Fliegender Holländer und Klabautermann : Sagengestalten der See
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Helge Gemdt Fliegender Holländer und Klabautermann

Verlag Otto Schwartz & Co. Göttingen

SCHRIFTEN ZUR NIEDERDEUTSCHEN VOLKSKUNDE Im Auftrage der Niedersächsischen Landesstelle für Volkskunde am Seminar für deutsche Volkskunde Göttingen, herausgegeben von Helmut Plath und Kurt Ranke

Band 4

Helge Gerndt

Fliegender Holländer und Klabautermann

VERLAG OTTO SCHWARTZ & CO

GÖTTINGEN 1971

Fliegender Holländer und Klabautermann von

Helge Gerndt

VERLAG OTTO SCHWARTZ & CO

GOTTINGEN 1971

Gefördert mit Hilfe von Forschungsmittcln des Landes Niedersachsen und der Schleswig-Holsteinisdien Universitäts-Gesellschaft, Kiel

ISBN 3 509 00533 3 Alle Rechte vorbehalten Verlag Otto Sdiwartz & Co. * Göttingen 1971 Gesamtherstellung: Otto Sdiwartz & Co. * 34 Göttingen Printed in Germany

Vorwort Das Seemannsleben ist ein internationales Thema. Seine Untersuchung er­ fordert die Zusammenarbeit vieler. Auch ich habe viel freundliche Unter­ stützung erfahren und möchte mich zunächst dafür herzlich bedanken. Mein Dank gilt den Direktoren und Mitarbeitern folgender Institute und Archive: Fragebogenmaterial des Atlas der deutschen Volkskunde, Frankfurt/Main; Deutsches Volksliedarchiv, Freiburg/Br.; W.-E. Peudrert-Zettelkatalog für das Handwörterbuch der Sage, Seminar für deutsche Volkskunde, Göttingen; Archiv des Hamburgischen Wörterbuches, Hamburg; Museum für Hamburgische Geschichte, Hamburg; Handels- og Safartsmuseet pä Kron­ borg, Helsinger; Gustav Friedrich Meyer-Nachlaß, Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek, Kiel; Dansk Folkemindesamling, Königliche Bibliothek, Kopenhagen; Zentralarchiv der deutschen Volkserzählung, Institut für mit­ teleuropäische Volksforschung, Marburg/Lahn; Wossidlo-Forschungsstelle, Institut für deutsche Volkskunde an der Deutschen Akademie der Wissen­ schaften zur Berlin, Rostock. Von all jenen, die mir bereitwilligst Auskünfte und Hinweise gegeben haben und an den entsprechenden Stellen genannt werden, möchte ich hier zwei herausheben. Ganz besonders dankbar bin ich Herrn Museumsinspektar Dr. Henning Henningsen, Helsinger, der mir nicht nur sein einzigartiges, in lan­ gen Jahren gesammeltes Material zum Seemannsleben zugänglich machte und selbstlos alle Holländer- und Klabautermann-Belege überließ, sondern mir und meiner Arbeit auch weiterhin freundschaftlich verbunden blieb. Herz­ lichst danke ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Leopold Kretzenbacher; er hat mir die Anregung zu dieser Abhandlung gegeben und mir immer erneut in der lebendigsten Weise die Augen geöffnet für das Volksleben und seine kulturgeschichtliche Betrachtung; ihm bin ich für stän­ dige anteilnehmende Förderung zutiefst verpflichtet. Ferner gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Kurt Ranke für( die Veröffentlichung der Arbeit in den „Schriften zur niederdeutschen Volkskunde“. Die vorliegende Untersuchung ist im Jahre 1966 abgeschlossen und von der Philosophischen Fakultät der Universität Kiel als Dissertation angenom­ men worden. Einige Ergänzungen führen die Arbeit stofflich bis heute fort. Etwas zwiespältig ist für einen Autor, der in den letzten Jahren die Debatte

um neue theoretische Ansätze der Volkskunde lebhaft verfolgt hat, die ei­ gene Weiterentwicklung in begrifflichen und methodischen Fragen. Solche Gedanken betreffen im wesentlichen den Abschnitt „Volksleben“. Es er­ scheint mir aber nicht sehr sinnvoll, der als Einheit konzipierten Studie die­ sen Teil zu amputieren. Vielmehr hoffe ich, daß gerade er deutlich machen kann, wie die methodisch vielseitige Untersuchung einzelner Phänomene schließlich auf Ergebnisse zielen muß, die auf einer höheren, umfassenderen Erkenntnisebene liegen. Das Buch ist meinen Eltern in Dankbarkeit gewidmet.

München, im September 1970

VI

H. G.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung Sagen von der See 1 — Sagengestalten der See 2 — Die Aufgabe 3 — Der Untersuchungsgang 4

1

Erster Teil Die Überlieferung

8

Die Überlieferungsbedingungen

Die Überlieferung zur Zeit der Segelschiffe Erste Quellen in Deutschland und Dänemark 13 — England, Amerika und Frankreich 20 — Deutschland in den 1830er Jahren. Marryat und Wagner 29 — Sagensammlungen 40 — Unterhaltungsliteratur 48 — See­ männische Zeugnisse 56

13

Die Überlieferung seit der Dampf- und Motorschiffszeit Die Zeit bis zur Jahrhundertwende 62 — Wissenschaftliche Aufzeich­ nungen und Sagenbücher 67 — Unterhaltungsliteratur 80 — Seemänni­ sche Überlieferung heute 86

60

Der Überlieferungsbereich

91

Zweiter Teil Der fliegende Holländer und der Klabautermann

Quellenkritik

100

Die äußere Erscheinung des Kulturgutes

106

A. Der Stoff Fliegender Holländer. Name und Charakteristik 106 — Das Sagenge­ schehen 109 — Das Geisterschiff 112 — Klabautermann. Name und Charakteristik 116 — Das Dasein des Klabautermann 120 — Das Wesen des Klabautermann 123 — Der Stoffwandel 126

106

B. Die Struktur Die Darbietung der Überlieferung 130 — Die Motive 134 — Die Motiv­ verknüpfung 138 — Die Sagen 142 — Der Strukturwandel 147

129

VII

Die innere Erscheinung des Kulturgutes

151

A. Der Gehalt Das reale Seemannsleben 151 — Volksglaube und Brauch 155 — Volks­ tümliche Erzählmotive 161 — Die Seefahrtsgeschichte 165 — Der Wandel des Gehaltes 170

151

B. Die Funktion Glauben 174 — Erklären 178 — Benennen 180 — Unterhalten 183 — Der Funktionswandel 186

173

Die beiden Sagengestalten

189 Dritter Teil Volksleben

Zur Definition

194

Gemeinschaft im Volksleben Uberlieferungsräutne 196 — Die Seeleute 199 — Der soziale Wandel 201

196

Tradition im Volksleben Überlieferungsstränge 203 — Das Tradieren 206 — Der geistige Wan­ del 211

203

Zu Weltbild und Geistigkeit

213 Anhang

Belegtabellen I. Chronologische Belegtabelle mit Quellenregister 215 II. Mecklenburgische Belege (Wossidlo) 234 III. Baltische Klabautermann-Belege (Loorits) 237 IV. Katalanische Geistersdiiff-Sagen (Amades) 239

215

Literaturverzeichnis

242

Register I. II. III. IV.

251

Personenverzeichnis 251 Ortsverzeichnis 253 Sachverzeichnis 255 Abbildungsverzeidmis 256

Abbildungen

VIII

257

Einleitung Es gibt viele Wissenszweige, aber nur eine Wissenschaft. Jeder darf ihr nach seiner Art dienen, wenn er nur darauf aus ist, die Wahrheit zu suchen und das Gesetz des Werdens zu erkennen, damit er das Sein besser verstehe. Leopold Kretzenbacher Sagen von der See oder Meersagen (in der Sprache des Binnenländers) be­ zeichnen gemeinhin Überlieferungsstoffe, die nur in sehr weitem Sinne zusam­ mengehören. Wer entsprechende Sagenbücher unserer Zeit durchblättert, findet ein überaus heterogenes Material, dessen verbindendes Merkmal einzig darin besteht, daß motivisch in irgendeiner Weise das Meer begegnet.1 Die Einzel­ stücke der Kompilationen entstammen meist landschaftlichen Sammlungen der Küstengebiete und gehören überwiegend in den Überlieferungsschatz des Land­ bewohners, eventuell des Fischers oder auch des Küstenschiffers, kaum je aber zu den Erzählungen des Fahrensmannes. Es gibt zwei Kriterien, die für Sagen von der See im eigentlichen Sinne aus­ schlaggebend sein sollten: (1) die Spiegelung bestimmter Züge der See oder des Seemannslebens und (2) die Zugehörigkeit zur Überlieferung der Seeleute (die heute allerdings an einem historischen Zeitpunkt gemessen werden muß). Wenn man den auf diese Weise sehr grob umgrenzten Sagenkomplex gliedernd durchdringen will, so wäre theoretisch entweder das stoffliche Kriterium zu verfeinern, indem man bestimmte Seemotive zusammenstellt, oder das soziolo­ gische Kriterium abzustufen, indem man die Sagen nach bestimmten Seemanns­ gruppen ordnet, in denen sie lebendig sind. Das ist besonders schwierig, weil hier, wie gesagt, ein gerade in dieser Hinsicht meist ungenügend überschaubarer historischer Zeitpunkt als Grundlage der Betrachtung dienen muß.

Unsere Kenntnis vom Sagenschatz des Seemannes als ganzes ist unvollkom­ men und beruht im wesentlichen auf einer Novellensammlung des Seeschrift­ stellers (und ehemaligen Seemannes) Heinrich Smidt2 aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und auf den Aufzeichnungen Richard Wossidlos3* unter

1 Als Beispiel: ]. A. Benkert: Das Meer ist tausend Wunder voll... Deutsche Meer­ sagen. Berlin (1939). 2 H. Smidt: Seemanns-Sagen und Schiffer-Märchen. 2 Bde. Berlin 1835—36. 2., voll­ ständige Ausgabe 1849 (enthält 22 Novellen). 3 R. Wossidlo: Reise, Quartier, in Gottesnaam. Das Seemannsleben auf den alten Segelschiffen im Munde alter Fahrensleute. Rostock 71959, S. 273—292.

1 1

Gerndc

mecklenburgischen Seeleuten im beginnenden 20. Jahrhundert.45 6 Nach dieser Quellenlage zu urteilen, wäre die Anzahl der wirklich erzählten Seesagen­ stoffe verhältnismäßig gering. Wossidlo teilt die Sagen ihrer Herkunft nach in drei Kreise:0

1. Sagen, die aus dem Mittelmeerraum, wahrscheinlich über die Literatur, zu unseren Seeleuten gelangt sind (Lebermeer, Magnetberg, Seejungfrauen), 2. Sagen, die sich an bestimmte Orte knüpfen und wohl von den Seeleuten der betreffenden Länder erzählt wurden (Entstehung Bornholms, der Alte von Kap Kullen), 3. Sagen, die „unter den Seeleuten unseres Gebietes selbst entstanden“ sind, zu denen Wossidlo die Sagen vom fliegenden Holländer und vom Kla­ bautermann zählt. Diese Gliederung setzt zwar ein erst genau zu begründendes Untersuchungs­ ergebnis voraus, ist aber im großen und ganzen möglich und nützlich. Sie wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Sagenauswahl, die unserer Unter­ suchung zugrunde liegt.

Im Mittelpunkt der Abhandlung stehen zwei Sagengestalten der See, die in der bezeugten Überlieferung etwa gleich alt sind: gut anderthalb Jahrhunderte. Man darf die um sie gruppierten Erzählungen für den Anfang des 19. Jahr­ hunderts, wo unser Material beginnt, als Paradebeispiel der Seesagen be­ zeichnen: Der fliegende Holländer und der Klabautermann sind stofflich engstens mit der See verbunden; denn die Sagen vom Geisterschiff und seinem verfluchten Kapitän sind ohne die Weiten des Meeres nicht denkbar, und der hilfreiche Schiffsgeist ist immer nur auf See-, nie auf Flußschiffen zuhause. Der fliegende Holländer und der Klabautermann sind ferner zu der genannten Zeit fast ausschließlich bei der seemännischen Bevölkerung bekannt. Die antiken Seesagen und Seegestalten kennt man damals durch die schrift­ liche Überlieferung auch weit im Binnenland. Schon Konrad von Megenberg, z. B., behandelt in seinem verbreiteten „Buch der Natur“ (1350) zwanzig ver­ schiedene „Meerwunder", darunter Meerweiber und Meerjungfrauen. Ein meck­ lenburgischer Seemann meint: „Von Seejungfem ward mihr von de Landlüd’ seggt, nich von uns Seelüd’.“’ Die Ortssagen, etwa von der Insel Neuwerk7,

4 Von den bedeutenden Sammlungen des Seemannsglaubens, die ihr sehr unterschied­ liches Material weitgehend schriftlichen Quellen entnommen haben, ist hier abge­ sehen: F. S. Bassett: Legends and Superstitions of the Sea and of Sailors in all Lands and at all Times. London 1885. P. Sébillot: Légendes, Croyances et Superstitions de la Mer. 2 Bde. Paris 1886. P. G. Heims: Seespuk. Aberglauben, Märchen und Schnurren. Leipzig 1888. — Eine (wenn auch knappe) Übersicht seemännischer Sagenstoffe gibt: W. Stammler: Seemannsbrauch und Glaube. In: Deutsche Philologie im Aufriß. Berlin *1962; Bd. III, Sp. 2901 bis 2971; hier: Sp. 2940—2953. — Seine Gliederung in „Erleb­ nissagen“ und Sagen, die sich auf geschichtliche Ereignisse beziehen, ist problema­ tisch. 5 Wossidlo, S. 273. 6 Wossidlo, S. 276. 7 Smidt 1849, S. 157 ff. 2

oder die ortsgebundenen Gestalten, wie der Sundriese89, sind von vornherein fester an eine bodenständige, d. h. Land-Überlieferung gebunden (und wohl auch vor allem der Küstenfahrt zugehörig), — auf dem Ozean gibt es in die­ sem Sinne keinen „Ort“. Fliegender Holländer und Klabautermann aber sind unter den Matrosen, und auf hoher See, lebendige Erzählgestalten. (Der Be­ griff „Gestalt“ wird im folgenden so weit gefaßt, daß er den fliegenden Hol­ länder auch dann einschließt, wenn nicht der verfluchte Kapitän, sondern das Geisterschiff selbst gemeint ist.) Gehören also der fliegende Holländer und der Klabautermann am Aus­ gangspunkt unserer Untersuchung zu Anfang des 19. Jahrhunderts ganz und gar in die Welt der Seeleute, so können wir noch hinzufügen, daß von jener Zeit bis heute herauf keine andere Überlieferung aus dem Seemannsbereich jemals auch nur annähernd so beliebt und so lebendig gewesen ist. Die Aufgabe. Die vorliegende Untersuchung versteht sich als ein Beitrag zur Volkskunde und erst in diesem Rahmen auch als ein Beitrag zur Volkserzähl­ forschung. Schon das Nebeneinander zweier verschiedener Motivkomplexe deutet an, daß nicht der Erzählstoff selbst das letzte Erkenntnisobjekt sein soll. Um die Einheit der volkskundlichen Betrachtungsweise zu betonen, die für alle Teilgebiete der Volkskunde gilt, werden wir den fliegenden Holländer und den Klabautermann nicht in ihrer spezielleren Erscheinung als Erzähl- oder Glaubensgut bezeichnen, sondern als Kulturgut schlechthin. Die wissenschaftliche Bearbeitung der Holländersage begann 1893 im An­ schluß an Wagners Opernstoff durch Wolfgang Golther*. Er glaubte, die volks­ tümliche Überlieferung aus dem allgemeinen Seemannsaberglauben an Spuk­ schiffe erklären zu können. Nach einer größeren, populär dargestellten Ma­ terialsammlung von Wilbur Bassett in seinem Buch „Wanderships“10 erschien dann 1923 in Holland das umfangreiche Werk von G. Kaiff'. De sage van den Vliegenden Hollander, naar behandeling, oorsprong en zin onderzocht. Hier sind vor allem entsprechende und verwandt scheinende Stoffe der englischen, deutschen, holländischen und französischen Literatur ausgebreitet, es werden verschiedene volkstümliche Motive mit weitem Griff (bis zu den Griechen und Römern und in die germanische Mythologie) herangezogen, und schließlich folgt eine breite psychoanalytische Deutung11. Ein letzter nennenswerter Auf­ satz wurde 1927 von Rolf Engert veröffentlicht12, der seine Betrachtung auf 8 Smidt 1849, S. 149 ff. 9 Der fliegende Holländer in Sage und Dichtung. Neudruck dieses Aufsatzes in: W. Goltber: Zur deutschen Sage und Dichtung. Leipzig 1911, S. 7—15. 10 W. Bassett: Wanderships. Folkstories of the Sea. Chicago 1917. (Mir war das Buch leider nicht zugänglich; Kaiff, S. VIII, bezeichnet es als wenig wissenschaftlich.) 11 Vgl. die sehr kritische Besprechung von A. Borgelt, in: De Nieuwe Taalgids 18 (1924), S. 208—218. 12 R. Engert: Die Sage vom fliegenden Holländer. (= Meereskunde. Heft 173). Berlin 1927. — Inzwischen ist (nach Abschluß der vorliegenden Arbeit 1966) ein Aufsatz erschienen von W. Woeller: Die Sage vom Fliegenden Holländer. In: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 14 (1968), S. 292—314. Es handelt sich um eine umfangreiche und vorsichtigere, aber nicht immer sehr quellenkritische Neu­ interpretation der bekannten Zeugnisse. 3

fünf Sagenfassungen beschränkt und den fliegenden Holländer primär aus Er­ scheinungen der Seefahrtsgeschichte herzuleiten versucht. Über den Klabautermann gibt es bisher nur eine Reihe kleinerer Aufsätze, die über eine lockere Stoffdarbietung älteren Materials und einige sprachliche Überlegungen nicht hinauskommen. Eine knappe neuere Darstellung findet sich in einer Arbeit von Christa Pieske13. Im Rahmen der Hausgeisterliteratur wird der Klabautermann nur am Rande erwähnt. Unser Ziel ist es, durch eine möglichst umfassende Sagenanalyse zur Er­ kenntnis des Volkslebens beizutragen. Es kommt nicht so sehr darauf an, alle (letztlich hypothetischen) Ursprünge und großräumigen Wanderwege der Sa­ genmotive zu ergründen, obwohl das selbstverständlich auch zu behandeln sein wird, sondern die Betonung liegt auf dem wirkenden Vorhandensein der Sagengestalten im Volksleben: welche Bedeutung haben sie hier; in welcher Form und in welchem Zusammenhang; und warum in eben dieser Form? In räumlicher Hinsicht lassen sich seemännische Traditionen — und damit auch ihre Untersuchung — viel schwieriger abgrenzen als etwa die Überliefe­ rungen klein gekammerter Landschaften. Unser Blick ist grundsätzlich auf den Gesamtbereich abendländischer Kultur gerichtet, er konzentriert sich auf die Randländer um Nord- und Ostsee und im besonderen auf deren geographisches Kemgebiet: Norddeutschland und Dänemark. Es wird versucht, zumindest hier alle Quellen volkstümlicher Überlieferung weitgehend auszuschöpfen und einen möglichst großen Teil sekundärer Zeugnisse heranzuziehen. Die Reise­ literatur enthält im allgemeinen wenig seemännische Erzählstoffe14, um so mehr die Unterhaltungs- und Trivialliteratur. Bei diesem Material aber Vollständig­ keit der Varianten zu erstreben, wäre ein vergebliches und sinnloses Unter­ fangen. Der Eigenwert solcher Überlieferung sinkt oft völlig ins Nichts; es gilt vor allem, damit zeitliche Beleglückcn zu füllen und einen repräsentativen Querschnitt für diese Quellengruppe zusammenzustellen, um das Verhältnis zwischen seemännischer und festländischer Überlieferung beleuchten zu können. Der Untersuchungsgang. Ausgangspunkt und Ziel unseres Weges ist das Volksleben. Wir wollen im ersten Teil eine Wanderung durch die letzten 150 Jahre un­ ternehmen und ein anschauliches Bild unserer Überlieferung gewinnen. Die Auswahl der Quellen soll zunächst in den wichtigsten Zeugnissen die Art des Materials charakterisieren; sie soll darüber hinaus die Vielfältigkeit des Stoffes veranschaulichen. Die Anordnung ist nicht streng historisch, möchte aber gerade dadurch geschichtliche Zusammenhänge andeuten, den Blick nicht nur auf die 13 Ch. Pieske: Glaube und Brauch der seefahrenden Bevölkerung der deutschen Ost­ seeküste. In: Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. 4 (1954), S. 29—82; Klabautermann S. 66—74. 14 Henning Henningsen hat seit vielen Jahren einen beträchtlichen Teil der europäi­ schen Seereiseliteratur systematisch durchgearbeitet. (Man vgl. u. a. sein Buch: Crossing the Equator. Kopenhagen 1961.) Es ist sein Verdienst, wenn die Ergebnisse , dieser notwendigen, aber mühevollen und langwierigen, dabei für Seesagen wenig ergiebigen Arbeit im folgenden dankbar benutzt werden können.

4

einzelnen Überlieferungen, sondern auch auf die sich wandelnde Umwelt und das sidi verändernde Verhältnis der Menschen zur Tradition lenken, um erste Fragen möglichen Zusammenhanges anklingen zu lassen. Die Interpretation unserer Sagengestalten — im zweiten Teil — ist dann der Kern der vorliegenden Arbeit; über die Erhellung des Volkskulturgutes zeigt sich im Rahmen der Geisteswissenschaften der spezifisch volkskundliche Weg zur Erkenntnis des Menschen. Dieser analytische Teil versucht, systematisch zu sein. Leopold Schmidt hat herausgestellt, daß ein volkskundlicher Gegenstand nach drei Seiten hin zu untersuchen sei: nach Erscheinung, Geschichte und Funktion15. Da aber sowohl die Erscheinung als auch die Funktion unter geschichtlichem Aspekt betrachtet werden können, scheint es klarer zu sein, das Interpretationsobjekt nur in zwei Komplexen zu analysieren und die historische Fragestellung überzuordnen, d. h. sie auf beide Komplexe in gleicher Weise anzuwenden. Wir wollen ein Kulturgut in seine äußere und seine innere Erscheinung zer­ legen. Seine äußere Erscheinung umfaßt alles, was aus dem Kulturgut unmittel­ bar ablesbar, was durch „werkimmanente“ Interpretation allein erfaßbar ist: das sind der Stoff und die Struktur; der Stoff ist die inhaltlich-vordergründige Füllung der Überlieferung, die Struktur beschreibt ihre inhaltlich-formale Ge­ stalt. Die innere Erscheinung eines Kulturgutes umfaßt alles, was nicht unmit­ telbar erkennbar ist, sondern nur im Vergleich, in der Wechselwirkung mit Dingen sichtbar hervortritt, die außerhalb des zu untersuchenden Phänomens liegen: das sind der Gehalt und die Funktion. Gehalt wird hier nicht im lite­ raturwissenschaftlichen Sinne verstanden als der individuelle, durch den Autor gewollte geistige Inhalt eines Werkes (der der zeitlich wechselnden Interpreta­ tion unterliegt), sondern Gehalt meint die in dem Werk enthaltenen Spuren tradierter Inhalte und lebendiger Wirklichkeit. Die Funktion ist sein Wirken im Volksleben. Der dritte Teil will die analysierten Aspekte der Sagengestaken mit dem Blich auf den Menschen zusammensehen. Das Volksleben, von dessen ihm le­ bendig eingegliederten Überlieferungsstoff wir ausgegangen sind, soll als ein ganzes wieder sichtbar werden. Jetzt auf einer höheren, abstrakteren Stufe: in seinen Bedingtheiten und Möglichkeiten, in seiner Struktur. „Die bloße Kenntnis der Tatsachen des Volkslebens gibt niemals eine Wissenschaft vom Volke; es muß die Erkenntnis der Gesetze des Volkslebens hinzukommen und zu einem Organismus geordnet werden.“ (W. H. Riehl)16.

15 L. Schmidt: Die Volkskunde als Geisteswissenschaft. In: Handbuch der Geistes­ wissenschaften. Wien 1948; Bd. 2, S. 28. 16 W. H. Riehl: Culturstudien aus drei Jahrhunderten. Stuttgart 1859, S. 220.

5

ERSTER TEIL

Die Überlieferung

... Nee, mien gode Mann, mit son Uhlenspiegelkrom geeft wi uns ne af: wenn nee Geschichten weeten wullt, denn so kiek man ien de Nohriditen un wenn di an ole Geschichten wat gelegen is, denn slog man de Bibel up: dor stoht ’nog ien. — Und dorbi hebbt nu de Fohrnslüd ... de Kiipp vullicht bit hoben voll van Geschichten ut de ölen Tiden.

Gorch Fock

7

Die Überlieferungsbedingungen Fliegender Holländer und Klabautermann sind ohne die See kaum denkbar. Nur, wo man von der Weite des Ozeans und seinen Lebensbedingungen weiß, fügt sich ihre Welt in das lebendige Bewußtsein der Menschen. Diese Sagen sind daher besonders eng an das Seemannsleben geknüpft — enger meist als beim Traditionsgut anderer Berufsstände —; von ihnen wird auf den seege­ henden Schiffen, in den Hafenlokalen und in mancher Seemannsfamilie er­ zählt, doch sie gehören nicht allgemein als charakteristische Kulturgüter in das Volksleben der Küstengebiete. Die ausschließliche Bindung des fliegenden Holländers und des Klabauter­ mann an den seemännischen Lebenskreis gilt aber nur für einen bestimmten historischen Zeitraum und ist heute längst verloren. Schon in der Romantik griff die „Auflösung des räumlichen Horizontes“ auch auf die See über: Der einfache Mann gewann eine konkrete Vorstellung vom Meer und sein Interesse für dessen Besonderheiten wuchs über die Sphäre märchenhafter Einbildungen hinaus. Man wurde fähig und bereit, auch die nicht völlig phantastischen Über­ lieferungen von der See aufzunehmen, sie der eigenen Geisteswelt einzugliedern und damit lebendig zu erhalten. Wir haben also zwei große Überlieferungsströme vor uns: Der eine bleibt an den Seemann und sein Leben gebunden; er trägt die Sagengestalten der See in einer Umwelt, die ihrem Stoff entspricht, und ist bis in das beginnende 19. Jahrhundert allein vorhanden gewesen. Damals zweigt sich, durch die ro­ mantische Literatur gefördert, ein zweiter Überlieferungsstrom ab und über­ flutet in seiner eingeengten Funktion als beinahe reiner Lesestoff weite Be­ völkerungsschichten auch des Binnenlandes. Hin und wieder von der Seemanns­ überlieferung gespeist, bildet er sich selbständig weiter, daß der ursprünglichere Traditionsstrang fast daneben verschwindet, bis dann im 20. Jahrhundert beide Ströme wieder ineinander verschmelzen. Auf See bestimmte und bestimmt, wie überall, die tägliche Arbeit das Leben der Menschen. Sie war in der Segelschiffszeit besonders rauh und schwer und gab nur selten Gelegenheit, mit den einzelnen Arbeitsvorgängen die Überliefe­ rung längerer Erzählstoffe zu verbinden. Manchmal konnte in den Strophen des rhythmischen Arbeitsliedes eine Geschichte verborgen sein oder in den Liedertexten, die beim Verstauen und Löschen der Ladung gesungen wurden; beim Segelausbessern machten Döntjes1 die Runde. „Wenn wir beigedreht la­ gen, wurde wenig gearbeitet, höchstens Werg gezupft oder Flechtwerk aus Kabelgarnen gefertigt, eine Beschäftigung, bei der man sich in eine möglichst geschützte Ecke drückte und die Zeit durch Erzählungen verkürzte.2“ Erzählt wurde sonst nach der Arbeit, auf der Freiwache: „Na det Sägel-Strittschen hebben se Goorn spunnen bet Klock 8. — Dee spinnen Goorn, würd seggt, wenn se in de Roof seien un sik Döntjes verteilten.3“ 1 Döntje = Schnurre; kleine Erzählung, die nicht recht glaubhaft klingt. 2 Werner »1881, S. 107. 3 Wossidlo, S. 148.

8

Am günstigsten waren unserer Überlieferung die großen Fahrten. In den windstillen Zonen der Ozeane oder im Passatgürtel mit seinen stetigen Winden gab es an Bord wenig zu tun. Die Matrosen bastelten, spielten, erzählten und lasen. Schon 1819 hören wir von einem Matrosen, der achtern in Lee einen Roman Lafontaines verschlingt45 . „Ik heff vääl läs’t up Lang’reisen — in’n Haben tuuschten wie de Böker ut mit anner Schäpen.6“ Was die Seeleute auf ihren Reisen hörten und lasen, konnte — durch eigene Erlebnisse und Einfälle ausgeschmüdct — mit dem Wechsel der Mannschaften in die Erzählrunden anderer Schiffe gelangen. Oft war eine Besatzung aus Matrosen ganz verschiedener Gegenden und Nationen zusammengewürfelt. Überall in der Welt trafen sich die Seeleute in den Häfen®. Selbst daheim im Winterlager kamen sie — Kapitäne, Steuerleute und Matrosen getrennt von­ einander — regelmäßig in ihren Stammkneipen zusammen7. Und schließlich mußte auch die Neugier der Familie zufriedengestellt werden8. Die verhältnismäßig abgeschlossene Welt des Seemanns, jedoch, auch seine Verschlossenheit gegen Außenstehende, hielt Seegeschichten und besonders see­ männischen Glauben nur in seinem engeren Kreis lebendig. Drängte sich im 19. Jahrhundert das Lesepublikum auf der Suche nach Abenteuer, Exotik und vermeintlich besonders ursprünglicher, natumaher Lebensweise in das Über­ lieferungsreich des Seemannes — er streute seinen Schatz nicht hinaus. Man darf seine Abneigung gegen alles Geschriebene gewiß nicht zu stark verall­ gemeinern; einzelne Matrosen haben zweifellos gern gelesen, häufiger aber ist diese Aussage: „Es gab in der Regel einige Zeitungen an Bord, wenn wir segel­ ten, aber die interessierten uns nicht.“ — „Wir lasen nicht, daran hatte niemand Interesse9.“ Zumindest das Schreiben liebte (und konnte zuweilen) der Seemann nicht. Die mündliche Überlieferung war damit, zwar nicht immer in der Auf­ nahme, wohl aber in der Weitergabe, auf See das Angemessene und nahezu einzig Gegebene. Mündliche Überlieferung ist immer nur in einer Gegenwart zugänglich. Was in der Segelschiffszeit nicht schriftlich fixiert und auch in der Rückerinnerung der folgenden Jahrzehnte aufzuzeichnen vergessen wurde, ist uns heute verloren. Die Überlieferungsbedingungen des fliegenden Holländers und des Klabau­ termann sind in ihrem ursprünglichen Lebenskreis günstig gewesen; ungünstiger sind sie für uns, weil die Sagen nicht ohne Umgestaltung aus ihrer Welt heraus in schriftliche Form gefunden haben und weil zudem mit dem Bruch der Er­ zähltradition im vorigen Jahrhundert heute auch Spätformen der Seesagen in ihrer echten Umwelt nicht mehr zu erfassen sind.

4 Lund 1964, S. 7. 5 Wossidlo, S. 148. 6 Vgl. z. B. für die Salpeterfahrer in Chile: Knurrhahn *1941; Bd. I, vor S. 1 (Kapt. B. Petersen). 7 Wossidlo, S. 197; Rudolph 1962, S. 109. 8 Rudolph 1962, S. 106; vgl. Schleswig-Holsteinischer Heimatkalender 27 (Rendsburg 1965), S. 106. 9 Lund 1964, S. 12 f. (dort weitere Zitate für die Zeit vor 1900); vgl. Römer 1962, S. 136. 9

Nachrichten vom Leben auf den alten Segelschiffen finden wir zuerst in Reiseberichten, die meist von Seefremden, seltener von Kapitänen, nie aber von einfachen Matrosen stammen. Dort werden Erlebnisse geschildert — Wind und Wetter, Häfen, vielleicht auch besonders ins Auge stechendes Brauchtum wie die Äquatortaufe —, und es ist ein großer Zufall, wenn wir 1806 über die alltäglichen Gespräche holländischer Matrosen erfahren: (1806H)i9 „Ihre Erzählungen von verwünschten Inseln, und besonders von einer verwünschten Fregatte, die seit Jahrhunderten in den ostindischen Gewässern spuke, nahmen kein Ende." Genauso froh sind wir über die Notiz, die der englische Dichter Thomas Moore seinem Gedicht "On passing Deadman’s Isle, in the gulf of St. Lawrence, late in the evening September 1804“ hinzufügt: (1804 H) suggested by a Superstition very common among sailors, who call this ghostship, I think, "the flying Dutchman“. Einige wenige Seeleute sind schon im 19. Jahrhundert Schriftsteller geworden und haben seemännischen Unterhal­ tungsstoff in ihre Werke verarbeitet: z. B. Frederick Marryat und Heinrich Smidt; doch ist hier das ursprüngliche Erzählgut subjektiver Gestaltung unter­ worfen. Die vielen Kapitäne, die in unserem Jahrhundert populäre Seebücher schreiben, formen weniger um, aber ihre Seemannserzählungen sind entweder auf karge Reste reduziert oder entstammen der Literatur.

Der Seemann hat über seine Sagen geschwiegen; der Seereisende hat sie nicht erfragt oder selten für wert befunden, aufzuschreiben; hat der Sagensammler sich darum bemüht?

Im Gegensatz zu den Bauern, deren Sagen und Märchen in vielen regionalen Sammlungen erschienen, hat man die Seeleute (wie z. B. auch die Arbeiter) vergessen; nur zufällig ist in Norddeutschland wegen ihrer Ähnlichkeit zu den Hausgeistersagen die eine oder andere Klabautermann-Geschichte in die Sam­ melbände gerutscht. Man bedenke auch, daß der Seemann auf seinem Schiff schwer erreichbar und nicht gerade sehr mitteilsam war. „De ölen Geschichten, de .Sagen* ", schreibt Gorch Fock, „ward ok ne vertillt, wenn’n Schööf up’n Dutt is, un wenn dor een mit de Brill up de Nees losiest un will de Dieken afkloppen und ole Geschichten tohoopseuken, denn ward he gewiß ne wiet kommen. .. . Utfrogen lot se (die Fahrensleute) sik ne dorober: de dor wat van to weeten kriegen will, de mütt Glück hebben und mol een gode Tie afpassen können, ans so licht ward se ne sprooksch10 11.“ Richard Wossidlo konnte seine mecklenburgischen Seeleute gesprächig machen; und er als einziger hat viel von ihnen erfahren. Neben dem seemännischen Überlieferungsstrang, der uns nur in Bruchstücken sichtbar wird und sonst in der Verkleidung subjektiver Umgestaltung erahnt werden muß, läuft die zweite Seesagenüberlieferung mit für uns deutlicheren Konturen: das, was ein Spiegel für die volkstümliche Überlieferung des See­ mannes ist, bildet zugleich oft unmittelbares Kulturgut anderer Volksschichten (und sogar wieder des Seemanns selbst). 10 Die Signatur verweist auf das Belegregister, das die genaue Quellenangabe enthält. 11 Fock 1910/11, S. 114. 10

Im Binnenlande präsentieren sich fliegender Holländer und Klabauter­ mann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewußt als Überlieferung eines anderen Gemeinschaftskreises; sie lassen sich nicht so eng an das reale Leben knüpfen, wie sie etwa der Seemann mit eigenen Erlebnissen zusammen­ flicht. Sie sind hier in viel stärkerem Maße vom Glauben gereinigtes Erzähl­ gut, genauer: Lesegut; denn auch auf dem Lande ist die Erzähltradition — vielleicht sogar früher und stärker als auf der See — in ein Endstadium ge­ langt, wo neue, der eigenen Überlieferung ferner stehende Stoffe nicht mehr assimiliert werden können.

In der Folge der von Rousseau angeregten Naturbesinnung wird mit dem be­ ginnenden 19. Jahrhundert zum ersten Mal der Ozean in seiner Erhabenheit und Größe empfunden und der Zauber des Meeres entdeckt. In dieser geistigen Bewegung stößt die ausklingende und jetzt in breite Volksschichten wirkende Romantik auch auf die Seesagen, fixiert Geisterschifferzählungen, beschreibt den Klabautermann und schafft damit jene Kristallisationskerne, an denen neue — vom Seeleben losgelöste — Überlieferungsströme ansetzen können: oberschichtliche wie volkstümliche. Eine latente Bereitschaft für den Stoff war vor­ handen.

„Seit langer Zeit ist die Poesie aus der Wirklichkeit verschwunden, und lebt nur noch in der Phantasie der Dichter“, leitet 1836 ein Schriftsteller seine Seenovellen ein1213 . Die Sehnsucht nach den irrationalen Zügen im menschlichen Leben ist in jener Zeit — als Gegenschlag zur tiefgreifenden Bewegung der Aufklärung — wieder stark angewachsen. Da sich der geschärfte Blick für die eigene Umwelt nicht mehr rückgängig machen läßt, wird das „Poetische" als Ersatzbefriedigung zumindest in der Lesewelt gesucht. Eine Täuschung läßt sich besonders gut hervorrufen, wenn man die gewünschte sagenhafte Wirk­ lichkeit im Lebensumgrund des Seemanns ansiedelt, in den der Durchschnitts­ leser keinen Einblick hat. Er kann sich hier am scheinbaren Dasein naiver Lebensweise erfreuen und gleichzeitig mit seiner aufgeklärten Weltbetrachtung (die „natürlich“ den Sinnentrug der Geisterschiffe durchschaut) kokettieren. Die Unterhaltungsliteratur ist denn auch voller Anspielungen und Darstellungen unserer Seesagen; in Gedichten, Novellen, Romanen, in Schauspiel und Oper fand der Sagenstoff vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann reiche Verwendung. Die Landüberlieferung hat sich vor allem als Unterhaltungs- und Triviallite­ ratur konkretisiert und ist nur in wenigen Spitzen zur Dichtung geworden. So sind die Seestoffe zwar faßbar, aber in vergessenen Zeitungen, Monatsblättern und schmalen Bändchen schwer zugänglich. Als in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die Segelschiffe von den Dampfschiffen verdrängt werden, stirbt auch die schon lange brüchig geworde­ ne Erzähltradition der Seeleute. Seemannsmissionen und Reeder sorgen für Schiffsbibliotheken12. Auf dem Lande verlangt man jetzt mehr Authentizität 12 Smidt 1835/36; Bd. II, S. IV. 13 Vgl. Henningsen 1967, S. 70—85.

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in den Seegeschichten, und viele see-erfahrene Schriftsteller, oft Kapitäne, er­ füllen seither das Bedürfnis nach populärer Meeresliteratur. Wenn sie dann der Vollständigkeit halber auch einmal von den Sagen der See erzählen, so haben sie diese Berichte fast stets älterer Literatur entnommen. Die speziell seemän­ nische Tradition unserer Sagengestalten ist tot — und nur ein allgemeiner Überlieferungsstrom des Bildungswissens vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann dauert fort.

Zu einem guten Teil werden wir die volkstümliche Überlieferung — sowohl bei den Seeleuten als auch in anderen Bevölkerungsschichten —im Spiegel indi­ vidueller Gestaltungen erkennen müssen. Das gilt besonders für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts und für den fliegenden Holländer etwas mehr als für den Klabautermann. Wir werden daher, wenn wir auf der folgenden historischen Wanderung ein anschauliches Bild unseres Materials gewinnen wollen, damit nur zu einem Teil auch ein Bild der lebendigen Volksüberlieferung erhalten; dieses muß sich später aus den Mosaiksteinchen der Analyse ergeben.

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Die Überlieferung zur Zeit der Segelschiffe Alle Sagengestalten der See sind mehr oder weniger stark in eine Erzähl­ welt der alten Segelschiffe eingebettet: sie waren ein lebendiges Kulturgut der Matrosen, lange bevor Dampf- und Motorschiffe sich die Weltmeere eroberten. Wie lange — das ist für uns mit den schweigsamen Seemannsgeschlechtern ver­ sunken. W'eil aber auch zur Segelschiffszeit schon die Neugier mancher Land­ ratte auf das Meer und seinen Überlieferungsschatz gerichtet war, können wir aus jenen Tagen doch hin und wieder ein Bild erhaschen. Erste Quellen in Deutschland und Dänemark

Heinrich Heine, der wiederholt auf der Insel Norderney weilte und dort das Meer mit neuen Augen sehen lernte, berichtet 1826 im zweiten Band seiner „Reisebilder“ von der Nordseeküste:

(1826K2} Als ich voriges Jahr einige Zeit auf der See lag, erzählte mir der Steuermann unseres Schiffes: die Hexen wären besonders mächtig auf der Insel Wight und suchten jedes Schiff, das bei Tage dort vorbeifahren wolle, bis zur Nachtzeit aufzuhalten, um es alsdann an Klippen oder an die Insel selbst zu treiben. In solchen Fällen hört man diese Hexen so laut durch die Luft sausen, und um das Schiff herumheulen, daß der Klabotermann ihnen nur mit vieler Mühe widerstehen könne. Als ich nun fragte: wer der Klabotermann sei? ant­ wortete der Erzähler sehr ernsthaft: „Das ist der gute, unsichtbare Schutzpatron der Schiffe, der da verhütet, daß den treuen und ordentlichen Schiffern Unglück begegne, der da überall selbst nachsieht, und sowohl für die Ordnung wie für die gute Fahrt sorgt." Der wackere Steuermann versicherte mit etwas heimlicherer Stimme: ich könnte ihn selber sehr gut im Schiffsräume hören, wo er die Waren gern noch besser nachstaue, daher das Knarren der Fässer und Kisten, wenn das Meer hoch gehe, daher bisweilen das Dröhnen unserer Balken und Bretter; oft hämmere der Kla­ botermann auch außen am Schiffe, und das gelte dann dem Zimmermanne, der dadurch gemahnt werde, eine schadhafte Stelle ungesäumt auszubessern; am liebsten aber setze er sich auf das Bramsegel, zum Zeichen, daß guter Wind wehe oder sich nahe. Auf meine Frage: ob man ihn nicht sehen könne? erhielt ich zur Antwort: Nein, man sähe ihn nicht, auch wünsche keiner ihn zu sehen, da er sich nur dann zeige, wenn keine Rettung mehr vorhanden sei. Einen solchen Fall hatte zwar der gute Steuermann noch nicht selbst erlebt, aber von an­ dern wollte er wissen: den Klabotermann höre man alsdann vom Bramsegel herab mit den Geistern sprechen, die ihm untertan sind; doch wenn der Sturm zu stark und das Scheitern unvermeidlich würde, setze er sich auf das Steuer, zeige sich da zum ersten Mal und verschwinde, indem er das Steuer zerbräche — diejenigen aber, die ihn in diesem furchtbaren Augenblick sähen, fänden unmittel­ bar darauf den Tod in den Wellen. Der Schiffskapitän, der dieser Erzählung mit zugehört hatte, lächelte so fein, wie ich seinem rauhen, wind- und wetterdienendem Gesichte nicht zugetraut hätte, und nachher versicherte er mir: vor fünfzig und gar vor hundert Jahren sei auf dem Meere der Glaube an den Klabotermann so stark gewesen, daß man bei Tische immer auch ein Gedeck für denselben aufgelegt, und von jeder Speise, 13

etwa das Beste, auf seinen Teller gelegt habe, ja, auf einigen Schiffen geschähe das noch jetzt. — (1826H2) Ich gehe hier oft am Strande spazieren und gedenke solcher see­ männischer Wundersagen. Die anziehendste derselben ist wohl die Geschichte vom fliegenden Holländer, den man im Sturm mit aufgespannten Segeln vorbeifahren sieht, und der zuweilen ein Boot aussetzt, um den begegnenden Schiffen allerlei Briefe mitzugeben, die man nachher nicht zu besorgen weiß, da sie an längst ver­ storbene Personen adressiert sind.

Sehr schnell wurden die lockeren, bilderreichen Nordseeskizzen Heines weit­ hin in Deutschland bekannt und mit ihnen auch die beiden ganz dem Meeres­ bereich zugehörigen Sagen vom Klabautermann und vom fliegenden Holländer. Zwar finden sich unsere Gestalten hier nicht zum ersten Mal in der deutschen Literatur fixiert; aber die Weiterwirkung aus Heines Büchlein ist den voraus­ gehenden Berichten gegenüber doch unvergleichlich breiter und tiefer. Über den hilfreichen Schiffsgeist hatte vor Heine schon T. F. M. Richter 1806 holländische Matrosen erzählen hören, als er mit der dänischen Fregatte „Fredensborg“ von Hamburg nach St. Thomas segelte. Der erste Band seiner Reiseberichte erschien 1821. (1806K) Audi sprachen sie viel von einer Art Kobold, Kalfatermännchen ge­ nannt, welche sich die Schiffe zu ihrem Aufenthalte wählen, dieselben in Schutz nehmen, zur Nachtzeit kalfatern, und das Schiffsvolk, wenn es in seinen Dienst­ pflichten nachlässig ist, mit unsichtbaren Backenstreichen oder auf andere Weise bestrafen sollen.

Und die Holländersage war Heine nicht etwa von norderneyer Seeleuten berichtet worden, sondern er hatte sie in dem Roman des hamburger Ratsherrn M. H. Hudtwalcker „Bruchstücke aus Karl Bertholds Tagebuch" gelesen. Das Budi war unter dem Pseudonym Oswald gerade herausgekommen, als Heine 1826 für drei Wochen nach Norderney fuhr, um dort im Spätsommer seine Nordsee-Eindrücke niederzuschreiben. Richters als auch Hudtwalckers Sagen­ berichte sind bislang ganz unbekannt geblieben, obwohl Erich Loewenthal die Holländer-Fassung Hudtwalckers schon 1922 entdeckt und als Heines Quelle nachgewiesen hat1:

In dem Roman erzählt der Held Karl Berthold in einer Gesellschaft, in der jeder der Anwesenden „ein Märchen erzählen solle, wovon er glaube, daß es neu sei oder doch nicht allgemein bekannt“, die Sage vom fliegenden Holländer. Karl Berthold legt seinerseits die Erzählung einem wunderlichen alten Seemann in den Mund, der einst beim Vorgebirge der guten Hoffnung Schiffbruch erlitten 1 Referat und Zitat nach Loewenthal 1922, S. 150—152. — Der Verf. schreibt ferner: Ein Zweifel, daß diese... Fassung der Sage Heine als Vorlage diente, ist nicht möglich: denn wenige Seiten vor der Stelle, da er in der .Nordsee' unserer Sage zum erstenmal gedenkt, zitiert er einen Aphorismus aus „Bertholds Tagebuch“ im Wortlaute. — (Auch erwähnt Heine selbst ja nur für die Sage vom Klabotermann und das Märchen vom zauberhaft geigenden Fischerknaben mündliche Quellen.)

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hatte. Zuvor war ihm und seinen Gefährten in einer Sturmnacht ein verdächtiges Schiff begegnet, das einen von der Besatzung an den „fliegenden Holländer“ erinnerte; und während die anderen diesen wissenden Seemann angsterfüllt um­ standen, begann er seinen Zuhörern von dem Holländer zu erzählen: (1826H1) „Es ist ein behexter Holländischer Ostindienfahrer, der hier in dieser vertrackten Gegend (— dem Vorgebirge der guten Hoffnung —) vor hundert und mehr Jahren weggekommen ist; man weiß selbst nicht wie und wohin. Der Kapitän war ein Mann, der sich den Teufel selbst nicht anfechten ließ. Ihn überfiel hier ein Sturm. Seine Offiziere rieten, in die Tafelbai einzulaufen. Er ward zor­ nig und schrie: Ich will ewig verdammt sein, wenn ich das tue, und sollten wir bis zum jüngsten Tage vor der Tafelbai herumfahren. Das soll nun wahr ge­ worden sein. Er fährt noch immer herum, aber nur bei Sturm sieht man ihn. Es ist kein gutes Zeichen, wenn man ihn sieht. Aber wenn er beilegt und ein Boot aussetzt, so ist es noch schlimmer“ . . . „Ja, wenn er ein Boot aussetzt“, sagte ein anderer Matrose, „so hat er Briefe abzugeben an längst verstorbene Leute, die in Straßen wohnen, welche kein Mensch kennt. Annehmen muß man sie, sonst ist der zweite Verdruß schlimmer wie der erste. Aber diese Unglücksbriefe, die sich ganz leicht anfühlen wie ordinäres Papier, wiegen zentnerschwer im Schiff und werden alle Tage schwerer. Man hat Beispiele, daß sie Schiffe in den Grund gezogen haben. Als ich noch mit der „Phöbe“ fuhr, erlebten wir so was. Zum Glück ging es gut ab. Der Holländer schickte wirklich ein Boot mit fünf Mann an Bord, die baten und flehten, wir sollten ihre Briefe mitnehmen. Kein Mensch wollte sie anrühren. Die Leute stiegen an Bord (wie sie aussahen, Gott sei bei uns! das mag ich nicht sagen) und legten die Briefe hin und ein Senkblei da­ rauf, daß sie nicht wegwehten. Wir hatten einen alten Steuermann, der verstand mit so was umzugehen. Der Zimmermann sollte ein Stück von dem Notsteuer­ ruder, das nodi kein Salzwasser gekostet hatte, darüber nageln, und als er nun das Blei wegnimmt und die Briefe unter das Stück Holz legen will, kommt ein Windstoß, das Schiff legt sich auf die Seite, und alle Briefe gehen über Bord. Sie waren auch gleich niedergesunken wie die Steine, das kann ich Euch sagen" ... „Also fünf Mann im Boot, sagst Du?“ fiel Tom ein. „So ist es auch gewiß wahr, was mir der alte Jänky aus Boston erzählt hat, daß der fliegende Holländer, wenn er das Boot mit einer graden Zahl Leute aussetzt, keine Briefe abzugeben hat, sondern Leute abholen will. Er nimmt dann halb so viele von der Besat­ zung des Schiffes mit, das er anspricht, wie er selbst im Boot hat. Was dann aus denen wird, weiß Gott oder vielmehr der Teufel. Der Bootsmann vom Holländer aber legt an und ruft die Leute bei Namen, die er haben will, und das sind immer die gottlosesten. Mit müssen sie, da hilft nichts. Ist aber die Zahl der Leute im Boot ungrade, so hat der Holländer nur Briefe abzugeben. Man kann also gleich sehen, was er will.“

Auch wenn man von Richters und Hudtwalckers Darstellungen absieht, ste­ hen die von Heine dem Seemannsreich entnommenen Sagengestalten nicht iso­ liert in der schriftlichen Überlieferung. Sie tauchen in eine geistige Welt, die auf ihr Erscheinen vorbereitet ist: einmal hatte eine breite Volksschicht die Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ und vor allem die Märchen- und Sagenbände der Brüder Grimm gern aufgenommen und wünschte, neben den Ritter- und Liebesgeschichten jetzt volkstümliche Überlieferungsstoffe zu lesen; zum anderen war auch das Meer als Schauplatz in einigen charakteristischen Erzählbildern schon ausgemalt. 15

Noch ganz dem Märchen zwar zugehörig ist durch ihr orientalisches Kolorit Wilhelm Hauffs „Geschichte von dem Gespensterschiff“. Sie erschien innerhalb der Rahmenerzählung „Die Karawane“ in seinem „Märchenalmanach auf das Jahr 1826“. (J825H2) Der Erzähler gelangt hier nach einem Schiffbruch, der sich durch das Erscheinen eines Gespensterschiffes angekündigt hatte, selbst auf das geheimnisvolle Schiff. Die auf dem Deck liegenden Leichname der Matrosen und der an den Mastbaum genagelte Kapitän werden in jeder Nacht für eine Stunde lebendig und müssen die Szene immer erneut erleben, in der sie vor fünfzig Jahren einen Derwisch verspottet und in die See geworfen hatten; dieser verwünschte vor seinem Tode alle Mannschaftsmitglieder, weder sterben noch leben zu können, ehe sie nicht ihre Häupter auf die Erde legten. Der Erzähler löst den Fluch. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Hauff durch eine andere, dem Sagencharakter nähere Gespensterschiff-Erzählung angeregt worden ist, welche 1824 im Stutt­ garter „Morgenblatt“ zu lesen war2. Diese anonyme Geschichte — mit dem Zusatz „nach einer alten Handschrift“ — hat man später öfter im Zusammen­ hang mit der Holländersage nachgedruckt. (1824H) Während wir vom Laplatastrom nach Spanien segelten, hörte ich eines Nachts den Ruf: „Ein Segel!“ Ich war sogleich auf dem Verdeck, sah aber nichts. Der Matrose, welcher die Wache hatte, sah sehr erschrocken aus und erzählte auf mein freundliches Zureden, er habe, in die Höhe blickend, eine schwarze Fregatte so nahe vorbeisegeln sehen, daß er sogar das Bild am Schnabel des Schiffes, welches ein Totengerippe mit einem Speer vorstellte, habe erkennen können. Auch die Mannschaft habe er gesehen; sie seien dem Gerippe ähnlidi gewesen, nur seien die Knochen mit Haut überzogen gewesen. Wie im Antlitz von Leichen hätten die Augen starr und steif im Kopfe gelegen. Diese Phantome handhabten geräuschlos die Segel, welche so dünn gewesen seien, daß man die Sterne des Himmels habe durchscheinen sehen. Spulen und Taue machten nicht das geringste Geräusch; alles war grabesstumm, nur daß zuweilen mit ächzender, geisterhafter Stimme das Wort „Wasser“ laut wurde. Das alles sah mein Mann bei einem schwach schimmernden Lichte, welches aus dem Schiffe selbst hervorzu­ brechen schien. Als mein Wachmann das Schiff anrief, war die Erscheinung plötz­ lich verschwunden, vor ihm lag die sternerhellte See. — Als wir nach ziemlich glücklicher Fahrt im nächsten spanischen Hafen angelangt waren, erzählte ich die Geschichte in einer Gesellschaft und lächelte darüber, als über das Hirngespinst der kranken Einbildungskraft meines Matrosen, der übrigens von dem Augen­ blick der unheimlichen Erscheinung an in Trauer dahinsiechte und bald darnach an der Auszehrung starb. Ich fand nichts besonderes darin, da er mir schon längere Zeit lungenleidend erschienen war. Sehr überrascht war ich, als, nachdem ich meine Erzählung beendet hatte, einer der Zuhörer erblassend ausrief: „So bist Du denn gerächt, Sandovalle!“ Nach vielen Bitten ließ derselbe sich herbei, folgendes zu erzählen: „Es sind nun 40 Jahre, seit mein Bruder Lopez d’Aranda aus Kummer über seinen Sohn Don

2 Vgl. die Motive: Mord; Fluch durch das Opfer herabgerufen; an den Mast gefesselt bzw. genagelt; Geschehen 40 bzw. 50 Jahre zurückdatiert. — S. auch Tielo 1902, S. 378 Anm. — Vgl. vor allem Arnaudoff 1915, S. 12—15. 16

Sandovalle, der, wie er selbst gemeldet, sich mit seinen in Peru erworbenen Reichtümern und seiner schönen Frau Lorenza nach Spanien eingeschifft hatte, verstarb, nachdem Don Sandovalle und seine Braut seit ihrer Einschiffung in Lima verschollen waren. Kurze Zeit vor seinem Tode hatte der Verstorbene einen sonderbaren Traum gehabt. Er hatte Sandovalle mit einer tiefen Wunde im Kopfe gesehen, wie derselbe blaß und entstellt nach einer Jungfrau zeigte, die an den Mast des schwarzen Schiffes gebunden war und bald gen Himmel blickte, bald auf einen vor ihr stehenden Becher starrte, den sie nicht erreichen konnte. Ver­ geblich flehte sie um einen Trunk Wasser, allein die rohe Mannschaft um sie her verweigerte ihr dieses Labsal. Da loderten ihre Augen auf und mit fester Stimme rief sie auf das Haupt eines gewissen van Evert einen Fluch herab, ehe sie in Folge der schrecklichen Behandlung für immer ihre Augen schloß. Als mein Bruder dies im Traum erschaut hatte, verschwand das Bild und eine Stimme rief: „San­ dovalle und Lorenza, ihr sollt gerächt werden!“ — So endete der Spanier seine Erzählung; er zweifelte gar nicht daran, daß das von meinem Matrosen gesehene Phantom das Schiff des van Evert gewesen, welcher verdammt worden sei, ewig das Meer zu durchkreuzen. Von dem Schiffe, in welchem sein Bruder von Peru abgereist, hatte man nämlich nie wieder etwas gehört, und um dieselbe Zeit hatte auch ein berüchtigter holländischer Seeräuber aufgehört, das Meer zwischen dem Laplatastrom und dem Vorgebirge der Guten Hoffnung zu beunruhigen. In dem hamburger Sonntagsblatt „Hammonia“ fand sich schon 1822 zu un­ serem Themenkreis ein Gedicht des jungen Seemanns Heinrich Smidt: Der ewige Segler. „Was brauset daher in wirbelnder Wucht.. .“ Ohne Erzählhand­ lung, ein Wortschwall nur, mit dem stereotypen Strophenschluß: „ ... Und wenn ihr mit bebenden Lippen fragt: Das ist Seglers ewig tosende Jagd.“ (1822H). Als Smidt aber dieses Gedicht 1825 in einem Sammelband erneut ver­ öffentlicht, fügt er eine bemerkenswerte Fußnote bei. {1825H1) Die Sage, worauf sich dieses Gedicht gründet, geht schon seit un­ denklichen Zeiten, wie ein Erbtheil von Mund zu Mund unter den Englischen und Holländischen Seeleuten gemeinerer Classe umher, und wird als eine unzube­ streitende Zuverlässigkeit angenommen. Die Holländer erzählen: einer ihrer Landsleute (die Engländer geben ihn für den ihrigen aus,) dessen Name aber im Strome der Zeiten untergegangen ist, sey aus Ostindien zurückgekehrt, habe aber den Ort seiner Bestimmung, Amsterdam (bei den Engländern London,) nicht errei­ chen können, weil ohne Aufhören ein contrairer Wind geweht habe. Nach zwan­ zigwöchentlichem Umhertreiben habe er sich und sein ganzes Schiff verflucht und der Hölle zugeeignet, und geschworen, er wolle sein ganzes Leben im Ocean zu­ bringen. Plötzlich erhob sich ein Sausen und Brausen, es war wie finstre Nacht; die Schiffsleute wurden den Augen des Schiffers entrückt, und durch die Vorse­ hung in ihr Vaterland versetzt; nur er blieb zurück, ein ewiger Spielball der Ele­ mente. Mit ihm ein großer, weißer Pudel. Dieser sitzt immer aufrecht bei seinem Herrn am Steuerruder, ein Platz, den dieser nie verläßt. Unaufhaltsam treibt Sturm und Wetter ihn von Land zu Land, von Küste zu Küste; und wenn er landen will, führt ihn ein pfeilschneller Sturm von dannen. Eingehüllt in einen schwarzen Mantel und unbedeckten Hauptes starrt er in die dunkle Nacht hinaus:

„So haben, bei schauriger Winde Weh’n, Ihn oftmals die Söhne des Meeres gesehn.“

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Heinrich Smidt, 1798 in Altona geboren, ging 1813 zur See und ist zehn Jahre lang auf allen Meeren gefahren. Später studierte er in Kiel, lebte in Berlin als freier Schriftsteller und schrieb unter anderem viele Seebücher3. Das Thema des ewigen Seglers hat er, mit seinem Jugendgedicht unzufrieden, 1828 zu einer Novelle gestaltet: (1828Hl) In einer Liebesgeschichte voller Mißgunst schwören sich ein englischer Kapitän und die Toditer seines Kommodore ewige Treue; wenn aber der Himmel ihren Bund nicht gelten lasse, wolle er — sagt der Kapitän — ewig über die Meere segeln, und sie will dem Geliebten im Tode folgen. Mit List wird das Mädchen einem anderen vermählt. Der Kapitän sieht sie als lichtweiße Gestalt vom höchsten Kreidefelsen bei Dover herab­ stürzen, befiehlt daraufhin der Besatzung, das Schiff zu verlassen, und von plötzlichem Sturm erfaßt fliegt sein Schoner pfeilschnell aufs Meer hinaus: „Von Jahrhundert zu Jahrhundert! dein Ziel ist der jüngste Tag!“

In dem Erzählband „Seegemälde", der diese Novelle enthält, begegnet uns auch der Klabautermann in einer eigenen Geschichte wieder. (1828K) Der Schiffer Martin Koch erzählt seinem ungläubigen Freund Röhrs vom Kla­ bautermann, wie er es vom langen Klaus gehört habe, der wiederum den Bericht eines alten Engländers wiedergab. „Weißt Du, was von dem Klabau­ termann unsere Väter erzählen, welche nicht, wie Ihr Deutsche, glaubten, es sei ein wirkliches Gespenst, das zwischen den Tauen und Segeln herumwandele und den frommen Seemann beschütze? Die Alten lächelten über dies Märchen und sagten: Wollen das nicht glauben ...“ Wenn ein Schiffer mit seinen Leuten christlich und liebevoll umgehe und sie ihm treu dienten, so sind das Werke, Gott und Menschen angenehm, und es werde daraus für sie rin schützender Engel, der sie im Strudel des Lebens nicht untergehen läßt. So aber der Schiffs­ herr mit seinen Leuten den Weg der Liebe verlasse, werde die schützende Ge­ stalt über die Untaten, die sie sehen muß, immer kleiner, bis sie endlich ganz verschwinde. Mit ihr ist auch der Geist des Guten gewichen und alles ist verlo­ ren. — Martin Koch wird in dieser Novelle aus Habsucht zum Verbrecher. Da warnt ihn der Klabautermann. ... bei der Ankerwinde bewegte sich etwas. Es war eine kleine Figur, wie aus schwärzlichem Nebel geformt und kaum über einen Fuß hoch. Sie hatte eine solche Gelenkigkeit in den Gliedern, daß sie keinen Augenblick still stand, sondern immer hin und her hüpfte, ohne ein Geräusch zu machen. „Klabautermann bin ich und meine es gut mit Dir. Nimm Dich in acht!“

Koch stiehlt dennoch, erleidet Schiffbruch und kann davon abermals eine Klabautermann-Begegnung mitteilen, bevor er endgültig auf See bleibt. Fast zur gleichen Zeit wie in Deutschland wird auch im benachbarten Däne­ mark der Schiffsgeist beschrieben und zwar zuerst in einem Schiffsjournal. Ein Kapitän Arentz berichtet 1826: (1826K1) als er seiner Mannschaft scherzend er­ zählte, er habe am 25. Mai zum erstenmal in seinem Leben den „nisse" gesehen, bekamen die Matrosen einen großen Schreck und wagten seitdem nicht mehr, 3 Vgl. Allgemeine deutsche Biographie, Bd. 34, S. 487 f. 18

auf der Wache zu schlafen. Arentz fügt hinzu: „Er war übrigens wie ein Land­ streicher gekleidet; ein alter blauer Fradc mit gelber Weste und langen Hosen aus Segeltuch.“ Ein Jahr später wird dann der Schiffsgeist in Steen Steensen Blickers Roman „Rovestuen“ vielen dänischen Lesern bekannt. (1827K) Die Tätigkeit der Schiffsgeister besteht darin, daß sie in der Nacht — als Schattenbild, wie ich sagen möchte — alle die Arbeiten entwerfen, die der nächste Tag fordert: den Anker lichten oder auswerfen, die Segel hissen oder einziehen, sie stehen lassen oder reffen — was somit Sturm ankündigt; ja, er hält sich nicht einmal zu gut für die Arbeit des Schwabbergastes... Er löscht das Licht im Ruderhaus, neckt den Schiffshund, und wenn sich ein Passagier an Bord befindet, der die See nicht vertragen kann, kann man den Schelm sich mit herzzerbrechender Miene in einen Eimer übergeben sehen. Wird das Schiff untergehen, springt er in der Nacht vor der Abreise über Bord, be­ steigt ein anderes Schiff oder schwimmt an Land.

In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts setzt also in Deutschland, und teilweise audi in Dänemark, die schriftliche Überlieferung unserer Sagenge­ stalten gleich verhältnismäßig dicht ein. Aus den Berichten und den literari­ schen Umprägungen wird deutlich erkennbar, daß das ewig segelnde Geister­ schiff und der hilfreiche Schiffskobold bei den Seeleuten bekannt sind, sogar Glaubensgut in bestimmtem Umfange darstellen, und daß diese Motive allge­ mein als alte seemännische Sagenstoffe eingeschätzt werden. Unsere Quellen selbst sind fast alle — Heine, Hauff, Smidt, Bücher — als beliebter Lesestoff weit verbreitet: informieren ein großes Publikum und schaffen damit zugleich die Voraussetzung dafür, daß Geisterschiff- und Klabautermann-Vorstellungen audi außerhalb der Seemannswelt zu eigenem Volkskulturgut assimiliert wer­ den können.

Übersicht: Die ersten Quellen in Deutschland und Dänemark4

1821

1822

1824

1825

Der erste Band von Richters „Reisen zu Wasser und zu Lande“ erscheint, in dem Matrosenerzählungen auf einer Reise von 1806 erwähnt werden: Kalfa­ termännchen; verwünschte Fregatte in ostindischen Gewässern. Smidt veröffentlicht sein Gedicht „Der ewige Segler“ in einer Zeitschrift; er­ neut 1825 in einem Gedichtband und fügt jetzt die zugrundeliegende Sage in einer Fußnote hinzu. Das „Morgenblatt“ erzählt nach „alter Handschrift“ über die Begegnung mit einem geisterhaften Schiff und den Fluch des van Evert. Hauffs „Geschichte von dem Gespensterschiff“ erscheint im „Märchenalmanach auf das Jahr 1826“.

4 Die Übersichten, mit denen die Kapitel älterer Zeit abschließen, sollen nur das Wichtigste geben und sind nicht immer vollständig. Man vergleiche evtl, das Beleg­ register. 19

1826 Hudtwaldeer läßt in einem Roman die Sage vom fliegenden Holländer aus­ führlich erzählen. 1826 Heine schreibt über den Klabautermann und erwähnt die Holländer-Sage im zweiten Band seiner „Reisebilder" (erscheint 1827). 1826 Der dänische Kapitän Arentz verzeichnet in seinem Schiffsjournal einen Scherz um den nisse-Glauben. 1827 Blicher flicht Bemerkungen über den Schiffsgeist in einen Roman. 1828 Smidt veröffentlicht seine Novellen „Der ewige Segler" und „Klabautermann“ und druckt seine Sagen-Fußnote von 1825 erneut.

England, Amerika und Frankreich Bevor wir die Überlieferung in Mitteleuropa weiter verfolgen, ein Blick nach England!

Dort hatte noch vor der Jahrhundertwende S. 7. Colridge 1798 das Meer zum Schauplatz eines visionären Geschehens gemacht. In seinem Gedicht „The Rime of the Ancient Mariner" verletzt der auf einem Schiff ins südliche Eis­ meer abgetriebene Titelheld die Gesetze der Gastlichkeit: tötet einen Albatros und muß ein seltsames Gericht über sich ergehen lassen. Am Horizont erscheint ein Skelettschiff, das sich trotz der Windstille schnell heranbewegt. Nur der Tod und die Nachtmar ,,Life-in-Death“ befinden sich darauf und würfeln um das Leben des Ancient Mariner und der übrigen Mannschaft. Die Nachtmar gewinnt den Helden. Alle Matrosen sinken tot nieder, der Ancient Mariner aber muß leben, ausgesetzt den glasigen, anklagenden Augen der toten See­ leute; wie Pfeile zischen deren Seelen an ihm vorbei. Erst nach langer Prüfung wird er gerettet und zieht dann von Land zu Land, um an seinem eigenen Beispiel die Liebe zu predigen: zu allen Dingen, die Gott geschaffen hat.

Thomas Moore schreibt dann 1804 ein stimmungsvolles Totenschiff-Gedicht, eingegeben — wie er selbst anmerkt — durch einen sehr verbreiteten Seemanns­ aberglauben, in dem das Geisterschiff „the flying Dutchman“ heiße. Etwas mehr erfahren wir über diese Seesage in einer ähnlichen Quelle 1812. Unter den Gesängen Walter Scotts wird in „Rokeby“ von Seeleuten berichtet, die sich auf der Mitternachtswache Geschichten erzählen:

(1812H)

... of that Phantom Ship, whose form Shoots like a meteor through the storm; When the dark scud comes driving hard, And lower’d is every topsail-yard, And canvass, wove in earthly looms, No more to brave the storm presumes! Then, 'mid the war of sea and sky, Top and top-gallant hoisted high. 20

Full spread and crowded every sail, The Demon Frigate braves the gale;* And well the doom’d spectators know The harbinger of wredc and woe.

* This is an allusion to a well-known nautical superstition concerning a fantastic vessel, called by sailors the Flying Dutchman, and supposed to be seen about the latitude of the Cape of Good Hope. She is distinguished from earthly vessels by bearing a press of sail when all others are unable, from stress of weather, to show an inch of canvass. The cause of her wandering is not altogether certain; but the general account is, that she was originally a vessel loaded with great wealth, on board of which some horrid act of murder and piracy had been committed; that the plague broke out among the wicked crew who had perpetrated the crime, and that they sailed in vain from port to port, offering, as the price of shelter, the whole of their ill-gotten wealth; that they were excluded from every harbour, for fear of the contagion which was devouring them; and that, as a punishment of their crimes, the apparition of the ship still continues to haunt those seas in which the catastrophe took place, and is considered by the mariners as the worst of all possible omens.

Eine Erzählung in Blackwood’s Edinburgh Magazine (1821) ist einer der entscheidenden Ausstrahlungspunkte der Holländersage. Edward Fitzball über­ nahm den Stoff teilweise für sein Schauerdrama „The flying Dutchman or the fantom ship“, das am 4. Dezember 1826 im Londoner Adelphi-Theater aufgeführt wurde; auch Douglas Jerrold fand hier vermutlich, zumindest in­ direkt, den thematischen Anstoß für sein gleichnamiges Stück 1829. Beide Dra­ men konnten sich auf der Bühne nicht durchsetzen. Wichtiger ist die See-Er­ zählung des Unterhaltungsmagazins als ein Keim für Frederick Marryats Gei­ sterschiff-Roman (1837), der selbst wieder in vielfältiger Form wirksam wird. Aber lassen wir diese beiden Brennpunkte der Überlieferung vom fliegenden Holländer zunächst noch im Dunkeln! Sie sollen später im Zusammenhang ihrer Wirkungsgeschichte, die weit über England hinausreicht, genauer beleuchtet werden. Uns genügt jetzt, zu sehen, daß auch in England in den zwanziger und drei­ ßiger Jahren des 19. Jahrhunderts die Vorstellung vom Geisterschiff mannig­ fachen Ausdruck findet. In den größeren Umkreis gehört z. B. noch das um 1825 entstandene Gedicht „The death-boat of Heligoland“5 von Thomas Camp­ bell oder Edgar Allan Poes wunderliche Erzählung „MS found in a bottle" (1833). Weniger Erfolg als Marryats Buch hatte W. J. Neales dreiteiliger Ro­ man “The Flying Dutchman: a legend of the High Seas“ (1839), blieb aber ebenfalls nicht unbeachtet.

Im ganzen englischen Sprachraum, und darüber hinaus, sind zu jener Zeit die Romane des amerikanischen Schriftstellers James Fenimore Cooper sehr beliebt. Cooper erwähnt unsere Sage schon 1823 in seinem literarischen Seegemälde „The Pilot“. (1823H1) Als ein alter Seebär voll Verachtung von einem Marine­ soldaten spricht, der nicht an die Existenz des fliegenden Holländers glaubt, fragt sein Kapitän, ob er den Holländer denn selbst gesehen habe? Der Alte: 5 Zit. bei Kaiff, S. 7. 21

„Ich bin noch nie um das östliche Kap gekommen .. . aber ich habe welche gekannt, die ihn gesehen und mit ihm gesprochen haben.“ — „Nun gut, das mag so sein.“

In Coopers Seeroman „The Red Rover" diskutiert die Mannschaft der „Ca­ rolina“ über ein seltsames Schiff, das ihr begegnet: (1828H2)....... ein höchst sonderbar stationiertes Schiff!“ „Ich dublierte das Kap der Guten Hoffnung im Jahre 46,“ fuhr der andere fort, „und sah ein Schiff liegen, da, auf unserer Windseite (dem Wicht dort just entgegengesetzt, da er leewärts von uns steht), aber dort sah ich ein Schiff eine ganze Stunde lang uns quer vor dem Kiel stehen, und ungeachtet, daß wir den Azimutalkompaß richteten, regte es sich nicht einen Schritt während der ganzen Zeit, Steuerbord oder Backbord, was bei dem schlechten Wetter, das wir hatten, wenigstens etwas Außergewöhnliches genannt werden konnte.“

„Matrosen erzählen, daß der fliegende Holländer auf der Höhe des Vorge­ birges zu kreuzen pflege und oft von der Windseite her auf Fremde lossteuere, als wolle er sie entern. Gar mancher königliche Kreuzer war, wie das Sprichwort geht, kaum vom süßen Schlafe aufgewacht, da sahen die Topgasten oben einen Zweidecker, die Pfortgaten offen, die Batterien aufgepflanzt, in der Nacht auf sie zusegeln; indessen, dieses dort kann doch kein dem Holländer ähnliches Fahr­ zeug sein, indem es höchstens, wenn überhaupt ein Kreuzer, eine große Kriegsscha­ luppe ist.“

„... Fürs andere läßt sich der Holländer nur immer luvab sehen ...“ „... gerade so soll der mitternächtliche Kreuzer am Vorgebirge der guten Hoffnung kommen und gehen. Es gibt Leute, die ihn in einen Nebel gehüllt ge­ sehen haben, während rund umher der schönste Sternenhimmel glänzte, den sie je in einer südlichen Breite bemerkten. Aber das kann doch bei alledem der Hol­ länder nicht sein, da es so viele Meilen von der Küste Nordamerikas bis zur Höhe des Kaps ist.“ Das geheimnisvolle Schiff folgt der „Carolina“, und ehe diese im Sturm sinkt, kommt es näher; ... es fuhr, den Nebel durchschneidend, mit einer Geschwindigkeit heran, die der Blitzesschnelle des Sturmwindes fast gleichkam. Nicht ein Faden Leinwand war an Bord zu sehen, dagegen war jede Spierlinie hinauf bis zu den ins kleine verschwindenden und zart aussehenden Oberbramstengen an ihrem gehörigen Ort...

Neben Cooper hat in Amerika auch Washington Irving 1823 ein Seethema behandelt; in der Erzählung „The Storm-ship“, die im goldenen Zeitalter NeuHollands spielt, wird die Bevölkerung von Manhattan an einem Sturmtag auf­ geschreckt: (1823H2) ein holländisches Schiff bricht plötzlich hinter einer schwarzen Wolke hervor und segelt voll aufgetakelt gegen Wind und Strö­ mung. Die Mannschaft steht, holländisch gekleidet, bewegungslos an Deck und nimmt keine Notiz von einem Kanonenschuß, der augenscheinlich mitten durch

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das Schiff hindurchgeht. Man diskutiert diese seltsame Erscheinung; sie werde an den Hudsonufern öfter gesehen: unmittelbar vor, oder nach, oder inmitten stürmischen Wetters. Old Hans Van Pelt, who had been more than once to the Dutch colony at the Cape of Good Hope, insisted that this must have been the Flying Dutchman which had so long haunted Table Bay; but being unable to make port, had now sought another harbor.

In Verbindung mit dem Sturmschiff stehen auch Geschichten von einem kleinen Kobold. (1823K) The captains of the river-craft talk of a little bulbous-bottomed Dutch goblin, in trunk hose and sugar-loafted hat, with a speaking-trumpet in his hand, which they say keeps about the Dunderberg (i.e. the “Thunder-Mountain“, so called from its echoes). They declare that they have heard him, in stormy weather, in the midst of the turmoil, giving orders in Low-Dutch for the piping up of a fresh gust of wind, or the rattling off of another thunder-clap. That some­ times he has been seen surrounded by a crew of little imps in broad breeches and short doublets; tumbling head over heels in the rack and mist, and play­ ing a thousand gambols in the air; or buzzing like a swarm of flies about Anthony’s Nose; and that, at such times, the hurry-scurry of the storm was always greatest.

Unter anderem wird von einem Schiffer berichtet, der den goblin einst rittlings auf dem Bugspriet habe reiten sehen.

Außer Irvings fernen Anklängen finden wir in der englischsprachigen Über­ lieferung vor der Jahrhundertmitte keine Hinweise auf einen Schiffsgeist. Der fliegende Holländer, jedoch, bildet nicht nur das Zentralthema für Theater­ stücke und dickleibige Romane; er dient in der Literatur zur Veranschaulichung einer Seemannsszene oder zur Charakterisierung eines alten Seebären und stellt sich den Erzählfiguren als Assoziation ein, wenn sie das eigenartige Verhalten eines Schiffes zu erklären versuchen. Aber, so fragen wir uns, läßt sich diese lebendige Gegenwärtigkeit des Holländerstoffes denn gar nicht mit direkten seemännischen Zeugnissen belegen? Um 1830 erschien in London ein anonymer Privatdruck: „The Life of a Sea Officer", dessen Verfasser der Admiral Jeffrey Baron de Raigersfeld ist. Ein Exemplar seines Lebensberichtes in der Admirality Library, London, hat uns die älteste, praktisch unbekannte Variante der Holländersage bewahrt. Raigersfeld schildert, was er 1787 als 16-jähriger im Indischen Ozean erlebt hat: (1787H) We had now been at sea for some time, and were some hundreds of miles from the nearest land, still scudding before the gale, the ship's com­ pany’s hammocks had been piped down, and I was hanging up mine abreast the main hatchway; on hearing a noise and bustle upon deck, I ran up without my hat, and found that a strange sail was seen broad upon our starboard bow, pretty close to us, carrying a heavy press of sail, and steering the same course

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as ourselves. The eagerness of all on board to see a living object was such, that all hands rushed upon deck and lined the starboard side and gangway as fast as possible, to get a good place to view her from; our ship’s course was altered a little on purpose to speak the strange sail, and we were fast overhauling her, every one intent upon making her out, but when within two cables length of her, she broached to, and a sea struck her broad upon her beam; her sheets flew, her sails fluttered, and instantly split into ribbons; yells of distress and despair were heard by all the crew of the Vestal frigate; notwithstanding the force of the wind, and our distance of near a cable’s length from the distressed ship, her men were distinctly seen endeavouring to cut away the shrouds, that the masts might go by the board, but the next sea made a clean breach over her, and we saw her hull no more, as we flew like lightning by the eddy she caused in the water when sinking, which, as we passed, her top mast heads shewed above water, but the white spray of the sea which hung in the hollow, between the waves, was so dense, that nothing but the tops of the waves were visible as we passed, there was therefore no possibility to render the least assi­ stance, and we resumed our course. During these few moments, not a word was spoken, all was hushed, except the hissing noise from the boiling wake of our ship as she flew along; indeed, a feeling of horror seemed to have seized on all our ship’s company from a consciousness of our inability to render the smallest assi­ stance, but, after a few moments pause, a kind of half stifled sound from the forecastle confusedly murmured, “the Flying Dutchman!" “the Flying Dutchman!“ dying away as it came to the people aft: on this I felt my hair erect from my head, and although I put my hand to press it down, so great was my sensation of surprise, that it scarcely yielded to the pressure.

It was some time before my usual spirits returned, nor was the ship’s com­ pany less affected at this appalling sight, for instead of dancing as was their general custom every evening, until the watch was set, they kept huddling toge­ ther in sixes and sevens, and walking backwards and forwards upon deck, wrapt in thoughtfulness, and then by degrees retiring, by twos and threes to their hammocks. The impression that was made upon the officers and ship’s company after seeing the Flying Dutchman may more easily be conceived than described, therefore I shall merely state, what I used to hear after this upon the subject amongst the old seamen in their common chat to amuse each other, while upon deck in their night watch, and relating past events: viz., When the Dutch were advanced in trade with the East Indies, it was known that certain mer­ chandise was very scarce in those parts, and a rich Dutch merchant freighted a ship at considerable expense with those commodities that were wanting in the East, and thought no other merchant would attempt the same thing, it not being generally known; but in this he was mistaken, for another merchant, equally alive, and actuated by the same spirit of trade, had in another port of Holland freighted a ship likewise for the East Indies with similar merchandise, having heard a report of this scarcity. These two ships sailed from Holland, and arriving within a day or two of each other at the Cape of Good Hope, were equally surprised to find them­ selves bound for the same market with similar goods. The skippers, therefore, for the benefit of their owners, agreed to sail together, and in case of accident upon the passage, mutually to assist eadi other, and upon their arrival in the East Indies not to undersell one another in the market. They left the Cape of Good Hope, but before they got to the eastward of the island of Madagascar, a strong 24

gale of wind came on from the west, and after running their course together for some time, on a dark night, a little after the first watdi had been set, one of the ship’s sprung a leak, whidi from the rolling of the ship increased so much, that all the exertions of the crew at the pumps could not keep her free. The dis­ tressed ship made signals of distress to her companion, by firing minute guns, and though their distance from each other was not more than one mile and a half, so that the flashes of the powder and report of the guns must have been heard, yet the other ship paid no attention to them, but holding counsel amongst themselves the skipper and crew agreed to leave their consort to her fate, calcu­ lating that should they get first to the market they would get a higher price for their merchandise. They did leave her to her fate, and made a good voyage, but the other ship was never heard of afterwards. To commemorate this act of injustice, this act of inhumanity, which had its rise solely from the spirit of trade, it seems to have pleased Providence that the apparition of this ship in distress is still to hover and haunt those seas as a me­ morable beacon to remind others who navigate them of such cold-blooded cruelty. This phenomenon assumes various guises; I have been told sometimes as here re­ lated, at others as a ship always in company with you for days together, or as a large ship bearing right down upon you, so that you think that you will be run down, and then in an instant disappearing, leaving, I should suppose, similar lasting impressions upon the minds of all who have seen it, as it has upon mine. I have frequently met persons in company that had seen this apparition, who related to me the appearance this spectre ship put on to them, but fearing ridi­ cule withheld themselves from touching upon it. ... On our return to the Cape of Good Hope, we often related the circumstance to the people at whose house we were lodged. I was then at sick quarters, and we were invariably answered by them, “you have seen the Flying Dutchm a n,“ and that there were few ships navigating those seas, who had not seen this phantom ship, some under one guise, and some under another. Raigersfeld war so beeindruckt von der Erscheinung, daß er sogar ein Ge­ dicht über den fliegenden Holländer geschrieben und seinen Erinnerungen bei­ gefügt hat. Kapitän Owens, dessen Buch „Narrative of Voyages to explore the Shores of Africa" 1833 in London herauskam, teilt hier ebenfalls ein eigenartiges Er­ lebnis mit. (1821H2) Am Abend des 6. April 1821 habe man auf der Höhe von Port Tanger die „Barracouta“ in ungefähr zwei Seemeilen Entfernung deutlich erblickt, bis sie in der Nacht verschwand, aber später erfahren müssen, daß dieses Schiff zu jener Zeit wenigstens 300 Meilen entfernt und auch kein anderes ähnliches Schiff am Kap gesehen worden war. Owen bemerkt: „Ich erwähne diesen Vorfall nicht als Bestätigung der Sage vom „fliegenden Hollän­ der", welche er uns ins Gedächtnis zurückrief, sondern als eine unerklärliche, wahrscheinlich durch ganz natürliche Ursachen veranlaßte Erscheinung, deren Erklärung der Zufall herbeiführen wird.“ Ein dritter seemännischer Bericht von 1835 lautet: (1835H) We had been in dirty weather as the sailors say, for several days, and to beguile the afternoon, I commenced after-dinner narratives to the French 25

officers and passengers (who were strangers to the eastern seas) current about the Flying Dutdiman. The wind which had been freshening now blew a stiff gale, and we proceeded on deck to sec the crew make our bark all snug for the night. The clouds, dark and heavy, coursed with rapidity across the bright moon, whose lustre is so peculiar in the southern hemisphere, and we could see a distance of from eight to ten miles on the horizon. Suddenly the second officer, a fine Marseilles sailor, who had been among the foremost in the cabin in laughing at and ridiculing the story of the Flying Dutdiman ascended the weather rigging, exclaiming, “Voilà le volant Hollandais!" The captain sent for his night glass and soon observed, “It is very strange, but there is a ship bearing down on us with all sail set, while we dare scarcely show a pocket-handkerchief to the breeze.“ In a few minutes the stranger was visible to all on deck, her rig plainly discernible, and people on her poop; she seemed to near us with the rapidity of lightning, and appearantly wished to pass us under quarter for the purpose of speaking. The captain, a resolute Bordeaux mariner, said it was quite incompre­ hensible and sent for the trumpet to hail an answer, when in an instant, and while we were all on the qui vive, the stranger totally disappeared, and was seen no more. Von der Weltfahrt der amerikanischen Fregatte „Macedonian“ 1839 erfah­ ren wir ein Erlebnis bei der Insel Diego Ramirez, nahe Kap Hoorn.

(1839H1) In a short time a vessel was seen from the deck. She looked like a very large ship, broadside on, with her foretop-gallant-mast gone. The captain send below for his speaking-trumpet to hail her, but by the time it arrived the stranger had vanished from sight. This is an illusion very common in these lati­ tudes. It is called by sailors the “Flying Dutchman“. Den Zeugnissen angelsächsischer Seeleute, die uns einen direkten Einblick in den lebendigen Umgrund unseres Kulturgutes gewähren, wollen wir noch eine französische Schilderung hinzufügen. Auguste Jal, der später das umfangreiche „Glossaire Nautique“ herausgab, veröffentlichte 1832 sein dreibändiges Werk „Scènes de la Vie Maritime". Dort läßt er in dem Abschnitt ,Le Conteur* den maître Pipi auftreten, keine erfundene Gestalt, sondern das Portrait eines Quar­ tiermeisters auf der „Tourville", wo Jal das seemännische Handwerk erlernt hatte. Diesem alten Fahrensmann legt der Verfasser wieder die einst von ihm gehörten Geschichten in den Mund, „die so farbig, so naiv, so vergnüglich ernsthaft waren, und die er mit soviel gutem Glauben für wahr hielt9.“

(1832H) Y avait autrefois, et y a bien long-temps de ça, un capitaine de navire qui ne croyait à saints, à Dieu ni autres. C’était un-n-Hollandais, qu’on dit, je ne sais pas de quelle ville; mais ça n’fait rien à la chose. Il partit un jour pour aller dans le Sud. Tout allit bien jusqu’à la hàuteur du cap Bonne-Espérance; mais là, y reçut un coup de vent; quel vent que je vous dirai? de ce vent qui arrache les vieux arbres et les maisons quand il s*y met. Le navire était en grand danger; tout le monde disait au capitaine: «Capitaine, faut relâcher; nous sommes perdus si vous vous obstinez à rester à la mer; nous mourirons infailliblement, et y 6 Jal 1832; Bd. II, S. 106 f. 26

n’y a pas à bord d’aumônier pour nous absoudre.« Le capitaine riait de ces peurs de l’équipage et des passagers; y chantait, le scélérat, des chansons horribles, à faire tomber cent fois le tonnerre sur sa mâture. Il fumait tranquillement sa pipe et buvait de la bière comme s’il aurait été assis à une table d’un cabaret d’An­ vers. Ses gens le tourmentaient pour relâdier, et tant plus qu’y le priaient, tant plus qu’y s’obstinait à rester toutes voiles dehors. Car il n’avait pas seulement mis à la cape, ce qui faisait trembler tout le monde. Il eut des mâts de cassés, des voiles d’ emportées, et à chaque accident, il riait comme vous feriez vous autres si on vous apprenait une bonne nouvelle: par exemple, que vous avez votre congé; car vous n’aimez pas encore la mer vous ne l’avez pas vue assez longtemps pour la trouver bien mieux sans comparaison que la terre. Donc, le capitaine se moquait de la tempête, des avis des matelots, des pleurs des passagères. On voulut le forcer à laisser arriver dans une baie qui offrait un abri, mais il jetit à la mer celui-là qu’était venu à lui pour la menacer. Alors un nuage s’ouvra et une grande figure descenda sur le gaillard d’arrière du bâtiment. On dit que cette figure, c’était le Père Eternel. Tout le monde eut peur; le capi­ taine continua à fumer sa pipe; il ne leva pas même son bonnet quand la figure lui adressit la parole. — Capitaine, qu’elle lui dit, dit-y, t’es-t-un entêté. — Et vous un malhonnête, que le capitaine lui réponda; f... moi la paix; je ne vous demande rien; allez-vous en vite d’ici, ou je vous brûle la cervelle. Le grand vieux ne répliquit rien, il haussit les épaules. Alors le capitaine sautit sur un de ses pistilets, l’armit et ajustit la figure des nuages. Le coup, au lieu de blesser l’homme à la barbe blanche, percit la main du capitaine; ça l’embêta un peu, vous pouvez le croire. Il se leva pour aller porter un coup de poing dans la figur au vieillard; mais son bras retombit frappé d’une paralysie. Oh, ma foi alors, il se metta dans une colère, jurant, sacrant comme un impie et appelant le bon Dieu je ne sais pas comment! La grande figure lui dit pour lors: — T’es-t-un maudit, le ciel te condamne à naviguer toujours, sans jamais pouvoir relâcher, ni mouiller, ni te mettre à l’abri dans une rade ou un port quelconque. Tu n’auras plus ni bière ni tabac; tu boi­ ras du fiel à tous tes repas, tu mâcheras du fer rouge pour tout chique; ton mousse aura des cornes au front, le museau d’un tigre et la peau plus rude que celle d’un chien de mer. Le capitaine poussit un soupir; l’autre continua: — Tu seras-t-éternellement de quart, et tu ne pourras pas t’endormir quand tu auras sommeil, parce qu’assitôt que tu voudras fermer l’œil, une longue épée t’entrera dedans le corps. Et puisque tu aimes a tourmenter les marins, tu les tourmenteras. Le capitaine sourit. — Car tu seras le diable de la mer; tu couriras sans cesse par toutes les lati­ tudes; tu n’auras jamais de repos ni de beau temps; t’auras pour brise la tem­ pête; la vue de ton navire qui voltigera jusqu’à la fin des siècles, au milieu des orages de 1* Océan, portera malheur à ceux ou celles qui 1’ apercevront. — Amen, donc! que cria le capitaine, en riant à gorge déployée. — Et quand le monde finira, Satan te donnera pour retraite une chaudière de damné. — Je m’en f... fut toute la réponse du capitaine.

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Le Père Eternel disparut, et l’Hollandais se trouvit seul à bord avec son mousse qui était déjà masqué comme que lui avait dit le vieillard. Tout l’équi­ page s’en allait dans le nuage avec la grande figure, le capitaine le vit et il se mit à blasphémer. Oui, blasphème, ça te servira à grand’chose! Depuis ce jour-là l’V o 11 i g e u r navigue au milieu des gros temps, et tout son plaisir est de faire du mal aux pauvres marins. C’est lui qui leu-z-envoye les grains blancs; qui jette leu vaisseaux sur des bancs qui n’existent pas, puisqu’ils ne sont pas marqués dans le Neptune; qui leu donne les fausses routes et leu fait faire naufrage. Je ne l’ai jamais aperçu qu’une fois, sur les côtes du Mexique, et je sais que j’ai eu une fameuse peur. J’étais tout jeune, je fis une neuvaine à NotreDame-de-Recouvrance, que j’ai scrupuleusement accomplie, tellement que notre brig est pendu à la voûte de l’église; sans ça, je suis sûr que nous étions corps et bien, sans sauver not’e malle. Il y en a qui disent comme ça que l’V oltigeurHollandaisa quelquefois l’audace de venir visiter les bâtiments qui passent; alors il y a révolution à la cambuse; le vin aigrit et tout devient fayots. Souvent il envoie des lettres à bord des navires qu’il rencontre, et si le capitaine lit la chose, il est perdu; il devient fou, son bâtiment danse en l’air et il finit par sombrer dans-n-un tangage sans pareil. Si je savais comment qu’il est peint l’V o 11 i g e u r, je vous le dirais pour que vous en défiissiez; mais on ne le sait pas. Il se peint comme il veut, et il change dix fois par jour, le vilain forban, pour ne pas être reconnu! Qu’est-ce que ça fait au capitaine? Sa peinture ne coûte rien au magasin général du diable! Le jour que je l’ai vu il était tout noir du haut en bas; Michaud, le maître de la P h i g é n i e, en 72, m’a dit, dit-y, qu’il était rouge et jaune quand il le rencontrit dans les mers de l’Inde. Des fois qu’il y a, il a l’air d’un lourd chameau hollandais qu’a peine à haler dans le vent son gros derrière; d’autres fois il se fait corvette, et il fend la mer comme un corsaire léger. J’en sais d’autres qu’il a voulu attirer, le gredin qu’il est, en tirant du canon d’alarme; mais il n’a pas pu les genoper, parce qu’ils s’en sont méfiés. Enfin, il est capable de tous les tours, et ce qu’on a de mieux à faire quand il arrive au milieu de l’orage, c’est de laisser courir, et, si on peut ajouter quelque chose à la voilure, de le faire bien vite pour éviter sa rencontre. Son équipage est aussi damné que lui, c’est un tas de mauvais sujets. Tout ce qu’il yaeu de faillis matelots, de coquins morts sous la garcette pour vol à bord des navires, de lâches qui se sont caché dans les combats est sur son bâtiment; et ça fait une jolie société! C’est le Père Eternel qui lui a donné c’te racaille, après les difficultés qu’il ont eues ensemble. Il se recrute avec ce qui meurt dans ce genre-là sur tous les vaisseaux du monde.

Ainsi, veillez au grain-z-enfans! Si vous ne vous comportez pas bien dans le service, vous aurez pour retraite le navire du Voltigeur Hollandais! Et il y a de l’ouvrage à bord de lui (A son bord; locution très familière aux matelots.), croyez-moi. On est toujours à virer de bord, parce qu’il faut être partout au même moment. Vous trouvez le quart long sur l’U r a n i e; et cependant vous avez maître Pipi pour vous compter des histoires! La point d’historiés, point de maître Pipi; la faim, la soif, la fatigue, l’envie de dormir, tout le tremblement, quoi! Avec ça, que si on se plaint, si on ne marche pas droit, les officiers mariniers ont des fouets dont les mèches sont finies en lames de rasoir, qui vous avez maître Pipi pour vous compter des histoires! La point d’histoires, une demionce de beurre. Dire ensuite que ce métier-là les matelots du Voltigeur ne le feront pas longtemps, non! tout le temps de l’éternité seulement! C’est-à-dire,

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vingt-cinq millions de millions d’années de plus que ma grand’mère n’avait de poil de barbe au menton ... Allez-vous y frotter!

Übersicht: Angelsächsische und französische Quellen bis 1840 1798 1804

1812 1821

1823 1823 1826 1828

1829 1830

1832

1833 1835 1837 1839

Colridge verwendet im „Rime of the Ancient Mariner“ ein Skelettschiff-Motiv. Moore erwähnt in der Fußnote eines Totenschiff-Gedichtes den fliegenden Hol­ länder. Scott gibt zu einem Seegedicht ebenfalls eine Anmerkung über den fliegenden Holländer und referiert eine Sagenvariante. Blackwood’s Edinburgh Magazine veröffentlicht eine Erzählung über Vander decken. Irving erwähnt in der Novelle „The Storm-ship“ den fliegenden Holländer und kleine Kobolde. Cooper benutzt den Holländer-Glauben ironisch in einem Roman. Fitzballs Drama über Vanderdedcen wird in London aufgeführt. Cooper läßt in einem Roman eingehend über den fliegenden Holländer disku­ tieren. Jerrolds Holländer-Drama. Admiral Raigersfeld veröffentlicht seine Memoiren als Privatdruck; er berich­ tet von einer Begegnung mit dem fliegenden Holländer 1787, erzählt die Sage und fügt ein Gedicht über sein Erlebnis hinzu. In Frankreich erscheinen Jais „Scènes de la Vie Maritime“ mit einer umfang­ reichen Holländersage, wie sie der Autor in seiner Jugend gehört hat. Kapitän Owens erwähnt in einem Reisebericht den fliegenden Holländer. Englischer Bericht über eine Holländer-Begegnung. Marryats Roman „The Phantom Ship" beginnt zu erscheinen. Dreibändiger Roman von Neale: The Flying Dutchman.

Deutschland in den 1830er Jahren. Marryat und Wagner

In Deutschland ist zu jener Zeit das Geisterschiff ein gängiges Erzählmotiv geworden, das ganz aus seiner volkstümlichen Überlieferungswelt herausgelöst und als Versatzstück auch außerhalb eines primär seemännischen Stoffes ver­ wendet werden kann. Wenn in der Geisterschiff-Ballade des Freiherrn von Zedlitz1 (1832) sich der auf einer Insel begrabene Leichnam eines Königs in einer bestimmten Mai-Nacht regt, auf einem geisterhaft gesteuerten Schiff in sein ehemaliges Reich gelangt, um schmerzvoll den Untergang seines Geschlechtes zu erkennen — dann ist hier das Geisterschiff nicht mehr als ein stimmungsvolles Requisit; die Geschichte könnte sich auch irgendwo auf dem Lande — mit einer Geisterkutsche, z. B. — abspielen. Auch in Annette von Droste-Hülshoffs 7 ]. Chr. Freiherr von Zedlitz: Gedichte. Stuttgart 1859, S. 109—112. 29

Ballade „Der Strandwächter am deutschen Meere und sein Neffe vom Lande8“ (1837) erzeugt das Geisterschiff vor allem eine schaurig-gespenstische Stimmung. Doch neben solchen Werken, in denen das Geisterschiff nicht in erster Linie die See oder reales seebezogenes Leben charakterisieren soll, sondern aus ande­ ren Gründen verwendet wird, finden wir gerade in Deutschland auch das Be­ mühen, den Seemann durch und mit seinem Überlieferungsstoff zu erkennen und zu beschreiben. Nachdem Heinrich Smidt 1828 seinen Reiseskizzen nahen „Seegemälden“ zwei novellistisch gestaltete Sagen beigemischt hatte — den „ewigen Segler“ und den „Klabautermann“ —, veröffentlichte er 1835 „See­ manns-Sagen und Schiffer-Märchen“ in zwei Bänden. Sie enthalten neben sechzehn anderen die schon bekannte Klabautermann- und eine TotenschiffErzählung. 1849, in der zweiten, vollständigen Ausgabe dieses Werkes, begeg­ nen wir dem Klabautermann zum dritten Mal. Der Reigen von zweiund­ zwanzig seemännischen Sagen und Märchen wird hier mit dem „fliegenden Holländer“ eröffnet (1849H), der mit dem „ewigen Segler" so gut wie nichts mehr gemeinsam hat. Während Smidt 1830 in seinem „Tagebuch“ noch von der Schnelligkeit des ewigen Seglers spricht (1830H2), taucht im Vorwort seiner „Sagen“ 1835 erstmals die Bezeichnung fliegender Holländer auf. Wir müssen vermuten, daß Smidt — der seit 1823 nicht mehr zur See gefahren ist — seine ursprüngliche Variante dieses Sagenstoffes zugunsten einer inzwischen schon in manchen Punkten typisierten Überlieferung vom ewig segelnden Geisterschiff aufgegeben hat.

1834 kommen Heinrich Heines „Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ mit einer ausführlichen Holländer-Episode heraus. 1834 erscheint auch im 4. Band von A. von Sternbergs „Novellen": „Der fliehende Holländer“, eine ausdrücklich als Schiffersage gekennzeichnete Erzählung: (1834H) Bevor der niederländische Kapitän Holofernes, dessen Glück man den Künsten des Teufels zuschreibt, auf die letzte Reise geht und im Sturm fluchend einen heiligen Kelch ins Meer schleudert, erzählen sich seine Matrosen Geschichten vom Toten­ schiff, jenem Schiff, das auch ihnen später begegnet und nach den Freveltaten des Kapitäns die Ursache ihres Untergangs wird. „Hat einer von euch,“ sagte Martin, „wohl etwas gehört vom fliehenden Hol­ länder?“ — „Freilich,“ entgegneten zwei alte Schiffer und bekreuzten ihre Brust; „das ist ja das alte Gespenst, welches tausend Jahre schon herumfährt auf allen Meeren; wir nennen ihn auch den magern Kapitän, weil an dem ganzen Kerl nicht viel mehr seyn soll, als nackter Schädel und ein paar dünne Arme und Beine. Wer aber hat ihn gesehen?“ „Ich,“ rief Martin, „ich habe den fliehenden Holländer erschaut, liebe Kame­ raden; doch nicht sowohl ihn als sein Schiff. Es ist keine Fabel, kein Mährchen, und ich würde von jener gräßlichen Nacht, die mein Haar plötzlich grau färbte, gar nicht zu sprechen wagen, wären wir nicht auf festem Boden und sonder aller Gefahr. So erfahrt denn, daß ich vor ungefähr zwanzig Jahren eine Fahrt machte von den schetländischen Inseln aus unter einem Kapitän, der ein Irländer und

8 Zit. bei Kaiff, S. 62. 30

der gottloseste Mensch war, den ich jemals kennen gelernt; er glaubte weder an Gott noch an die Heiligen, und hatte schon Schandthaten ausgeübt, vor denen eine christliche Seele im Innersten schaudert.

