200 82 14MB
German Pages 225 [228] Year 2003
Ingo Reich Frage, Antwort und Fokus
studia grammatica Herausgegeben von Manfred Bierwisch unter Mitwirkung von Hubert Haider, Stuttgart Paul Kiparsky, Stanford Angelika Kratzer, Amherst Jürgen Kunze, Berlin David Pesetsky, Cambridge (Massachusetts) Dieter Wunderlich, Düsseldorf
studia grammatica 55
Ingo Reich
Frage, Antwort und Fokus
Akademie Verlag
ISBN 3-05-003847-0 ISSN 0081-6469 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2003 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into another languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Druck und Bindung: Primus Solvero, Berlin Printed in the Federal Republic of Germany
Inhaltsverzeichnis Einleitung
1
1
5
Grundlegendes zur F/A-Kongruenz 1.1 1.2
1.3
1.4
1.5 2
5 7 7 7 10 10 11 13 15 17 17 18 19
Zwei Modelle zur F/A-Kongruenz
21
2.1
21 22 26 28 35 38 39 41 47
2.2
3
Eine erste Generalisierung Nochmals: E-Interrogativsatz und F/A-Kongruenz 1.2.1 Qualifizierte' E-Fragen 1.2.2 Alternativfragen Nochmals: vv-Interrogativsatz und F/A-Kongruenz 1.3.1 Tag-Fragen 1.3.2 Distributive Lesarten in w-Fragen 1.3.3 Komplexe w-Phrasen und F/A-Kongruenz 1.3.4 Die Flexibilität der w-Phrasen wie und was Zur ,Schachtelung'von Interrogativsätzen 1.4.1 Fall 1: E-Interrogativsatz als Matrixsatz 1.4.2 Fall 2: w-Interrogativsatz als Matrixsatz Zusammenfassung
Der kategoriale Ansatz 2.1.1 Termantwort: Term oder sententiale Struktur? 2.1.2 Von der Satz-zur Termantwort: FHG & Ellipse 2.1.3 Kategoriale Interrogativsatz-und kategoriale Fokussemantik . . . 2.1.4 Zur Annahme minimal fokussierter w-Phrasen 2.1.5 Kategoriale Interrogativsatz-oder kategoriale Fokussemantik? . . Der propositionale Ansatz 2.2.1 Die denotationelle Alternativensemantik 2.2.2 Die repräsentationeile Alternativensemantik
Strukturierte Bedeutung und F/A-Kongruenz
61
3.1
62 62 63 67 68
3.2 3.3
F/A-Kongruenz in w-Fragen 3.1.1 Fragen als Mengen strukturierter Propositionen 3.1.2 Die Kongruenzbedingung Die rhetorischen Relationen a s k und a n s w e r Integration in eine Theorie der F-Markierung
vi
Inhaltsverzeichnis 3.3.1
3.4
3.4.3
3.5
3.6
3.7 4
4.3 4.4
LF, Repräsentation und Interpretation Ein Modell für strukturierte Bedeutungen 4.2.1 Typen für strukturierte Bedeutungen 4.2.2 Lexikon und Syntax 4.2.3 Semantik Variablenbelegungen in der Objektsprache Der Übersetzungsprozess
68
69 70 70 71 72
75 75 77 80 81 83 85 87 89 89 91 92 95 96 98 101
Zur Analyse von w-Interrogativsätzen und einfachen w-Phrasen
105
5.1 5.2
105 106 107 109 111 111 113 115 115 116 119 121 121 124
5.3
5.4
5.5
6
D i e Beschränkung FUNCE
Die Interpretation minimaler Foki in w-Fragen 3.5.1 Exkurs: Zur Semantik propositionaler Einstellungen 3.5.2 Das stechowsche Problem und eine erste Lösung Fragen im Kontext 3.6.1 Zur pragmatischen Präsupposition von Interrogativsätzen 3.6.2 Zur Funktion von Frage und Antwort im Kontext 3.6.3 Das stechowsche Problem und eine zweite Lösung Zusammenfassung
Ein formales Modell 4.1 4.2
5
Die Beschränkung RHET-REL
3.3.2 GlVEN - eine kategoriale Definition FHG und die Semantik von w-Phrasen 3.4.1 FHG in Antworten 3.4.2 FHG in Fragen
LF und Interpretation im propositionalen Ansatz LF und Interpretation im MsP-Ansatz 5.2.1 Zur direkten Übertragbarkeit der logischen Form 5.2.2 W-Phrasen nicht-quantifikationell Indefinitheit und Auswahlfunktion 5.3.1 Indefinita: quantifikationell oder nicht-quantifikationell? 5.3.2 (Bestimmte) Indefinita denotieren Auswahlfunktionen Auswahlfunktionen im MsP-Ansatz 5.4.1 Zum Extensionalitätsproblem bei w-Phrasen 5.4.2 Auswahlfunktion und w-Phrase im MsP-Ansatz 5.4.3 Drei weitere Bemerkungen zur Analyse von w-Phrasen Multiple w-Interrogativsätze im MsP-Ansatz 5.5.1 LF und Interpretation multipler w-Interrogativsätze 5.5.2 Zur Inselsensitivität coverter w-Bewegung
Zur Semantik von Assoziation mit Fokus
129
6.1 6.2
129 130 130 133
Indefinita, w-Phrasen und Fokus Eine kategoriale in situ-Analyse 6.2.1 Die grundlegende Idee 6.2.2 Zum kompositionellen Aspekt
Inhaltsverzeichnis
6.3
7
145
7.1 7.2
145 146 146 147 148 150 153 154 155 168
Komplexe w-Phrasen und F/A-Kongruenz (LF) Pied Piping 7.2.1 Pro LF Pied Piping 7.2.2 Contra LF Pied Piping 7.2.3 Auswahlfunktionen und LF Pied Piping 7.2.4 Auswahlfunktionen und Pied Piping (Komplexe) w-Phrasen im MsP-Ansatz 7.3.1 Einfache w-Phrasen 7.3.2 Komplexe w-Phrasen 7.3.3 Verwandte Aspekte
F/A-Kongruenz: Weitere Aspekte
173
8.1
173 175 180 181 183 185 187 189 194 195 196 197 198
8.2
8.3
8.4 9
134 137 138 140 141
Zur Analyse komplexer w-Phrasen
7.3
8
6.2.3 Einige Ergebnisse Zur Inselsensitivität von Assoziation mit Fokus 6.3.1 Das semantische Argument 6.3.2 Das syntaktische Argument 6.3.3 Die Inselsensitivität von Fokus: ein Epiphänomen?
vii
Nochmals w-Fragen: Distributive Lesarten 8.1.1 Zum büringschen ,S-Topik'-Ansatz 8.1.2 Topikakzent oder (kontrastiver) Fokusakzent? 8.1.3 Die rhetorische Relation c o n t r a s t 8.1.4 Listenlesarten - ein Fall distributiver Topiks 8.1.5 Listenantworten - ein Fall kontrastiver Topiks Entscheidungsfragen 8.2.1 Die rhetorischen Relationen a g r e e und d i s a g r e e 8.2.2 Termantworten auf E-Fragen - Fälle kontrastiver Foki Alternativfragen 8.3.1 Eine Skopus-Analyse 8.3.2 Eine Fokus-Analyse ,Tag'-Fragen
Ausblick und Zusammenfassung
201
9.1
201 201 204 205
9.2
Ausblick 9.1.1 Rhetorische Relation und unselbständiger Interrogativsatz . . . . 9.1.2 Strukturierte Proposition und unselbständiger Interrogativsatz . . Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
209
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner unter dem Titel Zur Kongruenz von Frage und Antwort im Deutschen bei der Neuphilologischen Fakultät der Universität Tübingen eingereichten und im November 2001 angenommenen Dissertation. Den Gutachtern Marga Reis, Jürgen Pafel, Arnim von Stechow und Wolfgang Sternefeld möchte ich herzlichst für ihre ausführlichen und hilfreichen Kommentare danken, Manfred Bierwisch für sein Interesse und die Aufnahme in die Reihe Studia Grammatica. Entstanden ist diese Arbeit während meiner Zeit im Projekt A3 des Sonderforschungsbereichs 340 Sprachtheoretische Grundlagen für die Computerlinguistik und am Deutschen Seminar der Universität Tübingen. Allen meinen ehemaligen und jetzigen Kollegen, insbesondere Heike Bötz, Franz d'Avis, Ulrike Demske, Veronika Ehrich, Pawel Karnowski, Uli Lutz, Jörg Meibauer, Irene Rapp, Monika Rathert, Susanne Trissler und Heike Winhart, sei gedankt für die außerordentlich angenehme und freundschaftliche Zusammenarbeit. Mein ganz besonderer Dank gilt Jürgen Pafel und Marga Reis, die nicht nur mein Interesse an der Sprachwissenschaft geweckt, sondern mich auch immer ermutigt und unterstützt haben. Gewidmet ist diese Arbeit meiner Frau Ulrike. Tübingen, im Oktober 2002
Ingo Reich
Einleitung Dass Fragen und Antworten innerhalb des Systems menschlicher Kommunikation eine zentrale Rolle spielen, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Wie Fragen gestellt werden und was als Antwort auf eine gestellte Frage gilt, lernt jeder von uns mehr oder weniger mühelos in frühestem Kindesalter; das Stellen und das Beantworten von Fragen ist für die meisten unter uns eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Dies könnte suggerieren, dass der Vorgang des Fragens und Antwortens an sich kein sehr komplexer Vorgang sein kann und daher als Forschungsgegenstand eher uninteressant ist. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Während man zwar schnell mit einer deskriptiven Beschreibung der Frage/Antwort-Situation bei der Hand ist - die Frage präsentiert eine .Wissenslücke' des Fragenden, die durch Beantwortung der Frage durch den Adressaten geschlossen werden soll - , ist doch recht unklar, wie diese kognitive Lücke präsentiert und wie sie geschlossen wird. Die Frage nach dem wie ist dabei in erster Linie die Frage nach der Syntax, Semantik und Pragmatik selbständiger Interrogativsätze. Ausgangs- oder zumindest zentraler Bezugspunkt einer Untersuchung selbständiger Interrogativsätze muss die Feststellung sein, dass der Prozess des Fragens seinem Wesen nach dynamisch ist. Es liegt offenbar in der Natur der Frage, dass ihr ein sprachlicher und/oder nichtsprachlicher Kontext folgt, der sich direkt auf die gestellte Frage bezieht. Fragen werden - möglicherweise bis auf wenige Ausnahmen wie deliberative Fragen gestellt, um beantwortet zu werden. Diesen der Frage nachfolgenden Kontext möchte ich ,Posttext' nennen. Ebenso wird jede Frage - auch jede initiative - in Bezug auf einen sprachlichen und/oder nichtsprachlichen Hintergrund geäußert, den man entsprechend als ,Prätext' bezeichnen kann. Schematisch stellt sich die Beziehung zwischen Frage und Kontext also wie in Abbildung 1 skizziert dar.
E Prätext
Abbildung 1: Frage und Kontext Von der einzelnen Fragesituation abstrahierend, stellen sich damit unmittelbar folgende Fragen: „Welcher Natur sind Prä- und Posttext?", „Welcher Natur ist die Beziehung der Frage zu ihrem Prätext bzw. zu ihrem Posttext?", und nicht zuletzt, „Was können wir aus diesen Beziehungen im Hinblick auf die Natur, d.h. .die Grammatik der Frage bzw. des
2
Einleitung
ihr zugrunde liegenden Interrogativsatzes selbst folgern?". Wie die Partitionierung des Begriffs Kontext in die Begriffe Prätext und Posttext bereits suggeriert, gehe ich davon aus, dass die Beziehungen Prätext zu Frage und Frage zu Posttext prinzipiell getrennt voneinander behandelt werden können. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das Verhältnis von Frage und Posttext, oder anders formuliert: das Problem der Frage/Antwort-Kongruenz (kurz: F/A-Kongruenz). Auf die Beziehung von Fragen zu ihrem Prätext wird nur insoweit eingegangen, als diese für mit der Kongruenz von Frage und Antwort zusammenhängende Problemstellungen unmittelbar relevant ist. Das Problem der F/A-Kongruenz selbst kann nun konkret durch folgende zwei Fragestellungen umrissen werden. Gegeben ein Interrogativsatz und ein natürlichsprachlicher Ausdruck A: (i) Wann bildet die Sequenz (4>. A) eine wohlgeformte F/A-Sequenz? (ii) Warum bildet die Sequenz (4>, A) eine wohlgeformte F/A-Sequenz? Die Beantwortung der ersten Frage hat im Wesentlichen deskriptiven Charakter und bereitet den Boden zur Beantwortung der zweiten Frage. Fokussiert wird hierbei - zunächst ein intuitives Verständnis von .Direktheit' voraussetzend - auf so genannte .direkte' Antworten. Die weitgehende Beschränkung auf direkte Antworten ist zwar an sich nicht unproblematisch, ist aber dann gerechtfertigt, wenn gezeigt oder zumindest plausibel gemacht werden kann, dass auf der Basis einer Konkretisierung des Begriffs der direkten Antwort die Menge wohlgeformter und als .indirekt' bewerteter Antworten abgeleitet und somit auch der Begriff der .indirekten Antwort' sinnvoll konkretisiert werden kann. Die eigentliche Herausforderung stellt offenbar die Beantwortung der zweiten Frage dar. In der vorliegenden Arbeit wird die These vertreten, dass sich die Wohlgeformtheitsbedingungen für F/A-Sequenzen aus dem Zusammenspiel von Interrogativsatzsemantik, Fokussemantik und der Semantik rhetorischer Relationen ergeben. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Auffassung von interrogativen Elementen wie w-Phrasen als funktionale, d.h. strukturerzeugende Ausdrücke. Damit reiht sich diese Arbeit in die Tradition derjenigen Ansätze ein, die versuchen, die Wohlgeformtheitsbedingungen für F/A-Sequenzen auf semantische und pragmatische Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen. Dementsprechend wird auf syntaktische Aspekte selbständiger Interrogativsätze nur insoweit eingegangen, als sie relevant für die semantische und pragmatische Interpretation sind bzw. zur Problematisierung des semantopragmatischen Ansatzes beitragen. Was die Abgrenzung der semantischen von der pragmatischen Ebene betrifft, werde ich diejenigen Aspekte der Interpretation von Interrogativsätzen als genuin semantisch betrachten, die eine Generalisierung über beliebige Kontexte hinweg erlauben. Eine notwendige Bedingung hierfür ist meines Erachtens die Relevanz des fraglichen Phänomens auch unter Einbettung. Die vorliegende Arbeit gliedert sich wie folgt: Nach Präsentation der relevantesten Daten in Kapitel 1 werden in Kapitel 2 bereits existierende Ansätze zur Modellierung der Wohlgeformtheitsbedingungen für F/A-Sequenzen vorgestellt und evaluiert. Zu diskutieren sind hier vor allem der ,kategoriale' (vgl. von Stechow 1981) sowie der .propositionale' Ansatz (vgl. Rooth 1985). In diesem Zusammenhang wird dafür argumentiert werden, dass nicht-sententiale Antworten - so genannte .Termantworten' - in wohlgeformten F/ASequenzen im Wesentlichen die FHG möglicher sententialer Antworten widerspiegeln.
Einleitung
3
Aufbauend auf den Ergebnissen des vorangegangenen Kapitels werde ich dann in Kapitel 3 - in einem vergleichsweise informellen Rahmen - einen Ansatz formulieren, der die Vorteile der kategorialen Fokussemantik mit den Vorteilen der Interrogativsatzsemantik, die dem propositionalen Ansatz zugrunde liegt, vereint. Kern dieses Modells ist der Begriff der .strukturierten Bedeutung'. Etwas vereinfachend formuliert werde ich vorschlagen, dass Interrogativsätze Mengen strukturierter Propositionen denotieren (MsP-Ansatz). Die Struktur dieser strukturierten Propositionen reflektiert dabei die FHG möglicher Antworten und wird durch lexikalische Eigenschaften interrogativer Elemente wie z.B. w-Phrasen erzeugt. Diese werden folglich als strukturerzeugende Ausdrücke modelliert, die den Fokus der Antwort lexikalisch,markieren'. Die Determination der FHG in Antworten erfolgt in diesem Ansatz also nicht rein pragmatisch über den Begriff der .gegebenen Information', sondern auch und gerade über lexikalische Eigenschaften interrogativer Elemente, bleibt dabei aber mit dem informationstheoretischen Zugang zur FHG vereinbar. Um zeigen zu können, dass der in Kapitel 3 skizzierte Ansatz tatsächlich präzisierbar ist, wird in Kapitel 4 ein formales Modell zur Repräsentation strukturierter Bedeutungen und zur Interpretation logischer Formen entwickelt und in den relevanten Aspekten illustriert. Auf der Basis dieses Modells erfolgt dann in Kapitel 5 die eigentliche Präzisierung des in Kapitel 3 skizzierten Ansatzes. Nach einer eingehenden Diskussion der syntaktischen und semantischen Komposition von w-Interrogativsätzen wird ausgehend von neueren Vorschlägen zur Semantik von Indefinita eine semantische Analyse von w-Phrasen über Aus Wahlfunktionen vorgeschlagen, die zum einen der Verwandtschaft von Indefinita und w-Phrasen Rechnung trägt, zum anderen aber auch ihrem unterschiedlichen Verhalten in Bezug auf die (Nicht-)Beachtung von Inselbeschränkungen im Deutschen. Die in Kapitel 5 vorgeschlagene semantische Analyse einfacher w-Fragen führt in Kapitel 6 zu einer nochmaligen Evaluation und schließlich zu einer Reformulierung der kategorialen Fokussemantik, die zentrale Probleme der Syntax und Semantik von Fokus zu lösen in der Lage ist. Es wird argumentiert, dass Assoziation mit Fokus ein genuin inselinsensitives Phänomen darstellt und bestimmte in der Literatur beobachtete .Inseleffekte' als ein Epiphänomen der Inselsensitivität von w-Phrasen betrachtet werden sollten. In Kapitel 7 wird die Syntax und Semantik komplexer w-Phrasen diskutiert. Die zentrale These dieses Kapitels besteht in der Annahme, dass komplexe w-Phrasen sowohl in Bezug auf ihre Syntax als auch in Bezug auf ihre Semantik - modulo Fragen der Selbständigkeit - als .verallgemeinerte w-Interrogativsätze' aufzufassen und folglich syntaktisch und semantisch völlig parallel zu diesen zu analysieren sind. Es wird gezeigt, dass diese Auffassung zu einer adäquaten Modellierung der F/A-Kongruenz im Fall komplexer - insbesondere auch multipler - w-Phrasen führt, und angedeutet, welche Konsequenzen diese Auffassung für die Analyse so genannter was.. .w-Konstruktionen haben könnte. In Kapitel 8 wird zum einen das Problem der distributiven Lesart in w-Fragen diskutiert und gezeigt, dass eine adäquate Präzisierung des Begriffs des kontrastiven Topiks erlaubt, die in den vorangegangenen Kapiteln entwickelte Kongruenzbedingung für F/ASequenzen unverändert beizubehalten. Zum anderen wird der Bereich der F/A-Kongruenz in Entscheidungs-, Alternativ- und Tag-Fragen angegangen. Im Anschluss an Kapitel 8 werden schließlich die Ergebnisse dieser Arbeit nochmals zusammengefasst, und ein Ausblick auf weitere mit der Thematik dieser Arbeit zusammenhängende Fragestellungen und Phänomenbereiche gegeben.
Kapitel 1
Grundlegendes zur F/A-Kongruenz 1.1
Eine erste Generalisierung
Interrogativsätze werden in den traditionellen Grammatiken des Deutschen sowie in der älteren und neueren germanistischen Forschung (vgl. z.B. Paul 1920; Altmann 1987,1993; Brandt et al. 1992) mindestens in Ergänzungs- bzw. w-Interrogativsätze, vgl. (la), sowie Entscheidungs- bzw. ja/nein-Interrogativsätze, vgl. (lb), unterteilt. (1)
a. b.
Wer hat Petra geküsst? Hat Peter Petra geküsst?
Die Unterscheidung kann dabei syntaktisch begründet und weitgehend an der Präsenz bzw. Nicht-Präsenz eines interrogativen w-Elements wie wer, wie, was, wieso, weshalb, warum etc. sowie an der Verbstellung festgemacht werden. Der syntaktischen Unterscheidung scheint darüberhinaus systematisch ein Unterschied in Bezug auf die Art und Weise der Beantwortung der jeweiligen Frage zu entsprechen. 1 So wird durch das Stellen einer w-Frage in aller Regel „ein Satzglied in Frage gestellt" (Paul 1920, 135), welches dann auch als Antwort dienen kann, vgl. (2). (2)
a. b. c. d.
Was hat Peter gesagt? Dass er eine Frau geküsst hat. Wer hat eine Frau geküsst? Peter. Wen hat Peter geküsst? Eine Frau. Wer hat wen geküsst? Peter eine Frau.
In (2a) wird ein Ergänzungssatz, genauer ein dass-Satz, erfragt, in (2b) und (2c) werden durch die w-Pronomina wer bzw. wen einzelne Nominalgefüge (bzw. Nominalphrasen) 1 Der Begriff .Interrogativsatz' bezieht sich hier und im Folgenden auf die Ebene der Syntax und bezeichnet einen (bzw. eine Klasse von) spezifizierbaren, aber hier nicht weiter spezifizierten Satztyp (vgl. aber z.B. die Diskussion in Brandt et al. 1992). Der Begriff .Frage' bezieht sich in der Regel auf die interrogative Verwendung eines Interrogativsatzes in einem bestimmten Kontext. Bisweilen wird der Begriff .Frage' aber auch auf die semantische Ebene bezogen, in welchem Fall das Denotat, d.h. die Bedeutung eines Interrogativsatzes gemeint ist. Im Allgemeinen bevorzuge ich jedoch die Umschreibung .Bedeutung/Denotation des Interrogativsatzes'.
6
1. Grundlegendes zur
F/A-Kongruenz
erfragt und in (2d) eine Sequenz bestehend aus zwei Nominalgefügen. Nicht-sententiale Antworten dieser Art werden im Folgenden als ,TermantWorten' oder auch als .kategoriale' Antworten bezeichnet. Die Beantwortung einer w-Frage durch eine Termantwort ist dabei offensichtlich nicht beliebig, sondern unterliegt im Allgemeinen klaren syntaktischen und/oder semantischen Restriktionen. So scheint eine wohlgeformte Termantwort mit der entsprechenden w-Phrase in Bezug auf grammatische Funktion, vgl. (3a), syntaktischen und/oder semantischen Typ, vgl. (3b), und sortale Restriktion, vgl. (3c), übereinstimmen bzw. kongruieren zu müssen. 2 (3)
Wen hat Petra geküsst? a. *Ein Mann. / *Eines Mannes. / *Einem Mann. / Einen Mann. b. Einen Mann. / *Dass sie einen Mann geküsst hat. c. Einen Mann. / #Einen Taler. d. *Ja. / *Nein.
Während nun die Beantwortung einer w-Frage (ohne Tag) durch ja und nein offenbar ausgeschlossen ist, vgl. (3d), werden Entscheidungsfragen (E-Fragen) wie (4) typischerweise gerade durch Antwortpartikeln dieser Art beantwortet. Da Entscheidungsinterrogative (E-Interrogative) nach obiger Kategorisierung per definitionem keine interrogativen wPhrasen aufweisen, ist es nicht überraschend, dass Termantworten im oben spezifizierten Sinne prinzipiell als Antworten auf E-Fragen ausgeschlossen sind, vgl. (4b). (4)
Hat Peter eine Frau geküsst? a. Ja. / Nein. b. *Peter. / *Hans.
Die bisherigen Beobachungen legen nahe, dass E-Interrogative und w-Interrogative nicht nur hinsichtlich ihrer kategorialen Füllung, sondern eben auch hinsichtlich der Wohlgeformtheitsbedingungen für F/A-Sequenzen disjunkte Kategorien bilden. Dies erlaubt die Formulierung einer ersten, vorläufigen deskriptiven Generalisierung in Bezug auf das Problem der F/A-Kongruenz. (5)
2
Eine erste deskriptive Generalisierung a. E-Fragen werden durch Antwortpartikeln wie ja oder nein beantwortet. b. W-Fragen werden durch eine Sequenz von Termen (Satzgliedern) beantwortet. Dabei kongruiert jeder Term (im obigen Sinne) mit genau einer w-Phrase des fraglichen w-Interrogativsatzes, und umgekehrt kongruiert jede dieser wPhrasen mit genau einem Term in der Antwort.
Der Begriff der .grammatischen Funktion' wird hier als aus der traditionellen Grammatik bekannt vorausgesetzt; wie der Begriff der .sortalen Restriktion' zu verstehen ist, sollte aus obigem Beispiel unmittelbar deutlich werden. Mit .syntaktischem Typ' eines Ausdrucks ist dessen syntaktische Kategorisierung als Nominalgefüge (NP), Verbalgefüge (VP), Ergänzungssatz (CP) etc. gemeint. Der Begriff .semantischer Typ' bezieht sich auf eine Begriffsbildung der formalen Semantik und kann erst später explizit eingeführt werden. Da eine systematische Beziehung zwischen syntaktischen und semantischen Typen besteht, muss zu diesem Zeitpunkt noch offen gelassen werden, welche Ebene hier tatsächlich einschlägig ist.
1.2 Nochmals: E-lnterrogativsatz
und
F/A-Kongruenz
1
Ein etwas genauerer Blick auf die Daten zeigt allerdings sehr schnell, dass (5) tatsächlich ein .Idealbild' zeichnet und die Fakten deutlich komplizierter liegen.
1.2 1.2.1
Nochmals: E-Interrogativsatz und F/A-Kongruenz Qualifizierte' E-Fragen
So stellt man bei genauerer Betrachtung beispielsweise fest, dass Termantworten in Antworten auf E-Fragen doch wohlgeformt auftreten können, allerdings nur unter zwei Voraussetzungen: Erstens muss dem Term eine der Antwortpartikeln ja oder nein vorausgehen, vgl. beispielsweise (4b) vs. (6) - der Grad der Akzeptabilität des Terms scheint dabei im Fall von nein wesentlich höher zu liegen - , (6)
Hat PEter eine Frau geküsst? a. Ja. Peter / *Ja. Eine Frau. / *Ja. Geküsst. b. Nein. Hans. / *Nein. Einen Frosch. / *Nein. Gegrüßt.
(7)
Hat Peter eine FRAU geküsst? a. *Ja. Peter / Ja. Eine Frau. / *Ja. Geküsst. b. *Nein. Hans. / Nein. Einen Frosch. / *Nein. Gegrüßt.
(8)
Hat Peter eine Frau geKÜSST? a. *Ja. Peter / *Ja. Eine Frau. / Ja. Geküsst. b. *Nein. Hans. / *Nein. Einen Frosch. / Nein. Gegrüßt.
und zweitens muss der Term einen intonatorisch hervorgehobenen, d.h. minimal fokussierten Ausdruck der Frage entweder - im Fall der Antwortpartikel ja - .wieder aufnehmen', vgl. (6a), (7a) und (8a), oder - im Fall der Antwortpartikel nein - zumindest mit dieser im obigen Sinne kongruieren, vgl. (6b), (7b) und (8b). 3
1.2.2
Alternativfragen
Während die Fälle minimal fokussierter E-Fragen prinzipiell mit obiger Generalisierung (5) zur Kongruenz von Frage und Antwort vereinbar bleiben, liegt mit der so genannten .Alternativfrage' (A-Frage) ein Fragetyp vor, der die Parallelität zwischen syntaktischer Dichotomie und F/A-Bedingungen nicht nur aufbricht, sondern geradezu invertiert. A-Fragen liegen Interrogativsätze zugrunde, die - da sie keine w-Phrase enthalten - im Sinne der obigen Kriterien prinzipiell als E-Interrogativsätze zu klassifizieren sind. Die Besonderheit dieser Interrogativsätze liegt nun darin, dass sie notwendig eine Disjunktion enthalten, die - in der Interpretation des Interrogativsatzes als A-Frage - explizit eine 3
Akzentuierung und minimale Fokussierung wird hier durch Großbuchstaben angedeutet.
8
1. Grundlegendes zur
F/A-Kongruenz
Menge von Alternativen präsentiert, aus der der Adressat die .wahren' Elemente zu spezifizieren hat, vgl. (9). Die Spezifizierung erfolgt dabei in Form einer Termantwort entweder durch die Disjunkte selbst oder - mit Einschränkung - durch die allquantifizierenden Ausdrücke beides bzw. weder noch, vgl. (9a). Die für E-Fragen typischen Antwortpartikeln ja und nein führen dagegen zu Ungrammatikalität, vgl. (9b) und (9c). (9)
Trinkt Peter /KafFEE oder KaKAO\? a. Kaffee. / Kakao. / Beides. / Weder noch. b. *Ja. / *Nein. c. *Ja. Kaffee. / *Nein. Tee.
