriates in Kuala Lumpur dazu bringt, sich in dieser Hinsicht in ihrer eigenen Kommunität zu engagieren, anstatt sich einer lokalen Kirche anzuschließen. Hierzu wurde mir berichtet, dass in der Entstehungsphase der Gemeinden insbesondere sprachliche Schwierigkeiten eine Rolle gespielt haben: Die beruflich entsandten Expatriates konnten sich auf Englisch verständigen, ihre Partner und Kinder haben aber oft über keine ausreichenden Englischkenntnisse verfügt. Es ist anzunehmen, dass die Expatriates heutzutage gut Englisch beherrschen. Einige meiner Gesprächspartner haben jedoch berichtet, dass ihnen das Beten und Singen in einer Fremd-

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sprache fremd ist. Dieser Frage habe ich mich allerdings nicht detailliert gewidmet und es ist möglich, dass sich eine tiefere Untersuchung dazu in der Zukunft als sinnvoll erweisen würde. Deutsche Expatriates haben darüber hinaus in Kuala Lumpur auf Betreiben der drei deutschsprachigen Botschaften in 1986 einen Austrian-German-Swiss Charity Bazaar (AGS) organisiert. Diese Veranstaltung wurde als Weihnachtsmarkt im kulturellen Sinne der genannten Länder veranstaltet, wobei alle Produkte von deutschmuttersprachlichen Expatriates sowohl vorbereitet, als auch finanziert wurden. Der Basar wird seitdem ohne eine einzige Unterbrechung jährlich organisiert, wobei der gesamte Erlös lokalen Assoziationen gespendet wird. Die Botschaften betätigen sich dabei nur als offizielle Schirmherrschaften, indem sie abwechselnd Medien über den Basar informieren und den Kontakt zu dem AGS-Komitee halten. Der AGS ist in seiner Tätigkeit völlig unabhängig und seine Dauerhaftigkeit ist beindruckend. Man muss nämlich beachten, dass die Mitglieder ständig wechseln, da immer wieder neue Expatriates ins Land kommen und andere das Land verlassen. Darüber hinaus fliegt die absolute Mehrheit von ihnen zu Weihnachten nach Hause, weshalb der Basar üblicherweise schon im November veranstaltet wird. Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass in Kuala Lumpur in 1987 ein Verband namens „Deutschsprachige Frauen Kuala Lumpur“ (DFKL) entstanden ist, der sich aus Interesse der damals in Kuala Lumpur lebenden deutschmuttersprachlichen Expatriates gebildet hat. Dieser lose Verband hat sich über die künftigen Treffen und Aktivitäten durch ein handgeschriebenes Flugblatt in deutscher Sprache verständigt, welches sich im Laufe der Zeit zu einer monatlich herausgegebenen Zeitschrift namens „K.L. Post, Das Informationsblatt für Deutschsprachige in Malaysia“ entwickelt hat und neulich in „KL-Post, Magazin der German Speaking Society Kuala Lumpur“ umbenannt wurde. Das Entstehungsmotiv der DFKL lag im Wunsch, ein soziales Netzwerk mit Gleichgesinnten aufzubauen, mit denen man sich in der Muttersprache unterhalten kann. Wie im Falle der AGS-Gruppe haben sich hier gleichfalls vor allem deutsche, bzw. deutschmuttersprachliche Frauen engagiert, die ihre beruflich tätigen Partner in Malaysia begleitet haben. Viele der Frauen haben nicht ausreichend Englisch gesprochen, um einen Kontakt mit anderen englischsprachigen Expatriates oder mit Malaysiern zu knüpfen. Obwohl die meisten Mitglieder heutzutage Englisch beherrschen, ist der Verband weiterhin tätig. Sie haben sogar dafür gesorgt, dass der Verband in 2004 unter dem Namen German Speaking Society Kuala Lumpur (GSSKL) als eine offizielle Gesellschaft registriert wurde und das Informationsmagazin legalisiert wurde. Ein Jahr später hat sich der AGS der GSSKL offiziell angeschlossen, damit

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seine Tätigkeit und finanziellen Transaktionen auf rechtlichen Grundlagen fundieren. Die GSSKL besteht heutzutage aus drei großen Bereichen – dem Veranstaltungs-, dem AGS- und dem KL-Post Magazin-Bereich und die Zahl der Mitglieder ist im Laufe der Jahre gewachsen. Das Interesse am Austausch mit Gleichgesinnten bestand nicht nur im Bereich der sozialen Sphäre im breiteren Sinne, sondern auch im Bereich der Wirtschaft. Dafür spricht die Existenz des German Business Councils, der von deutschen Expatriates in den 80-er Jahren ins Leben gerufen wurde. Es ist ein Privatklub, zu dessen Mitgliedern ausschließlich Deutsche gehören, die beruflich einen hohen Posten einnehmen. Sie treffen sich einmal im Monat in einer der Firmen der Mitglieder oder an einem anderen passenden Ort zu einem informellen Erfahrungs- und Informationsaustausch. Zurzeit hat der Klub ungefähr 30 Mitglieder und seine Treffen werden als "Roundtable Deutsche Wirtschaft" bezeichnet. Auch die oben genannte MGCC hat ihren Ursprung im Bestreben der Expatriates. Sie hat sich aus einem Klub privater Unternehmen entwickelt, der sich in den 80er Jahren Malaysian German Business Group nannte. Während der Klub am Anfang aus etwa vierzig Mitgliedern bestand, hat die MGCC zum heutigen Zeitpunkt ungefähr 400 Mitglieder und ist somit im Vergleich zu anderen europäischen Kammern die größte Kammer in Malaysia (Interview, Bernbeck, Direktor der MGCC, 18.5.2016).

5 Diskurs Wie man sieht, sind die deutschen Expatriates in Kuala Lumpur im Aufbau einer passenden Umgebungsbestimmung sehr aktiv und ihre Erzeugnisse zeichnen sich durch eine markante Dauerhaftigkeit aus. Von Bedeutung erweist sich auch die Tatsache, dass sich an den verschiedenen Projekten und Tätigkeiten einerseits Expatriates beteiligen, denen Kuala Lumpur als ein vorläufiger Aufenthaltsort dient und andererseits solche, die in Malaysia langfristig leben. Gleichzeitig finden sich unter den sozusagen vorläufigen Expatriates solche, die zum ersten Mal im Leben ins Ausland entsandt wurden, wie auch solche, die als entsandte Expatriates von Land zu Land ziehen. Die Beständigkeit der verschiedenen Klubs und Institute, die sie gegründet haben, deutet darauf hin, dass die Expatriates in der Lage wären, auch andere Aufgaben zu übernehmen. Meine Gespräche und schriftliche Kommunikation mit den in Kuala Lumpur lebenden deutschen Expatriates haben erbracht, dass sich besonders unter den begleitenden Partnern solche finden, die bereit wären, die deutsche Sprache und Kultur zu fördern. Ich habe wiederholt die Antwort bekommen, dass die Befragten gerne eine Schule

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oder Universität besuchen würden, wo Deutsch unterrichtet wird, dass sie auch gerne entweder regelmäßig oder gelegentlich an deutschsprachigen Konversationsgruppen teilnehmen würden, dass sie im Rahmen der AGS-Vorbereitungen z.B. ein Workshop für malaysische Deutschsprachige, bzw. Deutschlernende veranstalten würden und dass es für einige eine willkommene Erfrischung wäre, sich mit jungen Malaysiern in Kontakt zu setzen. Die Expatriates wären für informelle Treffen offen, bei denen ihnen die Malaysier das Gastland näherbringen würden, indem sie ihnen z.B. unterschiedliche Stadtteile oder Restaurants vorstellen würden. Es finden sich unter den begleitenden Expatriates auch solche, die darunter leiden, keine berufliche Beschäftigung zu haben. Sie suchen meistens Teilzeittätigkeiten in verschiedenen professionellen Bereichen oder zumindest im Rahmen der deutschsprachigen Kommune. Einige bewerben sich an den lokalen Institutionen als Deutschlehrer, obwohl sie dieses Fachgebiet nicht studiert haben. In der Regel ist es ihnen wichtig, eine Art bezahlte oder ehrenamtliche soziale Selbstverwirklichung zu finden. Der Gebrauch der deutschen Sprache ist dabei für viele ein willkommener Faktor. Die Befragten sehen sich gleichzeitig aber nicht berechtigt – die Bewerbung als Teilzeitkräfte ausgenommen – von sich aus die genannten und ähnliche Aktivitäten zu initiieren. Die Unkenntnis der Regelungen des Gastlandes, sowie der vorläufige Aufenthalt sprechen dagegen. Die Befragten aus dem Wirtschaftssektor haben häufig berichtet, dass die Förderung der deutschen Sprache und Kultur in ihrem Bereich nur zu einem sehr begrenzten Ausmaß unterstützt wird und in vielen Situationen sogar bewusst unterdrückt wird. In den Unternehmen wird überwiegend auf Englisch kommuniziert und im schriftlichen Gebrauch sogar auch unter Deutschmuttersprachlern. Der Grund dafür liegt in der Effizienz der Kommunikation: Wenn der Absender weiß, dass seine Nachricht höchstwahrscheinlich an andere nicht deutschsprachige Angestellte weitergeleitet wird, verfasst er sie gleich auf Englisch, um seinem Kollegen, d.h. dem Empfänger, die Arbeit zu ersparen. Bei mündlicher Kommunikation wird Deutsch nur dann verwendet, wenn daran keine Nicht-Deutschsprachige teilnehmen. Der kulturelle Aspekt wird wiederum aus ethischen und finanziellen Gründen nicht gefördert. Da die größten deutschen Feste einen christlichen Hintergrund haben, müssten dementsprechend muslimische, hinduistische, buddhistische, bzw. andere Feiertage wahrgenommen werden, damit es unter den Angestellten nicht zur Unzufriedenheit kommt. Einige Befragte haben jedoch berichtet, dass sie ihren Angestellten bei Bedarf einen Deutschkurs bezahlen würden, oder sie für einen Austauschaufenthalt zur deutschen Mutterfirma entsenden würden. Andere wären wiederum bereit, einen Fachvortrag für die deutschsprachigen Interessenten zu halten. Meine Frage, ob sich für die deutschen Firmen eine Datenbank mit den in Deutschland ausgebildeten Malaysiern

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als sinnvoll erweisen würde, ist auf gemischte Reaktionen gestoßen. Einige Gesprächspartner waren skeptisch, einige haben die damit verbundenen Vorteile erkannt. Ein Interviewpartner hat sogar berichtet, dass seine Firma angefangen habe, die in Deutschland studierenden Malaysier zu kontaktieren, um ihnen zuerst ein Praktikum in der in Deutschland sesshaften Mutterfirma anzubieten und nach Beendung des Studiums eine Stelle in der malaysischen Filiale. Während meiner persönlichen Interviews habe ich weiter erfahren, dass sich einige der deutschen Unternehmensvertreter an der Ausarbeitung des Curriculums für das neu eingeführte Programm der dualen Berufsausbildung (Dual Vocational Training, weiter DVT) am German Malaysian Institute (GMI) betätigt haben. Das GMI wurde in 1991 gegründet und das DVT-Programm ist im Juni 2014 gestartet worden. Zum Zeitpunkt meiner Untersuchung haben sich am DVT bis auf eine Ausnahme nur deutsche Firmen2 beteiligt.

6 Ausblick Die ungefähr dreißigjährige Präsenz der deutschen Expatriates in Kuala Lumpur hat gezeigt, dass sie als eine mehr oder weniger lose Gruppe in Hinblick auf ihre Interessen relativ schnell viele Ziele erreicht haben. Die Mitwirkung einiger deutscher Manager am DVT-Programm deutet wiederum darauf hin, dass deutsche Entsandte von der malaysischen Regierung als Experten wahrgenommen werden. Die Expatriates sind aber nicht nur Experten in Hinsicht auf Wirtschaft. Es finden sich unter ihnen – in der Regel unter den mitreisenden Partnern – viele Experten in vielen verschiedenen anderen Bereichen, die ihr Potenzial in Kuala Lumpur nicht nützen. Ihr Engagement würde sich jedoch für unser Thema sinnvoll erweisen. Darüber hinaus können alle in Kuala Lumpur lebenden deutschen Expatriates als Repräsentanten der deutschen Kultur und des Deutschlandbildes betrachtet werden. Diese Tatsache wurde dem österreichischen Botschafter in Kuala Lumpur, Christophe Ceska, bewusst, als er über seine eigenen Landsleute gesagt hatte: „Mit knapp 500 AuslandsösterreicherInnen in Malaysia leisten die Austrians […] einen besonders wertvollen Beitrag für die Entwicklung des Landes und die Pflege guter bilateraler Beziehungen. Tüchtigkeit, Toleranz und Aufgeschlossenheit setzen sich immer durch und ich bin stolz auf diese aktive österrei-

|| 2 Unter deutschen Firmen sind hier Unternehmen gemeint, die eine deutsche Mutterfirma haben, bzw. die von deutschen Unternehmen gegründet wurden.

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chische Präsenz in Malaysia. Als solche sind Sie alle auch die täglichen Botschafter eines modernen, aufgeschlossenen und zukunftsorientierten Österreich, die herzliche und erfolgreiche Beziehungen zu Malaysia unterhalten.“ (Ceska 2015: 6). Die Frage ist natürlich, wie diese Erkenntnis Österreich und in unserem Falle Deutschland in der Zukunft nutzen wird. Meiner Meinung nach müssten die deutschen Expatriates in Bezug auf die Förderung der deutschen Sprache und Kultur gezielt vom Goethe-Institut Kuala Lumpur oder von der deutschen Botschaft in Kuala Lumpur unterstützt werden. Diese müssten mit einigen konkreten Vorschlägen kommen, die sie einerseits den entsandten Expatriates und andererseits ihren Partnern vorstellen würden. Im Falle der begleitenden Partner erweist sich die Arbeit durch die Existenz der GSSKL, der DSKL sowie der christlichen Gemeinden viel einfacher, da diese als Entitäten angesprochen werden können. Ich bin der Ansicht, dass bei sinnvollen Ideen ein Impuls zur Handlung reichen würde, wie es der Fall bei der Entstehung des AGS war. Weitere Ideen und Projekte könnten gewiss im Laufe der Jahre entwickelt, eingeführt und ausprobiert werden. Die deutsche Regierung müsste aber den an solchen Programmen interessierten Expatriates eine Anlaufstelle zur Verfügung stellen, an die sie sich bei Fragen wenden könnten. Diesen Schritt betrachte ich als unabdingbar. Wenn man die deutsche Sprache im Ausland fördern will, ergibt sich für Deutschland hauptsächlich die Frage: „Wie?“ Die Expatriates fragen sich aber zusätzlich noch: „Warum?“ und „Darf ich das überhaupt?“ Deswegen kann die allererste Initiative nicht von den deutschen Expatriates erwartet werden. Man kann aber anhand der bisherigen Tätigkeit der deutschen Expatriates in Kuala Lumpur erwarten, dass mindestens einige der ins Leben gerufenen Projekte einen dauerhaften und sich weiter entwickelten Charakter haben würden. Ähnliche Ideen könnten parallel, bzw. künftig in weiteren Ländern ausprobiert und angewendet werden. Gemäß einer Umfrage der Gesellschaft InterNations (InterNations 2015: 206-208), die das Leben der Expatriates weltweit unter anderem auch anhand der Nationalität auswertet, stehen die Deutschen im Vergleich zu anderen Nationalitäten in der Anzahl der führenden Positionen im Gastland an der Spitze. Die Deutschen gründen im Vergleich zu anderen Nationalitäten im Ausland auch mehr Unternehmen, bzw. sie sind häufiger Besitzer von im Ausland tätigen Unternehmen als andere. Darüber hinaus führen die Deutschen in der Anzahl der Freiberufler. Auf der einen Seite klingen diese Ergebnisse für Deutschland sehr positiv. Auf der anderen Seite bietet die Umfrage keine belastbaren Zahlen, da es sich hier nur um Daten eines bestimmten sozialen Netzwerks handelt. Und das bringt uns gleichzeitig zu einem anderen wichtigen Punkt: Um sich dem Thema der deutschen Expatriates in der Zukunft progressiv widmen zu

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können, müsste die deutsche Botschaft, die über die meisten Kontaktdaten der Deutschen im Ausland verfügt, die Erlaubnis haben, mit diesen zwecks der Förderung der Sprache, Kultur und bilateraler Beziehungen mit Malaysia, bzw. mit einem anderen Land, arbeiten zu dürfen. Nur dann kann man professionell und gezielt notwendige Informationen sammeln, Menschen ansprechen, Ideen entwickeln und sie verwirklichen.

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Goranka Rocco

Effekte der Migrationsbewegungen auf Sprachgebrauch, Sprachrepertoire und die internationale Stellung des Deutschen 1 Einleitung Die Migration aus südeuropäischen in nordeuropäische EU-Länder und speziell nach Deutschland hat eine lange Tradition. Stellt diese Richtung der europäischen Migrationsbewegungen zumindest für das vergangene Jahrhundert grosso modo eine Konstante dar, sind jedoch die sozioökonomischen und juristisch-administrativen Bedingungen der Migration, und damit verbunden auch ihre Ziele, der sprachsoziale Hintergrund der Migranten und das Sprachrepertoire vor und nach bzw. während der Migrationserfahrung höchst variabel. Um sich der Frage nach den Auswirkungen der Migration auf Sprachgebrauch, Sprachrepertoire und die internationale Stellung des Deutschen, dem Anliegen dieses Beitrags, nähern zu können, erscheint es angesichts der Komplexität der relevanten Einflussgrößen sinnvoll, im hier vorgegebenen Rahmen zunächst nur einen Ausschnitt aus der Vielfalt der Migrationsbewegungen zu beleuchten. Im Fokus der folgenden Betrachtungen stehen daher vier südeuropäische Länder, die mit Blick auf die aktuellen Statistiken zur allgemeinen Arbeitslosigkeit und speziell zur Jugendarbeitslosigkeit besondere Aufmerksamkeit verdienen und als exemplarisch für die derzeitigen innereuropäischen Migrationstrends betrachtet werden können: Griechenland, Italien, Kroatien und Spanien. Hierbei handelt es sich um Länder, die einerseits zu den ersten und wichtigsten europäischen Herkunftsländern der Arbeitsmigranten nach dem Zweiten Weltkrieg gehörten (Kroatien damals als Teil des ehemaligen Jugoslawiens) und andererseits in der jüngsten Zeit wiederum eine beträchtliche sozioökonomisch bedingte Auswanderungswelle verzeichnen. Als Hauptfaktoren dieser jüngsten Süd-Nord-Migrationsbewegungen können in Anlehnung an Lafleur & Stanek (2017: 6) die seit Beginn der Weltwirtschaftskrise steigende Arbeitslosigkeit und damit verbunden die wachsenden Armuts- und Exklusionsrisiken infolge der Ar-

|| Goranka Rocco, Universität Triest, Italien, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-035

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beitsmarktreformen betrachtet werden, die die Vulnerabilität vieler Arbeiter erhöht haben. Zu berücksichtigen sind ferner andere, landesspezifische Faktoren wie die Schuldenkrise in Griechenland und die Folgen der geopolitischen Auseinandersetzungen und Veränderungen in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens. Schließlich spielen bei den jüngsten Migrationswellen auch die Faktoren eine Rolle, die die Migration nach Deutschland begünstigen, wie z.B. die innereuropäische Freizügigkeit und die aufgrund der früheren Migrationswellen nach Deutschland vorhandenen Kontakte. Vor dem Hintergrund der soziolinguistisch relevanten Grundmerkmale und Besonderheiten der beiden angesprochenen Migrationsbewegungen sollen im Folgenden ihre sprachlichen Implikationen erörtert werden, und zwar besonders mit Blick auf die Frage, inwieweit sich diese auf die internationale Stellung des Deutschen – erstens als unterrichtete Fremdsprache und zweitens als Sprache der internationalen Kommunikation in verschiedenen Domänen – auswirken.

2 Migration in der Folge der Anwerbeabkommen und jüngste Migration im Vergleich Für die im vorliegenden Beitrag fokussierten Länder stellt Deutschland bereits seit Langem eines der wichtigsten Auswanderungsziele dar. Bei den ersten, aus Italien seit 1956, aus Griechenland und Spanien seit Beginn der 1960er Jahre und aus dem ehemaligen Jugoslawien seit Ende der 1960er Jahre (Prontera 2017; Zelepos 2017; Goeke 2013) nach Deutschland entsandten Kontingenten von Arbeitsmigranten spielen die Deutschkenntnisse zunächst keine bedeutende Rolle: weder für die zuständigen Behörden der Herkunftsländer noch für das damals noch von einem Selbstverständnis als Einwanderungsland weit entfernte Deutschland. Vielmehr werden der Auswahl andere Kriterien wie Gesundheitszustand und zum Teil Beruf(sausbildung) zugrunde gelegt (Prontera 2017; Detsch 2010). Hinzu kommt, dass die Ziele einer seitens der Aus- bzw. Einwanderer zunächst ebenfalls als vorübergehend gedachten Migration zuerst auf eine Statusverbesserung im Herkunftsland gerichtet sind, zu der die Arbeit im Ausland das Startkapital liefern soll (z.B. für eine Immobilie oder Geschäftstätigkeit). Dieser Ausgangssituation und der sprachsozialen Isolation entsprechend findet bei den Arbeitsmigranten dieser Generation eine Erweiterung des eigenen Repertoires um Deutsch in der Regel in einem eher begrenzten Ausmaß statt: Das Ausgangsrepertoire, dessen dominierender oder einziger Bestandteil in den meisten Fällen

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ein Dialekt oder Regiolekt der jeweiligen Nationalsprache oder eine Minderheitensprache des eigenen Landes bildet, wird in der Migration einerseits durch die Netzwerkbildung unter „Landsleuten“ oder auch anderssprachigen Migranten in ähnlicher sozioökonomischer Situation um Elemente anderer, z.B. überregionaler Varietäten der eigenen Nationalsprache bzw. des eigenen Landes und zum Teil anderer Migrantensprachen (vgl. z.B. das Fremdarbeiteritalienisch in der Schweiz, Berruto 1991) erweitert. Andererseits gehört zur Erweiterung des Repertoires auch das Deutsche, wobei es sich angesichts der stark beschränkten Gebrauchs- und Sprachkontaktbedingungen teilweise um fossilierte Interimsvarietäten handelt. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht wurde in diesem Zusammenhang von einem durch ungesteuerten Erwerb, sprachsoziale Distanz zu Einheimischen, Einsatz des foreigner talk seitens der Deutschsprachigen, muttersprachliche Interferenzen usw. bedingten „Gastarbeiterdeutsch“ gesprochen, das eine je nach sprachsozialer Umgebung mehr oder weniger lang anhaltende Pidginisierungsphase aufweist (Keim 1982: 443f.), oder auch vom Pidgindeutsch (Clyne 1968; für Italienisch und Spanisch besonders Heidelberger Forschungsprojekt 1975; Meisel 1975; für Serbokroatisch Orlović-Schwarzwald 1978; für Griechisch Keim, Nikitopoulos & Repp 1982). Beide Begriffe treffen allerdings nicht mehr auf die in Deutschland aufgewachsenen Kinder dieser Arbeitsmigranten zu, deren Sprachrepertoire und Sprachgewohnheiten grundverschieden sind. Das Repertoire dieser Sprecher – hier wird bewusst auf das einengende und in sich widersprüchliche Syntagma „zweite Gastarbeitergeneration“ verzichtet – setzt sich in der Regel zusammen aus einer mehr oder weniger standardnahen, der Muttersprachlerkompetenz entsprechenden Varietät des Deutschen, ferner einer besser oder schlechter beherrschten Sprache des Herkunftslandes der Eltern und darüber hinaus zum Teil aus einem selbststilisierenden und identitätsbildenden Ethnolekt (Auer 2003), dessen Gebrauch noch stärker sprechergruppen- und kontextspezifisch ist. Die sprachsozialen Voraussetzungen sowie Auswirkungen der Arbeitsmigration der 1960er und 1970er Jahre (vor dem Anwerbestopp 1973) sind mit den jüngsten Migrationsbewegungen aus den anvisierten Ländern kaum vergleichbar, insofern es sich in den Nachkriegsjahrzehnten weitgehend um niedrig qualifizierte Arbeitskräfte mit vergleichweise hoher Akzeptanzbereitschaft für schlechte Arbeitsbedingungen (Herbert 2001: 213; Razum et al. 2008: 47f.; Geiselberger 1972) handelte, die wie bereits angedeutet teilweise weder Deutschkenntnisse mitbrachten noch in ihrer isolierten Lebens- und Arbeitssituation ihr Repertoire um ausreichende sprachsoziale Kompetenzen auszubauen vermochten. Aus

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einer breiteren Perspektive kann dies wiederum im Zusammenhang mit beschränkter sozialer Mobilitäts- und Integrationsfähigkeit gesehen werden, mit dem sprachkulturellen Aneinandervorbeileben und den Parallelen zwischen Migrationshintergrund und Schulerfolg oder allgemeiner zwischen Migrationshintergrund und Sozialstatus. Aus dieser Sicht lassen hingegen die jüngsten Migrationswellen, die zunehmend auch spezialisierte und akademisch gebildete Arbeitskräfte sowie mehr Deutschlernende und -kundige einschließen, weniger (Selbst-)Ghettoisierung, mehr Teilhabe am Leben im Zielland der Migration (Zelepos 2017) und damit verbunden mehr Integration erwarten. Doch was lässt sich speziell über die Ausgangssituation in den fokussierten Ländern sagen, und wie ist ihr Einfluss auf die internationale Stellung des Deutschen einzuschätzen? Tab. 1: EU-Länder mit höchster Jugendarbeitslosigkeit, NEET-Quote und allgemeiner Arbeitslosigkeit (Angaben für 2017)1

Jugendarbeitslosigkeit in der Gruppe 15–24 J.

NEET-Quote in der Gruppe 15–24 J.

Allgemeine Arbeitslosigkeit

1. Griechenland 2. Spanien 3. Italien 4. Kroatien 6. Zypern 5. Portugal … 28. Deutschland

1. Italien (20,1%) 2. Zypern (16,1%) 3. Kroatien (15,4%) 4. Griechenland/Bulgarien (15,3%) 5. Rumänien (15,2%) 6. Spanien (13,3%) … 25. Deutschland (6,3%)

1. Griechenland (21,5%) 2. Spanien (17,2%) 3. Italien (11,2%) 4. Kroatien/Zypern (11,1%) 5. Frankreich (9,4%) 6. Portugal (9%) … 27. Deutschland (3,8%)

(43,6%) (38,6%) (34,7%) (27,1%) (24,7%) (23,8%) (6,8%)

Zieht man nun zur Beleuchtung der Ausgangssituation in den vier Ländern die Arbeitsmarkt-bezogenen EUROSTAT-Daten heran, so lässt sich für Griechenland, Spanien, Italien und Kroatien gemäß den für 2017 erhobenen Daten die höchste Arbeitslosenquote unter Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren feststellen

|| 1 Die Spalten dieser Zusammenstellung zeigen jeweils nur die ersten sechs Länder mit der höchsten Quote und darüber hinaus den jeweiligen Rangplatz Deutschlands. Die Daten sind den folgenden EUROSTAT-Tabellen entnommen: Youth unemployment rate - % of active population aged 15-24, vgl. http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=en&p code=tipslm80&plugin=1, Unemployment rate - annual data; vgl. http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=en&pcode=tipsun20&plugin=1 und Young people neither in employment nor in education and training (15-24 years), vgl. http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=en&pcode=tipslm90&plugin=1 (Zugriff 09.04. 2018).

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(Tab. 1, 1. Spalte), wohingegen sie in Deutschland am niedrigsten ausfällt (43,6% für Griechenland gegenüber 6,8% für Deutschland). Zugleich gehören die vier Länder – diesmal mit Italien an der Spitze – zu den EU-Ländern mit der höchsten NEET-Quote (neither in employment, education or training), die über die offiziell arbeitslos gemeldeten Personen hinaus all diejenigen umfasst, die weder erwerbstätig sind noch sich in der (Berufs-)Ausbildung bzw. im Studium befinden (2. Spalte). Über die Lage der Jugendlichen hinaus liefern die Daten zur allgemeinen Arbeitslosigkeit (3. Spalte) ein ähnliches Bild: Nach den jüngsten EUROSTAT-Erhebungen erreicht die Arbeitslosigkeit im EU28-Vergleich derzeit die höchsten Werte in Griechenland (mit 21,5% ist sie doppelt so hoch wie der EUDurchschnitt von 10,8%) und Spanien, gefolgt von Italien und Kroatien. Die Daten über die Anzahl der „neuen Migranten“, ihre Migrationsziele und ihr Sprachrepertoire sind aufgrund der innereuropäischen Freizügigkeit, die eine Anmeldung als ausgewandert, eingewandert, arbeitsuchend usw. nicht zwingend erforderlich macht, teilweise nur approximativ und schwer vergleichbar. Als gesichert kann allerdings gelten, dass die Wirtschaftskrise den Hauptgrund für eine zunehmende Auswanderung darstellt. So ist z.B. die Gesamtzahl der griechischen Auswanderer von 40.400 im Vorkrisenjahr 2007 auf 106.535 im Jahr 2016 angestiegen (ELSTAT 2017: 6). In einem griechischen Zeitungsbeitrag ist sogar von der dritten massiven Auswanderungswelle der Griechen die Rede, wobei als Hauptziele Deutschland, Vereinigtes Königreich und die Vereinigten Arabischen Emirate genannt werden (Karakasidhs 2016). Auch in Kroatien, Italien und Spanien ist die Auswanderung junger Arbeitsuchender, besonders im Zusammenhang mit dem Phänomen des Braindrains und der Prekarisierung von Jugendlichen, ein viel diskutiertes Thema: Die steigende Prekarisierung qualifizierter Berufseinsteiger in Italien ist das Ergebnis einer Reihe von Reformen, welche im Zusammenspiel mit anderen mikro- und makroökonomischen Faktoren zur Ausbreitung von atypischen Verträgen, Interimsverträgen usw. mit geringer Bezahlung geführt haben (ausführlicher in Rocco in diesem Band)2. Den höchsten Anteil ausgewanderter Akademiker verzeichnet dabei die Fachgruppe Gruppo scientifico (Mathematik, Physik, Astrono-

|| 2 Vgl. auch Rocco 2018 zum italienischen Arbeitsmarkt und besonders zur Situation der Sprachmittler, die das Thema des Arbeitsmarkt-bezogenen, von der Universität Triest geförderten Projekts FRA 2016 Mercato del lavoro per i mediatori linguistici neolaureati: inserimento, prospettive, problematiche (Università degli Studi di Trieste – Finanziamento di Ateneo per progetti di ricerca scientifica, 01.01.2017-31.12.2018) bildet, in dessen Rahmen auch die beiden Beiträge zum vorliegenden Sammelband entstanden sind.

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mie) mit 14,9% im Ausland arbeitender Absolventen fünf Jahre nach dem Masterabschluss und an zweiter Stelle die aus Sprachmittlern im weiteren Sinn bestehende Fachgruppe Gruppo linguistico mit 11,5%. Laut migrationsbezogenen Berichten des nationalen Statistikinstituts ISTAT sind die Hauptziele der italienischen Auswanderer erstens Vereinigtes Königreich (21,6% laut ISTAT 2017: 1, 17,1% laut ISTAT 2016: 1, 7), zweitens Deutschland (16,5% ISTAT 2017: ibd., 16,9% ISTAT 2016: ibd.) und drittens die Schweiz (9,9% ISTAT 2017: ibd., 11,2% ISTAT 2016: ibd.). Der Anteil der über 25-jährigen Italiener mit einem Studienabschluss, die in das Vereinigte Königreich, nach Deutschland und in die Schweiz auswandern, ist zwischen 2014 und 2015 um 13% gestiegen (ISTAT 2016: 1, 7). Kroatien hat bei der Betrachtung der Migrantenzahlen einen Sonderstatus, da der vergleichsweise späte EU-Beitritt (2013), der auch die Freizügigkeit mit sich brachte, den sprunghaften Anstieg der Zuwanderer zwischen 2012 und 2015 auf das Fünffache (von rund 9.000 auf über 50.000, BAMF 2015: 6) erklärt. Demselben BAMF-Bericht zufolge nimmt Kroatien im Ranking der zahlenmäßig stärksten EU-Herkunftsländer (BAMF 2015: 7) den vierten Platz ein, gefolgt von Italien, Griechenland und Spanien (sechster bis achter Platz). Für Spanien lässt sich nach dem drastischen Anstieg in den ersten Krisenjahren für die letzten drei Berichtsjahre kein bedeutender Anstieg der Einwandererzahlen mehr feststellen, sondern eher eine Stabilisierung der Zahlen bei ca. 20.000 bis 21.000 Personen jährlich (BAMF 2015: 6). Welche Konsequenzen haben die skizzierten Entwicklungen auf sprachlicher Ebene? Unter den potenziellen Deutschlernenden bzw. Deutschsprachigen verdienen neben den südeuropäischen Akademikern, für die je nach Fach entweder Deutsch oder Englisch eine conditio sine qua non darstellt, auch Auszubildende besondere Aufmerksamkeit, insoweit offizielle Anwerbe-Initiativen bereits vorhandene Deutschkenntnisse oder die Bereitschaft zum Deutschlernen in der Regel voraussetzen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das 2013 vom Bundesministerium für Arbeit und der Bundesagentur für Arbeit gestartete Programm „Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen aus Europa“ („MobiPro-EU“, auch bekannt unter dem sloganartigen Namen „The Job of my Life“), das nach offizieller Darstellung jungen EUBürgern Ausbildungsplätze in Deutschland vermitteln und somit einerseits zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in der EU und andererseits zur Fachkräftesicherung in Deutschland beitragen soll. Zum Qualifizieren und Begleiten gehört hier also neben der dualen Ausbildung explizit auch das Deutschlernen, wie es auf der „Förderprogramm MobiPro – EU“ betitelten Webseite der Bundesagentur für Arbeit heißt:

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Häufiges Hindernis für die Vermittlung ausbildungsinteressierter Jugendlicher oder arbeitsloser junger Fachkräfte aus Europa in eine betriebliche Berufsausbildung bzw. in eine qualifizierte Beschäftigung in Engpass- und Mangelberufe (sic) sind fehlende Deutschsprachkenntnisse. Deswegen ist die Sprachförderung im Herkunftsland und in Deutschland ein Schwerpunkt des Programms.3

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass dem offiziellen politischen Diskurs auch kritische Stimmen gegenüberstehen: zum einen im Zusammenhang mit den Anlaufschwierigkeiten bei der Umsetzung des Programms (Lukas 2014), zum anderen aber auch in Bezug auf das Konzept selbst. Beispielsweise hinterfragten es die Gewerkschaften auf mögliche Konkurrenz zu den einheimischen Auszubildenden, auf die Diskrepanz zwischen tariflicher Ausbildungsvergütung der einheimischen und der vom Programm aufgestockten Vergütung der zugewanderten Auszubildenden und auf den möglichen Missbrauch durch die Betriebe hin.4

3 Arbeitsmigration und internationale Stellung des Deutschen Was die erste der angesprochenen Migrationswellen betrifft, so sind die multiplen Sprachrepertoires und die Sprachgewohnheiten der in den 1960er und 1970er Jahren eingewanderten, „Gastarbeiter“ genannten Arbeits- bzw. Armutsmigranten sowie ihrer in Deutschland lebenden Nachkommen zweifellos ein wesentlicher Beitrag zur Plurilingualität und Plurikulturalität Deutschlands. Doch da es sich um in Deutschland verbleibende Arbeitsmigranten und ihre ebenfalls dort lebenden mehrsprachigen Kinder handelt, ist ihr Einfluss auf die internationale Stellung des Deutschen nur indirekt und gemessen an ihrer Zahl eher als begrenzt einzustufen. Auch die Rückkehrer, denen in bestimmten Sprachverwendungskontexten in ihrem Heimatland ohne Weiteres eine wichtige sprachliche, kulturelle oder wirtschaftliche Mittlerrolle zufallen kann, können nicht unbedingt als gewichtige Multiplikatoren der internationalen Deutschsprachigkeit im Ausland angesehen werden: Sie gehören in der Regel nicht mehr zur aktiven Bevölkerung, haben ihren schwierigen Lebens- und Arbeitsumständen, ihrer

|| 3 https://www3.arbeitsagentur.de/web/content/DE/dienststellen/rdnrw/paderborn/Agentur/Detail/index.htm?dfContentId=L6019022DSTBAI529388 (Zugriff 09.04.2018). 4 Vgl. z.B. das Interview auf der Webseite der IG Metall mit dem Titel MobiPro-EU – Umstrittenes Förderprogramm. Wirksame Hilfe oder Aufforderung zur Landflucht? (2013). https://wap.igmetall.de/5968.htm (Zugriff 09.04.2018).

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sprachsozialen Isolation und den fehlenden Bildungschancen entsprechend oft eine deutlich begrenzte Sprachkompetenz; sie benutzen teilweise selbst in ihrem Heimatland stigmatisierte Interimsvarietäten des Deutschen, was sie trotz ihrer unbestreitbaren kulturellen Erfahrung nicht zu idealen Instanzen der Sprachund/oder Kulturmittlung macht. Ein sehr großes Potenzial bergen hingegen die Nachkommen dieser in gewisser Hinsicht der Kapitalakkumulation geopferten Generation, insoweit sie als kompetente, in zwei Sprachkulturen aufgewachsene Sprachmittler im Heimatland der Eltern leben und arbeiten, was jedoch auf einen eher geringen Anteil dieser Generation zutrifft. Wie verhält es sich dagegen mit den jüngsten Migrationsbewegungen? Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man den optimistischen Ton etlicher Presseartikel und -mitteilungen, die in Bezug auf den europäischen Süden5, auf die Flüchtlingskrise usw. über steigende Deutschlernerzahlen berichten, zum Anlass nehmen, um diesen Beitrag mit dem folgenden, fast zynisch anmutenden Fazit zu beenden: Wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, Krisen und Kriege steigern die Deutschlernerzahlen und stärken somit die internationale Stellung des Deutschen. Das Punctum saliens ist allerdings gerade die Frage, wozu man Deutsch lernt: Denn die Deutschlernenden, die sich aus der Perspektivlosigkeit ihrer Heimatländer über instrumentelles Deutschlernen nach Deutschland zu retten gedenken, langfristig also zu deutschsprachigen Bürgern Deutschlands werden sollen, sind vergleichbar mit der ersten Migrantengeneration nicht zentral für die internationale Stellung des Deutschen. Dies gilt besonders mit Blick auf die zweite der eingangs anvisierten Komponenten der internationalen Stellung des Deutschen, und zwar Deutsch als Sprache der internationalen Kommunikation: In einem wirtschaftlich und sozial zunehmend auseinanderklaffenden Europa trägt das Rezept „Deutsch lernen, um auszuwandern“ als „Braindrain-Alternative“ zu einer ausgewogenen und egalitären Entwicklung Europas (vgl. dazu auch Rocco 2017) nicht wirklich zu einer nachhaltigen Stärkung des Deutschen in der Welt bei. Die internationale Stellung des Deutschen nachhaltig zu fördern bedeutet vielmehr, es zu einer Sprache werden zu lassen, die man lernt, um in der internationalen Kommunikation in Bezug auf Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Kultur usw. (vgl. Ammon 2015) mithalten zu können und die eigene Fähigkeit hierzu als symbolisches Kapital aufzubauen, wie es etwa beim Englischen zunehmend der Fall ist. Es bedeutet auch, Deutschsprachige, Deutschlerner und -lehrer sowie -lektoren im Ausland in ihrer Kompetenzentwicklung zu unterstüt-

|| 5 Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der auf Italien, Spanien und Portugal bezogene Pressespiegel von Birk et al. (2012).

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zen und sie zu wichtigen Akteuren ihrer jeweiligen Fachkontexte und Gesellschaften werden zu lassen, die in der Lage sind, der internationalen Lingua franca Deutsch zu mehr Geltung zu verhelfen.

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Martine Dalmas

Förderung der deutschen Sprache in Frankreich 1 Zur Lage der deutschen Sprache in Frankreich Als Nationalfiguren waren Marianne und Germania von Anfang an recht unterschiedliche Frauengestalten, die unter jeweils anderen Bedingungen entstanden sind und durch die Jahrhunderte mehrfach karikiert wurden; sie haben sich nicht immer freundlich zugeblickt, geschweige denn bei der Hand gehalten oder sich konstruktiv über eine gemeinsame, friedliche Zukunft unterhalten. Nichtsdestotrotz werden bis heute die beiden Symbolfiguren immer wieder zusammen genannt, wenn es darum geht, die Beziehungen zwischen den beiden Nationen Frankreich und Deutschland, sei es auf politischer oder auf kultureller Ebene, zu thematisieren. In welcher Sprache sie sich hätten verständigen können, hängt mit der wechselhaften Geschichte zusammen, die die beiden Länder durch die Jahrhunderte verbunden hat. Auch wenn sich heute das Gespräch etabliert hat, heißt das noch lange nicht, dass die jeweilige „Sprache des Nachbarn“ ohne weiteres gesprochen oder auch nur verstanden werden kann. Die Entwicklung durch die letzten 60 Jahre hat gezeigt, dass sowohl die Sprachpolitik auf Staatsebene als auch das Sprachverhalten auf Bürgerebene mit mehreren Faktoren zusammenhängen, die hier unbedingt mitberücksichtigt werden müssen. Die bewegte europäische Geschichte, insbesondere die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen, hat dazu geführt, dass die Förderung der deutschen Sprache in Frankreich seit 1963, dem Jahr des Freundschaftsvertrags, als Élysée-Vertrag bekannt1, ein Politikum geworden ist. Die heutige Situation lässt sich am besten vor diesem Hintergrund beschreiben, denn die paradox erscheinende Entwicklung ist, wie wir zeigen werden, immer noch geprägt von Vorstellungen und Sichtweisen, die aus der Vergangenheit herrühren, und zwar sowohl aus der gemeinsamen Geschichte der beiden Länder als auch aus der Geschichte der französischen Nation. Hinzu kommt die nun zügige Durchsetzung einer sog. Lingua franca, die heute andere europäische Kultursprachen, d.h. auch || 1 Der Vertrag wurde am 30.1.1963 von Kanzler Konrad Adenauer und Präsident Charles de Gaulle unterzeichnet. || Martine Dalmas, Sorbonne Universität, Paris, Frankreich, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-036

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das Deutsche, in den Schatten stellt oder gar verdrängt. Im folgenden Bericht wird auf diese Aspekte Bezug genommen, um die aktuelle Lage von Deutsch als Fremdsprache in Frankreich besser zu beleuchten und zu verstehen. Nach einem kleinen Abstecher in die Vergangenheit [1.1.], wird zunächst die Beziehung des Landes zu seinen Sprachen kurz thematisiert [1.2.], um dann auf die Stellung des Deutschen im französischen Schulwesen [2.1.] sowie an Universitäten und Hochschulen [2.2.] einzugehen und anschließend die derzeitigen Fördermaßnahmen und konkreten Unterstützungen unter die Lupe zu nehmen [2.3.]. Als Fazit und Ausblick befasst sich der letzte Teil [3.] mit der Frage nach weiteren Auswegen, die zusätzliche Differenzierungen erfordern, aber auch mit der kultur- und sprachpolitischen Lage in Frankreich und in Europa zusammenhängen.

1.1 Deutsch als Fremdsprache oder das Fremde am Deutschen So nah, und doch so fremd? Wie oben schon angedeutet, hängt der Status der deutschen Sprache in Frankreich stark mit der Geschichte des Landes bzw. der deutsch-französischen Beziehungen zusammen. Mit anderen Worten: Die Wege des Deutschen in Frankreich kreuzen sich mit den Wegen der deutsch-französischen Geschichte. Zwei Aspekte sind hier zu erwähnen: Einerseits ist das im Osten gelegene Gebiet „Elsass-Lothringen“ zu nennen, das heute zwar keine geopolitische und kaum noch eine administrative Entität ist, aber durch seinen sprachlichen Hintergrund (noch) eine eigene Identität bewahrt und durch die Jahrhunderte infolge von Kriegen seine staatliche Zugehörigkeit mehrmals gewechselt hat; andererseits ist die Rolle der deutschen Sprache im Schul- und Bildungswesen zu nennen, die auch im Laufe der Zeit unterschiedlich aufgefasst wurde. Auf den zweiten Punkt wird weiter unten eingegangen. Wir befassen uns hier mit dem ersten Aspekt, der weitgreifende Folgen für den Status und die Förderung der deutschen Sprache hat. Die heutige Situation lässt sich nämlich nicht ohne Rückblick in das letzte Jahrhundert verstehen. Zwischen 1871 und 1945 haben die Gebiete Elsass und Lothringen (d.h. die heutigen Départements HautRhin, Bas-Rhin und Moselle) ihre Staatsangehörigkeit viermal gewechselt, dadurch auch ihre Amts- und Unterrichtssprache. Für die Bürger aus diesen Jahrgängen war Mehrsprachigkeit gegeben, ein „Vorteil“, den sie allerdings teuer bezahlen mussten. Nach 1945, als dieses Gebiet wieder zu Frankreich gehörte, war für die jüngsten Bürger die deutsche Sprache meistens Zweitsprache, neben Elsässisch – in seinen beiden Hauptformen: Alemannisch und Moselfränkisch, den

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damals noch sehr lebendigen Dialekten. Die unmittelbar nachfolgenden Generationen hatten ein zwiespältiges Verhältnis zu Deutschland und zur deutschen Sprache geerbt, aber Deutsch blieb an den Schulen lange Zeit erste Fremdsprache, was unter anderem auf zwei Faktoren zurückzuführen ist: In vielen Familien war der Dialekt noch das gängige Kommunikationsmittel und seine Nähe zum Deutschen wurde als Vorteil angesehen, darüber hinaus erkannte man durch eine bessere Beherrschung des Deutschen die Möglichkeit, im benachbarten Land Baden(-Württemberg)2 eine Arbeit zu finden. Dazu kamen besondere Fördermaßnahmen, die weiter unten genauer beschrieben werden und bis heute – wenn auch in anderer Form – fortgesetzt werden. Die Nähe der Dialekte (auch in ihren vielfältigen Mundarten) zum Deutschen sowie das Interesse für die Literatur und Kultur, die in Elsass-Lothringen den Menschen auch so greifbar nah waren, führte außerdem dazu, dass bis in die 70er und 80er Jahre besonders viele Hochschulgermanisten aus diesem Gebiet kamen, die das Fach bis heute stark geprägt haben. Heute, im 21. Jahrhundert, sind die Freundschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern fest etabliert – auf Staats-, aber auch auf Bürgerebene, durch viele Initiativen an Schulen und durch das Engagement der Kommunen – und die offenen Grenzen haben in der Arbeitswelt vieles selbstverständlich gemacht. Dennoch ist das Erlernen der deutschen Sprache an Schulen eher rückgängig und entspricht bei weitem nicht den Erwartungen und Bedürfnissen der Industrie und Wirtschaft. Deutsch bleibt in den Vorstellungen der Menschen eine schwere Sprache und manche Vorurteile dem Land3 gegenüber sind hartnäckig und geistern noch in vielen Köpfen herum. Obwohl es gerade für Deutsch nicht an Initiativen und Fördermaßnahmen fehlt (s. infra), bleibt die Lage im Schulwesen strukturell „kompliziert“ und nicht immer besonders förderlich. Wir werden sehen, inwiefern die drei Départements des gerade erwähnten Gebiets „Elsass Lothringen“ sich dadurch ab- und auszeichnen, dass dort Deutsch als Regionalsprache gilt4 und als solche in bestimmten Lehrstrukturen und -formen besonders gefördert wird. Dennoch hat man es heute mit dem Problem der realen Präsenz der Dialekte

|| 2 Das heutige Land Baden-Württemberg ist erst 1952 aus dem Zusammenschluss der Länder Baden, Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden entstanden. 3 Deutsch wird meistens mit „Deutschland“ verbunden, während die anderen Länder, in denen Deutsch gesprochen wird (in erster Linie Österreich, aber auch die Schweiz sowie Luxemburg und Belgien) und die zum Teil beliebte Reiseziele sind, kaum berücksichtigt werden. 4 Zumindest in ihrer geschriebenen Form, denn das Elsässische sowie das Moselfränkische verfügen über keine (offizielle) einheitliche Orthographie.

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zu tun, die in den letzten Jahrzehnten infolge verschiedener Faktoren5 stark zurückgegangen sind, was wiederum die Attraktivität des Deutschen beeinträchtigt, das immer mehr zur „Fremdsprache“ wird6. Zwar ist dieses Gebiet durch seine Geschichte und seine sprachliche Identität ein Sonderfall, aber der Umgang mit dem Deutschen dort sowohl auf offizieller als auch auf privater Ebene ist gleichzeitig ein Symptom. Über die regionalen Grenzen hinaus zeugt er von der Stellung dieser Sprache in Frankreich und er zeugt auch vom Umgang des Staates mit seinen Sprachen.

1.2 Frankreich und seine Sprachen Das oft gepriesene Sprachbewusstsein in Frankreich betrifft Französisch, „la langue de la République“7. Diese Zentrierung auf das Französische, die ihren Ursprung Ende des 18. Jahrhunderts in der Gleichstellung aller Bürger hat, ging mit einer Verdrängung der Dialekte einher, die als „patois“ (Mundarten) angeblich soziale Unterschiede markieren und sie sogar prägen und tatsächlich bis heute vielerorts noch als minderwertige Kommunikationsmittel betrachtet werden. Die Bezeichnung „Regionalsprache“ ist sehr spät verwendet worden, in dem Willen, den regionalen sprachlichen Spezifitäten gerecht zu werden und sie als „Sprachen“ anzuerkennen. Die heutigen Regionalsprachen, als „langues de France“ bezeichnet, reichen von Bretonisch, Baskisch, Frankoprovenzalisch, Korsisch, Okzitanisch, Niederländisch (als Referenzsprache für Westflämisch)8 u.a. bis zu den Kreolsprachen der französischen Übersee-Departements bzw. -Gebiete und schließen Deutsch als (geschriebene) Referenzsprache für die elsässischen und lothringischen Dialekte (Alemannisch und Moselfränkisch) ein. Das französische Kultusministerium verfügt über eine für sprachliche Angelegenheiten zuständige Organisation mit dem Namen „Délégation générale à la langue française et aux

|| 5 Zu den Faktoren zählen der Generationswechsel, aber auch die Rolle der Medien und die zunehmende Mobilität der Bevölkerung. 6 Es ist nachgewiesen worden, dass der lebendige Bezug zur Standardsprache als Referenz und Quelle für das Fortleben und die Weiterentwicklung der Dialekte wichtig ist. Heute ist es aber so, dass die Dialekte hauptsächlich unter dem Einfluss des Französischen stehen. 7 Artikel 1 der französischen Verfassung lautet: „La langue de la République est le français“. 8 Vollständige Liste unter: http://www.culturecommunication.gouv.fr/Thematiques/Languefrancaise-et-langues-de-France/Politiques-de-la-langue/Langues-de-France/Langues-regionales und http://www.culturecommunication.gouv.fr/Thematiques/Langue-francaise-et-languesde-France/Politiques-de-la-langue/Langues-de-France/Langues-des-Outre-mer.

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langues de France“ (DGLFLF)9, die als Nachfolger vom „Commissariat à la langue française“ gegründet wurde und nun ihren Wirkungskreis auf die Regionalsprachen erweitert hat. Allerdings hat Frankreich bis heute die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen nicht ratifiziert10, was u.a. bedeutet, dass die Regionalsprachen zwar als Teil des kulturellen Reichtums des Landes anerkannt werden, aber dass Französisch nach wie vor als einzige Amtssprache gilt.

1.3 Deutsch als Regionalsprache Dieser lange Bogen über den Status des Französischen und der Regionalsprachen (d.h. auch des Deutschen) soll die Haltung des französischen Staates zu seiner Amtssprache (Französisch) und zu seinen ,anderenʻ Sprachen veranschaulichen. Es werden seit einigen Jahren Förderaktionen zur Ratifizierung der Charta – wie in der Region Elsass, auf der Ebene der beiden Départements, aber auch in mehreren Städten – durchgeführt, um die jeweilige Regionalsprache zu schützen, ihren Gebrauch auch im öffentlichen Leben zu unterstützen, ihre Pflege und das Erlernen in der Schule sowie ihre Erforschung an Universitäten oder ähnlichen Einrichtungen zu fördern.11 Als Regionalsprache gilt in diesem historischen Gebiet „Elsass-Lothringen“ Deutsch (als Schriftsprache) zur Vereinheitlichung der beiden dialektalen (alemannischen und moselfränkischen) Hauptvarianten. Die deutsche Sprache genießt einen besonderen Status, der mit konkreten institutionellen Maßnahmen verbunden ist. Zu den Unterstützungsprinzipien zählen u.a.12: die Erleichterung des Gebrauchs des Elsässischen bzw. des Deutschen „in Wort und Schrift im öffentlichen Leben sowie im privaten Bereich und/oder die Ermutigung zu einem solchen Gebrauch“; „die Bereitstellung geeigneter Formen und Mittel für das Lehren || 9 Zu den genauen Befugnissen dieser sprachpflegerischen Organisation vgl. http://www.culturecommunication.gouv.fr/Thematiques/Langue-francaise-et-langues-de-France/La-DGLFLF (letzter Zugriff am 22.01.2018). Der letzte Teil des Namens „et aux langues de France“ wurde 2001 hinzugefügt, um die Sprachenvielfalt des Landes widerzuspiegeln. 10 Die Unterzeichnung der Charta erfolgte 1999, die Ratifizierung wäre der nächste Schritt, der aber zu einer entsprechenden Änderung der Verfassung führen würde. 11 S. https://www.coe.int/de/web/european-charter-regional-or-minority-languages/forderung-von-charta-ratifizierungen-in-frankreich (letzter Zugriff am 23.01.2018), wo verschiedene Städte aufgeführt werden, deren „lokale“ Charta heruntergeladen werden kann. 12 Es werden hier Auszüge aus der „Charta der Region Elsass, des Departements Unterelsass und des Departements Oberelsass zur Förderung der Regionalsprache auf der Grundlage der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ zitiert.

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und Lernen der Regionalsprache“; „die Bereitstellung von Einrichtungen, die es Personen, welche die Regionalsprache nicht sprechen, aber in dem Gebiet leben, in dem sie gebraucht wird, ermöglichen, sie zu erlernen, wenn sie dies wünschen“; „die Förderung des Studiums und der Forschung im Bereich der Regionalsprache an Universitäten oder in gleichwertigen Einrichtungen“ und „die Förderung geeigneter Formen des grenzüberschreitenden Austausches in den von dieser Charta erfassten Bereichen mit den Staaten, in deren Hoheitsgebiet die deutsche Sprache gebraucht wird“. Konkrete Maßnahmen und Realisierungsformen der Förderung des Deutschen sowohl als Zweitsprache als auch (zunehmend) als Fremdsprache sind zahlreich und zeichnen diese Region aus, die verglichen mit anderen Gebieten in Frankreich (zumal in den letzten Jahren, s. infra) als besonders „privilegiert“ betrachtet werden kann. Es sind u.a. Maßnahmen bzw. „Verpflichtungen“ 1) im vorschulischen Bereich, 2) im Grundschulunterricht, 3) in der Sekundarstufe, 4) an Universitäten, 5) in der Erwachsenen- und Weiterbildung, 6) im Unterricht der Geschichte und der Kultur, wo die regionalsprachlichen Ausdrucksformen berücksichtigt werden sollen, 7) bei der Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte, die die genannten Maßnahmen durchführen sollen, 8) bei der Einsetzung eines oder mehrerer Aufsichtsorgane, die die Durchführung der Maßnahmen zur Förderung der Regionalsprache überwachen und darüber öffentlich berichten. Darüber hinaus sollen Maßnahmen unterstützt werden, die den Gebrauch der Regionalsprache bei den Justizbehörden ermöglichen. Von den Medien wird erwartet, dass sie die Regionalsprache berücksichtigen, indem sie z.B. Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen in der Regionalsprache ausstrahlen. Sie werden auch zur Produktion und Verbreitung von audio(visuellen) Werken sowie zur Veröffentlichung von Zeitungsartikeln in der Regionalsprache ermutigt. Kulturelle Einrichtungen (wie u.a. Bibliotheken, Museen, Archive, Theater, Kinos …) werden ebenfalls zur Unterstützung der Regionalsprache aufgefordert. Auch im Rahmen von wirtschaftlichen und sozialen Tätigkeiten im öffentlichen Sektor sollen die Gebietskörperschaften dafür sorgen, dass der Gebrauch der Regionalsprache gefördert wird und z.B. in Krankenhäusern und Altersheimen Sprecher der Regionalsprache in ihrer Sprache betreut werden. Ein wichtiger Punkt ist auch der grenzüberschreitende Austausch mit deutschsprachigen Ländern, mit der Verpflichtung der Gebietskörperschaften, bestehende Übereinkünfte zu nutzen und neue abzuschließen, um Kontakte zwischen den Bürgern auf allen Ebenen zu fördern. Was aus diesen Prinzipien und Verpflichtungen tatsächlich umgesetzt wird, ist je nach den Gemeinden unterschiedlich und hängt an den Schulen auch von verschiedenen Faktoren ab, d.h. nicht zuletzt von dem Engagement der Behörden, die die Schulen finanzieren. Auch die sprachliche Ausgangssituation kann

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ein entscheidender Faktor sein, besonders in Gemeinden, in denen der Rückgang des Dialekts besonders stark ist und das Band zur Regionalsprache (Deutsch) leicht zu reißen droht. Dafür spielen Privatinitiativen auf Vereinsebene im Elsass und im Moseldepartement eine wichtige Rolle. Hier sind die ABCM13-Schulen zu erwähnen: Im März 2017 schrieb die lokale Tageszeitung LʼAlsace zur aktuellen Lage an diesen Schulen, dass nur 3% der Kinder im Vorschul- und Schulalter den Dialekt beherrschen, so dass eine Revidierung der Lehrformen vorgenommen werden soll, um den Mangel an Vorkenntnissen bei den Kindern durch eine „totale Immersion in die Regional- und in die deutsche Sprache“ in den ersten Schulklassen auszugleichen14. Theoretisch kann dann der zweisprachige Unterricht auf der Sekundarstufe (collège, 6. bis 9. Klasse) fortgesetzt werden, allerdings aufgrund der Fächervielfalt nicht mehr nach der Regel „ein Lehrer, eine Sprache“, sondern, wie wir es weiter unten schildern werden, nach den konkreten Möglichkeiten (d.h. nach den Sprachkompetenzen der verfügbaren Lehrkräfte).15 Ziel dieser sozialen, kulturellen und schulischen Maßnahmen ist es, sowohl den zwei- bzw. dreisprachigen Bürgern den Alltag zu erleichtern bzw. sie durch den Umgang mit dem Dialekt und der deutschen Hochsprache auf ein besseres Verstehen anderer dialektaler Formen des Deutschen in anderen Ländern/Gebieten vorzubereiten, als auch das kulturelle Erbe zu pflegen. An vielen Schulen jedoch ist, auch in diesem sprachlich privilegierten Gebiet, die Lage kaum anders als in anderen Gebieten in Frankreich. Es werden als „Frühunterricht“ bestenfalls drei Stunden Deutsch pro Woche angeboten, Englisch hat vielerorts die Oberhand, und die Vorteile einer deutsch-französischen Zweisprachigkeit sowie der Bewusstmachung einer regionalen (kulturellen) Identität werden von vielen Eltern oft nicht erkannt. Als Regionalsprache spielt Deutsch heute in der Alltagskommunikation eine recht unterschiedliche Rolle. Die Generationen, bei denen der elsässische Dialekt Muttersprache und Deutsch oft Zweitsprache waren, sind kaum noch vertreten, so dass in der Privatsphäre – wenn überhaupt – vornehmlich ältere Menschen sich regelmäßig auf Elsässisch/Moselfränkisch unterhalten. Bei einigen Bürgern

|| 13 „ABCM-Zweisprachigkeit“ ist ein Netz von Privatschulen (Grundschulen), die einen zweisprachigen Unterricht anbieten und auch bikulturell sind. Die Abkürzung „ABCM“ steht für „Association pour le Bilinguisme en Classe dès la Maternelle“. Vgl. http://www.abcmzwei.eu/diepadagogik-zur-zweisprachigkeit-in-den-abcm-schulen/ (letzter Zugriff am 29.01.2018). 14 Vorgesehen ist ab dem Schuljahr 2019/2020 in der Vorschule („maternelle“) eine Verteilung von 12 Stunden auf Elsässisch und 12 Stunden auf Deutsch, und in der ersten Klasse sollen es 24 Stunden auf Deutsch sein. Ab der zweiten Klasse erfolgt dann der Unterricht paritätisch in französischer und in deutscher Sprache. 15 Vgl. auch Morgen & Zimmer (2009) und Geiger-Jaillet & Schlemminger (2014).

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ist Deutsch beruflich relevant, sei es in ihrer Heimatgegend in der Tourismusbranche oder in den benachbarten deutschen Bundesländern, wo sie eine Anstellung gefunden haben. Letzteres spricht natürlich für die Rolle dieser Sprache und für ihre Bedeutung im beruflichen Werdegang der jungen Menschen. Zwar erleichtern die geografische Nähe sowie die kulturelle Vertrautheit den Weg, aber gute Sprachkenntnisse sind nach wie vor die beste Voraussetzung für eine gelungene berufliche und gesellschaftliche Integration. Insofern bleiben bei der heutigen sprachlichen Lage dieser Gegend alle regional-spezifischen Maßnahmen zur Förderung der deutschen Sprache ein unerlässliches Erfordernis. An diesem Punkt angelangt, lässt sich leicht eine Brücke ins „Innere“ des Landes16 schlagen, wo Deutsch einen anderen Status hat und die Fördermaßnahmen zwangsläufig andere sind.

2 Deutsch an Schulen und Hochschulen Der Status und die Rolle der deutschen Sprache sowie ihre Förderung in den nicht-dialektsprachigen Gebieten stehen in engem Zusammenhang mit (schul)politischen Entscheidungen, aber auch mit soziokulturellen Faktoren und Trends, die im Laufe der letzten Jahrzehnte mit einem unverkennbaren Wertewandel einhergegangen sind. Auch wenn die Förderung der deutschen Sprache, die seit 1963 ein Politikum ist, nach wie vor – zumindest theoretisch – zu den Prioritäten gehört, hat Deutsch als erste Fremdsprache an Attraktivität verloren und seine erste Position als zweite Fremdsprache zugunsten des Spanischen eingebüßt. Die zwar kurzlebige, aber radikal zerstörerische Reform der Jahre 2015– 2016, die von vielen als Verstoß gegen die zum Jubiläum des Elysée-Vertrags getroffenen gemeinsamen Regierungsvereinbarungen empfunden und angeprangert wurde17, hat tiefgreifende Spuren hinterlassen, Trümmer, aus denen der inzwischen begonnene Wiederaufbau nur mühsam erfolgen kann. In den folgenden Abschnitten wird zunächst vom Status des Deutschen an Schulen und von der jeweiligen Förderung ausgegangen, um anschließend die Situation an Universitäten und Hochschulen zu schildern.

|| 16 Der gängige Ausdruck im Volksmund lautet „la France de lʼintérieur“. 17 Presseberichte, Erklärungen, Kundgebungen, aber auch offizielle Stellungnahmen von Persönlichkeiten aus dem politischen oder öffentlichen Leben sowie Vertretern deutsch-französischer Institutionen.

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2.1 Sprachen im Schulwesen 2.1.1 Grundstufe Für das Deutsche hat sich das an sich sehr begrüßenswerte Früherlernen einer Sprache an Grundschulen eher als negativ erwiesen. Grund für diese Situation ist einerseits der heutige „Globalisierungstrend“, der bei vielen Eltern zur Wahl des Englischen führt (eine Entscheidung, die die Wahl der Fremdsprache in der Sekundarstufe bestimmt) und andererseits der Mangel an GrundschullehrerInnen mit Lehrbefähigung für den Deutsch-Frühunterricht18. Viele Schulen bieten folglich keine Alternative mehr zum Englischen. Der heutige Trend zur neuen Lingua franca, deren Bedeutung für die jungen Menschen unbestreitbar ist, führt also zu einem großen Bogen um Deutsch als erste Fremdsprache, er ist aber gleichzeitig gerade für die deutsche Sprache und ihre Befürworter eine Herausforderung, die Engagement, Kreativität, aber auch Flexibilität erfordert (auch wenn sie vielerorts zu Enttäuschungen führt). Die Situation in der Sekundarstufe, insbesondere an den collèges (Mittelschulen) ist in vieler Hinsicht ,einmaligʻ. Überall, wo es noch möglich ist, sind oft individuelle Förderungsmaßnahmen am Werk.

2.1.2 Sekundarstufe Sonderstellung In der Sekundarstufe genoss Deutsch lange Zeit eine Sonderstellung, die zwar nicht institutionell entstanden war, sich aber im Laufe der Zeit etabliert hatte. Als angeblich „schwere Sprache“ wurde Deutsch als erste Fremdsprache von „guten“ SchülerInnen gewählt, so dass die entsprechenden Klassen als „gute Klassen“ galten, in denen Deutsch als Kasussprache die frühere Rolle des Lateinischen spielen sollte. Gegen den Erfolg solcher Klassen und um eine ausgewogene Mischung von leistungsstarken und leistungsschwachen SchülerInnen zu sichern, wurden dann die sog. „Deutsch-Klassen“ als solche von vielen SchulleiterInnen abgeschafft und die Gruppe der „Deutschlernenden“ auf den Deutschunterricht beschränkt. Mit dem Verlust seiner selektiven Funktion musste Deutsch in den 1990er Jahren an Attraktivität einbüßen.

|| 18 Zur Rolle des Goethe-Instituts bei der Ausbildung von Grundschullehrern für das Früherlernen von Deutsch s. weiter unten Kap. 2.3.

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Strategische Partnerschaft Die geschwächte Stellung des Deutschen als erste Fremdsprache wurde später mit einer neuen Maßnahme ausgeglichen, die als Maßnahme zur Rettung der deutschen Sprache gleichzeitig politisch relevant war. Nach dem elsässischen Vorbild wurden Ende der 1990er/Anfang der 2000er Jahre zunächst in Pilotprojekten und dann regulär die so genannten „classes bilangues“ eingeführt, d.h. Klassen mit zwei Fremdsprachen, in denen die Schüler die Möglichkeit haben, ab der 6. Klasse Deutsch parallel zu Englisch zu lernen. Auch wenn sich die Stundenzahl in Grenzen hält und an sich ungenügend ist (drei Stunden pro Woche, in den seltensten Fällen sind es vier), sollte nicht verwundern, dass diese Klassen gute Schüler anzogen und an manchen collèges sowohl als Mittel zur Aufwertung ihres eigenen Images als auch als Förderungsmittel für Schüler aus sozial schwachen Verhältnissen benutzt wurden. Dass diese Einrichtung (= dispositif) dabei von manchen auch als „elitär“ betrachtet wurde, hat sowohl für ihren jahrelangen Erfolg gesorgt als auch die kritische Stellungnahme einer Ministerin für Schulwesen ausgelöst, die 2015 diese Klassen stark eingeschränkt bzw. in einigen Schulbezirken weitgehend19 abgeschafft hat. Dies löste sofort eine starke Protestwelle aus.20 Mit dem Regierungswechsel im Mai 2017 sind die classes bilangues wieder eingeführt worden, zumindest offiziell, denn jeder Wiederaufbau verlangt bekanntlich Kraft, Mittel und Zeit.21 Europäisches Denken In den letzten beiden Klassen des collège (Mittelschule) werden an manchen Schulen sogenannte „europäischen Sektionen“ angeboten, in denen die jeweilige Sprache – Deutsch oder eine andere Sprache – verstärkt unterrichtet wird. Diese Möglichkeit wird dann am Gymnasium22 fortgesetzt, wo neben dem verstärkten Sprachunterricht Deutsch auch Unterrichtssprache in den Fächern Geschichte und Erdkunde (an technischen Gymnasien auch in einem technischen Fach) ist. Bei entsprechender Leistung beim Abitur bekommen die SchülerInnen

|| 19 So war (und bleibt) u.a. die Normandie schwer getroffen. Zwei Ausnahmen: Paris sowie die Elsass- und Moseldépartements. 20 An der Spitze des Protests stand der Verband der Deutschlehrer (ADEAF, s. unten Kap. 2.1.3.), aber auch Politiker und Eltern sowie verschiedene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben vehement gegen die Reform protestiert. 21 Vgl. die Ergebnisse einer Umfrage zur Reform in: Nouveau Bulletin de lʼADEAF, 136 (févriermars 2018), 8–26. 22 Das Gymnasium ist in Frankreich auf die drei Jahre vor dem Abitur beschränkt. Davor gehen alle Schüler ab 6. Klasse ins einheitliche collège.

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einen besonderen Vermerk, der sie für diese Sprache auszeichnet. Darüber hinaus öffnen diese europäischen Sektionen als „binationale Sektionen“ den Weg zur deutsch-französischen Hochschulreife, zum Abibac (deutsches Abitur und französisches baccalauréat), das 1994 als Zeichen der deutsch-französischen Kooperation eingeführt wurde und als Sprungbrett für ein Studium im Partnerland fungiert. Auf das Abibac bereiten sich die SchülerInnen in den drei Klassen vor dem Abitur im Rahmen einer Partnerschaft mit einem deutschen Gymnasium vor. Sie bekommen pro Woche 9 Stunden Unterricht in deutscher Sprache: einerseits deutsche Sprache und deutschsprachige Literatur und andererseits Geschichtsund Erdkundeunterricht in deutscher Sprache23. Bei der Prüfung ist für diese Fächer eine binationale Jury zuständig.24 Die AbsolventInnen solcher Klassen sind leistungsstarke SchülerInnen, die nicht nur ein hohes Sprachniveau haben, sondern sich in beiden Schulsystemen gut auskennen und auch – im Vergleich zu anderen SchülerInnen – über viele spezifische landeskundliche und kulturelle Kenntnisse über Deutschland verfügen. Sie sind in ihrem noch jungen Alter schon gut ausgerüstet für eine Mittlerrolle. Die Attraktivität solcher bilingualen Zweige steht außer Zweifel, und wenn die Zahl der Absolventen des Abibac relativ bescheiden bleibt, liegt es nicht nur am Rückgang der Zahl der Deutschlernenden, sondern auch daran, dass nicht alle Gymnasien Abibac-Klassen haben. Eine Randerscheinung des Unterrichts im engen Sinne, aber von pädagogischer, erzieherischer und jedenfalls strategischer Relevanz sind die Klassenfahrten nach Deutschland oder Österreich, die bei DeutschlehrerInnen besonders beliebt sind und sowohl an den collèges als auch an den Gymnasien einen wesentlichen Bestandteil ihres Wirkens darstellen. Für manche SchülerInnen sind sie die erste Auslandserfahrung oder zumindest die erste Bekanntschaft mit einem deutschsprachigen Land, das sie dadurch auch von innen kennen lernen, zumal wenn sie den Alltag ihres Austauschpartners/ihrer Austauschpartnerin teilen. Finanziell unterstützt werden solche Fahrten oft vom Deutsch-französischen Jugendwerk, einer Einrichtung, auf deren Rolle ich weiter unten noch eingehen werde. Es seien hier aber abschließend zu diesem Abschnitt noch zwei wichtige, vom Deutsch-französischen Jugendwerk getragene Förderprogramme erwähnt: || 23 Seit 2006 verfügen die LehrerInnen über ein gemeinsames, binationales Geschichtsbuch, das von einem deutsch-französischen Projektteam verfasst wurde und jeweils in einer deutschen und einer französischen Fassung bei den Verlagen Klett und Nathan erscheint. Es sind drei Bände erschienen, die „Europa und der Welt“ gewidmet sind und die Zeit von der Antike bis 1945 umfassen. 24 Mehr Details unter: http://www.education.gouv.fr/cid20998/l-abibac.html#Le_programme (letzter Zugriff am 01.03.2018).

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das Brigitte Sauzay- und das Voltaire-Programm, die Einzelmobilitäten von Schülern für eine Dauer von drei bzw. sechs Monaten mit regulärem Besuch einer deutschen Schule ermöglichen und auf Reziprozität beruhen25.

2.1.3 Offen für alle: Deutschlehrerverband Krisensituationen bringen Menschen zusammen: Dies gilt auch für die Berufswelt, d.h. auch für den Lehrerberuf. Die Rolle des Verbands zur „Förderung des Deutschen in Frankreich“26 ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, so dass der Verband heute für viele junge LehrerInnen der Ort geworden ist, wo sie verschiedene berufsbezogene und didaktische Informationen finden. Der Verband bietet auch ein sehr aktives Diskussionsforum, wo die Mitglieder um Ratschläge bitten und Tipps teilen. Auf der Webseite des Verbands sind auch Prüfungstexte, Übungen und weitere lizenzfreie Materialien für den Unterricht untergebracht, die für jeden zugänglich sind. Aber der Verband hat in den letzten Jahren eine besonders wichtige sprachpolitische Rolle gespielt, als es um die Verteidigung und Beibehaltung der classes bilangues und in der Folge der sections européennes ging. Das Diskussionsforum wurde zu einem zentralen Austauschort, und es wurden Aktionen vorgeschlagen und durchgeführt, um auf die Gefahren der Reform hinzuweisen und die Eltern und die Öffentlichkeit überhaupt zu informieren und zum Protest aufzurufen. Der Vorstand des Verbands bat das Ministerium um ein Gespräch, das sich allerdings eher als ein Aneinandervorbeireden27 erwies, da auf Seiten des Ministeriums sprachpolitische und -organisatorische Prinzipien gegen die Logik der Situation an Schulen ausgespielt wurden. Dass bei solchen Gesprächen nichts erreicht wird, bedeutet aber lange nicht, dass sie umsonst sind und keine Spuren hinterlassen. Der Protest und Widerstand hat die Akteure zusammengebracht und die Öffentlichkeit – zumindest teilweise28 – auf die Rolle der deutschen Sprache sowohl aus kultureller als auch aus wirtschaftlicher Hinsicht hingewiesen. Heute

|| 25 Genauere Informationen zur Zielsetzung und zum Verlauf dieser Programme sind erreichbar unter: https://www.ofaj.org/programmes-formations/programme-d-echange-brigittesauzay.html und https://www.ofaj.org/programmes-formations/programme-voltaire-0.html 26 Der Verein heißt „Association pour le développement de lʼallemand en France“ (ADEAF) 27 Ein Bericht über dieses Gespräch ist zugänglich unter: http://adeaf.net/IMG/pdf/entretien_cr-22_juin_2016-def.pdf (letzter Zugriff am 02.03.2018). 28 Solche fach- bzw. sprachbezogenen Stellungnahmen und Protestaktionen laufen immer Gefahr, als eine Art von „Standesdenken“ einer bestimmten Berufsgruppe (miss)verstanden zu werden.

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hat sich die Lage etwas beruhigt, auch wenn an vielen Schulen die Arbeitsbedingungen der LehrerInnen, die mit sehr heterogenen Klassen29 arbeiten müssen, u.a. infolge von Sparmaßnahmen schlechter geworden sind. Der Verein bleibt für alle eine wichtige Stütze und Hilfe, ein (virtueller, dafür aber immer erreichbarer) Treff-Punkt für viele LehrerInnen, die in ihrer Schule oft der/die einzige VertreterIn ihres Fachs sind. Außerdem bietet der Verband Material zur Anwerbung künftiger Deutschlernender; viele LehrerInnen sind nämlich in Aktionen an Grundschulen und/oder an den collèges engagiert, wo sie für die classes bilangues oder für Deutsch als zweite Fremdsprache werben. Sie finden beim Verein Material mit Argumenten für die Eltern, Präsentationen, Spiele für die Schüler, Plakate, Aufkleber, T-Shirts, Stirnbänder usw. Hier ist auch die Rolle von Institutionen wie das Goethe-Institut und das Deutsch-französische Jugendwerk (DFJW/OFAJ) zu erwähnen, auf die ich weiter unten ausführlich eingehen werde. Die Stellung des Deutschen in der Sekundarstufe, die zum Teil mit seiner Lage in der Primarstufe zusammenhängt und vor allem schon immer – positiv oder negativ – stark von sprachpolitischen Entscheidungen und Reformen abhängig war und bleibt, stellt für die meisten LehrerInnen eine Herausforderung dar, die ihr Engagement und ihre Kreativität stärkt. D.h. da, wo auf Staatsseite keine Förderung ist – und wenn noch etwas zu retten ist – entstehen Initiativen, Lehrmethoden und -konzepte, die die Attraktivität des Deutschen stärken sollen und den Schülern auch zugutekommen. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings oft ein Defizit an systematischem Sprachunterricht, das durch die reduzierte Stundenzahl noch gravierender werden könnte. Die Situation an den Hochschulen ergibt sich zwar weitgehend aus der gerade geschilderten Lage in der Sekundarstufe, aber es treten auch weitere Faktoren hinzu, die sowohl mit dem geschichtlichen Hintergrund der Germanistik zusammenhängen als auch mit der Stellung der Sprachen, d.h. auch des Deutschen, an Universitäten und Fachhochschulen.

2.2 Hochschulwesen: Zwang zur Erneuerung Als vermeintlich „schwere“ Sprache war Deutsch vor 30 Jahren nicht leichter als heute und wurde verhältnismäßig30 mehr gelernt und studiert. Die Entwicklung || 29 Die Heterogenität ist darauf zurückzuführen, dass z.B. Anfänger mit Schülern gemischt werden, die schon ein Jahr oder gar zwei Jahre Deutschunterricht bekommen haben. In Abiturklassen liegt die Heterogenität vor allem an den unterschiedlichen Prüfungsformen, auf die gleichzeitig vorbereitet werden muss. 30 D.h. proportional zur Anzahl der SchülerInnen bzw. der Studierenden.

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im Hochschulwesen steht in engem Zusammenhang mit der Situation in der Sekundarstufe. Der Rückgang der Deutschlernenden an den Schulen hat sich – mit einigen Jahren Verzögerung – erwartungsgemäß an den Hochschulen ausgewirkt, so dass in den letzten Jahren einige germanistische Lehrgänge oder gar Institute geschlossen wurden. Auch in den dialektsprachigen Gegenden, wo Deutsch als Regionalsprache gilt und (s. oben) verstärkt unterrichtet wird, sind die Zahlen der Germanisten rückgängig. Und man stellt immer öfter fest: Die besten Schüler aus den europäischen Sektionen oder gar die Abibac-Absolventen studieren kaum Germanistik. Zwar führt der heutige Trend eher zu naturwissenschaftlichen, mathematischen oder technischen Fächern, aber man darf sich auch fragen, warum die geisteswissenschaftlichen Fächer heutzutage als ,weltfremdʻ betrachtet werden. Dem Studium von Fremdsprachen, das lange Zeit fast ausschließlich auf den Lehrerberuf vorbereitet hat, haftet ja immer noch ein Hauch von verstaubter Philologie an, fern von Berufsaussichten und Karrierechancen. Dass dem nicht so ist, muss oft noch deutlich gesagt und vor allem gezeigt werden.

2.2.1 Germanistik im Wandel Frankreich verfügt heute über 39 eigenständige germanistische Institute/Abteilungen (auch im Übersee-Département La Réunion, nahe Madagaskar) sowie über zahlreiche Abteilungen für angewandte Sprachen. Das Fach blickt auf eine lange Tradition und viele renommierte Dozenten zurück: Die „großen Namen“ der französischen Germanistik waren lange Zeit Kollegen aus dem Osten des Landes (Elsässer und Lothringer, die ihren alemannischen bzw. moselfränkischen Dialekt sprachen). Spracherwerb war damals kein Thema; im Zentrum standen vielmehr Literaturwissenschaft, Geschichte, Ideengeschichte, später kam die Sprachwissenschaft dazu, die allerdings bis heute vielerorts eher ein OrchideenDasein fristet. Letzteres zeigt allerdings, dass Erneuerungsversuche keine Selbstverständlichkeit sind und dass die „Erben“31 immer am Werke sind. Dennoch ist in den letzten Jahrzehnten in der Germanistik viel passiert, um auch dort Deutsch zu „retten“ oder zumindest sein Image zu erneuern, indem Studiengänge eingeführt wurden, die den Weg zu anderen Berufsfeldern erleichtern sollen. Obwohl in den ersten Semestern aufgrund der Situation in der Sekundarstufe noch sehr viel „Sprache“ (Formen und Strukturen) gelernt und geübt || 31 Anspielung auf das Buch von P. Bourdieu Les héritiers (Die Erben), das 1964 erschienen ist und an seiner Aktualität nicht eingebüßt hat.

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werden muss, wird schon auf BA-Ebene versucht, in bestimmten Bereichen wie z.B. Übersetzen/Dolmetschen oder interkultureller Kommunikation praxisorientiert zu arbeiten. Es sind aber vor allem die MA-Studiengänge stark erneuert bzw. erweitert worden: Neben dem traditionellen Master, der forschungsorientiert ist und als Vorstufe zur Promotion betrachtet werden kann, werden unterschiedliche berufsbezogene oder berufsorientierte Masterstudiengänge angeboten, u.a. in Bereichen wie Journalismus, Film, Kulturvermittlung, Übersetzen/Dolmetschen, auch mit einer Erweiterung des Areals auf Ost- oder Nordeuropa.32

2.2.2 Der Weg zur Internationalisierung: Deutsch als Zweit- und Nebenfach Eine für Frankreich nicht übliche Studienrichtung, zumal in den Geisteswissenschaften, ist die Kombination von verschiedenen Fächern, die es zunächst im Studiengang „Angewandte Fremdsprachen“33 (mit zwei Sprachen, Jura und BWL) gegeben hat und die später zu Studiengängen wie „Deutsch-französische Studien“, „Deutsch und Geschichte“, „Deutsch und Jura“ oder gar „Deutsch und Naturwissenschaften“ geführt hat. Solche Doppelstudiengänge sind an einigen Universitäten mit binationalen Abschlüssen verbunden, was für die Studierenden, die ihre Studienzeit abwechselnd in beiden Ländern verbringen, in jeder Hinsicht ein Mehrwert ist. Für die französischen Universitäten ist es insofern auch ein Gewinn, als solche binationalen Programme zusätzliche Germanistikstudierende aus Deutschland anziehen, was in der heutigen Situation für die entsprechenden Institute wichtig ist.

2.2.3 Außerhalb der Geisteswissenschaften Zwar ist Deutsch als Fremdsprache auch außerhalb der Geisteswissenschaften vertreten, allerdings nur ziemlich marginal, denn die Konkurrenz zum Englischen erweist sich dort als sehr hart. Zum allgemeinen Globalisierungstrend kommen nämlich erschwerend zwei Faktoren hinzu: einerseits an manchen Elitehochschulen eine neu eingeführte Prüfungsordnung mit Englisch als einziger

|| 32 S. auch Dalmas (2017). 33 Der Studiengang „Langues étrangères appliquées“ [meistens in der Abkürzung „LEA“] wurde in den 1970er Jahren als Gegenpol zur stark literaturwissenschaftlich geprägten und auf den Lehrerberuf orientierten Germanistik eingeführt und brachte Deutsch eindeutig einen Aufschwung.

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Fremdsprache, andererseits die Tatsache, dass in naturwissenschaftlichen, mathematischen und technischen Fächern Studienaufenthalte sowie die Teilnahme an Projekten in Deutschland auf Englisch verlaufen können. Dass Deutsch im „normalen“ (sprich: außeruniversitären) Leben immer noch Kommunikationssprache ist, fällt kaum ins Gewicht. Schuld an dieser Situation sind u.a. die Geldgeber, die die jungen Wissenschaftler aus Frankreich ohne Deutschkenntnisse unterstützen und ihnen eine internationale Ausbildung ermöglichen, aber dabei dreierlei vergessen: dass Deutsch auch eine Wissenschaftssprache34 ist, dass „exzellente Wissenschaft […] Werbung für die deutsche Sprache“35 ist und dass eine richtige Integration in eine Gesellschaft auch über die Sprache läuft. So fristet Deutsch an vielen Universitäten und Hochschulen in naturwissenschaftlichen, mathematischen und technischen Bereichen eher ein kümmerliches Dasein, obwohl immer mehr Studien- und Forschungsaufenthalte in Deutschland oder anderen deutschsprachigen Ländern (Österreich und Schweiz) angeboten werden, die eigentlich eher ,deutschfördernd‘ sein sollten. Die Lage wird in den nächsten Jahren bestimmt nicht besser, da die Zahl der angehenden Studierenden mit Deutschkenntnissen geringer wird. So werden die entstehenden deutsch-französischen Kooperationen immer mehr auf Englisch laufen – oder leider auf Globish? Bestenfalls auf Denglish! Was in den Geisteswissenschaften als das Gespenst der German studies befürchtet wird (d.h. eine Germanistik ohne Deutsch), geistert in den anderen Wissenschaften womöglich in einem anderen Gewand herum: Fremdsprachen auf eine Lingua franca reduziert. Maßnahmen zur Förderung der deutschen Sprache müssen da von außen kommen, wenn es dafür noch nicht zu spät ist.

|| 34 Deutsch in den Wissenschaften war eine internationale Konferenz, die zusammen vom Goethe Institut, vom DAAD und vom Institut für deutsche Sprache organisiert wurde und vom 10.-12. November 2011 in Essen stattfand. http://www.goethe.de/lhr/prj/diw/pro/programm/DidW_ Programmheft_web2.pdf (letzter Zugriff am 03.03.2018) Zu Deutsch als Wissenschaftssprache s. Ammon (2017). Zur „Dominanz“ des Englischen und zu den Folgen für das Deutsche s. Eichinger (2014). 35 Zitat aus dem 2010 vom DAAD veröffentlichten Memorandum zur Förderung des Deutschen als Wissenschaftssprache. http://www.goethe.de/lhr/prj/diw/dos/de7737589.htm https://www.daad.de/de/download/broschuere_netzwerk_deutsch/Memorandum_veroeffentlicht.pdf (letzter Zugriff am 26.07.2018).

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2.3 Förderinstitutionen Die Förderung der deutschen Sprache ist, wie wir es gesehen haben, in erster Linie eine politische Entscheidung, die seit 1963 von beiden Ländern immer wieder betont wird. Das deutsch-französische Paar, oft auch in Bezug auf die EU als „Motor“ bezeichnet, sollte sich in beiden Sprachen unterhalten können, damit der Motor nicht stottert und sowohl Kraft als auch Stoff bekommt. Die Förderung des Deutschen in Frankreich ist heute mehr denn je eine Notwendigkeit: Neben dem Engagement der Akteure im Schul- und Hochschulwesen, ohne dass jeder Förderungsversuch scheitern würde, leisten mehrere Institutionen einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung des Deutschen. Aus Platzgründen werden hier die wichtigsten genannt, wobei nicht auf alle Facetten ihres Wirkens eingegangen werden kann. – Das Deutsch-französische Jugendwerk (DFJW), 1963 im Rahmen des ElyséeVertrags gegründet, mit Sitz in Berlin (früher in Bonn) und in Paris, hat die Aufgabe, die Beziehungen zwischen jungen Menschen in Deutschland und in Frankreich zu intensivieren, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen und ihnen dadurch die Kultur des Nachbarlandes näherzubringen. Das DFJW unterstützt gegenseitige Besuche und Treffen, die von Schulen oder Hochschulen, aber auch von unterschiedlichen Vereinen organisiert werden; es bietet Programme zur Entdeckung des Partnerlandes und Erlernung der Sprache oder Verbesserung von Sprachkenntnissen und hat eine innovative, Lernmethode zur Sprachanimation entwickelt. Außerdem organisiert das DFJW thematische Workshops für Schüler, unterstützt die Durchführung von einzelnen Praktika in verschiedenen Berufsbereichen und fördert auch trilaterale Projekte mit Drittländern, die sich mit aktuellen gesellschafts-, geo- oder außenpolitisch relevanten Themen befassen. – Auch auf Frankreich zugeschnitten, mit dem Fokus auf Sprache und interkulturelle Kommunikation für Jugendliche und junge Erwachsene, ist der Verein Bureau international de liaison et de documentation (BILD)36, die französische Zweigstelle der deutschen Gesellschaft für übernationale Zusammenarbeit (GüZ)37. Beide Vereine arbeiten in Kooperation mit dem DFJW. Ihre Hauptziele sind, die jungen Menschen aus Frankreich und Deutschland einander näher zu bringen, die Kooperation zwischen beiden Ländern und das Engagement für ein einheitliches Europa zu fördern. Die Vereine organisie-

|| 36 Genaueres unter: http://www.bild-documents.org/ (letzter Zugriff am 04.03.2018). 37 Genaueres unter: https://www.guez-dokumente.org/ (letzter Zugriff am 04.03.2018).

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ren für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre dreiwöchige deutsch-französische Treffen in beiden Ländern, bei denen die Sprachvermittlung einen besonders wichtigen Platz einnimmt, und bieten für junge Menschen bis 27 Jahre Seminare zu gesellschaftlichen Themen sowie Vorträge und Debatten zu aktuellen Themen an. Darüber hinaus bilden sie junge Gruppenleiter und Sprachmittler aus, die bei den deutsch-französischen Jugendbegegnungen für Sprachanimation und unterschiedliche Aktivitäten eingesetzt werden. Im universitären Bereich ist für die Förderung des Deutschen eine wichtige deutsch-französische Institution zu nennen: die Deutsch-französische Hochschule (DFH)38, ein Verbund von Universitäten aus Deutschland und Frankreich39 mit Verwaltungssitz in Saarbrücken, der 1997 durch ein Regierungsabkommen, das Abkommen von Weimar, gegründet wurde und zwei Jahre später Wirklichkeit wurde. Die DFH hat eine Expertenfunktion, sie fördert die Beziehungen und den Austausch und unterstützt (nach strengen Kriterien) finanziell die Zusammenarbeit zwischen deutschen und französischen Hochschulen in der Lehre und in der Forschung. Die betreffenden binationalen Studiengänge oder Forschungsprogramme, die die Mobilität von Studierenden und Forschern erleichtern, sichern gleichzeitig einen fachlichen, sprachlichen und interkulturellen Mehrwert. Über die finanziellen Vorteile hinaus wird die Förderung durch die DFH als anerkanntes Gütezeichen für die betreffenden Programme und Aktionen betrachtet. Auf einer anderen Ebene ist hier noch die Rolle eines vom DAAD geförderten Zentrums für Deutschlandstudien zu erwähnen: Das „Interdisziplinäre Zentrum für Deutschlandstudien und -forschung“ (Centre interdisciplinaire dʼétudes et de recherches sur lʼAllemagne, CIERA), ein Verbund von zwölf Universitäten, 2001 gegründet, mit Sitz in Paris. Es unterstützt deutsch-französische Kooperationsprojekte in unterschiedlichen Bereichen der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie auch der Rechtswissenschaft. Es werden u.a. Stipendien für Forschungsaufenthalte von Masterstudierenden oder Promovierenden aus allen Fächern vergeben, die zu einem deutschlandbezogenen Thema arbeiten. Darüber hinaus werden zweijährige Forschungs- und Ausbildungsprogramme finanziert, die den Teilnehmern aus Deutschland und Frankreich (DozentInnen, Promovierende und Postdocs) die Möglichkeit zu einem regelmäßigen Austausch im Rahmen von gemeinsamen Seminaren, Workshops

|| 38 Die französische Bezeichnung lautet „Université franco-allemande“ (UFA). 39 Anfang 2018 sind es 81 Mitgliedsuniversitäten aus Deutschland, 81 aus Frankreich und 28 sog. Drittlandhochschulen. Weitere Informationen sind erreichbar unter: https://www.dfhufa.org/ueber-die-dfh/im-ueberblick/ (letzter Zugriff am 04.03.2018).

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oder Kolloquien geben. Solche grenzüberschreitenden und interdisziplinären Netzwerke sind insbesondere der Nachwuchsförderung gewidmet; zu diesem Zweck bietet das CIERA auch Seminare für angehende DoktorandInnen und für Postdocs an, mit dem Ziel, ihnen den Weg durch das Promotionsstudium zu erleichtern bzw. sie auf den Berufseinstieg im deutsch-französischen Umfeld vorzubereiten. Die weiteren beiden Institutionen sind nicht ausschließlich frankreichorientiert, bei der Förderung der deutschen Sprache spielen sie aber in Frankreich eine wichtige Rolle. – Durch den Einsatz seiner zahlreichen LektorInnen40 an Universitäten und Hochschulen unterstützt der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), eine weltbekannte Institution, seit über 60 Jahren41 die deutsche Sprache in Frankreich. Ziel ist sowohl die Sprache als auch die Kultur zu vermitteln. Im Rahmen eines äußerst selektiven Verfahrens ausgewählt, arbeiten die DAAD-LektorInnen zum größten Teil an den germanistischen Instituten, aber sie unterrichten auch Deutsch als Fremdsprache für Studierende aus anderen Fachrichtungen, oder sie sind als „FachlektorInnen“ an anderen Instituten und erteilen einen deutschlandbezogenen Unterricht in spezifischen Fachdisziplinen wie Jura, Geschichte, Geistes- und Wirtschaftswissenschaften, Übersetzung und Didaktik. Außerdem sind sie Ansprechpartner bei der Studien- und Stipendienberatung für Studierende, die in Deutschland weiterstudieren wollen. Darüber hinaus bietet der DAAD Stipendien auf mehreren Niveaus, sowohl fürs Studium als auch für die Forschung. Besonders erwähnenswert ist die Individualförderung mit einerseits dem Programm für „deutsch-französische Experten“, das Studierenden im 3. und 4. Semester ein Semester an einer deutschen Universität mit einem spezifischen Programm ermöglicht, und andererseits Stipendien für Sprachkurse, die zum Teil auf Nicht-Germanisten beschränkt sind. Die Förderung von Studenten und Graduierten außerhalb der Germanistik für ein Studium in Deutschland ist ein wichtiger Schwerpunkt beim DAAD, der sich dafür einsetzt, dass die StipendiatInnen einen entsprechenden Deutschkurs sowohl bei der Vorbereitung des Aufenthalts als auch als begleitenden Unterricht während des Aufenthalts bekommen.

|| 40 Mit derzeit knapp 50 DAAD-Lektoren hat Frankreich weltweit die größte Anzahl. 41 Die Neugründung des DAAD erfolgte 1950. Der „Akademische Austauschdienst e.V.“ war 1925 gegründet worden; eine erste Außenstelle in Paris gab es schon 1930.

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Was das Goethe-Institut betrifft, musste Frankreich in den letzten 20 Jahren leider viele Schließungen erleben, die nicht ohne Folgen geblieben sind. Das Wirken des Goethe-Instituts in den Bereichen Sprache und Kultur war und ist vor allem für DeutschlehrerInnen eine wichtige Ergänzung zu ihrer eher spärlich ausfallenden didaktischen Grundausbildung. Auch wenn die Teilnahme französischer Deutschlehrender an weiterbildenden Sommerkursen nach wie vor gefördert wird, hat sich in manchen Gegenden der Alltag der DeutschlehrerInnen geändert. Hinzu kommt die Tatsache, dass die GoetheInstitute eine Rolle bei der Aus- und Weiterbildung von Grundschullehrern für das Früherlernen von Deutsch gespielt haben. Dass aber die Abschaffung der classes bilangues in manchen Regionen 2015 von offizieller Seite mit dem Fehlen eines Goethe-Instituts in Verbindung gesetzt und begründet wurde 42, ist ein sehr unfaires Argument, das leider einen eher negativen Eindruck über den angeblichen politischen Willen hinterlässt. Die deutsch-französischen Kulturzentren, die es heute in manchen französischen Regionen gibt (z.B. in Tours, Nantes, Dijon, Nizza) bieten Sprachkurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an.

Abschließend noch ein Blick auf zwei verschiedene deutsch-französische Institutionen, die die deutsche Sprache unterschiedlich vertreten und fördern. – Das Heinrich-Heine-Haus in Paris, eine 1956 gegründete deutsch-französische Stiftung, ist sowohl ein Unterbringungsort für Studierende und ForscherInnen aus allen Ländern als auch ein deutsch-französisches Kulturzentrum, das eine Bibliothek besitzt und Veranstaltungen wie Ausstellungen, Konzerte, Diskussionen, Lesungen u.Ä. regelmäßig anbietet. Es finden dort auch Sprachkurse vom Goethe-Institut statt, und das Heinrich-Heine-Haus ist die Anlaufstelle für die Initiative „mobiklasse.de“, mit der an Schulen für die deutsche Sprache geworben werden kann. – Last, but not least: Der 1991 durch einen Staatsvertrag gegründete deutschfranzösische Kultursender Arte43 unterstützt indirekt die deutsche Sprache. Schwerpunkte sind Kultur und Europa, u.a. mit wertvollen Dokumentationen und Filmen. Die Programme sind über Satellit, Kabel und Internet frei verfügbar. Viele Sendungen können in beiden Sprachen gehört werden. Die sehr populäre humorvolle Sendung „Karambolage“ befasst sich ab und zu

|| 42 Vgl. den oben erwähnten ADEAF-Bericht, S. 4: http://adeaf.net/IMG/pdf/entretien_cr22_juin_2016-def.pdf (letzter Zugriff am 05.03.2018). 43 Der Name ist die Abkürzung der französischen Bezeichnung „Association Relative à la Télévision Européenne“.

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direkt mit sprachlichen Aspekten, die in der jeweiligen Kultur und Gesellschaft fest verankert sind, in der Sendung aber aus der Fremdperspektive betrachtet und erklärt werden, wie z.B. die Wörter gemütlich, Salopette, Kiosk, abendfüllend, oder die Paare Stillleben – nature morte, Schublade – tiroir u.v.a.

3 Fazit und Ausblick Frankreich hat die besten Ausgangsbedingungen für eine gelungene Förderung des Deutschen: Das Land hat eine gemeinsame Grenze mit Deutschland und hat zwei wichtige Dialekte, für die Deutsch die Referenzsprache ist; die deutsch-französischen Freundschaftsbeziehungen stehen nach wie vor hoch im Kurs und die zahlreichen Förderinstitutionen sind wichtige Partner; außerdem hat die französische Germanistik eine lange Tradition. Die Schwierigkeiten, die heute bestehen, liegen einerseits an einer falsch verstandenen Konkurrenz mit dem Englischen und andererseits an dem relativ niedrigen Stellenwert der Fremdsprachen im Schulsystem (sowie zum Teil auch in der Gesellschaft). Über die Förderungsmaßnahmen hinaus bedarf es einer neuen Sichtweise oder gar eines Umdenkens. Wenn Englisch sich heute als Lingua franca durchgesetzt hat und den Zugang zu den Firmen erleichtert, ermöglicht Deutsch den richtigen, offenen und vertraulichen Umgang mit den Menschen und dadurch auch eine bessere Kenntnis des Landes. Der weitverbreiteten Vorstellung, in Deutschland würden alle Menschen Englisch sprechen und Deutsch wäre nicht mehr notwendig, muss dringend entgegengewirkt werden, nicht zuletzt durch das Sprachverhalten der Deutschen selbst.

Literaturverzeichnis Ammon, Ulrich (2017): Deutsch als nationale und internationale Wissenschaftssprache. Überblick über die Geschichte und über Probleme und Chancen der Gegenwart. In Dietmar Goltschnigg (Hrsg.), Wege des Deutschen. Deutsche Sprache und Germanistik-Studium aus internationaler Sicht, 115–124. Tübingen: Stauffenburg. Bourdieu, Pierre & Jean-Claude Passeron (1964): Les Héritiers. Les étudiants et la culture. Paris: Minuit. [Deutsche Übersetzung: Die Erben: Studenten, Bildung und Kultur. Konstanz: UVK, 2007]. Dalmas, Martine (2017): Deutsche Sprache und Germanistik in Frankreich – Gründe der Krise, Engpässe, Auswege. In Dietmar Goltschnigg (Hrsg.), Wege des Deutschen. Deutsche Sprache und Germanistik-Studium aus internationaler Sicht, 159–165. Tübingen: Stauffenburg.

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Eichinger, Ludwig (2014): Die deutsche Sprache in einer post-eurozentrischen multipolaren Welt. Sociolinguistica 28, 53–68. Geiger-Jaillet, Anémone & Gerald Schlemminger (2014): Enseigner sa discipline dans une langue 2. Nouvelle formation continue pour le second degré en Alsace. Tréma 42, 138– 153. Morgen, Daniel & Armand Zimmer (2009): Lʼenseignement de la langue régionale en Alsace et en Moselle. Tréma 31, 109–118.

Nicola McLelland

Förderung von DaF in Großbritannien 1 Einleitung Die folgende Darstellung bezieht sich in ihren Details vorwiegend auf England. Innerhalb von Großbritannien hat Schottland die politische Hoheit über ein eigenes Bildungssystem; auch Wales und Nordirland haben eine gewisse Autonomie im Bereich der schulischen Bildungspolitik, und in Wales ist die Lage auch deswegen anders, weil Walisisch in englischsprachigen Schulen bis zum Alter von 16 Jahren Pflichtfach ist und damit schon den Platz einer „ersten Fremdsprache“ im Curriculum einnimmt. Eine 2015 angekündigte „Bilingualism plus 1“-Strategie in Wales will das Erlernen einer Fremdsprache von der Grundschule bis 16 zwar „fördern“, aber nicht zum Pflichtfach machen (Welsh Government 2015). Trotz vieler Unterschiede in den Details ist die Stellung von Deutsch in England und in den anderen Nationen von Großbritannien aber ähnlich – und steht ähnlich unter Druck. Es soll auch angemerkt werden, dass England, Wales und Nordirland wiederum jeweils in zahlreiche Local Education Authorities (LEAs) aufgeteilt sind, die eine gewisse Autonomie bei der Verteilung ihrer Ressourcen genießen; eine weitere und zunehmend große Anzahl an Schulen haben den Status einer academy angenommen, was sie von der Aufsicht der LEAs befreit. Die Entscheidungen, ob etwa einE MusiklehrerIn oder einE DeutschlehrerIn eingesetzt werden soll, sind damit also den einzelnen Schulen überlassen. Die staatlichen Prüfungen werden zwar von einem nationalen Office of Qualifications and Examinations Regulation (kurz Ofqual) reguliert, werden aber von mehreren Examining Boards organisiert (in England hauptsächlich drei), die ihrem Ursprung nach regional waren, aus denen aber Schulen inzwischen in einem sozusagen „freien Markt“ wählen können. Die Boards unterscheiden sich leicht in der Umsetzung der Richtlinien des 1998 für England eingeführten National Curriculums (das übrigens von Privatschulen, die ca. 5% aller SchülerInnen bilden, nicht befolgt werden muss). Auch die Frage, wie viel Zeit jedem Fach zugeteilt wird, ist einzelnen Schulen überlassen. Dies alles führt zu einer äußerst fragmentierten Landschaft, wo wesentliche Fragen – welche Fächer unterrichtet werden, was in einem Fach unterrichtet

|| Nicola McLelland, Universität Nottingham, England, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-037

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wird, für wie lange, und wer unterrichtet wird – alle von unterschiedlichen EntscheidungsträgerInnen auf unterschiedlichen Niveaus bestimmt werden. So variiert in England die Proportion aller Sechzehnjährigen, die sich für eine Fremdsprache bei den nationalen GCSE-Prüfungen1 anmelden, je nach Local Education Authority zwischen 13% und 70% (Tinsley & Board 2017: 18). Jeder Versuch, in diesem Kontext DaF durch entscheidende Eingriffe in eine gewisse Richtung zu fördern, war schon immer, ist und bleibt eine große Herausforderung.

2 Die Geschichte von Deutsch als Fremdsprache und von der Germanistik in Großbritannien Deutsch wird seit dem 17. Jahrhundert in Großbritannien mehr oder weniger systematisch gelehrt und gelernt – siehe dazu McLelland (2015a) und Ortmanns (1993); auch die neuere Geschichte von DaF in England ist relativ gut erforscht (Jaworska 2009; Reershemius 2010). Zunächst auf wenig Interesse stoßend – der Autor der ersten Grammatik für englischsprachige Lerner Martin Aedler (1680) machte Bankrott, nachdem er die Veröffentlichung des Buches selbst finanziert hatte (Van der Lubbe 2007: 72, 104) – gewann Deutsch schnell im Laufe des 18. Jahrhunderts an kulturellem Prestige. Hierbei spielten sowohl die Tatsache, dass die Monarchie seit 1714 in den Händen des Hannover’schen Hauses lag, als auch das im späteren 18. Jahrhundert in ganz Europa heranwachsende Profil deutscher Literatur und deutscher Wissenschaften eine Rolle. Auch das Prestige der Grand Tour als Abrundung einer Elitenbildung, in der Sprachkenntnisse von Vorteil waren, spielte eine Rolle. Deutsch stand also strategisch gut da, als es im 19. Jahrhundert galt, die Disziplin der „Modern Languages“ als Pendant zu Latein und Griechisch zu etablieren, getragen von einer ersten Generation von gut ausgebildeten Fachspezialisten; hierzu kam auch die internationale Vorrangstellung deutscher Experten sowohl in der historischen Philologie als in der Pädagogik. Viele führende Figuren der Reformbewegung in der britischen Fremdsprachenpädagogik des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts waren deutsch oder deutscher Abstammung, darunter Mary Brebner, Karl Breul, Otto Siepmann und Walter Rippmann (siehe McLelland 2012; zu Breul siehe auch Paulin 2010). Auch dies wird dem Status von Deutsch als zweiter Fremdsprache nach Französisch nicht geschadet haben. Modern Languages bedeutete im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Praxis fast immer „Französisch und Deutsch“ || 1 GCSE = General Certificate of Secondary Education.

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(McLelland 2014). Eine Herausforderung für Deutsch als Schulfach in Großbritannien stellten im 20. Jahrhundert aber die populären Perzeptionen der Deutschen und von Deutschland dar. Deutsch als Schulfach hat schon im ersten Weltkrieg gelitten, hat sich aber relativ schnell erholt; das Image-Problem von Deutsch dauerte jedoch nach dem zweiten Weltkrieg viel länger an (McLelland 2014: 139–143; McLelland 2015a: 277–293). Noch in den 1980er und 1990er Jahren wurden die Deutschen in den populären Medien allzu oft als autokratisch und stereotypisch militärisch dargestellt, und Deutschland blieb als Erbfeind Großbritanniens in der öffentlichen Erinnerung sehr präsent (Hughes 1994). Erst in den letzten etwa 15 Jahren scheint dieses Image in den Hintergrund gerückt zu sein. Dabei haben internationale PR-Erfolge wie die 2006 in Deutschland so erfolgreich veranstaltete Fußball-Weltmeisterschaft durchaus eine Rolle gespielt; auch die vom British Museum veranstaltete und sehr erfolgreiche Ausstellung Memories of a Nation und die begleitenden Radiosendungen (2014–2015) luden zu einer neuen und eher positiven oder zumindest sympathischen Bewertung von Deutschland und seiner Geschichte ein. Trotz den zum Teil negativen populären Perzeptionen von Deutschland und von Deutsch blieb die Stellung von Deutsch als traditioneller zweiter Fremdsprache nach Französisch (das allerdings schon immer mit einem Vorsprung von fast tausend Jahren Sprachlerntradition bei den EngländerInnen den deutlichen Vorrang genoss) das 20. Jahrhundert hindurch unangefochten. Erst in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde Deutsch eingeholt von Spanisch, das 2001 erstmals die zweitbeliebteste Fremdsprache in den GCSEs wurde. Seitdem sinkt die Anzahl der Deutschlernernden kontinuierlich, sowohl absolut, als auch als Proportion aller Prüfungsanmeldungen in den Fremdsprachen. Neben dem Status der Modern Languages als Teil einer guten humanistischen Bildung existierte mindestens seit dem 17. Jahrhundert auch ein gewisser Bedarf an Deutsch für kommerzielle Zwecke (McLelland 2015b: Abschnitt 6), wobei die praktischen kommunikativen Fähigkeiten mehr im Vordergrund standen und stehen als die Vermittlung einer Einsicht in die kulturellen Errungenschaften eines benachbarten und mit England verbrüderten Nationalstaats. Schon vor hundert Jahren wurde im Leathes Report von 1918 die grundsätzliche Frage thematisiert, inwiefern der Fremdsprachenunterricht dem Humboldtʼschen humanistischen Ziel einer humanen Bildung dienen soll (die der Literatur und der hohen Kultur generell viel Platz einräumt), und inwiefern er den Wünschen etwaiger zukünftiger Arbeitgeber dienen soll (was die freie Sprech- und Schreibfähigkeit und u.U. Wirtschaftsdeutsch privilegiert). Diese Spannung zwischen schwer miteinander zu vereinbarenden Zielen bleibt bis heute ungelöst.