In einer Nacht, wo cs toller als jemals auf dem Schiffe herging — die See lag im trüben Nebel schwarz und dunkel da — waren wir alle auf dem Verdeck ver­ sammelt, und so wie jetzt, sprach einer von uns vom fliehenden Holländer. Der Kapitän hörte aufmerksam zu, dann erhob er sich und in seinem trunkenen Muthe, wie er war, rief er in die See hinaus, das Gespenst solle erscheinen, er fordere es zum Kampfe heraus. Die Gesellen lachten, mir aber war nicht erbaulich zu Muth. Wie das Geschrei und Rufen eben am ärgsten war, da — ach, lieben Freun­ de, mir schaudert noch — da wurde es auf einmal todtenstill um uns her, alle sahen sich betroffen an, keiner wußte, was es bedeute; endlich blieb allen der Blick wie erstarrt rückwärts gerichtet: da zog durch die Flut, leise, ohne das mindeste Geräusch, ein großes, ein ungeheures Schiff auf uns zu, das — ein fürchterlicher Anblick — von unten bis oben zur Spitze des großen Mastes ganz weiß durch die Nacht schimmerte. Kein Laut regte sich, indeß das Todtenschiff immer näher kam. Endlich fiel die ganze Mannschaft auf die Knie und rief mit ungeheurem Geschrei die Hülfe Gottes und der Heiligen an. Was geschah? ein fürchterlicher Stoß erschütterte unser Schiff, wir stürzten nieder, und als wir wie­ der aufblickten, war das Gespenst verschwunden, der Kapitän aber mit, und nie haben wir wieder etwas von ihm erfahren.“ .. . „Man sagt," nahm ein anderer Zuhörer das Wort, „daß der magere Kapi­ tän manchmal Böte aussetze, in denen sich Leute befinden von ganz sonderbarem Ansehen und wunderlicher Tracht, und diese sollen dann allerlei Briefe abgeben wollen, an Personen gerichtet, die vor undenklichen Jahren schon gestorben sind.“ — „Das kann seyn,“ rief Martin; „ich erzähle nur, was ich mit eigenen Augen gesehen.“

Eine Stille trat ein, dann sagte ein junger Matrose: „Mein Großvater hat mir auch von dem Gespenst erzählt, der aber meinte, es sey dahinter Niemand anders verborgen, als der, vor dem Gott unsere Seelen bewahre; auf dem Zauberschiffe seyen jedoch alle Unglücklichen versammelt, die sich ihm ergeben haben und die er nun viele Jahrhunderte lang mit sich herumführe, um sie dann, wenn ihre Zahl voll sey, allesamt in die ewige Verdammnis zu stoßen. Der alte Mann sagte noch ferner, daß der Böse nur den Schiffen erscheine, deren Kapitän oder Steuer­ mann mit ihm einen Pakt geschlossen; dann segle oft mehrere Nächte lang dastodte Schiff dem andern nach; gleichwohl könne der Kapitän sich und die Mannschaft aus den Klauen des Feindes retten, wenn er nur streng darauf halte, daß, wäh­ rend das Gespenst hinterher ist, kein Fluch, auch nicht der leiseste, ausgestoßen werde auf dem ganzen Schiffe; so wie aber dergleichen geschieht, sind Schiff und Mann verloren und in der Gewalt des Bösen auf immerdar.“ — „Sehr wunder­ bar!" rief Martin, „dieser Umstand ist mir doch noch nicht bekannt gewesen, al­ lein es mag damit wohl seine Richtigkeit haben.“ Der alte Schiffer nahm wieder das Wort und sagte: „Andere erzählen, der fliehende Holländer sey bei seinen Lebzeiten ein Schiffshauptmann gewesen und habe vor langen Jahren sein Wesen getrieben auf dem Meere. Unter allen Gräuelthaten, die er begangen, ist aber eine so unerhörte Frevelthat, daß er zur Abbüßung derselben nun bis an den jüngsten Tag in die Irre fahren muß.“ — „Und was ist dies für eine That?“ fragten Martin und noch einige Andere. „Er soll,“ entgegnete der Erzähler, „zur

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Zeit eines ungeheuren Sturmes und da ihn kein Mittel mehr vom Tode hatte retten wollen, die heilige Hostie genommen und in*s Meer geschleudert haben."

Drei Jahre später hat Sternberg — wie vor ihm Smidt — novellistische „Schiffer-Sagen“ veröffentlicht. Er schreibt zu Beginn seines zweibändigen Werkes, daß er die Geschichten an Bord gehört habe, als er von einer nordi­ schen Hauptstadt nach Deutschland gesegelt war®. Der „fliehende Holländer“ ist hier nicht aufgenommen; er zeigt (wie wir noch sehen werden) deutliche Züge skandinavischer Überlieferung. Dafür finden wir als erste Erzählung im zweiten Band die Novelle „Klabauterman“. (1837K) Ein alter Schiffer aus Rügen vermacht seinen beiden ältesten Söhnen reiche Schätze, dem jüngsten ein kleines Schiff. „Mein Sohn, Du thust Unrecht, das alte Schifflein gering zu achten. . . . Vernimm nämlich, daß seit uralten Zeiten ein Geist in unserer Familie einheimisch ist, der Klabauterman heißt, und der immerdar von Vater auf Sohn vererbt ist, und den ich hiermit auch Dir vererbe. Sein Aufenthaltsort ist jenes Schifflein. In einer verborgenen Kammer, tief im Raume steht eine kleine Kiste von Blei, an die ist er gebannt; hüte Dich wohl, dieses Heiligtum zu verletzen und laß es auch keinen Menschen sehen. Das Schifflein selbst tausche mit keinem großem und bessern, es sey denn, daß der Geist selbst Dir anzeigt, daß er nunmehr eine andere Wohnung beziehen will. Nimm Dich in Acht, etwas Böses zu thun, und vor allen Dingen geschehe nicht die kleinste Ungerechtigkeit auf dem Boden, wo Klabau­ terman herrscht; bleibe überhaupt treu, redlich und strebe nicht nach zu großen Schätzen, dann wird Dir das Schifflein, so elend es aussieht, hundertfachen Segen bringen, und Klabauterman wird Dein bester Freund bleiben.“ Der junge Schiffer Ruthwer gewinnt Glück und Reichtum, und als der Kla­ bautermann es anzeigt, zieht er auf ein neues Schiff. Vom alten, aber, gleiten Beil und Säge ab; erst als Ruthwer auch eine Bleikiste, fast in Gestalt eines Kindersarges, auf das neue Schiff bringt, fallen die Planken wie von selbst zusammen. — Das Glück hat bald ein Ende: Der goldgierige Schiffer wird Seeräuber und schlägt alle Warnungen des Klabautermann in den Wind. So kommt es schließlich, nachdem der gute Geist das Schiff verlassen hat, zu Meu­ terei und Schiffbruch: alle ertrinken. „Der Klabotermann“ heißt der Titel einer Seemannssage, die J. P. Lyser in seinem 15bändigen Sammelwerk „Abendländisches Tausend und eine Nacht“ (1838—40) erzählt. (1838K) Der hilfreiche und arbeitsame, manchmal aber auch schelmische Geist nimmt den Schiffsjungen unter seinen Schutz; denn ein gottloser Kapitän kauft das Schiff. In einem grauenvollen Sturm befiehlt die­ ser, als Zeichen der Not, die Kanonen zu lösen.

. .. und neue Hoffnung belebte die Mannschaft, als von fernher ein Schiff antwortete. Die Nothschüsse wurden fortgesetzt und erwidert. Endlich kam das andere Schiff mit großer Schnelligkeit herangesegelt — aber, o Graus! auf dem 9 Sternberg 1837; Bd. I, S. 11 f.

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Deck, in den Masten wimmelte es von Todtengerippen, welche geschäftig hin und her rannten, und dabei einen schauerlichen Todtenchoral heulten, und auf dem Bogspriet ganz vorn saß ein kleines, altes Männlein in Matrosentracht, aber ganz weiß und auf dem Kopfe eine weiße, spitz emporstehende Mütze tragend, und eine kurze Pfeife im Munde, woraus es fortwährend Funken sprühen ließ. „Wehe! der Carmilhan!"10 heulten die Matrosen des Schiffes in Noth. In dem­ selben Augenblick erschien auf diesem ein Männlein, ganz dem auf dem Geister­ schiff gleich. — „Wehe, der Klabotermann!“ schrien die Matrosen verzweifelnd, da tönte es vom Geisterschiffe her — „Carmilhan! Klabotermann!“ — Das Geisterschiff stieß an den Kauffahrer. — In diesem Augenblick stürzte sich der Klabotermann dessel­ ben von der Bogspriet herab in’s Meer — der Kauffahrer borst von einander und versank mit Mann und Maus, das Geisterschiff aber sauste über die Wogen dahin, welche nach und nach sich beruhigten. Der Schiffsjunge wird, im Boot schlafend, vom Klabotermann nach Helgo­ land bugsiert und so gerettet. Seemannssagen in novellistischer Einkleidung — das ist die Charakteristik unseres Kulturgutes in Deutschland in den 1830er Jahren. Smidt kennt die Sagengestalten aus seiner eigenen Fahrenszeit, Sternberg will während einer Schiffsreise, Lyser auf Helgoland von ihnen gehört haben. Beim fliegenden Holländer allerdings, den Lyser in „Einhundert und eine Nacht“ (1840H2) darstellt und dort auch Smidts „Ewigen Segler“ vollständig nachdruckt, merkt er an: mündlich und nach Marryat11. Frederick Marryats Einfluß auf die Überlieferung vom fliegenden Holländer kann kaum überschätzt werden12. Als sein „Phantom Ship“ 1837 in London zu erscheinen beginnt, ist es in kürzester Zeit weithin bekannt, oft übersetzt und mehrfach ausgebeutet. Marryats Geisterschiff-Roman rückt so stark in den Brennpunkt der volkstümlichen Holländer-Überlieferung, wie es Jahrzehnte später Richard Wagners romantische Oper nur in einer gehobenen Bildungs­ schicht erreichen kann. Beide Dichtungen, aber, haben letztlich einen gemein­ samen Keim.

Wir wissen nicht, wo und wann Kapitän Marryat zuerst vom fliegenden Holländer gehört, hat, auch nicht, was ihm den entscheidenden Anstoß gab, sei­ nen Roman niederzuschreiben. Daß jedenfalls die Vanderdecken-Erzählung in Blackwood’s Edinburgh Magazine von 1821 daran nicht ganz unbeteiligt war, dürfen wir als sicher annehmen, wenn wir einige Namen und vor allem 10 Vgl. den Geisterschiffnamen „Car-mil-han“ in W. Hauffs Märchenerzählung „Die Höhle von Steenfoll“, die sich innerhalb der Rahmenerzählung „Das Wirts­ haus im Spessart“ (1826) findet. Zu Hauffs Quelle s. Arnaudoff 1915, S. 33—36. 11 Lyser 1840; Bd. IV, S. 208. — Engen hat diese Notiz offenbar übersehen und die Erzählung für mehr oder weniger identisch mit der Holländer-Fassung in Blackwood's Edinburgh Magazine (1821H1) angesehen, so daß er zu Fehlschlüssen kom­ men mußte. 12 Vgl. Tielo 1902, S. 378 Anmerk. Dort wird u. a. aus einer Rezension im „Ausland“ von 1839 zitiert: „wohl die beste Dichtung dieses fruchtbaren und vielgelesenen Romanschreibers Englands“.

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Marryats vorletztes Kapitel mit der Magazin-Geschichte vergleichen. In frap­ panter Weise wiederholen sich hier, als der Holländer auf einem Schiff Briefe abgeben läßt, jene Fragen und Antworten, aus denen die lange Irrfahrt der Verdammten deutlich wird”. An dieser Stelle sei nur die engere Sage aus dem Edinburgh Magazine, die innerhalb einer Rahmenhandlung erzählt wird, kurz nachgeholt: (1821H1) She was an Amsterdam vessel, and sailed from that port seventy years ago. Her master’s name was Vanderdedcen ... In doubling the Cape, they were a long day trying to weather the Table Bay. ... However the wind headed them . . . and Vanderdedcen walked the deck, swearing at the wind. Just after sunset, a vessel spoke him, asking him if he did not mean to go into the bay that night, Vanderdedcen replied, “May I be eternally d-d if I do, though I should beat about here til the day of judgement!“ ... It is believed that he continues to beat about in these seas still... This vessel is never seen, but with foul weather along with her... Her captain mans his jolly boat, when a vessel comes in sight, and tries hard to get alongside, to put letters on board... It is neither safe to accept them voluntarily nor when they are left to throw them out of the ship ... the way ... is to cast them upon dedc so that if he sends back for them, they are still there to give him.

1840 wird die Geschichte, vollständig übersetzt, unter dem Titel „Vanderdecken, eller den flyvende Hollaender“ in dem Wochenblatt „Kjabenhavns Natkikkert“ (1840H3) abgedruckt, und das ist nur ein Beispiel dafür, daß diese Holländersage nicht, wie der meiste Unterhaltungsstoff, mit der schnell ver­ gänglichen Zeitschrift-Ausgabe verschwunden ist.

In Marryats „Phantom Ship“, nun, erscheint Vanderdedcen eines Nachts sei­ ner Frau, um ihr das Verhängnis mitzuteilen: (1837H) .. For nine weeks did I try to force my passage against the ele­ ments round the stormy Cape, but without success; and I swore terribly. For nine weeks more did I carry sail against the adverse winds and currents, and yet could gain no ground; and I blasphemed, — ay, terribly blasphemed. Yet still I persevered. The crew, worn out with long fatigue, would have had me return to the Table Bay; but I refused; nay, more, I became a murderer — unintentio­ nally, it is true, but still a murderer. — The pilot opposed me, and persuaded the men to bind me, and in the excess of my fury, when he took me by the collar, I struck at him; he reeled, and, with the sudden lurch of the vessel, he fell overboard, and sank. Even this fearful death did not restrain me; and I swore by the fragment of the Holy Cross, perserved in that relic now hanging round your neck, that I would gain my point in defiance of storms and seas, of

13 Vgl. die Einzelzüge: Weil Almanach über Bord geblasen, kann kein Besteck ge­ nommen werden (Marryat: keine Orientierung); Brief des 2. Steuermanns (2. Maats) an seinen Onkel (seine Frau), der am Yatch Quai (Water Quay) gewohnt hat; dem Brief ein Scheck (Geld) beigelegt; Brief von Kapitän an seine Frau (seinen Sohn); etc. 34

lightning, of heaven, or of hell, even if I should beat about until the Day of Judgement. My oath was registered in thunder, and in streams of sulphurous fire. Die hurricane burst upon the ship, the canvass flew away in ribbons; mountains of seas swept over us, and in the centre of a deep o’erhanging cloud, whidi shrouded all in utter darkness, were written in letters of livid flame, these words — UNTIL THE DAY OF JUDGEMENT..."

Nur wenn er die Reliquie, bei der er den fatalen Eid geschworen, auf seinem Schiff in Demut küßt, kann er erlöst werden. Sein Sohn Philip will sie ihm bringen, geht zur See und begegnet unter vielen Abenteuern mehrfach dem Geisterschiff. (Kap. 9) In the centre of the pale light, whidi extended about fifteen degrees above the horizon, there was a large ship about three miles distant; but, although it was a perfect calm, she was to all appearance buffeting in a violent gale, plunging and lifting over a surface that was smooth as glass ... »

(Kap. 18) . .. yet the vessel ahead was apparently sailing on over the land... "That’s the Flying Dutdiman, by all that’s holy!" cried one of the seamen...

a (Kap. 22) ... the cutwater of the stranger touched their sides; one general cry was raised by the sailors of the Utrecht, they sprang to catdi at the rigging of the other vessel’s bowsprit which was now pointed between their masts — they caught at nothing — nothing — there was no shodc — no concussion of the two vessels — the stranger appeared to cleave through them — her hull passed along in silence — no cracking of timbers — no falling of masts — the foreyard passed through their mainsail, yet the canvass was unrent — the whole vessel appeared to cut through the Utrecht, yet left no trace of injury — not fast, but slowly, as if she were really sawing through her by the heaving and tossing of the sea with her sharp prow ... * (Kap. 41) ... On the beam of the ship, not more than two cable’s length distant, they beheld, slowly rising out of the water, the tapering mast-head and spars of another vessel. She rose, and rose gradually; her topmasts and topsail yards, with the sails set, next made her appearance; higher and higher she rose up from the element. . . Als der fliegende Holländer Briefe überbringen läßt und Philip einen anneh­ men will, entsteht Streit; er wird in einem Boot ausgesetzt, gelangt zum Geistersdiiff: Vanderdecken küßt den Kreuzessplitter voller Reue, und langsam versdiwindet das Schiff mit allem, was sidi darauf befindet.

1838 wird in einem skandinavischen Werk — „Saemandstidsfordriv, eller Underholdningsbog for Saemand i Fritimer“ (1838H) — eine Begegnung mit 35

dem fliegenden Holländer am Kap geschildert. Am nächsten Tag, so heißt es dort, erzählte der Kapitän die Sage. Sie stimmt so genau mit jenem Bericht überein, den Marryats Vanderdedcen seiner Frau von der Freveltat gibt, daß der Verfasser Marryats Roman schon gekannt haben muß14. Bis 1839 erscheinen in Deutschland bereits drei verschiedene Übersetzungen des „Phantom Ship“15. 1840 übernimmt Lyser einige Motive von Marryat in seine Erzählung, nicht jedoch — wie auch das skandinavische Seemannsbuch nicht — das Motiv von der Erlösung durch den Sohn. „Das Geisterschiff“ wird ferner dramatisiert: W. N. Pyper schreibt ein Melodrama „Het spookschip“ (1861); E. Witt eine Ballettpantomime „De Vliegcnde Hollander“, die 1876 in Amsterdam aufgeführt wird16. Oft für Kinder umgeschrieben, bleibt das Buch ein beliebter Jungenlesestoff bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Wie lebendig Marryats Roman weiterlebte, zeigt eine Sagenfassung, die Richard Wossidlo 1924 in Wustrow aufgezeichnet hat.

{1924H1") Is’n Schipper wäst, dee hett ¡immer krüüzen müßt. He ward gnääglich un fangt an to fluchen. Uut Bosheit seggt he: Ik wull, dat ik ewig krüüzen müßt. So hett he sik sülm verwünscht. As he weggahn is mit dat Schipp, hett he mit ’n Fru ’n Soehn tüg’t hatt. As he verwünscht is, kümmt he bi ehr in ehr Slaapstuw*. Se hett de Stuw’ mit den Jung verslaten, bet de Jung ’n Kierl worden is. De hett em erlöst. (He hett ehr dat ok wol seggt, dat dee em erlösen künn.) De Hollanner sägelt, as wenn he alles up un daal sägeln will, he sägelt baben oewer de Schäpen roewer, oewer ramponiert hett he nicks. Wenn de Schäpen em vörbiführen, steiht he an de Reeling, hett ’n Papier in de Hand un will dat afgäben, oewer dat nimmt em keener af. Nu is de Jung so wiet to un geiht up ’n anner Schipp — he will sinen Vadder erlösen. Se drapen em ok. De Jung nimmt ’n lütt Boot un fohrt hen na den Hollander und gifft em ’n Breef von sien Fru. In den Ogenblidt, as de Fleegen Hollanner den Breef läs’t, sinkt de ganze Hollänner weg mit den Soehn, un alles is weg un verswunnen. Kehren wir zurück: Marryats „Phantom Ship“ ist ein Bestseller, als Richard Wagner 1841 in Paris seinen „Fliegenden Holländer“ schreibt. Die Oper hat damals wenig Erfolg. Erst Jahrzehnte später — die Romantik ist längst vorbei — wird sie ein beliebtes Repertoirestück und ist dann bis heute ein fester Be­ standteil des deutschen Bildungstheaters geblieben. Wagner hat die HolländerFabel nach eigenen Worten einer Erzählung Heines entnommen17; Heine fand die Sage, wie wir gesehen haben, in einem deutschen Roman18. Aber wir hätten nicht eine mit romantischem Spürsinn für die Literatur entdeckte, lebendige

14 Vgl. die Motive: Meuterei: der Steuermann befiehlt, den Kapitän zu binden, doch dieser wirft den Steuermann über Bord; Vanderdecken schwört bei einem Splitter des heiligen Kreuzes, den seine Frau in einer Kapsel um den Hals trägt. 15 Das gespenstische Schiff, oder der fliegende Holländer. Übers, von G. N. Bärmann. Braunschweig 1837/39. — Das Geisterschiff. Übers, von G. Lotz. Hamburg 1839. — Der fliegende Holländer. Übers, von E. Richard. Aachen 1837/39. 16 Kaiff, S. 18 Anmerk. 1. 17 Wagner *1907, S. 17 (Autobiographische Skizze). 18 Siehe oben S. 14.

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Volksüberlieferung vor uns, wäre in dieser nüchternen Kette die Stoffgeschichte des fliegenden Holländers von Hudtwalcker bis Wagner erfaßt. Eine Erzählung in Blackwood’s Edinburgh Magazine 1821 — wir erinnern uns — hatte, bevor sie als ein Keim in Marryats Roman ungeahnt weiterwir­ ken konnte, mindestens schon einen Dramatiker inspiriert: Vanderdecken be­ gegnet dem Londoner Publikum als stürmischer Liebhaber in Edward Fitzballs „The flying Dutchman or the fantom ship“19 (1826H3), wo der Verdammte mit Hilfe ihm ergebener Geister sich des Mädchens Lestelle zu bemächtigen sucht, die ihn aber mit Abscheu zuriickweist. Dieses Schauerstück, es enthält wie die Magazin-Geschichte auch das Briefmotiv, geht u. a. am 7. April 1827 im Adelphi-Theater über die Bühne20. Am 14. oder 15. April kommt Heinrich Heine21, dessen Nordseeskizzen schon abgeschlossen sind, für wenige Monate nach London und schreibt am 23. April an Friedrich Merckel22: „. . . Ich habe noch wenig Besuche gemacht — Deine Freunde sah ich noch nicht — und das Theater war bis jetzt meine Hauptressourze“, und bald därauf23: . . Ich bin hier oft im Theater, und dann denk ich immer: Sähe dieses Zimmermann mit seiner kritischen Brille, wie viel Neues und interessant Vergleichendes erführen wir. Ich werde Euch mündlich viel erzählen“. Heine erwähnt keine Dramen­ titel; er kann durchaus Fitzballs Stück in einer Wiederholung gesehen oder we­ nigstens eine Rezension darüber gelesen haben. Im August 1827 kehrt Heine aus England über die Niederlande nach Norderney zurück. Vier Jahre später entstehen 1831 die „Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ und werden 1834 gedruckt. Der Erzähler gelangt hier nach Amster­ dam und meint:

(1831H) Die Fabel vom fliegenden Holländer ist euch gewiß bekannt. Es ist die Geschichte von dem verwünschten Schiffe, das nie in den Hafen gelangen kann, und jetzt schon seit undenklicher Zeit auf dem Meer herumfährt. Begegnet es einem anderen Fahrzeuge, so kommen einige von der unheimlichen Mannschaft in einem Boote herangefahren, und bitten, ein Paket Briefe gefälligst mitzunehmen. Diese Briefe muß man an den Mastbaum festnageln, sonst widerfährt dem Schiffe ein Unglück, besonders wenn keine Bibel an Bord oder kein Hufeisen am Fockmaste befindlich ist. Die Briefe sind immer an Menschen adressiert, die man gar nicht kennt, oder die längst verstorben sind, so daß zuweilen der späte Enkel einen Liebesbrief in Empfang nimmt, der an seine Urgroßmutter gerichtet ist, die schon seit 100 Jahr' im Grabe liegt. Jenes hölzerne Gespenst, jenes grauenhafte Schiff, führt seinen Namen von seinem Kapitän, einem Holländer, der einst bei allen Teufeln geschworen, daß er irgend ein Vorgebirge, dessen Namen mir entfallen, trotz des heftigen Sturms, der eben wehte, umschiffen wollte, und sollte er auch bis zum jüngsten Tage segeln müssen. Der Teufel hat ihn beim Wort gefaßt, er muß bis zum jüngsten Tage auf dem Meere herumirren, es sei denn, daß er durch die Treue eines Weibes erlöst werde. Der Teufel, dumm wie er ist, glaubt nicht 19 Vgl. Kaiff, S. 16 Anm. 1; Woeller 1968, S. 296 Anm. 7. — Weitere Angaben zu dem Stück und zu Fitzball siehe Woeller, S. 296 f. (mit Lit. hinweisen). 20 Loewenthal 1922, S. 157. 21 Heine 1948/51; Bd. IV (Kommentar), S. 151. 22 Heine 1948/51; Bd. I, S. 218 (Nr. 187). 23 Heine 1948/51; Bd. I, S. 223 (Nr. 190). 37

an Weibertreue, und erlaubte daher dem verwünschten Kapitän, alle sieben Jahr einmal an Land zu steigen und zu heiraten, und bei dieser Gelegenheit seine Er­ lösung zu betreiben. Auf diese Fabel gründet sich das Theaterstück, das der Erzähler in Amster­ dam gesehen hat und das er als Rahmen einer Liebesepisode referiert: Nadi sieben Jahren steigt der Holländer wieder an Land. Er bewirbt sich um die Tochter eines schottischen Kaufmanns. Dieses Mädchen hat oft ein verwittertes Gemälde — den Holländer darstellend — betrachtet und weiß, daß sich die Frauen ihrer Familie vor dem Verdammten hüten sollen. Katharina, jedoch, gelobt ihm ewige Treue, stürzt sich — sie einzulösen — von einer hohen Meeresklippe herab, und der Holländer findet Ruhe2425 . 26 Die Abhängigkeit Heines von Fitzball ist bestritten worden, und ganz ge­ wiß wird man die künstlerische Gestalt der Holländerepisode im „Schnabelewopski“ als das alleinige Verdienst Heinrich Heines ansprechen müssen. Aber das schließt äußere Anregungen nicht aus. Die Holländersage in Hudtwalckers Roman hat Heine 1826 in wenige Sätze verdichtet. 1831 wiederholt er sie etwas ausführlicher, fügt ein illustrierendes Motiv aus Irvings „Storm-ship“ hinzu (das Hufeisen am Mast) und einen typisch eigenen humoristischen Zug (den Liebesbrief an die Urgroßmutter). Die Erlösung durch den Sturz der Geliebten vom Felsen könnte möglicherweise auch von einer ähnlichen Szene in Smidts Novelle „Der ewige Segler“ angeregt worden sein.

Es wäre merkwürdig, wenn Heine — der doch erst kurz zuvor in den „Nordseeskizzen“ sein Interesse am Holländerstoff gezeigt hatte — in London von Fitzballs Stück nicht zumindest gehört haben sollte. Erstens referiert er, wohl in einer Reminiszenz daran, den Holländerstoff als Drama2®. Zweitens bemüht sich der Kapitän des englischen Schauerstücks erstmals (wenn auch ver­ geblich) um ein Mädchen2®, und hier finden wir überdies die charakteristische Szene vor dem Portrait des fliegenden Holländers, wo das Mädchen, ehe es ihn persönlich kennt, ein von seiner Mutter erlerntes Lied über den Verdamm­ ten singt27. Kann eine solche Übereinstimmung zufällig sein? 24 Auch Fitzballs Lestelle steht auf einer hohen Klippe. Sie soll sich der See ergeben, wird aber im letzten Augenblick gerettet. (Woeller 1968, S. 297). 25 In Amsterdam hat es keine entsprechende Aufführung gegeben (s. Kaiff, S. 47 Anmerk. 1). Daß aber Schnabelewopski-Heine das Theaterstück auf einer Amster­ damer Bühne sieht, ist nur verständlich: die Erzählfigur weilt eben in Holland und nicht in England. Vielleicht trägt dafür die Liebesepisode biographische Züge aus Amsterdam. Vgl. Heines Brief an Merdcel: „Ich hab in Holland viel Spaß ge­ habt.“ (Heine 1948/51; Bd. I, S. 228 (Nr. 196).) 26 „Thine, earthly or unearthly! never! Terrible being, thar mayst indeed trample on my mortal frame, but the soul of Lestelle is far above thy malice." (Zit. bei Kaiff, S. 16). 27 Im Gegensatz zu Kaiff schreibt allerdings W. Woeller (1968, S. 297), daß zu dem Bild des verruchten Kapitäns keine Erklärung gegeben wird. — Ein weiteres Indiz für die Kenntnis des Fitzball-Stücks findet sich in Heines 10. Brief über die fran­ zösische Bühne (geschrieben im Mai 1837, als ihm Marryats Roman wohl noch nicht bekannt war): der Kapitän des verwünschten Schiffes wird van der Decken genannt (Heine 1910/15; Bd. VIII, S. 126).

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Richard Wagner hatte vermutlich Heines Erzählung schon gelesen, als er 1839, nach Auflösung seines Rigaer Engagements, nach London reiste. „Diese Seefahrt wird mir ewig unvergeßlich bleiben“, schreibt er 1843, „sie dauerte drei und eine halbe Woche und war reich an Unfällen. Dreimal litten wir von heftigem Sturme . . . die Sage vom fliegenden Holländer, wie ich sie aus dem Munde der Matrosen bestätigt erhielt, gewann in mir eine bestimmte, ei­ gentümliche Farbe, die ihr nur die von mir erlebten Seeabenteuer verleihen konnten" (1839H4). Und über seine Pläne schreibt Wagner in derselben auto­ biographischen Skizze ein paar Seiten weiter: „Besonders die von Heine erfun­ dene Erlösung dieses Ahasvérus des Ozeans gab mir alles an die Hand, die­ se Sage zu einem Opernsüjet zu benutzen. Ich verständigte mich darüber mit Heine selbst“28. Den ersten Textentwurf in französischer Sprache überläßt Wagner — durch seine trostlose Lage genötigt — dem Komponisten und Dirigenten der Großen Oper in Paris P. L. Ph. Dietsch. „Le vaisseau fantôme" verschwindet bald in der Versenkung29. Auch Wagners Oper, am 2. Januar 1843 in Dresden urauf­ geführt, hat wenig Erfolg und erobert sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Bühnen Deutschlands. Manchmal laufen sekundäre Wei­ terwirkungen der Oper selbst voraus. Ehe z. B. der „Fliegende Holländer" in Hamburg 1870 zum ersten Mal aufgeführt wird, ist dort bereits 1861 im Stadttheater — und erneut 1864 im Karl-Schultze-Theater — eine plattdeut­ sche Parodie über die Bühne gegangen: ein großes komisches Zauberballett mit Dialog und Gesang in drei Akten: „Das Geisterschiff oder der fliegende Hol­ länder" — der „fleegende Helgoländer" witzelte das Volk (1861H2). Es ist ein verschlungenes Geflecht volkstümlicher Anregungen und literari­ scher Einflüsse im Umgrund einer bestimmten geistigen Aufgeschlossenheit, per­ sönlicher Erlebnisse und Bekanntschaften, das in der ersten Hälfte des 19. Jahr­ hunderts die beiden entscheidenden Konkretisierungen unseres Kulturgutes hervorbringt: Marryats Roman, der sofort ein intensiver Lesestoff des Volkes wird, und Wagners Oper, die dann in der zweiten Jahrhunderthälfte von der Bühne her in eine breite Bildungsschicht ausstrahlt. Daneben bleiben natürlidi auch die verschiedenen Seenovellen als Obermittler seemännischer Sagenstoffe wirksam.

28 R. Wagner: Biographie. In: Zeitung für die elegante Welt 1 (1843), Nr. 5/6, S. 138. — Wagner hat „die von Heine erfundene Erlösung“ später in „einem holländi­ schen Theaterstück gleichen Namens entnommene Erlösung" geändert (Wagner 41907, S. 17). Das beweist aber weder die Existenz eines holländischen Dramas noch widerlegt es — wie Golther 1911, S. 13 meint — die Anregung durch ein Theaterstück überhaupt. 29 W. Zentner: Einleitung. In: R. Wagner: Der fliegende Holländer. Stuttgart 1956, S. 4. 39

Übersicht: 1831

1832 1834

1835

1837 1837 1837

1838

1841

1843

Quellen der 1830er Jahre in Deutschland und ihre Weiterwirkung Heine schreibt die „Memoiren des Herrn von Sdtnabelewopski“ mit der Dar­ stellung der Holländersage und der Beschreibung eines Schauspiels über den fliegenden Holländer. Geisterschiff-Ballade des Freiherrn von Zedlitz. Im gleichen Jahr wie Heines „Schnabelewopski“ erscheint Sternbergs Novelle „Der fliehende Holländer". Smidt veröffentlicht seine zweibändigen „Seemanns-Sagen und Schiffer-Mär­ chen“; Erwähnung des fliegenden Holländers, Neudruck der Novelle „Klabau­ termann“; „Das Totenschiff“. Ballade mit Geisterschiff-Motiv von A. von Droste-Hülshoff. Sternberg erzählt in seinen „Schiffer-Sagen“ die Novelle „Klabautermann“. Marryats Roman beginnt in Teilen zu erscheinen und wird bald mehrfach über­ setzt. Weiterwirkung u. a. 1838 in einem skandinavischen Unterhaltungsbuch für Seeleute, 1840 in einer Erzählung Lysers. In Holland 1861 als Melodrama, 1876 als Ballettpantomime dramatisiert. Viele Jugendausgaben. 1924 Sagen­ aufzeichnung von Wossidlo. Lyser druckt seine Erzählung vom Klabautermann und dem Geisterschiff Carmilhan. Wagners Oper vollendet. Uraufführung 1843. In der zweiten Jahrhunderthälfte viele Aufführungen. 1861 und 1864 in Hamburg eine plattdeutsche Parodie. Rezensionen in den Zeitungen geben oft Anlaß für weitergehende Betrachtun­ gen über die Holländersage. Wagner erwähnt die Holländersage auf seiner Seereise im Jahre 1839.

Sagensammlungen Als in Norddeutschland die großen regionalen Sagensammlungen meist bäu­ erlicher Überlieferung in dichter Folge erscheinen, sind Erzählungen der See­ leute schon seit einigen Jahren zusammenhängend publiziert (Smidt, Stern­ berg), allerdings mehr oder minder im Gewand subjektiver Phantasie. Damit hat man sich begnügt, bis es zu spät war: Eine Sammlung unmittelbarer See­ mannssagen — sieht man von den wertvollen Fragmenten Wossidlos ab — sollte es nie mehr geben! Wir wollen kurz betrachten, welchen Platz die Sagen des Seemanns in den landschaftlichen Sammlungen gefunden haben.

I. D. H. Temme fügt seinen umfangreichen „Volkssagen von Pommern und Rügen“ (1840) einen vierseitigen Anhang „Schiffer-Gebräuche und Meinungen“ hinzu. Hier steht, also ganz am Rande, die für uns bemerkenswerteste Geisterschiff-Variante aller älteren deutschen Sagensammlungen überhaupt: (1840H4) In der Gegend vom Cap der guten Hoffnung treibt sich ein „Nacht­ kreuzer“ in der See herum. Er kreuzt an alle Schiffe heran, und man sieht aus allen seinen Kanonenluken Feuer brennen; er kommt so nahe, daß man seine 40

Segel hören kann; aber im Wasser rauschen hört man ihn nicht. Man muß sich vor ihm in Acht nehmen, daß man nichts von ihm annimmt, auch nicht einmal ei­ nen Brief zur Bestellung; denn dieser Nachtkreuzer soll sich einmal vor schon sehr langer Zeit in großer Noth dem Teufel übergeben haben, wenn er eine glückliche Reise machen werde. Nachher ist ihm das leid geworden, und er hat dem Teufel den Contrakt aufgekündigt. Nun kann er niemals zu Hause kommen.

Zum Klabautermann wird aus dem seemännischen Abschnitt auf den Haupt­ teil des Buches verwiesen. Dort findet sich ein ausführlicher, in seiner Struktur sehr charakteristischer Bericht. (1840K) In Pommern erzählt man sich Folgendes: Sobald ein neues Schiff fertig und von seiner Mannschaft in Besitz genommen ist, zieht in dasselbe auch ein kleiner Geist ein. Die Schiffer nennen ihn den Kalfater oder Klabatermann. Er ist ein guter Geist, sowohl für das Schiff als auch für die Mannschaft. Gesehen haben ihn nur wenige, denn es ist ein Unglück für den, der ihn sieht. Die ihn gesehen haben, sagen, er scy kaum zwei Fuß groß; er soll eine rothe Jacke, weite Schifferhosen und einen runden Hut tragen. Andere aber sagen, daß er ganz nackt sey. Je weniger man ihn sieht, desto öfter kann man ihn im Schiffe hören. Denn für dieses sorgt und mühet er sich ohne Unterlaß. Er hilft im Raum die Ballen nachstauchen, er kalfatert das Schiff da, wo kein Mensch zukommen kann, woher er auch den Namen hat. Wenn der Schiffer in der Kajüte eingeschlafen ist, das Schiff aber von Gefahr bedroht wird, dann fühlt er sich plötzlich vom kleinen Klabatermann angestoßen, daß er erwacht und auffährt, und nun geschwinde anordnet, was zur Abwendung der Gefahr nötig ist. Die Schiffsleute wissen recht gut, daß dies alles der kleine Kalfater thut. Sie sagen auch nichts anderes als: Hörst du wohl, da ist er wieder! wenn sie ihn unten im Raume oder draußen an den Planken hantieren hören. Die Matrosen suchen sich gut mit ihm zu halten; denn den flinken Matrosen hilft er, wo sie irgend eine Arbeit haben, daß sie frisch und gut von der Hand geht. Er sorgt dafür, daß die Taue beim Einrahmen der Segel auch beim schärfsten Winde nicht schlenkern; er erleichtert ihnen die halbe Arbeit beim Aufhissen der Anker. Und wenn ein flinker Bursch von einem Schiffe auf ein anderes abgeht, dann giebt ihm der Klabatermann ein Zeichen mit, woran ihn der Klabater­ mann des anderen Schiffes erkennt, damit der ihm eben so gut und helfend sey. Die faulen und trotzigen Matrosen dagegen zwickt und quält er und thut ihnen allerlei Tort an, bis sie zuletzt flink und fleißig werden. Und wenn Alles nicht hilft, so zeigt er sich ihnen zuletzt und schneidet ihnen Gesichter zu. Dann ist es aber auch aus mit ihnen; denn wer den Klabatermann mit leiblichen Augen sieht, dessen letztes Stündlein hat geschlagen. Die Matrosen thun ihm daher Alles zu Gefallen, und setzen ihm oft des Nachts von ihrem Lieblingsessen hin. Von wem er so etwas annimmt und gegessen hat, dem ist er gar absonderlich gut.

Manche behaupten, daß nicht jedes Schiff einen solchen Kalfater habe; sondern daß ein solches Glück nur wenigen Schiffen zu Theil werde. Denn die Klabatermännchen sollen die Seelen von Kindern seyn, die todt geboren, oder sonst vor der Taufe gestorben sind. Wenn solche Kinder nun in einer Haide unter einem Baume begraben werden und von einem solchen Baume irgend etwas zu dem Baue des Schiffes verwendet ist, dann geht mit dem Holze die Seele des Kindes als Kla41

batermännchen in das Schiff hinein. Die dies behaupten, sagen auch, daß ein solches Schiff, das einen Kalfater besitzt, niemalen zu Grunde gehen könne. Einige sagen, daß man den Klabatermann auch ohne Gefahr zu sehen bekom­ men könne. Das muß man auf folgende Weise anfangen: Man muß nämlich des Nachts zwischen zwölf und ein Uhr allein zum Spilloch gehen, und sich selbst durch die Beine durch und so durch das Spilloch sehen; dann kann man den klei­ nen Geist erblicken, wie er an der Vorderseite des Spillochs steht. .. .

1843 erscheinen J. W. Wolfs „Niederländische Sagen“ u. a. mit Erzählungen von den kabotermannekens zu Herselt und von hilfreichen Zwergen im Kaboutermannekensberg; doch in allen Fällen sind keine Schiffskobolde gemeint, und auch Wolfs „Deutsche Sagen“ (1845) kennen das Kaboutermännchen als Schiffsgeist nicht. Die zweibändigen „Danmarks Folkesagn“ (1843) von /. M. Thiele erwähnen ebenfalls keinen Schiffskobold; erst im dritten Band, der 1860 herauskommt, wird der uns schon bekannte literarische Text Büchers (1827) zitiert. Karl Miillenhoff aber bringt in seinen „Sagen, Märchen und Liedern der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg“ (1845) neben vielen Ge­ schichten von Nis Puk auch eine über das Klabautermännchen. (1845 K) Auf einem Schiffe, das sich mitten auf der See befand, klingelte der Kapitän dem Schiffsjungen: „Bringe mir eine Flasche Wein und zwei Gläserl“ „Zwei Gläser, Kapitän?“ fragte verwundert der Junge; „ihr seid ja allein, wie kriegt ihr denn Besuch?“ Der Kapitän befahl ihm zu gehn und zu thun, wie er geheißen. Als der Junge nun wieder mit der Flasche und den Gläsern in die Ka­ jüte trat, da saß der Schiffsgeist bei dem Kapitän und beide sprachen miteinander, der Kapitän schenkte ihm ein und sie tranken zusammen. . . . Die enge Verbindung, in der die Sagensammler den Klabautermann immer mit den Hausgeistern gesehen haben, wird in den „Norddeutschen Sagen“ von Kuhn und Schwartz (1848) besonders deutlich. (1848K1) Die Klabatersmänneken oder Pükse halten sich in Häusern, beson­ ders aber in Mühlen und auf Schiffen auf, wo sie von Milch, die man ihnen hin­ gesetzt hat, leben und dafür allerhand Dienste verrichten. Namentlich melken sie die Kühe, striegeln die Pferde, arbeiten in der Küche oder sie waschen das Schiff, helfen die Anker aufziehen und anderes mehr, und man hat nichts mehr zu fürchten, als wenn das Klabatersmänneken das Schiff verläßt. Darum muß man sich ganz besonders hüten, ihnen einen Rodt oder ein paar Schuhe hinzulegen, denn dann verlassen sie augenblicklich ihren Aufenthalt. Sie gehen nämlich mit kurzen roten Jäckchen einher, die nicht im besten Stande sind und oft Blößen zeigen, so daß es einem wohl das Herz bewegen möchte, wenn man sie sieht. In den Häusern halten sie sich besonders gern im Gebälk auf, weshalb man auch beim Umbau eines Hauses die Balken nicht fortwerfen darf, sondern soviel als möglich zum Hause verwenden muß.

Kuhn und Schwartz mengen aber nicht alle Vorstellungen vom Klabauter­ mann in ihren Bericht; zwei kurze Mitteilungen geben sie gesondert im Schluß­ teil des Buches: 42

(1848K2) Der Klabautermann sitzt unter der Ankerwinde und ist ein kleiner Kerl mit gelben Kniehosen, Reiterstiefeln, großem feuerrotem Kopf, weißem Barte, grünen Zähnen und spitzem Hute. (Obersteuermann Werner aus Ham­ burg). — (1848K3) Wenn ein Schiff verderben soll, so hört man den Klabau­ termann unruhig die Leitern auf- und absteigen und auf den Raaen mit dem Tauwerk klappern oder im Schiffsraum lärmen, so daß die Mannschaft dann das Schiff je eher je lieber verläßt. (Dornumer Syl in Ostfriesland). In der „Zeitschrift für deutsche Mythologie“ veröffentlicht Rudolf Baier 1854 unter seinen Beiträgen von der Insel Rügen drei Klabautermann-Geschich­ ten, von denen eine die Herkunft des Kobolds zum Inhalt hat und die letzte erstmals eine Sage mit reiner Erzählhandlung darstellt: (1854K3) Zwei Schiffe liegen im Hafen. Da kommen die Klabautermänner zusammen und erzählen sich von ihren Fahrten. „Ja,“ sagt der eine, „ich habe Angst auf der letzten Reise gehabt; eine Seitenplanke riß los, da mußte ich fort­ während festhalten, daß das Wasser nicht ins Fahrzeug lief." — „Adi,“ entgeg­ net der andere, „da habe ich es doch schwerer gehabt. Als wir abgesegelt waren, kam ein Sturm auf und der große Mastbaum brach unten ab; den hab ich auf der ganzen Fahrt halten müssen.“ Der erste wollte nicht zugeben, daß das schwe­ rer gewesen sei, und darüber kamen sie zu Zank und endlich zur Schlägerei. Den umfassendsten Bericht über den Schiffsgeist gibt im Rahmen der Volks­ erzählsammlungen Ludwig Strackerjan im ersten Band seines Werkes „Aber­ glaube und Sagen aus dem Herzogthum Oldenburg“. (1867K.2) Der Klabauter- oder Klabattermann ist ein kleines graues Männchen, kaum zwei Fuß hoch, aber kräftig und gedrungen; er wohnt auf Schiffen. Einer beschreibt ihn so: er ist ein kleiner Kerl, kaum einen Fuß hoch, mit rothen Paus­ backen und hellen, gutmüthigen Augen, ist wie der Matrose mit Piejäcker und Südwester bekleidet und trägt, so oft man ihn sieht, einen hölzernen Hammer in der rechten Hand. Er stellt sich nicht selten schon beim Bau des Schiffes ein, das er bewohnen will, und hilft mit kalfatern; darum nennt man ihn auch den Kalfater­ mann (Ostfriesland), während Andere sagen, seine Heimath habe er eigentlich in den wärmeren Gegenden, und dorther komme er mit den Schiffen herüber (Scharrel).

Es folgen Mitteilungen über das Wesen und die Arbeit des Kobolds.

Mitunter kommt der Klabautermann in freundlicher Absicht von dem Schiffe an Land in das Haus des Capitäns oder des Rheders und ist auch wohl noch früher da und rumort auf dem Boden oder im Lagerraum; das ist dann ein Zeichen, daß das Schiff bald glücklich zu Hause anlangen wird. Schließlich erzählt Strackerjan ein paar abgerundete Sagen: u. a. (1867K3), daß man einst ein altes Schiff erst auseinanderschlagen konnte, nachdem man im Raum ein Kästchen gefunden und mitgenommen hatte, in welchem der Klabautermann gewesen; und wir hören zuerst das später wohl am häufigsten nachgedlruckte Klabautermann-Erlebnis eines ostfriesischen Steuermanns. 43

(1867K4) Einst war ein Steuermann aus Ostfriesland an Bord eines englischen Schiffes, welches im Hafen von Stockholm vor Anker lag. Abends ging er auf das Verdeck, um ein wenig frische Luft zu genießen; da sah er am Ende des Schiffes ein kleines rothes Männchen und ein gleiches auf dem nächst liegenden Schiffe. Er merkte wohl, daß es Klabautermännchen seien, und betrachtete sie neugierig, als die beiden mit einem Male ein Gespräch begannen. „Gehst du mit ihr in See?“ fragte der auf dem andern Schiffe. „Nein,“ antwortete der auf des Steuermanns Schiffe, „ich bleibe im Kanal; dort geht dies Schiff unter.“ „Halt,“ dachte der Steuermann, „wenns so steht, gehst du wenigstens nicht mit!“ Am an­ deren Morgen erzählte er dem Kapitän sein Erlebniß, dieser aber und die ganze Mannschaft lachten ihn aus. Der Steuermann ließ sich jedoch nicht irre machen, nahm seinen Abschied von dem Schiffe und ging auf ein anderes. Als er seine Reise beendigt hatte und an seinem Bestimmungsorte ankam, erhielt er auch schon die Nachricht, daß sein früheres Schiff mit Mann und Maus im Kanal unterge­ gangen sei. Karl Bartsch weiß in seinen „Sagen, Märchen und Gebräuchen aus Mecklen­ burg“ (1879/80) nur drei allgemeine Sätze über den Klabautermann zu berich­ ten. In derselben Landschaft konnte Richard Wossidlo dann später bedeutend mehr über den Schiffsgeist aufzeichnen. Wir sind mit der mecklenburgischen Sagensammlung an das Jahr 1880 her­ angekommen. Als die Segelschiffe verschwinden, sind die klassischen regionalen Sammlungen der Volksüberlieferung praktisch alle erschienen. Vielleicht wären noch Ulrich Jahns „Volkssagen aus Pommern und Rügen" zu nennen, die 1885 zum Klabautermann Nachdrucke von Temme und von Kuhn und Schwartz bringen, 1889 in der zweiten Auflage auch Nachdrucke von Baier und eine einzige neue Geschichte: (1889K1) Die Klabätermännken und der Schneider. Hier belauscht, wie bei den Heinzelmännchen zu Köln, der Schneider seine kleinen Helfer; als er ihnen, die nur wenig bekleidet sind, jedoch für sie selbst ein großes Stück Tuch hinlegt, kommen sie nie wieder. In Skandinavien werden in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhun­ derts noch Sagensammlungen veröffentlicht, die den betrachteten deutschen Werken entsprechen. 1881 teilt Eva Wigström in „Folkdiktning“ eine hübsche Sage aus Schonen mit.

(1881K1) Ein Schiffer aus Torekov erzählte, daß einmal ein neues Fahrzeug von einer unserer Schiffswerften laufen sollte; aber es war unmöglich, es auf irgendeine Weise vom Stapel zu bekommen. Da ging der Kapitän, der das Schiff fahren sollte, an Bord und erblickte dort zwei Schiffsgeister, von denen stand der eine vorn und schob das Fahrzeug, der andere stand hinten und hielt dagegen; darum kam es nicht vom Fleck. Der Kapitän fragte die Geister, was dieser Streit bedeuten solle, und sie antworteten, daß sie beide das Fahrzeug haben wollten, und der eine wolle dem anderen nicht weichen. „Wann kamst du her?“ fragte der Kapitän den Geist, der hinten stand. „Ich kam mit dem Mast hierher," lautete die Antwort. „Und du da?“ fragte er den, der vorn stand. „Ich kam mit dem Kiel hierher,“ antwortete er. „Derjenige der zuerst kam, d. h. mit dem Kiel, hat das größte Recht hier zu bleiben," beschied der Kapitän. „Aber,“ fügte er hinzu, „da liegt Holz für ein neues Fahrzeug, machst du dich dorthin, so kannst du da

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Schiffsgeist werden!“ Der Geist folgte sofort, und nun glitt dis Fahrzeug unbe­ hindert in See.

Zwischen 1880 und 1900 finden sich in der Reihe „Svenska Landsmalen“ weitere schwedische Sagen über den Schiffskobold (1881K3, 1890K7—10, 1898K2—7), und in Dänemark kommt in den Jahren 1892—1901 noch Evald Tang Kristensens sechsbändiges Werk „Danske Sagn“ heraus, das im Gegensatz zu Thieles Ausgabe keine literarischen Quellen verwendet. Von den fünf Sagen über Schiffskobolde seien die drei letzten hier im Zusammenhang der großen Volkserzählsammlungen des 19. Jahrhunderts zitiert.

(1892K3) Es ist ein schwerer Sturm auf der Nordsee gewesen, und viele Schiffe sind beinahe untergegangen. Als endlich besseres Wetter wird, treffen sich draußen zwei Schiffe und kommen einander so nahe, daß sich die Seeleute zu­ rufen können, woher sie kommen, wo ihre Heimat ist und dergleichen. Genauso hören sie, daß zwei Kobolde (nisser), einer auf jedem Schiff, einander von den Mastspitzen zurufen, wie es ihnen in dem Sturm ergangen ist. Der eine sagt: „Ich habe genug damit zu tun gehabt, das Fockstag festzuhalten, weil sonst der Mast umgefallen wäre.“ Als die Seeleute den Kobold, der Stimme folgend, sehen wollen, läßt der das Stag los, um aus vollem Hals zu lachen. Nun hat die Mann­ schaft an anderes zu denken, als nach dem Kobold zu suchen, denn der Mast ist nahe daran, über Bord zu gehen. Derweil sie es eilig haben, ihn wieder herzu­ richten, sieht der Kobold seine Gelegenheit, in die Lasten zu schlüpfen, wo sie ihn nicht finden können. (1892K4) Vor ungefähr 70 Jahren gab es im Hafen von Horsen ein Schiff, das einen nisse an Bord hatte. Die Mannschaft hörte ihn deutlich in der Nacht, wenn er sich mit Sachen unten in den Lasten abrackerte. Er war manchmal auch zu etwas nütze. So geschah es einmal, daß das Schiff beinahe in einem Sturm unter­ ging, aber einer der Mannschaft hatte den Auftrag bekommen, darauf zu achten, ob der nisse an Land gehe. Denn wenn er das nicht tat, bevor sie aussegelten, wußten sie sicher, daß sie nicht untergingen, und diesmal ging er nicht an Land, darum erlitt das Schiff auch keinen Schiffbruch. Das halte ich für ein glaub­ würdiges Ereignis.

(1892K3) Ein Nachbar meines Vaters, Johan Nielsen aus Särupore bei Svendborg, hatte eine Jacht, mit der er einmal bei Dragor vor Anker lag. Als der Schiffer nachts in seiner Koje lag und schlief, wachte er davon auf, daß unten bei ihm geöffnet wurde, und er sah einen kleinen Mann, wie einen nisse, der sagte zu ihm: „Du sollst nie mehr vor dem großen Anker liegen.“ Am Morgen ging er nach Kopenhagen zu einem Ankerschmied und tauschte seinen Anker gegen einen neuen, aber sowohl er als auch die übrige Mannschaft mußten zuerst einen Eid darauf leisten, daß sie keinen Fehl an ihrem Anker wüßten, so wie auch keiner zu seben war. Aber sobald der Ankerstock abgeschlagen wurde, fiel der Anker herunter in zwei Stücke.

Im ganzen gesehen ist also der Klabautermann in den Sammlungen volkstüm­ licher Erzählstoffe jener Landschaften Mittel- und Nordeuropas, die die See be­ rühren, nicht vergessen worden. Anders steht es mit dem fliegenden Holländer. 45

Außer der Nachtkreuzer-Geschichte in Temmes Sammlung finden sich erst bei Kristensen (1892) unter dem Abschnitt „Dodssejleren“ zwei Holländersagen.

(1892H3) Es gibt viele, die den „fliegenden Holländer" gesehen haben. Manch­ mal segelt er auf dem Meer genauso wie andere Schiffe, aber meistens fährt er doch durch die Luft, und mancher Seemann hat auf seinem Deck gestanden und sowohl das Schiff als auch dessen Mannschaft über sich hinwegfahren sehen, als ob das ein Vogel wäre, der fliegt. Aber er weiß dann schon, was getan werden muß. Dann müssen die Segel gerefft werden, und das in Eile, weil dann Sturm kommt, der etwas zerschlagen kann. (1892H4) Als ich die Südküste der Insel Kuba entlang segelte, kommt der Steuermann um Mitternacht auf die Back gesprungen und fragt den Ausgucks­ mann, ob er nicht den Segler in Luv gesehen habe. Wir waren 5, 6 Mann auf der Back, aber keiner von uns hatte den Segler beobachtet, bevor der Steuer­ mann kam und es uns sagte. Nun sahen wir, daß das eine Fregatte genau wie die unsere war, ungefähr eine Viertelmeile Abstand von uns, und sie steuerte denselben Kurs wie wir. Im Laufe einer Stunde war sie uns aus der Sicht gelaufen, ungeachtet, daß unser Fahrzeug ein ausgesprochen guter Segler war. In derselben Nacht starb ein Mann von uns, der einen Tag lang krank gewesen war, und acht Tage später um dieselbe Zeit lief das Schiff auf ein Korallenriff und war verloren. Die Engländer, woraus die gesamte Mannschaft — bis auf midi — bestand, sagten gleich, daß das der „fliegende Holländer“ war, dem sie begegnet.

Über den Totensegler (dadningsseiler) berichtet schon Thiele nach literari­ schen Quellen (1843H1). Aus Schleswig-Holstein lesen wir die Sage „Das Geisterschiff“ bei Müllenhoff 1845: eine weinende Braut wird eines Nachts von dem Schiff, mit dem ihr Bräutigam verunglückt ist, abgeholt30. Drei Erzählun­ gen über seltsame Schiffe veröffentlicht Wolf in den „Deutschen Sagen“ (1845), von denen nur eine aus lebendiger Überlieferung stammt31. In den „Nieder­ ländischen Sagen“ (1843) findet sich — mündlich mitgeteilt — „Schiffskapitän vom Teufel geholt“32 und eine zweite Sage, die wir kurz charakterisieren müssen. (J843H2) Herr von Falkenberg, ein Mörder, zieht als büßender Pilger gen Norden. Zu seiner Linken geht eine schwarze Gestalt, die ihm von den Freuden der Welt flüstert, zu seiner Rechten eine weiße, die ihn zur Buße mahnt und von der Freude der Seeligen spricht. Die drei gelangen auf ein vollbesegeltes Schiff, wo die beiden Begleiter um die Seele Falkenbergs zu wür­ feln beginnen. Sechs Jahrhunderte schon fährt das Schiff ohne Steuermann und ohne Ruder, und ebenso lange spielen die beiden schon um Reginalds Seele; sie hören auch nidit auf mit dem Spiele bis zum jüngsten Tage. Schiffer, die auf der Nordsee fahren, begegnen oft dem höllischen Fahrzeuge33.

30 Müllenhoff 1845, S. 163 f. (Nr. 223). 31 Wolf 1845, S. 525 (Nr. 406: Feuriges Schiff). Aus Chroniken: S. 505 (Nr. 380: Das schwarze Schiff), S. 586 f. (Nr. 477: Schiff verschwindet). 32 Wolf 1843, S. 531 f. (Nr. 447). 33 Vgl. das Skelettschiff-Motiv in Coleridges „Ancient Mariner“. 46

Schließlich sei aus der mecklenburgischen Sammlung von Karl Bartsch noch eine besondere Geisterschiffsage zitiert34: Einen sogenannten ewigen Blüser gibt es auf Wustrow auch, und glaubwürdige Leute versichern noch heute, daß sie ihn mit eigenen Augen gesehen. Wenn näm­ lich die Zeit des Aalfanges ist, bedienen sich die Fischer bekanntlich an ruhigen, stillen Sommerabenden der sogenannten „Blüsefeuer“, um die Aale damit anzu­ locken. Nun aber geschieht es oft, daß sich kein einziger Fischer auf dem Wasser befindet, und man dennoch ganz deutlich ein Blüs’feuer erblickt, oft stundenlang. Die Wustrower sagen dann „Dat is de ewige Blüser“ und erzählen von einem Fischer, der vor langen Zeiten einmal am stillen Freitag mit Blüs’feuern auf den Aalfang ausgegangen sei. Zur Strafe dafür muß er als „ewiger Blüser“ auf dem See gehen. Die wissenschaftlichen Sagensammler haben bis in die 1880er Jahre, wenn sie die seemännische Überlieferung überhaupt als eine Tatsache erkannten, kein rechtes Verhältnis zu ihr gefunden. Das zwiespältige Ergebnis werden wir später genauer analysieren müssen: Der Klabautermann ist trotz allem meist genannt und verhältnismäßig einheitlich und plastisch gezeichnet; alle Sagen aber, die ein Geisterschiff-Motiv enthalten, sind vereinzelt und so völlig dis­ parat, daß man sie kaum als Seesagen zu bezeichnen und schon gar nicht zu­ sammenzuordnen wagt.

Übersicht: Quellen in Sagensammlungen der Segelschiffszeit Temmes „Volkssagen aus Pommern und Rügen“ bringen eine Nachtkreuzersage und einen ausführlichen Klabautermann-Bericht. 1843 Thiele gibt in „Danmarks Folkesagn“ Belege zum Totensegler nach literarischen Quellen. 1843 Wolfs „Niederländische Sagen“ erzählen Geschichten von kabontermannekens, die aber keine Schiffskobolde sind; Falkenberg-Sage. 1845 Geisterschiff-Erzählungen und ¿«¿OMter-Zwerggeschichten in Wolfs .Deutschen Sagen“. 1845 Müllenhoff berichtet aus Schleswig-Holstein vom Klabautermännchen und von einem Geisterschiff. 1848 Kuhn/Schwartz’ „Norddeutsche Sagen“: Klabautermann-Bericht und zwei wei­ tere knappe Mitteilungen über ihn. 1854 Baier veröffentlicht in der „Zeitschrift für deutsche Mythologie" drei Klabau­ termann-Sagen von Rügen. 1860 Thiele wiederholt im dritten Band seiner „Folkesagn“ eine Schiffsgeistepisode aus Büchers Roman; ferner eine Mitteilung über den Todessegler. 1867 Strackerjan gibt aus dem Herzogtum Oldenburg einen umfangreichen Glau­ bensbericht über den Klabautermann und mehrere Sagen. 1871 Grasses „Preußisches Sagenbuch“ enthält im zweiten Band Wiederholungen zum Klabautermann nach Temme und Kuhn/Schwartz. 1840

34 Bartsch 1879/80; Bd. I, S. 410 (Nr. 571: Der ewige Blüser in Wustrow I). 47

1879 1881 1885

1890

1892 1898

Aus Mecklenburg findet sich eine knappe Notiz über den Klabautermann bei Bartsch, ferner zwei Sagen über den ewigen Blüser. E. Wigström erzählt in „Folkdiktning“ zwei Schiffsgeist-Sagen aus Schonen. „Pommersche Volkssagen" von Jahn: Nachdrucke ausTemme und Kuhn/Schwartz (Klabautermann, Naditkreuzer), dazu in der zweiten Auflage 1889 eine neue Klabautermann-Geschichte. Revall berichtet ausführlich vom Schiffsgeist-Glauben auf den Olandsinseln und fügt Sagen hinzu. Kristensens „Danske Sagn“: fünf Schiffsgeist-Geschichten; Sagen über den Todessegler, der in zweien als fliegender Holländer bezeichnet wird. £. Wigström veröffentlicht sechs schwedische Schiffsgeist-Mitteilungen.

Unterhaltungsliteratur

Lebendiger als in den Volkserzählbänden spiegelt sich das Seemannsleben in der Unterhaltungsliteratur jener Zeit. Die Sagen der See bleiben auch nach Marryat und Wagner im letzten knappen Halbjahrhundert der Segelschiffe ein vielfältig benutzter Erzählstoff. 1840 druckt ein dänisches Wochenblatt eine Holländer-Geschichte. 1841 bringt in Deutschland die Zeitschrift „Das Aus­ land“ eine entsprechende Sage, die zeigen will, „daß der jetzige ,fliegende' sei­ ner Zeit ein .leibhaftiger* Holländer war, der sich als Seefahrer unter seinen Zeitgenossen einen großen Namen erwarb.“

(1841 Hl) Dieser Mann hieß Bernard Fokke und lebte zu Anfang des 17. Jahr­ hunderts. Er war ein unternehmender Seemann, der, ohne sich an Wind und Wetter zu kehren, immer mit vollen Segeln durchfuhr. Er hatte eiserne Stangen auf den Masten, damit dieselben bei starkem Winde nicht über Bord wehen konnten, und legte bereits damals die Reise von Batavia nach Holland in 90 Tagen zurück, während er innerhalb acht Monaten die Hin- und Zurückreise machte. Zu seiner Zeit, wo die Schiffer den Weg nach Ostindien und die auf dem Weltmeer herrschenden Winde und Strömungen noch nicht so genau kann­ ten, als jetzt, — wo der vorsichtige Steuermann, sobald der Abend zu dunkeln anfing, die Segel einzog, und wo daher die Dauer einer gewöhnlichen Reise von Holland nach Java auf mehr als gegenwärtig die Hin- und Zurückreise geschätzt wurde — zu jener Zeit kann es nicht befremden, daß so unglaublich schnelle Rei­ sen, wie die vom Schiffer Fokke, übernatürlichen Ursachen zugeschrieben wur­ den. Die einen nannten ihn einen Zauberer, Andere sprachen von einem Bund mit dem Bösen u. dgl. Dieser Glaube wurde noch gestärkt durch Fokke’s ganz ungewöhnliche Größe und Körperkraft, durch ein höchst abschreckendes Äußere und ein rohes zurückstoßendes Benehmen, so wie seine Gewohnheit, bei den ge­ ringsten Hindernissen fürchterlich zu fluchen. Als er nun zum letzten Mal den Hafen verlassen hatte und man nichts mehr von ihm hörte, so hieß es: er sey des Teufels Beute geworden, welcher ihn zur Strafe für seine Sünden verurtheilt habe, auf ewig mit seinem Schiffe zwischen dem Cap der guten Hoffnung und der Südspitze von Amerika herumzukreuzen, ohne jemals einen Hafen besuchen zu dürfen. Von diesem irrenden Schiffe wußten im vorigen Jahrhundert fast alle Seefahrer der indischen Meere zu erzählen. Mancher Schiffer war des Nachts von dem verzauberten höllischen Schiff angerufen worden und hatte es deutlich ge48

sehen; die Mannschaft am Bord desselben bestand nur aus dem Capitain, dem Bootsmann, dem Koch und einem einzigen Matrosen, alle steinalt und mit langen Bärten. Jede an sie gerichtete Frage blieb unbeantwortet, indem sie zur Folge hatte, daß das Schiff augenblicklich verschwand. Bisweilen wurde das Gespenstersdiiff auch am Tage gesehen und öfter hatten Waghälse sich erkühnt, mit einer Scha­ luppe an Bord desselben zu gehen; allein sobald sie es erreicht hatten, entschwand es wieder den Blicken. ... Das Andenken des Schiffers Fokke wurde lange nach seinem Verschwinden durch eine eherne Bildsäule bewahrt, welche ihm auf der Insel Kuiper errichtet wurde, an einer Stelle, wo sie von allen Schiffen, welche von der Rhede von Batavia segelten, ins Auge fallen mußte. Dieses Monument wurde von den Engländern, als sie im Jahre 1811 Java erobert hatten, von der Kuiperinsel weggenommen. Diese Sagenfassung dringt über den Wirkungsbereich der Zeitschrift weit hinaus; denn sie wird in beliebten Sammelwerken öfter nachgedrudct. Fünf Jahrzehnte später lernen wir in Waling Dykstras „Uit Friesland’s Volksleven“ eine bemerkenswerte Variante kennen:

(1892H1) De friesche schipper Barend Fokkes, die in de 17de eeuw leefde, was een zeer ondernemend, misschien zelfs roekeloos zeeman. Hij deed in 1678 eene reis naar Oost-Indie in drie maanden en vier dagen; in dien tijd, toen de meeste schepen er een half jaar voor noodig hadden, was zulk eene reis een wonder; hij bewees haar, door een pak brieven over te brengen aan den gouverneurgeneraal. Hij was buitcngewoon groot en sterk, daarbij grof en terugstootend van uiterlijk, en hij kon vloeken dat het daverde. Bovendien had hij een grooten zwarten poedel aan boord; dezen hield men voor den baarlijken duivel, die, vooral bij nacht, den schipper hielp. Eens is hij utgezeild zonder dat men ooit iets van hem heeft terug gezien of vernomen. De duivel heeft hem ingepakt en veroordeeld om voor eeuwig te varen tusschen Kaap Hoorn en Kaap de Goede Hoop, zonder rüst, zonder ooit eene haven te mögen aandoen. Barend Fokkes is alzoo de kapitein van den „vliegenden Hollander", het spookschip waarvan alle zeelieden weten te verteilen. Men heeft dezen frieschen zeeman een standbeeid opgericht op een onbewoond eilandje, het Kuipertje genaamd, tegenover de reede van Batavia. Barend stond daar met zijn friesche buis en körten broek in steen uitgehouwen, zoodat hij van elk schip, dat de reede van Batavia verliet, kon worden gezien. Toen in 1808 de engelsche admiraal Dourie den toenmaligen gouverneur-generaal Daendels niet durfde aanvallen, had hij evenwel den moed, het beeid van Barend Fokkes in stukken te doen slaan. Heinrich Smidts Novelle vom fliegenden Holländer, die 1849 den Reigen seiner „Seemanns-Sagen“ eröffnet, haben wir schon erwähnt. Sie ist im Gegen­ satz zum „ewigen Segler“ eine Teufelsbündnergeschichte: (1849H) Auf der „Gel­ derland“, die in der Tafelbai segelt, erzählt man von Vanderdecken, welcher oft in seiner Kajüte den Besuch des Höllenfürsten erhielt, alle Teufeleien er­ lernte und in einem wüsten Haus an der Nordsee junge Mädchen mißbrauchte, bis er sich schließlich am Kap der Guten Hoffnung zum ewigen Segeln ver­ fluchte. Der Kapitän der „Gelderland" ist ebenfalls ein Mörder. Geräuschlos segelt der fliegende Holländer an seinem Schiff vorbei. Ein Mann bringt Briefe 49

Vanderdeckens, und vom Gespensterschiff ruft eine hohe Gestalt: „Grüßt die Heimat!“. Die „Gelderland“ ist nie nach Batavia gekommen. — Individuelle Gestaltungen unserer Sagenstoffe finden sich auch noch in der zweiten Jahrhunderthälfte. Hier schließt sich vor allem die Erzählung „Der Klabautermann“ von Friedrich Gerstäcker an die gleichnamigen Vorläufer von Smidt, Sternberg und Lyser an. Gerstäcker gibt, bevor er seine Geschichte aus­ breitet, (1855K1) einen ausführlichen Sagenbericht, um den Schiffsgeist bei den Lesern aus dem „inneren Lande“ einzuführen, und er bemerkt, daß er auf den Untertitel „eine Volkssage“ verzichte, „weil es auch jetzt sehr viele Schiffer gibt, die, wenn sie im Geheimen auch wohl recht gut von seiner (des Klabauter­ mann) Existenz überzeugt sind, öffentlich doch ihren Spaß über ihn haben und sich Wunder etwas einbilden, wenn sie die Freigeister dabei spielen können." Eine zweite Erzählung Gerstäckers aus dem gleichen Jahre heißt „Der Kla­ bautermann und die Schiffstochter“ (1855K2).

1867 bietet die Familienzeitschrift „Daheim“ ihren Lesern eine neue Hol­ länder-Geschichte. Korvettenkapitän Werner berichtet über den Kapitän van Straten, der, zur Strafe für sein gottloses Leben und weil er am Karfreitag in See gestochen, verdammt wurde, ruhelos auf dem Meer herumzukreuzen. Der gleiche Autor veröffentlicht zwei Jahre später sein „Buch von der Norddeut­ schen Flotte“ und schildert hier die Sage erneut. Zunächst lesen wir in dem Kapitel „Nacht und Nebel": (1869K1) An dem verhängnisvollen Freitag hat der tückische Unhold, der Kla­ bautermann, die Macht, an Bord der in See gehenden Fahrzeuge zu kommen, und wo er sich einmal eingenistet, da — lebewohl guter Wind und glückliche Reise! Nebel, Regen, Windstillen und schlechtes Wetter sind seine steten Beglei­ ter. Wer am 29. Februar in der Mitternachtsstunde eines neuen Jahrhunderts geboren ist, dem ist es vergönnt, den Kobold von Angesicht zu Angesicht zu schauen. Wenn ein Unglück passirt oder ein Sturm im Anzuge ist, kauert er auf der Mittelwache von 12—1 Uhr unter dem Bugspriet. Ein gräulicher Fischkopf sitzt ihm zwischen den spitzen Schultern, mit blutigem Rachen und langen gelben Zähnen, die er grinsend fletscht. Langes struppiges Haar sträubt sich um seinen Kopf, und die feurigen Augen drehen sich wie glühende Kohlen. Schramm gehört zu den Bevorzugten, denen sowohl der Klabautermann als auch der fliegende Holländer zu Gesicht kommen, und er weiß schaurige Geschichten davon zu erzählen, für die er zwar unter seinen Kameraden auf der Wache ebenso eifrige als gläubige Zuhörer findet, auf die aber weder der Oberboots­ mann noch der erste Offizier etwas geben wollen. Schramm erzählt, (1869H) wie er im Jahre 1820 mit einem Kapitän, der den Klabautermann und den fliegenden Holländer verlachte, an einem Kar­ freitag in See gestochen. Der Kapitän wollte es dem fliegenden Holländer nach­ machen, aber weiter als nur bis zum Kap der Guten Hoffnung kommen. Doch auch dieses Schiff konnte das Kap im Sturm nicht umrunden. Ein dunkles, vollbesegeltes Schiff glitt an ihm vorbei. „Das war der fliegende Holländer,

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der alte van Straten, der am Charfreitag gesegelt war, der geschworen, Cap zu umsegeln, sollten auch Himmel und Hölle gegen ihn sein, und der für in Ewigkeit kreuzen muß. Wehe dem Schiffe, dem er erscheint, es ist rettbar dem Untergange geweiht!" Nur der gläubige Erzähler Schramm, unschuldige Kapitänssohn und dessen Hund konnten sich retten.

das da­ un­ der

Wie weit unsere Sagengestalten im 19. Jahrhundert bekannt sind, dokumen­ tiert sich deutlicher noch als in den geschlossenen Schilderungen, wenn fliegen­ der Holländer und Klabautermann nur zur Illustrierung bestimmter Erzählzu­ sammenhänge, ohne in erster Linie ihren eigenen Stoff auszumalen, herangezo­ gen werden.

In Skandinavien erzählt Steen Steensen Blicher abermals vom skibsnisse und beschreibt ihn jetzt sogar (1839K); Thomasine Gyllembourg-Ehrensvärd läßt an Bord lächelnd den nisse erwähnen, als eine Dame sich von kleinen Neckerei­ en und Scherzen verfolgt sieht (1841K); in einer Erzählung P.Chr. Asbjemsens entspinnt sich auf einem Schiff ein Gespräch über den nisse (1852K). In Frank­ reich schreibt Victor Hugo das Gedicht „Les Paysans au bord de la mer“, malt darin das Erscheinen eines Geisterschiffes aus und sagt sogar konkret: (1854H) C’est le hollandais! la barque Que le doigt flamboyant marque! L’esquif puni! C’est la voile scélérate! C’est le sinistre pirate De l’infini.

Nicht zuletzt in Deutschland finden Anspielungen auf den fliegenden Hol­ länder und den Klabautermann mehr oder minder versteckt in der Literatur ihren Platz. Bei Friedrich Gerstäcker z. B.: „Ha — jetzt fällt mirs ja erst ein; wir sind am Cap und zwar gerade da, wo der fliegende Holländer kreu­ zen soll." (1847H1); — oder ein Matrose spricht von jemandem, den er nicht wiederzusehen hoffe, ein anderer fragt: „Ihr meint doch nicht etwa den deut­ schen Klabautermann?“, ein dritter: „Der fliegende Holländer kreuzt doch nicht an Cap Horn, so viel ich weiß?" (1858H); — oder ein Koch ruft: „Der Klabautermann ist fort!“ und muß dann den neugierigen Passagieren vom Schiffsgeist erzählen (1858K2). In einem Roman Theodor Mügges verwendet ein alter Kapitän den fliegenden Holländer als Fluchwort (1850H2). G. Blum berichtet kurz vom Glauben über die Herkunft des Klabautermann (1856K). Emst Hallier gibt im Nebenbei einen frühen Klabautermann-Beleg (1869K2). Theodor Storm benutzt den Schiffsgeist in der Novelle „Eine Halligfahrt", um die ungewisse Zukunft eines Paares zu symbolisieren86:35 * 35 B. Litzmann (1918, S. 434) sagt zu Recht: der Text bleibe unverständlich, wenn man Müllenhoffs Sammlung — die Storm sonst viel benutzt hat — als Quelle vor­ aussetze. Er irrt aber wohl, wenn er meint, daß der Autor in diesem Falle Heines „Nordsee“ verpflichtet sei. Denn auch in der oft gedruckten Novelle Smidts

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{187IK) ... Ebenso unsicher bin ich, ob der Klabautermann an Bord gewesen ist. Einmal, da ich den Kopf wandte, war mir zwar, als ob dort am Bugspriet unter dem Klüversegel sich etwas wie Nebel zusammenkaure, allein ich achtete nicht darauf.

In dem ersten bedeutenden norwegischen Roman über das Seeleben — Jonas Lie: Lodsen og hans Hustru — ist der Schiffsgeist ebenfalls eingeflochten. (1874K) Es waren in den letzten Tagen überhaupt merkwürdige Dinge an Bord vorgegangen. Außer jenem Dämmerlicht hatte man auch ein Stöhnen unten in der Kohlenladung gehört. Der Seilmacher behauptete, daß er mehrere Nächte hintereinander einen Mann habe von mittschiffs nach achtern gehen sehen. Er stand eine Stunde still und zeigte mit der Hand auf den Kompaß, worauf er im Kielwasser verschwand. Ein anderer behauptete, er habe den Schiffsgeist denselben Weg gehen und über Bord springen sehen. Er ist mit dem Topplicht nicht höher als ein halber See­ stiefel, und wenn der nisse das Schiff verläßt, kündet das im Seemannsaberglau­ ben immer den Untergang an.

Vergessen wir Amerika nicht! ]. B. O'Reilly erwähnt den fliegenden Hol­ länder in seinen „Songs of the Southern Seas" (1873H). Aber schon 1850 wird in Kalifornien ein Straßenlied verkauft, welches der „Alta California“-Redaktion so gefällt, daß sie es in ihrer Zeitung vollständig abdruckt: (1850H3) „The Legend of the ,Cameo' (or, the Phantom Brig); Respectfully dedicated to Sir Robert Ridley“. Die Ballade spielt in der Zeit des Goldrausches. Ein Gerücht breitet sich aus, daß ein Mann nahe der „Bay of Trinidad“ viel Gold gefunden habe. Doch niemand kann die Bucht finden. Da heuert Sir Robert Ridley Leute an und bemannt die alte „Cameo“.

The victims rushed their fare to pay, For Robert did them tell That he would shurely “find the Bay, Or run the Brig to H-1“; And which of these two things he did Will soon appear before ye, If you will but take pains to read The rest of this true story. Die „Cameo“ sticht in See und wird nicht mehr gesehen. But many a sailor tells a tale Of the old C a m e o’ s ghost, Doomed til the end of time to sail Along the Northwest coast.

(1828K) zeigt sich der Klabautermann in der Stunde der Gefahr; nur hier wird zudem von einer NeWgestalt gesprochen, und während sich der Klabautermann nach Heine auf dem Steuer zeigt, springt er bei Smidt über den Bug in die See. (Außerdem nennt Heine den Geist „Klabotermann“.)

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Nadi einiger Zeit will der Schoner „Paragon“ im Goldfieber der „Cameo“ folgen. Er begegnet der Brigg, man erkennt die Totengesiditer der Mannschaft und hört den klagenden Schrei Sir Roberts: es gebe keinen Hafen „Bay of Trinidad“. Ein Sturm bricht aus, der gute Schoner strandet. The brig Arabian next did meet The Cameo on the wave, And of her crew, e’er sun had set, Five found a watery grave; For when that Phantom Brig appears, Most dire is th’effect; The sight of her has been for years Forerunner of a wreck. But onward she is doomed to sail Along that rock-bound coast, And when most loudly roars the gale, Is seen the C a m e o’ s ghost; And then a voice is heard to say With loud unearthly yell, "By G-d we’ll either find the Bay Or run the Brig to H-l". Eine zweite amerikanische Ballade unseres Themenkreises, die sehr bekannt und beliebt geworden ist, stammt von H. W. Longfellow: The ballad of Car­ milhan, in seinen „Tales of a Wayside Inn“. (1863K) In Stralsund spinnen alte Kapitäne Seemannsgarn. Plastisch wird der „Klaboterman“ geschildert und auch das Geisterschiff „Carmilhan“, das im Atlantik segle, besonders aber im Mittelmeer, und dem zu begegnen den Untergang bedeute. Der Kapitän der „Valdemar“ lacht darüber. And then he swore a dreadful oath, He swore by the Kingdoms Three, That, could he meet the Carmilhan, He would run her down, although he ran Right into Eternity! Nach glücklicher Fahrt gelangt die „Valdemar“ dann in einen Sturm; vor ihr liegt plötzlich das Totenschiff mit dem Klaboterman auf dem Bugspriet; der Geist erscheint auf der „Valdemar", als diese mitten durch das Gespenster­ schiff hindurchfährt. Die „Valdemar" zerbricht an den Drei-Schornstein-Felsen88. Nur der fromme Schiffsjunge, den der Klabautermann in seinen Schutz genommen, wird gerettet.

Da der Klabautermann sonst in der angelsächsischen Welt nicht begegnet, wird die Frage nach Longfellows Stoffquelle wichtig. Der Hafen Stralsund* 36

36 Vgl. die merkwürdige Holländer-Aufzeichnung aus Mecklenburg: (191SH2W) In de Middlandsch See hett he (der fliegende Holländer) sägelt — is noch to sehn, as wenn de Mast un Sägel an sitten an de Klippen in Spanien. 53

deutet auf eine deutsche Überlieferung, und wir dürfen tatsächlich mit großer Wahrscheinlichkeit in Lysers Erzählung „Der Klabotermann“ (1838K) Longfellows Vorlage sehen. Er kann sie 1842 auf seiner dritten Europareise ken­ nengelernt haben’7. Wenn Longfellow also, aus der deutschen Überlieferung schöpfend, für die englisch-sprechende Welt überaus lebendige Klabautermann-Verse schafft — Deutschland besitzt ebenfalls ein lustiges Klabautermann-Gedicht und hält es bis heute herauf von einer Schülergeneration nach der anderen lebendig: (18WK) August Kopisch: Klabautermann Flink auf! die lustigen Segel gespannt! Wir fliegen wie Vögel von Strand zu Strand; Wir tanzen auf Wellen um Klipp* und Riff; Wir haben das Schiff nach dem Pfiff im Griff; Wir können, was kein anderer kann: Wir haben einen Klabautermann. Der Klabautermann ist ein wackerer Geist, Der alles im Schiffe sich rühren heißt, Der überall, überall mit uns reist, Mit dem Schiffskapitän flink trinkt und speist; Beim Steuermann sitzt er und wacht die Nacht Und oben in der Mars, wenn das Wetter kracht. Ist's Wetter klar und die Fahrt gelingt, So nimmt er die Geige und tanzt und springt, Und alles muß auf dem Deck sich schwingen, Unzählige, selige Lieder singen, Nicht Sturm, nicht Wurm, ihn ficht nichts an; Wir haben den Klabautermann. Hei, entert er auf! Sei die See auch groß, Klabautermann läßt kein Ende los, Er läuft auf den Raaen, wenn alles zerreißt, Er tut, was der Kapitän ihn heißt, — Und wißt ihr, wie man ihn rufen kann? Courage heißt der Klabautermann! Es ist nur ein Zeichen für die Beliebtheit der Verse, wenn sich der Binnen­ länder die Seemannsausdrücke meist zurechtgeschliffen hat: statt „oben in der Mars“ „im obersten Mast" sagt, für „entern“ „klettern“ setzt und für „Ende“ „Takelwerk“*8. Noch flüssiger als Kopisdis Gedicht ist ein gleichnamiges von

37 H. Vamhagen (1884, S. 85) kann für die Ballade keine Vorlage nachweisen, auch R. Andren bringt in vielen Jahrgängen des „Anglia Beiblatt“ (1896—1902) nur sehr allgemeine Geisterschiffvarianten bei. — Gemeinsam sind Lyser und Longfellow neben den Namen Klaboterman(n) und Carmilhan mehrere Motive, die nur diesen beiden Fassungen eigen sind: die Ver­ knüpfung von Geisterschiff und Schiffsgeist; der Klabotermann auf dem Bugspriet der Camilhan; das Erscheinen des Geistes auf dem Kauffahrer; der vom Klaboter­ mann beschützte fromme Schiffsjunge. (Bei Lyser fehlen der Schwur des Kapitäns und das Motiv der Drei-Schornstein-Felsen.) 38 Z. B. in: Deutscher Sagenschatz. Hg. A. Tecklenburg. Berlin 4o. J. (1930?), S. 222 i.

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G. Blum, allerdings auch noch kindlicher. Die moralisierende Schlußstrophe mag hier genügen:

(1855K3) Soll’s euch, ihr lieben Kleinen, Zur See einst gut ergeh'n, Bleibt selber gut und denket: Klabautermann wird’s seh’n!

Der Bogen der Unterhaltungslrteratur spannt sich von anspruchsvolleren Romanen und Erzählungen über Zeitungs- und Magazingeschichten bis zu Flugblattliedem und Kinderversen. Überall haben auch unsere Seegestalten ihren Platz; ganz gleich, ob sich der Sagenstoff selbst genug ist, ob er nur einige Farbtupfer setzen soll, oder ob er gar als willkommenes Glied eine Komposition vervollständigt: In Levin Schückings Novelle „Die drei Freier" (1861H1) be­ werben sich der Prinz von Armenien (ewiger Jude), Oberjägermeister von Rodenstein (wilder Jäger) und Admiral van der Decken aus Batavia (fliegen­ der Holländer), die ihr Rastjahr gemeinsam verbringen, um eine Augsburger Bürgerstochter. Die Erzählung ist eine seltsame — für die Mitte des vorigen Jahrhunderts keineswegs untypische — Phantasie „von den Geistern, die über die Erde, durch die Luft, über das Wasser wandern und alle sich beugen vor dem schwarzen Gebieter des Feuers".

Übersicht: Quellen in der Unterhaltungsliteratur von etwa 1840 bis 1880 1839 1840

1840

1841

1841 1843 1847 1849

1850 1850

Blicher benutzt den Schiffsgeist in einem Roman. Eine englische Vanderdedten-Erzählung erscheint in dänischer Übersetzung in „Kjobenhavns Natkikkert". Lyser bringt in einem Sammelwerk eine Erzählung vom fliegenden Holländer nach mündlicher Überlieferung und Motiven von Marryat; Smidts Novelle „Der ewige Segler“ wird nachgedruckt. Fokke-Sage in „Das Ausland“; erneut veröffentlicht 1846 in Kemers„Magikon“, 1848 in Scheibles „Kloster“. Variante 1892 bei Dykstra. Th. Gyllembourg-Ehrensvärd erwähnt den Schiffsgeist in einer Erzählung. Geisterschiff-Ballade des Freiherrn von Strachwitz. Gerstäcker spielt in einem Reisebuch und einer Erzählung auf den fliegenden Holländer an. Smidt bringt in der zweiten Auflage seiner „Seemanns-Sagen“ eine Novelle über den fliegenden Holländer neben den schon bekannten Klabautermann- und Totenschiff-Erzählungen. Die Zeitung „Alta California“ druckt ein Flugblattlied über das Geisterschiff „Cameo“. Ingemann erwähnt den fliegenden Holländer in einem Kunstmärchen. Kopisch schreibt ein Klabautermann-Gedicht.

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1850 1852 1854 1855 1855 1855

1858 1861 1863 1867

1869

1871 1871 1872

1873 1874 1876

Mügge erwähnt den fliegenden Holländer in einem Roman. In einer Erzählung Asbjernsens entspinnt sich ein Gespräch über den Schiffsgeist. Hugo beschreibt den fliegenden Holländer in einer Ballade. Klabautermann-Gedicht von Blum. Gerstäcker schreibt zwei Klabautermann-Novellen. Redensartliche Verwendung des fliegenden Holländers in Brinckmans „Kaspar Ohm“. Gerstäcker erwähnt in zwei Erzählungen den Klabautermann und den fliegen­ den Holländer. Vanderdedcen als Gestalt in einer Erzählung Schückings. Longfellows „Ballad of Carmilhan“ mit einem Klabautermann-Bericht. Van Straten-Sage und Beschreibung des Klabautermann in der Familienzeit­ schrift „Daheim“ (Werner) Werner druckt die Van-Straten-Sage und Klabautermann-Beschreibung in sei­ nem „Buch von der Norddeutschen Flotte“, das seit 1880 als „Buch von der Deutschen Flotte“ erscheint. Schon 1898 in 7. Auflage. Die Erzählung über die Sagengestalten auch in Werners „Seebildern“ 1876. Storm verwendet den Klabautermann symbolisch in einer Novelle. Brachvogels vierbändiger Roman „Der fliegende Holländer“. Larsen erzählt in Reiseerinnerungen die Holländersage und erwähnt den Schiffsgeist. O’Reilly spielt in Seeliedem auf den fliegenden Holländer an. Schilderung des Schiffsgeistes in einem Roman von Lie. Holländer-Ballade des Schweden Rydberg.

Seemännische Zeugnisse

In den letzten Jahrzehnten der Segelschiffszeit öffnet sich der Blick in die seemännische Welt. Sie dringt tief in das Bewußtsein der lesenden Bevölke­ rung. Meeresmotive sind in der Literatur Mode geworden. Schriftsteller ver­ wenden und gestalten die volkstümlichen Überlieferungen von der See, und Sagensammler halten wenigstens den Klabautermann in seinen ursprünglicheren Zügen fest. Das Seemannsleben wird in seiner Fülle entdeckt, — der Seemann selbst bleibt stumm.

Unmittelbare Seemannszeugnisse über den fliegenden Holländer und den Klabautermann sind so selten wie eh und je. Nur zufällig ist uns eine breto­ nische Sage in der Nacherzählung eines alten Seemannes erhalten: (1859H) „Le Bridt Infernal“ wird von Verbrechern besegelt, die einmal auf die abscheu­ lichste Weise mit Besatzung und Passagieren einer gekaperten Fregatte ihr grausames Spiel getrieben haben. ... une voix formidable se fit entendre dans les airs; Dieu parut sur la nuée, et dit: «Tu vogueras, Dahul, au gré des vents, à la merci des flots; ton équipage

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s’épuisera en manœvres éternelles et inutiles; tu iras par toutes les mers, et jusqu’à la fin des siècles, tu recueilleras à ton bord tous les noyés de l’univers. Tu ne mourras pas, tu n’aborderas jamais le rivage, ni le vaisseau que tu verras toujours fuyant devant toi; tu seras le Juif-Errant des Mers.« Dieu se tut, le brick bondit sur les flots, la famille espagnole et l’évêque, détaché de la croix, furent jetés dans une barque et abordèrent au rivage, et Dahul, poussé par les vents, balloté par les vagues, disparut à leurs yeux. Depuis ce jour, le bride accomplit son arrêt; il va toujours annonçant la tempête, la mort et l’incendie; il vogue sans biscuit, sans repos, sans eau douce et sans espoir, et quand sonnera la trompette de l’ange annonçant la fin du monde, il voguera encore. ...

In dem handschriftlichen Liederheft des Matrosen Th. Fathschild, an Bord der preußischen Fregatte „Thetis“ (1860/62), findet sich ein Text auf die Melodie von Schillers „Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd“. Als ursprüngliche Seemannsüberlieferung wird man diese Verse kaum bezeichnen dürfen; auf jeden Fall aber sind sie lebendig gewesen und an Bord gesungen worden: (1860H1) 1. Es woget die See, es brauset das Meer, Hoch türmen sich Wogen auf Wogen, dort aus der Feme so graus und hehr Kommt ein schwarzes Schiff gezogen. Es regt sich auf Deck nicht Mann oder Maus Es schwimmt auf dem Meere, und nirgends legts an. 2. Die Sterne des Himmels leuchten so hell durch Tauwerk, Segel und Masten. Es segelt bald langsam, es segelt bald schnell, Als dürft es nicht ruhen, nicht rasten. Ein Totengerippe auf dem Decke steht, Und ein Totenkopf in die Segel steht! 3. Es eilen die Schiffe aus seinem Bereich; denn sein Anblick bringt Tod und Verderben. Der mutigste Seemann wird starr und bleich Und betet, um selig zu sterben. So schwimmt das Schiff die kreuz und quer Viel hundert Jahre auf dem Meer. 4. Der fliegende Holländer wird es genannt, Es ist mit dem Fluche belastet. Als herrliches Schiff ging es einst aus dem Lande Und ist seitdem nicht mehr gelandet. (Erst wenn die Sünde gebüßet ab, Umfängt den Kapitän und die Mannschaft das Grab.)** 39 Variante in: Pommersche Volksballaden 1933, S. 110: Str. 1: Z. 1 und es brauset; 3 so hehr-, 4 geflogen; 5/6 Es regt auf dem Deck sich nicht Maus noch MannjEs tut nirgends rasten, es legt nirgends an. — Str. 2: Z. 1 Sterne am Himmel, sie leuchten; 2 Durch Segel, Tauwerk; 4 ruhen noch rasten; 5/6 Und ein Totenkopf in den Segeln schwebt,/Und ein Totengeripp an dem Ruder steht. —

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Etwas besser überliefert ist eine amerikanische Ballade, die eine Begegnung mit dem fliegenden Holländer schildert (1880H1). Sie wird um 1880 von ver­ schiedenen Sängern auf der Bühne vorgetragen, aber auch von Seeleuten ge­ sungen, z. B. von einem gewissen Dick Maitland; er nennt das Lied „Vanderdecken" und ergänzt: (1880H2) „Die alten Seeleute glaubten: kam der flie­ gende Holländer mit vollen Segeln heran, dann war es Zeit, die eigenen ein­ zuziehen. Ich hab’ gehört, wie sie sich im Logis über ihn gestritten haben. Gewöhnlich schnauzten einige alte Burschen einen Jungen an, der noch nicht lange auf See gewesen war. . . . ,Ich sage dir, Söhnchen, ich hab’ ihn selbst gesehn!’ “ Von den Klabautermännchen hat der nordfriesische Besenbinder Jens Drefsen, der früher Seemann gewesen war, mancherlei mitgeteilt: (1862K) ... Gewöhnlich sieht man sie gar nicht, sondern hört sie bloß. Aber ich weiß doch von einem Schiffszimmermann zu erzählen, der einmal ein Kla­ bautermännchen gesehen hat. Der hat statt das Ding zufrieden zu lassen ein Stück Brennholz nach ihm geworfen und ihm das Bein damit zerschmettert. Da hat das kleine dicke Männlein sich gerächt. Es hat dem Zimmermann unsichtbar eine Falle gestellt, und dieser ist Tags darauf „up eben Slich“ gefallen und hat ein Bein gebrochen. In demselben Augenblick ist ein Gelächter aus dem Schiffs­ raum herauf erschollen, daß den Leuten die Haare zu Berge gefahren sind. Und der Zimmermann hat sein Lebtag gehinkt.

Auch Berichte über eine Begegnung mit dem fliegenden Holländer besitzen wir aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In den Tagebüchern der Prinzen Albert Victor und George (dem späteren König Georg V.) von ihrer Reise mit der „Bacchante" 1881 findet sich z. B. folgendes (das Schiff segelte südostwärts von Australien): (1881H2) July 11: At 4 a. m. The Flying Dutchman crossed our bows. A strange red light, as of a phantom ship all aglow, in the midst of which light the masts, sails 8c spars of a brig 200 yards distant stood out in strong relief. The look-out man on the forecastle reported her as close on the port bow, where also the officer of the watch from the bridge clearly saw her, as did also the quarter­ deck midshipman who was sent forward at once to the forecastle; but on arri­ ving there no vestige nor any sign of a material ship was to be seen, either near or right away to the horizon, the night being clear the sea calm. Thirteen per­ sons in all saw her, but whether it was Van Diemen or the Flying Dutchman or who else must remain unknown. The Tourmaline 8c the Cleopatra, who were sailing on our starboard bow, flashed to ask whether we had seen the strange red light... At 10:45 a. m. the ordinary seaman who had this morning reported the Flying Dutchman fell from the topgallant to the forecastle and was smashed to atoms. (At the next port we came to the Admiral was smitten down.) Str. 3: Z. 1 Es fliehen; 3 Und der mutige Seemann erschrickt und erbleicht; 4 Und er betet; 5 So eilet; 6 Wohl 100 Jahre schon und noch mehr. — Str. 4: Z. 2 Und es ist; 3 Als stolzes Schiff verließ es einst seinen Strand; 4 Doch hat es seitdem nicht gerastet; (5/6 fehlt bei Fathschild). 58

Schließen wir zusammenfassend unseren unvollkommenen Einblick in die Überlieferungswelt des Seemannes jener Zeit, als noch die weißen, hohen Segel den Ozean beherrschten, mit einer Bemerkung von Arthur Breusing, dem ehemaligen Leiter der Seefahrtschule in Bremen, der oft an Bord mit Matrosen zusammengesessen und „geklöhnt“ hat: (1889H2) Der Führer des gespensterhaften Schiffes hat sich einmal bei widrigem Winde vermessen, daß er um das Kap herum wolle und wenn er auch bis in die Ewigkeit segeln müsse, und dabei ist er festgehalten; er muß nun ewig gegen den Wind kreuzen, ohne weiter kommen zu können. Das ist die einfache Sage, wie sie bei den Matro­ sen umgeht. Von dem, was Heinrich Heine und Richard Wagner daraus ge­ macht haben, weiß der schlichte Seemann nichts. Übersicht: Seemännische Zeugnisse aus den letzten Jahrzehnten der Segelschiffszeit

1859 Geisterschiff-Sage eines alten bretonischen Seemannes aufgezeichnet. 1860 Lied über den fliegenden Holländer aus dem Liederheft eines preußischen Matrosen. 1862 Klabautermann-Erzählung eines ehemaligen Seemannes in Nordfriesland. 1880 Amerikanisdies Seemannslied über Vanderdedken. Der Gewährsmann spricht auch über den Glauben an den fliegenden Holländer. 1881 Das Reisetagebuch der Seekadetten Prinz Albert Victor und Prinz George schildert eine Begegnung mit dem fliegenden Holländer. 1882 Holländer-Begegnung, von einem Seemann gesdiildert. 1889 Breusing teilt Glaubensvorstellungen über das Geisterschiff mit, wie er sie von Matrosen oft gehört hat.

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Die Überlieferung seit der Dampf- und Motorschiffszcit Die Schiffbautechnik setzt im Seemannsleben des 19. Jahrhunderts eine deutliche Zäsur. Wir wollen einen kurzen Blick auf den historischen Hinter­ grund werfen. 1807 hatte Robert Fulton sein dampfgetriebenes Schiff auf dem Hudson erprobt; 1819 fuhr die „Savannah" als erstes Dampfschiff in 26 Tagen von den USA nach Europa. Zunächst aber fand der neue Schiffsantrieb fast nur in der Fluß- und Küstenschiffahrt Verwendung. Als dann 1839 in England die „Cunard Steamship Company“ gegründet wurde, setzte in den vierziger Jahren eine stärkere Entwicklung der Dampfschiffahrt in Form eines regel­ mäßigen Linienverkehrs mit der neuen Welt ein. Die Segelschiffe, aber, wur­ den durch diese Dampfer noch nicht von den Weltmeeren verdrängt; nur im Post- und Auswandererverkehr boten deren kürzere Fahrzeiten einen er­ heblichen Vorteil1. Die Blütezeit der Segelschiffahrt stand noch bevor. Mit der Industrialisierung war in Europa die Bevölkerung angewachsen und der Bedarf an Transportraum für Massengüter und Rohstoffe gewaltig gestiegen: Zucker und Kaffee, Baumwolle und Tabak mußten von Übersee herangeschafft werden. Als 1849 die englischen Navigationsakte aufgehoben und der Warentransport nach den britischen Inseln auch wieder jenen Schiffen freigegeben wurde, die weder Großbritannien noch dem Ursprungsland der Güter angehörten, beflügelte das die Seeschiffahrt aller Länder ungemein: in Norwegen genauso wie in den Niederlanden oder in Mecklenburg. Von 1853 bis 1870 verdoppelte sich, beispielsweise, die Rostocker Handelsflotte, die großenteils Weizen von der Schwarzmeerküste nach England brachte23. „Dormais hett’n Schipp, wat in de Fohrt wäst is, oft soväl verdeent, dat dat halwe Schipp betahlt wäst is,“ erinnert sich ein mecklenburgischer Seemann. „Rostock wier gor nich to sehn vor luter Masten früher“8. Doch in dem steigenden Wettbewerb setzten sich schließlich die modernen Errungenschaften der Seeschiffahrt durch. England, aber auch Hamburg und Bremen, gewannen durch ihren entschlossenen Übergang zum dampfgetriebe­ nen Eisenschiff Vorteile gegenüber Frankreich und den Vereinigten Staaten; in Deutschland verlagerte sich ferner das Gewicht des Seehandels von der Ostsee nach der Nordsee456. Viele alte Segelschiffe wurden meist von den Skan­ dinaviern für den Holztransport aufgekauft; besonders in Hamburg und in Holland8. Etwas später dann auch in den Ostseehäfen: „Wat wi in Düütschland nich mihr bruken künnen, dat kreeg de Skantehuw* (so säden wi to de Sweden) — so von 1885 bet 95“#. Nur einzelne Großsegler blieben selbst nach der Jahrhundertwende für bestimmte Frachten noch konkurrenzfähig, 1 2 3 4

Vogel 1949, S. 190. Wossidlo, S. 1. Wossidlo, S. 1. Vogel 1949, S. 191 f. (1854 überstieg die deutsche Ostseetonnage die der Nordsee noch beträchtlich). 5 Bull 1961, S. 13. (Bereits in den 1860er Jahren.) 6 Wossidlo, S. 2.

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■wie die „Flying P-Liners“ der Reederei Laeisz, die Chilesalpeter nach Europa holten. 1880 wurde die Hälfte der Handelsgüter auf See von Dampfschiffen be­ fördert7. Diese Tatsache mag uns ganz grob den Untergang der Segelschiffs­ zeit fixieren. Wir wollen festhalten, daß das Dampfschiff seine Herrschaft in den südlichen Randstaaten der Nordsee schon viele Jahre vorher begonnen hatte und sich die skandinavischen Länder — Norwegens Flotte bestand 1880 zu 90 °/o aus Segelschiffen8 — erst gegen Ende des Jahrhunderts erobern konnte. Aber auch im beginnenden 20. Jahrhundert traf man noch Segler auf dem Ozean9. Das Dampfschiff hat die Welt des Seemanns umgestaltet. Ist schon rein äußerlich das Bild eines Segelschiffes dadurch bestimmt gewesen, alles zur möglichst schnellen Fahrt vor dem Winde zu nutzen, so tritt beim Dampfer seine Eigenschaft als Träger und Übermittler von Ladung hervor. Der große Rahmen des seemännischen Lebens, die See, bleibt gleich; aber das Ver­ hältnis des Menschen zu ihr, das Empfinden für Wetter und Wogen sinkt in seiner Bedeutung. Der einzelne Matrose verliert, was ihm Stolz und häufig auch Begeisterung gewesen ist: das Bewußtsein, durch ständigen persönlichen Einsatz die glückliche Reise mitzuentscheiden10. „Nu kann jo jeder Buerknecht to See fohren“, heißt es geringschätzig und wohl nicht ohne eine Spur Ent­ täuschung1112 . Mit dem Einbruch der Technik bildet sich auf dem Schiff auch die Arbeitsteilung deutlicher heraus. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der ge­ samten Mannschaft als einer engen Schicksalsgemeinschaft, das früher nur allzu oft auf die Probe gestellt wurde, schwächt sich ab, und die Hast der modernen Arbeitswelt wird für den Seemann spürbarer: „Man wihr mihr Minsch up’n Sägelschipp. Nu heit dat: Rin in’n Haben un wedder ruut"1*. Diese soziologischen und psychologischen Wandlungen im Seemannsleben beeinflussen auch die geistige Überlieferung auf See. Die Lust und die Gele­ genheit, um Geschichten vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann zu erzählen, teilnehmende Bereitschaft, um sie zu hören, schwinden dahin. Zu dem Verlöschen äußerer Erzählsituationen kommt die Wirkung des mo­ dernen Seeverkehrs auf die Erzählungen selbst hinzu. Deren Lebensbedingun­ gen ändern sich, als der real gezeichnete Hintergrund der Sagengestalten, so­ weit er nicht durch die See in ihren natürlichen Erscheinungen ausgefüllt wird, zum Relikt erstarrt. Die lebendige Anschauung geht für die Sagentradition mit den Segelschiffen langsam verloren, an ihre Stelle tritt der sentimentale Rückblick einer im zeitlichen Abstand sich verklärenden Erinnerung. „Mit 7 Eriksen 1961, S. 7. 8 Eriksen 1961, S. 7. 9 Die Welthandelsflotte umfaßte an Schiffen über 100 BRT 1914: 2O,5°/o Segelschiffe mit 7,2% der Welttonnage, 1932: 7,1% Segelschiffe mit 2,0% der Wektonnage. (Nach Zahlenangaben in: Illustrierter DeutscherFlotten-Kalender für 1935 (33. Jg.), S. 64.) 10 Vgl. Salis-Soglio 1953, S. 121. 11 Wossidlo, S. 3. 12 Wossidlo, S. 3.