In Fällen nicht-sententialer Disjunktion wie (9) ist die Präsenz der Disjunktion allerdings im Allgemeinen keine hinreichende, sondern lediglich eine notwendige Bedingung für die Interpretation des Interrogativsatzes als A-Frage. Tatsächlich ist der zugrunde liegende Interrogativsatz ambig zwischen einer Lesart als E-Frage und einer Lesart als A-Frage; Desambiguierung erfolgt über die Intonation: Bei der Lesung als A-Frage liegt systematisch minimale Fokussierung der einzelnen Disjunkte vor, wobei die nicht-letzten Disjunkte im Allgemeinen steigend intoniert werden und hohen Offset aufweisen, während das letzte Disjunkt immer fallend intoniert wird und tiefen Offset aufweist, vgl. (9). 4 Die Gesamtäußerung endet mit einem tiefen Grenzton. 5 Bei Interpretation des fraglichen Interrogativsatzes als E-Frage müssen die einzelnen Disjunkte nicht notwendig minimal fokussiert sein. Ist das Disjunkt bzw. sind die einzelnen Disjunkte aber minimal fokussiert, so wird das letzte Disjunkt nie fallend intoniert (sondern trägt einen Akzent der Form H*H) und der Grenzton der Äußerung liegt immer hoch, vgl. (10). 6 (10) Trinkt Peter/KafFEE oder KaKAO? Lediglich im Fall sententialer Disjunktion ist der fragliche Interrogativsatz eindeutig als A-Frage zu interpretieren, da hier offenbar nur die für A-Fragen charakteristische Kontur möglich ist, vgl. (11). (11) a. Trinkt Peter /KafFEE oder trinkt Peter KaKAO\? b. T r i n k t Peter /KafFEE oder trinkt Peter KaKAO? Ohne den Status von A-Fragen hier bereits ausführlich diskutieren zu wollen - vgl. dazu Abschnitt 8.3 - , möchte ich dennoch an dieser Stelle drei Ansätze skizzieren, wie das ,idiosynkratische' Verhalten der A-Fragen in Bezug auf (angenommenen) Satztyp einerseits und beobachtbare F/A-Kongruenz andererseits möglicherweise mit dem oben formulierten Idealbild (5) in Einklang gebracht werden kann; denn dies erlaubt bereits hier eine informelle Skizze der Hauptströmungen zur Analyse von F/A-Kongruenzen. 4
Vgl. hierzu z.B. Altmann (1993, 1021). Steigende Intonation wird durch ,/' vor und fallende Intonation durch hinter dem betreffenden Ausdruck angezeigt. In der Notation von Pierrehumbert & Hirschberg (1990) kann ,/' durch L*H und durch H*L repräsentiert werden. Zu bemerken ist, dass die nicht-letzten Disjunkte nicht notwendig steigend intoniert werden müssen, sondern auch bereits hohen Onset aufweisen können. In diesem Fall liegt ein Akzent der Form H*H vor.
5
Das Vorliegen eines tiefen (L%) bzw. eines hohen (H%) Grenztons wird hier nicht eigens notiert.
6
Vgl. hierzu beispielsweise Bartels & Merin (1999, §3.2.1).
1.2 Nochmals: E-lnterrogativsatz
und
F/A-Kongruenz
9
Ausgehend von der Eindeutigkeit sententialer Disjunktionen könnte ein erster Ansatz darin bestehen, einen eigenständigen Satztyp A-Interrogativsatz, möglicherweise definiert als Disjunktion mehrerer E-Interrogativsätze, zu etablieren und die Fälle nicht-sententialer Disjunktionen in A-Fragen-Lesart auf sententiale Disjunktionen zurückzuführen. Im Erfolgsfall könnte dann die Existenz eines Satztyps A-Interrogativ die Erweiterung der Generalisierung (5) durch eine Zusatzbedingung für eben diesen Satztyp rechtfertigen. 7 Konkret würde dies bedeuten, A-Fragen wie (9) - hier wiederholt als (12a) - systematisch als Ellipsen zu behandeln und ihnen eine Struktur wie in (12b) zuzuschreiben. (12) a. b.
Trinkt Peter /KafFEE oder KaKAO\? Trinkt Peter /KafFEE oder trinkt Peter KaKAO\?
Während (12b) als Rückwärtsellipse behandelt würde, müssten komplexere Fälle wie (13) als Überlagerung einer Rückwärts- und einer Vorwärtsellipse behandelt werden. In beiden Fällen entspräche die Analyse einschlägigen Regularitäten für die Ellipse im Deutschen (vgl. hierzu beispielsweise Klein 1981,58f). (13) Hat er /KafFEE getrunken oder hat er KaKAO\ getrunken? Weitere Tests scheinen eine derartige Analyse zu stützen. So ist beispielsweise in A-Fragen mit disjunktivem Subjekt nur Kongruenz im Singular möglich, vgl. (14). (14) a. Hat dich /PEter oder HANS\ angerufen? b. *Haben dich /PEter oder HANS\ angerufen? Einschlägige Skopusargumente sind nur bedingt testbar, da beispielsweise das Vorkommen von Indefinita in A-Fragen stark beschränkt ist, vgl. (15). Wo Skopusverhältnisse einigermaßen testbar sind, vgl. (16), scheint enger Skopus der Disjunktion relativ zum fraglichen Quantor aber ausgeschlossen zu sein, vgl. (16b) und vor allem (16c). (15) ??Trinkt jemand /KafFEE oder KaKAO\? (16) Haben alle /KafFEE oder KaKAO\ getrunken? a. Haben alle KafFEE getrunken? Oder alle KaKAO? b. *Haben alle was vom Kaffee oder KaKAO getrunken? c. *Für alle JE: H a t x /KafFEE oder KaKAO\ getrunken?
(oder > ? > alle) (? > alle > oder) (alle > oder > ?)
All dies würde unter einer Ellipsenanalyse direkt vorhergesagt und wäre bei Vorliegen einer nicht-sententialen Disjunktion aufgrund skopusrelevanter Eigenschaften von Fokus (und der Möglichkeit von Listenlesarten bei w-Fragen) durchaus überraschend. 8 Dennoch 7
Die Annahme eines eigenständigen Satztyps ist insofern nicht ganz unproblematisch, als neben der Bedingung der .disjunktiven Verbindung von E-Interrogativsätzen' weiteren Bedingungen wie .Parallelität in der lexikalischen Füllung' und/oder .Vorliegen bestimmter Fokus-Hintergrund-Strukturen' Rechnung getragen werden müsste. Dies sind jedoch Bedingungen, die im Allgemeinen nicht als konstitutiv für Satztypen angesehen werden. Vgl. dazu z.B. die Diskussion in Brandt etal. (1992). Darüber hinaus erlaubt diese Annahme zwar eine korrekte deskriptive Generalisierung, ist aber sicherlich nicht explanativ adäquat - vgl. die nachfolgende Diskussion.
8
Näheres hierzu in Kapitel 8.
10
1. Grundlegendes zur F/A-Kongruenz
ist und bleibt der Begriff des ,A-Interrogativsatzes' unter obiger Perspektive letztlich ein auf der Basis des Satztyps E-Interrogativ derivierter Begriff; und die Bedingungen für die Wohlgeformtheit von F/A-Sequenzen bei A-Fragen sollten entsprechend aus den einschlägigen Bedingungen für E-Fragen ableitbar sein und auch abgeleitet werden. Damit ist die explanative Herausforderung aber mit der eines Ansatzes vergleichbar, in dem sowohl E-Fragen wie auch A-Fragen als auf dem Satztyp des E-Interrogativs basierend und syntaktisch wie semantisch als im Wesentlichen eine Klasse bildend aufgefasst werden: Die Wohlgeformtheitsbedingungen für F/A-Sequenzen bei minimal fokussierten E-Fragen wie bei A-Fragen müssen im Wesentlichen als Abweichung von dem bei E-Fragen vorliegenden Muster betrachtet und unabhängig erklärt werden. Aus semantischer bzw. pragmatischer Perspektive wird dagegen offenbar eher nahe gelegt, A-Fragen den w-Fragen zuzurechnen. Möchte man einerseits A-Fragen als eine Form der w-Frage klassifizieren, andererseits aber obige Auffassung über die syntaktische Dichotomie E-Interrogativsatz vs. w-Interrogativsatz beibehalten, dann muss offenbar entweder dafür argumentiert werden, dass (minimal fokussierte) Disjunktionen als eine Form von w-Phrasen zu analysieren sind, oder es muss gezeigt werden, wie A-Fragen ausgehend von der Syntax des E-Interrogativsatzes auf semantischer Ebene auf das .Format' von w-Fragen gebracht werden können. Vorschläge dieser Art wurden im Rahmen des kategorialen Ansatzes bereits in Bäuerle (1979) und im Rahmen des propositionalen Ansatzes in von Stechow (1993) unterbreitet bzw. diskutiert.
1.3
Nochmals: w-Interrogativsatz und F/A-Kongruenz
1.3.1
Tag-Fragen
Bäuerle (1979) - dessen Standpunkt in Bezug auf die Syntax von A-Fragen (mir) nicht völlig klar ist - stützt sich dabei im Wesentlichen auf die an den identischen F/A-Bedingungen ablesbare interpretatorische Äquivalenz der A-Frage (9) - hier wiederholt als (17) - mit der so genannten Tag-Frage (18). Ihm zufolge gibt die Tag-Frage (18) die semantische Struktur der A-Frage (17) overt wieder: die eines geordneten Paares bestehend aus einer (unrestringierten) w-Frage - der ,Fragematrix' - und einer expliziten Restriktion der relevanten ,Lücke' - dem ,Frageskopus'. (17) Trinkt Peter/KafFEE oder KaKAO\? (18) Was trinkt Peter, /KafFEE oder KaKAO\? a. Kaffee. / Kakao. / Beides. / Weder noch. b. *Ja. / *Nein. Nimmt man diesen Standpunkt ein, dann ist es nur konsequent, dieselbe Argumentation auch auf E-Fragen wie (4) - hier wiederholt als (19) - und Tag-Fragen wie (20) anzuwenden und zu folgern, dass auch E-Fragen - zumindest semantisch - als w-Fragen aufzufassen sind, allerdings als w-Fragen mit einer nur einelementigen Restriktion. (19) Hat Peter ANNA geküsst?
1.3 Nochmals: w-Interrogativsatz
und
F/A-Kongruenz
11
(20) Wen hat Peter geküsst, ANNA? a. Ja. (Anna.) / Nein. Maria. b. *Anna. Welcher Art die Restriktion und damit die im Einzelfall vorliegende semantische Struktur der E-Frage ist, ist dabei offenbar systematisch von Art und Menge der im Interrogativsatz realisierten minimalen Foki abhängig, vgl. z.B. (19) und (20) vs. (21) und (22). (21) Hat PEter ANNA geküsst? (22) Wer hat wen geküsst, PEter ANNA? a. Ja. (Peter Anna.) / Nein. Max Maria. b. *Max Maria. Die Identifizierung der semantischen Struktur von A- und E-Fragen mit der von TagFragen impliziert nun allerdings, dass Tag-Fragen und A- bzw. E-Fragen in Bezug auf Einbettung identische Distribution aufweisen - zumindest unter der Annahme, dass Einbettungsverhältnisse im Wesentlichen semantisch gesteuert sind. Aber genau dies scheint nicht der Fall zu sein, vgl. (23) und (24). 9 (23) a. Hans weiß, ob Peter /KafFEE oder KaKAO\ trinkt. b. *Hans weiß, was Peter trinkt, /KafFEE oder KaKAO\. (24) a. Hans weiß, ob PEter Kaffee trinkt. b. *Hans weiß, wer Kaffee trinkt, PEter. Diese Beobachtung kann den ,kategorialen' Ansatz möglicherweise nicht widerlegen, zeigt aber m.E. deutlich, dass Tag-Fragen grundsätzlich anders zu behandeln sind als Aund (minimal fokussierte) E-Fragen. Dies bedeutet aber auch, dass Tag-Fragen in Bezug auf das Problem der F/A-Kongruenz einen weiteren, prinzipiell unabhängigen Phänomenbereich konstituieren, und dass sowohl der propositionale als auch der kategoriale Ansatz zeigen muss, wie dem hybriden Charakter der Tag-Fragen - Wohlgeformtheitsbedingungen wie minimal fokussierte E-Fragen bei ,einelementigem' Tag, aber Wohlgeformtheitsbedingungen wie w-Fragen bei ,mehrelementigem' Tag - Rechnung getragen werden kann.
1.3.2
Distributive Lesarten in w-Fragen
Während A-Fragen zwar wie E-Fragen .aussehen', aber wie einfache w-Fragen zu beantworten sind, so gibt es auch bestimmte Fälle von w-Fragen, die zwar wie einfache w-Fragen .aussehen', aber wie multiple - genau genommen wie .zweifache' - w-Fragen durch eine Auflistung von .Paaren von Termen' zu beantworten sind. Gemeint sind hier Fälle einfacher w-Interrogativsätze, die einen .komplexen Ausdruck' wie z.B. den Quantor 9
Für die Grammatikalitätsbewertung von (23) und (24) müssen die Subordinationsverhältnisse genau beachtet werden, da die fraglichen Sätze durchaus einigermaßen akzeptabel sind, falls die ,Tags' im Sinne von nämlich . . . als Teil des Matrixsatzes interpretiert werden.
12
1. Grundlegendes zur
F/A-Kongruenz
jeder, vgl. (25), 10 einen pluralen Ausdruck wie Peters Schwestern, vgl. (26), oder einen konjunktiven Ausdruck wie Hans und Maria, vgl. (27), in Subjektsposition 11 aufweisen, und dieser distributiv interpretiert wird. 12 (25) a. b.
Welche Note hat jeder bekommen? Peter eine 2 und Petra eine 1.
(26) a. b.
Was haben Peters Schwestern gemacht? Die jüngere Schwester Klavier gespielt und die ältere gelesen.
(27) a. b.
Was haben Hans und Maria auf der Hochzeit getragen? Hans einen Anzug und Maria ein Kostüm.
Die Umschreibung .distributive Interpretation des komplexen Ausdrucks' meint dabei inhaltlich, dass gewissermaßen für jede einzelne Instanz der Denotation bzw. der Restriktion des komplexen Ausdrucks diejenige einfache w-Frage zu beantworten ist, die entsteht, wenn der komplexe Ausdruck durch eine Bezeichnung dieser Instanz ersetzt wird. So kann beispielsweise das Stellen der Frage (27a) gewissermaßen als das simultane Stellen der beiden Fragen in (28) aufgefasst werden. (28) a. b.
Was hat Hans auf der Hochzeit getragen? Was hat Maria auf der Hochzeit getragen?
Rein deskriptiv können die Wohlgeformtheitsbedingungen für F/A-Sequenzen dieser Art wie folgt formuliert werden: Kongruente Antworten bestehen aus Listen von Paaren von Termen, wobei der erste Term immer eine Instanz des distributiv interpretierten Ausdrucks aufgreift und der zweite Term mit der w-Phrase kongruiert. Eine weitere Besonderheit dieser Fälle besteht darin, dass die Antworten notwendig Listen darstellen, die aus mindestens zwei koordinativ verbundenen Term-Paaren bestehen müssen. Neben der offensichtlichen Erklärungsbedürftigkeit der Abweichung dieser Art von F/A-Sequenzen von der in (5) aufgestellten Generalisierung sind diese Fälle auch noch 10 Der Fall (25) wird in der Literatur unter dem Begriff ,pair-list'-Lesart diskutiert. 11 Die Beschränkung auf die Subjektsposition erfolgt hier ausschließlich aus expositorischen Gründen; vgl. Abschnitt 8.1. 12 Im Zusammenhang mit Beispielen dieser Art wird in aller Regel auch die so genannte .funktionale' Lesart (einer bestimmten Klasse) von w-Interrogativsätzen diskutiert. So kann die Frage (ia) nicht nur durch eine Liste von Paaren, sondern auch durch eine funktionale Charakterisierung der Form (ib) beantwortet werden. (i)
a. b.
Wen liebt jeder Italiener? Seine Mutter.
Beispiele mit so genannten .monoton absteigenden' Quantoren wie die meisten, kein Italiener etc. dagegen - vgl. z.B. Wen liebt kein Italiener? - können zwar .funktional' beantwortet werden, nicht aber durch eine Liste von Paaren. Dies zeigt, dass beide Antwortarten prinzipiell getrennt voneinander zu behandeln sind (vgl. dazu bereits Groenendijk & Stokhof (1984); für eine andere Auffassung vgl. Chierchia (1993)). Da die funktionale Lesart im Gegensatz zu der hier betrachteten distributiven Lesart alle wesentlichen Kongruenzkriterien erfüllt, ist sie im Kontext dieser Arbeit weitgehend uninteressant, weshalb auf sie auch nicht gesondert eingegangen wird.
1.3 Nochmals: w-Interrogativsatz und F/A-Kongruenz
13
in einer weiteren Hinsicht interessant. Bei dem prima facie ähnlich gelagerten Fall der A-Frage wurde festgestellt, dass offenbar die Fokussierung der einzelnen Disjunkte in der A-Frage eine wesentliche Rolle für die Abweichung der Wohlgeformtheitsbedingungen von der Generalisierung (5) spielt. Fokussierung der fraglichen Konstituente liegt hier aber nicht vor; im Gegenteil: Wird der Quantor jeder in (25) fokussiert, wird sogar eine distributive Lesart des Quantors ausgeschlossen (vgl. z.B. Pafel 1998). Mit (25), (26) und (27) liegen damit also Fälle vor, die zwar auf den ersten Blick ähnlich gelagert sind wie der Fall der A-Frage, aber sicher auf andere Weise erklärt werden müssen und somit ebenfalls einen weiteren, prinzipiell unabhängigen Phänomenkomplex bilden.
1.3.3
Komplexe w-Phrasen und F/A-Kongruenz
Grundlage der im ersten Abschnitt dieses Kapitels aufgestellten Generalisierung (5) war alleine die Betrachtung von w-Interrogativsätzen, deren Vorfeld durch eine pronominale w-Phrase wie wer oder was besetzt war. Die Generalisierung (5) gilt aber offenbar auch für nicht-pronominale w/c/ze-Phrasen wie welches Buch oder welcher Junge, deren sortale Restriktion explizit gemacht ist, vgl. (29). (29) Welcher Junge hat welches Buch vorstellen müssen? a. Hans den „ Z a u b e r b e r g " und Peter den „Fänger im Roggen". b. *Hans der „Zauberberg" und Peter dem „Fänger im Roggen". c. *Maria den .Zauberberg" und Anna den „Fänger im Roggen". Pronominale w-Phrasen und we/c/ie-Phrasen - die ich im Folgenden einer Begriffsbildung in Trissler & Lutz (1992) folgend als .einfache' w-Phrasen bezeichnen werde, vgl. auch Kapitel 7 - können nun in bestimmten Fällen in komplexere Phrasen eingebettet sein, die sich ihrerseits wie (komplexe) w-Phrasen verhalten: Sie können das Vorfeld selbständiger bzw. die Erstposition unselbständiger Interrogativsätze besetzen, vgl. (30) und (31). (30) a. b. c.
[Über [wen]] habt ihr gerade gesprochen? [[Wessen] Haus] habt ihr gerade begutachtet? [[Wie] groß] ist Peter?
(31) a. b. c.
Ich weiß, [über [wen]] ihr gerade gesprochen habt. Ich weiß, [[wessen] Haus] ihr gerade begutachtet habt. Ich weiß, [[wie] groß] Peter ist.
Fälle dieser Art werden seit Ross (1967) unter dem suggestiven Begriff ,Pied Piping' diskutiert, und entsprechend werden die jeweiligen Phrasen im Folgenden auch als Pied Piping-Phrasen oder komplexe w-Phrasen bezeichnet. Tatsächlich zeigt sich, dass sich Pied Piping-Phrasen nicht nur syntaktisch analog zu einfachen w-Phrasen verhalten, sondern auch in Bezug auf die Kongruenz von Frage und Antwort: Die Fragen in (30) können (typischerweise) nicht durch Terme beantwortet werden, die der einfachen w-Phrase entsprechen, sondern müssen durch Terme beantwortet werden, die die gesamte Pied Piping-Phrase .ersetzen'; die Form des Terms ist dabei nicht beliebiger Natur, sondern notwendig dadurch beschränkt, dass der Nicht-w-Teil der Pied
14
1. Grundlegendes zur F/A-Kongruenz
Piping-Phrase (d.h. das relative Komplement der einfachen w-Phrase) im Antwortterm wiederholt werden muss (und damit den Hintergrund des Antwortterms bildet). 13 Dies ist offensichtlich für Präpositionalphrasen wie in (30a), vgl. auch (32), (32) Über wen habt ihr gerade gesprochen? a. Über Hans. / ??Hans. b. *MitHans. gilt aber auch - neben anderen Fällen - für Fälle von wessen-Phrasen wie in (30b) oder von wi'e+Adjektiv-Konstruktionen wie in (30c). So kann beispielsweise die Frage in (33) zwar durch den genitivischen Term Peters beantwortet werden, vgl. (33a), der wohl als Substitut der einfachen w-Phrase wessen zu betrachten ist; m.E. gibt es aber gute Gründe anzunehmen, dass diese Phrase durch einen elliptischen Prozess - beispielsweise phonologische Reduktion des Kopfnomens wie im Fall der so genannten N-Ellipse, vgl. Klein (1993) - aus der Termantwort Peters Haus abgeleitet ist. 14 (33) Wessen Haus habt ihr gerade begutachtet? a. Peters Haus. / Peters. b. Das (Haus) von Peter. / *Peter. c. *Lessingstr. 27. Dafür spricht zum einen, dass (33) zwar auch durch das semantische Äquivalent Das Haus von Peter, beantwortet werden kann, aber weder durch dessen maximale Reduktion Peter., vgl. (33b), noch durch die Präpositionalphrase Von Peter., in der die zugrunde liegende semantische Relation zwischen dem Individuum Peter und dem Haus Lessingstr. 27 maximal transparent ist. Tatsächlich ist (33) jedoch durch den nominalen Ausdruck Das von Peter beantwortbar, welcher offenbar durch denselben elliptischen Prozess aus dem Term Das Haus von Peter entstanden ist wie Peters aus Peters Haus. Zum anderen ist bei Koordination zweier gleichartiger komplexer w-Phrasen nur noch die nicht-elliptische Variante völlig unproblematisch, vgl. (34). (34) Wessen Mutter und wessen Vater haben sich gestern heimlich getroffen? a.??Peters und Marias. b. Peters Mutter und Marias Vater. Drittens schließlich ist im Schwäbischen, das über keinen strukturellen Genitiv verfügt, ebenfalls lediglich die Variante mit N-Ellipse grammatisch, vgl. (35). (35) Wem sei Haus habt ihr g'rad begutachtet? a. *Peter. / *Dem Peter. / Dem Peter sei Haus. b. Dem Peter sei's. 13 Diese Eigenschaft sowie die Tatsache, dass die Art der Denotation der komplexen w-Phrase im Allgemeinen nicht mit der Art der Denotation der in sie eingebetteten einfachen w-Phrase übereinstimmt, grenzt komplexe von einfachen w-Phrasen ab, und rechtfertigt damit auch auf inhaltlicher Ebene die getroffene begriffliche Unterscheidung. 14 Ein analoger Fall scheint mit wieviele-Phrasen
vorzuliegen; vgl. Kapitel 7.
1.3 Nochmals: w-Interrogativsatz und F/A-Kongruenz
15
Ähnlich gelagert ist offenbar der Fall von wi'e+Adjektiv-Konstruktionen wie (30c), hier wiederholt als (36). (36) kann zwar durch eine Gradangabe wie 2m alleine beantwortet werden, vgl. (36a), die Restriktion des Numerais verweist dabei aber systematisch auf die Art der durch das Adjektiv präsupponierten Skala und legt damit nahe, dass auch diese Antwort durch einen elliptischen Prozess - phonologische Reduktion des Kerns der Phrase - aus der ,kompletten' Antwort 2m groß deriviert wurde. (36) Wie groß ist Peter? a. 2m groß. / 2m. b. Sehr groß. / *Sehr. c. Größer als Hans. d. Genau so groß wie Hans. Bestätigt wird diese Annahme durch die Beobachtung, dass wie+Adjektiv-Konstruktionen auch durch Steigerungspartikeln, vgl. (36b), Komparativ- und Equativkonstruktionen, vgl. (36c) und (36d), beantwortet werden können, in welchem Fall das Adjektiv jedoch systematisch als Teil der Konstruktion overt realisiert werden muss. Die Diskussion der komplexen w-Phrasen in (30) sollte primär zeigen, dass die deskriptive Generalisierung in (5) von Fällen einfacher w-Phrasen auf Fälle komplexer w-Phrasen unter Berücksichtigung der für diese spezifischen Nebenbedingung (siehe oben) verallgemeinert werden muss; sie hat damit im Wesentlichen exemplarischen Charakter. Für eine Diskussion weiterer Fälle komplexer w-Phrasen sowie verwandter Erscheinungen möchte ich deshalb an dieser Stelle auf Kapitel 7 verweisen.
1.3.4
Die Flexibilität der w-Phrasen wie und was
Ein besonderer Status im Rahmen der einfachen w-Phrasen scheint den pronominalen wPhrasen wie und was zuzukommen. 15 So kann zwar beispielsweise die inhaltliche Funktion von wie einheitlich dadurch charakterisiert werden, dass wie systematisch adverbiale Angaben der Art und Weise erfragt; deren syntaktische Realisierung aber weist keinerlei kategoriale Einheitlichkeit auf, vgl. (37). (37) a. Wie war die Prüfung gestern? [AP Anstrengend.] b. Wie ist Hans gestern noch heimgekommen? [pp Mit dem Taxi.] c. Wie hast du ihm das schmackhaft machen können? [cp Indem ich ihm ein Tauschgeschäft angeboten habe.] Dies legt nahe, dass sich die Kongruenzbedingung .Identität im Typ', von der in der Generalisierung (5) Gebrauch gemacht wird, tatsächlich nicht auf den syntaktischen Typ der w-Phrase bezieht (in welchem Fall wie entweder als kategorial unterspezifiziert oder als Cluster mehrerer kategorial verschiedener wie's aufgefasst werden müsste), sondern auf einen mit dieser korrelierenden semantischen Typ (der einheitlich als Funktion von VP-Denotationen in VP-Denotationen beschrieben werden kann). 15 Vgl. hierzu auch die Diskussion in Conrad (1978).
16
1. Grundlegendes zur
F/A-Kongruenz
Eine Ausnahme zu dieser Regel scheint allerdings mit der pronominalen w-Phrase was vorzuliegen. Mit dieser können zwar einerseits - analog zu wer - durch nominale Ausdrücke bezeichnete Objekte erfragt werden, vgl. (38a), (38) Was hat Peter den Kindern mitgebracht? a. Einen Teddy. b. Peter hat den Kindern [einen Teddy] mitgebracht. andererseits aber auch durch infinitivische Verbalphrasen bezeichnete Vorgänge bzw. Ereignisse, vgl. (39a). (39) Was hat Peter gerade gemacht/getan? a. Klavier gespielt. b. *Peter hat gerade [Klavier gespielt] gemacht. c. Peter hat gerade [Klavier gespielt]. Die Tatsache, dass das Verb machen keine infinitivischen Verbalphrasen einbettet, vgl. (39b), lässt darauf schließen, dass die w-Phrase was in (39) selbst nominalen Charakter aufweist. 16 Wie Reis & Rosengren (1992, 86, Fn. 7) bemerken, scheint das Fehlen einer verbalen w-Phrase nicht nur das Deutsche zu betreffen, sondern ein generelles Phänomen darzustellen. Die inhaltliche Funktion einer solchen (hypothetischen) w-Phrase kann im Deutschen nun offenbar durch die w-Phrase was übernommen werden. Wie aber ist das zu erklären? Der für die Beantwortung dieser Frage zentrale Punkt ist m.E. die Feststellung, dass für die Kongruenz von Frage und Antwort tatsächlich nicht (primär) der semantische Typ der w-Phrase selbst relevant ist, sondern der semantische Typ der Objekte, über die die w-Phrase .quantifiziert' bzw. .quantifizieren' kann, d.h. der semantische Typ der Objekte in ihrer Domäne. 17 Die Besonderheit der w-Phrase was scheint nun gerade darin zu bestehen, dass der Typ der Objekte, über die sie quantifiziert, nicht eindeutig festgelegt ist, sondern mindestens zwischen dem Typ nominaler, sententialer und verbaler Phrasen variieren kann. Die Verben machen bzw. tun spielen in letzterem Fall in zweierlei Hinsicht eine besondere Rolle: Einerseits realisieren sie den für sententiale/propositionale Äußerungen offenbar konstitutiven verbalen Kern, bleiben aber andererseits aufgrund ihrer reduzierten Semantik - die im Aspektkalkül von Dowty (1979) durch den Operator ,DO' wiedergegeben werden kann - 1 8 mit beliebigen nicht-stativen Aktionsarten vereinbar. Semantisch kann ihre Funktion damit als die einer Restriktion der Quantifikationsdomäne von was auf nicht-stative Aktionsarten beschrieben werden. Aus dieser Perspektive betrachtet ist es wiederum nicht überraschend, dass die Verben machen und tun in den Antworten auf Fragen wie (39) keine Rolle spielen: Dies ist das für overte Restriktionen typische Verhalten, vgl. die Diskussion der we/c/ie-Phrasen oben sowie Kapitel 7. Was allerdings etwas überrascht, ist das idiosynkratische Verhalten von was in Bezug auf Fragen der syntakti16 Auf dieses Faktum hat mich Marga Reis (p.M.) aufmerksam gemacht. 17 Dieser Sprechweise liegt die Auffassung von w-Phrasen als Quantoren zugrunde. Sie wird in den folgenden Kapiteln zu präzisieren sein. 18 Diese Beobachtung könnte der Spekulation Nahrung geben, dass die Verben machen und tun möglicherweise overte Realisierungen einer Aspektphrase darstellen.
1.4 Zur JSchachtelung' von
Interrogativsätzen
17
sehen Selektion: Tatsächlich scheint hier die semantische Restriktion ihren Operator zu selegieren und nicht - wie eigentlich zu erwarten wäre - der Operator seine Restriktion. Analog zu behandeln sind schließlich aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Fälle so genannter .offener' w-Fragen wie in (40), in denen die Domäne der w-Phrase was auf Propositionen beschränkt wird. (40) a. b.
1.4
Was ist los? Was gibt es Neues?
Zur ,Schachtelung' von Interrogativsätzen
Beschließen möchte ich diesen Überblick mit einer Diskussion .geschachtelter Interrogativsätze', also komplexer Satzgefüge bestehend aus zwei Interrogativsätzen.