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Die Anzahl der Deutschlernenden in den Schulen ist seit den 1960er Jahren deutlich angestiegen durch die Etablierung von comprehensive schools (sprich etwa Gesamtschulen). Die comprehensive schools endeten die Trennung zwischen einer kleinen in „grammar-schools“ zu bildenden akademischen (und vorwiegend auch sozialen) Elite und der Mehrheit der SchülerInnen, die sog. „secondary modern schools“ besuchten. In comprehensive schools wurden Sprachen erstmalig allen angeboten, und PädagogInnen wie Eric Hawkins befürworteten energisch den Wert, auch in einem anglophonen Land, des sogenannten „language learning for all“. Sprachlernen förderte laut Hawkins sowohl ein allgemeines Sprachbewusstsein als das Wissen um – und ein kritisches Auseinandersetzen mit – Kultur(en) (Hawkins 1987). Schnell wurde aber erkannt, dass die Bedürfnisse der akademisch begabteren (oder sozial privilegierteren) und der akademisch schwächeren LernerInnen sehr unterschiedlich sind, was zu einer Ausdifferenzierung in den Prüfungen führte (etwa Foundation und Higher tiers bei den GCSEs). Eine solche Ausdifferenzierung ist aber teuer und macht es noch schwieriger, die hypothetische „eigentliche“ Mission des Fremdsprachenunterrichts in den Schulen zu definieren und einer skeptischen Bevölkerung und/oder Regierung gegenüber zu artikulieren. Beginnend in den 1960er Jahren und zunehmend seit den 1980er Jahren dominieren dennoch kommunikative Unterrichtskonzepte, welche den Wert auf die Sprech-, Hör-, Schreib- und Lesefertigkeiten legen und die Auseinandersetzung mit literarischen Texten oder anderen kulturellen Produkten bis zur A-Level-Prüfung (für Achtzehnjährige) mehr oder weniger komplett verschiebt. Die Diskussionen über dieses Modell sind noch immer aktuell. Durrell (2017: 135) etwa bemängelt den zu großen Fokus auf das Schriftliche im A-Level, andere Stimmen aber befürchten, dass zu viel des akademisch Herausfordernden und intellektuell Anregenden aus dem Fach verloren ginge, was die Fremdsprachen ihre begabtesten LernerInnen kostet. Im Jahr 2014 wurden in einem Review die fremdsprachigen Lehrpläne als eher „fade und uninteressant“ („rather dull and uninspiring“) charakterisiert (ALCAB 2014: 2). Die seither neu eingeführten Lehrpläne und Prüfungen sind akademisch anspruchsvoller, was von manchen Lehrenden sehr begrüßt wird, andere Lehrende aber in pure Verzweiflung versetzt angesichts der für ihre Lernergruppen scheinbar schier unerreichbaren Standards.

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3 Deutsch in den Grundschulen Der Vorschlag des Europarates von „Muttersprache + 2 Fremdsprachen“ wurde in Großbritannien zwar nicht adoptiert, doch die Empfehlung, mit einer Fremdsprache schon in der Grundschule anzufangen, wird neuerdings verschieden umgesetzt. In Schottland werden laut einer bis 2020 komplett durchzuführenden Strategie ab 5 Jahren Fremdsprachen unterrichtet, in Wales ist eine Fremdsprache ab dem fünften Schuljahr vorgesehen. In England ist eine Fremdsprache seit 2014 für „Key Stage 2“ (Kinder im Alter von 7 bis 11 Jahren) obligatorisch. Während umstritten bleibt, inwiefern ein Frühstart bei Fremdsprachen wirklich einen Vorteil für die Erwerbsleistungen darstellt (Tinsley & Comfort 2012), bestehen auf jeden Fall Nachweise aus Großbritannien, dass ein Frühstart positive Einstellungen den Fremdsprachen gegenüber fördern kann; vielleicht genauso wichtig ist in Großbritannien die Hoffnung, die zentrale Stellung der Fremdsprachen im Lehrplan von Anfang an möge die in der breiten Gesellschaft tief verwurzelte Auffassung von Fremdsprachen als Luxusfach ändern.2 Jedoch bestehen noch Hürden, nicht zuletzt der Mangel an adäquat ausgebildeten LehrerInnen in den Grundschulen. Tinsley & Board (2017: 5) stellen diesbezüglich eine „bescheidene, aber erkennbare“ Verbesserung fest („modest but identifiable improvement“): seit 2014 ist die Proportion an LehrerInnen, die in der Grundschule eine Fremdsprache mit nicht mehr als einer GCSE-Qualifikation unterrichten, von 31% auf 28% leicht zurückgegangen, während der Anteil jener, die entweder zweisprachig sind oder einen Studienabschluss in der Sprache besitzen, von 42% auf 46% angestiegen ist. Deutsch hat allerdings nicht sonderlich profitiert von dieser Expansion der Sprachen in die Grundschulen. Unter den Schulen, die auf das 2016-17 Language Trends Survey geantwortet haben, wird in 77% Französisch unterrichtet, in 27% Spanisch und in nur 5% der Schulen Deutsch, kaum mehr als die 4%, die Chinesisch anbieten. Diese Proportion ist in den letzten Jahren bei 4-6% für Deutsch relativ stabil geblieben (Tinsley & Board 2017: 26-27). Die Wahl der Sprache in einer Schule ist oft durch sehr konkrete praktische Faktoren bedingt, wie die Verfügbarkeit von Lehrkräften, die die entsprechenden Sprachkompetenzen besitzen, bzw. die Kosten einer etwaigen zusätzlichen Lehrkraft mit der notwendigen

|| 2 Es sei hier angemerkt, dass in einer von YouGov ausgeführten Umfrage 75% der Befragten angaben, keine Fremdsprache so weit zu beherrschen, dass sie ein Gespräch führen könnten. Gefragt wurde: „Which, if any, of the following languages can you speak well enough to hold a conversation? (Please tick all that apply)“ (British Council 2017: 17).

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Qualifikation. Dies scheint gerade für Deutsch problematisch zu sein: sehr wenige GrundschullehrerInnen verfügen über adäquate Deutschkenntnisse und Schulen berichten zunehmend von Schwierigkeiten, gut ausgebildete Deutschlehrkräfte zu rekrutieren (Tinsley & Board 2017: 28, 87). Im Kontrast dazu wird die Expansion vom Chinesisch-Angebot in den Schulen durch Chinas Han Ban-Programm energisch gefördert über die zahlreichen an Universitäten affiliierten Confucius-Institute, die in den letzten Jahrzehnten etabliert wurden und die ihren lokalen Schulen muttersprachliche Lehrkräfte kostenlos zur Verfügung stellen.

4 Deutsch in Sekundarschulen Auch in den Sekundarschulen stehen die Fremdsprachen insgesamt relativ schwach dar. Nur 49% aller SchülerInnen im GCSE-Jahrgang von 2016 hatten eine Fremdsprache als Fach (Tinsley & Board 2017: 23). In Wales hatten 2017 nur 18,6% aller SchülerInnen eine Fremdsprache als Fach in den GCSE-Prüfungen; nur 14% haben mit gut oder besser bestanden. Auch die Zahl der SchülerInnen, die mehr als eine Fremdsprache lernt, wird Jahr für Jahr geringer. Französisch wird noch in 94% der staatlichen und 97% der gebührenpflichtigen Schulen unterrichtet; für Spanisch liegen die Zahlen bei 79% und 86%, aber für Deutsch bei nur noch 44% in staatlichen Schulen und 74% der (viel weniger zahlreichen) Privatschulen, so dass Deutsch insgesamt an Boden verliert und außerdem zunehmend die Stellung eines Elitenfaches einnimmt (Tinsley & Board 2017: 55, Grafik 39). Bei den GCSE-Prüfungen (im Alter von 16 Jahren) hat Spanisch Deutsch als zweite Fremdsprache nach Französisch erstmals 2001 ersetzt. Die Anzahl der KandidatInnen für Deutsch in den Prüfungen in diesem Alter hat sich zwar mehr als versiebenfacht zwischen 1938 und 1985, und für die A-Levels (wobei die KandidatInnen in der Regel höchstens 3 bis 4 Fächer wählen) war der Anstieg noch größer: fast neunfach (McLelland 2015a: 157–160). Jedoch ist dieses Wachstum vor allem durch ein höheres Schulabgangsalter zu erklären; immer mehr SchülerInnen bleiben länger im Schulsystem. Der Anteil der Anmeldungen für Deutsch im Alter von 16 ist ständig zurückgegangen (von 1,9% im Jahr 1938 auf 1,2% im Jahr 1985). Zwischen 2010 und 2016 sind die Anmeldungen für Deutsch beim GCSE um noch weitere 27% gesunken (für Französisch steht der Verlust bei 15%, während die Anmeldungen für Spanisch um 50% anstiegen) (Tinsley & Board 2017: 18). Bei den A-Levels ist ein Rückgang der Anmeldungen für Deutsch von 2,4% im Jahr 1938 auf 1,9% im Jahr 1965, 1,3% im Jahr 1985 und auf nur noch 0,6% bis 2005 festzustellen – ein Marktanteil-Verlust von 75% innerhalb eines Dreivierteljahrhunderts. Zwischen 1996 und 2005 halbierte sich die Zahl der

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A-Level-Anmeldungen für Deutsch von 9300 auf 5200, und 2016 stand die Zahl mit 3400 bei kaum mehr als einem Drittel der Anmeldungen von vor 20 Jahren (Tinsley & Board 2017: 20). Die Zahl der KandidatInnen für Sprachen insgesamt geht weiterhin zurück. Die Mehrzahl (64%) der KandidatInnen ist weiblich; SchülerInnen an Privatschulen sind mit 32% proportional stark überrepräsentiert (während nur 18% aller SchülerInnen in diesem Alter eine Privatschule besuchen). Fremdsprachen machen nur noch 3,8% aller A-Level Prüfungsanmeldungen aus. Das bedeutet, dass weniger als eine(r) von 26 SchülerInnen eine Sprache über ein geringes Niveau hinaus lernt (British Council 2017: 6). Einer der drei großen Exam Boards in England (Prüfungsagenturen), OCR, bietet nunmehr keine Prüfungen für Sprachen an, weder für GCSE noch für A-Level.3 Ein wichtiger Faktor beim Rückgang der Anmeldungen gerade für die A-Level-Prüfung ist das Problem der seit Jahren festgestellten sogenannten „strengen Benotung“ („severe grading“) in den Fremdsprachen und insbesondere in Deutsch, wobei relativ wenige KandidatInnen die allerbeste Note von A* bekommen, gemessen an anderen vergleichbaren Fächern mit ähnlich vielen leistungsstarken KandidatInnen.4 Die Unsicherheit über die Chancen eines A* (verglichen mit anderen Fächern) schreckt zunehmend viele leistungsstarke Lernende ab, da sehr gute Noten ein Kriterium sind für die Zulassung zu den begehrtesten Studiengängen an den besten Universitäten. Angesichts der schwachen Nachfrage bei GCSE und beim A-Level wird Deutsch in den staatlichen Sekundarschulen im Key Stage 3 (11–14 Jahre) immer seltener angeboten – in nur noch weniger als der Hälfte (Tinsley & Board 2017: 67), was wiederum den „Pool“ für Deutsch im Key Stage 4 (14–16, GCSE) weiter reduziert. Auch dort, wo Deutsch noch angeboten wird, berichten viele Schulen, dass das Fach im Stundenplan von Key Stage 3 weniger als zwei Wochenstunden hat (Tinsley & Board 2017: 61), obwohl der Teaching Schools Council ein Minimum von drei Wochenstunden empfiehlt, mit der Warnung, dass weniger als zwei Stunden den Erwerb solider Basiskenntnisse unwahrscheinlich macht (Tinsley & Board 2017: 60–61). Seit 2007 ist der Anteil an staatlichen Schulen, die Deutsch im Key Stage 4 anbieten, von 62% auf nur noch 50% gesunken; Spanisch

|| 3 Auch in Schottland herrscht Besorgnis über den andauernden Rückgang von Französisch und Deutsch bei den Standard Grade- (im Alter von 16) und Higher-Prüfungen (für Siebzehn- bis Achtzehnjährige) (British Council 2017: 6). 4 Die Details des Problems der strengen Benotung – und mögliche Erklärungen dafür – wurden 2016 in einem Brief vom University Council of Modern Languages (UCML) an Ofqual zusammengefasst (UCML 2016).

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konnte währenddessen einen Zuwachs von 56% auf 76% verzeichnen (Tinsley & Board 2017: 57). Angesichts der schwachen Nachfrage haben viele Schulen das Fach ganz gestrichen. Fast ein Fünftel der staatlichen Schulen, die früher Deutsch anboten, haben im neuesten Language Trends Survey angegeben, dass Deutsch nicht mehr im A-Level angeboten wird, und weitere 28% stellten einen Rückgang der Anmeldungen fest (Tinsley & Board 2017: 81). In den privaten (gebührenpflichtigen) Schulen ist der Rückgang zwar weniger stark, aber trotzdem auch dort ein Problem. Immerhin kommen 26% aller Anmeldungen aus diesen Privatschulen; 61% aller KandidatInnen sind weiblich (verglichen mit 64% für die Fremdsprachen insgesamt).

5 Deutsch und die Germanistik an Universitäten Der Rückgang an Deutschlernenden in den Schulen stellt eine direkte Existenzgefährdung für die Germanistik an den Universitäten dar. Insgesamt gehen die Anmeldungen für die fremdsprachlichen Fächer an den Hochschulen zurück. Während Bewerbungen für alle Fächer letztes Jahr um 5,4% gesunken sind, waren die europäischen Fremdsprachen überdurchschnittlich betroffen mit einem Rückgang von ca. 7% (UCML 2017). Darüber hinaus werden sogenannte SingleHonours-Studiengänge in den Fremdsprachen (d.h. auf ein einziges Fach spezialisiert) immer seltener gewählt. Wenn Sprachen überhaupt gewählt werden, dann zunehmend in Joint Honours- oder Combined Honours-Kombinationen (sprich in Studiengängen von zwei oder drei Fächern), was den Spielraum für „eigentliche“ Germanistik neben dem obligatorischen Spracherwerb einschränkt. Wie die British Academy (2014: 12) berichtete, ist die Stellung der Germanistik an den Universitäten deutlich geschwächt und die Anzahl der Universitäten, die einen Studiengang in Germanistik anbieten, ist seit der Jahrhundertwende stark zurückgegangen. Man kann zwar die Gesundheit des Faches nicht mehr an der Existenz eines eigenständigen Deutschseminars messen, da diese fast überall in den letzten Jahren in größere Modern Languages-Seminare inkorporiert wurden. Aber während 2002 noch 87 Heads of German zum vom DAAD veranstalteten Jahrestreffen der universitären Germanistik eingeladen wurden, ist diese Liste 2017 auf nur noch 37 Namen geschrumpft (DAAD, private Korrespondenz). Diejenigen Universitäten, an denen Germanistik als Fach noch existiert (immerhin fast alle der 24 in der sog. Russell Group der „forschungsintensiven“ Universitäten), bieten inzwischen wohl alle nun auch ab initio Studiengänge an, was allerdings mehr Zeit für einen intensiveren Sprachunterricht verlangt und wiederum weniger Platz im Studiengang für die Germanistik an sich

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übrig lässt. Dies verschiebt das Gleichgewicht von forschungsaktiven GermanistInnen und Sprachlehrkräften noch mehr zugunsten der auf den Sprachunterricht spezialisierten Lehrkräfte, für die keine Forschungstätigkeit zur Rolle gehört, oder wenn, dann höchstens im Bereich der Sprachpädagogik. Das wird somit langfristig die kritische Masse an Forschung in der vollen Breite der Germanistik weiter reduzieren. Eine Möglichkeit, Deutsch und die Sprachen generell an den Universitäten zu stärken, liegt in den Internationalisierungsstrategien, die in den letzten Jahren von fast allen Universitäten formuliert wurden, die nicht nur internationale Studierende (und ihre hohen Studiengebühren) für sich gewinnen wollen, sondern auch möglichst vielen StudentInnen eine internationale Erfahrung bieten wollen. Hier gilt es, die deutschsprachigen Länder als attraktive Partner für solche Programme noch mehr in den Vordergrund zu stellen, etwa durch mehr Stipendien für Sommerkurse oder andere kurzfristige Programme. Die Aspiration, Studierende mit globalem Ausblick zu bilden, könnte auch die Stellung von Deutsch (und von anderen Sprachen) in universitären Sprachlernzentren stärken, wird aber nichts für die Germanistik also solche tun – und damit auch nichts für die fragile pipeline von hochqualifizierten Lehrkräften für den schulischen und universitären Unterricht. In den Sprachkursen, die von Studierenden aus allen Fachrichtungen auch ohne Vorkenntnisse (typischerweise als maximal 20 von 120 credits in einem Studienjahr) belegt werden können, wird Französisch von den meisten Hochschulen angeboten, während Spanisch von den meisten Studierenden gewählt wird (UCML-AULC 2017: 5). Deutsch steht auf dem vierten Platz, knapp hinter Chinesisch. Deutsch scheint seit 2013 etwas an Beliebtheit zu gewinnen – ungefähr die Hälfte der Hochschulen berichtete einen Aufschwung für Deutsch im Jahr 2016/2017. Als mögliche Gründe für dieses Wachstum wurden die wirtschaftliche Bedeutung Deutschlands genannt, die Arbeitsmarktfähigkeit sowie ein verstärktes Interesse internationaler Studierender der Ingenieurswissenschaften.

6 Die Förderung von Deutsch und von Fremdsprachen generell in Großbritannien Die miserable Stellung der Fremdsprachen generell im britischen Bildungssystem hat eine Vielfalt an energischen Reaktionen hervorgerufen. Zwischen 2006 und 2016 wurden eine Reihe von regionalen Routes into Languages-Programmen als Kooperationen verschiedener Universitäten mit lokalen Partnern

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vom Higher Education Funding Council for England finanziell unterstützt. Trotz unterschiedlicher Initiativen, von denen viele mindestens teilweise erfolgreich waren (wie etwa studentische Language Ambassadors in Schulen) und zum Teil noch laufen, ist es Routes into Languages aber nicht gelungen, dem Rückgang der Fremdsprachen einen Stopp zu setzen. Spezifisch für Deutsch unterstützt die deutsche Botschaft seit einigen Jahren eine Reihe von „German Networks“, Kollaborationen zwischen Germanistik-Abteilungen, Schulen und lokalen Partnern und Firmen, die sich das Ziel gesetzt haben, das Profil von Deutsch möglichst zu unterstützen und zu stärken. Die Association for German Studies (eine Organisation, die GermanistInnen an britischen und irischen Universitäten zusammenbringt) listet derzeit neun regionale Netzwerke auf (http://www.ags.ac.uk/?page_id=53 ), welche die Association for German Studies als „exciting collaborations between schools, cultural organisations and businesses“ charakterisiert: „At their heart the Networks support the study of German, working with teachers and pupils on inspiring activities rooted in local knowledge, but with European and global reach.“ Der Vorteil dieser regionalen Netzwerke liegt in der engen Zusammenarbeit auf lokaler Ebene; der deutliche Nachteil liegt darin, dass die Arbeit ähnlich distribuiert, wohl zum Teil auch dupliziert wird, und die Bürde von Initiativen wie Preisausschreibungen oft auf die Schultern von schon voll ausgelasteten LehrerInnen und DozentInnen fällt, ohne dass die Leistungen der Einzelinitiativen auf nationaler Ebene sichtbar würden. Zum Beispiel bietet das gut finanzierte Oxford German Network ein German Olympiad; sein Cambridger Pendant scheint weniger aktiv zu sein; andere Netzwerke veranstalten Wettbewerbe und Events unterschiedlicher Art. Ein koordiniertes nationales Programm, das etwa Initiativen wie den inzwischen gut bekannten HanBan Chinese Bridge Wettbewerb für gesprochenes Chinesisch (http://english.hanban.org/node_8080.htm) erlauben würde, besteht meines Wissens noch nicht. Hier könnten vergleichbare national koordinierte Wettbewerbe für Deutsch eventuell einen konkreten Unterschied machen. Gerade die direkte Konkurrenz mit Chinesisch, das zunehmend neben Deutsch als dritt- oder viertbeliebteste Sprache steht, muss erkannt werden. In den Sekundarschulen verspricht das vom englischen Department of Education initiierte „Mandarin Excellence Programme“ bis 2020 durch intensiven Chinesischunterricht mindestens 5000 SchülerInnen hin zur Flüssigkeit in Chinesisch („on track to fluency“) zu bringen (British Council o.D.). Neben der massiven Förderung von Chinesisch durch das Confucius Institute in Schottland sponsert seit 2016 auch das Großunternehmen John Swire & Sons den kostenlosen Chinesischunterricht in drei Sekundarschulen in South Edinburgh (http://www.swirecentreedinburgh.org.uk/).

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Auch die Krise der fremdsprachigen Fächer an den Universitäten hat eine Reaktion hervorgerufen, angefangen 2009 in einem Bericht zu den modernen Fremdsprachen im Hochschulwesen (Worton 2009). Das Arts and Humanities Research Council hat nach einem nationalen Wettbewerb ca. £20 Millionen in vier Forschungsprojekte investiert, die von 2016 bis 2020 laufen. Eines dieser vier Projekte wird von einer Germanistin geleitet (Creative Multilingualism, https://www.creativeml.ox.ac.uk/), in einem zweiten leitet eine Germanistin einen von insgesamt sechs Forschungssträngen (www.meits.org), aber alle vier Projekte sind multidisziplinär. Allen vier Projekten vom AHRC explizit als Aufgabe gesetzt ist die Wiederbelebung der fremdsprachlichen Disziplinen an den Universitäten und in den Schulen, was aber angesichts der oben in der Einleitung beschriebenen strukturellen Hindernisse und ihrer derzeit sehr schwachen Stellung eine riesige Herausforderung sein wird. Die British Academy hat eine Reihe von Berichten produziert, welche die Lobbyarbeit für die Fremdsprachen in der Regierung und bei anderen Meinungsbildnern unterstützen sollen (British Academy 2013a; b; 2014; 2016). Ein Bericht des British Council (2017) ist der bis jetzt am gründlichsten fundierte Versuch, den Wert der Fremdsprachen für Großbritannien auf der Grundlage möglichst soliden und breiten Beweismaterials zu demonstrieren. Es wurde Beweismaterial für zehn wirtschaftliche, kulturelle und bildungsbezogene Kriterien zusammengestellt: 1. das britische Exportgeschäft, 2. die Sprachbedürfnisse britischer Unternehmen, 3. die Handelsprioritäten der britischen Regierung, 4. Schwellenländer mit hoher Wachstumsrate, 5. diplomatische Prioritäten und Sicherheitsprioritäten, 6. das Interesse der breiten Öffentlichkeit (gemessen unter anderem an der Nachfrage nach Abendkursen in Volkshochschulen und Einrichtungen dergleichen), 7. die beliebtesten Reiseziele der BritInnen, 8. die Prioritäten der britischen International Education Strategy, 9. das Niveau der Englischkompetenzen in anderen Ländern und 10. die Verwendung der Sprachen im Internet. Gemessen an all diesen Maßstäben insgesamt steht Deutsch an fünfter Stelle auf der Liste der strategisch wichtigsten Sprachen, aber gemessen an der gewichteten Gesamtzahl der Punkte liegt Deutsch wesentlich hinter Spanisch und ist etwa mit Chinesisch vergleichbar: 1. Spanisch (76 Punkte), 2. Arabisch (54), 3. Französisch (47), 4. Chinesisch (Mandarin) (45,5), 5. Deutsch (43,5), 6. Portugiesisch (41), 7. Italienisch (22,5), 8. Russisch (19), 9. Türkisch (19), 10. Japanisch (17) (British Council 2017: 3, 17). Besonders nützlich in diesem British Council-Bericht ist die Zusammenfassung der Argumente für die jeweilige Fremdsprache. Besonders überzeugend sind, wie zu erwarten war, die wirtschaftlichen Argumente für Deutsch: Nach diesem Kriterium gemessen steht Deutsch sogar an erster Stelle (British

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Council 2017: 11, Tabelle 3). Deutsch steht auf dem zweiten Platz hinter Französisch auf der Liste der Sprachen, die britische Unternehmen in ihren Organisationen nützlich finden (45% der befragten Unternehmen, vgl. 49% für Französisch; British Council 2017: 24, 26). Dagegen steht Deutsch erst an siebter Stelle derjenigen Sprachen, die für das kulturelle Leben, für die Bildung und für diplomatische Zwecke von Bedeutung sind (British Council 2017: 15). Die Arbeitsmarktfähigkeit, die bereits oben als möglicher Faktor bei dem leichten Anstieg von Deutschlernenden in einigen universitären Sprachlernzentren erwähnt wurde, steht sehr hoch auf der Tagesordnung im britischen Bildungssystem, sowohl in den Schulen als auch an den Universitäten. Dabei werden neben der Sprachkompetenz in der Fremdsprache an sich zunehmend andere arbeitsrelevante Vorteile des Fremdsprachenlernens betont. Ein wohl typisches Beispiel ist der von der University of Nottingham entwickelte „Professional competences“-Referenzrahmen, der dem Wert der Sprachkenntnisse an sich Platz einräumt, der aber ebenfalls erkennt, dass das Erlernen einer Sprache neben ausgezeichneten Kommunikationsfähigkeiten (auch in der ersten Sprache) andere sog. „transferierbare Kompetenzen“ fördert (transferable skills), wie aktives Zuhören, Selbstvertrauen im Umgang mit anderen, Offenheit für andere Perspektiven und Problemlösungsfähigkeit, die alle von ArbeitgeberInnen geschätzt werden. Ernüchternd ist aber hier die Feststellung, dass rein „instrumentale“, ökonomische Argumente für das Fremdsprachenlernen und -studium, wie sie seit Jahrzehnten artikuliert werden, zwar für Entscheidungsträger von Gewicht sind, aber die Entscheidungen einzelner Lernender, Eltern oder Schulen anscheinend wenig beeinflussen (McLelland 2017: 191–193). Rein instrumentale Ansätze zum Fach und zu seiner Förderung, die der intellektuellen Entfaltung und Bildung des/der Einzelnen (im humanistischen Sinne) keine Rechnung tragen, riskieren sogar, für viele Lernende eine Fremdsprache noch weniger attraktiv zu machen im Vergleich zu anderen geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern wie Englisch, Geschichte, Psychologie oder Erdkunde.

7 Ausblick: Die Zukunft der Förderung von Deutsch in Großbritannien Wie kann Deutsch in Großbritannien in Zukunft gefördert bzw. vor einem weiteren Verlust an Boden geschützt werden? Erstens gilt es sicherlich, in der äußerst fragmentierten Landschaft der Bildungspolitik alle Bemühungen, den Wert der

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fremdsprachlichen Fächer zu profilieren, nach wie vor möglichst energisch zu unterstützen: politisch, kulturell und finanziell. Zweitens soll mittelfristig und langfristig die Bedeutung von Öffentlichkeitsarbeit über Deutschland – auch als Urlaubsziel – nicht unterschätzt werden. Die wachsende Beliebtheit von Spanisch in den letzten zwanzig Jahren hat anscheinend weniger mit der ökonomischen Bedeutung der spanischsprachigen Länder zu tun (ein Argument, das ja seit dem frühen 20. Jahrhundert wiederholt erfolglos avanciert wurde) und viel mehr mit dem stärkeren Profil von Spanien im Alltagsleben der BritInnen, nicht zuletzt als Urlaubsziel (McLelland 2017: 191–193). Drittens – und kurzfristiger – könnte die Arbeit der schon existierenden, aber regional fragmentierten German networks mittels einer stärkeren Koordinierung und besseren Finanzierung auf nationaler Ebene mehr zur Geltung gebracht werden. Man könnte auch das Profil der deutschen Sprachdiplome stärken – die Confucius-Institute bieten beispielsweise Gebührenerlassungen bei den HSK-Prüfungen für selektierte Anmeldungen. Viertens: unter den neun Empfehlungen zur Förderung der Sprachen im neuesten Bericht des British Councils zur Stellung der Fremdsprachen in Großbritannien (British Council 2017: 19–20) muss eine hier hervorgehoben werden: Angesichts der sehr beschränkten Budgets im Bildungssystem sollten Schulen „fully exploit the range of free or funded resources available to support language learning, which are available locally, online or through international links. These include language assistants, exchanges and overseas trips, and international cultural institutes in the UK“ (British Council 2017: 19). Die chinesische Regierung hat in diesem Klima das Potential eines kostenlosen Angebots gut erkannt und wird hier wohl schnell weiter an Boden gewinnen. Da Deutsch und Chinesisch zunehmend um den Platz der dritten Fremdsprache konkurrieren, ist dies für Deutsch sehr von Belang. Deutschland hat zurzeit nur zwei Goethe-Institute in Großbritannien – London und Edinburgh (neben Dublin in der irischen Republik) - die gegen die 29 Confucius-Institute mit ihrem Personal wohl kaum antreten können. Zwar kommen jährlich einige AssistentInnen für Deutsch in britische Schulen5, und zwar gibt es zurzeit 31 DAAD-Lektorate und drei DAAD-Assistenzstellen an britischen Universitäten (neben 11 österreichischen Lektoraten) (DAAD private Korrespondenz), aber auch sie können nicht mit der zentral organisierten kulturellen Diplomatie von China konkurrieren. Wie die deutsche Regierung auf diese Tatsache reagieren wird, bleibt abzuwarten.

|| 5 Auf meine Anfrage wollte das British Council die genaue Anzahl der Assistenzstellen für Deutsch leider nicht preisgeben.

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Torsten Leuschner, Henning Radke, Achim Küpper

Förderung von Deutsch als Fremd- und Amtssprache in den Benelux-Staaten 1 Einleitung Die drei Benelux-Staaten sind die Erben der historischen „niederen Lande“, deren Einheit-in-Vielfalt sich ab dem Spätmittelalter im nordwestlichen Grenzgebiet des Heiligen Römischen Reiches zum französischen Königreich herausbildete und im 19. Jahrhundert in die Gründung der Königreiche Niederlande und Belgien sowie des Großherzogtums Luxemburg mündete (Erbe 1993; Erbe 2009; Mak 2010). Dass die 1958/60 geschlossene, 2008/2012 erneuerte Benelux-Union zunächst „Wirtschaftsunion“ hieß und auf eine schon 1944 vereinbarte Zollunion zurückging, verweist auf die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit teilweise rohstoffarmer, miteinander eng verflochtener Volkswirtschaften, die über ein historisch gewachsenes Bewusstsein für Mehrsprachigkeit und den Nutzen von Fremdsprachenkenntnissen verfügen. Die geographische, ökonomische, kulturelle und z.T. sprachliche Nähe zu Deutschland fördert die Netzwerkbildung im Beruflichen und Privaten und sichert Deutsch in den drei Ländern eine relativ starke Stellung als Wirtschaftssprache, die in der Öffentlichkeit allerdings nicht immer ausreichend wahrgenommen wird und sich auch nicht überall angemessen im Bildungswesen widerspiegelt, zumal Deutsch weiterhin als eine schwer zu lernende Sprache gilt. Die Konkurrenz des Englischen als internationaler Lingua franca und Arbeitssprache vieler grenzüberschreitend aktiver deutscher Firmen (u.a. in den niederländischen und flämischen Nordseehäfen) sollte in diesem Zusammenhang nicht unter-, aber auch nicht überschätzt werden. Im Zusammenwirken mit den individuellen Ländergeschichten hat die Lage der Benelux-Staaten entlang der germanisch-romanischen Sprachgrenze unterschiedliche Funktionen des Deutschen zur Folge, wobei zwischen der Rolle des Deutschen als Amtssprache (in Ostbelgien sowie neben Französisch und Letzeburgisch in Luxemburg), als Unterrichtssprache (in Ostbelgien sowie insbesondere neben Französisch in Luxemburg) und als Fremdsprache (in den niederländisch- und französischsprachigen Teilen Belgiens sowie in den Niederlanden) zu

|| Torsten Leuschner, Universität Gent, Belgien, [email protected] Henning Radke, Universität Amsterdam, Niederlande, [email protected] Achim Küpper, Universität Luxemburg, Luxemburg, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-038

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unterscheiden ist. Entsprechend komplex und differenziert gestalten sich in den drei Ländern die Bildungslandschaften und mit ihnen die Möglichkeiten und Strategien zur Förderung des Deutschen, wie aus der nachfolgenden Darstellung der drei Länder (in der Reihenfolge Be-Ne-Lux) hervorgeht.

2 Belgien 2.1 Übersicht – Deutsch als Erst- und Amtssprache Die sprachen- und bildungspolitische Landschaft Belgiens ist mindestens ebenso komplex wie das belgische Staatsgebilde insgesamt (Abb. 1). Letzteres gliedert sich u.a. in drei territorial gebundene Sprachgemeinschaften: die Flämische (d.h. niederländischsprachige), die Französische und die Deutschsprachige Gemeinschaft. In sprachen- und bildungspolitischer Hinsicht besteht Belgien demnach aus drei einsprachigen Teilgebieten mit der jeweiligen Gemeinschaftssprache als Amts- und Unterrichtssprache. Hinzu kommt die Hauptstadtregion Brüssel, wo Französisch und Niederländisch gleichberechtigte Amtssprachen sind und der Bildungsbereich vom niederländischsprachigen und französischsprachigen Schulwesen nebeneinander abgedeckt wird. Wie der Fall Brüssel zeigt, ist die Gliederungsebene „Gemeinschaft“ nur teilweise deckungsgleich mit der Gliederungsebene „Region“. Dies gilt auch am deutschsprachigen Ostrand Belgiens: Die neun Gemeinden an der Grenze zu Deutschland zwischen Aachen und Luxemburg, die zusammen die Deutschsprachige Gemeinschaft (DG) bilden, liegen zugleich vollständig auf dem Gebiet der Region Wallonien. Anders als Brüssel gilt die DG (die sich nach außen inzwischen als „Ostbelgien“ präsentiert) jedoch nicht als zweisprachig. Vielmehr gelten in den neun Gemeinden sog. Spracherleichterungen (taalfaciliteiten, facilités linguistiques) für französischsprachige Einwohner, die dafür sorgen, dass Französisch bei Bedarf als subsidiäre Amtssprache behandelt werden kann. Abgesehen von französischsprachigen Zügen an einzelnen Primarschulen sowie der Möglichkeit, an Sekundarschulen Fachunterricht in begrenztem Maße auf Französisch durchzuführen, ist die Unterrichtssprache aber Deutsch. In allen anderen Teilen Belgiens ist Deutsch – wenn man von der Internationalen Deutschen Schule in Wezembeek-Oppem bei Brüssel absieht – ausschließlich Fremdsprache.

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Abb. 1: Belgien: Gemeinschaften und Regionen (http://www.ostbelgienlive.be/ – abgerufen 01.01.2018)

Das in Belgien randständige Gebiet der DG kam erst nach dem Ersten Weltkrieg zu Belgien und bildet mit knapp 77.000 Einwohnern die bei weitem kleinste der drei belgischen Sprachgemeinschaften (http://www.ostbelgienstatistik.be, abgerufen 30.12.2017; Niederländisch: ca. 6,5 Mio., Französisch: ca. 4,5 Mio.). Dank des ausgeklügelten belgischen Sprachenrechts, der deutschsprachigen Medien (zusätzlich zu den Medien der angrenzenden Bundesrepublik) und der Tatsache, dass ca. 95% der Einwohner Deutsch als Muttersprache haben, ist Deutsch in der DG soziologisch und institutionell fest verankert und ungefährdet. Dies ändert allerdings nichts daran, dass französisch- und niederländischsprachige Gesetzestexte weiterhin nicht konsequent ins Deutsche übersetzt werden und dass nur in der DG selbst erlassene Gesetze und Verordnungen in deutscher Fassung rechtsverbindlich sind. Als emergentes „Halbzentrum“ des Deutschen (Küpper, Leuschner & Rothstein 2017, dort auch weiterführende Literatur; Ammon, Bickel & Lenz 2016: Variantenwörterbuch des Deutschen, 2. Aufl.: LVIII) verfügt das ostbelgische Deutsch bisher auch nicht über einen eigenen kodifizierten Regionalstandard. Mittels einer Zentralen Dienststelle für deutsche Übersetzungen

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(http://www.scta.be, abgerufen 30.12.2017) wird jedoch die fachsprachliche Kodifizierung einer spezifisch belgisch-deutschen Rechts- und Verwaltungssprache vorangetrieben, bestehen hier doch noch gravierende Unstimmigkeiten zwischen der bundesdeutschen und der französisch-belgischen Terminologie. Förderungspotenzial gibt es auch im bildungspolitischen Bereich. Da die DG nicht über eine eigene Universität verfügt, haben deutschsprachige Lehrer ihre Fächer meist an französischsprachigen Hochschulen studiert, so dass manche das standardsprachliche Register des Deutschen sowie die jeweiligen fachspezifischen Terminologien und Diskurse nur ungenügend beherrschen. Aus sozioökonomischen Erwägungen orientiert sich die Bildungspolitik der DG allerdings primär am Ziel einer funktionalen deutsch-französischen Zweisprachigkeit und steht der teils beklagten Normunsicherheit und Schwäche bestimmter textlichdiskursiver Kompetenzen der Schüler (etwa im argumentativen Bereich) eine kompensatorische Stärkung anderer Kompetenzen gegenüber; in der Literatur wird deshalb vor unangemessenen Vergleichen mit einsprachigen Kontexten gewarnt und für eine eigene „Mehrsprachigennorm“ plädiert, die der Tatsache Rechnung trägt, dass Sprach- und Kulturkontakt in Ostbelgien Hand in Hand gehen (Riehl 2002: 76, 81).

2.2 Deutsch als Fremdsprache: Bildungswesen In der Flämischen und der Französischen Gemeinschaft Belgiens (Letztere präsentiert sich nach außen inzwischen als „Fédération Wallonie-Bruxelles“) wird Deutsch durchweg als Fremdsprache unterrichtet und kann in den allermeisten Fällen nur freiwillig gewählt werden (ggf. als Teil eines Fächerpakets). Seine Stellung wird geschwächt durch den Rückgang der Zahl der unterrichteten Deutschstunden, oft auf einen Minimalwert von 1–2 Wochenstunden über 1–2 Schuljahre. Nimmt man die beiden Gemeinschaften zusammen, lernten im Schuljahr 2015– 2016 von 773.192 SekundarschülerInnen 80.483 = 10,40% Deutsch. Dabei unterscheiden sich die Zahlen an niederländischsprachigen bzw. französischsprachigen Schulen jedoch ganz erheblich (http://onderwijs.vlaanderen.be/nl/onderwijsstatistieken bzw. http://etnic.be – beide abgerufen 30.12.2017): An den niederländischsprachigen lernten im selben Schuljahr 70.651 = 16,89% aller SekundarschülerInnen Deutsch (das hier gewöhnlich dritte Fremdsprache ist), an den französischsprachigen ganze 9.787 = 2,76% (wobei Deutsch als zweite oder gelegentlich dritte, in östlichen Provinzen auch öfters als erste Fremdsprache gewählt wird). Diese Zahlen sind das Ergebnis eines langfristigen, weiter fortschreitenden Rückgangs von Werten, die vor 1–2 Generationen noch ein Mehr- bis Vielfaches betrugen; diverse Reformen und die gegenwärtige Förderung der MINT-

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Fächer gingen/gehen oft direkt und indirekt auf Kosten von Deutsch. Da das schulische Deutschangebot (v.a. in Wallonien) dadurch zunehmend hinter dem Bedarf des Arbeitsmarkts zurückbleibt, verlagert sich der Deutschunterricht immer mehr in die Erwachsenenbildung. Ein großer Teil der Nachfrage wird von Volkshochschulen und vom Goethe-Institut Brüssel mit seinen Kursen und Zertifikatprüfungen bedient, wobei sich die Umstellung des Angebots des Goethe-Instituts vom Semester- auf ein Trimestersystem als erfolgreich erwiesen hat. Orthogonal zu den genannten Faktoren wirkt das für Belgien charakteristische Nebeneinander unterschiedlicher öffentlich-rechtlicher und privat-rechtlicher (d.h. meist kirchlich-katholischer) Schulträger, und zwar dahingehend, dass Deutsch eher in privat-rechtlichen Schulen (die in Flandern etwa Dreiviertel aller SekundarschülerInnen beschulen) als in öffentlich-rechtlichen Schulen unterrichtet wird. So verbirgt sich hinter dem Anteil der DeutschlernerInnen unter den flämischen SekundarschülerInnen von 16,83% eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem privat-rechtlichen Schulwesen (20,83%) und dem öffentlich-rechtlichen (nur 5,81%). Dabei besteht im öffentlich-rechtlichen flämischen Schulwesen eine gewisse Konkurrenz zu Spanisch (2,12%), das im französischsprachigen Schulwesen sogar knapp vor Deutsch liegt (2,80%) und dort v.a. als 3. Fremdsprache gewählt wird (die o.g. Statistikwebsites).1 Da die einzelnen Schulträger autonom im Rahmen unterschiedlicher bildungspolitisch-pädagogischer Prioritäten handeln, erweist sich die externe Einflussnahme auf das Fremdsprachenangebot durchweg als schwierig, zumal auch die einzelnen Schulen über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen. Da Schulleitungen im Zweifelsfall eher die MINT-Fächer fördern und/oder (oft auf Nachfrage der Eltern) Spanisch statt/neben Deutsch als 3. Fremdsprache einrichten, wirkt sich der Gestaltungsspielraum in der Praxis meist nachteilig für Deutsch aus. Eine einigermaßen aussichtsreiche Förderung des Deutschen hätte daher wohl primär über die gesellschaftliche Bewusstseinsbildung (siehe weiter unten) zu verlaufen statt unmittelbar über das Bildungswesen. Teilweise kommen dem Deutschen jedoch indirekt staatliche Förderinitiativen zugute. So werden im Rahmen des Regionalförderplans für die Region Wallonien Maßnahmen zur Förderung der Kenntnisse der anderen belgischen Landessprachen ergriffen, die auch Erwachsene einschließen, unter anderem mittels Sprachaufenthalten in Flandern, den Niederlanden und Deutschland; zum Teil. ähnliche Ziele verfolgt EPOS, die Internationalisierungsagentur des flämischen Bildungsministeriums (http://www.leforem.be/particuliers/immersion-langues|| 1 In den Statistiken des französischsprachigen Schulwesens wird nicht zwischen öffentlichrechtlichen und privat-rechtlichen Schulträgern unterschieden.

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ecole.html bzw. http://www.epos-vlaanderen.be/ – beide abgerufen 30.12.2017). In beiden großen Gemeinschaften wird seit einigen Jahren der Immersionsunterricht (CLIL) gefördert; dabei wählen manche Schulen für verschiedene nichtsprachliche Fächer Deutsch, allerdings ohne dass immer eine angemessene Sprachbeherrschung seitens der Lehrkraft gesichert wäre. Direkte Förderung seitens der Bundesrepublik genießt Deutsch an vier belgischen PASCH-Schulen (zwei in Flandern, zwei in Wallonien) sowie im Rahmen der Einführung des Deutschen Sprachdiploms, die von Den Haag aus auch in Belgien vorangetrieben wird. Als erste belgische Schule ist ein katholisches Gymnasium im wallonischen Welkenraedt (an der Grenze zur DG) dabei, das Deutsche Sprachdiplom einzuführen. Parallel zu den Schülerzahlen sind die Studierendenzahlen in Germanistik/Deutsch im flämischen und französischsprachigen Hochschulwesen in den letzten Jahrzehnten auf insgesamt etwa 400 (überwiegend in Flandern) gesunken. Außer an acht Universitäten und den Dolmetscherhochschulen wird Deutsch auch im Rahmen einiger nicht-sprachbezogener Studiengänge an Universitäten und Fachhochschulen angeboten (hierzu Ceuppens, Gallez & Leuschner 2012; Küpper & Leuschner 2017). Nachdem es nacheinander je ein DAAD-Lektorat zunächst in Louvain-la-Neuve, dann in Gent gab, fehlen klassische Sprachlektorate in Belgien inzwischen völlig; die langjährige Finanzierung des ÖAD für ein Österreich-Lektorat in Antwerpen ist ebenfalls ausgelaufen. Das an der Universität Antwerpen angesiedelte österreichische Studien- und Kulturzentrum OCTANT (https://www.uantwerpen.be/en/research-groups/osterreich-zentrumantwerpen, abgerufen 06.07.2018) wird aber weiterhin mit österreichischen und belgischen Mitteln gefördert. Etwa die Hälfte der Germanistik-/DeutschabsolventInnen nahm in den letzten Jahren nach dem Master ein zusätzliches einjähriges Lehramtsstudium auf, das in Flandern demnächst in einen neuen zweijährigen Lehramtsmaster integriert wird. Mit einigen Dutzend Lehramtsabsolventen pro Jahr ist der sinkende Deutschlehrerbedarf (außer bei kurzfristigen Vertretungsstellen, dem typischen Sprungbrett für Berufseinsteiger) weitgehend abgedeckt. Da Germanistik/ Deutsch als Studien- und Lehramtsfach immer mit mindestens einer weiteren Sprache kombiniert wird, unterrichten ausgebildete DeutschlehrerInnen oft hauptsächlich eine andere Sprache; manche befinden sich als einzige Deutschlehrkraft an ihrer Schule in einer strukturellen Defensivposition. Beides untergräbt ihr Selbstverständnis und lässt die DeutschlehrerInnen als Zielgruppe für Fördermaßnahmen und -initiativen diffus werden.

Förderung von Deutsch als Fremd- und Amtssprache in den Benelux-Staaten | 621

2.3 Perspektiven Da Deutschland stetig der wichtigste Exportabnehmer Belgiens und (nach den Niederlanden) dessen zweitwichtigster Importlieferant ist (http://www.abhace.be/en/statistics, abgerufen 30.12.2017), bedeutet der niedrige Stand und andauernde Rückgang des Deutschangebots und der Deutschkenntnisse eine eklatante sozioökonomische Fehlentwickung. Verstärkt wird diese von einer gewissen Sogwirkung der in und um Brüssel angesiedelten internationalen Institutionen und Firmen, die zunehmend dem Englischen (kaum noch dem Französischen) zugutekommt. Unter den oben beschriebenen komplexen Rahmenbedingungen sind strukturverändernde Initiativen, die auf mehr Deutschschüler an mehr Schulen mit mehr Deutschstunden abzielen, praktisch aussichtslos: Sie müssten auf allen Ebenen zugleich ansetzen, dabei aber auch nach Gemeinschaft, Schulträger und Schule differenzieren, ohne letztlich nachhaltigen Erfolg zu versprechen. Eine Alternative sind bewusstseinsbildende Initiativen wie eine bereits Ende der 1990er Jahre an der Universität Antwerpen gestartete (Poster-) Kampagne, die darauf hinwies, dass sich Deutschkenntnisse bei der Arbeitssuche in Belgien oft genug als Schlüsselqualifikation erweisen. Neuere Initiativen wie der jährliche Schülerwettbewerb „Unternehmen Deutsch“, den das GoetheInstitut Brüssel und die deutschen Botschaft Brüssel gemeinsam in Zusammenarbeit mit dem Belgischen Germanisten- und Deutschlehrerverband (siehe unten) veranstalten, versuchen in diesem Sinne zu wirken. Um diesen Ansatz systematisch weiterzuverfolgen, wären professionell gestaltete, von aktuellen Bedarfsanalysen unterstützte Kampagnen hilfreich. Für eine solche umfassendere Förderung des Deutschen stehen bislang jedoch keine Mittel zur Verfügung. Außer an die Präsenz deutscher Marken und Produkte im Alltag könnten Initiativen zugunsten von Deutsch u.a. auch an die Bekanntheit und Beliebtheit der Hauptstädte Berlin und Wien, der grenznahen Städte Aachen, Köln, Düsseldorf und Trier mit ihren Karnevalsumzügen und Weihnachtsmärkten, der Eifel, des Rheins, der Alpen usw. als Reise- oder Ausflugsziele, v.a. in Flandern auch an die relative Bekanntheit und Zugänglichkeit der deutschen Kultur anknüpfen; Initiativen wie das Deutschmobil des Goethe-Instituts, das v.a. in Wallonien Deutsch an Schulen bringt, und die Babelsberg-Woche, die jährlich in mehreren flämischen Städten eine deutsche Filmwoche veranstaltet und für die gezeigten Filme eigens ausgearbeitete Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellt, greifen solche Berührungspunkte bereits auf. Entgegen dem Image des Deutschen als einer schwer zu erlernenden Sprache, an dem auch eine stärker kommunikative und handlungsorientierte Unterrichtsmethodik bisher wenig ändern konnte, könnte

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Deutsch didaktisch reflektiert als Folgefremdsprache (DaFF) unterrichtet werden. Diese Chance wird in Ausbildung und Praxis bisher jedoch noch zu wenig genutzt. Der Unterstützung der Deutschlehrer widmet sich u.a. der Belgische Germanisten- und Deutschlehrerverband (BGDV), der seinen etwa 200 Mitgliedern Exkursionen und Fortbildungen anbietet, über fachwissenschaftliche und didaktisch-methodische Neuerungen informiert, didaktische und bildungspolitische Initiativen entwickelt usw. und dabei eng mit dem Goethe-Institut Brüssel, den Botschaften Deutschlands und Österreichs, der DG und anderen Partnern zusammenarbeitet. Unterstützt werden die Deutschlehrer außerdem durch eine/n für Belgien und die Niederlande zuständigen, am Goethe-Institut Brüssel ansässigen DaF-Fachberater/in, den/die die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen bereitstellt. Für Deutsch engagieren sich ferner die Association pour la promotion de l'allemand en Wallonie in Namur und die Action langues in Verviers. Deutschsprachige Kulturveranstaltungen in Antwerpen organisieren das Deutschcafé der Universität, das o.g. Österreich-Zentrum OCTANT sowie das Kulturforum, Letzteres in Zusammenarbeit mit der Belgisch-Deutschen Gesellschaft Flandern (BDGF), die von deutschen Firmen im Antwerpener Hafen unterstützt wird. In Brüssel sind u.a. die Belgisch-Deutsche Gesellschaft Brüssel, das Österreichische Kulturforum an der Botschaft Österreichs und das Kulturreferat der deutschen Botschaft aktiv. Gemeinschaftsinitiativen der genannten Partner werden in Ad-hoc-Gesprächsrunden und Arbeitsgruppen entworfen und geplant, ohne dass es bisher zu einer längerfristigen Formalisierung der betreffenden Aktivitäten und Netzwerke gekommen wäre.

3 Niederlande 3.1 Übersicht Im Vergleich der drei Benelux-Staaten ist die Stellung des Deutschen in den Niederlanden2 am eindeutigsten: Deutsch ist überall und nur Fremdsprache. Dass die Stellung von Deutsch als Fremdsprache in den Niederlanden im europäischen Vergleich relativ stark ist, ist in erster Linie dem niederländischen Schulsystem zu verdanken, in dem Deutsch (neben Französisch) lange einen soliden Platz als || 2 Herzlicher Dank für hilfreiche Informationen zu unterschiedlichen Aspekten gilt Ewout van der Knaap (Universiteit Utrecht), Ton Janssen (Fontys Tilburg und VLoD), Volker Pfeiffer (Goethe-Institut Niederlande) und Antje Brackmann (Zentralstelle für das Auslandsschulwesen).

Förderung von Deutsch als Fremd- und Amtssprache in den Benelux-Staaten | 623

zweite Fremdsprache nach Englisch einnahm und z.T. immer noch einnimmt (Klein Gunnewiek & Heerlitz 2010: 1747). Im europäischen Vergleich erreichen die Niederlande im Ranking der Deutschkennnisse daher regelmäßig einen der vorderen drei Plätze. In der Erhebung des Spezial-Eurobarometers 386 „Die europäischen Bürger und ihre Sprachen“ aus dem Jahr 2012 standen sie sogar an der Spitze: 69% der befragten NiederländerInnen gaben an, Deutsch gut genug zu sprechen, um in dieser Sprache ein Gespräch führen zu können. (http://ec.europa.eu/commfrontoffice/publicopinion/archives/eb_special_399_380_en.htm#386 – abgerufen 01.01.2018). Zudem leben in den Niederlanden viele deutsche Staatsbürger (am 01.01.2017 waren es ca. 357.000), die im Privaten wie im Beruflichen als Botschafter des Deutschen fungieren können (http://statline.cbs.nl – abgerufen 22.11.2017). Auch in den Niederlanden haftet Deutsch das Image einer schwer zu erlernenden Sprache an. Als Beweis dient dabei oft das deutsche Kasussystem, das es im Niederländischen so nicht gibt, während Sprecher des Niederländischen zugleich durch die lexikalische, morphosyntaktische und phonetische Nähe zum Deutschen einen erheblichen Vorteil gegenüber anderssprachigen DaF-Lernenden haben. Zu den Faktoren, die sich günstig auf die gesellschaftliche Akzeptanz des Deutschen auswirken, gehört die Tatsache, dass sich das niederländische Deutschlandbild in den letzten 15 Jahren deutlich verbessert hat, wozu u.a. die Fußball-WM 2006 und die ökonomische Stärke Deutschlands beitrugen. Mit diesem Wandel geht ein erhöhtes Interesse an Deutschland einher, das sich in einer steigenden Zahl an privaten, akademischen oder beruflichen Deutschlandaufenthalten niederschlägt. Zudem sind beide Nationen ökonomisch stark miteinander verflochten: Ca. 23% der niederländischen Exporte und 18% der niederländischen Importe werden jährlich mit Deutschland abgewickelt. In der Grenzregion fördern die Euregios zudem die wirtschaftliche Zusammenarbeit und damit die Motivation zum Erwerb von Deutschkenntnissen. In einer 2012 durchgeführten Umfrage der Deutsch-Niederländischen Handelskammer und Fenedex gaben 86% der Unternehmen an, dass sie die Beherrschung der deutschen Sprache als Notwendigkeit ansähen, um nach Deutschland exportieren zu können. Obwohl 57% zugleich angaben, dass deutsche Geschäftspartner Englisch als Verhandlungssprache akzeptierten, empfanden nur 7,7% Englisch als ausreichend (http://www.exportpublicaties.nl/duits-blijft-onmisbaar-voor-bedrijfsleven.html – abgerufen 21.11.2017).

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3.2 Deutsch im Bildungswesen DaF wird in den Niederlanden in verschiedenen Gewichtungen in der Primarund Sekundarstufe angeboten. Belegten im Jahr 1995 noch rund 60,4% der SchülerInnen (= ca. 540.000) das Fach Deutsch an weiterführenden Schulen, waren es im Jahr 2015 bei steigender Gesamtzahl an Schülern nur noch rund 40,6% (= ca. 390.000) (http://machmit.nl/daarom-duits/het-vak-duits-in-nederland – abgerufen 23.11.2017). Besonders gefördert wird Deutsch an zwei PASCH-Schulen in Amsterdam und im grenznahen Enschede; hinzu kommt die Deutsche Internationale Schule Den Haag. Der breiteren Öffentlichkeit steht das Deutschkursangebot des Goethe-Instituts Niederlande mit Standorten in Amsterdam, Rotterdam und Den Haag sowie der 14 Volksuniversiteiten (Volkshochschulen) zur Verfügung. Zu den Maßnahmen, die auf eine qualitative Stärkung des Faches Deutsch abzielen, gehört die Prüfungskooperation Deutsch des Goethe-Instituts, die inzwischen rund 130 niederländischen Schulen die Möglichkeit gibt, an Prüfungen für die weltweit anerkannten Goethe-Zertifikate teilzunehmen; die jährlich abgenommenen Prüfungen stiegen von 736 im Jahr 2010 auf 2.729 im Jahr 2017. Zusätzlich wird in den Niederlanden seit 2015 das Deutsche Sprachdiplom (DSD) angeboten, für das die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) eine (auch für Belgien zuständige) Koordinatorin mit Sitz an der Deutschen Internationalen Schule Den Haag bereitstellt. 2017 nahmen acht niederländische Schulen mit 145 Prüfungen am DSD teil, für 2018 haben vier weitere Schulen einen entsprechenden Antrag gestellt (Stand: November 2017). Synergien entstehen zudem durch das von Nuffic (der niederländischen Organisation für Internationalisierung im Bildungssystem) koordinierte LinQ-Schulnetzwerk, das an 130 Schulen Weiterbildungen für Deutsch- und Französischlehrer veranstaltet, und durch Unterrichtsmaterialien, Weiterbildungen und Studienreisen für DeutschlehrerInnen, die die Bildungsabteilung des Duitsland Instituut Amsterdam anbietet. Solche Initiativen zur Förderung des schulischen DaF-Unterrichts kommen indirekt auch den germanistischen Studiengängen zugute, die es (nach Schließung einzelner Germanistik-Institute) weiterhin an den Universitäten Leiden, Utrecht und Nimwegen gibt. Die Studierendenzahlen im Bachelor gingen von 313 im Jahre 2008 leicht auf 290 im Jahre 2015 zurück und scheinen sich auf historisch niedrigem Niveau zu stabilisieren (http://machmit.nl/daarom-duits/hetvak-duits-in-nederland – abgerufen 23.11.2017). Ergänzt wird das Germanistikangebot, das in den Niederlanden immer ein Vollstudium ist, von den Deutschlandstudien an der Universiteit van Amsterdam (UvA) und dem deutschen Track des Studiengangs Europastudien an der Universität Groningen (van der Knaap 2017: 45). Alle genannten Universitäten sowie die Vrije Universiteit Amsterdam bieten

Förderung von Deutsch als Fremd- und Amtssprache in den Benelux-Staaten | 625

auch eine Deutschlehrerausbildung an, die zur Lehrbefähigung für die Sekundarstufe II führt (eerstegraads lesbevoegdheid) und teils in den klassischen Lehramts-, teils in den 2018 neu eingeführten edukativen Masterstudiengängen durchgeführt wird; dabei zeigt sich ein Rückgang von 39 Studierenden 2006 auf 26 Studierende 2015. Sehr gut nachgefragt sind die Ausbildungsangebote für Deutschlehrer an diversen Fachhochschulen, die zur Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I (tweedegraads lesbevoegdheid), teils auch für die Sekundarstufe II führen (Klein Gunnewiek & Heerlitz 2010: 1748–1749); hier stiegen die Studierendenzahlen für Sekundarstufe I von 575 im Jahr 2006 auf 966 im Jahr 2015 und für Sekundarstufe II im selben Zeitraum von 113 auf 156 (http://machmit.nl/daaromduits – abgerufen 23.11.2017). Zu diesem Trend dürfte auch der erhebliche Deutschlehrermangel beitragen, der seit Jahren an niederländischen Schulen herrscht (van der Knaap 2017: 48). Im Jahr 2020 werden landesweit Deutschstunden im Umfang von 134 Vollzeitstellen fehlen (https://duitslandinstituut.nl/artikel/20684/grote-steden-willenleraren-lokken – abgerufen 25.11.2017). Dagegen wird ein Paket von Fördermaßnahmen gesetzt, das die Attraktivität des Deutschlehrerberufs u.a. mittels Quereinsteigern erhöhen soll. So vergibt das von Nuffic durchgeführte Programm Vom Assistenten zum Deutschlehrer (VAD) jährlich ca. 15 Stipendien an deutsche Muttersprachler, die in den Niederlanden Deutschlehrer werden wollen, und bietet das OnderwijsTraineeship im Auftrag des niederländischen Bildungsministeriums einen Einstieg in den Deutschlehrerberuf.

3.3 Perspektiven Die Niederlande verfügen über gut ausgebaute Netzwerke zur qualitativen und quantitativen Förderung der deutschen Sprache, womit sich Möglichkeiten zur aktiven Stärkung von DaF ergeben. Zu diesen Netzwerken gehören der Verband der Germanisten an niederländischen Universitäten (VSNU), der Deutschlehrerverband als Teil des Fremdsprachenlehrerverbands Levende Talen (LT), der Verband für Deutschlehrerausbilder in den Niederlanden (VLoD), die 2011 als Gemeinschaftsinitiative der Deutschen Botschaft Den Haag, des Duitsland Instituut Amsterdam, der Deutsch-Niederländischen Handelskammer, des Goethe-Instituts Niederlande und Nuffic gegründete Actiegroep Duits (Aktionsgruppe Deutsch), die Arbeitsgruppe Deutsch macht Spaß, das Netzwerktreffen Deutsch der Deutschen Botschaft Den Haag sowie der Nationaal Congres Duits (NCD) und das oben schon erwähnte LinQ-Schulnetzwerk. Die zukünftige Entwicklung von DaF wird maßgeblich von der Qualität des angebotenen Unterrichts sowie von der Entwicklung im gesellschaftlichen Bewusstsein über den Nutzen deutscher

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Sprachkenntnisse abhängen. Beide Aspekte stehen bereits im Fokus verschiedener Initiativen. So organisiert die Actiegroep Duits die landesweite Mach-MitKampagne, in deren Rahmen Schulen und Unternehmen u.a. einen Dag van de Duitse Taal (Tag der deutschen Sprache) veranstalten können, und das Mach-MitMobil, mit dem zwei Sprachassistenten landesweit an Schulen interaktive Deutschstunden geben. Auf das Interesse an der deutschen Sprache zielen Initiativen im Bereich der deutschen Literatur ab, u.a. das Projekt zur Leseförderung Lesen ohne Grenzen und das literaturdidaktische Projekt für die Oberstufe Lezen voor de Lijst. Ein weiteres Förderpotential für die Zukunft bieten Akteure, die mit ihren Aktivitäten indirekt zu Stärkung von DaF beitragen, so der 2013 eingerichtete Duitslanddesk am Duitsland Instituut Amsterdam, der mit seiner Kampagne Studeren in Duitsland u.a. mehrmonatige Deutschlandaufenthalte fördert. Der Trend ist positiv: Die Gesamtzahl niederländischer Studierender in Deutschland stieg von 1.429 im akademischen Jahr 2007/08 auf 2.840 im Jahr 2016/17 (www.studereninduitsland.nl/nieuws/weer-recordaantal-nederlandse-studenten-in-duitsland – abgerufen am 22.11.2017). Nach ihrer Rückkehr bindet der Duitslanddesk ehemalige Stipendiaten in einem Alumni-Programm und eröffnet ihnen die Möglichkeit, als Studentenbotschafter an niederländischen Schulen über ihre Erfahrungen in Deutschland zu berichten.

4 Luxemburg 4.1 Übersicht und Grundlagen Das heutige Großherzogtum Luxemburg gilt als ein nationales Halbzentrum des Deutschen (Ammon 2015; Ammon, Bickel & Lenz 2016: LVII; zur Diskussion jüngst Solms 2017; Sieburg 2017a; Wagner 2017), in dem das Deutsche keine regionale, sondern eine flächendeckende nationale Amtssprache darstellt. Dabei kann hier im Gegensatz zum Großteil von Belgien und zu den Niederlanden kaum von einer eigentlichen Fremdsprachenförderung die Rede sein. Weder ist das Deutsche – schon aufgrund der sprachlichen Nähe zum Luxemburgischen, aber auch wegen seiner sprachen- und bildungspolitischen Funktion – eine Fremdsprache im herkömmlichen Sinn noch lässt sich überhaupt adäquat oder genau genug mit einfachen kategorialen Zuordnungen wie „Muttersprache“ oder „Fremdsprache“ arbeiten (Kühn 2010: 1735). Als wahre Muttersprache Luxemburgs kann im besten Fall die Mehrsprachigkeit als solche angesehen werden (Berg & Weis 2005: 33f.).

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Seit dem Sprachengesetz von 1984 ist Luxemburg offiziell dreisprachig, wurden als Nationalsprache das Luxemburgische und als weitere Landessprachen das Französische und das Deutsche festgelegt. Im Unterschied etwa zu Belgien sind die Verteilung und der Gebrauch der drei Amts- bzw. Landessprachen in Luxemburg weniger durch territoriale (geografische) als vielmehr durch kontextuale (domänenspezifische) Faktoren bestimmt. Denn während die drei Amtssprachen in Belgien v.a. ortsgebundene Verwendung finden, hängt der Gebrauch der drei Landessprachen in Luxemburg in erster Linie vom jeweiligen kommunikativen oder situativen Kontext bzw. der Funktionsdomäne ab: Das Luxemburgische ist die alltägliche Kommunikationssprache unter LuxemburgerInnen insbesondere in oralsprachlichen Situationen, aber ebenso Parlamentssprache, Integrationssprache sowie die Sprache sozialer Kohäsion und nationaler Identität; Französisch ist die alleinige Gesetzes- sowie Hauptverwaltungssprache und zugleich Verkehrssprache in bestimmten funktionalen Bereichen des täglichen Lebens, so vorwiegend im gastronomischen Bereich, in vielen Geschäften usw.; Deutsch kommt vor allen Dingen als Schriftsprache zum Einsatz, dient als Alphabetisierungssprache sowie über weite Strecken auch als Vehikularsprache in den Luxemburger Schulen, ist die meistverwendete Sprache der Printmedien etc. Dem teils negativen Image des Deutschen – seiner geschichtlichen Belastung (dazu Ammon 2015: 224–232) wie der bisweilen anzutreffenden Wahrnehmung des Deutschen als einer Fremd- oder Importsprache in Luxemburg – steht die historische Verwandtschaft und Verwobenheit der beiden Sprachen und Kulturräume gegenüber, sodass die deutsche Sprache grundlegend als Teil des kulturellen Erbes Luxemburgs betrachtet werden kann (Sieburg 2017b: 23f.). Hinzu kommt die wirtschaftliche Bedeutung des Deutschen. Deutschland gehört zu den wichtigsten Handelspartnern Luxemburgs: Im Jahr 2016 belegte die Bundesrepublik Deutschland mit großem Abstand den ersten Platz (27,61%) im Ranking aller Luxemburger Exporte (STATEC 2017b). Die Luxemburger Exporte nach Deutschland allein machten mehr aus als die nach Frankreich (14,59%) und Belgien (11,83% für die drei Sprachgemeinschaften) zusammengerechnet; zieht man kleinere deutschsprachige Zielländer wie Österreich (1,87%) oder Teile der Schweiz (2,06%) mit hinzu, erhöht sich der Anteil der Luxemburger Exporte ins deutschsprachige Ausland weiter; so oder so jedoch ist Deutsch die mit Abstand wichtigste Zielsprache der Luxemburger Exportwirtschaft; Abbildung 1 zeigt die zwölf wichtigsten Exportländer Luxemburgs 2016 (erstellt auf der Datengrundlage von STATEC 2017b).

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12. Österreich

1,87

11. China

1,87

10. Schweiz

2,06

9. Polen

2,23

8. Spanien

2,34

7. USA

3,69

6. Großbritannien

3,9

5. Italien

3,99

4. Niederlande

5,68

3. Belgien

11,83

2. Frankreich

14,59

1. Deutschland

27,61 0

5

10

15

20

25

30

Anteil (%) der Luxemburger Exporte 2016 Abb. 2: Zielländer (Rankings 1-12) der Luxemburger Exporte 2016. Datenquelle: STATEC (2017b); Grafik: Achim Küpper

Gerade die Sprachkompetenzen sind ein entscheidendes Kapital der Luxemburger Volkswirtschaft, die „mit am besten und als eine von relativ wenigen in Europa den Sprung von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft vollbracht hat“: Mehr als drei Viertel der in Luxemburg Beschäftigten arbeiten heute in dem besonders stark auf sprachliche Kommunikation angewiesenen tertiären Wirtschaftssektor, in dem darüber hinaus freilich „die höchste Wertschöpfung stattfindet“ (Erbe 2009: 105). Ein entscheidender Faktor, der auch in einer Diskussion um Sprachförderung nicht unberücksichtigt bleiben darf, ist die strukturelle Prägung der Luxemburger Gesellschaft durch Momente der Migration und damit verbundene Situationen nicht nur der Mehrsprachigkeit, sondern auch der Heterogenität. Luxemburg hat heute den mit Abstand höchsten AusländerInnenanteil in Europa. Dieser ist in erster Linie seit der Industrialisierung sowie kontinuierlich ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts angestiegen. Zwar war das Gebiet um Luxemburg schon immer, d.h. schon seit der Vor- und Frühgeschichte, von Wanderungsbe-

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wegungen geprägt, doch gewinnen diese mit dem heutigen transnationalen Migrantentypus eine ganz neue Qualität (zu den Wanderungsbewegungen um Luxemburg von der Steinzeit bis zum postindustriellen Zeitalter vgl. Pauly 2013: 118–121). Die aktuellen Entwicklungen führen konsequenterweise zu einer Diskussion um „Superdiversität“ in Luxemburg (Berg, Milmeister & Weis 2013). Gegenwärtig besteht die Luxemburger Bevölkerung beinahe zur Hälfte aus NichtluxemburgerInnen: Am 1. Januar 2017 betrug der AusländerInnenanteil in Luxemburg 47,7% (STATEC 2017c) und erreichte damit einen neuen historischen Höchststand. Rund anderthalb Jahrhunderte zuvor, am 1. Dezember 1871, lebten hier insgesamt nur gezählte 3% NichtluxemburgerInnen (STATEC 2012). Abbildung 2 veranschaulicht exemplarisch die progressive Entwicklungskurve in den fünf Jahrzehnten von 1961 bis 2011 (erstellt auf der Datengrundlage von STATEC 2017a und 2017c). 50 43

45 36,9

40 35

29,4 26,3

30 25 20 15

18,4 13,2

10 5 0 1961

1971

1981

1991

2001

2011

Anteil NichtluxemburgerInnen (%) Abb. 3: Anteil NichtluxemburgerInnen (%) in Luxemburg 1961-2011. Datenquelle: STATEC (2017a und 2017c); Grafik: Achim Küpper

Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Förderung des Deutschen in Luxemburg notwendigerweise zu verklammern mit grundlegenden Aspekten der Migration und Heterogenität, die sich schon insofern auf das Deutsche auswirken, als dieses hier anders als etwa in Deutschland eben nicht als Integrationssprache fungiert, dafür aber sehr wohl als Schulsprache in stark mehrsprachigen und interkulturell durchmischten Klassen.

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4.2 Deutsch im mehrsprachigen Bildungssystem Luxemburgs Die Schulbildung in Luxemburg ist grundsätzlich mehrsprachig (PISA 2012: 100 f., speziell für die Primarstufe Weth 2015, für die Sekundarstufe Hu et al. 2015). Gerade auch dem Deutschen kommt dabei als Sprachunterricht ebenso wie als Unterrichtssprache eine wichtige Rolle zu. Die Luxemburger SchülerInnen werden in ihrer Schullaufbahn mit mehreren aufeinander folgenden Unterrichtssprachen konfrontiert. In den ersten beiden Jahren des obligatorischen Vorschulunterrichts (in der Regel für Kinder von 4–5 Jahren) ist die primäre Unterrichts-, d.h. Instruktions- und Integrationssprache Luxemburgisch (seit dem Schuljahr 2017/18 zusätzlich ergänzt um das Französische). In der Grundschule (in der Regel ab 6 Jahren) wechselt die Unterrichtssprache dann in den meisten Fächern ins Deutsche, das zugleich Alphabetisierungssprache ist. Ab dem zweiten Grundschuljahr (in der Regel ab 7 Jahren) kommt der Französischunterricht hinzu, der danach weiter intensiviert wird. Deutsch bleibt aber die primäre Unterrichtssprache in den meisten Fächern (außer Mathematik) bis einschließlich zur 9. Klasse der Sekundarschule (Enseignement Secondaire [ES] und Enseignement Secondaire Technique [EST] bzw. Général). Ab der 10. Klasse (i.d.R. ab 15 Jahren) wechselt die primäre Unterrichtssprache im ES und in einigen Ausbildungsgängen des EST dann ins Französische. Ab dem zweiten Jahr der Sekundarschale (in der Regel ab 13 Jahren) kommt darüber hinaus als Fremdsprache das Englische hinzu, das die SchülerInnen obligatorisch als vierte Sprache (L4) erlernen. Wie der primäre und der sekundäre zeichnet sich in Luxemburg auch der tertiäre Bildungssektor durch eine grundsätzliche Mehrsprachigkeit aus. Das Zentrum des heutigen luxemburgischen Hochschulwesens ist die verhältnismäßig junge, 2003 gegründete Universität Luxemburg. Sie ist die einzige Universität des Landes und stellt somit auch eine zentrale nationale Bildungseinrichtung dar. Sie ist zugleich ein Paradebeispiel für eine bewusst kultivierte und geförderte Politik der Mehrsprachigkeit auch im Bildungswesen. Die Universität Luxemburg ist offiziell dreisprachig: Ihre Arbeitssprachen sind Englisch, Französisch und Deutsch (zur Mehrsprachigkeit der Universität Luxemburg Hu 2015). Das Deutsche hat auf mehreren Ebenen seinen festen Platz an der Universität: zum einen als germanistische Fachdisziplin innerhalb eines kooperativ, interdisziplinär und mehrsprachig ausgerichteten und über die letzten Jahre beständig ausgebauten Instituts für deutsche Sprache, Literatur und für Interkulturalität (zu den Perspektiven der Luxemburger Germanistik Heimböckel, Mein & Sieburg 2012; Amann & Sieburg 2017); zum anderen aber auch als Unterrichtssprache, als eine universitätsinterne Kommunikationssprache (neben anderen) sowie als Publikations- und Wissenschaftssprache, insgesamt die zweitstärkste nach dem Engli-

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schen, insbesondere jedoch in den Geisteswissenschaften, wo Deutsch mit Abstand die stärkste Wissenschaftssprache ist (zum Deutschen als Wissenschaftssprache an der Universität Luxemburg Sieburg 2017b: 26–28).

4.3 Perspektiven Eine aktuelle Herausforderung im Zusammenhang der Sprachförderung liegt in der Frage, ob das Deutsche die (alleinige) Alphabetisierungssprache in den Luxemburger Schulen bleiben wird. Seit einiger Zeit werden Möglichkeiten diskutiert, die neben dem Deutschen auch andere Sprachen für die Alphabetisierung vorsehen, so das Französische oder das Luxemburgische, eventuell sogar das Englische. Das würde natürlich erhebliche Konsequenzen für die Sprachförderung speziell des Deutschen nach sich ziehen. Vergessen sollte man bei allen Erwägungen unterschiedlichster Faktoren jedoch auch nicht die Stellung der deutschen Sprache im Allgemeinen in Europa sowie im Besonderen in der Nachbarschaft von Luxemburg und der Großregion. Hinzu kommen die erwähnten historisch-kulturellen und ökonomischen Aspekte. Die quasi-muttersprachliche Beherrschung des Deutschen als der meistgesprochenen Sprache in der heutigen EU stellt nicht zuletzt eine bedeutende Schlüsselqualifikation auf dem Arbeitsmarkt dar. Wichtige Zukunftsfragen betreffen insbesondere die Rolle des Deutschen sowie genereller des Sprachenerwerbs in einer mehrsprachigen Unterrichtsstruktur bei der nachweislich ungleichen Verteilung von Bildungschancen unter SchülerInnen an Luxemburger Schulen, wobei zugleich der signifikante Einfluss der sozialen Herkunft, d.h. der familiären sozioökonomischen Situation auf Bildungskarriere und -erfolg der SchülerInnen zu betonen ist (dazu Hadjar et al. 2015: 47– 49; auch Freiberg, Hornberg & Kühn 2007). Sprachförderung als Mehrsprachigkeitsförderung ist in Luxemburg zunehmend zu verbinden mit der Frage nach sozialer und bildungsstruktureller Chancengleichheit in einem Umfeld, das mehr als jedes andere in Europa von Aspekten der Interkulturalität und Heterogenität geprägt ist – und sich damit schon mitten auf dem Weg durch eine von Migrationsbewegungen aller Art erneuerten Weltgesellschaft befindet.

Literaturverzeichnis Amann, Wilhelm & Heinz Sieburg (2017): Die Germanistik an der Universität Luxemburg. Lehre und Forschung in einem mehrsprachigen und interkulturellen Umfeld. Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, 64, 16–21.

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Aurica E. Borszik, Brigitte E. Jirku

Deutsch in Spanien – Zukunft durch Krise 1 Einleitung: Ist-Zustand Die Auseinandersetzung mit der Stellung der deutschen Sprache in Spanien beginnt mit der Frage nach den Motivationsgründen für das Erlernen der deutschen Sprache bzw. für das Studium der Germanistik. Auf der Homepage des GoetheInstituts1 kann man gleich zehn gute Gründe für das Erlernen der deutschen Sprache finden. Als erste Gründe werden internationale Karriere und Berufschancen, Tourismus sowie Forschung und Wissenschaft angeführt. Danach folgen die Motive, die für das Eintauchen in eine neue kulturelle Welt, den Genuss der deutschen Kulturgüter und die eigene Mobilität durch Reisen oder die Teilnahme an Austauschprogrammen stehen. Es wird davon gesprochen, dass Deutschkenntnisse Türen öffnen, eine Investition in die Zukunft sind. Auf diese Weise wird ein überaus positives Bild eines wirtschaftlich stabilen, fortschrittlichen Deutschlands gezeichnet. Unterstützt und bestätigt wird dieses Bild durch die engen wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Spanien und Deutschland. So stammen die meisten nach Spanien importierten Güter aus Deutschland. Andererseits ist Spanien nach Frankreich einer der wichtigsten Exportpartner Deutschlands. Der Einfluss Deutschlands auf die wirtschaftliche Situation in Spanien ist durch eine Vielzahl an Investitionen sowie durch Wissens- und Technologietransfer gekennzeichnet. Deutsche Unternehmen, welche die größte in Spanien ansässige ausländische Unternehmensgruppe darstellen, bieten attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten für Spanier*innen. Abgerundet werden die bilateralen Beziehungen beider Länder durch den florierenden Tourismus. Deutschland steht an dritter Stelle der Länder, aus denen die meisten Tourist*innen in Spanien kommen. Auch immer mehr Spanier*innen wählen Deutschland als Reiseland (vgl. AHK 2017: 2). In den letzten sieben Jahren wurden die spanisch-deutschen Beziehungen sehr stark durch die spanische Wirtschaftskrise und den damit zusammenhängenden sogenannten „Merkel-Effekt“ beeinflusst. Dieser wurde durch eine Äußerung Angela Merkels bei deutsch-spanischen Regierungsgesprächen im Februar

|| 1 https://www.goethe.de/ins/es/de/spr/wdl.html. || Aurica E. Borszik, Universität von Valéncia, Spanien, [email protected] Brigitte E. Jirku, Universität von Valéncia, Spanien, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-039

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2011 ausgelöst, in denen sie sagte, dass Deutschland Arbeitskräfte brauche2. Infolgedessen galt Deutschland vor allem für die jüngere Generation als ein Ausweg aus der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Spanien. Das führte zu einem exponentiellen Anstieg der Nachfrage nach Deutschkursen. Insbesondere in der Erwachsenenbildung, also am Goethe-Institut, an den staatlichen Sprachschulen (Escuela Oficial de Idiomas) und den Universitäten ließ sich ein enormer Anstieg der Zahlen der Deutschlernenden verzeichnen. Kenntnisse der deutschen Sprache galten als Eintrittskarte in eine sichere und wirtschaftlich stabile Zukunft in Deutschland. Programme wie MobiPro EU3 und The Job of my Life4 der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesministerium für Soziales und Arbeit wurden ins Leben gerufen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen und um Jugendliche und junge Erwachsene aus (Süd-)Europa dabei zu unterstützen, eine duale Berufsausbildung in Deutschland abzuschließen. Heute weisen die Bilanzen dieser Programme eindeutige Tendenzen auf: Es haben nur sehr wenige Auszubildende die Programme tatsächlich abgeschlossen und ein Teil der jungen Spanier*innen ist wieder zurückgekehrt (vgl. Schoepp 2017). Obwohl sich viele junge Spanier*innen in deutschen Unternehmen etabliert und sich eigene Netzwerke in Deutschland aufgebaut haben, denken sie darüber nach, nach Spanien zurückzukehren. Dabei wollen sie in erster Linie nicht wegen der besseren Jobaussichten in ihre Heimat zurückkehren, sondern eher aus persönlichen Gründen: Heimweh, die Sehnsucht nach der Familie und Freunden, die Sonne und das Leben auf der Straße (vgl. Deutsche Welle 2014). Es wurde sogar die Internetplattform „Volvemos“5 (Wir kehren zurück) gegründet, die ihre Mitglieder durch die Frage danach gewinnt, ob sie nach einer beruflich erfolgreichen Zeit im Ausland nach Spanien zurückkehren wollen. Auf der Internetseite werden Initiativen und Kooperationen sowie erfolgreiche Rückkehrergeschichten gezeigt, die junge Menschen dazu ermutigen sollen, sich ihren Wunsch, nach Spanien zurückzugehen, zu erfüllen. Das deutet darauf hin, dass sich junge Spanier*innen in Deutschland nicht „zu Hause“ fühlen oder dass sie mit anderen Erwartungen nach Deutschland gegangen sind (vgl. Schoepp 2017). Das könnte u.a. daran liegen, dass über die Erwartungen Deutschlands an die Immigrant*innen und die Tatsache, dass Deutschland in erster Linie ein Aufnahmeland für hochqualifizierte Arbeitskräfte ist, kaum gesprochen wurde.

|| 2 http://sociedad.elpais.com/sociedad/2012/11/09/actualidad/135248639. 3 http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Modellprogramme/mobi-pro-eu.html. 4 http://ausbildungsinteressierte.thejobofmylife.de/de/ausbildungsinteressierte.html. 5 https://volvemos.org/.

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Hinzu kommt, dass das Erlernen einer Fremdsprache – insbesondere der Fremdsprache Deutsch – nicht so einfach ist und viel Zeit benötigt. Trotzdem reichen Fremdsprachenkenntnisse allein nicht aus, um in Deutschland eine gute und sichere Arbeit zu finden. Zudem sprechen die spanische Regierung und spanische Medien seit 2017 von verbesserten Wirtschaftsbedingungen. Im spanischen Inland lässt sich erkennen, dass der Boom um die deutsche Sprache und Deutschland wieder abgeflaut ist. Deutlich wird das u.a. durch den Rückgang der Zahl der Deutschlernenden, auch wenn diese insgesamt höher als vor dem „MerkelEffekt“ sind. Vor diesem Hintergrund hat die Aussage von Marisa Siguan (2007: 59), dass „[d]ie Stellung der deutschen Sprache in den Bildungsinstitutionen in Spanien […] für die regen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen beiden Ländern völlig unangemessen [ist]“, nicht nur nicht an Gültigkeit verloren, sondern sogar neue Bedeutung gewonnen. Die bisher angestellten Überlegungen geben Anlass zu der Frage, ob das projizierte Deutschlandbild überhaupt der Realität entspricht und ob das Zeichnen eines differenzierteren Deutschlandbildes zur Förderung der deutschen Sprache in Spanien beitragen kann. Die Erfahrungen und Erzählungen der zurückgekehrten Gastarbeiter aus den 1980er Jahren haben ihren Beitrag zu dem existierenden überaus positiven Deutschlandbild und zur Festigung der Stereotype über die Deutschen geleistet (vgl. Lehmann 2006: 116–124). Doch gerade die Erfahrungen der eben zurückgekehrten bzw. zurückkehrenden jungen Spanier*innen könnten als eine Chance gesehen werden, einen realistischen gesellschaftlichen Dialog zu initiieren und auf diese Weise ein zeitgemäßes und differenziertes Deutschlandbild zu zeichnen.

2 Die Stellung der deutschen Sprache in spanischen Bildungsinstitutionen Um die eingangs beschriebene Situation genauer zu beleuchten, wird im Folgenden die Stellung der deutschen Sprache an den verschiedenen spanischen Bildungsinstitutionen dargestellt. In diesem Zusammenhang werden auch die verschiedenen Förderinstitutionen sowie Probleme und Unwägbarkeiten in die Betrachtung einbezogen.

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2.1 Die deutsche Sprache im Schulwesen Trotz des generellen Rückgangs nach dem Boom 2011/2012 haben sich die Zahlen der Deutschlernenden auf einem insgesamt höheren Niveau wieder stabilisiert. Insbesondere im Schulbereich lässt sich – auch wenn gemessen an der wirtschaftlichen Bedeutung der Fremdsprache Deutsch für Spanien immer noch zu gering – eine höhere Zahl an Deutschlernenden feststellen. Im Jahr 2015 gab es an den spanischen Schulen insgesamt 87.758 Schüler*innen, die das Fach Deutsch als Fremdsprache belegten (vgl. Reznicek 2017: 25). Deutsch steht im spanischen Bildungssystem nach wie vor hinter den Fremdsprachen Englisch, Französisch und erst recht hinter den eigenen Sprachen der Autonomen Region. Als Beispiel dafür soll hier die Autonome Region Valencia genannt werden: Das valencianische Bildungssystem wird als ein plurilinguales System betrachtet, welches in erster Linie Valencianisch und Spanisch als offizielle Sprachen und Englisch als erste Fremdsprache ab der 2. Klasse der Grundschule lehrt. Damit kann Deutsch nur als zweite Fremdsprache und in den seltensten Fällen als erste Fremdsprache unterrichtet werden. Diese Situation lässt sich auf alle Autonome Regionen mit eigenen Amtssprachen übertragen. Um die Stellung der deutschen Sprache an spanischen Schulen zu stärken, haben die deutschen Auslandsvertretungen ausgehend von der Deutschen Botschaft in Madrid und dem Generalkonsulat in Barcelona landesweit verschiedene Initiativen gestartet. So wurde beispielsweise im Juni 2016 ein nationaler Deutschkongress organisiert, dessen Ziel darin bestand, Deutschlehrende, Schuldirektor*innen und die Vertreter*innen der Bildungsministerien an „Runde Tische“ zu bringen und gemeinsam Maßnahmen zur Verbesserung des Deutschunterrichts an öffentlichen Schulen zu diskutieren. Für die Deutschlehrer*innen bedeuteten die Treffen eine Anerkennung ihrer Arbeit von öffentlicher Seite. Dies führte u.a. zu dem Thesenpapier „Idea-impulso del alemán“ (Juli 2016), in dem konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Deutschunterrichts an spanischen Schulen, in der Lehrer*innenausbildung und besonders im Bereich der Lehrer*innenfortbildung vorgelegt werden. Bei den Vertreter*innen aus der Politik trug es zu einer realistischeren Einschätzung der Lage des Deutschen bei. Es folgten im Jahr 2017 weitere regionale Deutschkongresse, bei denen die spezifische Situation der jeweiligen Einzugsgebiete erörtert wurde. Diese hatten einen bemerkenswerten Synergie-Effekt und haben dazu geführt, dass, oft in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Deutschlehrerverband6, konkrete nachhaltige Projekte

|| 6 In Spanien gibt es neun regionale Deutschlehrer- und Germanistenverbände, die im Dachverband FAGE (Federación de Asociaciones de Germanistas en España) vertreten sind. Durch die

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entwickelt werden, die auf die regionalen Bedürfnisse der Schulen eingehen. Feststellen lässt sich, dass der Schüler*innenaustausch mit Schulen in Deutschland mittlerweile fast zu einem Pflichtprogramm geworden ist.7 Ein weiterer Impuls zur Förderung der deutschen Sprache im spanischen Schulwesen geht von der seit 2008 bestehenden Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH)8 aus. Sie wird vom Auswärtigen Amt koordiniert und gemeinsam mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), dem Goethe-Institut, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Pädagogischen Austauschdienst der Kultusministerkonferenz (PAD) umgesetzt. In Spanien gibt es aktuell 22 Schulen, die zu dem weltweiten Netzwerk aus deutschen Auslandschulen (DAS), Deutsch-Profil-Schulen (DPS), Schulen die das Deutsche Sprachdiplom anbieten (DSD-Schulen) und sogenannten Fit-Schulen, also nationale Schulen, an denen Deutsch als Fremdsprache auf- bzw. ausgebaut wird, gehören. Insgesamt betreut die ZfA in Spanien neun DAS, zwei DPS und vier DSDSchulen. Das Goethe Institut ist für die sieben Fit-Schulen zuständig. Erklärtes Ziel dieser Initiative ist es, in Zusammenarbeit mit Partnerschulen in Deutschland den Austausch zu fördern und bei jungen Menschen „nachhaltiges Interesse und Begeisterung für das moderne Deutschland, seine Gesellschaft und die deutsche Sprache“ (Goethe-Institut 2018) zu wecken. Bei diesen Initiativen scheitern die Bemühungen aber oft durch Vorgaben seitens Spaniens und/oder Deutschlands, da sich jedes Land primär auf sein eigenes Bildungssystem beruft. Auch das Goethe-Institut unterstützt den Deutschunterricht an spanischen Schulen durch Foto- und Plakatausstellungen, interaktive Lektüren mit Aufgaben für die Schüler*innen sowie untertitelte Filme und Filmreihen. Durch das Einrichten vielfältiger kostenloser Übungsmöglichkeiten auf allen Niveaustufen in Form von modernen Apps, Rätseln und Spielen soll das Lernen der deutschen Sprache für die Schüler*innen attraktiv und aufregend gestaltet werden9. Hinzu kommt das Programm der Fremdsprachenassistenzkräfte des pädagogischen Austauschdienstes (PAD), das junge angehende Lehrkräfte nach Spanien schickt, die den Deutschunterricht vor Ort als landeskundlich versierte

|| Dezentralisierung des Bildungswesens erscheint diese Aufteilung im Inland sinnvoll. Zur weiteren Information vgl. http://www.fage.es. 7 Es ist anzumerken, dass die Nachfrage von deutscher Seite nach einer Partnerschule noch immer größer ist als die der spanischen Seite. 8 Zahlenmäßig rangiert Spanien im oberen Mittelfeld. Angeführt wird die Liste von Polen mit 101 und Russland mit 100 PASCH-Schulen. Vgl. Schulen. Partner der Zukunft. http://weltkarte.pasch-net.de/2015/map/files/print/weltkarte-partnerschulen-201801.pdf. 9 https://www.goethe.de/ins/es/es/spr/ueb.html.

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Muttersprachler*innen unterstützen und bereichern können10. Somit kann der Deutschunterricht für die Schüler*innen greifbarer und motivierender gestaltet werden. Bisher sind aufgrund der flexibleren Strukturen eher die staatlich geförderten Privatschulen11 der Nachfrage nach dem Fach Deutsch als Fremdsprache nachgekommen. Jedoch sind diese von den bundesdeutschen Initiativen ausgeschlossen, die sich auf öffentliche Schulen konzentrieren. Diese wiederum verfügen oftmals über kein entsprechendes Angebot. Dies spiegelt sich auch in der Schaffung von öffentlichen Stellen für Deutsch als Fremdsprachelehrende wider: Trotz der sich abzeichnenden steigenden Nachfrage für Deutschunterricht werden immer noch mehr Stellen für Englisch- und Französischlehrende geschaffen. Auf der anderen Seite gestaltet sich die Realität dann oftmals so, dass Lehrende – obwohl sie beispielsweise als Englischlehrende eingestellt wurden – den Bedarf an Deutschunterricht decken. Lehrpersonen, die eine Stelle für das Fach Englisch bekommen haben, sind auch nur in diesem Fach ausgebildet. Dies wiederum wirft die Frage nach der Ausbildung der Lehrenden auf.12 Insgesamt gibt es fünf Universitäten auf dem spanischen Festland (Barcelona, Madrid, Salamanca, Sevilla, Valencia), die Masterstudiengänge für Lehramt im Sekundarbereich für Deutsch als Fremdsprache anbieten. Die Zweigstelle der Universität Salamanca in Zamora führt einen Masterstudiengang für Lehramt im Primarschulbereich Deutsch als Fremdsprache durch und es gibt einige Initiativen, wie z.B. in Murcia, dies auszuweiten. Trotz ihrer guten Ausbildung für das Fach Deutsch als Fremdsprache finden die Absolvent*innen selten die ersehnte Vollzeitstelle an einer öffentlichen Schule oder überhaupt eine Stelle. Die Arbeit an Privatschulen ist durch sehr unterschiedliche Arbeitsbedingungen und -löhne gekennzeichnet und daher nicht immer vielversprechend.

|| 10 Vgl. Pädagogischer Austauschdienst. https://www.kmk-pad.org/programme/fremdsprachenassistenzkraefte.html. In den letzten Jahren hat es von spanischer Seite mehr Nachfrage als Angebot gegeben. 11 Hiermit sind die „colegios concertados“ gemeint. Diese Schulen, die je nach Autonomer Region unterschiedlich stark, aber stets signifikant vertreten sind, befinden sich meist in kirchlicher Trägerschaft und werden mit staatlichen Mitteln kofinanziert. 12 Mit dem Nachweis eines B2-Niveaus ist jeder in einem geisteswissenschaftlichen Fach ausgebildete Lehrende von staatlicher Seite her qualifiziert die entsprechende Fremdsprache zu unterrichten.

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2.2 Die deutsche Sprache im Hochschulwesen Auch im Bereich des Hochschulwesens lassen sich die engen Beziehungen zwischen Spanien und Deutschland erkennen. Insgesamt haben Spanien und Deutschland mehr als 2000 Hochschulkooperationen. Es gibt insgesamt 49 Studiengänge (26 Bachelor & 23 Master) mit gemeinsamem Abschluss oder Doppelabschluss, nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften und Management, sondern auch in Rechts-, Ingenieurs- und Geisteswissenschaften (vgl. Pichler & Jirku 2017; 2018). Spanien, das im Erasmus-Programm seit jeher das beliebteste Zielland ist, steht auch für deutsche Austauschstudierende mit steigender Tendenz an erster Stelle. Trotz des Rufes von Deutsch als schwerer Sprache lässt sich ein steigender Beliebtheitsgrad feststellen: Deutschland steht für spanische Studierende mittlerweile an zweiter Stelle auf der Beliebtheitsskala – hinter Großbritannien und vor den USA und Frankreich (vgl. DAAD 2017: 2). Das Erasmus+ Praktikumsprogramm erfreut sich unter den Studierenden einer immer größeren Beliebtheit und wird vermehrt als Orientierungshilfe für weitere akademische Entscheidungen genutzt. Attraktiv erscheinen in diesem Zusammenhang die internationalen Masterprogramme, die in Deutschland zunehmend auch auf Englisch absolviert werden können (vgl. Reznicek 2017: 24). In Spanien kann an 48 der 84 Universitäten Deutsch gelernt werden, an neun davon als Studienfach Germanistik (vgl. DAAD 2017: 8). Mit der Studienreform im Zuge Bolognas hat vor allem das Angebot von Deutsch als berufsbezogenem Fremdsprachenunterricht zugenommen. Einen Aufschwung haben auch die Studiengänge Übersetzen (und Dolmetschen) erlebt, die an 19 Universitäten angeboten werden, wobei Deutsch meist nur als zweite Fremdsprache vertreten ist. Im Bereich der Germanistik hat die Einführung des Bachelors eher negative Folgen. Da es in Spanien aufgrund der geringen Verbreitung des Deutschen im Schulunterricht nicht möglich ist, ein Eingangsniveau festzusetzen, beginnen die Studierenden mit dem Sprachniveau A1 und sollen in den vier Jahren Regelstudienzeit nicht nur ein C1 Niveau und entsprechende Kompetenzen erwerben, sondern außerdem noch eine weitere Fremdsprache als Nebenfach belegen. Da dies eine kaum zu bewältigende Aufgabe darstellt, ist die Frustration bzw. das Problem einer fachlich hochwertigen Ausbildung schon vorprogrammiert. Eine ähnliche Problematik stellt sich bei den Übersetzer- und Dolmetscherstudiengängen. Ein weiteres Problem, das insbesondere für die Hochschulkooperationen und die Einrichtung von integrierten internationalen Doppelstudiengängen von Bedeutung ist, ist die Tatsache, dass anders als in den meisten Ländern der EU ein Bachelor in Spanien auf vier Jahre und ein Master auf ein Jahr festgelegt ist. Seit dem umstrittenen Hochschulgesetz 2014 gibt es allerdings eine Regelung, die

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den Universitäten die Einrichtung neuer dreijähriger Bachelor- und zweijähriger Master-Studiengänge ermöglicht. Diese Veränderung kann die Einführung von binationalen Studiengängen erleichtern. Aktuell gibt es sechs solcher Doppelabkommen, von denen zwei im Bereich der europäischen Sprach- und Kulturwissenschaft angesiedelt sind (vgl. genaue Aufführung der Studiengänge; DAAD 2017: 14). In diesem Zusammenhang zeichnen sich jedoch zwei Problembereiche ab. In Masterstudiengängen, besonders der Geistes- und Sozialwissenschaften, ist es trotz Englisch als Lingua franca für die Lehrenden und Studierenden nötig, über ausreichende Deutsch- und Spanischkenntnisse zu verfügen, um Zugang zu fachbezogenen Ressourcen zu haben. Weiterhin wird ein Masterstudium in Spanien nicht als Selbstverständlichkeit angesehen, da die Studiengebühren im Vergleich zum Bachelor eher hoch sind und es immer weniger Stipendien gibt13. Aufgrund der unterschiedlichen Lehr- und Lerntraditionen werden divergierende Erwartungen von deutscher und spanischer Seite an die Studierenden herangetragen. Gesprochen wird hierbei meist von der starken Verschulung und Theorielastigkeit des spanischen Hochschulstudiums. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass ein und derselbe Vorwurf sich auf sehr unterschiedliche Ausgangspositionen beziehen kann. Wirkte die spanische Studienreform Anfang der 1990er Jahre gegen diese Verschulung und förderte die Entscheidungsmächtigkeit der Studierenden, so wurde diese Entwicklung durch die Bologna-Reform wieder stark eingeschränkt. Die vor allem in den spanischen Medien diskutierte mangelnde Beschäftigungsbefähigung wurde durch das Bachelorstudium nicht aufgehoben. Die Studienpläne sehen zwar Praktika vor, wobei deren Integration in den Studienverlauf nicht gewährleistet ist. Bedingt durch die Geschichte der spanischen Bildungspolitik des 20. Jahrhunderts und das Fehlen einer alternativen hochwertigen (Berufs-)Ausbildung entscheiden sich junge Absolvent*innen immer noch häufiger für ein Hochschulstudium als für eine praktische Berufsausbildung. Das ist darauf zurückzuführen, dass ein Hochschultitel immer noch höher angesehen ist als eine Berufsausbildung. Durch die Krise seit 2008 ist diese Diskussion in die Öffentlichkeit gedrungen und wird von politischer Seite aktiv vorangetrieben. Besonders seit den radikalen Budgetkürzungen im Bildungsbereich sind die internationalen akademischen Beziehungen in Spanien mehr denn je auf den

|| 13 Die Studiengebühren sind mit jenen in England oder den USA nicht zu vergleichen, bedeuten aber für die spanische Durchschnittsfamilie eine zusätzliche, oftmals kaum zu bewältigende Belastung. Die staatlichen Stipendien für finanziell weniger gut gestellte Familien wurden 2012 stark gekürzt und verstärkt an die Leistung der Studierenden und an die Einhaltung der Mindeststudienzeit gebunden.

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DAAD angewiesen14. Vertreten ist der DAAD in Spanien durch das Informationszentrum in Madrid, acht Lektorate und mittlerweile fünf Sprachassistenzen. Weiterhin führt der DAAD das Ortslektorenprogramm, durch das deutsche Lehrkräfte an spanischen Hochschulen durch fachliche Weiterbildungen, Aufenthalte in Deutschland oder durch deutschsprachige fachwissenschaftliche Materialspenden gefördert werden. Aktuell gibt es in Spanien 34 Ortslektor*innen. Die Arbeit des DAAD-Informationszentrums sowie der Lektorate ist ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit. Im Bereich Personenförderung stellt das Stipendium für die Hochschul- und Intensivsprachkurse mit 50 Förderungen pro Jahr das zahlenmäßig wichtigste Programm dar. In Bezug auf die germanistischen Studiengänge ist es besonders wichtig, da durch die Einführung des Bachelors der Unterricht auf Deutsch einen wesentlichen Rückgang erlitten hat und der Erasmusaufenthalt im Allgemeinen zu früh stattfindet, um wirklich nutzbringend angewandt zu werden. Im Bereich der Projektförderung sei aufgrund seiner hohen Relevanz das Programm „Hochschuldialog mit Südeuropa“ genannt, das vom DAAD im Jahr 2013 eingerichtet wurde. Vertreter*innen der südeuropäischen Germanistenverbände starteten im Juni 2014 die Initiative „Südeuropa Germanistik“ zur verstärkten Zusammenarbeit im Bereich von Forschung, Nachwuchsförderung und Lehre. Im Jahr 2017 ging der DAAD-Preis für Internationale Germanistik „Jacob und Wilhelm Grimm“ an die spanische Wissenschaftlerin Prof. Dr. Marisa Siguan Boehmer von der Universitat de Barcelona.

2.3 Die deutsche Sprache in der Erwachsenenbildung Die wohl prestigeträchtigste Einrichtung zum Erlernen der deutschen Sprache in Spanien ist das Goethe-Institut mit Standorten in Madrid, Barcelona, Granada und San Sebastián und seinen Sprach- und Prüfungszentren. Neben einem breiten Angebot für Deutschlernende und -lehrende behandelt es aktuelle gesellschaftspolitische Fragestellungen und erreicht somit ein breites Publikum in Spanien. Die staatlichen Sprachschulen (EOIs) erfreuen sich eines ebenso hohen Prestiges und bieten spanienweit anerkannte Sprachabschlüsse an. Seit den 1960er

|| 14 Im Bereich der Bildungskooperation sind in Spanien neben dem DAAD nur Campus France, die Fulbright-Stiftung sowie das British Council aktiv. Während sich die beiden letzteren vorrangig um die englische Sprache und das Hochschulmarketing kümmern, betreibt Campus France Hochschulmarketing und vergibt Stipendien in Kooperation mit der Caixa Bank.

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Jahren verfolgen die EOIs das Ziel, die Sprachausbildung der spanischen Bevölkerung ab 16 Jahren zu einem günstigen Preis zugänglich zu machen. Dabei sind sie ein wichtiger Arbeitgeber für staatlich geprüfte Lehrkräfte. Ergänzt wird das Fremdsprachenlernangebot durch private Sprachschulen, die meist auf Nachfrage ein quantitativ und qualitativ vielfältiges, unüberblickbares Angebot an Deutschkursen mit oftmals schlecht bezahlten Lehrpersonen anbieten. Aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktlage und der hohen Abbrecherquote in der Sekundarstufe fördert die spanische Regierung seit 2012 die duale Berufsausbildung per Gesetz. Mit dem Ziel, die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu senken, werden in vielen Regionen Spaniens diverse Pilotprojekte zur Umsetzung der dualen Ausbildung nach dem deutschen Modell durchgeführt. Als wichtigster Ansprechpartner gilt hier die Deutsche Handelskammer für Spanien (AHK), die eine Vielzahl an spanischen und deutschen Unternehmen dabei beraten hat, das Konzept der dualen Ausbildung zu übernehmen15. Obwohl das erklärte Ziel auf deutscher Seite darin besteht, dass Spanien sein eigenes duales System entwickelt, besteht die Frage, warum etablierte Institutionen diesem Transfer kritisch oder sogar ablehnend gegenüberstehen. In den deutschen Berufsschulen FEDA (Formación Empresarial Dual Alemana) in Madrid und Barcelona wurden bereits mehr als 2000 Auszubildende in Kooperation mit in Spanien ansässigen deutschen Unternehmen zweisprachig in kaufmännischen Berufen ausgebildet16. Auf spanischer Sprache kann an der FEDA Madrid eine Ausbildung zum Técnico en comercio/Verkäufer/in mit doppeltem Abschluss absolviert werden. Als Mindestvoraussetzungen werden Spanischkenntnisse auf B1-Niveau sowie Abitur oder Bachillerato, der spanische Sekundarstufenabschluss, und ein Eignungstest genannt. Deutsch als Fremdsprache gehört zu den Unterrichtsfächern, die während der Ausbildung belegt werden müssen. Auf deutscher Sprache kann ein in Deutschland anerkannter Abschluss als Kaufmann/-frau für Speditionund Logistikdienstleistung oder als Industriekaufmann/-frau erworben werden. Als Zugangsvoraussetzungen werden hier neben dem spanischen oder dem deutschen Abitur, Spanischkenntnisse und Deutschkenntnisse auf B1- oder B2-Niveau gefordert. Der Berufsschulunterricht soll auf Deutsch gemäß den in Deutschland geltenden Ausbildungsplänen stattfinden. Das Fach Deutsch als Fremdsprache wird unter den aufgeführten Ausbildungsbereichen nicht genannt. In der FEDA Barcelona wird für Schüler*innen, die über kein spanisches oder deutsches Abitur verfügen, ein sogenanntes Orientierungsjahr angeboten.

|| 15 http://www.ahk.es/berufsbildung/duale-berufsausbildung-in-spanien/. 16 Die Liste der im Jahr 2014/2015 ausbildenden Unternehmen: http://www.ahk.es/berufsbildung/duale-berufsausbildung-in-spanien/ausbildungsunternehmen-201415/.

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Zu den aufgeführten Unterrichtsfächern gehören vor allem Fremdsprachen (Deutsch, Spanisch, Englisch) sowie Mathematik und Wirtschaft. Nichtsdestoweniger müssen die Teilnehmenden mindestens das Sprachniveau A2 auf Deutsch und B1 auf Englisch vorweisen17. Angesichts der bisher umrissenen Situation scheinen die Probleme auf der Hand zu liegen: Da nur ein sehr geringer Prozentsatz der spanischen Schulabgänger*innen überhaupt Deutschkenntnisse geschweige denn solide Kenntnisse auf B1- bzw. B2-Niveau mitbringt, bleibt diese Art der Ausbildung einer kleinen (Elite-)Gruppe vorbehalten, die meist ausgezeichnete Voraussetzungen für ein Hochschulstudium mitbringen. Eine weitere Hürde ist das Imageproblem der spanischen Berufsausbildung (FP – Formación Profesional). Aufklärungsarbeit bei Eltern und Schüler*innen ist nötig, um die Vorteile einer dualen Berufsausbildung herauszustellen. Ein weiterer und (noch) relativ unbekannter Förderer der deutschen Sprache und des Deutschlandbildes ist das „Alumniportal Deutschland – ein weltweites Netzwerk“ 18. Es ist eine weltweite Kommunikations- und Kontaktplattform für alle diejenigen, die einen Bezug zu Deutschland oder zur deutschen Sprache haben. Das Angebot ist vielfältig und reicht von Informationen über aktuelle politische, kulturelle und wirtschaftliche Themen, über Informationen zu Alumni- und Netzwerkveranstaltungen bis hin zu umfassenden Informationen zu Job- und Karrieremöglichkeiten und einer erfolgreichen Bewerbungsstrategie. Der Besuch des Portals suggeriert, dass dem Netzwerkmitglied alle Türen offenstehen. Im Bereich Deutsche Sprache19 können die Nutzer*innen mit verschiedenen kostenlosen Lernangeboten ihre Deutschkenntnisse auffrischen und verbessern. Das Alumniportal Deutschland wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) finanziert und vom Auswärtigen Amt unterstützt. Weiterhin kooperiert es mit Akteuren aus der internationalen Zusammenarbeit, wie der Alexander von Humboldt Stiftung, dem DAAD, dem Goethe-Institut und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Aufgeführt wird das Alumniportal Deutschland auf der offiziellen Webseite der deutschen Vertretungen in Spanien20. Immer häufiger wird unter den Institutionen der Deutschförderung im Ausland die Deutsche Welle21 aufgeführt. Die multimedialen Lernangebote, die von

|| 17 http://www.feda-business-school.com/de/fp/?del=1. 18 https://www.alumniportal-deutschland.org/. 19 https://www.alumniportal-deutschland.org/deutsche-sprache/. 20 http://www.spanien.diplo.de/__Zentrale_20Komponenten/Ganze-Seiten/ZK-Ganze-Seitenalt/de/Bildung/alumni-deutschland.html?site=481781. 21 http://www.dw.com/es/aprender-alem%C3%A1n/s-4639.

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didaktisch aufbereiteten Nachrichten, über Telenovelas bis hin zu Communities auf Facebook und Twitter reichen, sind für alle Niveaustufen geeignet und bereiten alltagsbezogene und aktuelle Themen für den Lernenden auf attraktive Art und Weise auf. Auch Lehrende können das vielfältige Angebot kostenlos nutzen (vgl. Auswärtiges Amt 2015: 40).

3 Fazit: Zukunft durch Krise Die bisherigen Ausführungen weisen darauf hin, dass sich in der spanischen Gesellschaft ein Bewusstseinswandel vollzogen hat. Die Bedeutung von aktiven Fremdsprachenkenntnissen für eine moderne Gesellschaft mit sicheren Zukunftsperspektiven wurde erkannt. Daher ist es nun an der Zeit, das bereits bestehende Netz an Fördermöglichkeiten zu nutzen und weiter auszubauen. Im Sekundarschulbereich können sowohl das Goethe-Institut als auch die Deutschlehrerverbände in den Autonomen Regionen auf institutioneller Ebene kooperieren und die Schüler*innen und Eltern weiter sensibilisieren. Es wäre allerdings zumindest eine Überlegung wert, ob eine Flexibilisierung der Richtlinien auf Seiten der deutschen sowie spanischen Institutionen zu zufriedenstellenderen Resultaten und zur Nutzung bestehender Programme führen könnte. In Bezug auf die Lehrenden sollte besonderes Augenmerk auf die kontinuierliche Fortbildung der Lehrkräfte gerichtet werden. Sinnvoll wäre es auch, die Lehrkräfte der EOIs, die eine Sonderstellung in der Erwachsenenbildung einnehmen, in diese Fortbildungsmaßnahmen – außerhalb der Angebote vom Goethe-Institut – mit einzubeziehen. Die Internationalisierung des spanischen Wissenschaftssystems ist eine Aufgabe, die vor allem von den jeweiligen Universitäten und autonomen Regierungen ausgehen und gefördert werden muss. Die von deutscher Seite beklagte Dezentralisierung in Bezug auf die Wissenschaftsförderung (vgl. Reznicek 2017: 23) bei der Internationalisierung des spanischen Hochschulsystems kann aufgrund des persönlichkeitsorientierten Umgangs in der spanischen Gesellschaft eher als Chance gewertet werden. Die Anwesenheit des DAAD mit seinen Vertreter*innen ist ein wichtiger Parameter, um diese Maßnahmen mit den bestehenden Mitteln zu verstärken und zu unterstützen. Die aus Deutschland zurückgekehrten Spanier*innen bergen ein großes Potential und können neue Multiplikator*innen darstellen. Zum einen teilen sie ihre Erfahrungen mit, wodurch sie das bestehende Deutschlandbild neu prägen.