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dem Segelschiffe ist ein gut Theil Poesie des Seelebens für immer geschwunden“, schreibt schon 1869 ein preußischer Admiral18. Die Zeit bis zur Jahrhundertwende

Drei umfangreiche Sammelwerke sind der sichtbarste Ausdruck dafür, wie man sich am Ende des 19. Jahrhunderts plötzlich bewußt wird, daß ein in seiner Fülle ungeahntes Kulturgut seemännischen Glaubens und Wissens rasend schnell der Technisierung zum Opfer fällt. 1885 erscheinen Fletcher S. Bassetts „Legends and Superstitions of the Sea“, 1886 folgen Paul Sébillots zweibändige „Légendes, Croyances et Superstitions de la Mer“ und schließlich 1888 „See­ spuk“ des Marinepfarrers Paul Gerhard Heims. Noch heute sind diese Werke die wichtigsten, unausgeschöpften Quellen zum Seemannsglauben. Um so schmerzlicher ist es, zu sehen, daß auch sie kaum unmittelbare Zeugnisse geben. Heims, auch Sébillot, ist vielfach von Bassett abhängig, und alle drei bringen im wesentlichen literarische Belege. Die unförmigen Stoffmassen sind nur sehr grob geordnet. Zeugnisse der antiken Literatur stehen z. T. gleichberechtigt neben polynesischen Vorstellungen und Zeitungsberichten aus dem modernen Europa. Außer vereinzelten, kühnen Interpretationen können wir zu unseren Sagengestalten nichts neues entdecken. In jenen Jahren wird eine ganze Reihe volkskundlicher Zeitschriften ge­ gründet. Schon 1890 veröffentlicht „Am Ur-Quell" die Darstellung eines grau­ enhaften Klabautermann, wie ihn ein Matrose aus Dithmarschen beschrieben hat (1890K3). Seine Aussage stimmt — oft bis hin zu Wortwahl und Satzbau — mit Werners Schilderung (1869) überein. Für uns neu und interessant sind bei gefügte Sagen. (1890K4) Ein Blankeneser Schiffsjunge kam einst auf ein Hamburger Schiff. Das Schiff segelte nach der Westküste Amerikas und kam glücklich wieder zurück bis Helgoland. Nun stand eines guten Tages der Junge auf dem Ausguck. Auf einmal stürzt er mit jämmerlichem Geschrei von der „Back“ herunter. Man fragt ihn, was ihm fehle, er kann aber kein Wort herausbringen. Am anderen Morgen schickt der Steuermann ihn hinauf, die „Rouls“ (Segel) loszumachen. Kaum ist er oben, so stürzt er auch schon rücklings aufs Verdeck und bricht ein Bein. Wie er nun abgemustert ist, hat er erzählt, daß er an jenem Abend eine weiße Ge­ stalt auf dem Bugspriet gesehen und den andern Morgen oben in den Raaen. Da­ rüber sei er heruntergefallen. Die Gestalt aber sei kein anderer gewesen als der Klabautermann.

* (1890KS) Der Schiffer G. aus Delve befand sich mit seinem Schiff auf See, und während er selber unten in der Kajüte war, stand sein Sohn am Steuer. Da kam der Klabautermann beim Bug des Schiffes herauf, ging längs dem Verdeck und besah sich alles genau. Endlich kam er auch zu dem Sohne und legte, ohne ein Wort zu sprechen, seine Hand auf das Steuer. Darauf ging er wieder über das Verdeck zurück und — verschwand. Und noch in derselben Nacht ging das Schiff unter. Der Schiffer aber und sein Sohn retteten sich.13

13 Werner 1876, S. 359. (1869). 62

Die „Zeitschrift des Vereins für Volkskunde“ druckt 1892 unter Zwerg­ sagen aus Nordfriesland einen Text über den Klabautermann, der auf ältere sdiriftliche Zeugnisse zurückgeht (1862K, 1846K). In Frankreich bringen die Zeitschriften „Mélusine“ und „Revue des traditions populaires“ um die Jahr­ hundertwende verschiedene Geisterschiff-Varianten. Wir finden u. a. die Sage vom „navire errant“ (1902H1), einer Brigg, mit Piraten bemannt, welche wegen ihrer Verbrechen zum ewigen Umherirren verurteilt sind. Diese Knechte des Teufels kommen mit einem Kriegsschiff ins Gefecht und werden zuletzt durch den Wurf eines Glücksteins besiegt und verjagt.

Neben den mehr oder weniger wissenschaftlichen Veröffentlichungen setzt die breite Popularisierung der Seeüberlieferung ein. Ludwig Frahm z. B. be­ handelt in seinen „Norddeutschen Sagen von Schleswig-Holstein bis zum Harz“ (1890) den Klabautermann als auch den fliegenden Holländer in ei­ genen Kapiteln. Er versucht, die inhomogenen Stoffhäufungen des Positivis­ mus lesbar zu machen, greift aber dabei so stark in die Texte selbst ein, daß die ursprünglichen Sagen kaum wiederzuerkennen sind. So erhält z. B. die mit Jal-Motiven völlig durchmischte Fokke-Sage einen zusätzlichen Schluß: (1890H1) Daheim grämte sich um ihn ein liebendes Weib, zwischen Angst und Hoffnung schwebend und von letzterer wunderbar erhalten durch Jahrzehnte. Endlich versiechte die Kraft der Jugend und der Teufel schickte das Geisterschiff, daß es die Seele abhole zur ewig ruhelosen Fahrt mit ihrem Geliebten. Aber der Todesengel gab ihr den Kuß des Friedens und nahm sie mit ins Land des Frie­ dens. Und Bernd Foche trat seine Fahrt wieder an.

In der reinen Unterhaltungsliteratur, die sich ja immer schon das Recht subjektiver Umgestaltung herausgenommen hat, treten neue Tendenzen noch nicht so deutlich hervor. Den großen Werken Marryats und Wagners folgen A. E. Brachvogels ausladender Roman „Der fliegende Holländer" (1871H) und das vielstrophige Opus des Schweden Viktor Rydberg „Den flygande Holländaren“ (1876H1); der Roman „The Death Ship" (1888H2) von Clark W. Russell und das Epos „Der fliegende Holländer“ (1892H5) von Julius Wolff. Diese letzte, ebenso populäre wie schwülstig-sentimentale Dichtung mit etwa fünfeinhalbtausend Versen erzählt von Tyn van Straten, einem lasterhaften holländischen Kapitän, der seine Frau in einer Seemannskneipe verspielt: Drei Jahr geb ich dir Ingborg preis Auf hoher See nehm ich sie wieder, Am Cap der guten Hoffnung sei’s!

Der Gewinner täuscht der Frau den Tod van Stratens vor; sie leben zu­ sammen, bekommen ein Kind und bemühen für dessen Wiegenlied auch den Klabautermann (1892K6). Die Geschichte endet nach drei Jahren in der Süd­ see. Ingeborg springt, als sie die Wahrheit erfährt, über Bord, ihr Geliebter zerschellt mit seinem Schiff an einem Eisberg, als er van Straten vergeblich erwartet; dieser nämlich hat inzwischen herrlich auf malaiischen Inseln gelebt 63

und verspätet sidi nun. Im Sturm setzt er alle Segel, bohrt eine Brigg in den Grund, lästert Gott und verflucht sich zum ewigen Segeln — da geht der Tod an ihm vorbei. Diese „Seemannssage“ wird bis weit ins 20. Jahrhundert hinein immer und immer wieder neu aufgelegt. Sie hat vermutlich auch Pate gestanden bei einer Sagenfassung, die Paul Selk 1935 in der Söruper Schule in Angeln aufgezeich­ net hat. (1935H1) Der fliegende Holländer war ein Kapitän aus Danzig, der gerne würfelte. Eines Tages saß er in einer Seemannskneipe mit einem anderen Kapitän und sie würfelten. Er verlor andauernd. Wie er sämtliches Geld verloren hatte, verspielte er auch noch sein Schiff. Da rief er: Jetzt muß ich aufhören; denn ich habe gar nichts mehr. Da meinte der andere: Etwas hast du doch noch, nämlich deine Frau. Ich setze sämtliches Geld und Schiff dagegen, gewinne ich, gehört dir sämtliches von deinem Verlorenen, aber mir deine Frau. Nach einer Bedenkzeit nahm er das Spiel an und verlor. Vordem hatten sie abgemacht, daß der Gewinner die Frau in der Neujahrsnacht um 12 Uhr am Kap Hoorn in Empfang nehmen sollte. Es war aber wie gewöhnlich, so auch in der Neujahrs­ nacht ein gewaltiger Sturm, so daß die Schiffe mit Mann und Maus untergingen. Nach der Zeit erschien das Gespensterschiff, der fliegende Holländer.

Aber nicht nur ganze Werke repräsentieren unsere Sagengestalten um die Jahrhundertwende; auch in bescheidenerem Umfang behalten sie in der lite­ rarischen Überlieferung noch eine lebendige Funktion. (1886K) „Ahoi! Klaus Nielsen und Peter Jehann! Kiekt nach, ob wi noch nich to Mus sind! Ji hewt doch gesehn den Klabautermann? Gottlob, dat wi wedder to Hus sind!“ Die Fischer riefen’s und stießen an Land und zogen die Kiele bis hoch auf den Strand, denn dumpf an rollten die Fluten; Han Jochen aber rechnete nach und schüttelte finster sein Haupt und sprach: „Een Boot is noch buten!“

So beginnt eine Ballade von Arno Holz. Die „Mönchgauder Spaukgeschichten" kennen eine Klabautermann-Erzählung, in welcher der Schiffsgeist einen Zimmermann mit von Bord nimmt und ihn rettet (1898K). Hein Sternhagen berichtet vom Leben und Treiben im alten Hamburg — Ut Vadder’s Tieden! — und erwähnt (1893K2) den Klabautermann, der am Morgen nach den Gelagen im alten Rumpf der „Möwe“ diesen geohrfeigt, jenem die Nase gequetscht und überall Unheil und Verwirrung angerichtet habe. Im „Niedersächsischen Heimatbuch" erscheint eine Geisterschiff-Ballade von Ludwig Frahm. (1893K1) Im letzten Augenblick kann ein Schiff der Kolli­ 64

sion mit dem schwarzen Segler entgehen, weil plötzlich ein fremder Steuer­ mann am Rad steht. Ein kleiner Kerl, das Antlitz voller Falten, Gehüllt in alte, kahle Seemannstracht, — Der Kapitän geht staunend zu dem Alten: Habt Dank, habt Dank! Ihr habt uns frei gemacht! Doch sprecht, wer seid Ihr? Wie kann ich Euch danken? Der aber winkt ablehnend mit der Hand, Verschwindet eiligst über Tau und Planken Und schwingt sich über unsers Schiffes Rand. Wer wars? Wer ists! — Ein Feind ists von dem Bösen, Ehrsamen Schiffern huldvoll zugetan, Sie aus der Macht des Geisterschiffs zu lösen Als ungebetner, starker Steuermann.

Überhaupt sind Seegedichte zu jener Zeit sehr beliebt. Man durchblättere nur die umfangreiche Anthologie „Ahoi! Deutsche Meereslyrik“ von Maxi­ milian Bern. Im Kapitel „Schiffersagen" finden sich die unterschiedlichsten Geisterschiff-Gedichte, darunter O. L. B. Wolffs „Der fliegende Holländer" (1900H) und Klabautermann-Verse von Gabriele von Rochow (1900K). Be­ merkenswerterweise ist Kopischs „Klabautermann“ dem Kapitel „Seeleute“ zuge­ ordnet. — Sogar ein gespenstisches Klabautermann-Drama wird damals ge­ schrieben, aber wohl nie auf die Bühne gebracht (1904K).

Aufführungen der Wagner’sdien Holländer-Oper geben um 1900 den Ta­ geszeitungen immer wieder Gelegenheit, die verschiedensten Geisterschiffsagen in populärer Form zu referieren. Wir wollen nur einen Beitrag in der „Täg­ lichen Rundschau“ betrachten, der ein Gespräch mit einem alten Seemann der westjütischen Küste wiedergibt. (1901H1) Auf die Frage, ob er das „Gespensterschiff“ kenne, antwortete der Matrose: „Wir nennen es das Totenschiff (Doedenskibet), weil es keine Spur einer Mannschaft zeigt. Bei Nebelwetter, das in diesen Seestrichen so gefährlich ist, verlieren die Segelschiffe leicht ihren Weg. Sie sehen die Leudittürme der Küste nicht mehr. Die Lage ist schrecklich, man muß fürchten, zu stranden oder eine falsche Richtung einzuschlagen. Dann sehen die armen Seeleute die Silhou­ ette eines andern Schiffes vor sich, das ruhig seinen Weg zu verfolgen scheint. Sie sind instinktiv versucht, diesem Schatten zu folgen, der sicher in einen Hafen zu fahren scheint. Wehe aber, wenn sie der Versuchung nachgeben. Es ist das „Totenschiff", das sie in den Abgrund führen und gegen ein Riff in Norwegen oder England werfen und wie Dunst in dem Augenblick verschwinden wird, in dem die Gefahr nicht mehr vermieden werden kann!“ — „Aber hat das „Ge­ spensterschiff“ einen Kapitän? Einen bleichen, schwarzgekleideten Holländer?" — „Es gibt keinen „Holländer“ als Kapitän. „Holländer" ist der Name des Schiffes." — „Wie das?" — „Zu allen Zeiten haben die Skandinavier Bauholz für die Deiche und Grundpfähle nach Holland gebracht. Dazu benutzten sie Schiffe von der besonderen bekannten Form. Und diese Schiffe, die nur zum 65

Holzhandel mit Holland dienten, nennen wir „Holländer“. Der „Fliegende Holländer“ ist also kein Mann, sondern das Gespensterschiff selbst, das über das Meer zu fliegen scheint und verirrte Schiffe mit sich reißt.“ — „Wagner hat also eine Verwechslung begangen, wenn er seinen Helden „Den fliegenden Hol­ länder nennt man mich“ singen läßt. Aber hat das „Gespensterschiff“ nicht ein ganz besonders düsteres Aussehen? „Blutrot die Segel, schwarz der Mast“, singt „Senta“. — „Alle unsere alten Segelschiffe haben immer geteerte Maste und röt­ lich gefärbtes Segelwerk“. Gerade weil das „Totenschiff“ einem ehrlichen Schiff ähnelt, ist die Besatzung, die den Weg verloren hat, versucht, ihm zu folgen. Sein Kapitän ist ein verfluchtes Wesen, das Gott gelästert hat. Man weiß weiter nichts von ihm. Manchmal legt er an und sucht eine Frau, die ihm Treue schwört und einwilligt, ihm zu folgen, wodurch seine Frage beendigt sein soll. Einmal hat er nicht weit von hier auf einer Insel angelegt, die das Meer seit­ dem verschlungen hat. Als der Kapitän an Land kam, stieg eine Hochzeitsge­ sellschaft von Matrosen gerade die Stufen zur Kirche hinan. Der Verfluchte näherte sich und sagte rauh: „Ich will allein mit der Braut sprechen“. Die Eltern, der Bräutigam und die Freunde wichen erstaunt zurück. Der Kapitän sprach ganz leise mit der Braut, man weiß aber nicht, was er ihr gesagt hat. Aber schließ­ lich sah man betroffen, daß das junge Mädchen dem bleichen Mann freiwillig auf sein ödes Schiff folgte und ohne Lebewohl oder Schmerz ihre Familie und ihren Bräutigam verließ, die an der Schwelle der Kirche warteten." — „Und war dies die Erlösung, da diese Frau ihm treu war?“ Der alte jütländische Matrose sagte nach einer Pause, den Blidc auf den Frager heftend, mit seltsamem Ausdruck: „Nein. Denn ich habe noch zu meiner Zeit das „Totenschiff“ gesehen.“

Eine andere skandinavische Verknüpfung zwischen Totenschiff und fliegen­ dem Holländer gibt C. T. Hey in seinen Erzählungen „Havets Senner“: (1902H2) Der Aberglauben über den Todessegler geht weit zurück. Sein Kapi­ tän ist der holländische Schiffer Vanderdecken, der war ein gottloser Kerl. Ein­ mal versuchte er, im Sturm Kap Hoorn zu umrunden. Die Besatzung war halbtot vor Arbeit, aber er schwor, daß er solange segeln wolle, bis das Ziel erreicht sei. Diejenigen der Mannschaft, die sich weigerten, zu gehorchen, warf er über Bord. Da zeigte sich der Heilige Geist wie ein flammendes Feuer auf dem Schiff, aber der Schiffer schoß mit seiner Pistole auf ihn. Die Kugel traf jedoch nur seine eigene Hand, weshalb er Gott verfluchte und verdammt wurde, bis in ewige Zeiten zu segeln, immer auf Wacht, mit dem Sturm als Getränk und glühendem Eisen als Speise.

Das Erscheinungsbild verfließt. In Berichten von der See, in Beschreibung und Dichtung, bietet sich stets erneut die Gelegenheit, alte irrationale See­ stoffe anklingen zu lassen. Das wird weidlich genutzt. Klabautermann und fliegender Holländer schillern nach kaum hundertjähriger schriftlicher Über­ lieferung in einer Vielfalt der Variationsmöglichkeiten, die beinahe ohne Gren­ zen scheint. Übersicht: Quellen während des Verschwindens der Segelschiffe bis um die Jahrhundertwende

1885 Bassett veröffentlicht in seinen „Legends and Superstitions of the Sea“ viel literarisches Material über den fliegenden Holländer und andere Geisterschiffe, auch über den Klabautermann. 66

1886 1888

1890 1890

1892 1896

In zwei Bänden erscheinen Sébillots „Légendes, Croyances et Superstitions de la Mer"; wenig zu Geisterschiffen. Heims’ „Seespuk" enthält ein Kapitel über den fliegenden Holländer, in dem auch der Klabautermann behandelt wird. Kein neues Material. „Am Ur-Quell" veröffentlicht einen Klabautermann-Bericht und drei Sagen. Frahms „Norddeutsche Sagen“ bringen einen Abschnitt über den fliegenden Holländer und einen über den Klabautermann. Dykstra gibt in „Uit Friesland’s Volksleven“ eine Fokke-Sage und eine andere Spukgeschichte zum fliegenden Holländer. Gespensterschiff-Sage in der „Revue des traditions populaires". Weitere u. a. 1900 und 1902 (Le navire errant).

1886 Arno Holz benutzt den Klabautermann-Glauben in einer Ballade. 1888 Russells Roman „The Death-Ship“; Neuausgabe 1901. 1892 Wolff schreibt sein umfangreiches Epos „Der fliegende Holländer", in dem er auch vom Klabautermann spricht. 1893 Frahms Geisterschiff-Ballade erscheint im „Niedersächsischen Heimatbuch". 1898 In Worms „Mönchgauder Spaukgeschichten“ steht eine Klabautermann-Er­ zählung. 1900 Die Anthologie „Ahoi! Deutsche Meereslyrik“ bringt mehrere Geisterschiff-Ge­ dichte, eines über den fliegenden Holländer und zwei über den Klabautermann. 1901 Zwei deutsche Zeitungen drucken das Interview eines französischen Journa­ listen mit einem dänischen Seemann über den fliegenden Holländer ab. 1902 Hey berichtet in seinen Erzählungen „Havets Senner“ von Vanderdecken. 1903 Die Heimatzeitschrift „Niedersachsen“ veröffentlicht ein Klabautermann-Drama.

Wissenschaftliche Aufzeichnungen und Sagenbücher

Wir haben die Jahrhundertwende überschritten, und es wird jetzt immer schwieriger, unsere Überlieferung im geschichtlichen Ablauf richtig zu sehen. Zu verschiedenartig sind die Quellen, und zu gering ist unser zeitlicher Ab­ stand geworden. Immerhin erkennen wir, daß sich nicht nur das Verhältnis der Menschen zu den Sagen ändert (was später zu erklären ist), sondern daß sich vor allem auch ihr Verhältnis zur Sagentradition deutlich in zwei auseinanderstrebende Richtungen entfaltet. Im 19. Jahrhundert war das Interesse im wesentlichen auf den Erzählstoff gerichtet. Es war selbst für den Wissenschaftler nicht sehr belangreich, mit genau welchen Worten ein Erzähler seine Sage darstellte; wenn es sich aber wirklich um eine Sage handelte und nicht um einen Glau­ bensbericht, dann hat der Sammler darauf geachtet, daß ein Einzelphänomen sichtbar blieb und sich nicht die Motive ähnlicher Fassungen vermischten. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden bereits in größerer Zahl verwandte Stoffe kommentierend aneinandergefügt, und bald war der Schritt getan, verschiedene Motive in einen Zusammenhang zu verschmelzen. Dieser Trend der popu­ lären Sagenliteratur verstärkt sich im 20. Jahrhundert in starkem Maße. 67

Den populären Texten genau entgegen steht eine Gruppe wissenschaftlicher Aufzeichnungen des 20. Jahrhunderts, die bis in Satzbau und Mundart hinein die Einmaligkeit einer bestimmten Aussage festzuhalten versuchen. Jeder nur irgendwie wertende Gesichtspunkt wird zugunsten der Authentizität zurück­ gestellt. Zu diesen beiden Quellengruppen der modernen Volksüberlieferung, zu den undurchsichtig verputzten Sagengebäuden auf der einen Seite und dem rohen Sagenmaterial auf der anderen, gesellen sich die vielen zurechtgeschnittenen Sagen in Unterhaltungsliteratur und Dichtung. Sie füllen ein breites Band zwischen Märchen und Metapher. Das Verhältnis des Autors zum volkstüm­ lichen Stoff ist hier aber weniger durch seine Ansicht, wie Volksstoffe darzu­ bieten seien, als vielmehr durch seine künstlerische Absicht bestimmt. Unter den wissenschaftlichen Texten umfassen die Aufzeichnungen Richard Wossidlos in Mecklenburg den größten Zeitraum. Neben einer kleinen Gruppe aus dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, reichen sie von 1910 bis 1937. Von den 102 Belegen betreffen 75 den Klabautermann und 27 den fliegenden Holländer. Sieht man von den 30er Jahren ab, in denen nichts über den fliegenden Holländer aufgezeichnet wurde, und auch von besonders vielen Klabautermann-Mitteilungen aus dem Jahr 1925, dann verteilen sich die Belege der beiden Sagengestalten ziemlich gleichmäßig über die Sammel­ jahre. Die Zeugnisse stammen durchweg aus mecklenburgischen Küstenstädten: von Wismar über Rostock und Warnemünde bis nach Ribnitz und Damgarten an der Recknitzmündung und Wustrow und Ahrenshoop auf dem Darß; die Erzähler sind meistens Seeleute, die die Blütezeit der Segelschiffahrt noch mit­ erlebt haben, manchmal Mitglieder solcher Familien14. Nicht der Erzählstoff selbst interessiert uns jetzt in erster Linie, sondern die Einbettung des Materials in den Ablauf der Geschichte. Hier ist gleich zu sagen, daß fast alle Mitteilungen der Wossidlo-Sammlung für das entsprechende Aufzeichnungsjahr nur einen „Erinnerungsstand“ repräsentieren; in ihrer Haupt­ aussage gelten sie etwa für die 60er bis 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Es verwundert darum nicht, wenn die Ordnung der Belege nach Aufzeichnungs­ daten kaum Tendenzen irgendwelcher Art deutlich werden läßt: Ein histori­ scher Überblick dieses Materials kann nicht ergiebig sein. Wir wollen daher ver­ suchen, anstatt einer Entwicklung der mecklenburgischen Belege im zeitlichen Längsschnitt nachzuspüren, uns im Querschnitt eines begrenzten Zeitraumes von der Vielfalt der Überlieferung ein anschauliches Bild zu machen. Die Hälfte aller Wossidlo-Aufzeichnungen sind Berichte, die meist nur ein bis zwei Sätze umfassen. Wie manchmal eine persönliche oder eine allgemeine Einstellung zum Glaubensgehalt erkennbar wird, mag die Verknüpfung der Sagengestalten mit Wind und Wetter erläutern: {1925K10a) Wenn de Klabatersmann sik sehn lett, gifft’t Unwäder. (1924H3“) Wenn de Fleegen Hollänner sik zeigt, ward slicht Wider. 14 Bei Wossidlo (bes. S. 284—292) sind knapp 88% der Texte gedruckt; soweit es möglich ist, motivisch geordnet, doch kaum kommentiert. 68

* (1925K19") Wenn de Klabautermann an Buurd kümmt (ik heff em oewer nie nidi hüürt un sehn), denn gifft dat Unwäder. • (1936K1“) Wenn slicht Wäder vier un wi bi de Wind legen, denn säden weck: hier is jo woll de Klabatersmann an Buurd. (—H7*) Wenn en krüüzen ded’, würd seggt: dat is wol de Fleegen Hollänner.

Kaum ausführlicher sind viele Mitteilungen, die die Frage nach den Sagen­ gestalten mit einer rationalen Erklärung schnell abtun: (1924K4W) Dat Fallreep klappert jo ümmer. Wenn’t slicht Wäder is, klappert jo väl up’n Schipp. Denn hebben se seggt, dat wir de Klabatersmann.

(1929H") De Fleegen Hollänner dat is Fata Morgana. Wenn man bi Frühjohrsdag in’n Nuurdborm (= Bottnischer Meerbusen) sägelt, süht man oft ganze Sdiäpen.

Aber wir erfahren auch manche überlieferte Vorstellung. Von der Her­ kunft des Klabautermann, beispielsweise, gibt ein Erzähler einen sdilichten Bericht; ein zweiter versucht, sein merkwürdiges Wissen zu erläutern; ein dritter erzählt — und verwirft es: (1918Kl") Wenn Holt anbrüchig is, wat de Wind afbraken hett, un dat kümmt na*n Schipp rin: so entsteiht de Klabatersmann. * (1925K11") Petermännchen säden wie dorto. Ik denk mi dat so: de Säfte von den Minschen, dee sik uphängt hett an enen Boom, gähn in dat Holt rin. So entsteiht de Klabatersmann, wenn dat Holt in't Schipp verbugt ward. Solang* he arbeit’t, passiert nidcs. * (1916K2") Wenn die Kinner ’n Bruch hatt hebben, hebben se jo früher ’n Boom upklöwt und dat Kind dor dörchstäken. Wenn so’n Boom in’n Schipp verbug’t ward, dor soll de Klabatersmann uut entstahn. Dat is jo all lächerlich.

Ein anderer dagegen beteuert seine Aussage: (1923K1") De Klabatersmann is de Geist von’n Schipp. Wenn’n Schipp binah leddig is, hüürt man em smiten mit de Bräd*. Dat heff ik sülben hüürt, dat is wohr.

Eine zweite Gruppe der Wossidlo-Zeugnisse steht formal den Sagen näher, weil hier die Berichte mit bestimmten Personen und meist sogar mit einer Ortsangabe verbunden sind. Auffälligerweise finden sich zum Geisterschiff nur Eigenerlebnisse, zum Schiffsgeist dagegen nur Mitteilungen über die Erleb­ nisse anderer Personen. 69

(1927H3") Ik heff 12 Johr to See führen. Mi is wat passiert, dat is de reine Wohrheit. Wi führten von Bremerhaven na Riga, dor ladten wi Rappkoken. Sünndag Morgen führten wi von Riga na de Vorstadt, Maandag führten wi ut. De Wind würd flau, dat dat kuum stüern ded. Ik müsst jede Nacht kaken für de annern Madrosen. Wenn man von Wadi kümmt, geiht man jo ihrst vörut un len Water af. Dat wier stiernklares Wäder. As ik vorn stah, krieg ik ’n Schipp to sehn, dat löp vale Fohrt, dat keem in fleegender Fohrt up uns to. Mittwiels kümmt de Schipper ok an un hett ’n Kiker in de Hand. Dee hen dat ok seihn hatt. In den Ogenblidt, as wi dorvon räden deden, wier’t verswunnen. Wi kregen Bris’ un führten wider. Nahst kernen wi up Strand. Dor säd de Kaptain: Sühst du, dat is dat Vörteken wäst bi Riga. * (7925K7“) Mien Großvadder hett verteilt: As he as Stüermann fohrt is, is ok’n Klabatersmann an Buurd wäst. Mien Großvadder hett sik eens mit den Kaptain sträden. De Kaptain hett wüßt, dat he unrecht hadd, oewer he hett sinen Stüermann nich recht gäben wullt. Dor hett he eenen an’t Muul krägen — de ganze Bade is answollen. Großvadder meente, dat hadd de Klabatersmann dahn.

(1925K15“) Von’t Petermänndien heff ik vääl verteilen hüürt. Dor is ’n Schipper St. in Wismar wäst, dee hett ’n Petermänndien an Buurd hatt. De hett to den Schipper seggt, dat Schipp würd’ unnergahn, he süll sik redden un up’n anner Schipp fohren und süll tosehn, dat he em mit anbröcht kreeg up dat nie Schipp: he wull up’ne Teertunn’ an Land swemmen. De Teertunn’ hett nahst an Land lägen.

Erlebnisberichte besonderer Art handeln von einer Begegnung nicht mit dem Numinosen selbst, sondern mit einer Person, die an das Numinose glaubt: (1918K2“) Bi dese Johrstiet (d. h. in jetzige Tiet) ward dor jo nich mihr an glöw’t. Wie hadden enen Madrosen an Buurd ut Damgoren, dee glöw’te dor dull an. Wi maakten jo uns’ Galgenstreich mit em: wi schüerten mit de Seekist oder güngen na’t Ruum daal un kloppten mit’n Hamer an’t Schippsdeck. Denn glöwte he, dat ded’ de Klabatersmann. Denn säd’ he: wi müßten 'n Vaderuns’ bäden.

Wossidlo hat — eine dritte Gruppe — zu unseren Sagengestalten auch Mit­ teilungen festgehalten, die um ein echtes Erzählmotiv kreisen. Wie allerdings der Erzählinhalt beinahe restlos verloren gehen kann, soll eine Reihe von Varianten zum fliegenden Holländer zeigen. Die erste der folgenden Fassun­ gen ist die einzige Holländer-Sage, die im 19. Jahrhundert in Mecklenburg aufgezeichnet wurde. (1890H“) De Fleegende Hollänner is verwünscht an de Kaap. Wenn stormsch Wäder is un alles dicht räw’t is, denn hett he alle Sägel bi. Von Niuwediep is dat uutgahn, is bi Kaap Huurn kamen, hett na Indien to wullt, hett krüüzt, hett nich rümkamen künnt üm dat Kaap. Dor hett he dat Schipp verwünscht — un wenn he ’in Läben nich rümkamen ded*!

(1916H3“) De Fleegen Hollänner hett üm dat Kaap der Gooden Hoffnung sägeln wullt un hett ümmer konträren Wind hat. Dor hett he so vääl fluueht

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un dahn. Dorvöör is he von Gott oder ’ne anner Macht straft worden, dat he door ¡immer krüüzen mööt.

(1916H4“) De Schipper hett sien Lüd’ ut de Mast ruutnoekt — he hett se ruutkunfod’t (hinausgepeinigt) un hett dat so maakt, dat se runfollen sünd. Dorüm to Straf möt he ¡immer krüüzen. (1924H2'°) De Fleegen Hollanner hett ümmer gegen den Wind an krüüzt, dat gciht jo nich voruut. So’n Oort Fluch is dor up wäst, he is nich von ’ne Städ’ kamen.

(—H6W) De Fleegen Hollänner sall’n Kaptain wäst sien, dee sali so furditbor fluudit hebben. (1918H“) Ne Kuff sali bi Kap Hoffnung versöpt sien... Sprickwurt, wenn een so snell sägelt: Fliegen Hollanner.

Bemerkenswerte Züge enthält ein anderer Holländer-Beleg. {1927H2“) Ik heff führt mit Hollanners — dee hebben mi dat verteilt. En Hollanner hett’n rechten Weg nich finnen künnt — dee hett soeben Johr bruukt, um na Hollandsch-Oostinds to kamen. He hett ümmer gegen den Wind — gegen de Natur angahn. Dor seggt de Schipper to sien Lüd’: wenn ji all willen, wat ik will, denn mööt ji jugen Naam unnerschriben. Dor seggt de Mannschaft: wi möten doch ierst weeten, wat wie unnerschriben soelen. Nee, seggt de Kap­ tain. Denn willn wi man ierst slapen gähn. As se in de Roof liggen, geiht dat husch, husch los — se hebben sik bannig verfiert — dat hett duns’t un dahn. Dat is de Bös’ wäst. Dor is ’ne Eck wäst, dee is mit Holt bewussen wäst — dor is he dörchfohrt mit dat Schipp. Wat wider passiert is, weet ik nich.

Schließlich noch wenige Beispiele von den Wossidlo’schen KlabautermannSagen; sie sollen darauf hinweisen, daß erst der gute Erzähler eine gute Ge­ schichte schafft. (1932K2“) Wenn dat Schipp keellegt ward, denn kamen twee Klabaterslüd’ an Buurd. Denn geiht’t Prügeln los. Een hett’t Recht an Buurd, de anner mööt denn wedder an Land.

(1923K16") In Wismar is ’n Schipp bug’t, dor sünd twee Stücken Holt rinkamen, an dee eener verwis’t wäst is: dat een is to ’n Vörstäben bearbeit’t, dat anner to’n Hinnerstäben. De beiden Klabatersmänner hebben sik alle Nacht slagen un prügelt, de Wächters hebben den Lärm hüürt. Dor hett de Schipper sik dat oewertüügt maakt un hett den eenen Stäben ruutnahmen uut* Schipp. Dor is de Lärm vörbi wäst. (1892K“) Dor fohrt mal en Schipp von Rostock nah Amsterdam. As dat achter Helsingüür keem, dünn passiert dor wat in’n Ruum, wat nüms sik düden künn. In still Nachten wier dor ein Spektakel un Marachen mit dei Keden, dat dat Sdiääpsvolk grugen würr — un seegen sei na, denn wier nix tau finnen. Dat duurt woll ne heile Wääk, dünn stahn up eins nächtens drei lütt Kierls vor den Kaptain un seegen em: so güng ’t nich länger. Twei müßten van Buurd, un hei süll seggen, wen hei behollen wull. Dat hett den Kaptain wunnert, un hei hett fragt: wat sei vor Lüd* wiern? Hei kennt ehr nich. Wer ehr an Bord nahmen 71

harr? Dünn säden s’: sei wiren Klabatermanns un harrn up ’t Schipp tau dauhn. Sei harrn in ’n Ruum rumoort, denn sei harrn sik vertüürnt un können sik nich verdrägen. So künn ’t nidi blieben, twei müßten run. — Hett dei Kaptein ehr fragt: wat sei an Buurd denn uuttaurichten harn? Seggt dei ierst: „Dei Grootmast is in ’n Fisch braken; ik heff en holln, dat hei nich füllen is.“ Hei fröggt den tweiten. Dei antwuurt em: „Dei Steven is inbraken, den heff ik holln, dat hei nich vuneingahn is.“ Dünn fröggt hei den drüdden. „Ik heff dat Rauder holln, dat braken is; süß wier’t verlorn gähn“, seggt dei drüdd. — „Middn up See“, seggt de Kaptain, „kann *k keinen van Bord wiesen. Täuwt bet an Land un denn kaamt wedder; dennso soelen ji Bescheid hebben, wer blieben kann. Gaht nu man an jug’ Arbeit un verdräägt juch beter.“ — Sei güngen, un van dünn an wier’t nächtens unnen wedder still. In Amsterdam güng dei Schipper gliek in ’n Dröög-Doch un leet sin Fohrtüüg ünnersäuken, un ’t befünn sik so: Grootmast, Stüür und Steven wieren braken. Neegst Nacht keemen dei drei Lütten und frögen em: wen hei behollen wull van ehr. „Dei dat Rauder hollen hett“, seggt de Schipper. „Hei hett den slimmsten Posten hatt: hei kann bliben. Ji beiden annern koenen gähn.“ Dünn seggen dei: „So koenen wi nich frie warm ahn Dank un Lohn.“ Frögt ehr de Kaptain: wat sei hebben willn. „En roden Antog." As sei den kragen hebben, sünd s* afgahn.

Das plastische Bild einer räumlich begrenzten Überlieferung vom Klabau­ termann erhalten wir auch durch baltische Zeugnisse, die Oskar Loorits 1931 in den „Sitzungsberichten der Gelehrten estnischen Gesellschaft“ zum Drude gebracht hat. Alle Belege dieser Abhandlung sind, neben wenigen aus den 1890er Jahren, von 1921 bis 1930 aufgezeichnet worden; und zwar von 1921 bis 1924 die kleinere Gruppe der livischen Zeugnisse, danach die est­ nischen. Somit kennen wir von den Inseln Dagö und ösel und dem ihnen nahen baltischen Küstenstreifen rund 90 Schiffsgeist-Belege aus einem einzigen Jahr­ zehnt, wenn auch manche Texte nur mit Vorbehalt dem Klabautermann zu­ gehören.

Die Gewährsmänner sind Seeleute aller Altersstufen, in der Mehrzahl aber älter als 45 Jahre. Sie können sich zuweilen nur schwach erinnern. Die Auf­ zeichnungen sind weniger einheitlich als in Mecklenburg, weil sie von ver­ schiedenen Sammlern zusammengetragen wurden, deren Berichte meist viele — oft gegensätzliche — Glaubenszüge aneinanderreihen. Beispielsweise finden wir die Vorstellungen mehrerer Seeleute eines Dorfes in folgender Mitteilung vereinigt. (1929K41) Der potermann ist solch ein Geist. Wenn ein Schiff strandet, so sieht man ihn. Er wirft die Ratten hinaus. Er sieht wie ein Mensch aus und zu­ weilen auch wie ein Geist. Auf „Kontorschiffen“ und solchen größeren Schiffen ist auch immer ein potermann gewesen. Der Schiffsmeister fertigt den potermann fürs Schiff an. Dann läßt er einen Span zwischen den Schiffsrippen (? kribide vahele) stecken, der dann solch einen Ton hervorbringt. Bei stillem Wetter ist es, als klopfe jemand beständig. Zuweilen machen auch die älteren Männer den jüngeren einen potermann. Man legt dann eine Säge oder einen klirrenden Ge­ genstand an die Wand, und das gibt dann immer einen Ton von sich. Bei uns machte der alte Pritsu immer den potermann. Eines Tages war ganz stilles Wet­ 72

ter. aber immer war solch ein Klopfen. Endlich sahen wir, daß draußen eine Säge gegen den Wassertank schlug und dieses Geräusch machte.

Eine Frau mit weißem Haar ist auf dem Dedc gegangen. Auf der Vorpiek ging sie in den Maschinenraum. Auf dem „Ottumar“ sagten sie wohl, daß da ein potermann gewesen sei, und es ertranken auch sieben Männer in der Zeit. Es konnte kein Gespenst erschienen sein. Wir horchten mit einer ganzen Anzahl von Männern. Bei den Schiffs­ leuten steht er in großer Achtung. Wenn der potermann mit einem Packen unter dem Arm fortgeht, dann geht das Schiff unter.

Dieses vielschichtige Bild wollen wir durch drei weitere Berichte ergänzen. Im ersten prägt sich die Diktion eines Abfragers deutlich aus; im nächsten Stück spüren wir die Distanz — „meines Wissens“ — des Berichterstatters, im letzten aber eine unmittelbare volkstümliche Aussage. (1897K11) Jedes Schiff habe seinen Geist, der kottermann oder pottermarm ge­ nannt wird. Dieser wird auf folgende Weise gemacht. Wenn man beginnt, das Kielholz des neuen Schiffes zu behauen, dann schlägt der Meister mit dem Beil die drei ersten Späne ab und steckt sie in seine Hosentasche und macht dann daraus den kottermann, denn dann geht die Arbeit des neuen Schiffes mächtig vor­ wärts, und der kottermann wird Herr auf dem Schiff. Er sei auf dem Schiff sehr sorgsam: er gehe heimlich beständig hier und dort auf dem Schiff umher, auf den Masten, im Schiffsraum. Er setze neue Flaggleinen (?) auf, klopfe hier und da, ordne die Segel und bessere alles aus, wo Fehler zu sein scheinen. Vor dem Untergang des Schiffes soll er sich an dessen Spitze zeigen und auch dann noch vom Schiffe fortgehen, wenn das Schiff schon untergegangen ist. Ebenso soll er sich zeigen, wenn dem Schiff irgendein Unglück bevorsteht. Er habe zuwei­ len das Aussehen eines Menschen, zuweilen das eines großen, bunten Habichts. Wenn man ihn auf dem Schiff ärgert, so bringe er das Schiff zum Stranden oder füge ihm sonst einen Schaden zu und gehe selbst auf ein anderes Schiff. (1930K81) Dieser potermann (auch putermann) ist meines Wissens ein sehr unruhiger Schiffsgeist, der sich schon gleich am Anfang, wenn der Kiel angebracht wird, auf dem Schiff einrichtet. Da schnüffelt er umher und neckt die Matrosen in verschiedener Weise. Manchmal läuft er mitten in der Nacht mit Geknister längs der Takelage, manchmal klettert er als Katze auf den Mast und schreit da mit dem Sturm um die Wette. Dennoch ist er aber der Mannschaft und dem Schiff wohlgesinnt, prophezeit Gefahr und Unglück. Vor einer Havarie läßt er manchen Matrosen, der feinfühlige Nerven hat, sein Schaffen sehen: wenn die Mannschaft schläft, so erscheint er mit den Geistern der Matrosen an Deck und ordnet die Segel, reinigt das Schiff usw., auch als „Totenschiff“ (Kopie des­ selben Schiffes) gaukelt er zuweilen im Nebel. Alle dem folgt unbedingt eine Katastrophe, bei der nur derjenige mit dem Leben davonkommt, dem der poter­ mann seine Stücke gezeigt hat. (—K2') Den putermann sieht niemand, das muß eine Stimme sein; vielleicht ist es auch ein ganzer Mann, aber niemand hat ihn gesehen; Luft oder eine Stimme oder ein Geist — wer weiß, was er ist. 73

Die bei weitem überwiegende Anzahl der baltischen Zeugnisse sind sagen­ hafte Erzählungen mit einem Motivreichtum, wie er sonst nirgends überliefert ist. Wir müssen uns an dieser Stelle mit wenigen Beispielen begnügen. Ein Seemann, der 40 Jahre zur See gefahren ist, antwortet auf eine Frage: (1930Kl3') Adi der putermannl Er ist wohl vorhanden. Ich habe ihn immerhin einmal gehört. Ich diente auf der „Andreas“, dem Dreimaster des Grafen von Suuremöisa. Am Abend vor Michaelis — des Jahres entsinne ich mich nicht mehr genau — stritten wir gerade über den putermann; die Männer behaupteten immer, es gäbe einen, ich aber sprach dawider: ach, seid nur still! Selbst seid ihr alte Män­ ner, aber mit dem Verstand eines Füllen — fürchtet euch vor Teufeln! Ich erinnere mich genau, die Uhr war gerade J^ll, da hörten wir plötzlich, wie ein Vogel mit sonderbar heller Stimme auf einem Mast sang. Wir gingen hin nach­ sehen — da tönte der Gesang schon vom anderen Mast. Wir gingen dahin — da war die Stimme schon auf dem dritten Mast. So haben wir ihr eine Zeitlang nachgetrieben, haben aber nichts gesehen, sondern nur gehört. Es fehlten 10 Mi­ nuten an ein Uhr in der Nacht, da lief das Schiff auf Grund. Das war an der schwedischen Küste unweit Bornholm. — Mehr habe ich den putermann nicht gehört. Die anderen sagten, und so ist es auch, daß, wenn man den putermann hört, immer ein Unglück geschieht.

Zwei in Estland häufigere Sagen lauten in kürzeren Fassungen so: (1928K231) Wenn sich der putermann zeigt, so gibt es schlechtes Wetter oder Not. Einmal kam der putermann zum Steuernden und befahl ihm, den Kurs zu ändern. Der Steuernde tat es nicht. Da gab er ihm eins auf den Kopf, daß es schallte. Der am Steuer Stehende ging, das dem Steuermann zu erzählen. Dieser befahl so zu steuern, wie der putermann gesagt hatte. Nach drei Tagen kamen sie dahin, wo ein Schiff Schiffbruch erlitten hatte und am Untergehen war. (1928K101) Der putermann verkündet immer Unglück. Einmal befand sich ein Matrose auf Wache. Da ging ein fremder Mann auf das Deck und sprang ins Wasser. Der Matrose dachte: „Jetzt geschieht wohl etwas“. Kurze Zeit nachher kam der Kapitän selbst heraus und sprang von derselben Stelle ins Meer.

Besonders beliebt sind Erzählungen von Klabautermännern, die über den verfaulten Mast ihres Schiffes klagen, Gespräche zwischen Schiffsgeistern ver­ schiedener Fahrzeuge und schließlich der Streit um die Priorität. Nur eine be­ merkenswerte livische Variante der Mastsagen sei noch angeführt. (1928K81) In alten Zeiten konnten die Kapitäne sich auf das Schiff für den Wind Teufel kaufen. Einmal traf es sich, daß bei Windstille zwei Segelschiffe nahe beieinander lagen, so daß die Kapitäne sich von Bord zu Bord unterhalten konn­ ten. Auch die Schiffsteufel unterhielten sich. Der eine fragte den anderen, wie es ihm gehe. Dieser antwortete: „Schlecht; die Arbeit ist sehr schwer; ein Mast ist so verfault, daß man ihn bei jedem Sturm halten muß.“ Diese Unterhaltung hörte der Kapitän mit an. Als dann der Kapitän des besagten Schiffes den Mast besah, sah er wirklich, daß dieser ganz verfault war, und sobald er in den Hafen kam, ließ er ihn erneuern. 74

Den mecklenburgischen und baltischen Volksüberlieferungen unserer See­ gestalten lassen sich nur wenige Aufzeichnungen des 20. Jahrhunderts aus Schleswig-Holstein und Pommern, aus Schweden und Finnland, einige mehr aus Dänemark, an die Seite stellen. Gustav Friedrich Meyer hat den langen Bericht über einen Klabautermann festgehalten, welcher sich öfter in einer Elmshorner Zimmermannswerkstatt bemerkbar gemacht hatte (1935K1); und ein 95jähriger Schiffer aus Süderdithmarschen sagte ihm: (1930K) Wenn de Klabautermann in’n Mast gähn dee, kreeg’n wi Storm sä’n se, de oln Matrosen. Se meen’n, dat se em sehn harrn. Ik heff keen’n seen.

Einige unveröffentlichte Aufzeichnungen aus Pommern hat Christa Pieske verarbeitet16. Die „Pommersche Heimat“ druckt 1920 eine Sage, in der der Klabautermann eines Freimaurerkapitäns einen Schiffsjungen tötet (1920K2).

In Schweden wird 1928 eine Sage vom Streit zweier „Kabbelgatt-Nisse“ aufgezeichnet (1928K5); 1936 im südwestlichen Finnland eine entsprechende Erzählung und eine weitere Erlebnissage über eine Begegnung mit dem Schiffs­ geist (1936K4—5). Mitteilungen aus Dänemark, die zwischen 1936 und 1948 in die Dansk Folkemindesamling gelangen, geben ein buntes Bild neuerer dänischer Überliefe­

rung. Von den dreizehn unveröffentlichten Belegen beziehen sich neun auf den Schiffsgeist und vier auf das geisterhafte Schiff, dessen Anteil (ca. 30 °/o) also dem in der Wossidlo-Sammlung (ca. 27 °/o) entspricht. Wir finden jetzt aber gar keine Erzählmotive mehr, sondern nur noch Glaubensvorstellungen und die Schilderung merkwürdiger Begebenheiten. (1925K4) In meiner Jugend glaubten die alten Seeleute in Ranne (Bornholm) noch an den Schiffsgeist. Ich war einmal als Junge draußen mit einem Renner Schiff. Wir gingen von England über die Nordsee und hatten guten Wind, woll­ ten aber keine Fahrt machen, und im Schiff konnte man ein Knarren und Brummen hören. Der Kapitän und der Steuermann sprachen in vollem Ernst da­ rüber, daß das wohl der Schiffsgeist sei. (Im Hafen findet das eine natürliche Erklärung.)

(J936H1) Als ich einmal mit einem Schoner nach Frankreich segelte, bekamen wir 21 Tage lang einen kräftigen Sturm. Vor dem Sturm hatten wir ein Schiff an unserer Seite gesehen, und wir konnten deutlich sechs bis sieben Mann unter­ scheiden, die sich in Ölzeug gekleidet auf dem Deck befanden. Das war nun kein richtiges Schiff, sondern nur ein Vorzeichen. Unser Kapitän rief die gesamte Mannschaft auf das Deck, lenkte unsere Aufmerksamkeit auf dieses Zeichen und erklärte uns, was es bedeutet. (1939K2) Tischler Bendtsen meinte, daß es der Schiffsgeist sei, der rumorte, — er hatte einen so großen Teil eines Wracks gekauft, daß er den Schiffsgeist mitbe­ kommen hatte. Wie Bendtsen erzählte, hob er die Bodenluke und sagte hinauf auf15 15 Pieske 1954, innerhalb des Abschnittes „Klabautermann“, S. 66—74. 75

den Boden: „Du kannst didi schon ruhig verhalten, denn es ist nichts zu Unrecht hier!“ Seitdem blieb es ruhig.

* (1943H) Alte Seeleute, die auf Langfahrt gewesen sind, erzählen oft, daß der eine oder andere den Todessegler gesehen habe, ein Fata-Morgana-Zeichen, aber sie glaubten bestimmt, daß es dem Schiff, auf dem sie sich befanden, Unglück verkündete. Dann breitete sich bei allen an Bord Angst aus, man warf entweder ein Gesangbuch oder eine Bibel dorthin ins Wasser, wo das Zeichen gesehen worden war.

(1945K1) Viele Seeleute glauben, daß es einen Schiffsgeist an Bord gibt, und meinen, dieser nisse gebe dem Kapitän nachts die Anweisungen darüber, welche Arbeit am folgenden Tag gemacht werden soll. Darum sagt der Kapitän, wenn die Mannschaft über diese Arbeit knurrt, bloß: „Das ist nicht mein eigener Wille, was ich verlange.“ Dann wagt die Mannschaft nicht, das zu verweigern. ... » (1948K2) Als ich segelte, traf ich oft alte Seeleute, die vom „Klabautermann“ erzählten und einige glaubten an ihn. Er trägt altertümliches Ölzeug (kein moder­ nes) und auf dem Kopfe hat er einen Faserhut. Einige sagen, daß er ein Gerippe und sein Kopf unter dem Hut ein Totenkopf sei. Wenn er an Bord kommt, bedeu­ tet das Untergang.

(1947Kl) Der Gewährsmann, der einmal den Schoner „Yrsa“ aus Marstal führte, erzählte, daß er den Klabautermann gesehen habe. Er zeigte sich vor ei­ nem Zyklon im Pazifik und setzte sich auf die Reling über dem Ankerspill. Er beschrieb ihn als Skelett, mit Südwester bekleidet. (1948H) Alte Seeleute erzählen vom „fliegenden Holländer“, einem Schiff, das aus dem Nebel auftaucht und plötzlich wieder verschwindet. Es führt Tod und Untergang mit sich.

Wir kennen also rund um die Ostsee drei geographisch und zeitlich ge­ schlossene Komplexe unseres Materials, die, im einzelnen zwar unterschiedlich, nur eine verhältnismäßig geringe Umformung der unmittelbaren Volksüber­ lieferung zeigen. Ihnen sind eine Reihe von Einzelstücken aus volkskundlichen Sammelwerken hinzuzufügen.

Ein schmales Bändchen „Sagen und Sagenhaftes der Insel Föhr“ erscheint 1911 und enthält Bericht und Sagen über den Klabautermann. Eine davon entspricht der schon von Müllenhoff veröffentlichten Geschichte, schließt aber noch ein weiteres Motiv an: der Schiffsjunge soll, um den Klabautermann zu bewirten, nicht nur Wein, sondern auch einen Imbiß herbeibringen, stiehlt heimlich davon ein Stück und bekommt von unsichtbarer Hand eine Ohr­ feige — vom Klabautermann (1911K4). Eine zweite Sage variiert das Ma­ trosenerlebnis der belauschten Klabautermänner zweier Schiffe (1911K3).

Kleinregionale Volkskunden in Dänemark erwähnen den Schiffsgeist mehr­ fach. Auf Laesa wird von ihm berichtet (1924K), in Gilleleje (1934K1—3), auf Vejra (1948K1); auf Feja auch vom Todessegler (1949H). Vor allem aber in EvaldTangKristensens neuer Reihe der „DanskeSagn“ begegnen uns wei­ tere Klabautermann-Geschichten (1928K2—4) und auch sehr ungleiche Gei­ 76

sterschiffsagen (1928H2—3), die das Motiv des ewigen Segelns nidit enthal­ ten. C.-M. Bergstrand veröffentlicht in seinen „Bohuslänska sägner" und „Hallandssägner“ jeweils eine Sage über den fliegenden Holländer und eine über den Totensegler (1947H1—2, 1949H2—3). Wissenschaftlich edierte Sagensammlungen einzelner Landschaften kommen in Deutschland noch mehrfach heraus, beispielsweise die Reihe „Eichblatts Deutscher Sagen-Schatz“. Aber hier sind nur selten neu aufgezeichnete oder neu aufgefundene Sagen abgedruckt. In den von Lutz Madeensen herausge­ gebenen „Niedersächsischen Sagen" wird im Kontext einer Weltkriegssage der fliegende Holländer erwähnt (1925H), und in den „Hansischen Sagen“ steht die Geschichte vom fliegenden Holländer, die Gorch Fock an der Nieder­ elbe aufgezeichnet und zuerst im „Quickborn" veröffentlicht hat. (1910H) De Fleegen Hollanner, de Ewige Jud in’n Nurn, schall bit an den jüngsten Dag keen Rauh finnen, seggt se, bit an den jöngsten Dag mütt he mit sien Schipp op See rümswalken un rümkrüzen und de Seelüd bang moken. De Fleegen Hollanner is een Koptein wesen, de mit sien Lüd bannig rüg tor Kihr gon is: se hebbt ne beet un nix un sik ne üm Gott un ne üm Sünndag un um Kark kümmert, hebbt de Bibel ober Bord smeeten, un mol hebbt se Striet mit’n anner kregen, to hebbt de Lüd den Schipper mit’n groten Nogel an den Mast fastnogelt und sünd een ober’n annern herfalln. — Nu mutt dat Schipp tor Strof ewig up See speuken. De Scheep, de den Fleegen Hollanner bemeuten dot, möt ünnergohn. Ganz inkelt kümmt mol een mit tweireeten Seils un een grote Hoberee dorvan af, wenn dat speuken Schipp wiet af ien Sicht kommen is. Mihrstieds kummt de Fleegen Hollanner ien’n Storm anseilt, all de Lappens an de Roh, denn lacht un jucht un singt de Kru as unklook, un de Fleegen Hollanner schreet un jault. Se hebbt em ober ok all bi dotstill sehn, denn reuht sik nix an Deck. De Matrosen hebbt noch dat ganz ole Tüch an un sünd all ganz old utsehn worden, ober se möt jümmer noch singen as Lichtmatrosen. Jümmer Sprook ’s ok ne mihr to verstohn. Mol hett een dat griese Schipp up See drieben sehn, hett sien Boot bi de Uhrn kreegen un hett dacht: „Wat dat woll förn Knappen is, schallst doch mol tokieken!“ He schippert hen un langt no dat Schipp un will de Fangellien fastmoken — to sackt dat ganze Schipp tohoop, as wenn’t Asch wür, he schütt ient Woter un hett sien Last, wat he sik man nah wedder retten deit.

Ebenfalls in den zwanziger Jahren gibt Paul Zaunert seine Reihe „Stammeskunde deutscher Landschaften“ heraus. In den Bänden für die Küsten­ provinzen Friesland und Schleswig-Holstein fehlen unsere Sagengestalten nicht. Ihre Überlieferung in jenen Gebieten wird — stofflich gesehen — recht voll­ ständig dargestellt, nur daß die Art der schriftlichen Vorlagen und der mo­ tivische Zusammenhang innerhalb der Einzelquellen nicht berücksichtigt wird. Hermann Lübbing, z. B., verschmelzt im Friesland-Band, offenbar nach Gut­ dünken, die Fokke-Sagenvarianten aus dem „Ausland“ (1841) und aus Dyk­ stras Werk (1892). Neues Material zum Klabautermann und zum fliegenden Holländer finden wir nicht.

Es ist nun unmöglich und letztlich auch unergiebig, allen Spuren unserer Sagengestalten in der Fülle populärer Sammelwerke zu folgen. Die Streuung 77

der Sagen ist besonders in Jugendbüchern und Sdiulauswahlen sehr groß. Meist haben sie mit unmittelbarer Volksüberlieferung nur noch wenig zu tun, und für Rückschlüsse darauf sind die Fehlerquellen kaum abzuschätzen. Wir wollen nur die Tendenz der modernen Sagendarstellung noch aufleuchten lassen. Diese Tendenz besteht, grob gesagt, in einer Motivhäufung, welche oft eine völlig disparate Form erlangt. Wirkliche oder vermeintliche künstlerische Kräfte, pädagogische und weltanschauliche Vorstellungen bosseln am Bild der Sage, zu der die Einzelüberlieferung höchstens noch den Aufhänger und der breite Traditionsstrom kein Grundmuster, sondern nur auswechselbare Teile der Erzählmotivik liefern. Greifen wir Hans Friedrich Bluncks „DeutscheHeldensagen“ heraus! (1938H) Hier verschwört sich der Blankeneser Schiffer Berend Fock vor dem Hambur­ ger Rat, in hundert Tagen nach Indien zu segeln. Als er am 99. Tag in den ersten indischen Hafen einlaufen will, treibt ihn der Wind zurück und er muß als „fliegender Geist“ ruhelos über die Meere kreuzen. Einige meinen, daß Berend Fock noch heute die Meere kreuzt; man hört wohl auch, daß dieses oder jenes Schiff ihn gesehen habe. Aber es ist nicht mehr wie einst, daß der Gespenstische sie, die ihm begegnen, in die Tiefe zieht, es scheint, als sei der Fluch milder geworden, der auf ihm lastet. Deshalb sagen viele, daß der Spuk von heute nicht mehr der Hamburger Schiffer sei, sondern, daß jene anderen recht hätten, die wissen wollen, daß der Verwunschene nach 100 Jahren in wunderbarer Weise von einer Frau erlöst worden sei.

Auf seiner rastlosen Meeresfahrt, nämlich, rettet er ein hamburger Mädchen aus Seeräuberhand, zieht mit ihr über die Lande, vollbringt Wunder, erlebt heldenhafte Abenteuer und findet schließlich nach 100 Jahren seine Ruhe: zu derselben Stunde, da ihm das Mädchen einen Sohn schenkt, kentert er beim Fischfang auf der Elbe und ertrinkt. Kaum weniger grotesk sind die Erzählungen in Bluncks „Nordseesagen“: der fliegende Holländer wird von Münchhausen erlöst (1960H1), und der Klabautermann, der Klopfgeist, hat ein Holzbein, mit dem er die Leute er­ schreckt (1960K1) . . . Aber unsere Sagen begegnen dem jugendlichen Leser auch in ganz entgegen­ gesetzter Weise. Richard Hennigs „Phantastische Meerfahrt" (1951), z. B., braut nicht eine geschlossene Holländer-Geschichte, sondern stellt deutlich mehrere Überlieferungen vom fliegenden Holländer nebeneinander. Anschlie­ ßend versucht der Autor in einem umfangreichen Kommentar — Und was sagt der Seemann von heute dazu? — Verständnis für das Entstehen solcher Vorstellungen zu wecken, indem er vor allem aus unserem Jahrhundert merk­ würdige Begebenheiten auf See schildert. Die volkstümlichen Erzählstoffe passen in viele Gewänder; ihnen den ge­ wünschten, zugkräftigen Namen zu geben, bereitet dabei die geringste Schwie­ rigkeit. Heinrich Karstens erzählt in seinen zweibändigen „Niederdeutschen Sagen“ auch die alte Geschichte des bestgehaßten Kanzlers Justus von Wetter, den der Teufel einst auf schwarzem Schiff geholt. Und Karstens fügt hinzu: 78

(1963H1) Der Teufel hat den Kanzler aber nicht einmal in der Hölle haben wollen, sondern ihn hernadi auf einen Segler gesetzt. Nun muß er einsam die Meere durchfahren, bald hier, bald dort, und darf niemals einen Hafen anlaufen. Viele Seeleute haben das Gespensterschiff gesehen; so schnell, wie es kam, ver­ schwand es meistens auch wieder. Sie nennen es den „fliegenden Holländer“.

Übersicht: Quellen des 20. Jahrhunderts in wissenschaftlichen Aufzeichnungen und Sagenpublikationen

1890

1894

1930

1936

1965

1910

1911

1925 1928 1928

1929 1938 1947

1951

bis 1937 zeichnet Richard Wossidlo in Mecklenburg über hundert Einzelbelege zum Klabautermann und fliegenden Holländer in der Mundart auf. Er ver­ öffentlicht sie zum größten Teil in seinem Buch „Reise, Quartier, in Gottesnaam“. Die übrigen liegen im Wossidlo-Archiv, Rostock. bis 1898 und besonders 1921 bis 1930 rund neunzig umfangreiche Klabauter­ mann-Aufzeichnungen in Estland und Livland, vor allem unter der Leitung von Oskar Loorits, der die Texte 1931 in einem längeren Aufsatz publi­ ziert. und 1935 notiert Gustav Friedrich Meyer eine kürzere und eine längere Kla­ bautermann-Mitteilung, Paul Selk 1935 eine Holländer-Fassung aus SchleswigHolstein. Alles ungedruckt im G. F. Meyer-Nachlaß, Kiel. bis 1959 gelangen sechzehn Aufzeichnungen über den Schiffsgeist und das Geisterschiff aus verschiedenen Teilen Dänemarks in die Dansk Folkemindesamling, Kopenhagen. Sie sind unveröffentlicht. Eigene Notizen aus Gesprächen mit Seeleuten in Kiel. Eine Umfrage in der Zeitschrift „Seekiste" Juli 1965 bleibt in bezug auf persönliche Seemannser­ innerungen erfolglos. Gorch Fock veröffentlicht eine Holländer-Sage im „Quickborn". Sie wird nachgedruckt im „Heimatbuch für unser hamburgisches Wandergebiet“ 1914 und in Mackensens „Hansischen Sagen“ 1928. Philippsen berichtet in „Sagen und Sagenhaftes der Insel Föhr“ Klabauter­ mann-Sagen. Im 2. Teil der von Mackensen herausgegebenen „Niedersächsischen Sagen“ wird in einer Weltkriegssage der fliegende Holländer erwähnt. Kristensens neue Reihe der „Danske Sagn“ enthält drei Schiffsgeist-Sagen. Lübbing faßt in den „Friesischen Sagen“ die bekannten Überlieferungen zu Fokke und dem Klabautermann aus jener Landschaft zusammen. Meyer ediert seine „Schleswig-Holsteiner Sagen“ entsprechend. Blunck gibt in seinen „Deutschen Heldensagen“ eine in ihren Einzelzügen bunt erdichtete Fassung von Berend Fock. Bergstrand veröffentlicht in seinen „Bohuslänska sägner“ Sagen zum fliegenden Holländer und zum Totenschiff; andere Varianten 1949 in den „Hallandssägner“. Das Jugendbuch „Phantastische Meerfahrt“ mit umfangreichem Kommentar zur Überlieferung des fliegenden Holländers. 79

Bluncks „Nordseesagen“ enthalten grotesk-erdichtete Züge in den Sagen vom fliegenden Holländer und Klabautermann. 1961 Hering, „Sagen und Märchen von der Nordsee“ und 1963 Karstens, „Niederdeutsche Sagen“ bringen unsere Stoffe, vor allem die Hol­ ländersage, in unterschiedlicher Bearbeitung. 1968 Schiffsgeist-Sagen in den „Finnischen Volkserzählungen" von SimonsuurH Rausmaa. 1960

Unterhaltungsliteratur

Der Leser des 19. Jahrhunderts gewann sein Bild seemännischen Lebens vor allem aus Romanen und Erzählungen16 18, also aus bewußt subjektiv-künst­ 17 lerischer Sicht, die zudem nur in der Minderzahl von Seeleuten gestaltet wurde. Jetzt, im 20. Jahrhundert, weitet sich die Spanne der Unterhaltungsliteratur und ermöglicht einen breiteren und vielfach authentischeren Einblick in die Welt der See.

Die literarische Beschäftigung mit unserem Themenkreis geht nicht verloren, aber dort, wo sie sich auf Sagenstoffe gründet, führen nur noch die allgemein­ sten Linien zur volkstümlichen Überlieferung. Hans Friedrich Blunde schreibt sein Buch über Berend Fock, den gottabtrünnigen Schiffer (1923H2). Martin Luserke erzählt die bretonische Geschichte „Das Schiff Satans17“, behandelt in einem Roman den Klabautermann18 und flicht diese Gestalt später auch in den Tagebuchbericht einer Segelreise: (1937K2) Eine wichtige Respektsperson ist bei uns wie auf jedem riditigen Schiff der Klabautermann. Unser heißt Obadjah; er ist aus dem Roman bekannt. Zu Anfang unserer Fahrt lächeln manche Besucher noch über den — selbstver­ ständlich sehr sinnreichen — „Aberglauben“. Nach einer und der andern Woche Seefahrt hat aber jeder erlebt, daß auf einem Schiff auch die Grenzlinie zwischen Wirklichem und Unwirklichem schwankt.

Obadjah, die Ironisierung des Volksglaubens, dient gleichzeitig wieder zur Mythisierung der Wirklichkeit. Der Schiffsgeist, hier als vielschichtige Metapher, wird in einem Fischerroman von Wilhelm Poeck zum klaren Symbol: (1929Kl) Ja, ein unheimlicher, unsichtbarer Klabautermann — der Tod — ist als Viertsmaat auf dem Klüverbaum so manches Pagensander Ewers und Kutters in der neuen Zeit mit hinausgesegelt nach der Nordsee.

16 Auch Werner, so exakt die übrigen Teile seines „Buches von der Deutschen Flotte“ sind, gibt nicht direkt Erinnerungen, sondern novellistisch gestaltete Erzählungen über unsere Sagengestalten. 17 M. Luserke: Das Schiff Satans. Bretonische Erzählungen. Potsdam ‘1943 (1. Auf]. 1936). 18 M. Luserke: Obadjah und die ZK 14 oder Die fröhlichen Abenteuer eines Hexen­ meisters. Roman. Flensburg u. Hamburg o. J. 80

Gedichte zu unseren Sagengestalten überspannen ein weites Feld; von der Wortspielerei bis zur tiefen dichterischen Aussage: von Christian Morgensterns schnurrigen Versen „Klabautermann, Klabauterfrau, Klabauterkind im Schiffe sind...“ (1905K5) bis zum „Fliegenden Holländer" von Georg Heym (1911H1). Ein Handelsschiffoffizier schreibt eine Ballade von „Meertraudchen und Klabautermann", in der eine Meeresfee die Liebessehnsucht des grau­ haarigen Alten schmäht und ihm zum Meeresgrund entflieht (1911K2). Hans Duis verfaßt einen Klabautermann-Song für Seeleute (1947K2), ]oh. V. Jensen verewigt ihn lautmalend in einem „Kannibalenlied“ (1953K4); der fliegende Holländer findet vor allem in den Niederlanden seine Gestalter19 — und die singende Jugend beschwört übermütig den Schutz möglichst aller „Seehelden" zugleich:

Der Störtebecker ist unser Herr, von Gödeke Michel beraten. Wir jagen sturmschnell über das Meer, des Fliegenden Holländers Paten. Gevatter ist der Klabautermann; Schiffsvolk, padt an! Leben ist Tand. Wir sind die Hölle von Helgoland.

Es sind eher Namen als Gestalten, eher hingetupfte Bilder als Erzählungen und schon gar keine Sagen, die uns hier begegnen. Nur manchmal wird der volkstümliche Erzählstoff — fast wie in einem umgrenzten Schutzgebiet — noch als solcher erkennbar, wenn z. B. A. Hans in seinem Seeroman „Een flinke jongen“ ein besonderes Kapitel „Aberglauben auf See“ einschaltet und darin Matrosen über den fliegenden Holländer und sein Schicksal diskutieren läßt (1914H). In einem entsprechenden Abschnitt erwähnt Edgar von SalisSoglio den Klabautermann, der nur auf hölzernen Schiffen zu Hause gewesen sei (1953K2). Der fliegende Holländer und der Klabautermann sind an den Rand ge­ drängt, sie sind Reminiszenzen geworden; sind keine Stoffe mehr, sondern gerade noch Ingredienzien, um das Kolorit anderer Stoffe aufzuputzen. Meist geben sie den Schiffergeschichten einen Stich ins Humoristische, wie z. B. in dem Büchlein „Zwischen Süllberg und Chimborasso" des niederdeutschen Schrift­ stellers Harry Reuß-Löwenstein (1922H.K). Gorch Fock schildert in einer „deftigen Hamborger Geschichte" den spuk­ gläubigen Botterquast, der von zwei Matrosen verulkt wird und sich fragt: „Sullst ok bi den fleegen Hollanner op de Luken sitten?" (1912H2) — und in „Seefahrt ist not" fragt am Schluß einer Kleinschifferprüfung der alte See­ mann den Jungen: 19 Haan 1950 nennt aus den letzten Jahrzehnten über ein Dutzend Werke: Prosa, Gedichte und auch ein Drama (A. Henny: De Vliegende Hollander. 1949). 81

(1913H )„Hest den Hegen Hollanner ok sehn?“ „Ne, Willem, denn stünn ik woll ne hier. De den Hegen Hollanner in Sicht kriegt, de bliwt!“ „So, so, meenst du dat? Non, denn wohr di man vorn Hegen Hollanner, Störtebeker, wenn du grot büst, un seh man to, dat du jümmer goden Wind hest, un ward man een fixen Fischermann, bürst?“ „Jo, Willem, dat will ik ok."

Mehr als nur eine humoristische Färbung erreicht der Klabautermann in Hans Leips Jugendbuch „Die Klabauterflagge“. Was Bootsmann Matten dort

dem kleinen Atje über den Klabautermann erzählt, das ist bereits eine schwankhafte Geschichte. (1933K3) Die meisten Babys, das weißt du ja wohl auch, kommen in den Him­ mel, wenn sie zufällig früh genug einsehen, daß es ihnen auf Erden nicht gefällt und das Leben Mühe und Arbeit ist. Es gibt aber hingegen andere Babys, deren Väter irgendwelche berüchtigten Seeräuber waren. Wenn nun diese Babys schon als Babys zuviel tranken und dazu laut Buchten, dann sagt der liebe Gott: Wohin soll das noch führen! und läßt sie von seinen Engeln wieder ab­ holen. Da sie aber wild und tobig von Natur sind und auch im Himmel immer nur Seeräuber spielen wollen und Sankt Peters langen und breiten weißen Rau­ schewallebart höchst respektlos als Marssegel benutzen, so stört das selbstredend den Frieden der ewigen Seligkeit und das fortwährende Halleluja ein bißchen, und darum werden denn diese Boys gewöhnlich mit den nötigsten Ausrüstungsgegen­ ständen versehen, wie Ölzeug, Südwester, Seestiefel und Schägpfeife, und auf See gegeben, wo sie denn bald auf diesem, bald auf jenem Schiff mitfahren und ihr Unzeug treiben. Sehen tut sie natürlich selten jemand, da sie ja von rechtswegen Engel sind. Aber manche Nacht hissen sie die Klabauterflagge am Besan hinten, da, wo sonst angesichts der Küste zur Tageszeit die KontorHagge gesetzt wird. Wer plietsch genug ist, dem entgeht sie nicht, wenn er auf Hundewache steht und in die Sterne gafft. Und wer sie gesehen hat, der weiß Bescheid, daß dem Schiffe, darauf sie weht, noch manches bevorsteht.

Offenbar hat Leip seine eigene Erfindung später von der ursprünglichen Volksüberlieferung nicht mehr trennen wollen oder können; denn als er 1957 den Sammelband „Das Meer“ herausgibt, charakterisiert er dort den Klabautermann nach „mündlicher Überlieferung": (1957Kl) ... Gewöhnlich bringt er den Schiffen Glück. Er soll auch gelegent­ lich eine eigene Flagge im Vortopp hissen, nebelgrau, mit seltsamen Zeichen dar­ auf. Man darf ihm niemals Huchen, selbst nicht, wenn er sich gefallen läßt, das Geheimnis der Seelenwanderung zu seiner Erlösung zu nutzen und, wenn junge Frauen an Bord sind, den Keim zu seiner Neugeburt zu segnen. Das Kind pHegt dann zumeist ein Junge zu sein, der den Drang zur See in sich spürt und das Zeug hat, Admiral oder Seeräuber zu werden.

Im Schwank, in der seemännischen Lügengeschichte rundet sich auch der fliegende Holländer wieder zu einer eigenständigen Erzählung. Schon zu 82

Beginn des 20. Jahrhunderts wird das Büchlein von Heinrich Binder „Junge, Junge kannst Du lügen!!“ mehrfach aufgelegt. Es enthält u. a. (J912HI) die Geschichte über eine nächtliche Begegnung mit dem fliegenden Holländer, in der besonders die Angst des Kapitäns glossiert wird — bis sich schließlich herausstellt, daß tauchende Wale die Seeleute genarrt haben. Das Tollste aber steht in den dänischen „Skipper Historier fortalt af Skipper Skraek“: (1941H) Der fliegende Holländer bringe ja immer den Untergang mit sich. Aber einmal haben wir ihm doch eine Nase gedreht. Das war südlich von Kap Hoorn. Es raste ein gewaltiger Sturm und gerade voraus tauchte der also aus den Wellen auf. Es begann ringsum ihn nach Schwefel und Moschus zu riechen, und wir hörten es in den Lasten unseres Schiffes knadten. Aber gerade, da es am schlimmsten aussieht und wir zu spüren beginnen, daß das Schiff in Stücke geht, nimmt der Erste Steuermann ein Sprachrohr und schreit hinüber zu dem schwarzen Segler: Da liegt ein Kahn 10 Seemeilen Süd west von hier, beladen mit feinem alten holländischen Genever. Da hättet ihr den schwarzen Segler sehen sollen! Der flog mit Blitzesschnelle davon in Richtung Südwest, und so waren wir diesmal vor furchtbarem Tode gerettet.

Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß unsere Sagenmotive bis heute hin in der erzählenden Literatur nicht ganz vergessen sind, wenn sie auch oft nur als Chiffre dienen oder als schmückendes Beiwerk starke individu­ elle Umprägung erfahren haben. Sie sprechen für unsere Zeit; konkrete Vor­ stellungen eines ursprünglichen Volksglaubens lassen sich aus diesem Material kaum mehr erschließen. Aber etwas dürfen wir dazu im 20. Jahrhundert trotz­ dem erwarten, denn neben die fiktive Seeliteratur ist die umfangreiche Sparte der Lebenserinnerungen getreten. In immer größerem Maße veröffentlichen vor allem Kapitäne populäre Erlebnisbücher aus ihrer Fahrenszeit und flechten manchmal so viele kulturgeschichtliche Exkurse ein, daß etwa der Bericht von Carl Kircheiss über seine Segelschiffsreise von 1901 bis 1903 geradezu als Sachbuch zu werten ist20. Aus den lebendigen Schilderungen manchen Seemannslebens erfahren wir von den Erzählungen an Bord. Rex Clements hört auf einer schottischen Bark die Holländer-Sage und referiert sie in seinem Buch „A Gipsy of the Horn“ (1903H). Kurz und klar erzählt sie der Norweger T. Stamsö aus den Jahren 1912 bis 1914 in seinem „Yngste jungmann ombord“: (1929H1) Es war ein holländischer Kapitän, der vergeblich gegen den Sturm gekämpft hatte, um das „Hoorn“ westwärts zu runden, aber immer wieder zu­ rückgetrieben wurde. Da schwor er bei allen Mäditen der Finsternis, daß er nicht aufgeben wolle, bevor er herumgekommen sei, und zur Strafe für seine Ver­ messenheit muß er bei Kap Hoorn liegen und kreuzen für ewige Zeiten. Wenn Seeleute dort unten das Spukschiff zu sehen bekommen, vorbeischäumend mit allen Segeln gesetzt, dann verkündet es Unglück. 20 C. Kircheiss: Wasser, Wind und weite Welt. Als Schiffsjunge um die Erde. Güters­ loh 1953.

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Der Däne Ejnar Mikkelsen schildert eine Holländer-Sage und fügt über die Gespräche während seiner Ostindienfahrt in den 1890er Jahren hinzu: (1954H1) Wir haben immer und immer wieder von diesem Schiff erzählt, das einige meiner älteren Kameraden gesehen zu haben behaupteten — einer von ihnen war dodh dabei gewesen, als man mit ihm in einer bösen Sturmwetternacht zusammengestoßen. ... Die Meinungen über das Phänomen wurden in der Ka­ jüte ausgetauscht ... Die meisten glaubten wohl doch, daß man den fliegenden Holländer wirklich treffen könnte. ...

Mehrere seemännische Lebensbeschreibungen, die noch in die Segelschiffahrt zurückreichen, liegen als Manuskripte im Handels- und Seefahrtsmuseum in Helsingor. In einem von ihnen erinnert sich E. Juel-Hansen, der 1888 zur See ging, auch an die Geschichte unseres Kapitäns (J954H2), der bei Kap Hoorn dem Teufel für günstigen Wind seine Seele verschwor und nun zur Strafe ewig segeln muß; dessen Schiff auf allen Meeren angetroffen wird und selbst im Sturm Schönwettersegel führt. Die Mannschaft steht an der Reling und ver­ höhnt die sie begegnenden Seeleute, während der Kapitän als Skelett auf dem Achterschiff seine Fäuste gen Himmel ballt. Jedes Schiff, das ihm begegnet, muß untergehen. — Juel-Hansen erzählt ferner vom deutschen Klabautermann (1954K1), einem freundlichen Seegespenst, das viele gehört und gesehen hätten. Der Klabautermann ist nach seiner Oberlieferung von einem merkwür­ digen Phosphorlicht umgeben, trägt Ölzeug, Seestiefel und Südwester. Sein An­ gesicht ist totenbleich und eingefallen, und er sieht leidend und verkommen aus. (1891K2) Auf der norwegischen Bark „Sidney", aber, erfuhr der Autor einen anderen Namen. Als er dort 1891 beinahe in den Laderaum hinab­ stürzte, meinte der Koch, daß der „veslemand“ — ein kleines unsichtbares Wesen, ein Troll oder ein nisse — ihn vor dem Fall bewahrt habe. — Otto Schou weiß in seinem Manuskript — Nordjysk Skibsfart og dens Maend — zu berichten, (1950K2) daß der Klabautermann ein wassertropfender, grau­ bärtiger Greis ist, der sich in dunklen Sturmesnächten zeigt und die Seeleute vor Gefahren warnt. Im großen und ganzen gilt aber heute für die mehr oder minder authenti­ schen See-Erinnerungen genau das gleiche wie für die fiktiven Seeromane: der Aberglaube ist aus ihnen verschwunden, und die Reflexion über aber­ gläubische Matrosen ist gegenstandslos, zumindest uninteressant wie die alten Vorstellungen selbst geworden. Nur ganz im Nebenbei findet sich manchmal noch ein Bemerkung: (1953K.1) Abergläubische Kapitäne gingen am Freitag nicht in See. Das hätte ein größeres Unglück zur Folge haben können oder doch den Klabautermann her­ ausgefordert, einen sagenhaften, bösen Ozeangeist, der an Bord Segel wegwehen, in der Takelage etwas brechen ließ oder dem Schiff und der Mannschaft sonst irgendeinen Schabernack spielte.

Oder, ohne erläuternden Nebensatz: (1962K2) „Moses war voller Gespen­ sterfurcht. Er forderte die Janmaaten geradezu heraus, ihm immer neue Ge­ 84

schichten von Seeräubern und Klabautermännern zu erzählen.“ Wie diese Ge­ schichten aussehen, deutet der Autor nicht an. Der Klabautermann ist eine Chiffre, aber kein Stichwort mehr. Wir müssen schließlich noch einige Bemerkungen zu einer dritten Gruppe der modernen Seeliteratur anfügen, die in seefahrts-historischer Rückschau auch Überlieferungen der See behandelt. In entsprechenden Werken Norwe­ gens lesen wir z. B. über den Schiffsgeist, daß sich die Kobolde oft mitein­ ander schlagen, wenn einer dem Fahrzeug des anderen schaden will, und daß sie sich am liebsten auf kleineren Schiffen aufhalten, besonders auf Schonern in der Nord- und Ostsee (1929K2; 1925K3).

Für ein größeres Publikum referiert Peter Freuchen in seinem umfassenden „Book of the Seven Seas“, das in viele Sprachen übersetzt wurde, auch die Sage vom fliegenden Holländer. Er nennt die Kapitänsnamen der verschiede­ nen Überlieferungen und gibt ihnen eine gemeinsame Sagenfassung, die im großen und ganzen eine ausgeschmüdkte Form der französischen Variante (Jal) darstellt; den Ort der Verfluchung verlegt er nach Kap Hoorn (1957H2). Noch unbekümmerter in ihrer Überlieferungstreue verhalten sich viele beliebte Seezeitschriften, die immer wieder einmal in einem Artikel seemännischen Aberglauben behandeln. Dabei tritt selten neues Material hervor; man variiert meist die bekannten Stoffe und macht, z. B., ein Falkenberg-Motiv zu einer „richtigen“ Holländerfassung: (1957Hl) ... One solitary light glinuners from a porthole from her side. Its glow fills the cabin, where two shadows sit rolling dice. The stäke is high: a human soul. The Flying Dutchman and the Devil play on forever.

Oder, statt der australischen eine dänische Zeitschrift: (1953H3) ... Jede Nacht würfelt der Kapitän mit dem Teufel um seine Seele. — Aber gut ist das nicht, dem Todessegler zu begegnen, denn dann ist man nach den Spielregeln dazu verurteilt, ins Meer geworfen und an Bord genommen zu werden und an der Verdammung teilzunehmen.

Die Art der Kompilation dient häufig dazu, bestimmte Interpretationen zu ermöglichen. Manchmal scheint eine Textgrundlage überhaupt entbehrlich, wenn man über den fliegenden Holländer schreiben will (1959H1).

Distanz zwischen Autor und Sagenstoff kennzeichnet diese Quellen. Der fliegende Holländer und der Klabautermann bilden hier weder ein engagiert ausgesponnenes Erzählmotiv noch einen Bestandteil der lebendigen Erinnerung, sondern sie sind meist Material, das als kulturhistorische Erscheinung betrachtet und interpretiert wird. Dabei erweist sich aber die Distanz nicht als eine wissenschaftliche Haltung, welche objektive Überschau und Unversehrbarkeit des einzelnen historischen Sagengebildes verlangen würde; die Distanz äußert sich vielmehr als Unverbindlichkeit in einer fast mechanischen Auswechselung der Sagenmotive. Das Ziel ist nicht Erkenntnis, sondern bleibt Unterhaltung, 85

auch — und heute gerade — im objektiven Scheingewand. Diese Literatur kann (von den Erinnerungsbüchern abgesehen) für uns, weil sie volkstümliche Stoffe meist verstümmelt bringt, im wesentlichen nur eine kulturgeschichtliche Quelle für ihre eigene Wirklichkeit sein. Seemännische Überlieferung heute

Und der Seemann heute: kennt er den fliegenden Holländer und den Kla­ bautermann? Was spricht er von ihnen, wie denkt er darüber, welche Erinne­ rungen steigen in ihm auf?

Daß die Sagengestalten nicht vollständig aus dem lebendigen Bewußtsein verschwunden sind, haben wir schon in den Lebenserinnerungen alter See­ leute festgestellt, die ja teilweise erst in den letzten Jahren niedergeschrieben wurden. Gelegentliche Zeitungsnotizen, wissenschaftliche Abfragungen und See­ mannsbriefe vervollständigen das Bild unserer Überlieferung im letzten Jahrzehnt. Selbst Erlebnisse des Numinosen treten noch an die Öffentlichkeit. So schil­ dert in einer Heimatzeitschrift und dann erneut in einem Heimatkalender der Urenkel eines Seemannes aus Dükkermühle (Glückstadt) eine in der Familie ständig weitererzählte Klabautermann-Geschichte, die sich vor rund 120 Jahren abgespielt habe und deren Wahrheit keinen Zweifel dulde. (J953K3) In einem Nordseesturm war der Klabautermann an Bord eines sinkenden Kohlendampfers gekommen, hatte dem Rudergänger zweimal auf die Schulter geklopft und war wieder in der See verschwunden. Da flaute der Sturm ab, und die Schiffbrüchigen wurden in höchster Not von einem Norweger-Schiff gerettet. Allerdings ist, wie eh und je, oft schwer zu entscheiden, wo das Seemanns­ erlebnis aufhört und das Seemannsgarn beginnt. H. P. Meller erzählt, (1962H3) daß er als Rudergänger in einer Sturmnacht ein Vollschiff gesehen habe, an dessen Takelung kleine orangefarbene Flammenzungen auf- und nie­ derglitten und das schließlich mitten durch sein eigenes Schiff hindurchgefahren sei, ohne etwas zu zerstören. Das müsse der sagenumwobene Todessegler oder fliegende Holländer gewesen sein. Der Kapitän habe ihm befohlen, seinen Kameraden nichts davon zu sagen; denn — meint Moller — wenn sie erfahren hätten, daß der Todessegler gesichtet worden war, wären viele über Bord gesprungen... Ein warnendes Vorzeichen prägt sich nach der Katastrophe besonders stark ins Gedächtnis. Um 1918 hat ein 80jähriger Seemann — einem neueren Zeitungsbericht zufolge — über den Schiffbruch der Bark „Dorothea" bei Kap Hoorn mitgeteilt, (1960H2) daß die Seeleute vorher den Holländer gese­ hen hätten, eine Fregatte mit hohem Achterschiff. Der alte Schiffer, ein Knochenmann mit Südwester auf dem Kopf, stehe dort auf der Brücke, und die Mannschaft sei das schlimmste Pack, das je auf den Meeren gefahren. Selbst in völliger Dunkelheit leuchte das Spukschiff auf eine besondere Weise. — Auch soll es geschehen sein, (1962K4) daß Schiffbrüchige, wenn man ihnen gegenüber meinte, daß sie ihren Untergang wohl nicht erwartet hätten, ge86

antwortet haben: „Doch, wir haben es geahnt; einige Nächte vorher haben wir den Klabautermann in der Takelage gesehen.“ Das sei eine kohlenschwarze Gestalt gewesen, die unheilverkündend auf das Schiff hemiederstarrte aus ihren leeren Augenhöhlen. Über die Klabautermann-Vorstellung erfahren wir in den letzten Jahren noch etliche Einzelheiten. 1953 schreibt eine Fischerfrau aus Kikhavn (Däne­ mark): (1953K6) Ich kenne einen Schiffer, der auf seinen nächtlichen Seefahrten oft den Besuch des Klabautermann erhält; ein ganz kleiner Mann, der mit guten Rat­ schlägen über die Fahrt hin zum Steuerrad kommt.

Ein alter Fischer aus Hundested (Dänemark) hatte auf einem englischen Schiff manches vom Klabautermann gehört: (1964K) Er ist am ehesten eine Art nisse und wird benutzt, um Kinder zu erschrecken. — Ein Seemann, von einem Reporter gefragt, was der Klabautermann sei, antwortet: (1949K) Ein Gespenst, das den Seeleuten freundlich gesinnt ist, auch wenn es etwas unheimlich aussieht. Er tritt als Gerippe auf, in Ölzeug und Südwester ge­ kleidet, und wenn er an Bord kommt, dann immer am Besanwant der Luvseite.

Ein zweiter sagt an anderer Stelle: (1954K3) Als ich jung war (geboren 1874), sprach man noch vom Klabauter­ mann — einem Seemann, der in Ölzeug und Südwester über die Wellen heran­ gegangen kam. Ich habe ihn nie gesehen.

Ein dritter meint: (1962K3) Ich habe darauf gewartet, den Klabautermann — das Gerippe — zu sehen, daß er sich nachts in der Takelage zeigte, wenn wir beigedreht lagen, aber das tat er nicht.

In einem vierten Bericht (1956K) wird der Klabautermann mit roten Backen beschrieben, mit blauen Augen, weißem Bart und seegrünen Zähnen. Der kleine Mann gehe an und von Bord immer über den Steven. Ein fünfter Seemann, schließlich, weiß dieses zu erzählen: (1959K3) Wenn der Klabautermann gedroht hatte, das Schiff zu verlassen, dann war es die Aufgabe des Schiffers, ihn mit einigen gewaltigen Lügenge­ schichten hinzuhalten, so daß das Schiff jedenfalls nahe unter Land kam, bevor es das Unglück traf. Zuerst und vor allem soll man die Größe des Schiffes und die Gewalt des Wetters übertreiben.

Doch nicht nur über den Klabautermann, auch über den fliegenden Hollän­ der ist noch manche Vorstellung lebendig. 1961 erzählt der norwegische Ka­ pitän Bjarne Ribsskog, er habe die Geschichte folgendermaßen gehört: (1961 Hl) 87

Ein holländischer Schiffer kam einmal nach einem Sturm an die norwegische Küste und suchte einen Nothafen am Flekkefjord. Das Schiff war schwer be­ schädigt und mußte gründlich repariert werden. Das zog sich länger hin, der Holländer verlobte sich mit einem Mädchen und versprach ihm, als das Schiff seeklar war, wiederzukommen. Er kam auch, sie hatte inzwischen Kinder be­ kommen, aber der Holländer wollte nicht heiraten und verließ sie. Als er später an Kap Hoorn vorbei sollte, traf ihn sein entsetzliches Schicksal, und er wur­ de zum ewigen Segeln verflucht — als böser Geist der See. Ein besonders plastisches Bild vom Leben unserer Sagengestalten in der Welt des Seemanns verdanken wir zwei alten Fahrensleuten, die ihr Wissen bereitwillig niedergeschrieben haben: Otto Stöcker und H. T. Moller.

Stöcker legt seiner brieflichen Mitteilung einen Illustriertenausschnitt bei, in dem mit viel Phantasie dargestellt wird, wie Richard Wagner auf stürmi­ scher Seereise die Inspiration zu seiner Oper empfangen, und Stöcker fügt hinzu: (1965H1) Aber ich habe nie davon gehört, daß das Geisterschiff in der Nord­ see gesegelt sei. Danach, was ich von alten Seeleuten gehört habe, segelt der flie­ gende Holländer am liebsten in der Nähe von Kap Hoorn und dem Kap der Guten Hoffnung um die Erde, und die alten Seeleute meinen, daß der fliegende Holländer der Geist eines alten Seeräubers sei, eines Seeräubers, der nie zur Ruhe kommt und der verdammt ist, dort unten in alle Ewigkeit zu segeln: das sagt eine alte Legende.

Stöcker berichtet dann, wie er auf dem Vollschiff „Rigel" vor dem ersten Weltkrieg einen Sturm bei Kap Hoorn erlebte. Damals sahen sie für kurze Zeit ein großes Segelschiff, das aber bald wieder in einer Regenbö verschwand: Kapitän Leopold, Senior der damaligen deutschen Segelschiffkapitäne, stand auf dem Achterdeck und sagte: da habt ihr den fliegenden Holländer gesehen. Ich weiß nicht, ob das Ernst war oder ob er mit uns spaßen wollte. Aber wir waren alle so müde und abgearbeitet, daß wir dem Wort des Kapitäns glaubten. Er war ja so oft um Kap Hoorn gesegelt, und vielleicht glaubte er selbst an das Geisterschiff. Wenn man müde und abgearbeitet ist, dann geht die Phantasie mit einem durch, man hat Visionen und in Wirklichkeit ist das nur Sinnestrug.

Zum gleichen Thema schreibt Moller: (1959H2) Die Sage kenne ich natürlich gut — vom Lesen; die meisten meiner Kameraden an Bord der Schiffe, mit denen ich gefahren bin, gleichfalls, aber kei­ ner hatte jemals die Erscheinung gesehen, von der in den alten Büchern erzählt wird, selbst wenn einer oder der andere der älteren Matrosen erzählen konnte, daß er auf anderen Schiffen mit Kameraden gefahren sei, die behaupteten, daß sie das Geisterschiff gesehen hatten und doch gut aus dem Treffen davongekom­ men waren. Es gibt Weile genug, doch auch viele Zeiten, wo man glauben sollte, daß die Umstände einen ausgepumpten und müden Seemann zwingen, durch Schlaf-

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mangel gequält, Erscheinungen zu sehen, selbst am hellichten Tag; ich habe keine Erfahrung in dieser Richtung und auch nie etwas von Kameraden gehört, ob sie durch soetwas geplagt wurden ... Aber — wenn wir mildere Himmelsstriche erreichten, in lauem und herrlichem Wetter diskutierten wir die fliegenden Holländer — denn da waren mehrere —, und das geschah gern, wenn wir in der Ferne ein anderes Schiff gesehen hatten, das nicht allein denselben Kurs wie wir, sondern auch schneller segelte. Die mei­ sten von uns, wenn nicht alle, hatten ihren eigenen; moderne Schiffe, deren Bauweise und Manövrierfähigkeit es ermöglichten, schneller voranzukommen, selbst bei konträren Winden — die Clipper. Meiner war das deutsche Fünfmast-Vollschiff „Preußen“; beide Schiffe lagen drunten im Südost-Passat auf der Reise nach Europa. Wir sichteten die „Preu­ ßen" am Morgen, als sie von Süden aufkam; beide Schiffe segelten schnell, aber das deutsche lag näher am Wind, als wir es konnten, und als es am Tage auf­ frischte, mußten bei uns einige Kleinsegel gesetzt werden, die „Preußen“ kam vor Abend an uns vorbei und wir sahen sie nicht wieder, bevor wir nach Hamburg gelangten. Diese Schiffe also waren unsere „fliegenden Holländer“, und über diese haben wir diskutiert; das alte Schiff, das bei heulendem Sturm mit vollen Segeln gegen den Wind fährt, kannten wir nicht.

Über den Klabautermann, sagt Moller, wisse er nichts. Etwas habe er in seiner Jugend gelesen, aber auf seinen Langfahrten habe er nie von ihm spre­ chen hören, auch nicht auf einem deutschen Schiff, wo er 1911 der einzige Ausländer war. Stöcker dagegen schreibt; (1965K1) Natürlich habe ich über dieses Thema alte Seeleute auf der Frei­ wache erzählen hören. ... Ich habe gehört, daß es sowohl gute als auch böse Klabautermänner gibt; viele Seeleute, mit denen ich gesprochen habe, meinen, daß er der Geist eines ertrunkenen Seemannes sei. Sie kommen am liebsten bei Vollmond, wenn beinahe kein Wind weht; bei Windstille, wenn die Segel schlapp herunterhängen gegen die Wanten, dann ist es möglich, daß man den Klabauter­ mann hört.

Stöcker schildert anschließend, wie ein Kamerad das Knarren einer Hänge­ matte für den Klabautermann hielt und nennt weitere Geräusche auf einem Schiff, die den Klabautermann vortäuschen können. „Wenn es auch einige gibt, die behaupten, den Klabautermann gesehen oder gehört zu haben, so ist das nach meiner Meinung nur Sinnestrug." Es ist gewiß: noch sind unsere Sagengestalten aus dem Volksleben nicht ganz verschwunden, noch lebt die Erinnerung manches alten Fahrensmannes, noch gibt es Abende am Stammtisch, wo ältere Seeleute vom Klabautermann erzählen und über ihn diskutieren21. Aber auf See begegnet man ihm in den 21 Z. B. Anfang März 1965 nach einer Singprobe des Lotsenchores „Knurrhahn“, Kiel-Holtenau: Etwa ein Dutzend Seeleute diskutierte stundenlang darüber, ob der Klabautermann ein guter, böser oder warnender Geist sei; man war sich einig, daß er zum Schiff gehöre, obwohl er am Heck an Bord steige (Mitteilung des Oberknurrhahns Kapitän F. K. Rühr). 89

seltensten Fällen. Vielleicht, daß ein Sportsegler einmal das erste Glas aus seiner Schnapsflasche an Deck schüttet und dem Klabautermann zudenkt (1965K4), auf den Überseedampfern, jedoch, — nur, wenn der Farbtopf umfällt, dann „hett dat de Klabautermann dahn“ (1965K2).

„Klabautermann, das ist ein kleines Hutzelmännchen, aber zum fliegenden Holländer kann ich beim besten Willen nicht sagen, was ich mir darunter vor­ stellen soll", meint ein weitgereister Kapitän (1965H2). Das Geisterschiff ist vom Weltmeer des modernen Seemannes hinweggezaubert, und nur im Boots­ hafen spiegelt die Klabauterjolle noch für eine kurze Weile einen sagenreichen Namen.

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Der Überlieferungsbereich Geduldig sind wir dem fliegenden Holländer und dem Klabautermann durch anderthalb Jahrhunderte gefolgt. Die Zeugnisse ihres Daseins liegen ausgebrei­ tet. Das Bild ihres konkreten Lebens bleibt zu gestalten. Doch wir wollen zu­ nächst noch einmal zurückschauen und die Grenzen unserer Überlieferung be­ stimmen. Erst in seinem Rahmen gewinnt ein Kulturbild sein Recht. Die Verbreitung unseres Materials hat drei Aspekte: seine Ausdehnung in der Zeit, seine Streuung im Raum und seine Verteilung in den Sozialschichten. Wir wollen, wohlgemerkt, jetzt nur zusammenfassen; es kommt uns darauf an, die einzelnen Zeugnisse selbst als Objekte zu sehen und zu ordnen. Die jeweiligen Sagenstoffe, die lebendige Sagentradition werden wir erst im dritten Teil, der das Volksleben behandelt, historisch, geographisch und soziologisch festzulegen versuchen. Der Bestimmung unseres Materials nach äußerlichen Kriterien seien einige allgemeine Überlegungen vorausgeschickt. Wenn wir methodisch einheitlich vorgehen wollen, bietet sich für die zeitliche Datierung das Erscheinungsjahr einer Novelle, eines Erinnerungsbuches oder einer Sagensammlung an, weil wir das Entstehen, das Erfahren oder das Auf­ zeichnen des entsprechenden Belegs selten genau fixieren können. Das Veröf­ fentlichungsdatum ist aber notwendigerweise relativ. Es bezeichnet nur den Grenzwert zweier Fragestellungen: für das Bekanntsein der Überlieferung den terminus ante quem, den terminus post quem für die stoffliche Weiterwirkung. Mit anderen Worten: Das Druckjahr bezeugt weder eindeutig die Lebendigkeit einer Primärüberlieferung noch den Beginn einer Sekundärüberlieferung: Die Erinnerungen eines Seemannes liegen oft ein Menschenalter zurück und zwischen der Niederschrift von Wagners Holländer-Oper, z. B., und ihrer kulturellen Wirksamkeit sind ebenfalls Jahrzehnte vergangen. Im Grunde sind alle Datierungsmöglichkeiten mehr oder weniger relativ, weil die kulturgeschichtliche Fragestellung zu komplex ist. Sie will den Beginn einer Überlieferung (z. B. im Erlebnis), aber auch ihre Lebensdauer (z. B. als Erinnerung) erfassen. Die Datierung unserer Belege verlangt unter jedem Aspekt einen eigenen Ansatz. Sie gibt fast immer nur Grobwerte und bleibt letzten Endes ein arbeitstechnisches Hilfsmittel, das als isolierte Zahlenreihe keine Aus­ sage zuläßt1. Kaum eindeutiger können wir unsere Zeugnisse geographisch festlegen. Wir finden zwar in literarischen Quellen häufiger Ortsangaben, die aber der dichte­ rischen Freiheit unterworfen sind, und kennen bei wissenschaftlichen Abfragun­ gen einen Aufzeichnungsort, der auch nur eine sehr vage, um nicht zu sagen zu­ fällige, Bestimmung für eine Überlieferung ist, die im wesentlichen auf See tradiert wird. Wir haben schließlich für die räumliche Zuordnung einen An­ haltspunkt in der Sprache. Aber was bedeutet die Sprache für die Zuordnung 1 Man betrachte die Belegtabellen im Anhang unter diesem Gesichtspunkt. 91

geistiger Kulturgüter? Was besonders auf Seesdiiffen mit ihren gemischtspra­ chigen Mannschaften? Wir können zwar im großen und ganzen sagen, daß dort, wo die Aufnahme einer Überlieferung durch Lesen geschieht, eine Sprache Gren­ zen setzt. Aber das ist nur ein kleiner und für die ältere Zeit besonders einge­ schränkter Teil des Traditionsprozesses. Die nationale Zuweisung ist gerade bei den Sagen und Märchen schon lange problematisch geworden, im Umkreis des Seemannes ist sie offenkundig. Wir brauchen nur unsere Zeugnisse genau zu be­ trachten, um zu sehen, daß z. B. das, was deutsch aufgeschrieben ist, nicht deutsch sein muß: Richter erfährt 1806 Gespräche holländischer Matrosen auf einem dänischen Schiff, Smidt teilt 1825 eine Sage der Engländer und Hollän­ der mit, Sternberg schreibt 1837, er habe seine Seegeschichten von einem skandi­ navischen Seemann gehört und so weiter bis zu den Notizen bei Wossidlo „dat hett mi sogoor ’n Engländer verteilt“. Und wenn durch schriftliche Fixierung und Popularisierung (auch durch Übersetzung) eine bestimmte Überlieferung für eine Sprachnation gewonnen wird, muß sie keineswegs den ganzen geogra­ phischen Bereich dieser Sprache ausfüllen: was in Norddeutschland interessiert, mag in Österreich langweilig sein. Wer seine Zeugnisse sozialen Gruppen zuordnen will, benötigt ein Schema der sozialen Gliederung. Da wir uns jedoch bei der Primärüberlieferung in einem ziemlich geschlossenen sozialen oder doch ständischen Kreis, dem des See­ mannes, bewegen, fehlen differenzierende Sozialkategorien im wesentlichen nur für die Zuordnung der Sekundärüberlieferung. Doch uns soll ein einfaches Ge­ gensatzpaar genügen: die Seeleute auf der einen Seite, die Landbevölkerung auf der anderen. Es scheint zwar unter bestimmten Aspekten ergiebig zu sein, die Landbevölkerung (und auch eine Schiffsbesatzung) weiter zu untergliedern, aber das wollen wir jeweils am gegebenen Ort tun; im großen und ganzen tritt sie uns als Lesepublikum gegenüber, das im einzelnen nach seinem literarischen Geschmack zu analysieren, in den Aufgabenbereich der Soziologie gehört. Gehen wir daran, die Streuung der Sagenzeugnisse konkret zu überblicken! Zeitlich gesehen erstrecken sich die schriftlichen Fixierungen des fliegenden Hol­ länders von 1804, die des Klabautermann von 1821 bis heute hin, laufen also etwa anderthalb Jahrhunderte nebeneinander her. Für beide Gestalten weisen feste Daten eindeutig auf eine Überlieferung vor die ersten Schriftzeugnisse zu­ rück. Die örtliche Verbreitung der Quellen zum fliegenden Holländer und zum Klabautermann deckt sich weniger klar. In Nord- und dem nördlichen Mittel­ europa sind sie beide bezeugt; während der Klabautermann darüber hinaus auch weiter im Osten bekannt ist, erstrecken sich die Belege des fliegenden Hollän­ ders nach Westeuropa, sogar über den Atlantik bis nach Nordamerika. Wir be­ sitzen zu unseren Seegestalten sowohl seemännische Quellen als auch Zeugnisse der Landbevölkerung.