1.4.1
Fall 1: E-Interrogativsatz als Matrixsatz
Betrachten wir zunächst den Fall, dass ein E-, A- oder w-Interrogativsatz in einen E-Interrogativsatz mit Subjekt in der dritten Person eingebettet ist. Man würde - egal unter welcher Klassifikation - erwarten, dass lediglich die Matrixfrage für die Beantwortung relevant ist. Bei Einbettung eines E-Interrogativsatzes scheint sich dies auch zu bestätigen. Während ein simples ja eine perfekte Antwort darstellt, vgl. (41a), führt eine Sequenz von Antwortpartikeln zu Ungrammatikalität, vgl. (41b). (41) Weiß Petra, ob Peter Kaffee trinkt? a. Ja. / Nein. b. *Ja. Ja. / *Ja. Nein. Bei Einbettung einer A- bzw. einer w-Frage lässt sich jedoch feststellen, dass die Sequenz bestehend aus positiver Antwortpartikel ja gefolgt von einer kongruierenden Termantwort einen wesentlich höheren Akzeptabilitätsgrad aufweist als bei Einbettung einer E-Frage, vgl. (42b) und (43b). (42) Weiß Petra, ob Peter /KafFEE oder KaKAO\ trinkt? a. Ja. / Nein. b. ?Ja. Kaffee. / *?Nein. Kaffee. (43) Weiß Petra, was Peter trinkt? a. Ja. / Nein. b. ?Ja. Kaffee. / *?Nein. Kaffee. (44) Weißt du, ob Peter Kaffee trinkt? a. Ja. / Nein. b. *Ja. Ja. / *Ja. Nein.
18
1. Grundlegendes zur
F/A-Kongruenz
Steht das Matrixsubjekt in der zweiten Person, bleibt die Sequenz bestehend aus zwei Antwortpartikeln ungrammatisch, vgl. (44b). Im Fall eingebetteter A- und w-Fragen wirkt ein simples ja nun allerdings zumindest unangemessen, vgl. (45a) und (46a). Die Sequenz positive Antwortpartikel ja gefolgt von einer kongruierenden Termantwort ist nun allerdings perfekt. (45) Weißt du, ob Peter /KafFEE oder KaKAO\ trinkt? a. ?Ja. / Nein. b. Ja. Kaffee. / *?Nein. Kaffee. (46) Weißt du, was Peter trinkt? a. ?Ja. / Nein. b. Ja. Kaffee. / *?Nein. Kaffee. Die Verteilung der Akzeptabilitätsunterschiede bei Variation der Person des Matrixsubjektes lässt m.E. nur einen Schluss zu. In einem gegebenen Diskurs wird der eingebettete Interrogativsatz zunächst als unselbständiger Teil der Matrixfrage geparst und diese beantwortet. Wird sie positiv beantwortet, kann der eingebettete Interrogativsatz wieder aufgegriffen werden - falls dies durch den Kontext nahe gelegt wird - , als selbständige Frage geparst und dann beantwortet werden. Der relative Akzeptabilitätsunterschied bei dem Muster .positive Antwortpartikel plus Termantwort' ergibt sich dann aus der Tatsache, dass bei der Verwendung eines Matrixsubjekts in der zweiten Person bereits die Beantwortbarkeit des eingebetteten Interrogativs durch den Adressaten .thematisiert' und damit die Relevanz der Beantwortung dieser Frage wesentlich erhöht wird. Analog ergibt sich die Unangemessenheit der Beantwortung der Matrixfrage nur durch ja, vgl. (45a) und (46a). Bleibt die Ungrammatikalität der Sequenzen bestehend aus mehreren Antwortpartikeln. Da sie unter Variation der Person des Matrixsubjektes konstant bleibt, kann sie nicht auf analoge Art und Weise auf die pragmatische Relevanz der eingebetteten Frage zurückgeführt werden, sondern muss aus der ,Natur' der Antwortpartikeln direkt abgeleitet werden. Auf diese werde ich an späterer Stelle eingehen.
1.4.2
Fall 2: w-Interrogativsatz als Matrixsatz
Ist der Matrixinterrogativsatz dagegen ein w-Interrogativsatz, so scheinen sich die Bedingungen für die Kongruenz von Frage und Termantwort wie erwartet nur auf den Matrixinterrogativsatz zu beziehen, vgl. (47). (47) Wer weiß, wann Chomsky welches Buch geschrieben hat? a. Peter. b. *Peter „Syntactic Structures" und Petra ,ßarriers". c. * Peter „Syntactic Structures" 1957 und Petra „Barriers" 1986. Seit Baker (1968) ist allerdings bekannt, dass bei Einbettung multipler w-Fragen (zumindest nicht-initiale) w-Phrasen des eingebetteten Interrogativsatzes ,Matrixskopus' haben können, d.h. für die Frage der F/A-Kongruenz jedenfalls im Rahmen sententialer Antworten relevant sind, vgl. (48).
1.5 Zusammenfassung
19
(48) Wer weiß, wann Chomsky welches Buch geschrieben hat? a. Peter weiß, wann Chomsky welches Buch geschrieben hat. b. Peter weiß, wann Chomsky „Syntactic Structures" geschrieben hat, Petra weiß wann Chomsky ,3arriers" geschrieben hat. c. Peter weiß, dass Chomsky „Syntactic Structures" 1957 geschrieben hat, Petra weiß, dass Chomsky ,¿amers" 1986 geschrieben hat. Versteht man die Formulierung ,Matrixskopus der eingebetteten w-Phrasen' für BakerSätze wie (47) analog zur obigen Erklärung im Sinne eines getrennten Parse des eingebetteten Interrogativsatzes als selbständige w-Frage, dann ist dieses Verhalten zumindest unerwartet. Insbesondere würde man keine ,Zwischenlesarten' wie (48b) erwarten. Aber auch unter der Annahme, dass die eingebetteten w-Phrasen tatsächlich im technischen Sinne Skopus über den Matrixsatz haben, würde man prinzipiell die Akzeptabilität der Termantworten in (47b) und (47c) erwarten. Möglicherweise kann dieses Verhalten auf unabhängige Eigenschaften der Ellipse im Deutschen zurückgeführt werden (vgl. z.B. Klein 1993). Auf Fälle dieser Art werde ich nochmals in Kapitel 5 zurückkommen.
1.5
Zusammenfassung
Ausgehend von einer maximal einfachen - und damit natürlich auch vereinfachenden deskriptiven Generalisierung zu den Wohlgeformtheitsbedingungen von Frage/AntwortSequenzen hat dieser erste Überblick zu folgenden Ergebnissen und Problematisierungen geführt: (i) Die Kongruenzbedingungen für E-Fragen können sich bei minimaler Fokus sierung in der E-Frage den Kongruenzbedingungen für w-Fragen zumindest annähern. (ii) A-Fragen scheinen zwar E-Interrogativsätze zugrunde zu liegen, sie weisen aber Kongruenzbedingungen wie w-Fragen auf. (iii) Die Kongruenzbedingungen für w-Fragen können sich durch einstellige Tags denen von E-Fragen annähern. (iv) Gewisse Fälle einfacher w-Fragen verhalten sich in Bezug auf die Kongruenz von Frage und Antwort wie multiple w-Fragen. (v) Die .Typbedingung' bezieht sich auf den semantischen Typ derjenigen Objekte, über die die w-Phrase inhaltlich quantifiziert. (vi) Die deskriptive Generalisierung (5) ist von einfachen auf komplexe w-Phrasen zu verallgemeinern und muss dabei einer zusätzlichen Nebenbedingung für komplexe w-Phrasen Rechnung tragen. Die Darstellung und Evaluation bereits vorliegender Ansätze zur Erklärung zumindest bestimmter zentraler Aspekte der Kongruenz von Frage und Antwort wird Gegenstand des folgenden Kapitels sein.
Kapitel 2
Zwei Modelle zur F/A-Kongruenz Wie bereits angedeutet, lassen sich die einschlägigen Erklärungsmodelle im Wesentlichen in zwei Ansätze gliedern, den ,kategorialen' sowie den ,propositionalen' Ansatz. Die Begriffe ,kategorial' und .propositional' beziehen sich dabei in erster Linie auf die Art der jeweils zugrunde gelegten Interrogativsatzsemantik. Beiden Ansätzen liegt im Allgemeinen jedoch auch eine je spezifische semantische Analyse von Fokus zugrunde, dem kategorialen Ansatz der .strukturierte Propositionen'-Ansatz (die .kategoriale' Fokussemantik) und dem propositionalen Ansatz die so genannte ,Alternativensemantik'. In diesem Kapitel werde ich argumentieren, dass dem kategorialen Ansatz zwar eine adäquate Fokustheorie zugrunde liegt, zugleich aber eine unzureichende Interrogativsatzsemantik. Weiter werde ich argumentieren, dass der propositionale Ansatz zwar auf einer vielversprechenden Interrogativsatzsemantik basiert, aber die zugrunde gelegte Fokussemantik es nicht erlaubt, die Wohlgeformtheitsbedingungen für F/A-Sequenzen adäquat zu modellieren. Auf dieser Grundlage wird dann in Kapitel 3 ein hybrides Modell zur Kongruenz von Frage und Antwort vorgeschlagen, das die Interrogativsatzsemantik des propositionalen Ansatzes mit der Fokustheorie des kategorialen Ansatzes kombiniert. Das angestrebte Ziel ist die Ableitung der Frage/Antwort-Kongruenz als ,Theorem' aus dem Zusammenspiel dreier unabhängig voneinander gegebenen Bereiche: der Semantik von w-Phrasen, der Semantik von Fokus und der Semantik/Pragmatik rhetorischer Relationen. Sowohl bei der Evaluation der einschlägigen Erklärungsmodelle in diesem Kapitel als auch bei der Einführung meines eigenen Modells in Kapitel 3 werde ich dabei immer vom vermeintlich einfachsten bzw. klarsten Fall, dem der w-Interrogativsätze, ausgehen und auf die anderen Fälle erst dann eingehen, falls für die w-Interrogativsätze eine scheinbar befriedigende Lösung gefunden wurde. Dieser Konzeption im Aufbau liegt die methodische Annahme zugrunde, dass die Generalisierung in (5) prinzipiell korrekt ist und nur durch interferierende Faktoren, die getrennt zu untersuchen sind, .gestört' wird.
2.1
Der kategoriale Ansatz
Ausgangspunkt des kategorialen Ansatzes zur semantischen Analyse von Interrogativsätzen war, historisch gesehen, genau das Problem der F/A-Kongruenz. Es wurde bereits
22
2. Zwei Modelle zur
F/A-Kongruenz
früh festgestellt (vgl. z.B. Paul 1920; Cohen 1929; Belnap 1963), dass w-Fragen wie Wer kommt? den Charakter von Funktionen / „ besitzen, die Antworten an wie Hans auf die Proposition fn(an) = dass Hans kommt abbilden. Diese Vorstellung präzisiert die in der Einleitung gebrauchte Metaphorik, die w-Phrase erzeuge in einem w-Interrogativsatz eine ,Lücke', die durch den Antwortterm geschlossen' wird, und führt mehr oder weniger direkt zur Darstellung der F/A-Sequenz als ein geordnetes Paar bestehend aus einer Funktion, der Denotation der Frage, und einem bzw. mehreren Argumenten, den Denotationen der Antwortterme. Unter Zuhilfenahme der X-Notation können die Beispiele aus (2) der Einleitung wie folgt repräsentiert werden: 1 (1)
a. b. c. d.
(A.;cCP.Peter hat xCP gesagt, [dass er eine Frau geküsst hat] C p) (AX np •XNP hat eine Frau geküsst, [Peter]NP) (AJCnp.Peter hat x N P geküsst, [eine Frau] NP ) (A(xNp, yNp}-*NP hat ;yNP geküsst, ([Peter] NP , [eine Frau] NP >)
Diese Darstellung von F/A-Sequenzen, wie sie mehr oder weniger explizit in den Arbeiten von Belnap (1963), Keenan & Hull (1973), Tichy (1978), Bäuerle (1979) und zuletzt in Krifka (2001b) verfolgt wird, stellt wohl die einfachste, geradlinigste und eleganteste Variante des rein kategorialen Ansatzes dar: Fragen sind Funktionen, Antworten sind Argumente und die Sequenz von Frage und Antwort entspricht im Wesentlichen einer Funktions/Argument-Struktur. Da diese Funktionen nur für Argumente eines bestimmten Typs definiert sind und dieser Typ durch die w-Phrase festgelegt wird, folgt sofort, dass Antwortterme mit dem Typ der w-Phrase kongruieren müssen. Das Problem der sortalen Restriktion lässt sich auf verschiedene Arten lösen (gesortete Variablen, Präsupposition, konjunktive Verbindung des Prädikats mit der Restriktion der w-Phrase), auf die ich an dieser Stelle aber nicht weiter eingehen möchte. Das Problem der F/A-Kongruenz scheint also bereits - zumindest für reguläre Fälle von w-Fragen - gelöst.
2.1.1
Termantwort: Term oder sententiale Struktur?
Dem ist jedoch nur scheinbar so, denn es gibt m.E. genügend Evidenz, die einem die Überzeugung aufdrängt, dass Termantworten wie Peter., Eine Frau, oder Dass er eine Frau geküsst hat. nicht identisch sind mit den Termen Peter, eine Frau bzw. Dass er eine Frau geküsst hat, sondern sententiale Ausdrücke einer noch zu spezifizierenden Art darstellen. 2 So hat beispielsweise die Feststellung, dass Termantworten offenbar als wahr bzw. falsch bezeichnet werden können, Hausser & Zaefferer (1978) dazu veranlasst, Ter1 Der Prozess der À-Abstraktion ist ein formales Mittel, aus offenen Propositionen 4>[x] Funktionen \x.[x] zu bilden, die genau für diejenigen Ausdrücke a definiert sind, die demselben (logischen, semantischen, syntaktischen) Typ wie* angehören. Die Funktion Kx., A) gesteuert? Was benötigt wird, ist eine Theorie der F-Markierung, insbesondere der F-Markierung in Antworten. Im Rahmen des kategorialen Ansatzes führt diese Frage direkt zu der Theorie der FMarkierung und Fokusinterpretation, wie sie in von Stechow (1981), von Stechow (1982), Klein & von Stechow (1982) und Cresswell & von Stechow (1982) entwickelt wurde.
2.1.3
Kategoriale Interrogativsatz- und kategoriale Fokussemantik
Von Stechow (1981) und Klein & von Stechow (1982) gehen mit Jackendoff (1972) davon aus, dass auf syntaktischer Ebene frei F-markiert werden darf, und argumentieren, dass 9
Auf diesen Punkt hat mich Arnim von Stechow (p.M.) aufmerksam gemacht.
10 Die Derivation von Termantworten der Kategorie VP ist allerdings zusätzlich dadurch beschränkt, dass der verbale Kern overt innerhalb der VP zu realisieren ist, vgl. (ib) vs. (iib). (i)
(Und) Was macht Peter? a.
Peter kauft [Anna ein Fahrrad t]
b. * [Anna ein Fahrrad t] (ii)
(Und) Was hat Peter gemacht? a. b.
Peter hat [Anna ein Fahrrad gekauft] [Anna ein Fahrrad gekauft]
Damit sind Termantworten auf was-Fragen im Präsens oder Präteritum generell ausgeschlossen.
2.1 Der kategoriale
Ansatz
29
F-Markierungen aufgrund parametrisierter Kontur- und ,Projektions'-Regeln zu einer bestimmten intonatorischen Kontur führen. Auf der Ebene der Semantik führt die Gliederung eines Satzes in Fokus und Hintergrund zur Generierung einer .strukturierten Proposition' (so in von Stechow 1981, 1982; Cresswell & von Stechow 1982), vgl. (12a), bzw. eines .gegliederten Gedankens' (so in Klein & von Stechow 1982), vgl. (12b). (12) [Hans] F kommt. a. b.
{Xx.x kommt, Hans) (kx.x kommt, Xy.y = Hans)
Eine strukturierte Proposition ist, vereinfacht ausgedrückt, ein geordnetes Paar ( 1 ist, und einige a,-, / e ( 1 , . . . , « } , möglicherweise leer sind. Unter dieser Voraussetzung p-reduziere a , für 0 < i < n: m[ßoh) gdw. ff]|(l[A]) = 1.
Wieso erlaubt diese Bedingung nun korrekte Vorhersagen über die Wohlgeformtheit von F/A-Sequenzen bei w-Fragen (mit oder ohne minimale Fokussierung)? Im Normalfall hat in einer wohlgeformten sententialen Antwort jede fokussierte Konstituente mit genau einer w-Phrase in dreierlei Hinsicht zu kongruieren, vgl. Kapitel 1:1 Erstens muss der logische Typ der fokussierten Konstituente mit dem logischen Typ der Objekte in der Quantifikationsdomäne der w-Phrase übereinstimmen, zweitens muss die fokussierte Konstituente unter die sortale Restriktion der w-Phrase fallen und drittens muss die fokussierte Konstituente die grammatische Funktion der w-Phrase erhalten. Was die dritte Bedingung betrifft, so hat sich bereits in Kapitel 1 am Beispiel der pronominalen w-Phrase was gezeigt, dass sie in dieser allgemeinen Form nicht aufrecht zu erhalten ist: Die w-Phrase was fungiert syntaktisch als nominales Objekt von .leichten' Verben wie machen oder tun4, die ihr entsprechende Konstituente in der Antwort ist aber keineswegs ein (direktes) Objekt, sondern vielmehr die gesamte Verbalphrase. 2 Dies wurde in Kapitel 1 auf eine Besonderheit der w-Phrase was zurückgeführt: Der logische Typ der Objekte, über die was quantifiziert, entspricht nicht notwendig dem (minimalen) logischen Typ, der mit dem nominalen Quantor was korreliert (d.h. dem Typ .Individuum', also e). Im Fall einer solchen Typdivergenz scheinen die ,leichten' Verben semantisch als die 1 Die Behandlung distributiver Lesarten in w-Fragen soll hier für den Moment zurückgestellt werden. 2 Die w-Phrase was stellt damit offenbar eine echte Herausforderung für mögliche rein syntaktisch basierte Modelle zur F/A-Kongruenz dar.
64
3. Strukturierte Bedeutung und F/A-Kongruenz
overte Restriktion des Quantifikationsbereichs von was zu fungieren; was verhält sich also im verbalen Bereich gewissermaßen wie eine welche-Phrase im nominalen Bereich, allerdings mit einem überraschenden Unterschied: die syntaktische Selektionsrichtung ist invertiert. Will man dem Fall von was Rechnung tragen, dann müsste die fragliche Bedingung offenbar auf diejenigen Fälle beschränkt werden, in denen der (minimale) Typ der w-Phrase dem Typ der Objekte entspricht, über die sie quantifiziert. Dies wäre jedoch in höchstem Maße stipulativ. Da die dritte Bedingung darüber hinaus die einzige syntaktische Bedingung darstellt, wird man sicher versuchen wollen, diese aus den anderen beiden Bedingungen abzuleiten. Tatsächlich wird sich zeigen, dass sie als ein Epiphänomen der ersten Bedingung aufzufassen ist. Bevor ich dies zeige, möchte ich jedoch noch kurz auf die beiden anderen Bedingungen selbst eingehen. Da (auf syntaktischer Ebene) alleine F-Markierung zur Generierung strukturierter Propositionen führt und die Denotation des w-Interrogativsatzes eine Menge strukturierter Propositionen darstellt, ist klar, dass F-Markierung in der Antwort eine notwendige Bedingung für die Kongruenz von Frage und Antwort darstellt. Liegt der Fokus wie in der F/A-Sequenz ((la), (2a)) auf der der w-Phrase entsprechenden Konstituente vom logischen Typ .Individuum' und der restliche lexikalische Gehalt der Antwort bleibt - modulo bestimmter für die Semantik irrelevanter Veränderungen wie beispielsweise Pronominalisierung - identisch mit dem der w-Frage, dann ist F-Markierung der Konstituente auch hinreichend, zumindest falls diese die sortale Restriktion der w-Phrase erfüllt. Falls die fokussierte Konstituente die sortale Restriktion der w-Phrase nicht erfüllt, dann kann die generierte strukturierte Proposition mit keinem Element der Interrogativsatzdenotation in der ersten Komponente übereinstimmen und folglich auch nie ein Element der Denotation des w-Interrogativsatzes sein. Damit wird also korrekt vorausgesagt, dass ((la), (2a)) eine wohlgeformte F/A-Sequenz darstellt. Eine notwendige Bedingung der Wohlgeformtheit der F/A-Sequenz ((la), (2a)), so wurde gerade argumentiert, besteht darin, dass die fokussierte Konstituente vom logischen Typ .Individuum' (also formal vom Typ e) ist. Nun ist aber klar, dass F/A-Sequenzen wie in (5) intuitiv als nicht weniger wohlgeformt betrachtet werden als die obige F/A-Sequenz. (5)
a. b.
Wen hat Peter geküsst? Peter hat [mindestens eine Frau] F geküsst.
Während nun zwar sowohl der Term Petra in (2a) als auch der Term mindestens eine Frau in (5b) syntaktisch identischen Status haben - den eines direkten Objektes - , wird jedoch im Allgemeinen angenommen, dass sie sich in ihrer Semantik in wesentlicher Hinsicht unterscheiden und dass sich dieser Unterschied auch in der Zuordnung zu unterschiedlichen semantischen Typen niederschlägt: 3 Während der Term Petra ein .Individuum' (Typ e) denotiert, denotiert der Term mindestens eine Frau einen .generalisierten Quantor' (Typ ((e, t), /)), d.h. eine Menge von Mengen von Individuen. Folglich wird die Äußerung von (5b) nicht direkt als wohlgeformte Antwort auf (5a) vorausgesagt. Nun weiß man aber, dass ein systematischer Zusammenhang zwischen Individuen und generalisierten Quantoren besteht (vgl. z.B. Partee 1987): Ein Individuum kann mit der Menge aller Eigenschaften identifiziert werden, die auf dieses Individuum zutreffen, und derartige Mengen 3
Die Abbildung syntaktischer auf semantische Typen ist also keine Funktion.
3.1 F/A-Kongruenz in w-Fragen
65
repräsentieren einen ganz speziellen Subtyp generalisierter Quantoren. Der Wohlgeformtheit der F/A-Sequenz in (5) könnte also dadurch Rechnung getragen werden, dass man die Quantifikationsdomäne der w-Phrase wen von Individuen auf generalisierte Quantoren .anhebt'. Ich werde dies jedoch aus zweierlei Gründen nicht tun. Zum einen ist es ein methodisch recht erfolgreicher Grundsatz, nur möglichst .niedrige' Typen zu verwenden; zum anderen scheint auch empirisch ein wesentlicher Unterschied zwischen Antworten mit ,Individuentermen' und Antworten mit .generalisierten Quantoren' zu bestehen: Nur Erstere können als .vollständige' Antworten bei nicht-exhaustiven (,mention-some' oder auch .existenziellen') Lesarten verwendet werden (vgl. z.B. Reich 1997, 1 9 9 8 ) : 4 (6)
Wer kann mir beim Schreiben von IATjßX-Makros helfen? a. b.
Wolfgang Sternefeld. Mindestens ein Dozent am SfS.
Der Unterschied zwischen ,Individuenterm' und .generalisiertem Quantor' demarkiert also die Grenze zwischen potentiell vollständiger (sowie semantisch relevanter) und notwendig partieller Antwort. 5 Aus diesem Grund halte ich es nicht nur für berechtigt, sondern für absolut notwendig, Antworten der Art (6b) nur als .direkte' Antworten in einem derivierten Sinne zu betrachten: Die Antwort (6b) hat nur den Status einer .direkten' Antwort aufgrund ihres systematischen Zusammenhangs mit Antworten der Art (6a). Für einfache w-Fragen kann dieser Zusammenhang in einer Metabedingung wie folgt formuliert werden: Ist ( a , kx.(p (x)) eine kongruente Antwort auf die Frage (mit a, x vom Typ er), dann auch {A, kQ.Q(Xx. := AE'3Q[(Q c 4>) A (Q ^ 0) A ( E ' = E U Q) A ( f |
* 0)]
Die Kontexterweiterungsfunktion ,©' ist eine zweistellige Funktion von Kontexten und Interrogativsatzdenotationen (bzw. .angehobenen' Antwortdenotationen) in Kontexträume, d.h. Mengen von Kontexten. 32 Mögliche neue Kontexte werden gebildet, indem der ,alte' Kontext E durch eine nicht-leere Teilmenge der Denotation des Interrogativsatzes konsistent erweitert wird. Im Fall des Entscheidungsinterrogativs (46a) führt dies offenbar genau zur Präsentation der Menge {(47a), (47b)}. Im Fall der Äußerung des w-Interrogativsatzes Wer kommt?, vgl. (49), führt die Kontexterweiterung von E = {a\,..., an] durch (49b) zur Präsentation der Kontextmenge E © (49b) in (50). 33 32 Unter der hier verfolgten Konzeption des Begriffs .Kontext' sind Interrogativsatzdenotationen offenbar als Kontexte ganz spezieller Natur aufzufassen. 33 Die Tatsache, dass bei der Äußerung des w-Interrogativsatzes wer kommt nur solche Kontexte als mögliche neue Kontexte präsentiert werden, aus denen die Existenzaussage .x kommt logisch folgt, führt zur einseitigen Thematisierung dieser Existenzaussage durch den Sprecher und damit - in Abhängigkeit vom Kontext - zur systematischen Ableitung von Existenzimplikaturen der Art ,der Sprecher
85
3.6 Fragen im Kontext (49) a. b.
Wer kommt? {(Hans, kx. x kommt), (Petra, kx. x kommt), (Maria, kx. x kommt)}
(50) {{ ;y])(u>) = kgkwky.küsste(w)(g[(i, e) h-> )>](/, e))(peter) = kgkwky. küsste(w)(y) (peter)
(*) (**)
Beim Übergang von (*) zu (**) wurde dabei von der allgemein gültigen Äquivalenz von g[(i', r) m>- )>](/, r ) und y Gebrauch gemacht. (**) kombiniert zuletzt mit der Repräsentation kgkwVx(person(w)(x) - » )(x)
Q(x))](Xy.küsste(w)(y)(peter)) [Xy .kiisste(ui)(y)(peter)](x)) —küsste{w)(x)(peter))
Wie fügen sich nun die obigen Annahmen hinsichtlich der Interpretation von Fokus in dieses Bild? In Abschnitt 3.2, der die rhetorischen Relationen a s k und a n s w e r zum Gegenstand hatte, wurde angenommen, dass diese ,freie' Foki in der Frage bzw. in der Antwort binden können. Bindung dieser Art wurde durch Koindizierung mit Fokusindizes Fi ausgedrückt, vgl. (19a). Auf LF, so die Annahme, löst diese Koindizierung coverte Bewegung der fokussierten Konstituente zum Vindizierten Binder aus. (19) a. b.
a n s w e r F I [Peter hat Petra F1 geküsst] a n s w e r F , [Petra [ Fl [Peter hat t) geküsst]]]
Während der Index an der rhetorischen Relation, der die Bewegung des Fokus ausgelöst hat, ignoriert wird, wird der Index der fokussierten Konstituente an den Schwesterknoten adjungiert, vgl. (19b). Wie muss nun die Adjunktion eines F-Index in LsTYPE repräsentiert werden? Würde man adjungierte F-Indizes wie .gewöhnliche' Indizes behandeln, würde deren Interpretation lediglich zu semantischer Rekonstruktion, aber sicher nicht zur Generierung einer strukturierten Proposition führen. Um jedoch eine unterschiedliche Übersetzung der fraglichen Indizes gewährleisten zu können, müssen diese formal unterschieden werden. Eine Möglichkeit, dies zu leisten, besteht darin, Indizes als Tripel (±F, /, r ) , bestehend aus einem Fokusmerkmal [±F], einer natürlichen Zahl i und einem Typ x aufzufassen. Fokusindizes Fi sind dann von der Form (+F, i, r ) , .gewöhnliche' Indizes von der Form (—F, i, r ) . Die Übersetzung eines adjungierten F-Index kann dann wie in (20) spezifiziert werden. (20) Übersetzung
a d j u n g i e r t e r Indizes Fi ( A I 2 - vorläufige Version).
Falls a ein verzweigender Knoten mit den Töchtern ß und y ist und ß dominiert lediglich einen Index Fz = (+F, i, r ) , dann ist (, Mutter] angerufen? Es könnte nun zwar stipuliert werden, dass reine Operatorbewegung von Fällen wie (28) zu unterscheiden ist, da bei Operatorbewegung keine koindizierte Spur zurückgelassen wird, und dass sich dieser Unterschied möglicherweise in der Sensitivität in Bezug auf den LBC widerspiegelt. Ich möchte hier jedoch eine andere, m.E. plausiblere Möglichkeit nicht-quantifikationelle Semantik für w-Phrasen zu formulieren, und zweitens wird die Diskussion in Kapitel 7 zeigen, dass es aus unabhängigen Gründen angezeigt ist, die Argumentstellen von Prädikaten von unstrukturierten auf strukturierte Individuen zu verallgemeinern. Der tiefere Grund hängt mit den Annahmen über die Interpretation von Fokus zusammen: Da die durch Fokus erzeugte Struktur am linken Satzrand generiert wird, muss aus Kongruenzgründen auch die strukturerzeugende w-Phrase bzw. deren Operatorteil an den linken Satzrand bewegt werden.