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Zum anderen sollten die Rückkehrer*innen vernetzt werden und als Ansprechpartner*innen für Deutschlandfragen gewonnen werden. Initiativen in dieser Richtung bestehen, sind aber nicht vernetzt. Das Alumniportal Deutschland beispielsweise stützt das bisher vermittelte Deutschlandbild, indem es glänzende Berufsaussichten und prestigeträchtige Bildung und Forschung suggeriert. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wäre es angebracht, die Perspektive zu wechseln und über die Schwierigkeiten gewisser Forderungen nachzudenken. Deutschland braucht hochqualifizierte Arbeitskräfte und starke EU-Partnerländer. Die Frage, die sich auf spanischer Seite stellt, könnte aber eine andere sein. Die spanische Gesellschaft mag die Vorzüge der Migration oder einer zweisprachigen Berufsbildung nicht unbedingt als solche erkennen. Die aus deutscher Sicht genannten Unzulänglichkeiten des spanischen Bildungswesens, wie z.B. die fehlende Transversalität der Bachelor- und Masterabschlüsse oder die unterschiedliche Definition von Mehrsprachigkeit, sind Probleme, die auf die Traditionen und die Geschichte des Landes zurückgehen. Wie eingangs beschrieben, stehen an erster Stelle für das Erlernen der deutschen Sprache die besseren Berufsaussichten. Für Spanier*innen sind diese nun nicht unbedingt der entscheidende Faktor, um eine Sprache zu lernen und sein Leben danach auszurichten. Diese unterschiedliche Werteorientierung lädt zu einem reflektierten Dialog ein, aus dem ein differenziertes Deutschlandbild hervorgeht, das einer komplexen kulturellen, sozialen und politischen Realität Rechnung trägt.

Literaturverzeichnis AHK (2017): Deutsche Handelskammer für Spanien. http://www.ahk.es/berufsbildung/dualeberufsausbildung-in-spanien/ (26.03.2018). Alumniportal Deutschland. https://www.alumniportal-deutschland.org/ (01.05. 2018). Auswärtiges Amt (2015): Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015. https://www.goethe.de/resources/files/pdf37/Bro_Deutschlernerhebung_final2.pdf (03.03.2018). Borszik, Aurica & Ruth Fröhlinger (2014): Universitärer DaF-Unterricht in der Großgruppe: Didaktische Herausforderungen nach dem „Merkel-Effekt“. In María Cecilia Ainciburu (Hrsg.), En camino hacia el plurilingüismo. ACTAS del II Congreso Internacional Nebrija en Lingüística Aplicada a la Enseñanza de Lenguas, 115–125. https://www.nebrija.com/vida_universitaria/servicios/pdf-publicaciones/ActasNebrija_SegundoCongreso.pdf (12.05.2018). DAAD (2017): Ländersachstand Spanien. Kurze Einführung in das Hochschulsystem und die DAAD-Aktivitäten. https://www.daad.de/medien/der-daad/analysen-studien/laendersachstand/spanien_daad_sachstand.pdf (26.04.2018).

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Deutsche Welle (2014): Nachgehakt: Spanier in Deutschland – zwei Jahre nach ihrer Ankunft. http://www.dw.com/de/nachgehakt-spanier-in-deutschland-zwei-jahre-nach-ihrer-ankunft/av-17649803 (06.03.2018). El País. http://sociedad.elpais.com/sociedad/2012/11/09/actualidad/135248639 (13.05.2018). FAGE. Federación de Asociaciones de Germanistas en España. http://www.fage.es (06.03.2018). FEDA. Formación Empresarial Dual Alemana. http://www.feda-businessschool.com/de/fp/?del=1 (15. Mai 2018). Goethe Institut. https://www.goethe.de/ins/es/de/spr/wdl.html (03.03.2018). Lehmann, Walter (2006): Die Bundesrepublik und Franco-Spanien in den 50er Jahren. NS-Vergangenheit als Bürde? München: Oldenbourg. MobiPro EU. http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Modellprogramme/mobi-proeu.html (07.03.2018). Pädagogischer Austauschdienst. https://www.kmk-pad.org/programme/fremdsprachenassistenzkraefte.html. (09.05.2018). Pichler, Georg & Brigitte E. Jirku (2017): Die spanische Germanistik im Wandel. Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 64 (1), 40–44. Pichler, Georg & Brigitte E. Jirku (2018): Germanistik in Spanien. Jahrbuch für Internationale Germanistik 50 (1), 39–51. Reznicek, Marc (2017): DAAD-Bildungssystemanalyse Spanien. Daten & Analysen zum Hochschul- und Wissenschaftsstandort. https://www.daad.de/medien/der-daad/analysenstudien/bildungssystemanalyse/spanien_daad_bsa.pdf (09.05.2018). Schoepp, Sebastian (2017): Darum zieht es junge Spanier trotz Arbeitslosigkeit in die Heimat zurück. Süddeutsche Zeitung 24.02.2017. http://www.sueddeutsche.de/panorama/wirtschaftskrise-darum-zieht-es-junge-spanier-trotz-arbeitslosigkeit-in-die-heimatzurueck-1.3394035 (08.05.2018). Schulen Partner der Zukunft (2018): Initiative „Schulen Partner der Zukunft“. http://weltkarte.pasch-net.de/2015/map/files/print/weltkarte-partnerschulen-201801.pdf (15.05.2018). Siguan, Marisa (2007): Die deutsche Sprache in Spanien. Jahrbuch für Internationale Germanistik 39 (2), 51–60. The Job of my life. http://ausbildungsinteressierte.thejobofmylife.de/de/ausbildungsinteressierte.html (06.03.2018). Volvemos. https://volvemos.org/ (06.03.2018).

Sandro M. Moraldo

Förderung von DaF in Italien 1 Einführung In einer zunehmend globalisierten Welt, in der nicht nur Unternehmen über Ländergrenzen hinweg und zwischen Kontinenten vernetzt sind und Handel betreiben, nehmen Fremdsprachenkenntnisse eine immer größere Rolle ein. Und weil die Kundschaft international agierender Unternehmen stetig vielfältiger wird, sind mehrsprachige Bewerber für global player zu einer Notwendigkeit geworden. Sprachliche Internationalität und interkulturelles Wissen sind dementsprechend Schlüsselqualifikationen, die in bestimmten Jobs den Ausschlag bei der Einstellung geben und die Karrieremöglichkeiten innerhalb eines Unternehmens deutlich verbessern können. War die englische Sprache früher noch ein Vorteil, gehört sie mittlerweile zum Standard-Repertoire eines durchschnittlichen Bewerbers. Aus der Perspektive eines italienischen Muttersprachlers stellt sich nun die Frage, welche Fremdsprache nach Englisch (in der Sekundarstufe) gelernt werden sollte. Allgemein betrachtet gelten Französisch und Spanisch als zwei der wichtigsten Fremdsprachen nach Englisch.1 Angesichts der wachsenden Märkte in Osteuropa, Asien und der arabischen Welt gewinnen aber auch Sprachen wie Russisch, Chinesisch oder Arabisch zunehmend an Bedeutung. Allerdings sollte die Wahl gleich aus mehreren Gründen auf die deutsche Sprache fallen. Zum einen ist sie „eine zahlenmäßig große Sprache, die in mehreren Staaten, aber im Wesentlichen in einem zusammenhängenden Verbreitungsgebiet gesprochen wird“ (Eichinger 2009: 324), hat „in einer vielsprachigen Welt als attraktive Sprache mit einer großen kulturellen Tradition einen bedeutenden Platz“ (Bettermann 2009: 13) und rangiert in der internationalen Wirtschaftskommunikation „auf dem fünften oder vielleicht auch vierten Rangplatz aller Sprachgemeinschaften der Welt“ (Ammon 2015: 409). Nicht zuletzt schafft insbesondere die Bundesrepublik für ausländische Studierende, Akademiker und Forscher mit einem umfassenden, interdisziplinär angelegten Förder- und Stipendienprogramm wichtige Anreize für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Untersuchungen || 1 Cfr. Ammon (2015: 184): „Englisch ist international bedeutsamer als alle anderen Sprachen, und Französisch ist international bedeutsamer als alle numerisch stärkeren Sprachen außer Englisch und vielleicht Spanisch“. || Sandro M. Moraldo, Alma Mater Studiorum Universität Bologna, Italien, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-040

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haben zudem ergeben, dass im grenzüberschreitenden Handel mit den deutschsprachigen Nachbarländern Österreich, Schweiz und Deutschland zwar Englisch die Hauptverkehrssprache ist und auch bleiben wird, „ma molte multinazionali [...] richiedono nelle proprie subsidiary o branch una seconda lingua meglio se tedesco“2, so Paolo Citterio, der Vorsitzende der Human Resources Director Association in Italien. Dass sich außerdem dank Fremdsprachen im Beruf auch eine höhere Rendite erwirtschaften lässt, zeigen die Untersuchungen von Ginsburgh & Weber (2011), deren Ergebnis für Italien Gazzola (2016: 4) wie folgt zusammenfasst: „In Italia, per esempio, conoscere e usare l’inglese sul lavoro genera un premio di reddito di circa il 18%, il francese del 21% e il tedesco del 28%“. Bei zusätzlichen deutschen Sprachkenntnissen ist in Italien die finanzielle Rentabilität also am höchsten. Jedoch sollten zu den Basisqualifikationen vertiefte Kenntnisse in Deutsch natürlich nicht nur im Hinblick auf die Bewältigung beruflicher, sondern vor allem auch gesellschaftlicher Anforderungen gelten. Hier soll es nun darum gehen, im Zuge der weiter fortschreitenden Globalisierung und den damit einhergehenden tiefgreifenden Veränderungen unserer Lebenswelt, einige Anregungen und Ideen für die Unterrichtspraxis Deutsch als Fremdsprache in Italien zu geben. Nicht unzeitgemäße Bildungsinhalte sollen reklamiert, und konkrete, pragmatische und planbare Maßnahmen für die Förderung des DaF-Unterrichts vorgeschlagen werden. Vorschläge, die über rein progressiv angeordnete Grammatikkapitel, rezeptive und produktive Übungen, Übungseinheiten zu Wortschatz und Leseverstehen bzw. zu schriftlichem und mündlichem Ausdruck etc. hinausgehen und m. E. einen entscheidenden Beitrag leisten können, um die Lerner auf ihre gesellschaftliche, berufliche und fremdsprachlich-kommunikative Partizipation in der globalisierten Welt besser vorzubereiten. Ein moderner und zeitgemäßer Unterricht Deutsch als Fremdsprache (DaF) orientiert sich schon seit längerer Zeit an Prinzipien, die sowohl im kommunikativ-interkulturellen als auch in einem kompetenzorientierten Unterricht wichtig sind. Der folgende Beitrag möchte drei Punkte herausgreifen, die aus Sicht des Verfassers von Bedeutung sind, um zukünftigen Schulabgängern, die das Fach Deutsch als Fremdsprache auf erhöhtem Anforderungsprofil belegen, für das Studium an den Universitäten und den sich daran jeweils anschließenden beruflichen Einstieg besser vorzubereiten. Zum einen geht es um fremdsprachige Diskursfähigkeit als eines der Bildungs- und Leitziele des DaF-Unterrichts (Kap. 2) überhaupt. Die integrierte Vermittlung „von (fremd-)sprachlichen Fertigkeiten und sog. nicht-linguistischen Fachinhalten“ (Haataja 2010: 1047) ist ein weiterer Aspekt, der mehr als bisher in den Fokus des DaF-Unterrichts gerückt || 2 https://www.avvenire.it/economia/pagine/indagine-gidp-citterio.

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werden sollte. Fördern würde man in Italien dadurch gleichzeitig auch die duale Ausbildung nach deutschem Vorbild. Darauf wird kurz in Kap. 3 eingegangen. Zum anderen ist Sprachreflexion ein weiterer wichtiger Lernbereich, der in einem modernen DaF-Unterricht nicht fehlen sollte (Kap. 4). Nicht nur, weil sich dadurch z. B. Sprachwandelprozesse unter sprachdidaktischen Gesichtspunkten thematisieren lassen, sondern auch, weil sich ein Sprachdifferenzbewusstsein ausbilden lässt, das es dem Lerner erlaubt, auch zwischen statuierten und subsistenten Normen (u.a. in der Werbung, in den Neuen Medien) zu unterscheiden. Ein kurzes Fazit (Kap. 5) schließt die Arbeit ab.

2 Diskursfähigkeit Diskursfähigkeit ist das Bildungs- und Leitziel des Mutter- wie Fremdsprachenunterrichts. Im wirklichen Leben, zumal im Berufsleben, findet die Produktion und Verarbeitung von Sprache weniger auf der Ebene von Einzelsätzen, sondern vielmehr auf der Diskurs-Ebene statt. Aus diesem Grund muss auch der Fremdsprachenunterricht das Verstehen und die Produktion von mündlichen und schriftlichen Diskurseinheiten ermöglichen. Diese Befähigung zum mündlichen und schriftlichen Diskurs wird hier verstanden als „eine Verstehens- und Mitteilungsfähigkeit, die inhaltlich zielführend, sprachlich sensibel und differenziert, adressatengerecht und pragmatisch angemessen ist“ und auch wichtige interkulturelle Kompetenzen umfasst, die im Fremdsprachenunterricht „zusammen mit den sprachlichen Kompetenzen, im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Themen, Texten und Medien integriert erworben werden“.3 Denn so viel steht fest: Mangelhafte oder eingeschränkte Sprachrichtigkeit beeinträchtigt die sprachliche und kommunikative Kompetenz. Und wer meint, korrekten und guten Sprachgebrauch durch Einschleifen von grammatischen Strukturen zu fördern, verkennt den Stellenwert sprachlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Mündliche Ausdrucksfähigkeit, Präsentationskompetenz und Diskursfähigkeit haben für die Vorbereitung der Schüler auf Studium und Beruf einen nicht zu unterschätzenden hohen Stellenwert. Um nun die fremdsprachige Diskursfähigkeit als Kompetenz zu entwickeln und zu fördern, müssen Lernarrangements und Aufgaben zum einen „als Modellierungen realer Problemstellungen und der damit verknüpften diskursiven Verhandlungen angelegt sein“. Zum anderen müssen sie

|| 3 https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_10_18-Bildungsstandards-Fortgef-FS-Abi.pdf.

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zu ihrer Bewältigung „problemlösende Strategien sowie kognitive, sozial-interaktionale und diskursive Fähigkeiten anwenden und (weiter)entwickeln – und dies alles in der Fremdsprache“. Dementsprechend initiieren Kompetenzaufgaben „nach dem Vorbild lebensweltlicher Herausforderungssituationen komplexe Interaktionen und Aushandlungsprozesse im Klassenzimmer“, partizipieren aber im Idealfall „auch unmittelbar an realen Diskursen und gesellschaftlichen Prozessen“ (Hallet 2014: 36). Die Stärkung der mündlichen und schriftlichen Ausdrucksfähigkeit sollte daher auch ein Schwerpunkt der Weiterentwicklung des Fremdsprachenunterrichts sein und sich in den detaillierten Kompetenzerwartungen der fremdsprachlichen Lehrpläne und Richtlinien widerspiegeln. Im sprachproduktiven Bereich müssen berufsbezogene Textsorten und Gesprächskompetenzen (Bewerbungsschreiben, Firmenbrief, Bearbeitung von Kundenanfragen, Vorstellungsgespräch, Präsentationen etc.) einen breiteren Raum als bisher (sofern er überhaupt vorgesehen ist) einnehmen. Die Bewusstmachung und Darstellung stilistisch relevanter Strukturen bei geschriebenen Texten und gesprochenen Diskursen sollte dabei durch eine konsequente Orientierung an authentischen Kommunikationssituationen und (Hör)Beispielsätzen und -texten erfolgen. Erst durch die Bewusstmachung ihrer Verwendungsmöglichkeiten und Produktionsmuster kommt man modernem, berufsbezogenem Fremdsprachenunterricht und einem sprachpflegerischen Umgang mit der zu erlernenden Sprache ein ganzes Stück näher, weil sie die Formulierungs- und Artikulationsfähigkeit steigert und Schüler und Studierende dazu prädisponiert, sprachliche Register unterschiedlichen Gebrauchssituationen anzupassen. Da Deutsch in Italien Teil der Berufspraxis vieler Studierender wird, sollten neben Grammatik und Rechtschreibung auch Verstehensleistungen, kommunikative Kompetenzen und formale Textgestaltung als Lernziele schon im Schulunterricht systematisch entwickelt werden. Aber während der Deutschunterricht an italienischen Schulen oft noch zugunsten der literarischen Bildung die aktive Sprachbeherrschung und textsortenspezifisches Wissen zur Randexistenz verurteilt, spielen sie als Fundament für einen erfolgversprechenden Einstieg ins spätere Berufsleben eine zentrale Rolle.

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3 Content and Language Integrated Learning in German (CLILiG) Um den europäischen Grundsätzen einer mehrsprachigen und multikulturellen Didaktik zu entsprechen, hat das italienische Bildungsministerium 2009 angefangen, die Curricula der Sekundarstufe II zu reformieren. Schüler sollten ihre bereits im Fremdsprachenunterricht erworbenen Kenntnisse und Kompetenzen fächerübergreifend einsetzen und aktiv weiterentwickeln. Durch die Verwendung einer Fremdsprache in einem Sachfachunterricht werden komplexe Sachinhalte und fachspezifische Terminologie um fremdsprachliche Module erweitert und dadurch der Kontakt zur Fremdsprache verstärkt. Ab dem Schuljahr 2010/2011 stehen erstmals auf dem Lehrplan der Sekundarstufe II auch Wege des integrierten Sprach- und Sachlernens (Content and Language Integrated Learning; CLIL), in der die Fremdsprache auch als Arbeitssprache eingesetzt wird. Davon profitiert hauptsächlich das Neusprachliche Gymnasium, in dem ab der 11. Klasse „ein Sachfach“ und ab der 12. auch „ein zweites Fach in der Fremdsprache unterrichtet wird“. In allen anderen Schulformen der Sekundarstufe II ist dagegen ein fremdsprachlicher Sach- und Fachunterricht erst im letzten Schuljahr vorgesehen.4 Es war mit allergrößter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die kombinierte und fächerübergreifende Vermittlung von Sach- und Fachinhalten hauptsächlich in der Verkehrssprache Englisch – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen Französisch – geschehen würde. Ein Report bezogen auf das Schuljahr 2012/13 hat dies auch letztlich bestätigt: „Le lingue dei corsi, sono state principalmente Inglese e Francese, poiché non è stato possibile attivare corsi di spagnolo e tedesco per insufficienza del numero di docenti.“ (Martinelli 2016: 8) Allerdings hat sich die Lage seither ein wenig verändert und CLILiG wird nun auch in Italien, zwar nicht flächendeckend, aber doch immerhin in mehreren Regionen angeboten, wie Ricci Garotti (2017: 124) nachweisen konnte. Neben Englisch (70%), Französisch (21%) und Spanisch (4%) werden mittlerweile fächerübergreifende Projekte auf Deutsch in ca. 4% der neusprachlichen Gymnasien durchgeführt. Ein Tropfen auf den heißen Stein, aber dennoch ein Anfang, denn die Öffnung des DaF-Unterrichts und das Erkennen von Berührungspunkten zu anderen Fächern ist mehr als relevant. Die Schüler lernen, in vielfältigen Aufgaben ihre bereits im DaF-Unterricht erworbenen Sprachkenntnisse und Kompetenzen fächerübergreifend einzusetzen und aktiv weiterzuent-

|| 4 Vgl. http//www.pubblica.istruzione.it/ministero/comunicati/2009_miur/120609.shtml.

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wickeln. Da der Sprachlernerfolg nicht unwesentlich mit der Dauer und der Intensität der Beschäftigung mit der Fremdsprache zusammenhängt, wäre allerdings die Förderung des integrierten Lernens von Inhalten und Sprache schon ab einem früheren Zeitpunkt wünschenswert, wenn nicht sogar erforderlich. Weiterhin wäre in der aktuellen Diskussion um Kompetenzorientierung und Bildungsstandards der fächerübergreifende Unterricht in der Fremdsprache Deutsch verstärkt an der Schnittstelle zwischen Schulausbildung und Berufsorientierung zu verorten. Ein Schritt in diese Richtung ist sicherlich die Integration dualer Elemente in die Sekundarstufe II. So ist seit 2015 der „Wechsel des Lernortes zwischen Schule und Betrieb (Alternanza Scuola – Lavoro) in den letzten drei Schuljahren in Italien Pflicht“ (Dorwarth, Retzlaff & Tietze 2017: 140). In dieser Hinsicht integriert sich das vom Goethe-Institut Italien erarbeitete Schulprojekt Unternehmen Deutsch, denn es „erfüllt durch die Kombination der Fächer Deutsch und Wirtschaft mit Elementen der Berufsorientierung die Anforderungen eines innovativen und projektorientierten CLIL-Unterrichts“ (Dorwarth, Retzlaff & Tietze 2017: 140). Im Rahmen der Öffnung der Grenzen, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Globalisierung erlaubt gerade die duale Ausbildung, die Betrieb und Berufsschule in einer einzigartigen Art und Weise kombiniert, sich einen theoretischen Background aufzubauen und gleichzeitig in der Praxis durchzustarten. In Italien unterstützt die Berufsbildungsgesellschaft der Deutsch-Italienischen Handelskammer (AHK) mit dem Projekt Dual.Concept „die Implementierung des dualen Systems sowohl im Unternehmen als auch in der Berufsschule“, indem es interessierte, in Italien ansässige deutsche Unternehmen mit den entsprechenden Berufsschulen in Kontakt setzt.5 Fremdsprachenkenntnisse in Deutsch sind zwar keine Voraussetzung, aber sicherlich eine Motivation zum Erlernen oder gar ein Anreiz zum Weiterführen der in der Sekundarstufe erlernten Fremdsprache Deutsch, mit dem Ziel, die eigenen Chancen für Weiterbildung und beruflichen Aufstieg zu verbessern. Auch wenn der Bedarf an Fremdsprachen nach Berufen und betrieblichen Funktionen differenziert zu beurteilen ist, sind Fremdsprachenkenntnisse für viele Unternehmen zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden.

|| 5 https://www.ahk-italien.it/duale-ausbildung/dualconcept/.

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4 Sprachreflexion oder Nachdenken über Normen Sprachreflexion ist nun m. E. ein dritter wichtiger Punkt, der im DaF-Unterricht thematisiert und gefördert werden sollte. Und dies gleich aus mehreren Gründen. Die Standard-Schriftsprache unterliegt bestimmten Normen, die im Zusammenspiel mehrerer gesellschaftlicher Instanzen festgelegt und in einem Sprachkodex festgehalten werden. Die Reduplikation z.B. von Buchstaben in einem Wort kann phonetisch bedingt sein, wie das gespannt lange o [ø:] in Boot, das graphisch durch zwei o-Vokale fixiert und optisch wahrgenommen wird. Sie kann aber auch graphostilistisch markiert sein, wie in dem folgenden Chat-Beitrag: „deepocean: muss los, meld mich nächste Woche mal wieda tschüüüüs“. Hier liegt eine Orientierung schriftlicher Kommunikation an Muster und Strukturen gesprochener Sprache vor, die nicht der normgerechten graphischen Fixierung entspricht. Beobachtung und Reflexion über sprachliche Erscheinungsformen in ihrem gesellschaftlichen, politisch-wirtschaftlichen, kulturellen, medialen und literarischen Gebrauch führen nun zur Aufklärung über den Gegenstand, zur Vermittlung von Erfahrungen. Ihre kritischen Anmerkungen sind orientiert an der Aufgabe, neue Tendenzen der Sprache auf ein theoretisches Fundament zu stellen, spezielle Probleme ihrer Modernisierung zu diskutieren, Anreize zu schaffen für die didaktische Aufbereitung von neuem Sprachmaterial, um damit sprachbewusstes Schreiben und Sprechen zu fördern (vgl. Moraldo 2018). So sind neben Vokalreduplikationen auch Sprüche wie HerCOOLes – Der HELD, was er verspricht!, So take it easy und beiß rein, Da werden Sie geholfen, ICH GEBE ALLES! AUSSER MEINE SCHUHE, Deutschlands meiste Kreditkarte oder Wortbildungen wie unkaputtbar und durchschnupfsicher gemessen an der Standardnorm, kein ‚gutes Deutsch‘, ja, oft auch fehlerhaftes Deutsch. Doch sind sie deswegen gleich ‚schlechtes‘ Deutsch? Haben inszenierter Normbruch und sprachliche Originalität nicht auch etwas durchtrieben Ästhetisches an sich? Wer bei Wortspielereien, irritierenden phonetischen Schreibweisen, Anglizismengebrauch, grammatischen Verstößen voreilig die Rote Karte zieht, sollte zumindest bedenken, dass von der Werbung strategisch eingesetzte Ad-hoc-Bildungen in den meisten Fällen eine kurze Halbwertszeit haben. Niemand würde ernsthaft Werbespots für sprachprägend halten. Sprachlich verfremdende Verstöße sind bloß episodische Erscheinungen, die wohl kaum den Weg über Grammatikalisierung und Lexikalisierung in das Grundinventar der deutschen Gegenwartssprache finden. Sie liegen in der Konsequenz kreativen Sprachgebrauchs, sollten also nicht dekontextualisiert und sprachpolitisch instrumentalisiert werden. Über die didaktische Verwertbarkeit solcher normabweichenden Konstruktionen im DaF-Unterricht kann man geteilter Meinung sein. Ich stimme jedenfalls

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Janich (2001: 69) zu, dass Werbung, „die mit Sprache spielt und ihre Möglichkeiten ausreizt, durchaus zu einer Art Sensibilisierung für die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Wortbedeutungen untereinander, zwischen Ausdrucksund Inhaltsseite, Lautung und Schrift, Begriff und Referenzobjekt beitragen (kann)“. Die immer neuen Versuche der Werbeindustrie, den Produkten sprachliche Form zu geben, ist für den DaF-Unterricht eine, wie ich finde, faszinierende methodisch-didaktische Herausforderung. Es schafft doch die Möglichkeit, über anschauliche und authentische Beispiele an ein erhöhtes Sprachbewusstsein heranzuführen, über Sprache zu reflektieren. Sprachliche Marotten wie Ich habe fertig von Giovanni Trapattoni, dem ehemaligen Trainer des FC Bayern München, oder die BILD-Überschrift Wir sind Papst nehme ich jedenfalls als DaF-Dozent amüsiert zur Kenntnis und gebe sie als sprachliche Kuriositäten gerne an die Studierenden weiter. Denn: Fremdsprachenunterricht muss das Interesse an der Sprache wecken, offen sein für die Sprachentwicklung, und das heißt: Schritt halten mit neuen sprachlichen Formen, die sich empirisch einfach nachweisen lassen, aber erst als Resultat einer langen Entwicklung in neuaufgelegten Grammatiken berücksichtigt werden können, nämlich dann, wenn sie in den Sprachgebrauch übernommen wurden. Natürlich ist der Sprachstand der jeweiligen Lehrwerke die grammatische Ausgangsbasis für den DaF-Unterricht. Aber ein Lehrwerk und eine Lerner-Grammatik sind immer ein idealisiertes Konstrukt. Sie stellen für den Fremdsprachenlernenden einen Wegweiser durch das Dickicht der Vielfältigkeit der deutschen Sprache sowie einen Orientierungspunkt für die individuelle Nutzung dar. In italienischen Lerner-Grammatiken und Lehrbüchern gehören zwar auch gesprochensprachliche Phänomene (vor allem Dialogund Modalpartikeln) mittlerweile zum Repertoire, klammern aber andere wichtige Aspekte der Gegenwartssprache grundsätzlich aus. Die nationalen Varietäten (Wie spricht man in Deutschland, Österreich und der Schweiz?) kommen im DaF-Unterricht nicht einmal am Rande zur Sprache, die syntaktisch unterschiedlichen Verwendungsweisen von weil oder Verbzweitstellung nach obwohl werden erst gar nicht thematisiert. Steht dies nicht im Widerspruch zur alltäglichen Sprachwirklichkeit in Deutschland? Koordinierendes weil z.B. wird ja gerade in der Sprachrealität von Modellsprechern in Rundfunk und Fernsehen benutzt.6 Oder will man Schülern und Studierenden nur jenes – dem lebendigen Sprachgebrauch meist fernes – Deutsch beibringen, wie es in den Lehrbüchern oft anzutreffen ist, nur um jene Zielmarken zu erreichen, die erwartete Sprachkompetenzen klar benennen und überprüfbar machen? Wäre es nicht einen Versuch || 6 Zu unterscheiden wäre natürlich zwischen dem Standard der Schriftsprache und dem mündlichen Gebrauch dieser Konstruktionen.

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wert, bei der Vermittlung sprachlicher und grammatischer Grundkenntnisse mehr Mut, mehr Offenheit zu zeigen, als dies manchmal der Fall ist? Wo bleibt der Mut der Dozenten zu aktuellem, unkonventionellem Fremdsprachenunterricht, der über rein sprachliche Lernziele hinausgeht? Welche Konsequenzen ergeben sich dadurch für einen modernen DaF-Unterricht? Wenn die Forschung das theoretische Instrumentarium zur Verfügung stellt und „Sprachwandelprozesse als Gegenstand der sprachdidaktischen Reflexion erörtert“ (Neuland 2018: 29), wie kann dann mit kreativen Werbesprüchen oder Andersschreibungen allgemein unterrichtspraktisch erfolgreich gearbeitet werden? Tatsache ist, dass die deutsche Sprache als genuiner Gegenstandsbereich sowohl des Deutsch- als auch des DaF-Unterrichts Wandlungsprozessen unterliegt. Man denke zum Beispiel an kommunikative Praktiken aus den sogenannten Neuen Medien wie Blog, Twitter, Snapchat, Whatsapp etc., die „dem Schreiben Eigenschaften des gesprochenen Wortes“ verleihen (Krommer 2008: 5), die Schrift zu einem Medium synchroner wie asynchroner Interaktivität werden lassen und deren sprachliche Besonderheiten im Deutsch- wie im DaF-Unterricht ein breites Spektrum an Unterrichtskonzepten eröffnen, um angemessen reflektiert zu werden. Die unterschiedliche Setzung von Normen muss beschrieben und erklärt werden, „insbesondere dort, wo implizite Normen als innovative Sprachformen in Konkurrenz zu den expliziten Normen treten“ (Ziegler 2011: 70). Variation ist und bleibt ein wichtiges Gegenstandsfeld eines zeitgemäßen Sprachunterrichts (Deutsch als Mutter-, Zweit- oder Fremdsprache) nicht nur an Schulen, sondern auch an Hochschulen und Universitäten. Doch erst „eine systematisch, linguistisch wie didaktisch fundierte Sprachreflexion und Sprachlehre eröffnen die Möglichkeit“, eben solche Erfahrungen wie etwa kuriose Andersschreibungen „bewusst zu machen und für die kompetente Beherrschung der Zielsprache zu nutzen“ (Neuland 2006: 13; kursiv E. N.). Doris Tophinke hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass z. B. auffällige Schreibweisen in ihrer Eigenschaft „verschiedene schriftdidaktische Zugänge“ ermöglichen (Tophinke 2012: 84). Sie hebt insbesondere zwei Aspekte hervor, mit der die schriftlich-konzeptionellen Fähigkeiten der Lernenden durch den Einsatz digitaler Medieninstrumente (Computer etc.) und neu-medialer kommunikativer Praktiken unterstützt, gefördert und gewinnbringend eingesetzt werden kann. Zum einen sind die digitalen Medien „Spielräume für das (schrift-)sprachliche Handeln“ und „bieten Gelegenheiten zum Erzählen, Argumentieren, Beschreiben, Berichten, Kommentieren usw.“. Zum anderen bieten die oft „sehr kreativen, normabweichenden Schreibungen“, wie sie Lernende allgemein selbst in Foren, Blogs und sozialen Netzwerken produzieren, „Anknüpfungspunkte für

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die Sprach- und Schriftreflexion“ (Tophinke 2012: 84). An der Schnittstelle zwischen formaler und funktionaler Betrachtung von schriftsprachlichen Strukturen lassen sich subsistente Normen als funktional, sinnvoll und/oder motiviert erkennen: „Die strukturellen Auffälligkeiten, die die Schüler beobachten, können auf ihre Funktionalität hin befragt werden“. So stellen sich etwa bei orthographischen Abweichungen „als Stilisierungs- und Kontextualisierungsmarker“ Fragen nach „dem Wie und dem Warum der Schreibungen“ und unterstützen die Lerner auf diese Weise darin, „die Ordnungen und Regularitäten zu erkennen, die dem ‚normalen‘, orthographischen Schreiben zugrunde liegen“. (Tophinke 2012: 85) Bei Andersschreibungen geht es letztendlich „um ein Spiel mit Schreibmöglichkeiten, das interessante Bedeutungseffekte hat“ und bei denen „alternative Ordnungen in den Blick (kommen)“ (Tophinke 2010: 33). Diese Systematik zwischen statuierten und subsistenten, zwischen expliziten und impliziten Normen gilt es zu entdecken und im Unterricht zu erforschen, denn nur durch Reflexion bilden Lerner ein Sprachdifferenzbewusstsein aus.

5 Fazit Der Schulunterricht kann sehr viel dafür tun, um den Übergang von der weiterführenden Schule in die Universität oder die berufliche Ausbildung zu erleichtern und so produktiv wie möglich für die Bildungsbiographie der Schüler zu nutzen. Er muss ihre Neugier auf wichtige Tatbestände wecken, Fragen nach Begründungen und Zusammenhängen stellen, sie dabei unterstützen, neue Kompetenzen auszubilden, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten kontinuierlich zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen mag auf dem Weg dahin zwar nur ein Mosaiksteinchen sein, doch zusammen mit vielen anderen fördert sie die persönliche Entwicklung eines jeden einzelnen Schülers beim Erwerb von Können und Wissen, das er/sie benötigt, um sich in der globalisierten Welt besser zu orientieren, begründete Entscheidungen zu treffen und schließlich auch Aufgaben und Situationen angemessen zu bewältigen. In einer vernetzten Welt, in der Handel, Politik und Kommunikation über Ländergrenzen hinweg betrieben werden, entstehen neue Sprachanforderungen. Kommunikationskompetenz in mehrsprachigen Kontexten ist schon seit längerem die Zielvorgabe der Bildungsministerien. Diskursfähigkeit, d.h. die funktionale kommunikative Bewältigung komplexer Situationen und Problemstellungen, wie sie sich in der realen Welt präsentieren, die Schaffung lebensnaher Kommunikationssituationen, in denen Wortschatz und

Förderung von DaF in Italien | 659

sprachliche Strukturen situativ und kontextuell eingebunden werden, die verstärkte Integration der deutschen Sprache in den Sach- und Fachunterricht (CLILiG), mit der berufszielorientiert fachsprachliche und allgemeinsprachliche Kompetenzen miteinander verbunden werden und schließlich Sprachreflexion, d.h. die Entwicklung sprachreflexiver Kompetenzen als eigenständiger Lernbereich im DaF-Unterricht („Schließlich wollen die Lerner wissen, wie und warum man heute in der Zielsprache spricht/schreibt, was im Gebrauchswandel begriffen und vielleicht noch nicht festgeschrieben ist“; Neuland 2018: 35), sind drei ausdifferenzierte ‚Felder’, die meiner Ansicht nach den DaF-Unterricht in Italien optimieren und eine Debatte anregen sollten, wie Diskursfähigkeit, CLILiG und Sprachreflexion die Didaktik beeinflussen und in Lehr- und Lernprozesse integriert werden können.

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Goranka Rocco

Einstellungen, Lernbiographien, Arbeitsmarktlage: Lernmotivationsförderung und Stärkung des Deutschen in Italien 1 Einleitung Die Frage, was auf Deutschlernende und -studierende in einem Land oder gesellschaftspolitischen Umfeld motivationsfördernd wirkt und wie man das Deutschlernen und damit verbunden den Status und die Rolle des Deutschen im gegebenen Kontext stärken kann, verlangt nach einer mehrperspektivischen Herangehensweise. Ohne Anspruch auf eine erschöpfende Beantwortung dieser Frage soll im Folgenden versucht werden, die aktuelle Situation in Italien, v.a. im akademischen Bereich, aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und dabei sowohl auf den sozioökonomischen und sprachpolitischen Kontext als auch auf die Einstellungen, Erwartungen und sprachlichen Erfahrungen der Studierenden und Hochschulabsolventen einzugehen. Dieser Zielsetzung entsprechend diskutiert der vorliegende Beitrag die Frage nach den Möglichkeiten der Motivationsförderung und der Stärkung des Deutschen zunächst aufgrund der Arbeitsmarktlage, wie sie sich einerseits global und andererseits in Italien gestaltet, und anschließend aufgrund einiger Aspekte der Beschäftigungssituation und der Perspektiven der angehenden italienischen Sprachmittler (Abschnitt 2). „Sprachmittler“ wird dabei als Sammelbegriff für Studierende und Absolventen der Fachrichtungen Fremdsprachen und Literatur(en), sprachliche/kulturelle Mediation, Dolmetschen und Übersetzen benutzt und entspricht somit der Kategorie Gruppo linguistico, einer der sechzehn Fachgruppen, mit denen die weiter unten angesprochenen Statistiken des interuniversitären italienischen Konsortiums AlmaLaurea operieren.1 Während die Betrachtungen in diesem Abschnitt weitgehend auf sozioökonomischen Untersuchungen bzw. Erhebungsdaten beruhen,

|| 1 Diese sowie die in den darauf folgenden Abschnitten thematisierten Daten wurden im Rahmen meines von der Universität Triest geförderten Projekts zum Arbeitsmarkt für angehende || Goranka Rocco, Universität Triest, Italien, [email protected]

https://doi.org/10.1515/9783110479232-041

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wenden sich die beiden darauf folgenden Abschnitte der subjektiven Wahrnehmung verschiedener Gruppen angehender Sprachmittler zu. Zum einen geht es dabei um die sprach- und arbeitsmarktbezogenen Einstellungen und Erwartungen der Absolventen (Abschnitt 3), zum anderen um die sprachbiographischen Daten der Studienanfänger mit dem ersten oder einzigen Wahlfach Deutsch, die über ihre Lernerfahrung und Lernmotivation Aufschluss geben (Abschnitt 4). Der letzte Abschnitt (5) führt die vorausgehenden Betrachtungen zusammen und nennt einige mögliche Strategien bzw. Initiativen, die vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage und der sprach- und bildungspolitischen Situation zur Stärkung der Rolle des Deutschen und der Lernmotivation einen nachhaltigen Beitrag leisten könnten.

2 Kontextualisierung: Arbeitsmarktlage, Sprach- und Bildungspolitik Unter den globalen Entwicklungen, die sich auf den europäischen und speziell den italienischen Arbeitsmarkt auswirken, sind mit Blick auf die letzten Jahrzehnte zunächst der Wandel von der fordistischen zur postfordistischen Ära und damit verbunden die Krise des wohlfahrtstaatlichen Kapitalismus zu erwähnen (vgl. z.B. Koch 2003). Diese Transformationsprozesse spiegeln sich u.a. in einer zunehmenden Differenzierung und Flexibilisierung der Arbeit wider, nicht nur im Hinblick auf Ort und Zeit der Arbeitsverrichtung, sondern auch auf die Arbeitsbedingungen. Damit verbunden ist die Rede auch von wachsenden Einkommensunterschieden und besonders von der Prekarisierung und Entgrenzung der Arbeit (vgl. z.B. Voß 2000). Parallel dazu zeichnet sich auf wirtschafts- und unternehmenspolitischer Ebene der sog. Flexibilisierungsdiskurs ab, der eine Flexibilisierung bzw. Deregulierung des Arbeitsmarktes als ökonomischen Imperativ darstellt (Promberger 2012: 37; Nollert & Pelizzari 2008: 139; Fairclough 2011: 337 f.): Es handelt sich um einen Diskurs(strang), der die skizzierten Arbeitsmarktentwicklungen z.T. reflektiert, z.T. aber auch mitträgt und vorantreibt, wie die Arbeitsmarktreformen in Großbritannien, Deutschland, Italien und Frankreich gezeigt haben (Rocco 2015a, 2015b, 2018).

|| Sprachmittler „Mercato del lavoro per mediatori linguistici neolaureati: inserimento, prospettive, problematiche“ (Università degli Studi di Trieste – Finanziamento di Ateneo per progetti di ricerca scientifica – FRA 2016, 1.1.2017–31.12.2018) analysiert, in dessen Rahmen auch diese Arbeit entstanden ist.

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Hinzu kommt die Wirtschafts- und Finanzkrise, die 2008 einsetzte und die die Eingliederung in den Arbeitsmarkt noch zusätzlich erschwert (hat) und speziell in Italien und mehreren anderen südeuropäischen Ländern eine wachsende Prekarisierung nach sich zieht. So führt nach einem Bericht des offiziellen italienischen Statistikamtes (ISTAT 2016: 216) die wachsende Prekarisierung dazu, dass die Grenze zwischen der sog. atypischen Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit immer verschwommener wird. Zentral im Hinblick auf die Fragestellungen des vorliegenden Beitrags ist die Jugendarbeitslosigkeit, die sich durch die Krise noch zugespitzt hat, sodass Italien aktuell den dritthöchsten Anteil junger Arbeitsloser (34,7% für 2017) im EU-Vergleich und darüber hinaus ein beträchtliches Gefälle zwischen Nord und Süd aufweist: In Kalabrien und Sizilien liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei rund 57 bis 58% (Hasler & Feer 2018). Mit diesen Entwicklungen korrespondiert auch das sog. Braindrain-Phänomen: In den ersten Jahren der Wirtschaftskrise (2008–2013) ist laut dem italienischen Statistikamt der Anteil von Akademikern unter den Auswanderern auf 25% gestiegen. Noch aussagekräftiger mit Blick auf den Mangel an Perspektiven und wirkungsvollen institutionellen Initiativen ist die Tatsache, dass Italien aktuell den europaweit höchsten NEET-Anteil verzeichnet (vgl. Rocco in diesem Band, Tab. 1); das Akronym (neither in employment, education or training) bezieht sich über die offiziell arbeitslos gemeldeten Personen hinaus auf all diejenigen, die weder erwerbstätig sind noch sich in der (Berufs)Ausbildung bzw. im Studium befinden. Stellt man die Frage nach einer systematischen Bekämpfung dieses Phänomens, so sind laut einem Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes (2017), der sieben Länder (darunter Italien) auf die Umsetzung der Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit hin überprüfte, die gesetzten Ziele (z.B. das Projekt „Jugendgarantie“) nicht erreicht worden. Speziell im Hinblick auf die Perspektiven von Akademikern sind noch zwei Faktoren zu erwähnen: erstens der in Italien im EU-Vergleich besonders niedrige und außerdem stagnierende Anteil der Beschäftigten in hochqualifizierten Berufen2 und zweitens die Tatsache, dass leitende Positionen in Unternehmen bedeutend seltener von Beschäftigten mit Studienabschluss besetzt werden: 53,2% im EU-Vergleich gegenüber 24,5% in Italien (AlmaLaurea 2014: 5). Wenn wir nun vor diesem Hintergrund die Situation der angehenden Sprachmittler näher betrachten, so muss auch die Frage gestellt werden, inwieweit diese Kategorie, speziell in Italien, besonderen Prekarisierungsrisiken ausgesetzt ist:

|| 2 Der Anteil der Beschäftigten in hochspezialisierten Berufen ist im EU-Durchschnitt von 21,5% 2004 auf 24,45% 2014 gestiegen; in Italien ist er hingegen in demselben Zeitraum von 18,8% auf 17,8% gesunken (AlmaLaurea 2016: 26).

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Erstens sind die Berufsbezeichnungen „Sprachlehrer“, „Sprachmittler“, „Übersetzer“, „Dolmetscher“ usw. nicht rechtlich geschützt; zweitens handelt es sich oft um Tätigkeiten, die auf Basis sog. atypischer Verträge und ähnlicher Vertragsformen ausgeübt werden, die selten Brückeneffekte in eine stabile Anstellung haben, drittens sind bei den Sprachmittlerberufen besonders stark Frauen vertreten, die in vielen europäischen Ländern auch abgesehen vom sog. „Gender Pay Gap“ für die Prekarisierung besonders anfällig sind (vgl. z.B. Scherschel & Booth 2012: 35). In Verbindung mit den skizzierten Tendenzen ist noch ein Phänomen zu erwähnen, das mit der Jugendarbeitslosigkeit, der Flexibilisierung und der Ausbreitung prekärer Vertragsformen einherzugehen scheint und von einigen Wirtschaftswissenschaftlern und Soziologen als „Ökonomie der Verheißung“, „économie de la promesse“, „economia della promessa“ bezeichnet wird (vgl. Fumagalli 2016; Bascetta et al. 2015): Diese beruht auf der Bereitschaft, in der Hoffnung auf eine zukünftige stabile Anstellung in unbezahlte oder gering bezahlte Arbeit und Praktika zu investieren. Zuverlässige Informationen über die Arbeitsbedingungen, aber auch Arbeitswünsche und -erwartungen der italienischen Absolventen bieten die Daten des 1994 in Bologna gegründeten interuniversitären Konsortiums AlmaLaurea, das neben anderen Tätigkeiten und Dienstleistungen Daten über das Profil und die Arbeitssituation italienischer Hochschulabsolventen zusammenstellt. Aufgrund der Tatsache, dass Befragungen (mit kleineren Variationen von Jahr zu Jahr) derzeit an 75 Universitäten durchgeführt werden und somit rund 90% der italienischen Absolventen erfassen, zeichnen sich die AlmaLaurea-Statistiken durch eine hohe Repräsentativität aus. Wenn wir nun die durch AlmaLaurea ermittelte Entwicklung der Beschäftigungssituation der Absolventen (jeweils ein Jahr nach dem Abschluss) für den Zeitraum 2007–2016 betrachten, so lässt sich im Vergleich zur Zeit vor der Krise eine um ca. 12% (Bachelorabsolventen) bzw. 7% (Masterabsolventen) niedrigere Beschäftigungsquote beobachten (AlmaLaurea 2018: 11). Im Vergleich zur o.g. allgemeinen Jugendarbeitslosigkeit erweist sich also der Hochschulabschluss und besonders der Masterabschluss immer noch als ein Faktor, der die Arbeitsaussichten erhöht. Doch gleichzeitig sind diese Beschäftigungszahlen bedeutend niedriger als in den meisten nordeuropäischen Ländern (in Deutschland beträgt die Arbeitslosenquote von Akademikern 2,6% für alle Studiengänge und 3% für die Absolventen sprach- und literaturwissenschaftlicher Studiengänge; vgl. Bundesagentur für Arbeit 2016: 19). Außerdem lässt sich bei einem diachronischen Vergleich der jährlichen Erhebungsergebnisse feststellen, dass der Anteil stabil beschäftigter Hochschulabsolventen ein Jahr nach dem Bachelorabschluss von 41,8% im Jahr 2007 auf 23,5% im Jahr 2016

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gesunken ist; innerhalb nur eines Jahrzehnts ist also die Zahl der stabilen Anstellungen (contratto a tempo indeterminato) um knapp 50% zurückgegangen (AlmaLaurea 2018: 13). Seit 2015 hat zudem die unter dem Namen Jobs Act bekannte Arbeitsmarktreform den festen Arbeitsvertrag durch den sog. „Vertrag mit wachsendem Schutz“ (Contratto a tutele crescenti) ersetzt, bei dem im Unterschied zum ersteren bei unrechtmäßiger Kündigung kein Anspruch auf Wiederbeschäftigung besteht (Dolce & de Luca 2016: 146). Um einige Daten zur Beschäftigung der Sprachmittler (Gruppo linguistico) mit anderen 15 in den AlmaLaurea-Statistiken definierten Gruppi disciplinari zu vergleichen (Gruppo chimico-farmaceutico, Gruppo medico, Gruppo psicologico, Gruppo politico-sociale usw.), wurde die Online-Datenbank ausgehend von verschiedenen Kriterien abgefragt (www.almalaurea.it – Link Naviga tra i dati). Es zeigt sich, dass die Sprachmittler noch fünf Jahre nach dem Masterabschluss mit Blick auf mehrere Aspekte der Berufssituation unter dem Durchschnitt liegen: im Hinblick auf ihre Beschäftigungsquote (mit rund 80% ca. 4% unter dem Durchschnitt aller Fachrichtungen), auf ihr Nettomonatseinkommen (mit 1.200 Euro rund 160 Euro unter dem Durchschnitt) und auf den Anteil der Festangestellten (mit 45,5% knapp 6% unter dem Durchschnitt). Es wurde aber auch festgestellt, dass sie im Durchschnitt anderthalb Monate schneller die erste Arbeit finden (9 Monate gegenüber dem Durchschnitt von 10,5). Doch besonders auffällig weicht diese Gruppe im Hinblick auf den Anteil der im Ausland arbeitenden Personen ab: Dieser ist mit 11,5% doppelt so hoch wie der Durchschnitt aller Absolventengruppen, der bei 6,4% liegt. Die Perspektive, im Land der studierten Sprache Arbeit zu suchen, scheint aufgrund der Sprachkompetenzen nahezuliegen und wird von jedem achten bis neunten Absolventen wahrgenommen. Es handelt sich insgesamt um eine Auswanderungswelle, die quantitativ nicht diejenige von 1956 bis Anfang der 1970er Jahre übertrifft, jedoch sich im Vergleich zu anderen Auswanderungswellen für den italienischen Staat als kostspieliger erweisen dürfte.

3 Arbeitsmarktlage, fachliche und sprachliche Qualifikation für den Arbeitsmarkt aus Sicht der Studierenden Wie sieht die Arbeitsmarktlage aus der Perspektive der angehenden Sprachmittler aus, wie schätzen sie die eigene Situation nach dem Studium und die eigenen

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Sprachkompetenzen (besonders die Deutschkompetenzen) ein, welche beruflichen Vorstellungen und Ziele haben sie? Vergleicht man zunächst die angesprochenen Prekarisierungstrends mit den AlmaLaurea-Ergebnissen zur Erwartungshaltung der Absolventen, so zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Situation und den Wünschen der Absolventen. Für sie ist die Sicherheit eines künftigen Arbeitsplatzes nach wie vor zentral: Unter den bei jeder Absolventengeneration abgefragten 15 bis 16 Aspekten wie Karrieremöglichkeiten, Verdienst, Prestige, flexible Arbeitszeiten, Autonomie, Beziehungen zu Kollegen usw. steht der Aspekt Stabilität/Sicherheit des Arbeitsplatzes in nahezu allen konsultierbaren Befragungsjahren (2004 bis 2017) an zweiter Stelle (nach dem Aspekt Erwerb von Fachkompetenzen, dem die höchste Priorität gegeben wird: 81,9% für 2004 und 76,6% für 2017). Dabei scheint das Bedürfnis nach Stabilität/Sicherheit des Arbeitsplatzes im Vergleich zur Zeit vor der Wirtschaftskrise sogar noch zu steigen: von 56,8% stark zustimmenden Antworten im Jahr 2004 auf 67,3% im Jahr 2017. Im Zusammenhang mit dem steigenden sozioökonomischen Sicherheitsbedürfnis und der Lernhaltung ist eines der Ergebnisse der longitudinalen Erhebung zu Sprachlernmotiven und Spracheinstellungen zu erwähnen, die an der Universität Bologna 2007 und 2013 durchgeführt wurde. Sie zeigte, dass im Krisenjahr 2013 im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2007 für mehrere Sprachen – darunter Deutsch – instrumentelle Sprachlernmotive (Arbeit, Universitätskarriere) etwas häufiger, nichtinstrumentelle (integrative und intrinsische, z.B. Kultur und Lebensweise, Schönheit/Klang der Sprache) dagegen seltener gewählt wurden (Rocco 2014: 175–177), was als Hinweis auf einen durch die Wahrnehmung der ökonomischen Situation bedingten Wertewandel von der postmaterialistischen zur materialistischen Grundausrichtung hin gedeutet werden kann, im Sinne einer Umkehrung der Inglehart’schen Hypothese von einem wohlstandsbedingten Wandel der Nachkriegsgesellschaft von materialistischen zu postmaterialistischen Werten (Inglehart 1971, 1977). Um noch einmal auf die Sicherheit des Arbeitsplatzes zurückzukommen: Als sehr wichtig erweist sich diese auch laut den Befragungsergebnissen im Rahmen des Projekts zum Arbeitsmarkt speziell für Sprachmittler (Anm. 1). Die Teilnehmer an der 2017/18 durchgeführten schriftlichen Befragung sind hier 300 in der letzten Phase des Studiums befindliche Studierende sprachbezogener Fachrichtungen, die zu über 50% an einem der beiden renommierten Institute für Übersetzer und Dolmetscher – in Triest bzw. Forlì – studieren und zu knapp 70% Deutsch als erstes (26,7%) oder als zweites/drittes Studienfach (43%) gewählt haben. Ihr Durchschnittsalter beträgt 23 Jahre; 81% der Befragten sind Frauen, was

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auch der aktuellen gesamtitalienischen Verteilung der Sprachmittler (Gruppo linguistico) nach AlmaLaurea-Ergebnissen entspricht. Aus einer (der Fachrichtung und den Forschungsfragen angepassten) abgefragten Liste von 15 Aspekten wurden die folgenden als besonders wichtig eingeschätzt: Arbeit, die professionelle Entwicklung ermöglicht und Stabilität und Sicherheit der Arbeit als Aspekte, bei denen nahezu alle Befragten stark zustimmende Antworten gewählt haben (Mittelwerte 4,65 und 4,61 bei einer fünfstufigen Antwortskala von starker Zustimmung [5] bis starker Ablehnung [1]). Weitere oft bejahte Aspekte, die teilweise wieder auf das Braindrain-Phänomen zurückverweisen, sind gut bezahlte Arbeit (4,68), Arbeit im Bereich des Übersetzens und Dolmetschens (4) und Arbeit im Ausland (3,71). Dagegen wurde der Aspekt überwiegend Telearbeit, der für angehende Übersetzer eigentlich nicht uninteressant sein dürfte, am niedrigsten bewertet (2,33). Fühlen sich die Sprachmittler mit ihren Fach- und Sprachkompetenzen dem aktuellen Arbeitsmarkt gewachsen und haben sie das Gefühl, das richtige Fach studiert zu haben? Bezeichnend ist, dass den online abfragbaren AlmaLaureaDaten zufolge bei den Sprachmittlern mit Bachelorabschluss der Anteil derjenigen, die noch einmal denselben Studiengang an derselben Universität wählen würden, im Vergleich zu allen anderen Fachgruppen am niedrigsten ist (54,9% für Gruppo linguistico, gegenüber einem Durchschnitt von 67,1% für alle Fachgruppen und gegenüber den über 70% liegenden Anteilen der Gruppen scientifico, psicologico usw.; vgl. AlmaLaurea 2018: 15) und auch noch bei den Masterabsolventen zu den niedrigsten gehört. Dieser Befund, der weder mit der Bewertung des Verhältnisses zu den Dozenten noch mit der Bewertung der technischen Ausstattung (Hörsäle, PCs usw.) korrespondiert, kann als Hinweis darauf interpretiert werden, dass das Studium der Sprachen in der angebotenen Form den Erwartungen oder Bedürfnissen der Absolventen weniger entspricht, als dies bei anderen Fächern bzw. Studiengängen der Fall ist. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass einige Institute und Studiengänge von den durchschnittlichen Antworten der Fachgruppe Gruppo linguistico bedeutend abweichen: Die zulassungsbeschränkten, eine sprachliche Aufnahmeprüfung voraussetzenden Bachelorstudiengänge zur Sprachmediation an den beiden oben erwähnten Instituten, die gezielt eine auf Übersetzer und Dolmetscher zugeschnittene Ausbildung anbieten (Mediazione linguistica interculturale in Forlì, Comunicazione linguistica applicata in Triest), weisen Werte auf, die mit 86% bzw. 80,3% selbst die hohen Zufriedenheitswerte des Gruppo scientifico übersteigen.

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Im Hinblick auf ihre Kompetenzen und Arbeitsmarktchancen fühlen sich die Sprachmittler in der erwähnten Studie anderen Fachrichtungen nicht unterlegen. Um hier nur die am häufigsten verzeichneten Antworten zu nennen: Die Chancen der Sprachmittler wurden von 53% als „durchschnittlich“, von 23% als „eher gut“ und von 19% als „eher schlecht“ bezeichnet. Die Frage, ob die im Studium erworbenen Kompetenzen der Nachfrage auf dem italienischen Arbeitsmarkt für Sprachmittler entsprechen, wurde nur selten verneint (die häufigsten Ausprägungen: 43% „teilweise“, 33% „eher ja“, 15% „größtenteils ja“). Es ist aber auch zu vermuten, dass die neutrale bis positive Einstellung auch damit zusammenhängen dürfte, dass sich die meisten weder für die arbeitsmarktbezogenen Entwicklungen und Arbeitsmarktangebote besonders interessieren noch ein aktives Bewerbungsverhalten an den Tag legen: Die Antworten auf die Frage, ob die jüngste Arbeitsmarktreform (Jobs Act) die Perspektiven für Absolventen verbessert oder verschlechtert hat, weisen in knapp 60% der Fälle auf eine Meinungslosigkeit hin („Ich weiß wenig/nichts über den Jobs Act“). Über 40% der Absolventen haben nur curriculare Praktika vorzuweisen und nur 16% haben Arbeitserfahrung, die über vier Monate hinausgeht. Die Antworten auf die Frage, wie oft sie sich über Arbeitsangebote informieren, zeigen, dass die meisten Absolventen hauptsächlich mit ihrem Studium beschäftigt sind und der Arbeitsmarkt für sie noch etwas weit Entferntes darstellt: 75% der Absolventen erkundigen sich weniger als einmal im Monat über Arbeitsangebote und -möglichkeiten. Als Indikator für die Tendenz zur eingangs erwähnten economia della promessa, also zur Bereitschaft, einer als vielversprechend eingestuften, aber unbezahlten oder gering bezahlten Tätigkeit nachzugehen, wurde die folgende Frage gestellt: Wie viel Zeit würden Sie nach dem Studium maximal in ein unbezahltes Praktikum mit beruflichen Wachstumsmöglichkeiten investieren? Auch wenn es sich hier nur um eine erklärte Handlungsbereitschaft, d.h. um eine Einstellung handelt, die nicht unbedingt mit dem tatsächlichen Handeln übereinstimmen muss, kann es als symptomatisch für die Arbeitsmarktlage im gegebenen Umfeld betrachtet werden, dass knapp 40% der Befragten auch ein Jahr oder länger zur Verfügung stehen würden. Was die Selbsteinschätzung der eigenen Sprachkompetenzen auf einer sechsstufigen Skala (6 muttersprachlich, 5 sehr gut, 4 gut bis 1 keine) betrifft, so ergeben sich bei der Gesamtheit der italienischen Absolventen (Tab. 1, Spalte 2017, ALLE) für Deutsch zunächst eher niedrige Werte (AlmaLaurea 2018): Lediglich 4% der Absolventen erklären, mindestens „gut“ Deutsch zu sprechen (Summe der Antwortausprägungen gut, sehr gut, muttersprachlich), während diese Anteile für Französisch und Spanisch bei 15–16% und für Englisch bei rund 70% liegen. Erwartungsgemäß sind die Anteile der Absolventen mit guten bis

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sehr guten Deutschkenntnissen in der Sprachmittlergruppe höher (23% bzw. 23,9%), doch als besonders interessant erweist sich das Ergebnis bei den beiden erwähnten Übersetzer und Dolmetscher ausbildenden Instituten, die für Deutsch (besonders das Triestiner Institut), aber auch für Französisch deutlich höhere Sprachkompetenzen verzeichnen – sich aber auch häufiger Arbeit im europäischen Ausland wünschen. Verfolgt man die Daten für die gesamte Absolventengruppe bis ins Jahr 2004 (zu dem die erhobenen Daten noch online abfragbar sind) zurück, so lassen sich einige Veränderungen beobachten (Tab. 2): Für Deutsch ist ähnlich wie für Französisch ein relativer Rückgang feststellbar (für Deutsch: von rund 5% der Absolventen mit guten Kenntnissen 2004 auf rund 4% 2017; für Französisch: von rund 19% auf rund 15%). Hingegen verzeichnen Spanisch und Englisch einen erheblichen Anstieg: Spanisch ca. um das Doppelte und Englisch besonders bei der mündlichen Kompetenz (von 49% auf 76%). Der Kompetenzanstieg im Englischen hängt vermutlich nur z.T. mit der – wie die letzte Zeile von 2 zeigt – eher langsam steigenden Studierendenmobilität (Erasmus) zusammen (von 3,8% 2004 auf 6,9% 2017); einen gewichtigen Faktor dürften dagegen eine z.T. zu Ungunsten anderer Sprachen das Englische fokussierende Sprachpolitik und der entsprechende dominierende sprachpolitische Diskurs bilden (Gazzola 2017: 59 f.; Moraldo 2017: 9). Tab. 1: Sprachkompetenz, Erasmusaufenthalte und Bereitschaft, im europäischen Ausland zu arbeiten, im Vergleich: alle Bachelorabsolventen (ALLE) – Gruppo linguistico (LING) – ausgewählte Sprachmittler-Institute (FL, TS) (Quelle: online abfragbare AlmaLaurea-Daten)

(%)

2017 ALLE

2017 LING

2017 FL

2017 TS

EN schriflich

73,8

94,5

98,7

95,6

ENG mündlich

67,6

93,3

96,2

92,0

FR schriftlich

15,6

35,5

47,1

48,9

FR mündlich

15,5

35,5

43,3

48,9

SP schriftlich

15,2

46,5

42,0

48,9

SP mündlich

16,1

47,0

43,9

49,6

DT schriftlich

4,3

23,0

33,1

48,9

DT mündlich

4,0

23,9

33,8

47,4

ERASMUS

6,9

23,6

73,9

59,1

48,3

61,0

71,3

73,0

Arbeit im eur. Ausland

670 | Goranka Rocco

Tab. 2: Sprachkompetenz, Erasmusaufenthalte und Bereitschaft, im europäischen Ausland zu arbeiten, im Zeitvergleich (alle Bachelorabsolventen) (Quelle: online abfragbare AlmaLaureaDaten)

(%)

2017

2016

2015

2014

2007

2006

2005

2004

EN schriftlich

73,8

73,6

72,3

70,9

60,8

60,9

60,4

57,5

EN mündlich

67,6

66.9

65,7

64,5

53,3

53,3

52,1

49,0

FR schriftlich

15,6

16,3

17,0

17,6

21,0

21,3

20,4

19,3

FR mündlich

15,5

16,3

17,1

17,7

20,6

20,9

20,0

18,9

SP schriftlich

15,2

14,2

13,5

12,8

11,1

10,6

9,4

7,3

SP mündlich

16,1

15,0

14,3

13,7

11,3

10,8

9,6

7,5

DT schriftlich

4,3

4,2

4,3

4,1

4,8

5,0

5,3

5,2

DT mündlich

4,0

3,9

4,0

3,9

4,4

4,6

4,8

4,6

ERASMUS

6,9

6,4

6,2

5,9

5,5

5,2

4,8

3,8

4 Sprachbiographische Hinweise auf Motivationsfaktoren Nach der Betrachtung der Arbeitsmarktlage und der arbeitsmarkt- und sprachbezogenen Einstellungen soll nun auf Grund einiger sprachbiographischer Auskünfte, d.h. der Angaben der Studierenden zu ihrer Erfahrung als Deutschlernende und zu den Faktoren, die die Wahl des Deutschen als Studienfach beeinflusst haben, herausgefiltert werden, welche Erfahrungen und Wahrnehmungen als motivationale Schlüsselfaktoren zu betrachten sind. Anvisiert wird dabei eine als hochmotiviert eingestufte Deutschlernergruppe, die aus Studierenden zweier Studiengänge an der in Abschnitt 3 erwähnten Dolmetscher und Übersetzer ausbildenden Abteilung Sezione di Studi in Lingue Moderne per Interpreti e Traduttori der Universität Triest besteht. Ausgewertet und besprochen werden hier gezielt einige Fragen eines (längeren und auch andere Aspekte betreffenden) schriftlichen Fragebogens, die die Reflexion über den eigenen Lernweg und die ausschlaggebenden Faktoren für das Deutschstudium betreffen. Befragt wurden im Herbst 2017 zum einen 44 Studierende des 2017 eingerichteten, ca. 50 Eingeschriebene zählenden Studiengangs für Sprachmittlung im

Einstellungen, Lernbiographien, Arbeitsmarktlage: Lernmotivationsförderung | 671

juristischen Kontext (im Folgenden JUR Gesamt) mit Englisch als erstem Pflichtfach und Deutsch, Französisch oder Spanisch als Wahlsprache, davon 13 mit der Wahlsprache Deutsch (JUR Deutsch), und zum anderen 68 Studierende des ersten und zweiten Jahres des Studiengangs für Sprachmittlung (SM Gesamt), davon 35 mit der ersten Sprache Deutsch (SM Deutsch). Diese Studierenden stammen aus ganz Italien und haben sich nach einer selektiven Aufnahmeprüfung für die jeweilige Erstsprache (SM) oder für Englisch als Pflichtfach und die jeweilige Wahlsprache (JUR) eingeschrieben. In beiden Teilgruppen, die Deutsch als erste Sprache bzw. Wahlsprache gewählt haben (JUR Deutsch, SM Deutsch) überwiegt bei der Selbsteinschätzung der Deutschkompetenz deutlich B2. Bei der halbgeschlossenen Frage (mit acht geschlossenen und einer freien Antwortmöglichkeit) nach den wichtigsten Faktoren für die Entscheidung, die jeweilige erste Sprache bzw. Wahlsprache zu studieren, erweisen sich beim Vergleich der Mittelwerte (3) folgende Faktoren als ausschlaggebend: die auf intrinsische Motivation hindeutende Antwortausprägung Interesse an der Sprache, die bei beiden Gruppen und Teilgruppen deutlich dominiert, gefolgt von der auf integrative Motivation verweisenden Ausprägung Interesse an Kultur, Gesellschaft und Kunst, die nur in der Teilgruppe der Deutschstudierenden mit juristischem Schwerpunkt (JUR Deutsch) etwas niedriger ausfällt, und die in derselben Gruppe besonders häufig als „sehr wichtig“ bezeichnete Ausprägung Berufliche Perspektiven (3,85). Bei den drei auf die Schule bezogenen Antwortmöglichkeiten, deren Ziel die Ermittlung der Rolle des Schulunterrichts war, überwiegen die Bewertungen „wichtig“ und „sehr wichtig“ (In der Schule erworbene Sprachkenntnisse) bzw. „wichtig“ (Von der Schule organisierte Aufenthalte, besonders in den beiden Deutsch-Gruppen, und Motivierender Sprachunterricht). Da auch andere Faktoren, nämlich Kontakte zu Muttersprachlern und privat/anderweitig organisierte Auslandsaufenthalte relativ gut abschneiden und die sehr wenigen verzeichneten freien Antworten weitgehend unter einen der o.g. Faktoren subsumierbar sind, kann angenommen werden, dass die (z.T. aufgrund vorausgegangener explorativer Gespräche mit verschiedenen Studierenden) vorgegebenen Antwortmöglichkeiten die wichtigsten Faktoren weitgehend abdecken.

672 | Goranka Rocco

Tab. 3: Mittelwerte bei der Frage Welche Faktoren waren bei der Auswahl der ersten Sprache (SM)/Wahlsprache (JUR) wichtig? (Wertezuweisung: 4 – sehr wichtig, 3 – wichtig, 2 – eher unwichtig, 1 – unwichtig)

JUR gesamt (44)

JUR Deutsch

SM gesamt (68)

SM Deutsch

Interesse an der Sprache

3,90

3,85

3,82

3,89

Interesse an Kultur, Gesellschaft, Kunst

3,45

3,08

3,56

3,60

Von der Schule organisierte Aufenthalte im L2-Land (Schüleraustausch, Stipendien)

2,93

3,15

3,06

3,20

Andere Aufenthalte im Land der Sprache (Urlaub, Familie, Freunde)

2,88

2,77

2,82

2,77

Kontakte zu Muttersprachlern

2,98

2,54

2,13

3,09

Berufliche Perspektiven

3,34

3,85

3,21

3,40

In der Schule erworbene Sprachkenntnisse

3,23

3,38

3,31

3,14

Motivierender/interessanter Sprachun- 3,16 terricht in der Schule

3,15

2,82

2,77

Qualitativ gesehen von besonderem Interesse sind die relativ langen Antworten auf die offene Frage, die auf verschiedene potenziell wichtige Aspekte der Erfahrung als Fremdsprachenlernende abzielt und den Befragten die Freiheit lässt, die für sie jeweils zentralen Aspekte anzusprechen. Die Studierenden sollten von ihrer Erfahrung beim Lernen der jeweiligen Sprache berichten: Wo und wie sie sie gelernt haben, was ihnen besonders gefallen hat und was nicht, was die Hauptschwierigkeiten waren, was zu Fortschritten und was zu Schwierigkeiten geführt hat (Racconta la tua esperienza dell'apprendimento della tua seconda lingua (L2). Come e dove l'hai imparata? Che cosa ti piaceva, che cosa no? Quali erano le maggiori difficoltà? Che cosa ti ha fatto fare dei progressi, che cosa ti ha creato delle difficoltà?). Auch wenn es sich nicht um ein mündliches sprachbiographisches Leitfadeninterview handelt, kann die Frage insoweit als lernbiographisch und zugleich sprachbiographisch bezeichnet werden, als sie das individuelle Erleben von (Fremd)Sprachlichem (Franceschini 2002: 20–21) in den Vordergrund stellt. Die wichtigsten Aspekte der relativ komplexen Auswertung offener Antworten lassen sich für die beiden Teilgruppen der Deutschstudierenden wie folgt resümieren: Den Ort der ersten Begegnung mit der deutschen Sprache stellt abgesehen von wenigen Ausnahmen (Familie, Privatunterricht) die Schule dar –

Einstellungen, Lernbiographien, Arbeitsmarktlage: Lernmotivationsförderung | 673

entweder schon die scuola media oder die scuola superiore bzw. das Gymnasium, wobei einige betonen, dass ihnen die Sprache „sofort sehr gut gefallen hat“, andere von anfänglichen, doch schnell überwundenen Schwierigkeiten berichten. Der schulische Spracherwerb erweist sich in den Darstellungen der Befragten als entscheidender Faktor, auf dem oft auch weitere als prägend geschilderte Spracherfahrungen aufbauen: Es wird immer wieder von der Rolle der meist als kompetent und engagiert bezeichneten Deutschlehrer und z.T. auch muttersprachlichen Deutschlektoren berichtet, die ihre Begeisterung für Sprache, Klang der Sprache, Grammatik, deutsche Kultur, Literatur oder Lebensweise erfolgreich zu vermitteln wussten und/oder bei Lernschwierigkeiten eine wegweisende Rolle hatten. Bedeutend seltener, aber noch erwähnenswert sind die Hinweise auf einen als wenig motivierend empfundenen, nur auf Italienisch abgehaltenen Deutschunterricht, der aber in den meisten Fällen durch selbständiges Lernen, Auslandsreisen, Kontakte zu Deutschsprachigen usw. kompensiert wurde, ohne also die Lernfortschritte wesentlich zu beeinträchtigen. Als ein weiteres Schlüsselelement erweisen sich die von der Schule organisierten Reisen, Möglichkeiten zum Schüleraustausch und Projekte, die Kontakt mit Muttersprachlern ermöglichen, ferner in Zusammenarbeit zwischen Schulen und Sprachinstituten organisierte, zu B2- oder C1-Zertifikaten führende Kurse und Prüfungen. Einige Befragte berichten, „durch Zufall“, unerwartet oder ungeplant in eine Deutsch lernende Klasse bzw. in eine Schule mit Deutsch als Schulsprache geraten zu sein und nach anfänglicher Überraschung oder Ablehnung ihr großes Interesse für die Sprache entdeckt zu haben. Bei der Frage nach etwaigen Lernschwierigkeiten wird oft speziell auf Schwierigkeiten beim Verstehen und Behalten von Vokabeln hingewiesen, auf Grammatikschwierigkeiten (Rektion, Genus, Deklinationsendungen, „rigide Regeln“), Aussprache- und Hörverständnisprobleme. Bezeichnend ist neben dem wiederkehrenden Element der anfänglichen, doch dank eigenem Lerneinsatz oder der Lehrerhilfe überwundenen Schwierigkeiten auch, dass manche Befragte gerade die wahrgenommene Komplexität der Sprache zu faszinieren scheint: Die Konfrontation mit neuen lautlichen und grammatischen Strukturen wird mehrfach als besondere Herausforderung dargestellt, wobei mit dem Bild einer besonders komplexen Sprache auch ein positives Selbstbild als ambitionierter Lerner mitkonstruiert wird.

674 | Goranka Rocco

5 Fazit und Ausblick Im Anschluss an die vorausgehenden Ausführungen seien zunächst die sozioökonomischen und soziolinguistischen Ausgangspunkte für eine Reflexion über die Möglichkeiten, Deutsch in Italien zu fördern, kurz zusammengefasst: 1) Junge Deutsch- und generell Sprachlernende und angehende Sprachmittler sehen sich mit einer mit Blick auf die Jugendarbeitslosigkeit und die Prekarisierungstendenzen ungünstigen, in den süditalienischen Regionen äußerst schwierigen Arbeitsmarktlage konfrontiert. 2) Nach hochrepräsentativen und flächendeckenden AlmaLaurea-Angaben liegen die aktuellen Anteile der italienischen Akademiker mit (selbstberichtet) guten bis sehr guten Deutschkenntnissen mit 4% für alle Absolventen und 23,24% für Sprachmittler deutlich unter dem Grad der Beherrschung der beiden Konkurrenzsprachen Französisch und Spanisch. Dabei verzeichnen allerdings die beiden näher betrachteten Einrichtungen (Forlì, Triest) bei allen Sprachen deutlich höhere Werte. 3) Die Zufriedenheit der Fachgruppe Gruppo linguistico mit dem Studium (gemessen an der Frage, ob sie noch einmal dasselbe an derselben Universität studieren würden) ist verglichen mit anderen Fachrichtungen schon seit mehreren Jahren am niedrigsten (Bachelorstudium) oder unter den niedrigsten (Masterstudium), wobei auch hier die beiden erwähnten Institute mit hingegen sehr hohen Zufriedenheitswerten auf die Notwendigkeit genauerer Differenzierung nach Studieninhalten und Zulassungsvoraussetzungen hindeuten. 4) Aus den sprachbiographischen Angaben der als hochmotiviert einstufbaren Studierendengruppen, deren Begründung der eigenen Studienfachwahl deutlich intrinsisches Interesse hervortreten lässt3, geht die essenzielle Rolle der Schule hervor: Die Schule kann durch die Qualität und Horizontalisierung (Hanft & Teichler 2005: 46, 87–88) der Lehre und durch das Angebot an Initiativen, Projekten und Auslandsaufenthalten eine wichtige Rolle bei der Motivationsentwicklung und der damit verbundenen Entscheidung spielen, die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache und Kultur an der Universität fortzusetzen.

|| 3 In früheren, mit anderen Gruppen durchgeführten Untersuchungen (Rocco 2014) erweist sich die intrinsische Motivation als bedeutend schwächer.

Einstellungen, Lernbiographien, Arbeitsmarktlage: Lernmotivationsförderung | 675

5) Die italienische Schul- und Fremdsprachenpolitik scheint sich derzeit vor allem auf das Englische zu konzentrieren. Zunächst sei im Zusammenhang mit dem ersten Punkt betont, dass das sich als individueller Ausweg aus der Perspektivlosigkeit anbietende Rezept „Deutsch/ Sprachen studieren, um auszuwandern/um Arbeit im Ausland zu suchen“, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt (vgl. Rocco in diesem Band), langfristig weder im Sinne einer ausgewogenen wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung Europas und seines soziokulturellen Zusammenwachsens liegen kann noch zur Stärkung der internationalen Rolle der deutschen Sprache einen nachhaltigen Beitrag leistet – und dies vermutlich trotz der temporär steigenden Lernerzahlen an Goethe-Instituten und Universitäten (vgl. z.B. Nied 2012; Birk et al. 2012; Ammon 2015: 1004–1006). Besonders mit Blick auf die Ergebnisse zur Rolle der Schule (4) und andererseits auf die Fremdsprachenpolitik (5) wäre die Frage zu vertiefen, ob und wie das früh einsetzende und möglichst holistisch konzipierte Deutschlernen durch Schulunterricht, von Schulen organisierte außerschulische Aktivitäten, kunst- und kulturbezogene Projektangebote und Auslandsaufenthalte noch mehr von einschlägigen Sprachmittlungsinstitutionen gefördert werden kann. Im Hinblick auf die universitäre Bildung wäre hingegen zu erforschen, inwieweit eine Entwicklung in Richtung einer hoch spezialisierenden Sprachmittlerausbildung, auch im Rahmen der (bisher seltenen oder noch nicht vorhandenen) interdisziplinären Studiengänge wie Deutsch (bzw. Sprachen) und Betriebswirtschaft, Deutsch und Rechtswissenschaften, Deutsch und Medizin/ Pharmazie Studierende für einen zunehmend flexibilisierten und spezialisierten Arbeitsmarkt befähigen kann. Daran schließt sich die Frage an, ob sich dadurch für mehr qualifizierte Absolventen berufliche Perspektiven im eigenen Land öffnen können, da sie gerade dort mit ihrer Sprachkompetenz zu wichtigen Multiplikatoren für die Stellung des Deutschen werden können.

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676 | Goranka Rocco

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Einstellungen, Lernbiographien, Arbeitsmarktlage: Lernmotivationsförderung | 677

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Maciej Mackiewicz

Förderung von DaF in Polen 1 Einführung In dem deutsch-polnischen Spielfilm „Hochzeitspolka“ (Regie: Lars Jessen, 2010), unterhält sich Frieder, der Bräutigam aus Deutschland, der mit einer Polin verlobt ist, mit dem polnischen Priester, der das Brautpaar bald trauen sollte: Frieder: Sie sprechen sehr gut Deutsch! Priester: Na ja, in der Schule haben wir natürlich nur Russisch gehabt damals, aber mein Vater meinte immer: „Man weiß ja nie…“

In der lakonischen und etwas zweideutigen Argumentation des vom Sohn zitierten Vaters spiegelt sich die wechselvolle und zum Teil dramatische Geschichte der deutsch-polnischen Nachbarschaft und somit auch die ambivalente Einstellung der Polen zu der deutschen Sprache wider. Die Teilungen Polens, an denen sich Preußen Ende des 18. Jh. beteiligt hat, und die Besetzung Polens durch das Dritte Reich sind zweifellos die wichtigsten Fakten aus der deutsch-polnischen Geschichte, die nicht nur das Deutschland- und Deutschenbild in Polen nachhaltig prägten, sondern auch Deutsch zur Sprache des Feindes, aber auch zur alltäglichen, zum Teil aufgezwungenen Kommunikationssprache in großen Gebieten Polens machten. Mit „Man weiß ja nie...“ meinte der Vater vielleicht eine eventuelle Wiederholung der Geschichte und erneute Besetzung polnischer Gebiete durch Deutschland. Solche Ängste um den westdeutschen Revisionismus wurden von der kommunistischen Regierung der Volksrepublik Polen aus politischen Gründen noch in den 1980er Jahren mit Absicht aufrechterhalten. Dies bedeutete allerdings nicht, dass Deutsch als Fremdsprache kaum gelernt wurde, auch wenn alle Grundschüler ab der 5. Klasse Russisch als Pflichtfach hatten. Schließlich war Deutsch auch die Sprache der Deutschen Demokratischen Republik, eines sozialistischen Bruderlandes also, und insofern wurde sie in Polen einigermaßen gefördert. Nur in Oberschlesien und im Oppelner Schlesien war Deutsch als Unterrichtsfach bis 1989 verboten, was die „Wiederbelebung“ der deutschen Minderheit zu verhindern hatte. Die Ambivalenz gegenüber dem Deutschen als Fremdsprache beruhte darauf, dass die Sprache einerseits mit der schwierigen Nachbarschaft assoziiert

|| Maciej Mackiewicz, Adam-Mickiewicz-Universität, Poznań, Polen, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-042

680 | Maciej Mackiewicz

wurde, andererseits war sie die Sprache der wirtschaftsstarken Bundesrepublik, in die so viele Polen wegen der besseren Lebensperspektiven auswanderten. Diese Ambivalenz, vielleicht etwas mehr nuanciert, besteht bis heute. Letztendlich „weiß man ja nie“, ob man z.B. etwa wegen Arbeit oder Studium nach Deutschland geht oder mit deutschen Geschäftspartnern in Polen kooperiert und dabei Deutschkenntnisse braucht.

2 Zum aktuellen Stand des Deutschunterrichts in Polen Im internationalen Vergleich scheint Deutsch als Fremdsprache in Polen gut positioniert zu sein. In der Datenerhebung zur weltweiten Stellung von DaF im Jahre 2015 berichtet das Auswärtige Amt: In keinem anderen Land der Welt lernen mehr Menschen Deutsch als in Polen. Insgesamt sind es 2,3 Mio. Deutschlernende, davon 2,1 Mio. an Schulen. Polen und Deutschland sind wirtschaftlich, zivilgesellschaftlich und kulturell eng miteinander vernetzt. Das umfangreiche Angebot an Austauschprogrammen, Stipendien, Studienmöglichkeiten und erweiterten Berufschancen in deutschen Firmen in Polen oder in Deutschland fördern maßgeblich die Motivation, Deutsch zu lernen. (Auswärtiges Amt 2015: 19)

Die detaillierten Angaben des Auswärtigen Amtes besagen, dass es insgesamt 2.288.125 Deutschlernende gab, was im Vergleich zu 2010 einen Rückgang von knapp 190.000 DaF-Lernenden bedeutet. Im Schulbereich allein waren es 2.139.070 DaF-Lernende, was ca. 43% aller Schüler ausmachte. Gleichzeitig waren 96.555 Studierende in Deutschkursen eingeschrieben (ca. 6% aller Studierenden), davon lernten 87.300 Deutsch als studienbegleitendes Fach und 9.255 Studierende belegten Germanistik (Auswärtiges Amt 2015: 14). Noch aktuellere Daten des polnischen statistischen Hauptamtes (GUS 2016) bezeugen einen weiteren Rückgang der Deutschlernerzahlen an Schulen. In einem Bericht für das Schuljahr 2015/2016 ist die Rede von 1.926.223 Deutschlernenden in der Primar- und Sekundarstufe. Für eine überwältigende Mehrheit ist Deutsch ein obligatorisches Schulfach und knapp 284.000 Schüler nehmen an einem fakultativen Deutschunterricht teil. Unverändert bleibt seit Jahren die relativ starke zweite Stelle, die DaF unter allen an polnischen Schulen gelernten Fremdsprachen einnimmt. Englisch ist zwar die absolute Nummer Eins mit ca. 4,8 Millionen Lernenden, dafür aber wird die drittstärkste Fremdsprache – Russisch – „nur“ von ca. 193.000 Schülern gelernt (GUS 2016: 220-221).

Förderung von DaF in Polen | 681

Es gilt anzumerken, dass der beobachtete Rückgang der Lernerzahlen an Schulen in erster Linie auf generelle demografische Tendenzen in Polen zurückzuführen ist. Im Schulwesen ist der demografische Einbruch deutlich zu spüren und dementsprechend leidet auch der Deutschunterricht in gewissem Maße darunter. Dennoch ist im Schuljahr 2011/2012, in dem das demographische Tief bereits Fakt war, die Zahl der Deutschlernenden im Vergleich zu 2009/2010 um über 9% gestiegen, während der Englischunterricht einen geringen Verlust von 0,2% verzeichnete (ORE 2013: 4). In diesem Fall hat gerade der Deutschunterricht von der im Jahre 2009 eingeführten zweiten obligatorischen Fremdsprache an Gymnasien am meisten profitiert. Die Statistiken allein besagen nicht alles über die aktuelle Stellung von DaF in Polen. Wichtig sind ebenfalls die Wahrnehmung der Sprache in der polnischen Gesellschaft, was in der Einführung kurz angesprochen wurde, und Motive, die beim Deutschlernen eine Rolle spielen. Innerhalb beider Faktoren sind im Laufe der letzten fast dreißig Jahre qualitative Veränderungen zu beobachten. Kurz nach der politischen Wende des Jahres 1989, die mit Demokratisierungsprozessen, Wirtschaftsreformen und der Öffnung auf den Westen verbunden war, galt Deutsch, neben Englisch, als DIE Sprache der polnischen Integration mit Europa. Die Nachfrage nach dem Deutschunterricht war Anfang der 1990er Jahre dermaßen groß, dass es, offiziellen Schätzungen zufolge, im Jahre 1992 in Polen an etwa 10-12 Tausend Deutschlehrern mangelte (Glück 1998: 16). Der Nachfrage folgte also ein Boom in der Deutschlehrerausbildung (u.a. in den neu gegründeten Fremdsprachenkollegs), was alles in allem den Eindruck nur festigte, dass Deutschkenntnisse, neben den Englischkenntnissen, im sich mit Europa integrierenden Polen eine selbstverständliche Anforderung an, vor allem junge, polnische Bürger sind. Dennoch verfestigte sich die englische Sprache deutlich schneller und begann als globale Sprache andere Fremdsprachen in Polen zu überschatten und sie im Endeffekt beiseite zu drängen. Je stärker die Stellung des Englischen im Bildungswesen, im Geschäftsleben oder in den Medien wurde, umso deutlicher nahm die Überzeugung von einem praktischen Wert der deutschen Sprache für Polen ab, in erster Linie unter der jüngeren Generation. Nutzen und Prestige sind diejenigen Aspekte, die in den letzten Jahren am meisten an Bedeutung verloren haben. Dass an Hochschulen im Jahre 2015 nur ca. 6% der Studierenden Deutschkurse belegten, ist paradoxerweise u.a. damit verbunden, dass Deutsch als Fremdsprache als die zweite Fremdsprache nach Englisch eine relativ starke Position in Polen genießt. Da auf dem Gymnasium eine zweite Fremdsprache Pflicht ist, spiegelt sich dies entsprechend in den Statistiken wider. Demgegenüber sehen die ministerialen Bildungsstandards für den Hochschulbereich vor, dass in

682 | Maciej Mackiewicz

den meisten Studiengängen nur eine Fremdsprache als Pflichtfach gelernt werden muss. Die Qualifikationsrahmen des polnischen Forschungs- und Hochschulbildungsministers (Krajowe Ramy Kwalifikacji; 2. November 2011) sehen vor, dass Absolventen der I. Stufe mindestens Niveaustufe B2 zu erreichen haben. Im Studium der II. Stufe ist es Niveaustufe B2+. Von diesen Regelungen und Anforderungen profitiert in erster Linie Englisch, was einerseits ein Indiz dafür sein kann, dass polnische Studierende im Durchschnitt im Englischlernen fortgeschrittener sind und sich von instrumentellen Motiven (Leistungsnachweis) leiten lassen. Zum anderen aber sind Motive jeglicher Natur zum Deutschlernen wohl schwächer und verleiten polnische Studierende nur selten dazu, die früher zweite Fremdsprache Deutsch im Studium als Pflichtfach zu wählen und bessere Deutschkenntnisse anzustreben. Die aktuelle Zahl der DaF-Lernenden in der Erwachsenenbildung ist schwer zu erfassen. Das Auswärtige Amt gibt zwar für das Jahr 2015 die Zahl 49.400 an (Auswärtiges Amt 2015: 14), dennoch ist dabei zu beachten, dass Tausende von Polen auch Privatunterricht und ggf. Privatkonversationen wahrnehmen, was sich jeder Statistik entzieht. Auch direkt an Unternehmen werden den Mitarbeitern, sowohl Gruppen, als auch Einzelpersonen, Deutschkurse angeboten. Es handelt sich in solchen Fällen entweder um deutsche Konzerne in Polen (wie z.B. Volkswagen Poznań) oder um deutsch-polnische oder polnische Firmen, in denen Deutschkenntnisse in der alltäglichen Kommunikation unumgänglich sind. Aus eigener Beobachtung des Autors im Großraum Poznań geht hervor, dass die Tendenz, solche internen Kurse an Firmen zu organisieren, steigend ist. Die Region, in Westpolen gelegen, ist wirtschaftlich stark an Deutschland gebunden und die regen deutsch-polnischen Kontakte stärken in gewissem Grade die Rolle des Deutschen (eher selten des Polnischen) als Kommunikationssprache, auch wenn hier ebenfalls Englisch dominiert. In Zentral- und Ostpolen mag die Lage des Deutschen in Unternehmen etwas ungünstiger sein, aber im Allgemeinen bestätigen die Statistiken der Job-Portale, dass die Nachfrage nach Deutschkenntnissen auf dem Arbeitsmarkt steigt. Im ersten Halbjahr 2016 machten Stellenanzeigen, die Deutschkenntnisse als Voraussetzung berücksichtigten, 14% aller Anzeigen aus, was einen Anstieg um ganze 5% im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015 bedeutete (Kowalewska 2016). Deutschkenntnisse wurden vor allem im Bereich Transport, Spedition und Logistik erwartet (25% aller Stellenangebote in dieser Branche), im Bauwesen (22%) und von Mitarbeitern der Lieferkette. Generell wird die Kenntnis der deutschen Sprache besonders oft in Stellenangeboten für Ingenieure erwähnt. Outsourcing-Zentren bieten ebenfalls Jobs für Kandidaten mit sehr guten Deutschkenntnissen. Dabei erwartet man Kenntnisse auf Ni-

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veaustufe C1 oder evtl. B2 und bietet weitere, interne meritorische und sprachliche Bildung an. Um aber schon am Anfang hochqualifizierte Mitarbeiter mit sehr guten Deutschkenntnissen anzulocken, werden in einigen Zentren die Löhne erhöht und im Endeffekt überschreiten sie den Durchschnittslohn in dem Sektor (Kowalewska 2016). Anhand (und z.T. auch trotz) der angeführten Tatsachen und Zahlen zum Stand des Deutschen als Fremdsprache in Polen sind fünf Thesen zu formulieren: 1) Die scheinbar optimistischen Zahlen (die meisten DaF-Schüler in der Welt, die starke zweite Stelle des Deutschunterrichts in Polen) sollen das wahre und in der Tat komplexe Bild der polnischen DaF-Landschaft nicht allzu sehr entstellen. Die Stellung von DaF in Polen ist von starker Ambivalenz geprägt. Es ist legitim, sowohl von „starker zweiter Position“ als auch von einer „Krise“ des Deutschen zu sprechen. 2) Die Förderung von Deutsch als Fremdsprache in Polen soll im Vorfeld nicht nur an allgemeine, geo- oder bildungspolitisch bedingte Argumente für Deutsch anknüpfen (Sprache des Nachbarn und des größten Wirtschaftspartners, „Englisch ist ein Muss, Deutsch ist ein Plus“ etc.), sondern sie soll vielmehr motivationale und affektive Faktoren der Lernenden berücksichtigen. 3) Nicht nur die Zahl der Deutschlernenden, sondern auch die Qualität der Motive zum Deutschlernen ist ein Indikator der Stellung von DaF in Polen. 4) Die Förderungsmaßnahmen in Polen müssen landesweit nicht dieselben sein. West- und Ostpolen haben in dieser Hinsicht ihre (auch historisch bedingte) Spezifik, auch regionale Unterschiede in der Motivation der Lerner sind zu untersuchen und ggf. zu berücksichtigen. 5) Erwachsene, die ihre weiteren Berufschancen erwägen, müssen, zumindest in einigen Sektoren, nicht nur Englisch, sondern auch (in einigen Fällen sogar vor allem) Deutsch beherrschen.

3 Motive polnischer Schüler und Studierenden zum Deutschlernen 3.1 Motive der Schüler In den Jahren 2010–2015 wurden vom Autor drei externe Evaluationen der Deutsch-Wagen-Tour (DWT), eines Projekts des Goethe-Instituts Warschau, durchgeführt und ausgewertet. Für den vorliegenden Beitrag ist von Bedeutung, dass die Evaluationen neben der DaF-fördernden Rolle des Projekts (worauf noch

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im Kap. 4.2 eingegangen wird) auch Motive und Einstellungen der Schüler zu erfassen versuchten. Die wichtigsten Ergebnisse der ersten Evaluation wurden bei Mackiewicz (2013) veröffentlicht. Hier werden nur einige, aber bisher unveröffentlichte Ergebnisse der dritten, großangelegten und landesweiten Evaluation präsentiert, die bei Mackiewicz (2017) nur ansatzweise beschrieben wurden. In der Untersuchung wurde sowohl quantitativ wie qualitativ vorgegangen. Für die Evaluationsergebnisse waren quantitative Daten von erstrangiger Bedeutung, ergänzt wurden sie aber durch „Beispiele der guten Praxis“, die mithilfe von qualitativen Erhebungsmethoden gewonnen wurden (Berichte der Lehrer). Die quantitative Datenerhebung wurde von September 2014 bis Ende November 2014 durchgeführt. Dabei wurden Zielgruppen-spezifische Fragebögen eingesetzt, die in der jeweiligen Variante an Lehrkräfte, Schüler und Schulleiter geschickt wurden. Alle drei Probandengruppen wurden per Online-Fragebögen befragt. Zum Thema Motive und Einstellungen der Schüler wurden sowohl Deutschlehrer (N=330) als auch Grundschüler (N=339), Gymnasiasten (N=1246) und Oberschüler (N=392) selbst befragt. Auf die Frage nach der Einstellung der Schüler zur deutschen Sprache stellt rund die Hälfte der Lehrer eine mehr oder weniger positive Einstellung zu Deutsch fest. Eine deutliche Abneigung gegen die Sprache wird demgegenüber eher nicht festgestellt (unter 1%). Die Einstellung der Schüler zu Deutschland und den Deutschen ist im Urteil der Hälfte aller Lehrer positiv (54,6%). Die Einstellung zur deutschen Sprache und zu der Zielkultur Deutschland ist im Urteil der meisten Lehrer kein besonderer Störfaktor für den Lernprozess und beeinträchtigt die Motivation der Schüler wohl kaum. Wie aber Deutschlehrer die Motivation ihrer Schüler beurteilen, ist vor allem Antworten auf zwei weitere Fragen zu entnehmen. Die erste bezog sich auf eine allgemeine Einschätzung der Lehrer, sie sollen der durchschnittlichen Motivation eine Schulnote (nach dem polnischen System) geben: von 1 (keine Motivation) bis 6 (sehr große Motivation). Die Motivation ist im Durchschnitt als „eher gut“ zu bezeichnen, weil die durchschnittliche Note bei 3,8 liegt. Detaillierter auf die motivationalen Faktoren geht die zweite Frage ein: „Was, Ihrer Meinung nach, motiviert die Schüler am meisten?“ Es war eine Multiple-Choice-Aufgabe, bei der max. drei Motive angekreuzt und evtl. auch „andere Motive“ eingetragen werden konnten. Den Antworten ist zu entnehmen, dass Deutschlehrer in erster Linie instrumentelle Motive der Schüler als entscheidend sehen. Kulturelle, oder im Sinne R. Gardners (2010) „integrative“ Motive spielen in der Auffassung der Lehrer keine bedeutende Rolle. Zu den Top-Motiven gehört auch das „Reise-Motiv“, was zu den pragmatischen Motiven gezählt werden kann und im polnischen Kon-

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text kaum überrascht. Symptomatisch ist auch, dass mehr als ein Drittel der Lehrer glauben, ihre Schüler wären überzeugt, dass man in Europa Deutsch können muss. Schaut man sich die Ergebnisse der Schülerbefragung an, so ist eingangs festzuhalten, dass Deutsch vor allem ein obligatorisches Schulfach ist. Nach anfänglichen Gründen für die Wahl der deutschen Sprache gefragt, geben über 50% der Gymnasiasten und Oberschüler an, dass sie diese Sprache wählen mussten. In der Grundschule ist dieser Anteil deutlich niedriger: in den Klassen 4-5 der Grundschulen ist Deutschunterricht (wenn es überhaupt gelernt wird) viel öfter eine Fortsetzung des früheren Deutschlernens und erscheint somit weniger als „Zwang“. Auch die Rolle der Eltern ist erwartungsgemäß in den Grundschulen größer als in der Sekundarstufe. Das stark vertretene extrinsische Motiv „Notwendigkeit, dieses Fach in der Schule zu belegen“ ist ebenfalls den Antworten auf die Frage zu entnehmen, was die Gymnasiasten und Oberschüler jetzt zum Deutschlernen motiviert (siehe Tab. 1). Dieses Lernmotiv ist die absolute Top-Antwort, sowohl an Gymnasien wie auch in den Oberschulen. Das „Kommunikationsmotiv“ ist allerdings auf beiden Bildungsstufen das zweitwichtigste Motiv, das fast von 43% der Schüler genannt wird. Augenfällig ist auch, dass das Interesse an der deutschsprachigen Kultur oder an der Gesellschaft der DACH-Länder keinen besonders motivierenden Faktor darstellt. Die Motive der polnischen Schüler sind vorwiegend instrumenteller Natur und auf Schulleistungen fixiert. Selbst die Benutzung von deutschsprachigen Internetseiten hat kaum eine motivierende Wirkung. Dem Deutschunterricht in Polen lagen verschiedene geo-, kultur- und bildungspolitische, sowie gesellschaftliche Kontexte in der jeweiligen historischen Periode und in der jeweiligen Region zugrunde. Auch rein geographische Faktoren, wie einerseits die direkte Nachbarschaft zu Deutschland und andererseits eine große Entfernung von deutschen oder deutschsprachigen Gebieten, vermochten auf regionaler Ebene die Einstellungen zu Deutsch, die Lernbereitschaft hinsichtlich der deutschen Sprache und Lernmotive im verschiedenen Maße zu beeinflussen und ggf. entsprechende regionale Sprachenpolitik spezifisch zu gestalten. So gilt es die aktuellen Motive der Gymnasiasten und Oberschüler auch getrennt für Ostpolen und Westpolen1 zu präsentieren (Tab. 1). Obgleich die Unterschiede nicht gravierend sind, ist diesem Vergleich zu entnehmen, dass in Westpolen direkte Kontakte zu Bekannten im Ausland eine etwas größere Rolle

|| 1 Wojewodschaften in Ostpolen: Lubelskie, Łódzkie, Małopolskie, Mazowieckie, Podkarpackie, Podlaskie, Świętokrzyskie, Warmińsko-Mazurskie; Westpolen: Dolnośląskie, Kujawsko-Pomorskie, Lubuskie, Opolskie, Pomorskie, Śląskie, Wielkopolskie, Zachodniopomorskie.

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als in den östlichen Wojewodschaften spielen. Symptomatisch ist auch, dass das Geltungsmotiv („Ich glaube, dass man in Europa Deutsch können muss“) von westpolnischen Schülern öfter genannt wird. Tab. 1: Aktuelle Motive zum Deutschlernen an Gymnasien und Oberschulen (Mehrfachnennungen möglich)

Motive

Gesamtprobe (N=1638)

Ostpolen Westpolen (N=831) (N=807)

Notwendigkeit, dieses Fach in der Schule zu belegen

1.038 (63,4%)

516 (63,9%)

522 (62,8%)

Anerkennung und Ermutigung seitens der Eltern oder Familie

179 (10,9%)

75 (9,3%)

104 (12,5%)

Vielleicht kann ich Deutsch im Ausland gut gebrauchen

701 (42,8%)

347 (43%)

354 (42,6%)

Ich habe Bekannte im Ausland und möchte mich mit ihnen immer besser verständigen können

194 (11,8%)

72 (8,9%)

122 (14,7%)

Ich möchte deutschsprachige Bücher lesen, deutschsprachige Filme sehen, Lieder verstehen

111 (6,8%)

41 (5,1%)

70 (8,4%)

Ich möchte deutschsprachige Internetseiten benutzen

64 (3,9%)

26 (3,2%)

38 (4,6%)

Durch die Sprache möchte ich Deutsche, Österreicher und/oder Schweizer besser kennenlernen

166 (10,1%)

76 (9,4%)

90 (10,8%)

Ich glaube, dass man in Europa Deutsch können muss

316 (19,3%)

137 (17%)

179 (21,5%)

Deutschlernen ist für mich Spaß

254 (15,5%)

122 (15,1%)

132 (15,9%)

106 (6,5%)

48 (5,9%)

58 (7%)

Andere Motive

Die Dynamik der Motivation konnte in dieser einmaligen und nicht longitudinalen Untersuchung lediglich mithilfe einer Selbstreflexion der Schüler geprüft werden, die eine Frage nach motivationalen Tendenzen zu beantworten hatten. Aus den Antworten geht deutlich hervor, dass die jüngeren Schüler viel öfter eine positive Tendenz in ihrer Motivation bemerken. Dies behaupten 46% der Grundschüler und nur 14% der Gymnasiasten und Oberschüler. Dieser Unterschied ist wohl nicht nur mit generellen altersbedingten Veränderungen zu erklären, sondern hängt vermutlich auch mit den bereits angesprochenen Anfangsmotiven der Grundschüler zusammen.

Förderung von DaF in Polen | 687

Ob das Vorurteil von Deutsch als einer schweren Sprache von polnischen Schülern geteilt wird, wurde in beiden Schülerumfragen geprüft. Augenfällig ist, dass in beiden Stufen die Antworten ähnlich sind, wobei Deutschlernen von ca. 40% als schwer betrachtet wird. Fast genauso viele glauben das Gegenteil, was angesichts des gängigen Vorurteils kein schlechtes Ergebnis ist. Die Frage, ob Deutsch als eine in Zukunft nützliche Sprache betrachtet wird, gilt es je nach der Bildungsstufe zu betrachten. Es konnte hypothetisch angenommen werden, dass ältere Schüler, (fast) erwachsene Menschen, mehr Profite verbunden mit Deutschkenntnissen sehen werden. Dies ist aber nicht der Fall: Mit steigendem Alter sinkt unter den Schülern die Überzeugung, dass sie Deutsch in Zukunft brauchen werden. Besonders optimistisch in dieser Hinsicht sind gerade die jüngsten Schüler. Auch wenn stets vor Augen geführt wird, dass die Anfangsmotive fürs Deutschlernen unter Grundschülern in gewissem Maße anders waren, kommt das Ergebnis etwas überraschend. Einen Einfluss auf die Motivation zum Deutschlernen können sowohl Einstellungen zu der Sprache selbst wie auch zu der Zielsprachenkultur und ihren Vertretern haben. Auch hier ist der Unterschied zwischen Grundschülern und Gymnasiasten/ Oberschülern deutlich. Obgleich in den beiden Fällen die positiven Antworten jeweils eine absolute Mehrheit bilden, ist der Anteil der positiv eingestellten Grundschüler größer (73%) als dies in Gymnasien und Oberschulen der Fall ist (57%). Gleichzeitig steigt mit dem Alter die Zahl der negativ eingestellten Schüler. Die mehrheitlich positive Einstellung zu der Sprache ist mit der positiven Einstellung zu Deutschland und den Deutschen verbunden. Auch Antworten auf die Frage „Magst du Deutsche?“ zeigen eine deutliche absolute Mehrheit der positiven Einstellungen zu den Deutschen unter polnischen Grundschülern (64%) und eine klare relative Mehrheit solcher Antworten der Gymnasiasten und Oberschüler (49%). Trotz des durchaus positiven Bildes ist der größere Anteil der negativen Antworten im Sekundarbereich sehr symptomatisch. Auch die Zahl der unentschiedenen ist bei den älteren Schülern größer.

3.2 Motive der Studierenden Ergebnisse einer breit angelegten empirischen Studie zur interkulturellen Motivation und somit Motiven der polnischen DaF-Lernenden, die am studienbegleitenden Deutschunterricht teilnahmen, wurden ausführlich bei Mackiewicz (2014a) präsentiert. Hier wird also lediglich auf einige Schlussfolgerungen eingegangen, die aus der Perspektive der DaF-Förderung relevant scheinen. Die quan-

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titative Untersuchung wurde im Winter- und Sommersemester 2011/2012 durchgeführt. Befragt wurden 1009 Studierende, die 11 Universitäten bzw. Hoch-schulen aus ganz Polen und verschiedene Studienfächer (außer Germanistik) vertraten. Fast die Hälfte der befragten Studierenden nennt das extrinsische Motiv der im Kurs zu erbringenden Leistung (43,5%). Auch pragmatische Motive bezogen auf die Berufskarriere und den Gebrauch der deutschen Sprache am Arbeitsplatz erscheinen in der quantitativen Untersuchung als ziemlich wichtig (38,6%). Das Kommunikationsmotiv wird nur von einem Drittel der Probanden genannt (34,5%), was angesichts der direkten Nachbarschaft und reger Kontakte zwischen Polen und Deutschland überraschen mag. Motive, die das Kulturlernen bzw. Kulturerlebnisse betreffen, spielen bei den polnischen Studierenden kaum eine Rolle. Die deutsche Sprache wird in Polen nur von knapp 9% der Probanden als Instrument zur Erkundung und zum Erleben der hohen Kultur oder Popkultur (Literatur, Film, Kunst) der deutschsprachigen Länder wahrgenommen. Derartige Motive spielen in Polen nur eine marginale Rolle. Das Motiv, durch den Deutschkurs die deutsche, österreichische oder schweizerische Mentalität näher kennenzulernen, ist für polnische Probanden ebenfalls nicht viel relevanter (10,4%). In der separat gestellten geschlossenen Frage „Betrachten Sie die deutsche Sprache als Schlüssel zum Verstehen von Kultur, Bräuchen und Mentalität der DACH-Bewohner?“ ist eine knappe Mehrheit auch skeptisch: mit „nein“ antworteten 54,6% der Studierenden, mit „ja“ 45,4%. Polnische DaF-Lernende sind also in erster Linie instrumentell und extrinsisch motiviert. Interkulturelle Motive spielen dabei eine geringere Rolle. Zur Messung der interkulturellen Orientierung der Probanden wurden 20 LikertSkala-Items herangezogen, die drei Statement-Komplexe umfassten: Wissen, Haltungen und Fähigkeiten. Der maximale Indexwert der interkulturellen Orientierung beträgt 100 Punkte. Die Gesamtergebnisse bestätigten eine eher mittelmäßige interkulturelle Orientierung der Deutschlernenden in Polen. Im Falle Polens, eines direkten Nachbarlandes Deutschlands, ist die interkulturelle Orientierung schwächer (65,6 Punkte) als z.B. in den so weit entfernten Vereinigten Staaten (72,5 Punkte). Die geographische Nähe impliziert also nicht zwangsläufig eine stärkere interkulturelle Motivation, was im Spiegel der Sprachbiographien, die ein Teil der qualitativen Untersuchung war, ebenfalls deutlich wurde. Die geringe geographische Distanz allein erscheint demnach nicht als wesentlicher Motivationsfaktor. Vergleicht man die gesamten Statement-Komplexe, so sind unter den polnischen Studierenden stärkere interkulturelle Motive im Bereich der Fähigkeiten zu

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verzeichnen. Relativ stark vertreten sind z.B. die mit dem Erwerb der soziolinguistischen Kompetenz und mit der Entwicklung der Ambiguitätstoleranz verbundenen Motive. Für die DaF-fördernden Maßnahmen kann schließlich von Bedeutung sein, dass das „Spaßmotiv“ für die Deutsch lernenden Studierenden kaum eine Rolle spielt. Von der Liste der Motive (Mehrfachnennungen waren möglich) haben „Gefühl von schön verbrachter Zeit beim Kurs und selbständigem Lernen“ nur 10% der Probanden gewählt. Der durch polnische Bildungsstandards ausgeübte Druck, eher die erste, seit mehreren Jahren gelernte Fremdsprache auch im Rahmen des Hochschulstudiums zu wählen, ist ziemlich groß. Wurde bereits im Gymnasium z.B. Deutsch als erste Fremdsprache gelernt, so entscheiden sich spätere Studierende auch meistens für den Deutschkurs, um den Anforderungen bezüglich des Sprachniveaus gerecht zu werden. Der für das DaF-Lernen in Polen weniger zutreffende „Spaßfaktor“ ist wohl auch auf die negativere Einstellung zu der Sprache selbst zurückzuführen.