Der Kernraum unserer Quellen — und zugleich der Mittelpunkt unserer Untersuchung — ist ein Gebiet zwischen zwei Meeren: Norddeutschland und Dänemark. Auf der einen Seite liegt die kleine, fast wie ein Binnenmeer in sich geschlossene Ostsee, auf der anderen die in den Atlantischen Ozean ausstrah­ 92

lende Nordsee. Im Grunde ist natürlich das Meer der geographische Ort, auf den unsere Betrachtung zielt. Doch die Zeugnisse können wir dort nirgends fi­ xieren; sie verweisen uns in Sprachgebiete oder doch auf Küstenorte. Als Glie­ derungsprinzip, aber, kann die Raumordnung der nordeuropäischen Meere un­ sere Zusammenschau leiten. Wir werden zuerst die Quellen der Nordseerand­ länder und ihre Ausstrahlung nach Westen zu überblicken versuchen und an­ schließend die Aufzeichnungen aus den Küstengebieten der Ostsee. In England begegnen die ältesten Schriftzeugnisse des fliegenden Holländers in Fußnoten romantischer Gedichte 1804 und 1812 und machen deutlich, daß sich die Überlieferung damals keinesfalls in einem Anfangsstadium befindet und sich auch nicht streng regional zuordnen läßt: die Sagenvorstellung — heißt es — ist bei Seeleuten allgemein und gut bekannt. Spätestens seit 1821 setzt auf den britischen Inseln mit einer Erzählung in Blackwood’s Edinburgh Maga­ zine die Popularisierung des Sagenstoffes ein. Er bleibt durch dramatische Bear­ beitungen, durch Erzählungen, Romane und Gedichte das ganze 19. Jahrhun­ dert hindurch bekannt und beliebt. Unabhängig davon finden Mitteilungen über den fliegenden Holländer ihren Platz in Lebenserinnerungen und Tage­ büchern englischer Seeleute von Admiral Raigersfeld bis zu den Kadetten Prinz Albert Victor und Prinz George. Im 20. Jahrhundert halten See-Erinnerungen in populärer Form den Sagenstoff lebendig. Die Selbstverständlichkeit, mit der amerikanische Schriftsteller den fliegenden Holländer zuerst 1823 in ihren Werken erwähnen, zeigt, wie allgemein bekannt die Überlieferung auch in Nordamerika ist. Für 1839 ist sie als seemännisches Zeugnis belegt. Die Sage wird — wie in England — als Erzähl- und Dramen­ stoff23 benutzt. Man aktualisiert teilweise ihre Motivik und stilisiert sie z. B. in einem Flugblattlied auf den Goldrausch in Kalifornien um. Aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist aus Neuengland ein oft vorgetragenes Lied über den fliegenden Holländer erhalten. Im ganzen Land begegnen Geisterschiffbe­ richte mehrfach in Zeitungen8. Einen Klabautermann, dagegen, können wir in der angelsächsischen Welt kaum entdecken. Die kleinen Männchen des Donnerbergs in Irvings Storm-shipErzählung haben nur äußerlich einige Ähnlichkeit; vielleicht hat dem Autor irgendeine holländische Überlieferung als Vorlage gedient, so wie die ausführ­ lich geschilderte Klabautermann-Gestalt in Longfellows "Tales of a WaysideInn” auf eine deutsche Sagenerzählung zurückgeht. Offenbar gibt es keine an­ gelsächsische Primärüberlieferung zum Klabautermann — wenn auch Smidt in seiner Novelle 1828 von einer englischen Schiffsgeist-Vorstellung spricht und (nach neuerem Zeugnis: 1964K) auf einem englischen Schiff von ihm erzählt worden ist4* . Das Stichwort „Klaboterman“ in angelsächsischen Lexika stützt 2 Fitzballs Drama (1826H3) ist in New York oft aufgeführt worden (Bassett 1885, S. 348). — David Belasco, geb. 1862 in San Francisco, schrieb ein Stück „Van der Decken“ (The Compass 1961, Nov.-Dez.-Heft). 3 Vgl. Splitter 1950, S. 202—216 (Nachdrucke aus Zeitungen des 19. Jhs.). 4 Im Baltikum heißt es einmal, der Name des Klabautermann stamme aus England (1925K1).

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sich — falls es überhaupt aufgeführt ist — klar ersichtlich auf Longfellows Be­ schreibung56*. Es sei erwähnt, daß man sich nach seemännischer Überlieferung auf der Insel Man davor hütet, einen brownie (Hausgeist) aufs Schiff kommen zu lassen, weil es dann verloren ist (1923K3). Der Glaube an kleine, kobold­ artige Bösewichte, sagt Shay, hat den amerikanischen Seemann nie interessiert; während des Zweiten Weltkrieges sei aber öfter von winzigen Männchen ge­ sprochen worden, die hier und da unangenehme Ereignisse hervorriefen (1951K1). In Frankreich veröffentlicht Jal 1832 das erste Holländer-Zeugnis, das gleich eine sehr umfangreiche Sagenfassung darstellt und ausdrücklich auf eine ältere Überlieferung zurückweist. Vor allem aus der Bretagne werden dann während des 19. Jahrhunderts mehrere Varianten von Geisterschiff-Sagen bekannt und manchmal in der Literatur verwendet8. Der Klabautermann ist aber offenbar auch in Frankreich nur eine Einzelerscheinung. Das „Glossaire Nautique“ er­ wähnt den „goblin" als einen Hausgeist, der einmal im Gefolge eines leicht­ gläubigen Seemannes an Bord eines Schiffes überwechselte (1848K4). — Aus Katalanen erfahren wir 1954 viele volkstümliche Geisterschiffsagen, die auch häufig das Motiv des ewigen Segelns enthalten (1954H2* — 1954H7’).

Daß die Holländer Überlieferungen von einer verwünschten Fregatte, einem ewig segelnden Schiff kennen, deuten zuerst die Mitteilungen Richters (1806) und Smidts (1825) an. Seit 1830 finden wir in den Niederlanden dichterische Bearbeitungen des Motivs vom verfluchten Schiff (183OH1), dann auch die di­ rekte Verwendung des Holländer-Stoffs und die Sage von Barend Fokkes. Zeitschriften enthalten Hinweise zum Geisterschiff-Glauben. Kabouters sind für die holländische Überlieferung schon um 1800 bezeugt und später hören wir viele Geschichten über sie; aber die kabouters sind keine Schiffskobolde, sondern hilfreiche Zwerge und manchmal Hausgeister. — Es ist auffällig, daß sich im 20. Jahrhundert in den Niederlanden besonders viele Dichter mit dem fliegenden Holländer beschäftigt haben.

Dem Bogen der englischen, französischen, holländischen Nordseeküste nach Osten folgend gelangen wir in das Gebiet der deutschsprachigen Überlieferung, und die Sprache ist auch hier — im Zentrum unserer Untersuchung — oft das einzige Indiz für die geographische Zuordnung. Auf den ersten Blick mag das besonders schmerzlich scheinen. Seit über hundert Jahren ist es gute volkskund­ liche Tradition, vor allem geistige Kulturgüter im landschaftlichen Rahmen zu registrieren. Bedenken wir aber, daß dieser Blick auch falsche Tatsachen vor­ spiegeln kann; denn unsere Sagen stammen ja meist gar nicht, ganz gleich, wo sie aufgezeichnet wurden, aus einer örtlichen Überlieferung im üblichen Sinne. Smidt hat als Matrose seine Sagenstoffe erfahren, auch Gerstäcker dürfte als Passagier auf Seereisen von ihnen gehört haben. Es ist bemerkenswert und viel5 Brewer ’1882, S. 520, schreibt auch: „Klaboterman, a ship-lcobold of the Baltic, ... “. 6 Vgl. auch „Navire inconnu“ von M. H. de Latouche (abgedruckt bei: ]al 1832; Bd. II, S. 112—115). 94

leicht sogar bezeichnend, daß die erste deutsche Erzählung, die von der Verflu­ chung eines Schiffes zum ewigen Segeln handelt, im tiefsten Binnenland, in einer Stuttgarter Zeitung (1824) erschien. Unsere Sagengestalten wurden seitdem durch Dichtung und Unterhaltungsliteratur, durch Schullesebücher und selbst von der Bühne her überall in Deutschland bekannt gemacht. Immerhin können wir die unmittelbare Volksüberlieferung, wenn auch ihre wissenschaftliche Fixierung leider nicht vor die Welle ihrer weitgreifenden Po­ pularisierung zurückreicht, einigermaßen auf die Küstenlandschaften von Nordund Ostsee verteilen. Die Fokke-Sage wird außer für Holland auch für Ost­ friesland in Anspruch genommen; sonst kennen wir aus diesem Gebiet nur we­ nige disparate Geisterschiff-Erzählungen. Der Klabautermann, dagegen, von Heine schon 1826 auf Norderney beschrieben, ist kurz vor und dann nach der Mitte des 19. Jahrhunderts in vielfältigen Zügen aus Ostfriesland und Olden­ burg festgehalten. Er wird 1858 selbst im südöstlichen Niedersachsen genannt, hier jedoch als eine Art Kinderschreck, als Hausgeist. An der 'Niederelbe lebt der „Klabader" im beginnenden 20. Jahrhundert in Kinderversen weiter (1923K4), und Gorch Fock schreibt dort eine plattdeutsche Holländersage auf. (Aus dem Motivschatz moderner hamburger Schriftsteller — Gorch Fock, Hans Friedrich Blunck, Hans Leip, Harry Reuß-Löwenstein — sind Klabautermann und fliegender Holländer schwer wegzudenken.)

Die Zeugnisse unserer Sagengestalten, genauer: die des Klabautermann, stam­ men in Schleswig-Holstein fast ausschließlich von der Westküste: von den nord­ friesischen Inseln Sylt und Föhr und aus Dithmarschen. Seit Müllenhoffs Samm­ lung 1845 bis hin zu den Aufzeichnungen Gustav Friedrich Meyers in den 1930er Jahren fehlt der Klabautermann in Sagensammlungen des Insel- und Marschen­ gebietes selten. Aber auch aus Lübeck wird er schon 1860 überliefert. Eine ein­ zelne herausfallend motivierte und wohl sekundäre Holländerfassung wurde in Angeln aufgezeichnet. In Norwegen, der nordöstlichen Begrenzung der Nordsee, erscheint 1838 ein Unterhaltungsbuch für Seeleute, in dem auch vom fliegenden Holländer (nach der Kenntnis des Marryat’schen Romans) erzählt wird. Hin und wieder lesen wir in Erinnerungen norwegischer Seeleute die Holländersage. Eine merkwür­ dige Variante wird noch 1961 aus der mündlichen Überlieferung festgehalten. Zahlreicher sind die Schiffsgeist-Belege. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts setzen sie in der Literatur ein. Im 20. Jahrhundert erhalten wir darüber hinaus ausführliche Mitteilungen, u. a. in seefahrtshistorischen Werken. Wir hören von einer verwandten Gestalt namens „laumann“ (1966K2). Ein dänischer Seemann nennt einen besonderen, angeblich norwegischen Namen für unseren Klabauter­ mann (1891K2). Mit der Betrachtung Dänemarks schließen wir die Lücke in der Nordseeküste im Osten und wenden unseren Blick gleichzeitig hinüber in den Bereich der Ostsee. Die Überlieferung beider Sagengestalten ist in Jütland und auf den dä­ nischen Inseln verhältnismäßig dicht greifbar. Seit 1826 ein Kapitän zum ersten­ mal die nisse-Vorstellung in einem Schiffsjournal erwähnt, ist der Schiffsgeist 95

öfter, und zwar auch in der klassischen Literatur Dänemarks verwendet wor­ den. Über den Todessegler erscheint schon 1810 ein Gedicht, er taucht später mehrfach in vielgelesenen Romanen auf und wird bereits vor der Jahrhundert­ mitte mit dem fliegenden Holländer gleichgesetzt. 1840 druckt eine Halbmo­ natsschrift eine englische Holländer-Erzählung. Vor allem durch Kristensens Sammlungen, dann auch durch Aufzeichnungen in den letzten Jahrzehnten be­ sitzen wir aus Dänemark recht viele Belege zum Klabautermann und zum Gei­ sterschiff. In Schweden können wir die Schiffsgeist-Überlieferung einer Anzahl wis­ senschaftlicher Sammlungen entnehmen, die in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts veröffentlicht worden sind. Ihr Aufzeichnungsgebiet reicht vom ehemals dänischen Schonen bis zu den Olandinseln, einer Inselgruppe zwischen Schweden und Finnland, und auch bei den Finnen ist im Süden und Westen ihres Landes die Schiffsgeist-Vorstellung gut überliefert. Der fliegende Hollän­ der begegnet 1840 in einem schwedischen Marinewörterbuch. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist er durch das mehrfach aufgelegte Holländer-Epos von Viktor Rydberg bekannt geworden. Noch im 20. Jahrhundert gibt es volks­ tümliche Überlieferungen zu diesem Thema. Aus den südlichen, den deutschen Küstengebieten der Ostsee sind unsere Sa­ gengestalten, und vor allem wieder der Klabautermann, reichhaltig bezeugt. Bevor 1840 die Klabautermann-Aufzeichnungen Temmes gedruckt werden, hat Sternberg 1837 den Schauplatz seiner Klabautermann-Novelle auf Rügen ange­ siedelt. Aus Pommern und von der Insel Rügen finden wir dann über den Schiffsgeist bis ins 20. Jahrhundert immer neue Belege. Entsprechende Überlie­ ferungen Mecklenburgs, die im 19. Jahrhundert so dürftig fließen, werden von Wossidlo nach der Jahrhundertwende in überraschender Vielfalt ans Licht ge­ bracht. Der fliegende Holländer, bei Temme als Nachtkreuzer-Sage gedruckt, taucht ah der deutschen Ostseeküste (von Anspielungen in Brinckmans Roman „Kaspar Ohm“ abgesehen) erst an der Schwelle des 20. Jahrhunderts durch Wossidlos Tätigkeit auf, obwohl eine mecklenburgische Sage mit einem ver­ wandten Motiv — Der ewige Blüser — mehrfach mitgeteilt wird.

Schließlich ist das Baltikum ein Gebiet mit dichtester Klabautermann-Bezeu­ gung, vor allem die beiden großen Inseln Dagö und Osel und' die ihnen nahen Küstengebiete. Die Sagenaufzeichnungen beginnen hier im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts, sind dann aber besonders in den 1920er Jahren mit einer seltenen Motivfülle eingebracht worden. Vom fliegenden Holländer hat Loorits in seinen „Grundzügen des estnischen Volksglaubens“ nichts mitgeteilt, offenbar ist diese Vorstellung hier nicht bekannt. Wir haben die Nordsee, mit einem Sprung nach Amerika, und auch die Ost­ see umwandert. Unser Sagenmaterial ist im großen und ganzen geographisch verteilt und zugeordnet. Nach den vorausgeschickten Überlegungen zur Pro­ blematik brauchen wir jetzt die Relativität all unserer Bestimmungen nicht noch einmal besonders zu betonen. Wir haben die erste Stufe unserer Untersu­ chung erreicht: wichtiger aber als die Streuung der Zeugnisse wird schließlich 96

die Verbreitung der volkstümlichen Sagenvorstellung selbst sein. Doch wir kön­ nen an dieser Stelle schon festhalten, daß sich heute die Sagenkenntnis zumin­ dest des Binnenlandes — und hier gilt das bereits seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts — im wesentlichen aus der Unterhaltungsliteratur herleitet, daß also für die Binnenlandbevölkerung die Verbreitung der Sagenkenntnis mit der Verbreitung der entsprechenden Unterhaltungsliteratur übereinstimmt. Die beliebtesten oberschichtlichen Ausprägungen des fliegenden Holländers und des Klabautermann dürften, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, in Bil­ dungsschichten des gesamten Gebietes ihren Niederschlag gefunden haben, in de­ nen sie sprachlich verständlich waren und sind. Die frühe, umfangreiche Über­ setzungsliteratur, besonders aus dem Englischen und Amerikanischen, macht vollends jeden Versuch illusorisch, das er-lesene Wissen über literarisch behan­ delte Seesagen landschaftlich oder volksmäßig abgrenzen zu wollen.

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ZWEITER TEIL

Der fliegende Holländer und der Klabautermann

Befrag die Meere aller Zonen, befrag den Seemann, der den Ozean durchstrich, er kennt dies Schiff, das Schrecken aller Frommen: den fliegenden Holländer nennt man mich! Wagner: Der fliegende Holländer

De Klabatermann? Dat is mien Geheimnis. Dat is nich good, wenn ik dorvon räden doh, dat is mi verbaden. Ik heff eenen an Buurd hatt, oewer sehn heff ik keenen.

Umland, Seemann aus Ribnitz

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Quellenkritik Am Beginn jeder Analyse steht die Quellenkritik. Ihre Fragestellung und ihre spezifischen Kriterien werden von der Grundlage und vom Ziel der jewei­ ligen Untersuchung bestimmt. Wir haben es weitgehend mit schriftlich nieder­ gelegten Texten zu tun und werden uns oft der Mittel philologischer Quellen­ kritik bedienen müssen; aber uns interessieren in erster Linie weder der Autor noch die Authentizität seines Textes. Wir fragen, ob unser Material ein volkstümliches Kulturgut „richtig“ wiedergibt. Oder genauer: Wieweit stellen die überkommenen Texte für eine bestimmte Zeit, eine bestimmte Gegend, eine bestimmte menschliche Gruppe die Vorstellung vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann (1) ob­ jektiv dar, und wieweit sind diese Vorstellungen (2) für den genannten Be­ reich repräsentativ?

Analog den Kategorien der Historiker können wir die Quellen, bevor wir ihren Aussagewert untersuchen, grob in zwei Gruppen ordnen: in un­ mittelbare Quellen (reines Volkskulturgut) und mittelbare Quellen (Berichte). Bestimmungsbasis ist das Lebendigsein bei einer größeren Menschengruppe. Reines Volkskulturgut ist alles, was sich uns unmittelbar als kulturell Leben­ diges zeigt, was genau so, wie es vor uns liegt, selbstverständlicher Teil des Volkslebens ist oder gewesen ist. Von einem Bericht sprechen wir, wenn der Überlieferungsstoff als Bestandteil eines bestimmten Lebenskreises reflek­ tierend überschaut und so mitgeteilt wird; ist in dieser Weise erfaßter Stoff bewußt umgeformt (z. B. in einer Dichtung), handelt es sich um einen indi­ rekten Bericht. Diese Quellengliederung enthält unter kulturgeschichtlichem Aspekt eine besondere Problematik. Die sehr allgemein formulierte Bestimmungsbasis „Le­ bendigsein bei einer größeren Menschengruppe“ ist neben ihrer soziologischen Unexaktheit vor allem hinsichtlich der Zeit des Lebendigseins offen; es be­ steht grundsätzlich die Möglichkeit, daß auch ein Bericht oder eine Dichtung über unsere Sagengestalten zu einem späteren Zeitpunkt selbstverständlicher Teil des Volkslebens wird und damit nach unserer Definition reines Volks­ kulturgut darstellt. Dieser Rücklauf der Volksüberlieferung in individueller Gestalt wird uns noch beschäftigen. Günstigster Ausgangspunkt für unsere Interpretation ist reines Volkskul­ turgut, die unmittelbare, volksläufige Überlieferung vom fliegenden Holländer und Klabautermann. Wir können sie jedoch als wissenschaftlich fixierte Quelle erst seit jener Zeit erwarten, wo volkstümliche Überlieferung in ihrer authen­ tischen Form als Eigenwert erkannt worden ist, also etwa seit der Grimm­ schen Märchensammlung 1812 (obwohl auch deren Texte behutsam bearbeitet sind). Doch unsere Sagengestalten begegnen erst 1840 in der Sagensammlung Temmes; das heißt: wie kennen vor 1840 keine aus wissenschaftlichen Antrieben erfolgte und um erklärte Objektivität bemühte Aufzeichnungen zum flie­ genden Holländer und Klabautermann. 100

Leider sind auch die Mitteilungen der Sagenbücher ziemlich dürftig. Im Ge­ folge vieler Hausgeistergeschichten werden hier über die Klabautermann-Vor­ stellung oft nur Glaubensberichte gegeben (1840K, 1848K1, 1879K)1, oder doch wenigstens die Sagen mit einem Bericht vermischt (1845K, 1867K2—5); ein­ zelne Klabautermann-Erzählungen finden sich in wissenschaftlichen Zeitschrif­ ten (1854K1—3, 1860K1, 1890K3—6, 1890K7—10), um die Jahrhundert­ wende auch in Sagensammlungen (1892K1—5, 1911K3—6). Der fliegende Holländer aber begegnet uns, wenn wir von der (wohl nicht mündlich auf­ gezeichneten) Nachtkreuzer-Sage absehen, als Volksüberlieferung in Sagen­ büchern erst am Ende des Jahrhunderts in Holland (1892H1—2) und Däne­ mark (1892H3—4); später auch in Deutschland (1910H). Etwas vervoll­ ständigt wird das Bild direkter Quellen durch seemännische Lebensbeschrei­ bungen (z. B. 1787H, 1953K), die zwar nicht mit erklärter Objektivität gege­ ben werden, aber viel seltener Seemannsgarn enthalten, als man glauben könnte, und in der neueren Zeit durch unveröffentlichte Aufzeichnungen G. F. Meyers und der Dansk Folkemindesamling, vor allem aber durch das be­ deutende Abfragungsmaterial R. Wossidlos aus Mecklenburg und O. Loorits’ aus dem Baltikum. Diese beiden landschaftlich geschlossenen Beleggruppen fül­ len nicht nur zeitliche Lücken zwischen den sporadischen Zeugnissen aus, son­ dern sie ermöglichen uns auch die komplexe Untersuchung gleichzeitiger Volks­ überlieferung. Trotz allem sind wir — besonders für die ältere Zeit — auf mittelbare Quellen angewiesen. Wir müssen es in Kauf nehmen, mit der zu­ sätzlichen Beurteilung der „Mittelbarkeit“ bestimmter Zeugnisse einen grund­ legenden Unsicherheitsfaktor in die Quelleninterpretation zu bekommen.

Der Volksüberlieferung noch verhältnismäßig nahe dürfen wir einige frühe Sagenberichte in literarischen Werken vermuten, die dort keine Erzählfunk­ tion ausüben, sondern nur erläuternd in einer Fußnote angefügt sind (1812H, 1825H1). Zu den mittelbaren Quellen gehört weiter die Gruppe der oft aus­ drücklich als „Sage“ bezeichneten Erzählungen in Unterhaltungsschriften zwi­ schen 1820 und 1870 (1821H1, 1828H1, 1828K, 1834H, 1837K, 1838K, 1840H2, 1841H1, 1849H, 1855K1, 1867H). Sie sind aber trotz ihres volks­ tümlichen Etiketts letztlich nur ein Teil des großen Literaturspiegels, in dem fliegender Holländer und Klabautermann von der Romantik bis heute hin viel­ fach gebrochen sichtbar werden: als beinahe zufällige Erwähnung, als Stim­ mungsmittel, als ausschmückendes Beiwerk, als Symbol, als handlungsmitge­ staltender Teil und als tragendes Element schließlich in jenen Werken, die ganz auf dem Seestoff basieren.

Es ist offenkundig, daß jedes Zeugnis ein eigenes Verhältnis zur ursprüng­ lichen Volksüberlieferung besitzt. Der Objektivitätsgrad eines Belegs ist nie ab­ solut erkennbar; er läßt sich höchstens aus den Obermittlungskriterien (Ge­ währsmann; Form, Zusammenhang und Zweck der Aussage) wahrscheinlich machen. Wir wollen die unmittelbaren Quellen als mehr oder weniger objektiv 1 Um bei der Fülle unseres Materials die Übersichtlichkeit zu bewahren, werden im folgenden nur wichtige Belege, beispielhaft ausgewählt, in Klammern genannt.

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ansehen (wenn auch ein Sagensammler einem geschickten Döntje-Erzähler auf­ gesessen sein kann) und nur die mittelbaren Quellen auf ihre volkstümliche Aus­ sage hin prüfen. Wir fragen zuerst, wann der jeweilige Sagenstoff überhaupt mündlicher Überlieferung entstammen kann. Dazu läßt sich allgemein sagen, daß die un­ mittelbare Anregung eines Autors an der Küste oder gar auf See im 19. Jahr­ hundert (Heine, Sternberg, Gerstäcker) nicht unwahrscheinlich und im 20. Jahrhundert (Gorch Fock, Leip, Luserke) nicht unmöglich ist. Für leichtfertige Schlüsse aber stellt Heines er-lesene Holländersage ein warnendes Beispiel dar. Am sichersten scheint die Ursprünglichkeit der Überlieferung bei Schriftstel­ lernzusein, die selbst Seeleute gewesen sind. Wer jedoch Smidts Novelle „Der ewi­ ge Segler" (1828H1) mit der ihr zugrundeliegenden Sagenvorstellung (1825H1) vergleicht, mag erahnen, wie tiefgreifend ein Autor seinen Stoff umgestalten kann, ohne die Bezeichnung „Sage“ aufzugeben; und wer dann noch die spätere Novelle „Der fliegende Holländer“ (1849H) des gleichen Autors danebenstellt, erkennt ferner die Selbstverständlichkeit, mit der ein ehemaliger Seemann seinen selbsterfahrenen Stoff zugunsten Mode gewordener Motive (Vanderdecken, Kap der Guten Hoffnung) zurückstellt. Die authentische Über­ lieferung wird dem modischen Publikumsgeschmack geopfert. Auch Marryat dient primär dem Unterhaltungsbedürfnis; sein Geisterschiff-Roman muß schon wegen des Umfangs die volkstümlichen Vorstellungen mit IndividuellErfundenem ausschmücken. Die Klabautermann-Beschreibung des Admirals Werner (1869K1), schließlich, fällt durch groteske Motive auf, die in der Über­ lieferung völlig allein und unter anderem im Gegensatz zu einer zweiten merk­ würdigen Klabautermann-Beschreibung eines Obersteuermanns Werner (1848K2) stehen, mit dem der Admiral vermutlich identisch ist. In beiden Beschreibun­ gen werden auffällige Motive extrem gehäuft, was wir in unseren volkstüm­ lichen Belegen in diesem Umfang nicht finden. Wir dürfen bei Werner eine ausgeprägte Fabulierlust vermuten und von dieser Tatsache her auch den Quellenwert seiner Holländersage relativieren, in der das Karfreitagssegeln und der Kapitän van Straten erstmals begegnen.

Nein, wenn Seeleute Unterhaltungsautoren werden, dann finden wir see­ männische Überlieferungen bei ihnen genauso verfärbt wie bei jedem anderen Schriftsteller auch. Der Objektivitätsgrad der mittelbaren Quellen ist nicht durch die Autoren, sondern am ehesten aus der Funktion der Sage im litera­ rischen Werk zu bestimmen. Fliegender Holländer und Klabautermann wer­ den in passiven Erzählteilen, zur Charakterisierung oder Illustrierung, meist richtiger als volkstümliche Überlieferung gezeichnet, als wenn sie selbst aktiver Gegenstand der Erzählhandlung sind. Wir müssen die Frage nach der Verläßlichkeit all unserer Quellen noch präziser stellen. Wo stoffliche Objektivität vorliegt, muß nicht auch die Struk­ tur- und Funktionswiedergabe richtig sein. Und gerade diese Aspekte sind wichtig, wenn wir das Kulturgut transparent und dahinter das Volksleben sichtbar machen wollen. 102

Eine Strukturanalyse betrachtet das einzelne Kulturgut als Ganzes. Sie kann sich fast nur auf unmittelbare Quellen stützen; denn der reflektierende Bericht und das künstlerische Werk heben sich gerade durch eine besondere Auswahl, Verknüpfung und Betonung der volkstümlichen Motive von der ursprünglichen Überlieferung ab. Bei der Funktionsaussage, dagegen, ist der Vorrang der unmittelbaren Quellen gegenüber den mittelbaren keineswegs so klar. Ein abgefragter Text sagt über die Stellung und Bedeutung unserer Sagengestalten im Gemeinschafts­ leben selten direkt etwas aus, weil der Blick des Sammlers im Normalfall auf stoffliche Motive gerichtet war. Nur Wossidlos Aufzeichnungen geben manchmal etwas mehr — (—KZ“) „Wenn de Jung toierst rutkeem in den Ozean, würd em seggt: paß up, nu kümmt de Klabatersmann“ — und sind dann häufig ein Indiz für das Endstadium der Überlieferung: die Funktions­ beschreibung erläutert den Stoff und verdeckt die Tatsache, daß seine konkrete Vorstellung verloren gegangen ist. In oberschichtlichen Darstellungen sind fliegender Holländer und Klabautermann meist in einen (wenn auch fiktiven) Lebensumgrund eingeordnet. Sie werden in mannigfachen Situationen plastisch ausgemalt, als Erzähl- und Gesprächsstoff, als Mittel für Spott und Spiel, als Sprichwort und Redensart. Meist will die Unterhaltungsliteratur des 19. Jahrhunderts ein möglichst reales Bild des Seemannslebens geben (und sie wird sich in der äußeren Darstellung dann um besondere Genauigkeit bemühen, wenn sie gewisse irrationale Ereignisse beglaubigen muß). So dürfen wir aus den Anhaltspunkten in der Literatur auch vorsichtige Schlüsse auf die ur­ sprüngliche Funktion unserer Gestalten im Volksleben ziehen. Ob unser Material eine Glaubensfunktion richtig wiedergibt, ist in einer Zeit ihrer allgemeinen Auflösung schwer zu entscheiden. Mit psychologischen Kriterien lassen sich die vielfältigen Nuancen des Glaubens und der Distan­ zierung nur aus ganz exakten Aufzeichnungen der volkstümlichen Überlie­ ferung herauslesen und durchaus nicht eindeutig. Unter dem Druck der Kon­ vention, aus „Scham“, mag ein Gewährsmann seinen Glauben definitiv ver­ leugnen, der allerdings in der Erzählweise doch wieder durchschimmern kann. Mit allgemeinen Angaben in Berichten, daß viele Seeleute an unsere Gestalten glaubten, und ähnlichen, können wir wenig anfangen. Sie sind meist oberfläch­ lich und deuten nur Wahrscheinlichkeiten an, ähnlich wie wir nur die Möglich­ keit des Aberglaubens erschließen können, solange er in der Unterhaltungs­ literatur noch als solcher verwendet wird, weil andernfalls der Leser aus dem Illusionsbild ausbrechen würde. Die Frage nach der Repräsentanz unserer Belege wird umso entscheidender, je dürftiger die Quellenlage ist. Es besteht kein Zweifel, daß unser Material trotz seines Umfangs die Überlieferung vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann nur lückenhaft und zufällig wiedergibt. Das zeigt sich in den direkten und indirekten Verweisen und im Bruchstückcharakter vieler Zeug­ nisse, und es erhellt beispielhaft aus der Forschungslage einer einzigen Land­ schaft: In Mecklenburg ist 1880, folgt man der zweibändigen Sagensammlung von Karl Bartsch, über den Klabautermann sehr wenig, über den fliegenden 103

Holländer gar nichts bekannt (obgleich vom ewigen Blüser berichtet wird); Jahrzehnte später wird dieses Bild durch Richard Wossidlos Aufzeichnungen völlig verändert. Es ist gar nicht abzuschätzen, was eine ähnlich intensive Sammeltätigkeit in anderen Gebieten zutage gefördert hätte. Jedes Kulturgut hat seinen eigenen Überlieferungskreis, in dem es lebendige Gültigkeit besitzt, wobei die Bereiche stofflicher und glaubensmäßiger Gül­ tigkeit nicht übereinstimmen müssen. Anders gesagt: jede Überlieferung reprä­ sentiert mit ihrem Stoff und ihrer Aussage einen begrenzten Ausschnitt des Volkslebens. Erste Hinweise, um diesen Ausschnitt räumlich, zeitlich und soziologisch einzukreisen, liegen manchmal in direkten Angaben der Quelle selbst. Reinem Volkskulturgut und direkten Berichten dürfen wir hier im all­ gemeinen vertrauen. „Uns* Päuler Seelüd’ säden . . .“, z. B., weist auf eine Überlieferung der Insel Poel; häufiger erfahren wir, auf welchem Schiff ein Seemann seinen Stoff gehört hat. Es wäre voreilig, nach der Nationalität dieses Schiffes oder seiner Mannschaft, nach einer Anmerkung wie „Ik heff führt mit Hollanners — dee hebben mi dat verteilt" (1927H2W) die Über­ lieferung ethnisch festlegen zu wollen, aber mehrere Aussagen können, zusam­ mengesehen, Tendenzen zeigen, Gruppierungen andeuten, so wie sich aus vielen relativen Angaben der zeitlichen Festlegung — „früher“, „in mien Jungstied“, „mien oll Vadder verteilte“ — Überlieferungszeiträume herauskristallisieren.

Der absolute Gültigkeitsbereich eines bestimmten Belegs ist eher sehr eng als weit zu fassen, wenn wir an die fast gleichzeitige Einsammlung und an das dichte örtliche Nebeneinander der so verschiedenen Sagenvarianten z. B. in Mecklenburg oder im Baltikum denken. Andererseits ist der Abfragungsort für eine Seemannsüberlieferung auf dem Lande besonders zufällig und relativ. Aus dieser zwiespältigen Sicht verschwimmt die Repräsentanz der wenigen Zeug­ nisse landschaftlicher Sagensammlungen vollends: bei Kuhn und Schwartz steht ein knapper Klabautermann-Bericht (und zwei anderslautende Zusätze) für ganz Norddeutschland; wo sollen wir die Vorstellung genau lokalisieren, wie­ weit dürfen wir sie verallgemeinern? Hinzu kommt, daß die älteren regionalen Sammlungen weder auf soziologische noch auf zeitliche Schichtungen geachtet haben, daß sie Bauern- und Seemannssagen und Chronikalisches mit mündlich Überliefertem bunt vermischt wiedergeben. (Bemerkenswerterweise fügt nur Temme seinen pommerschen Sagen einen Anhang „Schiffer-Gebräuche und Mei­ nungen“ hinzu, in dem er die Nachtkreuzer-Sage zitiert, während er den Kla­ bautermann aber doch in den Haupttext stellt.)

Die Repräsentanz jener Volksüberlieferungen schließlich, die uns aus der Unterhaltungsliteratur entgegenleuchten, ist praktisch unbestimmbar. Vage Hinweise gibt die Quellenforschung — Heine war auf Norderney, Sternberg hat Erzählungen eines skandinavischen Seemannes gehört, Longfellow benutzt eine deutsche Vorlage —, aber jede direkte Angabe, sei sie konkret oder allge­ mein formuliert, wie „überall an der Küste bekannt“ oder „nach alter Hand­ schrift“, kann ein bewußtes künstlerisches Mittel sein, um den Reiz einer Er­ zählung durch die scheinbare Beglaubigung zu erhöhen. 104

Die Quellenkritik steht beim fliegenden Holländer und beim Klabautermann im großen und ganzen vor den gleichen Problemen, wenn sich auch wegen sei­ nes profilierteren Stoffes eine Holländer-Überlieferung meist leichter als Bruch­ stück, als „Restsage“, zu erkennen gibt. Aber Bruchstück ist ein relativer Be­ griff: jede Überlieferung, deren lebendige Gestalt an ihrer jeweiligen Gegen­ wart gemessen wird, ist als Einzelphänomen vollständig. — Die Quellenlage beider Gestalten ist nicht ganz einheitlich; wir sind beim fliegenden Holländer — vor allem für die Mitte des 19. Jahrhunderts — etwas stärker auf indirekte Berichte angewiesen als beim Klabautermann. Doch der unterschiedliche Sicher­ heitsfaktor in der Betrachtung wird weitgehend dadurch aufgehoben, daß die Spanne der Einzelquellen sowohl beim fliegenden Holländer als auch beim Klabautermann vom klarsten Volkskulturgut bis zur kompliziertesten indivi­ duell geformten Widerspiegelung reicht, daß also der Quellenwert zwischen den Zeugnissen einer einzelnen Gestalt genauso weit streut wie zwischen den Zeug­ nissen beider Gestalten zugleich2.

2 Zur Quellenkritik seemännischer Erzählüberlieferung vgl. jetzt: Gemdt 1969 und 1970. 105

Die äußere Erscheinung des Kulturgutes A. DER STOFF „Sagengestalten der See“ ist ein stoffliches Kriterium, das den fliegenden Holländer und den Klabautermann zusammensdiließt. Der Begriff umschreibt einen bestimmten Bereich der geistigen Volkskultur, den die Welt unserer See­ gestalten aber nicht ganz ausfüllt — und dessen Grenzen sie andererseits über­ schreitet. Wenn wir alle volkstümlichen Vorstellungen betrachten, die sich um die beiden Pole fliegender Holländer und Klabautermann ausgeprägt haben: von der Erzählung bis zur Metapher, dann sehen wir ein offenes Feld. Wir wol­ len es auszuschreiten versuchen. Nicht nur die einzelnen Sagenmotive, sondern auch die konkreten Sagennamen sollen dabei unsere Gedanken leiten. Man mag fragen, ob es sinnvoll ist, einen Gegenstand monographisch zu un­ tersuchen, ohne seinen Stoff, der überdies aus zwei Kernen zusammenwächst, klar abzugrenzen. Doch in der Frage liegt ein Mißverständnis. (Wir sehen von der Tatsache ab, daß grundsätzlich jede Begriffsbildung offen ist, so daß mit ihr, selbst bei geringstem Abstraktionsgrad, ein Einzelphänomen nicht völlig deckungsgleich sein kann.) Den Volkskundler interessiert letztlich nicht die kul­ turelle Erscheinung selbst, sondern das Volksleben, das in ihr erkennbar wird. Von hier aus ist der Kreis einer Untersuchung abzustecken. Im Wandel des Kulturgutes zum Beispiel zeigt sich das Wirken des Menschen oft besonders deutlich; einen Wandel aber kann man nur erkennen, wenn man die zu betrach­ tende Erscheinung so faßt, daß ihr ein klarer Spielraum für die Entwicklung bleibt. Wir hoffen, daß die stofflich verhältnismäßig lockere Gruppierung un­ seres Kulturgutes ein besonderes Licht auf seinen Träger wirft und daß aus dem Nebeneinander von fliegendem Holländer und Klabautermann in der volks­ tümlichen Geisteswelt später umfassendere Zusammenhänge sichtbar werden. Fliegender Holländer. Name und Charakteristik

Zwei Grundvorstellungen sind mit dem Begriff „fliegender Holländer" ver­ bunden: ein Schiff und eine Person. Die Trennung ist aus den Quellen nicht immer klar zu bestimmen; denn wo eine knappe Mitteilung auf eine Person deutet, kann es sich um eine Personifizierung des Schiffes handeln, oder es wer­ den Schiff, Mannschaft und Kapitän als eine Einheit gesehen. Es kann anderer­ seits, wenn von einem Kapitän erzählt wird und dann eine Wendung nur auf sein Schiff paßt, in ersetzender Ausdrucksweise der Name des Kapitäns auf das Schiff übertragen sein1. Die Sprache des einfachen Mannes — und auch die seines Abbildes in der Literatur — ist nicht begrifflich eindeutig, weil er nicht in Begriffen denkt, sondern seine Vorstellungen als komplexe Bilder vor sich sieht. In den ältesten englischen Belegen ist der fliegende Holländer ein geister­ haftes Schiff; die ersten Sagen zeigen auch gar keine hervortretende Gestalt, 1 Vgl. die rhetorische Figur „Metonymie“: Ersetzung der Person durch die Sache und umgekehrt.

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auf die man den Namen übertragen könnte (1787H, 1812H). Ähnliches gilt für die amerikanische Unterhaltungsliteratur der 1820er Jahre. Seit 1821 wird in England, zuerst in einer Magazin-Geschichte, der fliegende Holländer als das Schiff eines Kapitäns Vanderdecken näher erläutert, in Deutschland (1826H1) und Frankreich (1832H) gleichfalls als das Schiff eines bestimmten — wenn auch namenlosen — holländischen Kapitäns. Es scheint jedoch, daß die Seeleute selbst im fliegenden Holländer allgemein nur das Bild eines verfluchten Geister­ schiffes sehen (1821H2, 1882H, 1889H1+2, 1892H3 + 4, 1901H2, 1920H”) und selten mit diesem einen bestimmten Kapitän verbinden (1880H2). Als ein Schiff beschreiben auch Lieder und Gedichte den Holländer (1860H1, 1873H, 188OH1, 1900H). Noch in den Anspielungen moderner See-Erinnerungen wird er nur als Schiff gedacht (1953H1, 1962H4). Und auch in Redewendungen schimmert es durch, wenn der Sagenname auf einen realen Segler übertragen wird: „Nu kümmt de flegen Hollänner: säden wi ok, wenn’n hollandsch Schipp passieren ded’ " (— H2W; 1918HW, —H3W, —H7W, 1959H2).

Als markante menschliche Gestalt begegnet der fliegende Holländer in den Werken Wagners und Heyms: eine dichterisch überhöhte, symbolische Figur; sein Schiff bleibt hier Requisit und das Unglüdcsmotiv bedeutungslos. In der Unterhaltungsliteratur ist „fliegender Holländer“ meist nur das auszeichnende Attribut konkret genannter Kapitäne (1841H1, 1861H1, 1867H), und erst in neuerer Zeit, wenn die ursprüngliche Überlieferung in einen konfusen Rest zu­ sammengeschmolzen ist, repräsentiert er den einzigen Namen einer Gestalt (1908H, 1922H, 1960H1). Auffälligerweise finden wir auch in den volkstüm­ lichen Quellen den fliegenden Holländer als Personenbezeichnung vor allem in Fassungen, die sich von der eigentlichen Holländersage weit entfernt haben: der fliegende Holländer auf einem Admiralsschiff im Kampf gegen die Eng­ länder (1916H2*), als Vater Störtebekers (1893H1), als Liebhaber einer Prin­ zessin (1922HW), als Kapitän, der seine Frau verspielt (1935H1). Nur verein­ zelt ist der fliegende Holländer in ursprünglicher Sagenüberlieferung unmittel­ bar als Person genannt (1890Hw, 1916H3W). Der Kapitän des Geisterschiffs, im Normalfall ein Holländer, selten ein Eng­ länder oder Deutscher, trägt stets einen typisch holländischen Namen: Vander­ decken, Fokke, van Straten, van Diemen, van Evert, van Halen. Zuerst und und am häufigsten heißt er Vanderdecken: in Blackwood’s Magazine, in Fitz­ balls Schauerstück, in Marryats Roman; auch Heine nennt einmal im Nebenbei diesen Namen, der aus den englischen Vorlagen in die Erzählungen Deutsch­ lands (1840H2, 1849H, 1861H1) und nach Skandinavien (1838H, 1840H3) gelangt; bei amerikanischen Seeleuten, sogar in einem Lied (188OH1), auftaucht und überall bewahrt bleibt in Romanen, Reisebüchern, Zeitschriften und Le­ xika bis hin zu Freuchens populärem Werk von 1957. Hier, im Endstadium der Überlieferung, wird Vanderdecken, wie z. B. auch in Hennigs Jugendbuch, in eine Reihe mit Fokke und van (der) Straten gestellt.

Bernard Fokke begegnet als Führer des Geisterschiffes zum ersten Mal im „Ausland“ 1841, später, von Nachdrucken und Referaten abgesehen (1890H1, 107

1892H6), erst wieder in Dykstras Sammlung der friesischen Volksüberliefe­ rungen (1892H1: Barend Fokkes), in Deutschland zu jener Zeit (1893H2) als Berend Fokken in der Sekundärüberlieferung und schließlich als der Blankeneser Schiffer Berend Fock in Blundcs Roman und Heldensage (1938H). Van Straten kennen wir nur aus einer oberschichtlichen Sagenfassung der Familienzeitschrift „Daheim" (1867H), doch der Autor läßt diese Geschichte verschiedentlich nachdrucken, vor allem in seinem oft aufgelegten „Buch von der Deutschen Flotte“. So wird van Straten weit bekannt und der gängige Hol­ länderkapitän in Brockhaus’ und in Meyers Lexika. Julius Wolff, dem aus Smidts Holländernovelle der Name Vanderdecken ebenfalls bekannt gewesen sein muß, wählt zum Helden seines Seemanns-Epos einen Tyn van Straten. Van Diemen treffen wir selten (1881H)2345, van Evert nur in der Erzählung des „Morgenblatt“ (1824H), und auch Pieter van Halen begegnet nur einmal8. Der sagenhafte deutsche Edelmann von Falkenberg (1843H2) verdankt sein Dasein als angebliche Holländer-Gestalt populärwissenschaftlicher Interpreta­ tion (Bassett, Heims). Dieser Mörder muß zwar ewig auf der Nordsee fahren, aber nicht auf seinem eigenen Schiff; auch ist er kein Kapitän. Halten wir fest: Alle Sagen über den fliegenden Holländer, die einen kon­ kreten Kapitänsnamen enthalten, sind jeweils zuerst in einem Unterhaltungs­ magazin erschienen (1821, 1824, 1841, 1867); die vereinzelten Namen van Halen und van Diemen begegnen zuerst (1840, 1880) in größeren Büchern. In allen Anmerkungen literarischer Werke und in praktisch allen Aussagen unmit­ telbarer Volksüberlieferung fehlt ein konkreter Name des Kapitäns: in den ältesten Quellen selbst dort, wo eine Sage ausführlich erzählt wird (1787H, 1812H, 1825H3, 1832H); in Kristensens Sagensammlung; bei Wossidlo, auch in jenem Beleg, der offensichtlich Marryat nacherzählt ist; auch in der Auf­ zeichnung, die vermutlich auf Wolffs Epos zurückgeht. Nie kennen die jüng­ sten Seemannsmitteilungen einen bestimmten Namen. (Es sei in diesem Zusam­ menhang wiederholt, daß in der Volksvorstellung der fliegende Holländer meist als ein Schiff verstanden wird.) Der Begriff „fliegender Holländer“ enthält bereits einen Hinweis auf den Sageninhalt. Daß „Holländer“ eine nationale Zuweisung meint — und nicht, wie eine überspitzte mythologische Interpretation gewollt hat: einen Hel-länder* —, ist nach der Materialbetrachtung offenkundig und bedarf höchstens noch einer kurzen historischen Erläuterung, die wir später geben. Zum Attri­ but „fliegend“ sei auf analoge Bildungen wie „fliegende Eile“, „fliegende Fahrt“ und ähnliches verwiesen; „flüegender sturm“ (= höchster Grad' des Sturmwindes) ist bereits um 1600 belegt6. Fliegender Holländer betont also die rasende Geschwindigkeit unseres holländischen Sagenschiffes. 2 Vgl. auch: W. d’Arville: Le navire-fantôme; voyage du Van-Diémen, navire hollandais dans une île d’anthropophages. 2. Aufl. ca. 1880. (Ein Jugendbuch.) 3 In Ph. Körbers „Fliegendem Holländer“, einem offenbar skandinavischen Werk, das um 1840 erschienen ist (Kaiff, S. 108 f.). Ich konnte nichts Genaueres ermitteln. 4 Nohl in seiner Wagner-Biographie. Schon von Engert 1927 S. 5 als zu gezwungener Deutungsversuch abgelehnt. 5 Vgl. Kluge 1911, S. 268 f.; Engert, S. 5 f. 108

Am häufigsten wird der fliegende Holländer mit Geister- oder Spukschiff gleichgesetzt, was im allgemeinsten Sinne das Merkwürdige und Unerklärliche seiner Schiffserscheinung kennzeichnet. Cooper nennt den fliegenden Holländer in einem Roman Mitternachtskreuzer — Temmes Sammlung kennt einen Nacht­ kreuzer —; die Geisterstunde im Namen unterstützt die Vorstellung eines seltsamen Schiffes. In einem dänischen Marinewörterbuch wird der fliegende Holländer als Todessegler erklärt, der sich in der Gegend des Kaps der Guten Hoffnung aufhalte (1839H2); damit sehen wir ihm das Motiv des Tod-, des Unglückbringens zugeschrieben. Und schließlich der „ewige Segler“! Er steht zwar nicht — wie auch „le navire errant“ — mit dem Begriff „fliegender Holländer“ im gleichen Text, gehört aber dem Sageninhalt nach unbedingt in seinen Stoffkreis. Die wichtigsten Vorstellungen über unser Schiff sind also in seinen einzelnen Namen angedeutet: das unerklärlich schnelle, „fliegende“ Segeln, das geister­ hafte Verhalten, das Unglückbringen und das ewige Herumirren. Alle Motive fallen, wenn man will, in dem umfassenden Begriff „Geisterschiff“ zusammen. Damit ist aber die Charakteristik des fliegenden Holländers nicht ausge­ schöpft. Seine bildhafte Glaubensvorstellung ist gleichzeitig die Folie für einen konkreten Erzählstoff, dessen Handlungskern zu definieren bleibt. Stith Thompson hat dazu in seinem Motiv-Index die Varianten der Unterhaltungs­ literatur des 19. Jahrhunderts zugrundegelegt und formuliert: A sea captain because of his wickedness sails bis phantom ship eternally without coming to harbor*. Dieser Satz ordnet zweifellos die bekanntesten Holländersagen zu

einem Typ und würde, wollte man ihn noch allgemeiner fassen, vielleicht allzu heterogene Erzählungen umschließen müssen. Andererseits dürfen wir auf un­ serer breiteren Materialbasis der Frage nicht ausweichen, ob Thompson die Holländer-Erzählungen zu stark mit den Augen einer bestimmten (romanti­ schen) Epoche gesehen hat. Wenn wir unsere ältesten Varianten nicht aus­ schließen, verschwimmt die Kapitänsgestalt und der Fluch ist weniger prägnant. Doch die Doppelheit der Motivkomplexe bleibt erhalten: aus einem bestimmten Geschehen folgt, daß ein geisterhaftes Schiff über die Meere segelt. Abstrakter gesehen: der Darstellung einer Handlung folgt das Ausmalen eines Bildes. Be­ achten wir aber, daß — vor allem in jüngerer Zeit — nicht jeder Beleg, der eine Sage erzählt, beide Komplexe überliefert; aus volkskundlicher Sicht hat eine „Restsage" für ihre Gegenwart den gleichen normativen Wert wie jede an­ dere Variante auch. Das Sagengeschehen

Das eigentümliche Geschehen der Holländersage wird häufig mit wenigen Worten oder Sätzen vorbereitet. Der Hinweis auf Reichtum, auf das Glück vergangener Reisen pointiert einen Kontrast zum Hauptereignis; die Charakte­ risierung des Kapitäns, vereinzelt auch die seiner Mannschaft, bereitet das Geschehen psychologisch vor. 6 Thompson 1955, Mot. E 511.

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Ein äußerliches Bild des sagenhaften Kapitäns — Fokke z. B. ist groß, stark und abstoßend — gewinnen wir selten, aber seine Eigenschaften werden in den einzelnen Varianten doch öfter zumindest aufgezählt. Dieses Bild ist eindeutig: der Kapitän flucht viel und bei geringsten Anlässen; er trinkt und würfelt; er glaubt weder an Gott, Heilige noch sonst etwas; er verachtet Sonntag, Kirche und Bibel; er schindet seine Mannschaft und vollbringt viele andere Schand­ taten — kurz und gut: ein abscheulicher Charakter. Nur selten erhält der Kapitän positive Züge: ein stolzer Seemann, der immer seinen Willen durch­ setzt, aber gut zu seinen Leuten ist (1821H1); oder ein mutiger Seemann, aber von auffahrendem Wesen (1838H). Längere Vorgeschichten, die nicht unmittelbar die Verfluchung auslösen, er­ fahren wir über van Straten, der seine Frau verspielt (1892H5, 1935H1), und über einen holländischen Kapitän, der seinem Norwegermädel untreu wird (1961H2). Die Verfluchung des fliegenden Holländers wurzelt in einem zweifachen Grund. Ihre Ursprünge liegen in der Vermessenheit des Menschen, die zur Selbstverfluchung führen kann, und in dem Willen übermenschlicher Mächte, die strafen (oder auch einer Laune gehorchen). Ein Kapitän trotzt den Naturgewalten. Heftiger Gegenwind hindert ihn, ein Kap zu umrunden oder einen bestimmten Hafen — Kapstadt, London, Amsterdam — anzulaufen. Er vermißt sich, bis zum jüngsten Tage auszuharren; er flucht, sein ganzes Leben auf dem Ozean zu verbringen; oder er sagt ganz allgemein „aus Bosheit“, daß er ewig segeln wolle. In den Sagenbelegen der 1820er Jahre wird der Fluch einzig in dieser Vermessenheit begründet, und ebenso auch in späteren Zeugnissen, wenn sie der unmittelbaren Seemannsüber­ lieferung entstammen (1889H2, 1929H1). Eine höhere Macht braucht der Erzähler für die Selbstverfluchung nicht zu präzisieren. Es genügt, zu sagen: Das soll nun wahr geworden sein; oder einfach: Er segelt noch immer. Wenn Heine erzählt, der Teufel habe den Kapitän beim Wort gefaßt, so wirkt die Nennung des Teufels hier wie eine Arabeske. Der Teufel, zwar, begegnet öfter. Aber er wird nicht bemüht, um Fluchworte einzulösen7. Er bietet einen Pakt und dieser hat Folgen — auch wenn der Kontrakt gekündigt wird (1840H4). Der Teufel verurteilt einen Kapitän zusätzlich — wie es für Fokke heißt — „wegen seiner Sünden“, nie jedoch nimmt er auf ein örtlich oder zeitlich ge­ nau festgelegtes Ereignis Bezug.

Manche Vorstellungen gehen ineinander über. Man kann dem Teufel für günstigen Wind seine Seele zuschwören und gleichzeitig Gott verfluchen. Der Frevel gegen Gott gilt meist als der entscheidende und ist am häufigsten ge­ schildert. Er verlangt seine Sühne. Gott muß wilde Flüche hören und Blasphe­ mien, die sich oft auch in konkreten Taten äußern: eine Bibel, eine Hostie gar, wird über Bord geschleudert; oder die Mannschaft verhöhnt den Sonntag und segelt am Karfreitag aus. Größere Schandtaten kommen hinzu: der Ka­ 7 Doch vgl. die in die Fokke-Sage eingeschobene Steuermann-Sage im „Ausland“ (1841H1). 110

pitän schindet seine Leute im Sturm, wirft den Steuermann über Bord, und in seinen ungeheuren Verwünschungen ist meist der vermessene Schwur das auslösende Moment, um Gottes Willen herauszufordern. In Flammenschrift leuchten vor einer dunklen Wolke die Worte: Bis zum Tage des Gerichts! Lyser verwandelt dieses Bild Marryats in eine den Sturm übertönende himm­ lische Stimme. In französischen Fassungen tritt Gott persönlich auf. Er steigt auf das Achterdeck herab zu dem rasenden Kapitän, der auf ihn schießt, aber seine eigene Hand durchbohrt; dessen Arm, als er zuschlagen will, zurückprellt; und der dennoch im wildesten Trotz seine Flüche nicht zähmt (1832H). Spätere Varianten beschreiben die auf dem Deck erscheinende Gestalt als den feuerflammenden Heiligen Geist oder als einen grausigen Dämon, das „Kap der Stürme“. In einer anderen französischen Sage zeigt sich Gott über den Wolken, um sein Urteil zu sprechen (1859H). Nur zweimal ist in all unseren Sagen an die unschuldige Mannschaft gedacht. Einmal werden sie durch „Sausen und Brausen“ in ihr Heimatland versetzt, das andere Mal nimmt sie der aufs Schiff tretende Gott in einer Wolke mit*. Aber in einigen Sagen hat die Schuld des Kapitäns auch ihr Pendant in der Schuld seiner Mannschaft. Sie treiben Piraterie, morden und nageln sogar — wohl in Anlehnung an das Motiv in Hauffs Gespensterschiff-Geschichte — den Kapitän an den Mast. In der Morgenblatt-Erzählung ruft eine zu Tode ge­ quälte Braut den Fluch auf die Mannschaft herab. (Man vergleiche auch hier die Parallele im Hauffschen Märchen.) Eine besondere Motivierung findet die Verfluchung in den beiden ältesten Sagenfassungen, die wir kennen. Scott referiert: Nach einem Mord bricht auf einem Schiff die Pest aus und erst in der Tatsache, daß selbst gegen all seine Schätze dieses Schiff in keinen Hafen aufgenommen wird, verwirklicht sich der Fluch des ewigen Herumirrens. Die Sage schließlich, die Raigersfeld über­ liefert, kennt nicht eigentlich den Fluch der bösen Tat. Vielmehr erlangen ge­ rade die verbrecherischen Seeleute, die die versprochene Hilfe in Seenot versagen, ihren erhofften Gewinn — und das unglückliche, gescheiterte Schiff geistert statt dessen als mahnendes Zeichen des Treubruchs und der Unmensch­ lichkeit durch die ostindischen Gewässer. Das Wesen des Holländerflaches, wie er in einem großen Teil unserer Vari­ anten hervortritt, liegt in der wörtlichen Erfüllung einer unbedachten Ver­ wünschung. Ein Kapitän muß nun bis zum jüngsten Gericht (vergeblich) ver­ suchen, jenen Sturmwind zu überwinden, dem er sich in Ewigkeit nicht beugen wollte. Darum segelt er auch meist in der Gegend seiner vermessenen Tat: am Kap der Guten Hoffnung, vor der Tafelbucht, bei Kap Hoorn (dem Schauplatz jüngerer Sagenüberlieferung); in einem Sturm, den manchmal nur er allein verspürt. Andere Sagen überliefern das Fluchwort weitergefaßt: der Kapitän wolle sein ganzes Leben auf See verbringen (1825Hl).Oder der Fluch wird gar nicht durch 8 Vgl. 1923H2 (Blandes Roman): Der Kapitän erinnert Gott an die unschuldige Mannschaft. 111

den Kapitän expressis verbis herausgefordert, sondern ihm und seinem Schiff wegen anderer Schandtaten zudiktiert (1832H). In diesen Fällen segelt das ruhelose Schiff über alle Meere. Ausgenommen Kapitän Fokke; ihn bestimmt der Teufel, aus wer weiß welchem Ratschluß, mit seinem Geisterschiff zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und der Südspitze Amerikas zu kreuzen. In einer Fassung — und in ihren späteren Abwandlungen — fügt Gott dem Leiden des Kapitäns noch weitere hinzu: Galle soll er trinken und glü­ hendes Eisen kauen, und wenn der Schlaf ihn übermannt, soll ein langer Degen seinen Leib durchdringen und ihn wachhalten (1832H). Gleichviel — die ewige Verdammnis auf dem Ozean schon allein bleibt eine unermeßliche Qual all unserer Sagenkapitäne. Die Ausweglosigkeit ist der schlimmste Fluch des fliegenden Holländers. Gibt es wirklich keine Hoffnung? Man könnte meinen, daß eine so extreme Situation geradezu nach einer Lösung schreie. Aber nie sehen wir in der volkstümlichen Überlieferung auch nur eine Andeutung davon, wenn wir die mecklenburgische Marry at-Nacherzählung beiseite lassen und die Aussage eines jütländischen Matrosen ins richtige Licht stellen. Durch einen Reporter gedrängt, erzählt dieser Seemann schließlich eine Holländersage, in welcher (— schwebt ihm die von dem Re­ porter beschworene Wagner-Oper vor? —) eine Braut von der Seite ihres Bräutigams weg dem Kapitän auf sein Schiff folgt, um sein Umherirren zu beenden. Aber auf die Nachfrage, ob damit der Kapitän erlöst worden sei, bleibt der Matrose fest: er selbst habe das Totenschiff noch gesehen (1901H1). Für die seemännische Überlieferung ist das Holländerschicksal endgültig. Einzig in oberschichtlicher, individueller Gestalt unseres Sagenstoffes ist die Erlösung des fliegenden Holländers bekannt. Eine Frau, die ihm treu bleibt, beendet seine Qual; oder sein Sohn, der ihm jene Kreuz-Reliquie bringt, bei der er einst seinen maßlosen Schwur getan und nun bereuen kann. Beide Erlösungsmotive erscheinen kurz hintereinander in literarischen Werken Heines und Marryats um die Mitte der 1830er Jahre. Wagners Holländer-Oper wäre ohne Heines Erfindung nicht denkbar; Marryats Erfindung dagegen, kehrt, soviel seinem Roman sonst entlehnt wird, in Erzählungen anderer Autoren nicht wieder. Novellen jener Zeit, die den holländischen Kapitän mit Schand­ taten überhäufen und zum gemeinen Verbrecher stempeln, bieten von vorn­ herein keinen Ansatz für eine Erlösung. Die älteste Geschichte, die vor Heine schon das Erlösen eines Gespenster­ schiffes schildert, erzählt Wilhelm Hauff in seinem Märchen-Almanach auf das Jahr 1826. Die einstweilen letzte, die sich als Sage ausgibt und bestenfalls eine Lügengeschichte ist, schreibt Hans Friedrich Blunck (1960H1). Das Geisterschiff

Handelt der erste Motivkomplex der Holländersage von einem Kapitän, seinen Taten und seiner Verfluchung, so malt der zweite die Folgen bildhaft aus und gruppiert sich um das geisterhafte Schiff. Der Meeresbereich, in dem dieses Schiff segelt, wird — wie wir gesehen haben — oft durch den Wortlaut der Selbstverfluchung bestimmt. Aber das 112

Schiff kann auch in die Gewässer am Kap der Guten Hoffnung verbannt sein, wenn in manchen Sagen die Motivierung des Fluchs keinen Grund dafür erkennen läßt; andererseits kann ein fluchwürdiges Geschehen am Kap der Guten Hoffnung auch zur Folge haben, daß das Geisterschiff alle Meere durch­ kreuzen muß. Die Vorstellung, aber, es segle in südlichen Gewässern, über­ wiegt. Schon 1828 und noch 1965 heißt es ausdrücklich, das Schiff werde nie in nördlichen Breiten gesehen. Nach der ältesten, von Raigersfeld mitgeteilten Sage hält sich das Schiff in ostindischen Gewässern auf; auch Richter erwähnt Gespräche über eine verwünschte Fregatte in diesem Seegebiet (1806H). Be­ richterstatter, die dem fliegenden Holländer begegnet sein wollen, lokali­ sieren das Zusammentreffen mehrfach im Indischen Ozean, am Kap Hoorn, ferner allgemein im Bereich des Südostpassates, in Westindien, vereinzelt im Mittelmeer und in der Nord- und Ostsee.

Das Geisterschiff erscheint meist im Sturm, nach einigen Quellen nur im Sturm, oft in der Nacht, um Mitternacht, auch bei Sonnenuntergang; bisweilen wird es am Tage gesehen. In sternklarer Nacht kann es von Dunst umgeben sein. Plötzlich bricht es aus der Dunkelheit, aus Nebelfeldern oder Regenböen hervor, steigt manchmal direkt aus der Meerestiefe herauf, und verschwindet meist ebenso plötzlich, wie es gekommen: versinkt in den Wellen, löst sich im Nebel auf. Der fliegende Holländer, heißt es, ist das einzige Schiff, das gegen Wind und Strömung segelt, und wir hören immer wieder, daß es im Sturm alle Segel trägt. Zum Teil wird überliefert, daß es gegen den Wind kreuze, ohne voranzukommen, und selbst bei Windstille sieht man es in der Ferne mit gerefften Marssegeln gegen den Wind ankämpfen. Diesem Bild des an seinen Platz gebannten, zuweilen ganz regungslos liegenden Schiffes steht in anderen Quellen der Bericht von seiner unglaublichen, pfeilschnellen Ge­ schwindigkeit gegenüber. Man kann dem fliegenden Holländer auch bei gün­ stigstem Wind nicht entkommen. Von unsichtbarer Macht getrieben schäumt er durch die Wogen, ohne zu schwanken und ohne zu rauschen; höchstens das Knattern der Segel ist vernehmbar.

Das Schiff wird in den meisten Fällen als riesenhaft, als dunkel und düster beschrieben, schwarz, mit roten Segeln, aber es soll auch gelb gestrichen sein, oder überhaupt seine Farbe zehnmal am Tage wechseln. So schildert es Jal in seiner französischen Fassung, die viele extreme Motive häuft, und erzählt ferner, daß der fliegende Holländer, um unerkannt zu bleiben, sein Schiff verändere: einmal als Korvette die See durchpflüge und einmal als plumper holländischer Ostindienfahrer, der nur mit Mühe sein dickes Hinterschiff in den Wind bringen kann. Der Segler ist nach anderen Sagen ein Kreuzer, ein Zweidecker mit offenen Kanonenluken, in denen Feuer brennt. Manchmal ist das Schiff weiß vor Alter, seine Segel sind mit Mehltau überzogene Fetzen; manchmal schimmern die Sterne hindurch — denn substanzlos, nebel- und schattenhaft begegnet das Schiff ebenfalls. Und von geheimnisvollem Licht ist es umge­ ben; matt grau oder rot; orangefarbene Flammenzungen, das St. Elmsfeuer tanzt an Masten und Raaen. Eine dänische Überlieferung weicht von den üblichen Vorstellungen etwas ab: der fliegende Holländer, der zu Zeiten ganz 113

normal über das Meer fahre, durchsegle meistens die Luft und überfliege an­ dere Schiffe wie ein Vogel (1892H3). Mannschaft und Kapitän werden seltener geschildert. Jal weiß die peinvolle Arbeit der Feiglinge, Diebe und Mörder plastisch auszumalen — „die Hölle, das ist der fliegende Holländer“. Lyser beschreibt — wohl nach Hauff —, wie die Leichen jeweils um Mitternacht wieder lebendig werden. Oft regt sich gar nichts an Deck. Nach manchen Sagen sieht man mit Haut überzogene Gerippe; Knochengestalten, die einen Südwester tragen; oder nur die Schatten von Skeletten. Es wird vereinzelt auch erzählt, daß die Matrosen jauchzen und singen, daß sie an der Reling stehen und die begegnenden Fahrzeuge ver­ höhnen. Freuchen schreibt, man höre die weißhaarigen Männer um Hilfe rufen. Oft ist der Kapitän allein; in einer Variante wird er von Bootsmann, Koch und einem Matrosen, alle steinalt und mit langen Bärten, begleitet. Der Schiffer steht am Ruder, auf dem Achterdeck, vor dem Mast, unbedeckten Hauptes, mit flatterndem Haar und schwarzem Mantel, auch als Knochenmann mit Südwester. Einmal hat er den Arm rächend erhoben gegen die Unglück­ lichen, die ihm begegnen, einmal ballt er die Fäuste drohend gen Himmel. Gelegentlich sitzt ein weißer oder ein schwarzer Pudel, den man für den leibhaftigen Teufel hält, neben ihm. In modernen Fassungen, die im Grunde verballhornte Falkenbergsagen sind, würfelt der Kapitän mit dem Teufel um seine Seele. Aber viel erregender als die seltsame Erscheinung an sich sind für den Seemann jene Motive, die aus der irrationalen Welt in seinen eigenen Lebens­ umgrund hineinreichen. Mehrere Sagen berichten, daß der fliegende Holländer an andere Schiffe herankreuze, daß er längsseits gehe oder von der Windseite auf sie zufahre, als wolle er sie entern, und dann plötzlich verschwinde. Er fährt auch durch Schiffe hindurch, ohne etwas zu zerstören. Er preit* sie an oder lockt sie durch Notschüsse herbei. Einmal soll der fliegende Hollän­ der ein Schiff vielfach kreisend umsegelt haben, öfter fährt er auf parallelem Kurs oder folgt einem Schiff viele Tage. Aber es heißt auch, daß er nur solchen Schiffen erscheine, deren Kapitäne mit dem Teufel einen Pakt geschlossen haben. Wenn man das Geisterschiff anruft, verschwindet es, desgleichen, wenn man mit einer Schaluppe heranrudert; oder es fällt dann wie Asche zusammen.

Das Briefmotiv verknüpft am eindrucksvollsten die numinose Erscheinung mit der lebendigen Wirklichkeit. Zuerst finden wir es in Blackwood’s Maga­ zine; schon der Titel seiner Geschichte — Vanderdecken’s Message Home — zeigt, daß es hier als Hauptgeschehen ausgebreitet wird. Das Zwiegespräch eines alten Mannes, der vom fliegenden Holländer herübergekommen ist, um Briefe Vanderdeckens in die Heimat schicken zu lassen, mit der Mannschaft des realen Schiffes enthüllt, wie lange der Holländer schon, ohne daß es seiner Besatzung bewußt wäre, auf der See herumgeistert: Amsterdamer 9 Preien, anpreien = Anrufen eines Schiffes durch Sprachrohr (gewöhnlich um Name, Bestimmungsort oder Besteck zu erkunden).

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Häuser, an die die Briefe adressiert sind, existieren nicht mehr; die hollän­ dische Bank, die einen Scheck einlösen soll, ist längst dahin ... Niemand will die Briefe annehmen. Der Fremde legt sie auf das Deck, schließlich wehen sie über Bord. Ein Vergleich macht deutlich, daß die Blackwood-Erzählung für die entsprechenden Brief-Szenen bei Hudtwalcker und bei Marryat Vorlage gewesen sein muß10. Aus Hudtwalckers Roman kennt Heine das Briefmotiv, und aus seinem Text gelangt es in Wagners Oper; von Marryat übernehmen Lyser und sehr wahrscheinlich Smidt das Motiv. Auch die Erwähnung in Sternbergs Novelle kann auf Heine oder Hudtwalcker zurückgehen, und selbst die etwas merkwürdige Fassung Lussenburgs (1850H5), nach welcher der Holländer an einem Schiff vorbeirasend einen Brief hinüberreicht, den man an den Mast nagelt und in Amsterdam keinen Schnippel mehr davon findet, selbst diese Fassung macht den Eindruck, als habe Heine dabei Pate gestanden. Es bleibt in den anderen Quellen noch die Erwähnung in einer französischen (1832H) und einer pommerschen Variante (1840H4). In den ältesten, nicht novellistisch überformten Sagen (1787H, 1812H, 1825H1) fehlt das Brief­ motiv, es fehlt auch in wichtigen Varianten der Unterhaltungsliteratur (1841H1, 1867H). Offenbar kann es nur mit Einschränkungen als ein typisches Motiv der volkstümlichen Holländer-Überlieferung angesehen werden. Daß es in einigen späteren seemännischen Reiseschilderungen wieder auftaucht, will nicht viel besagen; eine literarische Überlieferung ist nicht auszuschließen und nicht einmal unwahrscheinlich. In einem Seemannsbuch (1860H4) wird das Brief­ motiv zum Zentralgeschehen der Holländersage: Das vergebliche Bemühen des Holländers liegt darin, Briefe nach Hause zu schicken, die dem, der sie an­ nehmen will, immer wieder aus der Hand wehen. Als einmal ein Zimmer­ mann einen Brief festnageln will, spült eine Breitsee das Papier über Bord. (Dieser Zug läßt ebenfalls eine Beziehung zur Blackwood-Erzählung ver­ muten.) Das folgenreichste Motiv, das aus der Sagenerzählung in die Glaubensvor­ stellung und damit in das reale Leben des Seemanns hinüberwirkt, besagt, daß eine Begegnung mit dem fliegenden Holländer Unglück bringe; sie bedeute schweren Sturm, Schiffbruch oder zumindest Havarie, manchmal auch einen Toten. Besonders anschaulich schildert wiederum Jais Fassung die möglichen Gefahren. Ein einzelnes Zeugnis kündet: wer den fliegenden Holländer trifft, muß mit ihm über das Meer fahren und an seiner Verdammnis teil­ nehmen (1953H3). In mehreren Wossidlo-Aufzeichnungen ist die HolländerVorstellung ganz allein auf das Unglücksmotiv reduziert, wenn auch teilweise in abgeschwächter Form: (I9I6/75W) „De Fleegen Hollanner, dat is wider nix 10 Vgl. die Einzelzüge bei Blackwood und Hudtwalcker: Ein anderer Segler rit (Hudt­ walcker-. die Offiziere raten), die Tafelbucht anzulaufen, darauf der Fluch; man sieht den Holländer nur in hartem Wetter (bei Sturm); es ist ein Unglück, wenn er Briefe abgeben will; man sagt, es sei ein sinkendes Gewicht in den Briefen (sie wiegen zentnerschwer im Schiff); Eisen (Senkblei) wird auf die Briefe gelegt; Zim­ mermann soll die Briefe an Deck befestigen (Notruder darübernageln); Eisen ver­ rutscht beim Schlingern (Zimmermann nimmt Senkblei weg): die Briefe fliegen davon. — Vergleich Blackwood — Marryat s. oben S. 34 Anmerk. 13. 115

as: dat ward Unwäder“. Doch so häufig auch dieses Motiv in Sage und Glauben mit dem fliegenden Holländer verbunden ist, die älteste Überlieferung kennt das Unglücksmotiv kaum (1787H, 1806H, 1821H1, 1825H1, 1828H2) — von der (allerdings eindeutigen) Mitteilung Scotts abgesehen, daß eine Begegnung das schlimmste aller denkbaren Omen sei. Auch in den Fokke-Sagen fehlt es.

Wir wollen die Frage, wieweit die Motive des fliegenden Holländers mit allgemeinen Geisterschiff-Motiven übereinstimmen, einstweilen zurückstellen. Heben wir nur jene Züge dieses speziellen Geisterschiffes noch einmal heraus, die eng vom Verfluchungsgeschehen her motiviert werden: das Segeln im Sturm, ohne von der Stelle zu kommen; das ewige Kreuzen am Kap der Guten Hoffnung. Das Unglücksmotiv wird nur in Jals Fassung, und nicht sehr überzeugend, zu begründen versucht, wenn Gott in dieser Variante den Kapitän unter anderem so verurteilt: da du die Seeleute zu ängstigen liebst, sollst du sie ewig ängstigen. Das Briefmotiv ist für den Holländerstoff höch­ stens sekundär wichtig, um die lange Zeit des vergeblichen Segelns zu be­ zeugen. In einer einzigen Sage gewinnen Briefe eine sehr bemerkenswerte Funktion. Da für Fokke der ewige Fluch aus dem Teufelspakt abgeleitet wird, muß — um diesen zu begründen — die unerklärliche Schnelligkeit der Ost­ indienreisen beglaubigt werden, und es heißt, Fokke habe 1678 durch das Überbringen von Briefen an den General-Gouverneur eine Segelzeit von nur drei Monaten und vier Tagen nachgewiesen (1892H1). Klabautermann. Name und Charakteristik

Unsere zweite seemännische Sagengestalt, der Schiffsgeist, lebt mit einer Fülle von Namenvarianten, die nicht nur in verschiedenen Landschaften und Sprachgebieten voneinander abweichen, sondern auch an ein und demselben Ort nebeneinander gebraucht werden. Der häufigste Name und heute die all­ gemeine Bezeichnung, selbst im Plattdeutschen und — angeglichen — im Dänisdien, ist Klabautermann.

Klabautermann begegnet zuerst in Smidts Novelle 1828, später bei Stern­ berg, bei Gerstäcker und dann immer häufiger bis zur Gegenwart herauf. Die Verkleinerungsform Klabautermännchen findet sich fast ausschließlich in — meist älteren — Sagensammlungen. Die niederdeutsche Form ist Klabater(s)mann-, mit der hamburger Aussprache des ä als 6 Klabotermann. Diesen Namen fixiert zuerst Heine 1826 auf Norderney. Auch Lyser berichtet ihn 1838 aus­ drücklich von Helgoland und wirft Smidt vor, nicht nur den Charakter des Schiffskobolds verfälscht zu haben, sondern auch dessen Namen11. Doch später treffen wir Klaboterman nur noch in England und Amerika, wo er durch Longfellows Ballade, die auf Lysers Erzählung fußt, bekannt geworden ist. An der Ostseeküste, in Pommern und Mecklenburg, ist die Bezeichnung Klabatermann am weitesten verbreitet, als Klabattermann findet sie sich vereinzelt auch in Oldenburg und als Kiabader oder Klabater an der unteren Elbe. Eine Reihe von Sonderformen kennen die Friesen. Daß die nieder11 Lyser 1838; Bd. V, S. 255.

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ländischen kabouters und kabotermannekens nicht eigentlich Schiffsgeister sind, haben wir schon gesehen; ähnlich werden die vielen Namensformen in Ostfriesland: kabauter, kebauter, karbauter, kerbauter, kalbauter, klabauter, klebauter zwar für Kobolde, für kleine unlenksame und störrische Wesen an­ geführt, nicht aber direkt für Schiffskobolde (1882K). Doch im Westfriesischen gibt es ein ierdmantsje auch auf Schiffen (1893K3). Im Nordfriesischen heißt unsere Gestalt Klaboltermann oder Klaboltermännchen12. Während die deutschsprachige Überlieferung die allgemeine Bezeichnung Schiffsgeist praktisch nie allein verwendet und auch nur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vereinzelt vom Puk eines Schiffers oder von Püksen spricht, die sich auf Schiffen aufhalten, so sind in den skandinavischen Ländern nisse und skibsnisse, rd und skeppsrä zumindest das ganze vorige Jahrhundert hindurch die gebräuchlichen Worte. In Dänemark taucht 1891 und 1915 der Name klabond(t)ermand auf13. Nach der seltsamen, lautmalenden Schreibung klapbowdemand 1928 sehen wir seit den 1930er Jahren im Dänischen den skibsnisse zunehmend klabautermand genannt, und seit etwa 1950 wird fast immer klabautermand gesagt. In Schweden wird einmal von einem Kabbel­ gatts-Nisse gesprochen (1928K5). Klabautermann ist in Norwegen zuerst 1932 bezeugt1415 . Nach einem Einzelbeleg soll im letzten Jahrzehnt des 19. Jahr­ 16 hunderts auf einem norwegischen Schiff das Wort veslemand gebraucht worden sein (1891K2). Heute kennt man einen laumann (1966K2). Mit der Menge des baltischen Materials sind von den Liven und Esten sehr viele Namenvarianten für ihren Schiffskobold — sie sagen zuweilen auch Schiffsdämon oder Schiffsteufel (1928K81) — überliefert. Die Finnen, selbst die Estland-Schweden und die Esten am finnischen Meerbusen kennen nur die allgemeine Bezeichnung Schiffsgeist, was um 1930, dem Ende der baltischen Materialaufnahme, im wesentlichen ja noch für ganz Skandinavien gilt13. Aus Lettland ist leider nichts aufgezeichnet; aber wir wissen von livischen Seeleuten, daß sie Klabautermann-Geschichten gerade auf lettischen Schiffen gehört ha­ ben, vor allem in den größeren Häfen Riga und Libau. Der gebräuchlichste Name ist bei den Liven pottörman oder bottörman, daneben wird auch klabautörman, klaboutörman, klapötörman, klabätorman gesagt (an Stelle des ö kann immer auch e stehen). Auf den estnischen Inseln begegnet in einer Sage die Form klabautermann, im allgemeinen aber spricht man vom puterman(n) (auf Dagö vorherrschend) oder vom poterman(n) (auf ösel), einmal heißt es, poltermann sei der „richtigste“ Name des Geistes; ferner gibt es die Worte pudermann, podermann, auch kuterman, koterman(n) und einige weitere, stärker abweichende Einzelformen, die für uns nicht viel besagen und wohl zum Teil auch auf Erinnerungsschwäche und Irrtum be­ ruhen19. 12 Klabautermann im Haus; auch Knaboltermännchen (1911K5). 13 1890 bereits klabautermand-Abb. in Zeitschrift (1890K2). 14 1932K. Vgl. 1907K: Dieser Name von norwegischer Dame in einer dänischen Er­ zählung verwendet. 15 Beachte auch die Benutzung von „trull" (1927K71). 16 Loorits 1931, passim; vgl. auch Loorits 1949/57; Bd. II, S. 271.

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Im 19. Jahrhundert heißt der Klabautermann auch Kalfatermann. Wir hören von dem Schiffsgeist als dem Kalfatermännchen in Gesprächen hollän­ discher Matrosen 1806 überhaupt zum erstenmal. Aus Ostfriesland und aus Lübeck ist der Kalfatermann belegt, in Pommern der Kalfater neben dem Klabatermann genannt und auch die Liven sollen früher kloufatorman oder kalfatorman gesagt haben. Der Name erklärt sich leicht, und das wird auch in den Oberlieferungstexten häufig angeführt, aus der Tätigkeit des kleinen Gei­ stes, der das Schiff kalfatern hilft. Müllenhoff erwähnt die ebenfalls beschrei­ bende Wortbildung Klütermann, die von klütern, geschäftig tätig sein*, ab­ geleitet ist. Der Bollermann von der Insel Föhr (1911K6), der die Kinder durch bollern, poltern erschreckt, gehört bereits mehr in die Überlieferung des Fest­ landes. Zwei Sondernamen noch hat Wossidlo in Mecklenburg aufgezeichnet. Der eine, Heumännchen, ist ein Einzelbeleg für die Insel Poel und wohl nicht erklärbar (1928K1’). Der zweite, Petermännchen, mehrfach statt Klabater­ mann genannt, könnte eine Umdeutung des potermanns baltischer Schiffe in das in Mecklenburg gut bekannte Petermännchen sein; oder der Name des Schweriner Schloßgeistes, der auch bei Wismar überliefert ist, wurde einfach auf den Schiffsgeist übertragen17.

Was heißt Klabautermann? Dieser eigentümliche Name hat viele Forscher be­ schäftigt. Es gibt mindestens vier verschiedene Deutungsversuche. Eine Mei­ nung besagt, das Wort Klabatermann sei verderbt aus Kobold, und Kobold wird nun einerseits auf lat. cobalus, griech. xößaAot; „verschmitzter Kerl, Pos­ senreißer“ zurückgeführt und als schalkhafter Neckegeist erklärt18; Kobold ist nach anderer Deutung, aus *kuba-walda hergeleitet, der Beschützer des Hauses — in unserem Falle entsprechend der schützende Geist des Schiffes. Eine zweite Lösung versucht H. Schröder mit seiner Streckformen-Theorie. Er sieht kl(ab)atermann als Streckform von klätermann „Klettermann“ (wir kennen ein kldtermanneken in der Göttinger Gegend) und stellt entsprechend kl(ab)auter­ mann zu klautern „klettern". Unser Schiffsgeist ist demnach ein Klettermann1*. Eine dritte Auffassung meint, daß die Bennungen Klabatermann und Kalfa­ termann im Grunde eins seien, „wie denn kalvaten eine seltenere Nebenform für das gewöhnlichere kalfatern ist"20. Klabautermann bedeutet also eigentlich nur Kalfaterer. Viertens, schließlich, versucht man Klabautermann in Zu­ sammenhang mit dem Verbum klabastern, einem lautmalenden Wort, zu sehen21; Klabautermann ist hier ein Poltermann.

Aus dem Namen leuchten, wie schon beim fliegenden Holländer, charakte­ ristische Züge unserer Sagengestalt. Wenn sich früher jedoch aus jedem ein­ zelnen Geisterschiff-Synonym ein weiteres Motiv in das Sagenbild des fliegen­ den Holländers fügte, so fallen jetzt aus einem einzigen Namen des Schiffs­ 17 18 19 20 21

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Vgl. Wossidlo, S. 284 Anmerk. Z. B. Müllenhoff 1845, S. 604; Jahn *1889, S. 105. Schröder 1906, S. 157—169. Kluge 1911, S. 451 Anmerk. 1. Hildebrand in: DW, Bd. V (1873), Sp. 887 f.; Mensing 1927/35; Bd. III, Sp. 128 f. — (Schröder 1906, S. 150—155, erklärt „klabastern“ als Streckform.)

geistes die verschiedensten Bilder heraus. Jeder Deutungsversuch schafft einen eigenen Klabautermann: er ist ein schalkhafter oder ein schützender oder ein kletternder oder ein kalfaternder oder ein polternder Geist. Man mag die ein­ zelnen etymologischen Wege anzweifeln oder gar verwerfen — und es ist kaum wahrscheinlich, daß alle Lösungen mit gleichem Recht bestehen —; aber es bleibt eine zunächst verblüffende Tatsache, daß kein Ergebnis der allgemeinen Klabautermann-Vorstellung widerspricht, daß jedes einzelne machtlos ist, die Gestalt — sie auf eine Eigenschaft reduzierend — zu erhellen, daß aber alle Lösungen zusammen (für die ältere Zeit) ein ziemlich schattenloses Licht über ihr verbreiten. Wir werden, was jetzt erstaunt, später besser verstehen. Dieser blitzartige Einblick in die Struktur der volkstümlichen Vorstellungswelt wirft eine Frage auf, die uns vorher beschäftigen muß. Können wir die isoliert nebeneinander­ stehenden und dennoch zusammengehörenden Motive des Klabautermann systematisch ordnen?

Der Klabautermann sieht wie ein Stiefkind der Hausgeister aus und ist der Forschung ein Stiefkind geblieben. H. F. Feilberg analysiert in seiner „Nissens Historie“ in siebzehn Kapiteln einzelne Hausgeist-Motive (Wohnung — Dienste — Schabernack etc.), das achtzehnte Kapitel lautet schlicht: Kirchen- und Schiffsgeister. Stith Thompsons Motiv-Index gliedert die Gruppe Hausgeister in Kobold, Brownie, Schiffsgeist, von denen nur unser Schiffsgeist keine wei­ tere Untergliederung erfahren hat. Im „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“ gibt unter den entspre­ chenden Stichwörtern nur der Artikel „Kobold“ von L. Weiser-Aall eine brauchbare Aufschlüsselung der Motive. J. Künzig hat 1936 für ein Typen­ system der deutschen Volkssage die Gruppe Hausgeister- und Koboldsagen aus­ gearbeitet. Aber seine Motivreihe unter dem ersten Abschnitt „Hausschutz­ geist, Klabautermann, Hausschlange", die schon in ihrer Folge sehr willkür­ lich und unvollständig scheint, bewegt sich in ganz verschiedenen Ebenen (z. B. Aufenthaltsort, Erscheinungsformen etc. — Kobold als Beschützer des Hauses etc. — Hausschlangen); sie ist unsystematisch.

Die Schwierigkeit liegt unter anderem darin, daß wir all unsere einzelnen Klabautermann-Motive nicht, wie beim fliegenden Holländer, in die Folge einer umfassenden Erzählstruktur reihen können. Es gibt nicht einen Typus, sondern viele Klabautermann-Sagen; ihre Gemeinsamkeit beruht auf einer Klabautermann-Vorstellung, von der jede einzelne Sage nur einen Aspekt widerspiegelt. Die Erzählsage ist, so gesehen, mehr Illustration als Erzählung, mehr Bild als Handlung und läßt sich — umgekehrt wie beim fliegenden Hol­ länder — meist einem (manchmal mehreren) Motiven der Klabautermann-Vor­ stellung unterordnen. Die Motive des Schiffsgeistes werden wir in zwei Gruppen gliedern. Zuerst wollen wir alle mehr statischen Motive behandeln, die das Dasein des Kla­ bautermann beleuchten: an wen oder was er gebunden ist; wie man ihn er­ kennt und sich ihm gegenüber verhält; wo er herkommt und was er eigentlich 119

ist; wie er aussieht und wo er sich aufhält. Anschließend betrachten wir die mehr auf Handlung zielenden Motive, die sein Wesen erhellen: wie er neckt und sich rächt; wie er hilft und straft; wie er warnt und befiehlt; wie er Un­ glück ankündigt und hervorruft. (Diese Gliederung ist kein Patentrezept. Sie hofft jedoch, in der folgenden Analyse einen brauchbaren Kompromiß zwischen Logik und Anschaulichkeit zu ermöglichen.) Das Dasein des Klabautermann

Manche Seeleute glauben, so erfahren wir um die Mitte des 19. Jahrhun­ derts aus Deutschland und Dänemark, daß einige Schiffe, aber nur wenige, einen Klabautermann an Bord haben. Eine andere Meinung, jedoch, über­ wiegt: jedes Schiff besitzt — besaß in alten Zeiten — seinen Geist; zumindest: auf vielen, wohl auf den meisten lebt ein Klabautermann. Das gilt aber immer nur für die See. Auf Flußschiffen finden wir ihn nie, und auch für Fischerboote gibt es im vorigen Jahrhundert — von einem Ever in Smidts KlabautermannNovelle abgesehen — keine Belege. In Estland wird hervorgehoben, und das trifft im wesentlichen auch für Deutschland zu, daß der Klabautermann auf Kontor- und anderen Schiffen dieser Größe, auf Seglern für Weltfahrten gesehen werde, seltener auf Dampfern. Die norwegische Überlieferung siedelt den nisse vor allem auf kleineren Schiffen an, auf Schonern, die die Nord- und Ostsee durchsegeln; und in Dänemark begegnet der nisse in neuerer Zeit sogar mehrfach auf Fischerbooten. Der Klabautermann hält fest zu seinem Schiff; er schlägt sich mit anderen Kobolden, die diesem schaden wollen; erst wenn der Untergang bevorsteht, verläßt er es. Man kann darum (eine Sage schildert das) im Hafen darauf achten, ob der Klabautermann von Bord gehe und weiß dann über das Schicksal des Schiffes Bescheid. Auch andere Geschichten spiegeln das enge Verhältnis zwischen dem Klabautermann und seinem Schiff. So ließ sich ein alter Segler erst abwracken, als man ein Kästchen mit dem Klabautermann darin von Bord genommen. Wir hören sogar vereinzelt, wie der Klabauter­ mann das Wrack seines Schiffes noch beschützt: bei Skagen verjagte er einmal Stranddiebe; auf Bornholm mußte ein Tischler ihm zurufen, das Wrack sei rechtmäßig erworben, bevor der Geist Ruhe gab22. Der Schiffsführer hat eine Sonderstellung an Bord, und es verwundert nicht, wenn der Klabautermann dem Kapitän oft besonders nahe steht. Der Geist gibt ihm Anweisungen für die Arbeit, er speist mit ihm. Er nimmt vor dem Schiffsuntergang von ihm Abschied. Nach einer Sage meldete er einmal, es stehe schlecht, der Kapitän solle sich ein neues Schiff suchen und sehen, ob er ihn, den Klabautermann, dort mit anbringen könne. Über diese Motive hinaus­ gehend kann aber die Beziehung zwischen Klabautermann und Kapitän manch­ mal noch enger sein als die zwischen Kobold und Schiff. Arndt berichtet vom 22 Wenn ein Motiv nicht in einem Bericht, sondern in einem bestimmten Erzählzu­ sammenhang steht, wird es im folgenden statt im Präsens im Imperfekt wiederge­ geben.

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Schiffer Gau und seinem Puk, Sternberg erzählt von einem Klabautermann, der seit undenklichen Zeiten im Besitz einer Seemannsfamilie ist. Polterte es auf dem Schiff eines Kapitäns St., hieß es: „Dat is den Käppen sien Klabatersmann — dorvon hett he sovääl Glück“ (1927K2W). Man erzählt auch, daß sich die Kapitäne früher einen Klabautermann zu verschaffen wußten und denkt dann zuweilen an Freimaurer oder Teufelsbündner. Einst sank ein Schiff, als es der Steuermann übernommen hatte; denn mit dem Kapitän war der Klabautermann an Land geblieben (1922K1,2W). In der Regel ist der Klabautermann unsichtbar. Die Matrosen hören seine Geschäftigkeit. „Wenn er klopft, bleibt er, wenn er hobelt, geht er.“ Ist das Poltern ganz eingestellt, hat er das Schiff verlassen, und eine Sage berichtet, daß einige Matrosen daraufhin von Bord gingen. Es wird andererseits gesagt, daß man den Klabautermann nur vernehme, wenn auf dem Schiff etwas nicht in Ordnung ist. Zuweilen erscheint der Klabautermann auch einigen Auser­ wählten, Kapitän, Steuermann, Bootsmann; ein Schiffer, z. B., konnte seinen nisse nachts sehen; nach anderer Mitteilung soll er sich auch den Matrosen nachts in verschiedener Gestalt zeigen- Aber das sind Einzelfälle. Der Glaube, daß der Klabautermann gewöhnlich unsichtbar ist, wird pointiert durch den Kontrast ungewöhnlicher Umstände, die ihn erkennbar machen. Das einfachste, gewiß scherzhafte Motiv stammt aus Pommern: Wer nachts zwischen zwölf und eins allein am Spilloch durch seine Beine gucke, könne ihn sehen. Später heißt es bei Werner, man müsse am 29. Februar eines neuen Jahrhunderts in der Mitternachtsstunde geboren sein. Nach Leip gilt das — ganz ausgeklügelt — nur für jene, die am 29. Februar um Mitternacht bei Vollmond in der Minute der Flutkenterung an der Meeresküste das Licht der Welt erblicken ... Das Unsichtbarkeitsmotiv liegt auch jenen Sagen zugrunde, die das belauschte Gespräch zweier Klabautermänner schildern. Die Unsichtbarkeit macht den Einblick in das Numinose zu einer Ausnahmesituation, die hier — genau wie im Märchen — nicht besonders begründet wird. Die Schiffsgeister verschiedener Schiffe unterhielten sich nach den meisten Sagen über ihre Reisen und erwähn­ ten dabei oft einen Defekt, daß eine Planke locker oder ein Mast verfault sei; manchmal verriet ein Klabautermann auch, er wolle sein Schiff verlassen, weil es untergehen würde. Der lauschende Matrose heuerte dann ab und ret­ tete sich. In einigen Sagen hörte der Wachtposten aus dem Selbstgespräch eines Klabautermann, daß ein Mast ausgewechselt werden mußte. Der Klabautermann ist, auch wenn er dem Auge verborgen bleibt, eine Realität, der man Rechnung trägt. Es gibt mehrere Nachrichten, daß ihm ein eigenes Gedeck aufgelegt wurde, manchmal mit den besten Speisen darauf; in Dänemark setzt man ihm seine Milchgrütze hin. Am liebsten, so heißt es, ißt er vom Kapitänstisch, und kurze Sagen illustrieren das. Als ein Schiffs­ junge, einmal auch eine Magd vom Essen des Klabautermann naschten, hat der Geist sie geschlagen. Das Vorhandensein des Klabautermann ist für den Seemann im vorigen Jahrhundert vielfach selbstverständlich. Wie und warum der Geist aufs Schiff 121

kommt, fragt er seltener. Dennodi wissen wir auch darüber eine ganze Menge.

Der Klabautermann kommt oft schon beim Bau des Schiffes und hilft kal­ fatern. Er zieht ein, wenn der Kiel oder das Schiff fertig ist. Nach baltischer Überlieferung entsteht er aus einem oder drei Spänen des Kielholzes, die der Schiffsmeister in die Tasche steckt. In Mecklenburg meint man vereinzelt, er entstehe aus Holz, das vom Wind angebrochen ist oder auch, er sitze in ge­ stohlenem Holz. Am häufigsten aber, vor allem im vorigen Jahrhundert an der deutschen Ostseeküste, hält man den Klabautermann für den Geist eines Menschen, ins­ besondere den eines Kindes. Wenn ein Kind, das tot geboren oder vor der Taufe gestorben oder von seiner Mutter ermordet ist, unter einem Baum be­ graben wird, so flüchtet seine Seele in diesen Baum und gelangt mit ihm, wenn er zum Schiffbau verwendet wird, in das Schiff. Auch Bäume, die man aufgespalten hat, um nach altem Brauch ein Kind mit Bruchschaden hindurch­ zuziehen, nehmen, wenn das Kind dennoch stirbt, seine Seele auf. Diese krumm gewachsenen Bäume eignen sich besonders gut für die Steven der Schiffe. In den Wossidlo-Belegen wird nur einmal von der Kinderseele ge­ sprochen. Hier ist der Klabautermann ein auf dem Lande umgehender Geist, der an einem Baum verwaist ist oder — am häufigsten — der Geist eines Mannes, der sich an einem Baum erhängt hat; der Klabautermann entsteht auch allgemein aus über Gräbern gewachsenen Bäumen.

Immer kommt nach diesen Zeugnissen der Geist mit dem Holz ins Schiff. Manchmal kamen zwei (auch drei) Klabautermänner und der Kapitän mußte dann — so erzählen beliebte Sagen —, weil sie sich dauernd prügelten, einen Steven wieder herausnehmen lassen; oft wurde der Kapitän, einmal auch der Schiffsjunge, von den Männchen um die Entscheidung gebeten, wer das Recht auf dem Schiff haben solle. Der Kapitän zog dann meist denjenigen vor, der zuerst — mit dem Kiel — gekommen war (auch, weil er ihm am wichtigsten schien), während der andere gehen mußte und oft den Mast wieder mitnahm. (Einmal wollte ein Klabautermann schon beim Baumfällen dabeige­ wesen sein, aber das ließ der Kapitän nicht gelten.) Nicht an hölzerne Schiffe gebunden ist der Klabautermann, wenn es heißt, er sei der Geist eines beim Bau oder auf dem Schiff Verunglückten oder er­ trunkenen Matrosen. Dieses letzte Motiv verschiebt bereits die Vorstellung vom Schiff zum Wasser, und in unserem Jahrhundert ist der Klabautermann dann oft ein gespenstisches Wesen der See, ein Ozeangeist, der über die Wellen gegangen kommt und an Bug, Hede oder Besanwant an Bord steigt. Seltener glaubt man, daß der Klabautermann ein Teufelsgeselle oder gar der Teufel selbst sei. In der konkreten Vorstellung gilt der Schiffsgeist allgemein als ein kleines Männchen, ein Fuß groß oder zwei, bildlich gesagt: nicht höher als eine stehende Flasche oder ein halber Seestiefel. Er ist in den meisten Fällen ein Greis. Er hat einen großen, feuerroten Kopf, weißen oder grauen Bart, rote Backen, helle, blaue Augen, seegrüne Zähne, eine dünne Stimme und feine Hände; 122

sein Angesicht kann auch totenbleich, eingefallen und faltig sein. Im ganzen beschreibt man den Klabautermann als rotes oder grünes oder (besonders im Baltikum) graues Männchen, als Knabe in blauem oder in grauem Anzug. Seine Kleidung wird noch am einheitlichsten überliefert, wenn man ihn wie einen Matrosen schildert: mit Seestiefeln, Tuchjacke und Zwillingshosen, neu­ erdings mit Ölzeug und Südwester. Sonst trägt er die verschiedensten Dinge, von denen am häufigsten eine rote Jacke oder ein roter Anzug und eine spitze, oft ebenfalls rote Mütze begegnen. Er kann auch in zerlöcherten Sachen herumlaufen oder ganz nacht sein; dann darf man ihm keine Kleidung hin­ legen. Attribute des Klabautermann sind Pfeife und Hammer, vereinzelt wird seine Seekiste erwähnt. Im Baltikum trägt er öfter ein Beil im Gürtel, einmal einen Anker unter dem Arm.

Der Aufenthaltsort des Klabauter-Männchens ist im allgemeinen der Lade­ raum, wo er hämmert, nachstaut und mit Brettern wirft, nur manchmal unter der Ankerwinde. Er kommt auch an Deck, steigt in den Mast, klettert in der Takelage und sitzt auf dem Bugspriet oder auf dem Klüverbaum. Statt von einem alten Männchen wird zuweilen von dem dunstig-bläulichen Aussehen des Klabautermann gesprochen (1935K2); von einem Nebelwesen;

von einer weißen oder einer kohlenschwarzen Gestalt. Eine grausig-groteske Beschreibung gibt Werner: Ein gräulicher Fischkopf sitzt dem Klabautermann zwischen den Schultern, mit blutigem Rachen und langen gelben Zähnen, die er grinsend fletscht; langes struppiges Haar sträubt sich um seinen Kopf, und die feurigen Augen drehen sich wie glühende Kohlen. — Auch in Menschengestalt wird der Klabautermann beschrieben und in jüngster Zeit als Skelett. (1937K1“} „De Klabatersmann süll männigmal as Düwel un männigmal as Katteiker (Eichhörnchen) uutseihn“, lesen wir in einem späten Beleg Wossidlos. Die Vorstellung des Klabautermann in Tiergestalt — als Katze, Hund, sogar als Vogel — ist in Estland mehrfach überliefert.

Das Wesen des Klabautermann

In seinen Handlungen prägt sich der Charakter des Klabautermann aus; darin, vor allem, zeigt sich sein Wesen. Daß er in der volkstümlichen Überlieferung z.B. als Kinderseele gedacht wird, trägt zu seinem Verständnis als Schiffsgeist nichts bei. (Die Frage, was der Klabautermann im tieferen Sinne ist, wollen wir später bei der Analyse des Sagengehaltes behandeln. Jetzt geht es um die stoffliche Beschreibung seiner Wesensäußerungen.)

Zu den ältesten Motiven des Klabautermann gehören seine Scherze und Schelmereien. Er löscht das Licht im Ruderhaus, neckt den Schiffshund und äfft seekranke Passagiere nach. Doch sehr früh schon sind diese Taten mit launischen, sogar boshaften Zügen verknüpft: er wirft mit Hölzern, hindert die Matrosen bei der Arbeit, verteilt unsichtbar Ohrfeigen. Ihm werden Mißlichkeiten und unglückliche Ereignisse an Bord zugeschrieben, sei es, daß in der Takelage eine Raa bricht oder ein Matrose sich am Ankerspill den Daumen 123

abschlägt. Wer den Klabautermann gar ärgert, wird seine Rache erfahren. So brach sich ein Zimmermann — hören wir —, als er den Geist verhöhnte, das Bein; ein Schiffsjunge mußte das Ärgern des Klabautermann, des Teufels­ gesellen, mit dem Leben bezahlen.