5.5 Multiple w-Interrogativsätze
im MsP-Ansatz
123
verfolgen. Tatsächlich lässt sich die Struktur in (V2) auch durch die Annahme zweier aufeinander folgender Bewegungen ableiten: erstens LF-Bewegung der gesamten w-Phrase und Adjunktion an CP und zweitens Rekonstruktion des - als maximale Konstituente aufgefassten - indefiniten Kerns. Unter Annahme eines (verletzbaren) ökonomischen Prinzips wie Vermeide (LF-)Bewegung! könnte Operatorbewegung als die ökonomischere Variante in genau den Fällen lizenziert sein, in denen LF Pied Piping plus LF-Rekonstruktion eine grammatische Alternative darstellt. Die vermutlich eleganteste Variante stellt jedoch wohl (V3) dar, die die in Chomsky (1992) skizzierte ,Copy & Deletion'-Theorie für Bewegung zugrunde legt: 20 Während analog zu Variante (VI) LF-Bewegung denselben Pied Piping-Bedingungen unterliegt wie overte Bewegung, lässt Bewegung nicht lediglich eine koindizierte Spur, sondern eine komplette Kopie der bewegten Konstituente zurück. Aufgrund der Vervielfachung der entsprechenden Informationen müssen auf LF jedoch genau so viele Bestandteile der einzelnen Kopien gelöscht werden, dass die Residuen in ihrer Gesamtheit eine Partition der bewegten Konstituente darstellen. Dieser Ansatz vermeidet offenbar eine Verletzung des LBC unter einem Minimum an Bewegung. 21 Darüber hinaus kann aufgrund der symmetrischen Behandlung von overt und covert bewegten w-Phrasen auch die Annahme einer Ambiguität des Operators [+w] vermieden und dessen Semantik auf die einfachere Variante (27) reduziert werden. Damit ist (V3) konzeptionell sowohl (V2) wie auch (VI) vorzuziehen. (V3) hat jedoch den Nachteil, dass eine sehr spezifische Theorie der Bewegung vorausgesetzt wird, und dass sich - wie von Stechow (1996) betont - wesentliche konzeptionelle Vorteile bei näherer Betrachtung der Regularitäten für ,Deletion' in Luft auflösen könnten. Welche der drei Varianten die adäquateste ist, ist natürlich einmal mehr ein empirisches Problem und betrifft wohl vor allem die Analyse von Bindungsdaten im Rahmen der Rekonstruktionsdiskussion (vgl. dazu z.B. Katz et al. 1998). Ohne mich endgültig festlegen zu wollen, werde ich im Weiteren die Variante (V3) verfolgen, unter der - nach Deletion - dem multiplen w-Interrogativsatz (29a) im Wesentlichen die logische Form in (29b) zugrunde liegt (vgl. die folgende Seite). 22 Die Interpretation dieser logischen Form erfolgt im Prinzip analog zu der einfacher wInterrogativsätze: Die IP denotiert die durch 1. repräsentierte .offene' Proposition kg.dass g(l)(professor) g(2)(student) empfahl. Diese wird durch den Interrogativator ,?' auf die einelementige Propositionsmenge {Xg.dass g(l)(professor) g(2)(student) empfahl] angehoben, vgl. 2. Hamblinabstraktion erzeugt gemäß (AI3) die einelementige Eigenschaftsmenge [Xgkfi.dass fi(professor) g(2)(student) empfahl], vgl. 3. Die Interpretation des durch die w-Phrase welcher Professor eingeführten Operators [+w] resultiert dann in der Menge { X g . ( f , Xfy.dass fi(professor) g(2)(student) empfahl)-, Dom ( / ' ) = [professor}} strukturierter Propositionen, vgl. 4. Nochmalige Hamblinabstraktion bindet die Pseudova20 Vgl. dazu auch die Diskussion in von Stechow (1996). 21 Offen bleibt natürlich weiterhin der Kontrast zwischen Operatorbewegung und Fällen wie (28). Dieser Kontrast lässt sich in diesem Rahmen jedoch möglicherweise auf ,Deletion'-Regularitäten auf der Ebene der Phonologischen Form zurückführen.
22 g ( l ) und g(2) kürzen hier und im Folgenden die Pseudovariablen g ( l , {(et)e)) bzw. g(2,
((et)e))
ab, die in den vorangegangenen schematisierten logischen Formen aus Darstellungsgründen etwas vereinfachend durch die .gewöhnlichen' Variablen f \ und / 2 über Auswahlfunktionen ersetzt wurden.
124
5. Zur Analyse von w-Interrogativsätzen
(29) a. b.
und einfachen
Welcher Professor empfahl welchen Studenten? CP CP
[+w] Q2
CP [+w]
C'
IP
c ?
g(l)(prof.) empfahl g (2)(stud.)
riable g(2) und führt zu der Menge {A^A/2.{/', Xf\.dass f\(professor) fahl)-, Dom(/') = {professor}} strukturierter Eigenschaften, vgl. 5. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
w-Phrasen
f2(student)
emp-
kgXw.empfahl(w)(g(2)(student(@mg(\)(proJ{@))) XgXwXp.p = Xg'Xw'.empfahl(w')(g'(2)(student(@)))(g'(\)(prof(@))) XgXwXP.P = Xg'Xf\Xw\empfahl(w')(g'(2)(student(@)))(f\(prof(@))) XgXwXp3f'[min-ch(f) A P = Xg'.{f, Xf]Xw' .empfahl(w')(g' (2)(student(@)))(f\(prof(@))))] AgAudflB/'tmin-cht/') A Ä - W 2 - ( / ' . Xf}Xw'.empfahl(w')(f2(student(@)))(fl(prof(@)m XgXwXP3f '3/"[min-ch(/') A min-ch(/") A P = ig'-if", A/2.)],
X/,./(P)»,
der nun ohne weiteres Gegenstand bisher eingeführter Interpretationsregeln sein kann. Da 7 Unter einer in situ-Interpretation der Gradpartikel verstehe ich hier natürlich eine Interpretation direkt als Adjunkt an DP, ohne den Umweg über Adjunktion an VP bzw. IP. Diese Analyse führt zu der Voraussage, dass Gradpartikel-DPs - über QR - Ambiguitäten erzeugen, was auch auch korrekt zu sein scheint, vgl. z.B. Taglicht (1984, 150) oder die Diskussion in von Stechow (1991, 809ff.).
6.3 Zur Inselsensitivität von Assoziation mit Fokus
137
DPs vom Typ e systematisch auf Ausdrücke des Typs (OOO angehoben werden können (vgl. z.B. Partee 1987), bedeutet die Beschränkung von (AI2) auf koordinierbare Typen keine prinzipielle Einschränkung. Damit ist aber gezeigt, dass im Rahmen des hier vertretenen relationalen Ansatzes sowohl Foki als auch fokussensitive Ausdrücke in situ interpretiert werden können, und zwar ohne spezielle Interpretationsregeln, wie sie beispielsweise in Krifka (1991) angenommen werden, stipulieren zu müssen. Fassen wir kurz zusammen. Die Diskussionen zur semantischen Natur von Indefinita und w-Phrasen im letzten Kapitel führten zu der Auffassung, dass Interrogativsätze strukturierte Propositionen denotieren, deren interne Struktur nicht durch Individuen, sondern durch Auswahlfunktionen bestimmt ist. Das Bedürfnis, die Bedingung der F/A-Kongruenz so einfach wie möglich zu halten, führte folglich direkt zu einer Reformulierung der kategorialen Fokussemantik, in der Auswahlfunktionen ebenfalls die zentrale Rolle spielen. Deren Einführung in die Interpretation von Fokus erlaubt, Fokus in situ zu interpretieren und der Verwandtschaft von w-Phrasen, Indefinita und Fokus Rechnung zu tragen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die hier vertretene Fokussemantik gegenüber der denotationellen Alternativensemantik den Vorteil hat, dass sie nicht zur Annahme inselinsensitiver LF-Bewegung führt, und gegenüber der repräsentationellen Variante, dass zum einen bereits interpretierte Foki nicht weiter verfügbar sind und zum anderen eine adäquate Behandlung der Fälle mit,gekreuzter' Fokusbindung möglich ist.
6.3
Zur Inselsensitivität von Assoziation mit Fokus
In den letzten beiden Abschnitten wurde ohne größere Diskussion angenommen, dass die nicht erst seit Rooth (1985) weit verbreitete Auffassung, Assoziation mit Fokus im Englischen und Deutschen sei ein im Wesentlichen inselinsensitives Phänomen, korrekt ist. Tatsächlich folgt diese Eigenschaft unmittelbar aus der im vorigen Abschnitt entwickelten Variante der relationalen Fokussemantik: Foki werden nicht bewegt, unterliegen also auch keinen Beschränkungen für Bewegung. Nicht zuletzt motiviert durch cross-linguistische Betrachtungen, die die overte Bewegung von Fokuskonstituenten im Ungarischen einschließen - (16) legt nahe, dass bei Fokusbewegung im Ungarischen nicht nur der Fokus, sondern die gesamte Insel vor das Verb zu bewegen ist (vgl. Drubig 1994, 5f) - , (16) a. *Ök [csak [a Zoning Szövetseget ] ],• vizsgältäk meg a kerdest, They [only [the Zoning Board ] F ],• investigated Perf the question, hogy ismered-e a not aki vezette i, whether you-know the woman who chaired f,.They only investigated the question whether you know the woman who chaired the [the Zoning Board] F ' b. Ö [csak [pirosF] inges volt foglyokat ] hivolt meg He [only red-shirt-with ex-convicts-Acc ] invited-he Perf ,He only invited [ex-convicts with [red]F shirts]'
138
6. Zur Semantik von Assoziation mit Fokus
wurde vor allem in Steedman (1991) und Drubig (1994) dafür argumentiert, dass sich Assoziation mit Fokus auch im Englischen (und Deutschen) inselsensitiv verhält. Neben dem cross-linguistischen Argument werden im Allgemeinen vor allem zwei Argumente vorgebracht, das eine semantischer, das andere syntaktischer Natur.
6.3.1
Das semantische Argument
Das semantische Argument geht im Wesentlichen auf Steedman (1991) zurück und wurde in Krifka (1998, 94f) verfeinert (vgl. aber bereits Jacobs 1988). Ausgehend von Betrachtungen über Konstituentenkoordination, einer darauf aufbauenden Isomorphiebedingung zwischen syntaktischer und phonologischer Konstituentenstruktur sowie deren Beziehung zur Ebene der Informationsstruktur, kommt Steedman (1991) zu dem Ergebnis, dass die einzige wohlgeformte Partition von (17a) in Thema und Rhema diejenige in (17b) ist, dass also die komplette komplexe Nominalphrase the man who chairs the Zoning Board als rhematisch aufzufassen ist. (17) a. They only asked whether you knew the man who chairs the ZONING Board, b- (theme They only asked whether you knew) (rheme the man who chairs (f ocus the ZONING Board)) c. They only asked whether you knew [the man who chairs [the ZONING Board] F ] F In einem Modell, das die Unterscheidung zwischen Thema und Rhema in der syntaktischen Struktur nicht repräsentiert, entspräche diesem Ergebnis in etwa die Repräsentation in (17c), d.h. die Annahme, dass die fragliche Insel fokussiert, also F-markiert ist. 8 Für die (unabhängige) Richtigkeit dieser Struktur argumentiert Steedman nun über die semantische Intuition: Was ihm zufolge für Assoziation mit Fokus relevant ist, ist nicht der eingebettete Fokus the Zoning Board, sondern das Rhema, in das die fokussierte Konstituente eingebettet ist; der eingebettete Fokus hilft lediglich die Menge der kontextuellen Alternativen zu beschränken. Da das Rhema jedoch mit der Insel identisch ist und - unter der Annahme, dass der ob-Satz keine Insel darstellt - zwischen only und dem Rhema keine weitere Insel interveniert, verletzt Assoziation mit Rhema auch keine Inselbeschränkung. Tatsächlich ist es meines Erachtens schwer, sich dieser bzw. ähnlicher Intuitionen zu entziehen. Noch überzeugender wäre es allerdings, ein Argument zu haben, das eindeutig zeigt, dass nur unter der Annahme einer F-Markierung auf der Insel korrekte Wahrheitsbedingungen abzuleiten sind. In Krifka (1998) wird ein solches Argument präsentiert. Ausgangspunkt der krifkaschen Argumentation ist die Annahme, dass im kategorialen Ansatz die Semantik von only wie in (18a) zu formulieren ist; im Auswahlfunktionenansatz entspräche dem die Bedingung in (18b). 8
Zur Interpretation einer solchen Struktur im Rahmen der Alternativensemantik vgl. Rooth (1996). Da Rooth jedoch annimmt (annehmen muss), dass nicht die Insel selbst, sondern lediglich der Relativsatz F-markiert ist, und sich die Mechanik der Interpretation sowohl in syntaktischer wie auch semantischer Hinsicht stark dem kategorialen Ansatz annähert, verzichte ich hier auf eine Diskussion dieses Ansatzes, vgl. dazu aber Reich (2000).
6.3 Zur Inselsensitivität (18) a. b.
von Assoziation mit Fokus
only({x, P)) = 1 gdw. für alle (kontextuell salienten) Alternativen yzux Wenn P(y) = 1, dann ist y — x. only({f, a)) = 1 gdw. V / ' ( D o m ( / ' ) = Dom(/) A , V-(/salinger, kf\.f\(person(@))'sBuch(w)), ...} — A
Ab diesem Punkt folgt die Struktur und die Interpretation von (22a) wieder der einfacher w-Phrasen (vgl. Kapitel 5), wobei die Denotation der cP - obige Menge A strukturierter Individuen - gewissermaßen die (komplexe) Restriktion der (komplexen) w-Phrase bildet. Im Einzelnen wird - analog zu dem Merkmal t+indef] bei einfachen w-Phrasen das Merkmal [+P] durch eine Pseudo variable g( 2) über Aus Wahlfunktionen übersetzt, die auf obiger Menge A strukturierter Individuen operiert und dieser gemäß (BKII) eine relativ zu @ extensionale Interpretation .aufzwingt'; man erhält kg.g(2)(A(g)(@)) bzw. kg.g(2)(A') mit A! := A(g)(@). Wie in Kapitel 5 ausgeführt, wird dieser Teil der w-Phrase im Skopus des Interrogativators [+wh] interpretiert, während der propositionale Operator [+w]^ 2 ¡ n SpecC zu lokalisieren ist (entweder Bewegung von [+w]g 2 wie oben angenommen oder alternativ ,Copy and Deletion', vgl. (24b)). Hamblinabstraktion, getriggert durch den Index Q2y erzeugt dabei im Fall einer w-Frage wie (24a) die Eigenschaftsmenge kgkw.[kg'kf2kw'. Peter liest(w') f2(A')}. Die durch die Interpretation des Operators [+w] p erzeugte Menge strukturierter Propositionen kann dann wie in (25) dargestellt werden; 22 in einem Individuenansatz entspricht dem die Menge in (26). (24) a. b.
Wessen Buch liest Peter? [CP U P [ + W ] £ 2 [W fi(A')]]
[
C
? [IP
Peter liest [ w P F + w ^ [w- f2(A')]] ]]]
(25) (kg'.{f, kf2.Peter liest f2(A')), kg'.(f", kf2.Peter liest f2(A')), • • •} mit /': {A'} -> D(a-eh f'(A') = ^'.{/ Nl ebelschütz, kfi.fi(person(@)ysBuch(@)), /": {A'} -+ D(ai),f"(A') = ^'.(/salinger. M\-f\(Person(®))'s Buch(@)), etc. (26) {((Niebelschütz, kx\.x\ 's Buch), kx2.Peter liest x2), {{Salinger, Axi.xi 's Buch), kx2.Peter liest x2),...} Kommen wir damit zur Antwortseite. Nehmen wir an, die als Antwort auf (24a) intendierte Äußerung von Peter liest J.D. SAlingers Buch trägt die in (27a) angedeutete FHG und 22 D a die Auswahlfunktion f2
aus der Menge A' ein strukturiertes Individuum auswählt und dieses
in einer Argumentstelle des Verbs interpretiert wird, müssen die Argumente von Verben entweder systematisch auf strukturierte Individuen verallgemeinert werden, oder das strukturierte Individuum ist durch den Destruktor
in der Argumentposition wieder zu destruieren; in letzterem Fall erhielte
man Repräsentationen der Art ( / " , kf2-Peter
liest |j f2(A')).
Zu betonen ist, dass auch in dieser
Variante keine strukturelle Information verloren geht, sondern über die Auswahlfunktion f " weiterhin verfügbar bleibt, da der Destruktor | | Skopus über f2 hat. Analoges gilt auch für die Interpretation geschachtelter Foki. Aus Darstellungsgründen setze ich hier und im Folgenden eine Verallgemeinerung der Argumentstellen von Verben (und anderen Funktoren) voraus.
161
7.3 (Komplexe) w-Phrasen im MsP-Ansatz
bekommt entsprechend die logische Form (27b) zugewiesen. Diese wird aufgrund der in Kapitel 6 ausgeführten Annahmen in Bezug auf die Syntax und Semantik von Assoziation mit Fokus durch (27c) repräsentiert bzw. interpretiert. Besteht nun - wie in Kapitel 5 angenommen - im Kontext der Frage zwischen dem Fragendem und dem Antwortendem Einigkeit hinsichtlich des ,Suchbereichs' der pronominalen w-Phrase - d.h. es gilt a l t c ( S a l i n g e r ) = person{@) - , dann gilt offenbar auch a l t c ( x ) = A' und / ' " = f"; (27a) wird folglich im Kontext der Frage (24a) letztlich durch (27d) interpretiert und somit korrekt als kongruente Antwort vorhergesagt. (27) a. b. c.
Peter liest [[J.D. SAlinger] F2 's Buch] Flp2 . a n s w e r [ Fl [ Peter liest [ F2 [[J.D. Salinger] F2 's Buch]] F ,]] a n s w e r (r, kg'.{f", k f 2 . Peter liest / 2 ( a l t c ( j c ) ) ) ) , wobei (i) * : = ^'.(/saiinger, . / i (alt c (Salinger))'s Buch(@)) und (ii)
f " : {altc(*)}
d. answer(r, kg'.{f",
D(ae) mit / " ' ( a l t c ( j c ) ) =
kf2.Peter
liest
x.
f2(A')))
Unter der Annahme, dass postnominale von-Phrasen und pränominale Dativkonstruktionen analog zu der oben betrachteten genitivischen Konstruktion zu analysieren sind, überträgt sich diese Vorhersage auch auf Äußerungen der Art (28a) und (28b). Äußerungen der Art Peter liest „Der Fänger im Roggen" werden dagegen ausgeschlossen, da deren Interpretation aufgrund ihrer unterschiedlichen Fokusstruktur offenbar nie ein Element der Denotation der Frage (27d) sein kann. (28) a. b.
Peter liest [das Buch von [J.D. Salinger] F2 ] Flp2 . Peter liest [dem [J.D. Salinger] F2 sein Buch] FlF2 .
Auf der Basis der sententialen Antworten können nun wie gewohnt kongruente Termantworten abgeleitet werden; wo syntaktisch lizenziert - also im Fall von (27a) - , kann der Prozess der Hintergrundellipse iteriert werden. Damit ist Idee und Funktionsweise des hier verfolgten Ansatzes im Wesentlichen illustriert. 23 Im Folgenden möchte ich noch zum einen plausibel machen, dass sich dieser 23 Ein in mancher Hinsicht nicht unähnlicher Ansatz wurde unabhängig in Drubig (1998) vorgeschlagen. Drubig (1998, 34) nimmt an, dass „D-linked w/j-phrases must be analysed as the interrogative counterparts of (nominal) focus phrases in the sense defined in Drubig (1994)" und weist einer D-gelinkten w-Phrase wie whose mother demzufolge eine syntaktische Struktur wie in (i) zu, in der - analog zu seiner Analyse von Fokusphrasen, vgl. Kapitel 2 - zwischen der NP- und der DP-Schale eine weitere funktionale Projektion, whP, lokalisiert wird. In deren Spezifikatorposition wird das w-Element whose covert angehoben und bewirkt damit die Auszeichnung der DP mit dem Merkmal [+wh]. (0
[DP1+wh) whose [ D - D [ w h P t [ w h ' wh [ N P mother t]JJ]]
Wie im Folgenden klar werden wird, erweist sich jedoch sowohl die Beschränkung auf D-gelinkte w-Phrasen (vgl. z.B den Fall von wieviele-Phrasen oder den indefiniter NPs im Japanischen (siehe dazu Nishigauchi 1990; von Stechow 1996)) wie auch die Beschränkung auf DPs überhaupt (vgl. z.B den Fall von P+w-Phrasen-Konstruktionen) als viel zu restriktiv. Da Drubig (1998) darüber hinaus keine expliziten Annahmen über die semantische Interpretation derartiger Strukturen macht und nahe liegende Möglichkeiten aufgrund der strukturellen Parallelität zu demselben Problem führen, wie im Fall von Fokusphrasen (vgl. Kapitel 2), werde auf diesen Vorschlag hier nicht näher eingehen.
162
7. Zur Analyse komplexer
w-Phrasen
Ansatz nicht nur im Fall von wessen-Phrasen bewährt, sondern auch bei anderen Fälle von w-Phrasen korrekte Ergebnisse liefert; zum anderen muss noch auf gewisse Besonderheiten der jeweiligen w-Konstruktionen hingewiesen werden. Wie+Adjektiv-Phrasen. Beginnen möchte ich mit der Diskussion von vWe+AdjektivPhrasen wie z.B. wie groß oder auch wie schön. In Kapitel 1 wurde bereits festgestellt, dass w/e+Adjektiv-Konstruktionen prinzipiell durch Gradangaben, Steigerungspartikeln oder auch Komparativkonstruktionen beantwortet werden können, vgl. (29); dabei werden im Allgemeinen allerdings nur Gradangaben als vollständige Antwort betrachtet. 24 (29) Wie groß a. Hans b. Hans c. Hans
ist Hans? ist 2m groß. ist sehr groß. ist größer als Peter.
Geht man mit Abney (1987) davon aus, dass Gradangaben, Steigerungspartikeln, Komparativ- und verwandte Konstruktionen als Realisierungen ein und derselben funktionalen Projektion aufzufassen sind, und zwar als Realisierungen einer so genannten DegP (= Degree-Phrase), dann ergibt sich eine nahe liegende Generalisierung für die Funktion von wie in wi'e+Adjektiv-Konstruktionen: wie erfragt mögliche DegP-Realisierungen, insbesondere natürlich Gradangaben. 25 Syntaktisch ergeben sich für die Analyse der Gesamtphrase wie groß mindestens zwei mögliche und prima facie plausible Analysen: Entweder bildet die DegP wie - und damit Degree-Phrasen im Allgemeinen - den Abschluß von Adjektivphrasen und steht damit in deren Spezifikatorposition, vgl. (30a), 26 oder die AP groß ist als Komplement des DegPKopfes wie aufzufassen, vgl. (30b). 27 (30) a.
[ A p [DegP wie] [A- groß]]
b.
[DegP h e g ' w i e [ A p g r o ß ] ] ]
Der strukturelle Unterschied zwischen (30a) und (30b) entspricht dabei im Wesentlichen dem zwischen wessen- und we/c/ie-Phrasen und folglich auch dem zwischen einfachen 24 Im Fall von nicht meßbaren Adjektiven wie schön entfällt offenbar die Möglichkeit zur Beantwortung durch eine Gradangabe. Möglicherweise ist diese Eigenschaft lediglich ein Reflex der Schwierigkeit, eine definite Skala für bestimmte Eigenschaften zu konzeptualisieren und damit nicht notwendig in der Grammatik zu repräsentieren. Wenn man jedoch diesen Unterschied in der Grammatik repräsentieren möchte, ist es nahe liegend, ihn in der Semantik der Adjektive zu lokalisieren und nicht-meßbare Adjektive nicht wie meßbare Adjektive als Relationen zwischen Graden und Individuen - vgl. z.B. {groß)' = XdXx.groß'(d)(x) - , sondern als Relationen zwischen generalisierten Quantoren über Graden und Individuen aufzufassen - vgl. z.B. (schön)' = XVkx.schön'(U)(x). 25 Hiervon deutlich abzugrenzen sind .eigenständige' Vorkommen der pronominalen w-Phrase wie, in denen adverbiale Angaben, also Ausdrücke vom Typ ((et)(et)), erfragt werden, vgl. (i). (i)
a. b.
Wie war die Geburtstagsfeier gestern? Anstrengend. Wie ist Peter gestern nach Hause gekommen? Mit dem Bus.
26 Diese Auffassung wird beispielsweise in Heim (2000) vertreten. 27 Vgl. hierzu beispielsweise Abney (1987), Corver (1990) und Rapp (1992).
7.3 (Komplexe) w-Phrasen im MsP-Ansatz
163
und komplexen w-Phrasen. M.E. spricht nun einiges dafür, w/e+Adjektiv-Phrasen analog zu wesien-Phrasen als komplexe w-Phrasen zu analysieren: Erstens bildet das Adjektiv groß in wohlgeformten Termantworten auf (29) notwendig den Hintergrund des Terms, zweitens wird inhaltlich primär eine Gradangabe und nicht eine Eigenschaft erfragt und drittens scheint die Struktur in (30b) nur schwer mit der weit verbreiteten Auffassung von Adjektiven als Relationen zwischen Graden und Individuen sowie der Annahme, dass DegPs Grade denotieren (vgl. z.B. Klein 1993), vereinbar zu sein. Ich gehe daher im Folgenden davon aus, dass w/e+Adjektiv-Phrasen im Wesentlichen die syntaktische Struktur in (30a) zugrunde liegt, dass sie also als komplexe APs mit einer (semantisch obligatorisch geforderten) DegP in ihrer Spezifiziererposition aufzufassen sind, vgl. (31a). (31) a. b.
[Ap
wie] [A- groß]] [+w],- [Deg- Deg {i [ N P Grad]]]
[DegP
[DegP
Was die interne Syntax und Semantik der pronominalen wte-Phrase selbst betrifft, nehme ich an, dass diese formal parallel zu der pronominalen w-Phrase wer zu analysieren ist, sich aber zum einen kategorial von dieser unterscheidet (DegP statt DP), zum anderen in der Art ihrer Restriktion (Grade statt Personen), vgl. (31b). Die kompositioneile Interpretation der komplexen w-Phrase verläuft nun völlig analog zu der von wessen-Phrasen: Der Operator [+w] wird aus der DegP wie in die durch Perkolation des syntaktischen Merkmals [+wh] erzeugte Position [Spec,c] angehoben und führt dort zur Generierung einer Menge {{f2m, kf ^-x ,groß(f (grad))(x)),...} strukturierter AP-Denotationen; die DegP selbst (bzw. deren Residuum) denotiert dabei einen beliebigen Grad / (grad), der direkt als Argument des Adjektivs groß mit der Semantik Xdkx.groß(d)(x) dient. Insgesamt ergibt sich, dass Terme der Form ,Gradangabe+Adjektiv' wie beispielsweise (32b) wohlgeformte Antworten auf (32a) darstellen. (32) a. b. c.
Wie groß ist Hans? 2m groß. Sehr groß. / Größer als Peter.
Unter der Annahme, dass Komparativkonstruktionen und Steigerungspartikeln wie sehr generalisierte Quantoren über Grade denotieren (vgl. dazu z.B. Heim 2000), ergibt sich die Kongruenz der Terme in (32c) analog zur Kongruenz von DP-Quantoren der Art Einige Freunde im Fall von w-Fragen wie Wen hast du gestern besucht? als Derivat aus exakt demselben Zusammenhang zwischen Objekten x (vom Typ er) und generalisierten Quantoren (vom Typ ( ( a t ) t ) ) über Objekte dieses Typs (vgl. dazu die Diskussion in Kapitel 3). Unter der (hier implizit vorausgesetzten) Annahme, dass das Merkmal [+wh] an die AP perkolieren kann, können also prinzipiell alle kongruenten Termantworten korrekt vorausgesagt werden. Tatsächlich ist aber gerade diese Annahme nicht ganz unproblematisch, zumindest unter der Formulierung der Gesetzmäßigkeiten für die Perkolation von [+wh], wie sie oben in (18) angegeben wurde. Das Problem besteht darin, dass gemäß (18) AP als lexikalische Kategorie Perkolation von [+wh] blockiert. Dies könnte entweder ein Hinweis darauf sein, dass die hier vertretene Analyse von vw'e+Adjektiv-Phrasen falsch ist, oder darauf, dass (18) zu restriktiv formuliert ist. Gegen erstere Annahme spricht, dass dasselbe Problem in ähnlich gelagerten Fällen wie [Einen [[wie großen] Kürbis]] hat der
164
7. Zur Analyse komplexer
w-Phrasen
Bauer geerntet? in Bezug auf Nominalphrasen auftritt. 28 Dies suggeriert, dass (18) etwas weniger restriktiv zu formulieren ist. Eine nahe liegende Möglichkeit bestünde darin, die allgemeine Beschränkung auf funktionale Kategorien fallen zu lassen und lediglich in Bedingung (18b) (Perkolation vom Komplement) zu fordern, dass lexikalische Kategorien die Perkolation des Merkmals [+wh] aus ihrem Komplement blockieren, vgl. (33). (33) Perkolation von [+wh]. Seien XP und YP maximale Phrasen, dann perkoliert [+wh] von XP zu YP in den folgenden Konfigurationen: a. b.
[YP,[+wh] [Spec,Y] [Y, Y f u n c XP [+wh ] ]], d.h. XP ist Komplement von Y und YP ist eine funktionale Projektion; [YP,[+wh] XP[+Wh] [ Y ' Y[| W h]...]], d.h. XP ist Spezifikator von Y und Y weist [+wh] nicht bereits selbst auf.