4 Förderungsmaßnahmen für Deutsch als Fremdsprache – neueste Entwicklungen 4.1 Förderungsmaßnahmen an Schulen DaF-Förderung aus der Perspektive der Deutschlehrer bedeutet u.a. die alltägliche Motivierung der Schüler zum Deutschlernen. In der oben angeführten Befragung wurde ebenfalls nach den Motivierungsmethoden der Lehrer gefragt. Die Antworten auf die Frage „Wie motivieren Sie Ihre Schüler zum Deutschlernen?“ zeigen vor allem, dass Tests oder Hausaufgaben von fast allen Lehrern nicht als der einzige Motivierungsfaktor wahrgenommen werden. Es ist charakteristisch, dass die am häufigsten genannte Motivierung durch Stärkung eines entsprechenden Bewusstseins erfolgt, und zwar dass Deutsch in der geopolitischen Lage Polens eine wichtige (wenn auch evtl. die zweitwichtigste nach Englisch) Sprache ist. Wenn es um motivierende Aktivitäten geht, so sind fakultative Aufgaben und Projekte die besonders oft eingesetzten Methoden der Bereicherung des Deutschunterrichts und somit der Förderung der Schülermotivation. Erwartungsgemäß behaupten Lehrer aus den westlichen Regionen oder Regionen, die historisch mit Deutschland verbunden waren, dass der historischkulturelle Charakter ihrer Region oder die Nähe zu Deutschland ein wesentlicher, indirekter Motivierungsfaktor zum Deutschlernen ist. Dies behaupten fast rund

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30% der Lehrer, vor allem aus Niederschlesien, Oberschlesien, aus dem Großraum Poznań und Danzig. In diesem Kontext werden auch deutsche Firmen genannt, die wichtige Arbeitgeber in der Region sind. Sind die Lehrer für die DaF-Förderung richtig engagiert, so gehen sie über rein motivierende Aktivitäten im Unterricht hinaus und werden quasi zu DaF-fördernden „Institutionen“ in ihren Schulen. Wie eine solche komplexe Förderung des Deutschunterrichts aussehen kann, wird an einigen authentischen Beispielen gezeigt, die vom qualitativen Teil der DWT-Evaluation erfasst wurden. Gegenstand des Interesses waren in erster Linie Schulen, die als Beispiele „der guten Praxis“ im Bereich des Deutschunterrichts und der Förderung von Deutsch als Fremdsprache herangezogen werden konnten. Als behilflich erwiesen sich Hinweise der DWT-Moderatorinnen, die ihrerseits sehr positive Beispiele nannten, mit denen sie während der DWT-Besuche konfrontiert wurden. Aus einer Reihe von Berichten der Lehrer werden im Folgenden nur zwei dargestellt, die positive Aspekte enthalten und zum Teil als richtungsweisend gelten können. Das Ziel ist, auf Schulen hinzuweisen, die evtl. Probleme rund um den DaF-Unterricht haben und dennoch beachtenswerte Schritte unternehmen, um den Deutschunterricht zu stärken. Hervorzuheben ist, dass beide Lehrer zwei Regionen vertreten, die wegen ihrer verschiedenen geographischen Lage auch über unterschiedliches Potential bezüglich der DaF-Förderung verfügen. a) Nicht-öffentliche Grundschule in einem Dorf in der Wojewodschaft Opolskie (Oppeln) Die Grundschule ist eine kleine Dorfschule, in der die Deutschlehrerin erst seit drei Jahren arbeitet. Mit der Einstellung der Deutschlehrerin vor drei Jahren begann erst die Geschichte des Deutschunterrichts an dieser Grundschule. Vorher wurde dort nur Englisch angeboten und es ist der Schulleiterin und den Eltern zu verdanken, dass DaF überhaupt eingeführt wurde. Die „gute Praxis“ ist also in diesem Fall das entsprechende Bewusstsein sowohl der Eltern als auch der Schuldirektorin, dass Deutsch neben Englisch unterrichtet werden sollte. Die Lehrerin schreibt ausschließlich von positiven Erfahrungen in dieser Schule und betont mehrmals die außerordentliche Rolle der Schuldirektorin bei der Förderung des DaF-Unterrichts. Die Unterstützung seitens der Direktorin hat sowohl „geistigen“ wie materiellen Charakter. Es fehlt an nichts: erworben wurden einschlägige didaktische Hilfsmittel, Sprachspiele, Landkarten und multimediale Computerprogramme. Der Klassenraum ist sehr gut und modern ausgestattet. Die Förderung des Deutschunterrichts beruht ebenfalls auf engagierter Unterstützung von Kontakten, die der methodischen Bildung und Fortbildung dienen. Als Partnerhochschulen wurden die PWSZ (Staatliche Fachhochschule)

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in Nysa und die Universität in Bamberg genannt. DaF-Studenten aus Nysa und Bamberg waren in der Schule zu Gast. Als Praktikanten besuchten die Schule DaF-Studenten aus dem Fremdsprachenkolleg für Lehrerausbildung in Oppeln. Schüler dieser kleinen und ziemlich abgelegenen Schule sind regelmäßig Teilnehmer der Deutsch-Olympiade und der Deutsch-Diktate, die vom Deutschlehrerverband in Oppeln organisiert werden. Diese außerunterrichtlichen Aktivitäten sind ebenfalls als eine wichtige Leistung der Schule zu betrachten. Auch hier hebt die Lehrerin die finanzielle Unterstützung der Direktorin sehr hervor. b) Schulverbund in einem Dorf in der Wojewodschaft Warmińsko-Mazurskie (Ermland-Masuren) Der Schulverbund in einem kleinen Dorf im Nord-Osten Polens, nahe der Grenze zur Russischen Föderation ist ein ganz anderer Fall als die vorhin angeführten. Das Gymnasium ist keine Schule mit spektakulären Erfolgen und großen DaFfördernden Veranstaltungen, sondern ein Ort, wo in der eher problematischen Umgebung „organische Arbeit“ (Begriff aus der Zeit des polnischen Positivismus im 19. Jh.) auf dem Gebiet der DaF-Didaktik geleistet wird. Der Kreis Kętrzyn generell ist zurzeit wegen der Politik der Kreisbehörden kein Gebiet mit einem günstigen Klima für den Deutschunterricht. Als Beispiel der guten Praxis werden der Deutschlehrer und seine Schule dennoch (oder vielleicht deswegen) herangezogen, denn gerade die engagierte Haltung, eine hohe Reflexivität der Lehrer und ihre Unnachgiebigkeit sind Werte, die in solchen, besonders schwierigen Gebieten in der DaF-Landschaft sehr gefragt sind. Das Dorf, in dem sich die Schule befindet, ist wie viele in der Wojewodschaft Warmińsko-Mazurskie, wo die Auflösung der dortigen LPG’s in den 1990er Jahren zur schnellen Verarmung der Bevölkerung und verschiedenen sozialen Pathologien führte. Dies hatte für die dortigen Kinder ebenfalls einen großen negativen Einfluss und der Anteil der sog. „schwierigen Jugendlichen“ ist in dem Dorf und der Umgebung sehr hoch. Dass dies auch das Deutschlernen und -lehren beeinträchtigt, liegt auf der Hand. Der Deutschlehrer hat offensichtlich nicht denselben Komfort wie seine vorhin zitierten Kolleginnen. Deutschlehren ist dort zugleich eine harte pädagogische Arbeit und eine besonders große Herausforderung. Umso mehr bewundernswert sind Ergebnisse, die der Lehrer erzielt. Er nahm seine Arbeit im Schuljahr 2005/2006 auf und begann, die Schüler zum Deutschlernen zu motivieren. Schon nach drei Jahren kam ein objektiver Erfolg: in der ersten Gymnasialprüfung erreichten die Schüler Ergebnisse, die über dem landesweiten Durchschnitt lagen. Auch in den darauf folgenden Jahren wichen die Ergebnisse nicht von den Durchschnittsergebnissen in der Wojewodschaft ab.

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Als Quelle dieses Erfolgs sieht der zitierte Lehrer nicht nur die Arbeit mit den Schülern selbst, sondern auch eine enge und intensive Zusammenarbeit des Deutschlehrers mit dem Klassenlehrer und den Eltern. Die motivierenden Impulse müssen in solchen Fällen von verschiedenen Seiten kommen. Eine andere beachtenswerte Leistung des Lehrers ist die Werbung für Deutsch trotz der Entscheidungen der lokalen Behörden, die neuerdings mehr Wert auf Russisch legen. Dies wird mit der besonderen Lage und der direkten Nachbarschaft zur Kaliningrad-Region erklärt. Der Effekt ist, dass dadurch Deutsch durch Russisch (als zweite Fremdsprache) weitgehend verdrängt wird. Die Deutschlehrer fühlen sich in solchen Situationen allein gelassen, was allerdings nicht das hier besprochene Gymnasium betrifft. In dem Gymnasium haben die Schulleitung und der Elternrat nämlich beschlossen, Deutsch als obligatorische zweite Fremdsprache beizubehalten, was indirekt auch den bisherigen Leistungen des Deutschlehrers zu verdanken war. Der Deutschlehrer macht also seine eigene Kampagne für Deutsch und beweist auch mit seinen Befragungen im Kreis, dass ca. 40%-50% der Schüler am Deutschlernen interessiert sind. Er glaubt, dass eventuelle Perspektiven für die Jugendlichen, wie z.B. Praktika in Deutschland, sie zum Deutschlernen motivieren könnten. So könnten vielleicht auch die Behörden ihre Orientierung auf nur Englisch/ Russisch etwas revidieren.

4.2 DaF-fördernde Projekte Zu einem steigenden Interesse der polnischen Schüler an der deutschen Sprache können nicht nur immer neuere und innovativere Lehrprogramme oder Entscheidungen auf administrativer Ebene, wie die Einführung einer zweiten Fremdsprache als Pflichtfach in den Mittelschulen (Gymnasien), beitragen, sondern auch, oder vielleicht vor allem, Popularisierungsmaßnahmen für Deutsch als Fremdsprache. Dabei handelt es sich sowohl um hunderte von kleineren Initiativen der Lehrer, Schulen, Schulverbünde und Gemeinden, deren Beispiele im letzten Unterkapitel genannt wurden, wie auch um große, landesweite Wettbewerbe (wie z.B. die Deutscholympiade oder der Sprachwettbewerb „Pokaż nam język“) und Projekte, die zum großen Teil vom Goethe-Institut getragen werden. Die größte Initiative in diesem Kontext (gemessen an der Zahl der teilnehmenden Schulen und Schüler) stellte in den letzten Jahren das vom Goethe-Institut 2009 initiierte Projekt „Deutsch-Wagen-Tour“ dar. Das Projekt, dessen zweiter und letzter Zyklus im Juni 2015 zu Ende ging, verfolgte in erster Linie solche Ziele wie: Sympathiewerbung für die deutsche Sprache, Förderung der deutschen Sprache als Schulfach an polnischen Schulen, Vermittlung eines aktuellen

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Deutschlandbildes, Bewusstmachung von Deutsch als wichtiger Sprache in einem mehrsprachigen Europa. Nicht zuletzt aber hatten die DWT-Besuche auch die Relevanz von Deutsch für Studium und Beruf gegenüber Lernern und Eltern zu verdeutlichen, sowie Anregungen und Ideen für Lehrer und Lehrerinnen für einen interessanten und ansprechenden Deutschunterricht zu verbreiten. Zielgruppen des Projekts waren Schüler, Lehrer, Schuldirektoren, Eltern, Studierende im studienbegleitenden Fremdsprachenunterricht, sowie Bildungspolitiker und Mitarbeiter in Bildungsbehörden. Eigens für das Projekt geschulte Moderatoren reisten quer durch Polen in bunten Deutschwagen und motivierten mithilfe von Spielen und Sprachanimationen zum Deutschlernen. Die Evaluation der DWT (Mackiewicz 2014b) ging u.a. der Frage nach, welche Ziele, in der Meinung der Lehrer, die DWT-Besuche erreicht haben. Die Antworten belegen vor allem, dass die motivierende Aufgabe der DWT-Sprach-Animationen erfüllt wurde, an zweiter Stelle wurde der Unterhaltungscharakter angegeben, gefolgt von (aus sprachdidaktischer Sicht besonders relevanter) Überwindung der Sprachangst. Unter den Beispielen einer positiven Entwicklung wurden u.a. genannt: Verbesserung der Vorstellung von der deutschen Sprache; Abbau des Stereotyps, dass Deutsch eine schwere Sprache ist; eine größere Aktivität der Schüler im Unterricht. Darüber hinaus seien die Schüler nun motivierter, lernen Deutsch lieber und erwarten nun öfter spielerische Unterrichtsformen oder den Unterricht in Form von Workshops und Animationen. Allerdings ist es schwer abzuschätzen, wie dauerhaft solche positiven Tendenzen nach einem einmaligen DWT-Besuch waren. Der Nachhaltigkeitseffekt wurde auf jeden Fall bei den Deutschlehrern festgestellt. Fast die Hälfte der Lehrer macht Gebrauch von den sprachdidaktischen oder landeskundlichen Materialien, die sie im Rahmen des Projekts erhalten haben. Weitere fast 50% machen das gelegentlich. Die Hälfte der Lehrer lassen sich bisweilen von den Ideen inspirieren, die sie beim DWTTreffen erfahren haben und 40% tun dies sogar oft. Dies ist als ein weiterer Beleg für die hohe Leistung des Projekts auf dem Gebiet methodischer Unterstützung der Deutschlehrer anzusehen. In diesem Bereich war die nachhaltige Wirkung des DWT-Besuches am deutlichsten zu sehen. Das Projekt „Deutsch hat Klasse“, das seit 2014 vom Goethe-Institut Warschau geleitet wird, verfolgt eine etwas andere Zielsetzung als die DWT, auch

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wenn die DaF-Förderung dabei ebenfalls großgeschrieben wird. Zu den allgemeinen Zielen des Projekts gehören (Ciężka 20162): Sensibilisierung von Bildungsinstitutionen, Lehrern, Schülern (Gymnasiasten, ab 2017 auch Grundschüler), Eltern und der Schulleitung für die Bedeutung des Klassenraumes im Lernprozess; Anregung der Schüler, Lehrer und Eltern zur schulischen Partizipation; Handlungsorientiertes Deutschlernen. Bei dem Projekt handelt es sich in erster Linie um einen polenweiten Wettbewerb zur Gestaltung des Klassenraums, in dem der Deutschunterricht stattfindet. An dem Projekt darf eine Gruppe von Schülern teilnehmen, die im selben Klassenraum Deutsch lernen. Der Deutschlehrer ist Betreuer eines jeden Teams und während des Projekts darf jedes Team von anderen Schülern außerhalb des Teams sowie von Eltern, Lehrern anderer Fächer, der Schulleitung und der lokalen Gemeinschaft unterstützt werden. Die Dokumentation zur Realisierung des Projekts wird in deutscher Sprache verfasst und besteht aus zwei Teilen: Visualisierung (z.B. Film, Fotoreportage mit kurzer Beschreibung, Power-Point-Präsentation) sowie aus einem schriftlichen Teil (Protokolle bzw. Berichte über die durchgeführten Maßnahmen). Die vorgenommenen Veränderungen im Klassenraum müssen visuell dargestellt werden. Die wichtigsten Aspekte der Durchführung sind: Engagement der Klasse, Zusammenarbeit des Teams, Partizipation, Klassenraumgestaltung, Wandgestaltung (Ciężka 2016). Im Rahmen des Projektes „Deutsch hat Klasse“ werden didaktische Materialien entwickelt, es finden Seminare und Workshops für Lehrer und Schüler statt. Das Projekt wird ebenfalls von Fachkonferenzen begleitet. Aus der Perspektive der DaF-Förderung ist von erstrangiger Bedeutung, inwieweit das Projekt das Deutschlernen unterstützt, die Motivation zum Lernen fördert und die Stellung des Faches Deutsch stärkt. Ergebnisse der Umfragen und Interviews, die im Rahmen der Zwischenevaluation durchgeführt wurden (Ciężka 2016) sind ziemlich eindeutig. So bestätigen die Gymnasiasten (N=275) z.B., dass sie nun bessere Leistungen im Fach Deutsch erzielen. Fast drei Viertel (73%) der Befragten geben an, dass das Projekt zur Wortschatzerweiterung beigetragen habe. Jeder Vierte (26%) weist auf die Verbesserung seiner Grammatikkenntnisse hin. Ebenso viele Schüler erklären, auf Deutsch nun fließender zu kommunizieren (Ciężka 2016: 120). Die Hälfte der befragten Schüler wurde nach eigenen Angaben durch die Teilnahme am Projekt dazu animiert, mehr Deutsch zu lernen. Jeder vierte Schüler gibt an, Deutsch schon immer sehr gerne gelernt zu haben (Ciężka 2016: 42).

|| 2 Bericht zur Zwischenevaluation des Projekts „Deutsch hat Klasse“ wurde dem Autor freundlicherweise von Ulrike Würz, Leiterin der Spracharbeit am Goethe-Institut Warschau, zur Verfügung gestellt.

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Im Urteil der Lehrer hat der Deutschunterricht vom Projekt generell profitiert. 33 von 47 befragten Lehrern erklären, dass sich durch das Projekt das Image des Faches Deutsch an ihrer Schule verbessert habe. Die Verbesserung des Images beruht laut den Lehrern vor allem darauf, dass den Schülern und der Schulgemeinschaft klar geworden sei, dass Deutsch ein wichtiges Schulfach ist, das spannend sein kann. Zudem seien durch das Projekt positive Assoziationen geweckt worden, nicht zuletzt deshalb, weil die von den Schülern ausgeführten Aktivitäten von diesen als angenehm empfunden worden seien (Ciężka 2016: 122). Von anderen DaF-fördernden Initiativen des Goethe-Instituts ist z.B. das Projekt „Erlebnisreise mit Deutsch“ zu erwähnen, welches in Zusammenarbeit mit dem Verlag LektorKlett durchgeführt wird. Das Projekt richtet sich an die neuen 8-jährigen Grundschulen, die die Möglichkeit haben, eins von 1000 Paketen mit didaktischen Materialien zu bekommen. Die an sich simple Idee der Versorgung der Deutschlehrer mit Lehrmaterialien, die entweder im Deutschunterricht, für Werbung für Deutsch oder bei einem Tag der offenen Tür in der Schule eingesetzt werden können, scheint im Spiegel der Lehrerbefragungen im Rahmen DWT-Evaluation eine effektive und nachhaltige Methode der DaF-Förderung zu sein. Den Deutschlehrern werden durch solche Projekte neue Instrumente der Motivierung zum Deutschlernen in die Hand gegeben. Generell soll die DaF-Förderung zum großen Teil durch Deutschlehrerförderung erfolgen und in diesem Kontext muss auch DELFORT genannt werden. Es ist ein landesweites Programm zur Fortbildung der DeutschlehrerInnen, das zum Ziel hat, ein hohes Niveau ihrer beruflichen Qualifikationen zu sichern und die Qualität des Deutschunterrichts an polnischen Schulen zu verbessern. Das Konzept des Projekts wurde gemeinsam vom Ministerium für Nationale Bildung und Sport, vom ORE (Zentralinstitut für Lehrerfortbildung) und vom Goethe-Institut Warschau ausgearbeitet. Dass Deutschkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt zunehmend erwünscht sind, wurde eingangs erwähnt. Berichte der Unternehmer und Personalleiter bezeugen, dass die Nachfrage nach Spezialisten mit Deutschkenntnissen größer als das Angebot ist (vgl. Gazeta Prawna 2016). Dies veranlasst sowohl Arbeitgeber wie auch Bildungseinrichtungen zu entsprechenden Maßnahmen. Manche Firmen sind bereit, mit neuen Fachspezialisten auch ohne ausreichende Deutschkenntnisse Arbeitsverträge zu schließen und gleichzeitig werden den neuen Mitarbeitern intensive, z.B. zweimonatige Sprachkurse angeboten (vgl. Gazeta Prawna 2016). Auch eine umgekehrte Herangehensweise wird praktiziert: es werden ausgebildete Germanisten rekrutiert, die erst dann an fachspezifischen Schulungen teilnehmen und erforderliche Fachkompetenzen erwerben (vgl. Gazeta Prawna 2016). In diesem Zusammenhang nimmt also auch die Bedeutung des akademi-

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schen Faches Germanistik zu. Die germanistischen Institute an polnischen Universitäten bieten Spezialisierungen an, die neben philologischer Ausbildung auch Ansätze betriebswirtschaftlichen oder Managerwissens und entsprechender Kompetenzen berücksichtigen sowie Beherrschung von Fachsprachen in verschiedenen Berufsfeldern vorsehen. So bietet z.B. die Adam-Mickiewicz-Universität (AMU) in Poznań neben Translatorik oder Deutschlehrerausbildung auch solche Wahlprofile wie Fachsprachen oder Interkulturelle Kommunikation (mit besonderer Berücksichtigung der Wirtschaftskommunikation) an. Das steigende Interesse der internationalen Konzerne an einer Kooperation mit dem Institut für Germanische Philologie der AMU und zunehmende Praktikumsangebote für Studierende bestätigen nur die Tendenz zur immer größeren Berufspraxisbezogenheit des Germanistikstudiums in Polen.

5 Schlussfolgerungen und Ausblick Anhand von bereits genannten Fakten lassen sich einige Schlussfolgerungen für die aktuelle und zukünftige DaF-Förderung in Polen formulieren. Fazit 1 Anfangsmotive, warum Grundschüler in Polen überhaupt mit Deutschlernen angefangen, sind etwas anderer Natur, als die in dem Sekundarbereich. Unter den Grundschülern ist der Zwang zum Deutschlernen weniger spürbar, was eine Reihe von weiteren positiven, vor allem motivationalen und affektiven Konsequenzen hat. Auch bei motivationalen Tendenzen unterscheiden sich die jüngeren Schüler von Gymnasiasten und Oberschülern. Abschwächung der Motivation ist ein Problem eher in der Sekundarstufe. Dieser Unterschied ist wohl nicht nur mit generellen altersbedingten Veränderungen zu erklären, sondern auch mit etwas anders verteilten Anfangsmotiven der Grundschüler und Gymnasiasten/ Oberschüler zu erklären. Die Einführung der zweiten obligatorischen Sprache in der Sekundarstufe bedeutet zwar quantitativen Zuwachs für DaF, beeinträchtigt aber oft die Qualität der Motive zum Deutschlernen. Die obigen Tatsachen resultieren mit konkreten Implikationen für die Förderungsmaßnahmen. Eine optimale Lösung wäre die Erweiterung des Deutschunterrichts in Grundschulen. Aus bildungspolitischen Gründen scheint dies aber ein schwierigeres Unterfangen zu sein (die Rolle der Gemeinden als Entscheidungsträger ist

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hier zu beachten). Daher sind neue Methoden und Ansätze im Sekundarbereich (in der ersten Phase, z.B. im ersten Semester) auszuarbeiten und anzuwenden (vgl. Berichte der Deutschlehrer im Rahmen der DWT-Evaluation, die in der ersten Gymnasialklasse zuerst eine positive, freundliche Atmosphäre rund um die deutsche Sprache aufbauen mussten). Es geht dabei sowohl um Modifizierung der Curricula sowie der Gewohnheiten der Lehrer (die Grammatik-Übersetzungsmethode lebt immer noch!). Fazit 2 Das Problem der sinkenden Motivation trifft in erster Linie für Lerner zu, die Deutsch als zweite Fremdsprache lernen (mit dem Anfang im Gymnasium). Da Englisch in solchen Fällen die erste FS ist, verblasst die Attraktivität des Deutschlernens, so dass beim Übergang zur nächsten Bildungsstufe (Oberschule) ein Teil der Schüler auf den Deutschunterricht verzichtet und eine andere zweite FS wählt. Implikationen für die Förderungsmaßnahmen: Da es sich um ältere Jugendliche handelt, muss mehr Druck auf die praktischen Vorteile der Sprache gelegt werden, von denen sie schon bald profitieren könnten (Arbeit, Studium in Deutschland). Allerdings gibt es ein Hindernis, das außerhalb Polens liegt: es werden in Deutschland immer mehr Studiengänge in englischer Sprache angeboten, was zum vorherigen Deutschlernen weniger motiviert. Fazit 3 Regionale Unterschiede in der Motivation der Schüler sind nicht sehr gravierend, dennoch ist in West-Polen das Nützlichkeitsmotiv öfter vertreten als in Ost-Polen. Auch Kommunikationsmotive sind in Ost-Polen seltener. Die Einstellung zu der deutschen Sprache und die Einstellung zu den Deutschen sind in West-Polen besser als in Ost-Polen. Auch das Deutschlandbild unterscheidet sich in mancher Hinsicht (vgl. Mackiewicz 2012). Dies bedeutet folgende Implikationen für die Förderungsmaßnahmen: Der Sinn, Deutsch zu lernen, erscheint in West-Polen als selbstverständlicher. Geographische Entfernung sowie geringere wirtschaftliche oder touristische Kontakte mit Deutschland schwächen die Motivation in OstPolen ab. Alle außerunterrichtlichen Förderungsmaßnahmen (wie Deutsch-Wagen-Tour, Deutsch hat Klasse, verschiedene Sprachwettbewerbe, Stipendien etc.) sollten also in Ost-Polen mit zunehmender Intensität unternommen werden.

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Fazit 4 Es steigt allmählich das Bewusstsein (durch Massenmedien und Institutionen wie Goethe-Institut wesentlich verstärkt), dass Deutschkenntnisse größere Berufschancen bedeuten. Auch wenn dies vor allem westliche Wojewodschaften betrifft, lässt sich nicht leugnen, dass Deutschland der wichtigste Wirtschaftspartner für Polen ist und damit auch auf dem Arbeitsmarkt Deutschkenntnisse zunehmend erfordert werden. Implikationen für die DaF-Förderung liegen auf der Hand: Schüler in den Oberschulen und Studierende sollen durch Informationstreffen und Broschüren über die Vorteile der Deutschkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt informiert werden. Die bereits Berufstätigen und Unternehmen sind an Fachsprachkursen besonders interessiert. Der Nachfrage folgt zwar ein immer größeres Angebot an Kursen (auch online und in Form von blended learning), zu beachten ist nur, dass die Entwicklung der Branchen dynamisch ist und immer neue Fachsprachkenntnisse erforderlich sind, was die Erarbeitung von neuen Kursen (und Fortbildung der DaF-Lehrer) zur Folge hat.

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Vít Dovalil

Förderung von Deutsch als Fremdsprache in Tschechien: Theoretische Voraussetzungen und praktische Konsequenzen 1 Einleitung und Zielsetzung. Fremdsprachensituation und soziokultureller Kontext des Deutschen in Tschechien Dieser Beitrag thematisiert die sprachenpolitischen, nicht die didaktischen Voraussetzungen für die Stärkung des Deutschen in Tschechien. Er setzt sich zum Ziel, solche Maßnahmen im soziokulturellen Bereich zu finden, deren Implementierung zur Stärkung des Deutschen beitragen könnte.1 Die Stellung jeder Sprache in einer Sprachgemeinschaft wird von verschiedenen Akteuren, deren Interessen und Machtstellung mitgestaltet. Die Fremdsprachensituation in Europa und Tschechien mit der dominanten Stellung des Englischen wurde in der letzten Zeit in manchen soziolinguistischen Studien diskutiert (vgl. Ammon 2015; Dovalil im Druck; Dovalil 2017; Kaderka & Prošek 2014; Eichinger 2014; Müllerová & Poláčková Schönherr 2013: 11–63; Dovalil & Engelhardt 2012; Lopuchovská 2012; Gester 2011; Šichová 2011; oder Dovalil 2010).2 Die Etablierung des Englischen als meistgewählter Fremdsprache entspricht nach Neustupný (2006) auch einem Teil der Globalisierungstrends der postmodernen Gegenwart. Vor der Wende 1989/1990 wurde in der Tschechoslowakei aus politischen Gründen Russisch als erste Pflichtfremdsprache unterrichtet. (Neben Russisch waren es auch andere Fremdsprachen – am häufigsten Deutsch oder Englisch). Die ideologisch motivierte Top-Down-Fremdsprachenpolitik kontrastierte mit Desinteresse an Russisch auf Seiten der Bevölkerungsmehrheit. Deshalb hat sich die Situation nach dem Fall des kommunistischen Regimes spontan zugunsten der westlichen Sprachen – vor allem Deutsch und Englisch – verändert, als die

|| 1 Dieser Aufsatz ist mit Unterstützung des Forschungsprojektes Progres 4 Sprache im Wandel von Zeit, Raum und Kultur der Karls-Universität in Prag entstanden. 2 Diese Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig. Auf die didaktische Forschungsliteratur musste aus Gründen der thematischen Orientierung und des Platzmangels verzichtet werden. || Vít Dovalil, Karls-Universität Prag, Tschechien, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-043

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äußeren politischen Zwänge verschwunden waren (ausführlich Neustupný & Nekvapil 2006). Das geringe Interesse an Russisch kam in rasant fallenden Zahlen der freiwilligen Lerner nach 1990 zum Ausdruck, die ungefähr weitere 20 Jahre niedrig blieben. Die Nachfrage steigt erst seit 2008 wieder an. 2016 lernten Russisch ca. 51.000 Grundschüler und etwas mehr als 30.000 Mittelschüler. Die Positionen des Deutschen und des Englischen wurden nach der Wende durch politisch-ökonomische Veränderungen gestärkt. Ursachen der seit der Mitte der 1990er Jahre schwächer werdenden Stellung des Deutschen lassen sich in historischen, politischen wie auch kulturellen Faktoren finden, die mit negativen Einstellungen, Stereotypen oder sogar Vorurteilen eines Teils der Bevölkerung Tschechiens gegenüber dem und den Deutschen einhergehen. So wird beispielsweise behauptet, dass Deutsch hart klinge und unschön sei oder dass Deutsch zu den schwierigen Sprachen gehöre (Dovalil & Engelhardt 2012: 12; Nekvapil & Sherman 2013: 104). Diese soziokulturellen Konstrukte werden von Sprachideologien begleitet, von denen die meist verbreitete mit dem Slogan English is enough ausgedrückt wird. Diese Ideologie besagt, dass Englisch die einzige sinnvolle Fremdsprache zum Lernen darstelle, weil alle diese Sprache lernen, weswegen man sich unter allen Umständen auf Englisch verständigen könne: „one can get by in English in all situations“ (Nekvapil & Sherman 2013: 107).3 Auf den ersten Blick sieht diese Sprachideologie gerade im Zusammenhang mit Deutsch überzeugend aus, weil die deutschsprachige Gemeinschaft zu den hoch gebildeten Gemeinschaften mit relativ guten Englischkenntnissen gehört.4 Die vom tschechischen Schulministerium gesammelten statistischen Daten bestätigen die Dominanz des Englischen als der am häufigsten gewählten Fremdsprache im tschechischen Bildungssystem. Das Interesse an Deutsch ist trotzdem stabil genug geblieben, um zumindest den zweiten Platz zu behalten. Zudem steigen die Zahlen der Deutschlerner seit 2013 wieder an. Wenn wir uns die Fremdsprachensituation an Grundschulen ausführlicher anschauen, können wir einen sich vergrößernden Abstand von Englisch und Deutsch zwischen dem Schuljahr 1996/1997, dem letzten Jahr mit stärkerer Stellung des Deutschen, und dem Schuljahr 2012/2013, dem letzten Jahr mit einer Pflichtfremdsprache an den Grundschulen, beobachten. Die zweite Pflichtfremdsprache wurde im September 2013 eingeführt.

|| 3 Einige nahezu mythische Aspekte dieser weit verbreiteten Ideologie wurden neu von Phillipson (2017) verzeichnet und analysiert. 4 Ausführlicher in der Statistik von Eurostat unter http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Foreign_language_skills_statistics, die den Zeitraum 2007 bis 2015 abdeckt.

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Abb. 1: Entwicklung der Fremdsprachenanteile an den Grundschulen der Tschechischen Republik 1996/97 – 2015/16 (Quelle: Schulministerium der Tschechischen Republik, Oktober 2016)

Die Gesamtzahl der Deutschlerner sank von mehr als 374.000 Schülern im Jahre 1996 und erreichte im Jahre 2012, wo es zum Wendepunkt kam, ihr Minimum von nur 106.000. Wahrscheinlich als Effekt der Einführung der zweiten Pflichtfremdsprache begann dann das Interesse an Deutsch wieder zu wachsen und erreichte 2016 die Zahl 163.000. Dagegen stieg die Zahl der Englischlerner im Laufe dieser zwei Jahrzehnte ununterbrochen von 341.000 auf 725.000. Im Zusammenhang mit dem Rückgang der Gesamtzahl der Mittelschüler sieht die Entwicklung an diesem Schultyp anders aus.5 Der Rückgang der Deutschlerner wird seit 2003 mit Anzeichen einer gewissen Stabilisierung nach 2013 fortgesetzt, was der Situation der Grundschulen entspricht. Doch im Gegensatz dazu verzeichnen die Mittelschulen auch den Rückgang der Englischlerner

|| 5 Im Unterschied zu den Grundschulen, bei denen sämtliche 20 Jahre seit 1996 statistisch abgedeckt sind, sind für die Mittelschulen nur die Datenreihen seit 2003 zugänglich.

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von 436.000 im Jahre 2009 auf 381.000 im Jahr 2016. Diese Tendenz lässt sich mit Hinweis auf die demografische Gesamtentwicklung erklären.

Abb. 2: Entwicklung der Fremdsprachenanteile an den Mittelschulen der Tschechischen Republik 1996/97 – 2015/16 (Quelle: Schulministerium der Tschechischen Republik, Oktober 2016)

Die dritte Abbildung illustriert die Situation an Fachhochschulen, die in das tschechische Bildungssystem erst 1996 eingeführt wurden. Die Daten können deshalb die ganze Zeitspanne der Existenz dieser Schulen widerspiegeln. Obwohl die Zahl der Englischlerner von Anfang an höher war als die der Deutschlerner, können wir eine parallele Entwicklung im Laufe der ersten mehr als zehn Jahre beobachten. Der Abstand vergrößert sich erst seit 2009. Während die Stellung des Englischen mit den Zahlen zwischen 15 und 17 Tausend relativ stabil bleibt, geht die Zahl der Deutschlerner im Jahre 2016 auf ungefähr 5.000 zurück. Wie im Falle der Grund- und Mittelschulen rangieren weder Spanisch noch Französisch oder Russisch unter den häufig gewählten Fremdsprachen.

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Abb. 3: Entwicklung der Fremdsprachenanteile an den Fachhochschulen der Tschechischen Republik 1996/97 – 2015/16 (Quelle: Schulministerium der Tschechischen Republik, Oktober 2016)

Aus dieser Makroperspektive ist es kaum möglich, auf das reale Interesse an Fremdsprachen und den fokussierten Förderbedarf zu schließen, denn die Zahlen sagen nichts über die zugrunde liegenden Entscheidungsprozesse aus. Und obwohl sich der politische wie auch der soziokulturelle Rahmen der gegenwärtigen Spracherwerbsplanung in Tschechien von dem der Tschechoslowakei vor 1990 deutlich unterscheidet, sind die die Fremdsprachenwahl betreffenden Entscheidungsprozesse auch heute nicht gänzlich frei. Die Einschränkung, die in diese Prozesse im Bildungssystem am intensivsten eingreift, wenn auch weniger sichtbar als die ideologische Doktrin der Epoche vor 1990, kann im Rahmenbildungsprogramm für Grundschulwesen gefunden werden (weiter im Text als RBP abgekürzt). Die Autoren dieses Dokuments bevorzugen Englisch vor allen anderen Fremdsprachen und schenken den Nachbarsprachen keine systematische Aufmerksamkeit. Dabei gehört die Tatsache, dass Tschechien an zwei kulturell und ökonomisch wichtige deutschsprachige Nachbarn (Deutschland und Österreich)

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grenzt, neben der Sprachideologie zu den weiteren in Betracht zu ziehenden soziokulturellen Faktoren.6 Um die deutsch-tschechische bzw. tschechisch-österreichische Nachbarschaft kümmern sich zahlreiche lokale wie auch auf der Makroebene operierende Institutionen, die verschiedenartige grenzübergreifende Austauschprogramme organisieren, um gegenseitige Kontakte zu intensivieren und nachbarliche Beziehungen zu pflegen.7 Auch die tschechische Wirtschaft hängt zum beträchtlichen Teil vom Export in die Nachbarländer ab. Laut dem Tschechischen Statistischen Amt bleibt Deutschland seit den 1990er Jahren mit Abstand der bedeutendste Handelspartner Tschechiens (vgl. www.czso.cz).8 Kulturgeschichtlich darf man weiter nicht außer Acht lassen, dass Deutsch in Tschechien nicht nur den Status einer Fremd-, sondern auch einer Minderheitssprache besitzt. Die deutschsprachige Minderheit in Tschechien wird von zwei Organisationen betreut – Verband der Deutschen und der Freunde deutscher Kultur in der Tschechischen Republik und Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik. Obwohl diese beiden Organisationen voneinander unabhängig wirken, befassen sie sich mit ähnlichen Aktivitäten: Aufrechterhaltung nationaler Traditionen und Feiertage, Organisation von Wallfahrten und anderen unpolitischen Tätigkeiten. Außerdem kooperieren sie mit regionalen Museen, Schulen und Medien und tragen zur Denkmalpflege bei. Minderheitsschulen mit Deutsch als Unterrichtssprache gibt es in Tschechien allerdings nicht. Der letzten Volkszählung zufolge bekannten sich 2011 zur deutschen Nationalität weniger als 19.000 tschechische Staatsangehörige. Die einst mehr als 3 Millionen Personen zählende deutsche Minderheit wurde in der Nachkriegszeit ausgesiedelt oder intensiv assimiliert und ihre Restbesiedlung dermaßen zerstreut, dass sie keine kompakten Areale mehr bildet. Infolgedessen haben

|| 6 Obwohl die Rolle der Nachbarschaft von Bedeutung ist, lässt sie sich nicht überschätzen. Nach Fishman (1998: 29) ist es „the growth in regional interactions – trade, travel, the spread of religions, interethnic marriages – that touches the widest array of local populations. These interactions promote the spread of regional languages“. Er räumt aber an einer anderen Stelle ein, dass „globalization, regionalization, and localization are all happening concurrently. They are, however, at different strenghts in different parts of the world at any given time“ (Fishman 1998: 37). Zum Potenzial der Nachbarschaft ist hinzuzufügen, dass es gerade um den Gebrauch der Nachbarsprachen gehen soll, nicht z. B. um Englisch als Lingua franca (vgl. Müllerová & Poláčková Schönherr 2013: 117–118). 7 Die wichtigsten Akteure in diesem Bereich sind der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds (www.fondbudoucnosti.cz/de/) und Tandem – Koordinierungszentrum des Deutsch-Tschechischen Jugendaustauschs (www.tandem-org.cz). 8 Dies ist vielen Tschechen sehr gut bewusst, weshalb einige sich vor diesen – ihrer Meinung nach – zu starken Bindungen fürchten (vgl. Nekvapil & Sherman 2013: 105).

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viele Deutsche auf ihre Sprache verzichtet. Mit Ausnahme von Familien und anderen privaten Kontexten kann der systematische Deutscherwerb deshalb nur durch die Wahl dieser Sprache als Fremdsprache in Schulen erfolgen.9 Dieser Doppelstatus des Deutschen hat an Relevanz gewonnen, als Tschechien die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifizierte, die in diesem Land im März 2007 in Kraft trat. Dadurch sollte der Schutz des Deutschen als Minderheitssprache gestärkt werden.

2 Voraussetzungen für die Stärkung der Stellung des Deutschen. Identifizierung der Problemursachen auf der theoretischen Ebene Die Identifizierung der geeigneten Fördermaßnahmen ebenso wie die Suche nach solchen Faktoren, die die Deutschförderung in Tschechien unterbinden, wird im Folgenden mit theoretischer Fundierung angestrebt. Da die Maßnahmen zur Stärkung des Deutschen als Verhaltensweisen relevanter Akteure gegenüber der Sprache interpretierbar sind, wird von der Sprachmanagementtheorie Gebrauch gemacht (vgl. Dovalil & Šichová 2017; Nekvapil 2016; Nekvapil & Sherman 2015).10 Vor diesem theoretischen Hintergrund und mit Hinweis darauf, dass Sprachprobleme soziale Probleme darstellen, seien die folgenden analytischen Aspekte hervorgehoben: || 9 Ausführlichere Informationen über die Entwicklung der deutschen Minderheit seit den 1990er Jahren liefern Novotný (2015: 31–34), Neustupný & Nekvapil (2006) und Ammon (2015: 328–334). Die neuesten Daten sind im Bericht über die Situation nationaler Minderheiten in Tschechien für das Jahr 2016 zusammengefasst. Im Bereich der Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache sind im Kapitel mit der Überschrift Bildungswesen in Sprachen nationaler Minderheiten nur die „Grundschule der tschechisch-deutschen Verständigung“ und das „Thomas-Mann-Gymnasium“ genannt (S. 29). Interessanterweise steht auf dieser Seite, dass in diesen Schulen „den tschechischen wie auch deutschen Kindern […] die Bildung in Deutsch als Fremd- oder Minderheitssprache angeboten“ werde. [meine Übersetzung, V.D.] Der Status des Deutschen als Fremdund Minderheitssprache wird auf derselben Seite noch einmal vermengt, indem die Einführung der zweiten Pflichtfremdsprache im September 2013 hervorgehoben wird. Doch die Umstände, die den deutschen Schülern von der Wahl des Deutschen als erster Fremdsprache abraten, werden verschwiegen. Zu weiteren Details, die die potenziellen Verstöße des tschechischen RBP gegen das Völkerrecht betreffen, siehe im Teil 2.1 unten. 10 Da eine ausführlichere Darstellung dieser Theorie den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen würde, werden nur deren Grundlagen geschildert. Zur Anwendung der Sprachmanagementtheorie auf die diskutierten Fragen siehe Dovalil (2009: 231–232) und Dovalil (2010: 45–47).

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1)

Wie bereits angedeutet, wird im Einklang mit der Theorie davon ausgegangen, dass die Beeinflussung der Stellung des Deutschen in Tschechien von soziokulturellen und sozioökonomischen Umständen abhängt. Das soziokulturelle Management zielt auf die Steuerung der oben erwähnten Faktoren wie Sprachideologien (mit Englisch komme man überall aus, Deutsch sei schwierig, während Englisch und Russisch leicht seien), im engen Zusammenhang damit die Beeinflussung der Bildungspolitik (vor allem RBP) zugunsten des Deutschen, Abbau von Vorurteilen auf Seiten der Tschechen gegenüber dem bzw. den Deutschen und auf Hinweise auf den ökonomischen Wert der Deutschkenntnisse in Tschechien (Coulmas 1992: 81–90). Sollte das Management dieser soziokulturellen Voraussetzungen misslingen, würden die zugunsten des Deutschen orientierten Bemühungen fehlschlagen. 2) Wenn das soziokulturelle Management zugunsten des Deutschen gesteuert ist, ist es nach der Theorie sinnvoll, das kommunikative Management zu beeinflussen (Nekvapil 2016: 7; Nekvapil & Sherman 2013: 91). Die Fördermaßnahmen zielen auf dieser zweiten Ebene der Managementaktivitäten darauf ab, solche soziale Netzwerke schaffen zu helfen, in denen es sich nicht nur ökonomisch, sondern auch allgemein gesellschaftlich lohnt, Deutsch zu können. Als gute Beispiele dienen in dieser Hinsicht Arbeitsplatzkontexte, an denen die ökonomische Motivation am besten erkennbar wird. 3) Erst die dritte Ebene der Managementprozesse betrifft den Spracherwerb im engeren Sinne, in dem es um Lern- bzw. Lehrprozesse geht (Kenntnisse von Vokabeln, Grammatik, Pragmatik, Aussprache, Rechtschreibung usw.). Auf dieser Ebene des sprachlichen Managements im engeren Sinne operiert die Didaktik. Die Identifizierung dieser Ebenen und deren In-Bezug-Setzung ermöglichen es, geeignete Maßnahmen zu durchdenken. Aus der Logik der Theorie folgt, dass es wenig sinnvoll wäre, primär (oder sogar ausschließlich) an didaktischen Konzepten zu arbeiten, wenn die soziokulturellen und kommunikativen Managementaspekte (noch) nicht zugunsten der jeweiligen Sprache – hier des Deutschen – wirken (Dovalil 2010: 47). Rein ökonomisch betrachten das Problem der Sprachförderung Strubell (1999) und Darquennes (2007). Ihr Modell operiert auf dem Zusammenspiel von Nachfrage und Angebot. Andere als ökonomische Aspekte sind hier aber nicht integriert. Nützlich ist, dass sich im Vordergrund die Lernerperspektive befindet.

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more learning

more motivation to learn and use the language

more informal social use

perception of greater need for language

more demand for goods and services in the language

more supply and consumption of goods and services in the language Abb. 4: Catherine Wheel Model (Strubell 1999: 241; auch Darquennes 2007: 70)

Außer der begründbaren Reihenfolge des soziokulturellen, kommunikativen und des im engeren Sinne sprachlichen Managements bringt die Theorie noch mehr analytischen Nutzen. Der besteht in einer Strukturierung der Phasen. Ausgangspunkt bleibt dabei die genügende Menge der mit der aktuellen Stellung des Deutschen unzufriedenen und deswegen Veränderungen anstrebenden Akteure. Mit dem Sprachmanagementapparat ausgedrückt heißt dies, dass diese Akteure eine stärkere Stellung des Deutschen erwarten. Wenn die Erwartungen mit der aktuellen Situation verglichen werden, erscheinen deutliche Abweichungen von solchen Erwartungen. Die unzufriedenen Akteure nehmen diese Abweichungen wahr, sie bemerken sie und bewerten sie negativ. Gerade diese bemerkte und negativ bewertete Abweichung von den anfänglichen Erwartungen entspricht dem Sprachproblem. Die negative Bewertung stimuliert den Bedarf, solche Maßnahmen zu erarbeiten, deren Implementierung die Situation verbessern würde.11 Die Bezeichnung dieser Phasen verortet nicht nur die zu ergreifenden Maßnahmen als vorletzte Phase des Prozesses und die Implementierung als die letzte, sondern sie zeigt vor allem, dass dem Bemerken von Sprachproblemen selbst ebenso viel Aufmerksamkeit und öffentliche Überzeugungsarbeit zu schenken ist. Die Ak-

|| 11 In englischen Originaltexten heißen die Phasen deviation from the expectations – noting – evaluation – adjustment design – implementation. Die grafische Darstellung der hier skizzierten Phasen siehe in Dovalil & Šichová (2017: 21).

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teure, die an der Verbesserung der Stellung des Deutschen in Tschechien interessiert sind, sollten die Adressaten ihrer Aktivitäten davon überzeugen, dass die Fremdsprachensituation mit der zu schwachen Stellung des Deutschen ein Sprachproblem in sich birgt. Die Gesamtlage ist theoretisch folgendermaßen interpretierbar: 1) Niedrige Deutschkenntnisse werden von Tschechen gar nicht als Problem zur Kenntnis genommen. Es fehlt das öffentliche und individuelle Bewusstsein (= keine Abweichungen von Erwartungen, kein noting). 2) Die Bevölkerungsmehrheit ist sich der niedrigen Deutschkenntnisse zwar bewusst, aber sie bewertet die Situation nicht bzw. nicht negativ genug (es fehlt die evaluative Phase, oder die Unzufriedenheit ist nicht intensiv genug). 3) Diejenigen, die die fehlenden Deutschkenntnisse negativ bewerten, müssen nicht in der Lage sein, adäquate Maßnahmen herauszuarbeiten, die die Situation verbessern würden. Es fehlen finanzielle und/oder intellektuelle Ressourcen, um geeignete Lösungsstrategien zu gestalten (nicht vorhandene adjustment designs). 4) Auch wenn optimale Maßnahmen formuliert würden, kann das Management zugunsten des Deutschen noch an deren misslungener Implementierung scheitern. Es fehlen Finanzmittel, Deutschlehrer, Wille zum Lernen, geeignete Lernzeiten, didaktische Konzepte usw. Die auf der Makroebene der Institutionen ergriffenen Maßnahmen erreichen die Mikroebene nicht, die den Gebrauch des Deutschen in Interaktionen zu beobachten ermöglicht.

2.1 Hindernisse im soziokulturellen Management Mit Hinweis auf die allgemeine Schulpflicht und die Rolle des Bildungswesens zeigt sich das Schulministerium als der mächtigste Akteur, der im Sinne des TopDown-Managements das Verhalten anderer gegenüber den Fremdsprachen zu beeinflussen vermag. Das aktuelle Rahmenbildungsprogramm für Grundschulwesen (RBP) wird im Einklang mit dem Schulgesetz (Nr. 561/2004 Schulgesetz) entworfen und dient als Grundlage für die Gestaltung der Schulbildungsprogramme von einzelnen Schulen.12 Zum 1. September 2013 wurde eine zweite Pflichtfremdsprache eingeführt, was die Position des Deutschen gestärkt haben

|| 12 Details zur Rolle des RBP im tschechischen Schulsystem fasst Gester (2011: 11–14) zusammen. Die seit 2013 gültige Version des RBP ist unter http://www.nuv.cz/file/433 abrufbar (letzter Zugriff am 7. August 2017).

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dürfte. Als Hindernis für eine weitere Stärkung des Deutschen sind aber die folgenden Punkte zu nennen: 1) Die erste Fremdsprache wird im RBP neutral als (die) Fremdsprache bezeichnet. Obwohl Englisch nirgends explizit als erste Pflichtfremdsprache definiert ist, wird die Wahl einer anderen ersten Fremdsprache intensiv beeinträchtigt: […] vorzugsweise sollte den Schülern Englischunterricht angeboten werden; falls der Schüler (sein gesetzlicher Vertreter) eine andere Fremdsprache als Englisch wählt, muss die Schule den gesetzlichen Vertreter des Schülers nachweislich darauf hinweisen, dass beim Übertritt des Schülers auf eine andere Grund- oder Mittelschule im Schulsystem kein Anschluss beim Unterricht in dieser Fremdsprache garantiert werden muss (Quelle: RBP 2013, Punkt 7.2, S. 120). [Übersetzung und Hervorhebung V.D.]

2)

Dem Ziel der europäischen Sprachenpolitik, neben der Muttersprache zwei Fremdsprachen zu erwerben, wurde durch die Einführung einer zweiten Pflichtfremdsprache Genüge getan. Das RBP nennt die zweite Pflichtfremdsprache weitere Fremdsprache. Ihre Wahl wird anhand von Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch, Slowakisch, Polnisch oder einer anderen Fremdsprache (Reihenfolge im RBP) exemplifiziert. Sie soll spätestens ab der 8. Klasse unterrichtet werden.13 Ist Englisch nicht als erste Fremdsprache gewählt worden, muss es als weitere Fremdsprache gewählt werden. (RBP 2013, Abs. 7.2, S. 120). 3) Die andere Empfehlung der europäischen Sprachenpolitik, den Sprachen von Nachbarländern Aufmerksamkeit zu schenken, ist ins RBP nicht systematisch projiziert. Außer den oben aufgelisteten Fremdsprachen berücksichtigt das RBP weder regionale Bedürfnisse des Fremdsprachenunterrichts noch den Status von Deutsch als Minderheitssprache.

So wirkt das soziokulturelle Management durch die Garantie der Kontinuität eindeutig zugunsten des Englischen. Die Befürworter seiner dominanten Stellung begründen die eingeschränkte Wahl der ersten Fremdsprache vor allem mit Hinweis darauf, dass Tschechien es sich nicht leisten könne, mehrere Fremdsprachen in gleicher Qualität zu unterrichten. Es fehle an Ressourcen. Deshalb müsse

|| 13 Im Kontext der tschechischen Grundschulen bedeutet dies, dass die Schüler 14 Jahre alt sind und die zweite Fremdsprache nur 2 Jahre lernen werden (in der 8. und 9. Klasse).

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eine Fremdsprache bevorzugt werden, und da man mit Englisch überall auskomme, sei eben Englisch zu präferieren.14 Da es in Tschechien keine Minderheitsschulen mit Deutsch als Unterrichtssprache gibt, bleibt den Angehörigen dieser Minderheit nur die Wahl von Deutsch als Fremdsprache übrig. Die allgemeine Einstellung des RBP zugunsten des Englischen mit dem oben zitierten Absatz 7.2 kann jedoch die Schüler und deren gesetzliche Vertreter davon abhalten, Deutsch als erste Fremdsprache zu wählen. In diesem Fall verstößt das RBP gegen einige völkerrechtliche Bestimmungen. Laut Art. 7, Abs. 2 der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen verpflichten sich nämlich die Vertragsparteien, sofern dies noch nicht geschehen ist, jede ungerechtfertigte Unterscheidung, Ausschließung, Einschränkung oder Bevorzugung zu beseitigen, die den Gebrauch einer Regionaloder Minderheitensprache betrifft und darauf ausgerichtet ist, die Erhaltung oder Entwicklung einer Regional- oder Minderheitensprache zu beeinträchtigen oder zu gefährden. [Hervorhebung V.D.]15

Außer diesen im Europarat verabschiedeten multilateralen Verträgen zeichnet sich ein Verstoß gegen den bilateralen Tschechisch-Deutschen Vertrag ab, in dem der Deutschförderung in Tschechien einige Bestimmungen gewidmet sind. So sollen sich z. B. die Vertragsparteien laut Art. 25, Abs. 2 mit Nachdruck dafür einsetzen, den Unterricht der Sprache des anderen Landes an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zu verbreiten. Sie werden auch Initiativen zur Gründung von Schulen mit Unterricht in beiden Sprachen unterstützen. Sie werden sich bemühen, an ihren Hochschulen die Möglichkeiten des Studiums der Kultur, Literatur und Sprachen des anderen Landes, das heißt der Germanistik beziehungsweise der Bohemistik und Slowakistik, auszubauen. [Hervorhebung V.D.]16

|| 14 Vgl. Interview mit Daniel Münich, Mitglied des damaligen Nationalen Ökonomischen Regierungsbeirats vom 29. Juli 2011 im Tschechischen Rundfunk. Münich war für Empfehlungen von Reformvorschlägen im Bildungssektor zuständig. Diese Argumentation im Sinne der Gelegenheitskosten bezieht er auf andere Schulfächer aber nicht (Konkurrenzverhältnis zwischen Geografie und Geschichte oder zwischen Physik und Chemie). 15 Eine ähnliche Bestimmung lässt sich im Art. 14, Abs. 1 und 2 des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten finden. 16 Offiziell heißt diese am 27.02.1992 unterzeichnete Rechtsquelle „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“.

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Das nachweisliche Informieren der Schüler durch die Schulen über die potenzielle Diskontinuität des Deutschunterrichts beim Übertritt auf eine andere Grundoder Mittelschule lässt sich kaum als Ausdruck von Maßnahmen zugunsten des Deutschen in Tschechien interpretieren. Ebenso lässt sich schlussfolgern, dass die Diskontinuität die Verbreitung des Deutschen als Minderheitssprache beeinträchtigt, weil sich die potenziellen Lerner diskriminiert fühlen können.

3 Fördermaßnahmen (Makroebene) Die zu ergreifenden Maßnahmen beruhen auf der Voraussetzung, dass die an der Lösung interessierten Akteure die negative Bewertung der aktuellen Stellung des Deutschen teilen. Doch zuungunsten des Deutschen wirkt die Tatsache, dass es nicht speziell die niedrigen Deutschkenntnisse sind, die die Unzufriedenheit auslösen, sondern die Fremdsprachenkenntnisse im Allgemeinen. Im Sprachmanagementapparat bewegen sich die folgenden Argumente und Überlegungen in der vorletzten Phase (adjustment design) des Managementprozesses. Wie diese auf der Makroebene durchdachten Maßnahmen in der letzten Phase zu implementieren und somit auf die Mikroebene herunterzubringen sind, stellt eine selbstständige Frage dar. 1) Rahmenbildungsprogramm. Die Fördermaßnahmen sollten logisch mit dem Abbau der vorliegenden Hindernisse beginnen. Da der Absatz 7.2 des RBP wahrscheinlich das größte Hindernis auf der Makroebene mit weit reichenden Konsequenzen für das ganze Schulwesen repräsentiert, zeigt sich – auch mit Hinweis auf den anzustrebenden Einklang des RBP mit völkerrechtlichen Verpflichtungen – seine Reform als wünschenswert. In dieser Hinsicht sind zwei Versuche im Regierungsbeirat zum Schutz nationaler Minderheiten im Oktober 2015 und Februar 2017 unternommen worden, wodurch die freie Wahl der ersten Fremdsprache erreicht werden sollte. Obwohl die Infrastruktur des Deutschunterrichts unter dem bisherigen RBP zum Teil abgebaut wurde, könnte das Schulministerium die völlig freie Wahl des Deutschen auch als erste Fremdsprache ermöglichen. Der die deutsche Sprache diskriminierende Absatz 7.2 ist aus dem RBP zu entfernen. Dem Deutschen sollte mit Hinweis auf die ökonomisch wichtigste Nachbarsprache eine Sonderstellung zuerkannt werden.

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2)

3)

Fortsetzung bzw. Intensivierung der Kampagne Šprechtíme.17 Diese öffentliche Kampagne, die in ihrem Titel den tschechischen Germanismus für „wir sprechen Deutsch“ trägt, wurde im September 2011 vom Prager Goethe-Institut und von den Botschaften Deutschlands und Österreichs eröffnet.18 In der ersten Phase standen vor allem pragmatische Gründe zum Deutschlernen im Vordergrund. Die öffentliche Präsenz der Kampagne sollte etwa mit in allen Regionen Tschechiens durchgeführten Bühnenshows erreicht werden. Nach ungefähr zwei Jahren kam es zu einer stärkeren Fokussierung auf konkretere Lernergruppen und zur Einführung neuer Instrumente wie z. B. des Deutschlehrerpreises (Filipová 2016: 122– 123). So versuchten die Autoren der Kampagne, neben dem Informationsservice über die Möglichkeiten, Deutsch zu lernen, über Sprachwettbewerbe, Aktionstage und Austauschprogramme für Schulen auf Empfehlung der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer auf Studierende technischer Fächer abzuzielen. Trotzdem ist die Frage, wie genau die Kampagne auf das Verhalten der Tschechen gegenüber dem Deutschen bislang eingewirkt hat, nur schwer zu beantworten (Filipová 2016: 111–112). Man kann aber vermuten, dass das öffentliche Bewusstsein um die Nützlichkeit des Deutschen für Tschechen doch erhöht wurde, was der unentbehrlichen Noting-Phase im Sprachmanagement entspricht. Im Zusammenhang mit der Kampagne erschien im März 2016 eine Broschüre mit dem Titel Deutsch lohnt sich. Informationen über Deutsch in Tschechien. Ein Teil der 51-seitigen Broschüre bringt Beispiele der Karrieren von Studierenden, Sportlern, Forschern, Journalisten, Künstlern und in anderen Berufen tätigen Personen, die gerade dank ihrer Deutschkenntnisse erfolgreich waren. Maßnahmen dieser Art sollten mehr mediale Präsenz genießen, denn individuelle Geschichten sprechen viele Adressaten an. Anhand solcher Beispiele von best practices ist wünschenswerterweise die Mikroebene der Deutschbenutzer zu erreichen: verba

|| 17 Detailierte Informationen sind unter www.sprechtime.cz und www.goethe.de/ins/cz/prj/ jug/spr.deindex.htm abrufbar. Wertvolle Informationen zum Konzept der Kampagne hat Filipová (2016: 87–100) zusammengefasst. 18 Initiierend wirkte der von Matějů (2010) bearbeitete Bericht. Zu den Förderstrategien der europäischen Mehrsprachigkeit durch das Goethe-Institut, die ohne Deutsch undenkbar wäre, zu den Zielgruppen und zur Situation der Goethe-Institute in Europa am Anfang des 21. Jahrhunderts. Vgl. Ruckteschell (2007).

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movent, exempla trahunt. Zu erwägen wäre etwa eine regelmäßige Ausstrahlung zwei- bis dreiminütiger Erfolgsgeschichten in Rundfunk und Fernsehen und ihre stabile Erreichbarkeit im Internet. Die mediale Präsenz der Tatsache, dass die schwache Stellung des Deutschen in Tschechien ein Problem darstellen kann, sollte verstärkt werden. Aus den neuesten medialen Diskursanalysen geht hervor, dass es die in der tschechischen Publizistik übliche Gleichsetzung von Fremdsprache und Englisch zu vermeiden gilt (Dovalil im Druck). Als sozioökonomisch bedingt stellt sich weiter der Mangel an qualifizierten Deutschlehrern heraus (Dovalil im Druck). Obwohl sich die Situation auf diesem Gebiet dank der Regierungsinitiativen seit 2015 verbessert, bleibt der Lehrerberuf im Allgemeinen und der Fremdsprachenlehrerberuf einschließlich des Deutschen im Speziellen weiterhin als finanziell unattraktiv. Es gilt, die Belohnung der Deutschlehrer zu erhöhen. Gleichzeitig muss das Niveau des Germanistikstudiums in Tschechien aufrechterhalten bleiben, was einen verwandten sozio-ökonomischen Faktor darstellt, der die Qualifizierung der Deutschlehrer unmittelbar beeinflusst. Förderung von Schulaustauschprogrammen. Da Tschechien an Österreich und Deutschland grenzt, liegt mit Hinweis auf die geografische Nähe auf der Hand, dass eine weitere Vertiefung von Austauschprogrammen zu den relativ leicht implementierbaren Maßnahmen gehört, besonders im Falle der Grenzregionen.19 Diese Programme bringen jedoch erst dann Nutzen, wenn die tschechischen Schüler über genügende Deutschkenntnisse verfügen, die die Kommunikation zwischen tschechischen und deutschen/österreichischen Schülern eben auf Deutsch ermöglichen. Stärkere Loyalität der deutschen Muttersprachler gegenüber dem Deutschen (insbesondere in der EU). Zu den soziokulturellen Äußerungen des Verhaltens der Deutschbenutzer gegenüber dem Deutschen gehört auch die Sprachloyalität. Auch hier würden Beispiele von good practices, in denen Politiker, Manager oder Wissenschaftler aus deutschsprachigen Ländern deutsch kommunizieren, einen positiven Beitrag zum höheren Prestige des Deutschen in Tschechien leisten. Für den Kontext der EUInstitutionen ist die Durchsetzung des obligatorischen Deutsch neben

|| 19 Im Rückblick muss man bedauern, dass ausgerechnet Deutschland und Österreich möglichst lange auf der Einschränkung der Freizügigkeit für die Arbeitnehmer der 2004 zur EU beigetretenen Staaten beharrten. Für Tschechen wurde der deutsche und österreichische Arbeitsmarkt erst am 1. Mai 2011 frei (7 Jahre nach dem EU-Beitritt). Diese Politik hat die zugunsten des Deutschen orientierten Aktivitäten bestimmt nicht vereinfacht.

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Französisch als politische Aufgabe von Deutschland und Österreich zu überlegen.

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Förderung von Deutsch als Fremdsprache in Tschechien | 717

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Anne Schönhagen, Natalia Troshina, Rupprecht S. Baur

Förderung von DaF in Russland 1 Einleitung In Russland1 ist das Erlernen einer Fremdsprache im Rahmen der allgemeinen Schulbildung obligatorisch. Das Erlernen einer zweiten Fremdsprache ist nicht verpflichtend und liegt im Ermessen der Schulen. Eine erste Fremdsprache (meist Englisch) wird ab der fünften Klasse in den Allgemeinbildenden Mittelschulen, den Gymnasien und den Lyzeen (Klassen 5 –11) angeboten. Nur an einigen wenigen Grundschulen und Kindergärten wird Deutsch als früh beginnende Fremdsprache angeboten. Wir legen den Fokus in unserem Beitrag auf den Deutschunterricht in den Schulen, weil hier im russischen Bildungssystem die Grundlage für das Erlernen von Fremdsprachen (und damit auch des Deutschen) gelegt wird. Alle anderen Förderungen, wie z.B. an den Hochschulen, bauen in der Regel auf den aus der Schule mitgebrachten Kenntnissen auf.

2 Zur Situation von DaF an den Schulen in Russland Mit Bezug auf die Volkszählungen von 2010 und 2002 errechnet Aref’ev (2017: 107), dass im Jahr 2010 immerhin 2.070.000 Bewohner Russlands über Deutschkenntnisse verfügten – das waren 1,5% der Gesamtbevölkerung; 2002 seien es noch 2.895.100 Personen, d. h. 2% der Gesamtbevölkerung, gewesen. Englischkenntnisse hatten 2010 laut Aref‘ev 7.574.300 Personen, d.h. 5,5% der

|| 1 Für Informationen und Einschätzungen sind wir folgenden Personen zu Dank verpflichtet: Berkovich, Anna (Moskau); Chikov, Maksim (Nizhnij Novgorod); Grischaewa, Ljudmila (Woronesch); Jakovleva, Emma (Moskau); Kopchuk, Ljubov‘ (St.Petersburg); Koptelova, Irina (Moskau); Maltseva, Tat’jana (Moskau); Merkur’eva, Vera (Irkutsk); Panina, Tat’jana (Irkutsk); Polevschtschikova, Anna (Moskau); Rogovtseva, Anna (Moskau); Savchenko, Daria (Moskau); Suchorukov, Jevgenij (Moskau). || Anne Schönhagen, Goethe-Institut Moskau, Russland, [email protected] Natalia Troshina, Informationsinstitut für Gesellschaftswissenschaften, Moskau, Russland, [email protected] Rupprecht S. Baur, Universität Duisburg-Essen, Deutschland, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-044

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Gesamtbevölkerung, während es im Jahr 2002 mit 6.955.300 Personen 4,8% gewesen seien. In diesen globalen Aussagen spiegelt sich auf einer abstrakten Ebene die Tendenz wider, die seit den 90er Jahren in Russland zu beobachten war: Die Zahlen der Englischlernenden stiegen kontinuierlich weiter an, und die Zahlen für das Deutsche gingen ständig zurück. Diese Entwicklung spiegelte sich sowohl im schulischen als auch im universitären Bereich wider. Im Bereich der allgemeinbildenden Schulen verringerte sich die Anzahl der Schulen, in denen Deutsch als Fremdsprache (DaF) unterrichtet wird, was nicht nur der Bevorzugung des Englischen, sondern auch der Förderung der autochthonen Nationalsprachen (u.a. Tatarisch, Baschkirisch und Tschetschenisch) sowie dem Rückgang der Gesamteinwohnerzahl Russlands seit 1992 geschuldet ist: In den Schuljahren von 1997/98 bis 2015/16 sank die Zahl der Schüler*innen in Russland von 21,7 Mio. auf 14,8 Mio. (Aref’ev 2017: 115). Nach einer Statistik des Goethe-Instituts (GI) lernten im Schuljahr 2016/17 90% der Schüler (ca. 13,3 Mio. Schüler) Englisch und ca. 8% (ca. 1,5 Mio.) Deutsch; Französisch folgt mit 2,1%. Schüler mit anderen Sprachen als 1. FS + 2. FS = 0,00%.

8%

2% Schüler mit Englisch als 1. FS + 2. FS Schüler mit Deutsch als 1. FS + 2. FS 90% Schüler mit Französisch als 1. FS + 2. FS

Abb. 1: Schülerzahlen von Fremdsprachen an Schulen in Russland 2016/17. (Quelle: Russisches Bildungsministerium)

Bereits 2010 machte Aref’ev darauf aufmerksam, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Schülern (2010 waren es 30.000 Schüler) Deutsch fakultativ lernte, was auf ein nicht ausgeschöpftes Potential für DaF an Schulen in Russland schließen ließ (Troshina 2010: 1778). Der Anstieg und die Stabilisierung von DaF als zweite Fremdsprache seit 2014 bestätigt diese Einschätzung. Marktstudien des GI aus dem Jahr 2016/2017 zeigen, dass Deutsch in Russland zumeist aus sogenannten instrumentellen Beweggründen gelernt wird: Die Kompetenz, die deutsche Sprache zu beherrschen, soll die beruflichen Chancen verbessern. Mehr als die Hälfte aller Lernenden erhofft sich einen Studienaufenthalt oder Berufsaufenthalt in Deutschland.

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Am 17. Mai 2018 hat nun das föderale Bildungsministerium informiert, dass mit den neuen Bildungsstandards die zweite Fremdsprache zu den Pflichtfächern gehört. Zusätzlich teilte das Ministerium mit, dass laut der Strategie für innovative Entwicklung der Russischen Föderation im Bildungsbereich bis 2020 der Auftrag erteilt wurde, die Schlüsselkompetenzen der Bürger, einschließlich Sprachkompetenzen, aufzubauen. (https://www.garant.ru/products/ipo/prime/doc/71895074/) Trotzdem gibt es weiterhin strukturelle Besonderheiten im russischen Schulsystem, die einen weiteren Ausbau von DaF erschweren. Wie eingangs bereits gesagt wurde, wird gemäß der russischen Schulgesetzgebung das Erlernen einer zweiten Fremdsprache nur empfohlen, ist aber nicht obligatorisch; dabei kann die Schulleitung die zweite Fremdsprache bestimmen (vgl. Ammon 2015: 1014). Das beeinflusst das DaF-Angebot an den Schulen wesentlich, wie eine Mitteilung von J. Suchorukov, Deutschlehrer in der Moskauer Schule Nr. 2098, bestätigt: Früher wurden die Klassen in zwei Gruppen aufgeteilt: die eine lernte Deutsch, die andere Englisch. Jetzt ist das abgeschafft, alle lernen Englisch, Deutsch wird in manchen Schulen in den Klassen 5 bis 9 unterrichtet, in manchen in den Klassen 5 bis 8, in manchen überhaupt nicht. Deutsch ist Wahlsprache und wird außerplanmäßig unterrichtet. In den Klassen 10 bis 11 gibt es überhaupt keinen Deutschunterricht, so dass die Kinder die schon erworbenen Kenntnisse verlieren. Die Kinder sehen die Geringschätzung der Schulverwaltung dem Deutschen gegenüber und betrachten die deutsche Sprache mit der Zeit auch als etwas Überflüssiges. (Suchorukov, E-Mail 11.02.2018)

Im Vergleich zum Schuljahr 2004/2005 gab es im Jahr 2017 auch erheblich weniger Schulen mit erweitertem Deutschunterricht (die Deutsch als erste Fremdsprache anbieten), wobei die Schulreform von 2013/2014 eine ausgesprochen negative Rolle gespielt hat: Je zwei bis drei Schulen wurden zusammengelegt und häufig wurden diese noch zusätzlich für Deutschunterricht in Kindergärten verpflichtet. Diese strukturellen Entwicklungen reduzieren das Deutschangebot in den höheren Schulklassen, was sich auch auf die Wahl des Deutschen an den Hochschulen negativ auswirkt.2 Allerdings steigen seit drei Jahren die Zahlen der Schüler*innen, die Deutsch als 2. Fremdsprache lernen, wieder an: 2013/2014 + 4,2%, 2014/2015 + 1,2% und 2015/2016 + 9,5%. Diese Zahlen bestätigen das fortdauernde Interesse am Erlernen der deutschen Sprache und zeigen die Attraktivität Deutschlands als Stu-

|| 2 Auch die offizielle Schulstatistik (Obrazovanie v Rossii 2017: 105) bestätigt den Rückgang des Deutschen in den höheren Klassen.

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dien- bzw. Berufs-Wunschort. Denn trotz der politischen Krise zwischen Deutschland und Russland bestehen weiterhin intensive wirtschaftliche Beziehungen zwischen beiden Ländern. Tab. 1: Zuwachs von DaF-Schülern an staatlichen und privaten Schulen in Russland 2016/17. (Quelle: Goethe-Institut Moskau)

Entwicklung DaF an staatlichen und privaten Schulen Entwicklung 2016/2017 Zuwachs Gesamtschülerzahl Zuwachs Schüler mit Deutsch an staatlichen Schulen

4,20% 1,75%

Zuwachs Schüler mit Deutsch an privaten Schulen

10,45%

Zuwachs Schüler mit Deutsch an Gymnasien

14,75%

Zuwachs Schüler mit Deutsch an Lyzeen

23,28%

Rückgang Deutschlehrer

–7,05%

In der untersten Zeile von Tabelle 1 ist zu erkennen, dass eine kontinuierliche Streichung von Stellen für Deutschlehrer*innen erfolgt, was vor dem Hintergrund der wieder ansteigenden Zahl der Deutschlernenden an allen wichtigen Bildungseinrichtungen, besonders besorgniserregend erscheint. Aktuell gibt es in der Russischen Föderation rund 13.000 Deutschlehrende. Der jährliche Rückgang liegt bei ca. 6%. Abbildung 2 zeigt den Abbau der Stellen für Deutschlehrende (DL) von 2014 bis 2017. Nach Inkrafttreten des neuen russischen Bildungsgesetzes 2013 und der Umsetzung der Hochschulreform verschärfte sich die Lage bezüglich Ausbildung von Deutschlehrer*innen: Im Hochschulbereich wurden geisteswissenschaftliche Fakultäten zusammengelegt oder gar geschlossen. Dies hat zu der hohen Rückgangquote bei den Deutschlehrer*innen maßgeblich beigetragen.

Förderung von DaF in Russland | 723

15350

2013/2014

14469

2014/2015

13754

2015/2016

12785

2016/2017

Abb. 2: Gesamtzahl der Deutschlehrenden an staatlichen und privaten Schulen in Russland in den Jahren 2014 – 2017. (Quelle: Russisches Bildungsministerium)

3 Das Sprachförderungsprogramm des GoetheInstituts (GI) für Russland 3.1 Herausforderungen und strategische Maßnahmen des GI bezüglich Förderung der deutschen Sprache in Russland Trotz der oben genannten bedenklichen Entwicklungen lassen sich bei genauerer Analyse in den aktuellen statistischen Daten durchaus positive Tendenzen für das Deutschlernen in Russland erkennen: 1) Werden Anlässe und Ziele Deutsch zu lernen durch gezielte Förderprogramme initiiert, steigt die Zahl der Deutschlernenden wieder. Ein Beispiel hierfür ist die Initiative „Partnerschulinitiative in Russland“ (vgl. Hoffmann, Hunold & Hoischen im vorliegenden Band). 2) Wenn Deutsch als zweite, dritte oder extracurriculare Fremdsprache angeboten wird, bleibt die Zahl der Lernenden hoch. 3) Entwickeln sich neue Bedarfe durch konstant hohe oder ansteigende Lernendenzahlen, werden mehr Lehrkräfte an Hochschulen ausgebildet und germanistische Fachbereiche können weiter existieren.

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Vor diesem Hintergrund galt und gilt es für das GI, diese Erkenntnisse in Strategien umzusetzen, um auf Dauer und über große Distanzen hinweg die Zahl der Deutschlernenden und Deutschlehrenden zu stabilisieren oder besser noch anheben zu können. Zur Operationalisierung wurden vier Handlungsebenen definiert: − Die Entwicklung (ausbildungs)relevanter Angebote für die gesamte Bildungskette. − Die systematische Förderung der Lehrerfort- und Ausbildung in Kooperationen mit Bildungsbehörden. − Die Zusammenarbeit mit den Bildungsstrukturen und Bildungseinrichtungen in der Förderung von Deutsch als zweiter Fremdsprache. − Die Weiterentwicklung des operativen Netzwerks von Partnern und Partnerinstitutionen. Das GI in Russland fördert die deutsche Sprache in den oben beschrieben Handlungsfeldern mit differenzierten Ansätzen und Formaten. Auf allen Strategieebenen entwickelte das GI – zumeist mit russischen Partnern – passgenaue neue Konzepte, um den unterschiedlichen und spezifischen Interessen Rechnung zu tragen. Grundsatz war und ist dabei ein integrierter Ansatz, der alle Handlungsebenen einschließt und alle Projekte und Maßnahmen in eine einheitliche Gesamtstrategie integriert. Um die größtmögliche Reichweite bei der Umsetzung zu erzielen, werden weitestgehend alle Maßnahmen in innovativen digitalen Formaten angeboten.

3.2 Aktuelle Situation und Zukunftsperspektiven Von großer Bedeutung für den gesamten Bildungssektor ist die Einführung der neuen föderalen Bildungsstandards. Dazu gehört auch die russlandweite gesetzliche Verankerung einer 2. Pflichtfremdsprache in den Klassenstufen 5 bis 9. In einer Übergangsphase von fünf Jahren sollen bestehende infrastrukturelle und personelle Defizite im Bereich des Fremdsprachenunterrichts – insbesondere in der russischen Provinz – bereinigt werden. Ab 2022 muss nun jeder russische Schulabgänger eine einheitliche Staatsprüfung in einer Fremdsprache ablegen. Diese Initiative verspricht eine deutliche Stärkung von DaF in Russland. Doch bei aller Freude über die Einführung der zweiten Pflichtfremdsprache ist es kein „Selbstläufer“, dass jetzt die Wege für Deutsch an den Schulen geebnet sind. Das GI muss weiterhin alle Anstrengungen darauf richten, die Angebote von DaF an russischen Schulen präsent und öffentlichkeitswirksam zu positionieren.

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Das GI hat deshalb spezifische Strategien für die Aus- und Fortbildung von Deutschlehrkräften und zur Motivierung zum Deutschlernen entwickelt. Aus- und Fortbildung der Deutschlehrkräfte − Ein wichtiger Baustein der GI-DaF-Strategie, die dem Deutschlehrerrückgang entgegenwirken soll, ist die Aus- und Weiterbildung von Deutschlehrer*innen. Dabei werden die russischen pädagogischen Hochschulen und Lehrerfortbildungsinstitutionen intensiv unterstützt, innovative Aus- und Fortbildungsangebote (vgl. unten: DLL) ausgebaut und an Schulen und Hochschulen gezielt für DaF geworben. Von besonderer Bedeutung sind deshalb Kooperationsverträge, die seit 2015 mit regionalen Bildungsministerien geschlossen werden, um gemeinsame Weiterbildungsangebote mit russischen Universitäten und pädagogischen Hochschulen systematisch zu erweitern. Im Rahmen des Lehrerfortbildungsprogramms „Deutsch lehren lernen“ (DLL), wurden im Jahr 2016 bereits über 1.300 und im Jahr 2017 knapp 2.200 Lehrkräfte fortgebildet. − Eine weitere Initiative rekrutiert Deutschlehrer*innen unter der Devise „Eingeschlafene Deutschlehrer wecken“. Seit dem Ausbau von Englisch als erste Fremdsprache arbeiten viele ursprünglich Deutschlehrende als Englischlehrerinnen und -lehrer. Sie werden mit gezielten Fortbildungsmaßnahmen „reaktiviert“, um ihnen den Wiedereinstieg in den Deutschunterricht zu erleichtern. Motivierung zum Deutschlernen − Nach einer Marktanalyse im Auftrag des GI wollen mehr als die Hälfte aller Deutschlernenden in Deutschland studieren oder erhoffen sich dadurch bessere Chancen für ihre Berufskarriere in Russland. Ein Ansatz des GI ist, Bildungskontexte, in denen Deutsch gebraucht wird, zu schaffen bzw. sichtbar zu machen. Das bedeutet, dass ein besonderer Akzent auf den „Karrierebaustein Deutsch“ gelegt wird. Ein wichtiges Instrument bei diesem Ansatz ist das seit 2014 angebotene Bildungsprogramm „Studienbrücke Deutschland“. − Ein besonderer Aspekt der Motivationsstrategie widmet sich der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Kinder für die deutsche Sprache zu begeistern ist einfach: Kinder lernen anders als Erwachsene. Ist die Neugierde einmal geweckt und das Lernen mit Spaß verbunden, bleiben Kinder dabei. Deshalb ist das frühe Deutschlernen bereits seit 2011 einer der Schwerpunkte der Spracharbeit des GI.

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Die Begeisterung für Deutsch entsteht bei Projekten, die ein experimentierendes Lernen mit allen Sinnen ermöglichen und nach dem Prinzip „Learning by doing“ funktionieren. Mit der Unterrichtsmethode CLIL (Content and Language Integrated Learning) wird das Lernen von Sachinhalten aus verschiedenen Fachgebieten durch eine Fremdsprache ermöglicht. Gegenstand des Unterrichts ist also nicht die deutsche Sprache, sondern Deutsch wird als Medium eingesetzt.

3.3 Erfolgreiche Großprojekte des GI Die Statistiken zeigen, dass die Angebote und Initiativen des GI in Russland von elementarer Bedeutung für die Zukunft sowohl des Fachs DaF als auch für die Ausbildung der Deutschlehrenden in Russland ist. Denn ausgewählte Bildungsprojekte des GI der vergangenen Jahre belegen, dass sie nachweisbare positive Effekte auf die Lernendenzahlen erzielen konnten, die es zu verstetigen gilt.

Projekte zur Förderung der Struktur „Deutsch: Die 1. Zweite“ Die Bildungskampagne „Deutsch: die 1. Zweite“ verfolgt das Ziel, die Zahl der Schulen mit Deutschunterricht, die Zahl der Deutschlehrenden und -lernenden kontinuierlich zu steigern. Die Kampagne soll dazu beitragen, dass der Deutschunterricht in russischen Regionen zeitgemäß gestaltet und als attraktiv wahrgenommen wird. Für die Pilotierung des Projektes vereinbarte 2016 das GI mit elf regionalen Bildungsministerien, eine komplexe und vielschichtige Zusammenarbeit, um Schulen bei der Einführung von Deutsch als zweite Fremdsprache informatorisch, organisatorisch und methodisch zu unterstützen. Gemeinsam wurden Kontaktstellen gegründet, die Schulen bei der Einführung von Deutsch als zweite Fremdsprache durch folgende Instrumente unterstützen: methodische Begleitung, Beratung, Bereitstellung von Materialpaketen, Angebote für Schulleitungen, Lernende, Eltern und Deutschlehrende. Als weitere Hilfestellung entwickelte das Goethe-Institut umfassende Materialien wie beispielsweise Unterrichtsskizzen, Curricula, Arbeitsblätter, Online-Angebote etc., die den Deutschunterricht vereinfachen und praxisnah gestalten. Das umfangreiche Projekt konnte schnell sichtbare Erfolge erzielen: Allein im Jahr 2016 hatten sich 320 Schulen neu für die deutsche Sprache als Fremdsprache entschieden, mehr als

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10.000 Schülerinnen und Schüler und Eltern wurden erreicht und 398 Deutschlehrende qualifizierten sich in Kooperation mit führenden russischen Hochschulen weiter. Nur ein Jahr später, 2017, wurde „Deutsch: die 1. Zweite“ in 38 weiteren russischen Regionen mit überragendem Erfolg etabliert: 869 Schulen entschieden sich aufgrund des Projekts, Deutsch als zweite Fremdsprache neu einzuführen. Für 2018 ist geplant, das Programm auf weitere Regionen auszudehnen, so dass insgesamt über 2.000 Schulen nun Deutsch als zweite Fremdsprache einführen werden. Um die Unterstützung dieser wachsenden Zahl von Deutschlernenden als auch Deutschlehrenden sicher zu stellen, hat das GI ein virtuelles Ressourcenzentrum auf Moodle eingerichtet, das den Projektteilnehmern vielfältigen Support anbietet. Zusätzlich wurden für die fachliche Betreuung der Deutschlehrenden noch Experten ausgebildet, die die Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen übernehmen. Die neuen Zahlen des Bildungsministeriums für das Schuljahr 2017/2018 zeigen den Erfolg dieser Bemühungen auch in Zahlen: in der gesamten Russischen Föderation sind inzwischen 4,7 Prozent mehr Deutschlerner an Schulen zu verzeichnen.

Projekte zur Förderung der Motivation Deutsche Digitale Kinderuniversität Die Digitale Kinderuniversität ist ein informeller digitaler Ausbildungsort für Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren. Die virtuelle Universität ermöglicht den „kleinen Wissenschaftlern“, Antworten auf Fragen rund um den Alltag, wie beispielsweise Naturerscheinungen, Technik und vieles mehr selbstständig zu erforschen und dabei gleichzeitig ihre ersten Wörter auf Deutsch zu erlernen. Ziel des Projekts ist es, mit spannenden Bildungsinhalten die Neugierde von Kindern an der Welt des Wissens zu wecken sowie ihr Erlernen der deutschen Sprache zu begleiten. Diese spielerische Online-Lernumgebung kopiert die Grundstruktur einer Universität: Die angebotenen Fakultäten „Mensch“, „Natur“ und „Technik“ und die sorgfältig ausgewählten Videosequenzen entsprechen der Erfahrungswelt von Kindern. Wissensdurstige können so in kurzen kindgerechten „Vorlesungen“ wissenschaftliche Themenbereiche kennenlernen. Ein Highlight der Vorlesungsreihe sind die aufbereiteten Sachgeschichten der „Sendung mit der Maus“ vom Westdeutschen Rundfunk. Die Online-Plattform der Digitalen Kinderuniversität (kinderuni.goethe.de) beinhaltet Vorlesungen, verschiedene Aktivitäten, sprachliche Aufgaben und

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Übungen zur Wissensvermittlung. Didaktik-Anleitungen für den Deutschunterricht sowie für den extracurricularen Unterricht ergänzen das Programm, so dass es auch als attraktives Angebot an den Schulen Verwendung findet. Inzwischen sind die Plattform (kinderuni.goethe.de) und die Sachgeschichten/Vorlesungen mit hunderttausenden Besuchern bereits das meist besuchte Web-Angebot des GI in Russland. Studienbrücke Die Studienbrücke nimmt den Wunsch vieler russischer Schüler*innen in Deutschland zu studieren als wichtiges Motiv zum Deutschlernen ernst. Das Projekt hat sich bereits als wirksames Modell für integrative sprachliche, fachliche und interkulturelle Vorbereitung auf das Studium in Deutschland erwiesen. Die Studienbrücke wurde gemeinsam mit der Ruhr-Universität Bochum entwickelt, die mit der Universitätsallianz (UA) Ruhr insgesamt 150 Studienplätze pro Jahr für „Studienbrückler“ zur Verfügung stellt. 2017 sind zusätzlich die Universität zu Köln mit zehn Studienplätzen im Fach „Physik“ und die Hochschule BonnRhein-Sieg mit zehn Studienplätzen im Fach „Chemie und Materialwissenschaft“ und die Europa-Universität Viadrina mit 50 Plätzen vertreten. Allein im Jahr 2016 haben die ersten 41 „Studienbrückler“, die das Programm absolviert haben, ein MINT-Studium (das sind die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) an der UA Ruhr aufgenommen. Im Jahr 2017 konnten sich bereits 53 „Studienbrückler“ an den Partneruniversitäten einschreiben. Die hohen Bewerberzahlen, 428 Bewerbungen für 2016, 409 Bewerbungen für 2017 belegen das konstant hohe Interesse. Das Projekt „Studienbrücke“ zeigt zunehmend Wirkung auch auf jüngere Generationen: So begründen beispielsweise Schüler*innen der Klassenstufen 7 und 8 ihre wachsende Motivation für das Erlernen der deutschen Sprache mit dem Wunsch, an der Studienbrücke teilzunehmen. Umwelt macht Schule Seit 2014 haben russlandweit fast 500 Schulen mit über 900 Lehrenden und über 2.500 Lernenden am Wettbewerb „Umwelt macht Schule“ teilgenommen. Darüber hinaus organisiert das GI regelmäßig Online-Seminare zum Themenbereich „Umwelt – Bildung für nachhaltige Entwicklung“ mit dem Ziel, die Deutsch- und Fachlehrkräfte für diese Thematik zu sensibilisieren. Seit Projektbeginn wurden mit diesen Veranstaltungen über 400 Lehrkräfte russlandweit erreicht. Darüber hinaus betreut das GI zwei aus dem Projekt resultierende ökologische Communities in den Sozialen Netzwerken, die über 1.600 Mitglieder

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zählen. Mit dem Wettbewerb und den begleitenden Fortbildungsmaßnahmen unterstützt das GI die russischen Lehrkräfte auch bei der Realisierung der neuen Bildungsstandards. DLL-Hochschulkooperationen Das Projekt Deutsch Lehren Lernen (DLL) rückt den Unterricht in den Mittelpunkt. Die Fort- und Weiterbildungsreihe des GI wurde speziell für Lehrer*innen von Deutsch als Fremdsprache entwickelt. Das beinhaltet unterschiedliche Komponenten: − Das Online DLL-Netzwerkmodul „Fremdsprachenunterricht in einer multikulturellen Gesellschaft: innovative Ansätze und Technologien“ (DLL 2,4,5,6) ist Bestandteil von DaF-Masterstudiengängen. Dabei handelt es sich um ein Kooperationsprojekt des GI Moskau mit der Kasaner Föderalen Universität, der Staatlichen Universität Nowosibirsk, der Föderalen Universität Archangelsk und der Staatlichen pädagogischen Universität Omsk. Teilnehmerzahlen: 21 Masterstudierende an der Kasaner Föderalen Universität (in zwei laufenden Jahrgängen) + 11 Masterstudierende an der Universität Archangelsk (in einem Jahrgang). − Das Weiterbildungsprogramm „Innovativer Deutschunterricht“ im BL-Format auf der Basis von DLL 1,2,4,5,6 (590 UE) in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Pädagogischen Universität Omsk. Teilnehmerzahl: Insgesamt 28 Studierende in zwei laufenden Jahrgängen (2016 bis 2018); − DLL-basierte Module in den DaF-Bachelorstudiengängen im Präsenzformat an sechs Universitäten (Tjumen, Saratow, Izhewsk, Wolgograd, Omsk, Abakan). Teilnehmerzahl: 15 bis 20 Studierende pro Jahr an jeder beteiligten Universität. − DLL als Bestandteil der DaF-Ausbildung an insgesamt acht russischen Universitäten. Für 2017 sind weitere Kooperationsvereinbarungen geplant.

Schlussbemerkung zu den Projekten des GI Da Bildung in Russland eine zentrale Rolle spielt und ein Studium in Deutschland allen politischen Entwicklungen und Bedenken zum Trotz als sehr wertvoll angesehen wird, ist ein möglicher Zuwachs insbesondere im Bereich der Kinderund Jugendkurse zu erwarten. Das Projekt Studienbrücke ist hier als Zugpferd zu werten. Darüber hinaus sollten Kinderkurse, Sprach-Sommercamps, Projekte zur Bildung für nachhaltige Entwicklung, die digitale Kinderuni und weitere Initiativen entwickelt, ausgebaut und flächendeckend angeboten werden.

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4 Aktivitäten der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) Die Fachberater*innen und an russische Schulen entsandten Lehrkräfte der ZfA betreuen auf Einladung des Bildungsministeriums des jeweiligen Gastlandes Schulen mit erweitertem Deutschprogramm, die in der Regel zum Deutschen Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz (DSD) führen, das zum Studium an einer deutschen Hochschule berechtigt. Die Fachberater*innen und Lehrkräfte der ZfA beraten die Schulen bei der Implementierung des DSD-Programms, leiten die Prüfung zum DSD und bilden die russischen Deutschlehrkräfte fachlich und methodisch-didaktisch fort. Dabei arbeiten die Lehrkräfte der ZfA eng mit dem GI zusammen. Schüler an 84 staatlichen und privaten Schulen in der Russischen Föderation haben die Möglichkeit zum Erwerb des DSD. In Russland ist das DSD der einzige an Schulen erworbene Sprachnachweis Deutsch, der von Hochschulen in Deutschland anerkannt wird. Das Netz von russischen Schulen, an denen das DSD erworben kann, wird von der ZfA für ganz Russland überregional von drei Koordinationsstellen (Fachberatung) betreut, die in Moskau, St. Petersburg und Novosibirsk angesiedelt sind. Die Förderung der betreuten Schulen durch die Fachberatung umfasst ebenso die Lehr- und Lernmittelspenden sowie die Vergabe von Stipendien für Deutschlehrkräfte und Schüler*innen des DSD-Programms. Die Fachberater*innen koordinieren den Einsatz der aus Deutschland vermittelten Programmlehrkräfte an den DSD-Schulen. Mit zahlreichen überregionalen Projekten unterstützt die Fachberatung außerdem die Vernetzung und Kooperation der DSD-Schulen. (Vgl. http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_ZfA/Auslandsschularbeit/node.html) Obwohl die Arbeit der deutschen ZfA-Lehrkräfte und der Fachberater*innen von den russischen Schulen und Kolleg*innen sehr geschätzt wird, beklagen sich viele Schulen mit Deutschunterricht, die nicht in konkrete Projekte eingebunden sind, dass sie zu wenig Unterstützung erhalten. Auch wenn die Förderung, die Russland erhält, aus deutscher Sicht im Vergleich zu anderen Ländern sehr kostenintensiv erscheint, sind die Bedingungen in dem riesigen Russland mit anderen Ländern kaum vergleichbar. Das wollen wir an dem Beispiel der Fachberatung Novosibirsk veranschaulichen. Der Fachberater/Koordinator und Leiter des ZfA-Büros in Nowosibirsk betreut 13 DSD-Schulen in West- und Ostsibirien. Die Standorte sind Nowosibirsk, Kemerowo, Tomsk, Omsk, Krasnojarsk, Irkutsk und Ulan-Ude (Baikal-Gebiet) so-

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wie Jakutsk am Polarkreis. Sechs Lehrer*innen aus Deutschland arbeiten augenblicklich (2017/2018) in Sibirien. Das Betreuungsgebiet umfasst eine Größe von ungefähr acht Millionen Quadratkilometer und erfordert ununterbrochen eine intensive Reisetätigkeit, besonders während der Prüfungszeiten im Dezember/Januar und März/April. Die Entfernung von Novosibirsk (das bereits ca. 2.800 km Luftlinie von Moskau entfernt ist) nach Jakutsk beträgt 2.800 km mit dem Flugzeug und ca. 5.000 km mit dem Auto. Mehr als hundert Schulen mit Deutschunterricht in Sibirien haben kaum Kontakt zu den Mittlerorganisationen. Darüber hinaus unterstützt die Koordinierungsstelle gemeinsam mit russischen Partnern pädagogische Projekte für die russlanddeutschen Minderheiten beispielsweise im Altai-Gebiet (500 km südlich von Nowosibirsk) oder in der Nähe von Omsk (600 km westlich von Nowosibirsk). Solche Projekte sollen dem Erhalt und der Stärkung der deutschen Sprache und Kultur in den letzten russlanddeutschen Gemeinden der Region dienen. (http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_ZfA/Auslandsschularbeit/Fachberatung/FBK/Nowosibirsk/node.html)

5 Deutsch an Hochschulen 5.1 Allgemeine Entwicklungen an den russischen Hochschulen Die Ausbildung von Lehrer*innen, die DaF als erste und zweite Sprache unterrichten, erfolgt in erster Linie an den pädagogischen Hochschulen; aber auch Absolventen der Germanistik an Universitäten können als Deutschlehrer*innen arbeiten. Deutschunterricht wird darüber hinaus auch an Hochschulen unterrichtet, die auf einzelne Fachgebiete spezialisiert sind (z.B. Medizin, Wirtschaft, Technik u.a.m.). Lehrstühle (Institute) für DaF werden in den letzten Jahren zunehmend in „Institute für Fremdsprachen“ integriert. Das ist sogar an der Lomonosov-Universität Moskau geschehen, wo der renommierte Lehrstuhl für Deutsche Sprache, der seit 1957 bestand, mit dem Lehrstuhl für germanische Sprachen und Kulturen zusammengelegt wurde. Lehrstühle und Institute für Englisch behalten dagegen ihre Selbstständigkeit (Prof. Vera Merkur’jeva, E-Mail 13.02. 2018). Bei entsprechender Nachfrage wird Deutschunterricht an den Hochschulen immer öfter gegen Bezahlung angeboten, so z.B. an der Staatlichen Technischen Universität Baumann Moskau. (Prof. Emma Jakovleva, Interview 15.03. 2018).

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Probleme im Bereich Germanistik bestehen im fehlenden Angebot von verschiedenen obligatorischen Teilfächern und in der Vernachlässigung der Ausbildung von Dolmetschern und Übersetzern. Ein Großteil der Germanisten und Übersetzer studiert Deutsch nur noch als zweites Fach (Prof. Lubov’ B. Kopchuk, E-Mail 17.03.18). Dadurch ist eine paradoxe Situation entstanden: Laut einer Untersuchung von Solov’jov & Minakova (2012: 20) wächst in der Wirtschaft der Bedarf für deutsch-russische und russisch-deutsche Übersetzungen, so dass der Bedarf auf dem deutschsprachigen Translationsmarkt sogar größer ist als auf dem englischsprachigen; trotzdem wird ausgerechnet Deutsch als erstes Fach (und erste Sprache) aus den Lehrplänen der Universitäten gestrichen. Deutschlehrer*innen, die Englisch lediglich als zweite Fremdsprache studiert haben, werden überwiegend als Englischlehrer*innen eingesetzt. Interessant ist auch, in welchen anderen philologischen Fächern an der Lomonosov-Universität Moskau (das sind: Russische Sprache und Literatur; Moderne westeuropäische Sprachen und Literaturen; Klassische Philologie; Byzantinistik und neugriechische Philologie; Slawistik; Allgemeine und angewandte Linguistik; Philologische Begleitung von Public Relations; Philologische Begleitung von Massenmedien) Deutsch als zweites Fach (zweite Fremdsprache) gewählt wird: Hier stehen die neuen Fächer „Philologische Begleitung von Public Relations“ und „Philologische Begleitung von Massenmedien“ (je 25-29 Personen pro Semester) an der Spitze. Die MGU-Dozentin A. Polevschtschikova erklärt diese Wahl damit, dass Deutsch als Kommunikationsmittel im interkulturellen und internationalen öffentlichen Bereich immer noch gefragt ist. (Polevschtschikova, E-Mail 24.04.2018) Zweitplatziert sind die Studierenden aus der Fachrichtung „Moderne westeuropäische Sprachen und Literaturen“ (18 Personen pro Semester). Überhaupt kein Interesse am Deutschen als zweite Fremdsprache zeigen Studenten aus der Fachrichtung „Allgemeine und angewandte Linguistik“, denn dieses Fach arbeitet mit Datenbanken, die in der Regel Englisch verwenden.

5.2 Unterstützung durch den Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) Lektorenprogramm und Germanistische Institutspartnerschaften Unterstützt wird die Arbeit in den Fächern DaF und Germanistik an den Hochschulen seit den 1993er Jahren (Eröffnung der DAAD-Außenstelle in Moskau) durch den DAAD.

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Der DAAD unterhält neben der Außenstelle Moskau drei Informationszentren (IC) in Kazan, Novosibirsk und St. Petersburg. 2017 waren an russischen Universitäten zwei DAAD-Langzeitdozenten, 30 DAAD-Lektoren und vier DAADSprachassistenten tätig. (https://www.daad.ru/de/ueber-uns/ und https://www.daad.ru/de/studieren-forschen-in-deutschland/deutsch-lernen/deutsch-lernen-in-russland/; https://www.daad.de/medien/hochschulen/ww/hspartnerschaften/gip_2018_web.pdf). Für die Arbeit des DAAD an den Hochschulen gilt Ähnliches wie für die ZfA: Für die Größe des Landes und für die vielen Hochschulen, an denen Germanistik, Deutsch als Lehramtsstudium und DaF an Sprachenzentren angeboten wird, ist die Zahl der Lektoren und Sprachassistenten gering und viele Lehrende werden deshalb auch an zwei Hochschulen gleichzeitig eingesetzt – manchmal sogar in verschiedenen Städten. Positiv hervorgehoben wird von russischen Studierenden und Lehrenden, die wir befragt haben, die Übersichtlichkeit und Klarheit der Informationen auf der russischen (und deutschen) Homepage des DAAD: Viele können sich deshalb ohne direkten Kontakt zu deutschen Vertreter*innen um Stipendien bewerben. Beklagt wird von den russischen Studierenden und Lehrenden immer wieder, dass Stipendien für Bachelor-Studierende nicht mehr vergeben werden. Diese hätten früher eine große Motivation für die Fortsetzung eines Master-Studiums geschaffen. Durch die Einstellung dieser Förderlinie sei die deutsche auswärtige Kulturpolitik mitschuldig am Rückgang der Germanistik in Russland. Deutschsprachige Studiengänge Nach der Auflösung der Sowjetunion und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten legte der DAAD 1993 das Programm Deutschsprachige Studiengänge (DSG) auf, um die wissenschaftliche Zusammenarbeit in der Region des vormaligen „Ostblocks“ zu beleben. Das Programm hat zum Ziel, in Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Hochschulen deutschsprachige Fachleute in verschiedenen Disziplinen (außerhalb der Germanistik, für die eigene Förderungsmaßnahmen bestehen) auszubilden (https://www.daad.de/medien/derdaad/medien-publikationen/publikationen-pdfs/zwanzigjahredtschsprachigestudgaenge_osteuropa.pdf). Wir vergleichen im Folgenden, welche DSG 2010 und 2017 in Russland gefördert wurden:

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DSG Förderung 2010 1) Politikwissenschaften/Deutschlandstudien an dem Moskauer Staatlichen Institut für internationale Beziehungen (MGIMO) in Zusammenarbeit mit der FU Berlin 2) Umweltmonitoring/-management an der Staatlichen Universität Barnaul in Zusammenarbeit mit der Universität Halle-Wittenberg 3) Rechtswissenschaften an der Lomonossow-Universität Moskau in Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg 4) Rechtswissenschaften an der Universität Kaliningrad in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen 5) Rechtswissenschaften an der Universität Krasnojarsk in Zusammenarbeit mit der Universität Passau 6) Wirtschaftswissenschaften an der Staatsuniversität für Management (SUM) in Moskau in Zusammenarbeit mit der Universität Passau 7) Agrarwissenschaften an der Nationalen Agraruniversität Novosibirsk in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität Berlin 8) Bauingenieurwesen an der Universität für Architektur und Bauwesen Wolgograd in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Köln DSG Förderung 2017 1) Am Moskauer Staatlichen Institut für internationale Beziehungen (MGIMO) Politikwissenschaften/Deutschlandstudien in Zusammenarbeit mit der FU Berlin 2) An der Staatlichen Universität Barnaul Umweltmonitoring/-management in Zusammenarbeit mit der Universität Halle-Wittenberg 3) An der Lomonossow-Universität Moskau Rechtswissenschaften in Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg 4) An der Staatlichen Universität Krasnojarsk Rechtswissenschaften in Zusammenarbeit mit der Universität Passau 5) An der Staatlichen Universität St. Petersburg das Doppelmasterprogramm European Legal Studies and International Economic Law in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg 6) An der ETU St. Petersburg Ingenieurwissenschaften in Zusammenarbeit mit der TU Ilmenau 7) Am Moskauer Energetischen Institut Ingenieurwissenschaften in Zusammenarbeit mit der TU Ilmenau Wie aus der Gegenüberstellung zu ersehen ist, werden die Studiengänge 1 bis 3 über den gesamten Zeitraum gefördert. Wie russische Kolleg*innen berichten,

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werden viele deutschsprachigen Programme an russischen Hochschulen eingestellt, wenn die finanzielle Unterstützung des DAAD fortfällt. Eine Nachhaltigkeit wird für die DSG-Förderung von den russischen Kolleg*innen nur angenommen, wenn die Förderung sehr langfristig angelegt wird. Wie Baur, Mamporija & Schymiczek schon (2011a: 170) festgestellt haben, kann eine deutschsprachige Ausbildung auf einem hohen Niveau nur einsetzen, wenn die Studierenden bereits über gute Deutschkenntnisse verfügen. Das ist in den meisten DSGStudiengängen nicht der Fall, sondern die Studierenden erhalten zunächst zusätzlichen Deutschunterricht mit dem Ziel, dem Fachunterricht auf Deutsch folgen zu können. Ein weiteres Problem sind die Deutschkenntnisse der Lehrenden. Nur wenige russische Dozenten in den DSG-Studiengängen verfügen über ausreichende Sprachkenntnisse, um einen angemessenen Fachunterricht in deutscher Sprache durchführen zu können. Da die DSG-Richtlinien vorsehen, dass mehr als 50% des Fachstudiums in deutscher Sprache erfolgen soll, sind die ausbildenden Institutionen deshalb in der Regel darauf angewiesen, Teile des Unterrichts mit deutschen Gastdozenten zu bestreiten und Teile des deutschsprachigen Studiums an den deutschen Partneruniversitäten zu absolvieren. Der Idee nach sollten nach einigen Jahren genügend junge Nachwuchswissenschaftler ausgebildet sein, um den deutschsprachigen Unterricht an den russischen Universitäten zu übernehmen. Faktisch bleiben aber die gut ausgebildeten Nachwuchskräfte nicht an den Universitäten, da die Gehälter an den Universitäten vergleichsweise gering sind und sie in der freien Wirtschaft viel bessere Verdienstmöglichkeiten haben. Die Schwierigkeiten beim Aufbau deutschsprachiger bilingualer Studiengänge sind damit eng mit der aus unserer Sicht verfehlten russischen Bildungspolitik verbunden, die qualifizierten Nachwuchswissenschaftlern keine Anreize bietet, an den Hochschulen zu bleiben.

Germanistische Institutspartnerschaften (GIP) Die GIP-Maßnahmen sind ebenfalls Anfang der 90er Jahre ins Leben gerufen worden, um nach der ideologischen Öffnung des vormaligen „Ostblocks“ in der postsowjetischen Zeit einen inhaltlichen und methodischen Austausch zu fördern und gemeinsame Forschungen und akademische Qualifikationen des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Germanistik zu unterstützen. Diese Zielstellung macht bereits deutlich, dass es im Unterschied zu der DSG-Maßnahme, in der ja fachsprachliche Qualifikationen erworben werden, die nicht zur regulären Ausbildung der Fächer gehören, in den GIP-Programmen um die Forschung und Lehre im Fach Germanistik geht. (Evaluation 2011) Dabei werden für die Zulassung zu einem germanistischen Studium bereits sehr gute Sprachkenntnisse vorausgesetzt und in Zulassungstests abgeprüft. Im Jahr 2018 wurden sechs russische Germanistiken durch das GIP-Programm gefördert. Bei fünf Hochschulen läuft die Förderung 2019 aus. Früher geförderte Hochschulen beklagen, dass nach der Förderung die durch die GIP geschaffenen Kooperationsstrukturen schnell zusammenbrechen.

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Von Sprachförderungsmaßnahmen könnte man im Rahmen des GIP-Programms eigentlich auch nur dann sprechen, wenn in Russland gezielt Deutsche Abteilungen an Pädagogischen Instituten als Partner für deutsche germanistische Institute gesucht würden und wenn ein inhaltlicher Schwerpunkt in der Sprachlehr- und Sprachlernforschung gesetzt würde. Dann könnte als Ziel die Optimierung von Lehr- und Lernprozessen gemeinsam mit den russischen Kolleg*innen erforscht und handlungspraktisch umgesetzt werden. Eine solche Schwerpunktsetzung wäre durchaus sinnvoll, ist in germanistischen Instituten in Deutschland in der Regel aber nur dann möglich, wenn Professuren für Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache an der Programmgestaltung beteiligt werden können. Solche auf Professionalisierung des Lehrens und Lernens von DaF ausgerichteten Maßnahmen werden vom GI vor allem mit dem DLL-Programm verfolgt. (Kap, 3.2 Ausbildung von Deutschlehrern) Eine Verknüpfung mit GIP-Programmen könnte sinnvoll sein. Um die DaF-Situation an den linguistischen Universitäten und an den Hochschulen zu verbessern, schlagen Hochschullehrer Folgendes vor: 1) Wiedereröffnung von Fakultäten für Deutsch; 2) Einführung der Fachrichtung „Deutsch als Fachsprache“;3 3) bessere Versorgung der Universitätsbibliotheken mit deutscher Fachliteratur inkl. Fachzeitschriften; 4) regelmäßige Weiterbildungskurse und -programme für Hochschullehrer der Fächer Deutsch und Germanistik; 5) engere Zusammenarbeit zwischen den Schulen und den Fakultäten für Deutsche Sprache; 6) Unterstützung der Kooperation mit deutschen Partnern auch nach Auslauf spezifischer Programme (z.B. DSG oder GIP).

6 Schlussbetrachtung Als Folge der Krim- und Ukraine-Krise sind die in Russland ansässigen deutschen Import-Export-Firmen nach Gurkov (2017) von 2013 auf 2017 um 15% zurückgegangen. Nach Meinung von Matthias Schepp, dem Vorsitzendem der 2007 gegründeten Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK), ist dadurch der

|| 3 Für sehr wichtig halten die Hochschullehrer*innen im fachsprachlichen Bereich die Zusammenarbeit mit potentiellen Arbeitgebern. (Prof. Grischaewa, Universität Woronesch)

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Bedarf an Deutschkenntnissen in Industrie und Handel nicht zurückgegangen, denn viele deutsche Unternehmen hätten sich nicht aus Russland zurückgezogen, sondern ihre Produktion nach Russland verlegt. Auch die russische Regierung sei daran interessiert, die durch die Sanktionen behinderten Importe nach Russland durch Produktionen in Russland selbst zu kompensieren. Durch diese „Lokalisierung“ (Schepp) seien viele Unternehmen heute stärker mit Russland verbunden als vorher. (Vgl. Gutmann 2017) Diesem objektiv bestehenden Bedarf wird durch die russische Sprachenpolitik an Schulen und Hochschulen nicht Rechnung getragen. Wie Troshina (2011) feststellt, erkennen aber auch die deutschen Firmen selbst nicht, wie wichtig es ist, deutsche Sprachkenntnisse zu fordern. Martynova (2010) hat nachgewiesen, dass bei großen ‚global‘ agierenden deutschen Firmen in Russland das dreigliedrige Sprachenmodell „Englisch– Deutsch–Russisch“, das nach Martynova bis etwa 2010 für russisch-deutsche Unternehmen galt, die weltweite Kontakte von Russland aus pflegen, zu einem zweigliedrigen Modell „Englisch–Russisch“ geschrumpft ist. Allerdings würden die kleineren mittelständischen deutschen Unternehmen weiterhin Deutschkenntnisse verlangen (Martynova 2010: 98). Sprachenschulen (in Großstädten auch das GI) bieten Kurse an, in denen die fehlenden Deutschkenntnisse, die von Firmen verlangt werden, erworben werden können. Die Kursveranstalter entwickeln für Unternehmen (für Einzelpersonen oder Gruppen) spezielle Programme. Der Unterricht findet in betriebseigenen Räumen statt und wird von den Firmen bezahlt. Auch Anna Rogovtseva, Managerin für die Arbeit mit Unternehmenskunden bei der Sprachenschule „LanguageLink“ bestätigt, dass die Nachfrage für Deutsch als Geschäftssprache seit 2016 leicht ansteigt (Rogovtseva, Interview 06.04. 2018). Eine zweite, nicht unbedeutende Teilnehmergruppe, sind Student*innen, die an deutschen Universitäten studieren wollen und dazu ein TestDaF-Zertifikat benötigen. Entgegen den sprachenpolitisch bedingten Entwicklungen an Schulen und Hochschulen gibt es Anzeichen dafür, dass latent weiterhin ein anhaltendes Interesse für DaF besteht. Das wird u.a. auch durch die Popularität des Fernsehsprachkurses „Polyglotte16. Deutsch in 16 Stunden lernen“ (Poliglot 16 s Petrovym), der vom TV-Kanal „Kul’ltura“ ausgestrahlt wird, bestätigt. Unsere russischen Gesprächspartner hatten den Eindruck, dass diese latent bestehende Motivation durch die vom GI unterstützten und initiierten Maßnahmen wirkungsvoll gefördert wird, dass jedoch für den Hochschulbereich über neue und effektive Förderungsmaßnahmen nachgedacht werden müsste.