Ein ausgelassener, lustiger Klabautermann, der tanzt, singt und lacht, der sogar Geige spielt, existiert nur in der dichterischen Phantasie eines Kopisch oder Longfellow. Aber die Vorstellung von dem guten Geist, der das Schiff allein schon durch seine Anwesenheit beschützt, ist im vorigen Jahrhundert bei den Seeleuten ganz allgemein bekannt und weit verbreitet. Der Klabautermann sorgt für gute Fahrt und hilft in mannigfacher Weise: er staut besser nach; er zimmert, was tags zerbrochen, nachts wieder zurecht; er kalfatert; er wäscht das Schiff; er pumpt; er geht beständig hin und her und sieht nach den Ledes; er bessert sie aus oder klopft, um den Zimmermann aufmerksam zu machen. Nachts ver­ richtet der Klabautermann auch die Arbeit der Matrosen; bereitet sie vor; oder zeigt schattenhaft, was am nächsten Tag zu tun ist. Er unterstützt den Zim­ mermann bei Dingen, mit denen er nicht fertig wird; er hilft den Anker aufziehen; einmal stand er dem Schiffsjungen bei, als er zum erstenmal Se­ gel bergen mußte (1925K9"). Er kommt mit Ratschlägen zum Kapitän. Der Klabautermann sorgt für Ordnung: er paßt auf, daß die Mannschaft ihre Pflicht tut; dem Rudergänger, wenn er einschläft, und den Nachlässigen gibt er Ohrfeigen; er zwickt und quält die Faulen und Trotzigen; er schlägt die Bösen. Sogar ein Kapitän, der ungerecht zu seinem Steuermann war, bekam eine Maulschelle. Wenn die Seeleute fluchen, saufen, toben, wenn ein Ver­ brecher an Bord oder Verbrechen begangen worden sind, verläßt der Geist das Schiff, und das ist die schlimmste Strafe. Einst ging er auch, wird er­ zählt, als er Matrosen am Sonntag Kartenspielen sah (1929K1”).

Am notwendigsten ist die Hilfe des Klabautermann im Sturm. Er packt überall mit an. Viele Sagen berichten, wie er in und nach dem Sturm einen Mast festhalten mußte und ihn auf mehrmaliges Bitten (auch Befehlen) des Kapitäns erst in Hafennähe fallen ließ, manchmal aber auch schon vorher, wenn die Seeleute seine Arbeit nicht ernstnahmen. Zuweilen hielt der Kla­ bautermann auch ein zerbrochenes Ruder oder eine lockere Planke, und ein­ mal stritten sich, als sie einander im Hafen begegneten, zwei Klabauter­ männer darüber, ob es schwieriger sei, eine Schiffsplanke oder einen Mast festzuhalten. Sie konnten sich nicht einigen und schlugen sich. Mit der hilfreichen ist die warnende Tätigkeit des Klabautermann oft eng verbunden: (1929K2W) „Wenn Klabatersmann timmern un boekern ded, denn würr slicht Wäder. He oewerhaalt denn dat ganze Schipp noch maal.“ Häufig ist das Warnen seine wichtigste Aufgabe. Vor dem Sturm poltert und lärmt er; man hört ihn unruhig auf- und abgehen; man sieht ihn an Deck kommen und in den Mast steigen. (1890K3'°) „He kloppt bi de Schipper an un geiht weg: toben deiht he nich. Denn kümmt de Schipper an bi de Madrosen: dat gifft wol Ungestüüm.“ 124

Vor Gefahren, einer drohenden Kollision etwa, weckt der Klabautermann den Kapitän, wenn er schläft, oder er ruft ihn auf Deck. Er ordnet selbst das Nötigste an. Einmal riß er dem Rudergänger das Rad aus der Hand, um einen Felsen zu umsteuern. Öfter hat man Kommandos gehört, die weder der Kapitän noch der Steuermann gegeben hatten und die sich allemal als gut erwiesen. Der Klabautermann gab, anstatt zu warnen, gleich seine Befehle, z. B. die Segel zu bergen, und wußte sie manchmal auch energisch durchzusetzen, zu­ weilen aber, wenn man ihm nicht folgte, hatte man den Schaden.

Eine besondere Sagengruppe um den befehlenden Klabautermann handelt davon, wie er sein Schiff zu Schiffbrüchigen leitete, um diese zu retten. Die Erzählungen sind vor allem im Baltikum, aber auch in Dänemark überliefert. Der Klabautermann erscheint hier meist in Menschengestalt. Es gibt mehrfach ähnliche Sagen, die nicht mit dem Namen des Schiffsgeistes verbunden sind.

Schließlich rückt das Unglück, das im realen Seemannsleben immer droht und plötzlich hereinbrechen kann, das die Seeleute beschäftigt, als Motiv in einem Teil der Klabautermann-Überlieferung ganz in den Vordergrund. Nicht immer nützen Warnung und tatkräftige Hilfe. Wenn der Untergang unver­ meidlich ist, verläßt der Klabautermann sein Schiff. Manchmal bleibt der Geist — was sich auch in Sagen der belauschten Klabautermännchen widerspiegelt — schon vor der Abreise an Land; einmal fuhr er im letzten Moment mit dem Lotsenboot zurück. Bleibt er an Bord, zeigt er sich nach älteren Quellen vor dem Schiffbruch; wer ihn dann sieht, muß sofort sterben. (In Estland sind Sagen, in denen das Erscheinen des Kla­ bautermann nur das Ertrinken eines Matrosen oder des Kapitäns ankündigt, mehrfach überliefert.) Der Klabautermann setzt sich auf das Steuer und zerbricht es; er springt in die See; oft über den Bug oder vom Bugspriet; und oft mit lautem Geräusch, damit man ihn hört. Nach einem Zeugnis verab­ schiedet er sich vom Kapitän und fliegt dann vor dessen Augen davon (1846K). In der Überlieferung vor der Mitte des 19. Jahrhunderts und auch in den meisten Belegen späterer Sagensammlungen kündigt der Klabautermann nur das Unglück an, er vollzieht damit sozusagen seinen letzten Dienst an Schiff und Mannschaft; als Ursache des Unglücks begegnet der Klabautermann zum erstenmal bei Werner (1869K1): Regen, Nebel und Windstille sind seine steten Begleiter, vor Unglück und Sturm kauert er sich nachts unter den Bugspriet. Wir hören nach anderer Mitteilung, daß er einen Schiffsjungen so erschreckte, daß dieser aus der Takelung an Deck stürzte und sich ein Bein brach. Wenn der Klabautermann an Bord kommt, heißt es in jüngerer Zeit, ist der Untergang gewiß; auf den Raaspitzen sitzend oder in der Luvwant stehend kündet er Unglück; je höher er in den Mast klettert, desto eher sinkt das Schiff. Sein Gang über das Deck kann neben der Ankündigung des Schiff­ bruchs aber auch ein Zeichen dafür sein, daß die Matrosen gerettet werden.

Mehrfach hören wir, schon vor der Jahrhundertwende, daß Matrosen sich weigerten, auf einem Schiff anzuheuern, auf dem sie einen Klabautermann 125

wußten, und Sagen über Schiffe, auf denen man Poltern gehört hatte und die dann gesunken sind, illustrieren das (1890K6).

Der Klabautermann ist nicht nur ein guter, sondern auch ein böser Geist. Es verwundert nicht, wenn sich zuweilen der Seemann dieses ambi­ valente Bild vereinfacht und sagt: es gibt gute und es gibt böse Klabauter­ männer. Früher, können wir hinzufügen, gab es mehr gute; heute überwiegen die bösen. Der Stoffwandel

Die Vorstellungen vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann bilden kaum je eine kontinuierliche Überlieferungsfolge, sondern sie geben immer nur einen mehr oder weniger zufälligen — und oft verschleierten — Einblick in die volkstümliche Geisteswelt. Wenn sich die Fülle unseres Materi­ als für die letzten 150 Jahre auch in ein dichtes zeitliches Nacheinander ord­ net, so darf man doch die weite räumliche Streuung unserer Quellen nicht über­ sehen. Eine Stoffgeschichte der volkstümlichen Überlieferung können wir nicht schreiben, weil sie auf zuvielen parallelen Wegen verläuft und wir höchst selten direkte Abhängigkeiten kennen. Nur Tendenzen der Stoffentwicklung lassen sich herausheben. Der Wandel unserer Sagengestalten vollzieht sich nicht überall im gleichen Sinne und im gleichen Zeitmaß.

Die allgemeine Grundvorstellung des fliegenden Holländers und des Kla­ bautermann hat sich in der volkstümlichen Überlieferung weitgehend erhaltenDer fliegende Holländer ist in den ältesten Quellen ein Schiff und er bleibt es im wesentlichen bis heute. Rücken auch oberschichtliche Erzählungen schon in der Romantik eine Kapitänsgestalt in den Vordergrund und wird sogar der Sagenbegriff manchmal auf einen Kapitän übertragen (vor allem bei Wag­ ner), so sind doch die Auswirkungen für die eigenständige seemännische Über­ lieferung ziemlich gering. Heute lebt die Person in Jugendbüchern; in ge­ bräuchlichen Redewendungen der Seeleute schimmert immer noch das Bild eines Schiffes hindurch. Der Klabautermann ist eindeutig durch den gesamten Überlieferungszeitraum ein geisterhaftes Wesen geblieben (daneben auf dem Lande ein Kosename für Kinder); nur ein vereinzelter baltischer Beleg, übri­ gens von einem Schriftsteller mitgeteilt, erwähnt, daß der Klabautermann manchmal als Totenschiff (Kopie desselben Schiffes) durch den Nebel gau­ kele. Das konkrete Bild unserer Gestalten hat sich vor allem beim Klabautermann entscheidend gewandelt. Das Geisterschiff wird von Anfang an, und in der­ selben Quelle, in den verschiedensten Erscheinungsformen gedacht und hatte nicht allzu viele Möglichkeiten, weitere Vorstellungen an sich zu binden; einzig im (oberschichtlichen) Sagenzusammenhang bekommt das Schiff im 19. Jahr­ hundert einige Farben und Attribute, die aber später wieder verschwinden und in der mündlichen Überlieferung anscheinend nie richtig Fuß gefaßt haben. Der Klabautermann dagegen, in den ältesten Belegen als kleines Männchen dargestellt, in disparat beschriebener Kleidung, zuweilen schon im Matrosen­ 126

anzug, was später öfter hervortritt, erhält in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts groteske Züge. Auch allgemeiner geschildert, zum Beispiel als weiße Gestalt, wird sein Aussehen im ganzen unheimlicher und schreckerre­ gender; die Bildvorstellung öffnet sich so weit, daß der Klabautermann selbst in Tiergestalt Eingang finden kann. Aus dem Schiffsgeist des 19. Jahrhunderts entwickelt sich zusehends ein Ozeangeist, der aus dem Meer an Bord steigt — besonders, wenn Tauenden außenbords schleppen —, der wütend wird, wenn man seinen Untertanen — etwa den Delphinen — etwas tut (1905K1); ein Wassergeist in den Abzählversen der Kinder. Die Koboldvorstellung geht nicht ganz verloren. Sie bleibt aber vor allem in Sagenbüchern lebendig, die auch die verniedlichende Form „Klabautermännchen“ überliefern. In Dänemark wird zwischen dem nisse und dem grausigen klabautermand deutlich geschieden. Sein äußerliches Bild ist meistens ein Abbild seines Wesens: in putziger Beschrei­ bung ein gutmütiger, mit gräßlichen Zügen ein böser Geist. Manchmal gibt es Mischformen. Hennig spricht vom harmlos-gespenstischen Klabautermann; er ist den Matrosen freundlich gesinnt, obwohl er — sagt ein Seemann (1949K) — ein bißchen ungemütlich aussieht und als Gerippe an Bord gestiegen kommt. Das Unglücksmotiv fehlt in der ältesten Holländersage (1787H); Scott (1812H), dagegen, betont es in Verbindung mit dem Pestschiff; dann fehlt das Motiv wieder mehrfach selbst in den novellistischen Ausgestaltungen der Sage, oder es ist hier nicht an die Begegnung mit dem Geisterschiff allgemein, sondern an das Überbringen der Briefe gebunden. Auffallend häufig fehlt die Unglücksbedeutung in den seemännischen Zeugnissen sowohl des 19. als auch des 20. Jahrhunderts. Plastisch wird das Unglück-bringen (nach 1830) in jenen Sagenvarianten herausgehoben, die den fliegenden Holländer mit höllischen Zügen oder sogar ausdrücklich als Höllenschiff ausstatten (1832H, 1859H), die ihm Totenschiff­ motive oder eine Teufelsbündnergeschichte zuschreiben (1834H, 1849H, nicht: Fokke-Sage). Es begegnet dann in Skandinavien, wo der fliegende Holländer der Todessegler-Vorstellung untergeordnet wird; wir finden es in der deut­ schen und der angelsächsischen Überlieferung, wo sich der fliegende Holländer zum Prototyp der Geisterschiffe entwickelt: in Erzählungen und vor allem in Gedichten. Hier dürfte die allgemeine Spukschiff-Vorstellung, die der Welt der Küstenbewohner stärker zuzugehören scheint als der des Seemannes (wir kommen darauf zurück!), ihr Motiv, (oft) ein böses Vorzeichen zu sein, vielfach dem fliegenden Holländer übertragen haben. Im Gegensatz zur Holländersage, in der sich die Funktion des Unglück­ bringens aus dem Erzählstoff nicht verständlich machen läßt, ist dieses Motiv in den launischen Zügen des Schiffsgeistes offenbar von Anfang an keimhaft vorhanden. Hinzu kommt die Vorstellung, daß es Unglück bedeute, ihn zu sehen. Erst sind es Mißhelligkeiten, nach der Mitte des 19. Jahrhunderts dann größere Schäden und schlechte Wetterbedingungen, die dem Klabautermann zu­ geschrieben werden. Er gilt anfangs als das Vorzeichen für den Schiffbruch, und er wird später zu dessen Ursache erklärt. 127

Mit der Abschwächung des Glaubens tritt allerdings neben die stärkere Verknüpfung des Unglücks mit unseren Gestalten auch eine Milderung des Motivs: es wird oft auf die Ankündigung schlechten Wetters reduziert. (Schon in der älteren Überlieferung galt der fliegende Holländer nur als Sturmwar­ nung.) Neben „De den Hegen Hollanner in Sicht kriegt, de bliwt“ heißt es „De Fleegen Hollanner, dat is wider nix as: dat ward Unwäder“. Auch über den Klabautermann hören wir, daß es Schlechtwetter gibt, wenn er sich zeigt; des­ gleichen, wenn er an Bord kommt.

Neben den wichtigsten Glaubensvorstellungen haben auch verschiedene andere Motive und die Erzählungen als ganzes einen Wandel durchgemacht. Das Sagengeschehen des fliegenden Holländers wird in den ältesten Fassungen nicht entscheidend von einem Kapitän bestimmt, sondern von einer Schiffs­ mannschaft als Gesamtheit. In Blackwood’s Edinburgh Magazine zuerst, dann in der Smidt-Fußnote tritt ein Kapitän allein hervor, aber noch nicht mit extrem bösen Zügen, sondern sogar mit gewisser Anerkennung; sein Fluch wird einzig als Selbstverfluchung motiviert und erfüllt sich, ohne daß eine überirdische Macht präzisiert wird. Nach 1830 wird das Kapitänsbild immer plastischer und zugleich düsterer23. Mord, Gottesfrevel und Teufelspakt dichtet man ihm an; der vermessene Schwur bleibt häufig als auslösendes Moment der Verfluchung erhalten; Gott oder doch seine Stimme wird geschildert, der Teufel herausgestellt. Die Fokke-Sage versucht, den Kapitän historisch stärker zu beglaubigen. Das Briefmotiv, das in den ältesten Varianten fehlt, wird in der Unterhaltungsliteratur verwendet; und die Dichtung bringt ein völlig neues Motiv hinzu: die Erlösung. Diese Vorstellung findet in der mündlichen Überlieferung praktisch keinen Eingang. Möglicherweise gehen aber die ver­ einzelten Verknüpfungen des fliegenden Holländers mit einem Brautmotiv auf solche Anregungen zurück (oder auf Vorbilder in der volkstümlichen To­ tenschiff-Überlieferung)24. Das Aufblühen der Holländersage in novellistischen Sagenfassungen und Romanen der nachromantischen Zeit hört gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf. (Bluncks Roman von Berend Fock, dem abtrünnigen Schiffer, ist ein Nachzügler und steht etwas für sich.) Die schlichtere, seemännische Überliefe­ rung wird uns wieder greifbarer, und wir bemerken hier vor allem eine Ver­ schiebung des Verfluchungsortes vom Kap der Guten Hoffnung zum Kap Hoorn. In den Sagenbüchern des 20. Jahrhunderts zeigt die Sage vom flie­ genden Holländer ein doppeltes Gesicht: sie erstarrt einerseits, weil sie älteren Drucken wortgetreu nacherzählt wird, sie verliert andererseits ihre Konturen, weil die Bearbeiter oft allzu frei die verschiedensten Überlieferungsstoffe ver­ mengen.

Da der Klabautermann keinen zentralen Sagentyp kennt, läßt sich hier kein entsprechender Wandel aufzeigen. Vielleicht darf man von einem Aufblühen 23 Die /«/-Fassung (1832H) ist allerdings bereits um 1800 anzusetzen. 24 Vgl. 1810H (Ingemanns Gedicht „Dedsseileren“); Müllenhoff 1845, S. 163 f. (Nr. 223: Das Geisterschiff). 128

der Klaubautermann-Vorstellung sprechen, wenn in den Sagensammlungen

des vorigen Jahrhunderts die Berichte mehrerer Gewährsleute zusammenge­ fügt werden und damit das Bild des Schiffsgeistes auf einen Blick vielgestaltiger machen. Auch die Klabautermann-Novellen basieren zum Teil auf mehreren, voneinander unabhängigen Vorstellungen (1828K). Die eigentlichen erzäh­ lenden Klabautermann-Sagen gehören fast alle in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, im Baltikum sind sie etwas länger lebendig. Der Klabautermann ist — wie der fliegende Holländer — heute in Sagenbüchern erstarrt; nur hin und wieder malt ein Heimatschriftsteller ihm ein neues Bild (1952K2).

In der mündlichen Überlieferung haben sich unsere Sagenstoffe aufgelöst oder sind bis auf jeweils ein einziges Motiv in Redensarten reduziert. Wenn ein Schiff kreuzt, nennt man es den fliegenden Holländer, oder man sagt: (1902K) „dat is’n ewig klabautern“. Wenn ein Schiff schnell segelt: fliegender Holländer, oder: der hat wohl einen Klabautermann an Bord. An schlechtem Wetter ist der fliegende Holländer oder der Klabautermann schuld. Auch ganz äußerlich können die Anknüpfungspunkte sein: ein holländisches Schiff wird fliegender Holländer genannt; ein Backenbart weht wie ein fliegender Holländer (1958H2). Einen alten Seebären bezeichnet man zuweilen als flie­ genden Holländer, oder: Se pangzionierte Klabautermann! Ein wirkliches Erzählmotiv schimmert aus diesen Relikten sehr selten. Doch gelegentlich hören wir, was speziell auf den Seemann gemünzt zu sein scheint: (1918H) „Wenn die lieben Menschen erst anfangen, von ihren Reisen zu erzählen, dann segeln sie genauso ewig wie der fliegende Holländer.“

B. DIE STRUKTUR Der Sagenstoff, in seine einzelnen Bestandteile aufgelöst, zeigt eine Fülle von Farben; aber wir sehen nur die Palette und nicht das konkrete Bild unserer Gestalten. Erst Auswahl und Mischung schaffen Eindrücke, erst der Farbzusammenklang hebt Konturen heraus: nur als Erscheinungs^ompZex werden fliegender Holländer und Klabautermann lebendig. Die isolierten Stoffelemente sind für die Sagenvorstellung weitgehend indif­ ferent. Ihre volle Wirksamkeit gewinnen sie im Zusammenhang. Wir können so die äußere Erscheinung unserer Sagengestalten als ein System stofflicher Zeichen beschreiben. Wir fragen jetzt nach der Struktur dieses Systems, nach der Ge­ dankenführung und der Verknüpfung seiner Bestandteile.

Die volkstümliche Überlieferung steht im Mittelpunkt. Doch wir sehen sie zu selten schlackenlos auf uns gekommen, als daß wir uns ausschließlich ihrer unmittelbaren Zeugnisse bedienen könnten. (Unter bestimmten Aspekten bleibt allerdings keine andere Wahl.) Der fliegende Holländer und der Klabauter­ mann sind in den mittelbaren Quellen in eine größere Bericht- oder Erzähl­ struktur eingefügt. Das bedeutet für uns auf der einen Seite manche Ein­ schränkung, weil durch das Einpassen in eine andere Form mit Notwendigkeit die Eigenstruktur der Sage abgefälscht werden mußte Die Stärke des Zwangs 129

ist unterschiedlich und bis zu einem gewissen Grade aus der Quellenstruktur ablesbar, die damit ein Kriterium für die Quellenkritik liefert. Auf der ande­ ren Seite kann uns gerade eine solche Betrachtung der volkstümlichen Über­ lieferung in einer oberschiditlichen Rahmenstruktur wertvolle Aufschlüsse ge­ ben; denn hier begegnen sich volkstümliche und oberschichtliche Kräfte und erhellen gegenseitig ihre Wirksamkeit. Wir dürfen Anhaltspunkte erwarten, die das Wesen der Unterhaltungsliteratur genauer zu bestimmen erlauben. Die Darbietung der Überlieferung

Fliegender Holländer und Klabautermann begegnen uns als geistige Kul­ turgüter in den verschiedensten Überlieferungsformen. Sie sind Elemente des volkstümlichen Lebens: in sagen-, märchen- und schwankhaften Erzählungen; in Erlebnisberichten und Glaubensvorstellungen; in Bezeichnungen rational durchschauter Tatsachen; in Redensarten, Kinderreimen und Namen. In dieser jeweiligen Gestalt sehen wir sie neben dem lebendigen Wissen und Gebrauch literarisch fixiert. Sie sind der alleinige Inhalt mancher Berichte, das tragende Gerüst ganzer Erzählungen, Romane, Dramen und Gedichte; sie treten in ihnen hervor in Episoden und Arabesken, finden sich dort in Redewendungen und werden als Metaphern und Symbole benutzt. Zu der schriftlichen Über­ lieferung tritt ferner eine Reihe bildlicher Darstellungen. Das äußerlichste Merkmal, das die Vielfalt der formalen Gewänder unserer Ge­ stalten scheidet, ist ihr Zuschnitt. Ganz offensichtlich paßt eine umfangreiche Klabautermann-Vorstellung viel schwieriger in einen Kindervers als in eine Erzählung, und eine Redensart engt die Stoffaussage des fliegenden Hollän­ ders stärker ein als ein Erlebnisbericht oder gar Marryats Roman. Wenn wir davon ausgehen, daß den Sagengestalten eine gewisse Anzahl von Motiven zugehört, dann dürfen wir nicht immer ein rundes Bild erwarten. Vollstän­ digkeit unserer Sagenüberlieferung würde die formalen Grenzen mancher Gattung sprengen. Nicht nur, weil die Überlieferung bruchstückhaft wäre, prägt sie sich in Kleinformen aus; nicht nur, weil sie sich aufgelöst hätte, leiht sie anderen Dingen ihren Namen, sondern weil sie in irgendeiner Weise auch für diese Gefäße geeignet ist. Schon ein Motiv kann hier den Aus­ schlag geben und in den Vordergrund rücken. Die Darbietungsform beeinflußt durch ihre Gattungsstruktur den Stoffumfang und die Stoffauswahl.

In den epischen Formen, vor allem im Roman, bietet sich verständlicher­ weise der Konkretisierung unserer Gestalten das weiteste Feld; auch im Drama ist der Spielraum noch ziemlich groß. Aber nur der fliegende Holländer kann in der Figur eines Kapitäns zu einem grundlegenden Strukturelement dieser Gattungen werden. Dem Klabautermann fehlen die Voraussetzungen zum Ro­ man- oder Dramenhelden (schon weil er kein Mensch ist, dessen Schicksal ergreifen könnte). Er vermag bestenfalls als Träger eines Prinzips das Hand­ lungsgeschehen zu begleiten. Für die Verwendung der volkstümlichen Sagen­ motive, für ihre Ausschmückung, bleiben in jedem Falle vielfältige Möglichkeiten. Für das Hinzufügen eines entscheidend neuen Motivs, für die individuelle 130

Stofferweiterung, bietet nur der fliegende Holländer unter gewissen Umstän­ den einen zwingenden Ansatz. Wenn er als Strukturelement ein Werk tief­ greifend mitbestimmt, ist er zugleich dessen formalen Bauprinzipien in stärk­ stem Maße unterworfen. Die Ergänzung der Holländersage durch das Er­ lösungsmotiv (das an sich bei jeder Verwünschung naheliegt) muß in Marryats und Wagners Dichtungen auch aus struktureller Sicht verstanden werden. Nur so erreichen ihre Werke Geschlossenheit25. Verfluchung und Erlösung bilden als Handlungspole einen Rahmen des Geschehens. Damit verschieben sich die Gewichte der volkstümlichen Fabel. Das eigentliche Sagengeschehen, das den Fluch hervorruft, wird in diesen oberschichtlichen Großformen ausgeschlossen und findet nur als knappe Exposition im epischen Bericht (des Wiedergängers Vanderdecken bzw. in Sentas Ballade) seinen Widerschein. Häufiger als Romane und Dramen begegnen Erzählungen. Ein halbes Jahr­ hundert lang, etwa von 1820 bis 1870, bilden sie eine wichtige und überaus charakteristische Form unserer Überlieferung. Der fliegende Holländer und der Klabautermann stehen im stofflichen Mittelpunkt, erscheinen aber in wechselnden Perspektiven. Die Art und Weise ihrer Präsentierung prägt die Erzählstruktur und ist höchst bezeichnend sowohl für unseren Stoff als auch für die Unterhaltungsliteratur der nachromantischen Zeit überhaupt.

Der Haupttyp ist die novellistische Rahmenerzählung. Sie enthält als un­ erhörtes Ereignis die Begegnung mit unseren Gestalten. Ihr Schauplatz ist be­ grenzt, ihre Handlung gedrängt, der Aufbau mehrschichtigkomponiertund von großer Geschlossenheit. Das früheste und beste Beispiel finden wir in Blackwood’s Edinburgh Magazine. Ein Passagier berichtet dort ein Erlebnis. Er schildert, wie ein Seemann an Bord seines Schiffes, nachdem man einen selt­ samen Segler gesichtet, die Vanderdecken-Sage erzählt. Also: in realer Welt — auf einem Schiff am Kap der Guten Hoffnung — wird ein sagenhaftes Ge­ schehen anschaulich mitgeteilt. Etwas später bricht das Numinose unmittelbar in die reale Welt. Vanderdecken schickt Briefe. Mit dieser breit ausgemalten Szene, die der Magazin-Geschichte den Titel gibt, beendet der Passagier seinen Erlebnisbericht. Wir erkennen eine doppelte Handlung: die eindrucks­ volle Verfluchung Vanderdeckens in der Erzählung eines Seemannes und das weniger gewichtige (aber vom Autor ungleich stärker betonte) Zusammen­ treffen dieses Seemannes und seiner Zuhörer mit dem Verfluchten. In der stofflichen Darbietung wird eine folgenreiche von einer folgenlosen Begeg­ nung mit dem Außermenschlichen abgelöst, wobei das zweite Ereignis das erste voraussetzt und es gleichzeitig beglaubigt; die Perspektive verlagert sich von einem Seemann zu einem Passagier und wird von einer ferneren in eine nähere Vergangenheit gerückt. Ähnlich verschachtelte Bauschemata benutzen die Morgenblatt-Erzählung, Hudtwalcker, Sternberg (1834H), Sjomandstidsfordriv, Smidt (1828K, 1849H) und Werner, mit Einschränkung auch Jal. Oft sind dabei in bezeichnender 25 Vgl. auch entsprechende Gestaltungen des Stoffs vom ewigen Juden! (Frenzei *1963,. S. 16). 131

Weise die Motive und die Blickrichtungen etwas verändert, die Parallelen und Kontraste besonders betont und verschoben. Aber statt weiterer Einzel­ analysen wollen wir gleich das für uns wesentliche zusammenfassen.

Die Rahmenerzählung erweist sich für unseren Stoff als die ideale oberschichtliche Darbietungsform. Sie verdeutlicht nicht nur allgemein die Sage in ihrer Ursituation als Erzählung. Sie ordnet auch das Erzählen ins rich­ tige Milieu (Schiff, Seemannskneipe), motiviert oft einen echten Erzählanlaß (Fahrt am Kap der Guten Hoffnung, Begegnung mit merkwürdiger Schiffs­ erscheinung) und schafft die angemessene Erzählperspektive (Seemannsbericht). Durch die Staffelung der Erzähler ruft sie den Eindruck des Lang-Tradierten hervor und stellt in einer Gesprächsrunde zwanglos verschiedene Sagenvari­ anten gleichberechtigt nebeneinander. Schließlich kann die Rahmenerzählung die einzelnen Sagenmotive in den vielfältigsten Nuancen beglaubigen. Etwas überspitzt darf man sagen, daß in diesem Fall nicht die Erzählstruktur den Stoff, sondern eher der Stoff die Erzählstruktur beeinflußt. Die einschichtige, fortlaufende Erzählung sei noch kurz erwähnt. Sie wird besonders für den Klabautermann, aber auch in Lysers „Fliegendem Holländer" und Smidts „Ewigem Segler“ verwendet. Das sagenhafte Geschehen rollt in kontinuierlicher Folge und aus unpersönlicher Perspektive vor unseren Augen ab und schließt meist mit einigen allgemeinen Sätzen der Beglaubigung. Gerstäcker schickt seiner Klabautermann-Erzählung einen längeren Glaubensbe­ richt voraus. Die Holländerfassung im „Ausland“ will vor allem den Kapitän des Geisterschiffs als historische Gestalt beglaubigen, als Bernard Fokke, von dem es heißt, daß der Teufel ihn geholt. Das Selbstverfluchungsmotiv ist auf Fokkes Steuermann übertragen, der sich verwünschte, nach seinem Tode zwei Sundainseln „zusammenzuhissen“ und dessen Stöhnen man bei dieser Arbeit noch vernehmen kann; aber — so erfahren wir — die wunderlichen Klänge rühren von dem Sausen des Windes in dort befindlichen Felsenhöhlen her. Es wird also der Fokke-Sage eine Steuermann-Sage angefügt, deren Beglaubi­ gung ausdrücklich aufgehoben und als Kontrast dann — nicht für das Gei­ sterschiff, aber für den historischen Fokke — das stärkste Argument ange­ führt: eine Bildsäule, die 1811 zerstört worden ist. Die Ausland-Variante will nicht nur erzählen; sie nähert sich der Form des erklärenden Sagenberichtes.

Auch die Lyrik kennt unsere Motive. Es gibt eine Reihe, überwiegend hei­ terer, Klabautermann-Gedichte, die bestimmte Aspekte des Kobolds und seines Tuns skizzieren. Es gibt unter den unzähligen Geisterschiff-Gedichten etliche über den fliegenden Holländer. Sie zeigen kein eigenes Profil, schildern fast ausschließlich das Geisterschiff und oft nur als Ingredienz eines Stim­ mungsbildes der tobenden Elemente. Was sich gerade als Balladenstoff anzu­ bieten scheint, ist allein in der motivähnlichen „Legend of the Cameo" halb­ wegs genutzt. (Man vergleiche auch das Fluch-Motiv in Longfellows „Ballad of the Carmilhan“.) Im lyrischen Gedicht finden wir unsere Motive in mehr oder weniger zufälliger Folge meist impressionenhaft verwendet; d. h. mit anderen Worten: unsere Sagengestalten haben sich der Gattungsstruktur unterworfen. 132

Wenn wir uns von den umfassenden Darbietungsformen zu Episoden, Be­ richten und Zitaten dichterischer Werke wenden, zeigen sich die struktur­

bedingten Einflüsse auf Umfang, Auswahl und Perspektive des volkstümli­ chen Stoffs sehr unterschiedlich. Hier ist immer eine Einzelanalyse der ent­ sprechenden Kleinform, die den Sagenstoff enthält, nach ihrer Funktion im Erzählganzen notwendig. Zunächst soll uns jetzt der knappe strukturelle Anriß der stofflich geschlossenen Darbietungen in Epik, Dramatik und Lyrik ge­ nügen; diese geben den fliegenden Holländer und den Klabautermann relativ am vollständigsten wieder und Raben am stärksten auf die mündliche Überlie­ ferung zurückgewirkt. Das Referat des Sagensammlers ist eine Darbietungsform, die im Gegensatz zu den bisher betrachteten den Stoff und die Perspektive nicht einer künst­ lerischen Absicht unterwirft. Dennoch finden wir auch hier individuelle Ge­ staltungstendenzen. Der Bericht intendiert eine gewisse Ordnung. Was hat der Sammler, weil es ihm in einen anderen Stoffkreis gehörig schien, ausge­ sondert? Wann hat er eine Sage „abgerundet“ und einen Glaubensbericht eigenmächtig angefügt, wann überhaupt verschiedene Glaubensberichte un­ trennbar kompiliert? Hat er bestimmte logische Folgen und Verknüpfungen selbständig hergestellt? (Weil der Klabautermann eine Kinderseele ist, die mit dem Holz ins Schiff kommt, befindet sich nur auf wenigen Schiffen ein Geist.) Wieweit hat er die Wortwahl verändert bzw. die Mundart unangemessen in die Hochsprache übertragen? (In Möllenhoffs Klabautermännchen-Sage tut der Schiffsjunge „wie ihm geheißen".) Alles Fragen, die weitgehend unbeantwortet bleiben und der Strukturanalyse der volkstümlichen Überlieferung aus dem Sammlerbericht eine Grenze setzen. Die volkstümlichen Überlieferungen selbst gleichen sich in vielem. Sie sind meist knapp. Glaubensberichte enthalten selten mehr als ein oder zwei Motive. Sagenanspielungen bei merkwürdigen Ereignissen und rationale Glaubenser­ klärungen gründen sich beinahe ausschließlich auf ein einziges Motiv. Da unsere wichtigsten Quellen, vor allem die Wossidlo-Aufzeichnungen, in vielen Ge­ sprächen, im Austausch der Meinungen zustandegekommen sind, erfahren wir durchschnittliches Wissen: knappe Glaubenszüge und auf wenige Motive re­ duzierte Sagen, sprunghaft und ungeformt. Nur ganz vereinzelt hören wir eine abgerundete Erzählung. Am ausführlichsten und lebendigsten sind meist Er­ lebnisberichte. Im großen und ganzen können wir sagen, daß irgendwelche Gattungsgebote den Stoff eines volkstümlichen Mitteilers (die wirklichen Er­ zähler ausgenommen) nicht einschränken. Wer nicht alles berichtet, was er weiß, hat andere Gründe; häufig nur den, daß er nicht gefragt worden ist. Aber wir kennen in der mündlichen Überlieferung auch geprägte Klein­ formen wie Kinderverse und Redensarten, die von ihrer Struktur her notwen­ digerweise den Sagenstoff auf einen, höchstens zwei Aspekte einengen. Zu­ weilen sind die Sagengestalten dann als solche gar nicht mehr identifizierbar („dat is ’n ewig klabautern"). Das gilt in noch stärkerem Maße, wenn fliegender Holländer und Klabautermann nur als Namen oder Begriffe ver­ wendet und auf die verschiedensten Dinge übertragen werden. Die Darbietung 133

der Überlieferung ist auf ein Wort, ihre Struktur auf einen Punkt zusammenge­ schmolzen ; jeder weitere Schritt löscht sie aus. Wir halten fest, daß die Darbietungsform, vor allem der oberschichtlichen Quellen, in unterschiedlicher Stärke die jeweiligen Überlieferungsinhalte mit­ bestimmt und wollen uns jetzt — des eingeschränkten Blicks bewußt — mit der Eigenstruktur der volkstümlichen Inhalte beschäftigen. Die Motive

Wer unsere Sagengestalten gültig beschreiben will, muß hundert Geschichten erzählen. Denn es ist etwas anderes, ob ein Kapitän sich im Stolz vermißt oder mit dem Teufel paktiert; ob ein Geist den Matrosen hilft oder ihnen Un­ glück bringt. Ein Schiff, das rasend schnell die Meere durchsegelt, kann nicht gleichzeitig bis in alle Ewigkeit an einen Ort gefesselt sein, und wie soll der­ selbe Kobold die Seele eines totgeborenen Kindes und die eines ertrunkenen Seemannes verkörpern? Aber auch: ein Schiff, welches gegen den Wind kreuzt, fliegenden Holländer zu nennen und ein Wesen mit roten Backen und blauen Augen Klabautermann, ist als wissenschaftliches Ergebnis, wenn nicht falsch, so doch banal. Wir können uns nicht damit zufrieden geben, die Motive des fliegenden Holländers und des Klabautermann zu häufen. Nach Gutdünken einige Elemente auszuwählen, um daraus widerspruchsfreie (und gar repräsentative!) Gestalten zu bilden, ist nicht erlaubt: den fliegenden Holländer und den Klabautermann gibt es nicht. Das Recht, sehr verschiedene Erscheinungen unter diesen Begriffen zusammenzufassen, haben wir anfangs in der Namensver­ wandtschaft begründet — aus methodischem Ansatz, und wir sind uns des schwachen Bandes bewußt geblieben. Wir haben inzwischen gesehen, daß es durch stoffliche Übereinstimmungen und Analogien verstärkt wird. Anderer­ seits aber zeigt der Stoff die deutlichsten Widersprüche, und zwar nicht nur zwischen den gleichnamigen Objekten, sondern auch in ihnen selbst. Wir dürfen nicht erwarten, die Gegensätze aufzulösen; sie zu erklären, müssen wir versuchen. Gibt es Beziehungen zwischen den Sagenmotiven, die unter der stofflichen Oberfläche liegen und auch das Widerstrebende verbinden? Gibt es — und das ist die Frage dieses Kapitels — in der Holländer- und in der KlabautermannÜberlieferung einheitliche Motivstrukturen, die dennoch eine breite und gegensätzliche Skala stofflicher Ausprägung ermöglicht haben?

Die bunteste Vielfalt begegnet im zentralen Bereich unserer Gestalten. Es ist kein Zufall, daß die Erzählung meist homogener scheint als die Glaubens­ vorstellung, daß nicht Handlungs-, sondern Bildmotive die variabelsten Ele­ mente in sich vereinigen: vor allen anderen der Schiffsgeist und das Geister­ schiff, die konkrete geisterhafte Erscheinung. Sie fixiert häufig jenen Punkt, an dem die Sage als Wahrheit beanspruchende Erzählung ihre Probe besteht. Denn das schaubare Phänomen soll nicht nur sich selbst bezeugen, sondern durch seine (scheinbar) exakte Beschreibung auch die ihm vorausgegangenen 134

oder nachgefolgten Geschehnisse und ihren kausalen Zusammenhang glaub­ haft machen. Wir sehen als zentrales Bildmotiv einen Gegenstand hervor­ treten, der auffällt, der merkwürdig ist, der sich vom Gewöhnlidien abhebt; kurzum: eine Verkörperung des Ungewöhnlichen. In seiner einfachsten Form ist das Ungewöhnliche ein Teil des GewöhnlichenEin bestimmter Ausschnitt des Alltäglichen tritt betont hervor. Oft ist er gefühlsmäßig aufgeladen. In der Dämmerung, vor allem in der Nacht erscheint das Geisterschiff; nachts kommt der Klabautermann zum Kapitän oder zeigt sich den Matrosen im Schattenriß, nachts kalfatert er und werkt für den Zimmermann, nachts poltert er und klettert in den Mast. Die Mitternachts­ stunde hat ihr eigenes Gewicht: dann steigt der fliegende Holländer aus der Meerestiefe an die Oberfläche, dann sitzt der Klabautermann unheilverkündend unter dem Bugspriet. Nur um Mitternacht kann ein Glückskind ihn sehen. Auch Wind und Wetter sind Bestandteile des Alltäglichen, Sturm und Flau­ te ihre Extreme. Beide sind nicht eigentlich ungewöhnlich, werden aber in starkem Maße als Sonderfälle des Gewöhnlichen empfunden. Das Geistersdüff segelt beinahe immer im Sturm, oft von Donner und Blitz umgeben; der Klabautermann warnt vor dem Sturm, im Sturm hat man ihn gesehen, dann packt er mit an, dann hält er das Ruder und bewahrt den Mast. Etwas seltener sind Mitteilungen, daß man bei Windstille den fliegenden Holländer erblickt und den Klabautermann hat an Deck kommen hören. Meist ist das Geisterschiff eine Metapher für den Sturm, aber wir hören auch bei Flaute zitiert: (—H4'°) „De fleegen Hollänner is hier woll ünnergahn, dee holt dat Schipp woll fast“. Den Eindruck des Ungewöhnlichen kann auch jede beliebige Erscheinung der realen Welt hervorrufen, die aus ihrem Zusammenhang herausgelöst und auf einen anderen übertragen wird. Sie ist dann nicht mehr unmittelbare, sondern „verfremdete“ Wirklichkeit, nicht Gegenstand, sondern Zeichen. Der Klabauter­ mann hat wie ein Zimmermann einen Kalfathammer, er trägt wie ein Matrose Ölzeug und Südwester, der fliegende Holländer segelt zuweilen wie jedes andere Schiff. (Aus der geistigen Realität übertragen kommt der Klabauter­ mann wie der Tod als Gerippe an Bord, und der fliegende Holländer fährt wie ein Totenschiff ohne Besatzung.) Unterstützt wird das Zeichenhafte durch die Vereinfachung. Jede Wirklich­ keit differenziert und mischt ihre Farben. Der Klabautermann, aber, ist ein grünes, rotes, graues Männchen; der fliegende Holländer ein gelbes, schwarzes, düsteres Schiff. Auch wenn der Kobold genauer beschrieben wird, bleibt das Formelhafte erhalten. Seine Kleidung: rotes Hemdchen, weißes Höschen, runder Strohhut; seine körperlichen Merkmale: weißer Bart, rote Backen, helle Augen. Im Grunde bezeichnen diese Attribute das beinahe Selbstver­ ständliche und gar nichts besonderes; aber gerade das gibt ihnen einen Hauch des Ungewöhnlichen. Denn eine glasklare Wirklichkeit erscheint unwirklich. Freilich gewinnen alle diese Elemente, die als extreme und gefühlsmäßig aufgeladene, als zeichenhafte und typisierte Bestandteile des Gewöhnlichen durch eine Nuance ungewöhnlich erscheinen, erst in der Häufung und der 135

Konstrastierung und darüber hinaus in der Umgebung kräftigerer Motive ihre volle Wirksamkeit. (Die formelhafte Vereinfachung ist eine allgemeine und nur das Besondere unterstützende Struktur volkstümlichen Erzählens.) In seiner gesteigerten Form ist das Ungewöhnliche eine Übertreibung des Gewöhnlichen. Wenn der fliegende Holländer als ungeheures, riesenhaftes Schiff begegnet, wenn er pfeilschnell die Meere durdischießt, dann ist die Ausnahmeerscheinung offenkundig. Wenn der Klabautermann als menschliche Gestalt auf vier bis fünf Spannen oder ein bis zwei Fuß zusammenschrumpft, wenn er dennoch ganz allein die Kraft von vier Seeleuten entwickelt (1928K3), dann sind die Vorstellungen der Wirklichkeit gesprengt. Die Übersteigerung ins Riesen- oder Zwerghafte betont das Merkwürdige auch in seiner Isolierung eindeutig. Die Übertreibung kann bis in den Gegensatz umschlagen. Als ding­ liche Erscheinung finden wir das seltener. (Das Totenschiff, z. B., steht manch­ mal im vollen Wortsinn auf dem Kopf (1836H).) Meist ist ein Vorgang ins Paradoxe verkehrt. Der fliegende Holländer segelt nicht vor, sondern gegen Strömung und Wind; er jagt ohne Segel übers Meer und rührt sich trotz ge­ blähter Segel nicht vom Fleck; im Sturm liegt er bewegungslos, bei Flaute kämpft er im Wind. In seiner allgemeinsten Form ist das Ungewöhnliche eine Abweichung vom Gewöhnlichen, die sich kaum systematisieren läßt. Der Spielraum ist weit. In der Sage findet er seine Grenze dort, wo niemand mehr das Merkwürdige als glaubhaft übernimmt, wo entweder das Märchen oder die Lügengeschichte anfängt. Wir erinnern uns zum Beispiel an den feuerroten Kopf des Klabau­ termann, an die Nebel- und bläuliche Dunstgestalt. Wir wissen, daß das Gei­ sterschiff ein natürliches Schiff durchsegelt, daß es über Land fährt und durch die Luft; daß der Klabautermann unsichtbar Ohrfeigen verteilt, über die Wellen geht und Segel bergen kann. All das ist mehr oder weniger ungewöhn­ lich. Aber zuweilen sind die Züge völlig verzerrt und entfremden unsere Welt ins Groteske, zum Beispiel Werners Klabautermann mit dem gräulichen Fisch­ kopf, dem blutigen Rachen und den grinsend gefletschten Zähnen, auch manche baltischen Tiervorstellungen vom Klabautermann (Kalbsähnlicher!) oder einige Motive der Jalschen Holländerfassung: der Kapitän, der Galle trinken und glühendes Eisen kauen muß, mit seinem verunstalteten Schiffsjungen. Halten wir ein! Wir sind ausgegangen, in der scheinbar regellosen Vielfalt der Motive einen roten Faden zu suchen; eine Erklärung zu finden, warum sich die gegensätzlichsten Züge im Bild unserer Sagengestalten vereinen. Wir haben uns auf die Kernvorstellungen beschränkt und den fliegenden Holländer als auch den Klabautermann auf den Begriff einer geisterhaften Erscheinung zurückgeführt, die wir allgemein als etwas Nicht-Gewöhnliches charakteri­ sieren konnten. Es hat sich gezeigt, daß sich unsere Sagenmotive in verschiedenem Grade als Funktion des Ungewöhnlichen beschreiben lassen. Sie tragen jedes auf seine Weise dazu bei, den Charakter der geisterhaften Erscheinung auszuprägen. Die Mittel reichen von der ausgesuchten Betonung und Verfremdung des Wirk­ lichen über die Paradoxie bis zur Groteske. In der Wahl und in der Kombina­ 136

tion der vielen möglichen Motive, welche das Merkwürdige andeuten, her­ vorheben oder überzeichnen, liegt die Kunst der Sagenerzählung verborgen. Wir werden später einige Beispiele betrachten. Jetzt ist vor allem noch die Frage zu stellen, ob das Ungewöhnliche das einzige Grundmoment ist, das unseren Motiven innewohnt. Bilden sie denn alle nur eine Erscheinungsform des Merkwürdigen? Sicher nicht! Daß viele Motive aus dem Gehalt und der Funktion des Kulturgutes zu erklären sind, bleibt hier sowieso zunächst ausgeklammert. Neben dem Geisterhaften ist es eine Eigenschaft unserer Sagengestalten, daß sie für wahr gehalten werden. Wenn der Klabautermann Ohrfeigen austeilt und der fliegende Holländer Briefe überbringt, so sollen diese Motive beglaubigen, obgleich das Ungewöhnliche ebenfalls mitschwingt; wenn der fliegende Holländer in holländischer Tracht des 17. Jahrhunderts an Deck steht, dann dürfte die historische Beglaubigung der entscheidende Antrieb sein. Daß in Dänemark zum Beispiel der Schiffs­ geist eine rote Mütze „genau wie ein richtiger nisse“ trägt, bringt unter ande­ rem auch eine Beglaubigung zum Ausdrude, die sich hier auf einen bekannte­ ren (und wohl anerkannteren) Volksglauben stützt. Wir werden ferner in der Häufung vieler beschreibender Züge nicht immer nur das Formelhafte und damit die verfremdete Wirklichkeit sehen dürfen, sondern der Pfeife des Klabautermännchens und seinen gutmütigen Augen auch eine gewisse schmückende Funktion zuerkennen müssen. Dennoch bleibt das Ungewöhnliche eine beherrschende Motivstruktur un­ serer Gestalten. Sie allein macht es verständlich, warum sich etwa das Geister­ schiff nur mit einem winzigen Teil seiner Vorstellungen (wir erinnern uns der Stoffanalyse) aus der Holländersage motivieren läßt. Wir können gera­ dezu sagen, daß das Verhalten dieses Schiffes praktisch alle denkbaren Möglich­ keiten des Ungewöhnlichen durchspielt: Es segelt über Wasser, über Land, durch die Luft. Es fährt pfeilschnell mit dem Wind, gegen den Wind, bei Wind­ stille; mit geblähten Segeln, ohne Segel. Es verharrt an seinem Fleck im Sturm bewegungslos und bei Flaute gegen den Wind ankämpfend- Es taucht plötz­ lich aus einer Nebelwand, einer Regenbö, direkt aus der Meerestiefe auf. Es begleitet ein Schiff auf parallelem Kurs, umkreist es, geht längsseits, durch­ fährt es, verschwindet plötzlich neben ihm; verschwindet, sobald man davon spricht oder es anruft oder zu ihm hinrudert. Es verkündet guten Wind, Un­ wetter, einen Toten, Havarie,< Schiffbruch ... In ähnlicher Weise könnte man die Erscheinung des Klabautermann nach Gestalt, Kleidung und Farben durchmustern. Daß sich der Klabautermann, wie es heißt, „ganz besonders bei einbrechendem Sturm und bei stillem Wetter gezeigt“ habe (1895K1”), stellt zwei Extreme zusammen; sie stören niemanden, weil sie beide nur als Sonderfälle des Gewöhnlichen, als charakterisierende Merkmale der unge­ wöhnlichen Klabautermann-Erscheinung empfunden werden. Die vielfältigen bildhaften Züge unserer Sagengestalten sind, selbst bei stofflichen Paradoxien, zu einem guten Teil einheitlich strukturiert: als gra­ duell gestufter Ausdruck einer ungewöhnlichen und zugleich wahren Erschei­ nung. 137

Die Motivverknüpfung

Nadi allgemeinerer Betrachtung der zentralen Motivgefüge schauen wir nun auf die Einzelquellen und fragen nach möglichen Leitlinien im jeweiligen Stoffzusammenhang. Welche Züge und Motive werden gemeinsam verwendet, und wie sind sie miteinander verknüpft? Johann Folkers hat in einer Stiluntersuchung als wichtigsten eigentümlichen Faktor der Sage ihren belehrenden Charakter herausgestellt, der sich in zwei verschiedenen Formen äußert: als aitiologische und als demonstrative Ten­ denz2*. Im ersten Fall zielt die Sage auf den Ursprung einer merkwürdigen Erscheinung, im zweiten dient sie deren beispielhafter Vergegenständlichung. Das Material zu unseren Sagengestalten reicht inhaltlich und formal über Sagen hinaus. Dennoch schimmern Folkers’ Hauptaspekte immer wieder durch, wenn wir jetzt, um unsere Zeugnisse zu ordnen, darauf achten, wie der fliegende Holländer und der Klabautermann in den verschiedenen Quellen beleuchtet werden. Oft treten mehrere Tendenzen nebeneinander hervor, aber im allge­ meinen ist doch ein Aspekt besonders betont. Wir wollen eine Reihe dieser Funktionsdominanten skizzieren.

1. Die Erwähnung. Unsere Gestalten begegnen in kargester Form als Name und Bezeichnung, als Metapher und Symbol. Wir sehen keine Motivbindung, die auf sie bezogen wäre; im Gegenteil: fliegender Holländer und Klabauter­ mann sind ganz auf einen anderen Gegenstand hin projiziert, um diesen zu erhellen. Aber in der dialektischen Betrachtung fällt ein Schein auf sie zurück; denn sie können immer nur solche Vorstellungen anklingen lassen, die mit ihnen selbst verbunden sind. In der metaphorischen oder symbolischen Ver­ wendung spiegeln sich sogar entscheidende Wesenszüge unserer Gestalten. Storms Klabautermann-Erwähnung in seiner Novelle „Halligfahrt“ läßt die Motivverknüpfung: Erscheinen des Klabautermann = Unglückszeichen auf­ leuchten. In einer Erzählung von Hans Leip heißt eine Jolle „Klabautermann“ — {1934K4) „Wenn ich das Boot nach ihm benenne, wird mir der Klabauter­ mann nichts tun“ —; hier klingt das Bild eines Geistes an, der besänftigt werden muß. „Flying Dutchman“ als Name einer Sportbootklasse erinnert an die Schnelligkeit des Geisterschiffes.

2. Die Beschreibung. Wie bei der Erwähnung bleiben wir auch hier noch im engen Umkreis der zentralen Bildmotive, nur daß die Einzelzüge nicht ge­ spiegelt, sondern den Gestalten direkt zugeschrieben werden. Eine gewisse Kühle weht durch die Aussage. Sie ist klar, knapp und ganz ohne schmückendes, persönliches Beiwerk. Charakteristisch ist die unverbundene Reihung der Ele­ mente, etwa wenn die Kleidungsstücke des Klabautermann aufgezählt werden, aber auch bei anderen Zügen: {1915X2") „De Klabatersmann sali in’t leddig Schipp in’t Ruum husieren. Dat Schipp sali glücklich fohren“. Manchmal, und das weist wohl auf eine Auflösung der Überlieferung, sind die Einzelteile ganz kontrovers: „Ne Kuff sali bi Kap Hoffnung versöpt sien. Sprickwurt, wenn 26 Folkers 1910, passim. 138

een snell sägelt: Fliegen Hollanner“ (1918’"’; auch 1922H’). Oft beschränkt sich die Mitteilung auf einen einzigen Zug: „De Fleegen Hollänner sall’n Kaptain wäst sien, de sali so furchbor fluucht hebben“ (—H6”). (1925K12'°) „De Klabatersmann sali vöör in’t Schipp sitten“. Auch die Redewendungen gehören in diese Gruppe. 3. Die Schilderung. Wenn in die Berichte schmückende Elemente eingeflochten sind, die ein Milieu andeuten, wenn kurze Gedankenketten und persönliche Anklänge aufscheinen, dann können wir statt von einer Beschreibung von einer Schilderung sprechen. Die äußerliche Darstellung der Gestalten tritt hier zurück. (1898X1) „Unner de Schippsmannschaft is de Klabaudermann good Fründ mit’n Timmermann. Mit den sien Geschirr, dor schurwarkt hei de ganzen Nächte dörch, as wenn’t sien eegen is. De Klabaudermann kann in’ne Taukunft seihn un weit vorher, wenn dat Schipp een Unglück bevörsteiht. He maakt sich dorüm tau rechter Tied ut’n Rook, un wenn hei’n gauden Frünn hett, denn nimmt hei em mit. Up’n groden Hamborger Dreemaster. •.“ Wir sehen die Motivbindung Klabautermann/Zimmermann, die durch die Benutzung des Zimmermanngerätes erläutert und — „as wenn’t sien eegen is“ — besonders plastisch wird. Dann übergangslos ein neues Motiv: Klabauter­ mann sieht in die Zukunft; das wird präzisiert (Erkennen des Schiffunter­ gangs), entfaltet (der Geist verläßt dann das Schiff) und mit einem neuen Motiv erweitert (nimmt guten Freund mit). Und dieses wird zum Kernmotiv einer anschließenden Erzählung. — Die Schilderung kann auch Erzählmotive anklingen lassen und ist meist der formale Rahmen für Erlebnisberichte. Oft steht ein beschreibender Satz am Anfang, der dann erläutert wird: (1925X18") „Wenn Lüd* an Buurd kamen, dee dor nich henhüren, denn mellt de Kla­ batersmann sik ok. Wi hadden mal dree Nonnen an Buurd. Dor keem de Klabatersmann — wi kregen slicht Wäder“. 4. Die Veranschaulichung. Bei der Darstellung einer Szene, dem Ausmalen eines begrenzten Geschehens, in dem ein beliebiger Zug unserer Sagengestalten das Thema liefert, dominiert das Prinzip der Veranschaulichung. Hierher ge­ hören die Klabautermann-Sagen im engeren Sinne, die mehr oder weniger deutlich eine Komposition erkennen lassen, also abgerundet sind, auch die eine oder andere volkstümliche Holländerüberlieferung. Da der nächste Abschnitt von der Struktur des Sagenganzen handeln soll, können wir die Formen der Veranschaulichung übergehen. Wir haben bisher Quellen betrachtet, in denen formale Tendenzen vorherr­ schen, Quellen, deren Inhalte mehr oder weniger beispielhaft ausgewählt und für die Charakterisierung unserer Gestalten auswechselbar sind. Es geht darum, daß diese beschrieben, geschildert, veranschaulicht werden sollen, und erst in zweiter Linie um die Inhalte der Formmuster. Jetzt sehen wir Quellen, in denen ein spezifischer Inhalt für den fliegenden Holländer und den Klabau­ termann zum dominanten Aspekt wird.

5. Die Begründung. Die Zeugnisse sind in motivischer Hinsicht zielgerichtet: sie wollen eine bestimmte Erscheinung erklären. Wenn es auch verschiedene

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Meinungen gibt, so ist doch die Motivauswahl ungleich beschränkter als bei einer beispielhaften Erläuterung. Die Ursachendominante wirkt ferner auf die Motivordnung. Die Reihung ist nicht mehr willkürlich, denn die jetzige Er­ scheinung soll ja als Folge anderer Motive erkannt werden. (189OK1W) „Wenn’n Schipp bug’t is un dor is’n Timmermann bi to Schaden kamen bi den Bu (Ausgangsmotiv), denn geiht dee as Geist in dat Schipp (verknüpfendes Motiv): dat is de Klabatersmann“ (Endmotiv). Eine entsprechende Form haben viele Klabautermann-Belege; eigentliche Ursachen-Geschichten kennen wir bei ihnen nicht. (Die Prioritäts-Sagen veranschaulichen nur ein Teilmotiv der Herkunft, nämlich das In-Besitz-nehmen des Schiffes.) Die Holländersage kann als Paradebeispiel der begründenden Tendenz gelten, denn sie will zeigen, „daß der jetzige ,fliegende' seiner Zeit ein .leibhaftiger' Holländer gewesen ist“. Die Doppelheit der Motivkomplexe ist deutlich. Das reale Schiff eines fluchenden oder teufelsbündnerischen Kapitäns auf der einen Seite, das irren­ de Geisterschiff auf der anderen, und zwischen ihnen als Motivverknüpfung die Verfluchung zum ewigen Segeln. Wir werden sehen, daß in der Volks­ überlieferung sich diese Komposition auch auflösen kann und damit die Do­ minanz von der inhaltlichen Tendenz des Begründens zur formalen Tendenz des Veranschaulichens verschoben wird (1927H2W). 6. Die Enthüllung. Die rationale Erklärung einer Sagenerscheinung können wir als Enthüllung bezeichnen; das Merkwürdige wird seines numinosen In­ haltes entkleidet und auf eine Tatsache zurückgeführt. Zwei Motive, meist auf das Knappste reduziert, werden einander gleichgesetzt. {1913K1'') „Wenn eens ’n Balken knackt, dat is de Klabatersmann.“ „De Fleegen Hollanner dat is Fata Morgana.“ (Mit erläuterndem Zusatz:) „Wenn man bi Frühjohrsdag in’n Nuurdborrn sägelt, süht man oft ganze Schäpen“ (1929H"). Die Enthüllung kann auch das Thema einer Erzählung sein. So schildert ein dä­ nischer Seemann, wie sich einmal auf seinem Schiff Kapitän und Steuermann ernsthaft darüber unterhielten, ob bestimmte unerklärliche Laute vom Schiffs­ geist herrührten; im Hafen erkennt man ein losgeschlagenes Sprietholz als Ursache. Oder wir erfahren, (1901H2) wie Seeleute ihren vermeintlichen flie­ genden Holländer zwei Tage später in einem ganz gewöhnlichen Schiff wie­ dererkennen. (1899K) Ein Klabautermann rief vom Mast: „Kinder, es weht, es weht hart!“, und acht zitternde Matrosen mußten erfahren, daß es der Papagei des Schiffsjungen war. Die Enthüllung neigt, wie man sieht, zum Schwank. Sie ist häufiger so verwendet worden (1912H1). 7. Die Leugnung. In diesen Belegen ist ein stoffliches Motiv, das in Verbin­ dung mit unseren Gestalten steht, weder genannt noch gespiegelt. Es heißt schlicht und einfach: (1925K4'°) „Dat mit den Klabautermann is so’n Spökerie." 8. Die Beglaubigung. Im allgemeinen wird diese Tendenz nicht dominant, sondern ordnet sich als ergänzender Bestandteil unter die erläuternden oder erklärenden Hauptlinien der Überlieferung. Sie sei hier nur deswegen ge­ nannt, weil sie — auch in untergeordneter Stellung — für die Sage grund­ sätzlich wichtig ist und manchmal, vor allem im Gespräch, beinahe zum Haupt140

zweck werden kann. Man denke an jenen mecklenburgischen Seemann, der gleich zu Anfang beteuert: „Mi is wat passiert, dat is de reine Wohrheit", weit ausholend seine Fahrt rekapituliert und dann die Begegnung mit einer seltsamen Schiffserscheinung keineswegs besonders herausstreicht (1927H3W). Wir können zusammenfassend und etwas verallgemeinernd sagen: Wird unsere Überlieferung vor allem durch formale Tendenzen (Beschreibung, Schil­ derung) geprägt, erläutert sie die Sagengestalten; wird sie durch spezifisch in­ haltliche Tendenzen (Begründung, Enthüllung) charakterisiert, erklärt sie die Erscheinungen. In dieser groben Zweiteilung deuten sich auch strukturelle Unterschiede an; denn das Erläutern tendiert zur assoziativen, das Erklären zur kausalen Verknüpfung. Es sei noch einmal deutlich hervorgehoben, daß alle Grenzen und Zuord­ nungen fließend sind. Wer sich bei einer Strukturanalyse nicht auf die Geschich­ ten bestimmter Erzählerpersönlichkeiten beschränkt, sondern auch die „gängige“ Überlieferung miteinbezieht, findet kein System, das groß genug wäre; er sieht bestenfalls gemeinsame Tendenzen und Dominanten. Er steht vor einem breiten Schmelzfluß, welchem zwar die Richtung, das Gefälle zum Meere vor­ gegeben ist, der sich aber in jedem Jahr, das alte Bett wandelnd oder igno­ rierend, neue Stromwege sucht. Auch assoziative und kausale Motivverknüpfung sind nicht streng vonein­ ander getrennt, aber man kann doch sagen: schwerpunktmäßig in unserer Überlieferung verteilt. Die zentralen Bildmotive, die Sagengestalten, wirken wie Kristallisationskerne. Der Klabautermann bindet Haus-, Meer- und ganz allgemeine Geistermotive. An den fliegenden Holländer schließen sich Ge­ spenster-, Toten- und Höllenschiffattribute; sein Kapitän wird, einmal als Frevler gezeichnet, mit Frevelmotiven überschüttet. Inhaltliche Analogiebil­ dungen werden meist in willkürlicher Folge gehäuft. Sie unterstützen die Illustrierung und Charakterisierung unserer Gestalten, schaffen bisweilen überdeutliche Profile und tragen oft zur Schwarz-Weiß-Malerei bei. In den knappen volkstümlichen Sagenerzählungen finden wir — im Gegensatz zu oberschichtlichen Novellen und Gedichten — diese Häufungen nur mäßig; in Glaubensberichten aber, bilden die formalen und die inhaltlichen Analogien oft lange Reihen. So etwa die beschreibenden Adjektiv-Verbindungen beim Klabautermann: grüne Zähne, rote Backen, blaue Augen, roter Haarschopf; oder seine der Vorstellung analogen Attribute: als hilfsbereiter Schiffsgeist Matrosenkleidung, als altes Männchen Pfeife und Bart, als Hausgeistverwandter die rote Mütze. Im Gegensatz zu den erläuternden Zeugnissen, mit ihren beispielhaft ausge­ wählten und meist zufällig gereihten Motiven, kennt die erklärende Überlie­ ferung strengere Abhängigkeiten. Der Erzähler muß eine gewisse Folge ein­ halten, zumindest alle Glieder dieser Folge nennen und eine Verknüpfung sichtbar machen. Wenn der Klabautermann eine Kinderseele ist, wollen wir erfahren, wie sie ins Schiff gelangt, und wenn der fliegende Holländer ein Ostindienfahrer ist, wollen wir wissen, warum denn eines dieser doch längst vergangenen Schiffe noch heute herumfährt. Es fällt aber auf, daß die volks141

tümliche Überlieferung — ganz anders als die oberschichtliche — die Kausal­ bindung sehr oberflächlich handhabt, daß sie wohl Motive ordnet, aber die Abhängigkeit oft nur vage andeutet oder sprachlich überhaupt nicht aus­ drückt. (Das gilt auch für assoziierte Kausalzusammenhänge zwischen Geister­ erscheinung und Unglück.) Es wird zum Beispiel erzählt, daß — als der Kapi­ tän seine verspielte Frau in der Neujahrsnacht bei Kap Hoorn übergeben will — alle Schiffe versanken. Und übergangslos heißt es weiter: Nach der Zeit erschien das Gespensterschiff, der fliegende Holländer. Bildvorstellungen haften, Motivierungen verwischen: „De Fleegen Hollanner hett ümmer gegen den Wind an krüüzt, dat geiht jo nich voruut. So’n Oort Fluch is dor up wäst, he is nich von ’ne Städ’ kamen“ (1924H2W). Ein anderer Erzähler, der nach der Schilderung der Teufelsübergabe nun eigentlich auf das immer noch segelnde Geisterschiff hinweisen müßte, sagt statt dessen: „Wat wider passiert is, weet ik nich ..." Die allgemeinste Erscheinung jeder mündlich-gedächtnismäßigen Überlie­ ferung ist die Variabilität, und ihre Auswirkungen sind dort, wo von vorn­ herein nur assoziative bzw. analoge Beziehungen vorhanden sind, gar nicht ab­ zuschätzen. So wechseln eben die Kopfbedeckungen des Klabautermann zwi­ schen Spitzmütze des Hausgeistes, seemännischer Pudelmütze und Stohhut; die Formen des fliegenden Holländers zwischen Schatten-, Nebel-, Totenund Höllenschiff; und der Name seines Kapitäns (in der Unterhaltungslite­ ratur) zwischen Vanderdecken, Fokke, van Straten und anderen. Aber auch die Kausalbezüge der Volksüberlieferung, die sprachlich oft übersprungen werden, sind variabel: Weil er am Karfreitag in See gestochen ist, wurde der fliegende Holländer bestraft; und später wird dann das Aussegel-Verbot am Freitag auch mit der Tat des fliegenden Holländers begründet (—H5W). Die Sagen

Wir haben Grundmomente in den disparaten Bildmotiven erkannt und be­ stimmte Grundtendenzen der Motivverknüpfung herausgestellt. Jetzt sind noch einige Bemerkungen zur Ganzheit der volkstümlichen Überlieferungs­ formen zu machen. Lutz Röhrich hat darauf hingewiesen, daß im Bereich der Sage unentwickelte Vorformen, künstlerische Formen und zerfallende und zerfallene Restformen nebeneinander stehen und daß darum morphologische Betrachtung in Hinsicht auf die Gattung zu keinerlei allgemeingültigen Aus­ sagen gelangen könne27. Unser Material bestätigt die kaum übersehbare for­ male Vielfalt der volkstümlichen Zeugnisse und kann auf Grund seiner men­ genmäßigen und thematischen Beschränkung schon gar nicht die Basis einer strukturellen Gattungsanalyse darstellen. Wir wählen uns das bescheidenere Ziel, die Sagenvarianten des fliegenden Holländers und des Klabautermann überschaubar zu machen, wobei vielleicht doch einige Zusammenhänge zwischen inhaltlicher Aussage und formaler Ausprägung anklingen werden. 27 Röhrith 1958, S. 667. Ähnlich L. Schmidt 1963, S. 108: „Es hat offenbar keinen Zweck, bei der Sage nach der Erzählform und nach dem Gattungsstil zu fragen. So etwas gibt es eben nicht, bei der Sage ist alles Inhalt“.

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Es gibt zwei grundlegende Erzählformen: die persönliche und die unper­ sönliche, die Ich- und die Er-Erzählung. Ihnen entspricht die Trennung zwi­ schen Erlebnis- und Erzählsage. Das Erlebnis ist für eine Gattung, die wie die Sage ein merkwürdiges Ge­ schehen mit dem Anspruch auf Wahrheit präsentiert, von besonderer Bedeu­ tung. Hier sind wir dem Beginn einer geschlossenen Überlieferung am aller­ nächsten, wenn auch das Memorat in formaler Hinsicht — wie sich zeigen wird — keineswegs sehr geschlossen ist. Sagenerlebnis heißt in unserem Fall eine Begegnung mit dem fliegenden Holländer oder dem Klabautermann, ganz gleich, ob sie mit dem Auge oder dem Ohr wahrgenommen wurde. 1787 raste im Indischen Ozean auf die englische Fregatte „Vestal“ ein selt­ sames Schiff zu und verschwand plötzlich zwei Kabellängen vor ihr in der See; vom Vorschiff klang der halberstickte Laut „the flying Dutchman“. Ganz ähnliche Erlebnisse, die mit dem erschreckenden Ruf des Ausgucks beginnen — »Voilà le volant Hollandais!« —, werden 1835 und 1882 geschildert. Wir erfahren 1920 aus der Erinnerung eines Seemannes von einem Viermaster, der plötzlich auftauchte und wieder verschwand: „Dor säden wi, dat wier wol de flegen Hollanner wäst“; von einem Segler, der nahe dem Kap der Guten Hoff­ nung bei Flaute gegen den Wind kämpfend gesehen wurde und darum nur der fliegende Holländer gewesen sein könne. Als im ersten Weltkrieg bei Kap Hoorn zwischen zwei Regenböen kurz ein Segelschiff auftauchte, rief ein Kapitän seiner Mannschaft zu: „Da habt ihr den fliegenden Holländer!“ Schon 1839 hören wir aus der gleichen Gegend von einem Schiff, das, bevor man es angepreit, sich aufgelöst hatte; mit der lapidaren Bemerkung, das sei eine gewöhnliche Erscheinung und werde fliegender Holländer genannt. Es gibt weitere Überlieferungen: manchmal erinnert man sich vor diesen Bildern des berühmten Geisterschiffs und manchmal nicht; ein Kapitän rief seine Mannschaft zusammen und erklärte: das sei kein richtiges Schiff, sondern ein Vorzeichen. Zu diesen seltsamen, oft anschaulich geschilderten Erlebnissen gesellen sich andere, die im Prinzip genauso ablaufen. Nur: 1881 vermerkten die Prinzen Victor und George sorgsam in ihrem Tagebuch, daß knapp sieben Stunden nach der Holländer-Begegnung jener Seemann, der das Geisterschiff gesichtet, aus der Takelage zu Tode stürzte; ein anderes Schiff versank im Indischen Ozean einen Tag nach einem solchen Zusammentreffen; wieder ein anderes lief acht Tage später bei Kuba auf ein Korallenriff; ein letztes schließlich strandete in der Ostsee: dat is dat Vörteken wäst bi Riga! Hier wird also je­ weils ein Geisterschifferlebnis mit einem Unglück verknüpft. Memorate über eine Klabautermann-Begegnung sind seltener und beschreiben zudem oft nur ein akustisches Zusammentreffen. Ein Tischler, der ein Schiffs­ wrack gekauft, hört den Klabautermann rumoren, ruft ihm zu, alles sei recht­ mäßig erworben, und der Geist gibt Ruhe. Aus dem Baltikum schildert ein Matrose, wie ein Mann mit gräßlichem Gesicht Sturm verkündete; ein ande­ rer, daß einst ein kleines Männchen auf den Mast kletterte und spurlos ver­ schwand; ein dritter Seemann, der sich gegen den Klabautermann-Glauben ge143

sträubt hatte, hörte bald darauf den Geist wie einen Vogel nacheinander von allen Masten singen — und zwei Stunden später lief das Schiff auf Grund. Etwas häufiger hören wir Erinnerungssagen aus zweiter Hand, so Erlebnisse des Groß- oder Urgroßvaters, auch des Vaters oder Bruders: wie der Klabau­ termann Ohrfeigen verteilte oder durch lautstarke Zeichen den schlafenden Rudergänger auf ein entgegenkommendes Schiff aufmerksam machte. Einmal kam er vor dem Untergang eines Schiffes an Bord geklettert, legte dem Steuer­ mann die Hand auf die Schulter und gab damit zu verstehen, daß die Mann­ schaft gerettet würde. (Ein ähnliches Erlebnis wird einem Schiffer G. aus Delve zugeschrieben.) Die Begegnung mit unseren Gestalten ist durchweg nur ein kurzzeitiges Zusammentreffen. Plötzlich erscheint die Gestalt, oder wenige Augenblicke lang wird sie tätig; der Mensch, durch das Zeichen gebannt, bleibt passiv; wir sehen nur einen Vorgang abrollen; kein „Aufschaukeln“ einer Handlung, keine Szene. Selbst wenn sich dem merkwürdigen Geschehen eine reale Folge (ein Schiffbruch) anschließt, wird sie nicht entwickelt, sondern hingestellt. (Schildert ein Erlebnisbericht über gläubig abwehrende Maßnahmen hinaus eine direkte Frontstellung gegenüber dem Numinosen, haben wir statt der Sage meist einen Schwank.) Inhaltlich finden unsere Erlebnissagen ihre Einheit in einem merkwürdigen Geschehen — nach Ort und Zeit, See- und Wetter­ verhältnissen oft genau bestimmt —, aber in formaler Hinsicht sind sie als Erzählung wenig abgerundet und nur mit Einschränkungen ein Ganzes. Die allgemeinere Erinnerungssage steht dem Memorat nahe, wenn sie mit einem einleitenden Satz — „mien Vadder hett verteilt“, zum Beispiel — be­ ginnt und dann eine nur in die Er-Form transponierte Erlebnisschilderung wiederholt. Wird die Erinnerungssage ganz aus der Sicht des Erzählers und nicht der des Erlebenden mitgeteilt, nähert sie sich der Erzählsage. Strukturell läßt sich in vielen Fällen überhaupt kein Unterschied feststellen, wenn ein Geschehen auf der Brigg „Paul Marie" oder auf „einem“ Schiff spielt, wenn es von „Kapitän St.“ oder von „einem“ Kapitän handelt, wenn es „in meiner Jugend“ oder „einmal“ geschah. (Auch die Motive sind vielfach entspre­ chend.) Die meisten erzählenden Klabautermann-Sagen erläutern eine seiner Eigen­ schaften, malen ein Bild aus (wie der Schiffskobold mit dem Kapitän speist): schildern einen ohne jedes retardierende Moment ablaufenden numinosen Vor­ gang, dem sich in der Regel — aber nicht immer — eine glückliche oder un­ glückliche Folge im realen Leben anschließt — als Ein-Satz-Kommentar oder, wenn man will, „Moral". Da wir die Sagen bei der Stoffanalyse bestimmten Motivgruppen unterge­ ordnet haben, seien hier alle die Sagenstoffe (sie sind durchweg einmotivisch) kurz zusammengestellt, die eine reine Vorgangsschilderung geben. Wir grup­ pieren sie locker: 1. Der Klabautermann verläßt das Schiff: a) Feststellen, daß er nicht mehr da ist; b) er geht an Land; fährt mit dem Lotsenboot zurück; springt von Bord; 144

c) er sagt dem Kapitän rechtzeitig Bescheid; d) er nimmt einen Zimmermann mit. 2. Der Klabautermann enthüllt Fehler: a) er klopft an betreffenden Stellen; b) er stöhnt über den faulen Mast; c) er taxiert, ob er den Mast noch halten kann; d) er meldet dem Kapitän. 3. Der Klabautermann hilft und schützt: a) er warnt vor kommendem Sturm: befiehlt, Segel zu bergen; b) er warnt vor einer Kollision: weckt den Rudergänger; greift ins Ruder; c) er weist den Weg zu Schiffbrüchigen; d) er verjagt Diebe vom Wrack. 4. Der Klabautermann straft: a) er ohrfeigt den naschenden Schiffsjungen (Magd); b) er gibt dem ungerechten Kapitän eine Maulschelle; c) er zerschmet­ tert bösem Zimmermann das Bein; d) er tötet den ihn ärgernden Schiffsjungen. 5. Der Klabautermann als Vorzeichen: a) er kommt auf sinkendes Schiff als Zeichen der Rettung; b) er erscheint, bevor ein Mann ertrinkt. 6. Was dem Klabautermann zugeschrieben wird: a) Poltern (mit guter, schlechter oder ohne Folge); b) Erschrecken des Schiffsjungen; c) Schiff läßt sich nicht abwracken, solange ein bestimmtes Kästchen an Bord ist.

Es ist bezeichnend, daß sich uns in der bisherigen Betrachtung immer wieder Worte wie „schildern“ und „Schilderung“ aufgedrängt haben. Denn obwohl die untersuchten Sagen ein bestimmtes Geschehen plastisch ausmalen, repräsentieren sie offensichtlich nicht den höchsten Grad möglicher Veranschaulichung: sie sind nicht klar genug in sich geschlossen und auch nicht lebendig genug. Der Vorgangsschilderung können wir die erzählte Szene an die Seite rücken. Sie stellt ein innerlich geschlossenes Stück dramatischen Lebens dar; hier be­ stimmt nicht eine Gestalt allein, sondern hier sind zwei Pole zueinander in Be­ ziehung gesetzt. Im engeren Geschehen der Holländersage, das bis zur Verfluchung einschließ­ lich reicht und keine Erlebnisse des Geisterschiffes enthält, stehen sich die Hy­ bris des Menschen und übermenschliche Macht gegenüber. Der Kapitän fordert mit eisernem Willen die Naturgewalten, Gott oder den Teufel heraus. Diese Auseinandersetzung spiegelt sich meist in einer Szene zwischen Mannschaft und Kapitän: die Matrosen meutern, der Kapitän wirft den Steuermann über Bord; sie weigern sich, ein Papier zu unterschreiben, der Kapitän tut es allein; oder ein anderes Schiff fragt den Kapitän, ob er nicht umkehren wolle, er antwortet: und wenn ich verdammt würde, ewig zu segeln — nein! In der bretonischen Sage ist selbst die Szene zwischen Kapitän und Gott auf das dramatischste ge­ staltet. Solche den Dialog betonende Erzählungen gibt es auch über den Klabauter­ mann. Sie lassen sich in drei Gruppen ordnen: 1. Szene zwischen einem Klabautermann und einem Menschen. Dem Schiffs­ geist schwindet die Kraft, Mast oder Segel festzuhalten; entweder werden seine Rufe vom Steuermann nicht beachtet und das Unglück folgt; oder der Kapitän bittet ihn, wenigstens bis in Küstennähe durchzuhalten. 145

2. Szene zwischen zwei (selten drei) Klabautermännern und a) einem Menschen unmittelbar. Die Geister streiten sich um das Recht, auf dem Schiff zu bleiben und bitten den Kapitän oder den Schiffsjungen um die Entscheidung; dabei kann entweder die Priorität des An-Bord-kommens oder die Art ihrer Tätigkeit ausschlaggebend sein. b) einem Menschen oder einer Menschengruppe mittelbar. Zwei Kobolde ver­ schiedener Schiffe unterhalten sich entweder über Fehler des einen Schiffes oder über seinen bevorstehenden Untergang und werden dabei belauscht. 3. Szene zwischen zwei Klabautermännern. Sie prügeln sich entweder um das Recht auf dem Schiff oder weil sie sich nicht einigen können, wer schwie­ rigere Arbeit geleistet hat. Wir sehen zusammenfassend, daß der inhaltlich-strukturellen Unterscheidung zwischen Beispiel- und Ursachensage28 eine formal-strukturelle Trennung zwischen ruhig ablaufender und bewegter Erzählhandlung (Vorgang und Szene) hinzugefügt werden kann, ja, daß sich beide Gliederungsversuche gegen­ seitig ergänzen und modifizieren. Denn wir können zum einen feststellen, daß die szenisch gestalteten Klabautermann-Geschichten nicht immer als Beispiel(für den Schiffsgeist-Glauben) und schon gar nicht als Ursachensagen zu klassi­ fizieren sind und daß sie sich zweitens nur auf wenige, ganz bestimmte Motive beschränken. Häufig tritt bei den kunstvolleren Sagen der Bezug zur mensch­ lichen Wirklichkeit stark zurück.

Die Scheidung nach Erlebnis- und Erzählsage gibt einige Funktionshinweise (in bezug auf den Glauben, der aber in beiden Fällen gleich stark sein kann) und ist strukturell unergiebig. Sie orientiert sich an äußerlichen Formalkrite­ rien, dem Ich- oder Er-Erzähler, und beleuchtet darüber hinaus nur stilistische Dominanten wie individuellere Färbung und konkretere Lokalisierung bei der Erlebnissage. Allgemein ist am Stil unserer Überlieferungen ihre Anschaulichkeit hervorzu­ heben, die nicht durch Attributhäufung, sondern durch plastische Ausdrucks­ weise erreicht wird, was nicht gleichbedeutend ist mit Präzision; man denke an Wendungen wie „he hett flucht un dahn“, „Gott oder ne annere Macht“. Über­ lieferte Formeln („sieben Jahre") und spontane Wortbildungen („kiabutter, kiabutter“) stehen nebeneinander. Der Aufbau jener Sagen, die einen einfachen Vorgang schildern, ist die lockere Reihung; angehängte Doppellesarten (andere sagen ..., 1948K2) unterstützen die Tendenz zur offenen Form.

Bewußte Sagenkomposition tritt erst bei szenischer Gestaltung, die immer einen unpersönlichen Erzähler kennt, deutlich hervor. Manchmal hat zwar eine Frage des einen Klabautermann nur auslösende Funktion für die Antwort des anderen, aber vor allem bei drei Klabautermännern sind dann doch klare Spannungsbögen gebaut: die Tätigkeit der verschiedenen Kobolde steigert sich 28 Die Begriffe stammen, auf Folkers (1910) aufbauend, von Berendsohn (1922). Folkers spricht vorsichtigerweise nur von demonstrativer und aitiologischer Tendenz.

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vom Festhalten einer Planke über den Mast bis zum Ruder. Bei dem Streit um die Priorität wird die Angabe des ersten Klabautermann, der oft mit dem Mast kam, gewöhnlich von der des zweiten, der mit dem Kiel kam, unterboten. In einer dieser Sagen wird ein besonders schöner Effekt erzielt, indem bereits der erste Geist behauptet, mit dem Kiel an Bord gekommen zu sein; der zweite sagt nun, er sei schon beim ersten Baum, der gefällt wurde, dabeigewesen (be­ kam aber trotzdem nicht recht). Daß im übrigen der Erzählstil sehr von dem einzelnen Erzähler abhängig ist, kann zum Beispiel der Vergleich zwischen einer sprunghaften HolländerErzählung (1924H1") und einer kunstvollen Klabautermann-Geschichte (1892KW), beide aus Wossidlos Sammlung, leicht verdeutlichen2*.

Der Strukturwandel

Wir schauen zurück — was bleibt, nachdem wir den Irrgarten der Motiv­ geflechte durchschritten? Wohl vor allem der Eindruck einer Beziehungsfülle, die vielleicht erkennbar, aber kaum beschreibbar ist. Wir sehen eine Überliefe­ rung mit vielfältigen Analogien und Kontaminationen; mit wechselnden Reihen und ver-kehrten Folgen; ohne strenge Konturen, mit fließenden Ten­ denzen. Darf man, wo der Beziehungsreichtum so das Wesen zu bestimmen scheint, noch erwarten, Linien des historischen Wandels aufzufinden? Wir haben, wenn wir zurückdenken, mehrere Komplexe untersucht: einmal die (Bild-)Motive selbst, dann lockere Motivgruppen, daraufhin fester gefügte Motivzusammenhänge in den Sagen und schließlich mehr oder weniger indivi­ duelle Darbietungsformen der Sagenstoffe (deren Betrachtung, weil sie quel­ lenkritische Probleme beleuchtet, an den Anfang gestellt war). Der Untersu­ chungsgang führte uns schrittweise vom Bildmotiv zur geschlossenen Erzäh­ lung oder — wenn wir das schlagwortartig sagen wollen — von der Variabi­ lität zur Prägung, vom Volkstümlichen zum Individuellen, vom Unbewußten zum Bewußten, von der ungeschichtlichen in die geschichtliche Welt. Gerichteter, das heißt als ein Fortschreiten erkennbarer Wandel, nun, ist nur im Bereich der Geschichte möglich. Nur das Bewußtsein verändert die Gei­ steswelt; nur im Individuellen entsteht das Neue; nur was geformt ist, kann ein Markstein sein. Wir werden uns also bei der historischen Betrachtung auf einen äußeren Bestandteil unseres Strukturgeflechtes beschränken müssen. Wir können z. B. nicht Einzelimpulse des Gespensterhaften geschichtlich ord­ nen, sondern nur die konkreten Erscheinungsformen einer Spuküberlieferung als ganzes. Die Trennungslinie zwischen dem historischen und dem zeitlosen Phänomen ist oft schwer zu bestimmen; sie ist überdies veränderlich (denn das Unbewußte kann in unterschiedlichem Grade ins Bewußtsein treten). Weiterhin ist zu bedenken, daß wir in dem Kapitel über die Motivver­ knüpfung eine Reihe von Tendenzen aufführen konnten, unter denen unsere 29 Oben zit. auf S. 36 und S. 71 f.

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Seegestalten betrachtet und dargestellt werden: Funktionsdominanten — das Schildern, das Erklären — prägen die Struktur der Überlieferung. Man könnte vielleicht — den Jolles’schen Begriff variierend — von „einfachsten Formen“ der sprachlichen Äußerung sprechen, die bestimmte Sageninhalte er­ wähnen, beschreiben, schildern, veranschaulichen, begründen, enthüllen, leug­ nen oder beglaubigen. Soweit diese Grundtendenzen die Überlieferung allge­ mein formen, geht dem Strukturwandel immer eine Funktionsverschiebung voraus. Ein Sagenstoff kann je nach der Art seiner Lebendigkeit im Volksle­ ben von einer bestimmten Anzahl möglicher Strukturen einige verlieren oder eventuell neu erwerben.

In der volkstümlichen Überlieferung des 19. Jahrhunderts finden wir die verschiedenen Grundformen der Holländer- und Klabautermann-Zeugnisse nebeneinander. Man kann nicht einmal allgemein von einem Vorgang der Verarmung oder Schrumpfung sprechen; denn Kleinformen, die metaphorische und redensartliche Verwendung unserer Gestalten, sind bereits in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts verbreitet, während die szenischen Klabauter­ mann-Sagen, zum Beispiel, durchweg der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angehören. Seit dem Ablösen der Segelschiffe geht dann allerdings mit dem allgemeinen Verlust mündlicher Sagentradition auch ein Schwinden unserer Stoffe einher, die in sprachlichen Wendungen und Anklängen noch eine Zeitlang weiterleben. Die begründenden und veranschaulichenden Sagenerzählungen werden durch enthüllende, schwankhafte Geschichten zurückgedrängt, vor allem aber wird neben der leugnenden Aussage die Schilderung, die den Sageninhalt stillschweigend als irreal voraussetzt, zu einer beherrschenden Form der jüngeren Überlieferung. Hier macht sich das historische Bewußtsein im Volksleben bemerkbar; man gewinnt Interesse für die Vorstellungen der eigenen Vergangenheit, auch wenn man sie nicht mehr als gültig übernehmen kann und will. WUl-Erich Peuckert hat bei der Betrachtung morphologischer Sagenprobleme theoretisch auf verschiedene Möglichkeiten hingewiesen, die die Veränderung einer Sage bedingen können. Er nennt u. a. den Fortsetzungszwang; den Zwang, die Logik der Erzählung stärkstmöglich durchzuführen; die poetische Rechtfer­ tigung, die den Guten belohnt und den Bösen bestraft30. Bei unseren Zeugnissen unmittelbarer Volksüberlieferung läßt sich ein entsprechender Formenwandel nicht gültig nachweisen, wohl vor allem auch deswegen nicht, weil wir keine Erzählerpersönlichkeiten kennen und keine klaren Überlieferungsketten be­ stimmter Stoffe besitzen. Bezeichnenderweise aber lassen sich solche Tendenzen im Formenwandel auf dem Wege zur Unterhaltungs- und Trivialliteratur auf­ zeigen.

Die Beliebtheit des fliegenden Holländers und des Klabautermann bei der Bevölkerung des Festlandes spiegelt sich in der Fülle trivialer Gedichte und entsprechender Magazingeschichten. Es ist verständlich, daß sich die Sagendar­ 30 Peuckert «1962, Sp. 2655.

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bietung in den Zeitschriften oder Novellenbänden weitgehend den hier üblichen Formen der Unterhaltungsstoffe anpassen mußte, was rein äußerlich zunächst einmal hieß, knapp erzählte Sagenüberlieferung in irgendeiner Weise zu einer Erzählung zu „verlängern“. Das Bedürfnis eines Lesers unterscheidet sich von dem eines Zuhörers.

Die Aufschwemmung unserer Stoffe vollzieht sich bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus einmal durch die Einpassung in einen Rahmen, was — wie wir oben gesehen haben — auch ästhetischen Zielen dient, und zum ande­ ren durch eine Motivhäufung. Es ist aber auffällig, wie die schöpferische Phan­ tasie der Unterhaltungsschriftsteller der älteren Zeit trotz aller Ausschmückun­ gen durch die vorgegebene Sagenüberlieferung gebändigt bleibt. Die Rahmen­ handlung spielt nicht nur im Sagenmilieu; bei größerem Umfang schließt sie sich an das engere Sagengeschehen an (Briefmotiv) oder wird diesem parallel gesetzt: der Kapitän des realen Schiffes ist wie der Holländerkapitän ein Teufelsbündner, Mörder oder Feiertagsfrevler (1834H, 1849H, 1867H); ähn­ lich wird das, was man vom Klabautermann erzählt, in der Rahmenhandlung Wirklichkeit (1828K, 1837K). Die Sage selbst erweitert der Autor meist nicht durch völlig neue Motive, sondern er schwemmt die überlieferten mit einer zuwei­ len grotesken Fülle neuer Züge auf (1849H!). Die knapp gezeichneten Gestalten der Sage erfahren somit in ihrem Wesen keine Differenzierung; vielmehr wer­ den die oft holzschnittartigen Charakterzüge jetzt zur Schwarz-Weiß-Malerei überspitzt. Wenn der überaus Böse die überaus Guten beherrscht oder das ehemals Gute dem Bösen erliegt, sind auch die Sentimentalität und der morali­ sche Zeigefinger nicht weit.

Man kann sagen, daß die Schwarz-Weiß-Malerei zu einem Teil dem von Peuckert genannten Zwang entspricht, die Logik der Erzählung stärkstmöglich zu betonen, und daß sich die Sentimentalität teilweise auf eine (übertriebene) poetische Rechtfertigung zurückführen läßt. Die Sentimentalität, oder doch die Verniedlichung, hat manchmal auch in neuere Sagensammlungen Eingang gefunden, z. B. wenn ein Klabautermännchen dem anderen erzählt, es wolle das Schiff verlassen, weil die Seeleute die schnelle und glückliche Fahrt allein ihrer Tüchtigkeit zuschreiben und den hilfreichen Schiffsgeist vergessen (1911K3). Das Phänomen des Fortsetzungszwanges, dem wir in unserer Pri­ märüberlieferung praktisch gar nicht begegnen, finden wir in gewisser Weise in Marryats Geisterschiff-Roman, wo die verschiedenen Geisterschiffbegeg­ nungen durchgespielt werden. Ferner wäre das Hinzufügen des Erlösungsmo­ tivs zu nennen. Doch tritt dieses Phänomen vor allem in der neueren Unter­ haltungsliteratur auf, die die Rahmenerzählung nicht mehr kennt: der Hollän­ derkapitän will etwa die Seele seiner verstorbenen Frau abholen, wird aber durch einen Priester von der Leiche verscheucht (1893H2); oder er rettet ein Mädchen aus Seeräuberhand und erlebt anschließend noch viele Abenteuer auf dem Lande (1938H).

Zusammenfassend ergibt sich, daß eine klare Tendenz im Strukturwandel der volkstümlichen Überlieferung nur soweit zu erkennen ist, wie sich die modernen 149

Erscheinungen der Glaubensentleerung und des Versiegens der Erzähltradition bemerkbar machen. In der Unterhaltungsliteratur hat sich das meist triviale Gewand unserer Sagen zeitlich geändert- Doch durchweg finden sich als all­ gemeines Merkmal übermäßige Betonungen, die ein Mißverhältnis zwischen Form und Inhalt hervorrufen. Bezeichnend ist, daß wir unsere Sagengestalten auch in lyrischen Gedichten finden, obwohl sich deren Gattungsstruktur für solche Stoffe nur unter wenigen ganz bestimmten Voraussetzungen eignet.

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Die innere Erscheinung des Kulturgutes A. DER GEHALT Es ist charakteristisch für unsere Sagengestalten, wie für alle Kulturgüter, daß Stoff und Struktur nur ihre Hülle darstellen und ihr innerstes Wesen nicht erfassen. Fliegender Holländer und Klabautermann sind mehr als eine Summe, mehr auch als ein strukturiertes Gewebe ihrer einzelnen Elemente. Nicht nur eingefügt in das menschliche Leben, sondern geschaffen und weiter­ wirkend, weisen sie über sich selbst hinaus auf ihren Schöpfer und ihren Träger und auf deren Lebewelt.

Haben wir bisher unsere Überlieferung von inhaltlichen und formalen Ge­ sichtspunkten her mehr oder weniger beschreibend analysiert, so wollen wir sie jetzt interpretieren: als einen Spiegel, der bestimmte Erscheinungen des Volkslebens sammelt und in konzentrierter Form wieder ausstrahlt. Wir wer­ den aus praktischen Gründen die enge Wechselwirkung zwischen dem Menschen und seinem Kulturgut in ihre beiden Hauptkomponenten zerlegen: all das, was an lebendiger Wirklichkeit in die Kulturgüter eingegangen ist, nennen wir ihren Gehalt; wie all das, was wirksam bleibt, gleichsam wieder ins Leben zurückfließt, kennzeichnet ihre Funktion. Das Volksleben manifestiert sich also im Gehalt seiner Überlieferungen und empfängt durch die Funktion dieser Überlieferungen neue Impulse.

Vielfältig sind die Wirkkräfte des realen Lebens. Tendenzen, die tief in der Psyche des Menschen verborgen liegen, fügen, von den sozialen Bedingungen nicht unbeeinflußt, natürliche, volkskundliche und kulturhistorische Gegeben­ heiten zusammen. Dieses Geflecht materieller und geistiger Realitäten wollen wir, um es einsichtig zu machen, jetzt in seine Bestandteile zergliedern, uns aber gleichzeitig bemühen, das Bild eines komplexen Ganzen, von dem wir wiederum nur eine Seite beleuchten, nicht zu verlieren; denn stärker noch als Stoff und Struktur einander beeinflussen, sind die wechselseitigen Bedingt­ heiten von Gehalt und Funktion. Das reale Seemannsleben

Die Überlieferung vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann ist in die seemännische Welt des 19. Jahrhunderts eingebettet. Ihr Bild korrespondiert mit der Wirklichkeit, soweit nicht das sagenspezifische Grundmoment des Ungewöhnlichen als Übertreibung oder Groteske durchbricht. Aber diese „Ver­ fremdung“ des Wirklichen ist, wie wir gesehen haben, ja ganz eng auf die Sagengestalten selbst bezogen und verhindert nicht, daß die Gesamtüberliefe­ rung in ihren Grundsituationen und Requisiten als ein Abbild des realen See­ mannslebens erscheint. Schon die Glaubwürdigkeit der Erzählungen verlangt einen festen Bezug zur lebendigen, vertrauten Welt, und wenn das Meer diese Welt des See­ manns verkörpert, dann ist das Segelschiff ihr wichtigstes Requisit, der Mit­ telpunkt ihrer Menschen. Es ist ihr eigenes Schiff, an dem die Matrosen 151

das herumirrende Fahrzeug des fliegenden Holländers messen, und es ist ihr eigenes Schiff, dem der Klabautermann zugehört. Im einzelnen kann die Exi­ stenz des Kobolds und seine Tätigkeit wechselnd mit den verschiedensten Schiffsteilen verbunden sein, die für das Schiff allgemein charakteristischer scheinen als für den Klabautermann. Mit dem Kielholz, zum Beispiel, kommt er auf das Fahrzeug, mit Vor- oder Achtersteven, mit einer Planke oder einem Mast. Den Mast hält er fest, wenn jener verfault ist, eine Seitenplanke, wenn sie locker, das Ruder, wenn es zerbrochen ist, die Segel, wenn sie zu zerreißen drohen. Im Schiffsraum wohnt er, aber auch beim Ankerspill, auf dem Bug­ spriet sitzt er, aber auch auf den Raaen, er geht über Deck und klettert in die Takelung. Wie ein kleiner Matrose sieht er oft aus und arbeitet wie die Mannschaft: kalfatert und bessert das Schiff aus, hilft den Anker aufziehen und die Segel bergen. Der Schiffsgeist fügt sich ins alltägliche Leben. Aber auch — um den fliegenden Holländer nicht zu vergessen — das vergebliche Mühen gegen den Wind, das Fluchen des Kapitäns sind dem Seemann nur allzu bekannt; und sogar das geisterhafte Fahrzeug, wie merkwürdig es sich verhal­ ten mag, bleibt ihm in seiner Grunderscheinung als Schiff immer vertraut. Kein Zweifel: die Sagenwelt ist mit der Welt des Seemanns identisch, doch sie ist so allgemein gezeichnet, daß sie jahrhundertelang gelten konnte. Ganz selten sind Anklänge, die auf eine ältere Zeit zurückweisen. Das Geisterschiff als schwerfälliger Ostindienfahrer, der verfluchte Kapitän in holländischer Tracht des 17. Jahrhunderts, der Klabautermann mit „altmodischer“ Mütze entstammen meist oberschichtlicher Überlieferung. Selten sind allerdings auch die Züge der Moderne. Den tiefgreifenden Umbruch der Seeschiffahrt vom Se­ gelschiff zum Dampf- und Motorschiff haben unsere Sagengestalten nur in An­ sätzen mitgemacht und darum in unmittelbarer Gegenwärtigkeit auch nicht überlebt. Obgleich wir schon im 19. Jahrhundert vereinzelt von Geisterdampfern hören12, wird der fliegende Holländer nie so beschrieben; auch vom Klabauter­ mann wird fast immer behauptet, daß er nur auf dem Segelschiff und nicht auf dem Dampfer zuhause sei. Nur bei den Tscheremissen gehört der Schiffsgeist ausdrücklich zur modernen Welt; er heißt dort paravoi-ia, von russ. parovoj „Dampfer“*. Daß sich unsere Überlieferung in früherer Zeit der jeweiligen Wirklichkeit angeglichen hat und also in eine größere zeitliche Tiefe zurückzudatieren ist, können wir nicht belegen, aber auch nicht ausschließen. Der fliegende Hol­ länder, durch die oberschichtlicheÜberlieferung fest in derZeit des holländischen Ostindienhandels angesiedelt, bleibt später — auch in seinem äußeren Bild — dieser Zeit verhaftet, weil sich inzwischen das historische Bewußtsein ausge­ breitet hat. Viele Erzählmotive werden in einer radikal veränderten Welt sinnlos. Ein noch so starker Gegenwind kann ein Motorschiff nicht wochenlang daran hindern, ein Kap zu umrunden; es gibt keine Segel zu bergen, keine Masten, die verfaulen, den Anker windet die Maschine auf — was bleibt für 1 Z. B. 1867 auf dem Erie-See: s. Splitter 1950, S. 202 f. 2 Holmberg 1926, S. 53.