Diese Reformulierung würde es erlauben, Fälle wie (32a) zuzulassen, aber gleichzeitig Fälle wie (34) auszuschließen. 29 (34) *Ich weiß, das Buch von welchem Autor du gestern gelesen hast. Da die korrekte Formulierung der Gesetzmäßigkeiten der Perkolation von [+wh] offenbar stark von der jeweils zugrunde gelegten Theorie abhängt sowie eine eingehende Analyse vieler einzelner Phänomenbereiche einschließt, kann die exakte Form der Formulierung hier nicht abschließend geklärt werden (vgl. aber zum Deutschen die Beiträge von Rapp 1992; Trissler & Lutz 1992; Lutz & Trissler 1997; Trissler 2000); ich denke aber zumindest plausibel gemacht zu haben, dass die Annahme von Perkolation in wie+AdjektivKonstruktionen nicht völlig ohne Grundlage ist. Wieviel+NP-Phrasen. Damit komme ich zu einem verwandten Fall, dem der wiev/e/+NP-Phrasen wie z.B. wieviele Bücher. Mevte/+NP-Fragen sind wie wie+AdjektivFragen durch Gradangaben, Steigerungspartikeln sowie Komparativ- und verwandte Konstruktionen beantwortbar, vgl. (35), was als ein deutlicher Hinweis darauf gewertet werden kann, dass das hier vorliegende Vorkommen von wie dieselbe interne Syntax und Semantik aufweist wie das Vorkommen von wie in den obigen wz'e+Adjektiv-Fällen. (35) Wieviele Bücher liest du diese Woche? a. Diese Woche lese ich [zwei Bücher], b. Diese Woche lese ich [sehr viele Bücher]. c. Diese Woche lese ich [mehr Bücher als letzte Woche], Entsprechend wäre es nahe liegend, wieviel analog zu obigen vwe-i-Adjektiv-Fällen als eine komplexe AP der Art (30a) zu analysieren, die wiederum die Spezifikatorposition der NP Bücher besetzt, vgl. (36). 30 28 Vgl. dazu z.B. Rapp (1992) und Trissler & Lutz (1992). Allerdings scheinen Beispiele dieser Art durchaus marginaler Natur zu sein, was vor allem bei unselbständiger Verwendung deutlich wird. 2 9 Zur Diskussion möglicher Problemfälle und für einen Vorschlag zur Reduktion von (18) auf eine Komplement-Relation funktionaler Kategorien vgl. Lutz & Trissler (1997). 3 0 Man beachte, dass Perkolation von [+wh] unter Zugrundelegung der modifizierten Fassung (33) von (18) lizenziert wäre.
165
7.3 (Komplexe) w-Phrasen im MsP-Ansatz (36) [ D p [ D ' 0
[NP [ A P [DegP
wie] [A- viele]] [ N ' Bücher]]]]
Gegen eine derartige Analyse spricht aber möglicherweise, dass im Fall von viele die Kombination von Determinierer und Degree-Phrase im Allgemeinen zu (annähernd) ungrammatischen Resultaten führt (allerdings mit Ausnahme von Gradangaben), nicht aber im Fall von Adjektiven wie alt, schwer oder groß, vgl. (37) vs. (38). 31 (37) a.
Diese Woche habe ich die drei Papiere gelesen (die ich schon letzte Woche lesen wollte). b. Diese Woche habe ich die ??sehr/*so vielen Papiere gelesen. c. *Diese Woche habe ich die mehr Bücher gelesen (als letzte Woche).
(38) a. b. c.
Diese Woche habe ich die zwei alten Papiere gelesen. Diese Woche habe ich die sehr alten Papiere gelesen. Diese Woche habe ich die älteren Papiere gelesen.
Darüber hinaus kann viel- nicht wie andere Adjektive overt mit Gradangaben kombiniert werden, vgl. (39). 32 (39) a. *Peter hat fünf viele Bücher gelesen, b. Peter hat fünf alte Bücher gelesen. Aus diesen Gründen möchte ich hier einen Ansatz verfolgen, der viel sowohl syntaktisch als auch semantisch einen etwas anderen, aber doch mit,normalen' Adjektivausdrücken verwandten Status zuweist. Geht man mit Löbel (1990) davon aus, dass quantifikationellen Ausdrücken eine eigenständige (funktionale) Projektion QP zuzuweisen ist, und mit Hackl (2000) davon, dass viel- semantisch als ,parametrisierter' Determinierer aufzufassen ist ,parametrisiert' insofern, als viele vereinfacht ausgedrückt einen generalisierten Quantor über Individuen mit einer zusätzlichen Argumentstelle für Grade denotiert - , dann kann viel als (möglicherweise konstitutiver) Kopf der Phrase QP mit einer Semantik wie in (40b) analysiert werden; 33 der komplexen w-Phrase wieviele Bücher wird unter diesen Annahmen eine syntaktische Struktur wie in (40a) zugewiesen.
31 Vgl. dazu beispielsweise Gallmann (1997, 52). 3 2 Auf diesen Punkt hat mich Marga Reis (p.M.) aufmerksam gemacht. 33 Genau g e n o m m e n repräsentiert Hackl ( 2 0 0 0 ) viel durch die Formel XdXPXQ3x[P |J:| =
(ui)
(X)AQ(W)(X)/\
d], d.h. die Reihenfolge der Abstraktion über Grade d und Eigenschaften P ist in (40b)
gegenüber Hackls Version invertiert. D i e s e m Unterschied entspricht offenbar ein Unterschied in der anzunehmenden syntaktischen Struktur: Während die Semantik in (40b) eine syntaktische Struktur w i e (40a) erfordert, erfordert Hackls Semantik, dass viel- zuerst mit wie zu [[wie] viel] Bücher],
viel]
kombiniert,
und erst dann mit der N P Bücher
zu [[[wie]
Letztere Analyse ist prinzipiell sowohl
mit der Lokalisierung von wieviel
in S p e c D (vgl. z.B. Gallmann 1997; Trissler 2000) als auch mit
der Auffassung von wieviel als komplexem D - K o p f vereinbar (vgl. z.B. Pafel 1994; Hackl 2000). D i e hier gewählte Variante ist vor allem durch zwei theoretische Punkte motiviert: Erstens ist in (40a) maximal transparent, dass und w i e Perkolation des Merkmals [+wh] von wie zur D P erfolgt; zweitens erlaubt diese Struktur zusammen mit der Semantik von viel- in (40b) maximale Parallelität zu den wi'e+Adjektiv-Konstruktionen: In beiden Fällen denotiert das Komplement von wie eine Relation zwischen Graden und (Mengen von) Individuen.
166 (40) a. b.
7. Zur Analyse komplexer
w-Phrasen
[Dp(+Wh, [D- 0 [QP(+wh] [Degp(+Wh] wie] [Q- [Q viele] [ N P Bücher]]] (viel-)' = XgkwkPkdXQ3x[P(w)(x) A Q ( W ) ( X ) A |JC| = d]
Die Struktur in (40a) erlaubt Perkolation von [+wh] an die DP und damit die Analyse von wi'evie/+NP-Phrasen als komplexe w-Phrasen. Die Interpretation der komplexen wPhrase erfolgt wie gehabt und resultiert auf der Ebene der cP in einer Menge strukturierter generalisierter Quantoren der ArtAg. (/ za hi, Xf.kQ3x[bücher(x)AQ(x)A\x\ = f(grad)). Unter der Annahme, dass der ,parametrisierte Determinierer' viel in (41a) covert präsent ist, folgt damit direkt die Kongruenz von (41a) als Antwort auf (41); die Wohlgeformtheit der F/A-Sequenzen ((41), (41b)) und ((41), (41c)) folgt wie im Fall der w/e+AdjektivKonstruktionen auf der Basis der Kongruenz von (41) und (41a). (41) Wieviele Bücher liest du diese Woche? a. Diese Woche lese ich [[zwei] F [viele [Bücher]]] F . b. Diese Woche lese ich sehr viele Bücher. c. Diese Woche lese ich mehr Bücher als letzte Woche. Was aus den Annahmen in (40a) und (40b) leider immer noch nicht direkt folgt, sind die im Zusammenhang mit (37) vs. (38)/(39) angesprochenen ,idiosynkratischen' Verhaltensweisen von viel. Andererseits ist jedoch sehr damit zu rechnen, dass dieses Verhalten auf der Basis der strukturellen und kategorialen Unterscheidung erklärt werden kann. Was den Kontrast in (39) angeht, könnte beispielsweise angenommen werden, dass nur auf LF nicht in SpecQ interpretierte DegPs zusammen mit dem Kopf der DegP phonologisch realisiert werden können. Diese Annahme unterscheidet zwischen graddenotierenden Ausdrücken (Zahlwörtern) einerseits und generalisierten Quantoren über Grade (Steigerungspartikeln, Komparativkonstruktionen etc.) andererseits. Ob diese Annahme jedoch mehr ist als eine bloße Reformulierung der zu beobachtenden Fakten, sei dahingestellt. Präposition+w-Phrase. Einen weiteren prominenten Fall komplexer w-Phrasen im Deutschen stellen Fälle von Präpositionalphrasen bestehend aus einer Präposition mit einer w-Phrase als Argument dar, vgl. (42). (42) a. b. c.
Über wen habt ihr gerade gesprochen? In welchem Restaurant seid ihr gestern gewesen? Mit wieviel Jahren ist man eigentlich volljährig?
Fälle dieser Art sind bis auf einen Punkt strukturell völlig parallel zu den bereits oben besprochenen Fällen von wi'e+Adjektiv-Konstruktionen: Perkolation von [+wh] erfolgt nicht über die Spezifikatorposition, sondern über das Komplement der Präposition. Trennbare w-Phrasen. Abschließen möchte ich diesen Abschnitt mit einigen wenigen Bemerkungen zu einer Klasse von w-Phrasen, deren Gemeinsamkeit vor allem in der Optionalität von Pied Piping besteht. So können Quantifikationspartikeln wie alles oder genau, vgl. (43), Partitivkonstruktionen, vgl. (44), sowie /wr-Phrasen in was für-Konstruktionen, vgl. (45), entweder gemeinsam mit einer pronominalen w-Phrase das Vorfeld besetzen oder aber getrennt von dieser in der Basisposition der w-Phrase (oder einer ScramblingPosition) verbleiben. (43) a. b.
Wer (alles) hält (alles) einen Vortrag? Wo (genau) findet die Tagung (genau) statt?
7.3 (Komplexe) w-Phrasen im MsP-Ansatz
167
(44) Wer (von Euch) war (von Euch) im Kino? (45) Was (für Bücher) hast du (für Bücher) gelesen? Die Möglichkeit zur Trennung der vorc-Phrasen,/¿¿/--Phrasen und der Quantifikationspartikeln von pronominalen w-Phrasen wird in aller Regel auf das Vorliegen einer Adjunktionsstruktur zurückgeführt (vgl. dazu u.a. Reis 1992b; Pafel 1993, 1995,1996). Die im Rahmen dieses Kapitels im Vordergrund stehende Frage ist nun die nach dem Status trennbarer w-Phrasen: Sind diese als einfache oder komplexe w-Phrasen aufzufassen? Setzt man voraus, dass trennbaren w-Phrasen Adjunktionsstrukturen zugrunde liegen und Perkolation konstitutiv ist für die Bildung komplexer w-Phrasen, dann ist die Antwort offenbar nein; weder die Perkolationsregel in (18) noch ihre Modifikation in (33) erlaubt Perkolation in Adjunktionsstrukturen. M.E. wird diese Voraussage durch den unterschiedlichen Status des Pied Piping-Materials in den weiter oben diskutierten Fällen vs. den Status von Quantifikationspartikeln, Partitivkonstruktionen und/wr-Phrasen gestützt: Während Ersteres die w-Phrase ohne weiteren direkten Bezug zu ihr einbettet, operieren Letztere auf der w-Phrase, erweitern bzw. modifizieren deren Semantik und/oder führen kontextuelle/sortale Beschränkungen ihrer Restriktion ein. Wenn nun aber keine Perkolation stattfindet, wie kann dann eine Pied Piping-Phrase wie beispielsweise wer alles das Satztypmerkmal [+wh] lizenzieren? Als einfache wPhrase trägt die pronominale w-Phrase wer offenbar das syntaktische Merkmal [+wh]. Wird nun Adjunktion einer Konstituente XP an YP als .Duplikation' der Information in YP aufgefasst, dann folgt offenbar, dass neben der pronominalen w-Phrase auch die Adjunktionsstruktur wer alles das Merkmal [+wh] aufweist. Damit haben die Phrasen wer und wer alles aber gewissermaßen gleichberechtigten Status: Beide sind prinzipiell bewegbar und beide weisen das syntaktische Merkmal [+wh] auf und können somit das Satztypmerkmal [+wh] lizenzieren. Welche Konstituente letztere Aufgabe im Einzelfall dann letztlich übernimmt, ist sicherlich eine Frage verschiedener Faktoren, darunter rein prozessuale Erfordernisse (relative Nähe von Modifikator und Modifikand) oder auch die Vermeidung von Ambiguitäten (z.B. bei von-Phrasen). Nur hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang noch auf die w-Pronominaladverbien wie womit, worüber, wofür etc. Diese können durch eine Präposition+w-PhrasenKonstruktion der Form P+was paraphrasiert werden und stehen somit den eigentlichen Pied Piping-Fällen nahe. Dennoch können sie in norddeutschen Dialekten sowie im Hochdeutschen getrennt werden, falls die Präposition nicht mit einem Vokal anlautet, vgl. (46). (46) a. b.
Wo hat er nicht mit gerechnet? Da hat er nicht mit gerechnet.
Beginnt die Präposition mit einem Vokal und die w-Phrase wo ist mit der Präposition durch ein Fugenelement ,r' verbunden, kann es zu einer Art .Verdopplungseffekt' bzw. zur Klitisierung von ,dr' kommen, vgl. (47). (47) a. b.
Wo hat er nicht drüber nachgedacht? Da hat er nicht drüber nachgedacht.
In süddeutschen Dialekten (z.B. dem Schwäbischen) sind auch Pronominaladverbien der Art (46) nicht ohne weiteres trennbar und verhalten sich ebenfalls wie in (47), vgl. (48).
168
7. Zur Analyse komplexer w-Phrasen
(48) a. Wo hat er net damit/drmit g'rechnet? b. Da hat er net damit/drmit g'rechnet. Die prinzipielle Trennbarkeit rückt Pronominaladverbien dieser Art folglich wieder in die Nähe der oben besprochenen trennbaren einfachen w-Phrasen. Insgesamt ist es also nahe liegend, w-Phrasen dieser Art als komplexe w-Phrasen der Form .P+w-Phrase' aufzufassen, wobei die w-Phrase - aus welchen Gründen auch immer - obligatorisch an die Präpositionalphrase adjungiert. Dies ist im Wesentlichen die in Pafel (1993) vertretene Position. 34 Die Pronominaladverbien woher und wohin dagegen scheinen einen etwas anderen Status zu haben als die obigen Fälle. Erstens sind sie auch im Schwäbischen problemlos trennbar, vgl. (49), (49) a. Wo hat er des Buch her? b. Wo isch er geschtern hin/na g'fahre? und zweitens können sie inhaltlich als von wo bzw. nach wo paraphrasiert werden. 35 Unter der Annahme, dass die pronominale w-Phrase wo die interne Struktur einer Präpositionalphrase mit semantisch weitgehend unterspezifiziertem Kopf aufweist, vgl. (50a), (50) a.
[ WP [+W] . . . [ p p [ P . LOC [ D P e fo. D / [ N P Ort]]]]...], LOC e {in, auf, unter, neben,...} b. Wo liegen jetzt meine Schlüssel schon wieder? Auf/unter dem Tisch. / In der Schublade. / Neben deinem Geldbeutel.
könnten die Präpositionen hin und her parallel zu obigen Fällen trennbarer w-Phrasen als explizite (und weitgehend eindeutige) Restriktionen an die Instantiierung des unterspezifizierten Kopfes analysiert werden. 36 Eine derartige Analyse könnte möglicherweise das abweichende Verhalten dieser Klasse von Pronominaladverbien erklären. Wie eine solche jedoch im Detail aussehen könnte, muss ich hier leider offen lassen.
7.3.3
Verwandte Aspekte
Zum Abschluss dieses Kapitels möchte ich nun noch kurz auf zwei Phänomenbereiche hinweisen, für die die hier vertretenen Annahmen, dass erstens w-Phrasen - modulo der w-Phrasen-spezifischen wP-Projektion - als verallgemeinerte w-Interrogativsätze aufzufassen sind und dass zweitens komplexe w-Phrasen durch Perkolation des syntaktischen Merkmals [+wh] konstituiert werden, unmittelbare Konsequenzen haben (können). 34 Für weitere Diskussion vgl. auch Trissler & Lutz (1992), Lutz & Trissler (1997), Trissler (2000). 35 Ich möchte hier allerdings nicht suggerieren, dass von wo bzw. nach wo grammatikalische Varianten darstellen würden. (M.E. bewegen sich diese Paraphrasen selbst im Schwäbischen am Rande der Grammatikalität.) Die Paraphrasen sind jedoch durchaus verständlich und verdeutlichen den inhaltlichen Unterschied zu obigen ,P+wai'-Fällen. 36 Die Eindeutigkeit bezieht sich dabei auf das semantische Konzept, nicht notwendig auf dessen sprachliche Realisierung. So kann eine Frage wie Woher kommst du (gerade)? sowohl durch Aus Stuttgart als auch durch Vom Killesberg beantworten werden.
169
7.3 (Komplexe) w-Phrasen im MsP-Ansatz 7.3.3.1
Multiplew-Phrasen
Der erste Phänomenbereich betrifft die Interpretation multipler w-Phrasen in w-Interrogativsätzen. 37 Hier stellt sich ein mit der Interpretation von komplexen w-Phrasen verwandtes Problem: Da multiple w-Phrasen eine gemeinsame Konstituente bilden, wird bei overter wBewegung lediglich eine Spur zurückgelassen, vgl. (51 a). Dies führt jedoch - wie bereits zu Anfang dieses Kapitels ausgeführt - bei der Interpretation entsprechender Strukturen dazu, dass die tiefer eingebettete w-Phrase nicht fragerelevant ist, und somit zur Vorhersage von kongruenten Antworten der Form (51c). Dies ist aber offenbar nicht korrekt; wohlgeformte Antworten auf die Frage (51a) sind immer von der Form (51d), spezifizieren also sowohl ein Buch als auch einen Autor. (51) a. [Welches Buch von welchem Autor],- liest du als nächstes t, ? b. [[Welches Buch]* von [welchem Autor]y] z ? als nächstes liest du z. c. *Den Zauberberg. d. ( . . . ) [ Fl [ F2 [ [Den Zauberberg] F I von [Thomas Mann] F 2 ] ] ]F3Unter der Annahme, dass die in Kapitel 5 diskutierte Syntax und Semantik einfacher wPhrasen der in diesem Kapitel diskutierten Syntax und Semantik komplexer w-Phrasen angeglichen wird, ist die Interpretation multipler w-Phrasen in w-Interrogativsätzen offenbar weitgehend unproblematisch: Einer multiplen w-Phrase wie (52a) wird die in (52b) angedeutete syntaktische Struktur zugewiesen, die völlig analog zur Behandlung multipler w-Interrogativsätze in Kapitel 5 interpretiert werden kann. 38 (52) a. b. c. d.
Welches Buch von welchem Autor [wp[+wF[W'[+P]/ft]]mit TZ = [ c P [ + w f ß , [ c P [+w]eQ2 [ c . [+wh] e [ D P f\(buch) IUI =
von f2(autor)]]]]
kf2.f\(buch) Von f2(autor))), V i - ( / j . Joyce, kf2.f\(buch) von f2(autOr))), . . .}
(Ag. (/zauberberg, V i - ( / r h . Mann, (/Ulysses,
Die von der wP dominierte cP - in (52b) durch TZ abgekürzt, vgl. (52c) - fungiert in Bezug auf die wP wieder als Restriktion des p-Typ-Operators [+w] in [Spec,w], Da die syntaktische und semantische Struktur der cP in allen wesentlichen Punkten der der sententialen Projektion CP entspricht, kann deren Interpretation analog zu der von multiplen w-Interrogativsätzen erfolgen: Sämtliche interrogativen w-Phrasen werden an [Spec,c] adjungiert und bewirken dort die Generierung einer Menge strukturierter Individuen, vgl. (52d). Damit werden aber genau Termantworten der Form (5 ld) vorhergesagt. 37 Vgl. hierzu auch die Diskussion in von Stechow (2000b) und Sternefeld (2001a). 38 Wie durch Antworten der Art (51d) nahe gelegt wird, wird in (52b) die interne Struktur der DP als Adjunktionsstruktur analysiert. Sollte sich tatsächlich zeigen, dass die interne Syntax der DP als Kopf-Komplement-Struktur zu analysieren ist, erhält man strukturierte Individuen mit geschachtelten Auswahlfunktionen der Art (/zauberberg- * / t ( / T h . Mann, *-f2-fi(buch von f2(autor))}). In diesem Fall würde auf der Antwortseite allerdings statt der in (51b) angedeuteten Fokusstruktur die entsprechende, etwas schwieriger zu interpretierende Fokusstruktur (i) vorhergesagt. (i)
a n s w e r F3 [Ich lese [ Fl [ F2 [Den Zauberberg von [Th. Mann] F 2 ] F i ] ] F 3 ]
170 7.3.3.2
7. Zur Analyse komplexer
w-Phrasen
Was.. .w-Konstruktionen
Der zweite Phänomenbereich betrifft die so genannten was.. .w-Konstruktionen, die durch (53a) veranschaulicht werden können. (53) a. b.
Was glaubst du, weni Peter ti eingeladen hat? Wen glaubst du, tj dass Peter t] eingeladen hat?
Was.. .w-Konstruktionen im Deutschen (und vielen anderen Sprachen) sind im Wesentlichen durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet: Erstens ist die Gesamtkonstruktion als w-Interrogativsatz aufzufassen, zweitens ist die SpecC-Position des Matrixsatzes (oder etwas deskriptiver formuliert: dessen Vorfeld) durch ein w-Element was besetzt, drittens selegiert das einbettende Verb - hier glauben - typischerweise keine w-Interrogativsätze, viertens wird der eingebettete Satz aber dennoch wie ein w-Interrogativsatz durch ein wElement eingeleitet, und fünftens entspricht der was.. .w-Konstruktion (53a), zumindest in süddeutschen Dialekten, eine semantisch äquivalente w-Konstruktion mit langer wBewegung, vgl. (53b). Dies hat in der Literatur unter anderem zu der Auffassung geführt, dass was.. .w-Konstruktionen einen Fall partieller w-Bewegung darstellen: Die Konstruktion in (53b) repräsentiere in den wesentlichen Aspekten die logische Form der Konstruktion (53a), in der die pronominale w-Phrase wen lediglich partiell - d.h. bis zur nächsten c-kommandierenden SpecC-Position - bewegt und ihr Skopus, d.h. ihre LF-Position, durch einen expletiven (möglicherweise in SpecC basisgenerierten) Skopusmarkierer was angezeigt werde. Auffassungen dieser Art, die einen direkten Zusammenhang zwischen der eingebetteten w-Phrase wen und dem Matrix-w-Element was annehmen, werden im Allgemeinen als .direkte' Ansätze (,direct dependency approaches') bezeichnet. 39 Alternativ zu den .direkten' Ansätzen werden in der Literatur - vor allem im Gefolge von Dayal (1994) - auch die so genannten .indirekten' Ansätze diskutiert. Im Gegensatz zum (.typischen') direkten Ansatz wird im (.typischen') indirekten Ansatz angenommen, dass der so genannte Skopusmarker was tatsächlich eine ,propositionale' w-Phrase darstellt, wie sie unabhängig für Fragen wie (54a) angenommen werden muss. (54) a. b.
Was2 glaubst du t2? (was)'= kQXPkp3q[Q(q)AP(q)(p)]
Ebenfalls in Opposition zum direkten Ansatz wird angenommen, dass der unselbständige w-Satz ein .echter' - d.h. mit dem Satztypmerkmal [+wh] ausgestatteter - w-Interrogativsatz ist, der syntaktisch als Adjunkt und semantisch als Restriktion der w-Phrase was fungiert, vgl. die skizzierte LF in (55a) mit der Interpretation in (55b); diese ist semantisch äquivalent zu der Interpretation (55c) der langen w-Konstruktion (53b). 40 (55) a. b. c.
[[was [weni Peter ti eingeladen hat]]2 ? [du glaubst t2]] Xp3q[(kr3x[r = Peter hat x eingeladen])^) A p = du glaubst • SpecC[ +w h]), wobei das Merkmal in SpecC Bewegung der w-Phrase triggert und das Merkmal in C den Satztyp festlegt, aber durch .Deckung' des Merkmals in SpecC lizenziert werden muss (so ähnlich vgl. Brandt et al. 1992). 42 Wie der indirekte Ansatz hat auch dieser Ansatz Probleme, zu erklären, warum der w-Satz (56a) nicht mit nach SpecC bewegt wird. Anders als beim indirekten Ansatz kann dies aber möglicherweise auf mit den Selektionseigenschaften von glauben zusammenhängende Gründe zurückgeführt werden, da der eingebettete w-Satz nach Annahme kein w-Interrogativsatz ist. Die Frage, warum in multiplen w-Matrixsätzen die komplette komplexe w-Phrase nicht in situ verbleiben kann, scheint dagegen wesentlich schwieriger zu beantworten zu sein.
172
7. Zur Analyse komplexer w-Phrasen
Der hier vorgeschlagene Ansatz weist in Bezug auf die semantische Interpretation unübersehbare Ähnlichkeit mit dem indirekten Ansatz auf; was die Syntax betrifft, unterscheiden sie sich jedoch in mindestens zwei wesentlichen Punkten: Zum einen wird nicht angenommen, dass das eigentliche Argument des Matrixverbs glauben eine vom w-Satz unabhängige w-Phrase was ist, an die der w-Satz (obligatorisch) adjungiert, sondern dass das eigentliche Argument des Matrixverbs der w-Satz selbst ist und dieser im Matrixsatz die Funktion einer komplexen w-Phrase übernimmt; zum anderen wird nicht angenommen, dass der vorliegende w-Satz als w-Interrogativsatz zu analysieren ist. Aus letzterer Annahme folgt, dass im Deutschen was.. .w-Konstruktionen im Fall von ob-Sätzen nicht verfügbar sind, zumindest solange ob im Gegensatz zu w-Phrasen direkt in C lokalisiert (und als mit [+wh] ausgezeichnet aufgefasst) wird. Diese Vorhersage ist offensichtlich korrekt, vgl. beispielsweise (57). (57) *Was glaubt Hans, ob Peter kommt? Die wenigen hier gemachten Bemerkungen sind natürlich recht skizzenhaft, und viele der mit der Analyse von was.. .w-Konstruktionen verbundenen Probleme können hier nicht diskutiert und schon gar nicht gelöst werden. Sollte sich dieser etwas andere Blick auf die Syntax und Semantik von was.. .w-Konstruktionen jedoch nicht nur auf den ersten Anschein als vielversprechend erweisen, dann kann er offensichtlich als weitere unabhängige Evidenz für die Richtigkeit des in diesem Kapitel verfolgten Ansatzes gewertet werden. Abschließend möchte ich die Ergebnisse dieses Kapitels nochmals kurz zusammenfassen. Ausgehend von der Beobachtung, dass für die Wohlgeformtheitsbedingungen von F/A-Sequenzen im Allgemeinen nicht (nur) einfache, sondern (auch) komplexe w-Phrasen im oben spezifizierten Sinne relevant sind, wurde der in den vorigen Kapiteln entwickelte Ansatz, demzufolge einfache w-Phrasen die FHG wohlgeformter Antworten beschränken, auf natürliche Weise auf komplexe w-Phrasen verallgemeinert. Dabei haben zwei Thesen eine besonders zentrale Rolle gespielt: (Komplexe) w-Phrasen sind - modulo der w-phrasenspezifischen Projektion wP - als .verallgemeinerte w-Interrogativsätze' aufzufassen und komplexe w-Phrasen werden durch Perkolation eines syntaktischen Merkmals [+wh] konstituiert. In Bezug auf letztere Annahme wurde stipuliert, dass Perkolation eines durch ein w-Element eingeführten Merkmals [+wh] die Domäne für w-Bewegung erweitert - Perkolation von [+wh] erzeugt eine ,3rücke" für Subjazenz. Es konnte gezeigt werden, dass auf der Basis dieser Annahmen - im Gegensatz zu einem unstrukturierten Ansatz - ein breites Spektrum von F/A-Sequenzen korrekt als wohlgeformt vorhergesagt werden kann und dass diese Annahmen darüber hinaus zu einer natürlichen Behandlung multipler w-Phrasen und einer neuen und m.E. durchaus interessanten Betrachtungsweise von was.. .w-Konstruktionen führen.
Kapitel 8
F/A-Kongruenz: Weitere Aspekte 8.1
Nochmals w-Fragen: Distributive Lesarten
Zentraler Gegenstand der vorangegangenen Kapitel war die Behandlung der Kongruenz von Frage und Antwort im Fall von w-Interrogativsätzen. Es wurde unter anderem argumentiert, dass w-Phrasen systematisch Foki in der Antwort markieren und dass (minimaler) Fokussierung in der w-Frage keine systematische (minimale) Fokussierung in der Antwort entspricht. Diese Asymmetrie zwischen Frage und Antwort wurde aus der Annahme abgeleitet, dass die freien Foki der w-Frage durch eine rhetorische Relation a s k abgebunden werden, die Skopus über den Interrogativator ,?' hat. Neben dieser Asymmetrie zwischen der FHG des ^-Interrogativsatzes und der FHG der Antwort wurde in Kapitel 1 eine zweite, .spiegelbildliche' Asymmetrie dargestellt: Bestimmte, nicht-fokussierte Ausdrücke in w-Interrogativsätzen erlauben eine distributive Lesart, die systematisch mit der Akzentuierung eines korrespondierenden Ausdrucks in direkten Antworten einhergeht. Die bereits dort diskutierten Beispiele, die das Phänomen anhand von Subjektsausdrücken einführen, seien hier als (1), (2) und (3) wiederholt. (1)
a. b.