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Literaturverzeichnis Abaturova, Viktoria V., Faina N. Lychagina & Olga V. Kluvaeva (2017): Itogi Vserossijskoj olimpiady škol’nikov v 2016/2017 učebnom godu: (Statističeskie dannye) [Ergebnisse der gesamtrussischen Schüler-Olympiade im Schuljahr 2016/2017 (Statistiken)]. Moskau: Academia. Ammon, Ulrich (2015): Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Berlin u.a.: de Gruyter. Aref’ev, Aleksandr L. (2010): Izučenie nemeckogo jazyka molodež’ju v Rossii. Demoskop Weekly 441–442, 1–14. http://www.demoscope.ru/weekly/2018/0765/index.php (abgerufen 26.03.2017). Aref’ev, Aleksandr L. (2017): Nacional’nyje i inostrannyje jazyki v rossijskoj sisteme obrazovanija [National- und Fremdsprachen im russischen Bildungssystem]. Moskau: Institut social’no-političeskich issledovanij. Baur, Rupprecht S., Irina Mamporija & Nelly Schymiczek (2011a): Bilinguales Lehren und Lernen an russischen Schulen. In Ulrich Ammon & Dirk Kemper (Hrsg.), Die deutsche Sprache in Russland. Geschichte, Gegenwart, Zukunftsperspektiven, 159–173. München: Iudicium Verlag. Baur, Rupprecht S., Irina Mamporija & Nelly Schymiczek (2011b): Fachunterricht in deutscher Sprache an russischen Hochschulen. In Ulrich Ammon & Dirk Kemper (Hrsg.), Die deutsche Sprache in Russland. Geschichte, Gegenwart, Zukunftsperspektiven, 174–186. München: Iudicium Verlag. Čarkova, Vera (2013). Förderung von Deutsch als Fremdsprache: Zwischen Theorie und Praxis. In Ludmila Grischaewa & Lutz Kuntzsch (Hrsg.), Sprachpflege international und regional gesehen: Zur Förderung von Deutsch als Fremdsprache im 21. Jahrhundert, 21–29. Woronesch: Verlag der Staatl. Univ. Woronesch. DAAD GIP (2011) = https://www.daad.de/hochschulen/programme-weltweit/ und https://www.daad.de/hochschulen/programmeweltweit/hochschulpartnerschaften/gip/de/13905-germanistische-institutspartnerschaften-gip/ (abgerufen 10.05.2018). Digitale Kinderuni Goethe-Institut = https://www.goethe.de/ins/ru/de/spr/eng/kin/kin.html?wt_sc=kinderuni. Evaluation (2011) = Evaluation des DAAD-Programmbereichs IV „Förderung der Germanistik und der deutschen Sprache“. DOK & MAT Bd. 68. Bonn: DAAD. Gurkov, Andrej (2017): Čislo nemeckich firm v Rosssii vnov’ sokratilos’ [Die Anzahl der deutschen Firmen in Russland ist wieder zurückgegangen]. http://www.dw.com/ru/число-немецких-фирм-в-россии-вновь-сократилось/a37256489 (abgerufen 12.04.2018). Gutmann, Thorsten (2017): AHK-Chef Matthias Schepp: „Viele deutsche Unternehmen haben sich mit der Krise enger an Russland verbunden“. https://ostexperte.de/matthias-schepp-interview/ (abgerufen 14.04.2018) Martynova, Olga (2010): Sprachwahl in der deutsch-russischen Unternehmenskommunikation. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang. Obrazovanie v Rossii 2017 (2017): Statističeskij bjulleten’ [Bildung in Russland. Statistisches Bulletin]. Moskau: Moskovskij technologičskij universitet.

Förderung von DaF in Russland | 739

Poliglot 16 s Petrovym. Vyučim nemeckij za 16 časov: Uroki nemeckogo s Petrovym s nulja dlja načinajuščich. [Polyglotte 16 mit Petrov. Deutsch in 16 Stunden lernen. Deutschunterricht mit Petrov für Anfänger]. https://www.youtube.com/playlist?list=PLoU6OXYTp-191rSwEgPRjpMCYUCjVh3WH. Solov’jov, Sergej S. & Natalia V. Minakova (2012): Sostojanie i osnovnye tendencii rynka perevodčeskich uslug v sovremennoj Rossii: Sociologičeskij analiz [Zustand und Haupttendenzen auf dem Translationsmarkt im heutigen Russland: Soziologische Analyse]. Moskau: MGLU. Troshina, Natalia (2010): Deutsch in Russland. In Hans-Jürgen Krumm, Christian Fandrych & Britta Hufeisen (Hrsg.), Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Ein Internationales Handbuch. 2. Hlbd., 1775–1781. Berlin: de Gruyter. Troshina, Natalia (2011): Betrieblicher Deutschunterricht in Russland. In Ulrich Ammon & Dirk Kemper (Hrsg.), Die deutsche Sprache in Russland: Geschichte, Gegenwart, Zukunftsperspektiven, 225–233. München: Iudicium.

Mutlu Er, Max F. Hertsch

Förderung von DaF in der Türkei Es gibt wohl kaum Länder, deren Geschichte in den letzten Jahrzehnten so stark verwoben wurde, wie die der Türkei und Deutschlands; von geschmiedeten Kriegsbündnissen über das von Deutschen bevorzugte Touristenziel und den Gastarbeiterverträgen, bis hin zur aktuellen politischen Krise und den Beitritt zur Europäischen Union. Neben diesen politischen Bündnissen stand und steht auch im Angesicht der (Arbeits-)Migration und Re-Migration, des Familiennachzugs, der internationalen Hochschulbildung im Sinne der Globalisierung besonders der Spracherwerb im Fokus. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Position, die Deutsch als Fremdsprache (kurz: DaF) in der Türkei innehat, mit welchen Mitteln und durch welche Institutionen sie gefördert wird. Wenn man sich mit dem Thema Deutsch als Fremdsprache in der Türkei beschäftigt, merkt man direkt, dass man zusätzlich auf historische, ökonomische und auf die Kultur entsprechende pädagogische Tendenzen einen Blick werfen sollte. Fremdsprachen unterliegen auch immer einem Wandel der Zeit, weswegen auch hier zuerst kurz auf fundamental historische Voraussetzungen eingegangen werden sollte, bevor die Situation des Faches DaF in der Türkei erörtert wird. Bis zum Jahr 2023, dem 100-jährigen Bestehen der Türkischen Republik, wird das Ziel verfolgt, dass die Türkei zu den zehn stärksten Volkswirtschaften der Welt zählen soll, was auch das Bildungssystem beeinflussen wird. Demnach beinhaltet dieser Plan auch eine neue Strategie in der Hochschulbildung, insbesondere der Aufbau des Hochschulwesens (vgl. Auswärtiges Amt 2015).

1 Das türkische Schulsystem Das türkische Schulsystem ist ein sehr variables System und unterlag permanent Reformen, die auch politisch bedingt waren (vgl. hierzu Günay 2012). Die letzte signifikante Bildungsreform, die im Juli 2013 stattfand, setzte sich das Ziel, bis 2018 eine signifikante Erhöhung der Bildungsqualität zu erreichen. Hervorzuheben ist hier der Wunsch, die Bildungsschere zwischen ländlichen Provinzen und

|| Mutlu Er, Hacettepe Universität, Ankara, Türkei, [email protected] Max F. Hertsch, Hacettepe Universität, Ankara, Türkei, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-045

742 | Mutlu Er, Max F. Hertsch

den Großstädten zu schließen. Des Weiteren ist es ein Ziel der Türkei, am Wettbewerb der internationalen Hochschulen teilzunehmen und ihres demnach konkurrenzfähig(er) zu gestalten. Das Auswärtige Amt informierte 2016 mit einer Broschüre überblickend über das türkische Schulsystem und seine letzte Reform, in der auch der DaF-Unterricht eine stärkere Position einnahm. Dieses 2012 beschlossene Reformpaket zum Schulgesetz, das 2013 dann auch mit all seinen Regelungen in Kraft trat, verpflichtete die Teilnahme am Fremdsprachenunterricht an staatlichen Schulen von der zweiten Klasse an. Es werden zuerst 2 Wochenstunden, später dann (ab der Mittelstufe) vier Wochenstunden Fremdsprachenunterricht angeboten. Bei der ersten zu erlernenden Fremdsprache handelt es sich meist immer um Englisch. Eine zweite Fremdsprache kann in den Mittelschulen (4. bis 8. Schuljahr) als Wahlfach erlernt werden. An den über 2000 staatlichen Anadolu-Lise (staatliche Gymnasien) wird sie dann aber mit zwei Wochenstunden zum Wahlpflichtfach. Deutsch gilt bei über 90% dieser Anadolu-Lise als zweite Fremdsprache, gefolgt von Französisch. 40 dieser Anadolu-Lise bieten sogar Deutsch als erste Fremdsprache an und andere Unterrichtsfächer werden zum Teil auch in Deutsch gehalten. Eine andere Art der Gymnasien, die sogenannten Imam Hatip-Lise (staatliche Gymnasien mit theologischer Ausrichtung), bietet dagegen Arabisch als Fremdsprache an (vgl. Kinzer 2001). Es gilt hier zu beachten, dass nicht alle Schüler sich auf einem AnadoluLise wiederfinden. Auch der Sektor der Privatschulen nimmt einen großen Bereich ein. In den folgenden Grafiken befinden sich Angaben über die an staatlichen Schulen einberufenen Lehrerzahlen je nach Fremdsprache. Um die Übersicht besser darzustellen, sind die Lehrerzahlen für das Englische separat angeführt worden. 411

208 148

167 29 0 2008

119

22 0

71 0

41 2

66 3

2009

2010

2011

2012

Deutsch

94

2

78 9

26 3

14

33 9

2013

2014

2015

2016

2017

Arabisch

Französisch

Abb. 1: Aufgenommene Fremdsprachenlehrer an staatlichen Schulen: Deutsch, Arabisch und Französisch (Angaben laut dem Nationalen Erziehungsministerium über Stellenausschreibungen ab 2008, vgl. MEB 2017)

Förderung von DaF in der Türkei | 743

5271

5029 3290 1207 2007

3098

2954

2008

927 2009

997

889 2010

2011

1306 143

2012

2013

2014

2015

2016

2017

Englisch

Abb. 2: Aufgenommene Fremdsprachenlehrer an staatlichen Schulen: Englisch (Angaben laut dem Nationalen Erziehungsministerium über Stellenausschreibungen ab 2008, vgl. MEB 2017)

Auch wenn die Angaben über einberufene Englischlehrer an staatlichen Schulen nicht stabil erscheinen, wurden in den vergangenen Jahren durchschnittlich 2.500 Lehrer im Jahr aufgenommen. Seit 2008 wurden laut dem Bildungs-ministerium insgesamt 984 Deutsch-, 543 Arabisch- und 30 Französischlehrer durch eine zentrale Prüfung einberufen. Man kann deutlich sehen, dass dem Englischen im Fremdsprachenunterricht eine bedeutende Stellung beigemessen wird. Trotz einiger Tendenzen in der türkischen Außen- und Innenpolitik bleibt das Deutsche als Zweitfremdsprache an zweiter Position. „Ein Fachberater der ZfA (Zentralstelle für das Auslandsschulwesen) sowie 22 weitere aus Deutschland vermittelte Lehrkräfte unterstützen den DaF- und Fachunterricht. Darüber hinaus werden im Rahmen der PASCH-Initiative 20 Partnerschulen vom Goethe-Institut und weitere 17 Partnerschulen von der ZfA betreut. 2014 haben 465 Schüler das Deutsche Sprachdiplom (DSD) Stufe I erworben und 228 Schüler das DSD Stufe II, welches als Sprachnachweis für die Zulassung an einer deutschen Hochschule anerkannt ist. Das Erziehungs-ministerium hat seit 2013 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt 1.300 Deutschlehrer eingestellt, nachdem vorher jahrelang eine Stagnation zu konstatieren war“ (Auswärtiges Amt 2015). Eine Pflichtfremdsprache, ggf. sogar eine zweite wie es in Deutschland der Fall sein kann, wird im türkischen Hochschulwesen ebenfalls nun erwünscht. Es gibt jedoch kaum Erhebungen dazu, in welcher Qualität und Quantität diese erlernt werden. Meist unterliegt die Lehre den sogenannten Sprachschulen, die den Universitäten angegliedert sind und die angebotenen Fremdsprachen in Eigeninitiative lehren und prüfen können. Bevor ein Studierender sich in die Fakultäten einschreiben kann, muss er (meist ein Jahr lang) eine Sprachschule erfolgreich besucht haben, sonst wird ihr oder ihm der Zugang verwehrt.

744 | Mutlu Er, Max F. Hertsch

Die Hochschullandschaft in der Türkei wächst rasant. Selbst für normale, tägliche Arbeiten wird oft ein Bachelor-Studienabschluss vorausgesetzt. Man beabsichtigt laut dem Bildungsministerium, alle fünf Jahre weitere 250.000 Studienplätze einzurichten. Dementsprechend ist auch die Erasmus- und Austauschmobilität sehr hoch: „Seit der Teilnahme der Türkei an den europäischen Mobilitätsprogrammen belegt Deutschland unter den Zielländern für türkische Erasmus-Studierende eine der Spitzenpositionen: Im akademischen Jahr 2012/13 kamen 2.472 türkische Studierende nach Deutschland“ (Auswärtiges Amt 2015: 34f).

2 Einfluss des DAADs auf den türkischen Hochschulsektor Das Netzwerk des DAADs (Deutscher Akademischer Austauschdienst) greift auch in der Türkei und es unterstützt Universitäten landesweit, insbesondere durch die DAAD-Lektoren und –Sprachassistenten, die an über achtzehn Universitäten sowie an der 2013 eröffneten Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul (TAU) unterrichten. Die folgende Grafik 3 zeigt die Anzahl der vom DAAD geförderten Studierenden nach Deutschland. Es gilt hier festzuhalten, dass eine gewisse Permanenz in den letzten 15 Jahren festzustellen ist, wobei anzumerken ist, dass nach dem Putsch 2016 der Wunsch, nach Deutschland (oder allgemein ins Ausland) zu gehen, bei vielen Studierenden zugenommen hat. Bemerkenswert ist auch, dass die Zahl der Wissenschaftler, die nach Deutschland gefördert werden, proportional stärker zunimmt als die der Studierenden (2001: 48; 2015: 175 Wissenschaftler). Die Datenerhebung erfolgte aus den Statistiken des DAADs in Ankara auf Anfrage.

Förderung von DaF in der Türkei | 745

1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Abb. 3: Vom DAAD geförderte Studierende (DAAD 2017)

Demnach ist davon auszugehen, dass (auch wenn politische Tendenzen eine Rolle einnehmen) DaF gerade in Bezug auf Wissenschaft und Förderungen nach Deutschland eine große Rolle einnimmt. Nach wie vor ist der DaF-Unterricht im Rahmen des Ehegattennachzugs von großer Bedeutung, auch wenn die Zahlen in diesem Sektor landesweit rückläufig sind. In diesem Bereich spielen neben dem Goethe-Institut auch private Sprachkursanbieter eine zunehmend größere Rolle. Generell verzeichnen die drei Goethe-Institute in der Türkei eine weiterhin steigende Nachfrage nach Deutschkursen.

3 Sprachprüfung für den Bachelor-Zugang Für Studienzugänge an Fachbereichen, deren Studiensprache in einer Fremdsprache abgehalten wird, müssen die Teilnehmer bei der Aufnahmeprüfung zusätzlich an der erforderlichen Sprachprüfung (LYS) teilnehmen, die jährlich von dem Zentrum für Prüfungsentwicklung, Evaluation und Vermittlung (ÖSYM) organisiert wird. In der unten angeführten Statistik (Grafik 4) ist die dominierende Anzahl der englischen Prüfungen abzulesen, jedoch weist die Teilnahme an der Deutschprüfung eine leichte Zunahme auf, während das Französische stagniert. Durch die Zunahme an Privatschulen und die an den Universitäten angebotenen pädagogischen Ausbildungsprogramme ergibt sich z.B. für Germanistikabsolventen die Möglichkeit, eine Anstellung als Deutschlehrer zu bekommen. In der

746 | Mutlu Er, Max F. Hertsch

Teilnehmer

Grafik ist zu erkennen, dass Deutsch und Französisch überlappend dargestellt sind, da sie sich, im Gegensatz zum Englischen, kaum signifikant unterscheiden.

Jahre

100000 90000 80000 70000 60000 50000 40000 30000 20000 10000 0

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

Englisch

29624

38668

46175

50216

67527

89135

99351

Deutsch

1377

1737

2176

1919

2072

2110

1989

Französisch

1053

1182

1192

1169

1157

1125

1035

Englisch

Deutsch

Französisch Abb. 4: LYS-Prüfungsstatistik (Fremdsprachprüfung für das Bachelorstudium) nach ÖSYM (2017)

4 Beziehungen des Goethe-Instituts zur Türkei Das Goethe-Institut unterhält drei Zentren in der Türkei, eines in der Hauptstadt Ankara, eines in Istanbul und das kleinste von ihnen in Izmir. Die Anzahl der Mitarbeiter bezieht sich auf das Jahr 2006, da später in den Jahrbüchern keine offiziellen Angaben mehr dazu gemacht werden. Die Anzahl der Kursteilnehmer bezieht sich gerundet auf das Jahr 2016. In den unten folgenden Grafiken beziehen sich die Daten auf alle drei Goethe-Institute. Zu den Instituten kann man folgende Eckdaten aus den Goethe-Jahrbüchern entnehmen:

Förderung von DaF in der Türkei | 747

Tab. 1: Daten zu den Goethe-Instituten in der Türkei (vgl. Goethe-Institut (1989-2016)) Gründungsjahr

Mitarbeiter (2006)

Kursteilnehmer (2016)

Medienbestand

Ankara

1955

34

2600

23000

Istanbul

1961

41

4600

18000

Izmir

1957

16

1800

6000

Obwohl das Goethe-Institut als wahrscheinlich die Institution anzusehen ist, die den größten Beitrag zur DaF-Förderung darstellt, ist es aber nicht der Ausgangspunkt der Deutsch-Türkischen Freundschaft und ihrer Sprachförderung. Diese beginnt laut Kreiser schon bei den Freundschaftsgesellschaften ab 1914, bei Kaiser Wilhelm II. Der Grundstein zu einem Haus der deutsch-türkischen Freundschaft (dostluk yurdu) wurde am 27. April 1917 zur Thronbesteigung des Sultans Mehmed V. gelegt (vgl. Kreiser 2002). Wenn man sich mit den aktuellen Entwicklungen der deutschen Sprachförderung in der Türkei beschäftigt, so steht das Goethe-Institut heute jedoch als zentrales Organ im Zentrum. Das Goethe-Institut e.V. München ist im Jahre 1951 gegründet worden und sein erster Ableger im Ausland entstand 1952 in Athen (vgl. Terkivatan 2017). Die Deutsche Bibliothek Ankara wurde laut den DeutschTürkischen Kulturnachrichten (DTK, in Terkivatan 2017) im Jahre 1956 gegründet und öffnete als „Deutsche Bibliothek Ankara“ mit einem Lesesaal im Sinne der deutsch-türkischen Kulturarbeit im Jahre 1957 dann ihre Türen (vgl. Terkivatan 2017). In den benachbarten Räumen fanden damals schon Deutsch-Sprachkurse mit bereits 600 Schülerinnen und Schülern des „Türkisch-Deutschen Kulturbeirats“ statt. Das Goethe-Institut Ankara steht in einem politischen Zusammenhang deutsch-türkischer Beziehungen insbesondere seit den 1950er Jahren und geht einerseits auf die Gründung einer Reihe von Türkisch-Deutschen Freundschaftsvereinigungen in der Türkei und von Deutsch-Türkischen Gesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland zurück. Die hervorzuhebenden Freundschaftsvereinigungen sind der Türkisch-Deutsche Freundschaftsverein in Ankara (1952) und der 1955 gegründete Türkisch-Deutscher Kulturbeirat, der für das Goethe-Institut Ankara bis in die Gegenwart von existenzieller Bedeutung ist. Ab Oktober 1957 taucht der Name Goethe-Institut in unterschiedlichen Zusammenhängen auf, und so wird in den Deutsch-Türkischen Kulturnachrichten vom Februar 1958 berichtet, dass in Anschluss an den vom Goethe-Institut in München veranstaltetem Deutschkurs für Ausländer ein Zeugnis ausgestellt

748 | Mutlu Er, Max F. Hertsch

wird, dass man einwandfreies Deutsch spreche, „dass keiner der Kursteilnehmer in ihr eine Ausländerin vermute“ (DTK 1958, in Terkivatan 2017). Das Goethe-Institut unterstützt diese mit einem umfangreichen sprachlichen und fachlichen Fortbildungsprogramm, das in enger Absprache mit dem türkischen Erziehungsministerium entwickelt wurde, um einen optimalen Start in den Beruf sicherzustellen. Die Jahrbücher des Goethe-Instituts bieten auch einen Überblick über die wichtigsten Daten, wie die Summe der Kursteilnehmer, Medienbestand und Vielfalt, Prüfungen sowie Veranstaltungen, die jährlich durchgeführt werden. Für diesen Beitrag wurden die Jahrbücher ab 1989 analysiert und die wichtigsten Daten als Grafik wiedergegeben. Der erste Graph zeigt die Entwicklung der Sprachkursteilnehmer der drei Goethe-Institute.

Abb. 5: Summe Kursteilnehmer

Seit der Gründung des Goethe-Instituts in der Türkei werden (kulturelle) Veranstaltungen angeboten. In den Jahrbüchern von 1989–2002 werden diese Veranstaltungen noch in die Bereiche Pädagogik, Literatur/Wissenschaft, Musik- und Theateraufführungen, Filmvorführungen und allgemeine Ausstellungen unterteilt. Im Anschluss daran taucht der Terminus Bildungskooperationen auf, unter welchem pädagogische (sprachliche) Fortbildungen aufgeführt sind. Grafik 6 spiegelt mit einem starken Anstieg der Kurve diese Tendenz wider. Der Einschnitt bei 2008-09 ist auf eine Umstrukturierung der Auswertungen zurück-zuführen, da keine Stagnation oder ein Rücklauf der Kursteilnehmer zu erkennen ist.

Förderung von DaF in der Türkei | 749

Abb. 6: Veranstaltungen

Aus den Jahrbüchern geht hervor, dass die Anzahl der Kursbesucher (es wird jedoch nicht klar aufgeführt, in welchen Niveaustufen) sich permanent erhöht. Seit 2007 stagniert die Anzahl zwischen 9.000-10.000 Besuchern, zuvor war ein Anstieg von 3.000 Besuchern (1989) zu verzeichnen. Addiert man die Zahlen der letzten 10 Jahre, so ergibt sich in etwa eine Zahl von 100.000 Personen, die an Deutschkursen des Goethe-Instituts teilgenommen haben. Die nächste Grafik zeigt den Medienbestand aller drei Zentren und deren Entleihungen.

750 | Mutlu Er, Max F. Hertsch

Abb. 7: Medienbestand/Ausleihe

Während zu Beginn der 1990er Jahre noch Schallplatten, Magazine, Video- und Audiokassetten im Medienbestand ausleihbar waren, handelt es sich heute oft um digitalisierte Bücher oder andere elektronische Dokumente, weswegen auch der Präsenzbestand leicht variiert, da ältere Medien ausgemustert wurden. Trotz alledem kann festgehalten werden, dass ein durchschnittlicher Medienbestand von ca. 35.000 Artikeln in den drei Goethe-Instituten vorzufinden ist. Die Frequenz der Ausleihe dagegen schwankt in einem höheren Maße, was auf den Kundenstamm zurückzuführen ist. So kann man korrelieren, dass in den Zeiten, in denen das Goethe-Institut viele Sprachkursteilnehmer hatte, auch die Ausleihe einen höheren Wert hatte. Gerade nach der Bildungsreform, durch die auch Deutschlehrer verstärkt im Bildungsmarkt Fuß fass(t)en, steigt die Ausleihe an deutschen Sprachmaterialien an. Das Goethe-Institut ist jedoch nicht die einzige Instanz, die Deutschkurse anbietet, auch das TestDaf-Institut bietet seit ca. 10 Jahren Deutschprüfungen an.

5 TestDaF-Prüfungen in der Türkei In den elf lizenzierten Test-Zentren in der Türkei führt g.a.s.t. (Gesellschaft für Akademische Studienvorbereitung und Testentwicklung e.V. c/o TestDaF-Institut) seit 2002 Deutschprüfungen durch. Die Teilnehmerzahl steigt rapide an und

Förderung von DaF in der Türkei | 751

hat sich in den letzten zehn Jahren in etwa verfünffacht. Die vorliegenden Daten wurden auf Anfrage (2017) übermittelt. 500

453

450 400 350

338

300 250

196 203 196

200 150

141 129

100

81

50 0

7

4

16

85

156

86

27

200220032004200520062007200820092010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Abb. 8: Teilnehmer an der TestDaF-Prüfung

Auf Anfrage hin wurde uns auch eine Statistik zur Geschlechterverteilung zugeschickt. In Bezug auf das Geschlecht ist eine deutliche Annäherung zu beobachten. So ist in den letzten 5 Jahren die Tendenz feststellbar, dass in etwa gleich viele Frauen wie Männer an den Prüfungen des TestDaF teilnehmen.

Abb. 9: TestDaF-Prüfungsteilnehmer nach Geschlecht (weißer Hintergrund: weiblich, schwarzer Hintergrund: männlich)

752 | Mutlu Er, Max F. Hertsch

6 Anderweitige Sprachprüfungen in der Türkei Das Zentrum für Prüfungsentwicklung, Evaluation und Vermittlung (ÖSYM) verfügt als offizielle Einrichtung in der Türkei über die Alleinberechtigung, Prüfungen zu organisieren. Durch das Zentrum erhalten Teilnehmer einen Prüfungsbeleg, der an sämtlichen staatlichen Institutionen eine Gültigkeit hat. Des Weiteren werden Sprachprüfungen wie TOEFL, TELC oder das Goethe-Zertifikat vom türkischen Hochschulrat (YÖK) äquivalent bestätigt. Im Bereich der Fremdsprachenprüfungen können folgende Daten der KPDS-Prüfung (Fremdsprachenprüfung für das Beamtentum; bis 2012) und der ÜDS-Prüfung (Fremdsprachenprüfung des InterUniversitären Rates; nur an Hochschulen gültig) einen Überblick über die Tendenz zwischen dem Englischen, Deutschen und Französischen verschaffen: ÜDS-Prüfung

Teılnehmer

2001-2012

Jahre

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

Deutsch

1245

1057

1054

873

977

1276

1294

1285

1629

1745

2053

2007

Franzözisch

756

654

625

531

571

719

701

754

925

964

942

947

Deutsch

Franzözisch

Abb. 10: ÜDS-Fremdsprachenprüfung des Inter-Universitären Rates für Deutsch und Französisch

Förderung von DaF in der Türkei | 753

ÜDS-Prüfung

Teılnehmer

2001-2012

Jahre

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

Englisch 36773 40844 44538 41650 47089 67742 76012 89690 124208 141592 171818 187131

Abb. 11: ÜDS-Fremdsprachenprüfung des Inter-Universitären Rates für Englisch

Wie aus den oben dargestellten Grafiken zu entnehmen ist, stieg die Anzahl der Teilnehmer an der Englischprüfung in zehn Jahren um das Siebenfache. Die Zahl der abgelegten Deutschprüfungen dagegen konnte sich im Vergleich nur um 60% erhöhen. Die Zahl der Teilnehmer im Französischen blieb dagegen fast konstant. Da die ÜDS-Prüfung nur an Universitäten für Nachwuchswissen-schaftler und Akademiker sowie an einigen Master- und Doktorprogrammen für Studierende erforderlich ist, kann angemerkt werden, dass hier eventuell durch Austausch-programme und Hochschulkooperationen zwischen der Türkei und Deutschland die Nachfrage für das Deutsche steigen könnte.

Teilnehmer

300000 200000 100000 Jahre

0 Englisch

2004

2005

2006

2007

2008

62411

67706

92713

100965

114764

2009

2010

2011

2012

160729 187393 238858 266958

Abb. 12: KPDS-Sprachprüfung für das Staatsbeamtentum - Englisch

Teilnehmer

754 | Mutlu Er, Max F. Hertsch

Jahre

7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 Deutsch Französisch Arabisch

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

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119

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2465

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Abb. 13: KPDS-Sprachprüfung für das Staatsbeamtentum – Deutsch, Französisch, Arabisch

Die Zahlen der Teilnehmer an der KPDS-Prüfung, die bis 2012 durchgeführt wurde und eine Gültigkeit an Universitäten sowie für den öffentlichen Dienst ausgeschriebene Stellen hatte, bei denen Fremdsprachkenntnisse erforderlich waren, zeigen zwar einerseits die hohe Anzahl an Teilnehmern an der Englischprüfung, andererseits aber auch, dass sich das Arabische höher etabliert hat als das Deutsche. Hier spielt möglicherweise der Diskurs in der türkischen Außenpolitik eine besondere Rolle. Die instabile Beziehung zur EU spiegelt sich in der Tendenz eines Fremdspracherwerbs des Orientalischen wider. Außerdem kommt die steigende Anzahl der Stellenausschreibungen des Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten (vgl. DPB 2016) und die für die Imame erforderlichen Arabischkenntnisse hinzu, sodass sich das Arabische im Beamtentum nach dem Englischen und vor dem Deutschen bereits etablieren konnte.

7 Fazit Aus dem Beitrag wird nun ersichtlich, dass das Deutsche und die deutsche Sprachförderung im türkischen Bildungssektor sowie auf dem Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle einnimmt. Trotz politischer Differenzen hat das Deutsche bei der türkischen Bevölkerung weiterhin einen hohen Stellenwert. Die Dominanz des Englischen ist unanfechtbar, aber obwohl das Arabische in den Vordergrund zu kommen scheint, hält das Deutsche weiterhin die zweite Position bei den Fremdsprachen in der Türkei, was den Goethe-Instituten und dem DAAD sowie den Ger-

Förderung von DaF in der Türkei | 755

manistiklehrstühlen zu verdanken ist. Das Arabische dagegen hat keinen dementsprechenden Fundus an Instituten oder fakultativen Einrichtungen und polarisiert nur durch politisch-religiöse Tendenzen oder temporäre Bedürfnisse. Das Deutsche hingegen ist auch als wissenschaftliche Sprache (besonders in technischen Ausbildungen) dem Arabischen überlegen.

Literaturverzeichnis Auswärtiges Amt (2015): Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015. https://www.goethe.de/de/spr/eng/dlz.html (10.10.2017). DAAD (2016): Bildungssystemanalyse, Türkei Daten & Analysen zum Hochschul- und Wissenschaftsstandort. https://www.daad.de/medien/der-daad/analysen-studien/bildungssystemanalyse/tuerkei_daad_bsa.pdf (19.10.2017). DAAD (2017): Statistiken zur Mobilität. Sarah Schackart an Max Florian Hertsch, Korrespondenz. DPB (2016): Statistik über den öffentlichen Dienst vom Präsidium für das Beamtentum der Türkischen Republik. www.dpb.gov.tr/F/Root/dosyalar/istatistikler/kamu_per.../tbl1_genelButce_y.pdf (09.11.2017). Goethe-Institut (1989-2016): Jahrbücher des Goethe-Instituts. (jährliche Reihe). München: Goethe-Institut. Günay, Cengiz (2012): Geschichte der Türkei. Von den Anfängen bis zur Moderne. UTB: Böhlau. Kinzer, Stephen (2001): Crescent & Star. Turkey, between two worlds. New York: FSG Books. Kreiser, Klaus (2002): Deutsch-Türkische Gesellschaften von Wilhelm II. bis Adenauer. In Sabine Prätor & Christoph Neumann (Hrsg.), Frauen, Bilder und Gelehrte. Studien zu Gesellschaften und Künsten im Osmanischen Reich, 675–683. Istanbul: Simurg. Kreiser, Klaus (2014): Atatürk. Eine Biographie. Memmingen: C. H. Beck. MEB (2017): Archiv des Nationalen Erziehungsministerium über Stellenausschreibungen. http://ikgm.meb.gov.tr/www/haberler/kategori/1 (11.11.2017). ÖSYM (2017): Statistiken über Teilnehmer an Sprachprüfungen: Zentrum für Prüfungsentwicklung, Evaluation und Vermittlung (ÖSYM). Terkivatan, Ahmet (2017): Bericht I&B Ankara 2016. Bericht und Gründungsgeschichte des Goethe-Instituts. Abschlussbericht. Goethe-Institut. YÖK (2016): Hochschulrat-Liste der Äquivalenz-Anerkennung für Fremdsprachprüfungen. http://www.yok.gov.tr/documents/10279/30814109/EsdegerlikTablosu.pdf/ (10.11.2017).

Shaswati Mazumdar, Maja Nemere

Zur Situation der Germanistik in Indien Das indische Hochschulsystem ist mit 760 Universitäten und fast 40.000 Colleges sowie 33 Millionen Studierenden eines der größten der Welt, und die Nachfrage nach Fremdsprachenunterricht hat in den letzten Jahren – an Universitäten und indischen Bildungseinrichtungen generell – stark zugenommen. Deutsch gilt in Indien als eine der populärsten Fremdsprachen, sowohl für Schüler als auch für Studierende. Die im Jahr 2015 vom Bildungsministerium getroffene Entscheidung, Deutsch als dritte Sprache in den circa 1.000 staatlichen „Central Schools“ durch Sanskrit oder eine andere indische Sprache zu ersetzen, wird daran wenig ändern, da man davon ausgeht, dass das Erlernen der deutschen Sprache die beruflichen Perspektiven erweitert und Chancen auf ein wirtschaftlich besseres und kulturell bereichertes Leben bietet. Deutsch wird in vielen staatlichen und privaten Schulen als freiwilliges Wahlfach angeboten, und seine Beliebtheit wird in nächster Zukunft wohl kaum nachlassen. Angesichts der steigenden Nachfrage sind die Möglichkeiten einer Deutschlehrer-Ausbildung in Indien generell beschränkt. Die meisten der derzeit beschäftigten Lehrer an Schulen, die Deutsch als Wahlfach anbieten, haben keine feste Stelle mit vollem Gehalt. Für eine Festanstellung an einer staatlichen Schule ist die Qualifikation B.Ed. (Bachelor of Education) erforderlich, jedoch ist es bislang an keiner indischen Universität möglich, Deutsch als Teil des B.Ed.-Programms zu wählen. Die Förderung dieser Möglichkeit, die durch das 1000-Schulen Projekt (Einführung von Deutsch als dritte Sprache in den „Central Schools“) begonnen hatte, wird wegen der 2015 getroffenen Entscheidung des Bildungsministeriums sicherlich vorübergehend leiden, sollte aber keinesfalls aufgegeben werden. Ein Bachelor-Studium mit Deutsch als Hauptfach, das als Mindestqualifikation für die Zulassung zu einem solchem B.Ed.-Studium nötig wäre, wird bisher an neun indischen Universitäten angeboten: an der Delhi University, der Jawaharlal Nehru University (ebenfalls in Delhi), sowie an den Universitäten Mumbai, Pune, Kolkata, Varanasi, Hyderabad, Dehradun und Aligarh. Nur durch den verstärkten Ausbau und eine stärkere Förderung der Germanistik an den Universitäten lässt sich an dieser Situation etwas ändern, denn der Deutschunterricht in den Schulen hängt sowohl qualitativ als auch hinsichtlich

|| Shaswati Mazumdar, University of Delhi, Indien, [email protected] Maja Nemere, University of Delhi, Indien, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-046

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der Angebotsmöglichkeit von der Zahl der Studierenden und der Qualität des Germanistikstudiums ab. Auch an den Universitäten und Colleges zeigt sich ein wachsendes Interesse für Germanistik als Studienfach. Die Zahl der Bewerber und Studenten steigt stetig. Diese Studenten könnten in der Zukunft die treibende Kraft beim Ausbau des Deutsch- und Germanistikstudiums an weiteren Universitäten sein. Doch nur durch eine adäquate Förderung können junge Akademiker so ausgebildet werden, dass sie in der Lage sind, unter den jeweiligen gegebenen Universitätsstrukturen Studiengänge von hoher Qualität einzurichten.

1 Die Entwicklung des Fachs Germanistik an der University of Delhi 1922 wurde - unter Britischer Kolonialregierung - die University of Delhi gegründet. Eine germanistische Fakultät oder Deutsch-Abteilung wurde zu diesem Zeitpunkt nicht eingerichtet, doch erteilten Missionare und Privatdozenten Deutschunterricht an einzelnen Colleges der Universität.1 Der Unterricht von modernen europäischen Sprachen sollte indische Studenten befähigen, ihr Studium im Ausland fortzusetzen.2 Studenten, die in der Indischen Freiheitsbewegung aktiv waren, sahen in Deutschland eine Alternative zur Britischen Kolonialmacht und bevorzugten deshalb ein Studium an deutschen Universitäten. Mit der Gründung des indischen Nationalstaats 1947 begann die Entwicklung einer indischen Ausbildungspolitik. Das Studium moderner europäischer und anderer Fremdsprachen sollte nun zur Bildung eines demokratischen egalitären modernen Nationalstaats beitragen. 1948 wurde die Deutschabteilung an der Delhi University als Teil des Departments of Modern European Languages gegründet. Die Lernzielgruppen bestand aus Ärzten, Ingenieuren, Wissenschaftlern, Linguisten etc., die an akademischen- und Entwicklungsprojekten beteiligt waren. Deutsch wurde in dieser Zeit nicht als Hauptfach, sondern nur in Form von Teilzeitkursen angeboten.

|| 1 So etwa am Indraprastha College for Women oder am bereits 1881 gegründeten St. Stephen‘s College. 2 So geht aus dem Verzeichnis der National Archives of India von 1926 hervor: „Teaching of Modern European Languages to Indian Students proposing to proceed out of India for further Study […]“.

Zur Situation der Germanistik in Indien | 759

In den achtziger Jahren kam es zur Teilung des Departments, das daraufhin zum Department of Germanic and Romance Studies umbenannt wurde. 1988 wurden die Master-Studiengänge Französisch, Spanisch, Deutsch und später auch Italienisch eingeführt. Die Umstrukturierung des Curriculums erfolgte nach dem Prinzip der Interdisziplinarität und des kooperativen Unterrichts in Anlehnung an das Konzept der Cultural Studies. Den vier Master-Studiengängen wurde die gleiche Struktur zugrunde gelegt, einige englischsprachige Kurse wurden als gemeinsame Kurse eingeführt (Linguistik, Literaturtheorie, Philosophie), die zum Teil von Wissenschaftlern anderer Fachbereiche – Linguistik, Philosophie – unterrichtet wurden. Darüber hinaus wurden Kurse für Kulturgeschichte und Übersetzung eingeführt, die wiederum in den jeweiligen Sprachen stattfanden. Mit der Umstrukturierung trat das Department in ein neues Stadium mit weit besseren Chancen der Weiterentwicklung. Die Orientierung an den Cultural Studies und eine gewisse Interdisziplinarität machte es möglich, mit Wissenschaftlern aus anderen Fachbereichen in Kontakt zu kommen und die Marginalisierung des Fremdsprachenunterrichts an der Universität zu durchbrechen. Bald nach der Umstrukturierung der Master-Studiengänge wurde auch eine Umstrukturierung der MPhil-Kurse vorgenommen – nach den gleichen Prinzipien einer engeren Zusammenarbeit der unterschiedlichen Sprachsektionen und einer Orientierung an den Cultural Studies. Als nächster Schritt folgte 2002 die Einführung eines BA(Hons)-Studiengangs für Deutsch (Bachelor mit Deutsch als Hauptfach), der wie der Master-Studiengang für vier Sprachen – Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch – mit der gleichen Struktur und einem gemeinsamen Teil konzipiert wurde. In den jeweiligen Sprachen beschäftigen sich die Kurse mit Spracherwerb, angewandtem Sprachgebrauch, Literatur und Übersetzung. Zeitgleich zur Einführung der MA- und BA(Hons)-Studiengänge wurden die Teilzeitkurse – Certificate, Diploma, Advanced Diploma – auf die Colleges der Delhi Universität verlegt. Die Einführung der Teilzeitkurse an den Colleges begann zunächst im kleinen Maßstab, Deutsch wurde an fünf Colleges angeboten. Inzwischen ist die Zahl der Colleges, die Deutschkurse im Programm haben, von 5 auf mehr als 20 mit rund 1.000 eingeschriebenen Studenten gestiegen. Darüber hinaus wurde Deutsch auch als Wahlfach in den BA-Studiengang aufgenommen. Während der BA (Hons) auf die Spezialisierung in einem Fachgebiet hinausläuft, bietet der BA-Studiengang eine allgemeinere Bildung mit der Möglichkeit, Kurse unterschiedlicher Fachrichtungen zu kombinieren. Deutsch kann mit einem anderen Wahlfach kombiniert und über drei Jahre gelernt werden.

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In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut (Max Müller Bhavan) und den Kultur-Instituten Frankreichs, Spaniens, Italiens und Portugals wurde 2008 ein Diploma in Foreign Language Education als Teilzeitstudiengang für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern eingeführt. Wie bei den anderen Studiengängen wurde auch dieser Studiengang, diesmal für fünf Sprachen – Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Portugiesisch –, mit der gleichen Struktur und einem gemeinsamen Teil konzipiert. Leider kann der Studiengang derzeit wegen Mangel an Lehrkräften nicht angeboten werden. Nach dem Abschluss eines Masterstudiums kann an der Delhi University Germanistik weiterführend im MPhil- und Promotionsstudiengang studiert werden. Auch hier steigt die Zahl der Interessenten. In allen Studiengängen haben die Studierenden stark von der Ausweitung der Fördermöglichkeiten profitiert, und der Anreiz eines Germanistikstudiums hat sich erhöht. Die Fördermöglichkeiten betreffen Stipendien für Studierende in Bachelor- und Masterstudiengängen, Forschungsstipendien und Förderung von deutsch-indischen Universitätskooperationen sowie Projekten, die den Austausch von Wissenschaftlern und Studierenden von beiden Seiten ermöglichen. Dabei stehen neue Fördermöglichkeiten des DAAD an erster Stelle, aber auch andere Förderinstitutionen haben begonnen, sich für die Germanistik in Indien zu interessieren. Zur Zeit unterhält die University of Delhi Partnerschaften mit der Bergischen Universität Wuppertal im Rahmen des „German Studies Partnership“-Pogramms sowie mit der Albert-Ludwig-Universität Freiburg im vom DAAD geförderten GIPProjekt („German Indian Partnership“), das auf 3-9 Jahre angelegt ist und der Förderung des wissenschaftlichen Austauschs zwischen den Universitäten Freiburg, Delhi (DU, JNU) und Mumbai dient, wobei die Einbindung weiterer indischer Universitäten geplant ist. Im Wintersemester 2016/17 ist das vom DAAD und der indischen University Grand Commission (UGC) zu gleichen Teilen finanzierte anglistisch-germanistische Projekt „Writing the cosmopolitan imagination. Genre transactions in world literary space“ zusammen mit der Universität Potsdam ins Leben gerufen worden (es handelt sich dabei um eines von landesweit 7 genehmigten Projekten im Rahmen des ‚Indo-German Partnerships in Higher Education‘-Programms (IGP)), mit jährlich wechselnden Konferenzen und Sommerbzw. Winterschools in Delhi und Potsdam. Weitere Partnerschaften bestehen mit den Universitäten Heidelberg und Bielefeld in Form von Sommeruniversitätsprogrammen. Die wachsende Zahl von Kooperationen und interdisziplinären Forschungsprojekten hat in den letzten 15 Jahren maßgeblich dazu beigetragen, das Profil der indischen Germanistik zu internationalisieren und den regen Austausch mit

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anderen Disziplinen zu befördern. Wichtig für die Zukunft wären der weitere Ausbau und die Förderung von Forschungsprojekten, die auf einer Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Studierenden aus anderen Fachgebieten basieren.

2 Zukunftsaussichten der Germanistik in Indien Bei den unterschiedlichen Konzepten, mit denen die indische Germanistik die Bedeutung des Faches in der Vergangenheit relativ erfolgreich behauptet hat, wurden zwei Wege beschritten, die auch für die Zukunft maßgeblich sein könnten: zum einen der Anschluss der Germanistik an verwandte Disziplinen durch komparatistische und interdisziplinäre Arbeit in Lehre und Forschung, um das Fach von einer marginalen Position in der Universitätslandschaft in den Mainstream zu rücken; zum anderen die Übersetzung deutscher Literatur in indische Sprachen und indischer Literatur ins Deutsche als wichtiger Bestandteil des Lehrangebots oder eines lehrbegleitenden Programms. Sinn und Ziel muss es sein, das kritische Erkenntnispotential der Germanistik auszuschöpfen, um den Blick und das Analysevermögen auf die großen Fragen der Gegenwart zu lenken. Erst dadurch wird das Studium der Germanistik zu einem Prozess der Aufklärung, der weitsichtige und universaldenkende Köpfe fördern kann. Neben der allgemein pädagogischen Gültigkeit ist dieser Ansatz, der sich im Überlebenskampf der Germanistik in Indien als durchaus tragfähig erwiesen hat, auch ganz praktisch legitimierbar. Wenn wir uns, wie heute angenommen wird, auf dem Weg zu einer wissensbasierten Gesellschaft befinden, dann ist davon auszugehen, dass auch die Studierenden immer mehr von ihrem Studium verlangen werden als die Entwicklung einfacher Sprachkompetenzen. Die Germanistikdepartments, die die oben genannten Wege am erfolgreichsten gegangen sind, waren für den Fremdsprachenboom besser vorbereitet, wovon auch die Germanistik profitieren konnte. Sie mussten dabei der Tendenz widerstehen, den Boom nur für den Ausbau von engfokussierten Sprachkursen zu nutzen und den Deutschunterricht von allen literarischen, kulturellen und das kritische Denken befördernden Sachverhalten zu entleeren. Dieses Behaupten der Germanistik als kulturwissenschaftliches Fach mit komparatistischen und interdisziplinären Ansätzen hat sich schon als fruchtbar erwiesen. An den wenigen Universitäten in Indien, an denen Germanistik in dieser Form studiert werden kann, erleben wir eine steigende Zahl von Studierenden, die für den relativ kleinen Lehrkörper eine Herausforderung darstellen. Wachsendes Profitabilitätsdenken und die damit einhergehende Tendenz der Funktionalisierung von Studiengängen, die sich durch die fortschreitende

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Privatisierung des indischen Hochschulwesens abzeichnet, wird zwangsläufig dazu führen, dass die Germanistik – wie andere Geisteswissenschaften auch – zunehmend unter Legitimationszwang gerät. Um diesen marktwirtschaftlichen Zwängen etwas entgegenzusetzen oder sie vielleicht sogar zu nutzen, sind Konzepte erforderlich, die die Germanistik zum Dialog mit anderen Fächern öffnet und ihre Nützlichkeit im Hinblick auf die dringenden Fragen des menschlichen Zusammenlebens erweist. Die Rolle der Auslandsgermanistik wird in Zukunft vermutlich an Bedeutung gewinnen, da die Perspektiven, die im Ausland entwickelt werden, andere grenzüberschreitende Fragestellungen in ein sonst von innerdeutschen Fragestellungen beherrschtes Fachgebiet hineintragen. Die derzeit feststellbare Tendenz zur ,Transnationalisierung‘ in fast allen Fachgebieten ist auch für die Germanistik eine Herausforderung. In diese Richtung können wichtige Impulse von der Auslandsgermanistik ausgehen.

Simone Jore, Hendrik Lux, Dalia Shalaby, Sebastian Vötter

Deutsch als Fremdsprache in Ägypten 1 Einleitung und Übersicht Ägypten ist mit einer Bevölkerung von über 90 Millionen das bevölkerungsreichste arabische Land und verfügt u.a. durch den Sitz der arabischen Liga über eine politische Bedeutung für die Region. Die politischen Umbrüche seit Januar 2011 und die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage stellen Ägypten derzeit vor große Herausforderungen. Ägyptens Beziehung zu Deutschland beruht auf einer langen Tradition des Austauschs. Seit jeher existieren enge wirtschaftliche und politische Beziehungen zwischen beiden Ländern (Ammon 2015: 1023). Aber auch die Zahl der Deutschlernenden in Ägypten nimmt zu, vor allem im Schulsektor. So hat sich im letzten Erhebungszeitraum (2010 – 2015) der weltweit alle 5 Jahre durchgeführten Datenerhebung zu Deutsch als Fremdsprache die Zahl der Deutschlernenden an Schulen nahezu verdoppelt (Auswärtiges Amt 2016: 37)1. Im Schuljahr 2014/15 lernten insgesamt 229.420 ägyptische Schüler_innen an 6% der ägyptischen Schulen Deutsch. Während die Deutschlernenden an den staatlichen ägyptischen Schulen in der Regel nur das Niveau A1 erreichen, das ungefähr dem Niveau der staatlichen Hochschulzugangsprüfung entspricht,2 erreichen die Schüler_innen an privaten Schulen im Durchschnitt ein höheres Niveau im Bereich A2–B1. An den ägyptischen Universitäten lernten 2015 12.078 Studierende Deutsch (Auswärtiges Amt 2016: 9). Hier ist zwar eine geringere Steigerung im selben Erhebungszeitraum erkennbar, dafür stieg die Nachfrage nach studienbegleitender Ausbildung von Deutsch als Fremdsprache (2015: 8.480 Studierende) zwischen 2010 und 2015 an (Auswärtiges Amt 2016: 37).

|| 1 In der Publikation ist Ägypten eines von 11 Schwerpunktländern. 2 Im staatlichen Bildungswesen durchlaufen die Deutschlernenden das Niveau A1 jeweils mehrfach mit verschiedenen Lehrwerken, eine Progression ist nicht vorhanden. || Simone Jore, Goethe-Institut Kairo, Ägypten, [email protected] Hendrik Lux, Goethe-Institut Kairo, Ägypten, [email protected] Dalia Shalaby, Goethe-Institut Kairo, Ägypten, [email protected] Sebastian Vötter, Goethe-Institut Kairo, Ägypten, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-047

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Über 20.000 Ägypter_innen legten 2017 einen Sprachkurs an einem der beiden Goethe-Institute in Ägypten oder eine Prüfung des Goethe-Instituts ab. Perspektivisch wird von einem weiteren Zuwachs der Lernendenzahlen ausgegangen. Zum Teil ist der Andrang auf deutsche Schulen und Universitäten in Kairo so groß, dass einige Einrichtungen bis zu 80 Prozent der Bewerber_innen wieder abweisen müssen (Osius 2017). Die Ursachen für steigende Zahlen von Fremdsprachenlernenden liegen neben der demografischen Entwicklung auch in der Bildungsreform (seit 2014), die allen Bürgern Zugang zu Bildungsmöglichkeiten sichern soll (Auswärtiges Amt 2016: 37). Bildung stellt in der ägyptischen Gesellschaft traditionell einen großen Wert dar. Neben der wachsenden Nachfrage nach Deutsch im schulischen und außerschulischen Bereich wächst auch die Nachfrage im Bereich vorschulischen Fremdsprachenerwerbs. Das Interesse von Eltern, ihre Kinder schon früh an die deutsche Sprache heranzuführen, um ihnen die Möglichkeit eines Studiums in Deutschland zu eröffnen, nimmt zu. Gleichwohl steht der Bildungsbereich in Ägypten vor massiven Herausforderungen, der staatliche Sektor ist chronisch unterfinanziert (Slezak 2011: 4). Im April 2018 hat das ägyptische Parlament den Antrag zu einer neuen Bildungsreform in Ägypten und damit auch zu der hiermit verbundenen Schulreform genehmigt3. Diese Schulreform zielt auf die Änderung der Gesamtstruktur des ägyptischen Schulwesens ab und umfasst die Fort- und Weiterbildung aller Lehrkräfte, Überarbeitung der Curricula und der Lehrwerke/ Lehrmaterialien, Neuaufstellung des Prüfungssystems (Thanaweya Amma) und die Ausstattung der Schulen.

2 Deutsch als Fremdsprache: Akteure und Institutionen Die lange Tradition von Deutsch als Fremdsprache in Ägypten begann mit den Missionarsschulen – den heutigen deutschen Auslandsschulen (Wellnitz 2003: 43). Am ältesten ist die 1873 gegründete Deutsche Evangelische Oberschule in Giza. Daneben sind Mittlerorganisationen, staatliche Bildungseinrichtungen und zunehmend private Akteure auf dem Gebiet Deutsch als Fremdsprache aktiv. Das Goethe-Institut ist seit 1958 in Kairo und seit 1959 in Alexandria vertreten. 2018 haben beide Institute zusammen ungefähr 100 feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 8.262 Lernende lernten 2017 Deutsch an den Goethe-Instituten in Ägypten und 12.608 Lernende legten eine Prüfung ab. Das Goethe-Institut ist || 3 http://portal.moe.gov.eg/MediaCenter/

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seit seiner Gründung in Ägypten im Rahmen der Bildungszusammenarbeit tätig und betreut derzeit 19 Schulen im Rahmen der vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland ins Leben gerufenen Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH; siehe Hoffmann, Hunold & Hoischen im vorliegenden Band). Ursprünglich hat das Goethe-Institut seine Tätigkeit in Ägypten auf Einladung des ägyptischen Erziehungsministeriums aufgenommen. Seitdem ist der Deutschunterricht für Erwachsene und die Unterstützung von schulischem Deutschunterricht ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der Bildungskooperation Deutsch (früher: Pädagogische Verbindungsarbeit). Während bis in die Mitte der 90er Jahre Fachberater_innen häufig allein agierten, etablierte sich ab Ende der 90er Jahre die Arbeit in und mit Multiplikatorennetzen (Ausbildung von Gruppen staatlicher Inspektoren u.a.). Die Zusammenarbeit im Bildungssektor gestaltet sich kontinuierlich und nahezu unberührt von politischen Entwicklungen. Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen betreut aktuell 7 Deutsche Auslandsschulen und 6 Deutsche Sprachdiplom-Schulen in Ägypten und ist mit 2 entsandten Beratern vertreten (Auswärtiges Amt 2016: 37). Besonders die Deutsche Evangelische Oberschule (Giza) und die Deutschen Schulen der Borromäerinnen (Alexandria und Kairo) genießen einen guten Ruf und haben großen Einfluss auf das Bildungssystem. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) bezog 1960 sein Büro in Kairo und betreut seither die universitäre DaF-Komponente. Vier DAAD-Lektorate und vier Fremdsprachenassistenzen sind an die Helwan, Ain Shams, Alexandria und Al-Azhar Universität angegliedert. 1.545 ägyptischen Studierenden, Doktoranden, Wissenschaftlern und Hochschullehrern wurde 2016 durch eine Förderung des DAAD ein Studien- bzw. Forschungsaufenthalt in Deutschland ermöglicht (DAAD 2017). Insgesamt 6 staatliche Universitäten bieten germanistische Studiengänge an. 2003 wurde die private German University in Cairo (GUC) gegründet, an der die 7.500 Studierenden verpflichtend Deutschkurse besuchen müssen (Ammon 2015: 1023). Die Kairo Universität verfügt ebenfalls über eine traditionsreiche Germanistik, an der klassische Germanisten ausgebildet werden und die Ain Shams Universität bietet in Kooperation mit der Universität Leipzig einen vom DAAD geförderten DaF-Master an, der verstärkt pädagogische Elemente enthält (DAAD 2018). Die Wichtigkeit privater Universitäten in Ägypten nimmt kontinuierlich zu: Während 2009 noch 7.600 Absolvent_innen privater Universitäten gezählt wurden, waren es im Studienjahr 2015/16 16.700 Absolvent_innen (Egypt Statistics 2015). Die Zahl der Absolvent_innen staatlicher Universitäten ist im selben Zeitraum gleich geblieben und liegt bei rund 325.000.

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Vor allem die GUC ist eine wichtige Impulsgeberin in der Universitätslandschaft. Ihre Eröffnung im Jahr 2003 war ein Meilenstein für Veränderungen im Bildungswesen, denn die GUC ging von Anfang an einen pragmatischen Weg: Während die Lerninhalte deutschen Curricula folgten und ein Teil des Lehrkörpers deutsch war, war die Unterrichtssprache Englisch. Diese Entscheidung und die Frage, welchen Stellenwert die deutsche Sprache im Studienalltag spielen sollte, wurden bei den unterstützenden deutschen Organisationen kontrovers diskutiert. Aktuell müssen die Studierenden der GUC vier Semester obligatorisch jeweils 4 Semesterwochenstunden Deutsch als Fremdsprache belegen. Erwies sich dieser Standard in den ersten Jahren noch als mühsam in der Implementierung, ist er mittlerweile vollkommen etabliert. Zusätzlich verstärkte sich in den Jahren seit der Eröffnung der Universität die Bedeutung des akademischen Austauschs zwischen Deutschland und Ägypten. Neben den genannten Einrichtungen existiert eine Vielzahl kleinerer und mittlerer, zum größten Teil privater Sprachlernzentren. Vor allem das ÄgyptischDeutsche Kulturzentrum (ÄDK) und das House of Knowledge sind hierbei hervorzuheben. Das ÄDK bietet neben Sprachkursen an mehreren Standorten in Kairo auch didaktische Fortbildungen an. Das House of Knowledge existiert seit 2015 und bietet vor allem im Rahmen der Einführung von Lehrwerken Qualifizierungsangebote von Deutschlehrkräften an. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Zahl der Deutschlernenden, die zu rein akademischen Zwecken Deutsch lernen, seit vielen Jahren abnimmt und dass Deutsch als praktische Zusatzqualifikation an Bedeutung gewinnt.

3 Deutschunterricht an Schulen In Ägypten besteht bis zur 9. Klasse allgemeine Schulpflicht. Schulbildung ist grundsätzlich kostenlos. Es gibt 11.600 staatliche Schulen und 3.300 Privatschulen in ganz Ägypten, die die Sekundarstufe anbieten (Egypt Statistics 2015). Der Bildungshunger ist in Ägypten ungebrochen, Schulbildung stellt einen wichtigen Posten im Familienbudget dar. Trotz grundsätzlich kostenloser staatlicher Schulbildung, ist es dennoch nur schwer möglich, das staatliche Schulsystem ohne eigenen und zum Teil beträchtlichen finanziellen Aufwand erfolgreich zu durchlaufen, da Kinder, die die staatlichen Schulen besuchen, die Prüfungen oft nicht bestehen, wenn sie nicht die Hilfe von privaten Nachhilfelehrern in Anspruch nehmen (Slezak 2011: 4).

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Die dominante erste Fremdsprache ist in Ägypten heute das Englische. In staatlichen Schulen wird die zweite Fremdsprache in der 10. bis 12. Klasse unterrichtet, wobei Französisch weiterhin die erste Wahl ist, Deutsch als Alternative in den letzten 10 bis 15 Jahren jedoch stark an Zulauf gewonnen hat. Momentan lernen fast eine Viertelmillion Ägypterinnen und Ägypter Deutsch an Schulen (Auswärtiges Amt 2016: 37). Andere Wahlmöglichkeiten wie Spanisch und Italienisch sind dagegen weiterhin nur wenig etabliert und werden auch von den entsprechenden Kulturinstituten weniger unterstützt. Im Bereich Deutsch als Fremdsprache gibt es zudem einen kaum regulierten Wildwuchs an Privatschulen, die mit den unterschiedlichsten Curricula und Stundenzahlen mehr oder weniger autonom operieren. Die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) fördert seit 2008 19 Schulen in Ägypten. Bei der Auswahl war ein ausgewogenes Verhältnis zwischen privaten und staatlichen Schulen, sowie von Schulen in den Metropolen und in der Provinz maßgeblich. So war es eines der wichtigsten Anliegen von PASCH, den Schulen, die ein Deutschprogramm einführen wollten, eine Handreichung zur Strukturierung des Curriculums zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich taten sich sowohl die Schulen mit bereits existierendem Deutschunterricht, als auch die um eine Einführung von Deutsch als Unterrichtsfach bemühten Schulen in der Umsetzung schwer. Da es vom Ministerium hierzu keine Vorgaben an die Schulen und kein einheitliches Programm gibt, fehlen allgemeinverbindliche Standards (Stundenzahl, Niveaustufen-Ziel etc.), und die Zusammenarbeit mit und Beratung und Unterstützung von den Schulen bleibt nach wie vor eine große Herausforderung. An Schulen mit arabischer Unterrichtssprache wird nach den nationalen Curricula unterrichtet. Diese sind in Inhalt und Methode häufig komplett veraltet und zudem stark ideologisch aufgeladen. Möchte eine Schule modernere Unterrichtsmethoden anwenden, so kann sie als sogenannte Language School mit der Unterrichtssprache Englisch agieren. Dies hat zur Konsequenz, dass die heranwachsende Generation Arabisch hauptsächlich als Umgangssprache lernt und sich akademisch nur auf Englisch – und hier meist nicht auf sehr hohem Niveau – ausdrücken kann. Die großen Schülerzahlen in den Klassen und die schlechte Ausstattung der Klassenräume an den staatlichen Schulen sind ein weiteres Problem, mit dem die Lehrkräfte konfrontiert sind. In manchen Gouvernoraten beläuft sich die Schülerzahl in einer Klasse auf ca. 90 Schülerinnen und Schüler, was einen kommunikativen und handlungsorientierten Unterricht zu einer großen Herausforderung werden lässt. Ein Großteil der Schulen hat keine Medien, die den Einsatz

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von Hörtexten oder authentischen Lernmaterialien ermöglichen, was den Aufbau aller vier Fertigkeiten stark erschwert. In diesem Zusammenhang konnte z.B. bis jetzt in den Prüfungen und Tests an den Schulen noch kein Hörverständnis implementiert werden, da es in den meisten Schulen keine Möglichkeit gibt, Hörtexte abzuspielen. Das Erziehungsministerium stattet eine begrenzte Anzahl von Schulen seit 2017 im Zuge der Schulreform mit neuen Medien aus. Hier wäre z.B. der breite Zugang zu deutschsprachigen Sendungen der Deutschen Welle sehr hilfreich (siehe Kruse im vorliegenden Band).

4 Lehrkräfte Das ägyptische Bildungswesen ist stark zentralisiert und steht vor massiven Herausforderungen hinsichtlich der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte mit Blick auf kompetenzorientierte Curricula, Prüfungen und Ausstattung (Roushdy & Sieverding 2015: 42–44). Im Hinblick auf die steigenden Deutschlernendenzahlen spiegeln sich die gleichen Herausforderungen im DaF-Unterricht wider. Im Rahmen der Bildungskooperation Deutsch bietet vor allem das GoetheInstitut seit Beginn seiner Tätigkeit in Ägypten unterschiedliche Qualifizierungsund Fortbildungsprogramme für DaF-Lehrkräfte an. Um einen nachhaltigeren Effekt zu erzielen, wurden seit 2010 zahlreiche mehrjährige Projekte durchgeführt, die nach Absprache mit dem ägyptischen Erziehungsministerium Probleme und Herausforderungen gezielt behandelten. Die schiere Größe der Hochschulen und der weitgehende Mangel an Autonomie zeigen ihre Konsequenzen auch in der Qualifikation von DaF-Lehrkräften. Die Veranstaltungen sind überfüllt und die Infrastruktur überlastet. Ein oft beklagtes Manko ist der fehlende Praxisbezug (DAAD 2016: 17–18). Dies ist auch bei den pädagogischen Fakultäten, an denen ein Großteil der Lehrkräfte ausgebildet wird, klar ersichtlich. Das Ergebnis ist, dass die Ausbildung der DaF-Lehrer einen kaum wahrnehmbaren Praxisteil beinhaltet und die angehenden Lehrkräfte große Mängel in der Methodik-Didaktik nachweisen. Ein weiteres Problem ist das Sprachniveau der angehenden Lehrkräfte, da es zum Großteil bei einem schwachen B1-Niveau liegt. 2016 wurden im Rahmen einer durch das Erziehungsministerium mit dem Goethe-Institut geschlossenen Vereinbarung zur „Neuaufstellung des Deutschunterrichts in Ägypten“ Lehrkräften an staatlichen Schulen sprachliche Fortbildungen ermöglicht, mit dem Ziel, mindestens 80% der Lehrkräfte auf das Sprachniveau B2 zu bringen. Im An-

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schluss an diese Maßnahme wurde landesweit ein Fortbildungsprogramm durchgeführt4, das eine praxisnahe Qualifizierung von Lehrkräften ermöglichen sollte. Bei der Umsetzung des Programms erwies sich aufgrund der hohen Anzahl an Deutschlernenden an den Schulen und des zurzeit existierenden Lehrendenmangels die Freistellung der Lehrkräfte als große Herausforderung. Das Erziehungsministerium sucht nach Lösungsansätzen, um diesem Lehrermangel entgegenzuwirken, was jedoch wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage und des nach wie vor geltenden Einstellungsstopps weiterhin schwierig ist. In einer vom Goethe-Institut 2014 durchgeführten Befragung sagten mehr als 60% der Lehrer, dass sie noch nie in Deutschland waren – das ist in der Untersuchung der höchste Anteil aller befragten Länder. Nur die Hälfte der Lehrer hat Kontakt zu Deutschen (Salomo 2014: 52–53).

5 Lehrwerke und Curricula Im Schuljahr 2014/15 führte das ägyptische Ministerium für Erziehung und Bildung ein neues Lehrwerk aus Deutschland in Sekundarschulen ein. Damit wird zum ersten Mal an ägyptischen öffentlichen Sekundarschulen mit einem modernen Lehrbuch unterrichtet, das an den Europäischen Referenzrahmen angepasst ist. Das bedeutet zugleich, dass zum ersten Mal die Fähigkeiten und Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt stehen. Durch den Einsatz des neuen Lehrwerks hatten Deutschlehrende die Möglichkeit, sich vom Frontalunterricht zu distanzieren und moderne Unterrichtsmethoden anzuwenden, was für viele Deutschlehrkräfte eine Herausforderung darstellte und darstellt. Das mit der Einführung des neuen Lehrwerks verbundene Fortbildungskonzept soll landesweit Anwendung finden. Laut der neuen Schulreform wird Deutsch künftig ab Klasse 7 als Wahlfach angeboten. Diese Ausweitung des DaF-Unterrichts an Schulen wird aktuell vorbereitet und soll 2025 umgesetzt werden. Hierzu werden vom Erziehungsministerium die Curricula für DaF neu erstellt und eine Auswahl und Entwicklung von Lehr- und Unterrichtsmaterialien vorgenommen.

|| 4 Die Qualifizierungsmaßnahme basierte auf der Fort- und Weiterbildungsreihe des Goethe-Instituts „Deutsch Lehren Lernen“.

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6 Prüfungen Die ägyptische Hochschulreifeprüfung (Thanaweya Amma) ist eine der wichtigsten ägyptischen Prüfungen und entscheidet jährlich über den Werdegang von ca. einer Million ägyptischer Schüler_innen. Jedes Jahr wird über die gestellten Aufgaben und deren Schwierigkeitsgrad in den Medien berichtet und heftig diskutiert. Prüfungen beeinflussen direkt und indirekt den Unterricht und die Unterrichtsmethoden. Die Gestaltung der Thanaweya-Amma-Prüfung in der zweiten Fremdsprache ist an ägyptischen Sekundarschulen nach wie vor ein Desiderat im Prüfungsbereich. 2017 wurde der erste Entwurf einer einheitlichen Prüfungsbeschreibung für alle Fremdsprachen und ein Aktionsplan mit Empfehlungen verabschiedet5.

7 Deutschland als Studienstandort Staatliche Universitäten in Ägypten sind leicht zugänglich und kostenfrei bzw. kostengünstig. Die am stärksten nachgefragten Fächer an staatlichen Einrichtungen sind Medizin und Jura. Für die meisten anderen Fächer sind private Universitäten deutlich gefragter. Auch hier ist die Zahl der Anbieter sehr unübersichtlich und die Qualität nicht immer garantiert. Während der letzten 10 Jahre ist zudem eine Vielzahl an privaten Universitäten entstanden, die alle mit den verschiedensten Kooperationspartnern werben und deren Programme nicht alle akkreditiert sind. An der Spitze der privaten Universitäten rangieren die American University in Cairo (AUC) und die bereits genannte GUC. Die Studiengebühren sind allerdings so hoch, dass es für Studierende eine sinnvolle Alternative ist, direkt im Ausland zu studieren. Diese Tendenz hat sich besonders nach den politischen Umbrüchen des Jahres 2011 noch verstärkt. Nicht wenige sehen die Entwicklung Ägyptens mit Skepsis, vor allem im Bildungsbereich, und wollen sich bzw. ihren Kindern andere Optionen eröffnen.

|| 5 Der Aktionsplan wurde in der Konferenz „Perspektiven von Sprachprüfungen im Kontext der Thanaweya A’ama-Prüfungen“ (2017) verabschiedet, die gemeinsam vom ägyptischen Ministerium für Erziehung und Bildung, dem National Center of Examinations & Educational Evaluation (NCEEE) und den europäischen Kulturinstituten – Institut Francais, Instituto Italiano di Cultura, Instituto Cervantes und Goethe-Institut – in Kairo durchgeführt.

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Nach dem Einbruch des Wechselkurses des ägyptischen Pfunds um 100% im November 2016 ist die Suche nach finanzierbaren Alternativen für ein Auslandsstudium noch stärker als vorher von finanziellen Erwägungen getrieben. Ein Studium in Georgien, Malaysia und auch in Deutschland, den Niederlanden, Griechenland und Spanien ist für viele attraktiv. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass unter den Studienanfängern in Deutschland, den sogenannten Bildungsausländern, ägyptische Studierende zur Gruppe mit dem drittstärksten Zuwachs im Wintersemester 2016/17 zählten (Statistisches Bundesamt 2017: 58).

8 Perspektive und Ausblick Das öffentliche Bildungssystem in Ägypten steht vor enormen Herausforderungen: Mehr als 50% der Bevölkerung ist jünger als 21 Jahre, die offizielle Statistik indiziert 29% der Bevölkerung als Analphabeten (Egypt Statistics 2015). Nach jahrzehntelanger Vernachlässigung ist das ägyptische Bildungssystem, insbesondere seit den politischen Umbrüchen 2011, wieder stärker im Fokus der öffentlichen Diskussion. Von der aktuellen Administration wird die Digitalisierung als große Chance gesehen: Es wird daran gearbeitet, Lernmaterial auf einem großen Bildungsserver zur Verfügung zu stellen. Doch bis dieses Vorhaben im großen Umfang implementiert und Schulverwaltungen, Lehrern, Eltern und Schülern Kompetenzen im Umgang mit digitalen Lehrmaterialien vermittelt werden, scheint es noch ein langer Weg zu sein. Da deutsches Know-how einen ausgezeichneten Ruf genießt und deutsche Bildung in Ägypten hoch geschätzt wird, haben deutsche Akteure hier gute Ausgangschancen, sich konstruktiv an dieser Herausforderung zu beteiligen und enge, vertrauensvolle Beziehungen mit ägyptischen Bildungsinstanzen aufzubauen.

Literaturverzeichnis Ammon, Ulrich (2015): Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Berlin u.a.: de Gruyter. Auswärtiges Amt (Hrsg.) (2016): Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015. www.goethe.de/resources/files/pdf37/Bro_Deutschlernerhebung_final2.pdf (Letzter Abruf am 24.05.2018). DAAD: Deutscher Akademischer Austauschdienst (2016): DAAD-Bildungssystemanalyse. Ägypten. Daten und Analysen zum Wissenschaftsstandort 2016. https://www.daad.de/medien/der-daad/analysen-studien/bildungssystemanalyse/aegypten_daad_bsa.pdf (Letzter Abruf am 24.05.2018).

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DAAD: Deutscher Akademischer Austauschdienst (2017): Länderstatistik 2016: Ägypten. https://www.daad.de/medien/derdaad/zahlen/laenderstatistik/2016/daadl%C3%A4nderstatistik_795_2016.pdf (Letzter Abruf am 24.05.2018). DAAD: Deutscher Akademischer Austauschdienst (2018): Germanistik – DaF studieren in Ägypten. https://www.daad.eg/de/studieren-und-forschen-in-deutschland/deutsch-lernen/germanistik-daf-studieren-in-aegypten/ (Letzter Abruf 24.05.2018). Egypt Statistics: Central Agency for Public Mobilization and Statistics (2015): Total number of graduates from private universities. http://www.capmas.gov.eg/Pages/IndicatorsPage.aspx?page_id=6142&ind_id=1082 (Letzter Abruf am 24.05.2018). Egypt Statistics: Central Agency for Public Mobilization and Statistics (2015): Total number of graduates from government universities. http://www.capmas.gov.eg/Pages/IndicatorsPage.aspx?page_id=6142&ind_id=1082 (Letzter Abruf am 24.05.2018). Egypt Statistics: Central Agency for Public Mobilization and Statistics (2015): No. of secondary schools in general secondary stage. http://www.capmas.gov.eg/Pages/IndicatorsPage.aspx?page_id=6142&ind_id=1082 (Letzter Abruf am 24.05.2018). Egypt Statistics: Central Agency for Public Mobilization and Statistics (2015): Illiterates percentage (10 years and up). http://www.capmas.gov.eg/Pages/IndicatorsPage.aspx?page_id=6156&ind_id=4575 (Letzter Abruf am 24.05.2018). Osius, Anna (2017): Deutschland als Vorbild. In Deutschlandfunk. http://www.deutschlandfunk.de/bildungssystem-in-aegypten-deutschland-als-vorbild.680.de.html?dram:article_id=380317 (Letzter Abruf am 24.05.2018). Roushdie, Rania & Maia Sieverding (Hrsg.) (2015): SYPE: Panel Survey of Young People in Egypt 2014: Generating Evidence for Policy, Programs and Research. Cairo: Population Council. Salomo, Dorothé (2014): Deutschland, Deutschlernen und Deutschunterricht. Aus der Sicht von Jugendlichen und Lehrkräften in verschiedenen Ländern weltweit. Eine empirische Studie. München: Goethe-Institut. Slezak, Gabriele (2011): Länderkurzinformation Ägypten. In ÖFSE: Österreichische Forschungsstiftung für internationale Entwicklung (Hrsg.), Länderkurzinformationen. https://www.oefse.at/fileadmin/content/Downloads/Publikationen/Laenderkurzinfos/aegypten.pdf (Letzter Abruf am 24.05.2018). Statistisches Bundesamt (Destatis) (2017): Bildung und Kultur. Studierende an Hochschulen Wintersemester 2016/17. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Hochschulen/PrivateHochschulen5213105167004.pdf?__blob=publicationFile (Letzter Abruf am 24.05.2018). Wellnitz, Britta (2003): Deutsche evangelische Gemeinden im Ausland: Ihre Entstehungsgeschichte und die Entwicklung ihrer Rechtsbeziehungen zur Evangelischen Kirche in Deutschland. Tübingen: Mohr Siebeck.

Sara Behrangfar

Förderung von DaF im Iran 1 Geschichtlicher Überblick Die Beziehungen zwischen dem Iran und den deutschsprachigen Ländern haben im Vergleich zu anderen westlichen Ländern eine lange und gut entwickelte Tradition, was sich vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur ausprägt. Auch sprachenpolitisch nimmt die deutsche Sprache eine bemerkenswerte Stellung in sowohl der offiziellen iranischen als auch inoffiziellen Bildung ein, obwohl sie nie als erste Fremdsprache etabliert worden ist. Das offizielle Erlernen von Fremdsprachen im Iran geht auf die Gründung der ersten modernen Hochschule Darol-Fonun im Jahr 1851 in der Zeit der Kadjar-Dynastie in Teheran zurück, wo Französisch als die erste Fremdsprache angeboten wurde. Infolge der politischen Einflussnahme durch das Vereinigte Königreich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert und die sich später entwickelnde globale Vormachtstellung der USA wurde die französische Sprache in der PahlaviZeit durch das Englische ersetzt, das seitdem wie in den meisten Ländern der Welt die dominierende und meistgelernte Fremdsprache im Iran ist. Bei der Gründung der Deutschen Schule Teheran 1907 wurde die deutsche Sprache zum ersten Mal als eine Fremdsprache im Iran eingeführt (vgl. Haghani 2008a: 342; Navab Motlagh 2007: 52). Mit der Zunahme der Präsenz deutscher Unternehmen im Iran nach dem Ersten Weltkrieg und infolgedessen mit dem Ansteigen des Bedarfs an ausgebildeten Fachkräften nach deutschen Maßstäben wurden mehrere deutsch-iranische Gewerbeschulen in Zusammenarbeit mit dem Dritten Reich in iranischen Großstädten gegründet, wobei sowohl die Gewerbeschüler als auch die iranischen Ausbilder neben der fachlichen Bildung auch die deutsche Sprache erlernen sollten (vgl. Navab Motlagh 2007: 57–58). Inzwischen ist Deutsch aufgrund der Intensivierung der deutsch-iranischen Kooperation in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur und des gestiegenen Interesses iranischer Jugendlicher an einem Studium in Deutschland immer mehr verbreitet. 1958 wurde das Goethe-Institut im Iran eröffnet, wo neben Deutschunterricht auf unterschiedlichen sprachlichen Niveaus auch zahlreiche kulturelle Ereignisse stattfinden. Diese Veranstaltungen spielten bei der Pflege der deutsch-

|| Sara Behrangfar, Universität Teheran, Iran, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-048

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iranischen Beziehungen, besonders auf Kulturebene sowie bei der politischen Intellektuellenbewegung des Irans, eine tragende Rolle. 1987 hat das Goethe-Institut aufgrund der politischen bzw. ideologischen Auseinandersetzungen zwischen dem Iran und der Bundesrepublik Deutschland seine Tätigkeit eingestellt (vgl. Navab Motlagh 2007: 108–110). Obwohl 1958 die Universität Teheran Deutsch als universitäres Studienfach einführte, wird es erst seit 1988 durch die Gründung der Fakultät für Fremdsprachen an der Universität Teheran kontinuierlich angeboten.

2 Fremdsprachenpolitik im offiziellen Bildungsbereich des Irans Ein ausschlaggebendes und eigenständiges Grundsatzdokument zur iranischen Fremdsprachenpolitik fehlt bislang. Bei dem Entwicklungsprogramm 20-JahreVision des Landes, nach dem der Iran sich bis 2025 in Bezug auf die wirtschaftliche, wissenschaftliche und technologische Entwicklung als das erste Land in der Region etablieren soll, wird nur implizit auf die Notwendigkeit konstruktiver Beziehungen des Landes zu anderen Staaten in unterschiedlichen Bereichen hingewiesen (vgl. Alavi Moghaddam & Kheirabadi 2012: 32–34). In der umfassenden wissenschaftlichen Roadmap des Landes werden gezielte Organisations- und Fördermaßnahmen bezüglich des Fremdsprachenangebots als eine der wichtigsten nationalen Strategien zur Weiterentwicklung der Humanwissenschaften bezeichnet. Hierzu wird besonders die Notwendigkeit der Diversifizierung des institutionellen Fremdsprachenunterrichts zur Erweiterung der fremdsprachlichen Kommunikationskompetenz der Individuen mit Rücksicht auf Bedürfnisse des Landes und der nationalen Interessen betont (vgl. Oberster Rat der Kulturrevolution der islamischen Republik Iran 2009: 54–57). In dem nationalen Curriculum, das sich im Vergleich zu den weiteren Grundsatzdokumenten des Landes ausführlicher mit dem Thema Fremdsprachenangebot im offiziellen Bildungsbereich befasst, sind diejenigen Fördermaßnahmen hervorgehoben, die zur Befähigung der Schüler zur Bewältigung von Kommunikationssituationen in internationalen Kontexten beitragen können. Die Entwicklung in wirtschaftlichen, wissenschaftlichen wie auch politischen Bereichen wird ebenso als wichtiges Ziel des schulischen Fremdsprachenunterrichts bezeichnet (vgl. Ministerium für Bildung und Erziehung der islamischen Republik Iran 2012: 37). Das 2012 neu strukturierte iranische Schulwesen besteht aus sechs Jahren Primarstufe sowie drei Jahren Sekundarstufe I und drei Jahren Sekundarstufe II.

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In den schulischen Curricula ist das Erlernen einer Fremdsprache ab der 7. Klasse bis zum Ende der Schulzeit als Pflichtfach mit zwei Wochenstunden festgesetzt, wobei die Schüler unter sechs Fremdsprachen1 eine auszuwählen haben. Weiterhin ist zu erwähnen, dass die arabische Sprache, die in dem nationalen Curriculum als Sprache des Korans und nicht als Fremdsprache klassifiziert ist (vgl. Ministerium für Bildung und Erziehung der islamischen Republik Iran 2012: 38), ab der 7. Klasse als Pflichtfach unterrichtet wird. Wie dargestellt ist im iranischen schulischen Curriculum kaum Raum für das Erlernen einer weiteren Fremdsprache gelassen worden und die einzige Wahlpflichtsprache stellt eine deutliche Asymmetrie zugunsten des Englischen dar (vgl. Haghani 2008b: 19). Englisch bekommt bei der Fremdsprachenkonstellation im Schulbereich eine besondere Relevanz: Falls man sich für eine andere Fremdsprache entscheidet, muss erst ein Antrag von einer Gruppe mit mehr als zehn Lernern gestellt werden, damit der Englischunterricht durch einen anderen Sprachunterricht ersetzt wird (vgl. Haghani 2009: 25). Im universitären Bereich ist dagegen eine breitere Sprachenpalette anzutreffen, wobei derzeit außer Englisch zehn weitere Fremdsprachen2 als Studiengänge in sechzehn staatlichen Universitäten angeboten werden (vgl. Staatliche Organisation für Bildungsprüfungen 2017: 25–28). Für das Studium in einer dieser Fremdsprachen sind keine Vorkenntnisse erforderlich; Englischkenntnisse bis zu einem gewissen Grad reichen für die Zulassung zur Universitätsaufnahmeprüfung aus. Englisch zählt zu den Pflichtmodulen fast aller Studienfächer an iranischen Hochschulen. Es wird auch als ein eigenständiges Studienfach an mehr als sechzig staatlichen Universitäten in verschiedenen Fachrichtungen und Studiengängen angeboten. Deutsch und Französisch, die zurzeit um den ersten Platz als zweite Fremdsprache im Iran konkurrieren, werden jeweils nur in vier bzw. zehn staatlichen Hochschulen als Studienfach angeboten. Die angeführten Fakten veranschaulichen, wie Englisch-zentriert das Bildungssystem des Irans bezüglich des Fremdsprachenangebots in der Tat ist. Andere Fremdsprachen können sich lediglich als zweite Fremdsprache des Landes etablieren.

|| 1 Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Spanisch. 2 Armenisch, Chinesisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Russisch, Spanisch, Türkisch und Urdu.

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3 Deutsche Sprache und Germanistik: aktuelle Stellung und Förderungen In den letzten Jahren ist das Interesse für die deutsche Sprache im Iran sehr groß geworden und die Zahl der Deutschlernenden besonders im inoffiziellen Bildungsbereich sprunghaft gestiegen, was vor allem durch die akademisch, beruflich sowie privat motivierte Zunahme der Auswanderungen nach Deutschland zu begründen ist (vgl. Sennema & Maleki 2017: 538). Deutschland ist derzeit bei iranischen Jugendlichen das viertbeliebteste Zielland für ein Auslandsstudium. Die Zahl der iranischen Studienbewerber über uni-assist hat im Studienjahr 2016 im Vergleich zum Jahr 2013 um ca. 74 Prozent zugenommen und der Iran liegt mit insgesamt 4,9 Prozent aller Bewerbungen auf dem 4. Platz der Rangliste der Herkunftsländer ausländischer Bewerber (vgl. DAAD & DZHW 2017: 56). Auch hat sich iranisches Wissenschaftspersonal an den deutschen Hochschulen seit 2015 mehr als verdreifacht (vgl. DAAD & DZHW 2017: 96).

3.1 Deutsch in der Wirtschaft und im Tourismus Die wirtschaftlichen Beziehungen des Irans zu den westlichen Ländern wie auch sein Tourismus sind aufs Engste mit der Außenpolitik des Landes verbunden. Somit war nach Lockerung der Sanktionen gegen den Iran Anfang 2016 infolge des erfolgreichen Atomabkommens ein Boom im Außenhandel mit den europäischen Ländern zu erwarten. Deutschland und die Schweiz lagen 2017 auf den Rängen eins und zwei der europäischen Lieferantenliste des Irans. Österreich nahm die 12. Position ein. Laut den iranischen Zollstatistiken haben sich deutsche Lieferungen allein im ersten iranischen Halbjahr 13963 gegenüber der ersten Hälfte des Vorjahrs um 16,5 Prozent erhöht und die Importe aus der Schweiz stiegen um 52,9 Prozent. Deutschland ist auch der zweitgrößte europäische Importeur iranischer Produkte (vgl. Trade Promotion Organization of Iran 2017: 13). Über die Zahl der deutschsprachigen Unternehmen im Iran liegt bislang keine offizielle Statistik vor, aber es wird erwartet, dass deutsche Unternehmen künftig mit steigender Tendenz im Iran investieren, was nebenher der deutschen Sprache eine gute Perspektive bietet. Obwohl allgemein Englisch als internationale Handelssprache gilt, bietet die Teheran Handelskammer seit 2016 zusammen mit dem Österreichischen Kulturforum Teheran (ÖKF) iranischen Händlern

|| 3 03.2017–09.2017

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Deutschkurse an. Auch die deutsch-iranische Industrie- und Handelskammer bietet seit 2016 in Kooperation mit dem Deutschen Sprachinstitut Teheran (DSIT) und dem Arian-Sadr-Kulturhaus „Deutsch für den Beruf“-Kurse an. Seit 2016 wird das Projekt „Iran-Horizonte: Chancen für die Zukunft“ als eine Gemeinschaftsinitiative des deutschen Auswärtigen Amts, des Goethe-Instituts, des Deutschen Industrie- und Handelskammertags und des Bundesverbands der Deutschen Industrie durchgeführt. Im Rahmen dieses Programms können iranische hoch qualifizierte Fachkräfte acht Wochen bei Gastunternehmen in Deutschland hospitieren. Die Hospitanten sollen neben fachlichen Qualifikationen auch über Deutschkenntnisse auf B2-Niveau verfügen. Projektziele sind „Stärkung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen, Aufbau eines Netzwerks von qualifizierten und an Deutschland interessierten Ansprechpartnern in Wirtschaft und Politik sowie Förderung des interkulturellen Austausches zwischen Deutschland und dem Iran“. Die iranischen Teilnehmenden erhalten vor der Hospitation in ihrem Unternehmen einen vorbereitenden Sprachkurs sowie ein interkulturelles Training in Deutschland (vgl. Goethe-Institut 2017). Seit 2016 erlebt gleichsam der Tourismus des Landes einen Boom, wobei nach offiziellen Statistiken der Organisation für Kulturerbe, Handwerk und Tourismus Irans die Zahl der ausländischen Touristen 2016 gegenüber 2015 um ca. 40 Prozent gestiegen ist. Obwohl die deutschsprachigen Länder mit nur 2 Prozent eine magere Bilanz vorzuweisen haben, steht Deutschland dennoch mit einem Zuwachs um 22,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf dem 1. Platz der Rangliste der europäischen Iran-Besucher (Organisation für Kulturerbe, Handwerk und Tourismus Irans 2017: 5-6). Im Jahr 2000 wurde der Städtepartnerschaftsvertrag zwischen Esfahan und Freiburg unterzeichnet. Seitdem haben die beiden Städte in diversen Bereichen kontinuierlich bilaterale Beziehungen aufgebaut und gepflegt. In diesem Rahmen wurde der Freundeskreis Freiburg-Isfahan e. V. gegründet, der vor allem eine Pflege der interkulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen, z.B. Durchführung regelmäßiger Bürgerreisen und eines Studentenaustauschs, anstrebt. Einer der iranischen Partner, das Kultur- und Kunstinstitut Digar, ermöglicht seit 2008 auch iranischen Interessenten die Teilnahme an deutschen Sprachkursen der Freiburger Universität.

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3.2 Deutsch im Bildungsbereich 3.2.1 Deutsch an Schulen Wie bereits erwähnt spielt Deutsch als schulisches Unterrichtsfach keine nennenswerte Rolle. Es gibt jedoch zurzeit sechs private PASCH-Schulen in Teheran, die Interessenten seit 2013 im Rahmen eines Wahlfachs Deutsch als zweite Fremdsprache anbieten. Der Deutschunterricht wird an diesen privaten Schulen unter Aufsicht und mit Unterstützung des Goethe-Instituts in den Grundstufen A1 und A2 für Sekundarstufen angeboten (vgl. Khalatbari, Kassai & Mirhadi 2015: 20). Die Deutsche Botschaftsschule Teheran (DBST) ist die einzige deutschsprachige Schule im Iran. Die Unterrichtssprache ist Deutsch und ab der 1. Klasse werden Englisch und Persisch sowie ab der 6. Klasse Französisch gelehrt. Da hier nur nicht-iranische Staatsangehörige aufgenommen werden, gilt der Beitrag dieser Schule zur Verbreitung der deutschen Sprache im Land als marginal.

3.2.2 Deutsch und Germanistik an Universitäten Auf akademischer Ebene wird derzeit Germanistik in vier staatlichen sowie zwei kostenpflichtigen privaten Universitäten als eigenständiges Studienfach angeboten, wobei eine Spezialisierung in einem der drei Schwerpunktgebiete „Sprache und Literatur der deutschen Sprache“, „Übersetzen der deutschen Sprache“ und „Didaktik der deutschen Sprache“ vorgesehen ist. Im Rahmen des germanistischen Studiengangs mit dem Schwerpunkt „Übersetzen der deutschen Sprache“ ist die Ausbildung fachkundiger Übersetzer in verschiedenen Bereichen das Hauptziel des Studiums. Anhand der Übersetzung diverser Textsorten sollen erste Erfahrungen in der Berufspraxis gesammelt werden. Im Schwerpunktgebiet „Literatur und deutsche Sprache“ setzt man sich u. a. mit verschiedenen literarischen Gattungen, deutscher Sprach- und Literaturgeschichte sowie der Analyse und kritischen Bewertung ausgewählter deutscher Literatur auseinander. Der Studiengang hat zum Ziel, den Studierenden das nötige Fachwissen für Tätigkeiten im Bereich der deutschen Kultur und Literatur zu vermitteln. In der Fachrichtung „Didaktik der deutschen Sprache“, die sich auf die Ausbildung qualifizierter Deutschlehrer konzentriert, liegt der Akzent auf der theoretischen sowie praktischen Vermittlung der Unterrichtsmethoden im Bereich Deutsch als Fremdsprache und auf pädagogischen Inhalten.

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Die deutsche Sprache wird zudem an einigen Universitäten, z.B. Isfahan, Shiraz und Arak, den Studierenden des Fachs „Englische Sprache und Literatur“ angeboten. Bei diesem Angebot handelt es sich um „Deutsch als zweite Fremdsprache“, das innerhalb von zwei Semestern im Rahmen eines Pflichtfachs mit insgesamt vier Unterrichtseinheiten zu besuchen ist und Grundkenntnisse in Deutsch vermittelt. Der Bachelor-Studiengang ist auf vier Jahre angelegt. Während sich die ersten vier Semester als Grundstudium intensiv der Vermittlung sprachlicher Fertigkeiten und der Vertiefung der Deutschkenntnisse der Studierenden widmen, steht ab dem fünften Semester der praktische Erwerb fachrichtungsspezifischer Qualifikationen, wie z.B. Übersetzungskompetenz oder Methodik und Didaktik des Deutschunterrichts, im Vordergrund. Die Studierenden haben insgesamt 113 Unterrichtseinheiten zu belegen, darunter 99 Einheiten in den Pflichtfächern und 14 in den Wahlpflichtfächern. Das in der Regel zwei und höchstens drei Jahre dauernde Masterstudium verlangt von den Studenten nach dem erfolgreichen Besuch der 28 fachbezogenen Unterrichtseinheiten in drei Semestern die Anfertigung einer Masterarbeit im jeweiligen Schwerpunkgebiet. Der Promotionsstudiengang zur Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Fachgebiet Deutsch als Fremdsprache, der den Studierenden eine wissenschaftlich fundierte Beschäftigung mit der deutschen Sprache ermöglicht, besteht aus einer viersemestrigen Unterrichtsphase mit 18 Unterrichtseinheiten und einer maximal achtsemestrigen Forschungsphase, die letztendlich durch die Anfertigung und mündliche Verteidigung einer Doktorarbeit abgeschlossen wird. Dieser Studiengang, der zurzeit nur an der Universität Teheran angeboten wird, legt einen forschungspraktischen Fokus auf den thematischen Komplex „Didaktik der deutschen Sprache“ bzw. „Deutsch als Fremdsprache“. Eintrittsvoraussetzung für alle Studiengänge ist in der Regel die erfolgreiche Belegung der zentralen staatlichen Hochschulaufnahmeprüfung. Diejenigen, die in einem der germanistischen Bachelorstudiengänge studieren wollen, brauchen bei der Prüfung keine Deutschkenntnisse vorzuweisen. Hingegen sind sehr gute Deutschkenntnisse Voraussetzung für den Zugang zu den Master- und PhD-Studiengängen in diesem Fach. Folgende Tabelle gewährt einen Überblick über den Status quo der Germanistik-Abteilungen im Iran:

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Tab. 1: Iranische Germanistik-Abteilungen im Überblick – Stand: 2017 Universität Gründung Schwerpunktgebiet: Zahl der StudiZahl der der Germa- enanfänger pro akademisches Jahr Dozenten nistik-AbteiBachelorMasterPromotion lung studienstudiengang gang

Summe der Studierenden

Universität 1958 Teheran

Übersetzen der deutschen Sprache: 20

Übersetzen der deutschen Sprache: 9

Didaktik der deutschen Sprache: 5

8

ca. 160

ca. 110

Deutsche Sprache und Literatur: 9 Shahid1962 BeheshtiUniversität

Deutsche Sprache und Literatur: 20

Didaktik der deutschen Sprache: 10



6

Tabatabai- 2017 Universität Teheran

Deutsche Sprache und Literatur: 30





N/A

Universität 1995 Esfahan

Übersetzen der deutschen Sprache: 40





4

ca. 120

Islamische Azad-Uni- 1985 versität Teheran/ ZentralZweigstelle

Übersetzen der deutschen Sprache: 40

Didaktik der deut– schen Sprache: 15

22

ca. 300

3

ca. 180

Islamische Azad-Universität/ 2005 Wissenschaft und ForschungZweigstelle

N/A

Deutsche Sprache und Literatur: 25



Didaktik der deutschen Spra- – che: 30 Deutsche Sprache und Literatur: 30

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Das germanistische Promotionsprogramm der Universität Teheran wird seit 2006 vom DAAD unterstützt, wobei jährlich vier Doktoranden und zwei Dozenten im Rahmen des GIP-Programms an der Universität Potsdam ein Forschungsaufenthalt als Gastwissenschaftler ermöglicht wird. Außerdem halten jedes Jahr Dozenten der deutschen Partneruniversität Vorlesungen bzw. Seminare an der Deutschabteilung der Universität Teheran und führen einen Doktorandenworkshop durch. Zudem arbeiten derzeit vier Lektoren im Auftrag des DAAD an den Deutschabteilungen der Universitäten Teheran, Shahid Beheshti und Esfahan. Der DAAD hat 2016 zusammen mit der Deutschabteilung der Universität Teheran die internationale Deutschkonferenz Teheran zur Perspektive der Germanistik und Deutschförderung im Iran und in der Region veranstaltet, an der neben iranischen und deutschen Dozenten sowie Nachwuchswissenschaftlern auch Germanisten aus der Region teilgenommen haben.

3.3 Deutsch in außerschulischen und außeruniversitären Institutionen Das Deutsche Sprachinstitut Teheran (DSIT) gilt zurzeit als das wichtigste DaFInstitut im Iran und war im Jahr 2016 mit ca. 7000 Deutschlernern drittgrößtes DaF-Institut der Welt (vgl. DAAD 2017: 31). DSIT wurde 1995 unter dem Dach der Deutschen Botschaft Teheran gegründet und fungiert seitdem als Vertretung des Goethe-Instituts im Iran. DSIT ist das einzige Prüfungszentrum im Iran, das zur Abnahme der Prüfungen des Goethe-Instituts sowie der TestDaF- und TestASPrüfungen autorisiert ist (vgl. Khalatbari, Kassai & Mirhadi 2015: 18). Das Institut hat 2014 zum ersten Mal eine Deutscholympiade im Iran veranstaltet. Die zwei Teilnehmerinnen mit Gold-Urkunde haben dann an der Internationalen Deutscholympiade in Frankfurt teilgenommen, wobei eine der Teilnehmerinnen die Bronzemedaille in der Sprachniveaugruppe A2 gewonnen hat. DSIT ist zudem seit 2005 im Bereich Lehrerfortbildung tätig. Das Fortbildungsprogramm dauert sechs Monate und besteht aus zwei Online- und Präsenzphasen, in denen erforderliche Kenntnisse und entsprechende Kompetenzen zum Deutschlehren vermittelt werden sollen. Eine weitere ausländische Institution zur Pflege und Verbreitung der deutschen Sprache im Iran ist das Österreichische Kulturforum Tehran (ÖKF), das seit 1972 neben anderen bilateralen kulturellen Aktivitäten auch im Bereich Deutschunterricht in Teheran aktiv ist (Dousteh Zadeh 2006: 66) und fünfmal im Jahr die ÖSD-Prüfungen in allen Niveaustufen durchführt. Allein 2015 haben sich etwa 3000 Deutschlernende in den Deutschkursen des Instituts angemeldet.

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Über die Anzahl der privaten iranischen Sprachinstitute, die Deutsch anbieten, liegt keine zuverlässige Statistik vor. Eine der ältesten dieser Einrichtungen, die einen beträchtlichen Beitrag zur Verbreitung der deutschen Sprache leisten, ist das Iran Language Institute (ILI), in dem seit 1995 neben weiteren Fremdsprachen auch Deutsch unterrichtet wird. Die Deutschabteilung des ILI hat fast in allen Großstädten des Landes eine Zweigstelle.

4 Fördermöglichkeiten und Verbesserungsvorschläge Die retrospektive Analyse der iranischen Fremdsprachenpolitik sowie die Darstellung der aktuellen Situation und der bestehenden Förderung der deutschen Sprache im Iran sollen einerseits zu einem besseren Verständnis der entscheidenden Faktoren bei der Verbreitung einer Fremdsprache führen und andererseits einen möglichst realistischen Ausblick über die künftige Entwicklung des Deutschen ermöglichen sowie die Entwicklungspotenziale verdeutlichen. Die Schilderungen lassen vermuten, dass sich die Situation des Deutschen in den letzten Jahren im Iran verbessert hat und es gegenwärtig eine durchaus positive Perspektive hat, vor allem da eine gewinnbringende und nachhaltige Zusammenarbeit zwischen dem Iran und den deutschsprachigen Ländern im Bildungs-, Wirtschafts- und Tourismusbereich zu erwarten ist. Jedoch mangelt es noch an Fördermaßnahmen, damit sich Deutsch als zweite Fremdsprache im Iran etablieren kann. Solche Maßnahmen sind überwiegend auf die Ebenen der Politik, Wirtschaft, Kultur und Bildung auszurichten. In Anbetracht der unentbehrlichen Rolle der Politik bei der Auf- bzw. Abwertung einer Fremdsprache im Iran sind die politischen Beziehungen zwischen dem Iran und den deutschsprachigen Staaten zu intensivieren. Entsprechende Maßnahmen erstrecken sich von einem Verzicht auf konfrontative Positionen in internationalen Auseinandersetzungen, wie z.B. im Fall des iranischen Atomprogramms, über die Intensivierung der bilateralen diplomatischen Kooperation bis hin zur Verstärkung der Beziehungen zu den deutschsprachigen Förderinstitutionen wie Goethe-Institut und DAAD. Derzeit unterhält Deutschland eine Botschaft in Teheran, während der Iran eine Botschaft in Berlin mit drei Generalkonsulaten in Hamburg, Frankfurt und München betreibt. Eine der größten Herausforderungen für diejenigen Iraner, die besonders zum Zweck des Studiums oder der Familienzusammenführung nach Deutschland kommen wollen, ist die lange

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Wartezeit im Zusammenhang mit Visaanträgen, die im Fall von Daueraufenthalten bis zu mehr als ein Jahr betragen kann. Antragsteller kann das entmutigen, sodass sie das Deutschlernen aufgeben. Eine Verbesserungsmöglichkeit diesbezüglich bestünde darin, in Großstädten wie Shiraz, Mashhad und Esfahan, wo nach Teheran die meiste Nachfrage nach dem Erlernen des Deutschen besteht, Generalkonsulate zu eröffnen. Eine Erweiterung der konsularischen Präsenz der deutschsprachigen Staaten im Iran würde einerseits die deutsche Botschaft in Teheran entlasten und andererseits eine gute Gelegenheit bieten für eine Zusammenarbeit vor allem im kulturellen und wirtschaftlichen Bereich im ganzen Land. Nach der Wiedereröffnung des DAAD-Informationszentrums im Jahr 2014 in Teheran ist auch zu hoffen, dass die Akteure der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland die Verhandlungen über die Wiedereröffnung des Goethe-Instituts in Teheran in Gang setzen, damit durch vielfältige kulturelle Veranstaltungen auch der interkulturelle Austausch zwischen dem Iran und Deutschland unterstützt werden kann. Aufgrund der immensen Bedeutung des deutschsprachigen Tourismus für die Verbreitung des Deutschen im Ausland scheinen Fördermaßnahmen, wie z.B. Organisierung von Rundreisen und Motivierung potenzieller Touristen zu Gruppenreisen in den Iran, unabdingbar. Zu diesem Zweck sollten deutschsprachige Medien und Kulturakteure ein aktuelles und authentisches Iranbild vermitteln. Die Zunahme deutschsprachiger Touristen im Iran bietet u. a. Germanistikstudenten bzw. -absolventen gute Gelegenheiten, sich im Tourismusbereich zu beschäftigen. Dies stärkt die Motive Jugendlicher, Deutsch zu lernen bzw. zu studieren. Derzeit entwickeln die Universitäten Esfahan und Mashhad Vorschläge für neue Germanistik-Studiengänge mit dem Schwerpunkt Tourismus. Auf der wirtschaftlichen Ebene sollten mehr Förderinitiativen, wie z.B. das erwähnte Projekt Iran-Horizonte, ins Leben gerufen werden. Förderprogramme, wie kurzfristige Hospitation bzw. Praktika bei deutschsprachigen Unternehmen, können iranische Fachkräfte verstärkt zum Deutschlernen ermutigen. Deutschland muss einer der privilegierten Handelspartner Irans bleiben. Dabei sollte besonders darauf geachtet werden, dass das Deutsche zugunsten der Kundengewinnung auf der internationalen Ebene durch die englische Sprache nicht mehr vernachlässigt wird. Deutschkenntnisse iranischer Geschäftspartner sollten bei geschäftlichen Verhandlungen als Pluspunkt empfunden werden. Hinsichtlich der sehr intensiven Nachfrage nach Englischunterricht auf Schulebene ist die Einführung der deutschen Sprache als Schulfach im Iran nur dann zu erreichen, wenn eine zweite Wahlpflichtsprache in die schulischen Curricula eingeführt wird. Nachdem Irans „Staatsoberhaupt“ Ayatollah Khamenei am 2. Mai 2016 in einer Rede bei dem „Treffen der Lehrer und Erzieher anlässlich

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der Lehrerwoche“ kritisiert hat, dass die englische Sprache im Lande die einzige Sprache der Wissenschaft sei, kann man erwarten, dass die Bildungspolitik des Landes in nicht allzu ferner Zukunft in Bezug auf Fremdsprachenunterricht umstrukturiert wird und die Entscheidungsträger im iranischen Bildungsministerium das Erlernen weiterer Fremdsprachen ermöglichen und fördern. Das stellt eine einzigartige Gelegenheit sowohl für die iranische Seite zur Förderung der Mehrsprachigkeit auf der Bildungsebene als auch für die deutschsprachigen Länder zur Verbreitung ihrer Sprache dar. Die für die Förderung des Deutschen im Ausland zuständigen Instanzen dürfen den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen und sollten Initiative ergreifen. Sie sollten zuallererst mit den iranischen Entscheidungsträgern für Fremdsprachenunterricht im Bildungsministerrum über mögliche Kooperationen bzw. Fördermöglichkeiten, wie z.B. Mitwirkung beim Entwurf des Lehrplans, Bereitstellung der Unterrichtsmaterialien und Aus- bzw. Fortbildung der Lehrkräfte, beratschlagen. Dabei sind vor allen Dingen die kulturellen bzw. ideologischen Gegebenheiten im offiziellen Bildungssystem des Irans in Betracht zu ziehen. Auf der anderen Seite sollte die Attraktivität der deutschen Sprache bei iranischen Schülern durch interessante Angebote, wie Sommersprachkurse in deutschsprachigen Ländern, sowie das Aufzeigen von Chancen zum Studium an deutschsprachigen Universitäten erhöht werden. Im universitären Bereich ruht ein riesiges Potenzial für die Weiterentwicklung der deutschen Sprache. Angesichts des regen Interesses der Studenten in den letzten Jahren, an deutschen Universitäten zu studieren, und der Tatsache, dass Deutschkenntnisse zu diesem Zweck nötig sind (mindestens um ein Visum zu erhalten), lässt sich hoffen, dass der Deutschunterricht im Rahmen extracurricularer Angebote bei dieser Gruppe sehr willkommen sein wird. Hierzu scheint die Unterstützung seitens deutscher Institutionen vor allem bei der Durchführung von Deutschprüfungen sowie Erteilung der anerkannten Sprachzertifikate sinnvoll und ermutigend. Deutsch kann zudem bei vielen Fächern besonders im Bereich der Geistes- und Ingenieurwissenschaften, wie z.B. Philosophie, Soziologie, Maschinenbau usw., als Fachsprache angeboten werden, auch um eine interdisziplinäre Kooperation zwischen den germanistischen Abteilungen und den Fachabteilungen einzuleiten, von der beide Seiten profitieren können. Seit Wiedereröffnung des DAAD-Informationszentrums in Teheran und darauffolgend der Intensivierung der bilateralen Kooperation im Bildungsbereich und der Unterstützung der internationalen Vernetzung werden iranischen Wissenschaftlern bzw. Studierenden zahlreiche Stipendien zur Verfügung gestellt, wodurch neben der Förderung hoch qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses und der Bildung dauerhafter Partnerschaften bzw. Freundschaften zwischen beiden Ländern die Verbreitung der deutschen Sprache und Vermittlung

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eines positiven Deutschlandbilds im Iran unterstützt werden. Es ist jedoch zu beachten, dass Deutschkenntnisse bei den meisten Stipendien zwar erwünscht, aber keine Bewerbungsvoraussetzung sind und der Nachweis guter englischer Sprachkenntnisse besonders in den Natur- und Ingenieurwissenschaften ausreichend ist. Daher ist es sinnvoll, zumindest den Besuch eines DaF-Kurses zum Erwerb der deutschen Grundkenntnisse für Alltagssituationen im Rahmen des Stipendienprogramms zu fordern und zu fördern. Nicht zuletzt sollten besondere Fördermaßnahmen für die Germanistik-Abteilungen der iranischen Universitäten vorgesehen werden, die vor allem auf kontinuierliche Modernisierung bzw. Optimierung der Curricula, Verbesserung der didaktisch-methodischen Qualität von Unterricht und Lehre, Qualifizierung und Fortbildung für Dozenten, Intensivierung der Zusammenarbeit und des Austauschs unter Germanisten, Intensivierung der bereits bestehenden Kooperationen zwischen iranischen und deutschsprachigen Institutionen, gemeinsame Studentenaustausch- sowie Doktorandenprogramme abzielen. Um die nachhaltige Entwicklung des Fachs sowie die zweckdienlichere und effizientere Durchführung der Fördermaßnahmen zu gewährleisten, scheint es sinnvoll, grundlegende Forschungen über Qualifikationsstand und Berufsverbleib der Germanistik-Absolventen durchzuführen. Dabei sollen wertvolle Erkenntnisse über die Nützlichkeit bzw. Umsetzbarkeit der im Studium erworbenen Qualifikationen sowie die tatsächlichen Tätigkeitsfelder des Fachs gewonnen werden, sodass die Studiengänge optimiert und praxisnahe Verbesserungsvorschläge integriert werden können. Zugleich sollte Germanistik-Studierenden bzw. -Interessenten eine realistische Perspektive hinsichtlich Berufs- und Karrieremöglichkeiten und Marktchancen vermittelt werden, um ihre Studienmotive zu stärken.

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Förderung der deutschen Sprache in China In den letzten zwei Jahrzehnten lässt sich die Tendenz beobachten, dass die Anzahl der Deutschlernenden in den meisten Gebieten außerhalb des deutschsprachigen Raums schrumpft, wohingegen China mit einer stetig zunehmenden Lernerzahl eine der wenigen Ausnahmen bildet. Der Aufschwung der deutschen Sprache in China, die aus unterschiedlichsten Motiven gelernt wird, hängt mit verschiedenartigen Faktoren zusammen, wobei die Förderung der Sprache seitens der deutschsprachigen Länder – vor allem Deutschland und Österreich – auch ins Gewicht fällt. Während man den inneren Antrieb zum Erlernen des Deutschen, insbesondere die Ausstrahlungskraft der deutschsprachigen Länder im Sinne des positiven Landesbildes als Lernmotivation betrachtet, werden die Initiativen der deutschsprachigen Länder zur bewussten Förderung ihrer Sprache in China oft unterschätzt oder gar ignoriert. Dies geht z. T. auch darauf zurück, dass die Förderungsarbeit der deutschen Sprache anhand der Mittlerorganisationen in China – nicht zuletzt von Österreich – wenig bekannt ist. Des Weiteren wurde vor einem Jahrzehnt festgestellt, dass die eindeutige Wachstumstendenz bezüglich der Nachfrage nach Deutsch in China eher „von unten“, d. h. aus chinesischer Initiative heraus vonstattenging, während eine entsprechende von den deutschsprachigen Ländern, also „von oben“ forcierte Förderungspolitik in China zwar vorhanden, jedoch nur sehr eingeschränkt zu erkennen war (vgl. Hernig 2007: 262). Deshalb ist es umso notwendiger, einen Blick auf die aktuelle Konstellation zu werfen.