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den hilfreichen Klabautermann? Von der Unmöglichkeit, mit einem hölzernen Kiel oder Steven ins Schiff zu gelangen, ganz zu schweigen. Auch kann sich nach dem endgültigen Glaubensschwund niemand veranlaßt sehen, die Über­ lieferung in die moderne Welt einzupassen; vielmehr erlaubt die Requisiter­ starrung eine Koketterie mit dem Glauben früherer Zeiten — wir können (augenzwinkernd) bedauern, daß es den guten Klabautermann nur auf hölzer­ nen Schiffen gegeben hat-

Zu seinem Segelschiff als Bildhintergrund treten die Erlebnisse des Seemanns, und damit wirkt in seinen heimischen Kreis auch das Un-heimliche hinein. Verhältnismäßig einfache Ansatzpunkte finden sich für das KlabautermannErlebnis. Wenn beim Schlingern des Schiffes im Raum die Lasten plötzlich durcheinanderpoltern, wenn die schlaff herabhängenden Segel gegeneinander­ schlagen, wenn Tauwerk klappert und Balken knarren und überdies die Ur­ sache der merkwürdigen Laute im Ungewissen bleibt, dann ist die Möglich­ keit, an einen Klopfgeist zu denken, gegeben. Und das Geisterschiff? Man hat schon vor der Mitte des 19. Jahrhunderts versucht, den fliegenden Holländer als eine natürliche Erscheinung, eine Luft­ spiegelung, zu erklären3. Vor allem in den nebeligen Breiten des Südens be­ gegnen die Seeleute tatsächlich solchen spukhaften Schiffen; wir haben früher entsprechende Erlebnisse aufgeführt und erinnern uns jetzt nur daran, daß schon 1821 und 1839 Seeleute diese Phänomene, obgleich sie ihnen unverständlich blieben, als etwas Natürliches hinnahmen. Bei der terrestrischen Strahlenbre­ chung ist die Hebung über den Horizont, die ein Schiff aufrecht heranspiegelt, von der Fata Morgana zu unterscheiden. Diese enthüllt sich schneller als Trug, weil sie ein Schiff auf dem Kopf stehend zeigt. H. C. Andersen schildert ein Schiff, das in einer Morgenstunde umgekehrt, mit der Takelage aufs Wasser und dem Kiel in die Luft weisend, erschienen war: (1836H) „Das nennt man Totenschiff (Dodningskibet), und wenn es gesehen wird, gibt es Unwetter oder eine Strandung.“

Doch die seltsamen Schiffsbegegnungen brauchen nicht immer vorgetäuscht zu sein. Es gibt unzählige Beispiele dafür, daß Wracks und verlassene Schiffe über die Meere treiben, manchmal sogar abwechselnd über und unter der Wasseroberfläche45. 1914 sichtete zum Beispiel — wie R. Hennig schildert3 — die dalmatinische „Frederico Katalin" auf ihrer Fahrt nach Montevideo in mondheller Nacht einen abgetakelten, völlig dunklen Kutter. Als der Kapitän das verdächtige Schiff näher betrachten wollte, versank es im Meer. Aber vierundzwanzig Stunden später, um Mitternacht, stand das geheimnis­ volle Fahrzeug abermals unmittelbar neben der inzwischen weitergefahre­ nen „Frederico Katalin“. Der energische Kapitän setzte ein Boot aus und stellte fest, daß es sich um das Wrack der norwegischen „Sigridson“ handelte, die 3 Z. B. 1838H; Nork 1848, S. 943. 4 S. Hennig 1951, S. 183—185. Vgl. auch die Sage 1859H, in der ein treibendes Wrack zum höllischen Verbrecherschiff erkoren wird. 5 Hennig 1951, S. 184 f. 153

1909 in einem Orkan gesunken war. Dieses Beispiel ist instruktiv, und wenn man bedenkt, daß allein im Jahre 1934 zweiundsiebzig Schiffszusammenstöße durch treibende Fahrzeuge verursacht wurden*, dann wird man ähnliche Erlebnisse nicht ausschließen dürfen. Andererseits sprechen fast all unsere Geisterschiffberichte von besegelten Fahrzeugen. Man glaube auch nicht, daß sich die Seeleute durch alles und jedes erschrecken lassen. Kurz und knapp be­ merkt Kapitän J. J. Eschels in seiner Lebensbeschreibung von einer Reise um 1800: „In der Nordsee fanden wir ein neues Briggschiff, welches sein Ruder abgestoßen hatte und von der Mannschaft verlassen war; wir ließen es trei­ ben6 7“ . Auf Pestschiffe früherer Zeiten sei noch kurz hingewiesen. Der fliegende Holländer wird einmal so charakterisiert (1812H), dennoch dürfte hier kaum ein äußerer Anlaß unserer Überlieferung liegen. Schließlich erwähnt Heims89 — und seine Notiz wird immer wieder übernommen —, daß sich Seeräuber der Maske von Geister- und Totenschiffen bedient hätten. Aber die Totenkopf­ flagge am Mast dürfte eher ein nur zu deutliches Abzeichen gewesen sein, als ein plumpes Geisterattribut für weltfremde Seeleute. Besondere Reiseerlebnisse sind an die beiden südlichen Kaps gebunden, wo unsere Holländersage oft lokalisiert ist. Unweit Kap Hoorn ragt aus den dunklen Vorbergen ein heller Felsen heraus, der einem Schiff täuschend ähn­ lich sieht. Es gibt Berichte, daß Segler, die sich ihm nähern wollten, auf Grund gelaufen oder nur knapp dem Schiffbruch entgangen sind*. Der Felsen ist auf manchen Seekarten als „einem Schiffe ähnlich“ verzeichnet und dürfte schon H. Smidt den Anstoß für seine Erzählung „Das steinerne Schiff“ gegeben haben10. Eine populäre Seezeitschrift meint 1930, daß sich hier das Geheimnis des Spukschiffs offenbare1112 . Am Kap der Guten Hoffnung ver­ ursacht ein Wirrsal kalter und warmer Strömungen sehr unterschiedliche Luft­ bewegungen auf engem Raum. A. Breusing glaubt, darin eine Erklärung für jene Berichte zu finden, nach denen ein von Windstille festgebanntes Schiff manchmal in der Feme ein anderes gegen starken Wind ankämpfen sieht11. Konkrete Züge des seemännischen Alltags und Reminiszenzen unerklärlicher Erscheinungen schmelzen in die Überlieferung. Den Grundton gibt meist das See-Erlebnis. Das bestimmende Element des Seemannslebens, der Kampf mit Wind und Wellen zeigt auch in den Sagen seine prägende Kraft. Sturm und Flaute, beide gleichermaßen gefürchtet und in der Vorstellung der Seeleute immer gegenwärtig, sind der häutigste Umgrund unserer Gestalten. Bei spie­ gelglatter, aber mehr noch bei aufgerührter See klopft und zeigt sich der Kla­ bautermann, dann rauscht der fliegende Holländer vorüber. Man denke an 6 7 8 9 10 11 12

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Hennig 1951, S. 184. Eschels 1928, S. 111 (Erstdruck 1835). Heims 1888, S. 102. Hennig 1951, S. 182 f. Smidt 1835/36, Bd. I, S. 1—14. Vikingen (Kopenhagen) 1930, H. 12, S. 8. Breusing 1889, S. 64 f.

plötzlich auftauchende Nebelbänke vor dem Sturm, an das St. Elmsfeuer, eine elektrische Lichterscheinung oft im Gewitter, die sowohl mit dem Klabau­ termann als auch mit dem fliegenden Holländer verbunden wird. Tosende Ge­ walten, Segelbergen im Mast, Angst um Schiff und Leben — da wird der Seemann für das Numinose empfänglich, ohne daß wir einzelne Erscheinungen rational erklären könnten oder müßten. (Auch das ist versucht worden: Der Klabautermann, wie das St. Elmsfeuer etwa 20 bis 50 cm groß, erscheine wie dieses oft in bläulicher bis gelblicher Farbe. Sein Hüpfen und Springen ent­ spreche der unruhigen Bewegung des Strahlenbüschels, sein kicherndes Ge­ lächter und sein Lärmen jenem hellsurrenden Geräusch, von dem das St. Elmsfeuer manchmal begleitet sei1*.) Die drohende Gefahr, von unseren Ge­ stalten heraufbeschworen oder verhindert, durchzieht fast jedes Zeugnis; das Unglück begegnet in all seinen Variationen: von der lockeren Planke bis zum Schiffbruch, vom abgeschlagenen Daumen bis zum Todessturz.

Die reale Welt des Seemanns stellt bildlich, erlebnis- und erlebensmäßig die Grundlage unserer Sagen dar. Doch es wäre eine vergebliche Mühe, wenn wir den fliegenden Holländer und den Klabautermann restlos auf natürliche Er­ scheinungen reduzieren und psychologisch erklären wollten. Sicher kann ein ermüdeter Matrose für das Merkwürdige zugänglicher sein, wie es O. Stöcker berichtet (1965H1), und auch Massensuggestionen mögen es gegenwärtiger machen13 14. Sicher ist es bemerkenswert, wenn R. Manry, der im Sommer 1965 allein in einem Segelboot den Atlantik überquerte, seine Halluzinationen schildert, die ihn in ein „Reich der Seeberge“ versetzten: (1965K6) „Ich segelte im Kreise. Dann traf ich einen kleinen Klabautermann. Er sagte: ,Dein Unglück ist, daß du im Uhrzeigersinne segelst. Um hier herauszukommen, mußt du gegen die Uhr segeln.' Das tat ich. So gelangte ich endlich an einen Ort, wo die Wellen mich wie auf Riesenstufen aus dem .Reich der Seeberge' hinausführten.“ Sicher gibt all das einen Einblick in das Gelebt-werden unserer Überlieferung, aber die Frage nach der Herkunft der tradierten Inhalte bleibt ungelöst; vielmehr: sie stellt sich dringlicher denn zuvor. Volksglaube und Brauds

Das menschliche Leben kennt neben der sinnlich erfahrbaren Umwelt noch einen anderen großen Wirklichkeitsbereich: den der geistigen Überlieferung. Ein bestimmter Vorrat an Glaubens- und Wissensstoff ist immer gegenwärtig und in vielfältigen Nuancen wirksam. Nun läßt sich die Gesamtheit kollek­ tiver Vorstellungen (einer Gruppe, in einer Epoche) nur soweit erfassen, als diese in irgendeiner Weise äußerlich sichtbar, das heißt vor allem: schriftlich niedergelegt sind. Es gibt keine andere Möglichkeit, in unserer Holländer­ oder Klabautermann-Überlieferung vorgeformte Bestandteile eines allgemeinen Traditionsschatzes zu erkennen, als durch den Vergleich mit anderem Überlie­ ferungsgut derselben (und etwas älteren) Zeit. 13 Bellmer 1935, S. 74 f. 14 Vgl. Hennig 1951, S. 183.

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Wir werden zunächst versuchen, einige allgemeinere Einzelzüge unserer Sagengestalten im Gefüge des Volksglaubens zu erkennen. Ein weiterer Ab­ schnitt soll sich dann mit dem Wirken größerer Vorstellungskomplexe befassen und ein dritter mit den Einflüssen historischen Wissens. Beide Gestalten, Schiffsgeist und Geisterschiff, gehören — das sagt schon der Name — in die Geisterwelt. Sie ist weitläufig und verwirrend. Man hat unter anderem versucht, zwischen Natur- und Totengeistem zu unterscheiden und diesen beiden Gruppen als eine Sonderform aus dem Bereich des christ­ lichen Glaubens den „bösen Geist“, den Teufel, zugesellt1*. Aber die Zuord­ nungskriterien sind keineswegs klar und oft uneinheitlich, weil sich in die Er­ scheinung eines Geistes häufig die verschiedensten Züge mischen; auch brauchen äußeres Bild und zugeschriebene Tätigkeiten nicht zusammenzustimmen: Wäh­ rend zum Beispiel die Begegnung mit einem als Totenschiff bezeichneten Fahrzeug oft gar keine Folgen hat, kann ein Geisterschiff ohne jedes Todes­ attribut Verderben bringen. Wird dem Klabautermann die Seele eines Toten zugeschrieben, macht sich das in seinem Aussehen und Wirken nicht bemerkbar; steigt er aber neuerdings als Totengerippe an Bord, so ist damit keine Seelen­ vorstellung verbunden. Alle Gliederungsversuche sind problematisch; denn wer sich aus systemati­ schen Gründen für ein einheitliches Kriterium entscheidet — etwa die äußer­ liche Erscheinungsform —, ist einmal stark von dem oft zufälligen Überliefe­ rungsstand der Zeugnisse abhängig, muß zum anderen wegen des Mangels an Logik in der Volksüberlieferung viele nach dem tradierten Gehalt augen­ scheinlich zusammengehörige Dinge trennen, und es fragt sich, was eine solche Scheidung nützen kannWolfgang Stammler gliedert merkwürdige Seefahrzeuge in1*: 1. Geister­ und Gespensterschiffe, 2. Totenschiffe (auf denen Gerippe hantieren15 17) und 16 3. Höllenschiffe (die vom Teufel ausgerüstet sind). Doch warum soll etwa ein Geisterschiff des St. Lorenzstromes, das sich zeigt, weil darauf befindliche Soldaten keinen „ehrlichen“ Landtod fanden, zu den Gespensterschiffen, aber ein einst bei Rügen gestrandetes Schiff, das dort immer wieder erscheint, zu den Totenschiffen gehören? Warum soll man das Schiff „Libera nos“, auf dem Verdammte je 100 Jahre in jedem Grad dienen müssen, zu den Toten­ schiffen zählen, ein Fahrzeug mit Verbrechern, die von Teufeln gepeinigt werden, aber zu den Höllenschiffen? Mit Recht stellt Stammler andererseits das Geisterschiff aus Müllenhoffs Sammlung, mit dem ein Bräutigam ertrun­ ken ist und das dessen weinende Braut abholt, zu den Totenschiffen, obgleidi von Gerippen keine Rede ist. Nach gehaltlichen Kriterien hat H. Gaidoz drei grundsätzliche Typen merkwürdiger Schiffe benannt18: 1. Geisterschiffe (Vaisseau Fantastique), aus 15 Mengis, in: HDA III, s. v. „Geist", S. 472—510. 16 Stammler, in: HDA III, s. v. „Geisterschiff“, S. 543—546. 17 Vgl. aber z. B. 1901H1: „Wir nennen es das Totenschiff, weil es keine Spur einer Mannschaft zeigt." 18 H. Gaidoz, in: Melusine 2 (Paris 1884/85), S. 164.

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einer optischen Täuschung entstanden, durch die Einbildungskraft der See­ leute erhalten und entwickelt; 2. Gespensterschiffe (Vaisseau Fantôme), deren Erscheinen ankündigt, daß ein wirkliches Schiff verloren ging; 3. Totenschiffe (Vaisseau des Morts), die auf die alten europäischen Glaubensvorstellungen über die Reise ins Totenreich zurückgehen. Diese Gliederung zeigt brauchbare Ansätze; aber sie setzt bei Überlieferungen mit mehreren Wurzeln eine schwie­ rige Interpretation voraus, und sie kann zum Beispiel der vielschichtigen nor­ dischen Todessegler-Vorstellung nicht gerecht werden. Es scheint, als ließe sich eine Systematik nur über die Definition abstrakter Begriffe — des Natur- und Totengeisterhaften, des Teufelhaften — erreichen, um am konkreten Einzelfall dann ihr Wirkungsverhältnis abzuwägen und Dominanten zu bestimmen. Wir wollen einmal kurz überblicken, mit welchen Zügen unsere Gestalten in bestimmte Vorstellungsbereiche tendieren. Ein allgemeines Merkmal des Gespensterhaften ist die Körperlosigkeit. Sie kommt in den meisten Berichten, die von einer Begegnung mit dem fliegenden Holländer handeln, klar zum Ausdruck. Das Schiff scheint wie aus Nebel, die Sterne blinken hindurch, die Erscheinung verfließt, sie löst sich plötzlich auf. Das Schiff segelt durch andere Fahrzeuge hindurch; entrückt, wenn man hin­ rudert; oder es sinkt wie Asche zusammen, wenn man es entern will. Ebenso der Klabautermann: Er ist gewöhnlich unsichtbar und verteilt Ohrfeigen, ohne daß er gesehen wird. Man hört ihn meist nur. Vereinzelt wird er als Nebel­ wesen geschildert oder als bläuliche Dunstgestalt. An ihn heftet sich sogar die allgemeinste Gespenstervorstellung, wenn er als weiße Gestalt beschrieben wird. Bezeichnenderweise leben gespensterhafte Züge vor allem in erinnernden Sagen oder in Sagenabschnitten, die der Beglaubigung dienen und fehlen in den szenischen Erzählsagen ganz. Hier hat die merkwürdige Erscheinung immer körperliche Realität. Das Motiv, sich verwandeln zu können und in den verschiedensten Gestalten zu erscheinen, gehört bereits mehr zum Wunderbaren, also in die Märchenwelt. Wir finden es deutlich ausgeprägt auch nur in der bretonischen Fassung der Holländersage (1832H); in der baltischen Klabautermann-Überlieferung klingt es an. Bei Erscheinungen des Volksglaubens, die ein Totenmotiv enthalten, ist zweierlei zu unterscheiden: Das Phänomen kann erstens den Tod bedeuten, sozusagen eine „Personifikation“ des Todes sein, und hat dann häufig auch entsprechende äußerliche Attribute. Hierher gehören jene Totenschiffe, die ganz still und ohne Mannschaft erscheinen, um einen Untergang anzukündigen; hierher gehört mit seinen Unglück-bringenden Zügen auch der fliegende Hol­ länder (der z. B. ein Totengerippe als Gallionsfigur haben kann) und der dänische Klabautermann der jüngeren Zeit mit seinem Totenkopf. Zweitens kann das Totenmotiv allgemein besagen, daß eine bestimmte Erscheinung dem Jenseits zugehört. Das Totenschiff ist dann ein Seelenfahrzeug, das die wei­ nende Braut des verunglückten Seemannes abholt, das die ertrunkenen Matrosen aufnimmt oder das die Seelen von dieser Welt in die andere führt. Der Kla­ bautermann ist der Geist eines Kindes, eines Selbstmörders, eines ertrunkenen 157

Matrosen; der Holländer-Kapitän der Geist eines alten Seeräubers. In den meisten dieser Fälle fehlen äußerliche Todesattribute, und eine Begegnung mit dieser Gruppe der Toten-Erscheinungen bedeutet selten Unglück. Die sogenannte „Verteufelung" ist ein bekanntes volkskundliches Phänomen. Dinge, die aus christlicher Sicht böse erscheinen, werden dem Teufel zugeschrie­ ben. Unser Geisterschiff begegnet zuweilen als ein Fahrzeug des Teufels, mit höllischen Merkmalen ausgestattet. Sein Kapitän, Gott verfluchend und sündig, wird des Teufelspaktes bezichtigt, genauso wie manche Kapitäne, die einen Klabautermann besitzen. Der Klabautermann ist ein Teufelsgeselle, den man sich kaufen kann.

Wir sehen, daß unsere Sagengestalten in ihrer Erscheinung das breite Spektrum des Geisterhaften vom Naturmagischen bis zum Christlich-Mora­ lischen erfüllen oder doch umgekehrt: daß eine weitgespannte Fülle geister­ hafter Züge in die Holländer- und Klabautermann-Überlieferung eingeflossen ist. Zur Verquickung allgemeinen Volksglaubens mit unseren Gestalten ließen sich im einzelnen viele Beispiele aufzählen1*. In der naiven Glaubensbindung gelten unsere Gestalten weitgehend als Vorzeichen: beide kündigen, wenn sie erscheinen, Schiffbruch an oder einen

Todesfall oder stürmisches Wetter; der Klabautermann weist allein schon durch sein Klopfen und Poltern auf ein Leck oder eine Strandung hin; er verläßt auch heimlich das Schiff, bevor es untergeht. Diese Vorstellungen ste­ hen keineswegs isoliert. An der pommerschen Küste ist das „Wafeln“ schon 1794 schriftlich belegt, ein Vorspuk, bei dem sich jenes Schiff, das später untergehen und jener Mensch, der ertrinken wird, an derselben Stelle in schwankenden und verschwommenen Umrissen zeigen; in Hinterpommern erscheint beim Wafeln ein dunkles Schiff in hellem Feuerschein19 20. Es zeigt sich jeweils das unglückliche Schiff (oder der Mensch) selbst; in Skandinavien sieht man statt dessen den Todessegler bzw. den potermann (im Baltikum) an der betreffenden Stelle. Geisterschiffe kündigen der Küstenbevölkerung aber auch an, daß ein Sturm21, eine Sturmflut2223bevorsteht, daß die Nordsee ins Land brechen wird22. In Friesland hat man über Orten, wo später ein Unglück ge­ schieht, ein kleines Schiff in der Luft gesehen2425 . Von merkwürdigen Schiffen, die auf dem Sandstreifen zwischen Dünen und Meer, über den Deich und durch Felder segeln, wird im Küstenland immer wieder gesprochen28. 19 Z. B. der Klabautermann im gestohlenen Holz (Pieske 1954, S. 69); der fliegende Holländer als Ursache des Aussegelverbotes am Freitag (-H5W); die Münze, die man nach weit verbreitetem Brauch beim Bau eines Schiffes unter den Mast legt, gelte dem potermann als Lohn (Loorits 1931, S. 122; mit dem Hinweis auf eine mögliche terminologische Fälschung); etc. Manches wird später noch erwähnt. 20 Pieske 1954, S. 51. 21 Das Schiff „Concordia" in Heyst: Revue des trad. pop 15 (1900), S. 9. 22 Das „Nebelschiff“ auf Rügen: Rudolph 1962, S. 21. 23 Das „Totenschiff“ in Jütland: 1886H. 24 Liibbing 1928, S. 165. — 1962H2. 25 Z. B. Bassett 1885, S. 354; Ons Volksleven 11 (1899), S. 128; Peudeert 1961, S. 119—121, 147 f. 158

Neben dem Vorspuk gibt es Nacbspwfe-Erzählungen, denen zufolge sich ein Schiff nach seinem Untergang jedes Jahr, auch alle sieben Jahre, in Erin­ nerung bringt*’. Aus dem Baltikum hören wir die merkwürdige Überlieferung, daß der potermann (der sonst ja nie mit dem Schiff scheitert) jeweils am Untergangstag in einem versunkenen Schiffe rumort (—K5‘). Ein ewiger Nach­ spuk ist der fliegende Holländer in der Raigersfeld-Fassung. Zur Variabilität und Mischungsmöglichkeit verschiedener spukhafter Bild­ vorstellungen sei hier nur noch an das St. Elmsfeuer erinnert. Es ist den Seeleu­ ten ursprünglich heilig gewesen*7; es war ein Vorzeichen für das Nachlassen des Sturmes28. Wir jedoch finden es sowohl im Zusammenhang mit dem flie­ genden Holländer als auch mit dem Klabautermann; es wird mit diesem zu­ weilen gleichgesetzt (1935K2), soll manchmal wie dieser die Seele eines er­ trunkenen Matrosen sein*9, oder es wird ihm als seine „Laternen“, die den Untergang prophezeien, zugeordnet (1905K1). Unser Einblick in die Vorstellungen der Tiefwassersegler ist unvollkommen. Wir müssen sehr vorsichtig interpretieren. Doch wenn man bedenkt, wie häu­ fig in den älteren und vor allem den unmittelbar seemännischen HolländerZeugnissen das Motiv des Unglück-Ankündigens fehlt, wie stark in den älteren Klabautermann-Belegen das Schiffbruch-Ankündigen neben Motiven des Helfens, Schützens, Scherzens zurücktritt, wie sich das früher verehrte St. Elmsfeuer in neuerer Zeit zum Verderben-bringenden Zeichen gewandelt hat; wenn man andererseits die Vielfalt der vorausdeutenden oder nachspukenden Geisterschiff- und Geistererscheinungen sieht, die in ganz überwiegendem Maße vom Festland aus — zum Teil im Binnenland, auf Flüssen und Seen — bemerkt worden und aus dieser Sicht geschildert, auch motivisch häufig an Landereignisse gebunden sind (der Kanzler Justus von Wetter wird mit einem Teufelsschiff abgeholt; ein Schiff spukt nach, weil ein Hafenwärter Rettung verweigerte): — wenn man das alles zusammennimmt, wird man wohl einen starken Einfluß festländischer Spukvorstellungen in die Seemannsüberlieferung vermuten müssen. Das bedeutet, daß die vielzitierte „Dämonie des Meeres“, die in der Abgeschlossenheit der seemännischen Welt wirke, die magischen Bil­ der des Fahrensmannes kaum tiefgreifender formt, als diejenigen des Fischers oder des Bauern hinter dem Deich. Wo der Volksglauben Unglück interpretiert, kann der Volksbrauch mit schützenden Maßnahmen wirksam werden. Die Unglüdc-bringenden Briefe des fliegenden Holländers soll man an den Mast oder kreuzweise an Backbord annageln oder in einem Feuer von geweihtem Holz verbrennen’0. Ein alter26 30 29 28 27 26 Z. B. A. Bosquet: La Normandie romanesque et merveilleuse. Paris 1845, S. 277 (zit. bei Golther 1911, S. 11). — Lübbing 1928, S. 150 f. — 1962H2. 27 Camöes: Lusiaden, 5. Gesang, Strophe 18. 28 Anmerkung des Übersetzers ]. J. C. Donner, in: Camoens 1883, S. 243 (Erstdruck 1834). 29 Werner ’1898, S. 83. — Vgl. im übrigen Heims 1965, S. 120—127; H. Freuden­ thal: Das Feuer im deutschen Glauben und Brauch. Berlin u. Leipzig 1931, S. 475 bis 477. 30 Jungwirth: in HDA IX (Nachtrag), s. v. „Schiff“, S. 154.

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Koch erzählt: (1905Hl) „Der fliegende Holländer ist ganz schlimm. Er ver­ langt eine Bibel oder ein Gesangbuch, ja vielleicht beides, um das Schiff vom Untergang zu verschonen.“ Audi vom Todessegler allgemein wird berichtet, daß man bei einer Begegnung mit ihm ein Gesangbuch oder eine Bibel ins Was­ ser geworfen habe (1943H). Damit der Klabautermann nicht an Bord steigt, dürfen keine Tauenden außenbords schleppen; auf der Insel Man achtet man, daß kein brownie (Hausgeist) an Bord geht. (Andererseits kennen wir einen schwankhaften Zug, den Klabautermann, wenn er drohe, von Bord zu gehen, durch Lügengeschichten hinzuhalten.) Die Überlieferung bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts sieht den Klabautermann noch weitgehend als einen guten Geist, den man nicht femhalten, sondern sich günstig stimmen will. Man ergriff damals keine ab­ wehrenden, sondern „vorbeugende“ Maßnahmen: man opferte. Wir haben nicht nur eine ganze Reihe von Glaubenszeugnissen, daß man dem Schiffsgeist Nah­ rung hinsetzen müsse, und von Sagen darüber, wie er bewirtet wurde, sondern auch klare Aussagen, daß dieser Brauch tatsächlich geübt worden ist. Heines Gewährsmann sagt 1825: „vor fünfzig und gar vor hundert Jahren“ habe man immer ein Gedeck für den Klabotermann mit aufgelegt, von jeder Speise das Beste, und auf einigen Schiffen geschehe das noch jetzt. Noch in den 1850er Jahren mußte ein Koch für den Klabautermann sorgen (1935K2, 1925K17*). Vielleicht darf man den modernen Brauch, zuweilen bei der Jungfernfahrt eines Schiffes das erste Glas Sekt auf das Deck zu schütten — „für den Klabau­ termann“ (1965K4) —, als eine Restform ansehen, auch wenn sich keine un­ mittelbaren Zusammenhänge aufzeigen lassen. Das Bewirten des Klabautermann kann, zusammen mit anderen Motiven, einen bemerkenswerten Hinweis zur Herkunft des hilfreichen Geistes geben. Noch 1965 hielt eine hamburger Kaufmannsfamilie ein altes Erbstück, eine kleine menschenförmige Wurzel von 15 cm Länge, die in einem Bastkörbchen lag, hoch in Ehren und gab ihr jährlich etwas Wein zu „tunken“31. Walter Hävemick hat dieses Wurzelmännchen zu verschiedenen ähnlichen Zauberwur­ zel-Belegen des 16. bis 18. Jahrhunderts gestellt. Solche Alraunen wurden meist in einer sargartigen Schachtel verwahrt und verborgen gehalten. Sie standen in einer engen Beziehung zu ihrem Besitzer und auch zu dessen Fa­ milie. Man glaubte, daß sie Glück und Reichtum brächten, war sich aber wohl stets des Teuflischen bei diesem Zauber bewußt32. Die Parallelen zu unserer Klabautermann-Überlieferung sind frappant. Nicht nur, daß auch beim Schiffs­ geist personenbezogene Glücks- und Teufelsvorstellungen miteinander verfloch­ ten sind. Wir hören ferner, der Klabautermann eines bestimmten Schiffes sei ein etwa 20 cm langes Stück Holz gewesen (1936K2’). Nach anderen Über­ lieferungen befand sich der Kobold in einem kleinen, verborgenen Kasten an Bord (1837K, 1867K3). Wahrscheinlich haben wir hier einen deutlichen Nachklang der hilfreichen, in einem sargförmigen Kästchen verwahrten Zau­ 31 Hävemick 1966, S. 28. 32 Hävemick 1966, passim. 160

berwurzeln, von denen sonst nur die allgemeine Vorstellung an geld- und glückbringende Hausgeister übriggeblieben ist. Dem Seemannsbrauch, eine irreale Gestalt zu bewirten, läßt sich schließlich eine weitere für den Klabautermann interessante Parallele an die Seite rücken. Ludwig Radermacher hat aus einer dem 6. Jahrhundert angehörigen, griechisch geschriebenen Homilie zu Ehren des hl. Phokas aus Sinope, den die Seeleute vom Schwarzen Meer bis hin zur Adria und noch weiter als Patron ver­ ehrten, folgendes herausgestellt83: Immerfort führen sie (die Seeleute) den Namen des Phokas im Munde, da er ihnen auch deutliche Beweise seines Beistandes liefert. Denn oftmals ward er gesehen, bald des Nachts, wie er beim Drohen eines Sturmes den Steuermann weckte, der beim Ruder eingenickt war, oder sonst, wie er die Taue spannte und das Segelwerk besorgte und vorn vom Schiff aus nach den Untiefen aus­ spähte. Daher bildete sich auch bei den Seefahrern der Brauch, den Phokas zum Gaste zu haben. (Weiter heißt es dann, da der „Unsichtbare“ tatsächlich nicht mit­ speisen könne, so pflege man die ihm bestimmte Portion in Geld umzusetzen und beim Landen die gewonnene Summe als Almosen des Phokas unter die Ar­ men zu verteilen.)

Die verblüffende Ähnlichkeit mit unserem Schiffsgeist darf uns nicht ver­ leiten, leichtfertig die Ahnenreihe des Klabautermann um fast anderthalb dunkle Jahrtausende nach rückwärts zu verlängern, auch nicht, wenn wir als einziges Zwischenglied Alberich einfügen wollen, der (nach einem Epos des 13- Jahrhunderts) als guter Geist bei Ortnits Meerfahrt von Messina nach Tyrus auf dem Schiffsmast saß und nur dem sichtbar ward, der einen be­ stimmten Ring am Finger trug84. Aber wir können doch — etwas einschrän­ kend — mit Radermacher vermuten, daß Phokas in christlicher Zeit einen älteren Dämon ersetzt habe, der unserem Klabautermann in mancher Be­ ziehung urverwandt war33 35. Der Heiligenbericht bezeugt somit das hohe 34 Alter, welches wir für die allgemeine Vorstellung von einem Schutzgeist der Schiffe annehmen müssen. Volkstümliche Erzählmotive

Genauso wie die geringsten Spuren bildhafter Glaubensvorstellungen kann auch der nebensächlichste Zug eines Erzählstoffs als Einzelimpuls in anderem Umkreis wirksam werden. Aber Volkserzählungen sind als ganzes wohl kaum jeweils so weit und intensiv lebendig gewesen wie der Volksglauben. Wir müssen daher, wenn wir überhaupt jeden allgemeinen Zug unserer Überlie­ ferung nach seiner Herkunft bestimmen wollen, solche Ursprünge eher im „schwebenden Volkswissen" als in einem konkreten Sagenstoff vermuten. Erst bei ausgeprägten Handlungs- oder bei der Häufung von Bildmotiven dürfen wir daran denken, Vorbilder in der Erzähltradition zu suchen; doch einiger33 Rademacher 1904, S. 447. 34 Amelung-Jänicke 1871; Bd. 1, S. 31: „Ortnit“, Str. 229. 35 Radermacher 1904, S. 447 f.

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maßen sichere Zusammenhänge sind auch dann nur bei gleichen Motivketten zu erwarten. Für den fliegenden Holländer und den Klabautermann kommen als Paral­ lelen und mögliche Anregungen vor allem zwei große Komplexe der Sagen­ überlieferung in Betracht: die Kobolderzählungen mit den meist beispielhaften Darstellungen vom Tun der kleinen Geister und die Sagen über einen ewigen Fluch. Es gibt praktisch keinen Zug im Wesen und in der Erscheinung des Klabau­ termann, der nicht irgendwann einmal auch von einem anderen Kobold be­ richtet würde**. Besonders seine Verwandtschaft mit den Hausgeistern ist of­ fenkundig und immer wieder herangezogen worden, um den Lesern im Bin­ nenland eine deutliche Vorstellung vom Schiffsgeist zu geben. „Was die Onnarbeankissen auf dem Lande und in den Häusern sind, das sind die Klaboltarmenknar auf der See und auf den Schiffen“, sagt ein friesischer Er­ zähler (1862K). In einer Sagensammlung werden die Kobolde sogar gleich­ gesetzt: „Die Klabatersmänneken oder Pükse halten sich in Häusern, besonders aber in Mühlen und auf Schiffen auf.“ In Skandinavien ist der Name für den Hausgeist lange auch auf Schiffen gebräuchlich: nisse, rä, oder er wird nur durch den Aufenthaltsort näher bestimmt: skibsnisse, skeppsrä. Im Baltikum heißt es, daß die Potermänner der Häuser nicht so sichtbar seien, wie die der Schiffe (1927K51). Nicht ganz selten auch ist bei der dänischen Küstenbevölkerung die Vorstellung, daß es sich um ein und denselben Geist handelt. Ein Schiffer hatte auf seiner Jacht einen „gaardbonisse“ (1928K4), und ein anderer besaß einen Hausgeist, der ihm auf seiner Jolle beim Fischen half (1934K3). Die k(l)abouters oder kaboutermannekens der Niederlande sind in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durchweg Zwerge (Erdmännchen), die nicht einzeln, sondern in Gruppen vorkommen. Erst in neuerer Zeit hören wir, daß die kaboutermannetjes an Häuser gebunden sind und sich meistens im Dach­ sparren aufhalten*7. Schröder hat, einem niederländisch-deutschen Wörterbuch folgend, festgestellt, daß diese Geister auch Schiffskobolde bezeichnen*8. In der einschlägigen Literatur findet sich die Angabe nie**. Dykstras Sagensammlung enthält vier Varianten, in denen Schiffer auf See mit einem kleinen Geist be­ kannt werden, dem sie ein Leichenhemd besorgen müssen36 40. Dieser Geist hat 39 38 37 keinen besonderen Namen; es wird nur gesagt, daß es dem Schiffer, der die Bitte erfüllte, seitdem gut ging und daß der Geist ein uneheliches Kind war, welches man aus Schande ertränkt hatte. Hier erinnern wir uns an den Kla­ bautermann als Kinderseele, die allerdings in Deutschland an Holz, das ins Schiff gelangt, gebunden ist. Vgl. Weiser-All, in: HDA V, s. v. „Kobold“, S. 29—47. Scnrijnen 1915; Bd. I, S. 69 f. Schräder 1906, S. 158. Dykstra: Uit Friesland’s Volksleven (1892—95); Dykstra: Friesch Woordenboek (1900); Schrijnen: Nederlandsdie Volkskunde (1915); Woordenboek der Neder­ landsdie Taal VII, 1, Sp. 824—827, s. v. „kaboutermannetje“ (1926), sehr um­ fangreich; u. a. — 40 Dykstra 1892/95, S. 142—145. 36 37 38 39

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Der Schiffsgeist dürfte in seinem Kern eine Analogievorstellung zum Haus­ geist sein. Von diesem und von der allgemeinen Koboldüberlieferung lassen sidi die meisten Einzelzüge erklären. Der Schiffsgeist ist andererseits manchmal an Land gegangen und zum Hausgeist oder Zwerg geworden41. Wenn es heißt, er habe eine Bauernmagd, die von seinem Reis genascht, verprügelt, oder die Klabautermännchen hätten nachts einem Schneider geholfen, seien aber für im­ mer verschwunden, als der Schneider ihnen Tuch für ihre eigene Kleidung hingelegt (sie „ausgelohnt"), dann haben ganz offensichtlich Hausgeist- bzw. Heinzelmännchen-Erzählmotive Pate gestanden. Zu den Klabautermann-Sagen im engeren Sinne, den dialogischen Geschichten, in denen sich mehrere Geister unterhalten oder streiten, gibt es anscheinend kaum nähere Parallelen bei an­ deren Kobolden42. Sagen, in denen der Klabautermann an Bord kommt, um den Weg zu Schiffbrüchigen zu weisen — wie wir sie aus dem Baltikum und auch aus Dänemark kennen —, sind wohl erst sekundär mit dem Schiffsgeist verbunden worden. Sie deuten auf eine Verwandtschaft mit den an der Küste weit ver­ breiteten Wiedergänger-Vorstellungen; denn zuweilen erweist sich jene Gestalt, die den neuen Kurs befahl, später als der Kapitän oder ein toter Matrose des verunglückten Schiffes43. Um deutlich zu machen, daß bei den Seeleuten Er­ zählungen um ein hilfreiches Wesen auch außerhalb der Schiffsgeist-Oberliefe­ rung bestanden, sei als Beispiel eine mecklenburgische Sage zitiert44. Is’n Schipp wäst, ’n Hollanner, dat hett na de Oostsee (?) rin wullt. As he dörch ’n Kanal is — dor is dat jo so eng —, kümmt’n Mann in Uöltüg oewer to stigen mit’n grisen Boort, dee geiht achter na’n Stüermann un tickt em so up’n Arm: de sali em folgen. He geiht na det Koortenhuus un hett de Koort herkrägen un den Kurs afsett’t grad* oewer de Thems’ is dat wäst. Dor hett de Stüermann den Kurs ännert, so sünd se fri kamen.

Wossidlo fügt hinzu, daß dieser Glaube ganz allgemein verbreitet war. Hier mag ein Ansatzpunkt für die Bildvorstellung des neueren Klabautermann, der in Ölzeug aus dem Meer steigt, zu finden sein. Das Kernmotiv der Sage vom fliegenden Holländer ist der Fluch des ewigen Segelns.

Gleich mit der Popularisierung des Holländerstoffs in der Unterhaltungsli­ teratur des vorigen Jahrhunderts ist immer wieder die Parallele zum Ewigen Juden gezogen worden. Die Legende von Ahasverus, der, weil er Jesus schlug, ewig wandern muß, wird bereits im 7. Jahrhundert bekannt und dringt vor allem dann mit dem Volksbuch „Ahasver" (1602) in breiteste 41 S. Loorits 1949/57, Bd. II, S. 127. 42 Vgl. aber Thompson 1955, Mot. F 482.7: House spirits fight each other (Nor­ wegen). 43 Z. B.: Loorits 1931, S. 121. — Kristensen 1928/39, Bd. II, 2, S. 510 (Nr. 412), 512 (Nr. 419). — Wossidlo, S. 283. — Die Sage ist 1902 auch in einem anonymen estnischen Volksbuch erschienen (Loorits 1931, S. 120 Anmerk. 4). 44 Wossidlo, S. 283.

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Bevölkerungsschichten; in dem französischen Volksbuch „Histoire admirable du Juif Errant" (1633) ist sogar eine ganz lockere Beziehung zum Meer gegeben, wenn Ahasver erwähnt, er sei auf See gewesen und habe mehrmals Schiffbruch erlitten45.

Viele Glaubensvorstellungen, die mit ihm verbunden sind, zeigen, wie gut man den ewigen Juden gekannt hat; in zahlreichen Orten will man ihn gese­ hen haben; öfter wird er in Redewendungen benutzt45. Während aber das Interesse des Volkes am ewigen Juden häufig schon ganz auf seine Gestalt und sekundäre Glaubensverknüpfungen gerichtet ist4748 , finden wir das Motiv 49 der ewigen Ruhelosigkeit auch noch in anderen, sehr lebendigen Erzählzusam­ menhängen, in denen der Grund für die furchtbare Strafe sprachlich gestaltet ist.

Vier Motive bedingen — einzeln oder kombiniert — die Verdammung des fliegenden Holländers: Vermessenheit (Selbstverfluchung), allgemeine Sünden (Mord, Grausamkeit), Feiertagsfrevel (Karfreitag ausgesegelt), Teufelspakt. Vom Teufelspakt abgesehen, sind das auch die Standardsünden all der anderen ewig Verfluchten, ob sie nun ewig wandern, fahren, jagen, fischen — oder ewig im Mond sitzen müssen. Der ewige Jude hat nicht nur an Jesus gesündigt, sondern er soll zuweilen auch für die Sabbatschändung büßen46. Der ewige Jäger hat während des Gottesdienstes, am Sonntag oder am Karfreitag gejagt und hat sich überdies selbst verflucht46. Auch der ewige Fuhrmann, der an den Himmel versetzt ist, hat sich gewünscht, ewig fahren zu dürfen, oder sich in seinem Berufe ver­ sündigt50. Der ewige Blüser an der pommerschen Ostseeküste ist an einem Karfreitag zum Fischen ausgefahren oder von seiner Mutter verwünscht wor­ den, weil er Tag und Nacht auf Aalblüsen ausging und darüber seine Wirt­ schaft vernachlässigte51. Die Erzählstrukturen all dieser Geschichten sind einander meist sehr ähnlich. Man vergleiche etwa die beiden folgenden Sagen über eine Selbstverfluchung mit unserer Holländerüberlieferung. 45 Kaiff, S. 127. 46 Er setzt sich z. B. auf Pflüge, die man darum über Weihnachten nicht auf den Feldern lassen darf. — Nach alten Chroniken war er z. B. 1533 in Stade, 1601 in Lübeck, 1606 in Hamburg, etc. (Frahm 1890, S. 13). — Z. B. „Wenn de Wind so pusten deiht, denn ward seggt, de ewige Jude geiht üm." (ZA 53107). — Zum ewigen Juden vgl. George K. Anderson: The Legend of the Wandering Jew. Providence 1965. 47 Vgl. die vielen Sagen vom ewigen Juden, die nur die lange Zeit seines Wanderns verdeutlichen: Als er das erstemal kam, war Admont Wildnis; beim zweiten Mal ein Stift; wenn er das dritte Mal kommt, wird es ein Steinhaufen sein. 48 ZA 153873. 49 Z. B. ZA 2642; ZA 58067; ZA 33078. 50 S. HDA II, S. 1090 f. 51 Beste Zusammenstellung aus z. T. ungedruckten Quellen: Haas 1923, S. 53—55. — S. oben S. 47.

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Zwei Jäger gingen an einem Sonntagmorgen in den Wald jagen. Da sahen sie einen dreibeinigen Hasen. So oft sie anlegten, war er nicht mehr zu sehen. Da läntete es ins Hochamt. Der eine Jäger kehrte um und ging zur Kirche, der andere sagte: „Ich will den Hasen haben und wenn ich danach ewig jagen muß.“ Aber er bekam den Hasen nicht. — Zur Strafe, daß er das „Amt“ versäumt, muß er ewig umherjagen. Heute noch hört man ihn manchmal im „Burgholz“ keuchen und seinen Hund bellen. (ZA 3089)

Ein Zeugnis aus Dithmarschen führt uns unmittelbar in die Welt des fliegenden Holländers. Der Mann im Mond ist ein Schiffer, der nicht um das Kap Horn herum kom­ men konnte; da hat er sich verflucht und gesagt: „Verdammi, wenn ik nich(t) baben Kap Horn kam, so will ik to’n ewigen Dag in’e Maand sitten.“ Und — das Schiff ging unter und der Schiffer sitzt seit der Zeit im Mond. Darum sagen unsere Schiffer noch jetzt, wenn der Mond voll scheint: „Sieh, da sitzt der Schiffer im Mond, der nicht über Kap Hom kommen konnte“**.

Wir sehen also, daß unsere Seemannssage keineswegs isoliert steht und sich leicht einem verbreiteten festländischen Erzähltypus zuordnen läßt. Parallelen einzelner Züge, wie zum Beispiel die Stimme vom Himmel („Du sollst ewig jagen!“), finden sich ebenfalls; im Zusammenhang mit dem ewigen Jäger wird von einer schwarzen Katze gesprochen68, und ein schwarzer Pudel wird ge­ nannt, der neben dem Blüsenfeuer des spukhaften Bootes liegt. Hier kommen auch Teufelsvorstellungen in den Blick; denn wenn man die ewige Blüse sieht, heißt es manchmal: „Hei (d. i. der Düwel) blüst"*4. Doch selbst dann, wenn nicht nur ein Pudel neben dem Holländerkapitän sitzt, sondern ausdrücklich ein Teufelspakt erwähnt wird, ist dieser nicht zu einem Erzählmotiv gestaltet und konnte aus dem allgemeinen Glauben an sol­ che Bündnisse in die Sage gefügt werden. Nur ein Gewährsmann Wossidlos erzählt, wie der Holländer ein Papier unterschreibt, nachdem sich seine Ma­ trosen geweigert haben, es zu tun (1927H2”). Hier mag die Anregung irgend­ woher aus der geprägten Teufelspaktüberlieferung gekommen sein. Die Seefahrtsgeschichte

Die Klabautermann-Überlieferung kennt keine historischen Bezüge, die über die sehr lockere Form des örtlichen und zeitlichen Lokalisierens einzelner Beispielsagen hinausgingen. Der fliegende Holländer dagegen, ist klar in eine geschichtliche Zeit eingeordnet, wenn auch wiederum nicht so eindeutig, wie man meinen möchte. Daß wir das Verfluchungsgeschehen gemeinhin mit der holländischen Ostindienfahrt in Verbindung bringen, beruht vor allem auf oberschichtlichen Sagengestaltungen. Die von Scott überlieferte Pestschiff-Sage zum Beispiel, erwähnt Holland überhaupt nicht; die Blackwood-Fassung da-52 54 53 52 Volkmann, in: Am Ur-Quell N. F. 1 (1890), S. 85. 53 ZA 2642. 54 Haas 1923, S. 54. 165

tiert das Geschehen um 1750, als die ruhmreiche Zeit der Niederlande bereits zu Ende gegangen ist; Smidt sagt, daß die Engländer den verfluchten Kapitän für einen der ihren ausgäben; die Nachtkreuzer-Sage nennt weder einen zeit­ lichen noch einen nationalen Anhaltspunkt und auch in den Wossidlo-Aufzeichnungen fehlt die Datierung in den meisten Fällen. Das ewig segelnde Geister­ schiff ist also nicht unlöslich mit dem Holland-Indien-Handel verbunden. Man kann die Frage stellen, ob diese Verknüpfung sekundär sei und ob das Sagen­ geschehen vielleicht in eine andere Epoche der Seegeschichte weise (wenn man zunächst an der Hypothese eines historischen Sagenanstoßes — und nicht nur historischer Akzidentia — festhalten will). Rolf Engen hat sicher nicht ganz unrecht, wenn er meint, daß „eine so auf die Dämonie des Meeres gestellte Sage schwerlich früher entstehen und Ver­ breitung finden konnte, als die Weiten des Weltmeeres sich den Menschen er­ schlossen“5556 . Von den Wikingerfahrten abgesehen, kommt dann als früher An­ satzpunkt nur die Zeit der Entdeckungsreisen in Frage, also jene Zeit, in der auch das Kap der Guten Hoffnung zum ersten Mal umsegelt wurde. (Es sei aber angemerkt, daß man in manchen Sagen überhaupt keine „Dämonie“ fin­ det — schon bei Raigersfeld nicht — und oft eher eine „Dämonie" des Men­ schen als eine des Meeres.)

Das südliche Kap wurde — als „Kap der Stürme“ — 1486 von Bartholomeo Diaz entdeckt und 1497 von Vasco da Gama auf seiner Indienfahrt umsegelt. In der ältesten unter den vielen Darstellungen dieser Reise, den „Lendas da India" von Gaspar Correa (Mitte des 16. Jahrhunderts), wird eine Meuterei geschildert; da Gama habe die Rädelsführer, darunter den Steuermann, in Ketten legen lassen, die Mannschaft gezwungen, ihre Navigationsmittel aus­ zuliefern, und diese in die See geworfen; er brauche auch keinen Steuermann, denn das sei Gott allein!58 In Wahrheit aber hat es keine Meuterei gegeben. An die erste Kapumsegelung ranken sich also sehr früh schon Legendenmotive, die möglicherweise von Diaz’ vorausgegangener Entdeckungsfahrt angeregt sind, als die Matrosen tatsächlich stürmisch die Rückkehr verlangten57.

Die berühmteste Gestaltung fand Vasco da Gamas Indienreise in den „Lusiaden" von Luis de Camöes (1569). Dort schildert der Erzähler, wie auf dieser Fahrt sich nahe der afrikanischen Südspitze eine schwarze Wolke her­ absenkte und entfaltete58: 55 Engerí, S. 16. 56 Correa 1869, S. 63 (engl. Übers.). 57 Vgl. Engerí, der im übrigen meint: wenn da Gama sage, Gott sei von nun an der Steuermann, so entspreche das dem fliegenden Holländer, der auch nicht mehr wil­ lentlich und zielvoll gesteuert, sondern nach „Gottes Ratschluß“ durch die Fluten getrieben werde. („Von nun an“ ist offenbar eine willkürliche Einfügung Engerís, die — wie bei der Holländer-Verfluchung — einen Zeitpunkt vortäuscht.) — Fakten zu Diaz und da Gama: Embacher 1961, S. 96 f. und 124 f. 58 Camöes: Lusiaden, 5. Gesang, Strophe 37—60 (Übers, von J. ]. C. Donner). — Bei herannahenden Stürmen ruht eine flache Nebelwolke auf dem Tafelberg, die man das „Tischtuch“ nennt (Werner 1869, S. 404 Anmerk.).

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Ein Riesenleib erschien im Lüftereich, Von häßlicher, gigantischer Gestaltung: Rauh war sein Bart, sein Antlitz kummerbleich, Die Augen tief und hohl, furchtbar die Haltung, Die Farbe blaß und fahl, der Erde gleich, Die Haare voll von Erde, kraus und häßlich, Die Lippen schwarz, die Zähne gelb und gräßlich. ... Er sprach: ... Ja, wisse, daß die Segel, die der Reise, Von dir gewagt, sich fürder kühn vertraun, Dies Meer verfolgen wird nach Feindesweise Mit Stürmen und mit Ungewittergraun, Und daß die Flotte, die verbotne Gleise Zuerst befährt in diesen Meeresaun, Ich unvermutet also strafen werde, Daß größer sei das Unheil, als die Fährde. Dort wird (ich hoffe), wenn kein Wahn mich blendet, Die Rach* an jenem, der mich fand, vollstreckt**; Doch ist an ihm die Strafe nicht vollendet, Die eures Starrsinns Ungestüm erweckt; Nein, euren Schiffen jedes Jahr gesendet, (Wenn Wahrheit ist, was mir mein Geist entdeckt) Wird Schiffbruch, Unglück aller Art entstehen; Der Übel kleinstes ist, den Tod zu sehen.

Nadi weiteren Drohungen gibt sich die Riesengestalt zu erkennen: „Ich bin das große Kap, das tief versteckte, Dem ihr den Namen lieht vom Sturmeswehn ..."

Engert sieht in dem Radie-nehmen des Kap-Geistes den Keim für das Ver­ fluchungsmotiv des fliegenden Holländers und betrachtet als Bindeglied zwi­ schen der Geschichte der ersten Kapumsegelungen und den überlieferten Hollän­ dersagen die bretonische Fassung (1832H), in der sich neben allen jüngeren noch die älteren Motive nachweisen ließen. Doch das Motiv des Überbord­ werfens bei Correa und bei Jal besagt nickt allzu viel, die Charaktere der Kapitäne sind völlig verschieden, und das Motiv des ewigen Segelns läßt sich nur mit größter Mühe in Correas Bericht hineininterpretieren99. Man wird wohl zwischen der Geschichte der frühen Kapumsegelungen allgemein und dem Wirken der weit verbreiteten „Lusiaden“91 im besonderen unterscheiden müssen. Die eindrucksvolle Szene der französischen Sage, in der Gottvater am Kap der Guten Hoffnung aus einer Wolke auf das Achterschiff tritt und mit dem Kapitän diskutiert, die so stark an die Kap-Geist-Episode erinnert, ist59 61 60 59 Anspielung auf den Kap-Entdecker B. Diaz, der im Jahr 1500 mit seinem Schiff am Kap der Guten Hoffnung unterging. 60 Vgl. oben S. 166 Anmerk. 55. 61 Erster Druck 1572, 2. Auf], im gleichen Jahr, Neuauflagen 1584, 1591, 1597, 1609, 1613 usw. — Engi. Übers, z. B. vor 1655, 1776, 1778, 1791, 1798. — Frz. Übers, z. B. 1735, 1768, 1776. — Älteste dt. Übertragg. 1771/72. 167

vielleicht gar erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts direkt dem por­ tugiesischen Nationalepos entnommen worden: in jener Zeit, als es neu ent­ deckt und in viele Sprachen übersetzt wird. Das Kap der Guten Hoffnung bleibt den Seeleuten lange als ein entschei­ dender Gefahrenpunkt ihrer Reisen lebendig. 1589 berichtet ein Holländer von der Anrufung Mariens am Kap. In der Mitte des 17. Jahrhunderts werden die schwierigen Windverhältnisse immer wieder genannt. Auch im 18. Jahrhundert noch gingen hier die meisten Schiffe verloren. Man denke an die sprechenden Bezeichnungen „Teufelskopf“ für einen Teil des Tafelbergs, „Hollandtsch Kerckhof“ oder „Doode Eylandt“ für eine kleine Insel vor Madagaskar62. Wenige Jahre vor 1600 kamen die ersten holländischen Schiffe nach Indien. 1602 wurde die Niederländisch-Ostindische Kompanie gegründet und in weni­ gen Jahrzehnten waren die Portugiesen aus dem blühenden Ostindienhandel verdrängt. Die Schiffe reicher holländischer Kaufleute beherrschten jetzt den Indischen Ozean. Ein plastisches Bild aus jener Zeit gibt unsere älteste Hollän­ dersage: Zwei Kaufschiffe der Niederlande begegnen sich am Kap der Guten Hoffnung und stellen fest, daß sie mit der gleichen Handelsware ausgerüstet sind. Sie beschließen, zum Nutzen ihrer Eigentümer, zusammen zu segeln, sich im Unglücksfalle beizustehen und sich in Ostindien nicht zu unterbieten. Schon bald, nahe Madagaskar, schlägt das eine Schiff leck. Kapitän und Mannschaft des zweiten Schiffes beschließen, auf die Notschüsse nicht zu reagieren, um ihre Ware günstiger verkaufen zu können. Sie machen eine glückliche Reise, während man von dem anderen Schiff nie wieder etwas gehört hat. Die Erschei­ nung dieses Schiffes aber durchpflügt noch immer jene Gewässer, um als mahnen­ des Zeichen andere Fahrzeuge an den Akt der Unmenschlichkeit zu erinnern, der allein der Profitgier entwachsen war. — In dieser ältesten Sagenvariante des fliegenden Holländers klingt wohl das Motiv des ewigen Segelns an, aber kein Verfluchungsmotiv (der Bösewicht ist am Ende sogar der Glückliche); der Schauplatz des Ereignisses liegt nicht direkt am Kap der Guten Hoffnung, sondern im Indischen Ozean. Auch 1806 erfahren wir, daß die Matrosen von einer verwünschten Fregatte im Indischen Ozean erzählen. Während sich die Raigersfeld-Sage von der Motivik her ganz und gar in die Zeit des holländischen Ostindienhandels einfügt, hat man bisher die Über­ lieferung vor allem auf Grund der holländischen Kapitänsnamen ins 17. Jahr­ hundert datiert. Engert meint, daß Ereignisse der Entdeckungsgeschichte in der Gestalt des holländischen Kapitäns Fokke ihren Zusammenschluß gefunden und sich von diesem Mittelpunkt weg wieder ins Allgemeine aufgelöst hätten. Aber die Namen der Sagenkapitäne begegnen zuerst in der Unterhaltungs­ literatur des 19. Jahrhunderts. Für einen van der Decken, van Evert und van Straten gibt es historisch überhaupt keine Anhaltspunkte und für Fokke steht es kaum besser. Das deutlichste Indiz für Fokkes Leben ist in den Sagen der Hinweis auf eine Bildsäule, die ihn dargestellt habe und 1808 oder 1811 auf einer kleinen Insel vor der Reede von Batavia durch die Engländer zerstört 62 Vgl. zu diesem Abschnitt: Kaiff, S. 119—121.

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worden sei. Ein genauer Vergleich der beiden Fokke-Sagen läßt vermuten, daß sie voneinander abhängig sind oder auf eine gemeinsame Vorlage zu­ rückgehen88. (Die viel später veröffentlichte Variante Dykstras macht wegen ihrer Knappheit und ihrer genaueren Angaben, auch auf Grund des Pudelmo­ tivs und der besonderen Form des Briefmotivs den ursprünglicheren Eindruck.) Ein Däne hat 1819 von seiner Chinareise eine in diesem Zusammenhang äußerst interessante Sage mitgebracht. (1819H) Hier (auf Java) ist es, wo Batavias Tod, Fatter Jas oder Kapitän Jas, zuhause ist. Das soll ein Seekapitän gewesen sein, der einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war. Der böse Geist hatte ihm ein Schiff gegeben, mit dem er in 24 Stunden von Amsterdam nach Batavia segeln konnte, aber er hatte sich seiner­ seits ausbedungen, daß der Kapitän in Zuversicht auf seine Führung nie das Lot auswerfen dürfe. Dieses Sdiiff hatte Masten aus Eisen und Segel aus Kupfer, es nahm den kürzesten Weg und ging genauso leicht über Land wie über Was­ ser. Fatter Jas ging mit einer Schaluppe auf Onrust (bei Batavia) an Land, um Leute anzuheuern, und verbot seinem Steuermann zu loten. Satan gaukelte jedoch so viele Felsenriffe vor die Augen des Steuermanns, daß dieser in seiner Angst oft der Versuchung erlag, das Blei auszuwerfen, um den Grund zu messen. Fatter Jas bekam gerade noch Zeit, seinen Stock zu nehmen und zu drohen; doch in demselben Augenblick verschwand das Schiff und die Mannschaft. Viele haben mir erzählt, daß sie sich erinnern, in ihrer Jugend ein Holzbildnis auf der Insel gesehen zu haben mit einem dreikantigen Hut und einem Stock in der Hand. Dieser Fatter Jas ist die Ursache für die große Sterblichkeit auf Batavia; denn diejenigen, die an dem batavianischen Fieber sterben, haben sich auf seinem Schiff anheuem lassen.

Die Übereinstimmung mit Motiven der Fokke-Überlieferung ist frappant: der Teufelspakt, die schnellen Fahrten von Amsterdam nach Batavia, die eisernen Masten (eiserne Stangen an den Masten), vor allem die Erwähnung des Standbildes auf der Insel (einmal hölzern, einmal ehern, einmal aus Stein). Das Bildnis hat wohl bestanden und vermutlich auch einen Kapitän dargestellt. Ob dieser Kapitän aber Fokke geheißen hat, ist ungewiß. Vielleicht ist die Sage vom Kapitän Jas durch das Hinzufügen des ewigen Segelns zu einer Hollän­ dersage geworden und hat dann in der Unterhaltungsliteratur einen besonderen holländischen Schiffernamen erhalten, damit die Sage vom Spukschiff zugleich plastischer und glaubwürdiger werde. Die allgemein verfochtene und ohne eingehende Quellenkritik auch nahe­ liegende Annahme, das Geisterschiff heiße „fliegender Holländer“, weil sein Kapitän einen holländischen Namen trage, ist also wenig wahrscheinlich. Eher darf man behaupten, daß die so typisch holländischen Namen erfunden worden seien, um dem als „fliegender Holländer“ überlieferten Geisterschiff einen adäquaten Kapitän zuzuordnen84; denn in der Unterhaltungsliteratur ließ sich63 64 63 Alle Datierungen, jedoch, sind unterschiedlich. Fokke soll am Anfang (1841H1) bzw. am Ende des 17. Jhs. (1892H1) gelebt haben. 64 Das gilt im wesentlichen auch dann für Fokke, falls er tatsächlich gelebt haben sollte (vgl. Kaiff, S. 107—108; aber auch die kritischen Bemerkungen Borgelds, in: De Nieuwe Taalgids 18 (1924), S. 213). Im Rahmen der allgemeinen Quellenlage

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das Sagengeschehen für den Leser nur dann interessant ausweiten, wenn der Schwerpunkt von dem Geistersdnff auf einen handelnden, aus seiner Anonymi­ tät heraustretenden Kapitän verschoben wurde. Kaiff hat die Vermutung geäußert, die Bezeichnung „fliegender Holländer“ sei englischen Ursprungs, weil die Engländer den „damned dull Dutchman“ verachten und das Adjektiv „Dutch“ sehr oft in lächerlich-schimpflicher Be­ deutung verwenden65. Dem konnte man bisher entgegenhalten, daß die Sagen­ kapitäne aus der Überlieferung des 19. Jahrhunderts keineswegs nur lächer­ liche und billig-verachtenswerte Eigenschaften zeigen. Betrachten wir jedoch die Kaigersfeld-Fassung aus dem 18. Jahrhundert als repräsentativ, dann rückt wirklich ein schändlicher Treubruch ins Blickfeld. Außerdem ließe sich denken, daß die Engländer, die den Niederländern die Vorherrschaft auf See streitig machten und schließlich auch abnahmen, jene Schiffe, die zwar fliegend schnell, aber eben nur ein Schemen waren, verächtlich spottend „fliegende Holländer“ nannten. Die älteste faßbare Holländerüberlieferung stammt aus der Zeit englischer Seeherrschaft. Im 19. Jahrhundert wird der Schiffsverkehr immer internatio­ naler. Die Schwierigkeiten bei der Umseglung des Kaps der Guten Hoffnung verschwinden im Vergleich mit denen bei Kap Hoorn, das man jetzt häufi­ ger umrundet. Mit der Eröffnung des Suez-Kanals 1869 sinkt die Bedeu­ tung des Kaps der Guten Hoffnung vollends und die stürmischen Kap HoornFahrten, auf denen der Chilesalpeter nach Europa gelangt, rücken ganz in den Mittelpunkt des Erzählens. Schon 1839 erfahren wir, daß man den spukhaften fliegenden Holländer nahe Kap Hoorn getroffen; gegen Ende des Jahrhunderts ist auch der vermessene Sagenkapitän an dieses Kap versetzt. Die Seefahrtsgeschichte, die durch viele Jahrhunderte wechselnder Machtver­ hältnisse auf dem Meer Anregungen und Hintergrund für einzelne Sagenmotive geliefert hat, ist in der Verschiebung des Sagenschauplatzes noch einmal wirk­ sam geworden, ehe sie schließlich den Geschichten sagenumwobener und sagen­ hafter Segelschiffkapitäne — von Vasco da Gama über den „fliegenden Hol­ länder“ bis zu Hilgendorf, dem wir später noch begegnen — mit dem Ab­ lösen der Segelschiffe die Lebenskraft entzieht. Der Wandel des Gehaltes

Mannigfache Einzelimpulse der ge- und erlebten Wirklichkeit des Seemannes haben sich in den Überlieferungen vom fliegenden Holländer und vom Kla­ bautermann ausgeprägt. Im Laufe der Geschichte dürften die Einflüsse der realen Lebenswelt auf See und die allgemeinsten Vorstellungen des Volksglau­ bens am konstantesten gewesen sein. Erzählmotive scheinen etwas stärker dem deutet die verhältnismäßig späte Bezeugung der Fokke-Varianten (mit ihrem be­ sonderen, weniger charakteristischen Holländermotiv: Teufelspakt) darauf hin, daß auch dieser Kapitänsname erst sekundär mit dem fliegenden Holländer verbunden worden ist. 65 Kaiff. S. 114. — Viele Beispiele: Jobes 1961, S. 477 f.

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Zeitgeschmack unterworfen, während bestimmte historische Ereignisse, mit dem dynamischen Geschichtsablauf verknüpft, ganz offenkundig ihre Wirkkraft steigern und vermindern.

Die Ursprünge unserer Gestalten liegen im Dunkeln. Seit sich der Mensch auf das Meer hinausgewagt hat, ist er immer wieder natürlichen Erscheinungen der See konfrontiert gewesen. Wir dürfen vermuten, daß Geisterschiff-Vorstellun­ gen, die auf der ganzen Welt verbreitet sind, bis in jene Zeit zurüdereichen. In der Antike werden mythologische Erzählungen um wunderbare Schiffe und über Totenfahrzeuge faßbar. Damals ist vielleicht auch die Vorstellung von einem Schutzgeist der Schiffe bekannt gewesen, der dann in christlicher Um­ deutung durch den hl. Phokas ersetzt wurde. Aus dem Mittelalter findet sich ein deutsches Zeugnis über einen unsichtbaren Geist, der auf einem Schiffsmast sitzt66. An der Wende zur Neuzeit beginnt der Seemann, sich die Weltmeere zu erobern. Frühzeitig ranken sich an die Indienreise Vasco da Gamas legenden­ hafte Züge, die besonders eindrucksvoll in den „Lusiaden“ dargestellt sind. Wieweit auch Matrosen dieses Epos kennenlernen, wissen wir nicht, aber im Seegebiet am Kap erleben sie noch jahrhundertelang schaudernd die gefähr­ lichen Tücken von Strömung und Wind. Die Meeresherrschaft der iberischen Völker versinkt, der Ostindienhandel Hollands wächst und geht dahin, die englische Seemacht blüht auf — und dann hören wir zum erstenmal ausdrück­ lich vom fliegenden Holländer und zwei Jahrzehnte später, bereits im 19. Jahrhundert, auch von hilfreichen Kalfatermännchen. Die Sagengestalten sind hier in ausgebildete Überlieferungen eingefügt; ihre Geburtsstunde ist längst vorbei. Die Ausgangslage unserer Interpretation des Holländerstoffs ist gegen­ über der älteren Forschung zweifach verändert: durch eine eingehende Quel­ lenkritik und durch eine breitere Materialbasis, wo uns vor allem der unschätz­ bare Bericht des Admirals Raigersfeld vor die romantische Zeit ins ausgehende 18. Jahrhundert zurückführt. Irgendwann im 17. oder beginnenden 18. Jahr­ hundert, als die Engländer den Holländern die Seeherrschaft abnahmen, als ihr Stolz wuchs und sie sich vielfältig spottend über die Niederländer aus­ ließen, mag auf irgendeinem britischen Schiff, das in südlichen Brei­ ten dem natürlichen Phänomen einer fliegend schnellen spukhaften Schiffserscheinung begegnete, selbstbewußt, und vielleicht auch verächtlich auf die schemenhaften Überreste holländischer Kauffahrer anspielend, das Wort „Flying Dutchman“ lautgeworden sein. Diese Prägung konnte, weil man ja ähnliche Lichterscheinungen immer wieder sah, lebendig bleiben, jüngere See­ leute zu Fragen herausfordern und die älteren veranlassen, ein Garn zu spinnen. Zunächst ist von den später so markanten Holländermotiven — dem trotzigen Kapitän, dem vermessenen Fluch, dem ewigen Segeln, selbst der ausdrücklichen 66 Da das oberdeutsche Epos „Ortnit“ im 13. Jh. aus niederdeutschen Liedern gebildet wurde, stammt die Vorstellung vielleicht von der Meeresküste (Stammler 1954, S. 226).

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Lokalisierung am Kap der Guten Hoffnung — noch keine Rede. Vielmehr wird 1787 das verächtliche Motiv der Gewinnsucht herausgestellt, 1812 nennt Scott Mord und Seeräuberei eines reichbeladenen Schiffes; in beiden Varianten heißt es nur, das Schiff segele „noch immer“, im ersten Falle als mahnendes Zeichen eines Treubruchs, im zweiten, weil kein Hafen das mit der Pest be­ strafte Fahrzeug aufnehmen wollte. Die erlebte Wirklichkeit unerklärlicher Luftspiegelungen im Indischen Ozean und besonders in der Breite des Kaps der Guten Hoffnung, wo man überdies durch verzwickte Strömungs- und Windverhältnisse entfernter segelnde Schiffe merkwürdig begünstigt sehen konnte — hier liegt wohl der Ansatzpunkt für ein Geisterschiff, das mit ungewöhnlichen Eigenschaften der allgemeinen Gei­ stervorstellung ausgestattet, von den Engländern aus seefahrtshistorischen Re­ miniszenzen „fliegender Holländer“ getauft wurde und an das sich verschiede­ ne Erzählungen anschließen konnten. Um 1800 etwa ist auch die Holländersage eines französischen Fahrensmannes zu datieren, die Jal 1832 nacherzählend veröffentlicht und die offensichtlich über die „Lusiaden“ mit Legendenzügen der Entdeckungsgeschichte ausgestat­ tet worden ist. Wenn diese Sage auch bereits einen Kapitän in den Mittelpunkt rückt, so fehlt doch — wie in den bisher genannten englischen Fassungen — noch die Selbstverfluchung, und das Motiv des ewigen Segelns ist mehr additiv als konstruktiv verwendet. Ein deutlich volkstümliches Erzählmotiv als die Handlung bestimmender Sagenkern wird zuerst 1821 greifbar: Die Selbst­ verfluchung, wahrscheinlich eine Analogiebildung zu entsprechenden Volkser­ zählungen auf dem Lande. Sie muß nicht unbedingt von dem anonymen Autor der englischen Novelle stammen; wir hören sie etwas später auch von dem deutschen Seeschriftsteller Smidt überliefert, der bezeichnenderweise in einem Gedicht über den ewigen Segler die festländische Analogie anklingen läßt: Das ist Seglers ewig tosende Jagd. Mag aber das Motiv der Selbstverfluchung auch zuerst unter Seeleuten der Geisterschiffvorstellung hinzugefügt sein, die bereits — als fliegender Holländer präzisiert — Erzählstoff geworden war, so kaum vor 1800, ja 1810 und vermutlich nicht ohne den Einfluß der Romantik, die die volkstümlichen Motive so stark ins Bewußtsein gehoben hat. 1821 ist auch zum erstenmal ein Kapitän, Vanderdecken, namentlich ge­ nannt. 1824 begegnet van Evert in einer Erzählung, deren Sagenstoff ent­ wicklungsgeschichtlich wohl zwischen die Scott- und die Blackwood-Variante einzuordnen ist: Wir finden das Motiv des Mordes und das des ewigen Se­ gelns, aber der Fluch wird noch nicht durch den Kapitän, sondern durch das Opfer herabgerufen. Trotz Vanderdecken und van Evert ist die große Zeit des holländischen Ostindienhandels nicht eindeutig beschworen; denn Vanderdeckens Tat wird um 1750 angesetzt (also zu spät) und van Everts Verbrechen geschieht auf einer Reise von Peru nach Spanien (also an unpassendem Ort). Smidts Beleg 1825 lokalisiert den Schwur eines ungenannten Kapitäns vor Amsterdam oder London. Erst in der Fokke-Fassung 1841 weisen konkreter Kapitänsname und Sagenmilieu eindeutig in die ruhmreiche Epoche holländi­ scher Geschichte. 172

Wir sehen, daß die Holländersage in der Unterhaltungsliteratur des mittle­ ren 19. Jahrhunderts offenbar bewußt zu einem Repräsentanten des Ostindien­

handels und seiner Kapitäne wird- Das Interesse wird oberschichtlich auf einen konkreten Menschen verlagert und der fliegende Holländer schließlich als eine allgemeine, mehr oder weniger symbolische Gestalt verwegener holländi­ scher Kapitäne angesehen. Richard Wagner interpretiert den fliegenden Hol­ länder als mythische Gestalt, Rolf Engert erkennt in ihm den Menschen des titanischen Tatendranges, und für G. Kaiff, endlich, ist er „das ewige Symbol des Sohn-Menschen, wegen seiner Aufsässigkeit von Vater-Gott verdammt, sich mit Mutter-Natur ewig verbindend zum Segen und Fluch*7". Man sieht: ein verbrecherischer Kapitän der Volksüberlieferung wird in Tei­ len der Unterhaltungsliteratur zum verwegenen Kerl geläutert, vom Dichter mythisiert und durch Wissenschaftler — die Reihe nahtlos fortführend — zur titanischen Kraftgestalt schlechthin, ja zum ewigen Symbol des Menschen erhoben. Und das alles innerhalb von 150 Jahren! Kehren wir zu unseren Sagengestalten auf das Meer des 19. Jahrhunderts zurück! Wir wissen jetzt, daß die festländischen Quellen und Interpretationen eine sehr eigenständige Sagengeschichte darstellen und den volkstümlichen Wirklichkeitsgehalt des fliegenden Holländers verschleiern. Nicht um Kapitän Fokke kristallisieren sich im 17. und 18. Jahrhundert Motive aus der Ent­ deckungszeit und entwickeln sich im 19. Jahrhundert von ihm weg zu einem allgemeinen Kapitän „fliegender Holländer“, sondern diese allgemeine Ge­ stalt, einem Geisterschiff durch volkstümliches Erzählen zugeordnet, ist — so­ weit wir sehen können — primär und wird erst oberschichtlich unter dem Ein­ fluß historischen Denkens in mehreren holländischen Namen konkretisiert. Viele Seemannsberichte über Begegnungen mit dem fliegenden Holländer bezeugen das lebendige Erleben, aber kaum je hören wir dabei später noch einen Erzählstoff (wie bei Raigersfeld), selten auch eine Glaubensvorstellung (das Unglückbringen). Gerade Geisterschiff-Erlebnisse werden meist sehr nüch­ tern geschildert, dennoch bleibt der Volksglauben als tradiertes Gut wirksam. Der fliegende Holländer geht in allgemeinen Geisterschiff-Vorstellungen auf. Ähnliches gilt für den Klabautermann, der allerdings immer stark im Volks­ glauben gewurzelt hat. Vieles spricht dafür, daß wenigstens ein Teil seiner Vorstellungen aus dem Glauben an Zauberwurzeln herausgewachsen ist- Im übrigen entsprechen die Schiffsgeist-Überlieferungen zunächst weitgehend denen des Hausgeistes. Später findet der Klabautermann einen eigenen Erzähltypus und kann schließlich in seinem modernen Wandel zum Ozeangeist das immer noch lebendige Wirken unterschiedlichster Vorstellungen des Volksglaubens eindrucksvoll bezeugen.

B. DIE FUNKTION Die innere Erscheinung des Kulturgutes, sein Wesen, wird erst in doppelter Betrachtungsweise sichtbar: der fliegende Holländer und der Klabautermann 67 Wagner (s. bes. Zit. bei Kaiff, S. 58). — Engert, S. 34 (u. a.). — Kaiff, S. 165. 173

sind einerseits zwar Produkt, andererseits aber auch prägende Kraft einer vielfältigen Wirklichkeit. Sie sind konkretisierter Ausdruck einer Welt und zugleich ihr lebendiger Bestandteil. Sie haben Gehalt und Funktion, oder mit dem Blick auf das Volksleben gesagt: sie repräsentieren und dienen.

Man kann den Gehalt eines volkstümlichen Kulturgutes als eingeschmolzene Wirklichkeit definieren, die sich vor allem aus dem Überlieferungsstoff inter­ pretieren läßt. Die Funktion ist lebendige Wirkungsweise und offenbart sich im wesentlichen in der Struktur der Überlieferung. Aber einem Kulturgut eignet nur Jene Struktur, die seiner aktiven Funktion (z. B. dem Schildern, dem Erklären) angemessen ist; seine passive Funktion, die sich unmittelbar als Volksleben ausdrückt (z. B. das Geglaubt-werden, das Erzählt-werden), bleibt verborgen. Sie wird nur im Lebenszusammenhang erkennbar, das heißt, wir können nicht wie bisher die Seemannswelt und ihre Sagengestalten nachein­ ander betrachten und dann vergleichen, sondern wir müssen zugleich auf das Kulturgut und auf den Menschen, auf das Objekt und auf den Träger sehen. Aus der Art, wie sie ins Volksleben eingefügt sind, gewinnen unsere Gestalten ihre Funktion (und diese braucht nicht unbedingt mit dem Gehalt zu harmo­ nieren). Der fliegende Holländer und der Klabautermann stehen dem Men­ schen in mannigfacher Weise zur Verfügung, aber in einem gewissen Rahmen immer nur als Möglichkeit, als Mittel zu einem Zweck, über den letztlich der Mensch selbst entscheidet. Erst in der Verwendung gewinnt das Kulturgut sein eigentliches Wesen, erst im konkreten Leben findet es das Maß seines Wirkens. Glauben

Glauben, vielleicht die tiefste und verborgenste Äußerung des Volkslebens, beschäftigt sich mit Dingen, die außerhalb der menschlichen Einsicht liegen. Die tatsächlichen Glaubensinhalte sind variabel, von Mensch zu Mensch unter­ schiedlich und bestehen noch im einzelnen Individuum aus verschiedenen, stän­ dig in Fluß befindlichen Elementen. Aber die Erfahrung lehrt, daß der Glauben im wesentlichen doch als eine kollektive Erscheinung auftritt. Der Vorstellungswille des Menschen verlangt nach Anschauung. Das christ­ liche Szenarium — von Gott über die Heiligen bis hin zum Teufel — reicht offenbar nicht aus. Die Natur wird belebt. Unter vielen anderen gehören auch der fliegende Holländer und der Klabautermann zu den Manifestationen des Irrationalen. Sie sind ein Ausdruck außermenschlicher Kräfte und Gesetz­ mäßigkeiten; sie werden — mit einem Wort — dem Menschen zur Glaubens­ gestalt. An das tatsächliche Vorhandensein geisterhafter Erscheinungen auf See ist fest geglaubt worden. Wir haben viele Zeugnisse darüber. Aber die Belege in Sagensammlungen und populären Seebüchern täuschen auch oft eine zu große Glaubensintensität vor. Sie sind von jenem Vorurteil nicht ganz unbe­ einflußt, daß die Seemannswelt als letzter großer Bereich auf Grund seiner Randlage und seiner natürlichen Bedingungen besonders lange von der Auf­ 174

klärung verschont geblieben sei. Vor allem wird kaum differenziert. „Die Seeleute glauben daran“ mag heißen: sie glauben allgemein, daß es eine spuk­ hafte Erscheinung gibt, die man „fliegenden Holländer“ nennt, und einen Schiffsgeist namens Klabautermann. Oder aber: sie glauben, daß eine Begeg­ nung mit dem Geisterschiff und das Erscheinen des Klabautermann Unglück bedeute. Endlich kann das Daran-glauben konkrete Wesensvorstellungen ein­ schließen: daß der Kapitän des Spukschiffs ein verfluchter Holländer sei und der Klabautermann als Kinderseele in einem Baumstamm aufs Schiff gelange. Wenn ein Zuhörer nach dem Erzählen einer Klabautermann-Geschichte meinte: „dat is jo unglaubbor, dat dee sik prügeln: Geister koenen sik doch nich uhrfigen“ (1925K3W), — dann zeigt sich klar, wie die Trennung von Glauben und Unglauben quer durch die Überlieferung geht. In diesem Falle ist die Tatsache der Geister selbstverständlich, aber daß sie sich schlagen, geht über die Vor­ stellungskraft jenes Mannes hinaus. Moore und Scott erwähnen am Anfang des 19. Jahrhunderts, daß der Aberglauben vom fliegenden Holländer allgemein und gut bekannt sei. Ob er nur ein Wissen darstellte oder tatsächlich eine Glaubensfunktion ausgeübt hat, ist diesen Notizen nicht zu entnehmen. Smidt schreibt dann 1825, die Sage vom ewigen Segler werde als „unzubestreitende Zuverlässigkeit“ an­ genommen. Es ist dies das einzige Mal (von wenigen völlig unkontrollier­ baren Hinweisen in der Unterhaltungsliteratur abgesehen), wo definitiv der Glauben an das Verfluchungsgeschehen des herumirrenden Schiffes bezeugt wird. Am deutlichsten ist die Glaubensfunktion jener Überlieferung, die unmit­ telbar — ohne ein bestimmtes Ereignis — unsere Gestalten als wirklich vor­ handen annimmt. Der Steuermann, der Heine 1825 vom Klabautermann er­ zählt, glaubt Dinge, die er selbst noch nicht erlebt hat. Schon die Erwähnung des nisse genügt damals, auf einem dänischen Schiff die Matrosen vom Schlaf auf der Wache abzuhalten. 1860 erfahren wir, daß die Seeleute der 95jährigen Lübecker Brigg „Emanuel“ glauben, einen Kalfatermann an Bord zu haben. Ein Holländer berichtet, seine deutschen und norwegischen Kameraden hätten Angst vor einem Zusammentreffen mit dem fliegenden Holländer (1850H1). Und ein Däne meint: „Die meisten glaubten wohl doch, daß man den fliegen­ den Holländer wirklich treffen könnte“ (1954H1). Er segele keineswegs nur über den Atlantik, sondern sei auch auf der Ostsee zuhause, hören wir von Rügen (1962H1). Während die Sagensammlungen von Bartsch und Frahm für das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts behaupten, daß die Seeleute allgemein an den Klabautermann glauben, schreibt ein norwegischer Reisender: In seltenen Fällen kann man noch alte Seeleute finden, die an den Schiffsgeist glauben (1872K). Unter den vielen Wossidlo-Aufzeichnungen, die in diese Zeit weisen, sind ausdrückliche Glaubenszeugnisse selten. Ein Erzähler bekräftigt, er habe den Klabautermann mit Brettern werfen hören. Ein Däne fügt einer nisseMitteilung hinzu, daß er sie für glaubwürdig halte (1892K4). In einem Ein­ zelfall macht ein mecklenburgischer Seemann sogar ein Geheimnis aus seinem 175

Wissen: „Dat is nidi good, wenn ik dorvon räden doh, dat is mi verbaden". Eine andere Aussage dürfte dem Empfinden vieler Seeleute im ausklingenden 19. Jahrhundert am nächsten kommen: (—K9") „Wenn wi em poddern hüren, ward uns doch ’n bäten huddelich“. Oft heißt es: in meiner Jugend glaubten ... Dennoch sind die ganz allge­ meinen Aussagen selten; der Seemann erinnert sich an konkrete Erlebnisse und schreibt Entsprechendes nicht gleich allen seinen Kameraden zu (1936K2W) „Dat geew Lüd’, dee fast an den Klabatermann glöben deden. Ik heff eens up’n Schiff fohrt, dor wier an de Backbuurd-Schanz ’n Stück Holt anbröcht, ungefihr 20 cm lang — dat hadd süß goor keenen Zweck: dat wier de Klabatersmann- De Kaptain hadd vääl ollen Seemannsgloben.“ Durchweg sind es alte Seeleute, die als Zeugen genannt werden, und das gilt bereits für den Beginn unserer Überlieferung. Auf der anderen Seite werden die Jungen und Unerfahrenen mit unseren Gestalten gehänselt, was natürlich nur solange denkbar ist, wie die Möglichkeit des Glaubens besteht. Das Für-wahr-halten ist aber über die Angst (und bisweilen das beruhi­ gende Gefühl) des Einzelnen hinaus im Volksleben nicht ohne Bedeutung gewesen. (—K10l) Ein Russe im ersten Weltkrieg, der von den Esten erfahren, daß sich an Bord des Schiffes, das er bewachen sollte, ein putermann be­ fände, erschoß sich aus Angst, als er ein Geräusch hörte. Einmal, wird erzählt, soll eine Mannschaft ihren Kapitän, der den Klabautermann verspottet, über Bord geworfen haben; vom Steuermann und dem Schiffsjungen angezeigt, seien die fünf Übeltäter in Flensburg hingerichtet worden (1838K). Auch darin, daß man dem Klabautermann einen Teller mit oder ohne Speise hin­ setzt, zeigt sich eine im Volksleben sichtbare Auswirkung des Geisterglaubens. Sehr bedeutsam war die Angst der Matrosen, mit einem „putermann“-Schiff zu fahren. Immer wieder hören wir aus der zweiten Hälfte des vorigen bis weit in unser Jahrhundert hinein, wie die Matrosen Schiffe verlassen, die in „Verraup (1895K1*) stehen. {1927K3a) „... De Lüd’, dee dor Globen up hatt hebben, sünd denn vorher afgahn, — so sünd se den Doot entgahn. En oll Seemann hett minen Vadder verteilt: he wier tweemal weglopen, as he den Klabatersmann hüürt hadd — un de beiden Schäp wieren bläben.“ „N. hett mi verteilt: he is afgahn von Buurd von wägen de Spökerie mit den Klabaters­ mann ...“ (1922K2W). (1924K1W) „Ik wier eens in Danzig. Dor leeg’n mäkelbörger Schipp, dor wier de Klabatermann an Buurd. Dee maakt jo Läben un buttert ganz gefährlich. De Lüd’ wullen nich mitführen." Auch aus dem Baltikum berichtet ein Kapitän, daß es zuweilen eine richtige Kunst sei, Matrosen auf ein Schiff zu bekommen, wo man das Poltern des Klabauter­ mann gehört habe; ein anderer behauptet sogar, daß um 1900 alle Seeleute ohne Ausnahme gefürchtet hätten, auf einem „putermann“-Schiff zu dienen (1930K71). Als 1860 zwei Seeleute auf einem norwegischen Schiff ihre Kame­ raden mit dem Schiffsgeist ängstigten und ihn sogar vorspielten, war es für den Kapitän später schwierig, neue Leute anzuheuem (1860K2); und von der norwegischen Bark „Ariola" erzählte ein Balte, (1930K71) daß er, als er dort seinen Dienst antrat, nicht gewußt habe, auf ein putermann-Sdnff 176

geraten zu sein, bis die anderen Matrosen ihn gewarnt hätten. Vor der ganzen Mannschaft war beim Anheuern das Verhältnis des putermann zum Schiff geheimgehalten worden. Alle blieben dennoch an Bord, erinnerten sich aber bei jeder großen Gefahr an den Schiffsgeist und mancher machte sich — sagt der Erzähler — dann heftige Vorwürfe, daß er die Warnungen des putermann nicht beachtet hatte. „Das Schiff ging aber damals doch nicht unter und fährt vielleicht auch heute noch.“ So findet sich neben den deutlichen Auswirkungen des Geisterglaubens die Ignoranz; denn auch Zweifel und Skepsis begleiten die Überlieferung. Schon bei Raigersfeld klingt das an: Viele Seeleute, die dem fliegenden Holländer be­ gegnet sind, sprechen nicht davon, weil sie fürchten, ausgelacht zu werden. Als Heine von einem Seemann den Klabautermann-Glauben erfährt, lächelte der ebenfalls zuhörende Kapitän „so fein, wie ich seinem rauhen, wind- und wetter­ dienendem Gesichte nicht zugetraut hätte“, und immer wieder belächeln die Kapitäne — vor allem auch in der Unterhaltungsliteratur — die alten Er­ zählungen. In den meisten Wossidlo-Belegen ist eine gewisse Distanz spürbar. Der Konjunktiv wird oft benutzt: „De Klabatersmann sali vöör in’t Schipp sitten“; ...... dor säden wi, dat wier woll de flegen Hollanner wäst". Die Ausdrucks­ weise ist unpersönlich: „Se glööwten . . .“; „... denn hebben se seggt...“. Noch deutlicher wird die Skepsis hier: „Auf der ,Ottumar‘ sagten sie wohl, daß da ein potermann gewesen sei, und es ertranken auch sieben Männer in die­ ser Zeit. Es konnte kein Gespenst erschienen sein. Wir horchten mit einer ganzen Anzahl von Männern“ (1929K41). Der Gewährsmann einer anderen Sage unterdrückt seine Zweifel: „Der Mann (der es gesehen hatte) erzählte es selbst, da muß man es schon glauben, daß es so war“ (1928K181). Andere sprechen ohne Umschweife von „Spökerie“ oder: „dat is jo all lächerlich!“ und erinnern sich dann manchmal schmunzelnd an Streiche, die sie dem einen oder anderen gespielt haben, der tatsächlich noch an den Klabau­ termann geglaubt. Im großen und ganzen ist der Glaube an unsere Gestalten im 20. Jahrhundert verschwunden. „Bi dese Johrstiet (d. h. heute) ward dor jo nich mihr an glöw’t“, heißt es 1918 in Mecklenburg; aus Frankreich hören wir um die Jahrhundertwende, daß die Seeleute ohne viel Überzeugung vom fliegenden Holländer erzählen (1905H2) und aus Holland etwas später: die Sage ist allgemein bekannt, aber glauben tut niemand daran (1923H1). (1928K2W) „De Glow’ wir nich mihr dor: de Lüd’ wieren all to upgeklärt.“ Sehr hübsch erzählt ein Däne, der von Schottland nach Dänemark gefahren war: (1948K1) „Einmal fragte der Kapitän die Matrosen, ob sie den Schiffs­ geist gesehen hätten. Das hätte er nämlich. Aber die Jungen glaubten nicht an so etwas und lächelten ein bißchen über den Schiffer. Ein paar Tage später strandete das Schiff, und trotzdem glaubten sie nicht an den Geist.“ Nicht alle Vorstellungen haben den gleichen Realitätswert. Man kann sehr grob sagen, daß an den Klabautermann etwas länger geglaubt worden ist, als an den fliegenden Holländer. Aber es gibt auch extreme Gegenbeispiele: während 1825 ein Kapitän den Klabautermann-Glauben belächelt, beschwor ein 177

anderer noch 1931, dem fliegenden Holländer begegnet zu sein (1931H1). Ingemann schildert in einer Erzählung, wie ein Sohn seinem alten Vater von einer Seereise erzählt, er habe Meermänner und Meerfrauen gesehen, sowohl den Totensegler als auch den fliegenden Holländer. Was die beiden letzten betrifft, so sagt sich der Alte, daß solche Dinge natürlich und auf eine Weise begreiflich seien, „das habe nichts anderes zu bedeuten, als was es war. Aber vieles von dem, was sein lieber, gelehrter Sohn erzählte, kam ihm doch allzu sonderbar vor“ (1850H4).

Manchmal bleiben nur bestimmte Aspekte einer Überlieferung lebendig, in Dänemark z. B. besonders der Glauben an den Vorspuk des Todesseglers (1949H). Dabei ist das Gegenständliche dieses Schiffes gar nicht mehr be­ wußt; der moderne Aberglauben wird unansdiaulicher. (1962K1) „An den Klabautermann glauben, ist eine Sache, einen guten Wind verunken und damit Verdruß erregen, ist eine andere Sache." Auch einen mecklenburger Seemann unterscheidet: (—K10') „Dat is’n ollen Seemannsglooben: Klappern dürft nicks an Buurd un rutschen ok nich, daß mööt ierst fast maakt warden. Früher is jo mihr so’n Unglooben wäst. Dünn hebben se seggt: dat wier de Klabatersmann.“ Erklären

Fliegender Holländer und Klabautermann haben neben ihrer Funktion als Glaubensgestalt eine weitere, die eng damit zusammenhängt. Nicht immer ist ihr lebendiges Dasein und Wirken gegenwärtig. Oft werden unsere Gestalten erst bei einem konkreten Ereignis aus dem latent vorhandenen Vorrat des Volksglaubens zur Sagengestalt sublimiert. Sie dienen dann dem Menschen nicht in erster Linie dazu, ihm die Tatsache des Überwirklichen in seiner Welt glaubhaft zu veranschaulichen, sondern sie sollen vor allem die Merkwürdig­ keiten des augenblicklichen Erlebens erklären. Natürlich kann der Mensch hierin auch (zusätzlich) seinen Glauben bestätigt finden oder neuen Glauben daraus schöpfen.

Wenn bei einer Funktionsanalyse mehrere Wirkkräfte erkennbar werden, die sich gleichzeitig vollziehen, gilt es, Dominanten herauszuheben. Wie das Glauben so ist auch das Erklären eine lebendige Äußerung des Menschen im Volksleben. Das Glauben wird vielfach in vorbeugenden Maßnahmen der Angst äußerlich sichtbar (man fährt am Freitag nicht aus; putermann-Sdüffe finden keine Mannschaft), manchmal auch in der Tatsache des unbekümmerten Aussegelns, wenn man den Klabautermann an Bord weiß. Hat das Glauben also bestimmte Handlungen zur Folge, so ist umgekehrt das Erklären eher eine Folge bestimmter Geschehnisse. Es beschäftigt sich nicht irgendwann und allgemein mit merkwürdigen Erscheinungen, sondern will das Merkwürdige noch im Bannkreis seines Wirkens durch eigene oder fremde Erfahrung ver­ stehend aneignen und vertraut machen. In der amerikanischen Literatur aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden wir anschauliche Beispiele dafür. Sowohl in Irvings „Storm-ship" als 178

auch in Coopers „Red Rover“ diskutieren die Leute über das Erscheinen eines seltsamen Schiffes; sie bemühen sich, das Merkwürdige irgendwie verständlich zu machen, es zu klassifizieren und erwägen dabei unter anderem auch die Möglichkeit, ob es sich nicht um den fliegenden Holländer handeln könne. Als eine Frau nachts in Bremen — um ein reales Beispiel zu geben — durch be­ ständiges leises Klopfen, das von der Werft herübertönte, gestört wurde, wurde sie beruhigt: das seien die Klabautermännchen, welche in der Nacht die Arbeit fortsetzten, die von den Arbeitern am Tage begonnen worden sei (1869K2). Wenn sich ein Schiffbruch oder ein Todesfall auch nur halbwegs mit irgend­ einer seltsamen Erscheinung zusammenbringen läßt, dann wird meist ein Kausalverhältnis hergestellt und das Unglück aus dem Einwirken des fliegen­ den Holländers oder des Klabautermann erklärt. Besonders zeigt sich diese primär erklärende Funktion in der baltischen Überlieferung, wo der putermann-Name sehr verschiedenen Dingen zugeordnet wird. „Ach der putermanrii Er ist wohl vorhanden. Ich habe ihn immerhin einmal gehört.“ Ein Seemann, der zunächst an den Geist nicht glauben wollte, berichtet, wie er plötzlich von allen drei Masten die sonderbare Stimme eines Vogels gehört habe und bald darauf das Schiff auf Grund gelaufen sei (1930K131). Der Seemann hat den Begriff des putermann zur Hand; er will die merkwürdige Erscheinung fassen, und sei es mit einem Namen, sie sich vertraut machen nicht als einen Ausdruck des Über wirklichen, sondern schlicht „als das, was es nun einmal ist" (1850H4). Auch einem Geisterschiff, dem man begegnet, wird ein Teil seiner Fremd­ heit genommen, wenn man es als fliegenden Holländer klassifizieren kann. Wie viele Spukbegegnungen sind doch mit diesem Namen verbunden! Auch wenn sich der eine oder andere Gewährsmann nicht schlüssig ist, wenigstens die Möglichkeit deutet er an: „... aber ob es Van Diemen war oder der fliegende Holländer oder wer sonst, muß unbekannt bleiben“ (1881H2). Daß das persönliche Erlebnis nicht nur der Anstoß für eine oberflächliche Erklärung oder gar nur die Namensgebung sein kann, sondern auch der Aufhänger für eine umfangreiche Sagenerzählung, zeigt am besten unser ältester Beleg von Baron de Raigersfeld. In der Unterhaltungsliteratur ist dieser Ansatz allge­ mein üblich. Jede Erklärung erhebt den Anspruch, angenommen zu werden. (1925K14W) „In Wismar wier ne Brigg Paul Marie. Dor bün ik mit fohrt. Donn würd dat kloppen. Uns oll Kock Kentz säd: Dat is ’n Klabatersmann. As wi in’t Kattegatt kernen, lepen wi up Strand. Dor säd de oll Kentz: Nu is de Kla­ batersmann an Land gähn, un wi sitten hier nu." Man spürt die Unsicherheit des Erzählers gegenüber den Erklärungen des alten Kochs; er hält mit seiner eigenen Meinung ganz zurück. Manchmal flüchtet sich der Erzähler, wie bei den Glaubensberichten, in den Konjunktiv: „. . . Großvadder meente, dat hadd de Klabatersmann dahn.“ Schließlich bricht der Zweifel, ja die Ablehnung irrationaler Erklärungsversuche ganz durch: „Als ich auf der ,Tatjana' war, da krachte es so. Unten wurden die Kohlen aufgewühlt, daß es nur so donnerte. 179

Da gingen sie mit der elektrischen Batterie nach unten und machten alles heil. Gar nichts war da“ (1929K41). Hierher gehören dann auch die enthüllenden Erlebnisse, die wir in anderem Zusammenhang schon betrachtet haben. Aber selbst mit diesen Überlieferungen haben unsere Sagengestalten noch nicht den letzten Rest ihrer erklärenden Funktion eingebüßt. Solange noch irgendwer merkwürdige Erscheinungen mittels unserer Sagengestalten erklärt, solange hat auch die rationale Erklärung unserer Sagengestalten selbst — als Widerspruch der Vernunft — eine wirkende Funktion- Hören wir also, was die aufgeklärten Seeleute von ihrer alten Überlieferung halten, wenn sie den Glauben nicht als „Spökerie“ abtun, sondern das irrationale durch ein rationa­ les Erklären ersetzen! Der fliegende Holländer, das ist Fata Morgana. Und der Klabautermann? Ein knarrender Balken, ein lodcerer Bolzen, ein klap­ perndes Fallreep, eine quietschende Hängematte, polternde Lasten, ein Wurm (!), ein Fisch, der längsseits scheuert... Es ist bemerkenswert, daß hier immer an akustische Laute gedacht ist. Nur einmal heißt es etwas allgemeiner vom Klabautermann: (1930K3w) „Wenn man in Läbensgefohr is, maalt man sik sowat uut.“ Wir erkennen also auch vor der enthüllten Gestalt noch, daß eine hör- und nicht eine sichtbare Erscheinung als das Charakteristikum des Klabau­ termann empfunden wird. Benennen

Der Mensch begegnet in seinem Leben nicht nur unverständlichen Dingen, die er durch Glauben und Erklären als lebendige Bestandteile in seinen Kreis hineinzieht, sondern er wirkt vor allem in einer Welt alltäglicher Dinge. Ein einfaches Verhältnis zu den mannigfachen Erscheinungen knüpft er durch ihr Benennen oder durch irgendeine andere sprachliche Äußerung. Als „Sprach­ material“ stehen — zunächst den seemännischen, später audi anderen Bevöl­ kerungsschichten — unter anderem unsere Sagengestalten zur Verfügung. Es lohnt sich, die sekundäre Verwendung der oft auf ihr Skelett oder gar einen Schemen reduzierten Gestalten zu betrachten; denn in der Sprache spiegelt sich das Bewußtsein jener Menschen, die sie gebrauchen und damit: Volksleben. Fliegender Holländer und Klabautermann haben, wenn sie metaphorisch verwendet werden, ihre Funktion als Glaubensgestalt verloren. Eine profane Namensübertragung ist kaum denkbar, solange diesem Namen noch ein numinoser Schauder anhaftet, vor allem, wenn mit der jenseitigen Gestalt die Vor­ stellung des Unglück-bringens verbunden ist: normalerweise wird niemand das, was er ernstlich fürchtet, berufen. In einem Roman von Hans Leip ist eine Prise Koketterie dabei, wenn dort ein Mädchen seine Jolle „Klabauter" nennt, damit ihm der Klabautermann nichts tue.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat in Ostfriesland klabauter, kabauter (und andere Varianten) neben Kobold noch die allgemeinere Be­

deutung: koboldartiges Wesen, das Faxen und Sprünge macht, neckische Streiche und kleine Bosheiten verübt, auch unlenksam und störrisch ist. Es liegt nahe, 180

bei einer solchen Charakteristik den Namen auf kleine Kinder zu übertragen. Daß dieses auch allgemein geschehen ist, zeigen mehrere Redensarten, wie z. B.: (1882K) ,,’t is so’n kabauter fan’n jung’, dat man sük d’r häst h£l net fan redden kan“. Klabauter ist im Niederdeutschen ein weit bekannter und viel verwendeter Kosename für Kinder geworden und meist mit dem Adjektiv lütt .klein' eine feste Verbindung eingegangen. (1948K3) „Un doarüm frei ich mi ganz dull, ... wenn ook de grooten Kinner ... noch mol wedder för’n halbe Stündn richtige lütte Klabauters sünd.“ Neben Klabauter und Klabater wird heute an der Niederelbe auch Krabater verwendet, das wohl aus einer Verschmelzung von Kroat (Kröte) und Klabater(mann) hervorgegangen ist (1959K2). „Nu kiek den lüttjen Krabater an!“ In Holland ist kabouter der Titel der jüngsten Pfadfinder (8—11 Jahre alt). In allen Fällen wird mit dem Kosenamen höchstens eine koboldartige Vorstellung verbunden, aber nicht an eine Beziehung zur See gedacht. Wesenszüge des Schiffsgeistes können wir bei seiner Namensübertragung erst dann erspüren, wenn Klabautermann in bewußter Weise als Scherz- oder Spottname einem Menschen übertragen wird. Heine hat 1827 ein Exemplar seiner „Reisebilder“ seinem Freund Friedrich Merckel, „dem Klabotermann des Buches“, der ihm seinen Schutz angedeihen ließ, gewidmet*8. Allgemeiner ist der Bezugspunkt, wenn Wilhelm Poeck eine Schiffsjungengeschichte „Heino, der Klabautermann" betitelt (1923K2). Auf einen Erwachsenen übertragen erhält der Name oft negativen Beigeschmack. Kalbauter meint in Ostfries­ land „wüster Mensch, Raufaus“98. In spottendem Ton heißt es „Se pangzionierte Klabautermann!“ und auch „fliegender Holländer“ wird hin und wieder als Spottname verwendet, in Mecklenburg wurde zum Beispiel ein Althäger Zesenfischer so genannt (1915H1*).

Die Schreckgestalten der Volksüberlieferung sind eine bewußte Fiktion, werden aber im Leben wirksam, wenn sie einem bestimmten Teil der Lebens­ gemeinschaft (meist den Kindern) als Realität vorgespiegelt werden können. Hier finden auch der fliegende Holländer und der Klabautermann, als der allge­ meine Glaube an sie langsam verlöscht, ihr Publikum. Dänische Matrosen wurden 1826 durch die Mitteilung erschreckt, der Kapitän habe den nisse gesehen, und norwegische Matrosen haben ihren Kameraden 1860 den Schiffs­ geist erfolgreich vorgetäuscht. Wenn die Mannschaft über die aufgetragene Arbeit knurrte — berichtet ein Seemann —, dann brauchte der Kapitän nur zu sagen: „Das ist nicht mein eigener Wille, den ich verlange!“ (1945K1). Aber in späterer Zeit waren es doch nur noch wenige Matrosen, die man mit dem Klabautermann einschüchtem konnte. So wurde er vor allem zum Schreckgespenst der Neulinge. (1924K3“) „De Klabatersmann dat wier för de junge Welt, dat dee ut Angst nich inslapen süllen bi de Wach." Aus dem Baltikum hören wir, daß zuweilen die älteren Männer den jüngeren einen potermann machen. Man legt dann eine Säge oder einen klirrenden Gegen68 Heine 1948/51; Bd. I, S. 218 (Nr. 186). 69 Stürenberg 1862, S. 101.

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stand an die Wand und behauptet von dem entstehenden Ton, das sei der potermann (1929K41). Daß der fliegende Holländer und der Klabautermann

zum Ängstigen der Jungen dienen, wird auch in der Unterhaltungsliteratur ausgemalt (1922H.K). Wie erschrak in einer Erzählung von Hermann Claudius der kleine Ottl Vullgeter, als etwas Pechschwarzes an Steuerbord auftauchte, und er dachte zuerst, „de Klabautermann harr jem nu liefhaftig bi de Büks“ (1925K1).

Auf dem Lande leiht der Klabautermann oft, ohne daß an einen Schiffs­ geist gedacht wäre, seinen Namen dem allgemeinen Schreckgespenst für Kin­ der-. in der Göttinger Gegend schon aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts belegt (1858K3), im Rheinland bekannt (1938K); auf Föhr wird sein Name etwas abgewandelt in Knaboltermännchen (1911K5). Auch in Dänemark wird der klabautermand zum Erschrecken der Kinder verwendet (1964K). Die erschreckende Funktion unserer Sagengestalten hat sich in vielen Rede­ wendungen niedergeschlagen. Schon Jal schreibt 1832, es sei eine weitverbrei­ tete Redensart, mit dem fliegenden Holländer zu drohen: Wenn ihr euch nicht anständig betragt... Dort gibt es Arbeit! Aus unserem Jahrhundert weiß ein norwegischer Kapitän ähnliche Sprüche zu berichten: (1961H2) „Sei nur vorsichtig, oder ich schicke dich auf den Holländer!" „Der beste Platz für dich ist auf dem Holländer!“ Unglückliche Geschehnisse werden dem Klabauter­ mann zugeschrieben. Im Sturm (1927H) „hett de Ool (fliegender Holländer) jüm bannig tofot hadd“. Und als Ausdruck starken Selbstbewußtseins: „Nu kann mich kein fliegender Holländer un kein Klabautermann mehr imponier’n" (1936H2). Andererseits hat sich die Glücksvorstellung nicht ganz vom Klabauter­ mann gelöst. Ein glücklich fahrender Kapitän oder ein schnell segelndes Schiff, heißt es, habe wohl einen Klabautermann an Bord- In einer Grußsen­ dung für Seeleute, die Radio Luxemburg regelmäßig ausstrahlt, bezeichnet sich die Sprecherin als Klabautermann. Dänemark kennt den klabautermand durchweg als unheimliche, böse Gestalt; hier sind die Eigenschaften eines guten Schiffsgeistes mit dem nisse verbunden (1934K1—3).