Welche Note hat jeder bekommen ? [/PEter] F hat [eine ZWEI\] F und [/PEtra] F [eine EINS\] F bekommen.
(2)
a. b.
Was haben Peters Schwestern gemacht? [Die /Jüngere] F hat [KlaVIer gespielt\] F und [die /ÄLtere] F [geLEsen\] F .
(3)
a. b.
Was haben Hans und Maria bei der Hochzeit getragen? [/HANS] f hat [einen ANzug\] F und [/MaRIa] F [ein KosTÜM\] F getragen.
Während der Akzent auf der Phrase, die der w-Phrase im w-Interrogativsatz entspricht, ein fallender ist - hier gemäß den in Kapitel 1 eingeführten Konventionen durch (H*L) angedeutet ist der Akzent auf der Phrase, die mit dem distributiv gelesenen Subjektsausdruck koiTeliert, ein steigender - angedeutet durch , / ' (L*H). Insgesamt ergibt sich eine Akzentstruktur, die häufig als ,Hutkontur' bezeichnet wird. Hutkonturen sind typisch für .mehrgipflige' Akzentstrukturen und liegen auch im Fall von Antworten auf multiple w-Fragen vor, vgl. (4).
8. F/A-Kongruenz:
174 (4)
a. b.
Weitere Aspekte
Wer hat welche Note bekommen? [/PEter] F hat [eine Z W E I \ ] F und [/PEtra] F [eine E I N S \ ] F bekommen.
Dennoch unterscheiden sich Antworten wie ( l b ) auf distributiv interpretierte w-Interrogativsätze von Antworten wie (4b) auf multiple w-Fragen in mindestens zweierlei Hinsicht: Erstens liegt das akzentuierte Subjekt im Fall von ( l b ) - vereinfacht ausgedrückt - notwendig im Hintergrund' der Antwort (d.h. das Subjekt ist bereits .gegeben'), im Fall von (4b) aber notwendig im ,Fokus' (d.h. das Subjekt ist typischerweise nicht .gegeben'); zweitens kann der steigende Akzent auf dem Subjekt in ( l b ) im Deutschen auch durch die so genannte Wurzel- oder I-Kontur realisiert werden, 1 nicht jedoch der Akzent auf dem Subjekt in (4b). 2 Auf die Frage, ob die beobachteten Unterschiede zur Annahme zweier verschiedener Akzente (Topikakzent vs. Fokusakzent) berechtigen oder ob sie aus unabhängigen Bedingungen abgeleitet werden können, werde ich später zurückkommen. In Fällen wie (1), in denen der distributiv gelesene Ausdruck - hier das Subjekt - allquantifizierenden Charakter aufweist, wird die fragliche Lesart in der Regel als Listenlesart (,pair-list reading') bezeichnet. 3 Die entsprechende Lesart bei Konstituentenkoordinationen wie in (3) wird zuweilen demselben Phänomen zugerechnet. 4 Die distributive Interpretation von .Gruppen'-denotierenden Ausdrücken, vgl. (2), ist m.E. ebenfalls unter diesen Begriff zu fassen. 5 In der Literatur zum Englischen wird in diesem Zusammenhang immer wieder auch die so genannte Auswahllesart (.choice reading') mit distributiv gelesenen indefiniten Ausdrücken diskutiert, vgl. (5). 6 Im Deutschen scheinen derartige Lesarten jedoch - wenn überhaupt - nur marginal verfügbar zu sein, weshalb sie hier aus der Betrachtung ausgeschlossen werden sollen. Auf die Sonderrolle von was/¿¿r-Interrogativen und was.. .w-Konstruktionen sei hier nur hingewiesen. 7 (5)
a. b.
Where do two unicorns live? Bei in the wood and Nap at the lake. ??Wo leben zwei Einhörner? Bei im Wald und Nap am See. Whom does John or Mary love? John, Petra. *?Wen lieben John oder Maria? John, Petra.
Damit kann aber eine erste zentrale Eigenschaft (zumindest) aller (problemlos verfügbaren) Listenlesarten bereits festgehalten werden: Im Fall von Listenlesarten scheint der distributiv zu lesende Ausdruck immer eindeutig einen Individuenbereich festzulegen, der als Basis bzw. Ausgangspunkt einer Aufzählung dienen kann. Eine weitere, in der Literatur viel diskutierte, zentrale Eigenschaft der Listenlesart besteht in einer gewissen 1
Die Wurzel- bzw. I-Kontur ist ein komplexer Ton, bestehend aus einem tiefen gefolgt von einem hohen Ton, wobei der tiefe Ton den Schwerpunkt bildet und durch einen Tonabfall vor der Steigung charakterisiert ist. Dieser Akzent kann im System von Pierrhumbert durch L*-H und informell etwas suggestiver durch , V ' notiert werden, vgl. auch Jacobs (1997).
2
Vgl. hierzu unter anderen Jacobs (1984); Büring (1997); Jacobs (1997).
3
Vgl. hierzu unter anderen Karttunen (1977); Groenendijk & Stokhof (1984); May (1985); Engdahl
4
Vgl. beispielsweise Groenendijk & Stokhof (1984, Kapitel VI).
5
Vgl. aber Pafel (1998) für eine hiervon abweichende Auffassung.
(1986); Chierchia (1993); Higginbotham (1996); Pafel (1999).
6
Vgl. hierzu vor allem Bennett (1979); Belnap (1982); Groenendijk & Stokhof (1984).
7
Vgl. hierzu beispielsweise Pafel (1996) und Lutz et al. (2000b).
8.1 Nochmals w-Fragen: Distributive Lesarten
175
Asymmetrie in Bezug auf die Verfügbarkeit der Lesart zwischen Subjektsausdrücken und direkten sowie indirekten Objekten, vgl. (6). 8 (6)
a. b. c.
Wen hat jeder geheiratet? Wer hat jeden geheiratet? Welchem Kind hat Jakob jedes Märchen erzählt?
(ambig) (nur nicht-distributiv) (stark dominant nicht-d.)
Wie Pafel (1998) ausführt, ist diese Asymmetrie jedoch nicht strikt. So können beispielsweise direkte und in noch höherem Maße indirekte Objekte distributiv gelesen werden, falls sie die thematische Eigenschaft der .Patienshaftigkeit' aufweisen, vgl. (7) und (8). 9 ' 1 0 (7)
a. ??Wer hat jeden der Anwesenden belustigt? b. Was hat jeden von euch dabei geärgert? c. ?Wer wird Hans und Maria einkleiden?
(8)
a. ?Wer hat jedem geholfen? b. Welche Lösung ist jedem zuerst eingefallen? c. Was hat Peter jedem aus dem Urlaub mitgebracht?
Schließlich kann durch Fokussierung des fraglichen Ausdrucks die Verfügbarkeit einer distributiven Lesart auch im Fall von Subjekten unterbunden werden (vgl. Pafel 1998,98). (9)
Welche Note hat [JEder]F bekommen?
Was nun die Syntax und Semantik von Listenlesarten betrifft, liegen bereits die verschiedensten Erklärungsansätze vor. So wird in May (1985) versucht, bestimmte Aspekte der obigen Asymmetrien auf Verstöße gegen die pesetskysche Pfadbedingung zurückzuführen, in Chierchia (1993) auf Verletzungen der so genannten ,Weak Crossover'-Beschränkung. In Pafel (1998, 1999) wird argumentiert, dass Listenlesarten und die in diesem Zusammenhang zu beobachtenden Asymmetrien auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten der Quantoreninteraktion zurückzuführen sind. Die obigen Asymmetrien nicht berücksichtigend, werden unter anderem in Karttunen & Peters (1980), Groenendijk & Stokhof (1984) und Higginbotham (1991) Mechanismen entwickelt, die dem zentralen Distributivitätseffekt auf der Ebene der Semantik Rechnung tragen. Was all diesen Ansätzen gemeinsam ist, ist die implizite Annahme, dass eine Derivation entsprechender wohlgeformter Antworten auf der Basis dieser (propositionalen) Analysen prinzipiell möglich ist.
8.1.1
Zum büringschen ,S-Topik'-Ansatz
Versucht man eine solche Derivation im Rahmen der repräsentationeilen Variante der Alternativensemantik, dann scheint dies in einem Beispiel wie (2) einmal mehr zu zu 8
Die folgenden Beispiele, aber nicht notwendig auch deren Bewertungen, sind zu einem wesentlichen Teil der umfassenden Arbeit von Pafel (1998, 97ff) entnommen.
9
Die Bewertungen beziehen sich auf die fragliche distributive Lesart.
10 Für die relativen Kontraste innerhalb von (7) bzw. (8) zeichnet möglicherweise der Faktor ¿Belebtheit der initialen w-Phrase verantwortlich, vgl. z.B. Kuno et al. (1999) und Kamowski & Meyer (2001).
176
8. F/A-Kongruenz: Weitere Aspekte
enger F-Markierung zu führen, und unter den hier zugrunde gelegten Annahmen folglich zu falschen Voraussagen in Bezug auf die Distribution von Termantworten, vgl. (10c). (10) a. Was haben Peters Schwestern gemacht? b. Peters [Jüngere] Fi Schwester hat [KlaVIer gespielt] F2, . . . c. *[JÜngere]Fi [KlaVIer gespielt] F 2 ,... d. Peters [JÜngere]T Schwester hat [KlaVIer gespielt] F ,... Welche Voraussagen der repräsentationelle Ansatz im Fall von Beispielen wie (3) macht, in denen die mit einem steigenden Akzent ausgezeichneten Ausdrücke Hans und Maria vorerwähnt sind, hängt sicher zum einen von der Analyse distributiver Lesarten und zum anderen von der Wahl der für die Gegebenheitsrelation relevanten Antezedenzien ab. Ähnliches trifft wohl auch auf die denotationelle Variante der Alternativensemantik zu. Geht man frei nach Karttunen & Peters (1980) davon aus, dass die Interpretation einer distributiven Lesart in einer Menge von Propositionen resultiert, die identisch ist mit der Denotation einer entsprechenden multiplen w-Frage - z.B. Was hat welche Schwester gemacht? - , dann werden im Fall von (10a) unter der Annahme einer Identitätsbedingung offenbar zu (10b) analoge Vorhersagen gemacht. Dies würde aber zum einen bedeuten, die distributiv gelesenen Ausdrücke im Wesentlichen als - durch Existenzquantoren interpretierte - w-Phrasen zu behandeln; zum anderen scheint eine Frage wie (10a) intuitiv einfach nicht wie eine multiple w-Frage interpretiert zu werden (was sich, wie bereits oben bemerkt, auch in den Eigenschaften der jeweiligen Antworten widerspiegelt): (10a) fragt nicht, welche Objekte in einer bestimmten Relation zueinander stehen, sondern stellt gewissermaßen simultan für jede (atomare) Instanz x des distributiv gelesenen Ausdrucks die einfache w-Frage Was hat x gemacht?. Dies ist im Wesentlichen die Auffassung von Higginbotham (1991). Folgt man nun Higginbotham (1991) in der Annahme, dass ein wInterrogativsatz wie (10a) - in der distributiven Lesart - tatsächlich eine Menge von Fragen denotiert, beispielsweise die Menge {was die jüngere Schwester gemacht hat, was die ältere Schwester gemacht hat], dann muss die favorisierte Identitätsbedingung [[A]]F = [[]] natürlich - zumindest in diesen Fällen - modifiziert werden. Die nahe liegendste Möglichkeit ist dabei die folgende Elementbedingung: Der Fokuswert der Antwort A ist ein Element der Interpretation der Frage , kurz: [[ AJ F e [[$]]. Unter dieser Bedingung wird jetzt allerdings jede F-Struktur ausgeschlossen, die einen von F2 verschiedenen Fokus setzt. Dies kann dann aber wiederum nur eines bedeuten: Der F-Index Fl in (10b) ist kein F-Index, sondern ein von F verschiedener Index, sagen wir T, der ebenfalls zur Realisierung eines Akzents führt, vgl. (lOd). Letztere Annahme - allerdings, wie die folgende Diskussion deutlich machen wird, ohne die hier entwickelte Voraussetzung zu teilen - ist das Kernstück der in Büring (1997,1999) entwickelten ,S-Topik'-Theorie. Büring geht davon aus, dass von den informationsstrukturellen Begriffen ,Fokus' und .Hintergrund', die inhaltlich weitgehend mit dem Begriff der .neuen' bzw. .alten' Information korrelieren, ein weiterer informationsstruktureller Begriff, der des .Topiks' eines Satzes (,S-Topik'), zu unterscheiden ist. 11 Büring folgt dabei der weit verbreiteten Auffassung (vgl. die bereits zitierten Arbeiten), dass das S-Topik derjenige Teil eines Satzes ist, über den eine Aussage gemacht wird, bzw. der den Satz im 11 Vgl. z.B. Dahl (1974); Reinhart (1981); Molnär (1991).
8.1 Nochmals w-Fragen: Distributive Lesarten
177
vorangegangenen Diskurs verankert. S-Topiks sind immer Bestandteil des Hintergrunds (vgl. dazu auch Vallduvi 1990), beinhalten also gegebene Information, und sind auf der Ebene der Syntax formal durch T-Markierung gekennzeichnet. Wie F-Markierung führt auch T-Markierung notwendig zur Realisierung eines Akzents, und zwar zur Realisierung eines .Topikakzents' (einfach steigend bzw. I-Kontur). Wie bereits oben angedeutet, nimmt Büring also für (3b) im Kontext von (3a) die T-F-Struktur in (1 lb) an: (11) a. b.
Was haben Hans und Maria getragen? [/HANS] t hat [einen ANzug\] F getragen,...
Ist die T-Markierung nun semantisch zu interpretieren, und wenn ja, wie? Rooth (1985) folgend geht Büring davon aus, dass F-Markierung einer Konstituente zur Einführung typgleicher Alternativen führt und damit auf einer zweiten - über die Interpretationsfunktion ([ • JF zugänglichen - Ebene zur Generierung einer Alternativenmenge, die mit einer einzelnen Frage identifiziert werden kann. Analog dazu nimmt Büring nun an, dass TMarkierung einer Konstituente ebenfalls zur Einführung typgleicher Alternativen führt und damit auf einer dritten - über die Interpretationsfunktion [[ • J T zugänglichen - Ebene ebenfalls zur Generierung einer Alternativenmenge. Die durch T-Markierung generierte Alternativenmenge ist jedoch nicht als eine einzelne Frage, sondern als eine Menge von Fragen aufzufassen. Welche Fragen dies sind, wird dabei eindeutig durch die T-markierte Konstituente und die jeweils kontextuell salienten Alternativen festgelegt. Unter der Annahme, dass im Fall von [Hans]T Hans, Maria sowie die Gruppe bestehend aus Hans und Maria die einzigen kontextuell relevanten Alternativen darstellen, bildet die Interpretationsfunktion |[ • J T die Antwort (1 lb) auf den Topikwert in (12) ab. 12 (12) (was Hans getragen hat, was Maria getragen hat, was Hans und Maria getragen haben} Formal können Topiks also gewissermaßen als die Foki von Fokuswerten aufgefasst werden. Inhaltlich kann ihre Funktion im Wesentlichen mit der Implikatur, die sie Büring zufolge auslösen, identifiziert werden: Topiks verweisen auf offene Fragen, vgl. (13). 13 (13) Weist A ein Topik auf, dann implikatiert A, dass sein Topikwert |[AJ T mindestens eine Frage Q enthält, die nach der Äußerung von A nicht bereits beantwortet ist. Das Topik [Hans]T in (1 lb), beispielsweise, verweist darauf, dass durch (1 lb) noch nicht beantwortet ist, was Maria getragen hat. Was die Kongruenz von Frage und Antwort betrifft, kann jetzt gefordert werden, dass eine Frage Element des Topikwerts ihrer Antwort zu sein hat (vgl. z.B. Büring 1999,148): (14) A ist genau dann eine kongruente Antwort auf , wenn [[]] e [[A]|T. Damit scheint die Wohlgeformtheit der F/A-Sequenz (11) unmittelbar zu folgen: Nach Annahme ist die Gruppe bestehend aus Hans und Maria eine kontextuell saliente Alternative zu Hans und folglich enthält der Topikwert von ( I I b ) die Frage was Hans und Maria 12 Zur kompositioneilen Derivation von Topikwerten vgl. Büring (1997, 1999). 13 D.h. erstens c n [ A ] % f | Q und zweitens c n [AJ n f | Q ¥= 0-
178
8. F/A-Kongruenz: Weitere Aspekte
getragen haben, also die vorangegangene Frage (IIa). Aber ist die Frage was Hans und Maria getragen haben im Topikwert von (IIb) wirklich identisch mit der Frage (IIa)? Aufgrund der Konstruktionsweise des Topikwerts - zuerst Interpretation des Fokus, dann Interpretation des Topik - ist erstere Frage identisch mit einer Propositionsmenge der Art {Hans und Maria haben x getragen; x ist ein Kleidungsstück). Dies entspricht aber gerade einer nicht-distributiven Interpretation der Frage Was haben Hans und Maria getragen?. Die Bedingung (14) sagt damit also voraus, dass Fragen der Art (IIa) systematisch nur eine nicht-distributive Lesart aufweisen und dass die vermuteten unterschiedlichen Lesarten der Frage gewissermaßen nur ein Epiphänomen der jeweils gewählten Antwort sind: Enthält die Antwort kein Topik - wie etwa im Fall von Hans und Maria haben [Abendgarderobe 7F getragen dann ist die vorangegangene Frage das einzige Element des Topikwerts der Antwort, und alle (in Bezug auf die Antwort) offenen Fragen gelten als beantwortet. (Dem entspricht in der .traditionellen' Auffassung die nicht-distributive Lesart der Frage (1 la).) Enthält die Antwort jedoch wie im Fall von (1 lb) ein Topik, dann wird durch die Interpretation des Topiks implikatiert, dass neben der gerade beantworteten Frage - hier: was Hans getragen hat - , mindestens eine weitere Frage offen ist, die im Topikwert der Antwort liegt. (Dem entspricht in der .traditionellen' Auffassung - in etwa - die distributive Lesart der Frage (1 la).) Dass die gestellte Frage dabei überhaupt eine (potentiell) offene Frage darstellt - und folglich die Bedingung der F/A-Kongruenz erfüllt ist - , muss über die Stipulation gesichert werden, dass die Gruppe bestehend aus Hans und Maria eine kontextuell saliente Alternative zu Hans darstellt; 14 die Beziehung zwischen der gestellten Frage und der .Antwort' ist damit also lediglich eine akzidentielle, vermittelte. Wie bereits weiter oben ausgeführt, stellt sich die Situation meines Erachtens aber genau umgekehrt dar: Nicht die Wahl eines Topiks in der Antwort ist der Auslöser für die distributive Interpretation, sondern der (ambige) w-Interrogativsatz (IIa) präsentiert in seiner distributiven Lesart eine (mehrelementige) Menge von Fragen - die Menge {was Hans getragen hat, was Maria getragen hat) - , wovon eine - was Hans getragen hat - durch die Äußerung (IIa) direkt beantwortet wird. Dass diese Auffassung richtig ist, wird durch die eingangs diskutierten Eigenschaften distributiver Lesarten von w-Interrogativsätzen gestützt: Deren Verfügbarkeit hängt wesentlich von interrogativsatzinternen Regularitäten ab und folgt den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Quantoreninteraktion (vgl. hierzu v.a. Pafel 1998, 1999). Tatsächlich ist der büringsche Ansatz mit dem hier skizzierten Bild aber nicht notwendig unvereinbar: Unter der Annahme, dass alle w-Interrogativsätze Mengen von Mengen von Propositionen denotieren - im Fall nicht-distributiver Lesarten einelementige Mengen - , könnte in Verallgemeinerung der bisher favorisierten Identitätsbedingung die folgende Forderung an die Kongruenz von Frage und Antwort formuliert werden: Der Topikwert der Antwort ist identisch mit der Denotation des vv-Interrogativsatzes, kurz: [[J = |[A]]T. Zentral für die Bewertung dieses Ansatzes ist damit vor allem die folgende Frage: Sind die büringschen Annahmen in Bezug auf die semantische und pragmatische Interpretation von Topiks notwendig, oder kann (und muss) man die beobachteten Effekte nicht auf die Interaktion prinzipiell voneinander unabhängiger Phänomene zurückführen? 14 Was m.E. gerade im Fall eines .distributiven Szenarios' nicht der Fall ist. Besonders deutlich wird dies im Fall distributiv gelesener Quantoren, vgl. beispielsweise (1) oben.
8.1 Nochmals w-Fragen: Distributive Lesarten
179
Kommen wir damit nochmals zurück zur büringschen Analyse des ,Schwestern-Beispiels'. Nimmt man entweder mit Büring an, dass die triviale Eigenschaft AJC.T eine kontextuell saliente Alternative zu der topikalischen Eigenschaft jüngere darstellt, 15 oder alternativ - mit Abstrichen obiger Argumentation folgend - , dass in der Frage über die Eigenschaften jüngere und ältere distribuiert wird, dann wird in beiden Fällen die jeweils einschlägige Bedingung zur F/A-Kongruenz durch die Sequenz in (15) erfüllt, und diese wird folglich korrekt als wohlgeformt vorhergesagt. (15) a. b.
Was haben Peters Schwestern gemacht? Peters [Jüngere] T Schwester hat [KlaVIer gespielt] F , . . .
Was nun die Derivation von Termantworten betrifft, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder sind T-Markierungen für die Derivation von Termantworten irrelevant. In diesem Fall ergibt sich zwar auf der Basis von (15b) formal korrekt die Termantwort KlaVIer gespielt, diese wird jedoch so verstanden, dass alle Schwestern von Peter Klavier gespielt haben, d.h. der Distributivitätseffekt geht verloren. Oder es wird angenommen, dass TMarkierungen doch für die Derivation von Termantworten relevant sind. In diesem Fall führt (15b) allerdings wieder zu Unterfokussierung. Eine nahe liegende Annahme, die dieses Problem vermeiden könnte, besteht darin, in (15b) T-Markierung nicht des attributiven Adjektivs, sondern der gesamten im Vorfeld stehenden Konstituente anzunehmen: (16) [Die Jüngere Schwester] T hat [KlaVIer gespielt] F ,... Diese Annahme wäre auch aus unabhängigen Gründen sinnvoll. Denn erstens stellt jüngere in (15b) im Kontext der Frage (15a) - zumindest unter den mir geläufigen Präzisierungen - neue Information dar, ist also als Topik unter den büringschen Metaannahmen eher ungeeignet. Zweitens wurde in der einschlägigen Literatur dafür argumentiert, dass im Deutschen Topiks typischerweise die Vörfeldposition besetzen. 16 Unter dieser Annahme müsste jetzt aber systematisch auch mit nicht-akzentuierten und für Ellipse irrelevanten S-Topiks gerechnet werden, vgl. (17b). (17) a. b. c.
Was haben Peters Schwestern gemacht? [Sie]T haben [KlaVIer gespielt] F . [KlaVIer gespielt] F .
Intuitiv führen nicht-akzentuierte S-Topiks aber keine Alternativen ein. Bürings Annahmen über die semantische Interpretation der T-Markierung basieren jedoch gerade auf dieser Intuition. Die Annahme, dass nur akzentuierte Ausdrücke überhaupt S-Topiks sein können, ist also eine für Büring zentrale Annahme. 15 D i e triviale Eigenschaft kx.x
kann auch durch die Eigenschaft, mit sich selbst identisch zu sein,
= x, wiedergegeben werden. Dass diese Eigenschaft im Fall von Topiks typischerweise eine
kontextuell saliente Alternative darstellen soll, ist zumindest überraschend. Denn wie in von Stechow (1981) und Rooth (1985) gezeigt wird, darf genau diese Eigenschaft im Fall von Fokussierung typischerweise keine kontextuell saliente Alternative darstellen, da ansonsten Assoziation mit nur systematisch zu notwendig falschen Aussagen führt. 16 Vgl. beispielsweise Molnär (1991). D i e s e Aussage impliziert natürlich nicht, dass das Vorfeld im Deutschen eine ausgezeichnete Topikposition wäre.
180
8. F/A-Kongruenz:
Weitere Aspekte
Betrachten wir in diesem Zusammenhang nochmals die nicht-distributive Lesart des wInterrogativsatzes (17a). Es ist klar, dass das Subjekt sie in der Antwort (17b) kein S-Topik im büringschen Sinne darstellen kann (da es nicht akzentuiert ist). Aus welchem Grund sollte das Subjekt sie in (17b) aber kein Topik darstellen? Es repräsentiert sicher vollständig alte Information und bildet intuitiv den Teil von (17b), über den etwas ausgesagt wird und der (17b) mit (17a) ,verknüpft'. Der einzige Grund, sie nicht als S-Topik aufzufassen, besteht also in der Tatsache, dass sie nicht akzentuiert ist.
8.1.2
Topikakzent oder (kontrastiver) Fokusakzent?
Wenn nun dafür argumentiert werden könnte, dass der so genannte Topikakzent nicht auf eine Topikmarkierung zurückzuführen ist (und folglich nicht für Topiks konstitutiv ist), sondern auf eine Fokusmarkierung, dann könnte zum einen die maximal einfache Formulierung zur Derivation von Termantworten und zum anderen der traditionelle Topikbegriff beibehalten werden. In diesem Fall muss allerdings gezeigt werden, wie auf der Basis der Fokussierung der pragmatische Effekt der S-Topiks abgeleitet werden kann. Ein erster Hinweis darauf, dass nicht zwischen T- und F-Markierungen unterschieden werden sollte, ist die Tatsache, dass beide Markierungen im Wesentlichen zu denselben Effekten führen: Beide Markierungen führen Alternativen ein und beide Markierungen sind Gegenstand derselben Gesetzmäßigkeiten zur Positionierung des mit der Markierung verbundenen Akzents. Lediglich die Form des jeweiligen Akzents scheint klar gegen eine Identifizierung der Markierungen zu sprechen: Topikakzente im Deutschen werden im Gegensatz zu Fokusakzenten typischerweise durch eine I-Kontur (Wurzelkontur) realisiert und sind notwendig steigend. Wie Molnär & Rosengren (1997) zeigen, kann derselbe Akzent mit demselben pragmatischen Effekt jedoch auch auf Nicht-Topiks realisiert werden, vgl. beispielsweise das auf Marga Reis zurückgehende Beispiel (18), in dem das Topik bereits durch das direkte Objekt den dritten Aufsatz realisiert wird. (18) Den dritten Aufsatz schließlich werden VÄLle Kritiker NICHT\ gut finden. Dies scheint ein klarer Hinweis darauf zu sein, dass die I-Kontur nicht notwendig an den Status als Topik und damit an die T-Markierung gebunden ist, sondern unabhängig von dieser typischerweise (allerdings nicht notwendig, vgl. Molnär & Rosengren 1997) mit dem entsprechenden pragmatischen Effekt verbunden ist. Eine adäquate Analyse sollte dieser Tatsache Rechnung tragen, ohne jedoch dabei die doch ,prototypische' Verbindung mit Topiks zu verlieren. Gestützt wird diese Auffassung durch einen Symmetrieeffekt bei S-Topiks. Im Fall von (3) - hier wiederholt als (19) - tragen beide Subjekte in der Antwort, Hans und Maria, einen .Topikakzent'; beiden Konjunkten, also (19b) und (19c), wird daher derselbe mehrelementige Topikwert zugeordnet. (19) a. b. c.
Was haben Hans und Maria bei der Hochzeit getragen? [/HANS] t hat [einen ANzug\] F und [/MaRIa] T [ein KosTÜM\] F getragen.
8.1 Nochmals w-Fragen: Distributive
Lesarten
181
Nach Äußerung beider Konjunkte sind nun allerdings - zumindest intuitiv - alle relevanten offenen Fragen beantwortet. Nach Annahme verweisen S-Topiks jedoch auf die Existenz auch nach ihrer Äußerung noch offener Fragen im Topikwert der Antwort. Damit ist die Präsenz eines S-Topiks in der letzten Antwort (19c) jedoch zumindest überraschend. Da der fragliche pragmatische Effekt als Implikatur modelliert wird, kann diesem Einwand zwar entgegengehalten werden, dass die mit dem S-Topik in (19c) verbundene Implikatur aufgrund kontextueller Faktoren gelöscht' wird, dennoch wäre aber sicher eine Erklärung vorzuziehen, die die Symmetrie in der Akzentuierung aus unabhängigen Bedingungen abzuleiten in der Lage ist. Im Folgenden werde ich zwar mit Büring (1997) davon ausgehen, dass Topiks T-markiert sind, folge ihm aber weder in der semantischen Deutung dieser T-Markierung noch in der Annahme, dass Topiks notwendig akzentuiert sein müssen. Inhaltlich werde ich mich weitgehend an der traditionellen' Vorstellung von Topiks als dem ,Satzgegenstand' bzw. dem Bindeglied zwischen Satz und Diskurs orientieren. Die Akzentuierung der Topiks in den diskutierten Beispielen führe ich gemäß obiger Argumentation auf die Präsenz einer F-Markierung zurück. Für das .Schwestern-Beispiel' (2) werde ich daher im Folgenden die T-F-Struktur in (20) annehmen. (20) [Die [JUngere] F2 Schwester]T,Fi hat [KlaVIer gespielt] F 3 ,... Die F-Markierungen F2 und F3 sind dabei nicht weiter überraschend und folgen direkt aus GiVENness u n d AVOIDF (bzw. RHET-REL). W a s ist a b e r m i t F l ? F l w i r d o f f e n b a r b e -
nötigt, um kongruente Termantworten ableiten zu können, verstösst aber gegen AVOIDF. Ein ähnlich gelagerter Fall konnte bereits bei der Derivation von Termantworten in .normalen' F/A-Sequenzen beobachtet werden. Dort wurde eine weitere Beschränkung zur F-Markierung eingeführt, RHET-REL, die rhetorischen Relationen wie a n s w e r Vorrang vor AVOIDF gibt. Die rhetorische Relation a n s w e r ist hier offenbar nicht einschlägig. An gleicher Stelle wurde aber bereits auf die Notwendigkeit der Annahme einer weiteren rhetorischen Relation, c o n t r a s t , aufmerksam gemacht. Die zentrale These dieses Abschnitts besteht nun gerade darin, dass die Akzente auf den Topiks in den diskutierten Beispielen kontrastiver Natur sind, diese Topiks also als .kontrastive Topiks' aufzufassen sind - allerdings in einem Sinne, der nicht nur die büringsche Verwendung dieses Begriffes einschließt, sondern auch diejenigen Daten, die er unter den Begriffen .partielles Topik' (.partial topic') und .implikatives Topik' (.implicational topic') diskutiert.