1 Die Förderung seitens Deutschlands Seit jeher gilt Deutschland als Hauptakteuer – mit deutlich großem Abstand von anderen deutschsprachigen Ländern – bei der Förderung des Deutschen in China. Dies scheint naheliegend, da man in China größtenteils spontan die deutsche Sprache (chin.: deyu) mit Deutschland (chin.: deguo) assoziiert. Wie in anderen Ländern und Regionen wird bei der Deutschförderung in China den Mittlerorganisationen eine große Bedeutung beigemessen, wohingegen eine direkte Ausführung der Aufgabe durch die Zentralregierung nicht erfolgt.

|| Jun He, Southwest Jiaotong University, Chengdu, Volksrepublik China, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-049

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1.1 Das Goethe-Institut Die wichtigste Mittlerorganisation, die mit der Deutschförderung weltweit betraut wird, ist das Goethe-Institut. Schon der Name an sich ruft gleich den Eindruck hervor, dass diese Organisation der Sprache und Kultur von Goethe, einem Inbegriff des Landes der Dichter und Denker, gewidmet ist.

1.1.1 Goethe-Institut mit Informations- und Lernzentren Zurzeit gibt es drei Goethe-Institute in China, jeweils in Peking, Hongkong und Taiwan. Hinzu kommen neun Goethe-Lernzentren in anderen Großstädten, die wie Goethe-Institute Sprachkurse auf verschiedenen Niveaus anbieten. Wie man den Daten in Abbildung 1 entnimmt, fällt die regionale Verteilung der Vertretungen – aus wohlverstandenen Gründen – sehr unausgewogen aus: Während sich die meisten in den ost- und südchinesischen Metropolen des Küstengebietes befinden, lassen sich die Zentren nur vereinzelt in Nord- und Westchina beobachten. Nicht selten fragt man sich, warum es im bevölkerungsreichen Festland Chinas nur ein Goethe-Institut gibt. Häufig wird die chinesische Regierung dafür verantwortlich gemacht, dass sie die Gründung mehrerer Goethe-Institute nicht zulasse, eine Behauptung, die immer noch einer Bestätigung bedarf und natürlich auch schwer zu überprüfen ist. Diese Aussage scheint umso unsicherer, insbesondere wenn man feststellt, dass mehrere Zweigstellen der Alliance Française im Festland Chinas aktiv sein dürfen (vgl. Abb. 1). Ein weiteres Forschungsdesiderat wäre diesbezüglich das Zusammenwirken von verschiedenen Faktoren, an denen die große Diskrepanz zwischen der Anzahl der deutschen und französischen Mittlerorganisationen in China liegt. Einerseits verfolgt Frankreich gegenüber Deutschland eine auf Regeln und Verbote erpichte Sprachschutzpolitik und eine viel engagiertere Sprachverbreitungspolitik im Sin-ne der Frankophonie, andererseits wird von Seiten Chinas im Rahmen der auswärtigen Politik dem Kulturaustausch mit Frankreich mitsamt den frankophonen west- und nordafrikanischen Staaten, deren Außenbeziehungen zu China traditionsgemäß hochgeschätzt und im Sinne der „Entwicklungshilfe“ dauernd gepflegt werden, eine deutlichere Priorität eingeräumt.

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Abb. 1: Standorte und Anzahl der Alliance Française (F) und Goethe-Institute bzw. Goethe-Lernzentren (D) in China (Stand: Juli 2018). (Quelle: https://www.goethe.de/ins/cn/zh/sta/koo/ slz.html, http://www.afchine.org/zh-hans, 14.07.2018)

Ferner stellt sich die Frage, inwiefern sich das einzige Goethe-Institut im Festland und die weiteren Goethe-Lernzentren hinsichtlich des Zuständigkeits- und Aufgabenbereichs überschneiden. Solchen an Ort und Stelle vertretenen Informations- und Lernzentren kommt eine umso größere Rolle zu angesichts der Tatsache, dass die Sprachlernsituation in China, einem Flächenland mit einer großen Bevölkerungszahl, regionenspezifisch, d. h. mit den lokalen Verhältnissen aufs Engste verbunden ist. In der Tat übernehmen diese Informations- und Lernzentren, die ursprünglich als Kontaktstellen und Netzwerkknoten eingestuft wurden, neben dem Sprachkursangebot auch andere Aufgaben wie Studienberatung und Kulturvermittlung, woraus ein Berater- und Multiplikatorennetzwerk um diese Zentren entsteht. In einigen Städten kooperieren diese Zentren auch mit städtischen oder provinzialen Bibliotheken und stellen einen kleinen Bestand an Deutschlernmaterialien (Bücher, Sprachlernfilme, Lernprogramme auf CD-ROM etc.) bereit, die frei einsehbar und entleihbar sind.

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1.1.2 Sprach- und Kulturarbeit des Goethe-Instituts Die zentrale Aufgabe des Goethe-Instituts besteht darin, den Interessierten Intensivsprachkurse anzubieten. War die Zielgruppe nach der Gründung des GoetheInstituts in Peking 1988 einige Jahre lang überwiegend besonders ausgesuchte, sich durch große akademische Leistungen im naturwissenschaftlich-technischen Fachbereich auszeichnende Regierungsstipendiaten, so sind seit 1997 fast alle Teilnehmer „Selbstzahler“ aus allen Bevölkerungsschichten, die ein Studium in Deutschland ins Auge fassen (vgl. Hess 2001: 1581). Diese Aufgabe rückt in ausgeprägter Weise in den Vordergrund bei den Goethe-Lernzentren. Die Kurse, die zurzeit entsprechend des Europäischen Referenzrahmens in A1 bis C2 aufgeteilt werden, erfreuen sich in China regen Zuspruchs. Einer der möglichen Gründe liegt wohl darin, dass von dem Goethe-Institut auch entsprechende Prüfungen mit Sprachzeugnissen angeboten werden. Außerdem dürfte der größte Vorteil im modernen, lernerzentrierten, kommunikations- und handlungsorientierten Unterrichtskonzept liegen, dem interaktive Sozialformen wie Partner- und Gruppenarbeit zugrunde liegen. Als neuer Ansatz und Schwerpunkt in der Spracharbeit des Goethe-Instituts gilt das Engagement im Bereich Werbung für Deutsch als Fremdsprache, das darauf abzielt, auf die Attraktivität der deutschen Sprache und die aus ihrem Erlernen resultierenden Vorteile – wie etwa „Englisch ist ein Muss, Deutsch ein Plus“ – aufmerksam zu machen (vgl. Gauler & Treter 2007: 298). Ein imposantes Beispiel hierfür ist der Goethe-Bus, der 2013 quer durch mehr als 30 chinesische Großstädte fuhr und auf dem Campus zahlreicher Schulen und Hochschulen hielt, um den Interessierten die deutsche Sprache und Kultur näherzubringen. Zudem gehört das Angebot an Fortbildungskursen für Deutschlehrer in China in den Aufgabenbereich des Goethe-Instituts. Einmal jährlich findet diese Fortbildung – in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Anleitungskomitee für hochschulischen Fremdsprachenunterricht – in China statt. Darüber hinaus stellt das Goethe-Institut den chinesischen Deutschlehrern Stipendien für Fortbildungskurse in Deutschland zur Verfügung, in denen das Training von Vermittlungskompetenz zugunsten der Gruppendynamik und die Auffrischung landeskundlicher Kenntnisse im Mittelpunkt stehen. In dem letzten Jahrzehnt lässt sich die Tendenz beobachten, dass sich die Förderungsarbeit des Goethe-Instituts auf den kulturellen Bereich mit Veranstaltungsreihen wie Filmvorführungen, Ausstellungsführungen und Dialogen mit deutschen Kulturrepräsentanten in Form von Vorträgen, Diskussionen und Lesungen ausdehnt. Das Goethe-Institut wirkt auch aktiv an der Deutschförderung der chinesischen Schüler mit: Es gewährt

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den Gewinnern bei der Deutsch-Olympiade und dem Debattierwettbewerb der Schüler Stipendien für Sprachkurse in Deutschland.

1.2 Die Mitwirkung des DAAD Auch der DAAD, der sich allen voran der Erhöhung der Internationalität des Studien- und Wissenschaftsstandorts Deutschlands widmet, spielt eine mitwirkende Nebenrolle bei der Förderung der deutschen Sprache. Mit dem Hauptquartier in Peking und Vertretungen in Shanghai, Kanton und Hongkong verfolgt der DAAD das erstrangige Ziel, sich um die Angelegenheiten in Bezug auf ein Studium bzw. einen Forschungsaufenthalt in Deutschland zu kümmern. Hierzu zählen Bewerbungsverfahren, Studienkosten bzw. Stipendien, aber auch die Deutschkenntnisse, die eine der wichtigsten Zulassungsvoraussetzungen bilden. Wegen der seit zwei Jahrzehnten eingeführten englischsprachigen Studiengänge, die auch vom DAAD organisiert und bezuschusst werden, sinkt zwar die sprachliche Barriere, aber selbst in englischsprachigen Studiengängen wünscht man sich zumindest Grundkenntnisse des Deutschen, dessen Erwerb durch den – oft auch vom DAAD geförderten – studienbegleitenden Deutschunterricht verwirklicht wird.

1.2.1 DAAD-Lektorenstelle Der größte Beitrag zur Deutschförderung des DAAD in China besteht in der Versendung der Sprachlektoren an Deutschabteilungen chinesischer Hochschulen. Neben der Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur werden die Lektoren auch beauftragt, an der Verstärkung des Studienstandorts mitzuwirken, wie z. B. Teilnahme an der Bildungsmesse und Werbungskampagne. Bei der Lektorenversendung ist der DAAD zusehends der Konkurrenz von Seiten des Wirtschaftsbereichs wie z. B. der Robert-Bosch-Stiftung ausgesetzt, die auch großes Interesse an der Förderung der deutschen Sprache und Kultur auf der Welt hat. Wie der DAAD häufig betont, drückt sich der Unterschied der ausgewählten Lektoren vor allem in den besseren fachlichen Qualifikationen aus: Die DAAD-Lektoren müssen ein regelrechtes Germanistikstudium mit nicht nur muttersprachlichen Deutschkenntnissen, sondern auch fundierten didaktisch-methodischen Fachkenntnissen hinter sich haben. Aufgrund dieses hohen Niveaus wird vom DAAD erwünscht und vorgesehen, dass die Lektoren eher die Studierenden höherer Stufen unterrichten sollten. Dabei soll jedoch nicht in Vergessenheit geraten, dass in China der Bereich Germanistik und Deutsch als Fremdsprache seit jeher nie

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säuberlich getrennt wird (Hess 2001: 1584) und die allermeisten Germanistikstudierenden Nullanfänger sind. Angesichts der allgemeinen Situation des Fremdsprachenunterrichts in China, dass man im sekundären Bildungssektor selten Auslandslektoren zu Gesicht bekommt, ist die Präsenz der Lektoren gerade für das Grundstudium vonnöten. In der letzten Zeit zeichnet sich die Tendenz ab, dass der DAAD dem Bedarf an Lektoren an chinesischen Hochschulen – vor allem in Städten anders als den Mega-Metropolen wie Peking, Shanghai und Kanton – nicht gerecht werden kann. Dass sich viel weniger Kandidaten um eine Lektorenstelle in China bewerben, geht vornehmlich auf zwei Gründe zurück: Einerseits hält die sich verschlechternde Luftqualität infolge des Smogs viele Interessierte von einer Lehrtätigkeit in diesem Land ab, andererseits erhöht sich der Bedarf an Deutschlehrkräften auch innerhalb Deutschlands wegen des Zustroms von Flüchtlingen und ihrer sprachlichen Integration. Im Übrigen tritt der DAAD als Sponsor oder Ehrengast bei den Veranstaltungen der chinesischen Deutschlehrenden und -lernenden auf. Zur jährlichen Deutschlehrertagung unter der Leitung des Anleitungskomitees für hochschulischen Fremdsprachenunterricht in China ist der DAAD immer anwesend. Auch bei den Wettbewerben für chinesische Deutschlernende – z. B. bei dem Debattierwettbewerb sowohl im sekundären als auch im tertiären Bildungsbereich – ist der DAAD vertreten. Dies alles zeigt deutlich, dass der DAAD, der im eigentlichen Sinne nicht als Hauptakteur in Sachen der Spracharbeit fungiert, trotzdem einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der deutschen Sprache in China leistet.

1.2.2 Die Förderung des Deutschen und das Studium in Deutschland Gerade für den eigentlichen Aufgabenbereich des DAAD, nämlich die Stärkung des Studienstandorts und den Ausbau des Wissenschaftsaustausches, sollte der Sprachförderung ein größeres Gewicht zukommen. Hinsichtlich der engen Verbindung von Studium und Sprachkenntnissen, die man bei der Entscheidung für den Studienzielort stets in Erwägung zieht und die für den Studienerfolg eine wesentliche Rolle spielt, lässt sich die Mitwirkung des DAAD an der Deutschförderung mithin keineswegs geringschätzen. Dieser Faktor wiegt umso schwerer, zumal da die Chinesen seit langem als die mit Abstand größte Gruppe der Auslandsstudierenden in Deutschland gelten. Aus diesem Grunde ist die Stärkung des Deutschen als (Hoch-)Schulfach in China von unmittelbarer Relevanz: Würde die junge chinesische Generation möglichst früh und intensiv mit der deutschen Sprache vertraut gemacht, sänke

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die sprachliche Barriere, die nicht selten als ein Stolperstein zum Studium an deutschen Hochschulen eingestuft wird. Anzustreben wäre deshalb eine möglichst frühe, weitgehende und intensive Heranführung der Studierinteressierten an die deutsche Sprache, was sich letzten Endes positiv auf den Deutschunterricht im Herkunftsland auswirken könnte. Auch wenn nunmehr die englischsprachigen Studiengänge kein Schattendasein in der hochschulischen Landschaft Deutschlands mehr fristen, erweist sich die Beherrschung des Deutschen – zumindest der Grundkenntnisse – als ein erheblicher Vorteil, sei es für den Kontakt im alltäglichen Leben und die Integration in die deutsche Gesellschaft, sei es für die Arbeitsmöglichkeit in Deutschland nach dem Studienabschluss und die zukünftige Pflege des Kontakts mit Deutschland im Sinne der Multiplikatoren. Dass diese Annäherung an die deutsche Sprache eher im Heimatland, z. B. an einem Goethe-Institut, stattfinden sollte als erst nach der Ankunft in Deutschland, wird durch die Gegenbeispiele belegt. Eine Untersuchung bringt es zutage, dass viele chinesische Studierinteressierte ohne Grundkenntnisse im Deutschen „voreilig“ ins Zielland einreisen und ihr Deutschniveau während des Studiums – auch infolge von anderen Faktoren – stagniert oder sogar zurückfällt (vgl. Chen 2012). Dem „Nichtstun“ in Bezug auf sprachliche Vorbereitung liegt oft der Trugschluss zu Grunde, dass man später im Zielland die Landessprache einfach durch Kontakt mühelos erwerben kann, ohne sich anstrengen zu müssen (Yu 2008: 178). Dabei lassen sich viele chinesische Studierende oft über den Tatbestand hinwegtäuschen, dass ihr Lebensjahr schon längst das ideale Alter zum natürlichen Spracherwerb übersteigt (Yu 2008: 178). Die übereilte Einreise nach Deutschland ohne zumindest Grundkenntnisse im Deutschen birgt vor allem dann erhebliche Risiken in sich, wenn man während des Aufenthalts in Deutschland keinen erwartungsgemäß regelmäßigen Kontakt mit den Deutschen herstellen kann, was in Deutschland tatsächlich nicht selten passiert. Angesichts dessen kann man die Deutschförderung in Form des studienvorbereitenden und studienbegleitenden bzw. -integrierenden Deutschunterrichts, die nicht miteinander konkurrieren, sondern sich gegenseitig ergänzen, nicht genug unterstreichen.

1.3 Die Zentralstelle für das Auslandswesen (ZfA) Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld, in dem zur Förderung der deutschen Sprache in China agiert wird, ist das chinesische sekundäre Bildungssystem, das sich wieder in untere Stufe und obere Stufe aufteilen lässt. Der Deutschunterricht schon in der Schule ermöglicht längeres und intensiveres Lernen als der mit dem Beginn erst im Hochschulbereich. Ein möglichst früher Beginn bietet außerdem

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günstige Voraussetzungen für den Erwerb guter Deutschkenntnisse, da die Kinder sich noch in einem Alter befinden, in dem man eine Fremdsprache günstigenfalls ungesteuert erwerben kann. Hinzu kommt, dass die Schüler mit fundierten Deutschkenntnissen später das Deutschlernen in Form des Germanistikstudiums besser fortsetzen können als diejenigen, die erst auf der Hochschulebene bei null anfangen. Im Vergleich zum Deutschunterricht im chinesischen tertiären Bildungssektor kam Deutsch als Schulfach für längere Zeit nur ein peripherer Stellenwert zu, in quantitativer und auch in qualitativer Hinsicht. Seit der Jahrtausendwende erfährt Deutsch als Schulfremdsprache in China dank der PASCH-Initiative, dem Partnerschaftsabkommen zwischen deutschen und chinesischen Schulen unter der Federführung der ZfA und dem Goethe-Institut, einen stetigen und dynamischen Aufschwung. Zurzeit dehnen sich die schulischen Lehr- und Lernangebote von Deutsch als Fremdsprache an den „DSD-Schulen“ und „Fit- Schulen“ weiter aus. Die Schüler an den DSD-Schulen in China haben die Möglichkeit, während der Schulbildung das weltweit anerkannte Deutsche Sprachdiplom (DSD) der Kultusministerkonferenz (KMK), das den Schülern entsprechend ihren Leistungen einen unmittelbaren Hochschulzugang in Deutschland oder eine Zugangsberechtigung zum Studienkolleg ermöglicht, zu erbringen. Der Deutschunterricht an den „Fit-Schulen“ wird von dem Goethe-Institut unterstützt und orientiert sich an den Vorgaben der Prüfung „Fit in Deutsch“. Gegenwärtig fällt die Tendenz ins Auge, dass sich das Schulfach Deutsch als zweite Fremdsprache zum einen nicht nur auf die PASCH-Schulen und zum anderen nicht nur auf die Megastädte in den boomenden Wirtschaftsregionen wie Peking, Shanghai oder Kanton beschränkt. Deutschkurse, die vor dem Hintergrund des immerhin als prüfungsorientiert geltenden chinesischen Bildungssystems zumeist als sogenannte „Interessenkurse“ in den Lehrplan integriert werden, finden jetzt in zahlreichen Schulen statt. Hierzu gehören natürlich auch ein paar besondere Schulen wie die Waldorf-Schulen, die nach der anthroposophischen Bildungsidee des österreichischen Wissenschaftlers Rudolf Steiner fungieren und sich gegenwärtig in vielen chinesischen Großstädten niederlassen. Der schulische Deutschunterricht dehnt sich auch auf weitere provinziale Städte in den wirtschaftlich verhältnismäßig unterentwickelten Binnenregionen in Nordund Westchina aus, wo sogar keine einzige Deutschabteilung an den lokalen Hochschulen etabliert ist. Die Ausdehnung der deutsch-chinesischen Schulpartnerschaften entspricht auch der Tendenz, dass neben Englisch andere „kleinere“ Sprachfächer einschließlich Deutsch zunehmend als Prüfungsfach bei der einheitlichen Aufnahmeprüfung der chinesischen Hochschulen zugelassen werden. Dieser Aspekt ist umso wichtiger, wenn man bedenkt, dass die Schulbildung

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in China trotz der mühsamen Umorientierung in die Qualifikationsbezogenheit immer noch stark prüfungsorientiert ist und der Status eines Sprachfachs als Prüfungsfach deshalb weitreichende Auswirkungen auf den schulischen Fremdsprachenunterricht hat. Trotz der Etablierung des Deutschen als Prüfungsfach sind auch kritische Stimmen von den Prüflingen und ihren Eltern wahrzunehmen, dass die Prüfungsaufgaben des Deutschen viel schwieriger sind als die englischen und japanischen. Auf jeden Fall gilt dies als ein Faktor, der dem Lernmotiv der chinesischen Heranwachsenden Abbruch tun könnte und deshalb von der Interessengruppe der deutschen Sprache in China abgewogen werden müsste. Bei der Erweiterung des Schulfachs Deutsch als zweite Fremdsprache wurde vor einigen Jahren hingewiesen, dass man nicht über die Mängel hinwegtäuschen darf, wie z. B. das Fehlen vollständiger Curricula, passender Lehrmaterialien, hochqualifizierter Lehrkräfte usw. (vgl. Song 2007: 121). Zurzeit ist es einem Expertenstab, der sich aus renommierten Pädagogen und Germanisten in China zusammensetzt, bereits gelungen, einen neuen Leitrahmen für den schulischen Deutschunterricht mit dem entsprechenden Curriculum und den nach der modernen Unterrichtsidee konzipierten Lehrbüchern zu entwickeln. Mit der raschen Entwicklung des Deutschunterrichts im chinesischen Schulwesen steigt auch der Bedarf an Fortbildung chinesischer Deutschlehrer an. Auch diesbezüglich bieten der DAAD und das Goethe-Institut fördernde Programme an, die den Deutschlehrern an den chinesischen Schulen einen Fortbildungsaufenthalt in Deutschland ermöglichen. Zu den wichtigen Gegenständen der Fortbildung zählen neue didaktische Methoden mit dem Stichwort Gruppendynamik und im Besonderen landeskundliches Wissen.

1.4 Sonstige Einrichtungen bzw. Initiativen zur Deutschförderung in China Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die sich in China eines hohen Renommees erfreut, trägt auch zur Förderung der deutschen Sprache in China bei. Ihrer Rolle wird ein umso größeres Gewicht beigemessen, wenn man die aktuellen Daten ins Blickfeld rückt: Dem neuesten Jahresbericht (vgl. Alexander-von-Humboldt-Stiftung 2017: 101–103) zufolge kommt die größte Gruppe der Humboldtianer aus China, der zur Erleichterung des Forschungsaufenthalts in Deutschland Deutschkurse angeboten werden. Unter den Stipendiaten sind auch chinesische Germanisten vertreten. Diese Vertreter haben zumeist wichtige Positionen inne und betätigen sich eifrig als Lobbyisten der deutschen Sprache im Garten der chinesischen Germanistik, was wiederum der Deutschförderung in China dienlich ist.

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Aufgrund der föderativen Struktur Deutschlands besitzt jedes Land hohe Autonomie im Bereich der kulturellen Angelegenheiten, so dass es nach eigener Erwägung bei der Verfolgung seiner eigenen Interessen „die deutsche Sprache implizit oder explizit fördern kann“ (Schmidt 2007: 303). Dies geschieht oftmals im Rahmen der Partnerschaften zwischen den Bundesländern und chinesischen Provinzen. Dabei geht es natürlich primär um Wirtschaftsinteressen, aber hinzu kommen wahrscheinlich flankierende kultur- bzw. sprachfördernde Maßnahmen, wie z. B. Entsendung der Deutschlektoren, Organisation verschiedenartiger Kulturveranstaltungen und Bereitstellung von Sprachlernmaterialen usw. Ob und inwieweit eine derartige Förderung erfolgt, „bleibt [...] oft dem Zufall überlassen“ (Schmidt 2007: 303). Übrigens hängt die Förderung auch von der finanziellen Lage des Bundeslandes ab. Danach liegt es wohl nahe, dass Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg aktive deutschfördernde Arbeit leisten, während die neuen Bundesländer diesbezüglich eher wenig tun, wenngleich eine Partnerschaft auf der Provinzebene vorliegt. Weitere Förderer sind politische, wirtschaftliche und private Stiftungen. Eine der wichtigen deutsch-chinesischen Schulpartnerschaften wird beispielsweise von der Mercator-Stiftung bezuschusst. Besonders zu erwähnen ist die BoschStiftung, die in den letzten Jahren mit der Entsendung von Lektoren an chinesische Schulen und Hochschulen einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der deutschen Sprache in China liefert. Da der DAAD zurzeit unter Druck steht, genügend DAAD-Lektoren zur Verfügung zu stellen, dürfte das Bosch-Lektorenprogramm als Ergänzungsprogramm betrachtet werden. Darüber hinaus fördert diese Stiftung auch verschiedenartige Veranstaltungen im Rahmen der Sprachund Kulturförderung wie Lektorentreffen zur Netzwerkbildung, Trainingsseminare, Lesungen usw. Im Vergleich zu den vom DAAD versandten Lektoren sind die von der Bosch-Stiftung des Öfteren in anderen Fachbereichen als Germanistik oder Deutsch als Fremdsprache ausgebildet worden und müssen sich deshalb vor und auch während der Stellenbesetzung einer längeren Fortbildung unterziehen, was u. U. als Nachteil bemängelt wird. Ein noch dringlicheres Problem bei der Besetzung der Bosch-Lektorenstellen in China ist, dass die Kandidaten überwiegend Absolventen bzw. Praktikanten ohne Berufserfahrung sind, während in China zunehmend nur Ausländern mit beruflicher Erfahrung die Erwerbstätigkeitsgenehmigung erteilt werden darf.

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2 Die Förderung seitens Österreichs Aus geschichtlichen Gründen führt Österreich im Prinzip keine engagierte Sprachpolitik durch. Dennoch spielt Österreich bei der Deutschförderung eine nicht zu unterschätzende Rolle und die Sprachförderungspolitik von Österreich kennzeichnet sich durch unterschiedliche Ansätze, Ausprägungen und Intensität aus. Wenngleich China nicht zu den Schwerpunktregionen der Deutschförderung von Österreich zählt, sind die diesbezüglichen Bemühungen seitens Österreichs erkennbar. Ein Faktor, der sich aber auf die Deutschförderung von Österreich kontraproduktiv auswirkt, ist, dass man in China die deutsche Sprache nicht als Erstes mit Österreich verknüpft und nicht selten in Unkenntnis über den Status des Deutschen als die einzige, im Grundgesetz verankerte Staatssprache von Österreich ist. Es kommt u. U. sogar vor, dass man wegen etwaiger Ähnlichkeit hinsichtlich der Aussprache der chinesischen Übersetzung Österreich (chin.: aodili) mit Australien (chin.: aodaliya) verwechselt.

2.1 Das Österreichische Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) und die Österreich-Kooperation (ÖK) Mit der Einführung des ÖSD, das derzeit das einflussreichste und wirksamste Instrument zur Förderung der deutschen Sprache in China darstellt, ist eine Intensivierung der sprachbezogenen Aktivitäten im Bereich der österreichischen Auslandskulturpolitik in Sicht. Das ÖSD orientiert sich an der Sprachauffassung des plurizentrischen Deutsch und stellt sich als „Initiator trinationaler Prüfungssysteme im deutschsprachigen Raum“ (Ortner & von Ruckteschell-Katte 2010: 140) dar. Bei der Förderung der deutschen Sprache von Deutschland und Österreich gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede, woraus im Prüfungsbereich durchaus Konkurrenz entsteht. Insofern stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie die beiden sprachlichen Feststellungsprüfungen, DSH und TestDaF, die man auch in China ablegen kann, nunmehr mit der ÖSD-Prüfung in Konkurrenz stehen. Beim Zulassungsverfahren seitens der einzelnen Hochschulen im deutschsprachigen Raum ergibt sich nicht selten die Frage, ob in der Tat die oben genannten Sprachzeugnisse wirklich gleichberechtigt behandelt werden. Derzeit befinden sich zwei Prüfungszentren in China, jeweils im China-Zentrum für Sprache und Kultur in Peking und im 2005 eingerichteten ÖsterreichZentrum Shanghai an der Fudan-Universität. In beiden Testzentren finden jedoch nur interne Prüfungen statt. Was das Sprachniveau der ÖSD-Prüfung in den beiden Testzentren angeht, werden drei Stufen überprüft: GD (Grundstufe

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Deutsch), ZD (Zertifikat Deutsch) und MD (Mittelstufe Deutsch), die jeweils dem Europäischen Referenzrahmen A2, B1 und B2 entsprechen. Die Prüfung, die einen schriftlichen und einen mündlichen Teil beinhaltet, findet zweimal jährlich statt, nämlich im Mai und November. Die zentrale Aufgabe der ÖK ist seither die Entsendung von Lektoren und DaF-Praktikanten. An dieser Stelle ist anzumerken, dass den österreichischen Auslandslektoren eigentlich nicht primär die Aufgabe der Sprachvermittlung zukommt, sondern viel allgemeiner die Vermittlung der eigenständigen österreichischen Kultur im deutschsprachigen Raum, von der sich die Sprache nur als ein Teil erweist. Österreichische Lektoren sind seit Jahren vereinzelt an chinesischen Hochschulen im Bereich der Vermittlung der österreichischen Kultur und deutschen Sprache tätig. In Bezug auf Deutsch als plurizentrische Sprache stellt sich die Frage, ob Lektoren aus Österreich bei der Anstellung gleichberechtigt behandelt oder – bewusst oder unbewusst – aufgrund der österreichischen Varietät benachteiligt werden. Kämen österreichische Lektoren ohne Benachteiligung gegenüber denen aus Deutschland zum Einsatz, so könnte sich die Förderung der österreichischen Varietät erhöhen. Es bestehen die Möglichkeiten, dass im Unterricht österreichische Presse vielfach als Lesestoff herangezogen und österreichische Belletristik oft gelesen wird. Dies kann dazu führen, dass österreichisches Deutsch auch als nationale Standardvarietät in der Auslandsgermanistik bewusst wahrgenommen wird. Hinzu tritt der Einsatz moderner Medien wie z. B. österreichischer Filme, Lieder, Sprachlernprogramme u. a., die für die Bewusstmachung der österreichischen Varietät von Nutzen sind. In diesem Zusammenhang erweist sich der angemessene Umgang mit der österreichischen Varietät im Deutschunterricht in China als ein relevantes Thema (vgl. Zhang 2017). Neben dem oben genannten Österreich-Zentrum in Shanghai ist im September 2017 unter der Mitwirkung der ÖK das Österreich-Zentrum Peking an der Beijing Foreign Studies University gegründet worden.

2.2 Kulturförderung oder Sprachförderung? Ferner lässt sich die Sprachförderungsarbeit in China anhand der einzelnen Initiativen aus dem Referat Kultur und Sprache, Österreich-Bibliothek, Österreichischem Kulturforum u. a. erkennen. Die Erstellung der Zusatzmaterialien zur österreichischen Landeskunde macht einen wichtigen Aufgabenbereich des Referates Kultur und Sprache aus. Zudem agieren die „Österreich-Tage“ weltweit, die allen an Österreich Interessierten einen Einblick in Land und Kultur ermöglichen. Während der „Österreich-Tage“ wird in China eine Tournee gemacht, bei der auf Österreich bezogene Themen wie Sprache, Literatur, Landeskunde

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und Kunst auf vielfältige Weise angeboten werden. Nennenswert ist auch das Angebot an geförderten Fortbildungsseminaren für Deutschlehrende aus aller Welt, die jährlich stattfinden und auf großes Interesse stoßen. Seit 2010 besteht ein eigenes Forum zur „Österreichischen Literatur in China“, das in Zusammenarbeit mit dem Österreich-Zentrum der Fudan-Universität regelmäßig internationale Literatursymposien veranstaltet. Das Kulturforum in Peking konzentriert sich vor allem auf die Vermittlung der kulturellen Errungenschaften Österreichs und die Förderung des beidseitigen kulturellen und wissenschaftlichen Austausches einschließlich Schulpartnerschaften und Gastaufenthalte von Experten. Dies gilt vor allem in der Kunstsparte, insbesondere in Musik und Tanz, aber auch in den bildenden Künsten wie Skulptur und industriellem Design. Diese Bereiche zählen größtenteils zu den inhaltlichen Schwerpunkten des Auslandskulturkonzeptes von Österreich 2015–2018 (vgl. BMEIA 2015: 6). Diese ausgeprägte Kulturförderungsstrategie im Rahmen der Auslandskulturpolitik hängt mit der Positions-bestimmung von Österreich zusammen, wonach Österreich im Ausland vorwiegend oder zunächst mit seiner Kultur assoziiert wird und dieser Staat als „Kulturnation“ eine wichtigere Rolle übernimmt, als ihm nach rein politischen oder wirtschaftspolitischen Kriterien zukommen würde (Muhr 1997: 101). Die Frage der Sprache, die schließlich mit der Kultur aufs Engste – auch wenn nicht unverbrüchlich – verknüpft ist, wird in der Positionsbestimmung Österreichs jedoch nicht angesprochen. Nicht selten geht man davon aus, dass bestimmten Kunstbereichen wie Musik, Tanz, Skulptur, Architektur und Design eine besondere „Sprache“ zu eigen ist, die von sachverständigen Fachleuten ohne weiteres verstanden wird. Man könnte sich sogar des Eindrucks kaum erwehren, dass sich Sprache für bestimmte fachinterne Kommunikationen sogar erübrigen würde. Allerdings dürfte man davon ausgehen, dass die engagierte Kulturarbeit seitens Österreichs in China zumindest auf mittelbare Weise zur Förderung der deutschen Sprache bzw. der österreichischen Deutschvarietät beitragen würde.

3 Die Schweiz und Liechtenstein Als ein Staat mit mehreren Amtssprachen räumt die Schweiz der Deutschförderung keine Priorität ein, obwohl schweizerische Lektoren vereinzelt als Sprachlektoren in China tätig sind und Sprachlernmaterialien aus der Schweiz durchaus zu Rate gezogen werden. Auch Liechtenstein, ein flächenmäßig sehr kleines Land, ist für die Chinesen eher von touristischem Interesse und leistet kaum be-

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wusste Förderungsarbeit seiner Staatssprache. Vielmehr dürften die großräumigen Standardvarietäten des Deutschen mit dem Stichwort „D-A-CH-L“, die als gleichwertig angesehen und dementsprechend auch in den Prüfungen berücksichtigt werden, eine Rolle spielen. Hieraus ergeben sich auch Schnittstellen, wo fruchtbare Kooperationen zwischen den vier Ländern zu verzeichnen sind, allen voran im Bereich Deutsch als Fremdsprache, der weitere Teilaspekte wie Unterrichtsinhalte, Lehrmaterialien und Prüfungen abdeckt.

4 Fazit Die Förderung der deutschen Sprache in China, die unter das Aufgabengebiet der Mittlerorganisationen in deutschsprachigen Ländern, neben Deutschland vor allem auch Österreich fällt, sollte der spezifischen Bedarfs- und Entwicklungslage der deutschen Sprache in China gerecht werden und dementsprechend gezielt Arbeit leisten. Derzeit fällt die Tendenz ins Auge, dass von Seiten der deutschsprachigen Länder die Versuche unternommen werden, nicht nur die Nachfrage nach Deutsch in China zu lokalisieren und unterstützen, sondern auch neues Interesse zu erwecken und auszubauen. Das verstärkte Engagement zur Sprachförderung seitens Deutschlands und Österreichs in China hängt vor allem von der geänderten Konzeption der auswärtigen Kulturpolitik beider Länder, die als die dritte Säule der Diplomatie bezeichnet wird, ab. Seit 2011 lassen sich „globale Verschiebungen und die Entstehung neuer Gravitationszentren“ (Auswärtiges Amt 2011: 62) bei der Deutschförderung beobachten, die auch an der regionalen Verteilung der finanziellen Ausgaben erkennbar sind: Die in Westeuropa eingesetzten Mittel gehen tendenziell zurück, während die Förderung in Asien, insbesondere in China und Indien weiter ausgebaut wird (Auswärtiges Amt 2011: 62). Dies entspricht auch der positiven Entwicklungstendenz des Deutschlernens in China und Indien. Im Hinblick auf die Intensivierung des Wirtschaftsaustausches zwischen den deutschsprachigen Ländern und China kann man dennoch nur von der gewissermaßen unterrepräsentierten Sprachförderungsarbeit in China ausgehen, insbesondere gemessen an Chinas Flächengröße und Bevölkerungszahl.

Literaturverzeichnis Alexander-von-Humboldt-Stiftung (2017): Jahresbericht 2017. https://www.humboldt-foundation.de/pls/web/docs/F-932698306/jahresbericht_2017.pdf (14.07.2018).

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Auswärtiges Amt (2011): Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in Zeiten der Globalisierung – Partner gewinnen, Werte vermitteln, Interessen vertreten. http://www.ifa.de/pdf/aa/akbp-konzeption-2011.pdf (16.08.2012). Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) (2015): Österreichisches Auslandskulturkonzept 2015 – 2018. https://www.bmeia.gv.at/fileadmin/user_upload/Zentrale/Kultur/Aufmacher/Auslandskulturkonzept_2015-2018.pdf (15.12.2017). Chen, Yu (2012): Verbessern chinesische Studierende ihre Sprechfertigkeit im Deutschen während des Fachstudiums in Deutschland? Eine empirische Untersuchung unter Berücksichtigung sozialer Aspekte. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang. Gauler, Gabriele & Clemens Treter (2007): „Brücke nach Deutschland“ – Das Goethe-Institut (1976-2006). In Ulrich Ammon, Roswitha Reinbothe & Zhu Jianhua (Hrsg.), Die deutsche Sprache in China. Geschichte, Gegenwart und Zukunftsperspektive, 291–300. München: iudicium. Hernig, Marcus (2007): Die Politik der deutschsprachigen Länder zur Förderung der deutschen Sprache in China. In Ulrich Ammon, Roswitha Reinbothe & Zhu Jianhua (Hrsg.), Die deutsche Sprache in China. Geschichte, Gegenwart und Zukunftsperspektive, 261–268. München: iudicium. Hess, Hans-Werner (2001): Deutschunterricht und Germanistikstudium in China. In: Gerhard Helbig et. al. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. 2. Halbband, 1579–1586. Berlin, New York: de Gruyter. Muhr, Rudolf (1997): Die Auslandskulturpolitik Österreichs und Deutschlands – ein Vergleich. In Institut für Auslandsbeziehungen in Zusammenarbeit mit Rolf Berntzen, Helmut Glück & Thomas Jacobs (Hrsg.), Sprachenpolitik in Europa – Sprachenpolitik für Europa, 98–105. Stuttgart: Institut für Auslandsbeziehungen. Ortner, Brigitte & Katharina von Ruckteschell-Katte (2010): Sprachenpolitische Konzepte und Institutionen zur Förderung der deutschen Sprache in nichtdeutschsprachigen Ländern. In Hans-Jürgen Krumm et al. (Hrsg.), Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: ein internationales Handbuch. 1. Halbband, 133–143. Berlin, New York: de Gruyter. Schmidt, Hansgünther (2007): Die deutsche Sprache in China – weitere Förderer. In Ulrich Ammon, Roswitha Reinbothe & Zhu Jianhua (Hrsg.), Die deutsche Sprache in China. Geschichte, Gegenwart und Zukunftsperspektive, 301–308. München: iudicium. Song, Ludong (2007): Die Schulen mit dem Fach Deutsch als Fremdsprache. In Ulrich Ammon, Roswitha Reinbothe & Zhu Jianhua (Hrsg.), Die deutsche Sprache in China. Geschichte, Gegenwart und Zukunftsperspektive, 113–122. München: iudicium. Yu, Xuemei (2008): Lernziel Handlungskompetenz. Entwicklung von Unterrichtsmodulen für die interkulturelle und handlungsorientierte Vorbereitung chinesischer Studienbewerber auf das Studium in Deutschland. München: iudicium. Zhang, Shenwei (2017): Nationale und regionale Standardvarianten des Deutschen im Unterricht von Deutsch als Fremdsprache für Chinesen. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang.

Tobias Lehmann

Die Förderung von Kommunikation und Kultur im DaF-Unterricht in Südkorea Die Anforderungen an eine DaF-Lehrkraft in kulturentfernten Ländern gehen weit über jene hinaus, die von Kollegen aus identischen Kulturkreisen verlangt werden. Das betrifft besonders die Notwendigkeit der grundlegenden Integration kulturspezifischer Eigenschaften der Zielsprache in die alltägliche Spracharbeit. Kulturelle Missverständnisse treten nicht nur im Literatur- oder Landeskundeunterricht auf, sondern erschweren auch das Verständnis fremder lexikalischer Phänomene und praktischer Sprachanwendungen in ihrem soziokulturellen Alltagsgebrauch (vgl. Koeppel 2016: 117–128). In diesem Aufsatz werde ich der Frage nachgehen, inwiefern das Konzept der Interkulturalität im südkoreanischen Kontext überhaupt funktionstüchtig ist und wie es im Unterricht praktisch angewendet werden kann (vgl. Hu 2013: 76; Rost-Roth 2013: 66–67). Das Ziel der kurzen Studie besteht nicht nur darin, einen Überblick über den DaF-Unterricht in Südkorea zu geben, sondern den DaF-Unterricht zu fördern, indem gezeigt wird, wie durch inter- und transkulturelle Unterrichtsansätze sowie durch Offenheit zu neuen Methoden der Unterricht konkret verbessert werden kann. Nach einer einleitenden kritischen Auseinandersetzung mit dem Status quo des DaF-Unterrichts in Korea werden im Anschluss daran theoretische Überlegungen zu Unterrichtsmethoden vorgestellt, analysiert und mit den eigenen Erfahrungen in Korea in Beziehung gesetzt. Das Ziel des Aufsatzes ist es, die konventionelle Herangehensweise an den DaF-Unterricht in Korea zu hinterfragen und darauf aufbauend nach Verbesserungsvorschlägen und konkreten Reformen für den DaF-Unterricht in Südkorea zu suchen, um ihn effektiver und erfolgreicher zu machen. Nur eine kritische Auseinandersetzung sichert, dass die lange Geschichte des Deutschunterrichts in Korea fortgesetzt werden kann. Bevor ich jedoch in die Auseinandersetzung mit dem DaF-Unterricht in Korea einsteige, möchte ich in der Tradition des kosmopolitischen Europäers vorweg einige Aussagen zu Fremdheitserfahrungen in einem ostasiatischen Land treffen, das an der geografischen Peripherie Asiens liegt, aber gleichzeitig ein Zentrum technologischer und gesellschaftlicher Trends geworden ist. Es geht hier nicht vordergründig darum, gesellschaftliche Widersprüche und Kontroversen in den

|| Tobias Lehmann, Gyeongsang National University, Gyeongsangnam-do, Korea, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-050

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Mittelpunkt zu rücken, sondern vielmehr darum, die Erfahrungen und Selbstreflexionen eines Europäers in Korea darzulegen, weil sie die Grundlage für den DaF-Unterricht sind. Das alltägliche Umfeld, die Konfrontation mit Widersprüchen und Herausforderungen sind oft auch bewusst oder unbewusst konstituierender Teil der beruflichen Beschäftigung (vgl. Park & Klopf 2008: 6–8). Abschließend möchte ich hier darauf hinweisen, dass die Verknüpfung von DaF-Unterricht und Inter- sowie Transkulturalität weite Felder sind und dass man vor Pauschalisierungen gefeit sein muss, zumal sich die hier dargelegten Eindrücke und Beobachtungen streng genommen nur auf die Population von Schülern und Studierenden beziehen, mit denen ich am ehesten vertraut bin. Die Mentalitätsunterschiede zwischen Koreanern und Deutschen manifestieren sich aber keinesfalls nur im DaF-Unterricht mit den Studierenden, sondern auch im Alltagsleben, im täglichen Umgang mit Koreanern. Daher sind einige Feststellungen nicht als absolut, sondern vielmehr als relativierende Betrachtungen für den DaF-Unterricht zu verstehen. Mentalitätsunterschiede offenbaren sich am ehesten in der Einstellung zu Bildung und in der damit verbundenen Leistungsbereitschaft.

1 Der Aufstieg und der Status Quo der deutschen Sprache in Korea Die deutsche Sprache hat eine vergleichsweise lange Tradition in Korea.1 Obwohl Deutschland in einem anderen Kulturkreis und weit entfernt von Korea liegt, begeisterten sich jahrzehntelang viele Koreaner für die deutsche Sprache. Deutsch war bis Ende der neunziger Jahre nach Englisch die zweite Fremdsprache an den meisten koreanischen Oberschulen, was dazu geführt hat, dass sich eine bemerkenswerte Zahl von Studenten für ein Germanistik-Studium an den zahlreichen koreanischen Universitäten, die Germanistik anbieten, entschieden hat. Der damalige Trend, Deutsch und Französisch zu lernen, ist aber vor allem darauf zurückzuführen, dass die Sprachen der benachbarten asiatischen Länder, China und Japan, aufgrund politischer und historischer Gründe unbeliebt waren. Mit

|| 1 Dieser Abschnitt handelt vom Deutschunterricht in Südkorea, obwohl die deutsche Sprache auch in Nordkorea eine lange Tradition hat und an Universitäten wie an Schulen unterrichtet wird. Viele Nordkoreaner, die der deutschen Sprache mächtig sind, haben in der ehemaligen DDR studiert.

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der Volksrepublik China hat Korea aufgrund unterschiedlicher politischer Ideologien im Kontext des kalten Krieges und wegen der damals geringen Wirtschaftsleistung Chinas erst 1992 diplomatische Beziehungen aufgenommen, was erst der Beginn einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit war. Japan wurde und wird zum Teil durch die 35-jährige Kolonialisierung und hierdurch begründeter beeinträchtigter politischer und historischer Beziehungen als Staatsfeind Nummer eins betrachtet (vgl. Pratt & Rutt 1999). Im Gegensatz dazu hat es Koreaner jedoch stets motiviert, Sprachen europäischer und westlicher Länder wie zum Beispiel Deutsch und Französisch lernen zu können, denn nicht wenige haben davon geträumt, später einmal in diesen Ländern studieren zu können und haben diesen Traum schließlich auch verwirklicht. Das gilt gerade für die weniger wohlhabenden Koreaner, die sich die hohen Studiengebühren in den amerikanischen oder britischen Eliteuniversitäten nicht leisten konnten und daher ihr persönliches akademisches Glück und ihren Aufstieg in Deutschland oder Frankreich suchten. Zudem hat es ihr soziales Prestige und das in Korea so wichtige gesellschaftliche Ansehen erhöht, eine der westlichen europäischen Sprachen sprechen zu können. Das erklärt, warum Deutsch und Französisch auf so großen Anklang stießen. Diese Situation hat sich jedoch in den letzten zehn Jahren grundlegend verändert.

500000 400000 300000 200000 100000 0 1995 2005 2012

Abb. 1: Zahl von Deutschlernenden an koreanischen Oberschulen in Korea (Park 2015: 35)

China ist zu einer wirtschaftlichen Supermacht geworden, wie es vor zwanzig Jahren wohl nur wenige geahnt haben. Ebenso wurde auch die Dynamik des Wachstums unterschätzt. Mit Japan hat sich Korea zumindest insoweit versöhnt, als dass die historischen und politischen Differenzen die ökonomischen und kulturellen Beziehungen nicht mehr beeinflussen. Das hat dazu geführt, dass sich

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mehr Schüler für die chinesische und japanische Sprache begeistern können. Außerdem haben viele Schüler sowie Lehrer erkannt, dass die Sprachen der ostasiatischen Nachbarn einfacher zu erlernen sind als die europäischen Sprachen, denen völlig andere grammatische, semantische und sozio-kulturelle Strukturmerkmale zu Grunde liegen. Es erfordert einen größeren Lern- sowie Zeitaufwand, die europäischen Sprachen zu erlernen. Zeit, die die koreanischen Schüler für das Erlernen einer zweiten Fremdsprache nicht haben, da die Priorität verständlicherweise auf Englisch liegt, der ersten Fremdsprache an wohl allen Oberschulen Koreas. Das erfordert schon genügend Selbstdisziplin und Konzentration. Konzentration, die für die deutsche Sprache fehlt. Das hat auch zur Folge, dass es stetig weniger Studenten an den Germanistik-Abteilungen der koreanischen Universitäten gibt. Einige Universitäten haben ihre Abteilungen bereits geschlossen. Inzwischen hat sich die Situation so zugespitzt, dass Deutsch nur noch an wenigen ausgewählten staatlichen Oberschulen unterrichtet wird. Abbildung 1 zeigt, wie stark die Zahl der Deutschlernenden an den koreanischen Oberschulen zurückgegangen ist. Im Jahr 1995 haben noch 500.000 koreanische Schüler Deutsch gelernt. In den darauffolgenden zehn Jahren ist die Zahl der Deutschlerner auf etwa 50.000 zurückgegangen und im Jahr 2012 gab es kaum noch Schulen, die Deutschunterricht angeboten haben. Heute ist der Deutschunterricht an den Schulen fast vollständig verschwunden. Die zweite Fremdsprache ist entweder Chinesisch oder Japanisch. Lediglich die Fremdsprachenoberschulen, welche Mitte der neunziger Jahre im Rahmen der Globalisierungs- und Internationalisierungskampagne der Kim Young-Sam Regierung (1992 bis 1997) aufgebaut worden sind, bieten Deutsch nach wie vor als zweite Fremdsprache an. An diesen Schulen wird Deutsch drei Jahre unterrichtet, im Gegensatz zu den allgemeinen Oberschulen, an denen Deutsch meist nur zwei Jahre und mit geringerem Stundenanteil unterrichtet wird. Da die Zahl der Deutschlerner stark rückläufig ist, hat sich natürlich auch die Zahl der Deutschlehrer verringert. Abbildung 2 zeigt, dass die Mehrzahl der Deutschlehrer der staatlichen Oberschulen kein Deutsch mehr unterrichten oder Deutsch nur noch eine verschwindend geringe Stundenzahl ausmacht. Viele der früheren koreanischen Deutschlehrer unterrichten andere Fächer, oftmals Englisch, aber auch Japanisch oder Sozialkunde.

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1400 1200 1000 800 600 400 200 0 1996

2005

2014

Abb. 2: Zahl der Deutschlehrer in Korea (Park 2015: 36)

Wenn jedoch an den Oberschulen der Deutschunterricht wegfällt, ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung auch an den Universitäten niederschlägt. Der Unterricht in der Schule hat lange Zeit dafür gesorgt, das Interesse der Schüler zu wecken. Wenn jedoch in den prägenden Jahren der Jugend keine Motivation bzw. Gelegenheit vorhanden ist, eine Fremdsprache zu lernen, dann wird sich das auch im Bachelor-Studiengang der Universitäten nicht ändern. Es ist wichtig, das Interesse zum Erlernen einer Fremdsprache möglichst früh zu wecken. Der Geburtenrückgang in Korea führt dazu, dass sich die Geistes- und Sozialwissenschaften nur schwer gegen das Diktat der Ökonomie und des Effizienzgedankens der größtenteils privaten Universitäten durchsetzen können. Es führt an dieser Stelle jedoch zu weit, noch weiter nach den Gründen für den Niedergang der deutschen Sprache zu suchen. Viel wichtiger ist es, dem Deutschunterricht eine Perspektive zu bieten. Eine positive Perspektive sowohl für den DaFUnterricht als auch für den Deutschunterricht insgesamt kann jedoch nur erreicht werden, wenn man die Herausforderungen anerkennt und sich ihnen stellt. Vor allem wird es darauf ankommen, den noch vorhandenen Deutschunterricht an den Schulen und an den Universitäten methodisch und didaktisch so zu gestalten und an die Bedürfnisse der koreanischen Studenten so anzupassen, dass es Spaß macht, die deutsche Sprache zu erlernen. Aus diesem Grund möchte

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ich hiernach auf Kulturkompetenzen eingehen und Unterrichtsmethoden skizzieren, die nach meinen Erfahrungen in Korea großen Anklang finden.

2 Unterrichtsmethoden und Kulturkompetenz Neben inhaltlichen Anpassungen des DaF-Unterrichts, die ihren Ursprung in der Kenntnis der koreanischen Kultur und Gesellschaft haben, ist ebenso von Bedeutung, dass auch in methodischer Hinsicht kulturangemessen vorgegangen wird. Aus dieser Grundannahme folgt, dass eine Lehrkraft nicht zwingend die neuesten, in Deutschland unter Umständen im Studium erprobten, in Mode gekommenen Lehrmethoden blind im zielsprachenfernen Ausland übernimmt, sondern die dort kulturell vorherrschenden Lehr- und Lerntraditionen als Ausgangspunkt aller Überlegungen des Fremdsprachenunterrichts voraussetzt. Im Umkehrschluss bedeutet das zwar nicht, die Traditionen wiederum unreflektiert zu übernehmen, doch man sollte diese bei der Unterrichtsgestaltung und Planung stets im Hinterkopf behalten. Daher können selbst Unterrichtsmethoden wie Frontalunterricht, die im europäischen Verständnis als rückständig gelten, in Gesellschaften, die in östlichen Traditionen verhaftet sind, durchaus ihre Berechtigung haben (vgl. z.B. Decke-Cornill & Küster 2010). Methoden und Sozialformen hingegen, die die Autoritätsrolle der Lehrkraft völlig abbauen, können durchaus auf Unverständnis bei Lernenden stoßen und daher kulturunangemessen und ineffektiv sein. Es bleibt folglich dem Kulturwissen und der Kulturkompetenz des Lehrenden überlassen, inwieweit er es für sinnvoll hält, progressive und reformatorische Studienelemente in den Unterricht zu integrieren, die aus westlicher Sicht wünschenswert sind und an den Studierenden orientiert sein sollen. Fraglich wird eine Dominanz solcher progressiven Inhalte und Methoden jedoch dann, wenn sie den tatsächlichen Interessen und Lernzielen der Lerner in entfernten Kulturkreisen zuwiderlaufen. Als ausländische Hochschuldozenten in Südkorea sind wir uns bewusst, dass wir besonders sensibel und sorgfältig unseren Unterricht vorbereiten sollten, um eventuelle kulturelle Missverständnisse zu vermeiden bzw. schon im Voraus im Keim zu ersticken. Das setzt selbstredend voraus, dass wir die koreanische Kultur sowie die dortige Denk- und Verhaltensweise zumindest insoweit kennen, dass wir das nötige Einfühlungsvermögen entwickelt haben, um koreanischen Studenten im Sprach- und Landeskundeunterricht die deutsche Kultur und Mentalität näher zu bringen. Ohne hinreichendes Wissen über die koreanische Zivilisation und deren Kernmerkmale, in unserem Fall die konfuzianische

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Tradition, kann man größtenteils von Auslandserfahrungen unberührten Studenten die deutsche Sprache und Lebenskultur nicht vermitteln. Ein Lektor steht daher vor der doppelten Herausforderung, nicht nur als ein Experte der Eigenkultur zu fungieren, sondern die Fremdkultur zumindest insoweit zu kennen, dass er nicht kulturelle Grenzen überschreitet, in kulturelle Fettnäpfchen tritt oder gesellschaftlich bzw. politisch umstrittene Themen ohne die nötige Sensibilität verarbeitet. Dabei ist es wichtig zu berücksichtigen, dass die vom europäischen Kulturkreis und Gedankengut bestimmte deutsche Kultur nur wenig gemein hat mit der vom Konfuzianismus und Schamanismus bestimmten koreanischen Kultur. Daraus folgt, dass die Lehrkraft die kulturspezifischen Merkmale insoweit kennen muss, dass er oder sie diese im Unterricht gewinnbringend einsetzen und so verarbeiten kann, dass die Studenten die Unterrichtsinhalte begreifen können. Natürlich kann man bei einem derart weit entfernten Land wie Korea nicht unbedingt erwarten, dass jede Lehrkraft Koreanistik studiert hat oder sich anderweitig intensiv mit dem Land beschäftigt und die Sprache gelernt hat, obwohl dies von unschätzbarem Vorteil ist. Durch die wechselseitige Kommunikation auf Koreanisch kann ein Lektor aber gerade mit zurückhaltenden Studenten den ersten Kontakt aufnehmen, das sprichwörtliche Eis brechen und ungeahnte Sympathien erreichen. Darüber hinaus ermöglichen ihm seine Sprachkompetenzen, den Studenten grammatische Strukturen, Lexik und semantische Unterschiede in ihrer Muttersprache zu erklären. Durch dieses so genannte Code-Switching, dem ständigen Wechsel von bilingualen Sprechern von der einen Sprache zu einer anderen, gewinnt der Lektor während des Unterrichtsgesprächs das Vertrauen der Studenten, die dann auch von allein auf ihn zugehen und eine Beziehung mit ihm entwickeln, im Idealfall sogar eine menschliche (vgl. Spolsky 1998: 49 und Müller-Jacquier 2013: 192–193). Für nicht wenige koreanische Studenten ist das eine, womöglich die notwendige Voraussetzung, um ihn zu respektieren und die deutsche Sprache zu lernen. Genauso wichtig wie das Erlernen der Sprache ist es jedoch auch, ein Gefühl und die Sensibilität für die Kultur der Studenten zu entwickeln (vgl. z.B. Whorf 2008; Decke-Cornill & Küster 2010). Damit meine ich vor allem den Willen und die Fähigkeit zur Empathie, sich in die Gedanken der Studenten hineinzuversetzen bzw. diese im Voraus zu lesen und zu erahnen (nunchi). Gedanken lesen impliziert natürlich auch die Gesichter, die Mimik und Gestik der Studenten zu erkennen und angemessen zu deuten. Dieses Empathievermögen ermöglicht dem Lehrenden, ohne Worte zu erkennen, wie sich die Studenten in einem bestimmten Moment fühlen, welche Fragen sie haben und warum sie diese (nicht) stellen.

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Es ist sodann seine Aufgabe, mögliche Fragen implizit aufzunehmen und den Studenten damit die Sorge abzunehmen, die Frage offen zu stellen und damit die eigene Unwissenheit zu offenbaren. Nach koreanischer Denkweise sind Fragen nicht wie im westlichen Kulturkreis ein Ergebnis von Neugier und Wissensdurst oder der Drang, Unklarheiten zu beseitigen, sondern Fragen suggerieren, dass man entweder unkonzentriert war oder nicht intelligent genug ist, den Sachverhalt zu verstehen. Zudem könnte sich der Lehrende nicht wohl oder belästigt fühlen, wenn Studenten Fragen stellen. Studenten in Korea haben Angst, durch Fragen dem Dozenten zu suggerieren, dass er etwas nicht ausreichend erklärt hätte und dass sie ihn und seine Autorität als Lehrer in Frage stellen würden. Das ist jedoch nach konfuzianischem Wertesystem unmöglich oder gar undenkbar (vgl. Lee 2004), was man allgemein als Deutscher in Korea und besonders als Lektor hinnehmen muss. Die kulturalistische Ausgangsposition, dass die koreanischen Studenten zaghaft, reserviert und unsicher erscheinen, lässt sich aus europäischer Perspektive nicht verneinen, darf aber auch nicht als Ausrede dafür hinhalten, dass die Studenten mit einem deutschen Lektor einen geringeren Lernerfolg erzielen. Deshalb ist es umso wichtiger, die Mimik und Gestik der Studenten zu lesen, die Fragen, die womöglich nicht gestellt werden, zu erkennen und diese unzwanghaft zu beantworten. Aus dieser Vielzahl von Gründen gilt immer noch die Devise „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Zu guter Letzt hat der Lehrende die Möglichkeit, noch einmal durch die Reihen zu gehen, um sich selbst zu vergewissern, ob etwaige Unklarheiten existieren.

3 Kommunikationsorientierter und interkultureller Deutschunterricht Gerade bei koreanischen Studenten, denen es zum Teil schwer fällt, sich am Unterricht selbstständig und freiwillig zu beteiligen, ist es notwendig, die Gefühlswelt (jeong) und die jeweilige Stimmung (gibun) aufzunehmen und gewinnbringend zu einer erfolgreichen Atmosphäre (bun-wigi) umzuwandeln (vgl. Lee 2003: 275–290). Die Aufgabe eines Lektors in Korea ist es daher, eine positive Stimmung zu erzeugen, die die Studenten dazu ermutigt, sich in vielfältiger Weise einzubringen und am Unterricht aktiv zu partizipieren. Um die Konversationsfähigkeit zu verbessern, muss es das Ziel sein, die Studenten dazu zu animieren, möglichst viel zu sprechen. Das gelingt vor allem durch für koreanische Studenten und für deren Kulturkontext interessante und spannende Interaktionsaufgaben (Kotthoff

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2013). Solche Interaktionsaufgaben setzen aber eine bestimmte Arbeitsatmosphäre voraus. Die Studenten müssen sich einerseits gegenseitig eine gewisse Sympathie entgegenbringen und andererseits den Lehrenden als sympathische Respektsperson ansehen. Zudem ist es förderlich, wenn sie bereit sind, sich bis zu einem bestimmten Grad selbst in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen. Insofern sie dies durch ihre eigene Bildungssozialisation und kollektiver konfuzianischer Kultur nicht sind, sollte der Lehrende erst kleine und in jedem Fall Erfolg versprechende sowie motivierende Aufgaben zum gegenseitigen Kennenlernen und besserem Verständnis untereinander durchführen. In diesem Kontext ist es von großer Bedeutung, dass eine Atmosphäre im Raum liegt, die zum Deutschsprechen verleitet. Immer wieder ist zu beobachten, dass Studenten während der Interaktionsaufgaben Koreanisch sprechen. Dieses Vorgehen ist m.E. nicht abzulehnen, insofern sie ihre Muttersprache dazu nutzen, sich gegenseitig Grammatik zu erklären oder die Aufgabenstellung noch einmal zu rekapitulieren (Decke-Cornill & Küster 2010: 177–179 und Kotthoff 2013). Jedoch sollte die Aufgabe selbst auf Deutsch durchgeführt werden. Das klingt selbstverständlich, ist es aber in einigen Fällen nicht. Das ist darauf zurückzuführen, dass unsere Studenten, die in einer Lehrveranstaltung sitzen, nicht nur aus verschiedenen Jahrgängen kommen, sondern auch verschiedene Leistungsstärken haben, je nachdem inwieweit sie Vorkenntnisse der deutschen Sprache vor dem eigentlichen Beginn ihres Studiums erworben haben. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, verspricht der Unterricht in dem Maße interkulturell und kommunikationsorientiert zu sein, dass die Studenten vom Unterricht profitieren. Überdies profitiert natürlich auch der Lektor selbst von einer solchen Atmosphäre. Es ist jedoch an dieser Stelle von Bedeutung, dass wir in Korea den Studenten die mit der Interkulturalität verbundenen Ideen und Konzepte vorsichtig und schonend nahebringen. Diese Vorsicht ist sicher auf den alle Lebensbereiche durchdringenden, sehr sensiblen Nationalstolz und auf die von den meisten Koreanern angenommene kulturelle und nationale Homogenität zurückzuführen. In jedem Fall ist es wichtig, interkulturelle Sachverhalte, die im DaF-Unterricht auftauchen, nach koreanischen Paradigmen zu erklären. Versuche die Studenten zu verwestlichen, schlagen mit Sicherheit fehl (vgl. Müller-Jacquier 2013; Park & Klopf 2008). So eignet sich, das Vorstellen nach koreanischem Muster in Gruppenarbeit zu üben. Da fühlen sich die Studenten zu Hause und die Nähe zu ihrer eigenen Kultur. Zum Beispiel: 1) Wie heißen Sie? 2) Wie alt sind Sie?

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3) 4) 5) 6)

Sind Sie verheiratet? An welcher Universität haben Sie studiert? Was machen Sie beruflich? Haben Sie Kinder? usw. (vgl. Freitag-Hild 2013: 126)

An diesem Beispiel wird deutlich, wie der DaF-Unterricht zu einem kulturellen Begegnungs- und Aushandlungsraum wird, in dem die Lernenden sich in Gruppenarbeit neue kulturelle Bedeutungen erschließen und aneignen, diese in der Gruppe und mit dem Kursleiter aushandeln oder umdeuten und so zu interkulturellen Akteuren werden, die auf diese Weise aktiv den Zwischenraum von sprachlicher Aussage und kultureller Implikation dieser Aussage füllen. So könnte der DaF-Unterricht der deutschen Muttersprachler in Korea noch intensiver und weitreichender gefördert werden. Die Muttersprachler könnten im Gegensatz aber auch als Ergänzung zu den koreanischen Deutschlehrern ein multi- und transkulturelles Kulturverständnis fördern, das mit einem veränderten Blick auf den Unterrichtsgegenstand, die Lernziele und die Auswahl didaktisch-methodischer Lern- und Arbeitstechniken vereinbar ist (vgl. Freitag-Hild 2013: 126). Dabei sollten kulturelle Grenzüberschreitungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Vielmehr müsste der Unterricht zu einem Raum solcher Grenzüberschreitungen werden, in dem kulturelle Austauschprozesse und Vielstimmigkeit unter den Lernenden im multikulturellen Klassenraum zu einem Prozess der Annährung und des Miteinanders führen. Gerade diverse literatur- und kulturdidaktische Unterrichtsvorschläge, die zumindest in der Lehre bisher in Korea vernachlässigt worden sind, könnten als Grundlage für die Auswahl von Texten sowie Lerneinheiten zur Landeskunde dienen. Wolfgang Hallet (2002) entwickelte die Vorstellung vom Fremdsprachenunterricht als einen hybriden Raum, als einen transkulturellen Austauschraum oder im Sinne von Bhabha als third space (Bhabha 1994: 53–56), in dem Prozesse kultureller Hybridisierung bzw. (trans-)kulturelle Austauschprozesse stattfinden. Das „Spiel der Texte und Kulturen“, wie es Hallet formuliert, wird durch das Zusammentreffen von Texten aus der eigenkulturellen, der fremdkulturellen und einer transkulturellen Sphäre und deren Verarbeitung durch die Lernenden in Gang gesetzt (vgl. Hallet 2002 und Freitag-Hild 2013: 127). Selbst in einem homogenen Klassenraum können zwischen muttersprachlichem Deutschlehrer und koreanischen Kursteilnehmern in der gemeinsamen Auseinandersetzung dialogisch kulturelle Bedeutungen ausgehandelt werden. Insbesondere die Behandlung regionalspezifischer Themen aber auch Alltagsthemen beider Kulturen tragen dazu bei, dass die ursprünglichen Sichtweisen der Lernenden zwangsläufig

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in Frage gestellt und kulturelle Muster und Prägungen nachhaltig verändert werden. Ich bin davon überzeugt, dass ein derartiger DaF-Unterricht in Korea spannender und bereichernder für beide Seiten ist: sowohl für die koreanischen Kursteilnehmer als auch für den deutschen Muttersprachler. Das Reflektieren über sich selbst, die eigene Identität und das Deutschsein führt uns die Konzeption des Heimatbegriffs einmal mehr vor Augen. Heimat ist ein Thema, das stets in den DaF-Unterricht auf verschiedenste Weise integriert werden könnte. Heimat impliziert immer die Möglichkeit, sich selbst mit dem Blick des Fremden sehen zu lernen, und schärft das Bewusstsein für das, was einem in Deutschland lieb und teuer ist. Dazu gehören die die europäischen Gesellschaften charakterisierenden sozialen Werte wie Autonomie, Freiheit, Pluralismus, Demokratie oder auch die Gleichberechtigung der Geschlechter. Dabei mag Skepsis angebracht sein, inwiefern sich Erfahrungen angesichts historischer und kultureller Unterschiede über Kulturräume übertragen lassen. Es wäre naiv und tendenziell eurozentristisch bis kolonialistisch, koreanische Kulturstandards nach Deutschland zu verpflanzen (vgl. Said 1979; Park & Klopf 2008: 85). Gleichwohl lehrt uns der Blick auf das dynamische Korea, dass gesellschaftliche Ambivalenzen die eigene Identität bereichern können. Im folgenden Teil versuche ich, diese eher kulturtheoretischen Überlegungen auf den Konversationsunterricht an den Fremdsprachenoberschulen zu übertragen. Wie oben erwähnt, wird an diesen Schulen noch intensiv Deutsch gelernt. Einige Studenten aus diesen Schulen studieren später Germanistik. Deshalb finde ich es wichtig, die Rolle des Muttersprachlers noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

4 Konversationsunterricht an den Fremdsprachenoberschulen An den Fremdsprachenoberschulen werden Muttersprachler für den eigens eingerichteten Konversationsunterricht eingestellt. Sie sind ideale Sprecher ihrer Sprache, bestechen durch haargenaue Aussprache, lexikalische Varianz und grammatische Beflissenheit. Sie bestimmen so die Normen der Sprache, an denen die Lerner sowie nicht-muttersprachliche Sprecher gemessen werden. Sie genießen durchaus hohes Ansehen als Sprachenlehrer, denn sie verkörpern nicht nur die Authentizität einer Sprache, sondern repräsentieren den ursprünglichen kulturellen Kontext, der mit einer Sprache vermittelt wird (vgl. Kramsch 1998: 79).

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Kommunikativ authentisch sind Äußerungen vor allem dann, wenn sie Informationen enthalten, die für den Hörer neu sind: Wenn sich ein Lerner beispielsweise nach den Hausaufgaben erkundigt, eine Auskunft über preiswerte Angebote in einem Geschäft gibt oder eine Frage zur Grammatik stellt, weil ihm etwas unklar ist, dann ist dies Teil einer authentischen Kommunikation. Wenn dagegen ein Lerner den Inhalt eines Textes, den ein Lehrer bereits kennt, mit eigenen Worten zusammenfasst, dann ist das nicht kommunikativ authentisch, da der Lehrer ja nichts Neues erfährt. (Huneke & Steinig 2013: 122–124).

Genau hierin liegt die Funktion des Muttersprachlers. Ihre Authentizität ist ein wichtiges Mittel, ein Werkzeug, die koreanischen Schüler zum Sprechen zu bewegen. Folgende zwei Fragen stellen sich die muttersprachlichen Lektoren bei der Vorbereitung und Durchführung ihres Unterrichts: „Wie ließe sich authentische Kommunikation in den Fremdsprachenunterricht implantieren? Welche Inhalte und welche Gesprächskonstellationen ließen sich finden, damit „echte“ Gespräche im Fremdsprachenunterricht möglich werden?“ (Huneke & Steinig 2013: 124; vgl. auch Koeppel 2016: 404–417 oder Müller-Jacquier 2013: 190–192). Die meist muttersprachlichen Lektoren unterrichten in den koreanischen Fremdsprachenoberschulen in den Klassen, die Deutsch als Hauptfach leistungskursähnlich erlernen, zwei Wochenstunden Deutsch, in den Klassen, die Deutsch als Nebenfach grundkursähnlich erlernen, eine Stunde in Kleingruppen. Sie stehen vor der Herausforderung, den Schülern mit spannendem und kreativem Unterrichtsstil Interesse an der für Koreaner schwierigen deutschen Sprache zu vermitteln und zugleich für Abwechslung vom oft tristen und harten Schulalltag zu sorgen. Diese Konversationslehrer unterrichten jedoch im Vergleich zum koreanischen Deutschlehrer weniger Stunden in den einzelnen Deutsch-Klassen. Die Schüler haben beispielsweise im ersten Jahr der Oberschule drei Stunden Deutschunterricht bei einem koreanischen Deutschlehrer und zwei Stunden bei einem Muttersprachler. Im zweiten Jahr haben sie sogar fünf Stunden beim koreanischen Lehrer und weiterhin nur zwei Stunden beim Muttersprachler. Im dritten Jahr haben sie schließlich keine einzige Stunde mehr Konversationsunterricht, aber sieben bis neun Stunden Grammatik-Unterricht beim koreanischen Deutschlehrer (vgl. Lehmann 2011). An den Fremdsprachenoberschulen unterrichten neben den koreanischen Lehrern die oben erwähnten Muttersprachler, welche dank ihres Eifers, ihres Elans und ihrer Kreativität einen Teil der Schüler zur aktiven Mitarbeit motivieren können. Jedoch können sie oft nicht auf die Kenntnisse des oben angesprochenen Lese- und Grammatikunterrichts aufbauen, da die Schüler die richtige Aussprache der Vokabeln und die fachgemäße Anwendung der Grammatik aus den oben genannten Gründen nicht beherrschen. Das führt dazu, dass sie häufig die

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Grammatik nochmals erklären müssen und dann beim ohnehin schon beschränkten Stundenumfang die Zeit fehlt, mehr und intensivere Konversationsübungen durchzuführen. Es fehlt folglich die Vorentlastung, die eigentlich von den koreanischen Lehrern geleistet werden müsste. Vielen Schülern ist oft gar nicht bewusst, dass sie die Grammatik a priori bereits gelernt haben. Ein weiteres schwerwiegendes Problem ist das Fehlen eines Curriculums für den Konversationsunterricht. Das gilt jedoch nicht nur für Deutsch, sondern auch für die anderen Sprachen erklären Huneke & Steinig (2013: 123). Den Konversationslehrern ist es allein überlassen, den Inhalt des Unterrichts festzulegen. Sie müssen und können sich nicht an ein verbindliches Curriculum halten (Zur Bedeutung des Curriculums im DaF-Unterricht vgl. Koeppel 2016). Hierdurch ist die Auswahl des konkreten Unterrichtsstoffs natürlich einer gewissen Willkür unterworfen. Jeder Konversationslehrer setzt aufgrund seiner subjektiven Wahrnehmung und des vermuteten Kenntnisstands der Schüler andere Prioritäten und Schwerpunkte. Je mehr Unterrichtserfahrung ein Lektor an Oberschulen gesammelt hat, desto effektiver wird sein individuelles Curriculum und desto eher ist sein Lernstoff an den tatsächlichen Bedürfnissen der Schüler orientiert. Insofern zumindest ein DaF-Lehrbuch existiert, kann er sich an den Themen der Lektionen orientieren. Schafft die Schule jedoch kein Lehrbuch an, muss er sich für die einzelnen Klassen selbst ein Curriculum erarbeiten, das als Grundlage für den Unterricht dient. Das ist vor allem für Konversationslehrer, die neu an einer Oberschule anfangen, eine große Herausforderung, insofern es keine Unterstützung von den koreanischen Deutschlehrern gibt. Einige Schüler kommen zudem mit den unterschiedlichen Erklärungsansätzen zwischen dem koreanischen Deutschlehrer und dem Muttersprachler nicht zurecht, doch ist das häufig genau der Punkt, an dem sie beginnen, Fragen zu stellen, um den einzelnen Problemstellungen gemeinsam auf den Grund zu gehen. Einerseits führt das häufig weg vom eigentlichen Sinn und Ziel des Unterrichts, die Konversationsfertigkeiten zu verbessern. Andererseits ist es m.E. auch notwendig, de facto zu verstehen, was, warum und wie man etwas sagt, statt blind Mono- oder Dialoge auswendig zu lernen oder ganze Textbücher abzuschreiben. Viele Schüler verfallen zwar fast zwangsläufig wieder in den alten Trott, da sie andere Lehr- und Lernmethoden bisher nicht kannten, doch erkennen sie zumindest, dass es alternative Methoden gibt, die es wert sind, ausprobiert zu werden (vgl. Koeppel 2016). Das Unterrichtsgespräch dient dabei der Überprüfung und Festigung der spezifischen Lernziele. Durch dialogische Lehr- und Lernformen „entwickelt sich das für Sprach- und Kulturvergleiche typische experimentelle Abgleichen von Interpretationen sprachlich-kultureller Fremde.“ (Müller-Jacquier 2013: 192). Das

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Unterrichtsgespräch kann dazu beitragen, den koreanischen Schülern authentische deutsche Dialoge, die in ähnlicher Form in Deutschland auftreten, näherzubringen. Der Muttersprachler baut eine „Sprachbrücke“, in dem er eine „Leerstelle“ im Klassenraum füllt, die so noch nicht ausgefüllt worden ist. Er ermöglicht so den Lernenden, ihre Perspektiven auf die Lerninhalte einzubringen und behält dabei stets das Unterrichtsziel im Auge: Die übereifrige Imitation deutschen Musterverhaltens zugunsten eines reflektierten Umgangs mit erwartbarem Verhalten deutschsprachiger Personen vor allem im Herkunftsland der Lernerinnen zurückzudrängen (vgl. Müller-Jacquier 2013: 192)

Er ist somit nicht nur der Moderator der mündlichen Kommunikation zwischen den Kursteilnehmern, sondern auch derjenige, der einen Ausgleich zwischen Eigen- und Fremdkultur herstellt. Der Muttersprachler hat eine Brücken- und Vermittlungsfunktion, die es ihm ermöglicht, einen tatsächlichen Beitrag für den Fremdsprachenerwerb zu leisten: Er ist in Korea kultureller sowie zum Teil auch bilingualer sprachlicher Mediator zwischen zwei diametral entgegengesetzten Kulturen. Zudem hat er insofern eine Vermittlungsfunktion zwischen koreanischem Deutschlehrer oder Dozenten und seinen Schülern, als dass er Lehrinhalte vermitteln kann, die im Curriculum des koreanischen Dozenten oft keinen Platz finden. Der Muttersprachler kann den Schülern und Studenten einen nativen Impetus geben, sprachliche Strukturen auf eine andere Art zu erlernen als sie es gewohnt sind. Während die koreanischen Lehrenden fast ausschließlich deduktiv arbeiten, kann der Muttersprachler zwischen induktiver und deduktiver Methode wechseln.

5 Schlussfolgerung Insgesamt ist festzuhalten, dass es eine große Herausforderung ist, als Muttersprachler Deutsch in Korea zu unterrichten. Muttersprachliche Lehrende müssen die hier in Korea geltenden kulturellen Gepflogenheiten nicht nur akzeptieren und respektieren, sondern sollten auch Wege finden, die Eigenkultur zum besseren Verständnis der Fremdkultur in den Unterricht einfließen zu lassen. Solche interkulturellen Methoden können dazu beitragen, die Kommunikation untereinander zu aktivieren. Das ist sicher eine große, nicht zu unterschätzende Herausforderung, die jedoch in Angriff genommen werden muss, um den Deutschunterricht in Korea wieder attraktiver zu machen. Manches was ich an dieser Stelle geschrieben habe, mag sehr direkt sein, doch entspricht es meinem besten Wissen. Mein Ziel ist es ganz und gar nicht,

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ausschließlich die koreanische Seite zu kritisieren und sie allein für den Zustand verantwortlich zu machen. Ich habe zu Beginn nicht ohne Grund den Stellenwert der deutschen Sprache dargelegt. Meine Hoffnung ist es, dass sich die Dinge noch zum Guten wenden und alle miteinander an einem Strang ziehen und versuchen, das Beste aus dem Status quo zu machen. Trotz der angesprochenen Schwierigkeiten gibt es auch zahlreiche schöne Momente mit den Schülern im Unterricht und in der Schule im Allgemeinen. Einige Schüler und Studenten sind gerade zu Beginn unheimlich eifrig, wissbegierig und begeisterungsfähig, was es ihnen ermöglicht, viel Lernstoff in einem relativ kurzen Zeitraum zu erlernen. Wenn sie mehr Zeit hätten und sie ihr durchaus vorhandenes Interesse an Deutsch aufrecht erhalten könnten, wären sie sicher in der Lage, ihre Sprachkenntnisse mindestens bis zu einem Mittelstufenniveau zu verbessern.

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Förderung von DaF in Indonesien 1 Die Stellung der deutschen Sprache in Indonesien Begegnungen zwischen Deutschen und Indonesiern gibt es bereits seit mehr als 400 Jahren (bis 1945 allerdings stand das Gebiet des heutigen Indonesiens unter kolonialer Herrschaft der Niederländer). Nach Seemann (2000: 4) wurde im Jahr 1981 dokumentiert, dass es zu dem Zeitpunkt ca. vierhundert Titel deutschprachiger Werke über Indonesien gab, davon stammen etwa drei Dutzend bereits aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Das Unterrichten der deutschen Sprache an indonesischen Schulen hat während der holländischen Kolonialzeit begonnen, und zwar an der Hogere Burgerschool im Jahr 1940 (vgl. Darmojuwono 2001: 1594). Nach der Unabhängigkeit Indonesiens im Jahr 1945 blieb die deutsche Sprache als Unterrichtsfach in der Oberschule weiter bestehen. Gegenwärtig sind 28 ausgewählte indonesische Oberschulen in der PASCH-Initiative vernetzt und ca. 19.000 Schüler lernen Deutsch an diesen PASCH-Schulen1. Im Jahr 1961 wurde die älteste Deutschabteilung in Indonesien an der Universitas Indonesia gegründet. Zurzeit gibt es an 14 Hochschulen in Indonesien Deutschabteilungen, die sich mit der deutschen Sprache, Linguistik, Literaturund Kulturwissenschaft befassen. Gegenwärtig studieren 3349 Studenten an den 14 Deutschabteilungen in Indonesien (Deutsch als Fremdsprache weltweit 2015: 40). Deutsch wird darüber hinaus an Privatuniversitäten wie der Swiss-German University (SGU) und der International University Liaison Indonesia (IULI) als Studienfach für die Vorbereitung auf Praktika in Deutschland gelehrt. Seit 2003 besteht die Möglichkeit für Oberschulabsolventen, die in Deutschland studieren wollen, das Studienkolleg in Jakarta zu besuchen und die Feststellungsprüfung in Indonesien abzulegen. Das Studienkolleg arbeitet mit dem Niedersächsischen Studienkolleg der Leibniz-Universität Hannover zusammen. Zum Besuch des Studienkollegs muss man Studiengebühren in Höhe von ca. 4000 Euro für zwei Semester bezahlen.

|| 1 https://www.goethe.de/ins/id/id/sta/jak/web.html (15.10.2017). || Setiawati Darmojuwono, Universitas Indonesia, Jakarta, Indonesien, [email protected]

https://doi.org/10.1515/9783110479232-051

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Außerhalb der Schulen und Universitäten spielt das Goethe-Institut eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von DaF in Indonesien. Das Goethe-Institut existiert seit 56 Jahren in Indonesien. Jedes Jahr lernen ca. 5000 Menschen Deutsch in Jakarta, Bandung und Surabaya. Die Sprachkurse sind nicht kostenlos. Die Kursgebühren für einen Extensivkurs betragen ca. 150 Euro und für einen Intensivkurs ca. 500 Euro, aber man kann etwas Deutsch auch online und gratis beim Goethe-Institut lernen. An vielen Oberschulen (SMA) in Indonesien ist Deutsch als Fremdsprache als Wahlpflichtfach im Curriculum verankert, als Teil einer Gruppe von Fremdsprachen, zu denen neben Deutsch auch Französisch, Japanisch, Arabisch, Chinesisch und Koreanisch gehören. Das gilt für die Oberschüler, die einen sprach- und kulturwissenschaftlichen Schwerpunkt gewählt haben. Für Schüler, die einen natur- bzw. sozialwissenschaftlichen Schwerpunkt gewählt haben, ist die deutsche Sprache ein mögliches Wahlfach. Deutsch ist in Indonesien für die meisten, die Deutsch lernen, die zweite Fremdsprache (die erste Fremdsprache ist Englisch). In letzter Zeit lernen allerdings die Kinder, die bilinguale Bildungseinrichtungen besuchen, neben Englisch häufig auch bereits Chinesisch (Mandarin) im Kindergarten und in der Grundschule. Für diese Gruppe von Schülern ist Deutsch, wenn sie es lernen, die dritte Fremdsprache. Es ist nicht ausgeschlossen, wie Ammon spekuliert, dass es unter den Deutschlernenden vereinzelt Personen gibt, die Deutsch als Muttersprache erworben haben (vgl. Ammon 2015). Obwohl in Indonesien Deutsch in der Regel die zweite Fremdsprache ist, ist die Zahl der Deutschlerner in Indonesien ziemlich hoch, weil man mit dem Erwerb der deutschen Sprache Zugang zu verschiedenen beruflichen Bereichen erhält. Im Jahr 2016 habe ich empirisch die Stellung der deutschen Sprache in Indonesien anhand der ökonomischen Stärke der deutschen Sprache nach Ammon (2015) untersucht. Das Ergebnis meiner Forschung zeigt, dass die deutsche Sprache in den Domänen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kultur, Tourismus und Medien in Indonesien eine Rolle spielt (vgl. Darmojuwono 2016). Vor allem auf dem Gebiet der Wissenschaft (einschließlich Studienangeboten und Stipendien) hat Deutschland Anziehungskraft für junge Menschen. Nach Jörg Kinnen, zurzeit Referent für Kultur und Presse in der deutschen Botschaft in Indonesien, beträgt die Zahl der indonesischen Studierenden in Deutschland gegenwärtig rund 3625 Studenten, was gegenüber 2012 eine Steigerung um über 45% darstellt (vgl. Kinnen 2016: 5). Für die große Mehrheit der Teilnehmer an Sprachkursen an den Goethe-Instituten ist Deutsch genauso wie für die Deutschlerner in den Schulen oder an den Universitäten die zweite oder dritte Fremdsprache.

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2 Die Förderung von DaF in Indonesien Das Wort Förderung bezieht sich natürlich auf die Sprachförderung. Die Verwendung dieses Begriffes hat nach Ammon (2015: 1071) den Vorteil, „[...] dass er sich sowohl auf eine Politik der Verbreitung als auch der Stellungserhaltung einer Sprache (in der Regel der eigenen Amts- oder Muttersprache) beziehen lässt“. Die Förderung von DaF in Indonesien wird im Folgenden hauptsächlich aus der indonesischen Sicht analysiert, ohne auf den juristischen Status der Mittlerorganisationen in Deutschland einzugehen. Nach Ammon (2015: 1111–1112) ist „das wesentliche Merkmal der Mittlerorganisationen ihre Aufgabe der Vermittlung von Kultur und/oder Sprache des eigenen Landes ins Ausland und an Ausländer“. Ammon erwähnt viele Mittlerorganisationen, die sich hauptsächlich mit der deutschen Sprache beschäftigen, aber im Zusammenhang mit der Förderung von der deutschen Sprache in Indonesien werden im Folgenden nur die Mittlerorganisationen erörtert, die in Indonesien tätig sind und eine wichtige Rolle zur Förderung von DaF in Indonesien spielen.

2.1 Goethe-Institut Das indonesische Staatsgebiet erstreckt sich entlang des Äquators von Sabang auf der Insel Weh, einer kleinen Insel vor der Küste von Sumatra, ganz im Westen des Inselarchipels bis zum Regierungsbezirk und der gleichnamigen Stadt Merauke ganz im Osten, an der Grenze zu Papua-Neuguinea: Die Entfernung von Sabang bis nach Merauke beträgt über 8.500 km. Es gibt zwei Goethe-Institute und ein Goethe-Zentrum in Indonesien, sie befinden sich alle auf der Hauptinsel Java: in Jakarta und in Bandung jeweils ein Goethe-Institut, in Surabaya ein Goethe-Zentrum. Das Goethe-Institut in der indonesischen Hauptstadt Jakarta koordiniert die Arbeit der Goethe-Institute in Südostasien, Australien und Neuseeland. Im Bereich DaF in Indonesien arbeitet das Goethe-Institut mit lokalen Institutionen zusammen, wie den Oberschulen, Universitäten (allerdings vor allem mit den ehemaligen Pädagogischen Hochschulen, die in Universitäten umgewandelt wurden), dem indonesischen Deutschlehrerverband und dem sog. „Zentrum für die professionelle Entwicklung der Lehrer (P4TK)“ zusammen. Laut der Datenerhebung im Jahr 2015 betrug die Zahl der Deutschlernenden in ganz Asien 790.000 Menschen, 187.308 davon lernten Deutsch in Indonesien, also immerhin fast ein Viertel (ca. 24%). Die Mehrheit der Deutschlernenden lernt Deutsch in der Schule (152.500 Lernende). Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen und unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung dürften

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die Deutschlernerzahlen in Indonesien zukünftig weiter steigen (vgl. Deutsch als Fremdsprache Weltweit 2015: 11). Angesichts des schnellen Anstiegs der Deutschlernenden in Indonesien bereits in den letzten Jahren und der Tatsache, dass Indonesien ein inselreicher Staat ist, der sich über ein weites Gebiet erstreckt, hat das Goethe-Institut Jakarta die sprachliche und methodische Fortbildung von ca. 3000 Deutschlehrern mit Hilfe von Multiplikatoren (Deutschlehrern und Deutschdozenten) durchgeführt. Außerdem werden durch neue Medien unterstützte Formen des Deutschunterrichts wie blended learning und digitaler Deutschunterricht (Computer und Smartphones im Deutschunterricht) eingesetzt. Zur Unterstützung des Deutschunterrichts veranstaltet das Goethe-Institut seit 2008 auch Deutscholympiaden in Indonesien, an der jedes Jahr 1300 Schüler teilnehmen. Der Sieger der Deutscholympiade wird zu dem Wettbewerb der Deutscholympiade nach Deutschland geschickt. Als Deutschlandwerbung finden am Goethe-Institut darüber hinaus „Deutsche Tage“ statt, ein Wettbewerb für Deutschlernende in Indonesien (Information von Hartono Pangi, der für die Bildungskooperation Deutsch im Goethe-Institut zuständig ist, 6.11.2017). Zum Arbeitsbereich des Goethe-Instituts in Jakarta gehören die 28 PASCHSchulen in Indonesien. Die PASCH-Schulen befinden sich auf den großen Inseln in Indonesien, nämlich Sumatra, Kalimantan, Java, Bali, Lombok, Sulawesi, den Molukken und Papua. Die Oberschulen, die in PASCH-Schulen vernetzt sind, sind staatliche und private Einrichtungen (überwiegend handelt es sich um private islamische und katholische Oberschulen). Die Auswahl der Schulen richtet sich nach ihrer technischen Ausstattung, den Zusagen der Schulleiter, mehr Stunden für den Deutschunterricht einzurichten, der Qualität der Deutschlehrer und dem Potential der Schulen zur strukturellen Weiterentwicklung in der Zukunft (diese Informationen stammen aus einem Gespräch mit Frau Ekadewi Indrawidjaja, der Projektleiterin der PASCH-Schulen in Indonesien, im Juni 2015). Aus den genannten Auswahlkriterien wird bereits ersichtlich, dass Schulen, die diese Kriterien erfüllen, in erster Linie Elite-Schulen sind, entweder aufgrund der ökonomischen Stellung der Familien der Schüler und/oder weil diese aufgrund eigener schulischer Leistungen zu den Besten gehören. Insofern bilden die PASCH-Schulen in Indonesien eine solide Grundlage auch für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Indonesien. Der Vorstandssprecher des größten deutschen und europäischen Softwareunternehmens SAP, Henning Kagermann, hat geäußert, dass „ein Partnerprogramm für Schulen im Ausland eine exzellente Ausbildung für junge Menschen bietet, und sie mit der deutschen

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Sprache und Kultur vertraut macht, was eine zusätzliche Qualifikation für Mitarbeiter in den weltweiten Niederlassungen des Unternehmens [SAP] darstellt.“2 In derselben Broschüre zu den PASCH-Schulen hat der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier das Ziel einer Verbindung zwischen Schule und Studium folgendermaßen formuliert: „Mit unserer schulischen Arbeit im Ausland verfügen wir hier über ein – auch im internationalen Vergleich – hochwertiges außenkulturpolitisches Instrument. Dieses setzen wir gezielt ein, vor allem in den Wachstumsregionen in Asien, im Nahen und Mittleren Osten sowie in Mittel- und Osteuropa, wo wir stärker präsent sein wollen. Gemeinsam mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst fördern wir darüber hinaus auch die Verbindungen der Partnerschulen und ihrer Absolventinnen und Absolventen zu Universitäten in Deutschland.“ Absolventen der PASCH-Schulen in Indonesien können sich beim GoetheInstitut für ein Stipendium zum Besuch des deutschen Studienkollegs in Jakarta als Vorbereitung für ein Studium in Deutschland bewerben. Im Jahr 2017 bekamen 5 Absolventen von PASCH- Schulen Stipendien vom Goethe-Institut für den Besuch des Studienkollegs in Jakarta. Insgesamt haben in diesem Jahr 27 Absolventen des Studienkollegs erfolgreich abgeschlossen und können in Deutschland mit dem Studium anfangen. Nach der Feststellungsprüfung bekam einer der ehemaligen PASCH-Schüler ein Stipendium vom DAAD für das Studium in Deutschland3. Diese Angebote vom DAAD und vom Goethe-Institut an die Absolventen der PASCH-Schulen stellen eine Motivation für indonesische Schüler dar, Deutsch zu lernen. Gleichzeitig ist es eine Werbung für das Studienkolleg, das in der indonesischen Hauptstadt bereits seit 14 Jahren existiert. Einer Umfrage unter PASCH-Schülern in Indonesien, die ich im Juni 2015 online durchgeführt habe und an der 47 PASCH-Schüler teilgenommen haben, kann man entnehmen, dass 34% der Schüler in Deutschland studieren möchten. Allerdings haben einige hinzugefügt, dass sie das nur wollen, wenn sie auch ein Stipendium erhalten können. Es wäre hier wünschenswert, wenn das Goethe-Institut und der DAAD auch ein spezielles Programm für Absolventen von PASCH-Schulen hätten, die DaF/Germanistik in Deutschland studieren und später Dozenten in den Deutschabteilungen in Indonesien werden möchten. Wenn jedes Jahr die besten Absolvent/inn/en von PASCH-Schulen, die DaF/Germanistik in Deutschland studieren möchten, ein Stipendium erhalten könnten, würde ein solches Programm für die

|| 2 www.laibach.diplo.de/contentblob/3458556/Daten/456182/Edition_ Diplomatie_PASCH_DEU-DW/Dat.Pdf (22.07.2015). 3 www.studienkolleg-indonesia.de (30.11.2017).

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Förderung der Nachwuchsgenerationen von Dozenten an den 14 Deutschabteilungen indonesischer Universitäten ausgesprochen nützlich sein. Solche Schüler haben ja nicht nur gute deutsche Sprachkenntnisse, sondern fast immer auch wegen ihrer guten Schulleistungen bereits Deutschlanderfahrung. Ein Stipendium für das Studienkolleg allein gibt nämlich keine Garantie dafür, dass man nach dem Besuch des Studienkollegs in Deutschland weiterstudieren kann – außer, wenn man das Studium in Deutschland selbst finanziert. Laut den Ergebnissen meiner Umfrage im Jahr 2015 interessieren sich ca. 25% der PASCH-Schüler dafür, später Germanistik/DaF zu studieren, allerdings möchten nur 4 der 47 befragten Schüler bereits den Bachelor in Deutschland machen. Die Umfrage hat nicht untersucht, ob die Schüler, die später Deutsch studieren möchten, aus Familien stammen, die für ein Studium in Deutschland auf Stipendien angewiesen wären.

2.2 Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) Das DAAD-Büro wurde im Jahr 1990 in Jakarta geöffnet, Kontakte des DAAD zu den Universitäten in Indonesien bestanden aber bereits früher. Schon in den 1960er Jahren wurden DAAD Lektoren an die Deutschabteilung der Universitas Indonesia mit dem Auftrag geschickt, zu einer Weiterentwicklung des Deutschstudiums beizutragen. Gegenwärtig arbeiten vier DAAD-Lektoren an den Deutschabteilungen in Indonesien, nämlich zwei an der Universitas Indonesia (einer davon allerdings mit begrenztem Lehrauftrag, der zbV-Lektor, der hauptsächlich an der DAAD-Außenstelle arbeitet), ein/e Lektor/in an der Universitas Padjadjaran und eine/r an der Universitas Negeri Yogyakarta. Obwohl die Lektoren an den drei genannten Universitäten jeweils hauptsächlich tätig sind, machen sie auch Fortbildungen für die Dozenten der Deutschabteilungen anderer Universitäten, vor allem in den Bereichen Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft, in denen es an vielen Universitäten Wissensdefizite gibt. Die DAADLektoren für Germanistik haben die gleichen Aufgaben wie die indonesischen Dozenten im Fachbereich, sie halten Seminare, führen Prüfungen und Examen durch, und sie unterstützen die Nachwuchsdozenten bei ihrer weiteren Qualifizierung, vor allem im Bereich der Promotion. Die Lektoren haben auch die Funktion als Berater und Partner für die indonesischen Kollegen bei der fachlichen Entwicklung des Deutschstudiums an den Universitäten in Indonesien. Der DAAD bietet verschiedene Programme zur Förderung der Deutschabteilungen in Indonesien an: Promotionsprogramme in Deutschland für Jungdozenten sowie Studien- und Forschungsaufenthalte für indonesische Wissenschaftler, um ihre Fachkenntnisse zu erweitern und Kontakte mit den deutschen

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Kollegen in Deutschland aufzubauen. Das Wiedereinladungsprogramm für ehemalige Stipendiaten gibt diesen die Möglichkeit, ihre Fachkenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen und Kontakte mit den Kollegen in Deutschland zu intensivieren. Die angebotenen Programme sind nicht nur für Individuen wichtig, sondern sie sind auch nützlich für die Deutschabteilungen insgesamt. Das Austauschprogramm des DAAD für Kurz- und Langzeitdozenturen, die den Besuch deutscher Wissenschaftler als Gastdozenten an indonesischen Universitäten unterstützen, tragen zur Weiterbildung der indonesischen Dozenten bei und können gleichzeitig das Image der deutschen Wissenschaft in Indonesien erhöhen, da die Gastdozenten außerhalb der Deutschabteilung normalerweise Vorträge auf Fakultätsebene halten. Zu den Hindernissen gehört, dass es wegen der hohen Lehr- und Forschungsbelastung der Hochschuldozenten in Deutschland allerdings nicht immer leicht ist, einen Wissenschaftler/eine Wissenschaftlerin als Gastdozenten zu gewinnen, der oder die für einige Wochen im Land bleiben kann. Um möglichst viele Dozenten an den 14 Universitäten in Indonesien bei der Fortbildung durch Gastdozenten zu unterstützen, könnte der DAAD zum Beispiel mit dem indonesischen Germanistenverband ein Fortbildungsprogramm entwerfen, das durch die neuen, digitalen Medien unterstützt wird und so mehr Dozenten erreichen könnte, relativ unabhängig von den indonesischen Institutionen, an denen sie tätig sind. Die angebotenen Fortbildungsthemen könnten und sollten zwischen dem Gebiet der deutschen Literaturwissenschaft, der Sprachwissenschaft und der Kulturwissenschaft wechseln. Zur Deutsch-Förderung in Indonesien gibt der DAAD jedes Jahr den besten Studierenden an Deutschabteilungen die Möglichkeit, einen Sommerkurs an Universitäten in Deutschland zu besuchen (das HSK: Hochschulsommerkursprogramm). Obwohl diese Sommerkurse in der Regel nur vier bis sechs Wochen dauern, sind die Studenten davon begeistert. Viele ehemalige Sommerkursteilnehmer arbeiten nach dem Abschluss des Studiums als Dozenten der Deutschabteilungen. Außer den Hochschulsommerkursen in Deutschland unterstützt der DAAD auch südostasiatische Sommeruniversitäten, bei denen Studierende und Jungdozenten von Hochschulen verschiedener südostasiatischer Länder zusammenkommen. Zu den Zielen der südostasiatischen Sommeruniversitäten gehört, die deutsche Sprachkompetenz der Studenten und der Jungdozenten zu steigern. Bei der Begegnung mit Deutschstudierenden aus verschiedenen ASEAN-Ländern können die Teilnehmer außerdem interkulturelle Kompetenzen erwerben. Zusätzlich bereitet die südostasiatische Sommeruniversität die Studierenden auf mögliche Berufsfelder vor. Die erste südostasiatische Sommeruniversität fand im Jahr 2012 an der Universitas Indonesia in Jakarta statt. An dieser ersten Sommeruniversität haben 53 Studierende aus Indonesien, Malaysia, Thailand, Laos, den

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Philippinen und Vietnam teilgenommen. Bei der Veranstaltung gab es Fachkurse für Tourismus, Medien, Theater und Wissenschaftssprache Deutsch, unter denen die Studierenden auswählen konnten4. Nach der ersten südostasiatischen Sommeruniversität an der Universitas Indonesien 2012 gab es Sommeruniversitäten an der National University Hanoi in Vietnam, an der Chulalongkorn University in Thailand und im Jahr 2017 an der University of the Philippines Diliman. Die südostasiatische Sommeruniversität beruht auf einer Zusammenarbeit zwischen den DAAD-Lektoren an verschiedenen Standorten in Südostasien und lokalen Dozenten in den verschiedenen Ländern. Soweit möglich, wird auch ein Referent oder eine Referentin von einer deutschen Universität eingeladen. Natürlich ist ein Besuch der südostasiatischen Sommeruniversitäten durch Studierende nicht vergleichbar mit der Teilnahme an Hochschulsommerkursen in Deutschland, weil die Deutschlanderfahrung ein so wünschenswerter Teil des Deutschlandstudiums ist, aber die ASEAN-Sommeruniversitäten werden gleichwohl als nützlich und bereichernd wahrgenommen. Eine Teilnehmerin aus Indonesien, Debora Mariyi Kezia (2015: 49) hat dazu Folgendes geschrieben: „Wir haben so viele Informationen zu verschiedenen Themen in unseren Heimatländern ausgetauscht, auf Deutsch. Ich finde, das ist sehr wichtig, aufgeschlossen zu werden (open minded), wenn man über Kultur, Religion, Gesellschaft und den Alltag in verschiedenen Ländern spricht. Vieles ist fast gleich, aber manches ist auch wirklich sehr verschieden.“ Ein Jungdozent, Dias Rifanza (2015: 53) von der Universitas Indonesia, hat formuliert, „dass die internationale Vielfalt in der Klasse für mich sehr hilfreich war, denn hätte ich nicht auf Deutsch gesprochen, hätte mich außer den indonesischen und malaysischen Kollegen keiner verstanden (die indonesische und malaysische Nationalsprachen sind eng verwandt, sie haben dieselbe Wurzel). Dies half mir, meine Unsicherheit zu überwinden, mein Deutsch kommunikativ zu nutzen, [...]. Teil des Abschlussprogramms war eine Plenumsdiskussion zum Fachgebiet DaF/Germanistik in der ASEAN-Region. Dabei kam heraus, dass viele Studenten sich wünschen, den Lehrplan der Deutschabteilungen in den ASEAN-Ländern anzugleichen – auch, um einen Studienaustausch untereinander möglich zu machen. Außerdem war ein häufig geäußerter Wunsch, dass der Sprachunterricht mehr auf die Arbeitswelt hin ausgerichtet wird“. Das Thema der Sommeruniversität 2015 an der Universität Chulalongkorn in Bangkok war: „Deutsch verbindet ASEAN“. Man darf hoffen,

|| 4 http://docplayer.org/42886198-Der-deutsche-akademische-austauschdienst-daad-undder.html (30.10.2017).

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dass durch die Begegnung der Jungdozenten und Deutschstudierenden verschiedener ASEAN-Länder Deutsch auch künftig eine wichtige Kultur-und Wissenschaftssprache in der Region bleiben wird.

2.3 Robert Bosch Stiftung An der Förderung von DaF in Indonesien ist außer dem DAAD und dem GoetheInstitut unter anderem auch die Robert Bosch Stiftung beteiligt. Das Lektorenprogramm der Robert Bosch Stiftung wird wie folgt beschrieben: „Das Lektorenprogramm der Robert Bosch Stiftung fördert junge Menschen, die an Hochschulen in Asien Deutsch als Fremdsprache unterrichten und Bildungsprojekte durchführen. Sie bringen sich aktiv in die Bildungsarbeit an ihrem Hochschulstandort ein, engagieren sich im Sinne der Völkerverständigung und qualifizieren sich persönlich und fachlich weiter. Das Programmjahr wird durch ein umfangreiches Weiterbildungsangebot im Bildungs- und Projektmanagement sowie ein individuelles Coaching begleitet. Gefördert werden Lektorate in China, Indonesien, Südkorea, Thailand und Vietnam. Bewerben können sich Hochschulabsolventen aus deutschsprachigen Ländern sowie lokale Hochschuldozenten aus Asien“ 5. Die maximale Dauer des Bosch-Lektorenprogramms beträgt 2 Jahre. Die Lektoren erhalten eine finanzielle Unterstützung in Form eines Stipendiums und werden zusätzlich für die geleisteten Unterrichtsstunden nach dem ortsüblichem Tarif der lokalen Universitäten bezahlt. Für die Robert Bosch Stiftung ist die Lehre der Lektoren an den Deutschabteilungen nur eine Säule des Programms und, anders als beim DAAD, nicht der hauptsächliche Schwerpunkt. Lektoren und Lektorinnen sollen außerdem künstlerische oder soziale Projekte im Sinne der Völkerverständigung und des gesellschaftlichen Engagements durchführen6. Zurzeit sind 4 Bosch-Lektoren an Deutschabteilungen in Indonesien tätig: an der Universitas Negeri Malang, der Universitas Negeri Medan, der Universitas Pattimura Ambon und an der Universitas Negeri Jakarta. Außerdem werden zwei indonesische Deutschdozenten im Programm gefördert, die die Bosch-Lektoren bei der Projektarbeit unterstützen sollen. Sie haben außerdem Gelegenheit, sich im Bereich Schlüsselkompetenzen weiter zu qualifizieren und werden als Multiplikatoren an ihren Hochschulen eingesetzt.

|| 5 www.bosch.stiftung.de/content/language1/html/13919.asp (20.11.2017). 6 Interview mit Frau Antje Nehes, BOSCH-Lektorin an der Universitas Negeri Jakarta, über das Bosch-Lektorenprogramm am 16.11.2017.

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3 DaF-Förderung durch andere Institutionen Außer dem Goethe-Institut, dem DAAD und der Bosch Stiftung gibt es noch weitere Institutionen, die Deutsch in Indonesien fördern, ohne dass die Förderung einen Schwerpunkt bei DaF/Germanistik hat. So besteht für Deutsch-Dozenten die Möglichkeit, bei der Humboldt Stiftung Stipendien zu beantragen, die Kooperationen zwischen exzellenten ausländischen und deutschen Forscherinnen und Forschern fördert7. Es werden keine Daten über die Zahl der Stipendienempfänger aus dem DaF-Bereich in Indonesien angegeben, möglicherweise gibt es also nur sehr wenige oder überhaupt keine. Jedes Jahr wird auf dem Campus der Universitas Indonesia von den Studierenden ein Kulturfest veranstaltet, das von der deutschen Botschaft in Jakarta und Mittlerorganisationen wie dem DAAD und dem Goethe-Institut unterstützt wird. Auf das Kulturfest werden Schüler der Oberschulen aus Jakarta und Umgebung eingeladen, die dort an verschiedenen Wissenswettbewerben über die deutsche Sprache, Literatur und Kultur teilnehmen können. Das Fest ist so auch eine Werbung für das Deutschstudium bei Oberschülern. Gleichzeitig hat das Kulturfest das Ziel, dass Studenten von anderen Abteilungen und Fakultäten der Universitas Indonesia Gelegenheit erhalten, Deutschland und die deutsche Kultur kennenzulernen. Ein interessantes Programm bietet die Deutsche Welle an, nämlich OnlineKurse und Materialien zum Selbstlernen. Mit ihnen kann man sowohl als Anfänger die ersten Schritte im Deutschen machen als auch woanders erworbene deutsche Sprachkenntnisse auffrischen oder vertiefen. Man kann mit Hilfe von multimedialen Materialien Deutsch für Anfänger und Fortgeschrittene auf der Niveaustufe A1 bis C lernen8. Außerdem kann man auch Deutsch für den Beruf auf der Internetseite der Deutschen Welle trainieren. Viele Studenten aus der Deutschabteilung nutzen den Online-Kurs, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Es macht ihnen auch Spaß, Deutschkurse auf Facebook, auf Twitter und auf Instagram zu belegen. Community D ermöglicht den Deutschlernern und –lehrern gegenseitigen Kontakt. Sie können auch mit der Redaktion der Deutschkurse Kontakt aufnehmen. Anfänger, die keine oder nur geringe deutsche Sprachkenntnisse haben, können die deutsche Sprache auf dem Niveau A1 und A2 mit Hilfe der indonesischen Sprache lernen. DW Deutschlernen hat in Indonesien eine

|| 7 https://www.humboldt-foundation.de/web/wir-ueber-uns.html (30.11.2017). 8 www.dw.com/de/deutsch-lernen/deutschkurse/s-2068 (05.12.2017).

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große Reichweite, zum Beispiel wurde in der Reihe Lernerporträts ein Deutschlehrer von der Insel Flores, die im östlichen Teil von Indonesien (mehr als 2000 km von der Hauptstadt Jakarta) liegt, interviewt.9 Außer den bisher erwähnten Institutionen gibt es vereinzelt auch Förderungen durch deutsche Universitäten, die Stipendien für das Studium von Deutsch als Fremdsprache und verwandte Studiengänge in Deutschland anbieten (etwa die Universität Bielefeld, die Ludwig-Maximilians-Universität München und die Hochschule Konstanz, HTWG).