Häufig haben unsere Gestalten in den Metaphern praktisch jeden Bezug zur Sagenüberlieferung verloren. Die Schnelligkeit des fliegenden Holländers war gemeint, als die „Dreadnought", ein atlantisches Paketboot, oder ein englischer Schnellzug oder eine Sportbootklasse „Flying Dutchman" getauft wurden. Aber wer sieht heute, wenn er den Namen hört, das fliegend schnelle Geisterschiff vor sich? Manchmal ist gar eine Metapher nur noch aus der sprachlichen Assoziation zu verstehen: Ein Bart, der wie ein fliegender Hol­ länder weht; Flugzeuge der KLM, die „fliegende Holländer" heißen... Ein Kopenhagener Blatt berichtet: (1957H3) „Ein seltsames Zeichen begegnete Direktor Mogens Lichtenberg, als er auf Einladung der holländischen Luft­ fahrtgesellschaft KLM den Holm besuchte. Im Nebeldunst lag eine DreimastFregatte ein halbes Hundert Meter vom Land entfernt, und eine Gestalt winkte ihn zu dem Schiff hinaus. Es zeigte sich, daß das der .fliegende 182

Holländer' war, Joost van der Decken, in Gestalt des Verkaufsleiters Jensotto Stilling (gut verkleidet in Federhut, Uniform, mit Degen an der Seite und eleganten, langen Strümpfen), und der Grund dafür, daß man den Direktor Lichtenberg hingerufen hatte, war, daß er zum ersten dänischen ,Schiffer' des weltumspannenden Klubs ,Der fliegende Holländer' ernannt werden sollte für seinen langen Einsatz in der Zivilluftfahrt.“ Im Ritus greift also ein Flugzeugklub auf Motive zurück, die dem ursprünglichen Inhalt seines Namens zugehören. (Es sei hier nur erwähnt, daß es auch Klabautermann-Klubs gibt, von Klabautermann-Hafenkneipen gar nicht zu reden.)

Als allgemeinste Metapher pflegen fliegender Holländer und Klabauter­ mann heute abstrakte Begriffe zu illustrieren. Das Erlogene („Ik stell dat Schanghain mit den Fleegen Hollanner un de Seeslang in een Reeg“); das Spukhafte („gespensterhaft wie der fliegende Holländer“); das Märchenhafte und Unwirkliche, zum Beispiel in einem Gedicht von Käte Reiter: (1964H2)

die Zukunft wird jeden tag vergiftet für den fliegenden holländer für den ritt auf der münchhausenkugel wachsen unsere kinder auf sie lernen von fremden tellem zu wünschen am himmel leuchten Sterne auf die keine steme sind

Unterhalten

Unsere Sagengestalten gewinnen schließlich im Volksleben eine besonders wichtige Funktion, indem sie Lebensformen ausfüllen. Sie bestehen nicht nur als Name und mit ihm assoziierter Stoff in der Vorstellung vieler Einzelner, sie sind nicht nur Mittel, um bestimmte Erscheinungen zu beglaubigen, zu er­ klären, zu charakterisieren, sondern sie sind auch als Mittel bereits Zweck. Uber die Verlebendigung in der Vorstellung des Einzelnen hinaus, konkreti­ sieren sie sich als Brücke von Mensch zu Mensch.

Daß Matrosen sich auf See Geschichten erzählen, ist eine stereotype Aus­ gangssituation in vielen Sagenschilderungen der Unterhaltungsliteratur. Wenn ein Schriftsteller der älteren Zeit das Erzählen vom fliegenden Holländer nicht auf ein Schiff verlegt, dann doch wenigstens in eine Seemannskneipe. Aber auch aus dem unmittelbaren Leben haben wir Zeugnisse darüber, daß unsere Sagen auf den Schiffen Gesprächsstoff gewesen sind. Schon 1806 notiert Rich­ ter, Geschichten holländischer Matrosen über verwünschte Inseln und eine verwünschte Fregatte hätten kein Ende genommen, auch von Kalfatermänn183

dien hätten sie gesprochen. Ein dänischer Seemann schildert in seinen Erinne­ rungen, wie 1860 ein Matrose auf der Nachtwache vom fliegenden Holländer berichtet. Ein anderer Däne schreibt: „Wir haben immer und immer wieder von diesem Schiff erzählt“. Häufig wurde, gerade über das Geisterschiff, dis­ kutiert. Die schönsten Beispiele stehen in der fiktiven Literatur, in der sich deutlich eine Entwicklung vollzogen hat. Während die Gespräche älterer Werke (1826H1, 1828H2, 1834H) sich bemühen, verschiedene Varianten der Sagenüberlieferung auszubreiten, geht es in den Diskussionen neuerer Literatur meist um Glauben oder Nicht-Glauben (1914H, 1922H), ganz so, wie es uns aus der Wirklichkeit der amerikanische Seemann Dick Maitland anschaulich schildert (1880H2). Wir dürfen aber, wenn wir uns an Mollers Aufzeichnun­ gen (1959H2) erinnern, annehmen, daß die Unterhaltung über reale „fliegende Holländer“, nämlich über Schiffe, die schneller segeln als das eigene, bei den Matrosen immer mehr in den Vordergrund rückten. Die unmittelbaren Quellen gehen, wenn sie Erzählsituationen überhaupt erwähnen, fast nie ins Einzelne. Meist hören wir nur: „Von’t Petermännchen heff ik vääl verteilen hüürt“ oder „Ik heff führt mit Hollanners — dee hebben mi dat verteilt". Wir dürfen aber zweifellos öfter eine Erzählrunde annehmen, beim Segelausbessem, auf der Frei- und Nachtwache; auch in Hafenlokalen und daheim. Manches merkwürdige Erlebnis, wie etwa die KlabautermannBegegnung von Hinrich Rohde aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, blieb in der Familie lebendig, weil die Kinder die Geschichte immer wieder hören wollten (1953K3). Bemerkenswert ist, daß wir Erzählsagen nur im Balti­ kum vereinzelt von Kapitänen erfahren; auch in der Literatur sind ihnen die Stoffe (mit der bezeichnenden Ausnahme im Unterhaltungsbuch für Seeleute, 1838) nicht in den Mund gelegt. Die Sagen waren vor allem „vor dem Mast“, unter den Matrosen lebendig. Der Glaube ist keine notwendige Voraussetzung, um unsere Sagen zu er­ zählen. Schon Raigersfeld schreibt für 1787, daß die Seeleute die HolländerBegegnung zum Anlaß nahmen, um sich mit alten Überlieferungen zu unter­ halten (to amuse each other). Und im 20. Jahrhundert, wenn der Seemann mit dem vermessenen Fluch am Kap der Guten Hoffnung keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken kann und auch nicht mit irgendeiner schemen­ haften Spukbegegnung, dann dreht er sich aus dem fliegenden Holländer und dem Klabautermann mit Schwankmotiven ein handfestes Seemannsgarn zu­ sammen, und die spannende Geschichte ist wieder im Lot (1941H). Wir haben schon vom Erschrecken der Schiffsjungen gesprochen. Aber die älteren Seeleute begnügten sich nicht nur mit Worten, sondern haben sich auch oft genug einen unterhaltenden Spaß daraus gemacht. (—Hlw) „Se hebben den Jung rutschickt — en Madros’ hett tuten müßt, denn is em seggt worden: dat wier de fleegen Hollanner — so hebben se em grugen maakt." Sie haben ihn, war er auf der Wache eingeschlafen, mit einem Tau gefesselt — und das war der Klabautermann. Zuweilen wurden auch einzelne abergläubische Ma­ trosen so gehänselt. (1913K3“) Ein alter Kapitän, der zufällig mit einem Tauende am Mast scheuerte, hörte später, wie sich die Matrosen über die Er184

scheinung — den Lärm — des Klabautermann am Mast unterhielten; seitdem spielte er öfter „Klabautermann“.

Als charakteristische Spielgestalt ist der Klabautermann in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der Äquatortaufe überliefert. Am Tage vor der Taufe er­ schien er auf dänischen Schiffen als Bote Neptuns in Seestiefeln, Ölzeug und Südwester und mit Seeweizen in seiner Kleidung (1951K4, 1954K2); auf schwedischen Schiffen kennt man in der gleichen Funktion den „Löparnisse“, der einen roten Anzug trägt (1945K2). Eine fragmentarische Notiz, die Wossidlo unter dem Stichwort „Klabautermann“ abgelegt hat, scheint darauf hinzudeuten, daß auch auf deutschen Schiffen der Schiffsgeist gespielt worden ist: (J923K2'°) „... Hadden sik utkledt mit Wark, Swäwelsticken in’n Mund nahmen, denn hett Becker (dee wir’n bäten mall) ’n Vaderunser bädt. ’N Faden hadden se an sien Kist bunnen. ’Nu geiht’t jo mit mien Seekist weg!* “ Auf der dänischen Insel Fejo haben früher, wie an anderen Orten auch, zur Fastnacht Bootsumzüge stattgefunden. (1965K3) Sie sollen vor der Jahrhundertwende von bettelnden Masken, klabautermand-Gestalten, begleitet gewesen sein. Die Klabautermänner waren eher lang und dünn als klein, trugen Seemannskleidung und sahen abschreckend aus.

Zur Unterhaltung dienen unsere Gestalten auch, wenn ihr Sagenstoff in Liedern gesungen wird. Aus dem Liederheft eines preußischen Matrosen kennen

wir ein deutsches und von einem amerikanischen Seemann ein englisches Hol­ länderlied. Beide gehören in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Im Baltikum erinnerte sich eine Erzählerin an den Anfang eines Schifferliedes „Wenn der Schiffsgeist zu klopfen anfängt, so gibt es schlechtes Wetter...“ (—K141). Auch heute noch werden fliegender Holländer und Klabautermann in See- und Marineliedern häufiger erwähnt. Fassen wir den Klabautermann schließlich noch mit einem Blick in der Spielwelt des Kindes, wo er in Abzählreimen mehr oder weniger „mechanisch“ lebendig ist. (1923K4) Dar inn’t grot Water, Dar hust’n Kiabader. Wer’n Kiabader huln hört, De wull bald sin Schipp verleert. Een, tree, dree, Spring ut de Reeh! (1951K3) Bi de Wisdi an de Luuk — ’n oln Fohmsmann sitt, Verschrökelt denkt Ole Tieden he trüch. „Klabautermann!“ denk ick, Und weet von em düt: Wär ok mol Käpt’n Op de Brügg. 185

Die unterhaltende Funktion des fliegenden Holländers und des Klabau­ termann reicht von der Schilderung durch das Wort bis zur akustischen und optischen Darstellung; vom plastischen Erzählen bis zum mechanischen „Her­ unterleiern“; vom Erfreuen bis zum ErschreckenDer Funktionswandel

Der kennzeichnende Hintergrund, vor dem in den letzten anderthalb Jahr­ hunderten unsere Sagengestalten lebendig sind, ist die Glaubensentleerung. Schon am Beginn der schriftlich fixierten Überlieferung hat dieser Vorgang ein­ gesetzt und ist in immer breiterem Maße wirksam geworden. Er vollzieht sich aber nicht in kontinuierlicher Folge durch alle Schichten der Bevölkerung und ergreift auch nicht alle Seeleute zur gleichen Zeit und in gleicher Weise.

Da sich der volkstümliche Sinn- und Glaubensgehalt nicht unmittelbar kontrollieren, sondern nur an seiner Äußerung messen läßt, bleiben hier alle Ergebnisse notwendigerweise relativ. Aber man darf sicher behaupten, daß — soweit wir sehen können — an die eigentliche Holländersage, an das Ver­ fluchungsgeschehen, immer nur von einer Minderheit geglaubt worden ist. Nach dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts verschwinden die Zeugnisse darüber fast ganz. Als unglückbringendes Geisterschiff ist der fliegende Hollän­ der häufiger und vereinzelt noch nach der Jahrhundertwende gefürchtet. Daß man aber überhaupt so einem merkwürdigen Phänomen begegnen könne, ist vielen Seeleuten des vergangenen Jahrhunderts so gewiß, wie den heutigen Ma­ trosen die Fata Morgana.

Der Glauben an einen Schutzgeist der Schiffe dürfte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter den Seeleuten der Nord- und Ostsee ziemlich weit verbreitet gewesen sein. Auch in der zweiten Jahrhunderthälfte wird noch lebhaft an ihn geglaubt, aber es sind auffälligerweise meist Einzelpersonen oder Minderheiten, von denen wir das erfahren. Allerdings scheint es so, als ob die Vorstellung von der Verderben-ankündigenden oder gar Verderben­ hervorrufenden Eigenschaft des Klabautermann, die damals immer stärker in den Vordergrund tritt, einen gewissen Glaubenszuwachs gebracht hätte. Jedenfalls erlangt dieser Glauben im Meiden der putermann-S&iffe einen besonders wirksamen Ausdruck. Beim Hänseln der Schiffsjungen, schließlich, tut der Klabautermann noch längere Zeit seinen Dienst. Es ist in der Glaubensfunktion nicht durchweg, aber doch im allgemeinen zwischen den Schiffsoffizieren und den Seeleuten „vor dem Mast“ zu un­ terscheiden, vor allem aber zwischen den Seeleuten insgesamt auf der einen Seite und der Landbevölkerung auf der anderen. Schon das Wissen über die Sagengestalten zieht eine deutliche Grenze. Erst im Laufe der 1820er Jahre werden der fliegende Holländer und der Klabautermann, die bis dahin allein dem Seemann zugehörten, dem Leser des Binnenlandes bekannt. Unsere Über­ lieferung verbreitet sich hier von Anfang an, man möchte sagen: als „bewußte“ Sage, als ein Stoff, dem zwar Glaubwürdigkeit zugedacht, aber nicht entge­ gengebracht wird. Die Diskrepanz zwischen den ursprünglichen Vorstellungen 186

und dem Wissen des Lesers, die der Schriftsteller mehr oder weniger geschickt zu verwerten sucht, ist ein wesentlicher Reiz der Holländer- und Klabauter­ mann-Novellen. Zuweilen wird in der Literatur auch gleich eine moralische Deutung gegeben und damit die Glaubensgestalt von vornherein zum Tode verurteilt. H. Smidt macht 1828 aus dem Klabautermann einen schützenden Engel, der aus den christlichen und liebevollen Werken der Seeleute entstehe, aber dann, wenn er Untaten sehen müsse, immer kleiner werde und schließlich ganz verschwinde. A. Kopisch sagt in seiner Ballade frei heraus: „Courage“ heißt der Klabautermann! Mit Distanz in der Glaubensaussage, aber stofflich in ungewöhnlicher Dichte erobern fliegender Holländer und Klabautermann unterhaltend den Wissens­ schatz des Binnenländer. Und bald nach 1900 teilt ein Handelsschiffsoffizier brieflich mit: „__ Selbst die wohl jedem Landbewohner geläufige Sage vom ,fliegenden Holländer* kennen die meisten Seeleute nur dem Namen nach, und ich glaube kaum fehl zu gehen, wenn ich behaupte, daß höchstens dem dritten Teil sämtlicher deutschen Seeleute diese Sage auch nur inhaltlich bekannt ist70“. Innerhalb von hundert Jahren hat sich die Lebendigkeit unserer Sagenstoffe soziologisch verlagert. Daß der fliegende Holländer um 1900 auf dem Lande wirklich volkstümlich geworden war, zeigt unter anderem auch ein vielbelach­ ter Scherz auf dem Hamburger „Dom" (Jahrmarkt). Dort kann man damals für einen Groschen den „Fleegen Hollanner“ sehen — einen Holländer-Käse, der an einem Tau hängend hin- und hergeschleudert wird (1953H2). Ein Kapitän, nach dem Schiffsgeist befragt, erinnert sich: {193OK1'°) „Ik hadd mal’n Wiener an Buurd, dee säd to mi: Ich bin bange vorm Klabatersmann.“ Das klingt, als wäre dem erstaunten Seebären eine solche Einfalt noch nicht vorgekommen. Der überblickbare Zeitraum zeigt nicht nur ein durch die Jahrzehnte viel­ fältig differenziertes Auflösen und Ersetzen einzelner Funktionen; nicht nur, daß eine Gestalt als Realität an sich unglaubhaft wird, für eine kurze Zeit noch zur Erklärung dieser oder jener Erscheinung dient, dann als reine Erzählfigur in Unterhaltungsstoffen weiterlebt, um schließlich, bevor sie ganz verlöscht, als abstrakter Name noch wenige allgemeine Klänge ihres vergangenen Seins heraufzubeschwören; — es offenbart sich darüber hinaus ein Wandel innerhalb einzelner Funktionen. Das Erklären merkwürdiger Dinge mittels unserer Gestalten ist im wesent­ lichen nur auf See möglich gewesen; denn auf dem Meer boten sich entspre­ chende Anhaltspunkte. Außerdem sind die Sagengestalten nicht im Kleid des Numinosen „an Land gegangen“. Die Ausnahmen bleiben den ursprüngli­ chen Zusammenhängen nahe. Wenn es im Hause eines Kapitäns oder Reeders rumort, dann ist das nicht ein gewöhnlicher Klopfgeist, sondern der Kla­ bautermann, der dem Schiff vorausgeeilt, um dessen Ankunft zu melden. Als man einst auf dem Rhein bei Honnef einem holländischen Schiff begegnete, das bei Windstille mit großer Schnelligkeit zu Berg fuhr, wurde es nicht als 70 Zit. bei Müller 1911, S. 91. 187

irgendein Geisterschiff, sondern speziell als der fliegende Holländer bezeich­ net (1904H). Aber nur vereinzelt haben die Sagengestalten einen Teil ihrer erklärend wirkenden Kraft auf das Festland gerettet. Auch auf See werden sie von der Aktivität in die Passivität gedrängt, werden vom Mittel zum Ge­ genstand des Erklärens. Denn lautlos verschwinden kann das Irrationale nicht; der Erklärwille des Menschen setzt es zuvor noch dem Blick der Ratio aus. Und diese spielt sich dann zuweilen selbst einen Streich. Vom Klabauter­ mann erfahren wir: (1932K1W) „Dat hüürt sik so an, as wenn’n Discher Nögel inhaugt. Dat is’n Worm (!)."

Wie der Bildgehalt langsam verlöscht, zeigt sich in der benennenden Funk­ tion am deutlichsten. Als der Klabautermann im vorigen Jahrhundert ein Kosename für quicklebendige Kinder ist, lebt — wie Redewendungen zeigen — die Analogie zu einer entsprechenden Koboldvorstellung noch. Heute liegt die bildliche Kraft der Wendung „mien lütte Klabater“ fast ausschließlich in dem Eigenschaftswort „klein“. Auch über den fliegenden Holländer dürften die Vorstellungen noch ziemlich plastisch sein, solange Seeoffiziere mit einer Versetzung auf dieses Schiff drohen. Dem reinen Fluchwort gehört dann meist keine klare Bild Vorstellung mehr zu; es wird emotionell ausgesprochen und orientiert sich vor allem an einer Assoziation des Bösen. Das erklärt auch, warum spontane Redewendungen bei unangenehmen Situationen in gleicher Weise den fliegenden Holländer und den Klabautermann beschwören. Für den Landbewohner ist mit den Gestalten eine noch allgemeinere Assoziation ver­ bunden, nämlich das Meer schlechthin, und meist ist unter solchem Aspekt die Verwendung der Spitznamen zu verstehen. Durch das Unterhalten haben fliegender Holländer und Klabautermann zweifellos die größte Breitenwirkung erzielt. In der Zeit des noch latent vor­ handenen Glaubens entbehrt das Gespräch auch einer gewissen belehrenden Funktion nicht. Aber vor allem hat man erzählt und gelesen. Die Sagen dienen in gedruckter Form ebenfalls der Entspannung und dem Vergnügen. Nach dem Verlust der mündlichen Tradition mit dem Untergang der Segelschiffe kommt den (schriftlichen) Äußerungen wieder eine stärker belehrende Funk­ tion zu. Die Sagen sind nun auch Anlaß zur Reflexion: das also haben sich die Seeleute früher erzählt! Man könnte beinahe von einem sekundären Genuß unserer Sagenstoffe unter historisierendem Aspekt sprechen. Nicht nur dem Klabautermann gilt das Interesse, sondern auch dem unbekannten (und unge­ nannten) Seemann, der einst an ihn geglaubt. In ähnlicher Weise ist der Schiffsgeist als Bote Neptuns bei der Äquatortaufe zu verstehen. Dieses Brauchtum hat sich heute praktisch zu einem historischen Schauspiel vergan­ genen Seemannslebens entwickelt, und da darf eine so „typische“ Sagengestalt der See natürlich nicht fehlen.

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Die beiden Sagengestalten Wir haben die Überlieferungen vom fliegenden Holländer und vom Kla­ bautermann in vierfachem Ansatz zu analysieren versucht und unser Augen­ merk jeweils isoliert auf bestimmte Merkmale der äußeren und inneren Er­ scheinung gerichtet. Diese Betrachtung konnte nur vorläufig sein: Stoff und Struktur, Gehalt und Funktion bedingen sich gegenseitig; der Gehalt mani­ festiert sich wesentlich im Stoff, die Funktion in der Struktur. Alle Einzelbe­ standteile sind in ihrem Erscheinungs- und Wirkungsgefüge miteinander ver­ flochten und nicht säuberlich trennbar; das lebendige Kulturgut ist immer ein Ganzes. Aber nicht darin, ein Kulturgut als ganzes wieder sichtbar zu machen, be­ steht die noch vor uns liegende Aufgabe. Eine bestimmte Holländersage und eine einzelne Klabautermann-Vorstellung für sich allein interessieren uns nicht. Nur zum besseren Verständnis eines solchen, oft banalen Phänomens hätte der Aufwand wahrlich nicht gelohnt. Die Analyse unserer Sagengestalten geschah immer mit dem Blick auf den Menschen, der sie geschaffen hat und mit ihnen lebt. Unter diesem Aspekt auch gilt es, die Ergebnisse der vier ver­ schiedenen Ansätze zu vereinen. Das wollen wir im dritten Teil der Arbeit versuchen. Vorher sei der zweite Teil, der zwar für die Erkenntnis des Menschen nur Vorarbeit leisten sollte, aber nichtsdestoweniger in der Erkenntnis zweier Sagengestalten eine eigene Aufgabe hatte, mit einer kurzen Zusammenfassung abgeschlossen. Sie soll trotz aller stofflichen Gegensätze die Verwandtschaft zwischen dem fliegenden Holländer und dem Klabautermann betonen.

Soweit wir sehen können, ist das 19. Jahrhundert die Blütezeit unserer Gestalten. Beide sind auf der See mindestens im ausgehenden 18. Jahrhundert bekannt, steigen in den 1820er Jahren in das Bewußtsein der lesenden Be­ völkerung des Binnenlandes, sind dann auf dem Lande wie auf dem Meer in einer großen Formen- und Farbenfülle lebendig, beginnen sich seit den 1880er Jahren mit dem Ablösen der Segelschiffe langsam aus dem Gedächtnis der Fahrensleute zu verflüchtigen und sterben schließlich im Laufe des 20. Jahr­ hunderts auch in der Unterhaltungsliteratur von der See.

Der eine Ansatzpunkt für die Entstehung beider Sagengestalten dürfte in natürlichen Erscheinungen zu sehen sein, der andere in allgemeinsten, zum Teil wohl psychisch bedingten Vorstellungen tradierten Glaubens. Der gemein­ same Mittelpunkt ist das Erleben des Seemannes. Wochen-, ja monatelang ist allein das Schiff seine Heimat und die See seine Welt. Er sieht Luftspiegelungen und Nebelbänke, hört das Knarren der Schiffsbalken und das Klappern der Segel; (er weiß, daß es geisterhaft vorbeijagende Schiffe gibt, und er kennt den klopfenden Kobold in seinem Elternhaus); und die Phantasie ist lebendig. Eines Tages hat das Ding seinen Namen. Aus einer Laune, einer histori­ schen Reminiszenz, aus einer schöpferischen Phantasie geboren. Was auf der See spukhaft begegnet, ist nun kein bloßes Geisterschiff mehr, sondern ein 189

fliegender Holländer; was auf dem eigenen Schiff rumort, ist nicht irgendein Klopfgeist, sondern ein Klabauter- oder Kalfatermann. Der Schritt ist nicht weit, daß das allgemeine Wesen, das einen Namen hat, ein besonderes Wesen wird: daß der fliegende Holländer nur ein ganz bestimmtes Fahrzeug dar­ stellt und der Klabautermann nur den bestimmten, einzigen Kobold des eige­ nen Schiffes meint. Unsere Gestalten verkörpern die wichtigsten Aspekte merkwürdigen Er­ lebens: das Gesehene und das Gehörte; sie repräsentieren die entscheidenden Teile seemännischer Umwelt: die See und das eigene Schiff. Beide Vorstel­ lungen versuchen, das Ungewöhnliche vertraut zu machen und in gewissem Umfang zu erklären. Beide wachsen, und sie wachsen sich entgegen; sie zeigen, daß sie im Grunde demselben Mittelpunkt entspringen. Gleichermaßen werden sie mit dem Sturm und der Flaute verbunden. Das Erscheinen der Gestalten kündigt Unheil an oder bringt es. Ihr äußeres Bild nimmt Züge der Totenwelt auf, und beide werden bisweilen dem höllischen Bereich zugewiesen. Sie nähern sich auch darin, daß der Klabautermann später (ohne Todesdrohung) manch­ mal dem sichtbaren, der fliegende Holländer vereinzelt dem akustischen Be­ reich (—Hlw) zugeordnet wird. Als Erzählstoff bleibt zwischen ihnen notwendigerweise ein Unterschied. Das Geisterschiff gehört auf das Weltmeer und kann jedem Segler begegnen; der Klabautermann gehört seinem Schiff und ist auf jedem Fahrzeug ein an­ derer. Vom fliegenden Holländer kann man sozusagen „gültig“ erzählen, vom Klabautermann immer nur beispielhaft. Der fliegende Holländer wird in dem Augenblick zum Mittelpunkt einer geschlossenen Erzählung, wo sich der Sagenschwerpunkt von dem Schiff auf seinen Kapitän verschiebt. Jetzt erregen Handlungsmotive menschliches Interes­ se und werden dramatisch gestaltet. Der Klabautermann erweckt nie die gleiche Anteilnahme; erst wenn er einem Menschen fest zugehörig ist, entsteht die spannende Geschichte1. Der Klabautermann gehört nach dem Glauben aber mehr zum Schiff als zu seinem Kapitän; ihm fehlt ein lebendiger Partner auch aus seiner eigenen Welt, denn er lebt ja allein. Sehr spät erst hat man gelernt, dieses Schicksal für eine echte Erzählung zu überwinden. Zwei Klabauter­ männer können sich (jedenfalls auf Rufweite) mit ihren Fahrzeugen auf See begegnen oder sich im Hafen gegenseitig besuchen. Ferner kann die Inbesitz­ nahme eines Schiffes mehrere Geister zusammenführen. Hier wird bereits eine Glaubensvorstellung (der Herkunft) eingeschränkt. Sie wird schließ­ lich ganz ignoriert, wenn sich drei Schiffsgeister eines Fahrzeugs auf hoher See streiten (1892KW). Die Holländersage mit einem zentralen Helden erstrebt dessen Beglaubigung in einer historischen Erzählung; die Klabautermannsage um einen Geisterdia­ log (Streit) strebt aus dem Glauben zur märchenhaften Geschichte. Damit hat die Klabautermann-Erzählung die Zäsur der Glaubensentleerung übersprungen, denn sie fordert keinen Glauben mehr und kann fortleben wie das Märchen, 1 Vgl. 1820K (Schipper Gau un sin Puk); 1837K.

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solange der Mensch des Wunderbaren bedarf. Der Holländerkapitän sinkt ins Vergessen, wenn niemand seine Tat mehr für wahr hält. Und die Erleb­ nissagen um Schiffskobold und Geisterschiff? Sie können sich, fehlt der Glau­ be, sie ernst zu nehmen, durch einen Sprung in die Komik retten. Sie können den Wahn entlarven, und wenn das nur witzig genug geschieht, werden sie als Schwank noch eine Zeitlang bestehen (1899K, 1912H1, 1941H). Die Erzählsage ist die anziehendste, weil strukturell geschlossenste Form der mündlichen Überlieferung unserer Gestalten. Sie verlangt jedoch, um ihren Stoff im Volksleben zur Wirkung zu bringen, eine Erzählsituation, die — gerade auf Segelschiffen — nicht überall vorhanden war. Fliegender Hollän­ der und Klabautermann sind darum in Glaubensvorstellungen, in Redensarten und metaphorischen Anspielungen „gängiger“ und durch die Häufigkeit kaum sehr viel wirkungsloser ins Seemannsleben gefügt. Beide Sagengestalten haben in diesem Komplex ihrer Überlieferung eine verblüffende Ähnlichkeit erreicht: zu den analogen Glaubensvorstellungen gesellen sich austauschbare Wendun­ gen und Metaphern. Wer in Windstille gerät, wer das schlechte Wetter ver­ flucht, kann beide Gestalten zitieren; wer einen schnellen Segler bewundert, an beide erinnern; wer den Schiffsjungen hänselt, ihn mit beiden erschrecken; wer für irgendeinen Seemann einen Spottnamen sucht, sich beider bedienen. Aber immer beziehen sich solche Kleinformen der Überlieferung auf Glaubens­ und nicht auf Erzählmotive. Es wäre sinnlos, den Gegenwind oder auch die gute Reise dem Klabautermann deswegen zuzuschreiben, weil sich diese Geister gern streiten; auch ein Matrose wird nicht etwa darum fliegender Holländer genannt, weil er gotteslästerlich flucht und seine Kameraden malträtiert. Die Jolle „Klabautermann“ und die „Flying Dutchmen“ im Bootshafen erinnern ebenfalls nur an eine vergangene Glaubensgestalt und nicht an ein sagen­ haftes Geschehen. Man mag einwenden: diese Übereinstimmungen höben trotz allem die un­ überspringbaren Gegensätze in den Erzählstoffen vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann nicht auf; wer sich nur auf die allgemeinsten Glau­ bensvorstellungen beziehe, könne nicht mehr als den banalen Beweis für die Verwandtschaft aller Geister erbringen. Solange die Meinung gilt, daß schon der Stoff und der Stoff allein die Verwandtschaft zweier Kulturgüter be­ stimmt, ist jenem Einwand nicht zu widersprechen. Wir dürfen aber darauf hinweisen, daß unter volkskundlichem Aspekt die Funktion der Kulturgüter im Volksleben dominiert und daß darum der Versuch gestattet sein muß, diesen Blick behutsam auch auf die Sagenüberlieferung zu übertragen. Dann aber — wird erneut entgegnet — komme die Selbstverständlichkeit heraus, daß alles, was im Volk erzählt wird, als „Volkserzählung“ zusammengehört. Auch dieser Einwand zielt zu kurz, weil er die Bedeutung der Funktion ver­ absolutiert. Die Formen, in denen sich ein Kulturgut unter den verschiedenen Aspekten zeigt, sind alle heranzuziehen und gegeneinander abzuwägen. Wir haben gesehen, wie sich der fliegende Holländer und der Klabautermann in Glaubensvorstellungen und sekundären Bildmotiven begegnen, wie sie sich in der Breite ihrer Überlieferungsstrukturen mit nur geringen Akzentverschiebun191

gen entsprechen, wie sie aus der gleichen seemännischen Lebenssphäre heraus­ wachsen und deren Gehalt verkörpern, wie sie schließlich, und vor allem, eine Unzahl gleicher Funktionen ausfüllen. Sie dienen zunächst dem See­ mannsleben. Es gibt in diesem Umkreis keine Überlieferung, die man auch nur entfernt in vergleichbarer Weise unseren Gestalten zugesellen könnte; immer ist die Verwandtschaft dann, mag sie auch enger erscheinen, bedeutend ein­ seitiger an einen Erzählstoff oder einen historischen Gehalt oder eine be­ stimmte Funktion gebunden. Ihre Funktionsbreite rückt sie zusammen, und die Widersprüchlichkeit der einzelnen Klabautermann- oder Holländer-Belege selbst ist letztlich auch ein Ausdruck für ihre Funktionsbreite: sie sind Re­ präsentanten der See und müssen damit überall verwendbar sein. Zweifellos bildet eine Glaubensentleerung die notwendige Basis der Funktionserweiterung. Aber die Glaubensentleerung gehört ja (als wachsender Vorgang), seit unsere Gestalten faßbar sind, fest zu deren Lebensgrund.

Auf dem Lande sind fliegender Holländer und Klabautermann gleichfalls und in noch betonterem Maße die Vertreter seemännischer Sagenwelt. (Bei den Kindern lebt der Klabautermann allein und — außer in Abzählversen — auch nur der Urgroßvater des modernen Geistes. Die Schulpädagogik hat ihn, von Verniedlichungen abgesehen, in der gutmütig-neckischen Form des mittleren 19. Jahrhunderts erstarren lassen23 .) Bei alldem vergessen wir nicht, daß auch unsere Gestalten in das Geflecht einer umfänglichen Sagenüberlieferung ein­ gepaßt sind und sich nach allen Seiten verästeln und verknoten: der Wieder­ gänger und der Klabautermann und der Unglücksvogel und das wie ein Vogel fliegende Holländerschiff (1892H3) und das kleine, Unglück-verheißende Schiff über dem Land und auf dem Land die Klabautermännchen des Schnei­ ders und die Heinzelmännchen zu Köln und der Klabautermann auf dem Geisterschiff (1838K) und das Geisterschiff des toten Bräutigams und so weiter und so fort... „Das eigentliche Leben dieser Vielgestaltigkeit und Vielgesichtigkeit der Sage entzieht sich aller breiteren Einsicht. Wir werden uns immer mit Beispielen begnügen müssen.“ (L. Schmidt)*. Der fliegende Holländer und der Klabautermann waren nur Beispiele. Aber wir sind gewiß, daß sie beide zusammen für die Seemannssage der neu­ eren Zeit ein charakteristisches, wenn nicht das repräsentative Beispiel schlecht­ hin bedeuten.

2 Als in einem Gebäude des Schullandheims in St. Peter-Ording, das nach dem 1959 gesunkenen Segelschulschiff „Pamir“ benannt war, immer wieder Unglücksfalle ge­ schahen, wurde es in „Klabautermann“ umgetauft (1960K2). 3 L. Schmidt 1963, S. 112. 192

DRITTER TEIL

Volksleben

Mit dem Segelschiffe ist ein gut Theil Poesie des See­ lebens für immer geschwunden! R. Werner: Seebilder. (1876).

Mit den Segelschiffen verschwand die Romantik von der See; aber zugleich verschwanden auch die brüllen­ den, brutalen Hunde, die sie segelten.

J. P. Serensen: 30 Aar paa soen. (1933).

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Gerndt

Zur Definition „Volkskunde ist die Wissenschaft vom Volksleben. Das Volksleben besteht aus den zwischen Volk und Volkskultur wirkenden Wechselbeziehungen, soweit sie durch Gemeinschaft und Tradition bestimmt sind.“ (R. Weiß)12 3. „Volkskunde ist die Wissenschaft vom Leben in überlieferten Ordnungen." (L. Schmidt)*. “The object of folklife research (folklivsforskning) is to arrive at a deeper knowledge and understanding of man. It is the science of man as a cultural being.... The subject of the folklife research we are concemed with is, in my opinion, a comparative culture research on a regional basis, with a sociological and historical Orientation and with certain psychological aspects.“ (S. Erixon)’.

Mit dem Blick auf die Seeleute aus den Küstenländern der Nord- und Ostsee, vor allem, haben wir den fliegenden Holländer und den Klabautermann in ihren verschiedenen Erscheinungsformen vergleichend untersucht. Die Betrach­ tung hat sich unter wechselnden Aspekten an einem bestimmten Kulturgut orientiert, von dem wir im geschichtlichen Überblick nur sahen, daß es ganz offen­ sichtlich die Lebenswelt einer größeren Menschengruppe berührt und — im gro­ ßen und ganzen — keine kulturelle Höchstleistung darstellt. Die einzelnen Überlieferungen schienen als Bestandteil im Leben der Menschen bedeutsamer durch ihr quantitatives Vorhandensein als durch ihren ästhetischen oder philo­ sophischen Wert. Die Interpretation hat diesen Eindruck bestätigt und ferner gezeigt, daß zwischen dem Kulturgut und seihen Trägem enge Wechselbezie­ hungen lebendig sind. Wieweit diese Wechselbeziehungen nun mit Volksleben, das durch Gemeinschaft und Tradition bestimmt ist, oder allgemeiner: mit Le­ ben in überlieferten Ordnungen identisch sind, wieweit sie etwas über den Menschen als ein kulturelles Lebewesen auszusagen vermögen, bleibt zu for­ mulieren. Richard Weiß und Leopold Schmidt stecken, indem sie die Aufgabe der Volkskunde definieren, bereits den Rahmen der Ergebnisse ab. Den durch die Forschungsgeschichte überlieferten schwammigen „Volk“-Begriff versucht Weiß in einem neuen Zentralbegriff „Volksleben“ zu festigen und bestimmt diesen durch die Kriterien Gemeinschaft und Tradition. Schmidt verzichtet auf den „Volk“-Begriff ganz und spricht von „Leben“, das er durch überlieferte Ord­ nungen eingegrenzt sieht. Beide Forscher haben damit schon Erkenntnisse zur Struktur ihres Gegenstandes in die Definition gefügt: nur daß Schmidt der ge­ naueren Bestimmung mehr Raum läßt als Weiß, welcher mit Gemeinschaft und Tradition die Hauptkomponenten festlegt. Der Weg unserer Untersuchung schließt sich, nachdem wir von einem an­ schaulichen Zusammenhang ausgegangen sind, über die systematische Analyse 1 Richard Weiß: Volkskunde der Schweiz. Erlenbach-Zürich 1946, S. 11. 2 Leopold Schmidt: Geschichte der österreichischen Volkskunde. Wien 1951, S. 10. 3 Zit. bei Ake Hultkrantz: General Ethnological Concepts. (= International Dic­ tionary of Regional European Ethnology and Folklore, Vol. I). Kopenhagen 1960, S. 133.

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wieder in einer Zusammenschau, jetzt auf abstrakter Stufe. Es handelt sich hier um ein „Begreifen der Dinge nach ihrem Wesen und Gesetz“ (Riehl)4, d. h. — Gerhard Lutz hat erneut darauf hingewiesen — um den philosophi­ schen Inhalt der Volkskunde56 . „Die philosophischen Grundlagen jeder Wissen­ schaft“, führt Lutz aus, „stellen immer und in jedem Falle ein geistiges Gefüge, ein abstraktes Gebäude durchaus ungegenständlichen und unhistorischen Cha­ rakters dar. Das „Bau-Material" dazu sind nie Gegenstände der Anschauung, sondern stets einwandfreie Begriffe, Worte, die das Wesen, die Essenz der aus Anschauung und Abstraktion gewonnenen Erkenntnisse in sich begreifen.“ Nach der Betrachtung konkreter Äußerungen des Volkslebens fragen wir nun nach der Art und Stärke der sie bedingenden Strukturen, nach den Ge­ setzlichkeiten kulturellen Lebens*. Um unsere Ergebnisse nicht von vornherein allzu sehr einzuschränken, sollen uns die Definitionen des Volkslebens durch R. Weiß und L. Schmidt zunächst nur als Orientierungshilfe dienen. Ein flüchtiger Blick auf den Funktionswandel unserer Sagengestalten deutet bereits an, daß in der Gegenwart das Merkmal der Gemeinschaftsbindung weitgehend verschwunden ist, so daß wir entweder für unser heutiges Volksleben auf einen engen Gemeinschaftsbegriff verzichten oder aber für den modernen Stand unserer Kultur das Volksleben selbst ver­ neinen müßten. Es unterliegt jedoch, wie wir gesehen haben, keinem Zweifel, daß der fliegende Holländer und der Klabautermann bis an die unmittelbare Gegenwart heran lebendige Bestandteile des „realen Lebens der kleinen Leute“ (H. Bausinger) gewesen sind. Um einen Einblick in dieses reale Leben zu ge­ winnen, sollen uns die Begriffe Gemeinschaft und Tradition hypothetische Leit­ linien sein, ohne daß wir sie ganz allgemein als notwendige oder alleinige Be­ deutsamkeiten voraussetzen.

4 Wilhelm Heinrich Riehl: Die Volkskunde als Wissenschaft. In: Culturstudien aus drei Jahrhunderten. Stuttgart 1859, S. 220. 5 Gerhard Lutz: Die Sitte. Zu den philosophischen Grundlagen der Volkskunde. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 77 (1958), S. 337—361, hier S. 341. 6 Vgl. Gerhard Heilfurth: Volkskunde jenseits der Ideologien. Zum Problemstand des Fadies im Blickfeld empirischer Forschung. In: Hessische Blätter für Volks­ kunde 53 (1962), S. 9—28, hier S. 10. 195

Gemeinschaft im Volksleben Der vieldeutige Begriff „Gemeinschaft“ soll in der folgenden Betrachtung auf einen bestimmten Grad sozialer Verbundenheit in einer Menschengruppe hinweisen. Diese allgemeine Formulierung steckt nur den Rahmen unserer Fragestellungen ab, weniger ihr Ziel. Denn: Es geht nicht in erster Linie darum, die sozialen Grundlagen der Kulturgüter zu erfassen, sondern um besondere Formen der Geistigkeit, welche auf bestimmten sozialen Grundlagen bestimmte kulturelle Güter hervorbringen1. Die volkskundlich-kulturgeschicht­ liche Betrachtungsweise schaut also — im Gegensatz zur soziologischen — nicht in erster Linie auf das Sozialgefüge selbst, sondern auf sozial (und kulturell) intendierte Lebensformen, die in unserem Falle ihren konkreten Ausdruck in den Überlieferungen vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann gefunden haben. In ganzheitlicher Sicht wollen wir uns dem „sozialen“ Fragenkomplex von zwei Seiten nähern. Wir werden einmal versuchen, vom Kulturgut ausgehend, die Zeugnisse in Überlieferungsräume — die jeweils von bestimmten Menschen­ gruppen bevölkert sind — zu ordnen, und zweitens, von den Überlieferungs­ trägern ausgehend, das sozialkulturelle Leben der Seeleute — die sich unserer Sagengestalten bedienen — zu umreißen. Überlieferungsräume

Die Schwierigkeit, Seemannsüberlieferungen räumlich festzulegen, haben wir mehrfach erwähnt, und sie läßt sich auch nicht beseitigen. Die See ist offen und weiträumig. Die Fahrensleute sind überall zuhause. Wenn sie eine Sage irgendwo lokalisieren, dann muß das über deren Heimat gar nichts be­ sagen. Es bleibt im Grunde nur der problematische Versuch nationaler Zu­ weisung, wie er im 19. Jahrhundert hin und wieder — aber mit wenig Glück — begegnet; äußerliche Stoff- und Quellenhinweise wurden unkritisch übernommen und motivische Zuordnungen verallgemeinert. Aber die schwer­ punktmäßige Verteilung seemännischer Sagen und Glaubensvorstellungen auf einzelne Völker oder Völkergruppen dürfte nur erfolgversprechend sein, wenn sich auch Beziehungen zur festländischen Überlieferung aufzeigen lassen. Als Zwischenglieder sind hier vor allem Zeugnisse der Küstenschiffer und Fischer zu erwarten. Die französischen Sagenfassungen über das ewig segelnde Schiff (1832H, 1859H, 1902H1) unterscheiden sich deutlich von allen anderen Varianten, die wir betrachtet haben2. Das verdammte Fahrzeug ist mit Piraten, Gottes­ lästerern und Mördern beladen. Grauenvolle Frevel gegen die Menschlichkeit, vor allem blasphemische Taten werden eingehend geschildert. Der Kapitän pei­ nigt seine Mannschaft, schießt auf Gott, oder er kreuzigt einen Bischof und setzt einer Mutter ihr gebratenes Kind vor. Gottvater erscheint und spricht das Urteil; in der dritten Variante heißt es von den Piraten nach einem glücklich 1 Bausinger 1961, S. 10 (mit Hinweis auf L. Schmidt). 2 Am nächsten stehen ihnen mit dem Doppelmotiv Seeräuberei-Mord zwei frühe Überlieferungen in England und Deutschland: 1812H, 1824H.

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vereitelten Verbrechen, daß sie vor Gott erscheinen müssen, um zum ewigen Segeln verdammt zu werden. Das verfluchte Fahrzeug ist eine Hölle, der Teufel oberster Herr und Meister. Es gibt glühendes Eisen zu essen, Galle zu trinken, keinen Schlaf und Offizierspeitsdien, die in Rasierklingen enden. Wir hören, daß die Brigg von allen Flammen der Hölle begleitet ist, daß tau­ sende von Geistern im Feuer umherspringen und schreckliche Laute ausstoßen. — Andere Sagen aus Frankreich und z. T. aus den Niederlanden über Teufels­ fahrzeuge, teufelsbündnerische und blasphemische Kapitäne (Fokke!) und feu­ rige Schiffe lassen sich hier anschließen3. In diese Gruppe gehört auch die Falkenbergsage, die Geschichte jenes Adligen, der seinen Bruder und dessen Braut ermordet hat (1843H2).

Nur ein einziger Überlieferungskomplex ist mit dem der französischen Gei­ sterschiffe vergleichbar: die Sagen katalanischer Schiffer und Fischer. (Die Texte sind erst 1954 veröffentlicht worden. Da wir sie nicht genauer datieren können, sie überdies etwas außerhalb unseres Kreises der Fahrensleute in einem besonderen Milieu lebendig sind, haben wir sie bisher beiseite gelassen4. Er­ staunlicherweise begegnet das Motiv des ewigen Segelns mehrfach, und immer ist es in den gotteslästerlichsten Verbrechen begründet. Die Verdammten sind Piraten, die einen gütigen König zweifach übertölpelt oder eine Messe ver­ höhnt oder einen Priester beim Segnen ermordet haben, es sind von St. Peter verfluchte jüdische Ketzer oder Hunnen, die 1100 christliche Jungfrauen ge­ tötet. Aus Katalanien wird ferner berichtet, daß die Matrosen früher am Strand bestimmte Kiesel gesammelt haben, um sie im Notfall gegen das Teufels­ schiff zu schleudern und sich so zu retten (1954H61). Eine um einen solchen Glücksstein gestaltete Erzählung ist die französische Sage vom „navire errant“ (1902H1). Man geht wohl nicht fehl, wenn man die betonten Ketzer- und Verbrecher­ motive in kirchlichem Umkreis und das anschauliche Eingreifen Gottes oder des Teufels mit der katholischen Geisteswelt in Verbindung bringt5. In Eng­ land, Deutschland und Skandinavien finden wir nichts Entsprechendes. In den romanischen Fassungen ist das Motiv des ewigen Segelns immer nur der Aus­ druck höchstmöglicher Verdammung und wird nicht durch einen vermessenen Schwur motiviert. Darum findet sich dort auch kein Ansatzpunkt für eine Erlösung, wie sie in England bei Marryat, in Deutschland bei Heine und Wag­ ner auftritt und von hier vereinzelt, zumindest in Anklängen, auch in die mündliche Überlieferung gelangt. 3 Z. B. Le bateau du diable. In: Revue des traditions populaires 24 (1909), S. 188. — Le capitaine sacrilege et le feu saint-elme. In: Ebenda 12 (1897), S. 393 f. — Schiffskapitän vom Teufel geholt. In: Wolf 1843, S. 531 f. u. ähnl. Dykstra 1892; Bd. II, S. 191 f. 4 Vgl. die Inhaltsskizzen in Belegtabelle IV (1954H14 — 1954H81). 5 Vgl.: das Hervortreten kirchlicher Elemente (in parodistischer Form) bei der Äqua­ tortaufe findet sich zuerst und vor allem auf französischen Schiffen; seit der 2. Hälfte des 18. Jhs. in zunehmendem Maße (Henningsen 1961, S. 58, 131, 148).

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Ein einsames Bindeglied zwischen dem romanischen Westen und Skan­ dinavien ist die deutsche Holländer-Novelle A. von Sternbergs. Sie enthält

einerseits das Motiv von dem frevlerisdien Kapitän, der einen Meßkelch ins Meer schleudert (vgl. 1954H31!) und andererseits die Schilderung eines stillen unbemannten Totenschiffs, der herrschenden Geisterschiff-Vorstellung im Nor­ den. Der Todessegler gehört hier mehr in den Glaubens- als in den Erzähl­ bereich, wird weniger phantastisch ausgeschmückt, als vor allem in der Funk­ tion eines schlimmen Vorzeichens gedacht. Der fliegende Holländer gilt in Skandinavien lange entweder als der Todessegler selbst oder doch als ein be­ sonderer Todessegler (der am Kap der Guten Hoffnung kreuzt). 1874 er­ scheint in Kopenhagen eine Übersetzung des Marryat’schen Geisterschiff-Ro­ mans unter dem bezeichnenden Titel „Dodsseileren, eller den Flyvende Hollaender“. Die heimische Überlieferung wird also auch in den internationalen See­ mannssagen wirksam. Noch stärker zeigt sich das in der nordischen Schiffs­ geist-Vorstellung. Außer den vereinzelten Namen trold und trull, die uns in dänischen und baltischen Zeugnissen begegnet sind, weisen auch die schwe­ dischen und finnischen Belege über männliche und weibliche Schiffsgeister* (schon 1601 wird in Schweden von männlichen und weiblichen Kielhölzem ge­ sprochen6 7) auf eine Beziehung zu der gemein-skandinavischen Troll-Überliefe­ rung. (Finnland kennt sogar weibliche Hausgeister89 ). In Skandinavien nehmen — im Gegensatz zu Deutschland — die in Gemeinschaften lebenden Natur­ wesen einen viel bedeutenderen Platz im Volksglauben ein als die allein lebenden Geister, und eine Hauptgruppe der sozialen Wesen sind hier die Trolle*. So ist es wohl kein Zufall, daß wir den Sagentyp von dem Streit um das Recht auf dem Schiff (Priorität) zwischen zwei oder mehreren Klabauter­ männern vor allem in Schweden, in Finnland und im Baltikum bei der schwe­ dischen Küstenbevölkerung finden. Die wenigen Belege aus Mecklenburg sind unausgeprägter und ohne Geisterdialoge, von einer einzigen — ganz singulären — Fassung abgesehen, die den Geisterstreit auf die hohe See verlegt. Unsere Quellenlage gestattet es nicht, großräumliche Wanderungen der Schiffsgeist-Motive klar zu bestimmen. Einige Schwerpunkte heben sich heraus. Während in Deutschland meist an eine mit dem Holz ins Schiff gelangende (Kinder-)Seele gedacht wird, stellt man sich in Skandinavien und im Balti­ kum häufig das Holz unmittelbar belebt vor; in Deutschland unterhalten sich die Geister verschiedener Schiffe, im Norden sind es Kobolde, die auf dasselbe Schiff Anspruch erheben. Wenn wir uns an dem Namen „Klabautermann“ orientieren, so ist zunächst festzustellen, daß dort, wo kabouters am frühesten belegt sind — in den Niederlanden —, Erdmännlein gemeint sind. Möglicher­ weise übertragen zuerst die Friesen auf ihren dem Hausgeist verwandten Schiffsgeist jenen Zwergennamen, der sich dann in der Lautform „Klabater6 7 8 9 198

1890K7, 1890K9, 1936K4; Simonsuuri 1961, S. 106 (G 1001). Zeitschrift für Volkskunde 44 (1936), S. 286 f. Simonsuuri 1961, S. 102 f. (G 121, 141, 201, 211). Hartmann 1936, S. 28 f.

mann“ über den ganzen niederdeutschen Raum ausbreitet und die vielleicht ältere, beschreibende Form „Kalfatermann“, die schon 1806 begegnet, zurück­ drängt. Beide Namen kommen wahrscheinlich — wie schon Loorits vermutet10 — im 19. Jahrhundert von den niederdeutschen Küstenstädten ins Baltikum. Kurz vor der Jahrhundertwende gelangt der Klabautermann von Deutschland aus auch nach Dänemark und bezeichnet dort seit den letzten Jahrzehnten vorherrschend den Schiffsgeist, der sich inzwischen zum Ozeangeist gewandelt hat. Die Seeleute

Das Volksleben auf See hat etwas andere Grundlagen als auf dem Festland. Es gibt keine örtlichen Gemeinschaften, deren Glieder durch Generationen mit­ einander verbunden sind, sondern jedes einzelne Schiff kennt nur eine zeit­ weilige Berufsgemeinschaft, die als Schicksalsgemeinschaft zusammengeschweißt wird11. Die Segelschiffsmatrosen kommen oft aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Sprachen und leben an Bord eng beieinander. Der kulturelle Austausch ist intensiv. Sein Fahrzeug wechselt der Seemann meist nur ungern. „Er wird sogar stolz darauf und fühlt sich bitter gekränkt, wenn ein anderes Schiff besser aufgeriggt, reinlicher gehalten wäre, oder gar, das Schlimmste von allem fast, schneller segelte, als das seine12.“ Das muß dann sozusagen ein Spukschiff, ein „fliegender Holländer“ sein. Die Seeleute sprechen von „ihrem“ Schiff und empfinden auch so: „Wenn Lüd’ an Buurd kamen, dee dor nich henhüren, denn mellt de Klabatersmann sik ok“ (1925K18*). Aber es gibt immer wieder Gründe, ein Schiff zu verlassen: Krach mit dem Kapitän, ein brutaler Steuermann, Havarie und Schiffbruch, besserer Ver­ dienst, auch Abenteuerlust und zuweilen das Heimweh. Die Matrosen ziehen mit Zeugsack oder Seekiste auf den nächsten Segler. In der älteren Zeit hat nur ein kleiner Teil von ihnen Frau und Kind1’. Trotz allem reißt die Verbin­ dung zur Heimat nicht ganz ab. Nur ein kerngesunder Mann kann die harte Arbeit an Bord leisten; im Alter muß er sich eine Beschäftigung auf dem Lande suchen. Manchmal verdingen sich die Seeleute im Winter in der Land- und Forstwirtschaft. Zumindest seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gerät auch der umherschweifende Tiefwassermatrose immer häufiger in die Spannung zwischen der Heimat an Bord und der Heimat an Land14. Der Wech­ sel der Erlebenssphären und die jeweilige Rückbesinnung im Familiengespräch beziehungsweise in den Erzählungen der Freiwache fördert den Austausch see­ männischer und festländischer Überlieferungen. Einerseits kann ein Hausgeist 10 Loorits 1931, S. 124. Verf. deutet ferner die Möglichkeit holländischer Einflüsse im 17. u. 18. Jh. an. Das ist aber nach der Quellenlage unwahrscheinlich. — Auf deut­ schen Einfluß weist u. a. die Wortübemahme estn. hentseldus „Geld zahlen“ von nhd. hänseln (Henningsen 1961, S. 236). 11 Stammler *1962, Sp. 2904 f. 12 Gerstätker ’o. J., S. 65 (1858). 13 Römer 1962, S. 132; Stammler *1962, Sp. 2905. 14 Zum Fragenkomplex Heimat s. Heinsius 1959/60, passim. — Vgl. außerdem zu diesem ganzen Kapitel Freudenthal 1962, S. 93—98. 199

mit seinem Herrn, etwa in Dänemark, aufs Schiff gelangen und andererseits ein Klabautermann, zum Beispiel im Baltikum, an Land gehen und zum Haus­ geist werden; die Kinder können von einer Begegnung mit dem fliegenden Holländer hören und die Kameraden eine spannende Magazin-Geschichte über das Geisterschiff, die ein Seemann daheim gelesen. Noch ein zweites Gegensatzpaar, das tiefer im Erleben wurzelt, prägt die Seeleute: sie leben einsam und ganz auf sich bezogen, sie sind zugleich welt­ offen und für das Fremde aufgeschlossen. Der Seemann sieht alle merkwürdigen Erscheinungen in einem Verhältnis zu sich und seinem Schiff, als Versprechen, als Warnung. Er malt sich den Schiffsgeist aus, der mit vielfältigen Handgriffen für ihn tätig ist; er phantasiert über das Geisterschiff, das ihm Unglück bringen könnte. „Wir segelten Tag um Tag, Monat um Monat. Nichts drang von au­ ßen in unsere abgeschiedene Welt. Wir und das Schiff; mehr gab es nicht“1516 . Die eigene kleine Nußschale ist der erlebte Mittelpunkt des Ozeans, aber auch nur der Mittelpunkt, der Kern der Gedankenwelt, die alle Meere umspannt. In Stockholm verläßt ein Klabautermann sein Schiff, das im Englischen Kanal sinkt; am Kap der Guten Hoffnung verschwört sich der Kapitän jenes Hollän­ derschiffes, dem man bei Kuba oder in Hinterindien begegnet; im Pazifik steigt der Klabautermann an Bord und vor Riga kündigt ein Geisterschiff Strandung an. Das Schiff ist die enge Heimat des Seemannes, aber die weite Welt ist ihm nicht fremd. Allein-sein bedeutet auf den alten Segelschiffen nicht auch die Gelegenheit, zu grübeln. „Ein Tag verlief wie der andere. Diese Eintönigkeit kam uns je­ doch kaum zum Bewußtsein, da wir immer schwer arbeiten mußten.. . ,“le. Die Arbeit füllt den Seemann aus; und nur in den Passaten, dem Paradies der „Windjammer“, ändert sich das. Die Arbeit ist in ihrer entscheidenden Form gleichzeitig der Kampf mit Wind und See; ein Komplex, der das Denken des Seemannes beherrscht und sich in den meisten seiner Überlieferungen nieder­ schlägt. Der Klabautermann hilft den Anker aufziehen und die Segel reffen; der Holländerkapitän verlangt im Sturm von seinen Matrosen den letzten Ein­ satz, und auch seine Flüche korrespondieren mit der Wirklichkeit: „In schwieri­ gen Lagen schimpfte der Seemann, fluchte zum Himmel hinauf und forderte unter schweren Verwünschungen, daß nun endlich einmal besseres Wetter kom­ men müsse. ,Denn verdammten Petrus sali de Dübel holen!“ und ähnliche Sprüche waren oft zu vernehmen“17.

So bleibt — im ganzen gesehen — die Freizeit der Matrosen auf See nur eine Randerscheinung, denn auch die Frei wache wird bei großen Segelmanövern häufig genug an Deck gepfiffen, und die Übermüdung ist groß. (Viele Segler sind in ihrer Mannschaft unterbesetzt, von den Kranken gar nicht gesprochen.) Einzig die Zone der stetigen Winde kann der Seemann als sein „Dorado“ be­ zeichnen, dann kann er fischen, spielen, basteln, erzählen und lesen. Dann 15 Römer 1962, S. 139. 16 Kircheiss 1953, S. 63. 17 Kircheiss 1953, S. 248.

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kann ein alter Seebär auch die Sagen vom fliegenden Holländer und vom Kla­ bautermann aufs Tapet bringen1819 ; und es gibt hartnäckige Erzähler. R. Werner berichtet von einem Fähnrich, der vorzugsweise Spukthemata behandelte: „Wehe dem Unglücklichen, der diesen Erzählungen zum Opfer fiel; unter zwei bis drei Stunden kamen sie nicht zu Ende, und unter den Nebenumständen ging überdies regelmäßig die Pointe verloren. An ein Entkommen war gar nicht zu denken, wenn man sidi mit ihm allein befand .. .1#“. Gelesen wird auf den Segelschiffen nicht viel und wenn, dann vor allem die Bibel. Aber immer wie­ der schmökern doch einzelne Matrosen in Romanen und billigen Zeitschriften. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts sorgen selbst Kapitäne und Reedereien manchmal für Lesestoff an Bord, ferner die Heilsarmee20. 1871 bietet ein kopenhagener Buchhändler eine Schiffsbibliothek mit 38 Büchern an, unter denen sich Romane von Bücher, Ingemann und Marryat befinden21. Daß ein echter Bedarf vorhanden ist, dürfen wir bereits aus dem Titel eines 1838 erschienenen Buches schließen: „Seemanns Zeitvertreib oder Unterhaltungsbuch für Seeleute in der Freizeit“. Wir erinnern uns daran, daß unsere Sagengestalten sowohl in diesem Werk als auch in Romanen von Bücher, Ingemann und Marryat be­ gegnen.

Die Art und Weise seemännischen Lebens: das enge Zusammensein an Bord zwischen Matrosen verschiedener Herkunft und Sprache, eingefügt in die Wech­ selkräfte einer doppelten Heimat, gekennzeichnet durch die Spannung eines auf sich bezogenen Denkens bei gleichzeitiger Weltoffenheit, geprägt im Er­ lebnis gemeinsamer Arbeit und gemeinsamen Schicksals — all das bestimmt Impulse und Wege der Überlieferungen vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann, die — dauernd abgewandelt — durch Erzählen und Lesen bei den Seeleuten lebendig sind. Der soziale Wandel

Das Zusammenleben der Menschen ist eine Grundtatsache unseres Daseins und wirkt sich zweifellos auf die volkstümlichen Lebensformen aus. Es fragt sich aber, in welcher Weise und in welchem Umfang einzelne Phänomene der sich wandelnden sozialen Gliederung an dem Kräftespiel beteiligt sind. Das Seemannsleben vollzieht sich in vielen kleinen, verhältnismäßig oft wechselnden Gemeinschaften, die aber besonders intensiv erlebt werden. Die natürlichen Bedingungen schaffen eine ganz eigene Lebenssphäre. Das Merk­ würdige auf See wird in viel stärkerem Maße als je auf dem Lande zum Kol­ lektiverlebnis einer geschlossenen Gruppe. Wenn die gesamte Besatzung ein Spukschiff vorüberrauschen sieht, so wird jene sagenhafte Erklärung, die ein alter Matrose geben mag, im Erleben gefestigtes Gemeinschaftsgut. Wenn man 18 19 20 21

Zum Erzählen während und nach der Arbeit s. oben S. 8 f. Werner ’1898, S. 260. Kircheiss 1953, S. 167. — Vgl. ferner Henningsen 1967, S. 74 ff. Lund 1964 (Samaend og Bager), passim; hier bes. S. 28.

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dem Klabautermann ein Gedeck auflegt, so berühren die damit verbundenen Vorstellungen alle Matrosen, und nur schwer wird sich ein einzelner auf die Dauer davon ausschließen können. Der dem Fahrzeug eigene Geist, der für Ordnung sorgt und faule und unaufmerksame Matrosen straft, kann geradezu zur ehrfurchtsvoll gefürchteten Zentralvorstellung einer Mannschaft werden und selbst nach der Glaubensentleerung noch augenzwinkernd weiterleben. Auf den Dampf- und Motorschiffen lockert die stärkere Arbeitsteilung das Gemein­ schaftsleben, die größere Sicherheit und die geringere Abhängigkeit von Wind und Wetter schwächt das Empfinden des Auf-einander-angewiesen-seins. Die schnelleren Reisen verkürzen ohnehin die Zeit des Zusammenlebens. Darf man behaupten, daß die Abwanderung des Klabautermann vom Schiff ins Meer auch ein Ausdruck der sich auflösenden Gemeinschaftsbindung ist? Die Gemeinschaft auf einem Segler bildet aber nicht nur den Lebensgrund, sondern auch den Schmelztiegel vieler Überlieferungen. Hier fließen im plau­ dernden Gespräch auf der Nachtwache oder beim Segelflicken all jene Vorstel­ lungen zusammen, die die einzelnen Seeleute aus ihrer Heimat mitgebracht ha­ ben. Hier vermengen sich festländische Traditionen mit seemännischen Überlie­ ferungen, die der eine oder andere auf seinem letzten Schiff erfahren. Die au­ genblickliche Erzählsituation wirkt als Katalysator. Die Schiffsgemeinschaft wächst zu einer Traditionsgemeinschaft aller Seeleute und noch darüber hinaus. Schon früh und vielleicht in größerem Umfang als andere soziale Gruppen haben die Fahrensleute Volkstumsgrenzen überschritten und internationale Le­ bensformen ausgebildet. Sind auch die Voraussetzungen für eine gleichmäßige Verbreitung und stetige Weitergabe vor allem geistiger Überlieferungen auf See weniger günstig als auf dem Festland: im ersten Viertel des 19. Jahrhun­ derts finden wir zum Beispiel den Holländerstoff zwar in wechselnder Gestalt, aber weithin bekannt. In der folgenden Zeit löst sich die ständische Isolierung der Seeleute rasch, der Buchdruck trägt Seemannssagen ins Binnenland und vereinheitlicht die Vorstellungen bei den Seeleuten selbst. Die allgemeine Ten­ denz zur Einheitskultur, durch die „Verfügbarkeit" der Güter ermöglicht (H. Bausinger), ergreift auch die Fahrensleute. Sie wird bei ihnen dadurch unter­ stützt, daß die familiäre Bindung des Matrosen ans Land zunimmt. Am Ende des vorigen Jahrhunderts sind unsere Sagengestalten unter Erwachsenen und Kindern auf dem Festland, unter Fischern und Schiffern an der Küste praktisch genauso lebendig wie unter den Tiefwassermatrosen. „Die Auffassung, daß nur ein sozial, wirtschaftlich, ideologisch und sittlich undifferenziertes Milieu lebendiger Träger eines Folklorerepertoires sein kann, ist als überaltert abzu­ lehnen.“ (J. Matl)22. Der fliegende Holländer und der Klabautermann gehören jahrzehntelang ins breiteste Volksleben, bevor sich ihre soziale Bindung wieder einengt. Heute haben die modernen Seeleute den Schiffsgeist vergessen, doch die Schulkinder kennen einen gutmütigen Kobold und die Sportsegler wissen, daß man den Klabautermann nicht ärgern darf. 22 Josef Math Deutsche Volksbücher bei den Slawen. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 2 (1955), S. 195.

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Tradition im Volksleben Der Sprachgebrauch unterscheidet bei der Weitergabe bestimmter Kultur­ güter von einer Generation zur nächsten gewöhnlich zwischen geistigem Be­ sitz, der überliefert, und materiellem Besitz, der vererbt wird. Eine solche differenzierende Begriffsbildung ist durchaus erwünscht, aber es empfiehlt sich aus systematischen Gründen, für den letztlich einheitlichen Vorgang auch einen zusammenfassenden Begriff bereit zu halten. Wir wollen „Tradition" in diesem (weiteren) Sinne verstehen als das Weiterreichen jeglichen Kultur­ gutes von den Eltern auf ihre Kinder und Enkel. Das Vorhandensein der Tradition ist leicht einzusehen und unbestreitbar. Wie sie sich jedoch in das Volksleben fügt, in welchen Formen sie wirksam und wieweit sie notwendig ist, das bleibt meist ganz im Dunkeln. Wir werden versuchen, beim Nachzeichnen einzelner Überlieferungsstränge der Holländerund Klabautermann-Zeugnisse verschiedene Merkmale der lebendigen Ver­ flechtung herauszuheben und uns ferner bemühen, auch den Wirkweisen des Tradierens selbst auf die Spur zu kommen12. Die ganzheitliche Betrachtungs­ weise bleibt weiterhin bestimmend. Überlieferungsstränge

Es ist praktisch unmöglich, die Wege mündlicher Überlieferung in der Ver­ gangenheit genau zu verfolgen. Wir kennen kaum je direkte Abhängigkeiten und können sie nur sehr selten erschließen. Etwas eingeschränkt gilt das auch für volkstümliche Anregungen schriftlicher Zeugnisse. Die Beziehungen lite­ rarischer Werke untereinander und — mit sehr herausfallenden Motiven — oberschichtlicher Niederschlag in der Volksüberlieferung sind etwas leichter nachweisbar, erbringen aber bei unserem Material im allgemeinen nur Über­ lieferungsstränge von zwei bis drei Gliedern. Ein Glücksfall ausgenommen! Zum fliegenden Holländer können wir aus der Fülle unserer Belege tatsächlich ein verzweigtes Überlieferungsgefüge auf­ decken*. Das erkennbare Netz spiegelt die reale Verflechtung, wie wir vermuten müssen, nur sehr vereinfacht wider; aber es stellt doch ein vorzügliches Pa­ radigma dar. Alle wesentlichen Überlieferungsphänomene, die das Gesamt­ material jeweils isoliert zu erkennen gibt, sind hier enthalten oder klingen zumindest an. Wir wollen das Schema kurz erläutern und dabei die charak­ teristischen Merkmale der Überlieferungsstränge thesenartig herausheben. 1. Der Wechsel zwischen mündlicher und schriftlicher Überlieferung. Alle unsere Zeugnisse entwachsen direkt oder indirekt mündlicher Tradition und zwar in der älteren Zeit durchweg seemännischer Überlieferung. Den ersten oberschichtlichen Gestaltungen folgen enge literarische Abhängigkeiten: Hudt1 Vgl. dazu den Bericht über ein Kolloquium von Reinhard Peesch: Der Vorgang des Tradierens. In: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 13 (1967), S. 115—117. 2 Betrachte zum folgenden die schematische Darstellung auf S. 204.

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O □ I

walcker und Marryat übernehmen Einzelheiten aus Blackwood’s Magazine (Briefmotiv), Heine schließt sich an Hudtwalcker, Lyser an Marryat; Storm findet seine Klabautermann-Gestalt bei Smidt. Daneben wirkt aber, wenn auch unauffälliger, die mündliche Oberlieferung weiter: Marryats Seemannser­ innerungen, Wagners Erlebnisse einer Seereise; auch Lyser will Mündliches (von Helgoland?) verwertet haben. Zum Teil entstammen die Stoffe volks­ tümlichen Sammlungen: Blum entlehnt den Klabautermann bei Temme. Bereits vor der Mitte des 19. Jahrhunderts zeichnet sich dann eine Umkehr des Oberlieferungsweges ab. Vor allem Marryats Roman in seinen mannig­ fachen Obersetzungen und Nacherzählungen gelangt in die Seemannswelt und beeinflußt die mündliche Tradition der Matrosen. Bald ist der Rücklauf volkstümlicher Sagenstoffe kaum mehr abzuschätzen. Wagners Oper wirkt durch populäre Zeitungskritiken und Erläuterungen, Werners „Buch von der Deutschen Flotte“ wird oft aufgelegt, Wolffs Holländer-Epos weit verbrei­ tet. Die volkstümlichen Sagen, anfänglich mit der Betonung bestimmter Motive (Selbstverfluchung) in der Unterhaltungsliteratur typisiert, gewinnen durch häufige Bearbeitung individuelle Zusätze, fließen ins Volksleben zurück und sind so vielfältig wie ehedem. (Man vergleiche nur die vier mündlichen Endpunkte in unserem Holländerschema miteinander!) 2. Die Variationsbreite der Überlieferungformen. Allein in dem erkenn­ baren Geflecht der Holländer-Überlieferung begegnen uns: Sage, Sagenre­ ferat, Gedicht, Erzählung, Märchenerzählung, Erzählung im Roman, Novelle, Epos, Roman, Dramenreferat in Erzählung, Drama, Oper, Opernparodie, Melodrama, Ballettpantomime. Hinzuzufügen sind Ballade, Lied, Redensart und Name. Die Klabautermann-Oberlieferung kennt ferner noch den Abzähl­ reim, kommt aber dafür über den Umfang einer Erzählung meist nicht hinaus. Wenn auch — im zeitlichen Wandel — bestimmte Gattungen vorherrschen, so kann man doch sagen, daß die Vielfalt der Formen ein Primat des Stoffes gegenüber dem künstlerischen Gestaltungswillen bekundet. Ein lebendiger Stoff reizt dazu, ihn in die verschiedensten Bezüge zu stellen, und das gilt nicht nur für den einfachen Mann, sondern auch für den Schriftsteller, wie die völlig unterschiedlichen Bearbeitungen der Holländersage durch Heinrich Smidt zeigen. Es ist kennzeichnend für unsere Überlieferung, daß sie ihre Kleider wechselt. 3. Knoten- und Strahlpunkte der Überlieferung. Die vielen einzelnen Über­ lieferungsstränge im Volksleben laufen nicht ständig parallel nebeneinander her, sondern fließen zusammen und streben wieder auseinander. In unserem Holländer-Schema ist vor allem die Episode in Heines „Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ (1831) als Knotenpunkt zu erkennen. Heine hat das Sagengerüst in Hudtwalckers Roman, das Portraitmotiv in Fitzballs Drama gefunden und ist möglicherweise durch die Schlußszene in Smidts Novelle „Der ewige Segler“ (1828), in der sich die Geliebte des Kapitäns von einem Kreidefelsen bei Dover herabstürzt, zu seinem Erlösungsmotiv angeregt wor­ den. Einen Knoten bildet auch Lysers Holländer-Erzählung, in der Marryatund Hauff-Motive zusammenfließen, und endlich muß Marryats Roman selbst 205

als ein Knotenpunkt bezeichnet werden, wenn wir auch die mündliche Vor­ lage im einzelnen nicht kennen. Die Strahlpunkte der Überlieferung sind ein eigenes Phänomen. Unser Schema zeigt klar, wie die englische Magazin-Geschichte von 1821 und Marryats Roman in die Breite gewirkt haben. Besonders starken Einfluß hatten im vorigen Jahrhundert ferner Wagners Oper, das Flottenbudi des Admirals Werner (vgl. 1890K3) und wohl auch Longfellows Carmilhan-Ballade für die Klaboterman-Vorstellung im englischen Sprachraum. Es ist einleuchtend, daß die Wirkkraft eines einzelnen Erzählers nicht mit der Massenauflage eines Buches konkurrieren kann. 4. Der Sprung über Sprach- und Völkergrenzen. Immer erneut sehen wir, daß unsere Überlieferungen sprachliche und nationale Grenzen mit der größ­ ten Selbstverständlichkeit ignorieren. In dem Holländer-Schema sind englische, holländische, dänische, norwegische, süd- und norddeutsche Überlieferungen (sowohl von der Nordsee- wie von der Ostseeküste) miteinander verbunden. Immer wieder begegnen Zeugnisse, daß ein Deutscher seine Überlieferung von holländischen Matrosen auf einem dänischen Schiff, ein Däne auf einem norwegischen oder englischen Fahrzeug usw. erfahren hat. Besonders wirksam für die internationale Verbreitung sind gedruckte Übersetzungen (Marryat) und Stoffentlehnungen (Longfellow 1863 von Lyser 1838). 5. Überlieferungskomplexe und dynamische Einzelschichten. Die Über­ lieferungsstränge verknüpfen manchmal umfangreiche Motivgruppen in gleichen oder verwandten Strukturen (Heine-Wagner; Briefmotiv Blackwood-Marryat). Manchmal ist der Faden nur zwischen zwei knappen Bildvorstellungen gespannt (der an den Mast genagelte Kapitän oder gar nur: der Kapitän mit einem Nagel im Kopf (1922H); die höhnischen Worte „Grüßt die Heimat“; der Klabautermann mit Totenkopf und Südwester). Als eine wirkende Einzel­ schicht dürfen wir auch den Namen Vanderdecken auffassen. Unser HolländerSchema zeigt, wie sämtliche Varianten vor 1850, die diesen Namen enthalten, sich auf die Erzählung von 1821 zurückführen lassen, und unterstützt damit unsere These der oberschichtlichen Namensprägung. Das Tradieren

Die Überlieferungsstränge zeigen den Wirkzusammenhang konkreter Kul­ turgüter. Jetzt fragen wir nach der Funktion des Tradierens selbst. Wir wol­ len die wesentlichen Punkte wieder thesenhaft aufreihen und nur mit wenigen Beispielen erläutern. 1. Das Erhalten. Das Grundmoment des Tradierens zielt auf Kontinuität. Ohne bleibende Kulturgüter gäbe es im Volksleben immer neue Anfänge, denn erst mit dem Weiterreichen und dem Übernehmen des Erworbenen kann sich in der Abfolge der Generationen eine kulturhistorische Kette bilden. Ge­ wiß: unveränderlich ist nichts. Wir haben es nur mit einer Tendenz zu tun, die ein Beharren erstrebt, es aber im einzelnen und auf die Dauer nicht er­ zielt. Ihren Höchstwert findet die Kontinuität in den extremen Bereichen un­ 206

serer Überlieferung: in den großen Linien und den kleinen Zügen, in allge­ meinsten Geistervorstellungen des fliegenden Holländers und des Klabauter­ mann (Sdiiff, Geist; ungewöhnlich, flüchtig, körperlos, vorbedeutend) und in bildhaften Einzelzügen (fliegend schnell, kleines Männchen), die z. T. stehende Formeln geworden sind (Geisterschiff „gegen Wind und Wellen“). Strukturen und Attribute des Ungewöhnlichen bleiben durch Jahrhunderte; Stoffe und Formen der Überlieferung wechseln schneller. Diesen Rhythmus aber können wir nur schwer bestimmen, weil unser Betrachtungszeitraum zu kurz ist und seine geschichtliche Situation zu umwälzend erscheint. Es spricht nichts gegen Peuckerts Vermutung, daß eine konkrete Sage sich kaum drei Ge­ nerationen unzerstört erhalten könne’.

2. Das Vermischen. Eine Variation des bewahrenden Weiterreichens liegt in der Spaltung der Überlieferungskomplexe in dynamische Einzelschichten be­ gründet. Mehrere dieser und andere Einzelsdiichten können zu neuen Kom­ plexen zusammentreten. Wenn der Klabautermann tropfnaß und mit Seewei­ zen in seinen Kleidern erscheint, dann wird hier die Schiffsgeist- mit einer Wassergeistvorstellung vermengt. Ein instruktives Beispiel ist die Holländer­ sage des Dänen C. T. Hoy (1902H2): In der Bezeichnung des Geisterschiffs klingt skandinavische Überlieferung an (Todessegler); im Kapitänsnamen eine ursprünglich englische (Vanderdecken); im Sagenschauplatz eine moderne internationale Vorstellung (Kap Hoorn); in der Sagenhandlung schließlich verwendet Hoy abgewandelte Motive der französischen Jal-Variante (das Über-Bord-werfen; der Heilige Geist (statt Gottvater) erscheint als flam­ mendes Feuer auf dem Schiff; der Kapitän schießt und verletzt seine eigene Hand; er wird verdammt, ewig zu segeln und glühendes Eisen zu essen). Be­ sonders auffällig erscheint das Vermischen meist in oberschichtlichen Gestal­ tungen, nicht zuletzt in den populären Sagennacherzählungen unseres Jahr­ hunderts (1938H, 1957H2, 1963H1). Hier fließen auch wissenschaftliche Ergeb­ nisse ins Volksleben zurück: E. Hering macht in ihrer Holländersage durch Engerts Hinweis auf Camöes’ „Lusiaden" aus Gottvater wieder einen schau­ rigen Dämon (1961H1). 3. Das Verschieben. Eine Überlieferung, die sich lebendig erhalten will, muß bis zu einem gewissen Grade auch aktuell bleiben. Bestimmte Einzelheiten oder Requisiten passen sich neueren Vorstellungen an, ohne die Grundstruktur einer Sage zu verändern. Der Sagenschauplatz des fliegenden Holländers wird vom Kap der Guten Hoffnung nach Kap Hoorn verlegt; der Klabautermann ver­ tauscht seine Hausgeist-Kleidung mehr und mehr mit Ölzeug und Südwester; von der Kinderseele im Holz wandelt er sich mit den aufkommenden Eisen­ schiffen zum Geist eines verunglückten Seemannes; das sich verstärkende Na­ tionalbewußtsein macht den heldischen Holländerkapitän in Deutschland zu einem Deutschen (1890H1, 1935H1, 1938H). Neben der „Requisitverschiebung“ (Leopold Schmidt) lassen sich ferner Motivverschiebungen feststellen. So domi­ niert in den älteren Varianten der Holländersage als Grund des ewigen Segelns 3 Peuckert ’1962, Sp. 2654. 207

das Verbrechen, seit den 1820er Jahren die Selbstverfludiung, in den 1830er und 1840er Jahren häufig der Teufelspakt. Beim Klabautermann treten seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zunehmend seine bösen Taten in den Vordergrund. 4. Das Erstarren. Mit der Ausweitung des historischen Bewußtseins, das un­ sere Sagenüberlieferung vor allem als Zeugnis und weniger als unmittelbaren Bestandteil des Volkslebens empfinden läßt, gefriert die Überlieferung zu einem Denkmal. Bausinger spricht von „Requisiterstarrung"4. Wir können diesen Vor­ gang an unseren Sagengestalten vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahr­ hunderts beobachten. Die neueren Requisitverschiebungen sind, besonders auf dem Festland, nicht mehr durchgängig vollzogen. Während der Klabautermann in seinem ursprünglichen Traditionskreis auf der See sich vom Schiffs- zum Ozeangeist entwickelt, ist er im Binnenland als Schiffskobold erstarrt.

5. Das Verwandeln. Die Historisierung ist eine starke Kraft, aber das Tra­ dieren muß sich diesem Zwang keineswegs völlig unterwerfen. Sagen mit ver­ lorener Glaubensbindung brauchen nicht als Zeugnis der Vergangenheit zu ge­ frieren, sondern können durch eine tiefgreifende innere Wandlung lebendig blei­ ben. Wenn das Unglück-bringende Holländer-Schiff und der von Bord gehende Klabautermann übertölpelt werden (1941H, 1959K3), dann ist der sagenhafte Charakter ins Schwankhafte umgeformt5. Dieser Prozeß reichert den Erzähl­ stoff häufig mit grotesken Zügen an. Er ist auch in der Unterhaltungsliteratur ausgebildet (Leip, Blunck). 6. Das Ersetzen. Eine zweite Möglichkeit, die Erstarrung zu umgehen, liegt in dem äußerlichen Tod, das heißt, dem Vergessen der Sagenüberlieferung. Ein Sagenstoff versinkt, ein neuer steigt herauf und fügt sich genau in die ver­ waisten Strukturen der vergangenen Überlieferung ein. Auch an unseren Ge­ stalten läßt sich das zeigen, führt jedoch notwendigerweise über ihre engere Be­ trachtung hinaus. Dennoch sei in einem kleinen Exkurs wenigstens ein Beispiel gegeben.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde vom fliegenden Holländer kaum mehr erzählt. Die Matrosen kannten die Sage, doch aus Büchern, die sie lasen6; sie wußten den Namen des Geisterschiffes, doch in ihren Gedanken lebten die Clipper und vor allem die Schnellsegler der Reederei Laeisz, denen sie begeg­ neten. „Diese Schiffe waren unsere .fliegenden Holländer', und darüber haben wir diskutiert“78. Statt vom Flying Dutchman sprachen sie von den Flying PLiners, unter denen zwei Fünfmaster die berühmtesten waren. „. . . die Ge­ schichten der .Preußen' und ,Potosí'. Welcher echte Fahrensmann kennt sie nicht! Immer wieder machen sie die Runde in den Mannschaftslogis und unter Kapitänen, wenn sie einmal zu einem Schnack zusammensitzen''6. 4 5 6 7 8

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Bausinger 1961, S. 116 ff. Vgl. Ranke 1955. Vgl. 1959H2. H. T. Meller (1959H2). Salis-Soglio 1953, S. 89.

Da waren wieder die sagenhaften Laeiszsdiiffe auf dem Tapet. Keiner von uns war auf einem dieser berühmten Segler gefahren, aber jeder hatte schon mit diesen Schiffen in einem Salpeterhafen zusammengelegen, hatte von ihren schnellen Reisen gehört und erlebt, mit welcher Geschwindigkeit sie ihre Salpe­ terladung in das Schiff bekamen. Wenn dieses Schiff hier eine Reise hinter sich gebracht hätte, dann hätte die ,Preußen* oder die ,Potosi* beinahe zweiein­ halb Reisen gemacht, behauptete Klaus Harmsen. ... Dag pflichtete Klaus bei; ja, das könnte wohl angehn. Diese Kapitäne von den P-Liners hätten das mit dem Wind raus. Daher ihre schnellen Reisen. Er machte ein geheimnisvolles Ge­ sicht: da wäre ein Trick dabei, irgendein Trick, den behielten sie für sich; wären von der Reederei verpflichtet dazu. Wie die Freimaurer*.

Wir hören auch Erlebnisschilderungen aus jener Zeit um die Jahrhundert­ wende: „Minsch, dat is’n Fiefmaster!“ . . . wir starren nach Lee auf das Wunderschiff. ... Der Kapitän setzt das Fernrohr ab und reicht es dem Ersten. „Die Preu­ ßen* “, wird halblaut gesagt; doch wir haben es gehört. Und nun stehen sie alle an der Leeverschanzung, die Freiwache läßt ihren Nachmittagskaffee im Stich und stürzt an Deck. Alles starrt und guckt. ... Es ist beinahe still an Deck. Dort drüben segelt die .Preußen*, der Welt größter und schnellster Rahsegler. ... Der Wind ist nur von mäßiger Stärke, doch der Fünfmaster, dem wir nun nahe sind, zieht im Schwall seiner Segelfläche mit einer Fahrt vorbei, daß uns der Mund offenstehen bleibt9 10.

Und von der „Potosi" gibt es eine oft erzählte Geschichte: Bei schmierigem und stürmischem Wetter sichtete ein englischer Dampfer in der Höhe von Kap Lizard einen mächtigen Segler, der den Engländern aber in einer Regenbö wieder aus der Sicht kam. Man hatte die berühmte „Potosi“ er­ kannt. Mit brennendem Interesse hielten die Engländer, alles „old sailor men“, Ausschau, um den herrlichen Segler wieder zu Gesicht zu bekommen. Beide Schiffe hatten gleichen Kurs und waren „bound for Hamburg“. Der Engländer, ein modernes Schiff, lief zwölf Knoten. Als nach zwei Tagen der Kapitän abends in Cuxhaven den Lotsen an Bord genommen hatte und sie die Elbe aufwärts fuhren, erwähnte der Alte so nebenbei: „Wir haben übrigens die .Potosi* getroffen, sie hatte guten Wind und muß auch bald eintreffen.“ Da nahm der Lotse die Piep aus dem Munde und grinste: „Die .Potosi*? Die ist heute morgen bereits passiert**11.

Doch nicht nur das! Nicht nur die Schnelligkeit der Flying-P-Liners, schon in diesem Namen anklingend, wird bestaunt und in Erzählungen veranschau­ licht; nicht nur mit beredten Attributen — berühmt, sagenhaft, Wunderschiff — werden .Preußen* und .Potosi* schon zur Zeit ihres Daseins belegt; nicht nur allgemein von geheimnisvollen Tricks ihrer Kapitäne wird getuschelt und auf 9 Römer 1962, S. 175 f. 10 Römer 1962, S. 103 f.; vgl. 1959H2. 11 Salis-Soglio 1953, S. 90 f. 209

Freimaurer angespielt; — der Kapitän der ,Potosi‘ selbst, Hilgendorf, wird genannt und mit sagenhaften Zügen ausgestattet. Carl Kircheiss, der ihn noch persönlich gekannt hat, schreibt: Von Kapitän Hilgendorf erzählte man sich folgende Anekdote: Als am Kap Hoorn einmal das ganze Großdedt eines seiner Schiffe unter Wasser lag, sagte er: „Stürmann, wenn Se nich an de Fockschot kohmen köhnt, köhnt Se sich be­ grüben loten! Purrn Se mi, wennt Käpsel vont Grootdeck upt Achterdeck kommt!“ Wer den Satz versteht, der weiß, welch ein ungeheurer Wagemut in diesen Worten liegt. Kapitän Hilgendorf war ein meteorologisches Phänomen: er konnte sozusagen den Wind riechen12.

Ein anderer Gewährsmann erzählt: Die ,Potosi‘ war eine Fünfmast-Bark. Nicht ganz so groß wie die .Preußen', machte auch sie phantastisch schnelle Reisen. Die Sage geht, daß ihr berühmter Kapitän Hilgendorf des Abends die Fallen der Segel mit Ketten anschloß, damit kein Segel fortgenommen und festgemacht werden konnte, während er schlief1’.

Der Schritt, der Hilgendorf von Fokke, der den Flying-P-Liner vom Flying Dutchman trennt, ist nur klein. Unglaublich schnell umsegelt der eine das Kap der Guten Hoffnung, der andere das Kap Hoorn. Geheimnisvoll erinnern die Kapitäne an Teufelsbündner und Freimaurer. Hartnäckig im Sturm trotzt jener laut fluchend Matrosen und Naturgewalten und dieser schließt nachts die Fallen der Segel fest. Nur der Schauder der alten Sage ist einer vorbehaltlosen Be­ wunderung des jüngeren Seglers gewichen, nationaler Stolz und leichte Senti­ mentalität werden spürbar: der deutsche Segler, herrlicher Repräsentant einer vergangenen Epoche, läuft dem modernen englischen Dampfer davon! Wir schließen den Exkurs und fassen zusammen. Das Tradieren erweist sich als ein vielschichtiger und wechselvoller Vorgang. Das erhaltende Weitertragen ist nur die Grundtendenz: dynamische Einzelschichten werden vermischt oder ausgesondert, Requisiten verschoben oder eingefroren, Überlieferungskomplexe innerlich verwandelt oder äußerlich ersetzt. Diese Bewegtheit mag auf den ersten Blick der gängigen Vorstellung von Tradition widersprechen. Aber Hermann Bausinger hat darauf hingewiesen, daß so wie der historisierende Blick vielfach zur praktischen Formerstarrung führte, diese wiederum die theoretische Auffassung von der Tradition als einer feststehenden, unver­ änderlichen Größe gestärkt hat14. Im Traditionsstrom schwimmen leben­ dige, „entwicklungsfähige“ Kulturgüter. Ihre Übertragung von einer Ge­ neration zur anderen bedeutet neues Erlebtwerden: „Re-generation“15. Die Tradition gewährt einen Spielraum16. Das Tradieren kennt Grenzen, aber keine Vorschrift. Kirdieiss 1953, S. 291 (Anhang). Salis-Soglio 1953, S. 90. Bausinger 1961, S. 124. Gerhard Lutz: Die Sitte. Zu den philosophischen Grundlagen der Volkskunde. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 77 (1958), S. 352. 16 Bausinger 1961, S. 114 ff.

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Der geistige Wandel

Wenn die Überlieferungsstränge keine einheitlichen Gebilde darstellen, son­ dern an dicken und an dünnen Fäden ein Auf und Ab geprägter und unge­ prägter, knapper und breiter Formen, einen Wechsel kurzlebiger Einzeler­ scheinungen und wirkkräftiger Knotenpunkte; wenn das Tradieren selbst kein gleichförmiger Vorgang ist, sondern ein Weiterreichen in vielfältigen Zusam­ menhängen und Abtönungen: dann wird die Problematik wissenschaftlicher Arbeit, die sich auf bestimmte Volkserzählungen allein und ihren Vergleich beschränkt, offenkundig. Das Volkskulturgut ist nicht nur Glied in einer Kette geschlossener Überlieferungen, sondern auch einem Gefüge von Einzelschich­ ten eingepaßt. Es ist darüber hinaus Bestandteil einer kulturhistorischen Si­ tuation. Jede unserer Sagen zeigt einen Entwicklungsstand, auch absolut, aber in erster Linie ist er nicht durch die Chronologie, sondern durch einen geistes­ geschichtlichen Rahmen bestimmt.

Die Romantik, die unsere Sagengestalten für ein großes Publikum entdeckt, übereignet ihnen gleichzeitig unverkennbare Attribute. Das Ineinandergreifen der realen Welt und des Numinosen wird nie wieder so eingehend geschildert wie in den Briefszenen der Holländer-Überlieferung zur romantischen Zeit. Die heroisch empfundene Auflehnung des Kapitäns gegen das Übermensch­ liche gehört genauso in jene Epoche wie die Erlösungssehnsucht. Damals wird das Erlösungsmotiv gefunden und hat später — außer in grotesk-schwankhafter Form (1938H, 1960H1) — keine Bedeutung mehr. Aber in der Interpretation spukt es noch lange herum: Eduard Hahn schreibt 1911, das Bestreben des Klabautermann müsse dahin gehen, die Fessel, die ihn an das Schiff bindet (Kielholz), abzustreifen, und daraus erkläre sich seine Freude (!) über den Untergang, auch wenn er vorher die Menschen nach Kräften gewarnt habe17. Der Kapitän Fred Schmidt meint 1959, daß in der Erlösung des fliegenden Holländers ein bedeutungsvoller Zug symbolhaft hervortrete: Dem blutvollen Leben verschworen, könne sich der Seemann (!) Erlösung aus Verstrickung nur durch Erfüllung denken, vertrauend auf das makellose Wesen des echten Wei­ bes, dem Liebe und Treue eins sind1819 .

Es muß betont werden, daß sentimental-romantische Züge fast ausschließlich aus festländischer Sicht beziehungsweise aus der Rückschau in die Seemannswelt hineingetragen worden sind. Man glaubte — wie es in einer Buchrezension 1836 heißt —, daß „der Matrose die Stufe der Befangenheit, wo die Seele, von den Gefahren des Lebens umstürmt und umfinstert, schöpferisch wird, weit weni­ ger als der Bauer und der Flur-Schütz unserer Zeit verlassen hat und verlassen kann“1*. Man hat die romantisch anmutende Erscheinung eines Seglers auf die Tätigkeit des Seemannes übertragen, aber dieser selbst konnte sein Schiff 17 Hahn 1911, S. 179. 18 1959H1. 19 Smidt 1935/36; Bd. II, S. 2. (Rezension des ersten Bandes in: Allgemeine Preu­ ßische Staatszeitung; dem 2. Bd. vorgeheftet.)

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nicht als romantisch betrachten, weil er das Zweckmäßige der Maschinerie täglich vor Augen hatte und mit ihr verzahnt war20. Auch der Historismus bleibt auf unsere Sagen nicht ohne Einfluß. Die Handlung des fliegenden Holländers rückt immer bewußter in die Zeit des niederländischen Ostindienhandels. Der Kapitän bekommt einen konkreten Namen. Das Geschehen wird datiert: in Blackwood’s Magazine um 1750, in dem von hieraus beeinflußten Roman Marryats um 1650, in der Erzählung Lysers, die wieder auf Marryat fußt, um 1600. Die Sage bekommt mit dem neuen Hauch der Authentizität zugleich die Weihe des Alters. Vielleicht darf man in der historischen Betrachtungsweise, die mit der Betonung des Ostindien­ handels die Gedanken auf Kaufschiffe lenkt, auch eine Erklärung dafür suchen, daß die Vorstellung vom fliegenden Holländer als Fregatte oder Nachtkreuzer (1806H, 1828H2, 1840H4) völlig geschwunden ist. Unsere Sagengestalten gehören jeweils ihrer Zeit, auch wenn das beim Kla­ bautermann etwas weniger deutlich wird als beim fliegenden Holländer, und wenn auch andererseits eine geistesgeschichtliche Epoche nicht alles erklärt. Warum zum Beispiel der moderne Klabautermann eine böse Gestalt, ein To­ tengerippe geworden ist, läßt sich schwer entscheiden. — Es gibt auch überzeit­ liche Faktoren der Traditionsbildung, wie etwa folkloristische Tendenzen. Ein baltischer Erzähler, von dem wir zwei Varianten derselben KlabautermannSage besitzen, hat seine Überlieferung innerhalb eines Jahres dem Stil der Volksbücher angepaßt (1897K21 und 1898K1). Daß schließlich sogar die wis­ senschaftliche Interpretation dem Geist ihrer Zeit, etwa dem psychoanalytischen Denken, verpflichtet ist, haben wir schon früher gesehen.

20 Römer 1962, S. 327.

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Zu Weltbild und Geistigkeit „Immer sind wir mit einer viel größeren Gemeinschaft des Herkommens, der Überlieferung und des gebenden und nehmenden Austausches verbunden, als wir gewöhnlich ahnen oder in einem Unabhängigkeitsdünkel wahrhaben wol­ len. Das gilt für jedes Gerät, und sei es das profanste und primitivste. Das gilt für jegliche Äußerung des Geistes.“ (L. Kretzenbacher)12 Jede Erkenntnis strebt nach einer letzten Synthese. Die Überlieferungen vom fliegenden Holländer und vom Klabautermann haben uns gezeigt, daß sie als lebendige Kulturgüter im Volksleben verschiedenen allgemeinen Tendenzen unterworfen sind, daß ihre Prägungen von Strukturen bestimmt werden, die in einem breiten Doppelfächer als Gemeinschafts- und Traditionsimpulse wirken. Repräsentieren unsere Gestalten damit — das ist unsere letzte Frage — die Geistigkeit einer Gemeinschaft und deren Weltbild? Konkret: Sind fliegender Holländer und Klabautermann zutiefst der Ausdruck seemännischen Lebens? Wolfgang Stammler hat den Seemann zu charakterisieren versucht. Durch die Unermeßlichkeit des Wasserraumes stelle sich beim Fahrensmann eine „naive, vorintellektuelle Art der Weltbetrachtung“ ein. Seine Reaktion ^gegen­ über der Welt sei „vorbewußt“. Die Abhängigkeit von der Natur erwecke in ihm Gefühl und Sinn für das Übersinnliche, das Irrationale. Eine assoziative Denkweise bilde sich heraus*. Man wird zweifeln dürfen, ob diese allgemeinen Aussagen nur für den See­ mann zutreffen und ihn somit charakterisieren können. Um so mehr, wenn man erkennt, daß Stammler, der den Unterschied zwischen Flußschiffern und Fah­ rensleuten auf das stärkste betont und der hervorhebt, daß nur, wer Arbeit und Gefahr des Seemannes am eigenen Leib erfahren, in dessen „Seelentum“ eindringen könne, daß Stammler, also, sämtliche Aussagen über die Psyche des Seemannes aus Heinrich Beckers „Schiffervolkskunde“ entlehnt hat34 . Konse­ quenterweise hätte Stammler auch eine weitere Aussage über die Flußschiffer stärker für die Seeleute erwägen und darauf verzichten sollen, alle „volkskund­ lichen“ Äußerungen im Seemannsleben auf einen einheitlichen, in der Tiefe ru­ henden Sinnpunkt zurückzuführen, von dem aus ihre gesamte Existenz geformt und bestimmt werde: dem Kampf mit See, Wind und Wetter*. Denn Becker schreibt: „Die geistige Wirklichkeit... kann nicht als einheitliche Größe in dem Sinne verstanden werden, als ob hier ein System von objektiv-geistigen Gebil­ den vorliegt, das in allen seinen Einzelheiten Ausdruck einer geschlossenen Ein­ stellung zum Leben und zu den Dingen ist. Die Mannigfaltigkeit der volks­ kundlichen Äußerungen läßt sich — vorerst jedenfalls — nicht auf einen ein­ heitlichen und tiefsten Sinnpunkt zusammenziehen, von dem aus wie von einem 1 Leopold Kretzenbacher: Die Seelenwaage. Zur religiösen Idee vom Jenseitsgericht auf der Schicksalswaage in Hochreligion, Bildkunst und Volksglaube. Klagenfurt 1958, S. 225. 2 Stammler *1962, Sp. 2903 f. 3 Vgl. Becker 1937, S. 5 f. 4 Stammler *1962, Sp. 2904.

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Zentrum her das gesamte menschliche Dasein geformt wird, und welcher dieser geistigen Welt als letzter Sinngehalt, als ,Bedeutung aller Bedeutungen' inne­ wohnt“56 . Wir wollen den fliegenden Holländer und den Klabautermann nicht aus ei­ nem einzigen seemännischen „Sinnpunkt“ ableiten. Beide spiegeln deutlich ein Erlebnis der See und der Feme; aber sie enthalten auch andere Züge und sind zuweilen außerhalb der Hochseemannschaften heimisch geworden. Noch vor­ sichtiger wollen wir sein, umgekehrt aus unseren Gestalten eine spezifisch see­ männische Geistigkeit zu erschließen. Anscheinend können wir bis heute erst all­ gemeine Grundlagen volkstümlichen Denkens erkennen, oder es fehlt uns, wenn wir Unterschiede einzelner Gemeinschaften sehen, zumindest noch der differen­ zierende Ausdruck. Das stoffliche und formale Assoziieren, das naive Betrach­ ten und magische „Aufladen“ unverständlicher Dinge5, auch bestimmte Bild­ vorstellungen sind ganz allgemein Phänomene grundschichtlichen Erlebens, die sich weitgehend im Unbewußten vollziehen. Einen interessanten Zusammen­ hang deutet das Skelettschiff-Motiv in Colridges „Ancient Mariner“ an, das der Dichter dem Traum eines Freundes verdankt7. Der Beziehungsreichtum ist ein Hauptmerkmal volkstümlicher Vorstellungen. Er vermag die Wissenschaft zu immer neuen — beinahe ebenso vielen — Ergebnissen zu provozieren; man denke nur an die Klabautermann-Etymologien89 .

Daß unsere Sagengestalten ein klares Weltbild zum Ausdruck bringen, wird niemand behaupten wollen, der den Wechsel ihrer Erscheinungsformen und die gegensätzlichen Interpretationen im Laufe der letzten 150 Jahre aufmerksam verfolgt hat. Sie sind nicht geschichtslose Monumente, sondern den sich ablö­ senden kulturhistorischen Situationen eng verhaftet und immer wieder anderen geschichtlichen, sozialen und psychischen Einflüssen ausgesetzt. Sie sind nicht Zeugnisse einer einzigen geschlossenen Gemeinschaft, keine Bilder einer einmali­ gen begrenzten Geisteswelt, sondern sie öffnen uns den Blick in die unermeß­ liche Vielfalt lebendiger Zusammenhänge, in denen sich unser eigenes Sein nicht per analogiam spiegelt, sondern denen es zugehört.