8.1.3
Die rhetorische Relation c o n t r a s t
Um diese These rechtfertigen zu können, müssen zwei Fragen geklärt werden. Erstens, was genau sind eigentlich kontrastive Foki, und zweitens, warum sind die fraglichen Foki in den Antworten auf Listenlesarten als kontrastiv zu bezeichnen? Kommen wir zunächst zur ersten Frage. Diese kann hier natürlich nicht vollständig geklärt werden, die Skizze einer Analyse scheint mir aber zumindest möglich und auch angebracht. Betrachten wir also einige immer wieder unter dem Begriff des (symmetrischen) Kontrasts zitierte Beispiele (vgl. z.B. Chomsky 1971; Rochemont 1986; Rooth 1992):
182
8. F/A-Kongruenz: Weitere Aspekte
(21) a. [An [American]F farmer] met [a [Canadian]F farmer]. b. John is neither [[eager]F to please], nor [[easy]F to please], nor [[certain]F to please], c. [[John]F hit [Bill]F] and then [[he]F hit [him]F]. Formal haben alle diese Beispiele eines gemeinsam: Sie enthalten alle mehrere maximale Konstituenten gleichen Typs (DP, VP oder auch IP bzw. CP), die sich lexikalisch lediglich in ihrer (ihren) fokussierten Konstituente(n) unterscheiden. Was m.E. in diesen Fällen inhaltlich kontrastiert wird, sind gerade diese maximalen Konstituenten bzw. deren Denotate. Aufgabe der (symmetrischen) Fokussierung ist hierbei die Gewährleistung von Vergleichbarkeit der kontrastierten Konstituenten zum einen und von Verschiedenheit im Denotat zum anderen. Wie kann diese Vorstellung im Rahmen des hier verfolgten Ansatzes präzisiert werden? Ich nehme im Folgenden die Existenz einer rhetorischen Relation c o n t r a s t an, die - ähnlich wie der roothsche Kontextoperator ~ T - auf LF beliebig adjungiert werden darf. 17 Für ein Beispiel wie (21a) führt diese Annahme zu einer LF wie in (22). (22)
S
contrast
DP
Fl
V DP
D
met NP
AmericanF1
DP contrast
DP
F2
farmer
DP
a
A
N
Canadian,^
farmer
Die rhetorische Relation c o n t r a s t bzw. deren Binder-Index Fl bindet den Fokus auf American. Adjunktion des Binder-Index Fl führt wie gehabt zur Bildung einer strukturierten Bedeutung der Form XP.{f, k f \ . P(an / i ( X \ ) farmer)) mit / : {Xi} —> D(s(eiy), f(Xi) = American. Die rhetorische Relation c o n t r a s t ist nun in gewissem Sinn mit der Gradpartikel auch vergleichbar: Sie hat keinerlei Auswirkungen auf die Wahrheitsbedingungen des Satzes, führt jedoch eine präsuppositionale Beschränkung ein. Semi-formal kann c o n t r a s t wie in (23) charakterisiert werden. 18 17 Die Adjunktion muss dabei offenbar einer Maximalitätsbedingung unterliegen, auf die ich hier jedoch nicht weiter eingehen möchte. 18 Die Definition in (23) erfasst lediglich Fälle symmetrischer Foki. Angesichts der Möglichkeit asymmetrischer Kontrastfoki muss die Formulierung von (23) möglicherweise auf die Existenz von LF-
8.1 Nochmals w-Fragen: Distributive Lesarten
183
(23) a. c o n t r a s t ' ( A / \ ( a / , y')) = XP.y'(a') b. c o n t r a s t / ( A / J . { a / , y'}) ist genau dann definiert, wenn im unmittelbaren Prä- oder Posttext von XP.{a\ y') eine LF-Konstituente p mit p' = XP.(v', ß') existiert, so dass: [[a'J ^ UV]] und | [ / J = H>']] (d.h. Distinktheit im Fokus und Identität im Hintergrund). In (22) ist dies offenbar genau dann der Fall, wenn die Variablen X \ und X2 koextensional interpretiert werden, d.h. dieselben Alternativen (hier: American und Canadian) einführen. Analog können auch die anderen Fälle behandelt werden. Der Kerngedanke, der damit der Analyse von kontrastivem Fokus zugrunde liegt, ist die Annahme, dass bei kontrastivem Fokus immer eine mehrelementige Menge {(a 1, P),..., {an, P)} strukturierter Bedeutungen kontextuell zugänglich sein muss. Die These des folgenden Abschnitts besteht nun darin, dass w-Interrogativsätze in Listenlesart eine derartige Menge denotieren und damit den Boden zur Lizenzierung kontrastiver Foki in kongruenten Antworten bereiten.
8.1.4
Listenlesarten - ein Fall distributiver Topiks
Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die m.E. intuitiv unmittelbar einleuchtende Annahme, dass ein Topik in einer Antwort ein entsprechendes Topik in der Frage voraussetzt, auf das sich die Antwort beziehen kann: Im Kontext einer Frage kann nur dann über ein Objekt eine Aussage gemacht werden, wenn auch über dieses Objekt etwas erfragt wurde. Diese Annahme führt direkt zu der Auffassung, dass die distributiv zu interpretierenden Ausdrücke in Listenlesarten (einen Cluster von) Topiks darstellen.19 Gestützt wird diese Auffassung zum einen dadurch, dass diese Ausdrücke wie bereits bemerkt (in selbständigen w-Interrogativsätzen) notwendig auf eine kontextuell saliente Menge von Individuen verweisen, die als ,Aufzählbasis' in der Antwort dienen können; zum anderen dadurch, dass der unterschiedlichen ,Topiktauglichkeit' von Subjekten, direkten und indirekten Objekten die zu Beginn dieses Abschnitts angesprochene Asymmetrie in Bezug auf die Verfügbarkeit von Listenlesarten entspricht. Aus diesen Gründen werde ich im Folgenden davon ausgehen, dass die distributiv zu lesenden Ausdrücke in Listenlesarten tatsächlich Topiks darstellen, die mit einer rhetorischen Relation t o p i c assoziiert sind und von dieser relativ zu einem gegebenen Kontext auf ihre ,Topiktauglichkeit' hin überprüft werden.20 Obige Bemerkung zum Verhältnis von Topiks in Fragen und Antworten sowie die Möglichkeit freier Topiks in Konstruktionen wie Und Hans, was hat der getragen? legen dabei nahe, dass die rhetorische Relation t o p i c maximal weiten Skopus hat, vgl. die logische Form (24b) der Frage (24a). Konstituenten, die unter der Annahme einer analogen F-Struktur die Bedingung (23) erfüllen würden, abgeschwächt werden. 19 Für eine ähnliche Auffassung wird auch in Erteschik-Shir (1997, 195f) und Krifka (2001a) argumentiert. 20 Die rhetorische Relation t o p i c nimmt unter den rhetorischen Relationen insofern eine Sonderstellung ein, als Topiks nicht notwendig fokussiert sind. Dem wird in der hier verfolgten Analyse dadurch Rechnung getragen, dass Topiks auf der Ebene der LF covert zu t o p i c bewegt werden müssen und nicht im eigentlichen Sinne durch t o p i c gebunden werden.
184
8. F/A-Kongruenz:
(24) a. b. c.
Weitere
Aspekte
Was haben Hans und Maria getragen? t o p i c [[Hans und Maria] TiJ [ a s k [Was, ? t j haben f, getragen]]] topic({Hans Xxj.{{a\,
© Xxi. Xj
Maria,
hat
g e t r a g e n ) , . . . , {an, Xx-,. xj hat x, getragen)}})
Adjunktion der T-markierten Konstituente unterhalb von t o p i c führt, so die Annahme, zur Generierung einer strukturierten Frage. Legt man nun beispielsweise eine Pluralsemantik zugrunde, wie sie in Link (1983) vertreten wird, dann resultiert die logische Form (24b) in einer Repräsentation wie (24c). 21 Was die Semantik von t o p i c betrifft, nehme ich an, dass t o p i c keinen Einfluss auf die semantische Interpretation hat, also als die Identität aufzufassen ist. Wie c o n t r a s t führt t o p i c jedoch eine Präsupposition ein: Der ,Fokus' der strukturierten Bedeutung muss im Kontext der Äußerung als ,gegeben' und ,aktiviert' gelten, und so die Verankerung der Äußerung im Kontext erlauben. 22 Da die Destruktion der strukturierten Frage in (24c) zur semantischen Rekonstruktion des komplexen Individuums Hans © Maria führt, repräsentiert (24c) offenbar die nichtdistributive Lesart der Frage (24a). Unter der Annahme eines Distributors e a c h , der aus einer strukturierten Bedeutung mit einem komplexen .Fokus' eine Menge strukturierter Bedeutungen generiert, vgl. (25), (25) each(a) =
Xq3x[x
< * ni(a)
A q = (x, 7 r 2 ( a ) ) ]
kann die distributive Lesart der Frage (24a) nun auf der Ebene der Logischen Form durch (26a) repräsentiert werden. Unter einer distributiven Lesart denotiert die Frage (24a) folglich eine Menge strukturierter Fragen der Form {(ai, Q), ..., (a„, Q)}, vgl. (26b). 23 (26) a. b.
t o p i c [each [[Hans und Maria] TiJ [ a s k [Was, ? tj haben f, getragen]]]] {{Hans, Xxj.{{a\, Xxt. xj trug x t ) , . . . , (an, Xxi.xj trug *,-)}), {Maria, Xxj.{{a\, Xx,. xj t r u g x t ) , . . . , {an, Xxt. xj trug *,)})}
Unter den obigen Annahmen erhält man also für Beispiele der Art (24a) exakt die intendierten Resultate. Da bei der Ableitung der Denotation (26b) von (24a) lediglich davon Gebrauch gemacht wurde, dass Hans © Maria ein komplexes Individuum vom Typ e darstellt, ist klar, dass das ,Schwestern-Beispiel' (2) analog behandelt werden kann. Da jedoch ein Quantor wie jeder nicht vom Typ e ist, bleibt noch zu zeigen, dass die distributive Lesart auch im Fall von Fragen wie (1) - Welche Note hat jeder bekommen ? - abgeleitet werden kann. Wie bereits mehrfach betont, kann ein Quantor wie jeder nur dann topika21 Aus Gründen der Einfachheit wird hier die FHG des w-Interrogativsatzes vernachlässigt. 22 Für eine Präzisierung dieser Begriffe muss an dieser Stelle auf mögliche Formalisierungen im Rahmen dynamischer Semantiken verwiesen werden, vgl. beispielsweise Vallduvi (1990). 23 Zur Analyse von Listenlesarten als Mengen von Fragen, vgl. bereits Higginbotham & May (1981). In Krifka (2001a) wurde zuletzt vorgeschlagen, Listenlesarten als Koordinationen von Sprechakten aufzufassen. Um den entscheidenden Distributivitätseffekt ableiten zu können, wird dabei angenommen, dass Individuen nicht nur mit der Menge aller Eigenschaften, die auf sie zutreffen, identifiziert werden können - kP.P{Hans), P e V a r ^ , ) - , sondern auch mit der Menge der Sprechakte, die über sie .geäußert' werden können-A.A.A (Han s), A e Var(eay wobei a der Typ der Sprechakte ist. Während erstere Annahme philosophisch motiviert ist (Leibniz' Gesetz), ist zumindest unklar, worauf sich letztere Annahme gründet.
8.1 Nochmals w-Fragen: Distributive
Lesarten
185
lischen Charakter haben, wenn er über eine kontextuell beschränkte Menge quantifiziert, in der jedes Element kontextuell ,identifizierbar' bzw. ,rekonstruierbar' ist und folglich als Aufzählbasis in einer kongruenten Antwort dienen kann. Eine Idee von Groenendijk & Stokhof (1984) aufgreifend, nehme ich daher an, dass Quantoren, die unmittelbar durch eine T-Markierung dominiert werden, durch einen Operator basis mit dem komplexen Individuum identifiziert werden, das dieser Aufzählbasis entspricht, vgl. (27). (27) b a s i s ( ö ) = 0 min XP.Q(P),
Q vom Typ generalisierter Quantor.
Aufgrund der Konstruktion des Operators basis können lediglich allquantifizierende Ausdrücke als Topiks fungieren. Dies sagt korrekt voraus, dass die Listenlesart nur mit Quantoren dieser Art problemlos verfügbar ist. Sollte sich diese Annahme als zu restriktiv erweisen, kann basis im Sinne des Operators LIVE in Groenendijk & Stokhof (1984, Kap. VI) auf beliebige (nicht monoton fallende) Quantoren verallgemeinert werden.
8.1.5
Listenantworten - ein Fall kontrastiver Topiks
Kommen wir also wieder zurück zur Analyse kongruenter Antworten auf distributiv interpretierte w-Interrogativsätze und damit zu der Frage, welche Funktion der Akzent auf den Subjekten in den Antworten (28b) und (28c) auf (28a) hat. (28) a. b. c.
Was haben Hans und Maria (bei der Hochzeit) getragen? [/HANS]T>FI hat [seinen ANzug\] F 2 getragen und [/MaRIa] T ,Fi hat [ihr KosTÜM\] F2 getragen.
Wie im letzten Abschnitt gezeigt wurde, denotiert der w-Interrogativsatz (28a) unter einer Listenlesart eine Menge strukturierter Fragen, und zwar die Menge Q = [ (Hans, Xx. was x getragen hat), (Maria, Xx. was x getragen hat)}. Aus pragmatischer Perspektive betrachtet werden bei der Äußerung von (28a) folglich mehrere w-Fragen gleichzeitig zur Beantwortung präsentiert. Die Funktion der akzentuierten Topiks besteht nun m.E. zum einen darin, den Konnex zwischen den je verschiedenen Fragen und Antworten herzustellen, zum anderen darin, deutlich zu machen, dass beispielsweise in (28b) gerade die Frage beantwortet wird, was HANS (bei der Hochzeit) getragen hat, und nicht die Frage, was MaRIa (bei der Hochzeit) getragen hat; analog für (28c). Inhaltlich werden also die einzelnen Antworten unter Zuhilfenahme der Topiks - die ja gerade für die Distinktheit der Fragen verantwortlich zeichnen - in Bezug auf die Fragen, die sie beantworten sollen, gegeneinander kontrastiert. Der kontrastive Akzent wird dabei durch die Fragen selbst lizenziert, die formal - indem sie eine nicht-triviale Menge strukturierter Bedeutungen der Form {(ai, Q,)..., (an, Q)} einführen - alle Voraussetzungen für Kontrastfokus schaffen, vgl. Abschnitt 8.1.3. 24 Für eine Antwort wie (28b) - hier wiederholt als (29a) - nehme 24 Man beachte, dass Kontrastfokus auf den Topiks nur über die Menge der Antworten nicht lizenziert werden kann, da die Schwesterknoten der Topiks in den Antworten unterschiedliche Eigenschaften denotieren und damit die formalen Bedingungen für Kontrastfokus nicht vorliegen. In der Frage selbst führt die Tatsache, dass die Frage eine Menge strukturierter Bedeutungen der Form {(ai, Q,)..., (a„, Q)} denotiert, daher nicht zu Kontrastfokus auf Hans und Maria, da diese auf der
186
8. F/A-Kongruenz:
Weitere
Aspekte
ich daher eine logische Form wie in (29b) an, die in einer semantischen Repräsentation wie (29c) resultiert.25 (29) a. b. c.
[/HANS] t , fi hat [seinen ANzug\]p2 getragen c - t o p i c [[Hans]T,F1,,- [ a n s w e r [F2 [t,- hat [seinen Anzug]^ getragen]]] c - t o p i c ({Hans,
A j c , - . a n s w e r ( r , ( / , Xf2-X{ hat f2(X2)
getragen))))
mit / : {X 2 j ->• De, f ( X 2 ) = Hans' Anzug In der LF (29b) wird von einer Variante von t o p i c , c - t o p i c (,contrastive topic'), Gebrauch gemacht, die wie t o p i c die T-markierte Konstituente auf ihre ,Topiktauglichkeit' hin überprüft, darüber hinaus jedoch deren Fokussierung bindet und fordert, dass im unmittelbaren Kontext der Äußerung eine Menge strukturierter Fragen salient ist, von denen genau eine durch das Topik der Äußerung identifizierbar ist, vgl. (30). (30) a. b.
c - t o p i c « « , ß)) = ß(a) c - t o p i c ( { a , ß)) ist genau dann definiert, wenn (i) a ein Topik im obigen Sinne darstellt und (ii) im Kontext der Äußerung eine Menge {(«i, Q),... ,(an, Q)} strukturierter Fragen salient ist, so dass a = a, für ein i e ( 1 , . . . , «}.
Ein kontrastives Topik präsupponiert also eine Menge von (offenen) Fragen. Was diesen Punkt betrifft, stimme ich völlig mit Büring (1997, 1999) überein. Worin sich der hier vertretene Ansatz jedoch von dem büringschen Ansatz unterscheidet, ist die Frage, was für diesen Effekt verantwortlich zeichnet: Während Büring die Auffassung vertritt, dass dieser Effekt eine Implikatur topikalischer Ausdrücke darstellt, wird hier die Auffassung vertreten, dass er auf einen kontrastiven Fokus zurückzuführen ist, der die Präsenz einer Menge von Fragen präsupponiert bzw. durch diese lizenziert werden muss. Im Fall von F/A-Sequenzen wie beispielsweise (3) ist diese Fragenmenge explizit präsent; in anderen Fällen kann die Präsenz derartiger Fragen auch akkommodiert werden, vgl. (31). (31) a. b.
Welches Buch würde Fritz kaufen? [Vkh] T , fi würde [„Das Hotel New Hampshire"\]f2 kaufen.
Die Annahme einer (nicht-kompositionellen) rhetorischen Relation c - t o p i c in der logischen Form (29b) von (29a) trägt der Tatsache Rechnung, dass die I-Kontur (der Wurzelakzent) typischerweise auf Topiks realisiert wird. Wie jedoch die Definition von c - t o p i c bereits deutlich macht, ist der kontrastive Effekt prinzipiell unabhängig vom Topikcharakter der Konstituente zu sehen und kann folglich disjunktiv in die Lizenzierungsbedingungen der rhetorischen Relation c o n t r a s t aufgenommen werden. Damit wird vorhergesagt, dass der fragliche pragmatische Effekt prinzipiell (modulo Auswahlfunktion) auch durch Nicht-Topiks getriggert werden kann. Die Art der Realisierung des Akzents Ebene der Oberflächenstruktur eine syntaktische und semantische Einheit bilden und deshalb nicht sinnvoll gegeneinander kontrastiert werden können. (Dies wird noch deutlicher, wenn das Subjekt definit eine Gruppe beschreibt, vgl. z.B. das ,Schwestern-Beispiel'.) 25 Im Fall der F/A-Sequenz (2) liegt innerhalb der kontrastiv fokussierten Konstituente [Die Jüngere Schwester]T Fi ein weiterer, innerhalb der Menge der Antworten lizenzierter Kontrastakzent vor. Diese ist also als [contrast [ F3 [Die [JüngereSchwester]]^i FI zu repräsentieren.
8.2
Entscheidungsfragen
187
(I-Kontur) ist dabei möglicherweise als ein konventionalisiertes Mittel aufzufassen, das auf die spezielle Form der Lizenzierung verweist. Wie jeder andere Ansatz ist auch dieser Ansatz nicht ohne Probleme (so scheint beispielsweise die I-Kontur wesentlich leichter mit nicht-allquantifizierenden Quantoren wie viele oder Numeralia verträglich zu sein, als dies unter den Annahmen bezüglich Listenlesarten zu erwarten wäre); er weist aber auch einige m.E. nicht zu unterschätzende Vorteile auf: Neben der prinzipiellen Möglichkeit der Realisierung der I-Kontur auf Nicht-Topiks kann der traditionelle Topikbegriff beibehalten werden, insbesondere die Annahme, dass Topiks nicht notwendig akzentuiert sind. Weiter ergibt sich der durch die I-Kontur getriggerte pragmatische Effekt direkt aus den Lizenzierungsbedingungen für kontrastive Foki, braucht also nicht gesondert stipuliert zu werden. Drittens ergibt sich aus der (prototypischen) Symmetrie kontrastiver Foki direkt der in Abschnitt 8.1.2 diskutierte Symmetrieeffekt in den Antworten auf Listenlesarten. Viertens schließlich - und das ist der zumindest im Kontext dieser Arbeit wichtigste Aspekt - , stört' die Präsenz kontrastiver Topiks nicht im mindesten die Kongruenz von Frage und Antwort: Das Topik wird semantisch rekonstruiert, die Kontextvariable T greift eine der durch den w-Interrogativsatz eingeführten Fragen anaphorisch auf und die rhetorische Relation a n s w e r testet, ob die strukturierte Proposition in ihrem Skopus ein Element dieser Frage ist, vgl. (29c). Mit der Analyse von ,S-Topiks' ist der in Kapitel 1 als für w-Interrogativsätze relevant betrachtete Phänomenbereich abgedeckt, und es ist an der Zeit, zu den Entscheidungsinterrogativsätzen überzugehen.
8.2
Entscheidungsfragen
Fassen wir nochmals kurz die bereits in Kapitel 1 skizzierten Bedingungen für kongruente Termantworten auf Entscheidungsfragen zusammen. E-Fragen werden typischerweise durch die Antwortpartikeln ja oder nein beantwortet, vgl. (32a), können aber auch durch Satzadverbiale wie vielleicht oder sicher beantwortet werden, vgl. (32b). (32) Hat Peter eine Frau geküsst? a. Ja. / Nein. b. Vielleicht. / Höchstwahrscheinlich. / Sicher. c. ?Ja. Peter. / ?Ja. Eine Frau. / ?Ja. Geküsst. d. Nein. Hans. / Nein. Einen Frosch. / Nein. Gegrüßt. e. *Eine Frau. / *Geküsst. Entscheidungsfragen können zwar prinzipiell auch durch Termantworten beantwortet werden, vgl. (32c) und (32d), aber nur in Kombination mit einer der Antwortpartikeln, vgl. (32e), und nur wenn die Termantwort einen minimal fokussierten Ausdruck der Frage .wieder aufnimmt' bzw. mit diesem in grammatischer Funktion, semantischem Typ und sortaler Restriktion kongruiert.
188
8. F/A-Kongruenz: Weitere Aspekte
Was sententiale Antworten betrifft, lässt sich bei E-Fragen nun Folgendes beobachten: 26 Während bei positiver Beantwortung der Frage der Defaultakzent auf dem (in diesem Fall infiniten) Verb liegt, liegt der Akzent bei negativer Beantwortung auf der Negation, vgl. (33a) und (33b). Beide Akzentmuster folgen dabei offenbar direkt aus einem informationstheoretischen Zugang zur FHG in Kombination mit einer Regel zur Zuweisung eines Defaultakzents im Fall vollständig gegebener Äußerungen. (33) Hat Ede Wagner geschätzt? a. Ja. Er hat ihn [geSCHÄTZT] F . b. Nein. Er schätzt ihn [NICHT] F . c. Ja. Er [HAT]F ihn geschätzt. Wie (33c) zeigt, kann bei positiver Beantwortung der Akzent durchaus auch auf dem finiten Verb realisiert werden. Diese Akzentrealisierung kann entweder als kontrastiver Fokus interpretiert werden oder als so genannter ,VERUM-Fokus', der eine besondere Hervorhebung des Wahrheitsgehalts der Aussage zum Inhalt hat. 27 Da in beiden Fällen mit der gewählten Akzentrealisierung ein zusätzlicher inhaltlicher Effekt einhergeht, liegen diese Fälle aber offenbar quer zur Analyse direkter Antworten und können daher im Folgenden aus der Betrachtung ausgeschlossen werden. Exakt dasselbe Muster, das bereits im Zusammenhang mit der weit fokussierten Frage (33) festgehalten wurde, lässt sich nun auch im Fall von minimal fokussierten E-Fragen beobachten, vgl. (34a) und (35a). (34) (Wen hat Wolfgang alles geschätzt?) Hat Wolfgang [GOEthe] F geschätzt? a. Ja. Wolfgang hat Goethe [geSCHÄTZT] F . b.??Ja. Wolfgang hat [GOEthe] F [geSCHÄTZT] F . c.??Ja. Wolfgang hat [GOEthe] F geschätzt. (35) (Wen hat Wolfgang alles geschätzt?) Hat Wolfgang [GOEthe] F geschätzt? a. Nein. Wolfgang hat Goethe [NICHT] F geschätzt. b. ?Nein. Wolfgang hat [GOEthe] F [NICHT] F geschätzt. c.??Nein. Wolfgang hat [GOEthe] F nicht geschätzt. Darüber hinaus zeigen (34b) und (35b), dass der minimale Fokus der Frage in der Antwort nur mühsam - und dann auch nur unter einer Kontrastinterpretation - wieder aufgenommen werden kann, aber schwerlich den minimalen Fokus auf dem Verb bzw. der Negation ersetzen kann, vgl. (34c) und (35c). Lediglich in additiven bzw. adversativen Fortführungen kann eine mit dem minimalen Fokus in der Frage kongruierende Konstituente problemlos minimal fokussiert werden, ohne gleichzeitig auch das Verb bzw. die Negation zu fokussieren, vgl. (36). (36) a.
Ja. Wolfgang hat Goethe [geSCHÄTZT] F . - Und er hat [SCHILler]F geschätzt.
26 Herzlichen Dank an dieser Stelle an Marga Reis, deren Kommentare zu einer früheren Version dieser Arbeit mich hier haben wesentlich klarer sehen lassen. 27 Vgl. hierzu vor allem Höhle (1988) und Höhle (1992).
8.2
189
Entscheidungsfragen b.
Nein. Wolfgang hat Goethe [NICHT] F geschätzt. - Aber er hat [SCHILler] F geschätzt.
Betrachten wir schließlich noch Antworten auf E-Fragen, die eine Negation enthalten. Hier zeigt sich die Existenz einer weiteren Antwortpartikel doch, die - wie die Negation nein bei positiven Fragen - .Widerspruch' auszudrücken scheint, vgl. (37a). 28 (37) Hat Ede Wagner nicht geschätzt? a. Doch. (Er hat ihn [geSCHÄTZT] F .) b. Nein. (Er hat ihn [NICHT] F geschätzt.) c. ??Ja. (Er hat ihn [NICHT] F geschätzt.) Die Antwortpartikel nein erfüllt auf negative Fragen nun offenbar dieselbe Funktion wie die Antwortpartikel ja auf positive Fragen, nämlich Signalisierung von .Zustimmung' (vgl. Bäuerle 1979; von Stechow 1981). Ja ist als Antwortpartikel auf negative Fragen wohl ausgeschlossen. Abgesehen von doch besteht bei der Beantwortung von negativen Fragen allerdings im Allgemeinen eine recht große Unsicherheit. Die Möglichkeiten der Kombination von doch mit Termantworten bei minimaler Fokussierung der E-Frage sind interessanterweise wesentlich stärker restringiert als bei den Antwortpartikeln ja oder nein, vgl. (38a). Obwohl doch bei negativen Fragen dieselbe Funktion erfüllt wie nein bei positiven Fragen (Widerspruch), ist eine adversative Fortführung unmöglich, eine additive Fortführung dagegen akzeptabel, vgl. (38b) vs. (38c). 29 (38) (Wen alles schätzt Ede nicht?) Schätzt Ede [WAgner]F nicht? a. Doch. / *?Doch, Wagner. / *Doch, Mozart. b. Doch, er [schÄtzt]F ihn. *Aber er schätzt [MOzart] F . c. Doch, er [schÄtzt]F ihn. Und er schätzt [MOzart] F .
8.2.1
Die rhetorischen Relationen a g r e e und d i s a g r e e
Die Distribution von Antwortpartikeln kann damit nun schematisch nach ihrer Funktion wie folgt dargestellt werden (vgl. von Stechow 1981,119). (39) Kommt Hans? Kommt Hans nicht?
Zustimmung Widerspruch Ja. Nein. Nein. Doch.
Was hier völlig überrascht, ist die Tatsache, dass die Antwortpartikel nein ihrer Funktion nach nicht festgelegt, sondern im einen Fall Zustimmung, im anderen Fall aber Widerspruch auszudrücken in der Lage ist. Gruppiert man die Antwortpartikeln nicht ihrer 28 Im Fall negativer Fragen scheint im Allgemeinen der Gebrauch eines VERUM-Fokus - also die minimale Fokussierung des finiten Verbs - gegenüber dem des .neutralen' Default-Fokus wie in (37) präferiert zu sein. Dies hängt mit der durch negative Fragen getriggerten modalen Implikatur und der damit verbundenen Antworterwartung zusammen, welche eine betontere Affirmation oder Negation in der Antwort erfordert. Zur Diskussion der fraglichen Implikatur vgl. den folgenden Abschnitt. 29 Nimmt die Fortführung die Negation der Frage auf, dann gilt die inverse Aussage.