4 Auswirkungen der DaF Förderung in Indonesien Die positiven Auswirkungen der DaF-Förderung in Indonesien durch die deutschen Mittlerorganisationen in Zusammenarbeit mit staatlichen und privaten indonesischen Institutionen ist bereits ersichtlich an der tendenziell steigenden Zahl der Deutschlerner in Indonesien, wie schon oben erwähnt wurde. Natürlich haben die Deutschlerner im Goethe-Institut verschiedene Ziele, die sie mit dem Lernen der deutschen Sprache verbinden, z.B. ein Studium in Deutschland oder sie möchten Deutsch für den Beruf lernen usw. Das Interesse an Deutsch als Fremdsprache in Indonesien ist in erster Linie mit ökonomischen und berufsbezogenen Zielen verbunden. Viele junge Indonesier, die im Ausland studieren, wählen Deutschland als Studienort. Der Grund für diese Wahl ist das gute Image der deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Indonesien, vor allem auf dem Gebiet der Naturwissenschaft und Technik. Deutschland hat für Studenten ohne Stipendium, die ihr Studium aus eigenen Mitteln finanzieren, die zusätzliche Anziehungskraft, dass Deutschland im Vergleich zu Australien und den USA – beliebte Studienländer für Indonesier – günstiger ist; nicht zuletzt, da es in Deutschland weitgehend keine Studiengebühren gibt (vgl. Darmojuwono 2016). Die Studiengänge für DaF und Germanistik an den 14 Universitäten in Indonesien, die ein solches Deutsch-Studium anbieten, sind Schlüsselbereiche für die Erhaltung der deutschen Sprache in Indonesien. Gleichzeitig bieten sie einen Zugang zur deutschen Kultur, so dass sie auch Beiträge zur Völkerverständigung leisten können. Laut einer Umfrage unter Absolventen des Deutschstudiums an der Universitas Indonesia können 60% der Absolventen ohne Schwierigkeiten mit Leuten, die aus unterschiedlichen Kulturen kommen, zusammenarbeiten.

|| 9 www.dw.com/id/belajar-b-jerman/radio-d/s-10753 (30.11.2017).

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Außerdem sagen die meisten, dass sie gute Kommunikationsfähigkeiten besitzen. Genau die Hälfte von den Absolventen (50%) geben an, dass ihnen ihre Anpassungsfähigkeit am Arbeitsplatz nützt (vgl. Darmojuwono 2016). Die Anwesenheit der DAAD-Lektoren hat einen wichtigen Beitrag zu der Entwicklung des Deutschstudiums in Indonesien geleistet. Die Webinare (web-based seminars) an der DAAD-Außenstelle Jakarta sollten noch intensiver als Medium für Vorlesungen/Seminare für Deutschstudierende in Indonesien genutzt werden, da wir in Indonesien für Deutsch insgesamt nur 3 Lektoren haben (4 zusammen mit dem zBV-Lektor), um das Niveau des Deutschstudiums an den 14 Universitäten langfristig zu steigern und anzugleichen.

5 Fazit Die Förderung von DaF in Indonesien bezieht sich in erster Linie auf den sekundären und tertiären Bildungsbereich, also die Schulen und Hochschulen, und außerdem auf die Goethe-Institute. Aber diese Förderung hat auch auf andere Bereiche potentiell positive Effekte: auf die interkulturelle Offenheit und die gesellschaftlichen und ethischen Einstellungen von Individuen ebenso wie auf die zwischenstaatlichen Beziehungen. Die Förderung von DaF in Indonesien hat also eine wichtige zusätzliche Dimension über die Verbreitung und Erhaltung der deutschen Sprache in der Welt hinaus, insofern die deutschsprechenden Bürger Indonesiens als Brückenbauer zwischen den Kulturen fungieren können. In unserer gegenwärtigen Zeit, in der in vielen Ländern Tendenzen zur Verschließung gegen – wirklich oder scheinbar – „fremde“ Einflüsse, ja zur Fundamentalisierung zu beobachten sind, ist das eine Dimension, die in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Interessanterweise sind Interkulturalität und ein Interesse an der Andersartigkeit der deutschen Kultur gleichzeitig Aspekte des Deutschstudiums, die von unseren Studierenden besonders geschätzt werden. So wird nach dem Ergebnis einer Untersuchung von mir aus dem Jahr 2016 (vgl. Darmojuwono 2016) die fortdauernde Existenz des Deutschstudiums in Indonesien durch die stärker gewordene Position asiatischer Sprachen hierzulande nicht beeinträchtigt werden, da sich das Interesse einer jungen Studentengeneration am Fach Deutsch nicht auf die Fremdsprache als Kommunikationsmittel beschränkt, sondern ganz wesentlich auch auf der Eigenschaft der Andersartigkeit der deutschen Kultur beruht.

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Literaturverzeichnis Alexander von Humboldt Foundation. https://www.humboldt-foundation (30.11.2017). Ammon, Ulrich (2015): Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt. Berlin u.a.: de Gruyter. Bildungspartnerschaften. Die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“. www.laibach.diplo.de/contentblob/3458556/Daten/456182/Edition_Diplomatie_PASCH_DEUDW/Dat.Pdf (April 2009). Darmojuwono, Setiawati (2001): Deutschunterricht und Germanistikstudium in Indonesien. In Gerhard Helbig, Lutz Götzke, Gert Henrici & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache, Halbband 2, 1594–1601. Berlin, New York: de Gruyter. Darmojuwono, Setiawati (2016): Das Deutschstudium und die gegenwärtige Stellung der deutschen Sprache in Indonesien. Unveröffentlichter Beitrag auf der internationalen Tagung des australischen Germanistikverbandes, Australian National University, Canberra 30.11.2016 – 02.12.2016. Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015. www.dw.com/download/ 29827615/statistik-2015-deutschlerner-weltweit.pdf (2017). Deutsche Welle Deutschkurse. www.dw.com/de/deutsch-lernen/deutschkurse/s-2068 (05.12.2017). Deutsche Welle Lernerporträts. www.dw.com/id/belajar-b-jerman/radio-d/s-10753 (30.11.2017). Jakarta – Goethe-Institut Indonesia. https://www.goethe.de/ins/id/id/sta/jak/web.html. (15.10.2017). Kezia, Debora Marizi (2015): Deutsch verbindet ASEAN (Bahasa Jerman menghubungkan ASEAN). Nadi. Nachrichten für Alumni über Deutschland und Indonesien 2, 46–49. Kinnen, Jörg (2016): Editorial. Nadi. Nachrichten für Alumni über Deutschland und Indonesien 1, 4–5. Rifanza, Dias (2015): Südostasiatische Sommeruniversität 2015 (Kuliah Musim Panas Asia Tenggara 2015). Nadi. Nachrichten für Alumni über Deutschland und Indonesien 2, 50–53. Robert Bosch Stiftung - Das Lektorenprogramm in Asien. www.bosch.stiftung.de/content/language1/html/13919.asp (20.11.2017). Seemann, Heinrich (2000): Von Goethe bis Emil Nolde. Jakarta: Katalis. Studienkolleg Indonesia. www.studienkolleg-indonesia.de (30.11.2017). Südostasiatische Sommeruniversität. http://docplayer.org/42886198-Der-deutsche-akademische-austauschdienst-daad-und-der.html (30.10.2017).

Hideaki Takahashi

Förderung von DaF in Japan 1 Einleitung Japan ist ein Inselstaat in Fernost, der im Westen an China, Korea, Russland und Taiwan grenzt. In diesem von deutschsprachigen Ländern weit entfernten Land lernen etwa 230.000 junge Menschen in japanischen Bildungsinstitutionen der Sekundarstufe II und des Tertiärbereichs Deutsch (JGG 2015: 46), obwohl dort offensichtlich fast gar kein Deutsch gesprochen wird. Diese Situation liegt in der Geschichte von etwa 150 Jahren1. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war das Land politisch gegen die Außenwelt abgeschlossen. Während des Sakoku, einer politischen Isolation von der Außenwelt von Anfang des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, gab es Beziehungen mit China und Korea, aber das einzige Land, mit dem Japan Handel trieb, waren die Niederlande. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Japan von den Amerikanern gezwungen, das Land zu öffnen und mit den USA Geschäfte zu machen. Die damalige Regierung des Tokugawa-Shogunats hatte aber genau beobachtet, wie asiatische und afrikanische Länder von Europäern kolonisiert worden waren. Die Japaner hielten es für unabwendbar, sich so schnell wie möglich neueste Wissenschaften anzueignen und ihre militärische Stärke aufzubauen, um die Souveränität des Landes zu bewahren. Zu diesem Zweck wurden bis 1900 Wissenschaftler aus den USA und europäischen Ländern nach Japan eingeladen: 4.353 Briten, 1.578 Franzosen, 1.223 Deutsche, 1.213 US-Amerikaner usw. (Jones 1980: 145). Im Hochschulwesen stellte sich aber das Verhältnis der Deutschen als am vorteilhaftesten dar, weil die Regierung Medizin und Naturwissenschaften große Bedeutung beimaß: Deutsche 37,2%, Briten 22,5%, Amerikaner 20,1% und Franzosen 13% (Jones 1980: 11). Da der Unterricht freilich ohne Dolmetscher stattfand, mussten die japanischen Studierenden europäische Sprachen je nach Fachdisziplinen beherrschen. Im 19. Jahrhundert gab es deshalb eine deutliche instrumentelle Motivation, Englisch, Deutsch und Französisch zu lernen, weil Kenntnisse dieser Fremdsprachen unabdingbar waren, um sich den neuesten Stand der Wissenschaften anzueignen. Im Laufe der Jahrzehnte traten nun japanische Professoren auf, die sich als Wissenschaftler ausbildeten und über abendländische

|| 1 Dieses Thema behandelt Naka (1994) in deutscher Sprache. || Hideaki Takahashi, Kansai University, Osaka, Japan, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-052

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Wissenschaften auf Japanisch dozieren konnten. Daraufhin sind auch viele Bücher in verschiedenen Fachdisziplinen sowie literarische Werke von europäischen Sprachen ins Japanische übersetzt worden. Seitdem hat sich diese Übersetzungskultur in Japan bis heute hoch entwickelt, und die Lesefähigkeit wird, auch mit der allgemeinen Geistesbildung gekoppelt, besonders von Akademikern als sehr wichtig betrachtet. Demzufolge ist in Japan die Grammatik-Übersetzungsmethode zur Entfaltung gekommen. Die Bedeutung des Deutschen als Wissenschaftssprache hat dennoch nachgelassen. Es darf als sicher angenommen werden, dass heute Englisch unabwendbar ist, um mit dem neuesten Stand der Wissenschaften Schritt zu halten, abgesehen von Fachgebieten, die Erscheinungen oder Gegenstände spezifisch in bestimmten Regionen bzw. Ländern behandeln, z. B. Deutsch für Germanistik oder Japanisch für Japanologie. Unter den Studierenden in Japan ist heute eine instrumentelle Motivation zum Deutschlernen zwecks der akademischen Forschung, die während der Meiji-Zeit (1868–1912) sehr stark war, kaum mehr feststellbar. Die Tradition, in der Englisch, Deutsch und Französisch als wichtigste Fremdsprachen gelernt werden, hat sich damals etabliert und ist auch im 21. Jahrhundert nach wie vor, wenn auch nicht im vorherigen Maße, bestehen geblieben. Dieses Drei-Fremdsprachen-System, in dem Englisch im Mittelpunkt steht und zusätzlich auch Deutsch und Französisch gelehrt werden, wurde von Suzuki als „Troika-System“ bezeichnet, dessen Aufgabe aber schon seit langem zu Ende gekommen sein soll (Suzuki 1999: 87–88). In diesem Beitrag wird zur Debatte gestellt, dass Japaner sich von dieser Tradition des Deutschlernens verabschiedet haben und, wenn auch im geringeren Maße, aufs Neue mit Deutsch umzugehen versuchen.

2 Globale Stärke der deutschen Sprache und Deutschlernende in Japan Die Stärke von Sprachen lässt sich aufgrund einiger Indikatoren nummerisch darstellen2. Einleuchtend ist in diesem Zusammenhang das von the English Company (UK) konzipierte engco forecasting model, das den relativen Status der Sprachen auf der Welt zu zeigen und Zahlen ihrer Sprecher zu prognostizieren versucht hat (Graddol 1997: 64). Nach dem Engco-Modell, das Daten zur Demo|| 2 Über die Stellung der deutschen Sprache auf der Welt wird in Ammon (2015) sehr umfangreich diskutiert.

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graphie, Entwicklung von Menschen und Ökonomie heranzieht, rangiert im Jahr 1995 Deutsch an zweiter Stelle nach Englisch, gefolgt von Französisch, Japanisch, Spanisch und Chinesisch, wobei bis 2050 die Wichtigkeit des Deutschen neben Französisch und Japanisch allmählich zurücktreten würde (Graddol 1997: 59). Außer der globalen Stärke bzw. Wichtigkeit der Sprachen, in der vor allem Ökonomie und Sprecherzahl der Sprachen eine große Rolle spielen, ist die geografische Nähe ein wichtiger Index, da angrenzende Länder oft viele gemeinsame Interessen haben, die je nach Situationen zu Zusammenarbeit oder Konflikten führen können. Diese Art von geopolitischen Umständen kann auch ein guter Anlass zum Lernen einer Fremdsprache sein. Nach einer Datenerhebung vom Goethe-Institut im Jahr 2015 sind 62% der DaF-Lernenden auf der Welt in Europa und 21% in den GUS-Staaten, während die DaF-Lernenden in Asien nur 5% betragen3. Bei alledem lässt es sich zeigen, dass eine besondere Zuneigung von Japanern zur deutschen Sprache herausragend ist. Werden die Anteile der DaF-Lernenden in den 18 asiatischen Ländern in Betracht gezogen, sind 30% (235.055) in Japan, 24% (187.308) in Indonesien, 19% (154.300) in Indien, 15% (117.487) in China und 3% (25.061) in Südkorea. Wenn die Bevölkerung dieser Länder in Rechnung gestellt wird4, stellt es sich heraus, dass die Zahl der DaF-Lernenden in Japan im Vergleich zu den Zahlen in anderen asiatischen Ländern erheblich überrepräsentiert ist. Zieht man andererseits die japanische Sprache in Erwägung, befinden sich 75,8% der Lernenden in Asien und Ozeanien, während Lernende in Europa 9,5% der gesamten Zahl ausmachen5. Genauso liegt es nahe, dass für Japaner diejenigen Sprachen wichtiger wirken, die in geografisch näher gelegenen Ländern verwendet werden, wobei die Lernmotivation zu diesen Sprachen freilich ihrer globalen Wichtigkeit entsprechend ausgeglichen wird. Im Bildungssystem in Japan wird eine Fremdsprache außer Englisch in der Primar- und Sekundarstufe meistens kaum gelehrt. Laut MEXT (Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology) lernen nur 3.040 Schüler von Klasse 7 bis 9 an 38 Mittelschulen (etwa 0,08% in Japan) Fremdsprachen außer Englisch6. An Oberschulen (von Klasse 10 bis 12) wird im Fachbereich Fremdspra-

|| 3 Goethe-Institut. https://www.goethe.de/de/spr/eng/dlz.html (10.08.2018). 4 Japan 126,7 Mio., Indonesien 247 Mio., Indien 1,2 Mrd., China 1,38 Mrd. und Südkorea 51 Mio. 5 Ostasien 37,0%, Südostasien 24,2%, Südasien 2,5%, Ozeanien 12,1%, Westeuropa 7,0% und Osteuropa 2,5% (The Japan Foundation 2017: 10). 6 MEXT. http://www.mext.go.jp/b_menu/shingi/chukyo/chukyo3/058/siryo/__icsFiles/afieldfile/2016/03/23/1367581_7.pdf (10.08.2018).

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che fast ausschließlich nur Englisch gelehrt. Lediglich an etwa 14% der Oberschulen7 werden andere Fremdsprachen zusätzlich zum Englischen unterrichtet. Wie man Abbildung 1 entnehmen kann, rangiert Chinesisch mit Abstand an erster Stelle. Französisch, das 1999 die zweithäufigst unterrichtete Fremdsprache war, wurde 2003 von Koreanisch überholt. Im Jahrgang 2014 stand Deutsch (107) hinter Spanisch (109) an fünfter Stelle, wobei bezüglich der Zahl der Lernenden Deutsch mit knapper Not die vierte Sprache war8. 700 600 500 400 300 200 100 0 1999

2001

2003

2005

2007

2009

2012

2014

Chinesisch

Koreanisch

Französisch

Spanisch

Deutsch

Sonstiges

Abb. 1: Anzahl der Oberschulen, die Fremdsprachenunterricht außer Englisch anbieten (MEXT)9

|| 7 In Japan gibt es etwa 4.900 Oberschulen, unter denen an 708 Schulen andere Fremdsprachen gelehrt werden. http://www.mext.go.jp/b_menu/shingi/chukyo/chukyo3/058/siryo/__icsFiles/afieldfile/2016/03/23/1367581_7.pdf (10.08.2018). 8 Die Zahlen im Jahrgang 2014: Chinesisch 19.106, Koreanisch 11.210, Französisch 9.214, Deutsch 3.691 und Spanisch 3.383. http://www.mext.go.jp/b_menu/shingi/chukyo/chukyo3/058/siryo/__icsFiles/afield1file/2016/03/23/1367581_7.pdf (10.08.2018). 9 http://www.mext.go.jp/b_menu/shingi/chukyo/chukyo3/058/siryo/__icsFiles/afieldfile/2016/03/23/1367581_7.pdf (23.08.2018).

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Laut Datenerhebung durch das Auswärtige Amt Deutschlands über den DaF-Unterricht in 127 Ländern auf der Welt im Jahr 2015 sind, unter den gesamten 15.455.452 Deutschlernenden, 13.456.790 im Schulbereich (87,1%), 1.335.343 (8,6%) im tertiären Bereich, 434.791 (2,8%) im Erwachsenenbildungsbereich und 228.528 (1.5%) an Goethe-Instituten10. Aus diesem Grunde liege der Schwerpunkt der Förderungsprogramme von Deutsch als Fremdsprache auf dem Schulbereich (Auswärtiges Amt 2015: 6). Daher liegt es nahe, dass viele in deutschsprachigen Ländern publizierte Lehrbücher für DaF vorherrschend auf jüngere Lernende zugeschnitten sind, weil sie zur wichtigsten Zielgruppe der DaF-Lernenden gehören. Ungeachtet dieser Umstände auf der Welt sind in Japan 95,3% der Deutschlernenden im tertiären Bereich. Ein Grund dafür, dass in Japan jedes Jahr facettenreiche DaF-Lehrbücher für japanische Studierende publiziert werden, kann darin liegen, dass Lehrbücher aus Europa für Studierende möglicherweise uninteressant wirken.

3 Diffizile Begründung für Deutsch in Japan Über die Lage von Deutschunterricht und Deutschlernenden in Japan hat die Japanische Gesellschaft für Germanistik eine umfangreiche Fragebogenerhebung durchgeführt (JGG 2015), an der 3.947 Lernende und 154 Lehrende an insgesamt 154 Bildungseinrichtungen11 in Japan teilgenommen haben. Auf die Frage „Interessieren Sie sich für den deutschsprachigen Raum bzw. für die Gesellschaft und Kultur dort?“ haben 79,9% der Lernenden „Ja“ und 19,6% „Nein“ gewählt (JGG 2015: 52). Den Antworten zur weiteren Frage „Wofür interessieren Sie sich? (mehrere Antworten möglich)“ kann man die folgenden Interessengebiete der DaFLernenden in Japan entnehmen: 46,8% „Kunst/Musik/Film/Theater“, 43,4% „Architektur/Stadtbild“, 42,7% „Alltagsleben/Lebensweise der Menschen“, 37,2% „Natur/Landschaft“, 32% „Geschichte“, 25,2% „Sport“, 20,6% „Philosophie“, 20,1% „Sprache“, 18,1% „Literatur“, 14,7% „Wissenschaft u. Technik, Industrieprodukte etc.“, 13,7% „Politik/Wirtschaft“, 12,8% „Umgang mit Umweltfragen“. Hervorzuheben ist dabei, dass die am häufigsten gewählten Interessen-

|| 10 Errechnet anhand der Daten des Auswärtigen Amts (2015: 16). 11 137 Universitäten, 4 Kurzzeituniversitäten (zweijährige Hochschulen), 6 Fachhochschulen, 7 Oberschulen (JGG 2015: 6).

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gebiete mit Kultur und Gesellschaft in Zusammenhang gebracht werden, während die auf Wissenschaft und Globalisierung bezogenen Bereiche nicht so maßgebend sind. Fujiwara (2008) untersucht die Gründe, warum Studierende in Japan ihr Germanistikstudium angefangen hatten. Ihrer Fragebogenerhebung gemäß haben die meisten Befragten (12 von den 15 Studierenden) die Einflüsse vom Englischen genannt. Sie hätten eigentlich gern Anglistik studieren wollen, aber keinen Studienplatz in der Anglistik bekommen. Manche Studierende haben auch extrinsische Motivationen wie Empfehlung von Familienmitgliedern oder Bekannten zum Deutschlernen sowie geisteswissenschaftliche Interessen wie Musik, die deutsche Sprache, Architektur genannt. Sie berichtet, dass nach der Teilnahme an einem Sprachkurs in Deutschland aber auch Fälle zu beobachten waren, bei denen sich die Motivationen von einer extrinsischen zu einer intrinsischen geändert haben, weil die Lernenden sich daran erfreut haben, mit anderen auf Deutsch zu kommunizieren. Es ist aber anzunehmen, dass sich diese Art von Motivation im Laufe der Zeit wieder dezimiert, wenn sie nach der Heimkehr keine Gelegenheit mehr haben, im Alltag Deutsch zu sprechen. Um DaF zu verbreiten, werden von einigen Institutionen, die mit deutschsprachigen Ländern bzw. der deutschen Sprache eng verbunden sind, Gründe zum Deutschlernen dargelegt. Als „gute Gründe für Deutsch“ weist der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) auf eine exzellente Wissenschaft, eine leistungsstarke Wirtschaft und eine traditionsreiche, attraktive Kultur hin. Das Goethe-Institut gibt zehn Gründe für Deutsch an12: (1) im Geschäftsleben (Kommunikation auf Deutsch mit deutschsprachigen Geschäftspartnern für bessere Geschäftsbeziehungen), (2) eine globale Karriere (bessere Berufschancen bei deutschen Firmen), (3) Tourismus und Hotelfach (Touristen aus deutschsprachigen Ländern reisen viel und weit, geben im Urlaub mehr Geld aus als Touristen aus anderen Ländern), (4) Wissenschaft und Forschung (Deutsch sei die zweitwichtigste Sprache der Wissenschaft), (5) Kommunikation (erweiterter Zugang zu Informationen mit Deutschkenntnissen), (6) Kulturelles Verständnis (einen Einblick gewinnen in das Leben, die Wünsche und Träume der Menschen in deutschsprachigen Ländern mit ihrer multikulturellen Gesellschaft), (7) Reisen (mit Deutschkenntnissen Reiseerlebnisse vertiefen, nicht nur in den deutschsprachigen Ländern, sondern auch in anderen Ländern Europas, besonders auch in Osteuropa), (8) Genuss von Literatur, Musik, Kunst und Philosophie (den Genuss des Lesens und/oder Hörens der Werke von Goethe, Kafka, Mozart, Bach und Beethoven in der Originalsprache), (9) Studien- und Arbeitsmöglichkeiten in || 12 https://www.goethe.de/de/spr/wdl.html (10.08.2018).

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Deutschland (eine große Anzahl von Stipendien zum Studium in Deutschland) und (10) Austauschprogramme (Abkommen zum Schüler- und Studentenaustausch zwischen Deutschland und vielen Ländern der Welt). Da unter (5) Kommunikation, der Wichtigkeit multilingualer Kommunikation entsprechend, Reichtümer wichtiger Webseiten und große Publikationszahlen neuer Bücher genannt werden, ist anzunehmen, dass es sich dabei eher um Informationsquellen handelt. Die zehn Kategorien werden hier auch unter Berücksichtigung der drei Gründe vom DAAD in den fünf Gruppen (1) Business, (2) Tourismus, (3) Wissenschaft, (4) Informationsquelle und (5) Kultur zusammengefasst und zur Debatte gestellt, ob sie auch in Japan aussagekräftig sind. (1) Business Die wichtigsten Handelspartner für Japan sind aufgrund der Import- und Exportmenge 2017 China (21,6%), die USA (15,0%), Südkorea (5,9%) und Taiwan (4,8%)13. Fast die Hälfte der gesamten Export- und Importsummen von Japan kommen aus diesen Ländern. Obwohl die gesamte Import- und Exportmenge mit Deutschland immerhin 3,2% ausmacht, ist festzustellen, dass im Geschäftsleben für Japaner Chinesisch, Englisch und Koreanisch praxisbezogener sind. Des Weiteren ist noch zu berücksichtigen, dass Berufschancen mit der Lernmotivation für Fremdsprachen im engen Zusammenhang stehen. Im November 2015 hat der DAAD in Tokyo eine Veranstaltung „Stellensuche bei deutschen Firmen“ mit der JGG und in Japan niedergelassenen deutschen Firmen abgehalten. Ein wichtiges Fazit davon ist, dass die Kenntnisse des Deutschen vorteilhaft, aber die des Englischen unabdingbar seien. Für viele Studierende in Japan wäre es eine immense Belastung, neben Englisch noch Deutsch auf höherem Stufenniveau beherrschen zu müssen. Da Englisch ein de facto obligatorisches Fach ist, lernen Studierende meistens Deutsch als eine zweite Fremdsprache. Für Japaner ist aber Englisch, das vom Japanischen sprachetymologisch grundverschieden ist, schon in aller Hinsicht eine sehr schwierige Sprache. Wenn man Englisch trotz harten Lernens schwerlich bewältigen kann, wie es oft der Fall in Japan ist, wäre es für durchschnittliche Studierende unzumutbar, noch eine weitere Fremdsprache dergestalt zu erlernen, dass man sie im Berufsleben verwenden könnte. Daher ist es für sie eine realistische Lösung, sich auf Englisch zu konzentrieren. Wenn man sehr gut Englisch kann, hat man paradoxerweise selbst bei deutschen Firmen bessere Berufschancen.

|| 13 Ministry of Finance Japan. http://www.customs.go.jp/toukei/suii/html/data/fy3.pdf (10.08.2018).

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(2) Tourismus Die Touristen, die 2017 am meisten Japan besucht haben, waren Südkoreaner, Chinesen und Taiwanesen, jeweils 7,41 Millionen, 5,76 Millionen und 4,35 Millionen14. Aus Deutschland sind 194.657 Menschen nach Japan gekommen, deutlich weniger als aus Großbritannien (315.112) und Frankreich (275.552). Wenn man die Verbrauchsausgaben von Touristen in Japan nach Ländern berücksichtigt, hat sich herausgestellt, dass 2017 asiatische Länder für den stärksten Anteil verantwortlich gewesen sind15: China 32,2%, Taiwan 13,4%, Südkorea 11,6%, die USA 7,5% und Hong-Kong 7,3%. In Bezug auf die Verbrauchsausgaben pro Person waren die höchsten fünf Länder Australien, Spanien, Großbritannien, China und Italien. Auf der anderen Seite sind deutschsprachige Länder für japanische Touristen eines der beliebtesten Ziele, wobei sie selbstverständlich auch andere Länder auf der Welt besuchen. Es wäre für sie nicht realistisch, je nach Reisezielen die dortige Sprache zu lernen, es sei denn, sie haben eine besondere Vorliebe für deutschsprachige Länder. (3) Wissenschaft Auch wenn das Studium in Deutschland qualitätsvoll ist, ist Englisch für Naturwissenschaftler eine Lingua franca16 und auch in anderen Gebieten nehmen englischsprachige Master- und Doktor-Studiengänge auch in Deutschland rapide zu. Für Studierende oder Akademiker, die über keine guten Kenntnisse des Deutschen verfügen, wäre es durchaus möglich, Englisch als Wissenschaftssprache und Deutsch als Lebenssprache zu benutzen. Wichtige Angelegenheiten in Wirtschaft und Wissenschaft würden auf Englisch verhandelt, während die Verwendung des Deutschen auf die „F-Domänen“ (Familie, Freunde und Folklore) beschränkt würde (Stickel 2010: 33), wobei zu diesem Zweck Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 ausreichend wären. Diese Art domänenspezifischer Verteilung der Sprachen, die von Stickel (2010: 33) mit Besorgnis als eine Diglossie bezeichnet wird, könnte zukünftig denkbar sein. Wichtig ist dabei zu überlegen, wie die Erhöhung der Zahl von internationalen Studierenden und Forschenden mit der Förderung und Verbreitung des Deutschen in Einklang gebracht wird.

|| 14 Official Statistics of Japan. https://www.e-stat.go.jp/stat-search/files?page=1&layout=datalist&toukei=00250011&tstat=000001012480&cycle=7&year=20170&month=0&tclass1=000001012481 (10.08.2018). 15 Japan Tourism Agency. http://www.mlit.go.jp/common/001250077.pdf (10.08.2018). 16 Über das Thema Deutsch als Wissenschaftssprache wird in Ammon (Hrsg.) (2011) detailliert diskutiert.

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Auch im geisteswissenschaftlichen Bereich ist eine Welle der Anglisierung festzustellen. Das 1988 in Tokyo gegründete Deutsche Institut für Japanstudien (DIJ) ist eine akademische Organisation, die es sich zur Aufgabe macht, die Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur sowie die internationalen Beziehungen des modernen Japans zu erforschen17. Das DIJ gibt die Zeitschrift Contemporary Japan heraus, die bis 2010 Japanstudien hieß. Obwohl bis 2010 die Beiträge in deutscher, japanischer oder englischer Sprache publiziert wurden, erscheinen danach alle Beiträge ausschließlich in englischer Sprache18. Trotz der Eingabe von der JGG und des Verbandes der Deutschlehrenden in Japan (VDJ) sowie des von Reinhard Zöllner, Professor für Japanologie in Bonn, initiierten offenen Briefs „Umstellung der Hauptsprache der DIJ-Zeitschrift Japanstudien auf die englische Sprache“ an den damaligen Direktor des DIJ, Florian Coulmas19, der von 139 Unterzeichnern mitgezeichnet worden war, hat das DIJ seine Entscheidung nicht zurückgenommen (Hijiya-Kirschnereit 2017: 164). Diese von Coulmas geleitete Reform wurde von seiner Vorgängerin Hijiya-Kirschnereit (2017: 165) als „sprachliche Selbsterniedrigung“ (gengoteki jikohige) und „eine unterwürfige Haltung gegenüber den Angelsachsen“ (angurosakuson ni taisuru hikutsu na taido) heftig kritisiert. Dieses Ereignis hat Japanern gezeigt, dass die deutsche Sprache auch in den Geisteswissenschaften einen Rückgang erleidet. (4) Informationsquelle Laut Einschätzung des Goethe-Instituts, die auf Wikipedia 2014 basiert, steht Deutschland mit der jährlichen Neuproduktion von Büchern weltweit unter 87 Ländern an sechster Stelle, nach Indien, Großbritannien, USA, China und Russland. Die Bedeutung dieser Behauptung müsste aber relativiert werden, weil sie sich auf Länder bezieht, obwohl es sich dabei um Sprachen handelt. Außerdem wäre es notwendig, als Informationsquellen auch Webseiten auf dem Internet zu berücksichtigen. Statista20 zufolge ist Deutsch (6,3%) die zweitmeistgenutzte Sprache auf Webseiten nach Englisch (53,2%) im August 2018, gefolgt von Russisch (6,1%), Spanisch (5%), Französisch (4,1%) und Japanisch (3,7%). Zu den-

|| 17 https://www.maxweberstiftung.de/institute/institute-dij-tokyo.html (20.08.2018). 18 „Artikel können auch auf Deutsch oder Japanisch eingereicht werden. Im Fall der positiven Begutachtung werden sie ins Englische übersetzt.“ https://www.dijtokyo.org/de/publication-type/contemporary-japan-de/ (20.08.2018). 19 http://kotoba.japankunde.de/?page_id=927. 20 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2961/umfrage/anteil-der-verbreitetsten-sprachen-im-internet-seit-2006/ (20.08.2018).

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ken gibt allerdings, dass Informationen von vielen Sendern, Medien und Regierungen im deutschsprachigen Raum in reichem Maße auch auf Englisch disponibel sind, abgesehen von länderspezifischen Informationen, die allerdings für allgemeine Konsumenten nicht unbedingt unerlässlich sind. (5) Kultur Ohne Zweifel haben die deutschsprachigen Länder eine kulturell glänzende Geschichte von Literatur, Musik und Kunst. Darüber hinaus ist in der Gegenwart auch ihre Gesellschaft von Multikulturalität geprägt. Diese müsste in Japan noch beachtet werden, da sie auch für Japaner ein Desiderat der Forschung ist. Es ist jedoch einzuräumen, dass Deutsch nicht unbedingt die Oberhand über andere europäische Sprachen wie Französisch oder Spanisch gewinnen kann, weil auch andere Länder in Europa kulturell anziehend sind und sich als multikulturell kennzeichnen lassen. Aus Literatur, Musik, Kunst und Philosophie lässt sich die kulturelle Würde des deutschsprachigen Raums ableiten. Auch wenn diese keine große Sogwirkung auf die breite Masse hat, würden kultivierte Menschen in Japan, die sie zu würdigen wissen, dazu neigen, sich zum Deutschlernen hingezogen zu fühlen.

4 Popularität der Fremdsprachen außer Englisch 4.1 Fremdsprachenprüfungen Berücksichtigt man die Zahl der Prüflinge in Japan, die an Fremdsprachenprüfungen teilnehmen, lässt sich die Popularität von Fremdsprachen abschätzen. Was Deutschprüfungen betrifft, sind in Japan Goethe-Zertifikate, das Österreichische Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) und das Diplom Deutsch in Japan (DDJ) gängig21. Davon ist das DDJ, das von der Gesellschaft zur Förderung der Germanistik in Japan e.V. abgehalten wird, am populärsten. Im Vergleich zu den Goethe-Prüfungen, die in Japan nur in Osaka und Tokyo stattfinden, kann man beim DDJ an den Prüfungen landesweit an 31 Orten teilnehmen. Es hat außerdem wegen der viel niedrigeren Prüfungsgebühren einen Vorteil. Auf ähnliche Weise werden auch Prüfungen wichtiger Fremdsprachen von japanischen Instituten abgehal-

|| 21 https://www.goethe.de/de/spr/kup/prf/prf.html (20.08.2018); https://www.osd.at (20.08.2018); http://www.dokken.or.jp (20.08.2018).

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ten. Aus Abbildung 2 lassen sich die Zahlen der Prüfungsteilnehmenden der populärsten vier Fremdsprachen außer Englisch in Japan in den letzten fünf Jahren (von 2013 bis 2017) entnehmen. 53000

Deutsch Chinesisch

48000

Französisch Koreanisch

43000 38000 33000 28000 23000 18000 13000 2013

2014

2015

2016

2017

Abb. 2: Anzahl der Prüfungsteilnehmenden an Deutsch, Französisch, Chinesisch und Koreanisch22

Aus Abbildung 2 kann man leicht entnehmen, dass die Zahl der Prüfungsteilnehmenden an Chinesisch an erster Stelle rangiert, gefolgt von Französisch, Koreanisch und Deutsch in absteigender Reihenfolge. Die Zahl von Chinesisch ist im Jahrgang 2014 von 52.124 auf 38.591 gesunken und hat sich danach relativ stabil um 37.000 bewegt. Französisch ist die zweitbeliebteste Fremdsprache, deren Prüfungsteilnehmende aber langsam zurückgehen. Koreanisch, das im Jahr 2013 gegenüber Französisch noch konkurrenzfähig war, ist nach und nach schwächer geworden. Die Zahl der Teilnehmenden an der deutschen Prüfung, die sich unter diesen vier Sprachen als am niedrigsten erweist, ist trotz der sehr langsam absteigenden Tendenz beinahe stabil.

|| 22 Anhand der Daten auf den folgenden Webseiten vom Verfasser erstellt. Das Diplom Deutsch in Japan (DDJ). http://www.dokken.or.jp/about/data.html (14.08.2018); Diplôme d’Aptitude Pratique au Français (DAPF). http://apefdapf.org/dapf/presentation/statistiques/tendance (14.08.2018); The Society for Testing Chinese Proficiency. http://www.chuken.gr.jp/tcp/data/results.html (14.08.2018); The Korean Language Proficiency Test. http://www.hangul.or.jp/siken/pastexam.php (14.08.2018)

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4.2 Sprachkurse von NHK Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Nippon Hoso Kyokai (NHK) bietet kostenfreie Sprachkurse für zurzeit 10 Fremdsprachen23 im Radio und Fernsehen an, die von vielen Lernenden benutzt werden. Deutsch- und Französischkurse, die seit 1931 im Radio und seit 1959 im Fernsehen gesendet werden, haben außer Englisch die längste Tradition. In Abbildung 3 wird die Veränderung der Auflagenhöhe der Lehrtexte von Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, Chinesisch und Koreanisch von 1984 bis 2017 dargestellt. Für jeden Kurs, der sechs Monate dauert und zwei Zyklen im Jahr hat, wird monatlich ein der Progression entsprechend verfasstes Lehrbuch veröffentlicht. Arabisch und Portugiesisch wurden hier nicht ins Diagramm aufgenommen, weil ihre Lehrbücher nur zweimal im Jahr veröffentlicht werden und mit den anderen Fremdsprachen nicht vergleichbar sind. Bis 1996 waren Deutsch und Französisch am höchsten, wurden aber 1997 von Chinesisch überholt. Seit 2002 ist eine sinkende Tendenz von Deutsch und Französisch festzustellen, wobei seit 2007 der Abstieg von Deutsch größer als der von Französisch wird. Ein Grund für den sprunghaften Anstieg von Koreanisch zwischen 2003 und 2005 kann auf die südkoreanische Fernsehserie Wintersonate (Fuyu no sonata) im japanischen Fernsehen in den Jahren 2003 und 2004 zurückgeführt werden, was als „Koreanische Welle“24 (Kim, Long & Robinson 2009) bezeichnet wird und einen Boom des Tourismus nach Südkorea und des Lernens der dortigen Sprache herbeigeführt hat. 2012 ist auch eine abrupte Zunahme von Chinesisch und Koreanisch festzustellen, weil ein zusätzlicher Kurs für die beiden Sprachen, offensichtlich aufgrund der großen Nachfrage in diesen Sprachen, angeboten wurde. Diese abrupt angestiegenen Zahlen von Chinesisch und Koreanisch sind gleich danach ausgeglichen worden und fast zum vorherigen Niveau zurückgekehrt. Die Auflagenhöhe von Italienisch und Spanisch weisen seit 2004 eine sinkende Tendenz auf, so dass sie in den letzten Jahren mit der von Deutsch konvergieren. Die Auflagenhöhe von Russisch erreicht fast die Hälfte dieser drei europäischen Sprachen insgesamt.

|| 23 Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Arabisch, Koreanisch und Chinesisch. 24 Dieses Phänomen wurde auch in einem japanischen Wörterbuch aufgenommen: „Das Modephänomen der koreanischen Populärkultur in Japan, das um 2003 begann. Obwohl es auf die Mode von Filmen, Fernsehdramen und Musik hinweist, hat es auch auf Verbreitung der Speisen, der Sprache und der Literatur von Südkorea beeinflusst. (Kanryū)“ (ins Deutsche vom Verfasser übersetzt) Super Daijirin Japanese Dictionary (2013). Tokyo: Sanseido.

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45 40 35 30 25 20 15 10 5 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

0

Deutsch

Französisch

Italienisch

Russisch

Chinesisch

Koreanisch

Spanisch

Abb. 3: Auflagenhöhen der Lehrtexte für NHK-Sprachkurse von 1984 bis 201725

4.3 DaF-Unterricht an Oberschulen und die zentrale Aufnahmeprüfung für Hochschulen In Japan gibt es insgesamt 780 Hochschulen, 86 staatliche, 90 präfekturale bzw. städtische und 604 private26. Um einen Studienplatz zu bekommen, müssen Schüler eine Aufnahmeprüfung bestehen. Im Januar findet eine zentrale Prüfung vom National Center for University Examination (Nationalzentrum für Universitätsexamen) statt, an der sich alle öffentlichen Hochschulen und einige private Hochschulen beteiligen. Alle Prüflinge, die an öffentlichen Hochschulen studieren wollen, müssen im März noch eine Prüfung ablegen, die von einzelnen Hochschulen abgehalten werden. Jede private Hochschule macht ihre eigene Aufnahmeprüfung, und sie können diese auch mit der oben genannten zentralen Prü-

|| 25 Dieses Diagramm wurde anhand der Daten, die dem Verfasser aufgrund seiner Anfrage am 05.09.2018 von der Abteilung für Marketingmanagement von NHK zur Verfügung gestellt worden waren, von ihm selbst erstellt. 26 Stand 2017 (MEXT). http://www.mext.go.jp/b_menu/toukei/002/002b/1403130.htm (01.08.2018)

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fung kombinieren. Im Fach „Fremdsprache“ bietet das National Center for University Examination fünf Fremdsprachen an: Englisch, Deutsch, Französisch, Chinesisch und Koreanisch. 1997 wurde Chinesisch hinzugefügt und seit 2002 können Prüflinge auch noch Koreanisch auswählen. Da in Oberschulen der Fremdsprachenunterricht außer Englisch, abgesehen von wenigen Schulen, nicht angeboten wird, ist die sehr geringe Zahl der Prüflinge in den Fremdsprachen außer Englisch (etwa 540.000) verständlich: Insgesamt wählen mehr als 99% der Prüflinge Englisch. Wie man an Abbildung 4 sieht, bewegen sich die Zahlen der Prüflinge, die Deutsch, Französisch oder Koreanisch auswählen, zwischen 200 und 100. Aus der Tatsache, dass die Einführung der zwei asiatischen Sprachen die Prüflingszahlen von Deutsch und Französisch fast gar nicht beeinflusst hat, lässt es sich folgern, dass es sich um kein Nullsummen-Spiel handelt, weil diese Sprachen nicht in Konkurrenz stehen, zumindest was diese Aufnahmeprüfung anbelangt. Dabei wird darauf hingewiesen, dass es nicht wenige Prüflinge mit Migrationshintergrund aus China oder Korea gibt. Einige von ihnen benutzen ihre Herkunftssprache als Familiensprache und können sich daher einen Vorteil gegenüber Prüflingen schaffen, die in japanischen Familien aufgewachsen sind. Auf jeden Fall sind die Prüflingszahlen dieser Fremdsprachen verglichen mit denen von Englisch sehr gering. 600 500

Deutsch

Französisch

Chinesisch

Koreanisch

400 300 200 100

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

0

Abb. 4: Prüflingszahlen (National Center for University Examinations, 1990–2018) im Fach Fremdsprache27

|| 27 Anhand der Daten auf den folgenden Webseiten des National Center for University Examinations vom Verfasser erstellt. https://www.dnc.ac.jp/center/kako_shiken_jouhou/index.html (05.08.2018)

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In Anbetracht der geplanten Reform der Hochschulzugangsberechtigungen durch das MEXT hat die JGG am 14. Februar 2017 dem Minister des MEXT eine Petition bezüglich des Fremdsprachenunterrichts überreicht28. Sie fordert eine Fortsetzung der Fremdsprachen außer Englisch als selbstständiges Fach in neuen Schulunterrichtsgesetzen, Einbeziehung des Wahlsystems mehrerer Fremdsprachen im neu geplanten Leistungstest für Bewerber um Studienplätze (zumindest die gegenwärtig als wahlmöglich anerkannten Fremdsprachen wie Chinesisch, Deutsch, Französisch und Koreanisch), Erörterung der Einführungsmöglichkeit vom Wahlsystem mehrerer Fremdsprachen im neu geplanten Bildungstest an Oberschulen und die Berücksichtigung mehrerer Fremdsprachen bei der Beratung neuer Aufnahmeprüfungen.

4.4 Japanische Gesellschaft für Germanistik (JGG) Die 1947 gegründete Japanische Gesellschaft für Germanistik (JGG) ist der größte Verband für Germanistik in Japan, dessen Ziel in der Erforschung und Verbreitung der deutschen Sprache und Literatur liegt. Er hat landesweit neun Zweige, die regelmäßig akademische Veranstaltungen anbieten. Die meisten Mitglieder sind als Hochschullehrende tätig. Die JGG, deren Mitgliederzahl seit ihrer Gründung konstant angestiegen war, hat 1995 einen Wendepunkt erreicht (Abbildung 5). Wegen der Hochschulreform von 1991 ist die ansteigende Tendenz seit 1995 rückläufig. Bis 1991 verlangte Japans Bildungsministerium29 von allen Hochschulen, Studierende dazu zu verpflichten, im Rahmen der allgemeinen Bildung eine zweite Fremdsprache zu erlernen, wobei in den meisten Fällen die Auswahl auf Deutsch und Französisch begrenzt war. Kraft der Änderung der Richtlinien zur Gründung von Hochschulen im Jahr 1991 wurde der Fremdsprachenunterricht freigestellt und jede Hochschule kann nun entscheiden, ob und welche Fremdsprachen unterrichtet werden sollten. Dieser Vorgang hat einen großen Einfluss auf den Fremdsprachenunterricht ausgeübt. In den letzten 20 Jahren hat die Mitgliederzahl der JGG um etwa 35% abgenommen, obgleich die Mitgliederzahl von 1.727, verglichen mit denen der Hauptverbände anderer Fremdsprachen30, noch

|| 28 http://www.jgg.jp/modules/neues/index.php?page=article&storyid=1706 (30.08.2018). 29 Damals hieß das Ministerium Monbushō (Ministry of Education, Science and Culture). 30 Die Mitgliederzahlen von Verbänden anderer Fremdsprachen sind folgendermaßen: The Sinological Society of Japan 1.448, The Japanese Society of French Language & Literature 1.031, Japan Association for the Study of Russian Language and Literature 463, Asociación Japonesa de Hispanistas 387, Association for Contemporary Korean Studies in Japan 285 (Stand 2017). https://gakkai.jst.go.jp/gakkai/ (30.08.2018).

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groß bleibt. Ein Grund dieses drastischen Rückgangs der Zahl wird darauf zurückgeführt, dass keine neuen Germanisten mehr eingestellt wurden, nachdem Professor/innen für Deutsch bzw. Germanistik in den Ruhestand getreten sind.

2600

2400

2200

2000

1800

1600 1985 1988

1991

1994 1997 2000 2003 2006 2009 2012

2015 2018

Abb. 5: Mitgliederzahl der Japanischen Gesellschaft für Germanistik (JGG) von 1985 bis 201831

5 Undurchsichtige Existenzbegründung der zweiten Fremdsprache an Hochschulen in Japan Aus den bisherigen Erörterungen lässt sich folgern, dass in Japan das Troika-System schon außer Kraft getreten ist und, abgesehen von Englisch, die Sprachen der Nachbarländer am populärsten sind, mit Chinesisch an erster Stelle gefolgt von Koreanisch. Als die drittpopulärste Sprache wird Französisch genannt, wobei Deutsch, Italienisch und Spanisch beinahe daran heranreichen. Für Japaner ist eine facettenreichere Auswahlmöglichkeit an Fremdsprachen zweifelsohne

|| 31 Dieses Diagramm wurde anhand der Daten, die dem Verfasser aufgrund seiner Anfrage am 26.07.2018 vom Büro der JGG zur Verfügung gestellt worden waren, von ihm erstellt.

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desiderabel, um sprachliche und kulturelle Vielfalt auf der Welt zur Kenntnis zu nehmen. Es wäre dennoch in Japan nicht unbedingt konstruktiv, vor allem die globale Stärke des Deutschen hervorzuheben, die überwiegend mit ökonomischer Stärke in Zusammenhang steht. In Japan ist es bekannt, dass man sich im Business und Tourismus in deutschsprachigen Ländern weitgehend auf Englisch verständigen kann. Der Deutschunterricht, dessen Existenzberechtigung hinsichtlich praktischer Gründe im vorherigen Maße kaum haltbar ist, hat im Rahmen des Faches Fremdsprache an Hochschulen irgendwie überlebt, da der Sinn des Fremdsprachenunterrichts mit der allgemeinen Geistesbildung, die eine Grundlage der universitären Ausbildung ausmacht, als übereinstimmend betrachtet worden ist. Heute ist aber, der Globalisierung entsprechend, der Schlüsselbegriff „Kommunikation“ im Fremdsprachenunterricht wichtiger, wobei die Bedeutung von „Kommunikation“ schlicht mit „Konversation“ gleichgesetzt wird. Dem revidierten Schulunterrichtsgesetz gemäß, das sukzessiv 2018 in Kindergärten, 2020 in Grundschulen, 2021 in Mittelschulen und 2022 in Oberschulen in Kraft tritt, sollten sich sämtliche Schulen schwerpunktmäßig mit der Förderung von Fähigkeiten befassen, je nach Zielen, Szenen und Situationen in einer Fremdsprache kommunizieren zu können. Danach werden der Englischunterricht in den Klassen 5 und 6 im Primarbereich als ein selbstständiges Fach und die „fremdsprachlichen Aktivitäten“32, die bis 2019 in den Klassen 5 und 6 gemacht werden, in den Klassen 3 und 4 eingeführt. Die „Fremdsprache“ in diesem Kontext erweist sich als Englisch, da detaillierte Lehrziele/-inhalte im Schulunterrichtsgesetz nur in Bezug auf Englisch beschrieben sind und anderen Fremdsprachen einfach ein Hinweis darauf gegeben wird, den Lehrzielen/-inhalten für das Fach Englisch zu folgen. Demzufolge üben diese Richtlinien einen indirekten Einfluss auf den Deutschunterricht an Hochschulen aus, weil fast alle Studierende erstmals Deutsch zu lernen beginnen und der Unterricht tendenziell dem Schulunterricht ähnlich gestaltet wird.

|| 32 Dem Schulunterrichtsgesetz gemäß ist die Zielsetzung der „fremdsprachlichen Aktivitäten“ folgendermaßen: Durch (eine) Fremdsprache(n) sollen die Schülerinnen und Schüler das Verständnis für Sprachen und Kulturen erlebnisorientiert vertiefen, eine Einstellung zur aktiven Kommunikation erhalten und eine Grundlage der Kommunikationsfähigkeiten bilden, indem sie sich mit Lauten und fundamentalen Ausdrücke solcher Fremdsprache(n) vertraut machen (Schulunterrichtsgesetz, Kap. 4, Art. 1, MEXT; vom Verfasser ins Deutsche übersetzt). Aufgrund der japanischen Grammatik, in der die Numeri Singular und Plural nicht obligatorisch unterschieden werden, ist der Numerus des Wortes „Fremdsprache“ unklar. http://www.mext.go.jp/a_menu/shotou/new-cs/youryou/syo/gai.htm (12.10.2018).

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Aufgrund des Drucks der heutigen Globalisierung auf Hochschulen werden notgedrungen auch Unterrichtsmethoden und didaktische Gestaltungen der Lehrbücher für den DaF-Unterricht beeinflusst. Nach dem Bericht des Zentralrats für Bildung im MEXT wird auch auf die Wichtigkeit der berufsorientierten Ausbildung an Hochschulen hingewiesen33. Dieser Trend zur Praxis bzw. Nützlichkeit im Alltag und Business führt zur Verschulung der Hochschulen dergestalt, dass eine Unterweisung und Förderung der Kenntnisse, die in der Gesellschaft zur Problemlösung scheinbar leicht anzuwenden sind, für wichtiger gehalten werden. Was das Lehrziel des Unterrichts zweiter Fremdsprachen betrifft, kann nun die allgemeine Geistesbildung, die mit akademischer Lektüre verbunden ist, nicht mehr als genug fundiert verstanden werden, weil der Schwerpunkt dabei mehr auf praxisbezogene Fähigkeiten im Alltag und Berufsleben gelegt werden sollte. Infolgedessen kommt es ironischerweise zutage, dass Deutsch für die meisten Japaner nur mit strenger Einschränkung auf die Praxis im Alltag anwendbar ist. Der deutschen Sprache lässt sich kein privilegierter Status mehr zuschreiben, ungeachtet des Sachverhaltes, dass deutschsprachige Länder sowohl ökonomisch als auch kulturell Achtung gebietend sind. Im Zeitalter der Globalisierung, die oft mit utilitaristischen Termini wie „Wettbewerb“ oder „Effizienz“ zusammenhängend dargestellt wird, bleibt die Tradition der Denker und Dichter zu allem Unglück im Hintergrund, zumindest was den DaF-Unterricht angeht, zumal wenn auch in Deutschland die Studiengänge auf Englisch zunehmen und angepriesen werden34, an denen man realiter ohne Deutschkenntnisse teilnehmen kann. In Hinsicht auf die Zahl der Institutionen, die Bachelor-Studiengänge auf Englisch anbieten, rangiert Deutschland unter den 19 Ländern in Europa an erster Stelle (Sandström & Neghina 2017: 12–13). Erklären lässt sich dies natürlich so, dass sich Hochschulen weltweiter Konkurrenz ausgesetzt sehen, um internationale Studierende und Forschende zu gewinnen. In ähnlicher Weise werden auch japanische Hochschulen konkurrenzbewusster, weil in Japan die Anzahl der 18-Jährigen, die potenziellen Teilnehmer an Aufnahmeprüfungen, infolge der niedrigen Geburtenrate graduell abnimmt. Wenn der Tatbestand berücksichtigt wird, dass im Jahrgang 2017 an 39,4% der privaten Hochschulen die

|| 33 http://www.mext.go.jp/b_menu/shingi/chukyo/chukyo0/toushin/__icsFiles/ afieldfile/2016/10/24/1371833_1_1_1.pdf (30.08.2018). 34 https://www.studieren-in-deutschland.org/auf-englisch-studieren-deutschland/ (05.09.2018). https://www.daad.de/deutschland/studienangebote/international-programmes/en/ (05.09.2018).

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Studienplätze nicht voll besetzt waren35, liegt es offen zutage, dass dies ein existenzbedrohendes Problem für die betreffenden Hochschulen ist. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, sind auch Hochschulen in Japan im Gang, bei der Förderung des Englischen Prioritäten festzulegen. An die sekundäre Stelle verwiesen werden die anderen Fremdsprachen, die sich allerdings gerade noch mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Vielfalt von Sprachen und Kulturen nicht einfach abschaffen lassen. Damit würden auch Studierende sympathisieren, denn nur 16,7% der Studierenden meinten, Englisch sei genug zum Studium, wohingegen Deutschlernen bedeutsam sei, um heterogene Kulturen zu verstehen und eine allgemeine Bildung zu erhalten (Kondo & Yamamoto 1999: 69–71). Eine zweite Fremdsprache sollten Studierende nach eigenen Interessen wählen, die nicht unbedingt mit der globalen Stärke der Sprache zu tun haben, wobei diejenigen, die anfangs keine starke Motivation zum Fremdsprachenlernen haben und dennoch aufgrund der curricularen Regelungen zur Wahl gezwungen werden, von nummerischen Informationen wie einem weltweiten Sprachen-Ranking beeinflusst und tendenziös zu einer scheinbar nützlichen und einträglichen Sprache motiviert werden. Um aufgeschlossene Einstellungen der Lernenden gegenüber fremden Kulturen und Sprachen zu fördern, wäre das Konzept Language-Awareness (LA)36 wegweisend, das laut Association for Language Awareness als „explizites Wissen über Sprache und bewusste Wahrnehmung und Sensibilität beim Sprachenlernen, Sprachunterricht und Sprachgebrauch“ definiert wird37. Der LA-Ansatz ist als ein Gegengewicht zu einer dominanten Sprache wie Englisch geeignet (Hélot 2008: 12). Es wäre notwendig in Japan, schon im Primarbereich, in dem Schüler noch nicht ganz von der utilitaristischen Gesinnung befangen sind, den Unterricht zur Förderung der LA einzuführen. Der Zweck ihrer Initiierung sollte aber in erster Linie weniger darin liegen, Schüler Kenntnisse mehrerer Fremdsprachen erwerben zu lassen, als ihnen ihre Existenz bewusst zu machen. Wichtig wäre dabei, in keiner Weise eine bestimmte Fremdsprache zu protegieren. In diesem Sinne sollten die oben genannten fremdsprachlichen Aktivitäten infrage gestellt

|| 35 Diese Zahl basiert auf der Statistik der Promotion and Mutual Aid Corporation for Private Schools of Japan. http://www.shigaku.go.jp/files/shigandoukouH29.pdf (05.09.2018). Nach dem MEXT sind im Jahr 2017 unter 780 Hochschulen in Japan 86 staatliche (11,0%), 90 öffentliche (11,5%) und 604 private (77,4%). http://www.mext.go.jp/component/b_menu/ other/__icsFiles/afieldfile/2017/12/22/1388639_3.pdf (05.09.2018). 36 https://lexically.net/ala/la_defined.htm (13.10.2018). 37 Vgl. Fallstudien in nordischen und baltischen Ländern (Candelier & Kervran 2018) und in Frankreich (Young & Helot 2003).

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werden, die trotz der Bezeichnung „Fremdsprache“ in facto auf Englisch fokussiert werden. Dies ruft logischerweise den Eindruck hervor, als ob das MEXT unter „Fremdsprache“ nur Englisch verstände. Höchste Priorität müsste allerdings der Sensibilisierung der Lernenden für die Sprachenvielfalt zuerkannt werden, welche die Basis für unbefangene Einstellungen gegenüber mannigfaltigen Fremdsprachen bildet. Das wird auf lange Sicht auch zur stärkeren Förderung des Deutschen beitragen. Diese Spracherziehungspolitik müsste durch die Unterstützung der nationalen sowie regionalen Regierungen ergänzt werden, indem sie beispielsweise darauf achten, bei der Einstellung der Beamten Fremdsprachenkenntnisse auf höherem Stufenniveau, auch außer Englisch, anerkennend zu berücksichtigen. Hinsichtlich des vielseitigen Handels mit dem Ausland, der nationalen Sicherheit und der inländischen Multikulturalität mit einer graduell zunehmenden Zahl von Migranten ist die Förderung verschiedener Fremdsprachen in Japan jedenfalls vonnöten.

6 Schlussbemerkung Im Rückblick auf die Geschichte kann nicht bezweifelt werden, dass sich die Gründe für Deutsch in Japan zu allen Zeiten auf Wissenschaft oder Kultur im deutschsprachigen Raum bezogen haben. Die Abwendung davon wird zu einer qualitativen Änderung des Lehrziels vom DaF-Unterricht zu elementarsten Konversationsfähigkeiten führen, für die allerdings im sprachlichen Alltag in Japan kaum Anwendung zu finden ist. Alles in allem ist es ersichtlich, dass sich momentan in Japan eine unausweichliche Relativierung der Stellung des Deutschen vollzieht. In Anbetracht dieser schwierigen Wende würde eine curriculare Reform, die entweder auf einer dogmatisch ablehnenden Haltung oder auf einer opportunistischen Anpassung basiert, zu unerfreulichen Ergebnissen führen, die ernsthafte Lernende des Deutschen im Studium beeinträchtigen würden. Der Unterricht in der zweiten Fremdsprache in Japan, der ursprünglich für akademische Zwecke in die Wege geleitet wurde, findet auch nach dem Ende des Troika-Systems größtenteils im tertiären Bereich statt. Diese Konstellation des Unterrichts der zweiten Fremdsprache, dessen Lehrziel diffus und schwankend bleibt, ist offensichtlich reformbedürftig. Lehrveranstaltungen an Hochschulen, die sich überhaupt nicht mehr auf die wissenschaftliche Lehre oder das zukünftige Berufsleben beziehen, werden aber in Gefahr der Aushöhlung geraten. Wenn Deutsch im Bereich des Business und Tourismus keine große Sogwirkung auf das Deutschlernen in Japan vorweisen kann, müsste sich die Förderung von DaF vor allem auf die Stellung des Deutschen als Wissenschaftssprache beziehen, nicht

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unbedingt um neueste Kenntnisse von deutschsprachigen Wissenschaftlern zu lernen, sondern den Facettenreichtum der Sprache, Kultur und Gesellschaft im deutschsprachigen Raum zu erforschen. Dies wird als Forschungsgegenstand auch im Hinblick auf die Globalisierung interessant und im Rahmen der tertiären Bildung anregend sein. Dafür ist Deutsch als Fremdsprache unverzichtbar.

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Gabriele Schmidt

Förderung der deutschen Sprache in Australien 1 Einleitung Die deutsche Sprache hat eine lange Tradition in Australien, die sich bis zu den ersten deutschen Einwanderern im 19. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Ihre Stellung war oft ein Spiegelbild der Aufs und Abs in den deutsch-australischen Beziehungen, wie z.B. der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu einem Verbot von deutschsprachigen Publikationen führte. Derzeit erhalten die Beziehungen zwischen Deutschland und Australien starken Auftrieb. 2014 wurde eine hochrangige Deutsch-Australische Beratergruppe auf Ministerebene ins Leben gerufen, deren Ziel es ist, die bilateralen Beziehungen zu erneuern. Im November 2015 veröffentlichte die Gruppe einen Bericht mit 59 Empfehlungen zur Intensivierung der deutsch-australischen Beziehungen, die nicht nur Politik und Wirtschaft umfassen, sondern auch Wissenschaft, Bildung, Kultur, Migration, Sport und andere Bereiche (Auswärtiges Amt 2015a). Der Bericht unterstreicht u.a. die Qualität der zwei Bildungssysteme und das Potential für Austauschprogramme für Studierende. Spätestens hier stellt sich die Frage, ob der Bericht auch Empfehlungen in Bezug auf die Förderung der zwei Landessprachen, d.h. Englisch und Deutsch, enthält, die für die Kommunikation unabdingbar sind. Die kurze Antwort lautet: nein. Sowohl das Dokument mit den 59 Empfehlungen als auch der ausführlichere Abschlussbericht mit dem Titel A fresh look at links between Australia and Germany sind selbst auf der Webseite des Auswärtigen Amts nur in englischer Sprache veröffentlicht1. Lediglich eine der 59 Empfehlungen enthält das Wort Sprache bzw. language: „34. An internet database, hosted on existing Australian and German websites, will be established listing all English-language degrees offered by German universities.“ (Auswärtiges Amt 2015b: 7). Statt dafür zu werben und entsprechende Förderprogramme zu etablieren, die Sprache des Partnerlandes zu lernen, um z.B. an Austauschprogrammen teilnehmen zu können, wird hier –

|| 1 https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/australien-node/151113-stm-breport/276368 (Stand 04.06.2018) || Gabriele Schmidt, Australian National University, Canberra, Australien, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-053

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auch im Namen des Auswärtigen Amts – geäußert, dass für AustralierInnen Englischkenntnisse in Deutschland ausreichen. Derartige offizielle Botschaften machen das Leben von Deutschlehrern und -lehrerinnen bzw. von Universitätsdozenten und -dozentinnen schwer, deren alltägliche Aufgabe es ist, junge Australier und Australierinnen zum Deutschlernen zu motivieren. Laut der Datenerhebung 2015 zum Deutschlernen weltweit (Auswärtiges Amt 2015c) gibt es insgesamt gut 100.000 Deutschlernende in Australien. Während für die Hochschulen fast gleichbleibende Zahlen registriert wurden, zeigen die Zahlen für den Schulbereich einen leichten Aufwärtstrend. Was diese Lernenden dazu motiviert, die deutsche Sprache zu lernen, und welche Schlussfolgerungen sich daraus für die Förderung von Deutsch in Australien ergeben, steht im Mittelpunkt dieses Beitrags.

2 Die Stellung der deutschen Sprache im australischen Bildungssystem In einem anglophonen Land wie Australien ist Deutsch nicht davon bedroht, dass Englisch die obligatorische Erstfremdsprache ist. Lange Zeit waren Französisch und Deutsch die traditionellen modernen Fremdsprachen in australischen Schulen und Universitäten. Zwei bildungspolitische Entwicklungen haben jedoch den Fremdsprachenunterricht in Australien folgenschwer beeinflusst. Erstens führten Curriculumreformen in den 1950er und 1960er Jahren zu einer Abschaffung von Pflichtfremdsprachen sowohl für das Abitur als auch für die Hochschulzulassung. Diese Entscheidung führte zu einem starken Rückgang beim Fremdsprachenunterricht an Schulen (Barko 1996: 6). Seit Jahren liegt der Anteil der Schüler und Schülerinnen, die in der 12. Jahrgangsstufe eine Fremdsprache lernen, unverändert bei ca. 13% (Curnow 2010: 38). Einige Bundesländer verzeichnen derzeit sogar einen Abwärtstrend, wie z.B. das bevölkerungsreichste Bundesland New South Wales, wo im Jahre 2017 insgesamt nur 7,9% der SchülerInnen der 12. Jahrgansstufe eine Fremdsprache als Abiturfach hatten (Singhal 2018). Die wenigen Pflichtstunden, die für den schulischen Fremdsprachenunterricht angesetzt sind, finden in der Regel in den ersten Jahren der Sekundarstufe I statt, was bedeutet, dass bei Studienbeginn der letzte Fremdsprachenunterricht oft bereits mehrere Jahre zurückliegt und viele Studierende nach einem Einstufungstest wieder von vorne anfangen (Jansen & Schmidt 2011: 166). Zweitens führten einschneidende Kürzungen im Bildungsetat Ende der 1990er Jahre zu einer Kommerzialisierung des australischen Hochschulwesens.

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Laut Martin (2005: 69) gehörten Fremdsprachen zu den am stärksten betroffenen Disziplinen. Um ihre Immatrikulationszahlen und die damit verbundenen Einnahmen aus den Studiengebühren zu erhöhen, sahen sich viele Fremdsprachenabteilungen gezwungen, „neue Märkte“ zu erschließen, indem sie ihre Kurse auch für Studierende öffneten, die eine Fremdsprache nicht als Hauptfach studieren oder aus anderen Fakultäten kommen (Pauwels 2002; auch Schmidt 2011, 2012). Dieser Trend der Öffnung von Studiengängen für Studierende von anderen Fakultäten hat sich in den letzten Jahren noch weiter verstärkt. Während anfangs vor allem die vorher erwähnten finanziellen Gründe im Vordergrund standen, haben in den letzten Jahren mehrere australische Universitäten ihre Studienordnungen in dem Sinne reformiert, dass das Bachelor-Studium breit angelegt ist und Kurse von außerhalb der eigenen Fakultät verlangt werden. Die fachliche Spezialisierung erfolgt dann erst im Master-Studium. In allen Fällen haben derartige strukturelle Veränderungen zu einem Anstieg von Studierenden geführt, die eine Fremdsprache lernen (Hajek 2014; Caruso & Brown 2015), wenn auch vor allem im Anfängerbereich und oftmals nur für wenige Semester (Nettelbeck et al. 2007). Auch die meisten australischen Deutsch- bzw. Germanistikfachbereiche haben in den letzten Jahren steigende Lernerzahlen verzeichnet. Da die möglichen Gründe fürs Deutschlernen „auch eine Orientierungshilfe für die Sprachförderung sein können“ (Ammon 2017: 67), untersucht der folgende Teil zuerst die Lernmotive, bevor die daraus resultierenden Schlussfolgerungen für die Förderung von Deutsch in Australien erörtert werden.

3 Motive fürs Deutschlernen in Australien Anfang der 1990er Jahre erschienen zwei Studien zur L2-Motivation von australischen Deutschstudierenden (Ammon 1991; Petersen 1993). In ihrer Analyse der Motive fürs Deutschstudium verweisen beide Autoren auf eine Kombination von integrativer und instrumenteller Motivation, z.B. kulturelles Interesse und Reisemotive in Verbindung mit karrierebezogenen Motiven. Aufbauend auf Ammons Studie führte ich 2005 eine neue Fragebogenerhebung durch, in deren Rahmen ich 520 australische Studierende von zehn Universitäten nach ihren Motiven für ein Deutschstudium befragte (Schmidt 2011). Die von mir ermittelten drei Hauptmotive wurden wie folgt definiert: erstens gibt es ein allgemeines Interesse an der deutschen Sprache und Kultur gekoppelt mit einer Freude am Sprachenlernen; zweitens gibt es das Ziel, in einem deutschsprachigen Land kommunizieren zu

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können, z.B. als Berufstätige/r, Student/in oder Tourist/in; und drittens wird Deutsch als eine wichtige (Wirtschafts)sprache angesehen, die berufliche Vorteile bringen könnte. Meine Studie lieferte zwar neue verallgemeinerbare Einblicke in die Motivation zum Deutschlernen von australischen Studierenden und dokumentierte erstmalig, wie sich die oben genannten bildungspolitischen Entwicklungen auf das Lernerprofil ausgewirkt haben (Schmidt 2012), aber wie bei vielen groß angelegten quantitativen Studien bleiben auch in dieser Studie die individuellen Lernenden mit ihren persönlichen Beweggründen und Lernerbiografien im Hintergrund. Außerdem bedeutet die Tatsache, dass ich meine Daten im Jahr 2005 sammelte, dass die Datenanalyse neuere Forschungsansätze der L2Motivationsforschung wie z.B. Dörnyeis L2 Motivational Self System nicht berücksichtigt (Dörnyei 2005, 2009). Um diese Datenlücke zu schließen, führte ich 2013 eine Interviewstudie mit 16 australischen Deutschstudierenden durch. Die in der Analyse ermittelten Einzelmotive lassen sich in drei Hauptmotivgruppen zusammenfassen: erstens gibt es ein wachsendes Bewusstsein, dass im Zeitalter der Globalisierung Englisch allein nicht mehr reicht; zweitens gibt es identitätsbezogene Motive, die stark mit der Persönlichkeitsentwicklung des Lerners bzw. der Lernerin verbunden sind; und drittens gibt es ein spezifisches Interesse an Deutschland, deutschsprachiger Kultur und Europa. Während in den letzten Jahren oftmals befürchtet wurde (Diskussion in Ammon 2015: 10–18), dass die zunehmende Bedeutung von Englisch als internationale Sprache das Aus für Fremdsprachen wie Deutsch bedeutet, scheinen sich gerade jüngere Menschen mit Englisch als Muttersprache der Tatsache bewusst zu werden, dass im Zeitalter von Globalisierung Fremdsprachenkenntnisse zur Mobilität beitragen und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Dies bestätigt Sharifians (2014: 49) Mutmaßung, dass Englisch keine Bedrohung für Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit darstellt, sondern dass globale Märkte und multikulturelle Gesellschaften einen Bedarf an multilingualen Sprechern und Sprecherinnen haben. Da sich dieses Bewusstsein erst langsam durchsetzt, sind Fremdsprachenkenntnisse in Ländern mit Englisch als dominanter Erstsprache immer noch etwas Besonderes, wie in mehreren von meinen Interviews zum Ausdruck kam (Schmidt 2016: 70). Weiterhin deuten die in meiner Interviewstudie gefundenen identitätsbezogenen Motive darauf hin, dass bei Deutschlernenden mit Englisch als Muttersprache pragmatische Motive wie ‚Deutsch als Zusatzqualifikation‘ nicht die vorrangige Motivation sind. Gleichzeitig scheinen Fremdsprachenkenntnisse als ein Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung und zur persönlichen Bildung gesehen zu werden, was als ein humanistisches Bildungsmotiv beschrieben werden kann. Es

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ist zu vermuten, dass das Bildungsmotiv in solchen Ländern stärker ausgeprägt ist, die sich geografisch weit entfernt von den Zielsprachenländern befinden. Auch für den schulischen Bereich gibt es erste Anzeichen, dass das L2 Motivational Self System für den australischen Kontext zutrifft. In ihrer kleinen Studie zur Sprachlernmotivation von Schülern und Schülerinnen der 12. Jahrgangsstufe fanden Moloney & Harbon (2015: 5) eine deutliche Verbindung zwischen der Konstruktion eines Ideal L2 Self, Sprachentwicklung und Motivation. Das starke Interesse an Deutschland, deutschsprachiger Kultur und Europa geht über ein allgemeines Reisemotiv hinaus. In den Interviews kommt u.a. ein großes Interesse an deutscher Geschichte zum Ausdruck, und insgesamt kann das Deutschlandbild von jungen Australiern und Australierinnen als sehr positiv bezeichnet werden. Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt auf dem universitären und schulischen Deutschlernen. Es sollte an dieser Stelle aber darauf hingewiesen werden, dass Deutsch natürlich auch außerhalb von Schulen und Hochschulen in Australien gelernt wird. Für Kinder gibt es zwei deutsche Auslandsschulen (in Sydney und Melbourne) und in vielen größeren Städten Samstagsschulen (sogenannte Ethnic Schools), die Deutschunterricht anbieten, sowie bilinguale Kindergärten. Die Kinder, die an diesem Unterricht teilnehmen, haben nicht immer, aber oft ein deutschsprachiges Elternteil. Für Erwachsene gibt es in den Städten ein breites Angebot an volkshochschulähnlichen Abendkursen, Privatschulen und Kursen der zwei Goethe-Institute in Sydney und Melbourne. Die Lernmotive mögen hier verschieden sein und Beweggründe wie deutsche/r Ehepartner/in, bevorstehende Reise etc. einschließen. Nach diesem Überblick über die Motive fürs Deutschlernen in Australien wird im folgenden Teil untersucht, wie sich – ausgehend von diesen Motiven – die Förderung der deutschen Sprache stärken ließe.

4 Die Förderung der deutschen Sprache in Australien 4.1 Förderung im schulischen Bereich Der bereits oben erwähnte geringe Stellenwert von Fremdsprachen im australischen Schulsystem wird sich vermutlich auch nicht mit der Einführung des neuen nationalen Curriculums verbessern. Trotz aller Richtlinien hängt es oft vom jeweiligen Schulleiter und Elternbeirat sowie vom sozioökonomischen Um-

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feld der Schule ab, ob und wenn ja, welche Fremdsprachen in welchen Jahrgängen angeboten werden. Dies führt in vielen Fällen zu einer Diskontinuität beim Fremdsprachenlernen, die insbesondere beim Spracherwerb verhängnisvoll ist. Umso wichtiger ist von daher das Engagement der Deutschlehrer und -lehrerinnen, deren Verband (Network of Australian Teachers of German2), eng mit dem Goethe-Institut Australien zusammenarbeitet und u.a. Filmfestivals für Kinder, Wettbewerbe etc. veranstaltet (vgl. Lay 2016). Ein großes Problem, das Schüler und Schülerinnen davon abhält, in der Oberstufe, d.h. in der 11. und 12. Jahrgangsstufe, eine Fremdsprache zu lernen, ist das komplizierte System, mit dem die Abiturdurchschnittsnote (ATAR) in Australien ermittelt wird. Eine 2018 veröffentlichte Studie (Cruickshank 2018, zit. in University of Sydney 2018) zeigt, dass das gegenwärtige Berechnungssystem bei Fremdsprachen häufig zu schlechteren Noten führt, was wiederum die Abiturdurchschnittsnote insgesamt reduziert. In Australien hat jede Universität für jedes Fach ihren eigenen Numerus Clausus, d.h., um an einer der besseren Universitäten studieren zu können, ist es wichtig, eine möglichst hohe Abiturdurchschnittsnote zu bekommen, weshalb sich viele SchülerInnen strategisch für die Abiturfächer entscheiden, die durch das Berechnungssystem bevorteilt werden. Die Fremdsprachen ziehen hier eindeutig den Kürzeren.

4.2 Förderung im universitären Bereich Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und AbiturientInnen, d.h. ihre zukünftigen Studierenden, dennoch zum Fremdsprachenlernen zu motivieren, haben alle acht forschungsintensiven Universitäten (Group of Eight) sogenannte Bonuspunkte eingeführt, die die Abiturdurchschnittsnote verbessern, wenn der oder die StudienplatzbewerberIn eine Fremdsprache als Abiturfach hatte (Group of Eight 2014). Obwohl diese Initiative lobenswert ist, bleibt es dennoch fraglich, ob SchülerInnen und ihre Eltern von diesen Bonuspunkten wissen, wenn sie sich am Ende der 10. Jahrgangsstufe für ihre Abiturfächer entscheiden müssen. Ein weiteres Beispiel dafür, wo der Informationsfluss zwischen Schulen und Hochschulen verbessert werden sollte, ist, dass viele SchülerInnen denken, dass sie sich bei der Wahl ihres Studiengangs zwischen einer Fremdsprache und einem eher berufsbezogenen Fach wie z.B. Jura, Wirtschafts- oder Ingenieurwissenschaften entscheiden müssen und dass beides zusammen nicht geht. Vielen

|| 2 http://www.ausdaf.edu.au/index.php?option=com_content&task=view&id=16&Itemid=48

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ist nicht bekannt, dass fast alle Universitäten Doppelstudiengänge wie z.B. Geisteswissenschaften/Jura anbieten und dass auch viele alleinstehende BachelorStudiengänge Raum für Wahlfächer von anderen Fakultäten haben. Meine Interviewstudie (Schmidt 2014a) zeigt eindeutig, dass australische Studierende ihr Deutschstudium u.a. als eine ideale Zusatzqualifikation ansehen und erwarten, dass Deutschkenntnisse bei zukünftigen Bewerbungen von Vorteil sein werden. Auch wenn einige traditionelle GermanistInnen Deutsch als Zusatzqualifikation als Bedrohung für ihre Disziplin sehen, teile ich Loviks positive Einschätzung, dass Deutsch hier als „wichtige Brücke“ zu anderen Disziplinen fungiert (vgl. Lovik in diesem Band). Einige australische Universitäten bieten dementsprechend zusätzlich sogenannte Diploma in Languages an, die parallel zum eigentlichen Bachelor-Studium absolviert werden. Insbesondere bei diesen Zusatzfächern wird hervorgehoben, dass sie zusätzlichen Wert („value-adding“) zum Studienabschluss hinzufügen (University of Queensland o.D.). Die geografische Distanz zu den deutschsprachigen Ländern bedeutet, dass australische Deutschstudierende nicht die Möglichkeit haben, ein Wochenende in Berlin, Wien oder Zürich zu verbringen, und Stipendien von daher umso wichtiger sind. Die Entscheidung des DAAD, sich vornehmlich auf die Graduiertenförderung zu konzentrieren, hat bedauerlicherweise zur Streichung des Semesterstipendiums für Germanistikstudierende im Bachelor-Studium geführt. In der Vergangenheit waren es gerade diese geförderten StipendiatInnen, die nach ihrer Rückkehr ein Honours-Jahr in German Studies an ihr Bachelor-Studium angehängt und dann evtl. ein Master-Studium absolviert haben. Derzeit gibt es auf Bachelorebene nur für die Hochschulwinterkurse DAAD-Stipendien, die aber kein Ersatz sind, da die Winterkurse ausschließlich für internationale Studierende sind und von daher keinen Einblick in den deutschen Studienalltag geben. Es wäre wünschenswert, wenn der DAAD auch für Bachelorstudierende wieder Stipendien für ein reguläres Austauschsemester anbieten würde, denn die Studierenden kommen in der Regel hochmotiviert zurück und wollen Deutsch weiterlernen. Ohne entsprechende finanzielle Unterstützung bleibt ein Austauschsemester aber für viele australische Deutsch- bzw. Germanistikstudierende ein unerfüllbarer Traum. Nichtsdestotrotz ist die Förderung der australischen Deutsch- und Germanistikabteilungen durch den DAAD erheblich. Es gibt zwei DAAD-LektorInnen in Melbourne, vier Sprachassistenzen sowie mehrere DAAD-OrtslektorInnen, deren Arbeit durch großzügige Sachspenden, wie z.B. themenbezogene Buchpakete, Filme und Zeitschriftenabonnements, sowie Reisegelder für Konferenzen unterstützt wird.

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Ende der 1990er Jahre, als viele australische universitäre Fremdsprachenabteilungen von starken Kürzungen getroffen wurden, drängte das Goethe-Institut Sydney, das bis dahin alle zwei Jahre eine kleine Konferenz („Uniforum Deutsch“) für die australischen Germanisten und Germanistinnen ausgerichtet hatte, dieselben dazu, eine Vereinigung zur Förderung der australischen Germanistik zu gründen. Seit 2003 gibt es die German Studies Association of Australia (GSAA), deren Ziele in den Vereinsstatuten wie folgt festgelegt werden: 1. den Informations- und Ideenaustausch zwischen denen zu fördern, die im Bereich German Studies tätig sind; 2. die Kooperation zwischen Universitäten, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen in und außerhalb von Australien zu verbessern; und 3. Netzwerkarbeit mit diplomatischen Vertretungen und staatlichen Einrichtungen zu leisten (GSAA o.D.). Der Erfolg der Vereinigung, die ehrenamtlich geführt wird, lässt sich an den folgenden drei Beispielen erkennen. Die seit 2003 alle zwei bis drei Jahre stattfindenden Konferenzen haben erheblich dazu beigetragen, die eigene Forschung bekannt zu machen und Feedback von Kollegen und Kolleginnen zu bekommen. Zu den Konferenzen wird international eingeladen, und Kollegen aus Europa, den USA, Asien und Afrika sind regelmäßige Teilnehmer. Dieser internationale Austausch ist gerade für eine kleine Vereinigung wichtig, deren Mitglieder aufgrund der geografischen Distanz nicht immer an relevanten Konferenzen außerhalb Australiens teilnehmen können. Das Schwerpunktthema der 2016 an der Australian National University abgehaltenen GSAA-Konferenz lautete Kosmopolitische Gedankenwelten im deutschsprachigen Raum. An der Konferenz, die u.a. auch vom DAAD, dem Institut für Auslandsbeziehungen und allen drei deutschsprachigen Botschaften unterstützt wurde, nahmen 95 GermanistInnen aus aller Welt teil. Ausgewählte Konferenzbeiträge werden in der Regel in einem Sammelband veröffentlicht (z.B. in Limbus: Australisches Jahrbuch für germanistische Literatur- und Kulturwissenschaft, herausgegeben von Deiters, Fliethmann, Lang, Lewis & Weller3). Die Konferenz mit internationalen Plenarvortragenden erhöht das Forschungsprofil der universitären Deutsch- bzw. Germanistikabteilungen, was wiederum ihre Stellung in den jeweiligen Universitäten stärkt. Zweitens hat die Webseite der GSAA die Präsenz der australischen Germanistik in der Öffentlichkeit verbessert. Insbesondere die Auflistung von Publikationen der Mitglieder zeigt nach auβen, dass obwohl die meisten Fachbereiche im Durchschnitt nur drei GermanistInnen haben, es dennoch eine vielfältige Forschungsarbeit

|| 3 http://artsonline.monash.edu.au/limbus/

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gibt. Drittens hat die Mitgliederdatei den Informationsaustausch unter den Mitgliedern erleichtert, indem auf Stellenausschreibungen, Konferenzen, Studentenprojekte etc. aufmerksam gemacht werden kann.

4.3 Sonstige Förderung Die Förderung der deutschen Sprache in Australien geht über den Bildungsbereich hinaus, und im Folgenden können nur einige Beispiele genannt werden. Einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Deutsch (und 67 anderen Fremdsprachen) leistet der aus öffentlichen Mitteln finanzierte Fernseh- und Rundfunksender SBS (Special Broadcasting Service). Wie die SBS-Webseite für Deutsch4, die es sowohl in englischer als auch in deutscher Sprache gibt, zeigt, sendet SBS regelmäßig Nachrichten der Deutschen Welle in deutscher Sprache, zeigt deutschsprachige Filme und bietet Podcasts sowie aktuelle Informationen für Deutschsprachige in Australien an. Der Umfang des Angebots für die einzelnen Sprachen richtet sich nach der Größe der jeweiligen Sprachgemeinschaft. Die Volksbefragung aus dem Jahr 2016 ermittelte, dass knapp 80.000 (0,3%) Menschen in Australien zu Hause Deutsch sprechen (id community o.D.). Der Anteil der Deutschsprecher und -sprecherinnen an der Gesamtbevölkerung hat in den letzten Jahren aber stetig abgenommen, was bereits zu einer Reduzierung der deutschsprachigen Programme von SBS geführt hat. Weiterhin leisten die deutschsprachigen Botschaften, Konsulate und Kulturinstitute – hier insbesondere das Goethe-Institut Australien – einen erheblichen Beitrag zur Förderung der deutschen Sprache und deutschsprachigen Kultur. Wie die Studien zur Sprachlernmotivation von australischen Deutschlernern und -lernerinnen gezeigt haben, führt oftmals ein Interesse an deutschsprachiger Kultur zum Deutschlernen. Von daher fördern deutschsprachige Konzerte, Theateraufführungen, Autorenlesungen, Diskussionsveranstaltungen, Film Festivals u. ä. dieses Interesse. Leider beschränken sich Veranstaltungen häufig auf Sydney und Melbourne, wo sich die zwei Goethe-Institute befinden, auch wenn es neue Initiativen wie z.B. die 2016 erstmals ausgerichtete German Week in Brisbane5 gibt, die vom dortigen deutschen Honorarkonsulat koordiniert wird. Ein weiteres positives Beispiel für das – vielleicht sogar steigende – Interesse an deutschsprachiger Kultur ist das Deutsche Filmfestival, das bis 2016 alljährlich vom Goethe-Institut veranstaltet wurde. Aktuelle deutsche Filme bieten

|| 4 https://www.sbs.com.au/yourlanguage/german?language=de 5 http://germanweek.com.au/

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nicht nur einen Einblick in die deutsche Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, sondern auch einen Einstieg in die Sprache, wie das Beispiel eines Deutschstudenten zeigt, der sich gleich, nachdem er 2016 beim Filmfestival in Canberra den Film Tschick gesehen hatte, den gleichnamigen Roman (Herrndorf 2010) in deutscher Sprache kaufte. Die Entscheidung des Goethe-Instituts im Jahre 2017, das Filmfestival zu streichen, stieß von daher in der deutschsprachigen Gemeinde auf großes Unverständnis, insbesondere da es z.B. weiterhin das Französische Filmfestival von der Alliance Française gibt. Nach einem kleinen, aber sehr erfolgreichen Deutschen Filmfestival 2017 in Melbourne wurde 2018 wieder ein großes Deutsches Filmfestival in fünf Städten angeboten, diesmal unter der Regie von einem australischen Kinobetreiber. Dass das Festival auch ohne das Goethe-Institut zustande gekommen ist, spiegelt das Interesse an deutschsprachiger Kultur in Australien wider, hat aber gleichzeitig auch zu Zweifeln an der Förderung durch offizielle Institutionen wie das Goethe-Institut geführt. Bei der Werbung für Deutsch in Australien sollte im Hinterkopf behalten werden, dass in einem anglophonen Land Gründe wie bessere Berufsaussichten nur zweitrangig sind und dass, wie einer von den interviewten Studierenden sagte, „there’s more to it“ (Schmidt 2014b). Alle Studien zur Sprachlernmotivation von australischen Deutschstudierenden listen das Interesse an deutschsprachiger Kultur sowie die Freude am Sprachenlernen höher als rein instrumentelle Gründe. Trotzdem stehen auf die Karriere bezogene Motive häufig im Vordergrund, wenn dafür geworben wird, Deutsch zu lernen, wie z.B. auf der Webseite6 des Goethe-Instituts Australien, wo sich die ersten drei von „10 Gründe[n] für Deutsch“ aufs Geschäftsleben, eine globale Karriere und Jobs in der Tourismusbranche beziehen. Nicht viele australische Deutschlerner und -lernerinnen werden einen beruflichen Nutzen aus ihren Deutschkenntnissen ziehen, weshalb in Werbebroschüren für Deutsch eher übertragbare Fertigkeiten wie interkulturelles Bewusstsein, Erwerb von allgemeinen Kommunikationsfähigkeiten, interaktives Lernen etc. hervorgehoben werden sollten.

5 Ausblick Im australischen Kontext ist es sprachpolitisch schwierig, einen Blick in die Zukunft zu wagen. Regierungswechsel – Wahlen finden alle drei Jahre statt – führen

|| 6 https://www.goethe.de/de/spr/wdl.html (Stand 07.07.2018)

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nicht selten zu einer geopolitischen Umorientierung, d.h., mal gibt es einen (wirtschafts)politischen Asien-Fokus, dann mal wieder einen Europa-Fokus. Die jeweilige Ausrichtung hat häufig einen Einfluss darauf, welche Fremdsprachen an Schulen und Hochschulen (finanziell) besonders gefördert bzw. beschützt werden. Die derzeitige Intensivierung der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Australien gibt Grund für vorsichtigen Optimismus. Das Auswärtige Amt (2018) fasst die Beziehungen zwischen beiden Ländern wie folgt zusammen: „Australien ist sich […] bewusst, dass nicht nur die europäischen Wurzeln, sondern vor allem auch wesentliche Interessen und Werte das Land der westlichen Staatenfamilie zuordnen. Daraus ergibt sich für Australien die nach wie vor große Bedeutung Europas und Deutschlands mit seiner Schlüsselrolle in der EU (Europäische Union) und für den Euro.“ Die Bedeutung Deutschlands für Australien ist seit der Brexit-Entscheidung erheblich gestiegen, da bis dahin Australiens Kontakte zur EU oftmals über London liefen. Dass enge bilaterale Beziehungen aber nicht unbedingt zu einer verstärkten Sprachförderung führen, wurde anfangs in der Einleitung dokumentiert. Es wäre wünschenswert, dass sich die Deutsch-Australische Beratergruppe an das Grußwort von der damaligen Staatsministerin Maria Böhmer erinnert, das der Datenerhebung 2015 zum Deutschlernen weltweit (Auswärtiges Amt 2015c: 3) vorausgeht: „Sprachförderung ist ein besonders nachhaltiges außenpolitisches Instrument. Sie fördert Dialog, Austausch und Zusammenarbeit zwischen Menschen und Kulturen, vermittelt ein positives Deutschlandbild im Ausland und bringt Menschen nach Deutschland. […] Die Vermittlung und Förderung der deutschen Sprache im Ausland ist daher ein Schwerpunkt und eine Querschnittsaufgabe der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.“

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Thomas A. Lovik

Deutsch als Fremdsprache in den USA: Wie sieht die Zukunft aus? 1 Einführung Das Fach DaF hat in den USA eine lange und erfolgreiche Geschichte hinter sich. Die meisten Colleges und Universitäten in den USA bieten Deutsch als Hauptfach oder Nebenfach an und in 25 Bundesstaaten gibt es mindestens ein, wenn nicht zwei Graduiertenprogramme in Deutsch an den öffentlichen und privaten Universitäten. Im Jahre 2011 wurden fast 600 Institutionen in den USA identifiziert, die Deutsch als Nebenfach oder sogar Hauptfach anbieten1. Die Liste identifiziert auch 50 PhD-Programme, wobei man bemerken muss, dass mindestens zwei Universitäten – die University of Buffalo in New York und die University of Iowa keinen PhD mehr anbieten. In der Disziplin Fremdsprachenpädagogik sind Deutschprofessoren in den USA unter den führenden Namen. Im pädagogischen Bereich stammen viele innovative curriculare Vorschläge aus dem deutschen Kontext. In den Schulen sind die Deutschlehrer unter den motiviertesten Lehrern und Lehrerinnen und bieten regelmäßig Austauschprogramme für Schüler an. Allerdings haben sich in den letzten Jahren Anzeichen bemerkbar gemacht, dass dieser Trend nicht weiter anhält. Rezensionen von neuen Deutsch-Lehrwerken erscheinen kaum noch in The Modern Language Journal. Die Unterrichtspraxis/Teaching German veröffentlicht noch Rezensionen zu neuen Lehrwerken, aber die Mehrzahl dieser (neuen) Bücher stammt von deutschen Verlagen. Die US-Verlage bringen immer weniger neue Lehrwerke auf den Markt. Stattdessen machen die Verlage Platz für andere Sprachen, wie Arabisch, Chinesisch, Koreanisch, Hindi und Japanisch. In der Bevölkerung herrscht zudem die starke Einstellung, dass die ganze Welt ohnehin Englisch spreche. Diese Situation bietet den Hintergrund für die folgenden Ausführungen.

|| Anmerkung: Für das sorgfältige Durchlesen des Manuskripts bin ich Christian Olias sehr dankbar. || 1 www.germanistik.net || Thomas A. Lovik, Michigan State University, East Lansing, USA, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-054

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2 Der Hintergrund Wie ich 2015 auf dem IVG-Kongress in Shanghai in einer Präsentation zum Ausdruck gebracht habe, scheint das Fach DaF in den USA dauerhaft in der Krise zu sein (Lovik 2017). Man muss das aber im größeren Kontext der Fremdsprachen und der Humanities überhaupt in den USA verstehen (Bigelow 2017). An den Universitäten und Colleges der USA spielen wirtschaftliche Faktoren eine wesentliche Rolle und Fremdsprachenabteilungen im Allgemeinen müssen sich intensiv damit auseinandersetzen (Miñana 2017). Zwei wesentliche Faktoren beeinflussen die Diskussionen um Humanities und Fremdsprachen in den USA: die Wirtschaftskrise im Jahre 2008 hat viele Institutionen stark erschüttert und die hohen Kosten eines Studiums in den USA haben Studierende und ihre Familien mit enormen Schulden belastet. Diese Last betrug im Juli 2017 $1,7 Billionen (Dorfman 2017). Für nicht aus den USA stammende Eltern und Studierende ist das eine unvorstellbare Summe. In diesem Kontext müssen sich alle US-Fremdsprachenprogramme regelmäßig und intensiv rechtfertigen. Oft ist das Resultat die Auflösung von Programmen, die sich in den Augen der universitären Administration nicht mehr rentieren. Fast jedes Jahr liest man von Deutschprogrammen in den USA, die die vollständige oder zumindest partielle Auflösung ihres Programms hinnehmen müssen. Im Jahre 2015 hat sich z. B. die Rider University, eine private Liberal ArtsUniversität in Lawrence, New Jersey, aus finanziellen Gründen dazu entschieden, 13 Hauptfächer zu streichen, unter anderem Amerikanistik, Business Education, Französisch, Kunst und Kunstgeschichte, Philosophie und eben auch Deutsch (Clark 2018). Im März 2018 erschien ein Bericht, dass ein Satellitencampus der University of Wisconsin in Stevens Point ebenfalls 13 Hauptfächer streichen will (Koss 2018). Englisch, Französisch, Geschichte und Deutsch stehen hierbei auf der Liste. Leider kommt es immer öfter vor, dass insbesondere das Fach Deutsch in solchen Situationen in der Diskussion steht. Ob diese Auslese für das Weiterleben von DaF und German Studies in den USA gesund ist, bleibt noch offen.

3 Statistiken Die Zahl der Deutschlernenden in den USA scheint immer etwas ungenau zu sein. Lovik (2017: 130) zitiert Daten der Modern Language Association (MLA) für Universitäten und Colleges und des American Council on the Teaching of Foreign

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Languages (ACTFL) für Schulen. Für das Jahre 2013 gibt die MLA 86.700 Deutschlernende an Universitäten und Colleges an. Im Schuljahr 2007-2008 identifizierte ACTFL 395.019 Lernende in den Schulen. Im Juni 2017 erschien eine neue Datenerhebung der Schülerzahlen der American Councils for International Education. Diese Untersuchung wurde im Auftrag von ACTFL, der MLA und dem Center for Applied Linguistics unternommen. Ein Grund für die neue Untersuchung war die strategische Planung des US Flagship Language Programs von dem National Security Education Program vom US Department of Defense. Das 1991 verabschiedete Gesetz The David L. Boren National Security Education Act hat den Verteidigungsminister beauftragt, Studierende finanziell zu unterstützen, die bestimmte wichtige Sprachen (critical languages) und Regionen der Welt studieren wollten. Deutsch, Französisch und Spanisch zählten nicht zu diesen Sprachen. Auf der anderen Seite umfasst der Begriff 65 andere critical languages oder Sprachgruppen wie zum Beispiel Arabisch, Hebräisch, Japanisch, Koreanisch, Mandarin, Persisch, Portugiesisch, Swahili, Türkisch, Urdu und viele mehr. Die Ergebnisse zeigen u.a., dass nur 20% aller Schüler eine Fremdsprache lernen und dass nur 11 von 50 Bundesstaaten das Erlernen einer Fremdsprache verlangen.

3.1 Schülerzahlen Die im Jahre 2017 veröffentlichten Zahlen stammen aus dem Schuljahr 2014-2015 und zeigen 330.898 Deutsch lernende Schüler, also einen Verlust von 64.121 Lernenden oder 16,2%. Sofern die Zahlen stimmen, ist das ein alarmierendes Signal. Man muss jedoch, glaube ich, diese Zahlen mit Vorsicht genießen, denn es scheint hohe Diskrepanzen zu geben. Um nur ein Beispiel zu nennen – die 2017 durchgeführte Untersuchung gibt 30.024 Deutsch-Schüler in Michigan an, nach der ACTFL-Statistik von 2007–2008 waren es aber nur 18.260. Das heißt, die Datenerhebung vom Jahre 2017 zeichnet einen Zuwachs von 11.764 oder 64,4% in zehn Jahren. Dass man im Bundesstaat Michigan solche erfolgreichen Deutschprogramme hat, wäre ein Grund zum Jubeln, sofern diese Angaben korrekt sind; allerdings ist dieser Zuwachs sehr zweifelhaft. Leider wurde meine Frage an die Autoren bezüglich dieser Diskrepanz nicht beantwortet.

3.2 Studentenzahlen Die neueste Datenerhebung der MLA im März 2018 zur Zahl der Deutschlernenden auf College- und Universitätsebene ergibt eine ähnlich düstere Situation

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(Wyllie 2018). Vom Herbst 2013 bis Herbst 2016 ist die Zahl der Deutschlernenden auf nationaler Ebene an Colleges und Universitäten von 86.782 auf 80.594 gesunken, also ein Verlust von 7,1%. Das einzig Positive daran ist die relativierende Tatsache, dass Deutsch in dieser Entwicklung nicht alleine steht und die Zahl aller Fremdsprachen einen Verlust um 9,2% gezeigt hat. Auf Bundesstaatsebene sieht es insbesondere in Michigan noch besorgniserregender aus. Hier erlebte man sogar einen Verlust von 4.008 auf 3.503, also 12,5%. Der Grund, warum der Vergleich mit Michigan wichtig ist, liegt in der Tatsache begründet, dass Michigan und einige andere Bundesstaaten wie z. B. Indiana, Illinois, Minnesota, Ohio und Wisconsin mit traditionell hohen Einschreibezahlen für Deutsch alle im Mittleren Westen der USA liegen, wo der Einwandererzufluss aus Deutschland im 19. Jahrhundert sehr stark war, was zu einem verhältnismäßig überdurchschnittlichen Interesse an der deutschen Sprache geführt hatte (Louden & Lovik 2008). Der Einfluss der Einwanderung aus Deutschland im 19. Jahrhundert wird auch durch die Zahl der PhD-Programme im Mittleren Westen reflektiert, wo 16 der 50 PhD-Programme in den USA (32%) zuhause sind. Von den restlichen sind sieben in Kalifornien und vier im Bundestaat New York.

4 Krise oder Erfolg? Das Beispiel meiner Universität möchte ich als Beispiel für das nötige Umdenken im Fach German Studies und damit auch für das Fach DaF in den USA bieten. Im Jahre 2004 etwa musste meine Universität wegen fallender Einschreibezahlen und auf Druck von Einsparmaßnahmen der Institution ein Moratorium im PhDProgramm akzeptieren, bevor wir 2012 das PhD-Programm als ein Kompaktprogramm mit Betonung auf Digital Humanities neu gestalten und wiederbeleben durften.2 Um das Moratorium aufzuheben, mussten wir im Antrag an die Institution beweisen, dass wir klare Zielsetzungen identifizieren und ein neues, kohärentes Studium anbieten konnten, das sowohl den finanziellen Anforderungen der Institution entspricht als auch die Bedürfnisse einer neu identifizierten Zielgruppe mit neuen Berufszielen befriedigen würde. Im neu konzipierten Programm werden das Konzept der traditionellen Dissertation auf alternative Erscheinungsfor-

|| 2 http://linglang.msu.edu/degree-programs/german/graduate-studies/

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men, z. B. Dokumentarfilmproduktion mit Begleitanalyse wie im Falle einer unserer jüngsten Absolventinnen, erweitert und die Finanzierung des Studiums auf das ganze Jahr erweitert, anstatt wie bisher üblich, nur auf die neun Monate des Lehrauftrags zu beschränken. Ein Portfolio mit kritischen Aufsätzen und einem wissenschaftlichen Artikel mit Publikationspotenzial wird fortan erwartet. Die mündliche Prüfung besteht aus einer Besprechung des Portfolios. Damit hoffen wir, die Vorbereitung des Portfolios neben den Kursen während des ganzen Studiums zu ermöglichen, um den Stress einer großen Prüfung am Ende des Studiums zu reduzieren und dadurch das ganze Studium zu beschleunigen. Um die Doktoranden der Zukunft weiterhin adäquat auszubilden, haben wir Erfahrungsund Ausbildungsmöglichkeiten unter dem Begriff Job Shadowing (Hospitation) eingeführt. Dies ermöglicht den Studierenden Einblicke in die Kursplanung fortgeschrittener Kurse wie auch die Betreuung von Auslandsprogrammen. Das Ganze konnten wir durch kreative interne Finanzierungsmöglichkeiten der Institution wie auch durch externe Drittmittel ermöglichen, insbesondere dank der Unterstützung durch die Max-Kade-Stiftung.3 Auf Master-Ebene wurde das Konzept „Projekt“ eingeführt, um den Absolventen eine dritte Möglichkeit zur traditionellen Prüfung oder Abschlussarbeit anzubieten und hierdurch eine praktische Umsetzung ihres Studiuminteresses zu ermöglichen. Dies hat unmittelbar dazu geführt, die Master-Studierenden für eine breite Auswahl an Berufsmöglichkeiten vorzubereiten. Dieselbe Idee der praktischen Umsetzung bestimmt auch die Ausbildung der Doktoranden, die immer öfter Stellen an Museen, in NGOs und in Unterstützungsrollen von Universitäten und Colleges finden. Auf diese Weise konnten wir nicht nur unser PhD-Programm beibehalten, sondern auch dem Fach und den Kollegen in anderen Sprachprogrammen neue Impulse setzen und Grund zur Hoffnung geben (siehe auch Eigler & Ryshina-Pankova 2016).

5 Programminnovationen auf College Ebene Solche Programminnovationen auf der Graduate-Ebene reflektieren die Impulse, die durch einen von der MLA im Jahre 2007 erschienenen Bericht4 identifiziert wurden. Dieser Bericht hat die crisis damals schon erkannt und dazu aufgefordert, das traditionelle zweiteilige Curriculum von zuerst erfolgendem Spracherwerb und anschließenden literaturwissenschaftlichen Kursen aufzugeben und

|| 3 http://maxkadefoundation.org/ 4 MLA Ad Hoc Committee on Foreign Languages 2007.

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das Ziel translingual and transcultural competence auf der Undergraduate-Ebene zu fördern. Eine kritische Vorleistung zur Einführung solcher Konzepte auf der College-Ebene hat der Bericht in der Ausbildung der nächsten Generation von Professoren identifiziert, was zur Umgestaltung des Graduiertenprogramms wie bei uns geführt hat. Kollegen vom Fach German Studies haben nicht nur eine entscheidende Rolle in dieser allgemeinen Diskussion zur Situation von Fremdsprachenausbildung gespielt, einige haben auch die Initiative ergriffen, um Innovationen im Undergraduate-Curriculum zu finden, denn anders als im Fall von Spanisch muss man im Deutschprogramm ständig um Lernende, d.h. um Einschreibezahlen kämpfen. Ganz konkret heißt das, dass die Deutschprofessoren und –lehrer in den USA zur Kooperation aufgefordert sind, um innovativ und den anderen Fremdsprachenkollegen einen Schritt voraus zu bleiben, damit das Fach German Studies aufrechterhalten wird. Das Positive daran ist, dass es curriculare Modelle gibt, die versuchen, im 21. Jahrhundert den aktuellen Stand des Interesses an Deutsch zu reflektieren. Zwei Modelle, die hier kurz beschrieben werden, stammen aus Deutschprogrammen, haben aber wichtige Reduplikationsmöglichkeiten für andere Sprachen und Sprachprogramme. Dazu werden zwei längere Traditionen beschrieben, die German Studies am Leben erhalten haben.

5.1 Das Georgetown-Modell In den USA und hauptsächlich in Deutschprogrammen findet das sogenannte Georgetown Model eine Anwendung. Curriculare Varianten davon existieren auch unter dem Namen literacy-based approach. Die Hauptarchitektin des Programms ist Adelheid Byrnes, emeritierte Professorin an der Georgetown University. Ihre Studierenden und Kollegen haben die Idee weitergetragen und über die theoretischen und praktischen Ideen hinter dem Modell mehrere wissenschaftliche Publikationen verfasst. Eine vollständige Beschreibung des Modells ist 2010 erschienen (Byrnes, Maxim & Norris 2010). Weitere Beschreibungen und Ausführungen des Konzeptes präsentieren hilfreiche Unterrichtsanwendungen und -vorschläge (Maxim 2006, 2009; Maxim et al. 2013). Seit der Verbreitung dieses Ansatzes Ende der 90er Jahre hat es eine Reihe von Publikationen und Neuinterpretationen gegeben, die Namen wie literacy approach und multiliteracies framework tragen (Paesani 2016). Was alle diese Modelle gemeinsam haben, ist der Versuch, Form und Funktion der Sprache, reflektiert am Beispiel von Texten bzw. Texttypen, zu verbinden und diese Vorgehensweise vom ersten Sprachkurs an bis zum letzten fortgeschrittenen Kurs im Undergraduate-Curriculum in den Vordergrund zu stellen. Das Ziel des Ansatzes ist, die

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Lernenden mit den pragmatischen und kulturbedingten Aspekten der Sprachverwendung vertraut zu machen. Dadurch erhoffen sich die Georgetown Model-Vertreter, dem Sprachprogramm intellektuelle Stärke zu verleihen, um Sprachen im größeren Kontext der Diskussion um das Weiterbestehen der humanities wie auch der größeren universitären Ausbildungsverantwortung zu rechtfertigen. Im Georgetown-Modell setzt man diese Vorgehensweise ab dem ersten Sprachkurs ein und führt es im weiteren Curriculum fort. Dies setzt notwendigerweise eine vollständige Umstrukturierung der Kursangebote voraus, etwas, was zuweilen mit ideologischen Schwierigkeiten auf Fakultätsebene verbunden ist. Dieses Modell betont die Entwicklung der Sprachkompetenzen und zwar auf der fortgeschrittenen Ebene und beruht eher auf der Basis der Literatur- bzw. Sprachwissenschaft. In diesem Ansatz geht es vor allem darum, das Konzept genre oder – wie man in der Sprachwissenschaft sagt – Texttyp zu betonen. Im Georgetown Model wird das Studium der Literatur angeblich nicht mehr privilegiert. Das hat vermutlich nicht alle Betroffenen erfreut. In diesem Modell spielen literarische Texte neben entsprechenden Funktionstexten die Rolle eines Musters. Wie Paesani schreibt, kann die Forschung in der angewandten Linguistik den Ausgangspunkt zur Operationalisierung des Konzepts Literatur für curriculare und pädagogische Überlegungen spielen (Paesani 2016: 41). Texttypen spielen in diesem Modell eine entscheidende Rolle und umfassen Typen, die oft nicht das gleiche Prestige genießen wie literarische Texte. Für angewandte Linguisten ist das kein Grund zur Sorge, aber für Literaturwissenschaftler bedeutet das oft eine existentielle Entscheidung. In diesem Modell (multiliteracies framework) sollte der Unterricht in der Literatur die Entwicklung von Sprachfähigkeiten und kulturellen Empfindlichkeiten simultan fördern. (Paesani 2016: 42). An anderer Stelle hat Benjamin Rifkin die Motivation der Lernenden so formuliert: „Students interested in language and culture may not be enrolled in our classes exclusively to read and interpret the canonical texts that have become the focus of undergraduate curricula; rather, they may be more interested in using the target language to understand the history, politics, society, or economy of the target culture.“ (Rifkin 2012: 71). Ein Ziel des Modells ist die Vielfältigkeit der Sprachverwendung in verschiedenen Disziplinen zu verstehen und dadurch Schlüsse auf die dahinterstehende Kultur zu ziehen. Unter diesem Ansatz nimmt man nicht nur das traditionelle Literaturstudium unter die Lupe. Auch dem kommunikativen Ansatz des Sprachunterrichts wird vorgeworfen, dass dem Mündlichen die Lese- und Analysekompetenz zum Opfer fällt. Dem literacy approach zufolge hat man im kommunikativen Klassenzimmer eine zentrale Aufgabe der humanities, nämlich die intellektuelle Entwicklung der Studierenden vernachlässigt. Mit diesem neuen Ansatz will man schließlich das

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Studium von Sprache und deren Anwendung und kritische Analyse in Texten unmittelbar in den Mittelpunkt stellen. Zentrale Ideen des Georgetown- oder literacy-Modells sind in erster Linie der Text und dann auch die Entwicklung der Kompetenz mit Texten kritisch umgehen zu können, was allgemein unter dem Begriff literacy verstanden wird. Die konsequente Entwicklung dieser Kompetenz erlaubt es im besten Falle, die starke Trennung im US-universitären Kontext zwischen Grundkursen in der Sprache und höheren Kursen im Fach zu überbrücken. Natürlich sind die Anforderungen an das Lehrpersonal dementsprechend hoch. Ein praktisches Problem, das man durch Umtrainieren bewältigen muss, ist, dass die Anfängerkurse oft von Lehrassistenten, die höheren Literatur- und Kulturkurse hingegen von Dozenten und Professoren unterrichtet werden. Beide Gruppen müssen umtrainiert werden, wenn man das Modell effektiv einsetzen will. Inhaltlich muss man als Lehrpersonal die Texte aus drei verschiedenen Dimensionen verstehen – einer linguistischen, einer soziokulturellen und einer kognitiven Dimension, damit ein kohärentes Sprachanwendungsbild präsentiert werden kann (Paesani 2016: 44). Das alles erfordert linguistisches und kulturelles Wissen, und auch Lebenserfahrung vom Lehrpersonal, wie auch die Fähigkeit, kognitive Prozesse zu verstehen, wie z. B. die Verwendung der Sprache im Kontext, kritisches Denken, problemlösende Fähigkeiten, die entsprechende Reflektions- und schließlich die Interpretationskompetenz (Kern 2000). In diesem Modell wird die Sprache dynamisch, motivierend, zielorientiert verstanden und die Texte reflektieren diese Charakteristika. Die Lernenden zum Internalisieren dieser Faktoren zu bewegen, ist keine leichte Aufgabe, weder für das Lehrpersonal noch für die Lernenden. Programmbeschreibungen, die diese Verbindung zwischen linguistischer und textueller Form und Funktion versucht haben, sind vorhanden. Während die Befürworter vom Erfolg des Modells überzeugt sind, bleibt noch einiges an Arbeit, damit die Idee weite Verbreitung findet.