Die Sagen von der See sind in ihren dominanten Erscheinungsformen unbe­ streitbar das Erbe der Fahrensleute. Aber in allen und noch in ihren neben­ sächlichsten Motiven, Antrieben und Funktionen erweisen sich auch der flie­ gende Holländer und der Klabautermann — um mit einem Bild Leopold Kretzenbadters zugleich Abschluß und Ausblick zu geben* —: letztlich immer einge­ webt als Kette oder Faden in jenes große Sinngefüge, das wir eben die „Volks­ kultur dies Abendlandes“ nennen. 5 Bedier 1937, S. 56. 6 Vgl. Becker 1937, S. 50: „Das Ungewöhnliche hat magische Bedeutung: Schiffer und Bauer zeigen hier in charakteristischen Formen ihrer Überlieferung das gleiche als ausgesprochen volksmäßig geltende Denken.“ 7 S. Lowes 1951, bes. S. 223 und 277. 8 S. oben S. 118. 9 Kretzenbacher 1962, S. 33. 214

ANHANG

Belegtabellen I. Chronologische Belegtabelle mit Quellenregister Die Belegtabelle stellt vor allem ein arbeitstechnisches Hilfsmittel dar. Die einzel­ nen Zeugnisse sind nach den Erfordernissen der Arbeit ausgewählt: Unter den engeren Klabautermann-Belegen befinden sich auch allgemeinere Schiffsgeist-Belege; unter den Zeugnissen zum fliegenden Holländer vereinzelt allgemeine Geisterschiff-Belege, etwas häufiger skandinavische Totensdiiff-Belege. Zeugnisse der jüngeren Zeit — besonders aus der Trivialliteratur — sind nur beispielhaft aufgeführt. Die zeitlidie Zuordnung geschieht teilweise nach dem „Erlebnis-“, teilweise nach dem „Erinnerungsstand“. Meist wird das Druckjahr eines Belegs zugrunde gelegt; wenn aber eine Überlieferung durch eine genaue Jahreszahl datiert ist, dann ist dieser Zeitpunkt maßgebend. (Vgl. auch die Bemerkungen auf S. 91). An erster Stelle ist die benutzte Quelle genannt. Es folgt dann gegebenenfalls die Primärquelle. Drittens folgt, wenn es nicht aus dem Veröffentlichungsjahr ersiditlich ist, ein Hinweis zur Datierung. An vierter Stelle steht in Klammern die Seitenzahl, wo der betreffende Beleg in der vorliegenden Arbeit entweder vollständig oder in größerem Umfang zitiert oder referiert wird und dort durch eine vorangestellte, kursive Signatur kenntlich ist. (Skandinavische Zitate sind übersetzt; im laufenden Text auch englische und französische Zitate.) Die Art der Chiffren wurde angeregt durch ähnliche Signaturen in H. Henningsen: Crossing the Equator. Kbh. 1961. Abkürzungen = Dansk Folkemindesamling, Kbh. (Es folgt die Gruppennummer des Belegs, dann die topographische Zahl des Aufzeichnungsortes.) DVA = Deutsches Volksliedarchiv, Freiburg i. Br. H&S = Handels- und Seefahrtsmuseum auf Schloß Kronborg, Helsingor HWB = Archiv des hamburgisdien Wörterbuches, Hbg. LUF = Folklivsarkivet, Lund. G. F. Meyer = Gustav Friedrich Meyer-Nachlaß, Kiel = Zentralarchiv der deutschen Volkserzählung, Marburg/Lahn ZA FFC = Folklore Fellows Communications Svenska Landsmälen = Nyare Bidrag till kännedom om de svenska landsmälen ock svenskt folkliv Trad. pop. = Revue des traditions populaires

DFS

A: = Aufzeichner; E: = Erzähler (Gewährsmann). Bin. Hbg. Kbh. Tain.

= = = =

Berlin Hamburg Kopenhagen London

Lpz. N. Y. Stg. Tüb.

= Leipzig = New York = Stuttgart = Tübingen 215

1787H

Jeffrey Baron de Raigersfeld: The Life of a Sea Officer. ( = The Seafarer’s Library). Ldn. 1929, S. 52—56. — Das Budi ist um 1830 anonym als Privatdruck erschienen, das Erlebnis 1787 datiert. — (S. 23—25)

1804H

Kaiff, S. 5. — Thomas Moore: Anmerkung zu einem Toten­ schiff-Gedicht, das im Titel 1804 datiert ist. — (S. 10) T. F. M. Ridster: Reisen zu Wasser und zu Lande. Lpz. ’1858 Bd. 1, S. 91. — Die 1. Aufl. des 1. Bdes ist 1821 erschienen, die Reise 1806 datiert. — (H: S.10; K: S. 14)

1806H

1806K

Bernhard Sev. Ingemann: Samlede Skrifter. Kbh. 1845; Afd. 4, Bd. 1, S. 4—8. — Gedicht „Dodsseileren" gehört zu Ju­ gendgedichten, die zwischen 1807 und 1811 entstanden sind. Walter Scott: The Poetical Works. Edinburgh (um 1834); Vol. IX, S. 91 f. und (Appendix) S. 318—320. — „Rokeby“ ist 1812 abgeschlossen. — (S. 20—21) Poul Martin Meller: Optegnelser fra Kinarejsen (1819). In: Skrifter i udvalg II. Kbh. 1930, S. 51. — (S. 169)

1810H

1812H

1819H

(Ernst Moritz) Arndts Werke. Auswahl in 12 Bänden. Bln.Lpz.-Wien-Stg. o. J.; Bd. V, S. 41—43. — Der zweite Teil der Märchen und Jugenderinnerungen ist etwa 1820 bis 1822 voll­ endet. The Mariner’s Mirror 2 (1912), S. 218 f. (Auszug); vgl. voll­ ständige Übersetzung: Kjobenhavns Natkikkert 4 (1840), Nr. 64 u. 65, S. 505—510 u. 513—518. — Anonyme Erzählung in: Bladewood's Edinburgh Magazine 1821, Mai-Nr. — (S. 34) August Freudenthal: Aus Niedersachsen. Schilderungen, Erzäh­ lungen, Sagen und Dichtungen. Bremen 1893—95; Bd. I, S. 247 f. — Bemerkung in: Owens: Narrative of Voyages to explore the Shores of Africa. Ldn. 1833. — Das Erlebnis ist 1821 datiert. — (S. 25) Heinrich Smidt: Poetische Versuche. Altona 1825, S. 95—98. Das Gedicht ist 1822 in Reinholds „Hammonia“ (Hbg.) er­ schienen. James Fenimore Cooper: Der Lootse. Ein Seegemälde. Aus dem Engl, von E. Mauch. Stg. (1853); 21. Kap., S. 308 f. — Originaltitel: The Pilot; 1823 erschienen. — (S. 21 f.) 1823K Washington Irving: The Storm-ship. In: The Complete Works. Paris 1834, S. 462—464. — Die Erzählung ist 1823 erschienen. — (S. 22 f.) F. Nork: Mythologie der Volkssagen und Volksmärchen ... (= J. Scheible: Das Kloster, Bd. 9). Stg. 1848, S. 939—940. — Erzählung in: Das Morgenblatt (Stg.) 1824, Nr. 45. — (S. 16 f.)

1820K

1821H1

1821H2

1822H

1823H1

1823H2

1824H

216

1825H1

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1826H2

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1828H1

1828H2

1829H

1830H1

1830H2 1831H

1832H 1834H

1835H

Heinrich Smidt: Poetische Versuche. Altona 1825, S. 95 f. — (S. 17) (Wilhelm) Hauffs Werke in 6 Teilen. Hg. M. Drescher. Bin. u. a. o. J.; Teil 1, S. 78—87. — Die Erzählung ist 1825 er­ schienen. — (S. 16) 1826K1 Hans Arentz's Journal 1822 bis 1828. Hg. A. A. Kielland. Kbh. 1880, S. 68. — Die Mitteilung ist 1826 datiert. — (S. 18 f.) Erich Loewenthal: Studien zu Heines „Reisebildern“. (= Pa­ laestra 138). Bin. u. Lpz. 1922, S. 150—152. — Episode in: Oswald (= Hieronymus Hudtwaldeer): Bruchstücke aus Karl Bertholds Tagebuch. Bin 1826. — (S. 15) 1826K2 Heinrich Heine: Reisebilder II, Die Nordsee. In: Werke in 10 Bänden. Hg. O. Walzel. Lpz. 1910—15; Bd. 4, S. 102— 104. — Der Text ist 1826 vollendet. — (S. 13 f.) Kaiff, S. 16 (Referat). — Edward Fitzball: The flying Dutch­ man or the fantom ship. Das Stück wird u. a. am 4. 12. 1826 in London aufgeführt. — (S. 37) 1827K Steen Steensen Blicker: Rovestuen (1827). In: Samlede Skrifter. Kbh. 1922; Bd. X, S. 76. — (S. 19) Heinrich Smidt: Der ewige Segler. In: Seegemälde. Lpz. 1828, S. 135—146. — (S. 18) 1828K Heinrich Smidt. Ebenda, S. 147—216. — Nachdrucke der No­ velle in: Seemanns-Sagen und Schiffer-Märchen. Bin. 1835— 36; Bd. I, S. 103—160; 2., vollst. Ausgabe, Bin. 1849. — (S. 18) James Fenimore Cooper: Der rote Freibeuter. Ein Seegemälde. Übers, von R. Zoozmann. (= Romane der Weltliteratur). Lpz. o. J.; Kap. 14, S. 225—266; Kap. 16, S. 302 f. — Origi­ naltitel: The Red Rover; 1828 erschienen. — (S. 22) Kaiff, S. 17 (Hinweis). — Theaterstück von Douglas Jerrold: The flying Dutchman. (1829).

Kaiff, S. 71—73. — J. J. A. Goeverneur („Jan de Rijmer“): Het Vliegend Schip. Vaterlandsche Legende (1830). Heinrich Smidt: Mittheilungen aus dem Tagebuche eines nordi­ schen Seemannes. Bin. 1830, S. 56. Heinrich Heine: Memoiren des Herrn von Schnabelewopski (1831). In: Werke in 10 Bänden. Hg. O. Walzel. Lpz. 1910— 15; Bd. 6, S. 348—353. — (S. 37 f.) A. Jal: Scènes de la Vie Maritime. Paris 1832; Bd. II, S. 89— 97 und S. 112—115. — (S. 26—29) A. Freiherr von Sternberg: Der fliehende Holländer. In: No­ vellen. 4 Bde. Stg. u. Tüb. 1834; Bd. 4, S. 75—HO. — (S. 30—32) Frank Shay: A Sailor’s Treasury. N. Y. 1951, S. 17. — „From an English log of 1835“, ohne genauere Literaturangabe. — (S. 25 f.) 217

1836H

1837H

1838H

1839H1

1839H2 1839H3 1839H4

1840H1

1840H2 1840H3 1840H4

1841H1

1841H2

1843H1 218

H. C. Andersen: O. T. In: Romaner og Rejseskildringer. Kbh. 1943; Bd. Il, S. 13. — Der Roman ist 1836 erschienen. - (S. 153) Capt. (Frederick) Marryat: The Phantom Ship. Paris 1839. — Der Roman ist 1837 erschienen (1. Teil; letzter Teil: 1839). — (S. 34 f.) 1837K A. von Sternberg: Schiffer-Sagen. 2 Bde. Stg. u. Tbg. 1837; Bd. II, S. 3—31. — (S. 32) Saemandstidsfordriv, eller Underholdningsbog for Saemand i Fritimer. Christiania (Oslo) 1838, S. 107—110. 1838K J. P. Lyser: Abendländische Tausend und eine Nacht, oder die schönsten Mährdien und Sagen aller europäisdien Völker. 15 Bde. Meißen 1838—40; Bd.V(1838), S. 23—39. — (S. 32 f). Charles Erskine: Twenty Years before the Mast. Philadelphia 1896, S. 50 f. — Das Erlebnis ist 1839 datiert. — (S. 26) C. L. L. Harboe: Dansk Marine-Ordbog. Kbh. 1839; s. v. „Dadsseiler“ (S. 99), „Flyvende Hollaender" (S. 113). William Johnson Neale: The Flying Dutchman: a legend of the High Seas. 3 Vols. Ldn. 1839. Richard Wagner: Gesammelte Schriften und Dichtungen. Lpz. 41907; Bd. 1, S. 13 f. — Die Mitteilung ist 1839 datiert. 1839K Steen Steensen Blicher: Hostferieme (1839). In: Samlede Skrifter. Kbh. 1929; Bd. XXIV, S. 145 f.

Ordbok över Svenska Spräket. Lund 1932. Bd. 11; s. v. „flygande holländaren“ (Hinweis). — C. M. Ekbohm: Nautisk Ordbok. Göteborg 1840, S. 57. J. P. Lyser: Einhundert und eine Nacht. Ein Mährchen- und Sagen-Strauß. 4 Bde. Meißen 1840; Bd. 3, S. 223—227. Kjabenhavns Natkikkert. Siehe: 1821H1. J. D. H. Temme: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Bin. 1840, S. 350. — (S. 40 f.) 1840K J. D. H. Temme. Ebenda, S. 300—302. — (S. 41 f.) F. Nork: Mythologie der Volkssagen und Volksmärchen ... (= J. Scheible: Das Kloster, Bd. 9). Stg. 1848, S. 940—944. — Erzählung in: Das Ausland 1841, Nr. 237. — (S. 48 f.) Richard Wagner: Der fliegende Holländer. In: Gesammelte Schriften und Dichtungen. Lpz. *1907; Bd. 1. — Die Oper ist 1841 vollendet. 1841K Johan Ludvig Heiberg ( = Thomasine Gyllembourg-Ehrensvärd): Skrifter af Forfatteren til „En Hverdags-Historie“. Kbh. 1850; Bd. 6, S. 84. — Die Erzählung ist 1841 zuerst er­ schienen. J. M. Thiele: Danmarks Folkesagn. 2 Bde. Kbh. 1843; Bd. II, S. 173 f. (I).

1843H2

1847H1 1847H2

1848H

1849H

Johann Wilhelm Wolf: Niederländische Sagen. Lpz. 1843, S. 209—212 (Nr. 130). — Aus mdl. Überlieferung und nach A. v. Hasselt, in: „L’artiste“ (1835). — (S. 46) 1844K Heinrich Smidt: Das Loggbuch. Scherz und Ernst zur See. 2 Theile. Frankfurt/M. 1844; Theil 1, S. 123—127. 1845K Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel *1845, S. 319 f. (Nr. 431). — (S. 42) 1846K J. G. Kohl: Die Marschen und die Inseln der Herzogthümer Schleswig und Holstein. 3 Bde. Dresden u. Lpz. 1846; Bd. II, S. 286—288. Kluge 1911, S. 269. — Friedrich Gerstäcker: Reisen um die Welt. Bd. VI (1847), S. 15. Kluge 1911, S. 269. — Friedrich Gerstädeer: Ausgewählte Er­ zählungen I (1847), S. 67. Kaiff, S. 106. — Mitteilung in: De Navorscher 1 (1851), S. 156. — Die Begegnung ist 1848 datiert. 1848K1 Kuhn und Schwartz: Norddeutsche Sagen, Märchen und Ge­ bräuche. Lpz. 1848, S. 15 (Nr. 17). — (S. 42) 1848K2 Kuhn und Schwartz. Ebenda, S. 423 (Obersteuennann Werner aus Hamburg. — (S. 43) 1848K3 Kuhn und Schwartz. Ebenda, S. 423 (Dornumer Syl in Ost­ friesland). — (S. 43) 1848K4 A. Jal: Glossaire Nautique. Repertoire polyglotte de termes de marine anciens et modernes. Paris 1848, S. 1404. Heinrich Smidt: Seemanns-Sagen und Schiffer-Märchen. 2., vollst. Ausgabe. Bin. 1849, S. 3—17. — (S. 49 f.)

1850H1 1850H2 1850H3

1850H4

1850H5 1850K

1852K

Kaiff, S. 106. — Mitteilung in: Nederland 1 (1850), S. 137. Kluge 1911, S. 269. — Theodor Mügge: Der Vogt von Sylt. Bin. 1850, S. 77. Henry Winfred Splitter: New Tales of American Phantom Ships. In: Western Folklore 9 (1950), S. 201—216; hier: 210—213. — Liedblattdruck in: Alta California, 14. 6. 1850. - (S. 52) Bernhard Severin Ingemann: De fire Rubiner. Et Eventyr. Kbh. *1895, S. 134 f. — Etwa 1850 erschienen. Neerlands Volksleven 13 (1963), S. 414. — Jos. Lussenburg: Stervende zee. Amsterdam (um 1850). Paul Gerhard Heims: Seespuk. Lpz. *1888, S. 106. — Die Ballade von August Kopisch ist etwa 1850 geschrieben. — (S. 54) P. Chr. Asbjemsen: Norske Huldre-Eventyr og Folkesagn. Christiania (Oslo) *1870, S. 367—369. — Die Erzählung ist 1852 geschrieben. 219

1854H

1854K1

1854K2 1854K3 1855H

1855K1

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1860H1

1860H2 1860H3 1860H4 1860K1

220

Kaiff, S. 86—88. — Das Gedicht von Victor Hugo ist 1854 geschrieben. — (S. 51) Rudolf Baier: Beiträge von der Insel Rügen. In: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde 2 (1854), S. 139— 148; hier: S. 141 (I). Rudolf Baier. Ebenda, S. 141 f. (II). Rudolf Baier. Ebenda, S. 142 (III). — (S. 43) John Brindtman: Sämtliche Werke in 5 Bänden. Hg. O. Weltzien. Lpz. (1903); 2. Kap., S. 8; 11. Kap., S. 111. — „Kaspar Ohm un ick“ ist 1855 erschienen. Friedrich Gerstäcker: Der Klabautermann (1855). In: Blau Wasser. Skizzen aus See- und Inselleben. Jena 5o. J., S. 519— 556. — (S. 50) Friedrich Gerstäcker: Der Klabautermann und die Sdiiffstochter (1855). Ebenda, S. 557—597. Conrad Müller: Der Klabautermann in Sage und Dichtung. In: Germanistische Erinnerungen. Bin. 1911, S. 91—99; hier: S. 98 f. — Gedicht von G. Blum, das wohl um 1855 geschrie­ ben ist. — (S. 55) Conrad Müller. Ebenda, S. 93. — G. Blum: Strand und See. Hbg. 1856. Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser. Skizzen aus See- und In­ selleben. Jena so. J., S. 140 f. — Die Erzählung ist 1858 ge­ schrieben. Friedrich Gerstäcker. Ebenda, S. 81—83. — Auch diese Er­ zählung ist 1858 geschrieben. Georg Schamhach: Wörterbuch der niederdeutschen Mundart der Fürstenthümer Göttingen und Grubenhagen ... Hanno­ ver 1858, S. 101: s. v. „klätermaenneken". Trad. pop. 15 (1900), S. 96 f. — Nacherzählung eines alten Seemannes, bretonische Sage, in l’Avranchais, Okt. 1859, von E. de Cerny. — (S. 56 f.)

DVA A197826. — Liederheft des Matrosen Th. Fathschild, an Bord der Fregatte Thetis (1860/62); eingesandt durch Kon­ rektor Frohm, Damgarten (Krs. Franzburg), Mai 1927. — (S. 57) J. M. Thiele: Den danske Almues overtroiske Meninger ( = Danmarks Folkesagn, Bd. 3). Kbh. 1860, S. 188. Kaiff, S. 20 f. — Gedicht von John Greenleaf Whittier: Dead-Ship of Harpswell. In: Ballads and Lyrics. 1860. A. Riis Carstensen: Over viden Strand. Livs-og Rejseskildringer. Kbh. 1897, S. 7. — Das Erzählen ist 1860 datiert. Jahrbücher für die Landeskunde der Herzogthümer Schles­ wig, Holstein und Lauenburg 3 (1860), S. 448 f. — Mitgeteilt von Kapitän Brandt aus Lübeck.

Ludvig Larsen: Livet for Deden. En norsk Somands Oplevelser og Jagttagelser i mange Lande. Christiania (Oslo) 1894, S. 58 f. — Das Geschehen ist 1860 datiert. Levin Sdsüdeing: Die drei Freier. Erzählung. Lpz. (um 1874). — 1861 geschrieben. — (S. 55) Niedersachsen 3 (1897/98), S. 142. — Hinweis auf die platt­ deutsche Opernparodie „Das Geisterschiff oder der fliegende Holländer“ von Wollheim. 1861 zuerst aufgeführt. Kaiff, S. 18 Anmerk. 1. — Hinweis auf: W. N. Pyper: Het spookschip. Melodrama. Amsterdam 1861. 1862K Chr. Johansen: Die Nordfriesische Sprache nach der Föhringer und Amrumer Mundart. Kiel 1862, S. 268 f. — Erzählung des Besenbinders Jens Drefsen, früher Seemann. — (S. 58) 1863K Henry Wadsworth Longfellow: The Poetical Works (Oxford Edition). Ldn. 1910, S. 409—413. — „The Tales of a Wayside Inn“ werden 1863 veröffentlicht. — (S. 53) 1867K1 Daheim. Ein deutsches Familienblatt 3 (Bielefeld 1867), S. 218—220. — Korvettenkapitän Werner. 1867K2 Ludwig Stradeerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzog­ tum Oldenburg. 2 Bde. Oldenburg 1867; Bd. I, S. 394 f. (Allgemeines). — (S. 43) 1867K3 Ludwig Stradeerjan. Ebenda, S. 395 f. (Sage: Einst war ein Schiff...). — (S. 43) 1867K4 Ludwig Stradeerjan. Ebenda, S. 396 (Sage: Einst war ein Steuermann ...). — (S. 44) 1867K5 Ludwig Stradeerjan. Ebenda, S. 396 (Sage: Der Klabattermann haust ...). 1869K1 R(einhold) Werner: Das Buch von der Norddeutschen Flotte. Bielefeld und Lpz. 1869, S. 279 und 283—288. — Viele ver­ mehrte und verbesserte Auflagen unter dem Titel: Das Buch von der Deutschen Flotte. Z. B. 8. Aufl. 1902. Unser Text auch in: R. Werner: Seebilder. Bielefeld und Lpz. 1876, S. 30 f. und 39—46. — (S. 50 f.) 1869K2 Ernst Halber: Helgoland. Nordseestudien. Hbg. 21869, S. 298. — Das Erlebnis der Großmutter ist vor 1808 zu datieren.

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A. E. Brachvogel: Der fliegende Holländer. Roman. 4 Bde. Bin. 1871. 1871K Theodor Storm: Sämtliche Werke. Neue Ausgabe in 5 Bänden. Braunschweig und Bin. 1912; Bd. II, S. 309. — Die Novelle ist 1871 erschienen. — (S. 52) 1872K N. A. Larsen: Erindringer fra en Reise rundt Jorden. Chri­ stiania (Oslo) 1872, S. 25 u. a. Frank Shay: A Sailor’s Treasury. N. Y. 1951, S. 16. — Ge­ dicht von J. B. O'Reilly, in: Songs of the Southern Seas. Bo­ ston 1873.

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Jonas Lie: Lodsen og hans Hustru (1874). In: Samlede Vaerker. Christiania u. Kbh. 1908; Bd. I, S. 209 ff.; hier: S. 269. - (S. 52) Viktor Rydberg: Skrifter. 1. Bd.: Dikter. Stockholm *1899, S. 91—99. — 1876 erschienen. Kaiff, S. 18 Anmerk. 1. — Hinweis auf E. Witt: De Vliegende Hollander. Ballettpantomime. 1876 in Amsterdam auf­ geführt. Anton Ohorn: Der fliegende Holländer. Dichtung in drei Ge­ sängen. Mühlhausen i. Th. 1878. Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklen­ burg. 2 Bde. Wien 1879—80; Bd. I, S. 161 f. (Nr. 198).

William Main Doerflinger: Shantymen and Shantyboys. Songs of the sailors and lumbermen. N. Y. 1951, S. 148 f. — Das Lied wird um 1880 gesungen (s. S. 335 f.). William Main Doerflinger. Ebenda, S. 147. — Mitteilung des Seemannes Dick Maitland (1857—1942). — (S. 58) Kaiff, S. 24. — Hinweis auf ein Gedicht von Ellen Mary Clarke: The flying Dutchman (1881). Frank Shay: A Sailor’s Treasury. N. Y. 1951, S. 17 f. — The Cruise of Her Majesty’s Ship Bacchante, 1879—1882. Com­ piled from the Private Letters and Notebooks of Prince Al­ bert Victor and Prince George, with additions by John N. Dalton. 3 Bde. Ldn. 1886. — Das Erlebnis ist 1881 datiert. - (S. 58) 1881K1 Eva Wigström: Folkdiktning. Visor, folktro, sägner och en svartkonstbok. 2 Bde. Göteborg 1881; Bd. II, S. 227 (En skeppare frän Torekov ...). — (S. 44 f.) 1881K2 Eva Wigström. Ebenda, Bd. II, S. 227 (Pä ett af vära nybyggda fartyg ...). 1881K3 Martin Jonsson: Folktro, seder ock bruk i More under nittonde ärhundradet (= Svenska Landsmälen II, 5). Stock­ holm 1881, S. 19. George P. Boughton: Seafaring. Ldn. 1926, S. 51 f. — Das Er­ lebnis ist 1882 datiert. 1882K J. ten Doornkaat Koolman: Wörterbuch der ostfriesischen Sprache. 3 Bde. Norden 1879—84; Bd. II (1882), S. 151: s. v. „kabauter“. — (S. 181) 1884K Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste ... hrsg. von J. S. Erseh und J. G. Gruber. 36. Teil (Lpz. 1884), S. 346 (R. Werner). 1885K Fletcher S. Bassett: Legends and Superstitions of the Sea and of Sailors in all Lands and at all Times. Ldn. 1885. Evald Tang Kristensen: Jyske folkeminder. 13 Bde. Kolding 1871—97; Bd. VIII (1886), S. 196.

Arno Holz: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich 1886, S. 88 f. — (S. 64) 1888K Paul Gerhard Heims: Seespuk. Aberglauben, Märdien und Schnurren. Lpz. *1888. W. Clark Russell: The Death Ship. Being an account of a cruise in ‘The Flying Dutchman’, collected from the papers of the late Geoffrey Fenton, of Poplar, Master Mariner. New edition. Ldn. 1901. — Zuerst 1888. Russell, geb. 1844, diente 8 Jahre bei der Marine, bevor er Schriftsteller wurde. A. Breusing: Die Lösung des Trierenrätsels. Die Irrfahrten des Odysseus nebst Ergänzungen und Berichtigungen zur Nau­ tik der Alten. Bremen 1889, S. 64 f. A. Breusing. Ebenda, S. 65 (Der Führer des gespensterhaften Schiffes...). — (S. 59) 1889K1 Ulrich Jahn: Volkssagen aus Pommern und Rügen. Bin. ’1889, S. 550 f. (Nr. 686). — (S. 44) 1889K2 Ulrich Jahn. Ebenda, S. 104.

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L(udwig) Frahm: Norddeutsche Sagen von Schleswig-Holstein bis zum Harz. Altona u. Lpz. 1890, S. 205—208 u. 221—224. - (S. 63) Frank Shay: A Sailor’s Treasury. N. Y. 1951, S. 16. — William Clark Russell: A Voyage to the Cape. Ldn. o. J. (wohl um 1890). Illustreret Familie-Journal. Kbh. 1890. (Klabautermann-Abb. in: H & S). — (Abb. 6) H. Frischbier: Volksglauben. In: Am Ur-Quell. Monatsschrift für Volkskunde. Neue Folge 1 (1890), S. 134 f. (Allgemeines). H. Frischhier. Ebenda, S. 135 (Nr. 1). — (S. 62) H. Frischbier. Ebenda, S. 135 (Nr. 2). — (S. 62). H. Frischbier. Ebenda, S. 135 (Nr. 3). Lennart Torstensson Revall: Äländsk folktro, skrock ock trolldom (= Svenska Landsmälen VII, 9). Stockholm, S. 9 (Skeppsräden ...). L. T. Revall. Ebenda, S. 9 (I Lemland ...). L. T. Revall. Ebenda, S. 9 f. (Da ett skepp ...). L. T. Revall. Ebenda, S. 10 (En gäng kom ett fartyg ...). Evald Tang Kristensen: 0en Anholt i sagn og saed. Kbh. 1891. E. Juel-Hansen. Erindringer fra sejlskibstiden som matrosen oplevede den. Manuskript in: H fit S. 1954, S. 97 f. und 143. Die Erlebnisse sind 1891 datiert. — (S. 84) Waling Dykstra: Uit Friesland’s Volksleven van vroeger en later. 2 Bde. Leeuwarden 1892—95; Bd. I, S. 76. — (S. 49) Waling Dykstra. Ebenda, Bd. II, S. 209 f. 223

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Evald Tang Kristensen: Danske Sagn, som de har lydt i folkemunde. 6 Bde. Arhus 1892—1901; Bd. II, S. 44 (Nr. 16). E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S. 44 (Nr. 17). E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S. 44 (Nr. 18). — (S. 45) E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S. 44 f. (Nr. 19) — (S. 45) E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S 45 (Nr. 20). — (S. 45) E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S. 485 (Nr. 544). — (S. 46) E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S. 485 f. (Nr. 545). — (S. 46) Julius Wolff: Der fliegende Holländer. Eine Seemannssage. (= Grote’sche Sammlung von Werken zeitgenössischer Schrift­ steller. Bd. 46). Bin. 1892. — (S. 63 f.) Julius Wolff: Der fliegende Holländer. Eine Seemannssage. Julius Wolff. Ebenda, S. 132. Tidsskrift for Sovaesen 1892, S. 99. Christian Jensen: Zwergsagen aus Nordfriesland. In: Zeit­ schrift des Vereins für Volkskunde 2 (1892), S. 407—418; hier: S. 417. Ludwig Erk und Franz M. Böhme: Deutscher Liederhort. Aus­ wahl der vorzüglicheren Deutschen Volkslieder, nadi Wort und Weise aus der Vorzeit und Gegenwart. 3 Bde. Lpz. 1893—94; Bd. II, S. 22. — Ohne Quellenangabe. August Freudenthal: Aus Niedersachsen. Schilderungen, Er­ zählungen, Sagen und Dichtungen. Ein Volksbuch für Jung und Alt. 2 Bde. Bremen 1893—95; Bd. I, S. 242—250. August Freudenthal. Ebenda, Bd. I, S. 251—53. — Ballade von Ludwig Frahm. — (S. 64 f.) Hein Sternhagen: Ut Vadder’s Tieden! Leben und Treiben im alten Hamburg. Hbg. (ca. 1893), S. 68. — (S. 64) Briefl. Mitteilung von S. J. v. d. Molen an H. Henningsen, 9. 5. 1966. — Gedicht des friesischen Autors S. Koldyk, 1893. Kaiff, S. 33. — Rudyard Kipling: Merchantmen. In: The Seven Seas. 1896. Wolfgang Rudolph: Die Insel der Schiffer. Zeugnisse und Er­ innerungen von rügischer Schiffahrt. Rostock 1962, S. 26. — Fritz Worm: Mönchgauder Spaukgeschichten. Greifswald 1898. - (S. 139) Eva Wigström: Folktro ock sägner frän skilda landskap ( = Svenska Landsmälen VIII, 3). Stockholm, S. 136 (Nr. 441). Eva Wigström. Ebenda, S. 136 (Nr. 442). Eva Wigström. Ebenda, S. 136 (Nr. 443). Eva Wigström. Ebenda, S. 136 (Nr. 444). Eva Wigström. Ebenda, S. 136 f. (Nr. 445). Eva Wigström. Ebenda, S. 137 (Nr. 446). F. Kunze: Der Klabautermann als Schiffsgeist. In: Die Hei­ mat 13 (1903), S. 130—35; hier: S. 135. — Das Erlebnis ist 1899 datiert. — (S. 140)

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Maximilian Bern: Ahoi! Deutsche Meereslyrik. Bin. (ca. 1900), S. 138—140. — Osk. Ludw. B. Wolff: Der fliegende Hollän­ der. Maximilian Bern. Ebenda, S. 116 f. — Gabriele von Rochow: Der Klabautermann. Anglia. Beiblatt. Mitteilungen aus dem gesamten Gebiete der englischen Sprache und Literatur 13 (1902), S. 48 f. — „Täg­ liche Rundschau“ 17. 8. und „Hannoverscher Courier“ 18. 8. 1901, nach einem Beitrag in: Temps; keine genauere Quellen­ angabe. — (S. 65 f.) Sea Breezes. The Ship Lovers’ Digest 27 (1959), S. 4. — Das Erlebnis ist 1901 datiert. — (S. 140) Trad. pop. 17 (1902), S. 475—478 (F. Merquer). — (S. 63) C. T. Hey: Havets Sonner. Fortaellinger og Skildringer. Kbh. 1902, S. 108. — (S. 66) Harper’s Monthly Magazine CIV (Jan. 1902), Nr. DCXX. (DFS: Feilbergs Bibliothek). Gustav Goedel: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Seemannssprache. Kiel u. Lpz. 1902, S. 248 f: s. v. „Klabauter­ mann“. — (S. 129). Rex Clements: A Gipsy of the Horn. Ldn. ’1925, S. 79. — Das Erzählen ist 1903 datiert. Karl Hessel: Sagen und Geschichten des Rheintales von Mainz bis Köln. Bonn 1904, S. 187 f. (Nr. 155). J. Wiegand: Die letzte Fahrt. Seedrama in einem Aufzug. In: Niedersachsen 9 (1903/04), S. 152—156. Knud Andersen: Forste rejse. Erindringer. Kbh. 1964, S. 27 (H) und S. 36 (K). — Die Reise ist 1905 datiert. — (S. 160). Paul Sebillot: Le Folk-lore de France. 2. Tome: La mer et les eaux douces. Paris 1905, S. 147. H. Philippsen: Sagen und Sagenhaftes von Föhr. In: Die Hei­ mat 15 (1905), S. 115—119; hier: S. 117 (Nr. 28). Anglia. Beiblatt. 17 (1906), S. 73. — Wiegenlied in Hein­ rich Bäckers Schiffergeschichte „Der Tyrann“ („Illustrierte Zei­ tung“, 28. 9. 1905). Kluge 1911, S. 451. — G. Engel: Hann Klüth. Roman. Bin. 1905, S. 92. Christian Morgenstern: Alle Galgenlieder. Lpz. 1941, S. 271. — Das Gedicht ist 1905 geschrieben. Christian Morgenstern. Ebenda, S. 272. Semandsbreve. In: Kolding Avis, 3. 4. 1906. (DFS: Feilbergs Sammlung „Somandsliv“ 5785). Henrik Pontoppidan: Hans Kvast og Melusine. In: Noveller og Skitzer III. Kbh. 1930, S. 250. — 1907 erschienen. Wilhelm Poedi: Von Löwen, Lumpen und anständigen Leu­ ten. Lustige Hamburger Geschichten. Hbg. 1908, S. 2. 225

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Gorch Fock: Ole Geschichten van de Nerdenilw. In: Mittei­ lungen aus dem Quickborn 4 (1910/11), S. 116. — Nachdrucke in: Heimatbuch für unser hamburgisches Wandergebiet. Hbg. 1914, S. 204 f.; Lutz Mackensen: Hanseatische Sagen. Lpz. 1928, S. 6. — (S. 77) Briefliche Mitteilung von Aage Rohmann, Kbh. 29. 6. 1965. — Erinnerung von ca. 1910. Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Hg. K. L. Schnei­ der. 1. Bd. (Lyrik). Hbg. u. München 1964, S. 195—197; S. 201—204 (letzte Fassung). Conrad Müller: Germanistische Erinnerungen. Bin. 1911, S. 91. — Mitteilung eines Schiffsoffiziers. Conrad Müller. Ebenda, S. 97. — Dat Lied vun den ohlen Aegir. Conrad Müller. Ebenda, S. 97 f. — Arnold Hellmann: Meertraudehen und Klabautermann. H. Philippsen: Sagen und Sagenhaftes der Insel Föhr. Gar­ ding 1911, S. 35 (Das Klabautermännchen verläßt das Schiff). H. Philippsen. Ebenda, S. 36 (Das Klabautermännchen und der Kapitän). H. Philippsen. Ebenda, S. 37 (Klaboltermännchen im Haus). H. Philippsen. Ebenda, S. 37 (Der Bollermann). Heinrich Binder: Junge, Junge kannst Du lügen!! SeemannsHumoresken. Hbg. *1912, S. 56—63. — (S. 83) Heinrich Spiero: Hamburger Märchen. Hbg. 1912, S. 20. J. Schmidt-Petersen: Wörterbuch und Sprachlehre der Nord­ friesischen Sprache nach der Mundart von Föhr und Amrum. Husum 1912, S. 71: s. v. „klabolterman“. Gorch Fock: Sämtliche Werke in 5 Bänden. Hg. J. Kinau. 13.—17. Tsd. Hbg. 1937; Bd. II, S. 247 u. 249. — Erzählung: Hein Godenwind. Gorch Fock. Ebenda, Bd. IV, S. 11. — Erzählung: Krischon Honolulu. Gorch Fock: Seefahrt ist not! Roman. In: Ebenda, Bd. III, S. 232 f. (12. Stremei). — 1913 erschienen. — (S. 82) A. Hans: Vertellingen van de zee. Brüssel 1914, S. 31—34. Carl Sörensen: Skipperhistorier. 2. Bd.: Guden Hansen og andere Skipperhistorier. Kbh. 1915, S. 71. Ordhog over det danske sprog. 28 Bde. Kbh. 1918—1956; Bd. VIII, S. 422. — (S. 129) DFS 1906/23; A: Th. Gravlund, 1. 12. 1919, Stk. 3; E: Bortt Johans, geb. 1832, Kikhavn. Lorens Berg: Tjömö. En bygdebok. Kristiania (Oslo) 1920, S. 197—199.

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2.A 110918; E: W. Schönegge. (Pommersche Heimat 1920, Nr. 11). Carl Muusmann: Halvfemsernes glade. Kbh. 1921, S. 28 f. Hans Förster: Koornknicker. Ohl Verlanner Verteilen. Braun­ schweig u. Hbg. 1921. (HWB). Harry Reuß-Löwenstein: Zwischen Süllberg und Chimborasso. Erlebte und erlogene Geschichten. Hbg. 41935, S. 68 f. — 1922 erschienen. Kaiff, S. 101 Anmerk. 1 (Umfrage durch Paul den Tex). Hans Friedrich Blunck: Berend Fock. Die Mär vom gottab­ triinnigen Schiffer. (= Werdendes Volk, Bd. 3). München 1923. Wilhelm Poeck: Heino, der Klabautermann. Eine Sdiiffsjungengeschichte. Bin. 1923. The Mariner“s Mirror 9 (1923), S. 213 f. Otto Lauffer: Niederdeutsche Volkskunde. Lpz. *1923, S. 75. — Vgl. den Abmähl-Vers aus Geesthacht; Fragebogen des Museums für Hamburgische Geschichte, um 1920. (HWB). — (S. 185) A. Michaelsen: For rebede sejl. Manuskript in: H & S 1963, S. 14. — Das Erlebnis ist 1924 datiert. H. Grüner-Nielsen: Laesofolk i gamle dage. (= Dansk Folkeminder, Nr. 29). Kbh. 1924, S. 163. Lutz Madeensen: Niedersächsische Sagen. Teil 2: HannoverOldenburg. (= Eichblatts Deutscher Sagenschatz, Bd. 8). Lpz. 1925, S. 108 (Nr. 137). Hermann Claudius: Stummel. En Vertelln. Hbg. 1925, S. 47 u. 49. Brodehaus. Handbuch des Wissens in 4 Bänden. Lpz. 1925; Bd. II, S. 644: s. v. „Klabautermann". J. A. Nekleby: Norsk sjomandsliv gjennem hundre aar. Bd. I: Tonsberg 1925, S. 151. DFS 1906/23, top. 641; A: A. Rohmann, ca. 1925; E: Th. Teinnaes, Rönne (Bornholm). Geschildert für die 1880er Jahre. - (S. 75) Hans Friedrich Blunde: Von Klabautern und Rullerpuckem. Märchen von der Niederelbe. Jena 1926, S. 117 ff., 141 ff., 197 ff. Oskar Loorits: Livische Märchen- und Sagenvarianten. ( = FFC 66). Helsinki 1926, S. 41. Walter Scheidt und Hinrich Wriede: Die Elbinsel Finkenwär­ der. München 1927, S. 52. — (S. 182) P. Jensen: Wörterbuch der nordfriesischen Sprache der Wiedingharde. Neumünster 1927, S. 269. Herrn. Lübbing: Friesische Sagen. Von Texel bis Sylt. ( = Stammeskunde deutscher Landschaften). Jena 1928, S. 204 ff.

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Evald Tang Kristensen: Danske Sagn, som de har lydt i folkemunde. Ny Raekke. 7 Bde. Kbh. 1928—39; Bd. II, S. 204 (Nr. 560). E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S. 403 (Nr. 562). E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S. 32 (Nr. 117). E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S. 32 (Nr. 118). E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S. 32 £. (Nr. 119). E. T. Kristensen. Ebenda, Bd. II, S. 33 (Nr. 120). LUF 584 s. 8—9; A: Th. Mänsson, 1928; E: J. Johansson, Mörrum/Blekinge. T. Stamsö: Yngste jungmann ombord. Fra seilskibenes dager. Oslo (ca. 1929), S. 125. — Geschildert für etwa 1912—14. — (S. 83) Wilhelm Poede: Simon Kuipers Kinder. Ein Fischerroman von der Nordsee. Wien-Hbg.-Zürich 1929—30, S. 165. — (S. 80) Den norske sjefartshistorie fra de aeldste tider til vore dage. 3 Bde. Oslo 1923—51; Bd. Ill, 2 (1929), S. 499. Rudolf Wegner: Seespuk. In: Illustrierter Deutscher Flotten­ kalender für das Jahr 1929 (Köhler, 27. Jg.). Minden i. W., S. 70—71.

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Vikingen 1930, Heft 12, S. 8. Frank C. Bowen: Sea Slang. A Dictionary of the Oldtimers’ Expressions and Epithets. Ldn. (1930?), S. 51: s. v. „Flying Dutchman“. 1930K ZA 61931; A: G. F. Meyer, 1930 (40A27); E: Schiffer K. J. Steffens, geb. 1835, Neufeld, Krs. Süderdithmarschen. — (S. 75) Wolfgang Stammler: Seemanns Brauch und Glaube. In: Deut­ sche Philologie im Aufriß. Bin. *1962; Bd. III, Sp. 2951. — Mitteilung von 1931. Josef Müller: Rheinisches Wörterbuch. Bin. 1928 ff.; Bd. II (1931), S. 613. 1932K Trygve Knudsen 8c Alf Sommerfeit: Norsk Riksmälsordbok. 2 Bde. Oslo 1937—57; Bd. I, 2, S. 2446. — Hinweis auf: Aftp. 1932/634, 7. 4. 1933K1 Knudsen 8c Sommerfeit. Ebenda, Bd. I, 2, S. 2446. — Hinweis auf: Daghl. 1933/138, 8. 5. 1933K2 Wolfgang Stammler: Kleine Schriften zur Sprachgeschichte. Bln.-Bielefeld-München 1954, S. 226. — Hans Leip: Segelan­ weisung für eine Freundin. 1933. 1933K3 Hans Leip: Die Klabauterflagge oder Atje Potts erste und höchst merkwürdige große Fahrt. Flensburg u. Hbg. (1948), S. 18 f. — 1933 erschienen. — (S. 82)

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Fra det gamle Gilleleje. Red. af H. C. Terslin, udg. af Gilleleje og AEmegers Museumsforening. 1934, S. 64 f. (Mit­ teilung von Fischer Jens Nielsen, geb. ca. 1830). Fra det gamle Gilleleje. S. 65 (Mitgeteilt 1932 von Fischers­ tochter Katrine Svendsen, geb. 1867). Fra det gamle Gilleleje. S. 65 (Mitgeteilt 1934 von Charles Olsen, geb. 1871). Hans Leip: Jan Himp und die kleine Brise. Roman. Hbg. 1947, S. 19. — 1934 erschienen. — (S. 138) G. F. Meyer 28A296; A: P. Selk, Dez. 1935; E: in Söruper Schule (Angeln). — (S. 64) Sam Ritzier (= Olof Taung): Med styrman Ganthenhielm til Canton uti China. Göteborg 1935, S. 172 u. 177 ff. ZA 63251; A: G. F. Meyer, 1935 nach längerer Erinnerung (91A96); E: Frau B. Wiese, geb. 1862, Elmshorn. Dietrich Bellmer: Der Klabautermann. In: Illustrierter Deut­ scher Flottenkalender für das Jahr 1935 (Köhler, 33. Jg.). Minden i. W., S. 72—75; hier: S. 74. DFS 1906/23, top. 2057; A: A. Hansen, 17. 2. 1936; E: Fi­ scher und Seemann Nielsen, geb. 1871, Horsens (Nexo). Stüde 7. — (S. 75) DFS 1906/23, top. 2057; dgl. Stüde 6. DFS 1906/23, top. 2057; dgl. Stüde 8. Hans ut Hamm (= Hans Steffen): Hamborg lacht. Quietsch­ fidele Döntjes. Hbg. (1936), S. 89. Hakon Mielthe: Reise ans Ende der Welt. Wien, München, Basel 1956, S. 64. — 1936 erschienen. Lauri Simonsuuri und Pirkko-Liisa Rausmaa: Finnische Volkserzählungen. (= Supplement-Serie zu Fabula, Reihe A, Bd. 7.) Bin. 1968, S. 268 (Nr. 365: Der Streit der Schiffsgei­ ster). — A: L. Laiho, 1936; E: B. Laihonen, 70 J., Pyhämaa. Simonsuuri/Rausmaa. Ebenda, S. 268 (Nr. 366: Der Schiffs­ geist). — A: L. Laiho, 1936; E: F. Paulin, 72 J., Pyhäranta. DFS 1906/23, top. 3304; A: A. Lorenzen, 31 5. 1937; E. Fi­ scher H. P. Lausen, geb. 1864, Steinberghaff. H. 7. 9. 1. 1937 (HWB: „Klabautermann“). Martin Luserke: Logbuch des guten Schiffs „Krake“ DGJC von seiner 4. Dänemark-Fahrt 1936 __ Potsdam 1937, S. 9 u. ö. — (S. 80) Hans Friedrich Blunde: Deutsche Heldensagen. Bin. 1938, S. 415 ff. — (S. 78) Josef Müller: Rheinisches Wörterbuch. Bin. 1928 ff.; Bd. IV (1938), S. 591 f. Paul H. Kuntze: Volk und Seefahrt. Lpz. 21940, S. 321 f. — 1939 erschienen. DFS 1906/23, top. 661: A: A. Rohmann, 1939; E: Tischler Bendtsen. — (S. 75 f.) 229

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Hans Christoph Worbs: Der Schlager. Bestandsaufnahme, Ana­ lyse, Dokumentation. Bremen 1963, S. 174. — Schlager von Bruno Balz: Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern (aus dem Film „Paradies der Junggesellen“).

1940K

Martin Luserke: Reise zur Sage. Ein Seemannsgarn vom münd­ lichen Erzählen. Potsdam 1940, S. 97. Harald H. Lund: Skipper Historier fortalt af Skipper Skraek. Kbh. (1941), S. 51. — (S. 83) Hamburger Anzeiger 14./15. 6. 1941 (Hein Seesteebel). (HWB). DFS 1906/23, top. 294; A: Frau E. Jensen-Kokkedal, 29. 10. 1943, Bl. 13, Nr. 57; E: C. Baago. — (S. 76). 'DFS 1906/23, top. 294; A: Frau E. Jensen-Kokkedal, 28. 3. 45, Bl. 1, Nr. 3; E: C. Baago. — (S. 76). Svenska flottans historia. Malmö 1945; Bd. III, S. 612 f. DFS 1906/23; A: E.-M. Ransy, 28. 3. 46; E: Schiffsingenieur J. Moldrup, geb. 1875, Kbh. Carl-Martin Bergstrand: Bohuslänska sägner. Göteborg 1947, S. 104 (Nr. 231). Carl-Martin Bergstrand. Ebenda, S. 104 (Nr. 232). DFS 1906/23; A: O. Henningsen, 3. 6. 47; E: Kapitän Bay, geb. ca. 1882, Kbh. —(S. 76) Hans Duis: Neue Seemannslieder. Hbg. (vor 1947), S. 6 f. DFS 1906/23, top. 1; A: H. Henningsen, 2. 1. 1948; E: Mau­ rermeister D. Nyborg, geb. 1910, Brede, in der Jugend zur See gefahren. — (S. 76). DFS 1906/23, top. 1; A: H. Henningsen, Juli 1948; E: Post­ bootfahrer Nielsen jun., geb. 1905, Vejro. — (S. 177) DFS 1906/23, top. 1; A: H. Henningsen, Juli 1948; E: Schiffs­ zimmermann A. R. Andersson, geb. 1890, Brede pr. Lyngby. - (S. 76) R. Kinau- Mien bunte Tüller. Hbg. (1948), S. 97. — (S. 181) Henning Henningsen: Sagn og folketro fra Femo og Vejro. In: Lolland-Falsters historiske Samfund Aarbog XXXVII (1949), S. 29. Carl-Martin Bergstrand: Hallandssägner. Göteborg 1949, S. 128 (Nr. 298). Carl-Martin Bergstrand. Ebenda, S. 128 (Nr. 299). B. T. (dän. Zeitung), 21. 6. 1949 (E. Juel-Hansen). — (S. 87)

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Van Dale’s niew groot woordenboek der nederlandse taal. Bewerkt door C. Kruyskamp en F. de Tollenaere. Gravenhage u. Leiden ‘«1950, S. 828 (K) u. S. 2022 (H). 1950K2 Otto Schou: Nordjysk Skibsfart og dens Maend. Manuskript in: H 8c S 1950, S. 109. — (S. 84)

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Frank Shay: A Sailor’s Treasury. N. Y. 1951, S. 36. — Mit­ teilung aus dem 2. Weltkrieg. Richard Hennig: Phantastische Meerfahrt. Die schönsten See­ fahrersagen aus aller Welt. Stg. 1951, S. 177. Hamburger Echo, 31. 7. 1951 (Mit Arnold Risch suutje langs de Küst, VIII). — (S. 185) Henning Henningsen: Crossing the Equator. Kbh. 1961, S. 75 (Hinweis). — Mitteilung in: Helsingers Sozial-Demokrat, 19. 3. 1951. Vikingen 1952, Heft 2, S. 17. Greta Marcussen: De Klabautermann. Erzählung. In: Die Hei­ mat 59 (1952), S. 88 f. Carl Kircheiss: Wasser, Wind und weite Welt. Als Schiffsjunge um die Erde. Gütersloh 1953, S. 282. Carl Kircheiss. Ebenda, S. 183. — (S. 84) Hamburger Anzeiger, 14. 11. 1953 (J. Saß: Vergneugen op’n Doorn). Vikingen 1953, Heft 3, S. 21 f. (M. Christoffersen). — (S. 85) Meens Folkeblad, Febr. 1953. Edgar von Salis-Soglio: Mit fliegenden Segeln über die Welt­ meere. Zürich 1953, S. 43 f. E. Dehning: Auch eine Klabautermann-Geschichte. In: Die Heimat 60 (1953), S. 301. — Erneut gedruckt mit einer Vorbe­ merkung in: Schleswig-holsteinischer Heimatkalender 1965 (Rendsburg, 27. Jg.), S. 106 f. — Das Erlebnis ist um 1845 zu datieren. — (S. 86) Joh. V. Jensen: Kannibalvise. In: 250 Lystige Viser. Bd. I. Kbh. 1953. Svensk Uppslagsbok. 32 Bde. Malmö 1947—55; Bd. XXVI, S. 219: s. v. „skreppsrä“. DFS 1906/23, top. 52; Brief von Line Andersen, Kikhavn; Eingang 9. 12. 53. — (S. 87) Ejnar Mikkelsen: Fra Hundevagt til Hundeslaede. Kbh. 1954, S. 27 f. — (S. 84) E. Juel-Hansen: Erindringer fra sejlskibstiden som matrosen oplevede den. Manuskript in: H & S 1954, S. 9 ff. — 1890er Jahre. — (S. 84)

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E. Juel-Hansen. Ebenda, S. 11 ff. — 1890er Jahre. — (S. 84) Henning Henningsen: Crossing the Equator. Kbh. 1961, S. 75 (Hinweis). — Mitteilung in: Skagens Avis, 30. 3. 1954. Ostsjaellands Folkeblad, 8. 5. 1954 (L. Moller). — (S. 87)

Christa Pieske: Glaube und Brauch der seefahrenden Bevöl­ kerung an der deutschen Ostseeküste. In: Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg/Pr. 4 (1954), S. 70 f. Aftenbladet, 24. 12. 1956. — (S. 87)

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The Annual Dog Watch. Publ. by the Shiplover’s Society of Victoria, 14 (Melbourne 1957), S. VIII. — (S. 85) Peter Freuchens Bog om De syv Have. Kbh. 1959, S. 336 f. — Original: Book of the Seven Seas. N. Y. 1957. Börsen, 20. 2. 1957. — (S. 182 f.) 1957K1 Hans Leip: Das Meer. (= Die Landschaft als Erlebnis). Mün­ chen 1957, S. 67. — (S. 82) 1957K2 Nautisk almanak 1957, S. 2. 1958K Liederbuch für Schleswig-Holstein. Hg. Schleswig-Holsteini­ scher Heimatbund. Wolfenbüttel u. Bad Godesberg 1958, S. 204 f. — (S. 81) Hinschenfelde und seine Schule. Ein Rückblick zum lOOjährigen Bestehen des alten Schulhauses von 1858. 5.—7. Nov. 1958, S. 68. (HWB). Jean Merrien: Dictionnaire de la mer. Paris 1958, S. 625. Fred Schmidt: Kapitäne. Hbg. 1959, S. 261—63. 1959K1 DFS. Aufzeichnungen von H. T. Moller, geb. 1888, Kbh., 23. 7.1959; Sammler: G. Henningsen. — (S. 88 f.) Heinrich Feut: Hadeler Wörterbuch. Der plattdeutsche Wort­ schatz des Landes Hadeln (Niederelbe). 4 Bde. Neumünster 1959; Bd. I, S. 562. 1959K2 Heinrich Teut. Ebenda, Bd. II, S. 384 und S. 461. 1959K3 B. T. (dän. Zeitung), 25. 11. 1959 (M. F. Nielsen). — (S. 87)

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Hans Friedrich Blunck: Nordseesagen. Stg. 1960, S. 102 f. Hans Friedrich Blunde. Ebenda, S. 188 f. Ugens Gaest. 1960. (H & S-Ausschnitte: Trad.). — Mitteilung eines 80jährigen Seemannes um 1918. — (S. 86) Mitteilung von Ursel Locke, Stg., 29. 4. 65. — Die Umbenen­ nung geschah um 1960. — (S. 192 Anmerk. 2) Elisabeth Hering: Sagen und Märchen von der Nordsee. Bin. 1961, S. 180—183. Asbjörn Bakken: Vi prater om overtro til sjos. In: Skib og sjofolk (= Vestfold-Minne 1961). Vestfold 1961, S. 121—127; hier: S. 125 (Gespräch mit Kapitän Bjarne Ribsskog). — (S. 87 f. + S. 182) Alborg Amtstid, 19. 3. 1961. Gertrude Jobes: Dictionary of Mythology, Folklore and Sym­ bols. N. Y. 1961, S. 935. Wolfgang Rudolph: Die Insel der Schiffer. Zeugnisse und Er­ innerungen von rügischer Schiffahrt. Rostock 1962, S. 21 (Mit­ teilung des Lauterbacher Hafenlotsen Carl Zickermann). Wolfgang Rudolph. Ebenda, S. 21 (Nebelschiff). Aarhuus Stiftstid, 15. 7. 1962 (H. P. Moller: Mit mode med Dodssejleren). — (S. 86)

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Ernst Alexander Römer: Der Wind weht von Anbeginn. Ein Epos des Segels. Hbg. 1962, S. 67. 1962K1 Ernst Alexander Römer. Ebenda, S. 267. — (S. 178) 1962K2 Heinz Randow: Siebenmal um Kap Hoorn. Mit Windjam­ mern auf großer Fahrt. Hattingen (Ruhr) 1962, S. 85. — (S. 84 f.) 1962K3 Svendborg Avis, 22. 12. 1962 (C. A. Christensen). — (S. 87) 1962K4 0ro Avis, 27. 7. 1962. — (S. 86 f.) Heinrich Karstens: Niederdeutsche Sagen. Bd. 1: Meer, Marsch, Heide. Hannover 1963, S. 22 f. — (S. 79) Sjaellands Tidende, 30. 11. 1963 (Aage Toft). Gustav Henningsen: Det store skib og den store gird. In: 1963K Folkeminder 1963, S. 196—213; hier: S. 202; A: C. Petersen, 1962; E: sein Großvater Seemann Poul Chr. Petersen, geb. 1846, Gilleleje.

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Hans Heitmann: Schipp op Strand. — Aufführung in Kiel am 19. 9. 1964 (siehe: Kieler Nachrichten, 21. 9. 1964).

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Die Zeit, 11. 9. 1964 (Käte Reiter: Unsere Kinder; Gedicht). — (S. 183)

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Aufzeichnung von Henning Henningsen, 19. 8. 1964; E: Bootsbauer Christian Madsen, geb. 1898, Lynaes. — (S. 87)

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Briefliche Mitteilung von Otto Stödeer, Beidenfleth, an Hen­ ning Henningsen, 25. 3. 1965. — (S. 88 f.)

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Mitteilungen der Kieler Kapitäne R. Drögemöller, E. Faedes, K. F. Rühr, Febr. und März 1965.

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Mitteilung von Konservator Christian Nielsen, geb. ca. 1913 auf Feja, Helsingar, 1. 4. 1965. — (S. 185)

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Mitteilung von Hartmut Ruhe, Kiel, 14. 8. 65.

1965K5

Kieler Nachrichten, 14. 9. 1965, S. 3.

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Der Spiegel, 13. 10. 1965, S. 108 und S. 111 (Robert Manry). - (S. 155)

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Hamburger Morgenpost, 13. 12. 1965, S. 10 (W. E. Döll: Schwarze Katze über’n Weg III). — (Abb. 10)

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Richard Wossidlo und Hermann Teuchert: Mecklenburgisches Wörterbuch. Neumünster 1942 ff.; Bd. IV (1965), Sp. 283.

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Mitteilung von Ulrike Soehring, Flensburg, 26. 3. 1966. Svein Molaug: Moderne sjemannstro. In: Handels- og Safartsmuseet-ärbog 1966, S. 186.

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S. Molaug. Ebenda, S. 187.

1967K1

Ulrich Tolksdorf: Volksleben in den Ermländersiedlungen der Eifel. Marburg/Lahn 1967, S. 204.

1967K2

U. Tolksdorf. Ebenda, S. 243.

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Tidsskrift for Redningsvaesen 1968, Nr. 9, S. 104—106 (Et saelsomt mode i Laese Rende).

1968H

1969K

Film von Henning Carlsen: Kiabautermanden. (Eng. Titel: We all are demons!)

1970K

Süddeutsche Zeitung, 14. 1. 1970 (Der Klabautermann hat das Nachsehen).

II. Meddenburgisdie Belege Quelle: Richard Wossidlo: Reise, Quartier, in Gottesnaam. Das Seemannsleben auf den alten Segelschiffen im Munde alter Fahrensleute. Rostock ’1959. Ergänzungen aus dem unveröffentlichten Material des Wossidlo-Archivs, Rostock. Die Aufschlüsse­ lung nach Erzählern und Aufzeichnungsdaten ist der freundlichen Hilfe von Herrn Dr. U. Bentzien, Rostock, zu danken. Die Zahlen nach den Gewährsleuten verweisen auf Seite/Absatz/Stück des genannten Werkes; in Klammern steht die Seitenzahl, wo der Beleg in der vorliegenden Arbeit ganz oder in größerem Umfang zitiert ist. * = eingesandt. 286,6,2 1890Klw Hadermann, Bögerende — (S. 140) 1890K2” Klänhammer, Bartelshagen 288,1,4 Köster, Seemann, Waren 292,2,2 -(S. 70) 1890Hw 286,7,3 1890K3” Frau Rewoldt, Nienhagen - (S. 124) 1892KV ’Büdner u. Brüdigam, Völkshagen 289,2,3 -(S. 71 f.) 1895K1” ’Alter Seemann, Wustrow unveröff. 286,7,1 1895K2’ Dunze, Bartelshagen 1896K” 'Hagedorn, Börgerende tw. 288,1,3

1910K” 1913K1” 1913K2” 1913K3W 1915K1” 1915K2* 1915H1’ 1915H2' 1916H1’ 1916H2" 1916H3’ 1916H4' 1916H5’

234

’Bobzien, Goldberg Gützloff, Rostock *Dr. Barnewitz, Warnemünde *Dr. Barnewitz, Warnemünde Voss, Warnemünde Wegner, Warnemünde Witt, Ribnitz Zander, Ribnitz Borgwardt, Ribnitz Burmeister, Ribnitz Conow, Ahrenshoop 1916K1’ Harms, Ribnitz Horn, Ribnitz Jäger, Ahrenshoop 1916K2W Jäger, Ahrenshoop

286,7,5 285,3,1 unveröff. unveröff. 286,3 285,5,2 unveröff. unveröff. unveröff. 292,6 292,2,1 287,4,4 291,3,2 290,4,2 286,5

—(S. 140) — (S. 184 f.)

— (S. 138) — (S.

53 A. 36)

-(S.

70 f.)

-(S. 71) — (S. 115 f.) -(S. 69)

1918H’ 1920H”

1922H“

1924H1"

1924H2’ 1924H3'

1925H1’

1925H2’ 1927H1' 1927H2’

1916K3* Möller, Ribnitz 1918K1* Bradhering, Althagen Pankow, Ribnitz 1918K2* Pankow, Ribnitz

=■ 1915K1” 286,1,3 -(S. 69) -(S. 71) unveröff. 285,2 -(S. 70)

Griese, Ribnitz 1920Kw Griese, Ribnitz 1922K1’ Möller, Ribnitz 1922K2’ Möller, Ribnitz Paepke, Körkwitz 1922K3* Umland, Ribnitz 1922K4* Umland, Ribnitz Holtz, Wustrow 1924K1” Holtz, Wustrow 1924K2” Horn, Wustrow Rickert, Wustrow Seitz, Althagen 1924K3* Seitz, Althagen 1924K4W Ein Mann aus Wustrow Andres, Dierhagen 1925K1W Brandt, Warnemünde 1925K2W Broders, Damgarten 1925K3W Güsslow, Rostock 1925K4* Hagemeister, Warnemünde 1925K5W Hagemeister, Warnemünde 1925K6W Holtfreter, Warnemünde 1925K7* Langhinrichs, Wustrow 1925K8W Martienssen, Doberan 1925K9’ Pries, Rostock 1925K10” Roschlaub, Brunshaupten 1925K11W Schröder, Kirchdorf 1925K12' Werner, Damgarten 1925K13" Westphal, Wismar; u. ö. 1925K14* Westphal, Wismar 1925K15” Wilcken, Kirchdorf 1925K16” Wilcken, Kirchdorf 1925K17” Wilcken, Kirchdorf 1925K18W Junger Mann in Rostock Ein Mann in Warnemünde 1925K19W Ein Mann in Warnemünde (?) Grahmkow, Kirchdorf Grahmkow, Kirchdorf

290,5 287,2,1 288,1,5 288,2 292,5 284,2,3 288,1,1 291,6 285,6,3 287,4,1 292,3,1 291,2,1 285,3,6 unveröff. 291,2,2 285,6,4 unveröff. 289,1,2 284,4 285,3,5 = 1915K1’ 286,7,6 286,1,1 286,7,4 287,3,2 286,4 285,5,1 290,2 unveröff. 287,4,2 289,1,1 290,1,2 287,1,2 unveröff. 287,3,3 291,4 291,5

-(S. 99) -(S. 36) — (S. 176) -(S. 71) —(S. 68) — (S. 181) — (S. 69) -(S. 69) — (S. 185) — (S. 140)

-(S.

70)

— (S. 68) — (S. 69) —(S. 139)

- (S. 179) -(S. 70) -(S. 71)

—(S. 139) — (S.

69)

-(S.

71) 235

1929K2"

Grahmkow, Kirchdorf Grahmkow, Kirchdorf Gramberg, Kirchdorf Hamm, Weitendorf a. P. Manderow, Kirchdorf Münz, Warnemünde Burmeister, Wismar, aus Poel Roloff, Wismar »Alm-Staben, Dierhagen Holtz, Warnemünde Schröder, Kirchdorf

287,2,2 287,2,3 287,4,3 286,7,2 tw. 291,1 285,3,2 284,1 285,1 286,7,7 290,4,3 287,3,1

1930K1" 1930K2" 1930K3" 1932K1" 1932K2" 1936K1W 1936K2" 1936K3" 1936K4" 1937K1" 1937K2"

Evers, Warnemünde Wildten (78j.), Warnemünde Schiffszimmermann X, Boizenbg. Boldt, Wustrow Vogt, Althagen Dreyer, Wismar Kremer, Wismar Westphal, Wismar Frau Wulf, Wismar ’Peters (82j.), Ribnitz »Peters (82j.), Ribnitz

unveröff. 285,3,4 284,3 285,3,3 289,2,1 287,3,5 284,2,1 285,6,1 284,2,2 285,4 287,3,4

1927K1" 1927K2” 1927K3" 1927K4"

1927H3" 1927K5W 1928K1" 1928K2" 1929K1"

1929H’

—Hl' —H2’ —H3" —H4’ —H5" —H6' —H7"

236

—Kl" »Alm-Staben, Dierhagen —K2" »Alm-Staben, Dierhagen —K3" Kapitänstochter Alm-Staben, Dierhagen —K4” »Dr. Barnewitz, Bützow —K5" Bradhering, o. O. —K6’ Hellriegel, Ribnitz N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. N. —K7" N. N. —K8’ N. N. —K9" N. N. —KIO’N. N.

_(S. 176)

-(S.

70)

-(S. 177)

-(S. 69) -(S. 124) -(S. 187) -(S. 180) -(S. 188) -(S. 71) -(S. 69) -(S. 176)

-(S. 123)

288,3 288,4

285,6,2 286,2 286,1,2 = 1915K1" 42,6,2 85,1,10 122,1,6 153,8,1 262,8 291,3,1 292,3,2 42,6,1 286,6,1 290,1,1 263,8

_(S. 184) -(S. 107)

-(S. 135) -(S. 71) _(S. 69) — (S. 103) — (S. 176) — (S. 178)

III. Baltische Klabautermann-Belege Quelle: Oskar Loorits: Der norddeutsche Klabautermann im Ostbaltikum. In: Sit­ zungsberichte der Gelehrten Estnischen Gesellschaft 1929. Turku 1931, S. 76—125. — Die Zahlenreihe nach dem Gewährsmann verweist auf die Seite in dem genannten Werk und gibt an, an wievielter Stelle der Beleg dort zitiert ist (nach dem Doppel­ punkt steht die Belegnummer); die Zahl in Klammern verweist auf die vorliegende Arbeit.

1894K1 1897K11 1897K21 1897K31 1898K1

L. Lepp-Wiikmann, Haljala Mustoja A. Kuldsaar, Jämaja A. Kuldsaar, Jämaja A. Pöld, Jämaja A. Kuldsaar, Jämaja

102,2 90,1 118,1 116,1 118,2

1921K* 1922K11 4922K21 1922K31 1922K41 1922K51 1922K61 1923K* 1924K11 1924K21 1924K31

J. Silberberg, Kuusalu Kolga P. Andzenou, 81 j., Sikrög D. Brenkou, 72j., Sikrög T. Demberg, 42j., Kohrög O. Skadin, 20j„ Koströg K. Spruojg, 27j., Sikrog K. Spruojg. 27j., Sikrög D. Leise, 46j., Livendorf Lüz P. A. Damberg, 15j., Sikrög P. A. Damberg, 15j., Sikrög P. A. Damberg, 15j., Sikrög

117,4 : 6 85,1 84,1 85,3 86,2 85,2 86,1 83,3 81 83,1 84,2

A. Lesk, Pöide, Laimjala T. Raet, Kihelkonna, Kotlandi (M. Tooms), Kihelkonna (M. Tooms), Kihelkonna B. Eromin, 23j., Pühalepa P. Kappel, 64j., Reigi P. Kappel, 64j., Reigi E. Kokk, Jämaja J. Kokk, Jämaja A. Metsniit, Muhu M. Schönberg, 74j., Noarootsi G. Välja, 66j„ Reigi L. Varb, 76j., Pöide Kap. Vanaselja, 46j., Reigi Kap. Vanaselja, 46j., Reigi Kap. Vanaselja, 46j., Reigi Kap. Vanaselja, 46j., Reigi (E. Espenberg), Reigi

117,1 107,1 94 105,1 104,2 120,1 121,1 89,4 93 96,1 78,1 97,4 95,2 98,1 114,1 115,3 117,3 111,2

1925K1 1926K11 1926K21 1926K31 1927K1' 1927K21 1927K31 1927K41 1927K51 1927K61 1927K71 1927K8' 1927K91 1927K101 1927K111 1927K121 1927K131 1927K141

: : : : :

4 3 1 1 2

— (S.

73)

:3

:2

: 1 :2 :2

:5

: 11 :4 : 12

:5

237

1928K1' 1928K2' 1928K31 1928K41 1928K51 1928K61 1928K71 1928K81 1928K91 1928K101 1928K.il1 1928K121 1928K131 1928K141 1928K151 1928K161 1928K17* 1928K181 1928K191 1928K201 1928K21* 1928K221 1928K23* 1928K241 1928K25* 1928K261 1928K271

J. Beekmann, 62j., Reigi J. Beekmann, 62j., Reigi J. Beekmann, 62j., Reigi H. Espenberg, 31 j., Reigi J. Espenberg, Reigi T. Juss, 83j., Emaste V. Kapel, 65j., Reigi P. Krinkol, 60j., Livendorf Lui G. Laur, 49j., Reigi G. Laur, 49j., Reigi F. Miller, 62j., Mustjala (J. Oengo: Ole Atlandi, 1928, S. 75) J. Salm, 64j„ Piiha J. Salm, 64j., Piiha J. Salm, 64j., Piiha J. Tikerpuu, Reigi J, Tikerpuu, Reigi K. Tikerpuu, 60j., Piihalepa Kap. Tösine, Piihalepa Kap. Tösine, Piihalepa H. Tuuling, 66j., Karja J. Vaher, 62j„ Mustjala S. und A. Viin, 57 u. 58j., Reigi S. und A. Viin, 57 u. 58j., Reigi S. und A. Viin, 57 u. 58j., Reigi (P. Ariste), Piihalepa (P. Ariste), Piihalepa

1929K11 P. Peetrimägi, 72j. 1929K21 H. Tampere, Kihnu 1929K31 E. T., in: Ztg. „Vaba Maa“, 20. 7. 29 1929K41 Mehrere Seeleute, Treimanni 1930K1* Kap. V. Dampf, Tallinn 1930K21 Kap. V. Dampf, Tallinn 1930K3* H. Espenberg, 26j., Reigi 1930K4* H. Espenberg, 26j., Reigi 1930K51 K. Kaamann, 57j., Tallinn 1930K61 M. Kuusmann, Tallinn, aus Kadrina 1930K71 E. Oengo, Tallinn 1930K81 Schriftsteller J. Oengo, Emaste 1930K91 H. Piibemann, 45j., Kadrina

238

109,3 120,2 121,2 111,1 107,3 117,2 110,2 83,2 102,1 109,1 116,2 104,1 88 95,1 114,2 101,1 109,2 108,2 110,1 115,1 89,3 119 101,2 103,1 120,3 108,1 115,2

:5 :2 :3

:4 :2

:3 :3 :2

-(S.

74)

-(S.

74)

_(S.

74)

-(S.

72 f.)

:3 :1 :4 : 1 : 1

: 1 :3 :2 : 1

92 A. 1 96,2 :6 96 A.

90,2 92,3 113 110,3 112 121,3 109,4 100,1 96,3 102,3

:3 :4 :6 :7 :5

-(S. 176 f.) -(S. 73)

I. Post (Kindheitserinnerung, Varbla) Seemann Pruuse, 54j., Stadt Pämu A. Romanov, 21 j., Haapsalu P. Sakkur, 68j., Pühalepa (40 J. auf See) 1930K141 G. Tikerpuu, 61 j., Pühalepa

1930K10* 1930K111 1930K121 1930K13'

—Kl1 —K2‘ —K3‘ —K4‘ —K5‘ —K6* —K7‘ —K8* —K9‘ —K10* —Kll1 —K121 —K131 —K14‘ —Kl 5* —Kl 6*

R. Dziadkovsky, geb. 1883, Pitrög T. Juss, Emaste Frau Loorits, Reigi N. N., Häädemeeste N. N., Jämaja N. N., Insel Kihnu N. N„ Pöide N. N., Püha N. N., Pühalepa N. N., Reigi N. N., Reigi N. N., Reigi N. N., Kusalu (Küste des finn. Meerb.) (Lied), Pitrög Marie Under; Ballade N. N., Karuse

98.2 : 13 110,4 : 4 78.2 106,1 - (s.

74)

108,3 :2 82 97,1 : 8 -(S. 73) 98 A. 88 92,2 87 107,2 89,1 89,2 92,1 -(S. 176) 97,2 :9 97,3 : 10 87 A. 1 82 87 A. 2 100

IV. Katalanische Geistersdiiff-Sagen Quelle: Juan Amades y José Tarin: Leyendas y tradiciones marineras. Barcelona 1954. Aus dem Abschnitt „Barcos fantasmas" (S. 43—49) werden hier die für uns wichtigen Geisterschiff-Sagen kurz skizziert. 1954H1» La barca d’en Guillem (S. 43) Die Bark „d’en Guillem ohne Steuer, Segel noch Riemen“ konnte in wenig mehr denn einer Stunde von Barcelona nach Amerika segeln. Sie wurde so sprichwörtlicher Ursprung für unordentliche Dinge und für schwierige Un­ terfangen, die mit unzureichenden Mitteln versucht werden. 1954H2* El barco de los esqueletos (S. 44) Das Schiff der Gerippe war völlig schwarz und zeigte an seinem Heck einen aufgemalten Totenschädel. Dieses verdammte Schiff war ein Pirat. Seine ketzerische und ungläubige Besatzung verhöhnte die heiligen Dinge. Kaum war die Mannschaft einst von einer Weihnachtsmesse, die sie hatte verhöh­ nen wollen, wieder an Bord, da „begann das Schiff von selbst eine rasende Fahrt, die für alle Ewigkeit dauern wird, ohne daß es je anhalten noch

239

einen Hafen berühren könnte. Dieses Schiff segelt stets außerhalb der Kurse und erscheint am Horizont, an dem sich seine Silhouette leichendüster und verderblich zeigt. Sein Anblick kündigt Schiffbruch und sichern Tod vor Ablauf von acht Tagen.“

1954H3a La nave del pirata Barba Roja (S. 44 f.) Der Seeräuber Rotbart tötete einen Priester während der Heiligen Messe. „Er bemächtigte sich des Pokals und des Allerheiligsten und warf beide ins Meer. Als er die Planken seines Schiffes betrat, begann dieses eine wilde Fahrt, die dauern wird, solange die Welt besteht." Es segelt gegen alle Winde durch alle Meere und verkündet äußerstes Unglück. 1954H41 Otro buque fantasma (S. 45) Als die ehemaligen Fischergefährten des heiligen Simon Petrus sahen, daß die Lehren Jesu siegten, beschlossen sie, alle seine Anhänger zu verfolgen, und stachen mit St. Peters Schiff in See. „Der alte Apostel verfluchte Schiff und Mannschaft als Ketzer und Ungetreue. Seitdem ist es verurteilt, ohne Ziel herumzustreifen, stets abseits der Kurse, ohne jemals Land zu erreichen, solange die Erde besteht. Es gibt Leute, die sehen das Schiff von Flammen umgeben und glauben, daß es vom Antichrist befehligt wird und von sei­ nen bösen Mannen, die ständig brennende Haarmähnen tragen, deren Flammen aus dem Schiffsrumpf zu kommen scheinen.“ 1954H5* La barca que navega sin descanso (S. 45—47) Das ruhelos segelnde Schiff gehört einem Seeräuber, der einst einen König gefangen nahm und ihn als Sklaven verkaufte. Es gelang dem König später, in seine Heimat zu fliehen. Als nach vielen Jahren der Pirat abermals an jene Küste verschlagen wurde, staunte er über die Güte des Königs, hielt ihn für dumm und brachte ihn wiederum gefangen auf sein Schiff. Da kam ein gewaltiger Strum auf. „Der Kapitän befahl, den König ins Wasser zu werfen, um die wilde See zu besänftigen. Und kaum berührte der arme König die Wogen, hörte die Sturmflut augenblicklich auf und der Monarch konnte mühelos das Ufer erreichen. In diesem Augenblick wehte der Wind mit Orkanstärke, daß es das Schiff aufs Meer jagte, ein Sturmwind, der nie aufgehört hat und durch die Jahrhunderte weiter weht, jedoch nur von dem verdammten Schiff gespürt wird, das ohne Unterlaß segeln muß.“

1954H6’ £/ barco del diablo (S. 47) Das Teufelsschiff war ein Zeichen sicheren Untergangs. Es umkreiste die in Seenot befindlichen Schiffe und löste sich dann plötzlich auf. „Dieses Schiff erschien, bevor der Sturm losbrach, so als brächte es ihn mit. Rumpf und Segel waren hochrot, seine Matrosen bärtig wie Ziegenböcke. Es erschien um­ geben von einem unheilvollen, stark roten Lichtschein.“ In der Nacht auf St. Johannes sammelten die Matrosen früherer Zeit am Strand bestimmte Kie­ sel, um sie zu gegebener Zeit gegen das Teufelsschiff zu schleudern, so des­ sen Zauber zu brechen und sich vor dem Schiffbruch zu retten. 1954H71 El „Vaixell Negre“ (S. 47 f.) Das schwarze Schiff ist unbemannt und nur mit den Gebeinen hunnischer Seeräuber beladen. Es erscheint stets in bedrohliche Nebel getaucht. — Die 240

Hunnen hatten elftausend christliche Jungfrauen getötet. Da wurden, die Henker zu strafen, zahlreidie Schiffe bewaffnet und auf See geschieht, wo sie alsbald einem gewaltigen Schiff der Hunnen begegneten. In einem wilden Kampf Bord an Bord wurden alle Hunnen von den Christen niedergemacht, und ein Sturmwind blies das verfluchte Schiff für ewig mit unbekanntem Ziel, das es nie erreichen wird, davon.

1954H8a La barca de las almas (S. 48 f.) „Während der neuntägigen Feier der Seelen glaubten die Seebären Barcelonetas in der Abenddämmerung im dunklen Dunst den Umriß des Seelen­ schiffes zu sehen, ein riesiges Schiff, bemannt von den Seelen der ertrunke­ nen Seeleute.“ „Ebenso erschien um Mitternacht des Totentages am Horizont das Toten­ schiff („barca dels morts“), mit schwarzem Rumpf, düster und trübselig, bemannt von allen Ertrunkenen des letzten Jahres.“

241

Literaturverzeichnis Um das Literaturverzeichnis zu entlasten, werden jene Werke, die ausschließlich als Belegquelle dienen und im Belegregister vollständig zitiert sind, nicht noch einmal aufgeführt. Vereinzelt erwähnte Literatur ist nur an der betreffenden Stelle in den Anmerkungen genannt. Für benutzte Archive sei auf das Vorwort verwiesen.

Abkürzungen:

ADB = Allgemeine Deutsche Biographie. Hg. Historische Commission bei der König­ lichen Akademie der Wissenschaften. 56 Bde. Leipzig 1875—1912. HDA = Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Hg. H. Bäditold-Stäubli und E. Hojjmann-Krayer. 10 Bde. Berlin und Leipzig 1927—1942. Amades, Juan y Tarin, Jose Amelung, Arthur und Jänidee, Oskar Anglia Arnaudoff, Janaki

Bakken, Asbjörn Bartsth, Karl

Bassett, Fletcher S. Bausinger, Hermann

Bausinger, Hermann

Bausinger, Hermann Bedeer, Heinrich

Bellmer, Dietrich

242

Leyendas y traditiones marineras. Barcelona 1954.

Deutsches Heldenbuch. Teil III, Bd. 1: Ortnit, S. 1—77. Berlin 1871. Beiblatt. Mitteilungen aus dem gesamten Gebiete der engli­ schen Sprache und Literatur. Halle a. d. Saale 1891 ff. Wilhelm Hauffs Märchen und Novellen. Quellenforschungen und stilistische Untersuchungen. Diss. München 1915. Vi prater om overtro til sjas. In: Vestfold-Minne 1961, Skib og sjofolk. Vestfold 1961, S. 121—127. Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg. 2 Bde. Wien 1879—80. Legends and Superstitions of the Sea and of Sailors in all Lands and at all Times. London 1885. Sage — Märchen — Schwank. Ein Weg zum Verständnis dichterischer Formen. In: Der Deutschunterricht 8 (1956), Heft 6, S. 37—43. „Historisierende“ Tendenzen im deutschen Märchen seit der Romantik. Requisitverschiebung und Requisiterstarrung. In: Wirkendes Wort 10 (1960), S. 279—286. Volkskultur in der technischen Welt. Stuttgart 1961. Schiffervolkskunde. Grundlegung der Volkskunde eines nicht­ bäuerlichen Standes. (= Volk. Ergänzungsreihe, Bd. 3). Halle a. d. Saale 1937. Der Klabautermann. In: Illustrierter Deutscher Flotten-Kalender für 1935 (33. Jg.), Minden i. W. (1934), S. 72—75.

Benkert, J. A.

Das Meer ist tausend Wunder voll ... Deutsche Meersagen. In der ursprünglichen Form aus Chroniken, mündlichen und schriftlichen Quellen. Berlin 1939. Benkert, J. A. Fluß- und Meeressagen. Heidelberg und München 1961. Benwell, Gwen Töchter des Meeres. Von Nixen, Nereiden, Sirenen und Tri­ und Waugh, Arthur tonen. Hamburg 1962. Berendsohn, Walter A. Grundformen volkstümlicher Erzählkunst in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Hamburg 1922. Bern, Maximilian Ahoi! Deutsche Meereslyrik. Für alle Freunde deutscher See­ fahrt und der deutschen Flotte ausgewählt. Berlin o. J. Blunck, Hans Friedrich Deutsche Heldensagen. Berlin 1938. Blunck, Hans Friedrich Nordseesagen. Stuttgart 1960. Bedker, Laurits Folk Literature (Germanic). (= International Dictionary of Regional European Ethnology and Folklore, Vol. II). Kopen­ hagen 1965. Sea Slang. A Dictionary of the Oldtimer’s Expressions and Bowen, Frank C. Epithets. London o. J. Breusing, A. Die Lösung des Trierenrätsels. Die Irrfahrten des Odysseus nebst Ergänzungen und Berichtigungen zur Nautik der Alten. Bremen 1889. The Reader's Handbook of Allusions, References, Plots and Brewer, E. Cobham Stories. London ’1882. Fra skibsfarten i 60-ärene. In: Vestfold-Minne 1961, Skib Bull, H. I. og sjofolk. Vestfold 1961, S. 13—18. Burkhardt, Albert Sagen und Märchen der Insel Rügen. Berlin 1957. Zur Psychologie der Erlebnissage. Diss. Zürich 1951. Burkhardt, Heinrich Camoens, Luis de

Correa, Gaspar

Doomkaat Koolman, J. ten Dykstra, Waling

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Feilberg, H. F. Feilberg, H. F.

Feilberg, H. F. Fode, Gorch

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Gemdt, Helge

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Loorits, Oskar Loorits, Oskar

Loorits, Oskar Lowes, John Livingston Lübbing, Herrn.

Lund, Kaj

Luserke, Martin Lutz, Rudolf

Lyser, J. P.

Lyser, J. P.

Megenberg, Konrad von Mensing, Otto

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Radermacher, Ludwig Randow, Heinz

Ranke, Kurt

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Röhrich, Lutz Röhrich, Lutz

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250

Register Nicht aufgenommen wurden Stichwörter aus den Fußnoten und aus dem Anhang.

L Personenverzeichnis Albert Victor, Prinz 58, 93, 143 Andersen, H. C. 153 Arentz, Kap. 18, 19 Arndt, E. M. 120 Asbjornsen, P. C. 51 Baier, R. 43, 44 Bartsch, K. 44, 47, 103 Bassett, F. S. 62, 108 Bassett, W. 3 Bausinger, H. 195, 208, 210 Becher, H. 213 Bergstrand, C. M. 77 Bern, M. 65 Binder, H. 83 Bücher, S. S. 19, 42, 51, 201 Blum, G. 51, 55, 205 Blunch, H. F. 78, 80,95, 108,112,128, 208 Brachvogel, A. E. 63 Breusing, A. 59, 154 Brinckman, J. 96

Camös, L. de 166, 207 Campbell, T. 21 Claudius, H. 182 Clements, R. 83 Colridge, S. T. 20, 214 Cooper, J. F. 21, 22, 109, 179 Correa, G. 166, 167

Diaz, B. 166 Dietsch, P. L. P. 39 Dreisen, J. 58 Droste-Hülshoff, A. von 29 Duis, H. 81 Dykstra, W. 49, 77, 108, 162, 169

Engert, R. 3, 166—168, 173, 207 Erixon, S. 194 Eschels, J. J. 154 Fathschild, T. 57 Feilberg, H. F. 119 Fitzball, E. 21, 37, 38, 107, 205 Fock, Gorch 7, 10, 77, 81, 95, 102 Folkers, J. 138 Frahm, L. 63, 64 Freuchen, P. 85, 107, 114 Fulton, R. 60

Gaidoz, H. 156 Gama, V. da 166, 170, 171 George, Prinz 58, 93, 143 Gerstäcker, F. 50, 51, 94, 102, 116, 132 Golther, W. 3 Grimm, Brüder 15, 100 Gyllemborg-Ehrensvärd, T. 51 Hahn, E. 211 Hans, A. 81 Hauff, W. 16, 19, 111, 112, 114, 205 Hävernicfc, W. 160 Heims, P. G. 62, 108. 154 Heine, H. 13—15, 19, 30, 36—39, 59, 95, 102, 104, 107, 110, 112, 115, 116, 160, 175, 177, 197, 205, 206 Hennig, R. 78, 107, 127, 153 Hering, E. 207 Heym, G. 81, 107 Hilgendorf, Kap. 170, 210 Holz, A. 64 Hey, C. T. 66, 207 Hudtwalcker, M. H. 14, 15, 37, 38, 115, 131, 203, 205 Hugo, V. 51 251

Ingemann, B. S. 201 Irving, W. 22, 23, 93, 178

Jahn, U. 44 Jal, A. 26, 63, 85, 94, 113, 115, 116, 131, 136, 167, 172, 182, 207 Jensen, V. J. 81 Jerrold, D. 21 Jolies, A. 148 Juel-Hansen, E. 84

Kalif, G. 3, 170, 173 Karstens, H. 78 Kircheiss, C. 83, 210 Kopisch, A. 54, 65, 124, 187 Kretzenbadier, L. 1, 213, 214 Kristensen, E. T. 45, 76, 96, 108 Kuhn, A. 42, 44, 104 Künzig, J. 119

Lafontaine, J. de 9 Leip, H. 82, 95, 102, 121, 138, 180, 208 Lie, J. 52 Loewenthal, E. 14 Longfellow, H. W. 53, 54, 93, 94, 104, 116, 124, 132, 206 Loorits, O. 72, 96, 101, 199 Lübbing, H. 77 Luserke, M. 80, 102 Lussenburg, J. 115 Lutz, G. 195 Lyser, J. P. 32, 33, 36, 50, 54, 104, 111, 114—116, 132, 205, 206, 212 Mackensen, L. 77 Maitland, D. 58, 184 Manry, R. 155 Marryat, F. 10, 21, 33, 34, 36, 37, 39, 48, 63, 95, 102, 107, 108, 111, 112, 115, 130, 131, 149, 197, 198, 201, 205, 206, 212 Matl, J. 202 Megenberg, K. von 2 Merckel, F. 37, 181 Meyer, G. F. 75, 95, 101 Mikkelsen, E. 84 Moller, H. P. 86 Moller, H. T. 88, 89, 184 Moore, T. 10, 20, 175 Morgenstern, C. 81

252

Mügge, T. 51 Müllenhoff, K. 156

Neale, W. J.

42, 46, 76, 95, 118, 133,

21

O’Reilly, J. B. 52 Oswald, s. Hudtwaldcer Owens, Kap. 25

Peuckert, W.-E. 148, 207 Pieske, C. 4, 75 Poe, E. A. 21 Poeck, W. 80, 181 Pyper, W. N. 36

Radermacher, L. 161 Raigersfeld, J. Baron de 23, 25,93,111, 113, 159, 166, 168, 170, 171, 173, 177, 179, 184 Reiter, K. 183 Reuß-Löwenstein, H. 81, 95 Ribsskog, B. 87 Richter, T. F. M. 14, 15, 92, 94, 113, 183 Riehl, W. H. 5, 195 Rodiow, G. von 65 Rohde, H. 184 Röhrich, L. 142 Russell, C. W. 63 Rydberg, V. 63, 96

Salis-Soglio, E. von 81 Schiller, F. von 57 Schmidt, F. 211 Schmidt, L. 5, 192, 194, 195, 207 Schou, O. 84 Schröder, H. 118, 162 Schücking, L. 55 Schwartz, W. 42, 44, 104 Scott, W. 20, 111, 116, 165, 172, 175 S£billot, P. 62 Selk, P. 64 Shay, F. 94 Smidt, H. 1, 10, 17—19, 30, 32, 33, 37, 40, 49, 50, 92—94, 102, 108, 115, 116, 120, 128, 131, 132, 154, 172, 175, 187, 205 Sorensen, J. P. 193 Stammler, W. 156, 213 Stamsö, T. 83

Sternberg, A. von 30, 32, 33, 40, 50, 92, 96, 102, 104, 115, 116, 121, 131, 197 Sternhagen, H. 64 Stöcker, O. 88, 89, 155 Storm, T. 51, 138, 205 Stradcerjan, L. 43 Temme, I. D. H. 40, 44, 46, 96, 100, 104, 109, 205 Thiele, J. M. 42, 45 Thompson, S. 109, 119

Wagner, R. 3, 33, 36, 37, 39, 48, 59, 63, 65, 66, 88, 91, 99, 107, 112, 115, 126, 131, 163, 197, 205, 206

Weiser-Aall, L. 119 Weiß, R. 194, 195 Werner, R. 43, 50, 62, 102, 121, 123, 125 131, 136, 193, 201, 205, 206 Wigström, E. 44 Witt, E. 36 Wolf, J. 42, 46 Wolff, J. 63, 108, 205 Wolff, O. L. B. 65 Wossidlo, R. 1, 2, 10, 36, 40, 68—71, 75, 92, 96, 101, 103, 104, 108, 115, 118, 122, 133, 147, 163, 165, 166, 177, 185 Zaunert, P. 77 Zedlitz, J. C. Freiherr von

29

II. Ortsverzeichnis Ahrenshoop 68 Amsterdam 17, 34, 37, 38, 71, 72, 110, 114, 115, 169, 172 Angeln 95

England 20, 21,37, 60, 65, 75, 107, 116, 197 Englischer Kanal 44, 163, 200 Estland 74, 117, 120, 123, 125

Baltikum 72, 96, 101, 104, 123, 125, 129, 143, 158, 159, 162, 181, 184, 185, 198, 199, 200 Batavia 48—50, 168, 169 Bornholm 2, 74, 75 Bottnischer Meerbusen 69 Bremen 60, 179 Bremerhaven 70 Bretagne 94

Feje, Insel 185 Finnland 75, 96, 198 Flensburg 176 Föhr, Insel , 76, 95, 118, 182 Frankreich 60, 64, 75, 94, 107, 177, 197 Friesland 77, 158, s. a. Nord-, Ostfries­ land

Cuxhaven

209

Dagö, Insel 72, 96, 117 Damgarten 68, 70 Dänemark 18, 19, 75, 76, 92, 95, 96, 101, 117, 120, 125, 127, 137, 177, 178, 182, 199, 200 Danzig 64, 176 Delve 62, 144 Diego Ramirez, Insel 26 Dithmarschen 62, 75, 95, 165 Dover 18, 205 Dragor 45 Dükkermühle 86 Eismeer, südl. Elmshorn 75

20

Gilleleje 76 Göttingen 118, 182 Großbritannien, s. England

Hamburg 14, 39, 60, 64, 89, 209 Helgoland 33, 62, 81, 116 Helsingor 71, 84 Holland, s. Niederlande Horsen 45 Hudson 23, 60 Hundested 87 Indischer Ozean 23, 113, 114, 168, s. a. Ostindische Gewässer

Java 48, 49, 169 Jütland 65, 95 253

Kap der guten Hoffnung 14, 15, 17, 21—26, 34, 40, 48—50, 63, 70, 71, 88, 102, 109, 111—113, 116, 128, 131, 132, 144, 154, 166—168, 170, 172, 198, 207, 210 Kap Hoorn 26, 49, 51, 64, 66, 70, 83— 86, 88, 111, 113, 128, 142, 144, 154, 165, 170, 207, 210 Kap Kullen 2 Kap Lizard 209 Kapstadt 110 Katalanien 94, 197 Kattegatt 179 Kopenhagen 45 Kikhavn 87 Kuba 46, 144, 200 Kuiper, Insel 49 Laplatastrom 16, 17 Laese 76 Libau 117 Lima 17 London 17, 21, 37—39, 110, 172 Lübeck 95, 118

Madagaskar 24, 168 Man, Insel 94, 160 Marstal 76 Mecklenburg 44, 60, 68, 70, 72, 96, 101, 103, 104, 116, 118, 122, 177, 181, 198 Mittelmeer 2, 54, 113 Montevideo 153

Neu-Holland 22 Neuwerk, Insel 2 (Nieder-)Elbe 77, 78, 95, 116, 181, 209 Niederlande 24, 37, 48, 60, 65, 66, 81, 94, 101, 162, 166, 168, 171, 177, 181, 197, 198 Niedersachsen 95 Niuwediep 70 (Nord-) Amerika 52, 60, 62, 92,93,116 Norddeutschland 10, 40, 92, 104 Norderney, Insel 13, 14, 37, 95, 104, 116 Nordfriesland 63 Norwegen 60,65,85, 88, 95,117

Olandsinseln 96 Oldenburg 43, 95, 116 254

Onrust, Insel 169 ösel, Insel 72, 96, 117 Ostfriesland 43, 44, 95, 116, 118, 181 (Ost-) Indien 17, 24, 48, 49, 70, 71, 78, 84, 116, 168 Ostindische Gewässer 10, 113

Pazifik 76, 200 Peru 17, 172 Poel, Insel 104, 118 Pommern 40, 41, 44, 75, 96, 116, 118, 121, 158 Rhein 187 Rheinland 182 Ribnitz 68 Riga 39, 70, 117, 143, 200 Renne 75 Rostock 60, 68, 71 Rügen 32, 40, 43, 44, 96, 156, 175 St. Lorenz 10, 156 St. Thomas 14 Schleswig-Holstein 42, 46, 63, 75, 76, 95 Schonen 96 Schweden 75, 96, 117, 198 Schwerin 118 Shetländische Inseln 30 Skandinavien 51, 107, 117, 127, 158, 162, 197 Sörup 64 Spanien 16, 17, 172 Stockholm 44, 200 Stralsund 53 Suez-Kanal 170 Svendborg 45 Sylt, Insel 95

Tafelbucht 15, 23, 34, 49, 111 Tanger 25 Themse 163 Torekov 44 Vejre, Insel

76

Warnemünde 68 Westindien 113 Wight, Insel 13 Wismar 68, 70, 71, 118, 179 Wustrow 48, 68

III. Sachverzeichnis Ahasverus, s. Ewiger Jude Albatros 20 Alberich 161 Alraune 160 Antike 2, 171 Äquatortaufe 185, 188 Arbeitslied 8 Ausland, Das (Zeitschrift) 48, 107, 132

Beglaubigung 104, 132, 137, 140, 157, 190 Bibel 37, 76, 77, 110, 160, 201 Blackwood’s Edinburgh Magazine 21, 33, 37, 93, 107, 114, 115, 128, 131, 166, 172, 205, 206, 212 Bootsumzug 185 Brief (-Motiv) 14, 15, 31, 34—37, 41, 49, 114—116, 127, 128, 131, 149, 159, 169, 205, 211 Brownie 94, 119, 160

Carmilhan

33, 53

Geisterdampfer 152 Goblin 94 Gödeke Michel 81 Halluzination 155 Hänseln 186 Hausgeist 10, 42, 94, 95, 119, 141, 161—163, 173, 198—200, 207 Heilsarmee 201 Heimat 199, 201 Hexe 13 Historismus 212 Holz, gestohlenes 122 Hufeisen 37, 38

Justus von Wetter

78, 79, 159

(Kar-) Freitag 50, 51, 84, 102, 110, 142, 164, 178 Kap-Geist 167 Kinderseele 41, 122, 123, 133, 162, 198, 207 Kobold 23, 118, 119, 162, 163

Daheim (Zeitschrift) 50, 108 Dampfschiff, Dampfer 60, 120,152,202 Dansk Folkemindesamling 75, 101

Laeisz, Reederei 61, 208 Lebermeer 2 Lügengeschichte 82, 87, 112, 136, 160

Erdmännchen 117, 162, 198 Ewiger Blüser 48, 96, 104, 164 Ewiger Fuhrmann 164 Ewiger (wilder) Jäger 55, 164, 165 Ewiger Jude 55, 163, 164

Magnetberg 2 Märchen 121, 136, 157, 190 Meeresfee 81 Meerfrauen, -männer 178 Meerwunder 2 Memorat 143, 144 Morgenblatt, Stuttgarter 16, 108, 111, 131 Motivwanderung 198 Münchhausen 78, 183

Falkenberg, Herr von 46, 85, 108, 114, 197 Fata Morgana 69, 76, 153 Fatter Jas 169 Feiertagsfrevler 149 Fischerboot 120 Flußschiff(fahrt) 60, 120 Flying-P-Liner 208—210 Fokke (Fokken, Fokkes, Focke, Fock) 48, 49, 63, 77, 78, 80, 94, 95, 107, 108, 110, 112, 116, 127, 128, 132, 142, 168, 169, 172, 173, 197, 210 Fortsetzungszwang 148, 149 Freimaurer 75, 121, 209, 210

Nachspuk 159 (Nacht-) Kreuzer 22, 40, 41, 96, 101, 104, 109, 113, 166, 212 Nachtmar 20 Navigationsakte 60 Neptun 185, 188

Objektivitätsgrad 101, 102 Ortnit 161 Ozeangeist 84, 122, 127, 173, 199 255

Potosi, Vollschiff 208—210 Preußen, Vollsdiiff 89, 208—210 Pudel 17,49,114,165,169 Puk 42, 117, 121

Teufelspakt HO, 114, 116, 128, 164, 165, 169, 208 Tod 80 Troll 84, 198

Quellenwert

Unglücksmotiv 155

102, 105

Rahmenerzählung 132 Realitätswert 177 Requisiterstarrung 153, 208 Requisitversdiiebung 207, 208 Repräsentanz 103, 104 Romantik 8, 11, 126, 172, 211

St. Elmsfeuer 113, 155, 159 St. Phokas 116, 171 Schiffbrüchige 86, 125, 163 Schiffsbibliothek 11, 201 Schiffsjournal 18, 95 Schwank 82, 140, 144, 184, 191 Seejungfrauen 2 Sentimentalität 149, 210 Sportsegler 89, 202 Störtebeker 81, 82, 107 Streckform 118 Sundriese 3 Teufelsbündner

121, 127, 159, 210

107, 115, 116, 125, 127,

Van der Decken (Vanderdecken) 34,37, 50, 55, 58, 66, 102, 107, 108, 114, 131, 142, 168, 172, 183, 206, 207 Van (der) Straten 50, 51, 63, 102, 107, 108, 110, 142, 168 Van Diemen 58, 107, 108, 179 Van Evert 17, 107, 108, 168, 172 Van Halen 107, 108 Variabilität 142, 147, 159 Verwünschte Insel 10 Volksbuch 164, 212 Vorspuk 158 Vorzeichen 75, 86, 127, 143, 145, 158, 159, 197

Wafeln 158 Wiedergänger 131, 163 Wrack 75, 120, 153

Zauberwurzel

160, 161, 173

IV. Abbildungsverzeidinis Abbildung

1: Ernst Bosch (1834—1917), Der fliegende Holländer.

Abbildung

2: Joh. Gehrts, Der fliegende Holländer (1887).

Abbildung

3: J. P. Lyser, Der Klabotermann (1838).

Abbildung

4: Wilhelm Diez, Vignette (1869).

Abbildung

5: Der Klabautermann, Zeitschrift-Illustration (1933).

Abbildung

6: Karel Sediv^, Der Klabautermann zeigt sich auf dem Schiff (1890).

Abbildung

7: Der Klabautermann, Schülerzeidmung (um 1930.)

Abbildung

8: Der Klabautermann, Buchillustration (1936).

Abbildung 9: Oscar Knudsen, Der Klabautermann (1968).

Abbildung 10: Der Klabautermann, Zeitungsillustration (1965). 256

Abbildung 1 Ernst Bosch (1834—191 7): Der fliegende Holländer (Ausschnitt). Nach Paul Gerhard Heims: Seespuk. Aberglauben, Sagen und Legenden. Bearbeitet von Fritz BrustatNaval. Stuttgart 1965. S. 113. — Druck bereits in: Daheim. Ein deutsches Familien­ blatt 3 (1867), S. 220.

Abbildung 2

Job. Gehrts: Der Fliegende Holländer (1887). Nach Paul Gerhard Heims: Seespuk. Aberglauben, Märchen und Schnurren. Leipzig 1888, bei S. 96.

Abbildung 3

J. P. Lyser: Der Klabotermann. Nadi J. P. Lyser: Abendländische Tausend und eine Nadir. 15 Bde. Meißen 1838—40; Bd. 4, Tirelkupfer.

Abbildung 4

Wilhelm Diez-. Vignette. Nach R. Werner: Das Buch von der Norddeutschen Flotte. Bielefeld und Leipzig 1869, S. 278.

Abbildung 5 Der Klabautermann. Nach Hen­ ning Henningsen: Gammel overtro om skibsbygnig og sofart II. In: HSM-Helsingor 16 (1964); Nr. 1, S. 17 (aus „Vikingen“ 1933).

Abbildung 6 Karel Sedivy: Der Klabautermann zeigt sich auf dem Schiff. Nach Vorlage im Han­ dels- og Sofartsmuseet pä Kronborg, Helsingor (aus „Illustreret Familie-Journal“ 1890).

Abbildung 7

Der Klabautermann. Zeichnung einer Schülerin. Nach Oskar Loorits: Der norddeutsche Klabautermann im Ostbaltikum. In: Sitzungsberichte der Gelehrten Estnischen Ge­ sellschaft 1929. Turku 1931, S. 99.

Abbildung 8

Der Klabautermann. Nach Knurrhahn, Sccmannslieder und Shantics. Gesammelt und bearbeitet von R. Baltzer. Kiel 61941, S. 85.

Abbildung 9

Oscar Knudsen: Der Klabautermann. Nadi ,,Marsk-postcn“, April 1968, S. 18.

Abbildung 10

Der Klabautermann. Nach ,,Hamburger Morgenpost“, 13. 12. 1965.