190
8. F/A-Kongruenz: Weitere Aspekte
Funktion, sondern ihrem Inhalt im Kontext der Frage nach, wird jedoch deutlich, dass die Verwendung der Antwortpartikel nein durchaus einen konstanten Aspekt aufweist: Mit ihr wird immer auf eine .negative' Proposition verwiesen. (40) Kommt Hans? Kommt Hans nicht?
Hans kommt Hans kommt nicht Ja. Nein. Doch. Nein.
Diese Beobachtung suggeriert offenbar eine Partition der Antwortpartikeln in .positive' und .negative'. Hierauf werde ich gleich nochmals zu sprechen kommen. Was hat man nun aber konkret unter .Zustimmung' und .Widerspruch' zu verstehen? In kategorialen Ansätzen wird immer wieder (vgl. zuletzt Krifka 2001b) angenommen, dass ja und nein Satzmodifikatoren (Satzadverbien) darstellen und die Identität auf Propositionen Xp.p bzw. Komplementbildung kp. ~ p denotieren. Erstere Annahme mag dadurch nahe gelegt werden, dass E-Fragen prinzipiell auch durch Satzadverbiale beantwortet werden können. Gegen eine solche Annahme sprechen jedoch gewichtige distributionelle Argumente (vgl. z.B. Bäuerle 1979,68). Aber auch letztere Annahme führt m.E. zu unerwünschten Konsequenzen. Betrachten wir dazu kurz die Fragen Kommt Hans? und Kommt Hans nicht?. Die Analyse von nein als Komplementbildung sagt zwar korrekt voraus, dass Nein, als Antwort auf Kommt Hans? die Proposition ,dass Hans nicht kommt' denotiert, aber fälschlicherweise, dass Nein, als Antwort auf Kommt Hans nicht? die Proposition ,dass Hans kommt' denotiert (doppelte Negation). Egli (1973), Groenendijk & Stokhof (1984) und andere schließen daraus, dass die Negation nicht in der Frage keine propositionale Negation darstellt, sondern lediglich die Einstellung des Sprechers ausdrückt, dass er eigentlich einen positiven Sachverhalt erwartet hätte. Ich möchte hier gar nicht bestreiten, dass die Negation nicht in negativen E-Fragen eine modale Konnotation trägt. Was ich jedoch bestreite, ist, dass ihr keine propositionale Negation zugrunde liegen soll. Denn nehmen wir an, dies sei der Fall, dann sollte sie prinzipiell auch in w-Fragen wie (41) nicht-propositionaler Natur sein können. (41) Wen hat Peter nicht eingeladen? Hier hat die Negation aber offensichtlich immer unmittelbare Auswirkungen auf die Menge wahrer Antworten und damit auf die Denotation des w-Interrogativsatzes. 30 Und selbst wenn man stipulierte, dass die Negation in w-Fragen immer propositionaler Natur zu sein hätte, was ist dann mit einer Tag-Frage wie (42)? (42) Wen hat Peter nicht eingeladen, Anna? a. Doch. Peter hat Anna eingeladen. b. *Doch. Peter hat Anna nicht eingeladen. Wird - wie im kategorialen Ansatz im Allgemeinen angenommen - der Tag als triviale Restriktion des w-Elements aufgefasst, dann sollte unter diesen Annahmen (42) semantisch äquivalent sein zu der E-Frage Hat Peter ANNA nicht eingeladen? mit propositionaler 30 Dies wird vor allem bei Einbettung entsprechender Interrogativsätze unter Prädikate wie auflisten, aufsagen oder überrascht sein deutlich (vgl. u.a. Berman (1991); Lahiri (1991); Schwarz (1994)).
8.2 Entscheidungsfragen
191
Negation. Da die Antwortpartikel doch auf negative E-Fragen (mit nicht-propositionaler Negation) das Gegenteil von nein ausdrückt, muss doch offenbar wie ja als die Identität kp.p analysiert werden. Insgesamt wird also vorausgesagt, dass doch als Antwort auf (42) die Proposition ,dass Peter Anna nicht eingeladen hat' ausdrückt - aber genau das Gegenteil ist der Fall, vgl. (42a) vs. (42b). Um die Daten korrekt beschreiben zu können, müsste also angenommen werden, dass (42) tatsächlich äquivalent ist zu der E-Frage Hat Peter ANNA nicht eingeladen? mit nicht-propositionaler Negation. In diesem Fall ist aber völlig unklar, wie die Semantik der Tag-Frage kompositionell aus der w-Frage und dem Tag abzuleiten ist. Darüber hinaus können die Partikeln ja, nein und doch natürlich nicht nur im Kontext von Fragen, sondern auch im Kontext von Assertionen verwendet werden. 31 Da Distribution, Funktion und inhaltliche Deutung dabei konstant bleiben, stellt sich hier exakt dasselbe Problem wie bei den E-Fragen. (43) a.
Zustimmung Widerspruch Ja. Nein. Nein. Doch. Hans kommt Hans kommt nicht Hans kommt. Ja. Nein. Hans kommt nicht. Doch. Nein. Hans kommt. Hans kommt nicht.
b.
Im Fall der Assertionen würde jedoch sicher niemand behaupten wollen, dass die fraglichen Negationen als nicht-propositional zu analysieren sind. M.E. kann aus diesen Fakten nur geschlossen werden, dass die Negation in E-Fragen doch propositionaler Natur ist und der nicht zu leugnende modale Aspekt unabhängig herzuleiten ist. Ist dies korrekt, dann zeigt obige Argumentation, dass nein nicht als Komplementbildung und folglich auch ja nicht als die Identität analysiert werden kann. Mit Bäuerle (1979) und von Stechow (1981) nehme ich daher im Folgenden an, dass ja, nein und doch keine wahrheitsfunktionalen Ausdrücke darstellen, sondern ,Widerspruch' bzw. .Zustimmung' auf eher pragmatischer Ebene ausdrücken. Zur Präzisierung dieser Intuition werde ich allerdings einen etwas anderen Weg als von Stechow (1981) einschlagen und die Existenz zweier rhetorischer Relationen a g r e e und d i s a g r e e annehmen, die als - de facto fokusinsensitive 32 - Varianten von a n s w e r aufzufassen sind. Genau wie a n s w e r testen a g r e e und d i s a g r e e die Elementbedingung für wohlgeformte Antworten; im Gegensatz zu a n s w e r führen sie aber darüber hinaus eine Präsupposition ein: a g r e e präsupponiert, dass die in ihrem Skopus liegende Proposition bereits im (unmittelbaren) Kontext gegeben ist, d i s a g r e e präsupponiert dasselbe von deren Negation. 31 Unter der Annahme, dass die Äußerung einer Assertion a. die Salienz einer entsprechenden Frage a ? nach sich zieht, kann die Verwendung der Antwortpartikeln im Kontext von Assertionen natürlich auf deren Verwendung im Kontext von (impliziten) Fragen zurückgeführt werden. 32 Genau genommen binden a g r e e und d i s a g r e e den auf dem Verb bzw. der Negation realisierten Default-Fokus, dessen Bindung - anders als im Fall des VERUM-Fokus - jedoch nach Annahme zu keiner Strukturierung der fraglichen Proposition führt und damit für alle praktischen Zwecke vernachlässigt werden kann.
8. F/A-Kongruenz:
192
Weitere Aspekte
Mit diesen Annahmen können den Antworten in (44a) und (45a) die Interpretationen in (44b) und (45b) mit den Präsuppositionen in (44c) und (45c) zugewiesen werden. (44) Hat Ede Wagner geschätzt? a. b. c.
Ja. Er hat ihn geschätzt. agree(r, dass Ede Wagner geschätzt hat) Präsupposition: p = dass Ede Wagner geschätzt hat ist .gegeben'
(45) Hat Ede Wagner geschätzt? a. b. c.
Nein. Er hat ihn nicht geschätzt. d i s a g r e e ( r , dass Ede Wagner nicht geschätzt hat) Präsupposition: p = dass Ede Wagner geschätzt hat ist .gegeben'
Wie bereits oben angedeutet, nehme ich an, dass die Antwortpartikel ja selbst keinen semantischen Gehalt aufweist, sondern .Zustimmung' ausdrückt, indem sie - im Deutschen notwendig - auf die Präsenz der rhetorischen Relation agree verweist. Die Antwortpartikel nein in (45a) dagegen verweist - im Kontext der .positiven' Frage Hat Ede Wagner geschätzt?33 - auf die rhetorische Relation disagree. Da sowohl a g r e e als auch d i s a g r e e als die Elementrelation gedeutet werden, folgt unmittelbar, dass die Frage (46) (mindestens) die Propositionsmenge in (46a) denotieren muss, was modulo der Unterscheidung mögliche vs. wahre Antwort den Annahmen in Karttunen (1977) entspricht. (46) Hat Ede Wagner geschätzt? a. (dass Ede Wagner geschätzt hat, dass Ede Wagner nicht geschätzt hat} b. (ob)' = XqXgXwXp[p = Xg'Xw'.q(g')(w') Vp = Xg'Xw'.^q(g')(w')] Kompositioneil abgeleitet wird diese Menge unstrukturierter Propositionen über die übliche Annahme, dass in der Komplementiererposition C ein covertes ob mit der in (46b) formulierten Semantik zu lokalisieren ist (vgl. z.B. von Stechow 1993). Bleibt also zu zeigen, dass die durch agree bzw. d i s a g r e e in den Antworten (44a) und (45a) getriggerten Präsuppositionen im Kontext der Frage (46) auch erfüllt sind, d.h. dass die Proposition dass Ede Wagner geschätzt hat im Kontext dieser Frage gegeben ist. Aufgrund der Definition der .Gegebenheit' eines Ausdrucks ist dies gleichbedeutend mit der Aussage, dass im Kontext der Frage eine LF-Konstituente salient ist, deren existenzieller Abschluss die Proposition dass Ede Wagner geschätzt hat logisch impliziert. Da der existenzielle Abschluss der Frage (46) der Vereinigung über dessen Denotation entspricht, also der immer wahren Proposition, kann die Frage selbst kein geeignetes Antezedens darstellen. Da diese jedoch eine LF-Konstituente enthält - die IP - , die genau die Proposition dass Ede Wagner geschätzt hat denotiert, sind die fraglichen Präsuppositionen dennoch im Kontext von (46) notwendig erfüllt. Insgesamt werden also die Äußerungen (44a) und (45a) als wohlgeformte Antworten auf die Frage (46) vorausgesagt. Kommen wir damit zum negativen Gegenstück der Frage (46). der Frage Hat Ede Wagner nicht geschätzt?, vgl. (47) bzw. (48). Aufgrund obiger Annahmen zur Semantik von 33 Wie bereits der vorige Abschnitt gezeigt hat und im Folgenden nochmals deutlich werden wird, kann die Antwortpartikel nein auch auf die rhetorische Relation a g r e e verweisen, ist also im Gegensatz zu ja und doch nicht konventionell auf eine dieser Relationen festgelegt, vgl. die folgende Diskussion.
8.2
Entscheidungsfragen
193
E-Interrogativsätzen denotiert diese exakt dieselbe Menge unstrukturierter Propositionen wie (46). Den Antworten in (47a) und (48a) werden in diesem Fall die Interpretationen in (47b) und (48b) und die Präsuppositionen in (47c) und (48c) zugewiesen. (47) Hat Ede Wagner nicht geschätzt? a. Nein. Er hat ihn nicht geschätzt. b. a g r e e ( r , dass Ede Wagner nicht geschätzt hat)) c. Präsupposition: p = dass Ede Wagner nicht geschätzt hat ist .gegeben' (48) Hat Ede Wagner nicht geschätzt? a. Doch. Er hat ihn geschätzt. b. d i s a g r e e ( r , dass Ede Wagner geschätzt hat) c. Präsupposition: p = dass Ede Wagner nicht geschätzt hat ist ,gegeben' Betrachten wir zuerst die Antwort (48a). Die Antwortpartikel doch weist wie die Antwortpartikeln ja und nein keinen eigenen semantischen Gehalt auf und verweist - im Deutschen notwendig - auf die rhetorische Relation d i s a g r e e . Da die durch d i s a g r e e getriggerte Präsupposition (48c) im Kontext der Frage (48) - nicht aber im Kontext der Frage (46) - erfüllt ist, wird (48a) korrekt als wohlgeformte Antwort auf (48) - nicht aber als wohlgeformte Antwort auf (46) - vorausgesagt. Im Fall von (47a) schließlich verweist die Negation nein auf die rhetorische Relation a g r e e , deren Präsupposition (47c) im Kontext der Frage (47) ebenfalls erfüllt ist. Damit sind alle obigen F/A-Sequenzen korrekt vorhergesagt. Dennoch scheinen zumindest zwei - miteinander zusammenhängende - Fragen offen zu bleiben: Erstens, wie ist es zu erklären, dass ein und dieselbe Antwortpartikel - im Gegenwartsdeutschen nein und im Gegenwartsenglischen yes und no - zwei konträre rhetorische Relationen anzeigen kann? Und zweitens, wieso sind beispielsweise Doch, er hat ihn nicht geschätzt, bzw. Nein, er hat ihn geschätzt. - mit nein verweisend auf die rhetorische Relation a g r e e - keine wohlgeformten Antworten auf (46)? Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang an die eingangs gemachte Beobachtung, dass die Antwortpartikeln in Bezug auf ihre Distribution offenbar in eine Klasse .positiver' - ja und doch - und eine Klasse .negativer' - nein- Antwortpartikeln zerfallen, vgl. (40). Eine andere Art, denselben Sachverhalt zu beschreiben, besteht in der Feststellung, dass die Antwortpartikel nein ein negatives Polaritätselment (NPI) ist - lizenziert beispielsweise durch die Negation nicht - , und die Antwortpartikeln ja und doch positive Polaritätselemente (PPIs), die in .negativen' Kontexten ausgeschlossen sind. Diese Feststellung erklärt offenbar sofort die zweite Frage: doch kann zwar auf d i s a g r e e verweisen, ist aber als PPI im Kontext der Negation ausgeschlossen; nein kann zwar auf a g r e e verweisen, ist aber ohne einen .negativen' Kontext nicht lizenziert. Aber auch die erste Frage wird durch die Feststellung, dass die Antwortpartikel nein im Deutschen die einzige Antwortpartikel mit negativer Polarität ist, direkt beantwortet: Da sowohl die ,Verneinung' einer .positiven' Frage als auch die .Bejahung' einer .negativen' die Verwendung der Negation nicht erfordert und die Antwortpartikel nein die einzige Antwortpartikel mit negativer Polarität ist, bleibt nein gar nichts anderes übrig, als im einen Fall auf die rhetorische Relation d i s a g r e e zu verweisen, im anderen Fall jedoch auf a g r e e . Auf welche Relation die Antwortpartikel nein im Einzelfall verweist, ist dabei allerdings immer eindeutig rekonstruierbar, zum einen
194
8. F/A-Kongruenz: Weitere Aspekte
aus der Polaritätseigenschaft der Antwortpartikel selbst, zum anderen aus der vorangegangenen Frage, die ja die Präsupposition der zugrunde liegenden rhetorischen Relation zu lizenzieren hat; dies erklärt die Möglichkeit lexikalischer Lücken. Dennoch ist klar, dass im .optimalen' (d.h. eindeutigsten) Fall eine Sprache über vier Antwortpartikeln verfügt - ein PPI zur Anzeige von a g r e e , ein PPI zur Anzeige von d i s a g r e e , ein NPI zur Anzeige von a g r e e und ein NPI zur Anzeige von d i s a g r e e - , 3 4 im .schlechtesten' Fall über zwei.
8.2.2
Termantworten auf E-Fragen - Fälle kontrastiver Foki
Da in obigem Ansatz E-Interrogative Mengen unstrukturierter Propositionen denotieren, ist klar, dass wohlgeformten Antworten die de facto fokusinsensitiven rhetorischen Relationen a g r e e bzw. d i s a g r e e zugrunde liegen müssen und folglich die entsprechenden E-Fragen immer durch die Antwortpartikeln ja, nein bzw. doch (mit) zu beantworten sind und nie durch Terme alleine beantwortet werden können. Es wurde aber auch bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass in Antworten systematisch mit der Wiederaufnahme minimaler Foki der Frage zu rechnen ist, vgl. (49). (49) (Wen hat Wolfgang alles geschätzt?) Hat Wolfgang [GOEthe]F geschätzt? a. ?Ja. [GOEthe]F. b. Nein. [SCHILler]F. Wie ist dieses Verhalten unter den obigen Annahmen zu erklären? M.E. ist die Möglichkeit derartiger Terme in Antworten auf E-Fragen auf die Verfügbarkeit kontrastiver Foki zurückzuführen. Dies wird zum einen durch die F-Strukur adversativer Fortsetzungen wie in (50) nahe gelegt, (50) Nein. [...] Aber er hat [SCHILler]F geschätzt. zum anderen durch den deutlichen Kontrast zwischen (49a) und (49b). Nehmen wir also an, dass (49b) die p-Reduktion einer Äußerung wie (50) darstellt, und dass dem Term Schiller, die LF in (51a) mit der Interpretation in (51b) zuzuweisen ist. (51) a. c o n t r a s t [ F [ Wolfgang hat [Schiller]F geschätzt]] b. c o n t r a s t ( ( / S c W / / e r , k f . Wolfgang hat f'(X) geschätzt» Die Bindung des Fokus durch die rhetorische Relation c o n t r a s t führt zur Generierung der strukturierten Proposition (51b). Die Wohlgeformtheitsbedingungen für c o n t r a s t erfordern nun, dass im unmittelbaren Prä- oder Posttext von (51a) eine LF-Konstituente existiert, die identischen Hintergrund, aber unterschiedlichen Fokus aufweist. Diese Bedingung kann aber innerhalb der Frage (49) durch die IP hat Wolf gang [Goethe ]F geschätzt erfüllt werden. Das heißt also, dass minimale Foki in E-Fragen zwar keine minimale Fokussierung in der Antwort erzwingen, aber kontrastiven Fokus in der Antwort lizenzieren können - allerdings nur auf derjenigen Konstituente, die der minimal fokussierten 34 Wie z.B. das Mittelenglische, vgl. Bäuerle (1979, 72) und Pope (1976).
8.3 Alternativfragen
195
Konstituente in der Frage entspricht. 35 Bleibt also die Möglichkeit der Termantwort in (49a) zu erklären. Da Identität in Bezug auf den Fokus besteht, kann die IP hat Wolfgang [Goethe]? geschätzt den Fokus auf Goethe nicht durch Kontrastierung lizenzieren. Folglich sollte (49a) eigentlich unangemessen sein. Tatsächlich ist aber (49a), wenn auch nicht sonderlich gut, so doch sicher nicht unmöglich. Dies ist m.E. eine Konsequenz aus der Tatsache, dass kontrastive Foki auch .indirekt' durch Präsuppositionsakkommodation lizenziert werden können. Inhaltlich bedeutet dies, dass (49a) genau dann eine akzeptable Äußerung darstellt, wenn sie impliziert, dass es mindestens einen weiteren Autor gibt, sagen wir Schiller, den Wolfgang nicht geschätzt hat. Der Akzeptabilitätsunterschied, den man an (49a) vs. (49b) beobachten kann, entspricht unter dieser Analyse also dem Unterschied zwischen direkter und indirekter Lizenzierung kontrastiver Foki. Abschließend noch eine Bemerkung zur Möglichkeit, E-Fragen mit Satzadverbialen wie vielleicht, sicher oder höchstwahrscheinlich zu beantworten. Antworten dieser Art sind offenbar in einem nahe liegenden Sinne nicht vollständig und daher m.E. auch nicht als direkte Antworten aufzufassen. Als indirekte, partielle Antworten sind sie über Folgerungsbedingungen zu lizenzieren, vgl. z.B. Groenendijk & Stokhof (1984).
8.3
Alternativfragen
Wie bereits in Kapitel 1 dargestellt, ist eine notwendige Bedingung für eine Alternativenlesart eines E-Interrogativsatzes das Vorliegen einer Disjunktion. Der Übergang zwischen E-Frage und A-Frage ist dabei gewissermaßen ein fließender und hängt bei (prima facie) nicht-sententialen Disjunkten wesentlich von der F-Struktur des Disjunkts ab. So wird beispielsweise (52a) ohne minimale Fokussierung der Disjunkte als E-Frage verstanden, mit minimaler Fokussierung der Disjunkte aber als A-Frage, vgl. (52b). (52c) besitzt lediglich eine Intonationskontur, die der des Disjunkts in (52b) entspricht (steigend auf dem ersten Disjunkt und fallend auf dem zweiten), und ist eindeutig als A-Frage zu interpretieren. (52) a.
Trinkt Peter Kaffee oder Kakao? Ja./ Nein./ * Kaffee./ *Kakao. b. Trinkt Peter /KafFEE oder KaKAO\? *Ja./ *Nein./ Kaffee./ Kakao. c. Trinkt Peter /KafFEE oder trinkt Peter KaKAO\? *Ja./ *Nein./ Kaffee./ Kakao.
An dieser Stelle sei auch nochmals darauf hingewiesen, dass sich A-Fragen in Bezug auf kongruente Antworten wie (ungetagte) w-Fragen verhalten, d.h. kongruente Termantworten beschränken sich auf die einzelnen Disjunkte und - mit Einschränkung - auf 35 Fälle dieser Art sind als Fälle symmetrischer Foki aufzufassen. Tatsächlich sind Termantworten wie in (49a) und (49b) auch dann einigermaßen akzeptabel, wenn die Frage keine minimale Fokussierung aufweist. Derartige Vorkommen von Termantworten müssen m.E. auf das Vorliegen asymmetrisch kontrastiver Foki zurückgeführt werden. Da ich eine Behandlung derartiger Foki jedoch nur angedeutet habe, werde ich auf diese Fälle nicht weiter eingehen.
8. F/A-Kongruenz: Weitere Aspekte
196
allquantifizierende Aussagen über beide Disjunkte wie beides oder weder.. .noch. Auch was sententiale Antworten betrifft, verhalten sich A-Fragen wie w-Fragen: Lediglich die mit den Disjunkten kongruierende Konstituente kann in der Antwort fokussiert werden. (53) a. Trinkt Peter/KafFEE oder KaKAO\? b. Peter trinkt [KafFEE] F . c. *Peter [trINkt]F Kaffee./ *Peter [trINkt]F [KafFEE] F . Soweit die wesentlichen Fakten. Wie sind A-Fragen nun aber syntaktisch und semantisch zu analysieren? Die Art und Weise, wie A-Fragen beantwortet werden, scheint durchaus nahe zu legen, dass diese als eine besondere Form der w-Frage aufzufassen sind. Eine Möglichkeit, diese Vorstellung zu präzisieren, besteht in der Annahme, dass das Disjunkt eine - offenbar coverte - w-Phrase explizit beschränkt, und dass A-Fragen damit im Wesentlichen in der Art einer Tag-Frage wie Was trinkt Peter, Kaffee oder Kakao? zu analysieren sind. Dies scheint im Kern die Auffassung von Bäuerle (1979) zu sein. Da Bäuerle keine kompositionelle Derivation angibt, werde ich auf diese Möglichkeit hier jedoch nicht weiter eingehen. 36 Eine zweite Möglichkeit besteht in der Annahme, dass das Disjunkt im Interrogativsatz quasi selbst die Rolle eines w-Elements übernimmt. Dies wurde bereits in von Stechow (1993) explizit in Betracht gezogen und im Rahmen des propositionalen Ansatzes diskutiert. Gemeinsam ist beiden Präzisierungen, dass das Disjunkt in A-Fragen wie (52b) als Koordination nicht-sententialer Ausdrücke aufgefasst wird, im Fall von (52b) der beiden DPs Kaffee und Kakao. Wie in Kapitel 1 ausgeführt, gibt es allerdings gute Gründe anzunehmen, dass gerade dies nicht der Fall ist, und dass A-Fragen wie (52b) als elliptische Varianten der A-Fragen in (52c) zu analysieren sind. Dennoch möchte ich erstere Auffassung hier als ernsthafte Alternative betrachten und, bevor ich zu meiner Interpretation der Fakten komme, zumindest den stechowschen Ansatz skizzieren.
8.3.1
Eine Skopus-Analyse
Das in von Stechow (1993, 77) diskutierte Modell verfolgt zum einen eine Vereinheitlichung aller Interrogativsatztypen, indem für alle Interrogativsätze gleichermaßen ein in C zu lokalisierender Interrogativator ,?' angenommen wird, der sein Komplement auf eine Menge anhebt, also im Wesentlichen durch kqkp.p = q zu repräsentieren ist. Zum anderen wird versucht, die Ambiguität von Interrogativsätzen wie (52b) auf eine Skopusambiguität zu reduzieren: Wird das Disjunkt Kaffee oder Kakao - repräsentiert als generalisierter Quantor A. Q [Q(Kaffee) v Q(Kakao)] - a u f LF nach SpecC bewegt und bekommt damit weiten Skopus relativ zu ,?', ergibt sich durch Hineinquantifizieren in kp[p = Peter trinkt x] eine A-Lesart (kp[p = Peter trinkt Kaffeev p = Peter trinkt Kakao]). Wird das Disjunkt dagegen ,in situ' interpretiert und bleibt somit im Skopus von ,?', ergibt sich die E-Lesart. Getriggert wird von Stechow zufolge die Bewegung des Disjunkts nach SpecC dabei durch in SpecC situiertes ob, welches durch das Disjunkt .überschrieben' wird. Unterbunden wird die Bewegung durch in C situiertes ob, das (zusammen mit ,?') für die Interpretation des Interrogativsatzes als E-Frage verantwortlich zeichnet. 36 Vgl. aber die Diskussion in Kapitel 1.
197
8.3 Alternativfragen
Prima facie attraktiv an diesem Modell ist natürlich zum einen die homogene Behandlung aller Fragetypen, zum anderen aber auch die Rückführung des Unterschieds zwischen E- und A-Frage auf ein wohl bekanntes Phänomen, das der Skopusambiguität. Es gibt jedoch einen wesentlichen Punkt in diesem Ansatz, der schwerwiegende Zweifel an seiner Gangbarkeit aufkommen lassen sollte: In seiner Formulierung wird nicht ein einziges Mal auf die Fokussierung der fraglichen Disjunkte Bezug genommen, die doch wohl als für A-Fragen konstitutiv angenommen werden kann. Tatsächlich sagt diese Analyse voraus, dass Fragen wie Trinkt Peter Kaffee oder Kakao? auch ohne minimale Fokussierung der Disjunkte im Sinne einer A-Frage interpretiert werden können sollten. Dies und die in Kapitel 1 diskutierten Argumente für eine elliptische Analyse sind m.E. Grund genug, eine stärker fokusorientierte Analyse in Betracht zu ziehen.
8.3.2
Eine Fokus-Analyse
Ausgangspunkt des hier verfolgten Ansatzes ist die in Kapitel 1 etablierte Annahme, dass (52b) wie (52c) als Disjunktion zweier E-Fragen zu analysieren ist, im Gegensatz zu (52c) jedoch der Hintergrund des zweiten Disjunkts elidiert wurde, vgl. (54). (54) a. b.
Trinkt Peter /KafFEE oder trinkt Peter KaKAO\? Trinkt Peter /KafFEE oder trinkt Peter KaKAO\ ?
Das Problem der Behandlung von A-Fragen reduziert sich damit auf die Frage, wie AInterrogative der Art (54b) syntaktisch und semantisch zu analysieren sind und wie bei diesen die Bedingungen zur Kongruenz von Frage und Antwort abgeleitet werden können. Wesentlich ist hierbei die Feststellung, dass A-Interrogative einer strikten Symmetriebedingung unterliegen: Alle Disjunkte stimmen in ihrem Hintergrund überein, unterscheiden sich jedoch in ihrem Fokus. Dies gibt Anlass zu der ohnehin nahe liegenden Annahme, dass in Alternativfragen kontrastiver Fokus die zentrale Rolle spielt. Ich gehe daher davon aus, dass neben dem für E-Fragen konstitutiven ob eine kontrastierende Variante o^contrast existiert, die minimale Foki in der Frage binden kann, vgl. (55). (55) [ofeContrast [ Fl [Peter trinkt [Kaffee] F ,]]] oder [obcontrast [ F 2 [Peter trinkt [Kakao]R]]] Die kontrastierende Variante o£ contrast ist dabei im Wesentlichen als eine direkte Kombination des fokusinsensitiven ob und der rhetorischen Relation c o n t r a s t aufzufassen: o^contrast bildet zum einen - analog zu fokusinsensitivem ob - die durch Bindung des minimalen Fokus entstandene strukturierte Proposition p auf die Menge ab, die p sowie deren Negation ~ p enthält, vgl. (56); (56) A.gA.p3/i[ch(/j)ADom(/i) = D o m ( ^ i ( ^ ) ) A ( p = (h, 7t2(q)}vp
= (h, ~
miq)))}
zum anderen führt sie nach Annahme exakt dieselbe Präsupposition ein, die auch durch die rhetorische Relation c o n t r a s t ausgedrückt wird - Salienz einer entsprechenden LF-Konstituente im unmittelbaren Prä- oder Posttext mit identischem Hintergrund, aber unterschiedlichem Fokus und führt somit bei Bindung eines minimalen Fokus notwendig zur Bildung eines A-Interrogativsatzes und zur Interpretation als A-Frage. Im Fall von (55)
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8. F/A-Kongruenz: Weitere Aspekte
ergibt sich damit als Denotation des A-Interrogativs (54b) - falls die Disjunktion zweier Interrogativsätze wie die Disjunktion zweier Propositionen über die boolesche Vereinigung gedeutet wird - die folgende Menge strukturierter Propositionen: (57) {(/Kaffee, ¿-/Au;. Peter trinkt / ( C ) ) ,