5.2 German for Engineering Eine andere erfolgreiche curriculare Innovation – erfolgreich im Sinne von höheren Einschreibezahlen – ist der Versuch, das Deutschstudium mit dem Fach Ingenieurwesen zu kombinieren. Diese Idee stammt von der University of Rhode Island. Dieses Modell versucht, Studierende außerhalb der traditionellen Fächer der humanities für Deutsch zu interessieren, indem diese Deutsch und Ingenieur-

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wesen an der University of Rhode Island in einem fünfjährigen Programm studieren. Offiziell fungiert es unter dem Titel International Engineering Program (IEP)5 und bietet den Studierenden zwei Hochschulabschlüsse an – einen Bachelor of Science in Ingenieurwesen und einen Bachelor of Arts in der Fremdsprache. Gründer des Programms mit Fokus auf Deutsch war im Jahre 1987 der emeritierte Professor John Grandin, ein recycled Literaturwissenschaftler, der früh in seiner Karriere das Potenzial dieses Vorhabens erkannt hatte. Seine vielfältigen Publikationen über das Programm (Grandin 2011, 2013) beschreiben die Entwicklung, die Erwartungen und die Auswirkung des Programms für Studierende. Heute können Studierende ihre Kenntnisse in Chinesisch, Französisch, Italienisch, Spanisch oder auch Japanisch mit Ingenieurwesen kombinieren. Die gegenwärtige Direktorin des IEP ist Dr. Sigrid Berka – auch eine Literaturwissenschaftlerin. In einer Festschrift für Professor Grandin betonen sie und die anderen Autoren die Rolle, die Fremdsprachkenntnisse in Kombination mit Ingenieurwesen spielen können. (Berka & Groll 2013). Das fünfjährige Programm für Deutsch kombiniert Sprachkurse mit Betonung auf angewandte technische Themen und Sprachentwicklung mit Kursen im jeweiligen Ingenieurwesenfach wie auch ein Auslandsstudium an der Technischen Universität Braunschweig. In ihrem Beitrag beschreibt Berka die Erweiterung des Programms als Dual Program für graduate students (Berka 2013).

5.3 Sprache/Deutsch für den Beruf Eine längere Geschichte hat das Fach Deutsch für den Beruf in den USA. Dies resultiert aus den starken Investitionen deutscher Firmen in den USA, wie z. B. Daimler-Benz, Volkswagen und BMW, gefolgt von einer langen Liste von deutschen Zuliefererfirmen. Michigan, als früher Hauptstandort der Autoproduktion, profitierte natürlich sehr davon. Inzwischen hat sich die deutsche Autoindustrie immer mehr nach Süden verlagert, wie z. B. nach South Carolina (BMW), Alabama (Daimler Benz) und Tennessee (Volkswagen). Darum spielt das Fach Wirtschaftsdeutsch eine wachsende Rolle in Sprachprogrammen an der Clemson University in South Carolina und an der Auburn University in Alabama. Interessanterweise ist das Studium einer Wirtschaftssprache in Französisch und Spanisch nicht so robust, während Chinesisch für den Beruf allmählich in den Fokus rückt. Sogar hier kann das Erlernen der deutschen Sprache in Verbindung mit Ingenieurwesen oder Wirtschaft einen Beitrag zur humanities-Diskussion leisten.

|| 5 http://web.uri.edu/iep/

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Sprachwissenschaftlicher akzeptieren die enge Verbindung zwischen Sprache und Kultur. In anderen Disziplinen, wie z. B. Betriebswirtschaftslehre, reduziert man den Umgang mit anderen Menschen schlechthin auf kulturelles Wissen bzw. kulturelle Missverständnisse. In der Fremdsprachpädagogik versteht man im Unterschied dazu, dass es ohne sprachliche Kompetenz keine vollständige kulturelle Kompetenz geben kann. Nur mit einer fortgeschrittenen Kompetenz in der Zielsprache ist man völlig in der Lage, kulturelle Missverständnisse zu vermeiden. Nur das vollständige Verstehen dieser Kulturaspekte gewährleistet einen Erfolg in der Geschäftswelt. Das Problem mit dieser Reduktion auf Kultur ohne Sprache ist, dass die Sprachprogramme an den Universitäten und Colleges nicht immer mit der praktischen Aufgabe konform gehen. Umgekehrt ist Spracherwerb eine langfristige Aufgabe, die Zeit und Geld kostet, und diese beiden Voraussetzungen sind nicht immer an US-Institutionen in ausreichender Menge vorhanden. An meiner Universität bietet man seit über 35 Jahren einen Kurs in Wirtschaftsdeutsch an, der regelmäßig das Interesse von Studierenden aus Logistik, Finanzwissenschaften, Verpackungstechnik und Marketing weckt. Allerdings haben auch wir in den letzten Jahren einen gewissen Rückgang in den Einschreibungen feststellen müssen, vermutlich weil die Hauptfächer dieser Studierenden immer höhere Anforderungen und Pflichtkurse verlangen, die dann weniger Freiräume für die Studierenden eröffnen. Egal was diese Deutschprogramme dazu motiviert, Kurse in Wirtschaftsdeutsch anzubieten, das Resultat sind relativ gesunde Einschreibezahlen in den Deutschkursen und eine wichtige Brücke vom Deutschprogramm zu anderen Disziplinen außerhalb der traditionellen humanities. Um das Interesse für Deutsch im Beruf zu gewinnen, versucht man durch die Lehrwerke im Anfängerunterricht Themen und Aktivitäten zu bieten, die einen Einblick in die praktische Anwendung der Sprache im späteren Beruf ermöglichen (siehe „Deutsch im Beruf“, Lovik, Guy & Chavez 2017: 119). Scheffer (2017) ihrerseits stellt ein curriculares Modell vor, dass bereits im Anfängerunterricht die praxisnahe Anwendung von Sprache mit Bezug auf Business betont. Ein Fokus auf die praktische Anwendung von Sprache im Beruf ist nicht verkehrt, aber leider ist diese Fähigkeit in der US-Bevölkerung nicht hoch angesehen (Damari et al. 2017). In ihrem Artikel haben die Autoren den Zusammenhang zwischen den Bedürfnissen des Marktes und den (fehlenden) Sprachkompetenzen von Studienabgängern untersucht und daraufhin Empfehlungen für Universitätsprogramme geliefert. Damari et al. (2017) referieren über eine im Jahre 2014 durchgeführte Untersuchung, die 2.100 US-Firmen nach ihren Erwartungen an multilinguale Bewerber befragt hat. Das Resultat zeigt eine hohe Kluft zwischen dem, was die Firmen sich in Bezug auf Sprachkompetenz wünschen, und das,

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was in der Realität passiert. Während 93% der Befragten der Kooperationskompetenz mit internationalen Kunden einen hohen Wert beimaßen, identifizierten nur 66% der Befragten Fremdsprachenkenntnisse im Vorstellungsgespräch und nur 41% gaben multilingualen Bewerbern den Vorteil. Nur 10% der Befragten sahen die Fähigkeit einer zweiten Sprache neben Englisch als Notwendigkeit. Das heißt, dass man im Fach Business noch nicht vollständig erkannt hat, dass Sprache ein wesentlicher Bestandteil zur Definition von Cultural Awareness ist.

6 Study Abroad Der letzte wesentliche Beitrag, den die US-Deutschprogramme zum Spracherwerb der US-Studierenden zu bieten haben, ist die lange Tradition von Auslandsprogrammen. Während heutzutage alle Colleges und Universitäten in den USA ihre Auslandsprogramme als wesentlichen Bestandteil ihres Marketingkonzepts für neue Studierende erwähnen, gehören einige Deutschprogramme zu den ältesten Auslandsprogrammen überhaupt. Das Junior Year Abroad-Programm der Wayne State University in München ist zum Beispiel über 75 Jahre alt (Ferguson 2007). Fast jede öffentliche Universität der USA verfügt über ein Auslandsprogramm in einer deutschen Universitätsstadt (Indiana University – Hamburg; University of California – Göttingen; University of Wisconsin, Michigan, Michigan State University – Freiburg; Duke University und Stanford University – Berlin). Zweifelslos spielt ein Aufenthalt in einem deutschsprachigen Land eine wichtige Rolle für US-Programme, die die deutsche Sprache fördern wollen. Nach der neuesten Statistik aber bleibt die Zahl der US-Studierenden, die in Deutschland, Österreich oder der Schweiz studieren, sehr stabil, wenn auch immer noch relativ niedrig. Obwohl man unter Präsident Obama sehr viel Druck auf eine Erhöhung der Zahl von US-Studierenden mit dem Ziel eines Auslandsstudiums geübt hat, sind die Ergebnisse bislang immer noch enttäuschend. Die Untersuchung Open Doors 2017 von dem Institute of International Education6 berichtet allerdings im Kontext des akademischen Jahres 2015/2016, dass die Zahl der Studierenden, die im Ausland studiert haben, um 3,8% auf 325.339 gestiegen sei. Mit anderen Worten: in den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Studierenden, die im Ausland studiert haben, verdreifacht. Während die absolute Zahl der Auslandsstudierenden die höchste jemals zu verzeichnende ist, bleibt daneben die

|| 6 www.iie.org

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Tatsache bestehen, dass im prozentualen Vergleich nur 10% aller US-Studierenden den Weg an eine ausländische Universität finden. Wo diese jungen Leute studieren, ist noch frappierender. Europa bleibt immer noch der meistbesuchte Kontinent und Großbritannien das beliebteste Land unter den amerikanischen Studierenden. Danach folgen Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland. Positiv ist, dass Deutschland um 8,1% als Zielland gestiegen ist. Hier bleibt auch noch viel Arbeit und die Kosten eines US-Studiums hindern sehr die Optionen für viele Studierende, die neben dem Studium arbeiten müssen. Hier hat uns die Max-Kade-Stiftung mit Stipendien für Deutschstudierende sehr geholfen, so dass wir im Sommer 2018 $16.800 an Studierende des Auslandsprogramms verteilen konnten.

7 ACTFL v. CEFR Ein wesentlicher Diskussionspunkt zwischen Fremdsprachenpädagogen in den USA und in Europa ist, wie man über Kompetenzen der Lernenden sprechen soll. Das vorherrschende Modell in den USA stammt vom American Council on the Teaching of Foreign Languages und heißt Oral Proficiency Guidelines. Diese Leitlinien stammen ursprünglich vom US Foreign Service Institute und beinhalten fünf Stufen der mündlichen Sprachkompetenz – Novice, Intermediate, Advanced, Superior und Distinguished. In Europa auf der anderen Seite ist die Rede eher vom europäischen Referenzrahmen CEFR (Tschirner 2005, 2012). Das sind zwei unterschiedliche Traditionen mit zwei verschiedenen Gesichtspunkten. Um diese beiden Denkweisen zu überbrücken, muss man in den USA, wo man hauptsächlich mit den Leitlinien von ACTFL vertraut ist, auch die wesentlichen Elemente von CEFR bekannt machen, damit wir uns auf beiden Seiten der Welt verständigen können. Erwin Tschirner, der beide Kontexte – den US-Kontext und den deutschen bzw. internationalen Kontext von DaF/DaZ gut kennt, hat schon früh die Initiative ergriffen, um die beiden Systeme zueinander zu führen. Vermutlich stammt die vom ACTFL herausgegebene Erklärung zum Vergleich der beiden Systeme von Tschirner und Bärenfänger, obwohl das nicht offiziell angegeben wird. In diesem Dokument werden folgende Äquivalenzen wie in Tabelle 1 angegeben:

Deutsch als Fremdsprache in den USA: Wie sieht die Zukunft aus? | 881

Tab. 1: One-Directional Alignment ACTFL-CEFR (www.actfl.org)

Produktive Fertigkeiten

Europäischer Refe-

Rezeptive Fertigkeiten

Europäischer Referenz--

ACTFL Hör- und Lesetests

renzrahmen (CEFR)

ACTFL Sprech- und

rahmen (CEFR)

Schreibtests

Distinguished

C2

Superior

C1.2

Superior

C2

Advanced High

C1.1

Advanced High

C1

Advanced Mid

B2

Advanced Mid

B2.2

Advanced Low

B1.2

Advanced Low

B2.1

Intermediate High

B1.1

Intermediate High

B1.2

Intermediate Mid

A2

Intermediate Mid

B1.1

Intermediate Low

A1.2

Intermediate Low

A2

Novice High

A1.1

Novice High

A1

Novice Mid

0

Novice Mid

0

Novice Low

0

Novice Low

0

0

0

0

0

Die Stufe Advanced Low wird allgemein aus pädagogischen Gründen als das Ziel der Sprechkompetenz von Studienabgängern an US Colleges und Universitäten angestrebt. Im Bundesstaat Michigan wie in vielen anderen Bundesstaaten müssen Lehramtskandidaten in den Fächern Deutsch, Französisch und Spanisch Advanced Low nachweisen (Standards for the Preparation of Teachers of World Languages 2015). In anderen nicht-europäischen Sprachen muss man oft nur Intermediate High als Sprechkompetenz nachweisen. In der Tat ist es äußerst schwierig, diese Kompetenz in vier Jahren an einer Hochschule zu erreichen. Ältere Untersuchungen haben das gezeigt und die Ergebnisse sind seitdem nicht wesentlich positiver (Magnan 1998; Tschirner & Heilenman 1998). Studierende, die vier Jahre lang Deutsch an einer Universität studieren, ohne eine längere Zeit im Ausland verbracht zu haben, haben kaum eine Chance, diese Grenze zu überschreiten. Darum ist es wichtig, dass immer mehr Studierende Zeit in der entsprechenden Kultur verbringen. Bisher nicht veröffentlichte Ergebnisse der Sprechkompetenz von Studienabgängern vom Jahre 2016 an meiner Universität zeigen, dass beim Mündlichen 5 von 13 Personen (38,46%) die Stufe Advanced Low oder Advanced Mid erreicht haben. Das ist eine relativ kleine Gruppe und muss mit Vorsicht interpretiert werden. Allerdings zeigt es, dass das Ziel Advanced Low im Sprechen im 4-Jahres-Curriculum nicht unrealistisch ist. Auf der anderen Seite

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ist es klar, dass noch viel Arbeit getan werden muss, sofern wir alle Studierende bis dahin bringen möchten.

8 Das MSU-Modell Obwohl die Prüfungsergebnisse meiner Universität nicht überzeugend sind, behaupten wir trotzdem, dass unser Programm und unser Curriculum Erfolg haben. Lovik (2017) gibt Statistiken zu den Einschreibzahlen in Deutschkursen von acht Deutschprogrammen im Mittleren Westen für die Jahre 2012, 2013 und 2014 an. Der neuesten Datenerhebung aus dem Jahre 2017 an den größeren Universitäten im Mittleren Westen zufolge ist an all jenen Universitäten eine leichte aber stetig abfallende Tendenz der Einschreibezahlen zu beobachten. Diese fallende Tendenz ist insbesondere an der MSU für das erste Jahr Deutsch bemerkenswert, in welchem wir im Herbstsemester 2017 nur 219 Einschreibungen hatten. Nach Gesprächen mit Studierenden führen wir diesen Verlust auf die hohen Kosten des Studiums, die steigenden Anforderungen anderer Hauptfächer und die Attraktivität von neueren Fremdsprachen, z. B. Arabisch und Chinesisch, zurück, die in den letzten Jahren immer stärker hervortreten. Positiv hervorzuheben sind jedoch die hohen Zahlen von Studenten in Kursen des dritten Jahres an der MSU, was eine gewisse Ausnahme im Vergleich zu anderen Universitätsprogrammen darstellt. Die Zahl der Studierenden mit Hauptfach Deutsch ist stabil geblieben. 2012 und 2014 waren es 45, während wir im Herbst 2017 57 Hauptfächler verzeichneten. Die Zahl der Studierenden mit einem Nebenfach in Deutsch ist im Vergleich dazu konstant gestiegen. 2012 betrug die Zahl der Nebenfächler 126. 2017 betrug sie 151. Das interpretieren wir als ein Zeichen dafür, dass diese Studierenden immer noch Deutsch als vorteilhaften Zusatz in Kombination mit ihrem Hauptfach sehen. Die Herausforderung an uns ist nicht nur, diese Interessengruppe zu behalten, sondern unser Lehrangebot den Bedingungen eines teuren Studiums anzupassen und die Interessen der Studenten angemessen zu reflektieren. In den letzten vier Jahren haben wir Gelder von der deutschen Botschaft in Washington, D.C. erhalten, um Rahmenprogramme mit Themen wie „25 Jahre Fall der Mauer“, „25 Jahre Deutsche Demokratie“, „Green Germany“ und berufliche Optionen mit Deutsch hervorzuheben. Die Resonanz dieser Aktivitäten war nicht nur unter Studierenden, sondern auch unter Eltern und Schülern sehr hoch.

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In der Zukunft haben wir wie viele andere Programme in den USA vor, nicht nur genügend Studierende anzulocken, sondern auch anspruchsvolle Kursthemen zu bieten und vertiefende Kenntnisse in der deutschen Kultur zu vermitteln. Momentan organisieren wir Kurse für das dritte Jahr mit Bezug zu aktuellen Themen wie Migration in Deutschland. Letztendlich hängt der Erfolg des Deutschprogramms aber von der effektiven Gestaltung des Unterrichts und dem motivierenden Einsatz des jeweiligen Lehrpersonals ab, woran wir sehr energisch arbeiten. Es sollte im Interesse aller Kollegen des Faches Deutsch liegen, unsere eigene Begeisterung für die deutsche Sprache und Kultur in den Herzen der jungen Lernenden zu entzünden. Möge diese Flamme dauerhaft brennen!

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Paulo Astor Soethe, Giovanna Lorena Ribeiro Chaves

Förderung der deutschen Sprache in Brasilien 1 Einleitung Die Einbeziehung von großen Teilen der Bevölkerung in die organisierte Gesellschaft durch Überwindung sozialer Ungleichheiten ist im Brasilien des neuen Jahrtausends ein wichtiger Faktor des kontinuierlich ansteigenden Interesses an Deutsch. Im Kontext sozialen Aufstiegs suchen Bürgerinnen und Bürger nach neuen Bildungsmöglichkeiten und Orientierungen für die eigene Identitäts-bildung und Sinnfindung im heutigen gesellschaftlichen Kontext. Leider destabilisiert im Moment und seit 2013 eine erneute gesellschaftliche Krise das Land. Nach dem eklatanten Scheitern der führenden politischen und ökono-mischen Schicht intensiviert sich seitdem – leider mit einem eher pessi-mistischen Blick – die Sorge und die Diskussion um Zukunftsperspektiven für die jüngere Generation. Die Ausrichtung einer kontinuierlichen Bildungspolitik, die sich vor Beginn der Krise ein Jahrzehnt lang entwickelt hatte und im neuen brasilianischen Bildungsplan Plano Nacional de Educação (PNE)1 herauskristallisierte, verändert sich seit einem unerwarteten, 2015 durch ein umstrittenes Amtsenthebungs-verfahren durchgesetzten Regierungswechsel. Am Ende des Jahres 2017 hat man im bildungspolitischen Bereich gravierende Entscheidungen gefällt. Die Veränderungen betreffen ganz zentral den Fremdsprachenunterricht: Das seit 1996 geltende Bundesgesetz und der Rahmenplan für den Schulunterricht (LDB, Lei de Diretrizes e Bases da Educação Nacional) sah in ihrem Art. 26, §5 vor, dass fürs Angebot von „Fremdsprachen“ – so hieß bis dahin das Pflichtfach in der Mittelund Oberstufe – jede Schulgemeinde die anzubietende(n) Sprache(n) selbst-ständig festzulegen hatte. Unter diesen Bedingungen war natürlich Englisch in der großen Mehrheit der Schulen die bei weitem am häufigsten angebotene Sprache. An zweiter Stelle kam Spanisch: Denn ab 2005 hatte wegen Verordnungen inner-

|| 1 Dem zehnjährigen PNE (2014-2024) kommt Gesetzeskraft zu. Vgl. Diário Oficial da União, Extrablatt vom 26.6.2014, 1–7. || Paulo Astor Soethe, Federal University of Paraná, Curitiba, Brasilien, [email protected] Giovanna Lorena Ribeiro Chaves, Federal University of Paraná, Curitiba, Brasilien, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-055

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halb des Mercosul das Dekret 11.161 die Sprache der Nachbarländer zum Pflichtangebot in der brasilianischen Oberstufe gemacht. Aber auch andere Fremdsprachen gehörten zum Lehrplan mehrerer Schulen, deren Gemeinden die gesetzlich gewährte Freiheit ausübten und aus eigener Initiative das Angebot von anderen selbst gewählten Fremdsprachen organisierten. Deutsch war vor allem in den Regionen Süd und Südwest des Landes stark präsent; wahrscheinlich war es im Land die dritthäufigste Fremdsprache im schulischen Bereich, genaue Daten darüber liegen leider nicht vor. Initiativen und Programme der Bundes- und Landesregierungen, auch Gemeinden und Bildungsanstalten im privaten Bereich förderten durch Maßnahmen zur Lehrerausbildung die Erweiterung des mehrsprachigen Angebots, die vor allem an Universitäten organisiert wurden und gerade durchgeführt werden. Diese bunter werdende Vielfalt des Fremdsprachenangebots in Brasilien ist aber zurzeit, wie angedeutet, stark gefährdet: Das genannte Schulgesetz LDB wurde im Februar 2017 bei einer Reform der Sekundarstufe radikal verändert, die Entscheidungsfreiheit der Schulgemeinden unauffällig und ohne die geringste Diskussion in der Öffentlichkeit aufgehoben. Artikel 26 §5 wurde schlicht und ergreifend gestrichen. Auch das Gesetz 11.161 gilt nicht mehr. So tritt immer deutlicher die Absicht der Bundesregierung zutage, das exklusive Angebot des Schulfachs „Englisch“ durchzusetzen – anstatt „Fremdsprachen“. Schon im Dezember 2017 wurde diesbezüglich ein weiterer Schritt vorgenommen: Der erwähnte Bildungsplan PNE hatte 2014 zum Zweck der Erweiterung eines flächendeckenden Bildungsangebots vorgesehen, dass in wenigen Jahren eine Nationale Gemeinsame Grundlage des Schulcurriculums (BNCC, Base Nacional Comum Curricular) verfasst und verabschiedet werden sollte. Im Sinne des damals geltenden Artikels 26 §5 im Schulgesetz hatte ab 2015 ein hochkarätiger Fachausschuss für die geplante BNCC das entsprechende Kapitel „Fremdsprachen“ verfasst. Zur Empörung der Betroffenen wurde es jedoch im Juni 2017 vom Bundesministerium durch ein neues, völlig anderes Kapitel mit dem Titel „Englisch“ ersetzt. Protestkundgebungen im ganzen Land konnten nicht verhindern, dass am 22. Dezember 2017 der Bundeserziehungsrat (CNE, Conselho Nacional de Educação) diese undemokratisch veränderte, selbstherrliche Fassung des Dokuments sanktionierte und das Bundesministerium sie sofort in Kraft treten ließ. Für Deutsch stellen diese Änderungen eine besondere Herausforderung dar. Denn von 2010 bis 2015 war die Anzahl der Deutschlerner in Brasilien trotz Lehrermangel von 95 Tausend auf über 135 Tausend gestiegen, 75% der Lerner sind heute Kinder und Jugendliche an regelmäßigen Schulen.2 Die einzige Chance der || 2 Vgl. Auswärtiges Amt (2015).

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Weiterentwicklung dieser günstigen Lage besteht gerade jetzt darin, dass die Bundesstaatsregierungen und Stadtverwaltungen in den jeweiligen örtlichen, relativ autonomen Regelungen der Nationalen Gemeinsamen Grundlage des Schulcurriculums sich explizit auf ein vielfaches Angebot im Fremdsprachenbereich beziehen. Alles in allem ist eine wachsende Nachfrage nach der deutschen Sprache auf der Schulebene deutlich vorhanden, und nicht nur dort kann man weiterhin feststellen, dass Deutsch in Brasilien eine anschlussfähige und beliebte Fremdsprache ist. Die Durchführbarkeit von neuen Programmen für die Ausbildung von Lehrkräften und die Erweiterung des Angebots von Deutsch auch an öffentlichen Schulen war in den letzten Jahren dabei, sich als realistisch und wünschenswert zu erweisen. Der vorliegende Beitrag möchte daher erläutern und verdeutlichen, wie und warum über die zwar momentan ungünstige politische Lage hinaus die Zukunftsperspektiven für Deutsch in Brasilien dennoch positiv bleiben und mit vielseitiger finanzieller Unterstützung erweitert und umgesetzt werden können.

2 Ausgangslage Historisch gesehen, genießt Deutsch in Brasilien einen hohen Stellenwert. Ein bedeutsamer Teil der brasilianischen Bevölkerung verwendete ab Mitte des 19. Jahrhunderts diese Sprache in ihrem privaten und gesellschaftlichen Alltag. Die Anzahl der Sprecher betrug auf ihrem Höhepunkt knapp eine Million Menschen. Im Jahre 1938 wurden aber durch ein diktatorisches, rechtspopulistisches Regime, den Estado Novo, alle Fremdsprachen radikal verboten. In der damaligen Nationalisierungspolitik ging es für den brasilianischen Staat vorwiegend darum, Presseorgane, Schulen, religiöse Gemeinden und Vereine aller Art kontrollieren zu können. Als nach langem Zögern Brasilien 1942 dem „Dritten Reich“ den Krieg erklärte, verschärfte sich das Verbot: Und unter dem Vorwand der an sich vollkommen richtigen und berechtigten Bekämpfung nationalsozialistischer Ideen und Tendenzen, die sich in der Tat in bestimmten Kreisen in deutsch besiedelten Regionen verbreiteten, unterdrückte jedoch die brasilianische Regierung den allgemeinen Gebrauch der deutschen Sprache, die nicht selten auch von demokratischen, sogar antifaschistischen Gruppen verwendet wurde. Die rechte brasilianische Diktatur brachte auch politisch neutrale, sogar fortschrittliche deutschsprachige Stimmen zum Schweigen, was zu einem allgemeinen, pauschalen Prestigeverlust des Deutschen führte. Die an sich schon verheerenden Folgen der nationalsozialistischen Barbarei in Europa für die deutsche Sprache und Kultur

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stärkte in Brasilien auch noch das eigene rechtskonservative, nationalistische Lager, das an der Macht war. Nichtsdestotrotz, und im Sinne einer vorausgehenden Tradition, die viel länger gewährt hatte, gewann vor allem ab Mitte der 1980er Jahren in den Familiengeschichten der heute circa 6 Mio. deutschstämmigen Brasilianer der Bezug zur deutschen Sprache wieder einen positiven Wert, der, von den politischen Ereignissen der 1930er Jahre weit entfernt, heutzutage ganz andere Assoziationen auslöst. (Soethe & Weininger 2009; Ammon 2015: 1037–1041) Wie im Falle anderer ethnisch-kulturell und sprachlich markierter sozialer Substrate (wie unter anderem das afrikanische und im europäischen Raum das italienische, das polnische, das jüdische oder das arabische) ragt im heutigen Brasilien, in willkommenen Zeiten der hohen Wertschätzung von Vielfalt und Diversität, auch das ursprünglich deutschsprachig-mitteleuropäische Substrat weit über die unmittelbar betroffene Bevölkerungsgruppe hinaus und trägt in der Gesellschaft maßgeblich dazu bei, dass deutsche Elemente auch als eigen-brasilianisch angesehen werden. Im bereits erwähnten Prozess des gesellschaftlichen Umbruchs in Brasilien und der damit verbundenen Suche nach Identität schenken neue Generationen ihre Aufmerksamkeit eher den demokratischen und ebenbürtig-vielfältigen Aspekten der Europäischen Union, und zwar in dem Bewusstsein, dass Deutschland dabei eine führende Rolle spielt. Die deutschen Wurzeln (nicht mehr bloß individuell oder familiengeschichtlich) sind daher ein positiv konnotiertes, unentbehrliches und wirksames Instrument für die Beteiligung von Brasilianern und Brasilianerinnen an Internationalisierungsprozessen im sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und akademischen Bereich. Hinsichtlich wirtschaftlicher Beziehungen ist Brasilien der wichtigste Partner Deutschlands in Lateinamerika. Mit der Internationalisierung deutscher Firmen in den 1960er und 1970er Jahren haben sich zahlreiche Unternehmen in São Paulo etabliert. Die brasilianische Metropole gilt als der größte deutsche Industriepark außerhalb Deutschlands (BDI 2015). Die circa 1.600 deutschen Unternehmen in Brasilien (in vielen Städten, nicht nur in São Paulo) machen heute 8 bis 10% des brasilianischen Industrie-BIPs aus. Deutschland ist Brasiliens erster Handelspartner in Europa und der viertgrößte Handelspartner weltweit (Itamaraty-DE 2018). 2017 beliefen sich die brasilianischen Exporte nach Deutschland auf 4,9 Milliarden und die Importe aus Deutschland nach Brasilien auf 9,2 Milliarden US-Dollar (MDIC 2018). Brasilien ist ebenso ein bedeutsamer Partner Österreichs, sein größter Wirtschaftspartner in Lateinamerika mit knapp der Hälfte des gesamten österreichischen Außenhandels in dieser Region. 2009 ist Brasilien zum viertgrößten Überseemarkt für österreichische Exporte aufgestiegen. Die politisch-kommerziellen

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Beziehungen zwischen beiden Ländern haben sich in den letzten zehn Jahren aufgrund mehrerer hochrangiger Besuche vertieft. Verschiedene Absprachen zwischen beiden Ländern wurden unterzeichnet in den Bereichen der Erziehung und Hochschulausbildung, der Wirtschaft sowie im kulturellen Bereich (Itamaraty-A 2018; Österreichische Botschaft Brasília 2018). Auch zu den anderen deutschsprachigen Ländern Europas unterhält Brasilien gute wirtschaftliche Beziehungen.3 Beziehungen im Bereich der Wissenschaft und Hochschulausbildung pflegen Deutschland und Brasilien seit den 1950er Jahren durch Fördermaßnahmen für Doktoranden und Dozenten. In den 1960er Jahren begann die systematische Wissenschaftskooperation: Der DAAD und der brasilianische Nationale Rat für Wissenschaftliche und Technologische Entwicklung (CNPq, Conselho Nacional de Desenvolvimento Tecnológico) schlossen ein Abkommen für den Wissenschaftleraustausch ab und 1985 trat ihm die Koordinierungsstelle zur Personenförderung im Hochschulwesen (CAPES, Coordenação de Aperfeiçoamento de Pessoal de Nível Superior) bei (Althoff 2010: 305–306). CAPES arbeitet seitdem mit dem DAAD intensiv zusammen. Beispielsweise unterstützt seit 1994 das bilaterale Programm PROBRAL gemeinsame Forschungsprojekte von brasilianischen und deutschen Hochschulen oder Forschungseinrichtungen. Bis 2014 wurden durch PROBRAL 426 Projekte aus vielen Wissenschaftsbereichen in Deutschland und Brasilien gefördert. In dem Zusammenhang wurden über 12 Mio. Euro auf deutscher Seite und eine entsprechende Gegenleistung seitens der brasilianischen Regierung investiert.4 Auch die Alexander von Humboldt-Stiftung schreibt seit 2012 für brasilianische BewerberInnen ausschließlich in Kooperation mit CAPES ihre Forschungsstipendien aus. Möglichkeiten eines Teilstudiums oder Forschungsaufenthalts im deutschsprachigen Europa, vor allem in Deutschland, tragen als entscheidender Faktor zur hohen Nachfrage nach Deutsch im brasilianischen Hochschulsystem bei. Rund um Bildungsfragen und das Erlernen des Deutschen beruhen die heutigen Beziehungen ebenso auf einer längeren Tradition: Schon im 19. Jahrhundert erhielten beispielsweise verschiedene Verbände und Schulen in gut entwickelten deutschen Kolonien in Brasilien (Seyferth 2010) die Unterstützung des Hamburger Vereins für das Deutschtum im Ausland (Souza 2012: 40). Unmittelbare Unterstützung seitens der deutschen Regierung für die Aus-, Fortbildung und Weiterbildung von Deutschlehrern und den Unterricht des Deut-

|| 3 Vgl. hierzu bspw. Schweizerische Eidgenossenschaft (2017). 4 Siehe dazu das zweisprachige Heft: PROBRAL 20 ANOS. 1994-2014. 58 Seiten (DAAD 2014)

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schen als Fremdsprache vor Ort bringt heutzutage die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) zustande, die seit 1976 FachberaterInnen nach Brasilien entsendet und das Institut für Deutschlehrerausbildung (IFPLA), in der Stadt Ivoti, Rio Grande do Sul, subventioniert (IFPLA 2018; Uphoff 2011). Viele Initiativen und Partnerschaften fördern den Deutschunterricht im brasilianischen Schulnetzwerk. Die ZfA und das Goethe-Institut unterstützten beispielsweise 48 (meistens private) Schulen im Zuge der PASCH-Initiative („Schulen: Partner der Zukunft“). Mit der Unterzeichnung einer erstmaligen „Gemeinsamen Absichtserklärung zwischen dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland und dem Bildungsministerium der Föderativen Republik Brasilien über die Förderung von Deutsch als Fremdsprache in Brasilien“, die am 20. August 2015 im Rahmen von Regierungskonsultationen in Brasília stattgefunden hat, soll das Betreuungsangebot für Schulen und Lehrer im öffentlichen Bereich – auch von brasilianischer Seite – intensiviert werden.

3 Herausforderungen als Chancen Der Brasilien-Bericht im Heft Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015 des deutschen Auswärtigen Amtes (2015) diagnostiziert angesichts des verhältnismäßig großen Anstiegs der Anzahl von Deutschlernenden treffend: „Zentrale Herausforderung der DaF-Förderung bleibt es, die deutlich gestiegene Nachfrage durch effiziente Qualifizierungs- und Fortbildungsprogramme für Deutschlehrer und den strukturellen Ausbau von Sprach- und Förderangeboten für Deutschlernende zu festigen.“ (Auswärtiges Amt 2015: 27) Seit 2015 hat sich vieles im Land verändert. Trotz politisch-wirtschaftlicher Schwierigkeiten und Rücktritte wurden dennoch im Bereich Deutsch als Fremdsprache etliche Maßnahmen getroffen, die es auch perspektivisch nahelegen, die großen Herausforderungen vor Ort als Chancen zu verstehen. In diesem Zusammenhang gilt es nun zunächst einmal, die Attraktivität des Lehrerberufs im Land möglichst sachlich aus innerbrasilianisch-realitätsnaher Sicht darzustellen. Für Brasilien ist immer noch die Kluft zwischen Arm und

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Reich charakteristisch.5 Dies wird sich kurzfristig auch nicht einschneidend ändern; strukturelle Wandlungen fanden aber in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich statt. Daher genießt nun Bildung im alles im allen eher bildungsarmen Land einen hohen Stellenwert. Im Jahre 2017 arbeiteten an brasilianischen Schulen 2.078.910 Lehrer (Carvalho 2018). Der Beruf ist für Brasilianer, vor allem für Brasilianerinnen6, eine Beschäftigung der unteren, in der Regel sozial aufsteigenden, nur in Ausnahmefällen bereits traditionell gebildeten und etablierten Mittelschicht. Dies zeigt das durchschnittliche und deutlich mehrheitlich unterprivilegierte soziale Profil von Studierenden auf Lehramt, die gerade deshalb zum Lehrerberuf bereit und motiviert sind, weil er für sie nicht selten eine konkrete Möglichkeit des sozialen Aufstiegs und der beständigen Etablierung in der Arbeitswelt darstellt, vor allem durch Verbeamtung im öffentlichen Schulsystem. Das heißt: Auch bei einer relativ, aber eben nur relativ7, geringen Bezahlung bedeutet in Brasilien für viele Menschen das Lehrerwerden eine soziale und wirtschaftliche Absicherung. 2018 beträgt das brasilianische gesetzlich festgelegte Mindestgehalt eines Lehrers für 40 Wochenstunden 2.455,35 Real (ca. 550 €). Das Schulsystem teilt sich bezeichnenderweise in private und öffentliche Schulen: Bei einem breiten Spektrum von Schulgebühren8 besuchen die Kinder und Jugendlichen reicherer Menschen in der Regel private, diejenigen ärmerer Familien dagegen öffentliche Schulen. Zur Konkretisierung im DaF-Bereich: Im Angebot von Deutsch an Privatschulen für eine Population von insgesamt 8,61 Mio. Schülern (INEP 2013) sind schätzungsweise circa 650 Lehrer und Lehrerinnen tätig. Damit eine zu erwartende Nachfrage im öffentlichen Schulbereich (laut INEP 2013 mit einer Population von 41,43 Mio. Schülern) bedient werden könnte,

|| 5 Im World Factbook auf der Webseite der nordamerikanischen CIA steht Brasilien nach Kriterien des Gini-Index unter insgesamt 157 Ländern auf Platz 17 im Ranking von ungleicher Vermögensverteilung weltweit. Vgl. https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/rankorder/2172rank.html. 6 Unter Englischlehrern sind z.B. 81 Prozent der Lehrkräfte Frauen, vgl. British Council (2015: 11). Diese Proportion gilt auch ungefähr für die Gesamtzahl von Lehrkräften aller Fächer im Land (INEP 2018). 7 2017 verdiente zwar das reichste 1 Prozent der Lohn beziehenden Bevölkerung im Durchschnitt 27.213,- Real pro Monat, die 50 Prozent mit geringstem Einkommen verdienten aber monatlich im Durchschnitt nur 754,- Real (Vgl. hierzu IBGE 2018). 8 Was monatliche Schulgebühren von privaten Bildungsinstitutionen in Brasilien anbelangt, können sie sich zwischen circa 100 und 2000 Euro bewegen. Unter zehn Privatschulen in der Metropole São Paulo, die vom Bundesinstitut für Bildungsforschung Anísio Teixeira als die besten schulischen Einrichtungen in der erwähnten Stadt ausgewertet wurden, schwanken die Schulgebühren zwischen ungefähr 400 und knapp über 1000 Euro (vgl. Monteiro 2017).

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brauchte man in Brasilien im Idealfall circa 3.200 Deutschlehrer.9 Jedoch sind heute im ganzen Land nur circa 140 verbeamtete Lehrkräfte für Deutsch an öffentlichen Schulen tätig.10 Englischlehrer gibt es im brasilianischen öffentlichen Schulsystem über 70.000 (INEP 2012). Die Ausbildung von Deutschlehrern und das Angebot von Deutsch an Schulen ist daher im Falle Brasiliens auch eine quantitative Herausforderung. Daher müssen Erwartungen und Maßstäbe für Qualitätssicherung die Gegebenheiten vor Ort in Betracht ziehen: ein entwicklungsfähiges Management sollte die dynamische bildungspolitische Situation vor Augen haben, denn nicht selten geht es eher darum, zuerst einmal ein minimales Angebot für Anfängergruppen zu schaffen, damit auf dieser Basis weitere strukturierende Maßnahmen überhaupt in Frage kommen. Die Zukunft der Existenz von germanistischen Abteilungen an 15 öffentlichen Hochschulen, an denen heutzutage Deutschlehrer regelmäßig ausgebildet werden, hängt mit dem Angebot von Deutsch im Schulbereich eng zusammen. Die soziale und akademische Legitimation und Anerkennung des Faches Germanistik bzw. Deutsch als Fremdsprache (Letras/Alemão) entspringt in Brasilien großenteils der Erfüllung von zwei prinzipiellen Aufgaben: Gute Deutschlehrer auszubilden, zugleich aber zur Entwicklung einer besseren Bildungspolitik im Fremdsprachenbereich einen kompetenten fachspezifischen Beitrag zu leisten. Anwendungsbezogen strukturierte Studiengänge und Weiterbildungsprogramme mit verstärkten sprachlichen, methodisch-didaktischen und bildungspolitischen Anteilen sind stark nachgefragt, wenn Dozenten und Hochschulen vor Ort aber bildungspolitisch nicht aktiv werden, kann es geschehen, dass für die ausgebildeten Lehrkräfte keine entsprechenden Arbeitsplätze geschaffen werden.

|| 9 Laut Goethe-Institut Porto Alegre (dessen Leiter, Herrn Adrian Kissmann, wir für die Daten danken) gab es im Jahr 2016 im Bundesstaat Santa Catarina im öffentlichen Bereich 65 Schulen, die Deutsch auf dem Lehrplan anboten; Privatschulen, Hochschulen oder Sprachinstituten waren es 17. Im Bundesstaat Rio Grande do Sul wurde Deutsch an 112 staatlichen Schulen angeboten, außerdem an 27 Privatschulen, Hochschulen oder Sprachinstituten. 10 Nach eigener Erhebung, im Kontext der Entwicklung von Programmen für die Ausbildung von Deutschlehrern an der UFPR. Am öffentlichen Schulsystem machen Ersatzlehrende mit Zeitvertrag (einer zwar provisorischen, jedoch immer länger fortbestehenden Situation) circa 25 Prozent der notwendigen Arbeitskraft aus.

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4 Neuere Programme zur Lehrerausbildung Der brasilianische Staat hat in den letzten Jahren beträchtliche Summen ins Bildungssystem investiert.11 Auch in die relativ sehr kleine Szene von Deutsch im öffentlichen Schulwesen flossen Ressourcen für Bildungsprogramme, die es etwas ausführlicher zu beschreiben gilt, denn sie bieten konkrete Lösungs-vorschläge zum zentralen Problem im heutigen Szenario von Deutsch als Fremdsprache in Brasilien: dem Lehrermangel.12 Außerdem bieten sie wichtige Daten und Informationen für die Weiterplanung. Dabei darf man davon ausgehen, dass gerade Lehrerinnen und Lehrer als fachgebildete, sozialkritische und besonders gesellschaftsfähige Bürger und Beamte die Rolle von Haupt-akteuren in der Konzeption und Entwicklung von bildungspolitischen Entscheidungsprozessen übernehmen und daher auf keinen Fall als nur Produkt von Förderungsmaßnahmen betrachtet werden sollten, sondern vor allem als handelnde, mitbestimmende Personen und Agenten dieser Maßnahmen. Dies gilt in besonderem Maße in einer jungen und labilen demokratischen Gesellschaft wie Brasilien, wo im Angesicht der bisherigen unbefriedigenden Ergebnisse im Bereich Fremdsprachen

|| 11 Finanzielle Ressourcen kommen beispielsweise aus dem Sondervermögen FUNDEB (Fundo de Manutenção e Desenvolvimento da Educação Básica e de Valorização dos Profissionais da Educação). Im Jahre 2014 betrug es 114 Milliarden Real. Dazu: http://www.fnde.gov.br/financiamento/fundeb/sobre-o-plano-ou-programa/sobre-o-fundeb. Vergleichbare Strukturen bestehen in einigen Bundesstaaten: Santa Catarina bietet mit Mitteln dessen FUMDES (Fundo de apoio à Manutenção e ao Desenvolvimento da Educação Superior) Stipendien für die Ausbildung von Lehrern an. Im Jahr 2016 unterstützte dieses Programm die Ausbildung von 21 Studierenden von Deutsch auf Lehramt an der Hochschule FURB in der Stadt Blumenau. 12 Eine frühere Initiative zur Ausbildung von Deutschlehrern war u.a. das Projekt „Magister“, das in den 1990er Jahren durch die im Bundesstaat Santa Catarina zuständige Bildungsbehörde in Kooperation mit dortigen Hochschulen initiiert wurde. Der Bundesstaat übernahm die Finanzierung des Ausbildungsangebots sowie die Reisekosten und Verpflegung aller Teilnehmer und lehrenden Dozenten (Hentz 2013: 204). Angebote in verschiedenen Fachbereichen wurden in Gang gesetzt, und das Projekt „Magister Letras“ fing im Jahr 1997 an. Laut Costa et al. (2003) haben sich insgesamt 45 Deutschlehrer in zwei verschiedenen Gruppen von 1997 bis 2001 die Qualifizierung im Rahmen des Programms absolviert. Siehe dazu auch Régis (2002). Von 2004 bis 2007 gab es außerdem das Angebot eines Sonderprogramms zur Befähigung von Lehrkräften, die über das KDS bzw. GDS (Kleines bzw. Großes Sprachdiplom), einen ersten Hochschulabschluss auf Lehramt in einem anderen Fach, aber noch keine Lehrbefähigung für Deutsch verfügten. Durch diese Initiative sind einerseits insgesamt 120 Lehrkräfte aus- und weitergebildet worden, andererseits regelte man dadurch die Situation von ca. 80 der sprachlich besseren DeutschlehrerInnen in ganz Brasilien, die im Fach bereits tätig arbeiteten, jedoch keine staatliche Anerkennung der Berufsausbildung hatten.

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eine entsprechende Umstrukturierung des Schulwesens bevorsteht. Es ist in der heutigen Realität Brasiliens nicht so, dass Strukturen geschaffen werden sollen, in denen ausgebildete Lehrkräfte eingesetzt werden können, sondern die Lehrkräfte müssen ausgebildet und eingesetzt werden, damit sie selbst innerhalb des sich gestaltenden Bildungssystems die Strukturen schaffen und deren Entwicklung mitbestimmen.

4.1 PDPA: Brasilien finanziert die Fortbildung seiner Deutschlehrer in Europa 2010 initiierte bei CAPES der Vorstand für Lehrerfortbildung im öffentlichen Schulwesen (DEB, Diretoria de Formação de Professores da Educação Básica) ein „Programm für die berufliche Entwicklung von Lehrkräften“ am öffentlichen Schulsystem (PDPP, Programa de Desenvolvimento Profissional de Professores).13 Gekennzeichnet durch Angebote auf hohem Qualitätsstandard in Brasilien und im Ausland, beabsichtigte das Programm in Partnerschaft mit dem Vorstand für Internationale Beziehungen von CAPES (DRI, Diretoria de Relações Internacionais), innovative Bildungserfahrungen sowie Fort- und Weiterbildungsaktivitäten in ausländischen Institutionen anerkannter Exzellenz anzubieten – eine Strategie, die bereits erfolgreich für die Qualifizierung von Dozenten und Forschern angewendet worden war (vgl. DEB 2012: 165). Das war eine richtungsweisende Initiative, die nur wenige Jahre nach Beginn des Programms PDPP der Bildungsplan PNE (Ziel 15, Strategie 15.12) die Einrichtung eines Stipendienprogramms vorsieht, mit dem Ziel, dass Fremdsprachenlehrer sich im Land ihrer jeweiligen Fremdsprache weiterbilden lassen. Durch das PDPP wurden Lehrkräfte aus unterschiedlichen Fachdisziplinen fortgebildet. Im Falle von Deutsch organisierte die Bundesuniversität von Paraná (UFPR) in Partnerschaft mit dem interDaF an der Universität Leipzig und dem Bildungsministerium in Österreich ein Seminar in Deutschland und Österreich, mit Ausschreibung und entsprechendem Auswahlverfahren im Rahmen des Programms. So entstand für Deutsch das Unterprogramm PDPA (Programa de Desenvolvimento Profissional de Professores de Alemão). Die Initiative wurde vollständig von CAPES finanziert. Somit wurden in den Jahren 2013 und 2015 ins-

|| 13 Als traditioneller Förderer von brasilianischen Universitäten ist CAPES seit 2007 (Gesetz 11.502/2007, Art. 2) auch für Programme der Lehrerausbildung und Aufwertung des Lehrerberufs in Brasilien zuständig.

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gesamt 43 Lehrer und Lehrerinnen mit brasilianischen Mitteln gefördert. Die brasilianische Bundesregierung hat für die Ausbildung von zwei Kohorten umgerechnet ca. 200.000,- Euro investiert. In Leipzig und Wien haben die Lehrkräfte (nicht selten zum ersten Mal im Ausland) an einem strukturierten, fünfwöchigen Fortbildungsseminar teilgenommen, das aus Fachveranstaltungen, Vorträgen, Sprachübungen, Ausflügen und einem kulturellen Rahmenprogramm bestand. Abgeschlossen wurde das Seminar mit einer Sprachprüfung auf den Niveaus B1 und C1 GER. Einige Kursplätze wurden für Englisch- und Spanischlehrer mit Deutschkenntnissen reserviert, so förderte das Programm die Ausbildung mehrsprachigen Lehrpersonals sowie die Zusammenarbeit zwischen Lehrern unterschiedlicher Disziplinen; die Lehrkräfte fungierten nach ihrer Rückkehr in die jeweiligen Orte als Multiplikatoren (DEB 2012: 176–177). Außer dem Beitrag zur Lehrerfortbildung und demzufolge zur Qualitätserhöhung der Schulausbildung an sich gab das Programm PDPA Anlass zur Forschung sowohl im Bereich des DaF-Unterrichts als auch der Lehreraus- und -fortbildung. Bestimmte Auswirkungen, die sich aus dem Prozess ergaben, sind eine wertvolle Quelle für die Entwicklung neuerer Erkenntnisse, in dem Sinne, dass sie zur Lehrerperspektive einen Zugang ermöglichen, der künftige strategische Maßnahmen für die Förderung der deutschen Sprache untermauern kann. Denn im Rahmen der Auswahlverfahren des Programms bzw. nach der Fortbildung in Leipzig und Wien wurden Motivationsbriefe bzw. Berichte und didaktische Einheiten von den teilnehmenden Lehrkräften erstellt. Die Anfertigung dieser Dokumente konstituierte eine Verpflichtung zur Teilnahme an der Fortbildung; darauf wies bereits die Ausschreibung des Programms hin. Die Schriftstücke bildeten neben Interviewtranskriptionen, Hospitationsnotizen und anderen Unterlagen das Korpus einer Untersuchung, die sich mit den Aussagen sechs Lehrerinnen der Fortbildungsgruppe sowie ihrer Konzepte von Sprache und Kultur auseinandergesetzt hat. Die sechs ausgesuchten Lehrerinnen wurden in ihren Aktivitäten nach der Rückkehr aus Europa weiterbegleitet (Chaves 2018). Der Zugang zu einer solchen anonymisierten Dokumentation ermöglicht (auch für künftige Forscher) die Wahrnehmung, wie Lehrerinnen und Lehrer den Lehr- und Lernprozess betrachten und unter welchen Sprach- und Kulturkonzeptionen sie ihre Arbeit entwickeln. Aus den Einschätzungen dieser Lehrenden kann man über die Lehr- und Lernkontexte, die Perspektiven von Lehrerinnen und Lehrern hinsichtlich ihrer Schüler sowie die spezifischen Bedürfnisse und Interessengebiete jeder spezifischen Umgebung neue Einsichten gewinnen. Darüber hinaus lässt sich durch diese Dokumente erkennen, inwieweit und in welcher Art und Weise sich die angebotene Fortbildung im Deutschunterricht

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widerspiegelt, d. h. man kann daraus konkrete Folgen und Ergebnisse des Fortbildungsangebots erschließen. Im Bericht, den die Teilnehmenden nach der Erfahrung im Ausland verfassen sollten, haben sie sich z.B. mit der Frage befasst, welche Aktivitäten interessanter waren und wie sie ihrer Ansicht nach die künftige Arbeit im Klassenzimmer beeinflussen würden oder wie das ganze Erlebnis im Allgemeinen das Vorgehen im Unterricht prägen würde. Auf diesen Schriftstücken basieren die folgenden Aussagen und deren Auswertungen. Im Verlauf der Fortbildung, besonders in der Phase des Sprachkurses zur Vorbereitung auf die Sprachprüfung von interDaF, wurde es den Teilnehmenden ermöglicht, vielfältige didaktische Ansätze und Gruppendynamiken kennen zu lernen, die sie in ihren eigenen Schulen in Brasilien einsetzen konnten. So berichtet z.B. eine Lehrerin: „Die dynamische und mannigfaltige Art und Weise, wie das Kursteam die Fortbildung geleitet hat, zeigte uns wie wir unsere Unterrichtsstunden interessanter gestalten können.“14 Etliche Lehrerinnen behaupteten in ihren Berichten, dass sie die neuen Ideen in ihrem Unterricht einsetzen würden. Nach der Aussage einer Lehrerin „regten gewisse didaktische Vorgehen zum Nachdenken über unsere eigene Arbeit in der Schule an sowie über die Wichtigkeit didaktischer Änderungen, die sich mit der Zeit erforderlich machen“. In den Berichten ist natürlich auch die Frage der Motivation für die Unterrichtspraxis aufgetaucht. Der Kontakt mit neuen Ideen und Materialien sowie mit dem deutschsprachigen Raum und mit anderen Kollegen und ihren verschiedenen Aussichten bringen Inspiration und Anreiz und stärken sogar das Selbstwertgefühl. Laut einer der Lehrerinnen kann sie ihre Schüler vor allem motivieren, wenn sie selbst motiviert ist. Ihrer Meinung nach ist die Fortbildung nicht nur für ihre Selbstwertschätzung wohltuend, sondern auch für die Motivation ihrer Schüler. Ein anderer Punkt, der mehrmals von den Lehrkräften erwähnt wurde und der die Motivation angereizt haben soll, war der Zugang zu einer Vielfalt neuerer Unterrichtsmaterialien, die ihnen während der Fortbildung präsentiert oder im Kurs verwendet worden seien. Weitere Materialien konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einer Preisermäßigung bei im Programm vorgesehenen Verlags-Besuchen kaufen. Dazu berichtete eine Lehrerin, dass sie sehr motiviert ins Heimatland zurückgekommen sei, denn sie habe für weit mehr als ein ganzes Jahr neue Lehrmittel nach Brasilien mitnehmen können. Oft erwähnt wurden ebenso die sprachlichen Fortschritte, die die Erfahrung im Ausland ermöglicht hätten. Einer Lehrerin zufolge fördern die erworbenen Sprachkenntnisse die Durchführung zahlreicher Projekte, die sie bisher öfters

|| 14 Da die Quellen unveröffentlicht sind, stehen nach den Zitaten keine weiteren Angaben.

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nicht durchführen konnte, weil sie vertiefte Sprachkenntnisse des Lehrers erforderten. Außer sprachlichen und methodologischen Aspekte weisen die Lehrkräfte auf die Eindrücke und Kenntnisse hin, die ihnen die Erlebnisse in den deutschsprachigen Ländern verschaffen hätten. Nach den Äußerungen der Lehrkräfte in ihren Berichten würden voraussichtlich die ästhetischen und kulturellen Erfahrungen ihre Unterrichtspraxis am meisten prägen. Einer Lehrerin zufolge galten beispielsweise die während des Kurses verfolgten Aktivitäten, einen Stadtteil in Leipzig zu erkunden und dadurch neue Umgebungen kennen zu lernen, ihren Einwohnern zu begegnen und sich mit ihnen zu unterhalten, als große Lernerlebnisse. Diese Lehrerin behauptet, dass das erworbene historische, literarische und kulturelle Wissen ihre Arbeit stark beeinflussen würde. Neue historische Kenntnisse wären mehrmals angemerkt worden. Nach Einschätzung einer Lehrerin interessieren sich ihre Schüler besonders für historische Fakten. Aus diesem Grund habe sie vor, die neuen erworbenen Kenntnisse in ihren Unterrichten einzubauen, was ihre Schüler besonders begeistern würde. Dass Lehrkräfte sich im Ausland vor allem der Fortbildung widmen, was viele sich aufgrund finanziellen und zeitlichen Mangels im Heimatland kaum leisten könnten, war ein anderer wichtiger Aspekt in den untersuchten Aussagen. Laut einer Lehrerin aus São Paulo werden vom örtlichen Lehrerverband Fortbildungen angeboten, an denen sie nicht teilnehmen kann, obwohl sie sich der Bedeutung eines solchen Angebots für ihre Karriere und für ihre Schüler bewusst ist. Ein weiterer Vorteil der Fortbildung im Ausland sei es, dass nicht nur die unmittelbar Beteiligten (Lehrkräfte und ihre Schülerschaft) davon profitierten, sondern auch weitere Arbeitskollegen durch Weitergabe von Informationen und Erfahrungen in den jeweiligen Standorten. Eine Lehrerin der Fortbildungsgruppe weist z.B. darauf hin, dass sie gerne zur Verfügung steht, Kollegen zu helfen, wenn diese für den eigenen Unterricht historische oder kulturelle Informationen brauchen oder vertiefen möchten. Aus den Berichten kann man das Potenzial für die Weiterbildung von Deutschlehrern und mithin für den DaF-Unterricht am brasilianischen öffentlichen Schulwesen erkennen, das das PDPA-Programm beinhaltet und auslöst. Dieses flächendeckende Angebot legte den Grundstein zu einer weiteren, umfangreicheren und hoffentlich auch in anderen Kontexten anwendbaren Initiative zur Deutschlehrerfortbildung, die im Folgenden dargestellt wird.

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4.2 PARFOR: Englischlehrer erhalten die Zusatzqualifikation zu Deutschlehrern Das Programm Zweitstudium Deutsch (Curso de Segunda Licenciatura em Letras Alemão) wurde 2016 von der Bundesuniversität von Paraná (UFPR) als Zusatzqualifikation für bereits unterrichtende Englischlehrer an öffentlichen Schulen ins Leben gerufen, um das Angebot von Deutsch als Fremdsprache im schulischen Bereich zu erweitern und so das große Interesse und den wachsenden Bedarf an Deutschunterricht zu decken. Standort des Angebots ist die Stadt Joinville im Bundesstaat Santa Catarina, deren Geschichte durch die Einrichtung einer deutschen Kolonie im Jahre 1851 nachhaltig positiv geprägt wurde. Heute ist Joinville mit knapp 500 Tausend Einwohnern die drittgrößte Stadt in der Region Südbrasilien. Nach Joinville kommen alle zwei Wochen Lehrerinnen und Lehrer aus über 10 anderen Munizipien in der Region zum Intensivunterricht am Samstag (9 Unterrichtsstunden). Im Januar und Juli (in ihrer Sommer- bzw. Winterpause) versammeln sich die Kursteilnehmer in Curitiba im Bundesstaat Paraná, Hauptsitz der UFPR, und besuchen dort Blockseminare. Die Sitzungen finden an jedem zweiten Samstag von März bis Juni sowie von August bis Dezember und in Intensivphasen im Juli (eine Woche) und Januar/Februar (1½ Wochen) statt. Insgesamt umfasst das Curriculum 1.300 Unterrichtsstunden. Bis 2021 sollen 70 Lehrerinnen und Lehrer berufsbegleitend zu Deutschlehrern ausgebildet werden, in jährlich beginnenden Gruppen à 20 bis 25 Teilnehmern, die ihre Ausbildung in 3 Jahren absolvieren. Mittel fürs Programm (vor allem Stipendien, Reisekosten und Verpflegung für die lehrenden Dozenten sowie Lehrmaterialien und Reisezuschuss für die Teilnehmer) werden von CAPES im Rahmen des Programms PARFOR zur Verfügung gestellt. Die Investition der brasilianischen Bundesregierung beträgt für die Gesamtzeit des Angebots (2016 – 2021) umgerechnet circa 190.000 Euro. Der UFPR als Organisations- und Administrationsleitung der Weiterbildung ist es gelungen, den „Curso de Segunda Licenciatura em Alemão“ als offiziellen Bestandteil des Studiengangs „Letras“ einzuführen, daher besteht die Aussicht auf die Fortsetzung des Angebots über den bereits vorgesehenen Zeitrahmen hinaus. Dem Projekt besonders förderlich ist es, dass sowohl brasilianische als auch deutsche Absolventen des bilateralen DaF-Masters der UFPR mit dem Herder-

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Institut der Universität Leipzig als Koordinatoren und Dozenten einbezogen werden und zum großen Teil den Präsenzunterricht übernehmen.15 Insofern ist die vom DAAD von Anfang an geförderte Zusammenarbeit zwischen der Universität Leipzig und der UFPR Curitiba ein zentraler Aspekt der Entwicklung dieses Angebots. In Joinville hat das Projekt die Unterstützung der Stadtverwaltung und des Bundesstaats Santa Catarina sowie des Colegio Bom Jesus/IELUSC, einer privaten bilingualen Schule mit ausgezeichnetem Deutschunterricht, welche zum einen die ausgestatteten Unterrichtsräume für die Präsenzphasen bereitstellt und an der zum anderen voraussichtlich Hospitationen und Praktika durchgeführt werden. Das Projekt stieß von Beginn an auf hohes Interesse: Auf die erste Ausschreibung bewarben sich 172 Interessenten. Aus dieser Gruppe wurden 24 Lehrerinnen und Lehrer ausgewählt, deren Sprachausbildung Mitte Dezember 2016 begann und mit Hilfe eines vom TestDaF Institut e.V. (Deutsch-Uni-Online) zur Verfügung gestellten Grundstufen-Onlinemoduls (A1.1) durchgeführt wurde. In dieser Phase erhielten die Teilnehmer Unterstützung durch Präsenztutoren, fortgeschrittenen Studierende von „Letras Alemão“ an der UFPR. Die Hauptzentralstelle, die für das Angebot zuständig ist und es aus der UFPR in Curitiba verwaltet und leitet, zählt mit einer Leiterin vor Ort in Joinville, die als erfahrene verbeamtete – und unter anderem vom Programm PDPA fortgebildete – Deutschlehrerin am öffentlichen Schulwesen bürokratische Unterstützung leistet und den Studierenden vor Ort Sprachassistenz anbietet. Andere Studierende, die in benachbarten Städten wohnen und arbeiten, haben die Möglichkeit, von fortgeschrittenen Kommilitoninnen, die schon über Deutschkenntnisse verfügen und somit Sprachassistenz anbieten können, betreut zu werden.16 Dieses Angebot erweist sich als entscheidender Vorteil, um Kursaustritte zu vermeiden. Ein wichtiger Faktor für die Attraktivität des Kurses und die kontinuierliche

|| 15 Der bilaterale Master- bzw. Mestrado-Studiengang hat in neun Jahren 40 Studenten aufgenommen. Fünf davon haben ihr Studium abgebrochen, vier nach dem Aufenthalt in Deutschland. 28 Arbeiten wurden bereits abgeschlossen, bis Ende des Jahres 2018 werden fünf weitere fertig. Von den Absolventen arbeiten vier an brasilianischen Schulen; eine am Goethe-Institut in Rio de Janeiro; zwei sind jetzt fest angestellte Dozenten für Deutsch an öffentlichen Universitäten in Brasilien (eine leitet zurzeit das Programm „Zweitstudium Deutsch“); zwei weitere haben Zeitverträge an brasilianischen Hochschulen; sechs der deutschen Absolventen waren bereits Sprachassistenten des DAAD bzw. German Teaching Assistants von CAPES oder sie befinden sich zur Zeit in Brasilien mit einer solchen Position. 16 Eine dieser Betreuerinnen wurde vom Goethe-Institut Porto Alegre mit einem Stipendium gefördert und konnte nach einem einmonatigen Sprachkurs das C1-Zertifikat am Goethe-Institut Düsseldorf erwerben.

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Motivation der Teilnehmer ist außerdem die Perspektive eines Auslandsaufenthalts am Ende des vorletzten Studiensemesters (Januar/Februar 2019 für die erste Kohorte) für diejenigen Teilnehmer, die bis dahin eine erfolgreiche Beteiligung an allen Seminaren und Aktivitäten aufweisen und eine spezifische Sprachprüfung bestehen. Das Konzept einer sprachlichen und methodisch-didaktischen Zusatzqualifikation für bereits verbeamtete Fremdsprachenlehrer, damit sie eine weitere Fremdsprache zu unterrichten imstande sind, ist für die Realität Brasiliens passend und findet Resonanz bei Schulbehörden in verschiedenen Instanzen: Hier geht es darum, erstens verbeamtete Lehrer weiterzubilden, was zur Zeit im Angesicht der unzureichenden Qualität des Schulunterrichts erforderlich ist, und zweitens Lehrkräfte zur Mehrsprachigkeit zu qualifizieren.17 So wird das Schulsystem erneuert und perfektioniert, indem neue didaktische und methodische Ansätze (z.B. die Interkomprehension) praktiziert werden und konkrete Anwendung finden können. Sprachkurse werden außerdem nicht nur im regulären Curriculum, sondern als zusätzliche Aktivität („Atividade Complementar“) angeboten, öfters an Sprachenzentren, die den Schulen angegliedert sind. Der genannte Bildungsplan PNE hat sich zum Ziel (6.1.) gesetzt, dass Lehrerinnen und Lehrer eine möglichst lange Arbeitszeit an ein und derselben Schule verbringen. (Heute ist es üblich, dass Lehrkräfte an mehreren, nicht selten voneinander weit entfernten Schulen arbeiten, um ihr Arbeitspensum zu erfüllen.) Der Plan will veranlassen, dass Lehrer mit dem Angebot von Zusatzaktivitäten nach dem regelmäßigen Unterricht ihre Schüler weiter betreuen und somit unter besseren Bedingungen arbeiten können.18 Lehrende des im regelmäßigen Curriculum nicht selten mit nur zwei Wochenstunden ausgestatteten Pflichtfachs Englisch können auch Deutschkurse || 17 Ein positives Beispiel für die Tätigkeit mehrsprachigen Lehrpersonals bietet das Instituto Federal de Brasília (IFB), eine von 562 Berufsschulen, die von der brasilianischen Bundesregierung unterhalten werden. Deutsch wird am IFB seit 2017 unterrichtet. Das wurde dank der Anstellung einer Deutsch- und Spanischlehrerin im Jahr 2017 möglich, die vorher am Goethe-Zentrum Brasília tätig war. Sie wurde als Spanischlehrerin eingestellt, aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung in Deutsch bietet sie aber am IFB auch Deutschkurse an. Dazu: http://www. ifb.edu.br/campus-ceilandia/15676-campus-ceilandia-oferta-cursos-gratuitos-de-alemao-elementar-e-espanhol-intermediario. 18 Nach dem PNE sollen in den nächsten Jahren mindestens 50% aller öffentlichen Schulen Ganztagsaktivitäten anbieten, damit mindestens 25% aller Schüler davon Gebrauch machen können. Es geht nicht um eine Erweiterung des bestehenden Curriculums, sondern darum, dass Kinder und Jugendliche mindestens 7 (anstatt nur 4,5) Stunden pro Tag in der Schule verweilen und in dieser Zeit durch möglichst ergiebige Zusatzaktivitäten gebildet werden. Die Gestaltung dieses Angebots ist für jede Schule frei, darüber entscheiden Schuldirektor und Schulgemeinde.

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anbieten, wenn sie eine Zusatzqualifikation als Deutschlehrer erhalten, und zwar mit dem Vorteil, dass Kurse als Zusatzaktivität eine höhere Stundenzahl aufweisen können. Während die Ausbildung dieser Lehrer nicht in ausreichendem Maße stattfindet, suchen Bildungssysteme vorläufige Lösungen. Eine solche Initiative findet im Nordosten des Landes, im Bundesstaat Pernambuco, statt. Dort wurde das Programm „Ganhe o Mundo“ („Gewinne die Welt!“) im Jahr 2011 gestartet. Es handelt sich um ein Sprach- und Austauschprogramm für Schüler. Die Lernenden nehmen an vom Staat finanzierten Kursen teil, die Sprachinstitute aufgrund eines Outsourcing-Auftrags veranstalten. Bis Mitte 2017 wurden Englisch- und Spanischkurse angeboten, ab dem zweiten Semester 2017 wurden 100 Plätze für Deutsch ausgeschrieben. Schon 2018 sind fünf Studenten nach Deutschland gereist, um sechs Monate lang eine deutsche Schule zu besuchen. Der Webseite des Rechnungshofs vom Bundesstaat Pernambuco zufolge betragen die durchschnittlichen jährlichen Kosten des Gesamtprogramms 44 Mio. Real, umgerechnet circa 10 Mio. Euro. Damit werden Sprachkurse für ungefähr 25.000 Lerner und den Austausch für eine Menge von 1.000 bis 1.100 Schülern finanziert.19 Dass der Staat einen Bildungsbereich outsourct, ist sicher fragwürdig, unter den momentanen Bedingungen rechtfertigt sich aber diese Notlösung: Der Unterricht von Fremdsprachen führt nämlich zurzeit zu keinen positiven Ergebnissen, denn ausgebildete Lehrkräfte stehen nicht zur Verfügung, auch nicht an Sprachinstituten, sofern es sich um ein universales Angebot mit abgesicherter Qualität handeln soll.

5 Deutsch im akademischen Bereich Mit dem ambitionierten Stipendienprogramm „Wissenschaften ohne Grenzen“, in dessen Rahmen die Bundesregierung Brasiliens von 2011 bis 2015 akademische Auslandsaufenthalte von knapp 100.000 Dozenten, Doktoranden und Studenten förderte, wurde sich die Regierung des gravierenden Mangels an Sprachkenntnissen in der brasilianischen Gesellschaft voll bewusst und musste feststellen, dass dies ein Hindernis auf dem Weg zur Internationalisierung des Landes ist. Am 14. November 2014 hat daher das Bildungsministerium auf Basis des schon seit 2012 bestehenden Angebots „Englisch ohne Grenzen“ das Programm „Sprachen ohne Grenzen“ (IsF, „Idiomas sem Fronteiras“) ins Leben gerufen mit dem

|| 19 Siehe dazu: http://www.educacao.pe.gov.br/portal/?pag=1&cat=36&art=348.

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Ziel, Studenten, Dozenten und administratives Personal von öffentlichen und privaten Hochschuleinrichtungen sowie Fremdsprachenlehrer des öffentlichen Schulwesens20 sprachlich auszubilden bzw. zu qualifizieren. Das Stipendienprogramm „Wissenschaften ohne Grenzen“ wurde eingestellt, „Sprachen ohne Grenzen“ ist sein hochschulpolitisches Vermächtnis: Bundesuniversitäten, ab 2017 auch bundesstaatliche und kommunale Hochschulen, konnten als Partner dem Bildungsprogramm beitreten, um der eigenen akademischen Gemeinschaft Sprachunterricht anzubieten. Zur Durchführung der vorgesehenen Maßnahmen veranlasste das Programm Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen, „mit dem Ziel, den Bedürfnissen der akademischen Gemeinschaft der höheren Bildung und auch der Fremdsprachenlehrer des öffentlichen Schulwesens gerecht zu werden“ (Brasil 2014: Art. 6) sowie „Investitionen in diesem Bereich, insbesondere in Hochschulen, die keine spezialisierten Lehrkräfte für den Sprachunterricht haben, und [...] Studiengänge und die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern in Hochschulen, die für das Programm akkreditiert sind, zu stärken.“ (Brasil 2014: Art. 6) In diesem Kontext unterzeichneten das brasilianische Bildungsministerium und der DAAD am 20. August 2015 ein Memorandum zur Veranstaltung von Online-Kursen (DUO) mit ergänzendem Präsenztutorium, das nach partnerschaftlich vereinbarten Richtlinien von jeglicher Partnerhochschule organisiert wird. Für die erste Phase des Programms stellte der DAAD Online-Assessment-Tests (onSET) sowie Lizenzen für den Zugang zum Onlinekurs bereit (vgl. DAAD 2017b: 54). Mit der Einrichtung des Programms IsF gründete die Zentralregierung zum ersten Mal in der brasilianischen Geschichte eine Koordinationsstelle für den Bereich Fremdsprachen auf Bundesebene. Mit der Informations- und Kommunikationsstruktur des Ministeriums erhalten alle Studenten und Mitarbeiter an den beteiligten Universitäten per E-Mail ausführliche Auskunft über die Ausschreibungen von Lernplätzen an Sprachkursen und können sich elektronisch anmelden.21 Die vom EDV-System IsF generierten Daten über die Anmeldungen sind auch für Deutsch in Brasilien eine Quelle von Informationen über die Nachfrage nach Fremdsprachen an brasilianischen Hochschulen. Im Rahmen von drei Ausschreibungen in der Pilotphase, in denen laut der ministerialen Koordination des Programms 1.698 Lizenzen für Deutschkurse vergeben wurden, meldeten sich dafür insgesamt 21.506 Kandidaten. Für Französisch meldeten sich im selben Zeit-

|| 20 Was die vorgesehene Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften angeht, siehe Brasil (2014: Art. 6, III, §1). 21 Siehe dazu: http://isf.mec.gov.br.

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raum zur Vergabe von 1.590 Lernplätzen 9.785 Kandidaten. Die Zahlen für Italienisch (1.055 Lernplätze, 10.160 Kandidaten), Japanisch (1405 Lernplätze, 6.677 Kandidaten) und sogar Spanisch (1.990 Lernplätze, 7.575 Kandidaten) belegen, dass die Nachfrage nach Deutsch erheblich größer war. Zur angemessenen Einschätzung dieser Daten muss betont werden, dass sich das Angebot von Deutsch in der ersten Ausschreibung des Programms auf 10 öffentliche Universitäten begrenzte, ab der zweiten auf 15 öffentliche Universitäten, davon 13 Bundesuniversitäten. An diesen 13 Hochschulen des Bundes studieren 329.914 Menschen im Grund- und Hauptstudium. Wohlgemerkt, die brasilianische Gesamtpopulation von Studierenden auf dem Niveau beträgt 8.048.701 Immatrikulierte (INEP 2017).22 Diese Zahlen lassen das Wachstumspotenzial des Deutschangebots in der brasilianischen akademischen Welt erahnen, die schon jetzt eine große ungedeckte Nachfrage aufweist und außerdem stark expandiert: Die Publikation Education at a Glance 2016 (OECD 2016: 37–42) zeigt, dass im Jahre 2015 nur 14% der brasilianischen Bürger im Alter zwischen 25 und 64 Jahren über einen Hochschulabschluss verfügten (USA: 45%; Deutschland: 28%; Chile: 21%), wobei 16% unter Leuten im Alter von 25-34 Jahren, 11% in der Altersgruppe von 55-64 Jahren (USA: 47% bzw. 41%; Deutschland: 30% bzw. 26%; Chile: 27% bzw. 14%). In Brasilien kommen 1,4 Promovierte auf 1.000 Einwohner, in Deutschland beträgt das Verhältnis 18,6 zu 1.000 (DAAD 2017a). Momentan bietet die Ausschreibung des neuen Programms von CAPES zur Förderung der Internationalisierung von Universitäten und Forschungseinrichtungen (PrInt) eine weitere Perspektive für die Attraktivität von Deutsch im akademischen Bereich in Brasilien. Ziele von PrInt umfassen die Förderung von Aufbau, Umsetzung und Konsolidierung strategischer Internationalisierungspläne, Mobilität für Dozenten, Postdocs, Doktoranden und Studierende sowie Gestaltung internationaler Forschungsnetzwerke zur Qualitätserhöhung akademischer Produktion im postgradualen Bereich. Die Aktion soll der wissenschaftlichen Forschung Brasiliens größere Sichtbarkeit verleihen und somit ausländische Dozenten, Forscher und Studenten auf postgradualem Niveau zur Kooperation mit brasilianischen Kollegen anziehen. Die Ausschreibung fordert von jeder Institution, dass der entsprechende Antrag eine ausführliche Beschreibung der eigenen Sprachpolitik enthält, als Bestandteil einer breiteren Internationalisierungspolitik. Das Programm wurde 2018 bekannt gegeben und soll vier Jahre lang (bis 2022) mit einem Gesamtbudget von 300 Mio. Real Projekte vom maximal 40 ausgesuchten Universitäten finanzieren. || 22 In Brasilien bestehen 295 öffentliche Hochschulen, außerdem weitere 2.069 private Hochschuleinrichtungen (Daten des Jahres 2015, laut DAAD 2017a: 11).

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Der DAAD reagierte rasch und agil auf die Initiative von CAPES und teilte mit, dass deutsche Doktoranden, die im Rahmen von geförderten PrInt-Projekten für einen Forschungsaufenthalt nach Brasilien kommen, mit deutschen Mitteln zusätzlich finanziert werden können. So wurde in der Tradition von bilateralen Initiativen wie dem erwähnten Partnerschaftsprogramm PROBRAL auch PrInt zu einem Ort der deutsch-brasilianischen Zusammenarbeit – und somit zu einer weiteren Motivation, Deutsch zu lernen.

6 Abschließende Bemerkung Indem Brasilien das tiefgreifende, doch punktuelle Problem des Lehrermangels und der Ausbildung von Fachkräften im Bereich Deutsch als Fremdsprache überwindet, indem dort in den nächsten Jahren eine ausreichende Anzahl sozialer Akteure im Land tätig wird, die Schlüsselfunktionen im komplexen, umfangreichen und wachsenden Bildungssystem des Landes übernehmen, entwickeln sich vor Ort gesellschaftliche Vorgänge, die schon gegebenen soziokulturellen und wirtschaftlichen Erwartungen konkrete, festigende Strukturelemente hinzufügen, die in den nächsten Jahrzehnten weiterwirken. Deutschabteilungen an brasilianischen Universitäten, die bereit sind, entsprechende Projekte und Initiativen zu ergreifen, können zu diesem Zweck bei der notwendigen und bevorstehenden Umstrukturierung des Bildungssystems Brasiliens ihre Kapazitäten, bisherigen Leistungen und vorhandenen Infrastrukturen ausbauen. Durch eine konsequente Akzeptanz dieses gesellschaftlichen Auftrags und deren Sichtbarmachung können sich die Institutionen politische Relevanz und Legitimität verschaffen, ihre Beziehungen zu Schulbehörden und Ministerien stärken und ihre Überlebenschancen auch angesichts bevorstehender Reformen im Hochschulsystem wesentlich erhöhen.23 Heute und seit Jahrzehnten ist der brasilianische Staat durch Finanzierung von Deutschabteilungen an öffentlichen Universitäten und durch Angebote von Lehramtsstudiengängen die bei weitem wichtigste Finanzquelle für die Ausbildung von Deutschlehrern im Land. Es ist höchste Zeit und hoffentlich nicht zu spät, dass diese Investitionen sich auf das brasilianische Bildungssystem – vor allem im öffentlichen Bereich – positiv auswirken. Die bestehenden Bedingungen und immer deutlichere Nachfrage sprechen dafür.

|| 23 Siehe dazu Soethe (2014).

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Der deutsche Staat finanziert oder subventioniert seinerseits über seine Mittlerorganisationen Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung von Deutschlehrern. Seit von deutscher Seite (insbesondere durch den DAAD) die Zusammenarbeit zwischen deutschen und brasilianischen Universitäten im Bereich Deutsch als Fremdsprache gefördert und so die deutschen und die brasilianischen Investitionen harmonisiert werden, eröffnen sich für die deutsche Sprache in Brasilien neue Perspektiven. Deutsche und deutsch-brasilianische Wirtschaftsunternehmen und deren Stiftungen sind in diesem neuen, institutionell dichteren und wirksameren Kontext vermutlich stärker bereit, einen Beitrag zu leisten zur Förderung der deutschen Sprache.24 Die brasilianische Gesetzgebung gewährt juristischen Personen, die Projekte in den Bereichen Kultur und Bildung unterstützen, beträchtliche Steuervergünstigungen.25 Die Erinnerung an die für die brasilianische Gesellschaft wichtige deutsche Präsenz im Land, ein höherer Bildungsstand der künftigen Generationen und die Pflege der wichtigsten Elemente der deutsch-brasilianischen Zusammenarbeit liegt im Interesse aller Beteiligten: des Staates, der Wirtschaft und der Gemeinschaft bewusster Bürgerinnen und Bürger, sowohl in Brasilien als auch im deutschsprachigen Europa.

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|| 24 Unter den Aktionen zur Förderung der deutschen Sprache, die auch von der Industrie vor Ort unterstützt wird, zählt beispielsweise eine Zusammenarbeit zwischen dem Goethe-Institut und vier Bundesinstituten, die das Angebot vom Deutschunterricht im Rahmen des Projektes „Deutsch in der beruflichen Bildung“ ermöglicht. Da spielen die Initiative PASCH und die Bildungskooperation Deutsch ebenso eine Rolle. Laut Wilmes (2018: 8) wird „das Projekt ‚Deutsch in der beruflichen Bildung‘ in den Institutos Federais an vier Instituten in den Bundesstaaten Rio Grande do Sul (RS) und Santa Catarina (SC) durchgeführt. In Venâncio Aires (RS) wurde bereits 2015 eine öffentliche Stelle als Deutschlehrer geschaffen, denn dort bestand auch Interesse an Fachsprache Deutsch und Deutsch wurde auch als zweite Sprache im Studiengang Informatik eingeführt. Im Jahr 2016 konnte der Deutschunterricht am Instituto Federal in Rio do Sul (SC) mit der Unterstützung der Industrie etabliert werden. Seit 2013 wird auch Deutsch am Instituto Federal in Lajeado (RS) angeboten und auch dort wird es als zweite Sprache in einem Studiengang eingeführt.“ 25 Zum Beispiel das brasilianische Bundesgesetz 9.249/95, §2, II.

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Joachim Steffen, Dieter Jaeschke

Förderung von DaF in Mexiko 1 Einleitung Das Potenzial für Deutsch in Mexiko ist eng verbunden mit drei Themenfeldern: der Präsenz deutscher Firmen im Lande, der akademischen Ausbildung und der wissenschaftlichen Kooperation. Ebenso wie in diesen drei Bereichen kann auch in Bezug auf die Zahlen der Deutschlerner sowie deren Lernergebnisse das vorhandene Potenzial aufgrund struktureller Hindernisse bisher bei weitem nicht ausgeschöpft werden, wie wir im Folgenden zeigen werden.

2 Wirtschaftliches Umfeld für Deutsch in Mexiko Als zweitgrößte Volkswirtschaft in Lateinamerika mit einem großen Binnenmarkt (130 Mio. Einwohner), besonders aber auch als Mitglied des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA), ist Mexiko als Standort für deutsche Firmen von beachtlicher Bedeutung, zumal sich seit der kürzlich erfolgten Liberalisierung des Strom- und Erdölsektors sowie des Medienmarkts neue Investitionsmöglichkeiten eröffnet haben.1 Von den insgesamt 2.000 deutschen Unternehmen, die in Mexiko Niederlassungen haben, nehmen die Automobilhersteller eine herausragende Stellung ein (der Automobilsektor generiert zwischen drei und vier Prozent des BIP). Nachdem das Volkswagenwerk in Puebla bereits seit 50 Jahren besteht, hat die VW-Tochter Audi 2016 in San José Chiapa (ebenfalls im Bundesstaat Puebla) ein Werk eröffnet. Dazu kommen Produktionsstätten von Mercedes in Aguas Calientes sowie BMW in San Luís Potosí, die derzeit ihre Kapazitäten ausbauen. Die daraus entstehende Nachfrage nach Arbeitskräften, die nicht nur in der deutschen Sprache, sondern auch in deutscher Unternehmenskultur Kompetenzen aufweisen können, sind erheblich, wie die vier eigens vom VW-Konzern betriebenen Sprach- und Ausbildungszentren in Puebla, deren Angebot auch eine eigene Lehrerausbildung umfasst, belegen. || 1 Die Darstellung der wirtschaftlichen Struktur und aktuellen Entwicklung stützt sich u.a. auf Ehringfeld (2014). || Joachim Steffen, Universität Augsburg, Deutschland, [email protected] Dieter Jaeschke, Landesinstitut für Schule/QUA-LiS NRW, Deutschland, [email protected] https://doi.org/10.1515/9783110479232-056

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Das starke Engagement der deutschen Unternehmen in Mexiko kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass traditionell eine extreme Abhängigkeit vom USMarkt besteht – immerhin nutzen auch die deutschen Firmen die mexikanischen Standorte unter anderem als Plattform für den Export in die nördlichen Nachbarländer. Dies drückt sich zum einen darin aus, dass 80 % der Exporte in die USA und nach Kanada fließen, zum anderen in den massiven Migrationsbewegungen (über 30 Mio. Mexikaner leben in den USA). Durch die aktuell stattfindenden politischen Entwicklungen in den USA (zunehmende Undurchlässigkeit der Grenze, Abschiebungen illegaler Einwanderer, unsichere Aussichten der sog. Dreamers, d.h. der ca. 800.000 Kinder illegaler Einwanderer, deren Abschiebung aufgrund des DACA-Erlasses bislang unterblieben war) ergibt sich allerdings gerade hier eine Chance zur Entwicklung des deutsch-mexikanischen Verhältnisses, da speziell auch die gut ausgebildeten Mexikaner sich bei der Abwägung ihrer Zukunftschancen zunehmend nach Alternativen in Europa umsehen. Dies schlägt sich etwa bei den gestiegenen Nachfragen nach Studienplätzen in Deutschland beim DAAD aus dieser Klientel nieder, die vor der letzten US-Wahl praktisch gar nicht repräsentiert war (persönliche Mitteilung von Alexander Au, Leiter der DAAD-Außenstelle Mexiko-Stadt). Mit dem erwartbaren Rückgang der Rücküberweisungen (remesas) der Emigranten wird die relative Bedeutung deutscher und europäischer Investitionen weiter wachsen, woraus sich mutmaßlich eine weiter steigende Nachfrage nach Deutschunterricht ergeben wird. Als weiterer wichtiger Wirtschaftszweig ist der Tourismus zu nennen, der 2016 mit 35 Mio. Besuchern nicht nur ein Rekordjahr erreichte, sondern kürzlich einen strategischen Wachstumsplan angekündigt hat, der das Ziel hat, den deutschen Markt bis 2021 als einen der Top-Märkte im Tourismusbereich auszubauen (www.visitmexico.com/de). Auch in diesem auf Fremdsprachenkompetenz angewiesenen Sektor ist daher ein Zuwachs zu erwarten.

2.1 Akademische Ausbildung mit Deutschlandbezug Die genannten Umwälzungen, die mit dem Amtsantritt Trumps verbunden sind, haben bisher noch nicht zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Internationalisierungsstrategien der mexikanischen Hochschulen geführt (Au & Faber 2017: 2), aber die veränderten Rahmenbedingungen hinsichtlich der USA haben auf Seiten mexikanischer Institutionen zu einem verstärkten Interesse an akademischer Kooperation mit Deutschland (und anderen europäischen sowie asiatischen Partnerländern geführt), welches auch bei den deutschen Partnern auf großes Interesse stößt. Dabei kann die deutsch-mexikanische Kooperation bereits auf eine langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit zurückblicken. Derzeit

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sind jedes Semester über 2.800 Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben (womit Mexiko auf Rang drei in Lateinamerika liegt, nach Brasilien und seit Neuestem auch hinter Kolumbien), wobei die Tendenz weiter steigend ist. Zu dieser Entwicklung trägt unter anderem das vom DAAD in Co-Finanzierung mit dem nationalen Forschungs- und Technologierat (CONACYT) durchgeführte Förderprogramm für Master- und Promotionsstudien bei, welches jährlich durchschnittlich 100 Stipendiaten fördert, von denen 97% ihren Aufenthalt erfolgreich abschließen. Daneben ermöglicht das Jungingenieursprogramm Studierenden der Natur- und Ingenieurwissenschaften eine kombinierte Ausbildung in Deutschland (ein Semester an einer Hochschule, anschließend ein Industriepraktikum von vier bis sechs Monaten). Die Teilnehmer an diesen Austauschprogrammen nehmen alle vor der Ausreise an Sprachkursen teil. Vielfach – wie etwa beim Jungingenieursprogramm – ist die Erreichung eines bestimmten Niveaus (im genannten Falle A2 GER) Voraussetzung für die Einschreibung in das Förderprogramm. Auf diese Weise kommen zahlreiche mexikanische Studierende im Laufe ihrer akademischen Ausbildung mit Deutsch (und mit Deutschland) in Verbindung.

2.2 Wissenschaftliche Kooperation Im Bereich des Wissenschaftleraustauschs und der Forschungszusammenarbeit ist Mexiko für deutsche Partner ein Schwerpunktland in Lateinamerika, was unter anderem durch die Tatsache belegt wird, dass es im Lande eine DAAD-Außenstelle gibt. Ein Forschungsabkommen der DFG mit dem CONACYT erleichtert die gemeinsame Projektbeantragung mexikanischer und deutscher Institutionen. Derzeit arbeiten fünf Max-Planck-Institute mit mexikanischen Universitäten zusammen (unter anderem in Projekten in Rechtswissenschaften, Infektionskrankheiten, Kunstgeschichte und Astrophysik). Außerdem gibt es acht Projekte der Leibniz-Gemeinschaft mit Schwerpunkten in den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften. Schließlich ist neben zahlreichen Einzelprojekten im Bereich der Anthropologie, Archäologie sowie den Geistes- und Sozialwissenschaften das Maria Sibylla Merian Center for Advanced Latin American Studies (CALAS) zu nennen, welches 2016 in Kooperation mit den Universitäten Bielefeld, Kassel, Hannover und Jena an der Universidad de Guadalajara (UdeG) eröffnet wurde. Das Umfeld für die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Mexiko ist also sowohl in den Geistes- als auch in den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern sehr gut, zumal mit dem CONACYT ein für lateinamerikanische Verhältnisse zahlungskräftiger Partner für die Co-Finanzierung von Projekten zur Verfügung steht.

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2.3 Deutschlernerzahlen Bei der 2015 vom Auswärtigen Amt durchgeführten Datenerhebung Deutsch als Fremdsprache wurden für Mexiko 75.176 Deutschlerner gezählt (Auswärtiges Amt 2015). Davon entfallen 27.000 auf die insgesamt 240 Schulen, an denen Deutsch nach Englisch als zweite Fremdsprache unterrichtet wird (die Gesamtzahl der Schüler in Mexiko beträgt im gleichen Jahr 31.950.720). Damit haben sich die Zahlen in diesem Bereich im Vergleich zur letzten Erhebung (2010) nicht verändert. An den meisten Schulen mit Deutsch als Fremdsprache kommen die Lerner allerdings über absolute Grundkenntnisse nicht hinaus. Ein höheres Niveau erreichen die Schülerinnen und Schüler, die die zwölf von der Bundesrepublik Deutschland geförderten Partnerschulen (PASCH-Schulen) besuchen, wie im Folgenden noch konkretisiert wird. An den fünf deutschen Auslandsschulen lernen insgesamt ca. 3.220 Schülerinnen und Schüler Deutsch. Drei Standorte liegen im weiträumigen Gebiet von Mexiko-Stadt (bzw. im direkt angrenzenden Estado de México), zwei weitere in Puebla und Guadalajara. Nach Auskunft der Bonner „Zentralstelle für das Auslandsschulwesen“ (ZfA), die die Schulen personell und finanziell fördert, sind die Zahlen an den Standorten Xochimilco (im Südwesten der Hauptstadt) und Lomas Verdes (im Nordwesten) konstant, während sie an der Westschule „La Herradura“ wachsen. Dort gerät das 2013 erweiterte Schulgebäude schon wieder an seine Grenzen. Auch am Volkswagen-Standort Puebla wachsen die Schülerzahlen; derzeit besuchen dort 1.350 Kinder und Jugendliche die Deutsche Schule. In Guadalajara sind die Zahlen konstant (1.044). Die Attraktivität der deutschen Auslandsschulen ist jedoch nicht immer auf ein Interesse an der deutschen Sprache oder Kultur zurückzuführen. Für viele Familien ist bei der Schulwahl eher das hohe Prestige der relativ teuren Privatschule und die Möglichkeit der Netzwerkbildung handlungsleitend. Dennoch legen, unabhängig davon, ob die Schüler die deutsche Hochschulreifeprüfung, das mexikanische Bachillerato oder (in Guadalajara) ein IB anstreben, alle Schülerinnen und Schüler obligatorisch im Jahrgang vor den Abschlüssen die DSD-2-Prüfung ab und erreichen so ein Sprachniveau auf den Kompetenzstufen B2 oder C1 gemäß Europäischem Referenzrahmen. Sie erwerben somit die sprachliche Berechtigung für ein Hochschulstudium in Deutschland und mit dem deutschen Abitur auch die generelle Eignung zur Studienzulassung. Daher ist das von deutschen Hochschulen betriebene Marketing an den Deutschen Auslandsschulen in Mexiko in der Regel auch sehr erfolgreich, zumal hier – im Unterschied zu den großen Bildungsmessen wie der Europosgrados – neben den englischsprachigen auch deutschsprachige Studiengänge beworben werden können.

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Daneben gibt es zwei weitere von der ZfA geförderte Sprachdiplomschulen. Zum einen ist dies die Schweizer Schule Mexiko mit den Campi Mexiko-Stadt, Cuernavaca und Querétaro. Insgesamt lernen an den drei Standorten ca. 1.350 Schülerinnen und Schüler Deutsch; alle legen in ihrer Schullaufbahn das DSD1 (in der neunten Klasse) und das DSD2 (in der zwölften Klasse) ab. Zum anderen lernen an der deutschsprachigen Schule der religiösen Minderheit der Mennoniten im Bundesstaat Chihuahua ca. 600 Kinder und Jugendliche Deutsch. An dieser „Escuela Particular Álvaro Obregón“ nahe der Stadt Cd. Cuauhtémoc im Bundesstaat Chihuahua absolvieren alle Schülerinnen und Schüler im Laufe der Schulzeit beide DSD-Prüfungen. Etwa 70 legen jährlich das DSD1, 20 bis 30 das DSD2 ab (siehe auch Abschnitt 3). An den fünf vom Goethe-Institut geförderten FIT-Schulen lernen weitere etwa 1.000 junge Menschen Deutsch. Die große Mehrheit erwirbt im Laufe des DaF-Unterrichts Kompetenzen im Bereich der Niveaustufen A2 und B1. Höhere Kompetenzen erreichen die Schülerinnen und Schüler der „La Esperanza“Schule, die ebenfalls von der mennonitischen Minderheit in Chihuahua betrieben wird. Das größte öffentliche Gymnasium von Mexiko-Stadt, die „Escuela Nacional Preparatoria“ mit insgesamt etwa 40.000 Schülern an neun Standorten, die gewissermaßen als „Vor-Schule“ der nationalen Universität UNAM firmiert, wird 2018 als sechste FIT-Schule des Goethe-Institutes Mitglied der PASCH-Initiative. Die mangelnde Attraktivität des Deutschlehrer-Berufs stellt die größte Herausforderung bei der Ausschöpfung des schulischen Potenzials dar. Alle Sprachund Kulturmittler im schulischen Bereich berichten von großem Interesse an deutscher Sprache und Kultur. Eine hohe Fluktuation unter den Lehrkräften gefährdet immer wieder die Kontinuität und mindert die Quantität der Deutschprogramme. Hinzu kommt die Tatsache, dass auch Lehrer eingestellt werden, die selbst nur über ein geringes Deutschniveau (auf Stufe B1) und über keinerlei weitergehende didaktische oder sonstige Fachausbildung auf Master-Niveau verfügen. An öffentlichen Schulen hätte eine solche Ausbildung auch keine Auswirkungen auf das Gehalt, weshalb der Anreiz dafür gering ist. Allenfalls in Sprachund Privatschulen werden weitergehende Abschlüsse auch finanziell honoriert. An den 173 mexikanischen Universitäten, die Deutschprogramme anbieten, gab es 2015 insgesamt 27.000 Deutschlerner. Das bedeutet einen Zuwachs um 20% seit der Erhebung von 2010. Aber auch dieser Zuwachs spiegelt bei weitem noch nicht das Reservoir an Interessierten wider, denn das strukturelle Problem der hohen Nachfrage, die nicht annähernd befriedigt werden kann, setzt sich auch im Bereich des Deutschunterrichts an den Universitäten fort. Als Beispiel kann hier die größte Einrichtung des Landes genannt werden, die Facultad de

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Estudios Superiores (FES) auf dem Campus Acatlán der Nationaluniversität (UNAM). Hier lernen ca. 1.100 Studierende Deutsch. Pro Semester können 120 neue Plätze unter den ca. 2000 Bewerbern vergeben werden (persönliche Mitteilung von Alexander Au). Nicht verschwiegen werden darf jedoch, dass die vielen Deutschlerner an den Universitäten in der Regel keine hohen Kompetenzen in der Sprache erreichen. Für die meisten ist auf dem Niveau A2 Schluss. Selbst da, wo Kurse bis zum Niveau B2 angeboten werden, wie am Fremdsprachenzentrum CELE der UNAM, dünnen die Klassen in den höheren Niveaustufen stark aus, was auch zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass nur für wenige Studierende (jedenfalls an den öffentlichen Universitäten) eine realistische Möglichkeit besteht, Deutschland zu besuchen, sei es für eine touristische Reise oder zu Ausbildungszwecken. Angesichts des relativ zur Nachfrage beschränkten Zugangs zu Deutschlernplätzen an der Universität und auch aufgrund der erwähnten Schwierigkeit, ein über A2 hinausgehendes Niveau zu erreichen, ist der kommerzielle Markt für Deutsch in der Erwachsenenbildung recht groß. Deutsch wird in diesem Segment an 250 Einrichtungen unterrichtet, an denen insgesamt 25.000 Deutschlerner eingeschrieben sind. Hierbei ist das Goethe-Institut (GI) noch nicht mitgerechnet, welches mit 5.176 Schülern der größte Anbieter für Kurse ist, die an zwei Standorten in Mexiko-Stadt stattfinden (am GI und an der Deutschen Schule Lomas Verdes). Auch die bereits erwähnten Sprachschulen des Volkswagen-Konzerns in Puebla sind Belege für das Interesse an deutscher Sprache und Kultur bei Mexikanern, die sich auf einen Deutschlandaufenthalt oder auf Positionen an der Schnittstelle zwischen deutschem Konzern und mexikanischer Belegschaft vorbereiten möchten.

2.4 Deutschlehrerausbildung und -fachverband Wie aus den vorangegangenen Abschnitten deutlich wird, fehlt es insgesamt an Kursangeboten, um der wachsenden Nachfrage an Deutsch in Mexiko gerecht zu werden. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, existieren auch in der Tat eine Reihe von Studiengängen für die Lehrerausbildung, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. Am CELE der UNAM besteht seit 1979 eine Deutschlehrerausbildung (Curso de Formación de Profesores de Lenguas-Culturas), die in zwei Semestern zu einem landesweit anerkannten Abschluss führt. Die Ausbildung kombiniert sprachwissenschaftliche Inhalte mit didaktischen Fragestellungen. Die Dozenten des Kurses sind mehrheitlich Teil der angesehenen Abteilung für Angewandte

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Sprachwissenschaft (DLA) des CELE, und die Absolventen unterrichten nach ihrem Abschluss oft selbst im CELE, wo über 700 Deutschlerner eingeschrieben sind (Steffen 2010: 1742). An der bereits erwähnten FES Acatlán (ebenfalls UNAM) wird seit 2004 ein grundständiges achtsemestriges Studium mit dem Titel Licenciatura en Enseñanza de Lenguas (LICEL) als Fernstudium mit einer möglichen Spezialisierung in Deutsch angeboten, wovon aber derzeit nur ca. fünf Studierende Gebrauch machen (persönliche Mitteilung von DAAD-Lektorin Josefin Hahn). Auch wenn er nicht ausdrücklich als Deutschlehrerausbildung konzipiert ist, stellt der binationale Master in Deutsch als Fremdsprache (Estudios interculturales de lengua, literatura y cultura alemanas) an der Universität Guadalajara (UdeG), der in Kooperation mit dem Herder-Institut in Leipzig an beiden Standorten (je ein Semester in Leipzig und in Guadalajara) durchgeführt wird, einen wichtigen Baustein in der DaF-Landschaft Mexikos dar. Der im Wintersemester 2008/09 eingeführte zweijährige Kurs, der mit einem deutsch-mexikanischen Doppeldiplom endet, soll in erster Linie professionelle Multiplikatoren hervorbringen, die ihrerseits den Lehrernachwuchs ausbilden. Daneben sind als mögliche Berufsfelder leitende Stellen im Medien- und Verlagswesen sowie in Sprachund Kultureinrichtungen vorgesehen. Der Studiengang hat ca. vier bis sieben mexikanische und drei bis vier deutsche Absolventen pro Jahr. Diese relativ geringe Zahl ist in erster Linie auf zwei Faktoren zurückzuführen, erstens den bereits erwähnten mangelnden finanziellen Anreiz eines Postgraduiertentitels sowie zweitens auf die hohen sprachlichen Eingangsvoraussetzungen (B2 in Deutsch in allen Bereichen; B2 in Spanisch (Leseverständnis) und B1 in allen anderen Bereichen). Schließlich ist noch die 1966 gegründete Germanistik an der Philosophischen Fakultät der UNAM zu nennen, die traditionell zwar sehr literaturwissenschaftlich ausgerichtet ist, aus der aber auch zahlreiche Beiträge zur interkulturellen, kulturkontrastiven wie auch didaktischen Forschung insbesondere im Verhältnis zwischen Deutschland und Mexiko hervorgegangen sind (Gräfe 2010: 80). Der seit 1992 bestehende Deutschlehrerverband Mexikos (Asociación Mexicana de Profesores de Alemán; AMPAL) hat laut Satzung zum Ziel, die Unterrichts- und Forschungstätigkeiten in DaF zu unterstützen, die deutsche Sprache und Kultur in Mexiko zu fördern sowie den Austausch und die Vernetzung der Deutschlehrer in Mexiko untereinander wie auch mit dem Ausland zu ermöglichen. Der Verband gibt eine Zeitschrift heraus (Info-Ampal) und organisiert jährliche Treffen (im Wechsel in der Hauptstadt und in einer anderen mexikanischen Stadt). Diese dienen unter anderem auch der Weiterbildung der Lehrer, da unter

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diesen nicht wenige sind, die als muttersprachliche Quereinsteiger über keine formelle Ausbildung für den ausgeübten Beruf verfügen. Zur Unterstützung dieser Fortbildungen, aber insbesondere auch zur Begleitung und Professionalisierung der grundständigen DaF-Studiengänge, fördert der DAAD in Mexiko vier Lektorate (CELE und FES Acatlán, UdeG, UANL) und drei Sprachassistenzen.

3 Deutschsprachige Einwanderer in Mexiko (Mennonitensiedlungen) Im Unterschied zu anderen Ländern auf dem Kontinent hat es deutsche Einwanderer in Mexiko im XIX. Jahrhundert vornehmlich in die Städte gezogen (Bernecker 2012: 243). Hier haben sich im Gegensatz etwa zu den relativ ländlichen Siedlergruppen in Südbrasilien keine geschlossenen Sprachgemeinschaften gehalten. In diesem Sinne stellen die ab 1922 aus Kanada eingewanderten Altkolonier-Mennoniten eine Ausnahme für Mexiko dar. Sie haben sich hauptsächlich im Bundesstaat Chihuahua (später auch in Durango und Campeche) niedergelassen. Die Umgangssprache ist Plautdietsch, für den Außenkontakt beherrschen die meisten jedoch auch Spanisch (und viele Englisch). Hochdeutsch wird hingegen bei den mexikanischen Altkoloniern traditionell nur im religiösen Bereich verwendet (zur Lektüre der Bibel und des Katechismus und bei der Predigt). Ammon (2015: 393) hat daher sicher nicht Unrecht, wenn er die Stellung des Hochdeutschen bei den konservativeren Gruppen daher als einen „Hagiolekt“ bezeichnet, der außerhalb ritualisierter Zwecke nicht zu kreativer Sprachverwendung taugt. Allerdings zeichnet sich in den letzten Jahren ein Umbruch ab, der auch das hergebrachte Varietätengefüge betrifft (siehe auch Ammon, Bickel & Lenz 2016: LXII-LXIII). Die Ökonomie der Mennoniten ist landwirtschaftsbasiert, aber auch hier hat sich mittlerweile in vielen Bereichen ein moderner Lebensstil mit zum Teil ausdifferenzierten Berufsgruppen herausgebildet, weshalb vielen Familien die früher übliche sechsjährige, und nur auf Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen ausgerichtete, Schullaufbahn in den selbstverwalteten Schulen nicht mehr ausreichend erscheint. Unter anderem aus diesen Gründen hat sich der von Kaufmann (1997: 64; siehe auch Kaufmann im vorliegenden Band) bei der „Kleinen Gemeinde“ bereits beobachtete Prozess der sprachlichen Erneuerung im Hochdeutschen auch bei anderen Gruppen weiter fortgesetzt. Insbesondere die Schule La Esperanza der Gottesgemeinde (mittlerweile PASCH-Schule, siehe

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oben Abschnitt 2.3) sowie die vom Comité Pro-Mejoramiento Educacional Menonita A.C. betriebene Álvaro-Obregón-Schule in Blumenau unternehmen Anstrengungen in dieser Richtung und suchen dabei auch vermehrt die Anbindung an Deutschland und die Mittlerorganisationen wie die ZfA. Die Altkolonierschulen haben bereits auf diese Entwicklung reagiert und ihre Curricula teilweise modernisiert. Aus weltanschaulichen Gründen werden moderne Lehrwerke aus Deutschland in diesen Schulen (wie auch in der Kleinen Gemeinde der Quellenkolonie) zwar abgelehnt, aber die sich abzeichnende weitere Öffnung der Kolonien ließe sich für den Ausbau der Deutschförderung sowie letztlich der Kooperation zwischen Deutschland und Mexiko nutzen, zumal die kulturellen und sprachlichen Wurzeln die Kolonien hierfür prädestinieren, wie die bisherigen erfolgreichen Leuchtturmprojekte der Álvaro-Obregón-Schule sowie der La Esperanza-Schule zeigen. Dass dabei eine besondere Berücksichtigung der religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen und Traditionen essentiell ist, steht außer Frage.

4 Zusammenfassung und Ausblick In den vorangegangenen Abschnitten haben wir immer wieder den hohen Bedarf an Deutschunterricht betont. Dieser ergibt sich durchaus nicht nur aus einem allgemeinen Interesse, sondern ist häufig mit der konkreten Motivation verbunden, entweder in der Ausbildung oder im Berufsleben in einem der zahlreichen Felder deutsch-mexikanischer Kooperation zu agieren, die sich aus der starken Präsenz deutscher Unternehmen in Mexiko, dem Tourismus oder im Bereich der akademischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit ergeben. Dennoch werden die qualitativ guten Angebote zur Deutschlehrerausbildung, die es insbesondere an der UNAM in Mexiko-Stadt oder der UdeG in Guadalajara gibt, kaum nachgefragt. Die Einschreibe- und Absolventenzahlen pro Semester sind oft buchstäblich an einer Hand abzuzählen, obgleich der Bedarf an Deutschlehrern selbstverständlich entsprechend hoch ist. Der gordische Knoten aus geringer Qualifikation, schlechter Bezahlung und gleichzeitigem Mangel an Deutschlehrern wurde schon in den Überblicksartikeln zu Mexiko von Fandrych (2001) und Steffen (2010) registriert. Auch 2017 hat sich an dem Bild noch nicht viel geändert. Ob dieser Knoten zerschlagen werden kann, um das große Potenzial für DaF in Mexiko in konkrete Sprachkompetenz umzusetzen und zu entwickeln, ist ebenso eine offene Frage wie im Bereich der Wirtschaftsleistung, wo ebenfalls strukturelle und kulturelle Hemmnisse (Monopolmärkte, Misswirtschaft und Korruption) immer wieder eine positive Entwicklung erschweren. Vermutlich wird der

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Knoten nicht mit einer einzelnen Maßnahme zu zerschlagen sein, sondern muss durch langfristige Qualifizierungsstrategien und daraus resultierende Lohnentwicklungen langsam aufgeknüpft werden. Die aktuelle Entwicklung im Verhältnis mit dem nördlichen Nachbarn bietet dafür jedoch eine hervorragende Ausgangslage, die nicht verpasst werden sollte, zumal die Konkurrenz der chinesischen Konfuzius-Institute (unter anderem an der UNAM) bereits in den Startlöchern steht.

Literaturverzeichnis Ammon, Ulrich (2015): Die Stellung der deutschen Sprache in der Welt, Berlin u.a.: de Gruyter. Ammon, Ulrich, Hans Bickel & Alexandra N. Lenz (2016): Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz, Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol sowie Rumänien, Namibia und Mennonitensiedlungen. Völlig neu bearb. 2. Aufl. Berlin/Boston: de Gruyter. Au, Alexander & Faber, Susanne (Hrsg.) (2017): Mexiko. Daten & Analysen zum Hochschul- und Wissenschaftsstandort, 2017, Bonn: DAAD. Auswärtiges Amt/Netzwerk Deutsch (Hrsg.) (2015): Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015, Berlin: Bonifatius. Bernecker, Walther L. (2012): Naturales del país y forasteros. La sociedad mexicana y alemanes residentes en México en el siglo XIX. In Sabine Pfleger, Joachim Steffen & Martina Steffen (Hrsg.), Alteridad y aliedad. La construcción de la identidad con el otro y frente al otro, 219–250. México: UNAM. Ehringfeld, Klaus (2014): Der aztekische Tiger. In GATE-Germany (Hrsg.), Länderprofil Mexiko, 28–29. Frankfurt am Main: Frankfurter Societäts-Medien. Fandrych, Christian (2001): Deutschunterricht und Germanistik in Mexiko. In Lutz Götze, Gerhard Helbig, Gert Henrici & Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, HSK 19.2, 1438–1446. Berlin/New York: de Gruyter. Gräfe, Florian (2010): Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in Mexiko. In Annegret Middeke (Hrsg.), Entwicklungstendenzen germanistischer Studiengänge im Ausland. Sprache – Philologie – Berufsbezug, 77–82. Göttingen: Universitätsverlag. Kaufmann, Göz (1997): Varietätendynamik in Sprachkontaktsituationen: Attitüden und Sprachverhalten rußlanddeutscher Mennoniten in Mexiko und den USA. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang. Steffen, Joachim (2010): Deutsch in Mexiko. In Hans-Jürgen Krumm, Christian Fandrych, Britta Hufeisen & Claudia Riemer (Hrsg.), Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: ein internationales Handbuch, HSK 35.2, 1740–1744. Berlin: de Gruyter.